Rede:
ID1721433100

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 1
    1. \n: 2
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 17/214 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 214. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012 I n h a l t : Glückwünsche zum Geburtstag der Abgeord- neten Dr. Heinz Riesenhuber und Ute Kumpf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wahl des Abgeordneten Dr. Stefan Ruppert als stellvertretendes Mitglied des Gemeinsa- men Ausschusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Absetzung der Tagesordnungspunkte 35 und 46 b . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erweiterung und Abwicklung der Tagesord- nung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachträgliche Ausschussüberweisungen . . . . Tagesordnungspunkt 5: Abgabe einer Regierungserklärung durch die Bundeskanzlerin zum Europäischen Rat am 13./14. Dezember 2012 in Brüssel . . . . . . . . Dr. Angela Merkel,  Bundeskanzlerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sigmar Gabriel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Otto Fricke (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Dr. Michael Meister (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Rainer Stinner (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Dietmar Nietan (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU) . . . . Bettina Kudla (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Thomas Silberhorn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 6: a) Antrag der Abgeordneten Swen Schulz (Spandau), Dr. Ernst Dieter Rossmann, Dr. Hans-Peter Bartels, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der SPD: Studien- finanzierung sozial gerecht gestalten – Studiengebühren abschaffen und BAföG stärken (Drucksache 17/11823) . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Nicole Gohlke, Agnes Alpers, Matthias W. Birkwald, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Studiengebühren jetzt bundes- weit abschaffen (Drucksache 17/11824) . . . . . . . . . . . . . . c) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Neunzehnter Bericht nach § 35 des Bun- desausbildungsförderungsgesetzes zur Überprüfung der Bedarfssätze, Freibe- träge sowie Vomhundertsätze und Höchst- beträge nach § 21 Absatz 2 (Drucksache 17/8498) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) . . . . . . . . . Dr. Stefan Kaufmann (CDU/CSU) . . . . . . . . Dr. Diether Dehm (DIE LINKE) . . . . . . . . . Patrick Meinhardt (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Monika Grütters (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Marianne Schieder (Schwandorf) (SPD) . . . Dr. Martin Neumann (Lausitz) (FDP) . . . . . . Nicole Gohlke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 26191 A 26191 B 26191 C 26191 C 26193 D 26194 C 26194 C 26199 A 26202 C 26204 B 26207 A 26209 C 26211 C 26212 C 26213 D 26215 B 26216 C 26218 B 26218 B 26218 C 26218 D 26220 B 26222 B 26223 C 26225 B 26228 B 26229 C 26231 C 26233 A Inhaltsverzeichnis II Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012 Dr. Annette Schavan, Bundesministerin  BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lars Klingbeil (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tankred Schipanski (CDU/CSU) . . . . . . . . . Michael Kretschmer (CDU/CSU) . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 46: a) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Lebensmittel- und Fut- termittelgesetzbuches sowie anderer Vorschriften (Drucksache 17/11818) . . . . . . . . . . . . . . . c) Antrag der Abgeordneten Nicole Maisch, Ingrid Hönlinger, Jerzy Montag, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Unseriöses In- kasso eindämmen (Drucksache 17/11837) . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 2: a) Erste Beratung des vom Bundesrat einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Än- derung des Energiewirtschaftsgesetzes (Drucksache 17/11369) . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Dr. Joachim Pfeiffer, Dr. Heinz Riesenhuber, Nadine Schön (St. Wendel), weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Martin Lindner (Berlin), Claudia Bögel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Innovation stärken und Lust auf Technik wecken (Drucksache 17/11859) . . . . . . . . . . . . . . . c) Antrag der Abgeordneten Jens Spahn, Dietrich Monstadt, Michael Grosse- Brömer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Ab- geordneten Heinz Lanfermann, Jens Ackermann, Rainer Brüderle, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Revision der europäischen Medizinpro- dukte-Richtlinien: Vertrauen wieder herstellen – Patientensicherheit bei Me- dizinprodukten muss erste Priorität sein (Drucksache 17/11830) . . . . . . . . . . . . . . . d) Antrag der Abgeordneten Petra Crone, Angelika Graf (Rosenheim), Christel Humme, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Diskriminierung ab- bauen – In jedem Alter (Drucksache 17/11831) . . . . . . . . . . . . . . . e) Antrag der Abgeordneten Siegmund Ehrmann, Angelika Krüger-Leißner, Petra Ernstberger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Die soziale und wirtschaftliche Lage der Kultur- und Kreativschaffenden verbessern (Drucksache 17/11832) . . . . . . . . . . . . . . f) Antrag der Abgeordneten Heike Hänsel, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Friedensdialog in Kolumbien aktiv unterstützen (Drucksache 17/11839) . . . . . . . . . . . . . . g) Antrag der Abgeordneten Thilo Hoppe, Hans-Christian Ströbele, Ingrid Hönlinger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: EU – La- teinamerika: Partnerschaft für eine so- zial-ökologische Transformation (Drucksache 17/11838) . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 47: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Auswandererschutzgesetzes (Drucksachen 17/11047, 17/11772) . . . . . b) Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zu den Vor- schlägen für einen Beschluss des Rates über die Unterzeichnung und für einen Beschluss des Rates über den Abschluss des Abkommens zwischen der Europäi- schen Union und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Zusammen- arbeit bei der Anwendung ihres Wett- bewerbsrechts (Drucksachen 17/11050, 17/11888) . . . . . c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu der Verordnung der Bundesregierung: Zweite Verordnung zur Änderung der Deponieverordnung (Drucksachen 17/11475, 17/11614 Nr. 2.1, 17/11732) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses: zu den Streitverfah- ren vor dem Bundesverfassungsgericht 2 BvR 1561/12, 2 BvR 1562/12, 2 BvR 1563/12 und 2 BvR 1564/12  (Drucksache 17/11799) . . . . . . . . . . . . . . e)–j) Beratung der Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses: Sammelüber- sichten 499, 500, 501, 502, 503 und 504 zu Petitionen 26235 A 26237 C 26239 C 26240 D 26242 B 26242 B 26242 C 26242 C 26242 C 26242 D 26243 A 26243 A 26243 A 26243 B 26243 C 26244 A 26244 A Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012 III (Drucksachen 17/11679, 17/11680, 17/11681, 17/11682, 17/11683, 17/11684) . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 3: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Omid Nouripour, Volker Beck (Köln), Marieluise Beck (Bremen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Den am 12. September und am 4. Oktober 2001 ausgerufenen NATO-Bündnisfall been- den (Drucksachen 17/11555, 17/11739) . . . . . b)–i) Beratung der Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses: Sammelübersich- ten 505, 506, 507, 508, 509, 510, 511 und 512 zu Petitionen (Drucksachen 17/11862, 17/11863, 17/11864, 17/11865, 17/11866, 17/11867, 17/11868, 17/11869) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 4: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion DIE LINKE: Geplante Schließung bei Opel Bochum verhindern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sevim Dağdelen (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Dr. Matthias Heider (CDU/CSU) . . . . . . . . . Hubertus Heil (Peine) (SPD) . . . . . . . . . . . . . Dr. Martin Lindner (Berlin) (FDP) . . . . . . . . Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär  BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Tiefensee (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Pascal Kober (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Alexander Ulrich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Thomas Jarzombek (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Axel Schäfer (Bochum) (SPD) . . . . . . . . . . . Ernst Hinsken (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Carsten Linnemann (CDU/CSU) . . . . . . . Tagesordnungspunkt 7: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Ausführungsgesetzes zur Verordnung (EU) Nr. 648/2012 über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister (EMIR-Ausführungsgesetz) (Drucksachen 17/11289, 17/11690, 17/11883) Klaus-Peter Flosbach (CDU/CSU) . . . . . . . . Lisa Paus (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Carsten Sieling (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Björn Sänger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Axel Troost (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Lisa Paus (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peter Aumer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Manfred Zöllmer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Ralph Brinkhaus (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Lisa Paus (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lothar Binding (Heidelberg) (SPD) . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 8: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Arbeit und Soziales zu dem An- trag der Abgeordneten Raju Sharma, Jan Korte, Sevim Dağdelen, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion DIE LINKE: Grund- rechte der Beschäftigten von Kirchen und kirchlichen Einrichtungen stärken (Drucksachen 17/5523, 17/10872) . . . . . . . . Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) . . . Ottmar Schreiner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) . . . . . . . . . . . . . Raju Sharma (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Otto Fricke (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulrich Lange (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Kerstin Griese (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) Dr. Stefan Ruppert (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 9: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die energetische Modernisierung von vermietetem Wohn- raum und über die vereinfachte Durch- setzung von Räumungstiteln (Mietrechts- änderungsgesetz – MietRÄndG) (Drucksachen 17/10485, 17/11894) . . . . . 26244 B 26244 D 26245 A 26246 A 26246 A 26247 B 26248 C 26250 A 26251 A 26252 B 26254 A 26255 B 26256 C 26258 A 26259 A 26260 B 26262 A 26263 A 26263 B 26263 D 26265 C 26267 A 26268 C 26269 D 26271 A 26272 A 26273 A 26274 C 26275 B 26276 C 26276 C 26278 A 26279 A 26279 D 26280 D 26281 B 26282 B 26283 B 26284 A 26285 A 26285 D IV Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012 b) Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses – zu dem Antrag der Fraktion der SPD: Soziales Mietrecht erhalten und kli- magerecht verbessern – zu dem Antrag der Abgeordneten Heidrun Bluhm, Halina Wawzyniak, Dr. Kirsten Tackmann, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion DIE LINKE: Wohnen muss bezahlbar bleiben – zu dem Antrag der Abgeordneten Daniela Wagner, Ingrid Hönlinger, Bettina Herlitzius, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Mietrechtsnovelle nutzen – Klimafreundlich und be- zahlbar wohnen (Drucksachen 17/9559, 17/10776, 17/10120, 17/11894) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stephan Thomae (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Ingo Egloff (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Jan-Marco Luczak (CDU/CSU) . . . . . . . Heidrun Bluhm (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Daniela Wagner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gero Storjohann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Florian Pronold (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 45: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Wirtschaft und Technologie – zu dem Antrag der Abgeordneten Johanna Voß, Ulla Lötzer, Dr. Barbara Höll, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Verbot des Fracking in Deutsch- land – zu dem Antrag der Abgeordneten Oliver Krischer, Nicole Maisch, Dorothea Steiner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Morato- rium für die Fracking-Technologie in Deutschland (Drucksachen 17/11328, 17/11213, 17/11712) . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 5: Antrag der Abgeordneten Frank Schwabe, Dirk Becker, Marco Bülow, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der SPD: Ergeb- nisse der Gutachten zu Umweltauswirkun- gen von Fracking zügig umsetzen (Drucksache 17/11829) . . . . . . . . . . . . . . . . . Manfred Todtenhausen (FDP) . . . . . . . . . . . . Frank Schwabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Andreas Mattfeldt (CDU/CSU) . . . . . . . . Andreas G. Lämmel (CDU/CSU) . . . . . . . . . Frank Schwabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . Johanna Voß (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Kauch (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ingrid Remmers (DIE LINKE) . . . . . . . . . Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lars Klingbeil (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Franz Obermeier (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Namentliche Abstimmungen . . . . . . . . . . . . . Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 11: – Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung des Einsatzes bewaffneter deutscher Streit- kräfte bei der Unterstützung der ge- meinsamen Reaktion auf terroristische Angriffe gegen die USA auf Grundlage des Artikels 51 der Satzung der Verein- ten Nationen und des Artikels 5 des Nordatlantikvertrags sowie der Resolu- tionen 1368 (2001) und 1373 (2001) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen (Drucksachen 17/11466, 17/11890) . . . . . – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 17/11891) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Rainer Stinner (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Hellmich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Roderich Kiesewetter (CDU/CSU) . . . . . . . . Jan van Aken (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26286 A 26286 B 26287 D 26289 B 26291 D 26293 A 26294 A 26295 C 26296 A 26299 D 26297 A 26297 B 26297 B 26298 B 26298 D 26302 A 26303 A 26303 D 26304 C 26305 C 26306 C 26307 A 26307 C 26308 A 26309 A 26310 A, B 26312 D, 26315 A 26310 C 26310 C 26310 D 26311 C 26317 B 26319 B 26320 B Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012 V Jürgen Hardt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 12: Wahl eines Mitglieds des Parlamentarischen Kontrollgremiums gemäß Artikel 45 d des Grundgesetzes (Drucksache 17/11833) . . . . . . . . . . . . . . . . . Wahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 13: Wahl eines Mitglieds des Vertrauensgremi- ums gemäß § 10 a Absatz 2 der Bundes- haushaltsordnung  (Drucksache 17/11834) . . . . . . . . . . . . . . . . . Wahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 14: Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Ruhebe- züge des Bundespräsidenten (Drucksache 17/11593) . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Hartmann (Wackernheim) (SPD) . . Helmut Brandt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE) . . . . . . . . Dr. Stefan Ruppert (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 15: Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz der Internatio- nalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan (International Security Assis- tance Force, ISAF) unter Führung der NATO auf Grundlage der Resolution 1386 (2001) und folgender Resolutionen, zuletzt Resolution 2069 (2012) vom 9. Oktober 2012 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (Drucksache 17/11685) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister  AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. h. c. Gernot Erler (SPD) . . . . . . . . . . . . . Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister  BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Philipp Mißfelder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Johannes Pflug (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sibylle Pfeiffer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Florian Hahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 16: Antrag der Abgeordneten Dr. Wilhelm Priesmeier, Willi Brase, Petra Crone, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Düngeverordnung novellieren (Drucksache 17/10115) . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 17: Erste Beratung des von den Fraktionen CDU/ CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Ge- setzes zur Beschleunigung der Rückholung radioaktiver Abfälle und der Stilllegung der Schachtanlage Asse II (Drucksache 17/11822) . . . . . . . . . . . . . . . . . Peter Altmaier, Bundesminister  BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ute Vogt (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Angelika Brunkhorst (FDP) . . . . . . . . . . . . . Dorothée Menzner (DIE LINKE) . . . . . . . . . Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Maria Flachsbarth (CDU/CSU) . . . . . . . Tagesordnungspunkt 18: Beschlussempfehlung und Bericht des Finanz- ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann, Dr. Dietmar Bartsch, Herbert Behrens, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Steuerfreie Risi- koausgleichsrücklage für Landwirtschafts- betriebe ermöglichen (Drucksachen 17/10099, 17/11381) . . . . . . . . 26321 A 26322 A 26327 D 26322 B 26322 C 26330 A 26322 B 26322 C 26330 A 26322 D 26322 D 26323 D 26325 B 26326 C 26330 B 26331 A 26331 B 26333 A 26334 B 26335 B 26337 A 26338 C 26339 D 26340 D 26341 D 26343 A 26343 A 26343 B 26344 B 26345 B 26346 B 26347 A 26348 B 26349 B VI Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012 Tagesordnungspunkt 19: Zweite und dritte Beratung des von den Frak- tionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Ände- rung des Einführungsgesetzes zum Strafge- setzbuch (Drucksachen 17/11726, 17/11895) . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 20: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Arbeit und Soziales zu dem An- trag der Abgeordneten Markus Kurth, Fritz Kuhn, Katrin Göring-Eckardt, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Neuntes Buch Sozialgesetzbuch im Sinne des Selbstbestimmungsrechts der Menschen mit Behinderung weiterentwi- ckeln (Drucksachen 17/7951, 17/10009) . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 21: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung eines Zu- lassungsverfahrens für Bewachungsun- ternehmen auf Seeschiffen (Drucksachen 17/10960, 17/11887) . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Technolo- gie zu dem Antrag der Abgeordneten Uwe Beckmeyer, Rainer Arnold, Dr. Hans- Peter Bartels, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Einsatz privater Sicherheitsdienste im Kampf gegen Pi- raterie zertifizieren und kontrollieren  (Drucksachen 17/9403, 17/11887) . . . . . . c) Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Katja Keul, Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck (Köln), wei- terer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Private Sicherheitsfirmen umfassend regulieren und zertifizieren (Drucksachen 17/7640, 17/8972) . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 6: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- wärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Ab- geordneten Paul Schäfer (Köln), Jan van Aken, Christine Buchholz, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion DIE LINKE: Interna- tionale Ächtung des Söldnerwesens und Verbot privater militärischer Dienstleis- tungen aus Deutschland (Drucksachen 17/4673, 17/5549) . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 22: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend – zu dem Antrag der Abgeordneten Dorothee Bär, Markus Grübel, Nadine Schön (St. Wendel), weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Miriam Gruß, Nicole Bracht-Bendt, Florian Bernschneider, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Geschlechtergerechtigkeit im Le- bensverlauf – zu dem Antrag der Abgeordneten Caren Marks, Christel Humme, Petra Crone, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Zeit zwischen den Geschlech- tern gerecht verteilen – Partnerschaft- lichkeit stärken – zu der Unterrichtung durch die Bundesre- gierung: Erster Gleichstellungsbericht; Neue Wege – Gleiche Chancen; Gleich- stellung von Frauen und Männern im Lebensverlauf (Drucksachen 17/8879, 17/6466, 17/6240, 17/11761) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 23: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Tourismus zu dem Antrag der Ab- geordneten Heinz Paula, Gabriele Fograscher, Kerstin Griese, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Mehr Unterstützung für Initiativen gegen Rechts in der Gastwirt- schaft (Drucksachen 17/9577, 17/11808) . . . . . . . . . Ingbert Liebing (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Heinz Paula (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jens Ackermann (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Kornelia Möller (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Monika Lazar (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 24: a) – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Dritten Gesetzes zur Än- derung des Tierschutzgesetzes (Drucksachen 17/10572, 17/11811) . . 26349 C 26349 D 26350 A 26350 A 26350 B 26350 B 26351 A 26351 D 26351 D 26353 A 26355 A 26355 B 26356 C 26357 D Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012 VII – Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Undine Kurth (Quedlin- burg), Renate Künast, Bärbel Höhn, weiteren Abgeordneten und der Frak- tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des Tierschutzge- setzes (TierSchGNeuregG) (Drucksachen 17/9783, 17/11811) . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirt- schaft und Verbraucherschutz zu der Un- terrichtung durch die Bundesregierung: Bericht über den Stand der Entwick- lung des Tierschutzes 2011 (Tierschutz- bericht 2011) (Drucksachen 17/6826, 17/11811) . . . . . . Dieter Stier (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . Heinz Paula (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Michael Goldmann (FDP) . . . . . . . . . . Alexander Süßmair (DIE LINKE) . . . . . . . . Renate Künast (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Johannes Röring (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Namentliche Abstimmungen . . . . . . . . . . . . . Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 25: Antrag der Abgeordneten Gerold Reichenbach, Gabriele Fograscher, Petra Ernstberger, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Dr. Konstantin von Notz, Volker Beck (Köln), Ingrid Hönlinger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Unabhängig- keit der Stiftung Datenschutz sicherstellen (Drucksache 17/11825) . . . . . . . . . . . . . . . . . Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU) . . . . Gerold Reichenbach (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Gisela Piltz (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jan Korte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 26: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Reform des Seehandelsrechts (Drucksachen 17/10309, 17/11884) . . . . . . . . Marco Wanderwitz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Ingo Egloff (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Marco Buschmann (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . Herbert Behrens (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 27: Beschlussempfehlung und Bericht des Ver- teidigungsausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan Korte, Jens Petermann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Berichts- und Zustim- mungspflicht für Amtshilfe- und Unter- stützungsleistungen der Bundeswehr im Inneren (Drucksachen 17/4884, 17/11214) . . . . . . . . Anita Schäfer (Saalstadt) (CDU/CSU) . . . . Fritz Rudolf Körper (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Burkhardt Müller-Sönksen (FDP) . . . . . . . . Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 28: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung des Haager Übereinkommens vom 23. November 2007 über die internationale Geltendmachung der Unterhaltsansprüche von Kindern und anderen Familienangehörigen sowie zur Änderung von Vorschriften auf dem Gebiet des internationalen Unterhaltsverfahrens- rechts (Drucksachen 17/10492, 17/11885) . . . . . . . . Ute Granold (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Sonja Steffen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stephan Thomae (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Jörn Wunderlich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 29: Antrag der Abgeordneten Krista Sager, Ekin Deligöz, Kai Gehring, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Partizipation an forschungsrelevan- ten Entscheidungen verbessern (Drucksache 17/11687) . . . . . . . . . . . . . . . . . Florian Hahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 26357 D 26358 A 26358 B 26360 A 26361 D 26363 C 26364 D 26366 B 26367 D, 26368 B 26368 A, 26406 B 26368 C 26368 D 26370 C 26372 A 26374 A 26374 D 26376 C 26376 D 26377 A 26377 C 26378 A 26379 B 26379 D 26380 A 26381 A 26382 A 26382 D 26383 D 26384 B 26384 C 26386 A 26386 D 26387 D 26388 B 26389 B 26389 B VIII Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012 René Röspel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Martin Neumann (Lausitz) (FDP) . . . . . Dr. Petra Sitte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Krista Sager (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 30: a) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bundesbericht Forschung und Innova- tion 2012 (Drucksache 17/9680) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Gutachten zu Forschung, Innovation und technologischer Leistungsfähigkeit 2012 (Drucksache 17/8872) . . . . . . . . . . . . . . . . c) Antrag der Abgeordneten René Röspel, Dr. Ernst Dieter Rossmann, Willi Brase, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Starke Fachhochschulen für Innovationen in Gesellschaft und Wirt- schaft (Drucksache 17/9574) . . . . . . . . . . . . . . . . d) Antrag der Abgeordneten René Röspel, Dr. Ernst Dieter Rossmann, Willi Brase, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Deutschen Innovationsfonds einrichten – Gravierende Förderlücke im deutschen Innovationssystem end- lich schließen (Drucksache 17/11826) . . . . . . . . . . . . . . . e) Antrag der Abgeordneten Dr. Petra Sitte, Dr. Martina Bunge, Jan Korte, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Soziale Innovationen und Dienstleis- tungsinnovationen erforschen und för- dern (Drucksache 17/8952) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Philipp Murmann (CDU/CSU) . . . . . . . . Dr. Heinz Riesenhuber (CDU/CSU) . . . . . . . René Röspel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Martin Neumann (Lausitz) (FDP) . . . . . Dr. Petra Sitte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Krista Sager (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 31: Antrag der Abgeordneten Kirsten Lühmann, Sören Bartol, Uwe Beckmeyer, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion der SPD: Fahr- erlaubnis für Trikes – Gestaltungsspiel- raum der EU-Richtlinie nutzen (Drucksache 17/11827) . . . . . . . . . . . . . . . . . Gero Storjohann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Kirsten Lühmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Oliver Luksic (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thomas Lutze (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 32: Beschlussempfehlung und Bericht des Innen- ausschusses – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Günter Krings, Dr. Hans-Peter Uhl, Stephan Mayer (Altötting), weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Gisela Piltz, Dr. Stefan Ruppert, Hartfrid Wolff (Rems- Murr), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Par- laments und des Rates zum Schutz na- türlicher Personen bei der Verarbei- tung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (Datenschutz- Grundverordnung) – KOM(2012) 11 endg.; Ratsdok. 5853/12; hier: Stellung- nahme des Deutschen Bundestages ge- mäß Artikel 23 Absatz 3 Satz 1 des Grundgesetzes – zu dem Antrag der Abgeordneten Gerold Reichenbach, Michael Hartmann (Wa- ckernheim), Petra Ernstberger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Europäische Harmonisierung im Da- tenschutz auf hohem Niveau sicherstel- len; hier: Stellungnahme des Deutschen Bundestages nach Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes i. V. m. § 9 des Ge- setzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bun- destag in Angelegenheiten der Europäi- schen Union – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Konstantin von Notz, Volker Beck (Köln), Kai Gehring, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: EU-Datenschutzreform un- terstützen (Drucksachen 17/11325, 17/11144, 17/9166, 17/11810) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 33: Antrag der Abgeordneten Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, Christine Buchholz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Sofortige humanitäre Hilfe für Syrien leis- 26390 B 26391 B 26392 B 26393 B 26395 A 26395 A 26395 A 26395 B 26395 B 26395 C 26397 A 26399 B 26400 C 26401 A 26401 D 26402 D 26403 A 26403 C 26404 A 26405 A 26405 B 26405 C Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012 IX ten – Diplomatische Verhandlungslösung für den Konflikt fördern (Drucksache 17/11697) . . . . . . . . . . . . . . . . . Joachim Hörster (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Dr. Wolfgang Götzer (CDU/CSU) . . . . . . . . Günter Gloser (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bijan Djir-Sarai (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 34: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Beruf der Notfallsanitäterin und des Notfallsanitäters sowie zur Änderung wei- terer Vorschriften (Drucksache 17/11689) . . . . . . . . . . . . . . . . . Lothar Riebsamen (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Mechthild Rawert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Jens Ackermann (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Kathrin Vogler (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 38: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Verkehr, Bau und Stadtentwick- lung zu dem Antrag der Abgeordneten Bettina Herlitzius, Dr. Anton Hofreiter, Stephan Kühn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Flächenver- brauch wirkungsvoll reduzieren (Drucksachen 17/6502, 17/8387) . . . . . . . . . . Ulrich Lange (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Johannes Röring (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Hans-Joachim Hacker (SPD) . . . . . . . . . . . . Petra Müller (Aachen) (FDP) . . . . . . . . . . . . Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) . . . . . . Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 36: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Wirtschaft und Technologie zu der Verordnung der Bundesregierung: Ver- ordnung über Vereinbarungen zu abschalt- baren Lasten (Verordnung zu abschaltba- ren Lasten) (Drucksachen 17/11671, 17/11744 Nr. 2, 17/11886) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thomas Bareiß (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Rolf Hempelmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Klaus Breil (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dorothée Menzner (DIE LINKE) . . . . . . . . . Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 7: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Arbeit und Soziales: zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Euro- päischen Parlaments und des Rates zum Europäischen Hilfsfonds für die am stärks- ten von Armut betroffenen Personen – KOM(2012) 617 endg.; Ratsdok. 15865/12; hier: Stellungnahme gemäß Protokoll Nr. 2 zum Vertrag von Lissabon (Grundsätze der Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeits- prüfung) (Drucksachen 17/11617 Nr. A.9, 17/11882) . Tagesordnungspunkt 37: Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Petra Sitte, Dr. Lukrezia Jochimsen, Jan Korte, weiteren Abgeordneten und der Frak- tion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Stärkung der vertrag- lichen Stellung von Urhebern und ausüben- den Künstlern (Drucksache 17/11040) . . . . . . . . . . . . . . . . . Ansgar Heveling (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Siegmund Ehrmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Stephan Thomae (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Petra Sitte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 39: Antrag der Abgeordneten Paul Schäfer (Köln), Christine Buchholz, Inge Höger, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion DIE LINKE: An- griffskrieg verfassungs- und völkerrechts- konform unter Strafe stellen (Drucksache 17/11698) . . . . . . . . . . . . . . . . . Ansgar Heveling (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Christoph Strässer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Jörg van Essen (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26406 C 26406 C 26408 A 26409 A 26409 C 26410 B 26411 A 26412 B 26412 B 26413 A 26414 C 26415 A 26415 D 26416 C 26416 C 26417 C 26418 B 26419 B 26420 A 26421 A 26422 A 26422 A 26423 A 26423 D 26424 D 26425 B 26426 B 26427 C 26427 D 26427 D 26428 C 26429 C 26430 A 26430 D 26432 B 26432 B 26433 B 26435 A X Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012 Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE) . . . . . . . . Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 40: Antrag der Abgeordneten Halina Wawzyniak, Jan Korte, Herbert Behrens, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion DIE LINKE: Das Sys- tem der Verwertungsgesellschaften grund- legend modernisieren (Drucksache 17/11043) . . . . . . . . . . . . . . . . . Ansgar Heveling (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Burkhard Lischka (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Stephan Thomae (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Halina Wawzyniak (DIE LINKE) . . . . . . . . . Agnes Krumwiede (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . Anlage 2 Namensverzeichnis der Mitglieder des Deut- schen Bundestages, die an den Wahlen eines Mitglieds des Parlamentarischen Kontrollgre- miums gemäß Art. 45 d des Grundgesetzes sowie eines Mitglieds des Vertrauensgre- miums gemäß § 10 a Abs. 2 der Bundeshaus- haltsordnung teilgenommen haben (Tagesord- nungspunkte 12 und 13) . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) zur Abstim- mung über die Beschlussempfehlung: Sam- melübersicht 502 zu Petitionen (Tagesord- nungspunkt 47 h) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 4 Erklärungen nach § 31 GO zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes über die ener- getische Modernisierung von vermietetem Wohnraum und über die vereinfachte Durch- setzung von Räumungstiteln (Mietrechtsände- rungsgesetz – MietRÄndG) (Tagesordnungs- punkt 9 a) Burkhardt Müller-Sönksen (FDP) . . . . . . . . Frank Schäffler (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 5 Erklärungen nach § 31 GO zu den Abstim- mungen zu den Anträgen: – Verbot des Fracking in Deutschland – Moratorium für die Fracking-Technologie in Deutschland – Ergebnisse der Gutachten zu Umweltaus- wirkungen von Fracking zügig umsetzen (Tagesordnungspunkt 45 und Zusatztagesord- nungspunkt 5) Norbert Brackmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . Reinhard Grindel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Dr. Matthias Heider (CDU/CSU) . . . . . . . . . Rudolf Henke (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Christian Hirte (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Franz-Josef Holzenkamp (CDU/CSU) . . . . . Günter Lach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Ingbert Liebing (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Andreas Mattfeldt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Karl Schiewerling (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Tankred Schipanski (CDU/CSU) . . . . . . . . . Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU) . . . . . . . . Anlage 6 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Gitta Connemann und Hans-Werner Kammer (beide CDU/CSU) zu den Abstimmungen zu den Anträgen: – Verbot des Fracking in Deutschland – Moratorium für die Fracking-Technologie in Deutschland – Ergebnisse der Gutachten zu Umweltaus- wirkungen von Fracking zügig umsetzen (Tagesordnungspunkt 45 und Zusatztagesord- nungspunkt 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 7 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Andreas Jung (Konstanz) und Lothar Riebsamen (beide CDU/CSU) zu den Abstimmungen zu den Anträgen: – Verbot des Fracking in Deutschland – Moratorium für die Fracking-Technologie in Deutschland – Ergebnisse der Gutachten zu Umweltaus- wirkungen von Fracking zügig umsetzen 26436 A 26436 D 26439 A 26439 B 26440 B 26441 A 26442 B 26443 A 26444 C 26445 A 26446 A 26448 A 26449 B 26449 C 26450 B 26450 C 26451 A 26451 C 26452 B 26453 A 26453 D 26454 D 26455 A 26455 C 26456 A 26456 C 26457 A Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012 XI (Tagesordnungspunkt 45 und Zusatztagesord- nungspunkt 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 8 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Maria Flachsbarth, Enak Ferlemann, Michael Grosse-Brömer, Ewa Klamt, Axel Knoerig, Rita Pawelski und Eckhard Pols (alle CDU/CSU) zu den Abstimmungen zu den Anträgen: – Verbot des Fracking in Deutschland – Moratorium für die Fracking-Technologie in Deutschland – Ergebnisse der Gutachten zu Umweltaus- wirkungen von Fracking zügig umsetzen (Tagesordnungspunkt 45 und Zusatztagesord- nungspunkt 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 9 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Ingrid Fischbach, Ansgar Heveling, Hubert Hüppe, Beatrix Philipp, Ruprecht Polenz, Jens Spahn und Lena Strothmann (alle CDU/ CSU) zu den Abstimmungen zu den Anträ- gen: – Verbot des Fracking in Deutschland – Moratorium für die Fracking-Technologie in Deutschland – Ergebnisse der Gutachten zu Umweltaus- wirkungen von Fracking zügig umsetzen (Tagesordnungspunkt 45 und Zusatztagesord- nungspunkt 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 10 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Klaus-Peter Flosbach, Erich G. Fritz, Dieter Jasper, Steffen Kampeter, Dr. Günter Krings, Philipp Mißfelder, Michaela Noll, Reinhold Sendker und Sabine Weiss (Wesel I) (alle CDU/CSU) zu den Abstimmungen zu den Anträgen: – Verbot des Fracking in Deutschland – Moratorium für die Fracking-Technologie in Deutschland – Ergebnisse der Gutachten zu Umweltaus- wirkungen von Fracking zügig umsetzen (Tagesordnungspunkt 45 und Zusatztagesord- nungspunkt 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Düngeverordnung novellieren (Tagesordnungspunkt 16) Alois Gerig (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Max Lehmer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD) . . . . . . . . . . . Dr. Christel Happach-Kasan (FDP) . . . . . . Alexander Süßmair (DIE LINKE) . . . . . . . . Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 12 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts zu dem Antrag: Steuerfreie Risikoausgleichs- rücklage für Landwirtschaftsbetriebe ermögli- chen (Tagesordnungspunkt 18) Norbert Schindler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Lothar Binding (Heidelberg) (SPD) . . . . . . . Dr. Edmund Peter Geisen (FDP) . . . . . . . . . Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) . . . . . . Dr. Thomas Gambke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 13 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Än- derung des Einführungsgesetzes zum Strafge- setzbuch (Tagesordnungspunkt 19) Ansgar Heveling (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Burkhard Lischka (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Jörg van Essen (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Halina Wawzyniak (DIE LINKE) . . . . . . . . . Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 14 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts zu dem Antrag: Neuntes Buch Sozialgesetzbuch im Sinne des Selbstbestimmungsrechts der Menschen mit Behinderung weiterentwickeln (Tagesordnungspunkt 20) Maria Michalk (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Hubert Hüppe (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Silvia Schmidt (Eisleben) (SPD) . . . . . . . . . . 26458 A 26458 D 26459 D 26460 C 26461 B 26462 C 26463 D 26465 C 26466 C 26467 B 26468 A 26468 C 26469 C 26470 C 26471 C 26472 B 26474 A 26474 B 26474 C 26475 A 26475 B 26476 C 26477 B XII Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012 Gabriele Molitor (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 15 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung – Entwurf eines Gesetzes zur Einführung ei- nes Zulassungsverfahrens für Bewachungs- unternehmen auf Seeschiffen – Beschlussempfehlung und Bericht zu dem Antrag: Einsatz privater Sicherheitsdienste im Kampf gegen Piraterie zertifizieren und kontrollieren – Beschlussempfehlung und Bericht zu dem Antrag: Private Sicherheitsfirmen umfas- send regulieren und zertifizieren – Beschlussempfehlung und Bericht zu dem Antrag: Internationale Ächtung des Söld- nerwesens und Verbot privater militäri- scher Dienstleistungen aus Deutschland (Tagesordnungspunkte 21 a bis 21 c und Zu- satztagesordnungspunkt 6) Uwe Beckmeyer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE) . . . . . . . . Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär  BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 16 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und Bericht zu den Anträgen: – Geschlechtergerechtigkeit im Lebensver- lauf – Zeit zwischen den Geschlechtern gerecht verteilen – Partnerschaftlichkeit stärken – Unterrichtung: Erster Gleichstellungsbe- richt; Neue Wege – Gleiche Chancen; Gleichstellung von Frauen und Männern im Lebensverlauf (Tagesordnungspunkt 22) Dorothee Bär (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Nadine Schön (St. Wendel) (CDU/CSU) . . . . Christel Humme (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Nicole Bracht-Bendt (FDP) . . . . . . . . . . . . . Heidrun Dittrich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Monika Lazar (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 17 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts zu den Anträgen: – Vorschlag für eine Verordnung des Euro- päischen Parlaments und des Rates zum Schutz natürlicher Personen bei der Verar- beitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (Datenschutz-Grund- verordnung) – KOM(2012) 11 endg.; Rats- dok. 5853/12 – hier: Stellungnahme des Deutschen Bundestages gemäß Artikel 23 Absatz 3 Satz 1 des Grundgesetzes – Europäische Harmonisierung im Daten- schutz auf hohem Niveau sicherstellen – hier: Stellungnahme des Deutschen Bun- destages nach Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes i. V. m. § 9 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesre- gierung und Deutschem Bundestag in An- gelegenheiten der Europäischen Union – EU-Datenschutzreform unterstützen (Tagesordnungspunkt 32) Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU) . . . . Gerold Reichenbach (SPD) . . . . . . . . . . . . . Gisela Piltz (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jan Korte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 18 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Euro- päischen Parlaments und des Rates zum Euro- päischen Hilfsfonds für die am stärksten von Armut betroffenen Personen – KOM(2012) 617 end.; Ratsdok. 15865/12 – hier: Stellung- nahme gemäß Protokoll Nr. 2 zum Vertrag von Lissabon (Grundsätze der Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsprüfung) (Zusatzta- gesordnungspunkt 7) Max Straubinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) . . . Anton Schaaf (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pascal Kober (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jutta Krellmann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26478 B 26479 A 26479 D 26481 A 26482 A 26482 D 26483 B 26484 B 26485 A 26486 A 26487 B 26488 C 26489 B 26490 D 26492 B 26495 B 26497 B 26498 C 26500 B 26501 A 26502 A 26503 D 26504 B 26505 A Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012 26191 (A) (C) (D)(B) 214. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012 26445 (A) (C) (D)(B) Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten  Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Binder, Karin DIE LINKE 13.12.2012 Brinkmann (Hildes- heim), Bernhard SPD 13.12.2012 Brugger, Agnes BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 13.12.2012 Fischer (Göttingen), Hartwig CDU/CSU 13.12.2012 Frankenhauser, Herbert CDU/CSU 13.12.2012 Göppel, Josef CDU/CSU 13.12.2012 Gottschalck, Ulrike SPD 13.12.2012 Heinen-Esser, Ursula CDU/CSU 13.12.2012 Hintze, Peter CDU/CSU 13.12.2012 Humme, Christel SPD 13.12.2012 Kramme, Anette SPD 13.12.2012 Krumwiede, Agnes BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 13.12.2012 Dr. Lamers (Heidelberg), Karl A. CDU/CSU 13.12.2012 Leibrecht, Harald FDP 13.12.2012 Dr. Luther, Michael CDU/CSU 13.12.2012 Meierhofer, Horst FDP 13.12.2012 Möhring, Cornelia DIE LINKE 13.12.2012 Nink, Manfred SPD 13.12.2012 Ortel, Holger SPD 13.12.2012 Dr. Ratjen-Damerau, Christiane FDP 13.12.2012 Rawert, Mechthild SPD 13.12.2012 Schlecht, Michael DIE LINKE 13.12.2012 Dr. Schmidt, Frithjof BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 13.12.2012 Dr. Schockenhoff, Andreas CDU/CSU 13.12.2012 Dr. Seifert, Ilja DIE LINKE 13.12.2012 Dr. Terpe, Harald BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 13.12.2012 Dr. Wadephul,  Johann CDU/CSU 13.12.2012 Wagner (Schleswig), Arfst BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 13.12.2012 Werner, Katrin DIE LINKE 13.12.2012 Wöhrl, Dagmar G. CDU/CSU 13.12.2012 Zapf, Uta SPD 13.12.2012  Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Anlagen 26446 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012 (A) (C) (D)(B) Anlage 2 Namensverzeichnis der Mitglieder des Deutschen Bundestages, die an den Wahlen eines Mitglieds des Parlamentarischen Kontrollgremiums gemäß Art. 45 d des Grundgesetzes sowie eines Mitglieds des Vertrauensgremiums ge- mäß § 10 a Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung teilgenommen haben (Tagesordnungspunkt 12 und 13) CDU/CSU Ilse Aigner Peter Aumer Dorothee Bär Thomas Bareiß Norbert Barthle Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen) Manfred Behrens (Börde) Veronika Bellmann Dr. Christoph Bergner Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Dr. Maria Böhmer Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Wolfgang Bosbach Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Gitta Connemann Alexander Dobrindt Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Dr. Thomas Feist Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Hartwig Fischer (Göttingen) Dirk Fischer (Hamburg) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Michael Frieser Erich G. Fritz Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Alexander Funk Ingo Gädechens Dr. Thomas Gebhart Norbert Geis Alois Gerig Eberhard Gienger Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Ute Granold Reinhard Grindel Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Monika Grütters Olav Gutting Florian Hahn Jürgen Hardt Dr. Matthias Heider Helmut Heiderich Mechthild Heil Frank Heinrich Rudolf Henke Michael Hennrich Ansgar Heveling Ernst Hinsken Christian Hirte Robert Hochbaum Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Joachim Hörster Anette Hübinger Hubert Hüppe Thomas Jarzombek Dieter Jasper Dr. Franz Josef Jung Andreas Jung (Konstanz) Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kampeter Alois Karl Bernhard Kaster Siegfried Kauder (Villingen- Schwenningen) Dr. Stefan Kaufmann Roderich Kiesewetter Eckart von Klaeden Ewa Klamt Volkmar Klein Jürgen Klimke Axel Knoerig Jens Koeppen Manfred Kolbe Dr. Rolf Koschorrek Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Bettina Kudla Dr. Hermann Kues Günter Lach Andreas G. Lämmel Dr. Norbert Lammert Katharina Landgraf Ulrich Lange Dr. Max Lehmer Paul Lehrieder Dr. Ursula von der Leyen Ingbert Liebing Matthias Lietz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Dr. Jan-Marco Luczak Daniela Ludwig Karin Maag Dr. Thomas de Maizière Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Stephan Mayer (Altötting) Dr. Michael Meister Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Dr. Mathias Middelberg Philipp Mißfelder Dietrich Monstadt Marlene Mortler Dr. Gerd Müller Stefan Müller (Erlangen) Dr. Philipp Murmann Bernd Neumann (Bremen) Michaela Noll Dr. Georg Nüßlein Franz Obermeier Eduard Oswald Henning Otte Dr. Michael Paul Rita Pawelski Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Beatrix Philipp Christoph Poland Ruprecht Polenz Eckhard Pols Thomas Rachel Dr. Peter Ramsauer Eckhardt Rehberg Katherina Reiche (Potsdam) Lothar Riebsamen Josef Rief Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Johannes Röring Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Erwin Rüddel Albert Rupprecht (Weiden) Anita Schäfer (Saalstadt) Dr. Annette Schavan Dr. Andreas Scheuer Karl Schiewerling Norbert Schindler Tankred Schipanski Georg Schirmbeck Christian Schmidt (Fürth) Patrick Schnieder Dr. Andreas Schockenhoff Nadine Schön (St. Wendel) Dr. Kristina Schröder (Wiesbaden) Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Armin Schuster (Weil am Rhein) Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Jens Spahn Carola Stauche Dr. Frank Steffel Erika Steinbach Christian Freiherr von Stetten Dieter Stier Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Karin Strenz Lena Strothmann Michael Stübgen Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Volkmar Vogel (Kleinsaara) Stefanie Vogelsang Andrea Astrid Voßhoff Marco Wanderwitz Kai Wegner Marcus Weinberg (Hamburg) Peter Weiß (Emmendingen) Sabine Weiss (Wesel I) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Elisabeth Winkelmeier- Becker Dr. Matthias Zimmer Wolfgang Zöller Willi Zylajew SPD Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Heinz-Joachim Barchmann Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Klaus Barthel Bärbel Bas Sabine Bätzing-Lichtenthäler Uwe Beckmeyer Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012 26447 (A) (C) (D)(B) Lothar Binding (Heidelberg) Gerd Bollmann Klaus Brandner Willi Brase Edelgard Bulmahn Marco Bülow Martin Burkert Petra Crone Martin Dörmann Elvira Drobinski-Weiß Sebastian Edathy Ingo Egloff Siegmund Ehrmann Dr. h. c. Gernot Erler Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Gabriele Fograscher Dr. Edgar Franke Dagmar Freitag Sigmar Gabriel Michael Gerdes Martin Gerster Iris Gleicke Günter Gloser Angelika Graf (Rosenheim) Kerstin Griese Gabriele Groneberg Michael Groß Wolfgang Gunkel Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Michael Hartmann (Wackernheim) Hubertus Heil (Peine) Wolfgang Hellmich Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Gustav Herzog Gabriele Hiller-Ohm Petra Hinz (Essen) Frank Hofmann (Volkach) Dr. Eva Högl Josip Juratovic Oliver Kaczmarek Johannes Kahrs Dr. h. c. Susanne Kastner Ulrich Kelber Lars Klingbeil Hans-Ulrich Klose Dr. Bärbel Kofler Daniela Kolbe (Leipzig) Fritz Rudolf Körper Angelika Krüger-Leißner Ute Kumpf Christine Lambrecht Christian Lange (Backnang) Dr. Karl Lauterbach Steffen-Claudio Lemme Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Kirsten Lühmann Caren Marks Katja Mast Hilde Mattheis Petra Merkel (Berlin) Ullrich Meßmer Dr. Matthias Miersch Franz Müntefering Dr. Rolf Mützenich Andrea Nahles Dietmar Nietan Thomas Oppermann Aydan Özoğuz Heinz Paula Johannes Pflug Joachim Poß Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Stefan Rebmann Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Sönke Rix René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Karin Roth (Esslingen) Michael Roth (Heringen) Marlene Rupprecht (Tuchenbach) Annette Sawade Anton Schaaf Axel Schäfer (Bochum) Bernd Scheelen Marianne Schieder (Schwandorf) Werner Schieder (Weiden) Ulla Schmidt (Aachen) Carsten Schneider (Erfurt) Swen Schulz (Spandau) Ewald Schurer Frank Schwabe Dr. Martin Schwanholz Rolf Schwanitz Stefan Schwartze Rita Schwarzelühr-Sutter Dr. Carsten Sieling Sonja Steffen Peer Steinbrück Dr. Frank-Walter Steinmeier Christoph Strässer Kerstin Tack Dr. h. c. Wolfgang Thierse Franz Thönnes Wolfgang Tiefensee Rüdiger Veit Ute Vogt Dr. Marlies Volkmer Andrea Wicklein Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Dieter Wiefelspütz Waltraud Wolff (Wolmirstedt) Dagmar Ziegler Manfred Zöllmer Brigitte Zypries FDP Jens Ackermann Christian Ahrendt Christine Aschenberg- Dugnus Daniel Bahr (Münster) Florian Bernschneider Sebastian Blumenthal Claudia Bögel Nicole Bracht-Bendt Klaus Breil Rainer Brüderle Angelika Brunkhorst Ernst Burgbacher Marco Buschmann Sylvia Canel Helga Daub Bijan Djir-Sarai Patrick Döring Mechthild Dyckmans Hans-Werner Ehrenberg Rainer Erdel Jörg van Essen Ulrike Flach Otto Fricke Dr. Edmund Peter Geisen Dr. Wolfgang Gerhardt Hans-Michael Goldmann Heinz Golombeck Miriam Gruß Joachim Günther (Plauen) Dr. Christel Happach-Kasan Heinz-Peter Haustein Manuel Höferlin Elke Hoff Birgit Homburger Heiner Kamp Michael Kauch Dr. Lutz Knopek Pascal Kober Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Sebastian Körber Holger Krestel Patrick Kurth (Kyffhäuser) Heinz Lanfermann Sibylle Laurischk Harald Leibrecht Sabine Leutheusser- Schnarrenberger Lars Lindemann Dr. Martin Lindner (Berlin) Michael Link (Heilbronn) Dr. Erwin Lotter Oliver Luksic Patrick Meinhardt Gabriele Molitor Jan Mücke Petra Müller (Aachen) Burkhardt Müller-Sönksen Dr. Martin Neumann (Lausitz) Dirk Niebel Hans-Joachim Otto (Frankfurt) Cornelia Pieper Gisela Piltz Jörg von Polheim Dr. Birgit Reinemund Dr. Peter Röhlinger Dr. Stefan Ruppert Björn Sänger Frank Schäffler Christoph Schnurr Jimmy Schulz Marina Schuster Dr. Erik Schweickert Werner Simmling Judith Skudelny Dr. Hermann Otto Solms Joachim Spatz Dr. Max Stadler Torsten Staffeldt Dr. Rainer Stinner Stephan Thomae Manfred Todtenhausen Dr. Florian Toncar Serkan Tören Johannes Vogel (Lüdenscheid) Dr. Daniel Volk Dr. Guido Westerwelle Dr. Claudia Winterstein Dr. Volker Wissing Hartfrid Wolff (Rems-Murr) DIE LINKE Jan van Aken Agnes Alpers Dr. Dietmar Bartsch Herbert Behrens Matthias W. Birkwald Heidrun Bluhm Steffen Bockhahn Christine Buchholz Eva Bulling-Schröter Dr. Martina Bunge Roland Claus Dr. Diether Dehm Heidrun Dittrich Werner Dreibus Dr. Dagmar Enkelmann Klaus Ernst Wolfgang Gehrcke Nicole Gohlke Diana Golze Annette Groth Dr. Gregor Gysi Heike Hänsel Dr. Rosemarie Hein Inge Höger Dr. Barbara Höll Andrej Hunko Ulla Jelpke Dr. Lukrezia Jochimsen Katja Kipping Jan Korte Jutta Krellmann Katrin Kunert Caren Lay Sabine Leidig Ralph Lenkert Michael Leutert Stefan Liebich Ulla Lötzer Thomas Lutze Ulrich Maurer Dorothée Menzner Kornelia Möller Niema Movassat Thomas Nord Petra Pau Jens Petermann Richard Pitterle Yvonne Ploetz 26448 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012 (A) (C) (D)(B) Ingrid Remmers Paul Schäfer (Köln) Kathrin Senger-Schäfer Raju Sharma Dr. Petra Sitte Kersten Steinke Sabine Stüber Alexander Süßmair Dr. Kirsten Tackmann Frank Tempel Dr. Axel Troost Alexander Ulrich Kathrin Vogler Johanna Voß Sahra Wagenknecht Halina Wawzyniak Jörn Wunderlich Sabine Zimmermann BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Marieluise Beck (Bremen) Volker Beck (Köln) Cornelia Behm Birgitt Bender Viola von Cramon-Taubadel Ekin Deligöz Katja Dörner Harald Ebner Hans-Josef Fell Dr. Thomas Gambke Kai Gehring Katrin Göring-Eckardt Britta Haßelmann Bettina Herlitzius Priska Hinz (Herborn) Dr. Anton Hofreiter Bärbel Höhn Ingrid Hönlinger Thilo Hoppe Uwe Kekeritz Katja Keul Memet Kilic Sven-Christian Kindler Maria Klein-Schmeink Ute Koczy Tom Koenigs Sylvia Kotting-Uhl Oliver Krischer Agnes Krumwiede Stephan Kühn Renate Künast Markus Kurth Undine Kurth (Quedlinburg) Monika Lazar Dr. Tobias Lindner Nicole Maisch Jerzy Montag Kerstin Müller (Köln) Beate Müller-Gemmeke Dr. Konstantin von Notz Omid Nouripour Friedrich Ostendorff Dr. Hermann E. Ott Lisa Paus Brigitte Pothmer Tabea Rößner Claudia Roth (Augsburg) Krista Sager Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Dr. Gerhard Schick Ulrich Schneider Dorothea Steiner Dr. Wolfgang Strengmann- Kuhn Markus Tressel Jürgen Trittin Daniela Wagner Beate Walter-Rosenheimer Wolfgang Wieland Dr. Valerie Wilms Josef Philip Winkler fraktionsloser Abgeordneter Wolfgang Nešković Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE): zur Abstimmung über die Beschluss- empfehlung: Sammelübersicht 502 zu Petitio- nen (Tagesordnungspunkt 47 h) Die Mehrheit des Petitionsausschusses empfiehlt uns, das Petitionsverfahren zur Petition einer contergange- schädigten Frau aus Ratingen vom Mai 2010, Petition 3- 17-30-21302-010174, abzuschließen. Dieser Empfehlung werde ich nicht folgen, und ich möchte nachfolgend begründen, warum ich dagegen stimme. Die Petentin aus Ratingen bittet aufgrund ihrer Con- terganschädigung um den Erlass eines Teils der Rück- zahlung des ihr nach dem Bundesausbildungsförde- rungsgesetz – BAföG – gewährten Darlehens und hieraus entstandener Zinsen. Im Leben der Petentin gibt es, folgt man ihrer von niemandem bestrittenen Darstellung, eine Reihe von un- glücklichen Ereignissen und Situationen. So etwas, so meine ich, kann im Leben vorkommen. Die Conterganschädigung bei der Petentin ist – nicht durch ihr Verschulden – erst nach dem 20. Lebensjahr anerkannt worden. Obwohl die Petentin wie alle anderen Conterganopfer von Geburt an contergangeschädigt ist, bekam sie die „Conterganrente“ nicht ab 1972, sondern erst ab 1984. Eine Nachzahlung für die zurückliegenden 12 Jahre erfolgte nicht, erst recht keine Verzinsung, was aus Sicht der Linken nicht akzeptabel ist. Infolge der Behinderung musste sie länger studieren. Dadurch war sie von der damaligen – behindertenfeind- lichen – Umstellung der Ausbildungsförderung auf eine Darlehensleistung besonders betroffen. Die Folge: Rund 20 000 Euro BAföG-Schulden und fehlende Möglich- keiten, diese Schulden durch Rückzahlung in einer Summe deutlich zu reduzieren. In diesem Fall entstand also aus der Kette von un- glücklichen Ereignissen und vielen „kleineren“ Unge- rechtigkeiten eine gravierende Ungerechtigkeit. Inzwischen hinterlässt die Conterganschädigung auch bei der Petentin deutliche Spuren. Eine Folge: Die Pe- tentin erhält, verbunden mit spürbaren Einkommensver- lusten, eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung. Spätestens seit Vorliegen des Zwischenberichtes des Heidelberger Instituts wissen die Bundesregierung und alle Fraktionen des Bundestages, wie dramatisch die Si- tuation der Conterganopfer und ihrer Angehörigen ist, wie schwer es ihnen fällt, sich mit dem verfügbaren Ein- kommen ein Mindestmaß an selbstbestimmtem Leben zu erhalten. Nun kommt bei dieser Petentin neben den lau- fenden Kosten noch immer die Belastung durch die Rückzahlungsforderungen aus dem BAföG-Darlehen zuzüglich Zinsen hinzu. Und das auch noch für viele Jahre. Hier hätte, so die Auffassung der Linken, die Bundes- regierung die Möglichkeit und auch die Pflicht, die noch offenen Forderungen aus dem BAföG-Darlehen zu erlas- sen. Stattdessen folgte die Mehrheit des Petitionsaus- schusses der teilweise abstrusen Stellungnahme des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. So steht in der Stellungnahme des Ministeriums vom 22. Mai 2012, dass die Petentin über „eine Ferienimmobilie so- wie weitere Geldreserven“ verfügt. Wie die Bundesre- gierung zu dieser Behauptung kommt, bleibt ihr Ge- heimnis. Die Petentin jedenfalls weiß nicht – so ihre Aussage mir gegenüber –, dass sie solche Besitztümer hätte. Auch die Stellungnahme des Bundesbehindertenbe- auftragten ist aus meiner Sicht, gelinde gesagt, enttäu- schend. Selbst für ihn ist es nachvollziehbar, „wenn die Petentin die Situation, die durch die verspätete Feststel- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012 26449 (A) (C) (D)(B) lung der Conterganschädigung und die BAföG-Bestim- mungen zum Zeitpunkt ihres Studiums entstanden ist, für sich als unbefriedigend empfindet“. Dann führt der Bundesbehindertenbeauftragte in seiner Stellungnahme aus: „Gleichwohl ist zu berücksichtigen, dass die un- günstigen Rückzahlungsbedingungen für BAföG-Leis- tungen, die während des Studiums der Petentin galten, für alle Studierenden zu der damaligen Zeit angewandt wurden.“ Weil es also damals eine BAföG-Regelung gab, die nicht nur die Petentin, sondern viele Studentin- nen und Studenten mit Behinderungen diskriminierte und benachteiligte, muss man also auch in diesem Fall keine Härtefallregelung treffen. Unrecht für alle als Be- gründung fürs Nichtstun für Einzelne. Unglaublich! Die Linke beantragte, diese „Petition der Bundesre- gierung zur Berücksichtigung zu überweisen“, so heißt es in der Beamtensprache, also ihr nahezulegen, aufgrund der besonderen Härte einen Härteerlass zu gewähren. Das wäre auch aus meiner Sicht im Ergebnis der Prü- fung der Petitionsunterlagen und der persönlichen Ge- spräche mit der Petentin sowohl aus rechtlicher als auch aus humanitärer Sicht geboten. Deswegen stimme ich gegen die Beschlussempfehlung und fordere die Bundes- regierung noch einmal sehr nachdrücklich auf, in diesem Fall endlich eine sachgerechte Entscheidung zu treffen. Anlage 4 Erklärungen nach § 31 GO zur Abstimmung über den Entwurf eines Geset- zes über die energetische Modernisierung von vermietetem Wohnraum und über die verein- fachte Durchsetzung von Räumungstiteln (Mietrechtsänderungsgesetz – MietRÄndG) (Tagesordnungspunkt 9 a) Burkhardt Müller-Sönksen (FDP): Die am heuti- gen Tag zur Abstimmung stehende Mietrechtsnovelle stellt in vielen Bereichen wesentliche Verbesserungen für Vermieter und Mieter dar. Hervorzuheben sind be- sonders die Maßnahmen gegen „Mietnomaden“. Den- noch weist der Gesetzentwurf in der Ausschussfassung Mängel auf, die negative Entwicklungen für den Miet- markt zur Folge haben werden. Hierbei ist besonders die Einführung der Möglichkeit einer regionalen Kappungsgrenze von 15 Prozent her- vorzuheben. Niedrigere Kappungsgrenzen haben unwei- gerlich zur Folge, dass Vermieter weniger in ihren Be- stand investieren werden. Schaden nehmen hierbei zum einen die Mieter, deren gemietete Objekte eine Investi- tion erfahren, und zum anderen wird das gesamtgesell- schaftliche Ziel der Steigerung der Energieeffizienz konterkariert, da Investitionen in energetische Sanierung der Objekte marktwirtschaftlich unattraktiv werden. Des Weiteren ist eine weitere Abnahme der Mieter- fluktuaktion in den Ballungsräumen zu erwarten, welche die Wohnungsknappheit verstärken wird. Als Hamburger Abgeordneter bin ich sensibilisiert für die Problematik der Wohnungsnot. Durch die Weg- nahme marktwirtschaftlicher Anreize für die Schaffung neuen Wohnraums wird der Gesetzentwurf, in der Ausschussfassung, keinen Beitrag zur Lösung dieses Problems leisten. Da der Gesetzentwurf auf der einen Seite wesentliche Verbesserungen enthält, auf der anderen Seite aber notwendigen marktwirtschaftlichen Prinzipien nicht ge- recht wird, werde ich mich bei der heutigen Abstim- mung enthalten. Frank Schäffler (FDP): Das Mietrechtsänderungs- gesetz bringt Verbesserungen im Mietrecht durch Stär- kung der Vertragsfreiheit. Modernisierungen sollen für eine Zeit von drei Monaten nicht mehr zu einer Mietmin- derung führen, wenn diese zur Energieeinsparung die- nen. Zukünftig sollte man diese Regelung auf alle Arten von Sanierungen ausweiten, um den Vermieter für Bau- substanzverbesserungen nicht zu bestrafen. Gestärkt werden Immobilieneigentümer auch durch die neue Re- gelung, dass die fristlose Kündigung des Mietverhältnis- ses ohne vorherige Abmahnung nunmehr auch bei Zah- lungsverzug mit der Mietkaution ausgesprochen werden kann. Ganz positiv sind auch die Erleichterungen für den Vermieter, sich prozessual besser gegen Mietnomaden schützen zu können. Der Schutz der Mieter vor Zwangs- räumungen wird damit auf ein gesünderes Maß zurück- gestutzt. Erstens sind Räumungssachen im Geschäfts- gang des Gerichts nun vorrangig und beschleunigt durchzuführen. Zweitens soll der Vermieter vor wirt- schaftlichen Schäden durch langandauernde Hauptsa- cheverfahren durch das Prozessgericht geschützt werden können. Besser noch wäre gewesen, wenn der Rechts- staat so effizient arbeitete, dass es gar nicht erst zu Ge- richtsverfahren von einer Dauer käme, die das Vermögen der Rechtsuchenden gefährden. Sinnvolle Haftungsre- geln könnten hier Abhilfe schaffen. Recht und Rechts- staatlichkeit sind der Kern unserer freiheitlich-demokra- tischen Grundordnung. Wo Licht ist, da ist aber auch Schatten. Auf Drängen der CSU sollen die Landesregierungen ermächtigt wer- den, Gemeinden oder Teile von Gemeinden zu benen- nen, in denen die Kappungsgrenze für Mieterhöhungen von 20 Prozent auf 15 Prozent gesenkt wird, wenn dort „die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen beson- ders gefährdet“ ist. Das entspricht in seinem Duktus ei- nem Ansinnen der Grünen, die eine solche Senkung der Kappungsgrenze bundesweit gefordert haben. Ziel der Änderung ist ausweislich der Begründung die Dämpfung des Anstiegs von Bestandsmieten in diesen Gebieten. Leider hat sich die FDP an dieser Stelle nicht mit ökono- mischer Vernunft gegen den Koalitionspartner durchset- zen können. Verordnet wird hier eine dynamische Preis- obergrenze für Bestandsmieten. Bei Preisobergrenzen ist zu differenzieren: Liegt die Preisobergrenze über dem Marktpreis, so bleibt sie folgenlos. Wenn das Wachstum der Bestandsmieten weniger stark ist, als es die Kap- pungsgrenze erlaubt, dann wäre der Gesetzgeber unnöti- gerweise tätig geworden und hätte nicht mehr als eine Verkomplizierung des Rechts bewirkt. Wahrscheinlicher ist aber der Fall, dass die Preisober- grenze den Mietzins auf eine niedrigere Höhe als bei un- 26450 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012 (A) (C) (D)(B) gehindertem Anstieg zu beschränken sucht. In diesem Fall können die Vermieter in den Gebieten mit Preis- obergrenze nicht länger den Mietzins erhalten, den sie nachfragen. Das hat beileibe nicht nur Auswirkungen auf Bestandsmieten, da es auf die Erwartungen des Ver- mieters ankommt. Bei Neuvermietungen wird die ver- einbarte Miete berücksichtigen, dass spätere Mietzinser- höhungen nur eingeschränkt zulässig sind. Der Mietzins in Neuverträgen wird also bei Abschluss des Vertrags höher sein, als er ohne Preisobergrenze wäre. Die De- ckelung des Anstiegs von Bestandsmieten wird daher bezahlt durch Mieter, die Neuverträge abschließen müs- sen. Zum Beispiel werden also alle Familien bestraft, die Neuverträge über größere Wohnungen abschließen müs- sen, weil sie Nachwuchs erwarten. Insbesondere wird die Regelung aber Auswirkungen auf Neubauten haben. Wenn Investoren die Wahl haben, werden sie keine Bauvorhaben in einem Gebiet mit Preisobergrenze unternehmen, sondern der Regulierung ausweichen. Ausgerechnet in jenen Gebieten, in denen „die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen beson- ders gefährdet“ ist, wird es zu weniger Investitionen und daher zu weniger Zubau kommen. Dies verschärft die Wohnsituation, anstatt sie zu verbessern. Das Ergebnis ist das Gegenteil von dem, was beabsichtigt worden ist. Einmal mehr zeigt sich: Gut gemeint ist das Gegenteil von gut. Im Ergebnis kann ich dem Gesetz dennoch zustim- men, weil ich glaube, dass das Licht den Schatten über- wiegt. Die Problematik der Mietnomaden besteht seit Jahren. Sie ist besonders für kleinere Vermieter teilweise existenzbedrohend, weil sie dem Schaden kaum auswei- chen können. Daher ist es gut, dass hier deutliche Ver- besserungen geschaffen werden, mit denen Immobilien- eigentümer besser geschützt werden. Dagegen ist die weitere Absenkung der Preisobergrenze zwar ordnungs- politisch falsch, doch verteilen sich die volkswirtschaft- lichen Schäden der Regelung auf breitere Schultern. Anlage 5 Erklärungen nach § 31 GO zu den Abstimmungen zu den Anträgen: – Verbot des Fracking in Deutschland – Moratorium für die Fracking-Technologie in Deutschland – Ergebnisse der Gutachten zu Umweltaus- wirkungen von Fracking zügig umsetzen (Tagesordnungspunkt 45 und Zusatztagesord- nungspunkt 5) Norbert Brackmann (CDU/CSU): Zu der Abstimmung unter Zusatztagesordnungs- punkt 5: Ich stimme diesem Antrag heute nicht zu, da ich der festen Überzeugung bin, dass eine sinnvolle und strikte Regulierung von Fracking nur in Zusammenarbeit von Regierung und Parlament erreicht werden kann. Die Technologie Fracking ist und bleibt gefährlich und führt zu Verunsicherungen bei den Mitbürgern gerade dort, wo großflächige Erkundungsfelder ausgewiesen werden sollen. Daher gehe ich davon aus, dass die Koalition eine Initiative ergreifen wird, die zu einer strikten Regulie- rung, besser einem Verbot der Technologie führt. Zu der Abstimmung unter Tagesordnungspunkt 45: Ich stimme dieser Beschlussempfehlung heute zu, da ich der festen Überzeugung bin, dass eine sinnvolle und strikte Regulierung von Fracking nur in Zusammenarbeit von Regierung und Parlament erreicht werden kann. Die Technologie Fracking ist und bleibt gefährlich und führt zu Verunsicherungen bei den Mitbürgern gerade dort, wo großflächige Erkundungsfelder ausgewiesen werden sollen. Daher gehe ich davon aus, dass die Koalition eine Initiative ergreifen wird, die zu einer strikten Regulie- rung, besser einem Verbot der Technologie führt. Reinhard Grindel (CDU/CSU): Die Oppositionspar- teien wissen ganz genau, dass sich die CDU/CSU-Bun- destagsfraktion morgen, am 14. Dezember 2012, in ei- nem fraktionsoffenen Fachgespräch mit dem Thema Fracking befassen wird. Die Ergebnisse dieses Fachge- spräches sollen dann die Grundlage für eine Gesetzesini- tiative bilden, die sich sowohl auf das Wasser- als auch das Bergrecht bezieht. In dieser Situation Fraktionsan- träge zu stellen, die unausgegoren und fachlich unzurei- chend sind, wird der Situation in keiner Weise gerecht. Das sind Wahlkampfmanöver, von denen die durch Fracking betroffenen Bürger in unserem Land nichts ha- ben. Stattdessen sollte sich die Opposition an den Geset- zesberatungen beteiligen oder zumindest über den Bun- desrat eigene Gesetzesinitiativen einbringen. Für die zukünftigen gesetzlichen Regelungen ist für mich völlig klar, dass Fracking grundsätzlich in allen Gebieten verboten wird, die der Trinkwassergewinnung dienen, einschließlich Heil- und Mineralquellen. Die un- teren Wasserbehörden müssen eine selbstständige was- serrechtliche Prüfung vornehmen, und die kommunalen Gebietskörperschaften müssen ihr Einvernehmen erklä- ren. Das setzt gleichzeitig eine umfassende Bürgerbetei- ligung voraus. Eine umfassende Umweltverträglich- keitsprüfung muss in Umsetzung entsprechender EU- Richtlinien umgehend in das Bergrecht aufgenommen werden. Exemplarisch habe ich den niedersächsischen Wirtschaftsminister bereits gebeten zu prüfen, ob auf- grund der europarechtlichen Rechtslage eine solche UVP nicht schon jetzt geltendes Recht darstellt und so- mit vorzunehmen wäre. Die Verbringung bzw. Verpres- sung des Lagerstättenwassers besorgt die Menschen meines Wahlkreises ebenfalls. Sollten nicht technische Lösungen gefunden werden, die jede Umweltbeeinträch- tigung ausschließen, ist vorzusehen, dass der sogenannte Flowback in Aufbereitungsanlagen zu behandeln ist. Es muss im Rahmen der Gesetzesberatungen ferner über- prüft werden, ob es nicht zwingend erforderlich ist, den Erdgasunternehmen zur Auflage zu machen, dass grund- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012 26451 (A) (C) (D)(B) sätzlich nur mit nicht wasserschädlichen Stoffen ge- frackt werden darf. Da ich weiß, dass in Wahrheit der einzige Grund für die Antragstellung der Opposition das Vorführen der ört- lichen Bundestagsabgeordneten von CDU/CSU und FDP ist und ich dementsprechend gerade im Hinblick auf die niedersächsische Landtagswahl kein Verun- glimpfungspotenzial liefern möchte, werde ich mich bei den Anträgen der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen enthalten. In Zukunft werde ich jedoch nicht mehr bereit sein, mit parlamentarischen Mätzchen der Opposition in dieser Weise umzugehen. Dr. Matthias Heider (CDU/CSU): Den Anträgen der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen kann ich in der vorliegenden Form nicht zustimmen und folge deswegen der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie. Meine Position in der Sache erkläre ich wie folgt: Deutschland hat mit der Energiewende die Vorreiter- rolle für eine Energiezukunft übernommen, die Wachs- tum und Ressourcenschonung in Einklang bringt. Auf Basis von technischem Fortschritt und modernen Tech- nologien muss es gelingen, die weitere Entwicklung des Wirtschaftswachstums vom Energieverbrauch zu ent- koppeln. Gleichzeitig stellen die Abhängigkeit Deutsch- lands vom Import knapper werdender und teurer Energierohstoffe und der Klimawandel unser Land vor enorme Herausforderungen. Wir müssen Abhängigkei- ten verringern, Energie effizienter nutzen und erneuer- bare Energien weiter fördern. Solange keine hinreichend fundierten wissenschaftli- chen Kenntnisse zu den möglichen Auswirkungen von Fracking vorliegen, dürfen keine neuen Fakten geschaf- fen werden. Ich begrüße, dass die Bundesregierung die Studie „Umweltauswirkungen von Fracking bei der Auf- suchung und Gewinnung von Erdgas aus unkonventio- nellen Lagerstätten“ zur Grundlage weiterer Änderungen im Bergrecht macht. Die Genehmigungsverfahren müs- sen auf dieser Grundlage entsprechend den spezifischen Erfordernissen der unkonventionellen Erdgasförderung angepasst werden. Sicherheit hat höchste Priorität, daher dürfen Geneh- migungen nur erteilt werden, wenn unverantwortliche Risiken für Mensch und Natur ausgeschlossen werden können. Als Ergänzung der erneuerbaren Energien bleibt der Einsatz hocheffizienter und flexibel einsetzbarer fossiler Kraftwerke auf Basis von Kohle und Gas zukünftig not- wendig. Insbesondere in Nordrhein-Westfalen besteht das Interesse, die Potenziale sogenannter unkonventio- neller Erdgasvorkommen zu untersuchen. Das Land Nordrhein-Westfalen hat zwar bereits 23 Bergbaube- rechtigungen zur Aufsuchung von Kohlenwasserstoffen zu gewerblichen Zwecken erteilt. Dennoch hat die Lan- desregierung die für Bergbau in Nordrhein-Westfalen zuständige Bezirksregierung Arnsberg angewiesen, dass keine weiteren Erlaubnisse erteilt werden dürfen, bei denen zu einem späteren Zeitpunkt die Fracking- Technologie zum Einsatz kommen könnte. Dies gilt auch für Genehmigungen, die der Erkundung von mögli- chen Erdgaslagerstätten dienen, ohne dass Probebohrun- gen vorgesehen sind. Nordrhein-Westfalen ist größtes Energieland Deutschlands, was Gewinnung und Ver- brauch angeht. Das Interesse an Erhaltung und Entwick- lung neuer energiepolitischer Optionen sollte daher weiterhin besonders groß sein. Eine Umweltverträglichkeitsprüfung für Probeboh- rungen, bei denen Fracking-Technologien eingesetzt werden, ist aus meiner Sicht notwendig. Dies gilt ins- besondere dann, wenn unter Einsatz wassergefährdender Stoffe „gefrackt“ wird. Auch eine verpflichtende, trans- parente und effektive Öffentlichkeitsbeteiligung sollte vor einer Genehmigung des Probe-Fracking verpflich- tend gemacht werden. Die Beteiligungsrechte der zu- ständigen Wasserbehörden, ebenso wie die der betroffe- nen Landkreise und Kommunen, sind zu stärken und in die Genehmigungsverfahren mit einzubeziehen. Eine Erdgasförderung kommt nur infrage, wenn sie von der Bevölkerung in der Region mitgetragen wird. Hier muss die nordrhein-westfälische Landesregierung in Pflicht genommen werden, für mehr Aufklärung über die Risiken des Fracking in der Bevölkerung zu sorgen. Rudolf Henke (CDU/CSU): Den Anträgen der Frak- tionen Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen und SPD kann ich in der vorliegenden Form nicht zustimmen und folge deswegen den Beschlussempfehlungen des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie. Meine Position in der Sache erkläre ich wie folgt: Deutschland hat mit der Energiewende die Vorreiter- rolle für eine Energiezukunft übernommen, die in der Verbindung aus Wachstum und Ressourcenschonung liegt. Ich setze mich für eine nachhaltige Energiepolitik ein und für eine sichere und bezahlbare Energieversor- gung auch in Zukunft. Als Ergänzung der erneuerbaren Energien ist noch über Jahrzehnte hinweg der Einsatz hocheffizienter und flexibel einsetzbarer fossiler Kraftwerke auf der Basis von Kohle oder Gas notwendig. Bislang wird in Nord- rhein-Westfalen kein Erdgas gefördert. Allerdings besteht bei verschiedenen Unternehmen Interesse, die Potenziale sogenannter „unkonventioneller Erdgasvor- kommen“ zu untersuchen. In den betroffenen Regionen besteht ein hohes Maß an Unsicherheit im Hinblick auf die Risiken, die mit der Gewinnung von Gas verbunden sind. Dabei geht es ins- besondere um eine mögliche Belastung des Grund- und Trinkwassers durch das sogenannte Fracking – ein Verfahren, bei dem ein Gemisch aus Wasser, Quarzsand und chemischen Zusätzen in das umlagernde Gestein des Untergrundes gepresst wird, um den Gasfluss hin zum Bohrloch zu stimulieren und die Förderung zu ermögli- chen. 26452 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012 (A) (C) (D)(B) Als Energieland Nr. 1 hat Nordrhein-Westfalen ein großes Interesse an Erhaltung und Entwicklung neuer energiepolitischer Optionen. Zuständig für den Vollzug der bergbaulichen und umweltrechtlichen Vorschriften sind die Behörden der Länder. Bei der Genehmigung von Probebohrungen muss das Land Nordrhein-Westfalen sicherstellen, dass der jeweilige Antragsteller verpflichtet wird, alle für die Entscheidung erforderlichen Informationen bereitzustel- len und die Auswirkungen auf die Umwelt umfassend zu dokumentieren. Die Genehmigungsverfahren müssen den spezifi- schen Erfordernissen der unkonventionellen Erdgasför- derung angepasst werden. Insbesondere halten wir eine Änderung des Bergrechts für notwendig. Eine Umwelt- verträglichkeitsprüfung, UVP, die im Bergrecht für die reine Erkundung von Bodenschätzen, also auch für das Probe-Fracking, derzeit nicht vorgeschrieben ist, ist aus meiner Sicht unerlässlich. Umweltrisiken bestehen vor allem dann, wenn unter Einsatz wassergefährdender Stoffe gefrackt wird. Des- halb soll für diese Fälle sowohl bei der Erdgasgewin- nung als auch bei der Geothermie eine zwingende UVP eingeführt werden. Diese beinhaltet dann auch eine ver- pflichtende, transparente und effektive Öffentlichkeits- beteiligung vor einer Genehmigung des Probe-Fracking. Zudem sind die Wasserbehörden verpflichtend zu betei- ligen, ebenso die betroffenen Landkreise und Kommu- nen. Da die Auswirkungen auf das Grundwasser auch grenzüberschreitend sein können, ist es geboten, entspre- chend hohe Regeln in den Mitgliedstaaten der Europäi- schen Union zu haben. Ich unterstütze daher die Bemü- hung im Europäischen Parlament um vergleichbar hohe Sicherheitsstandards. Eine Erdgasförderung in Nordrhein-Westfalen kommt nur infrage, wenn sie von der Bevölkerung in der Region akzeptiert wird. Dafür ist eine umfassende Transparenz eine zentrale Voraussetzung. Die Landesregierung ist in der Pflicht, die Aufklärung der Bevölkerung über die Risiken des Fracking deutlich zu verbessern. Aus Gründen der Sicherheit muss in Trinkwasser- schutzgebieten Fracking ausgeschlossen sein. Genehmi- gungen für Fracking in anderen Gebieten dürfen nur er- teilt werden, wenn unverantwortliche Risiken für Mensch und Natur ausgeschlossen werden können. Christian Hirte (CDU/CSU): Den zur Abstimmung stehenden Anträgen der Fraktionen Bündnis 90/Die Grü- nen und der Linkspartei stimme ich nicht zu. Ich nehme die Sorgen und Ängste der Bevölkerung in Bezug auf die Fracking-Technologie sehr ernst. Wir müssen feststellen, dass wir nahezu überall dort, wo Un- ternehmen mit Erkundungen nach unkonventionellen Gasförderstätten beginnen möchten, einer breiten Skep- sis und Besorgnis in der Bevölkerung begegnen. Die politische Diskussion der vergangenen Monate war zu- nächst zurückhaltend, um die Ergebnisse weiterer Stu- dien abzuwarten. Diese Ergebnisse liegen mittlerweile vor und bestätigen in Teilen die Einschätzung, dass Risi- ken und Gefahren beim Fracking derzeit nicht gänzlich ausgeschlossen werden können. Ich teile die Einschätzung von Bundesumweltminister Peter Altmaier, dass wir eine Technik nicht gegen den Willen der Bevölkerung durchsetzen dürfen. Ein gene- relles Verbot von Fracking in Deutschland ist derzeit nicht absehbar. Ich halte es auch grundsätzlich für rich- tig, die Technologie in Deutschland nicht auszuschlie- ßen. Vor dem Hintergrund von Unsicherheiten bei der Entwicklung des Energiemarktes, des auch auf längere Zeit noch weiteren Bedarfs an konventioneller Energie sowie denkbaren Abhängigkeiten von anderen Staaten bei der Energieversorgung müssen wir damit rechnen, dass eine Debatte über Energie in der Zukunft anders ge- führt wird als derzeit. Ich halte es für richtig, Fracking nicht für alle Zeiten in Deutschland völlig auszuschlie- ßen. Als Industrieland benötigen wir energiepolitische Optionen. Mit Ausnahme der Linkspartei ist dies der Weg, den alle Parteien im Deutschen Bundestag teilen und dem auch die Landesumweltminister zugestimmt haben. Für mich ist der Schutz von Mensch und sensibler Natur unverhandelbar. Dieser Schutz ist derzeit beim Fracking nicht absolut sichergestellt. Deshalb sind Rah- menbedingungen nötig, die über die bisherigen Regelun- gen des Bundesbergrechtes hinausgehen. Das bisherige Abwarten auf die Studienergebnisse muss nun in einen aktiven Umgang der Politik übergehen. Die Umweltmi- nister der Bundesländer haben einstimmig beschlossen, Fracking in Deutschland nicht auszuschließen, aber mit deutlich höheren Auflagen zu verbinden. Um einen Kon- sens von Bund und Ländern herbeizuführen, halte ich weitere Beratungen für wichtig. Ein heutiger Beschluss von Anträgen im Bundestag würde dem zuwiderlaufen. Bei den weiteren Beratungen über den Umgang mit Fracking halte ich folgende Ziele für wichtig: – ein generelles Verbot von Fracking in Wasserschutz- gebieten, – eine umfassende Anwendung des Grundwasserbe- griffs, um sicherzustellen, dass in allen für die Grund- wasserversorgung sensiblen Gebieten eine Belastung ausgeschlossen werden kann, – eine generelle Umweltverträglichkeitsprüfung, UVP, be- reits im Vorfeld von Erkundungsbohrungen und seis- mischen Untersuchungen, – Vetorechte einzelner Behörden und Bundesländer, um sicherzustellen, dass Bohrungen nicht gegen den Wil- len der Bevölkerung vor Ort erfolgen können, – ein Drängen auf die Weiterentwicklung von Techni- ken, die auf den Einsatz von Chemikalien verzichten – Clean Fracking –, – ein zentrales Genehmigungsverfahren, in dem die As- pekte des Bergrechtes und des Wasserrechtes zusam- mengeführt sind und eine Priorisierung des Wasser- schutzes deutlich wird. Die vorliegenden jüngsten Gutachten bestätigen diese Positionen. Die Fraktionen des Deutschen Bundestages Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012 26453 (A) (C) (D)(B) und die Bundesregierung sind aufgerufen, eine Gesetz- gebung in diesem Sinne nachdrücklich voranzutreiben. Franz-Josef Holzenkamp (CDU/CSU): Den Anträ- gen der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grü- nen kann ich in der vorliegenden Form nicht zustimmen. Meine Position in der Sache geht aber über die Aus- schussempfehlung hinaus, und ich erkläre in der Sache wie folgt: Mit der Energiewende hat Deutschland die Vorreiter- rolle für eine nachhaltige und damit ressourcenscho- nende Energieversorgung übernommen. Ich unterstütze ausdrücklich das Ziel einer sicheren, importunabhängi- geren und bezahlbaren Energieversorgung. Die Ener- gieversorgung kann aber nicht von heute auf morgen umgeschaltet werden. Deshalb wird der Einsatz hoch- effizienter und flexibel einsetzbarer fossiler Kraftwerke noch für längere Zeit als Ergänzung für die erneuerbaren Energien notwendig sein. In den vom Fracking betroffenen Regionen, insbeson- dere in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen, besteht ein hohes Maß an Unsicherheit im Hinblick auf die Risi- ken, die mit dieser Methode der Gasgewinnung verbun- den sind. Dies betrifft insbesondere die mögliche Belas- tung des Grund- und Trinkwassers. Allerdings gibt es vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion in Niedersachsen ein deutlich differenzierte- res Bild zu den Bedingungen eines Bundesgesetzes über Fracking und die Bewertung der Interimszeit bis zum In- krafttreten dieses Gesetzes. Ein gefordertes Fracking-Verbot ist nach dem gegen- wärtig gültigen Bergrecht wirkungslos. Denn für den Vollzug der bergbaulichen und umweltrechtlichen Vor- schriften sind die Landesbehörden zuständig. Hat das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie in Han- nover eine Bohrgenehmigung erteilt, können die Erdgas- bzw. Erdölfirmen das Bohrrecht einklagen. Eine Ände- rung des Bergrechts für die Interimszeit, also bis zum In- krafttreten des neuen Bundesgesetzes zum Fracking, ist aber nicht durchführbar, da die Mehrheit im Bundesrat fehlt. Die Genehmigungspraxis nach dem Bundesbergrecht ist in Niedersachen ein Sonderfall, weil für die Interims- phase bis zum Inkrafttreten eines neuen Bundesgesetzes zu Fracking hier Änderungen vorgenommen wurden. Ein am 31. Oktober 2012 veröffentlichter Runderlass des Landesamtes für Bergbau, Energie und Geologie in Clausthal-Zellerfeld stellt auf der Grundlage des gelten- den Bergrechts „Mindestanforderungen an Betriebs- pläne, Prüfkriterien und Genehmigungsabläufe für hydraulische Bohrlochbehandlungen in Erdöl- und Erd- gaslagerstätten in Niedersachsen“. Darin werden alle Anträge zu Bohrgenehmigungen einem neuen ver- schärften Verfahren unterzogen sowie mit der Auflage, dass Fracking grundsätzlich in Wasserschutzgebieten, Trink-, Mineralwassergewinnungsgebieten, Heilwasser- schutzgebieten – Wassergefährdungsklassen I bis III – und erdbebengefährdeten Gebieten verboten sind, ver- bunden. Dès Weiteren müssen Landkreise und Bürgermeister frühzeitig bei der Einleitung eines Genehmigungsverfah- rens beteiligt und müssen deren Fragen von den Antrag- stellern berücksichtigt werden. Die unteren Wasserbe- hörden sind zu einer eigenständigen wasserrechtlichen Prüfung angewiesen. Das ersetzt zwar nicht die gefor- derte umfassende Umweltverträglichkeitsprüfung, ist aber für die Interimsphase ein praktikabler Kompromiss zur Verschärfung der Auflagen. Mit diesem Runderlass wurde die Genehmigungspraxis auf der Basis des noch geltenden Bergrechts auf Landesebene bereits ver- schärft. Darüber hinaus gelten die Auflagen der Fracking-Stu- die des Bundesumweltministeriums vom August 2012, dass Fracking verboten ist, solange keine ausreichend fundierten wissenschaftlichen Kenntnisse zu den mögli- chen Auswirkungen von Fracking vorliegen. Eine Förderung unkonventionellen Erdgases in Nie- dersachsen kommt nur infrage, wenn die bundesrechtli- chen Bedingungen nach dem Auslaufen des Morato- riums im Bund schnellstmöglich geregelt werden. Diese werden mit dem Fracking-Gutachten in den beteiligten Ressorts in einem Gesetzentwurf erarbeitet. Eine umfassende Umweltverträglichkeitsprüfung wird in das Bergrecht ebenso aufzunehmen sein wie eine generelle Beweislastumkehr für Bergschäden. Diese be- inhaltet dann auch eine verpflichtende, transparente und effektive Öffentlichkeitsbeteiligung vor einer Genehmi- gung des Probe-Fracking. Zudem sind die Wasserbehör- den verpflichtend zu beteiligen, ebenso die betroffenen Landkreise und Kommunen. Da die Auswirkungen auf das Grundwasser auch grenzüberschreitend sein können, ist es geboten, entsprechend hohe Regeln in den Mit- gliedstaaten der Europäischen Union zu haben. Niedersachsen ist eines der am meisten betroffenen Bundesländer der Energiewende. Neben der Frage der Anbindung von Offshorewindkraftparks in der Nordsee und der Durchleitung der erneuerbaren Energien aus dem Norden in den Süden kommt jetzt noch die Diskus- sion des Fracking hinzu. Darüber hinaus zeigt Nieder- sachsen aber auch ein großes Engagement in der Ener- giewende. Um diese Bereitschaft nicht ins Gegenteil umzukehren, muss sichergestellt werden, dass Fracking- Genehmigungen nur erteilt werden dürfen, wenn unver- antwortliche Risiken für Mensch und Natur vollständig ausgeschlossen werden können. Für mich hat Sicherheit höchste Priorität. Ich bin deshalb der Auffassung, dass mit den berg- baurechtlichen Anpassungen in Niedersachsen der erste Schritt in die richtige Richtung bereits unternommen wurde. Günter Lach (CDU/CSU): Den Anträgen der Frak- tionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke kann ich in der vorliegenden Form nicht zustimmen und folge deswegen den Beschlussempfehlungen des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie. Meine Position in der Sache geht aber über die Ausschussempfehlung hinaus. Deshalb erkläre ich wie folgt: 26454 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012 (A) (C) (D)(B) Vor dem Hintergrund der Diskussion um Fracking in Niedersachsen ergibt sich ein wesentlich differenzierte- res Bild zu den Bedingungen eines Bundesgesetzes über Fracking und die Bewertung der Interimszeit bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat am Freitag- vormittag ein Expertengespräch zum Thema anberaumt, dessen Expertise es selbstverständlich abzuwarten gilt, bevor eine Entscheidung getroffen werden kann. Inso- fern ist die Beratung zu Tagesordnungspunkt 45 an die- sem Donnerstag für die Opposition lediglich ein Instru- ment für wahlkampftaktische Zwecke. Das in den oben angegebenen Drucksachen von den Fraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke geforderte Fracking-Verbot ist nach dem gegenwärtig gültigen Bergrecht wirkungslos, weil seitens der Erdgas- bzw. Erdölfirmen bei vorher ergangener Bohrgenehmi- gung durch das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie in Hannover ein einklagbares Bohrrecht be- steht. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist im Gegen- satz zur Opposition der Auffassung, dass eine Änderung des Bergrechts für die Interimszeit bis zum Inkrafttreten des neuen Bundesgesetzes zum Fracking nicht praktika- bel ist, weil dazu eine Mehrheit im Bundesrat fehlt und das Procedere zu lange dauern würde. Bislang wird in Niedersachsen kein Erdgas aus unkonventionellen Quellen – Schiefergas – gefördert. Allerdings haben verschiedene Unternehmen bereits Anträge zu Bohrprojekten sogenannter unkonventionel- ler Erdgasvorkommen gestellt. Die Genehmigungspraxis nach dem Bundesbergrecht ist in Niedersachen ein Sonderfall, weil für die Interims- phase bis zum Inkrafttreten eines neuen Bundesgesetzes zu Fracking hier Änderungen vorgenommen wurden. Ein am 31. Oktober 2012 veröffentlichter Runderlass des Landesamtes für Bergbau, Energie und Geologie in Clausthal-Zellerfeld stellt auf der Grundlage des gelten- den Bergrechts „Mindestanforderungen an Betriebs- pläne, Prüfkriterien und Genehmigungsabläufe für hydraulische Bohrlochbehandlungen in Erdöl- und Erd- gaslagerstätten in Niedersachsen“. Diese gelten sowohl für weiterhin zugelassene Bohrungen nach Tightgas – Sandstein, konventionell – als auch für Shalegas – Schiefergestein, unkonventionell –, für das andere Fra- cking-Methoden notwendig sind. Nach diesem neuen Runderlass werden alle Anträge zu Bohrgenehmigungen einem neuen, verschärften Ver- fahren unterzogen, das folgende Auflagen hat: Fracking ist grundsätzlich in Wasserschutzgebieten, Trink-, Mine- ralwassergewinnungsgebieten, Heilwasserschutzgebie- ten – Wassergefährdungsklassen I bis Ill – und erdbeben- gefährdeten Gebieten verboten. Des Weiteren müssen Landkreise und Bürgermeister frühzeitig bei der Einleitung eines Genehmigungsverfah- rens beteiligt und deren Fragen von den Antragstellern berücksichtigt werden. Die unteren Wasserbehörden sind zu einer eigenständigen wasserrechtlichen Prüfung ange- wiesen. Das ersetzt zwar nicht die geforderte umfas- sende Umweltverträglichkeitsprüfung, ist aber für die Interimsphase ein praktikabler Kompromiss zur Ver- schärfung der Auflagen. Die chemischen Stoffe der Frack-Flüssigkeit sind offenzulegen und durch nichttoxi- sche Stoffe zu ersetzen. Dieser Runderlass des Landes- bergamtes zeigt, dass die Genehmigungspraxis auf der Basis des noch geltenden Bergrechts auf Landesebene bereits verschärft wurde. In den betroffenen Regionen besteht ein hohes Maß an Unsicherheit im Hinblick auf die Risiken, die mit der Gewinnung von Gas verbunden sind. Insofern gelten die Auflagen der Fracking-Studie des Bundesumweltminis- teriums vom August 2012, dass Fracking verboten ist, solange keine ausreichend fundierten wissenschaftlichen Kenntnisse zu den möglichen Auswirkungen von Fra- cking vorliegen. Eine Förderung unkonventionellen Erdgases in Nie- dersachsen kommt nur infrage, wenn die bundesrechtli- chen Bedingungen nach dem Auslaufen des Moratori- ums im Bund schnellstmöglich geregelt werden. Diese werden nun mit dem Vorliegen der Fracking-Gutachten in den beteiligten Ressorts in einem Gesetzentwurf erar- beitet. Eine umfassende Umweltverträglichkeitsprüfung – UVP – wird in das Bergrecht ebenso aufzunehmen sein wie eine generelle Beweislastumkehr für Bergschä- den. Diese beinhaltet dann auch eine verpflichtende, transparente und effektive Öffentlichkeitsbeteiligung vor einer Genehmigung des Probe-Fracking. Zudem sind die Wasserbehörden verpflichtend zu beteiligen, ebenso die betroffenen Landkreise und Kommunen. Das Lagerstät- tenwasser ist ebenso zu untersuchen wie das verpresste Bohrwasser in nicht mehr verwendeten Bohrlöchern. Da die Auswirkungen auf das Grundwasser auch grenzüber- schreitend sein können, ist es geboten, entsprechend hohe Regeln in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu haben. Als das am meisten betroffene Bundesland hat Niedersachsen ein großes Interesse an Erhaltung und Entwicklung neuer energiepolitischer Optionen. Zustän- dig für den Vollzug der bergbaulichen und umweltrecht- lichen Vorschriften sind die Behörden der Länder. Die bergbaurechtlichen Anpassungen in Niedersachsen sind der erste Schritt in die richtige Richtung. Für mich hat Sicherheit höchste Priorität. Genehmi- gungen dürfen nur erteilt werden, wenn unverantwortli- che Risiken für Mensch und Natur vollständig ausge- schlossen werden können. Ingbert Liebing (CDU/CSU): Der Einsatz der Technologie des Fracking zur Gewinnung von Öl und Gas aus unkonventionellen Vorkommen unter Einsatz von gesundheits- und umweltschädlichen und wasser- gefährdenden Chemikalien stößt in der Bevölkerung zu Recht auf Kritik. Das aktuelle Bergrecht wird den Anforderungen an einen sachgerechten Umgang mit die- sen technologischen Möglichkeiten und Gefährdungen nicht gerecht. Notwendig sind Rechtsanpassungen. Um- weltminister Peter Altmaier hat angekündigt, auf der Basis von Gutachten und Untersuchungen konkrete Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012 26455 (A) (C) (D)(B) Maßnahmen zur Fortentwicklung des Bergrechtes vor- zuschlagen. Dabei setze ich mich dafür ein, dass der Schutz des Grund- und Trinkwassers, der menschlichen Gesundheit sowie der Umwelt oberste Priorität haben, der Einsatz von Fracking in Wasserschutz- und -gewinnungs- gebieten grundsätzlich ausgeschlossen wird, grundsätz- lich Umweltverträglichkeitsprüfungen vorgeschrieben werden und eine umfassende Öffentlichkeitsbeteiligung sichergestellt wird. Dabei gehe ich davon aus, dass Umweltverträglich- keitsprüfungen den Einsatz von wasser-, umwelt- oder gesundheitsgefährdenden Chemikalien beim Fracking komplett ausschließen. Auch wenn die Anträge von Oppositionsfraktionen, die heute zur Abstimmung ste- hen, diese Aspekte mit enthalten, stimme ich Ihnen nicht zu, da die Bundesregierung bereits an entsprechenden Vorschlägen und Maßnahmen arbeitet, in deren sachli- che Beratung ich mich einbringe. Andreas Mattfeld (CDU/CSU): Ich stimme dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu, da er in Großteilen meine Position zur Erdgasförderung und al- len damit zusammenhängenden Vorgängen trifft. Grundsätzlich halte ich die Erdgasförderung – auch unter Einsatz einer zukünftig umweltverträglichen Fra- cking-Technologie – für sinnvoll und notwendig. Gerade im Zuge der Energiewende und vor dem Hintergrund ei- ner Unabhängigkeit von Importen muss das in Deutsch- land vorhandene Erdgas gefördert werden – und zwar dort, wo es liegt. Allerdings haben wir als Bundesgesetz- geber die Pflicht entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen, die eine sichere Förderung ermöglichen und den Schutz von Mensch und Umwelt sicherstellen. Die Verpressung des bei der Erdgasförderung anfal- lenden kontaminierten Lagerstättenwassers in geringere Tiefen als denjenigen, aus denen es gefördert wird, lehne ich ab. Es gibt alternative Methoden der Entsorgung und Reinigung des Lagerstättenwassers. Es kann noch an der Bohrstelle so aufbereitet werden, dass es anschließend in die örtlichen Kläranlagen gegeben werden kann. Diese Verfahren existieren derzeit bereits für kleine Mengen. Das muss im Rahmen der Forschung umgehend weiter- entwickelt werden, damit auch größere Mengen konta- minierten Wassers gereinigt und so entsorgt werden kön- nen. Dann entfällt auch der problematische Transport des Lagerstättenwassers von der Bohrstelle an den Ort der Entsorgung – hier hat es in der Vergangenheit zahl- reiche Probleme nicht nur in meinem Wahlkreis gege- ben. Beim Thema Verpressung legt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen eine Doppelmoral an den Tag. Ich bin doch sehr erstaunt, wenn in dem vorliegenden Antrag ein Verpressungsverbot gefordert wird – was ich ausdrücklich unterstütze – und 1999 unter einer rot-grü- nen Landesregierung eine Genehmigung zum Verpres- sen von Lagerstättenwasser in meinem Wahlkreis erteilt wurde. Darüber hinaus hat die rot-grüne Landesregie- rung den Transport von Lagerstättenwasser durch PET- Leitungen genehmigt und das, obwohl sie Kenntnis da- von hatte, dass seit Mitte der 90er-Jahre erwiesen war, dass die Rohrleitungen nicht für den Transport von ben- zolverseuchtem Lagerstättenwasser geeignet sind. So hat die rot-grüne Landesregierung eine große Umweltver- schmutzung billigend in Kauf genommen. Zum Schutz von Mensch und Umwelt halte ich es für erforderlich, dass für jedes Vorhaben zur Erdgasförde- rung zwingend eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt wird. Dabei muss vor allem auch die lokale Ebene nicht nur informiert, sondern auch beteiligt wer- den. Karl Schiewerling (CDU/CSU): Den Anträgen der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen kann ich in der vorliegenden Form nicht zustimmen und folge deswegen den Beschlussempfehlungen des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie. Meine Position in der Sache erkläre ich wie folgt: Deutschland hat mit der Energiewende die Vorreiter- rolle für eine Energiezukunft übernommen, die in der Verbindung aus Wachstum und Ressourcenschonung liegt. Ich setze mich für eine nachhaltige Energiepolitik ein und für eine sichere und bezahlbare Energieversor- gung auch in Zukunft. Als Ergänzung der erneuerbaren Energien ist noch über Jahrzehnte hinweg der Einsatz hocheffizienter und flexibel einsetzbarer fossiler Kraft- werke auf der Basis von Kohle oder Gas notwendig. Bis- lang wird in Nordrhein-Westfalen kein Erdgas gefördert. Allerdings besteht bei verschiedenen Unternehmen Inte- resse, die Potenziale sogenannter unkonventioneller Erd- gasvorkommen zu untersuchen. In den betroffenen Regionen besteht ein hohes Maß an Unsicherheit im Hinblick auf die Risiken, die mit der Gewinnung von Gas verbunden sind. Dabei geht es ins- besondere um eine mögliche Belastung des Grund- und Trinkwassers durch das sogenannte „Fracking“ – ein Verfahren, bei dem ein Gemisch aus Wasser, Quarzsand und chemischen Zusätzen in das umlagernde Gestein des Untergrundes gepresst wird, um den Gasfluss hin zum Bohrloch zu stimulieren und die Förderung zu ermögli- chen. Als Energieland Nr. 1 hat Nordrhein-Westfalen ein großes Interesse an Erhaltung und Entwicklung neuer energiepolitischer Optionen. Zuständig für den Vollzug der bergbaulichen und umweltrechtlichen Vorschriften sind die Behörden der Länder. Bei der Genehmigung von Probebohrungen muss das Land Nordrhein-Westfalen sicherstellen, dass der jeweilige Antragsteller verpflichtet wird, alle für die Entscheidung erforderlichen Informationen bereitzustel- len und die Auswirkungen auf die Umwelt umfassend zu dokumentieren. Die Genehmigungsverfahren müssen den spezifi- schen Erfordernissen der unkonventionellen Erdgasför- derung angepasst werden. Insbesondere halten wir eine Änderung des Bergrechts für notwendig. Eine Umwelt- verträglichkeitsprüfung – UVP –, die im Bergrecht für die reine Erkundung von Bodenschätzen, also auch für das Probefracking, derzeit nicht vorgeschrieben ist, ist aus unserer Sicht unerlässlich. Umweltrisiken bestehen 26456 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012 (A) (C) (D)(B) vor allem dann, wenn unter Einsatz wassergefährdender Stoffe gefrackt wird. Deshalb soll für diese Fälle sowohl bei der Erdgasgewinnung als auch bei der Geothermie eine zwingende UVP eingeführt werden. Diese bein- haltet dann auch eine verpflichtende, transparente und effektive Öffentlichkeitsbeteiligung vor einer Genehmi- gung des Probe-Fracking. Zudem sind die Wasserbehör- den verpflichtend zu beteiligen, ebenso die betroffenen Landkreise und Kommunen. Auch Probebohrungen be- dürfen der Zustimmung der Wasserbehörden. Da die Auswirkungen auf das Grundwasser auch grenzüber- schreitend sein können, ist es geboten, entsprechend hohe Regeln in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu haben. Wir unterstützen daher die Bemühung im Europäischen Parlament um vergleichbar hohe Si- cherheitsstandards. Eine Erdgasförderung in Nordrhein-Westfalen kommt nur infrage, wenn sie von der Bevölkerung in der Region akzeptiert wird. Dafür ist eine umfassende Transparenz eine zentrale Voraussetzung. Die Landesregierung ist in der Pflicht, die Aufklärung der Bevölkerung über die Risiken des „Fracking“ deutlich zu verbessern. Für mich hat Sicherheit höchste Priorität. In Trink- wasserschutzgebieten muss Fracking ausgeschlossen sein. Genehmigungen für Fracking in anderen Gebieten dürfen nur erteilt werden, wenn unverantwortliche Risi- ken für Mensch und Natur vollständig ausgeschlossen werden können. Tankred Schipanski (CDU/CSU): Den Anträgen der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke kann ich in der vorliegenden Form nicht zustimmen und folge deswegen den Beschlussempfehlungen des Aus- schusses für Wirtschaft und Technologie. Meine Position in der Sache geht aber über die Ausschussempfehlung hinaus. Deshalb erkläre ich wie folgt: Deutschland hat mit der Energiewende die Vorreiter- rolle für eine Energiezukunft übernommen, die in der Verbindung aus Wachstum und Ressourcenschonung liegt. Ich setze mich für eine nachhaltige Energiepolitik ein sowie für eine sichere und bezahlbare Energieversor- gung auch in Zukunft. Als Ergänzung der erneuerbaren Energien wird noch über Jahrzehnte hinweg der Einsatz hoch effizienter und flexibel einsetzbarer fossiler Kraft- werke auf der Basis von Kohle oder Gas notwendig sein. Vielerorts bestehen jedoch Bedenken angesichts mög- licher Gefahren, die mit der Gewinnung von Gas ver- bunden sind. Dabei geht es insbesondere um eine mögli- che Belastung des Grund- und Trinkwassers durch das sogenannte Fracking-Verfahren, bei dem ein Gemisch aus Wasser, Quarzsand und chemischen Zusätzen in das umlagernde Gestein des Untergrunds gepresst wird, um den Gasfluss hin zum Bohrloch zu stimulieren und die Förderung zu ermöglichen. Die von der Bundesregierung in Auftrag gegebene Studie „Umweltauswirkungen von Fracking bei der Auf- suchung und Gewinnung von Erdgas aus unkonventio- nellen Lagerstätten“ hat uns klare Handlungsfelder auf- gezeigt. Vor diesem Hintergrund erarbeitet die christlich- liberale Koalition einen Gesetzentwurf, der die bundes- rechtlichen Bedingungen nach dem Auslaufen des Mora- toriums im Bund regelt. Die Besorgnis der Bevölkerung nehmen wir ernst und tragen ihr Rechnung. Für mich hat Sicherheit höchste Priorität. Genehmi- gungen dürfen nicht erteilt werden, wenn unverantwort- liche Risiken für Mensch und Natur nicht vollständig ausgeschlossen werden können. Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU): Erstens. Den Anträgen der Fraktionen Die Linke und SPD kann ich in der vorliegenden Form nicht zustimmen, da sie keinen ausreichenden Schutz vor den Gefahren des Fracking bieten. Beiden Anträge der SPD und Die Linke sind – wie schon im Mai 2012 – sowohl materiell-rechtlich als auch verfassungsrechtlich zu beanstanden. Zudem ist die Einbringung beider Anträge zum jetzigen Zeitpunkt offensichtlich dem Umstand geschuldet, dass am 20. Ja- nuar 2013 in Niedersachsen Landtagswahlen stattfinden. Dass sich die SPD nun ereifert, ist heuchlerisch, hätte sie doch zu ihrer Regierungszeit – auch in Niedersachsen – bereits Regelungen treffen können. Im Gegensatz dazu hat sie aber Genehmigungen zum Fracking erteilt. Zweitens. Der heutige Antrag von Bündnis 90/Die Grünen kann aber eine Grundlage für weitere Diskussio- nen sein. Vor allem die Forderung nach einer Ausset- zung des Verfahrens, bis weitere Erkenntnisse zum Fracking vorliegen, die Forderung, die Öffentlichkeits- beteiligung und Transparenz zu erhöhen, und die Forde- rung nach einer Umweltverträglichkeitsprüfung decken sich mit den Forderungen der CDU/CSU. Drittens. Solange keine ausreichend fundierten wis- senschaftlichen Kenntnisse zu den möglichen Auswir- kungen von Fracking vorliegen, dürfen keine Fakten ge- schaffen werden. Ich begrüße, dass die Bundesregierung die Studie „Umweltauswirkungen von Fracking bei der Aufsuchung und Gewinnung von Erdgas aus unkonven- tionellen Lagerstätten“ in Auftrag gegeben hat. Die Ge- nehmigungsverfahren müssen den spezifischen Erfor- dernissen der unkonventionellen Erdgasförderung angepasst werden. Insbesondere hält die CDU/CSU eine Änderung des Bergrechts für notwendig. Eine Umwelt- verträglichkeitsprüfung – UVP –, die im Bergrecht für das Probe-Fracking derzeit nicht vorgeschrieben ist, ist aus unserer Sicht unerlässlich. Umweltrisiken bestehen vor allem dann, wenn unter Einsatz wassergefährdender Stoffe gefrackt wird. Deshalb soll bei der Erdgasgewin- nung eine zwingende UVP eingeführt werden. Diese be- inhaltet dann auch eine verpflichtende, transparente und effektive Öffentlichkeitsbeteiligung vor einer Genehmi- gung. Zudem sind die Wasserbehörden verpflichtend zu beteiligen, ebenso die betroffenen Landkreise und Kom- munen. Da die Auswirkungen auf das Grundwasser auch grenzüberschreitend sein können, unterstütze ich die Bemühung des Mitglieds des Europäischen Parlaments, Dr. Peter Liese, im Europäischen Parlament um ver- gleichbar hohe Sicherheitsstandards. Viertens. Kritisch ist jedoch selbst beim Antrag von Bündnis 90/Die Grünen, dass keine Regelung bezüglich des Flowbacks getroffen wird. Dieser kann gefährliche Stoffe aus tiefen Bodenschichten enthalten. Es muss da- her auch bei ihm sichergestellt werden, dass durch den Flowback keine Risiken entstehen. Hier ist der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen nicht weitreichend genug. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012 26457 (A) (C) (D)(B) Fünftens. Ebenso ist ein Moratorium nur für zukünfti- ges Fracking rechtlich zulässig. Soweit in manchen Bundesländern bereits Genehmigungen, teilweise vor Jahrzehnten, erteilt worden sind, können diese nicht mit einem Moratorium außer Kraft gesetzt werden. Es ist daher sehr zu begrüßen, dass CDU/CSU und FDP derzeit in weiteren Anhörungen an einer guten Lösung für die Umwelt arbeiten, und ich hoffe, dass sich alle Fraktionen konstruktiv an dieser Diskussion beteiligen. Anlage 6 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Gitta Connemann und Hans- Werner Kammer (beide CDU/CSU) zu den Ab- stimmungen zu den Anträgen: – Verbot des Fracking in Deutschland – Moratorium für die Fracking-Technologie in Deutschland – Ergebnisse der Gutachten zu Umweltaus- wirkungen von Fracking zügig umsetzen (Tagesordnungspunkt 45 und Zusatztagesord- nungspunkt 5) Den Anträgen der Fraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke können wir in der vorliegenden Form nicht zustimmen und folgen deswegen den Be- schlussempfehlungen des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie. Unsere Position in der Sache geht aber über die Ausschussempfehlung hinaus. Deshalb erklären wir wie folgt: Vor dem Hintergrund der Diskussion um Fracking in Niedersachsen ergibt sich ein wesentlich differenzierte- res Bild zu den Bedingungen eines Bundesgesetzes über Fracking und die Bewertung der Interimszeit bis zum In- krafttreten dieses Gesetzes. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat am Freitag- vormittag ein Expertengespräch zum Thema anberaumt, dessen Expertise es selbstverständlich abzuwarten gilt, bevor eine Entscheidung getroffen werden kann, inso- fern ist die Beratung zu Tagesordnungspunkt 45 an die- sem Donnerstag für die Opposition lediglich ein Instru- ment für wahlkampftaktische Zwecke. Das in den oben angegebenen Drucksachen von den Fraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke geforderte Fracking-Verbot ist nach dem gegenwärtig gültigen Bergrecht wirkungslos, weil seitens der Erdgas- bzw. Erdölfirmen bei vorher ergangener Bohrgenehmi- gung durch das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie in Hannover ein einklagbares Bohrrecht be- steht. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist im Gegen- satz zur Opposition der Auffassung, dass eine Änderung des Bergrechts für die Interimszeit bis zum Inkrafttreten des neuen Bundesgesetzes zum Fracking nicht praktika- bel ist, weil dazu eine Mehrheit im Bundesrat fehlt und das Prozedere zu lange dauern würde. Bislang wird in Niedersachsen kein Erdgas aus un- konventionellen Quellen – Schiefergas – gefördert. Al- lerdings haben verschiedene Unternehmen bereits An- träge zu Bohrprojekten sogenannter unkonventioneller Erdgasvorkommen gestellt. Die Genehmigungspraxis nach dem Bundesbergrecht ist in Niedersachen ein Sonderfall, weil für die Interims- phase bis zum Inkrafttreten eines neuen Bundesgesetzes zu Fracking hier Änderungen vorgenommen wurden. Ein am 31. Oktober 2012 veröffentlichter Runderlass des Landesamtes für Bergbau, Energie und Geologie in Clausthal-Zellerfeld stellt auf der Grundlage des gelten- den Bergrechts „Mindestanforderungen an Betriebspläne, Prüfkriterien und Genehmigungsabläufe für hydraulische Bohrlochbehandlungen in Erdöl- und Erdgaslagerstätten in Niedersachsen“. Diese gelten sowohl für weiterhin zugelassene Bohrungen nach Tightgas – Sandstein, kon- ventionell – als auch für Shalegas – Schiefergestein, un- konventionell –, für das andere Fracking-Methoden not- wendig sind. Nach diesem neuen Runderlass werden alle Anträge zu Bohrgenehmigungen einem neuen, verschärften Ver- fahren unterzogen, das folgende Auflagen hat: Fracking ist grundsätzlich in Wasserschutzgebieten, Trink-, Mine- ralwassergewinnungsgebieten, Heilwasserschutzgebie- ten – Wassergefährdungsklassen I bis III – und erdbe- bengefährdeten Gebieten verboten. Des Weiteren müssen Landkreise und Bürgermeister frühzeitig bei der Einleitung eines Genehmigungsverfah- rens beteiligt und müssen deren Fragen von den Antrag- stellern berücksichtigt werden. Die unteren Wasserbe- hörden sind zu einer eigenständigen wasserrechtlichen Prüfung angewiesen. Das ersetzt zwar nicht die gefor- derte umfassende Umweltverträglichkeitsprüfung, ist aber für die Interimsphase ein praktikabler Kompromiss zur Verschärfung der Auflagen. Die chemischen Stoffe der Frack-Flüssigkeit sind offenzulegen und durch nicht- toxische Stoffe zu ersetzen. Dieser Runderlass des Lan- desbergamtes zeigt, dass die Genehmigungspraxis auf der Basis des noch geltenden Bergrechts auf Landes- ebene bereits verschärft wurde. In den betroffenen Regionen besteht ein hohes Maß an Unsicherheit im Hinblick auf die Risiken, die mit der Gewinnung von Gas verbunden sind. Insofern gelten die Auflagen der Fracking-Studie des Bundesumweltminis- teriums vom August 2012, dass Fracking verboten ist, solange keine ausreichend fundierten wissenschaftlichen Kenntnisse zu den möglichen Auswirkungen von Fra- cking vorliegen. Eine Förderung unkonventionellen Erdgases in Nieder- sachsen kommt nur infrage, wenn die bundesrechtlichen Bedingungen nach dem Auslaufen des Moratoriums im Bund schnellstmöglich geregelt werden. Diese werden nun mit dem Vorliegen der Fracking-Gutachten in den be- teiligten Ressorts in einem Gesetzentwurf erarbeitet. Eine umfassende Umweltverträglichkeitsprüfung – UVP – wird in das Bergrecht ebenso aufzunehmen sein wie eine Ausdehnung der Bergschadensvermutung auf Fracking. Diese beinhaltet dann auch eine verpflichtende, transparente und effektive Öffentlichkeitsbeteiligung vor einer Genehmigung des Probe-Fracking. Zudem sind die Wasserbehörden verpflichtend zu beteiligen, ebenso die be- troffenen Landkreise und Kommunen. Das Lagerstätten- 26458 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012 (A) (C) (D)(B) wasser ist ebenso zu untersuchen wie das verpresste Bohr- wasser in nicht mehr verwendeten Bohrlöchern. Da die Auswirkungen auf das Grundwasser auch grenzüberschrei- tend sein können, ist es geboten, entsprechend hohe Regeln in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu haben. Als das am meisten betroffene Bundesland hat Nie- dersachsen ein großes Interesse an Erhaltung und Ent- wicklung neuer energiepolitischer Optionen. Zuständig für den Vollzug der bergbaulichen und umweltrechtli- chen Vorschriften sind die Behörden der Länder. Die bergbaurechtlichen Anpassungen in Niedersachsen sind der erste Schritt in die richtige Richtung. Für uns hat Sicherheit höchste Priorität. Genehmigun- gen dürfen nur erteilt werden, wenn unverantwortliche Risiken für Mensch und Natur vollständig ausgeschlos- sen werden können. Anlage 7 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Andreas Jung (Konstanz) und Lothar Riebsamen (beide CDU/CSU) zu den Abstimmungen zu den Anträgen: – Verbot des Fracking in Deutschland – Moratorium für die Fracking-Technologie in Deutschland – Ergebnisse der Gutachten zu Umweltaus- wirkungen von Fracking zügig umsetzen (Tagesordnungspunkt 45 und Zusatztagesord- nungspunkt 5) Zur Debatte zum Thema Fracking und zu den Anträ- gen der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke geben wir folgende persönliche Erklärung ab: Die Risiken der Fracking-Technologie werden unter anderem in dem umfassenden Gutachten „Umweltauswir- kungen von Fracking“ im Auftrag des Bundesumwelt- ministeriums und des Umweltbundesamtes dargestellt. Bei der Aufsuchung und Gewinnung von Erdgas aus un- konventionellen Lagerstätten kann es wegen des Chemi- kalieneinsatzes sowie wegen der Entsorgung des anfallen- den Abwassers zu Verunreinigungen im Grundwasser kommen. Die Gutachter empfehlen deshalb strenge Auf- lagen, insbesondere ein Verbot von Erdgas-Fracking in Trinkwasser- und Heilquellenschutzgebieten. Diese Empfehlungen müssen zwingend umgesetzt werden. Dem Schutz des Wassers und des Ökosystems muss absoluter Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen im Zusammenhang mit Fracking gegeben werden. Als Konsequenz eines solchen Fracking-Verbots in Trink- wasserschutzgebieten und Wassergewinnungsgebieten wird Fracking in sensiblen Gebieten wie etwa der Bo- denseeregion vollständig verhindert. Schon die Erkun- dung mittels Fracking sollte in solchen Gebieten verbo- ten werden. Darüber hinaus muss verpflichtend eine Umweltver- träglichkeitsprüfung, UVP, für jede Bohrung, bei der wassergefährdende Stoffe eingesetzt werden, im Berg- recht verankert werden. Durch das dann gesetzlich vor- gesehene systematische Prüfungsverfahren werden Transparenz und eine umfassende Öffentlichkeitsbeteili- gung gesichert. Es müssen dann alle unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen eines Vorhabens frühzeitig festgestellt, beschrieben und bewertet werden. Im Sinne einer umfassenden Beteiligung ist auch die jeweils zu- ständige Wasserbehörde einzubeziehen. Ohne deren Ein- vernehmen darf keine Genehmigung erteilt werden. Die in dem zitierten Gutachten aufgezeigten Erkennt- nisse und Risiken sind von allen beteiligten Behörden zu berücksichtigen. Deshalb halten wir es vor einer umfas- senden gesetzlichen Regelung nicht für vertretbar, Ge- nehmigungen für Fracking zu erteilen. Wir plädieren dafür, dass das Fracking-Verbot in den genannten Gebieten und die verpflichtende UVP ge- setzlich geregelt werden. Die Bundesregierung und die Fraktionen sind aufgerufen, diese Gesetzgebung mit Nachdruck voranzutreiben. Dasselbe gilt für die Bundes- länder im Rahmen ihrer Kompetenzen. Die in dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grü- nen genannten Punkte können dabei Grundlage für eine fraktionsübergreifende Verständigung sein. Fraglich ist aus unserer Sicht, ob es – wie in dem Antrag gefordert – eines Moratoriums bis zum 31. Dezember 2014 bedarf. Vorzuziehen wäre nach unserer Auffassung eine umfas- sende gesetzliche Regelung zu einem früheren Zeit- punkt. Dabei dürfen keinerlei Risiken in Kauf genom- men werden. Überall dort, wo noch Erkenntnisse fehlen, darf es keine Genehmigungen für den Einsatz der Fra- cking-Technologie geben. Anlage 8 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Maria Flachsbarth, Enak Ferlemann, Michael Grosse-Brömer, Ewa Klamt, Axel Knoerig, Rita Pawelski und Eckhard Pols (alle CDU/CSU) zu den Abstim- mungen zu den Anträgen: – Verbot des Fracking in Deutschland – Moratorium für die Fracking-Technologie in Deutschland – Ergebnisse der Gutachten zu Umweltaus- wirkungen von Fracking zügig umsetzen (Tagesordnungspunkt 45 und Zusatztagesord- nungspunkt 5) Den Anträgen der Fraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke können wir in der vorliegenden Form nicht zustimmen und folgen deswegen den Be- schlussempfehlungen des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie. Unsere Position in der Sache geht aber über die Ausschussempfehlung hinaus. Deshalb erklären wir wie folgt: Vor dem Hintergrund der Diskussion um Fracking in Niedersachsen ergibt sich ein wesentlich differenzierte- res Bild zu den Bedingungen eines Bundesgesetzes über Fracking und die Bewertung der Interimszeit bis zum In- krafttreten dieses Gesetzes. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012 26459 (A) (C) (D)(B) Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat am Freitag- vormittag ein Expertengespräch zum Thema anberaumt, dessen Expertise es selbstverständlich abzuwarten gilt, bevor eine Entscheidung getroffen werden kann. Inso- fern ist die Beratung zu Tagesordnungspunkt 45 an die- sem Donnerstag für die Opposition lediglich ein Instru- ment für wahlkampftaktische Zwecke. Das in den oben angegebenen Drucksachen von den Fraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke geforderte Fracking-Verbot ist nach dem gegenwärtig gültigen Bergrecht wirkungslos, weil seitens der Erdgas- bzw. Erdölfirmen bei vorher ergangener Bohrgenehmi- gung durch das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie in Hannover ein einklagbares Bohrrecht be- steht. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist im Gegen- satz zur Opposition der Auffassung, dass eine Änderung des Bergrechts für die Interimszeit bis zum Inkrafttreten des neuen Bundesgesetzes zum Fracking nicht praktika- bel ist, weil dazu eine Mehrheit im Bundesrat fehlt und das Procedere zu lange dauern würde. Bislang wird in Niedersachsen kein Erdgas aus un- konventionellen Quellen – Schiefergas – gefördert. Al- lerdings haben verschiedene Unternehmen bereits An- träge zu Bohrprojekten sogenannter unkonventioneller Erdgasvorkommen gestellt. Die Genehmigungspraxis nach dem Bundesbergrecht ist in Niedersachen ein Sonderfall, weil für die Interims- phase bis zum Inkrafttreten eines neuen Bundesgesetzes zu Fracking hier Änderungen vorgenommen wurden. Ein am 31. Oktober 2012 veröffentlichter Runderlass des Landesamtes für Bergbau, Energie und Geologie in Clausthal-Zellerfeld stellt auf der Grundlage des gelten- den Bergrechts „Mindestanforderungen an Betriebspläne, Prüfkriterien und Genehmigungsabläufe für hydraulische Bohrlochbehandlungen in Erdöl- und Erdgaslagerstätten in Niedersachsen“. Diese gelten sowohl für weiterhin zugelassene Bohrungen nach Tightgas – Sandstein, kon- ventionell – als auch für Shalegas – Schiefergestein, un- konventionell –, für das andere Fracking-Methoden not- wendig sind. Nach diesem neuen Runderlass werden alle Anträge zu Bohrgenehmigungen einem neuen, verschärften Ver- fahren unterzogen, das folgende Auflagen hat: Fracking ist grundsätzlich in Wasserschutzgebieten, Trink-, Mine- ralwassergewinnungsgebieten, Heilwasserschutzgebie- ten – Wassergefährdungsklassen I bis III – und erdbe- bengefährdeten Gebieten verboten. Des Weiteren müssen Landkreise und Bürgermeister frühzeitig bei der Einleitung eines Genehmigungsverfah- rens beteiligt und müssen deren Fragen von den Antrag- stellern berücksichtigt werden. Die unteren Wasserbe- hörden sind zu einer eigenständigen wasserrechtlichen Prüfung angewiesen. Das ersetzt zwar nicht die gefor- derte umfassende Umweltverträglichkeitsprüfung, ist aber für die Interimsphase ein praktikabler Kompromiss zur Verschärfung der Auflagen. Die chemischen Stoffe der Frack-Flüssigkeit sind offenzulegen und durch nicht- toxische Stoffe zu ersetzen. Dieser Runderlass des Lan- desbergamtes zeigt, dass die Genehmigungspraxis auf der Basis des noch geltenden Bergrechts auf Landes- ebene bereits verschärft wurde. In den betroffenen Regionen besteht ein hohes Maß an Unsicherheit im Hinblick auf die Risiken, die mit der Gewinnung von Gas verbunden sind. Insofern gelten die Auflagen der Fracking-Studie des Bundesumweltminis- teriums vom August 2012, dass Fracking verboten ist, solange keine ausreichend fundierten wissenschaftlichen Kenntnisse zu den möglichen Auswirkungen von Fra- cking vorliegen. Eine Förderung unkonventionellen Erdgases in Nieder- sachsen kommt nur infrage, wenn die bundesrechtlichen Bedingungen nach dem Auslaufen des Moratoriums im Bund schnellstmöglich geregelt werden. Diese werden nun mit dem Vorliegen der Fracking-Gutachten in den be- teiligten Ressorts in einem Gesetzentwurf erarbeitet. Eine umfassende Umweltverträglichkeitsprüfung – UVP – wird in das Bergrecht ebenso aufzunehmen sein wie eine generelle Beweislastumkehr für Bergschä- den. Diese beinhaltet dann auch eine verpflichtende, transparente und effektive Öffentlichkeitsbeteiligung vor einer Genehmigung des Probe-Fracking. Zudem sind die Wasserbehörden verpflichtend zu beteiligen, ebenso die betroffenen Landkreise und Kommunen. Das Lagerstät- tenwasser ist ebenso zu untersuchen wie das verpresste Bohrwasser in nicht mehr verwendeten Bohrlöchern. Da die Auswirkungen auf das Grundwasser auch grenzüber- schreitend sein können, ist es geboten, entsprechend hohe Regeln in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu haben. Als das am meisten betroffene Bundesland hat Nie- dersachsen ein großes Interesse an Erhaltung und Ent- wicklung neuer energiepolitischer Optionen. Zuständig für den Vollzug der bergbaulichen und umweltrechtli- chen Vorschriften sind die Behörden der Länder. Die bergbaurechtlichen Anpassungen in Niedersachsen sind der erste Schritt in die richtige Richtung. Für uns hat Sicherheit höchste Priorität. Genehmigun- gen dürfen nur erteilt werden, wenn unverantwortliche Risiken für Mensch und Natur vollständig ausgeschlos- sen werden können. Anlage 9 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Ingrid Fischbach, Ansgar Heveling, Hubert Hüppe, Beatrix Philipp, Ruprecht Polenz, Jens Spahn und Lena Strothmann (alle CDU/CSU) zu den Abstim- mungen zu den Anträgen: – Verbot des Fracking in Deutschland – Moratorium für die Fracking-Technologie in Deutschland – Ergebnisse der Gutachten zu Umweltaus- wirkungen von Fracking zügig umsetzen (Tagesordnungspunkt 45 und Zusatztagesord- nungspunkt 5) Den Anträgen der Fraktionen Die Linke, Bündnis 90/ Die Grünen und SPD können wir in der vorliegenden 26460 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012 (A) (C) (D)(B) Form nicht zustimmen und folgen deswegen den Be- schlussempfehlungen des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie. Unsere Position in der Sache erklären wir wie folgt: Deutschland hat mit der Energiewende die Vorreiter- rolle für eine Energiezukunft übernommen, die in der Verbindung aus Wachstum und Ressourcenschonung liegt. Wir setzen uns für eine nachhaltige Energiepolitik ein und für eine sichere und bezahlbare Energieversor- gung auch in Zukunft. Als Ergänzung der erneuerbaren Energien ist noch über Jahrzehnte hinweg der Einsatz hocheffizienter und flexibel einsetzbarer fossiler Kraftwerke auf der Basis von Kohle oder Gas notwendig. Bislang wird in Nord- rhein-Westfalen kein Erdgas gefördert. Allerdings be- steht bei verschiedenen Unternehmen Interesse, die Potenziale sogenannter unkonventioneller Erdgasvor- kommen zu untersuchen. In den betroffenen Regionen besteht ein hohes Maß an Unsicherheit im Hinblick auf die Risiken, die mit der Gewinnung von Gas verbunden sind. Dabei geht es ins- besondere um eine mögliche Belastung des Grund- und Trinkwassers durch das sogenannte Fracking – ein Ver- fahren, bei dem ein Gemisch aus Wasser, Quarzsand und chemischen Zusätzen in das umlagernde Gestein des Un- tergrundes gepresst wird, um den Gasfluss hin zum Bohrloch zu stimulieren und die Förderung zu ermögli- chen. Als Energieland Nr. 1 hat Nordrhein-Westfalen ein großes Interesse an Erhaltung und Entwicklung neuer energiepolitischer Optionen. Zuständig für den Vollzug der bergbaulichen und um- weltrechtlichen Vorschriften sind die Behörden der Län- der. Bei der Genehmigung von Probebohrungen muss das Land Nordrhein-Westfalen sicherstellen, dass der je- weilige Antragsteller verpflichtet wird, alle für die Ent- scheidung erforderlichen Informationen bereitzustellen und die Auswirkungen auf die Umwelt umfassend zu do- kumentieren. Die Genehmigungsverfahren müssen den spezifi- schen Erfordernissen der unkonventionellen Erdgasför- derung angepasst werden. Insbesondere halten wir eine Änderung des Bergrechts für notwendig. Eine Umwelt- verträglichkeitsprüfung, UVP, die im Bergrecht für die reine Erkundung von Bodenschätzen, also auch für das Probe-Fracking, derzeit nicht vorgeschrieben ist, ist aus unserer Sicht unerlässlich. Umweltrisiken bestehen vor allem dann, wenn unter Einsatz wassergefährdender Stoffe gefrackt wird. Deshalb soll für diese Fälle sowohl bei der Erdgasge- winnung als auch bei der Geothermie eine zwingende UVP eingeführt werden. Diese beinhaltet dann auch eine verpflichtende, transparente und effektive Öffentlich- keitsbeteiligung vor einer Genehmigung des Probe-Fra- cking. Zudem sind die Wasserbehörden verpflichtend zu beteiligen, ebenso die betroffenen Landkreise und Kom- munen. Da die Auswirkungen auf das Grundwasser auch grenzüberschreitend sein können, ist es geboten, entspre- chend hohe Regeln in den Mitgliedstaaten der Europäi- schen Union zu haben. Wir unterstützen daher die Be- mühung im Europäischen Parlament um vergleichbar hohe Sicherheitsstandards. Eine Erdgasförderung in Nordrhein-Westfalen kommt nur infrage, wenn sie von der Bevölkerung in der Region akzeptiert wird. Dafür ist eine umfassende Transparenz eine zentrale Voraussetzung. Die Landesregierung ist in der Pflicht, die Aufklärung der Bevölkerung über die Ri- siken des Fracking deutlich zu verbessern. Für uns hat Sicherheit höchste Priorität. In Trinkwas- serschutzgebieten muss Fracking ausgeschlossen sein. Genehmigungen für Fracking in anderen Gebieten dür- fen nur erteilt werden, wenn unverantwortliche Risiken für Mensch und Natur vollständig ausgeschlossen wer- den können. Anlage 10 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Klaus-Peter Flosbach, Erich G. Fritz, Dieter Jasper, Steffen Kampeter, Dr. Günter Krings, Philipp Mißfelder, Michaela Noll, Reinhold Sendker und Sabine Weiss (We- sel I) (alle CDU/CSU) zu den Abstimmungen zu den Anträgen: – Verbot des Fracking in Deutschland – Moratorium für die Fracking-Technologie in Deutschland – Ergebnisse der Gutachten zu Umweltaus- wirkungen von Fracking zügig umsetzen (Tagesordnungspunkt 45 und Zusatztagesord- nungspunkt 5) Den Anträgen der Fraktionen Die Linke und Bünd- nis 90/Die Grünen können wir in der vorliegenden Form nicht zustimmen und folgen deswegen den Beschluss- empfehlungen des Ausschusses für Wirtschaft und Tech- nologie. Unsere Position in der Sache erklären wir wie folgt: Deutschland hat mit der Energiewende die Vorreiter- rolle für eine Energiezukunft übernommen, die in der Verbindung aus Wachstum und Ressourcenschonung liegt. Wir setzen uns für eine nachhaltige Energiepolitik ein und für eine sichere und bezahlbare Energieversor- gung auch in Zukunft. Als Ergänzung der erneuerbaren Energien ist noch über Jahrzehnte hinweg der Einsatz hoch effizienter und flexibel einsetzbarer fossiler Kraftwerke auf der Basis von Kohle oder Gas notwendig. Bislang wird in Nord- rhein-Westfalen kein Erdgas gefördert. Allerdings be- steht bei verschiedenen Unternehmen Interesse, die Potenziale sogenannter unkonventioneller Erdgasvor- kommen zu untersuchen. In den betroffenen Regionen besteht ein hohes Maß an Unsicherheit im Hinblick auf die Risiken, die mit der Gewinnung von Gas verbunden sind. Dabei geht es ins- besondere um eine mögliche Belastung des Grund- und Trinkwassers durch das sogenannte Fracking – ein Ver- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012 26461 (A) (C) (D)(B) fahren, bei dem ein Gemisch aus Wasser, Quarzsand und chemischen Zusätzen in das umlagernde Gestein des Un- tergrundes gepresst wird, um den Gasfluss hin zum Bohrloch zu stimulieren und die Förderung zu ermögli- chen. Als Energieland Nr. 1 hat Nordrhein-Westfalen ein großes Interesse an Erhaltung und Entwicklung neuer energiepolitischer Optionen. Zuständig für den Vollzug der bergbaulichen und um- weltrechtlichen Vorschriften sind die Behörden der Län- der. Bei der Genehmigung von Probebohrungen muss das Land Nordrhein-Westfalen sicherstellen, dass der je- weilige Antragsteller verpflichtet wird, alle für die Ent- scheidung erforderlichen Informationen bereitzustellen und die Auswirkungen auf die Umwelt umfassend zu do- kumentieren. Die Genehmigungsverfahren müssen den spezifi- schen Erfordernissen der unkonventionellen Erdgasför- derung angepasst werden. Insbesondere halten wir eine Änderung des Bergrechts für notwendig. Eine Umwelt- verträglichkeitsprüfung, UVP, die im Bergrecht für die reine Erkundung von Bodenschätzen, also auch für das Probe-Fracking derzeit nicht vorgeschrieben ist, ist aus unserer Sicht unerlässlich. Umweltrisiken bestehen vor allem dann, wenn unter Einsatz wassergefährdender Stoffe gefrackt wird. Deshalb soll für diese Fälle sowohl bei der Erdgasgewinnung als auch bei der Geothermie eine zwingende UVP eingeführt werden. Diese beinhal- tet dann auch eine verpflichtende, transparente und effektive Öffentlichkeitsbeteiligung vor einer Genehmi- gung des Probe-Fracking. Zudem sind die Wasserbehör- den verpflichtend zu beteiligen, ebenso die betroffenen Landkreise und Kommunen. Da die Auswirkungen auf das Grundwasser auch grenzüberschreitend sein können, ist es geboten, entsprechend hohe Regeln in den Mit- gliedstaaten der Europäischen Union zu haben. Wir un- terstützen daher die Bemühung im Europäischen Parla- ment um vergleichbar hohe Sicherheitsstandards. Eine Erdgasförderung in Nordrhein-Westfalen kommt nur infrage, wenn sie von der Bevölkerung in der Region akzeptiert wird. Dafür ist eine umfassende Transparenz eine zentrale Voraussetzung. Die Landesregierung ist in der Pflicht, die Aufklärung der Bevölkerung über die Ri- siken des Fracking deutlich zu verbessern. Für uns hat Sicherheit höchste Priorität. In Trinkwas- serschutzgebieten muss Fracking ausgeschlossen sein. Genehmigungen für Fracking in anderen Gebieten dür- fen nur erteilt werden, wenn unverantwortliche Risiken für Mensch und Natur vollständig ausgeschlossen wer- den können. Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Düngeverordnung novellieren (Tagesordnungspunkt 16) Alois Gerig (CDU/CSU): Die Landwirtschaft in Deutschland ist auf die nachhaltige Produktion sicherer, hochwertiger und bezahlbarer Lebensmittel ausgerichtet. Damit die landwirtschaftlichen Betriebe die dafür not- wendigen Erträge erarbeiten können, ist auch der Einsatz von Düngemitteln sinnvoll und notwendig. Wir alle wissen: Zu viel Düngung ist schädlich. Dün- gung gemäß der guten fachlichen Praxis zielt deshalb nicht nur darauf ab, Nutzpflanzen mit notwendigen Nährstoffen zu versorgen und die Bodenfurchtbarkeit zu fördern. Ziel ist auch, Gefahren für Menschen und Tiere vorzubeugen und den Naturhaushalt zu schützen. Dafür setzt das Düngerecht den Rahmen. Neue Erkenntnisse machen es erforderlich, diesen Rahmen fortzuentwi- ckeln. Die Koalition stellt sich dieser Aufgabe. Deshalb bedarf es Anträgen wie den der SPD-Fraktion eigentlich nicht. Der im September von der Bundesregierung vorge- legte Nitratbericht 2012 kommt zu dem Ergebnis, dass in den letzten Jahren die Gewässerbelastung mit Nitrat leicht rückläufig war. Es wird prognostiziert, dass in den kommenden Jahren bei gleichbleibender Nutzung der landwirtschaftlichen Flächen mit einem weiteren leich- ten Rückgang der Nitratbelastung zu rechnen ist. Dieser Befund ist leider noch nicht befriedigend, um die Ziele der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie und der EG- Nitratrichtlinie zu erreichen. Welche Schritte angezeigt sind, um die EG-Nitrat- richtlinie umzusetzen, ist nicht so leicht zu entscheiden. Die Nitratwerte im Grundwasser ändern sich langfristig – die Auswirkungen von Maßnahmen, die wir heute tref- fen, werden erst in einigen Jahren messbar sein. Dies macht es schwierig, zu bewerten, welche Maßnahmen für den Naturhaushalt notwendig und für die landwirt- schaftlichen Betriebe vertretbar sind. Hinzu kommen auch regionale Unterschiede. Zweifellos stehen Regio- nen mit vielen Tierhaltungsbetrieben vor besonderen Herausforderungen, die dortige tendenziell höhere Nit- ratbelastung zu reduzieren. Dies gilt umso mehr, als die Marktentwicklung in der tierischen Veredelung erwarten lässt, dass die Betriebsgrößen weiter zunehmen und auch die regionale Konzentration fortschreitet. Die Bundesregierung ist mit der EU-Kommission in konstruktiven Gesprächen, welche Maßnahmen einge- leitet werden sollen. Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe hat eine Evaluierung der gültigen Düngeverordnung vor- genommen; der wissenschaftliche Sachverstand des Johann-Heinrich-von-Thünen-Instituts wurde einbezo- gen. Der Abschlussbericht enthält konkrete Empfehlun- gen für die Überarbeitung der Düngeverordnung. Es ist also gar nicht notwendig, die Bundesregierung mit dem Antrag der SPD aufzufordern, die Düngeverordnung zu novellieren; die Überarbeitung der Verordnung ist be- reits auf dem Weg. Zudem stellt sich die Frage, ob alle in dem Antrag enthaltenen Forderungen wirklich vernünftig sind. Ich meine: Nein. Da ist zum einen die Forderung nach schär- feren Kontrollen und Sanktionen. Die Einhaltung der Düngeverordnung ist Bestandteil von Cross Compliance und wird im Rahmen von Cross-Compliance-Kontrollen von den zuständigen Behörden der Länder geprüft und bei Verstößen sanktioniert. Daneben führen die Länder- behörden auch Fachrechtskontrollen durch; dabei fest- 26462 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012 (A) (C) (D)(B) gestellte Verstöße gegen die Düngeverordnung werden als Ordnungswidrigkeit geahndet. Zum zweiten ist auch die Forderung nach einem stärken Monitoring für Ausnahmebetriebe nicht nach- vollziehbar. Ausnahmebetriebe haben auf Grundlage der sogenannten Derogationsregelung die Möglichkeit, hö- here Mengen von Wirtschaftsdünger tierischer Herkunft auf Grünland und Feldgras auszubringen. Diese Betriebe unterliegen bereits heute einem umfassenden Monito- ring. Strenge Auflagen und Kontrollen gewährleisten, dass trotz Anhebung der Höchstmengen die Düngung bedarfsgerecht und ohne unerwünschte Umweltbeein- trächtigungen erfolgt. Die Derogationsregelung ist für landwirtschaftliche Betriebe auf Grünlandstandorten äußerst wichtig. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass die Ausbringung von Stickstoff auf Grünland nicht nur für Ertrag und Qualität vorteilhaft ist, sondern auch für eine geringe Nitratbelastung des Sickerwassers sorgt. Deshalb ist es richtig, dass sich die Bundesregierung in Brüssel dafür einsetzt, die Derogationsregelung auch nach 2013 fortzuführen. Ein dritter kritischer Punkt ist aus meiner Sicht die Forderung nach einer weiteren Absenkung des Stick- stoffüberschusses. In den letzten drei Jahren waren die landwirtschaftlichen Betriebe gefordert, den zulässigen Stickstoffüberschuss bereits um ein Drittel von 90 auf 60 Kilogramm pro Jahr und Hektar zu reduzieren. Dies ist bereits ein gewaltiger Schritt. Es ist zu erwarten, dass uns dieser deutlich voranbringt. Ich bin überzeugt, dass auch die konsequente Umsetzung der Verbringungs- verordnung aus dem Jahre 2010 zu einer nachhaltigen Verbesserung der Grundwassersituation führen wird. Be- vor den Betrieben weitere Absenkungsschritte auferlegt werden, sollte untersucht werden, wie sich die bereits vorgenommenen Schritte auswirken. Angesichts der erfolgten Stickstoffreduzierung in den vergangenen Jahren halte ich es für fraglich, weitere Absenkungsschritte vorzuschreiben, ohne zu wissen, ob diese wirklich angemessen und erforderlich sind. Statt- dessen sollten wir bei der Verarbeitung des Düngers an- setzen. Die Empfehlungen der Bund-Länder-Arbeits- gruppe gehen aus meiner Sicht in die richtige Richtung: Es gilt die Düngebedarfsermittlung und die Ausbrin- gungszeitpunkte zu präzisieren und die Anforderungen an die Ausbringungstechnik und die Einarbeitung zu verbessern. Auch ist zu prüfen, ob die Düngung mit Bio- gasgärresten pflanzlichen Ursprungs in die Ausbrin- gungsobergrenzen einbezogen werden müssen. Bei der anstehenden Überarbeitung der Düngeverord- nung muss nach Wegen gesucht werden, die eine Absen- kung der Nitratbelastung erwarten lassen, andererseits aber auch landwirtschaftliche Tierhaltung in Deutsch- land ermöglichen. Landwirtschaftliche Betriebe sind wichtige Stützen für die Wertschöpfung und den Erhalt von Arbeitsplätzen im ländlichen Raum. Überzogene Anforderungen bei der Stickstoffreduzierung bergen die Gefahr, dass die Produktion aus Deutschland verschwin- det und wir dann Lebensmittel importieren, deren Pro- duktionsbedingungen wir nicht beeinflussen können. Ich bitte die Bundesregierung, einen Verordnungsentwurf vorzulegen, der dies berücksichtigt. Sauberes Wasser ist für alle Menschen lebensnotwen- dig. Die Landwirtschaft steht – das möchte ich abschlie- ßend betonen – in der Mitverantwortung, die Nitrat- belastung unserer Gewässer zu senken. Ich plädiere dafür, die Landwirtschaft nicht auf die Anklagebank zu setzen, sondern die notwendigen Veränderungen in Zu- sammenarbeit mit dem Berufsstand zu erreichen. Wasser ist ein wichtiger Produktionsfaktor in der Landwirt- schaft, und die nachhaltige Nutzung dieser Ressource liegt im Eigeninteresse der Betriebe. Ich bitte Sie, dem vorliegenden Antrag nicht zuzu- stimmen. Dr. Max Lehmer (CDU/CSU): Düngung ist eine wichtige produktionstechnische Maßnahme im moder- nen Pflanzenbau zur Erzeugung von hohen Erträgen und Qualitäten. Ökonomisch optimale Erträge werden nur durch zielgenaue Düngestrategien erreicht, die nachhal- tig wirken und gleichzeitig die ökologischen Belange be- achten. Stickstoff spielt in der Pflanzenernährung eine beson- dere Rolle. Stickstoff bringt von allen Nährstoffen die stärkste Ertragsreaktion. Stickstoff ist Bauelement von Chlorophyll und vielen Enzymen und wichtigster Nähr- stoff für die Bildung von Aminosäuren und Eiweiß. Stickstoff fördert indirekt die Bildung von Vitamin B. Die exakte Ermittlung des optimalen Düngebedarfs ist besonders wichtig. Während bei zu niedrigem N-Ein- satz das mögliche Ertragspotenzial nicht ausgeschöpft wird, kann zu hohe N-Düngung nicht nur zu Minderer- trägen, Qualitätseinbußen und ökonomischen Verlusten, sondern auch zu Umweltbelastungen führen. Um wirksame Maßnahmen zur Vermeidung von un- erwünschten Stickstoffüberschüssen zu ermitteln, muss der dynamische Kreislauf des Stickstoffs zwischen Bo- den und Pflanze betrachtet werden. Die Pflanze kann den Stickstoff immer nur in der mineralisierten Form (nämlich als Ammonium und/oder Nitrat) aufnehmen. Stickstoffquellen sind der Bodenvorrat, organische Dün- ger oder gestreute Mineraldünger. Im Boden und in den organischen Düngern liegt der Stickstoff in organisch gebundener Form vor. Erst durch die Tätigkeit von Mik- roorganismen kann dieser in pflanzenverfügbare Form umgewandelt werden. Bei diesem Vorgang der Nitrifikation entstehen – ohne Einflussmöglichkeit des Landwirts – unvermeid- bare Verluste, und zwar gasförmige (vorwiegend Am- monium) in die Atmosphäre sowie Auswaschungsver- luste in Form des sehr wasserlöslichen Nitrats in den Boden. Eine völlige Vermeidung von Nitrateinträgen ist nicht möglich, auch nicht in unbeeinflussten Ökosystemen. Vielmehr handelt es sich um einen biologischen Ab- und Umbauprozess, der je nach Lebensbedingungen für die entsprechenden Mikroorganismen stärker oder schwä- cher ausgeprägt abläuft. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012 26463 (A) (C) (D)(B) Die Höhe der Verlustrate wird von einer Reihe wichtiger Faktoren bestimmt, die es zu beachten gilt: die Bodenkapillarität, die Bodenart und Wasserdurchläs- sigkeit, der Wassergehalt des Bodens bzw. der Nieder- schlagsmenge, die Lebensbedingungen für Mikroorga- nismen (Bodentemperatur und -feuchtigkeit) und das Vorhandensein von aufnahmefähigen Pflanzenwurzeln. Die zentrale Frage war und ist für die landwirtschaft- liche Düngepraxis, wie und durch welche Maßnahmen der N-Ausnutzungsgrad für die jeweiligen Dünger ge- steigert werden kann bzw. die unerwünschten Verluste an Stickstoff zu reduzieren sind. Die langjährige Betrachtung der Stickstoffüberschüsse zeigt eine deutlich rückläufige Tendenz, der durchschnitt- liche Nitrateintrag hat erheblich abgenommen. Die Grenzwertüberschreitungen im Grundwasser lie- gen derzeit noch bei circa 14 Prozent. Erfreulich ist die Tatsache, dass der Anteil der Prüfstellen, die unter dem Grenzwert von unter 50 mg/l liegen, deutlich zugenom- men hat. Dagegen ist die Zahl der Standorte mit darüber liegenden Werten stark rückläufig. Die Punktquellen der N-Einträge in Oberflächenge- wässer stellen durchaus Probleme dar, die Zahl derer hat aber ebenfalls deutlich abgenommen. Bemerkenswert ist zudem, dass die oft vermutete Ur- sache für Nitrateinträge – nämlich die Bodenerosion – einen sehr kleinen Anteil beiträgt. Bei den Einträgen über die Dränagen zeigt sich eine abnehmende Tendenz, was besonders auch auf Verbesserungen in der Dünge- praxis hinweist. Im Zusammenhang mit dem Nitratein- trag wird häufig Kritik an der hohen Düngeintensität der Landwirtschaft geübt. Dagegen zeigen Auswertungen der Justus-Liebig-Uni- versität Gießen, dass bei gleichem N-Bilanzüberschuss der Wirkungsgrad des Stickstoffs bei höherer Intensität deutlich über dem der geringeren Düngeintensität liegt. Dies bedeutet auch, dass allein durch Extensivierung ein N-Überschuss nicht beseitigt werden kann. Die langjährige Betrachtung zeigt zudem, dass die Er- tragssteigerungen im Pflanzenbau stärker ausgefallen sind als die Zunahme des Düngereinsatzes, woraus zu folgern ist, dass die Stickstoffeffizienz – also die pro ein- gesetzter N-Einheit erzeugte Menge – insgesamt kräftig zugenommen hat. Zu den Forderungen des vorliegenden Antrages neh- men wir wie folgt Stellung: Eine generelle Verschärfung der Düngeverordnung lehnen wir ab. Die Ergebnisse des Nitratberichtes zei- gen, dass einheitliche Patentlösungen nicht zielführend sein können, da es sich nicht um ein flächendeckendes Phänomen handelt. Vielmehr ist an den auffälligen Ein- zelstandorten mit Nitratüberschüssen vor Ort eine gründ- liche Ursachenanalyse vorzunehmen. Insbesondere sind dabei die hydrogeologischen Be- dingungen der Wasserentnahmestellen genauestens zu untersuchen. Dazu gibt es bereits ein ausreichendes Re- gelwerk. Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Evaluierung der Düngeverordnung empfiehlt bei Problemfällen eine spe- zifische Beratung. Wir plädieren dafür, die bewährten Schritte einer sachgerechten Düngeplanung und -handhabung beizube- halten: Erstens: regelmäßige Bodenuntersuchung zur Erfas- sung des Nährstoffvorates; zweitens: exakte Düngebe- darfsermittlung vor allem für Stickstoff und Phosphat; drittens: die sachgerechte Anrechnung aller organischer Dünger sowie deren fachgerechter Lagerung und verlust- armer Ausbringung; viertens: gezielter und bedarfsange- passter Einsatz der Mineraldünger; fünftens: Nutzung moderner technischer Hilfsmittel zur Verbesserung der mengenmäßigen und termingerechten Platzierung von Düngern (Precision Farming, exakte Ausbringtechnik, platzierte Verabreichung, Testmethoden zur aktuellen Stickstoffbedarfsanalyse etc.) und sechstens: Erstellung einer weitestgehend ausgeglichenen Nährstoffbilanz und zwar schlagspezifisch, kultur- und fruchtfolgebezogen. Zusammenfassend stellen wir fest, dass die bisher an- gewandten fachlich begründeten Methoden guter land- wirtschaftlicher Düngepraxis sich auch in ökologischer Hinsicht bewährt haben, was die vorliegenden Erhebun- gen bestätigen. An auffälligen Standorten sind orts- und regionalspe- zifisch geeignete Maßnahmen zu ergreifen, sowohl auf der Seite der Wasserwirtschaft als auch auf der Seite der Landwirtschaft. Unser Schwerpunkt liegt eindeutig bei der weiteren Verbesserung im biologisch technischen Bereich mit dem Ziel, Ausnutzungsgrade von Nährstoffen zu stei- gern und Verlustraten zu minimieren, was neben den ökologischen Zielen insbesondere auch im vollen Inte- resse der Landwirte liegt. Die geforderten Verschärfungen im Ordnungsrecht halten wir nicht für zielführend und lehnen sie daher ab. Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD): Heute beraten wir den Antrag der SPD-Bundestagsfraktion mit dem Titel „Düngeverordnung novellieren“. Im September haben das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit und das Bundesministerium für Er- nährung, Landwirtschaft und Verbrauchschutz ihren Nitratbericht 2012 vorgelegt. Die Zahlen im Bericht be- legen eindringlich, dass der Einfluss der Landwirtschaft bei Stickstoffeinträgen ins Grund- und Oberflächenwas- ser immer noch beträchtlich ist. Ursache für die hohen Nitratgehalte im Grundwasser sind Stoffeinträge, die teilweise Jahrzehnte zurücklie- gen. Dieser Langzeiteffekt verdeutlicht, dass wir jetzt umgehend handeln müssen. Wenn wir heute nicht gegen- steuern, haben wir zukünftig und dauerhaft Probleme mit der Trinkwasseraufbereitung in Deutschland, und dieses Problem verursacht Kosten für alle Wasserver- braucher und damit für die Allgemeinheit, die nicht ver- tretbar sind. 26464 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012 (A) (C) (D)(B) Eigentlich wollten wir in Deutschland den Stickstoff- überschuss pro Hektar bereits im Jahr 2010 auf 80 Kilo- gramm Stickstoff begrenzen. Zwar haben wir in Deutschland bereits einiges erreicht. So konnte der Stickstoffüberschuss im Saldo zwischen 1991 und 2009 von ehemals 130 Kilogramm auf 95 Kilogramm gesenkt werden. Gemäß der Europäischen Wasserrahmenrichtli- nie sollen bis zum Jahr 2015 alle Gewässer einen „guten Zustand“ erreicht haben. Es ist aber absehbar, dass nur die Hälfte der Grundwasserkörper die Anforderungen an einen „guten chemischen Zustand“ erreichen. Gegen- wärtig sind an knapp 15 Prozent der Messstellen die Nitratbelastungen so hoch, dass sie zur Trinkwasserge- winnung nur eingeschränkt nutzbar sind. Wir dürfen jetzt nicht mit unseren Bemühungen nachlassen. Gerade in diesen Tagen geriert sich die Koalition in der europäischen Finanzpolitik sehr schulmeisterlich. Wenn man so auftritt, sollte man zumindest mit gutem Beispiel vorangehen. Unsere nationale Finanzpolitik taugt nicht als Vorbild, beim Gewässerschutz gilt Ähnli- ches. Und bevor es für die schwarz-gelbe Regierung ganz peinlich wird, wollen wir Sie mit unserem Antrag daran erinnern, welche Maßnahmen zum Schutz der Ge- wässer wirklich effizient und zielführend sind. Nicht nur die SPD sieht mit Sorge, wie durch Nichts- tun und Verzögern Herausforderungen im Gewässer-, Boden- und Klimaschutz auf die lange Bank geschoben werden. Auch die EU-Kommission hat mehrere sehr kri- tische Anmerkungen gemacht, denen ich mich an dieser Stelle ausdrücklich anschließe. Für die EU-Kommission sind insbesondere drei Gründe für die Güte des Grund- und des Oberflächen- wassers verantwortlich: die Zunahme des Energiepflan- zenanbaus, der Rückgang des Dauergrünlandanteils an der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche und die Zunahme der Stickstoffemissionen ins Wasser und in der Atmosphäre. Dabei mahnt die EU-Kommission ganz konkreten Nachbesserungsbedarf in der aktuellen Düngeverord- nung an: beispielsweise bei der Kontrolle der Dünger- verbringung zwischen den Landwirten. Hier reicht eine Verschärfung der Dokumentationspflichten nicht aus. Dies ist ja seit Kurzem in Niedersachsen erforderlich. Selbstverständlich muss sichergestellt werden, dass die stickstoffhaltigen Wirtschaftsdünger dort ausgebracht werden, wo aufnahmefähige Böden vorhanden sind. An- sonsten werden wir an den belasteten Standorten eine weitere Verschlechterung des Wasserzustandes hinneh- men müssen. Die Ausbringungsobergrenze für Stickstoff tierischer Herkunft ist gegenwärtig auf 170 Kilogramm Stickstoff pro Hektar ausgelegt. Zukünftig sollte diese auf alle orga- nischen Düngemittel angewendet werden. Damit würde dann auch die Düngewirkung von Gärresten pflanzlicher Herkunft erfasst. Die Anrechnung dieser Stickstoffmen- gen ist wichtig, denn es kann ja nicht angehen, dass die Gärreste aus Biogasanlagen, die einen hohen Nährstoff- anteil aufweisen, zusätzlich und unbilanziert zu den be- reits 170 Kilogramm Stickstoff auf die landwirtschaftli- chen Flächen ausgebracht werden. Die EU-Kommission ist hier eindeutig: Es muss jede verfügbare Stickstoffmenge eingerechnet werden. Alles andere macht aus meiner Sicht auch keinen Sinn, sonst bekommen wir nämlich dauerhaft das nächste Problem in unseren Böden- und Wasserhaushalten. Bisher erlaubt die Derogationsregelung rinderhalten- den Betrieben, unter bestimmten Bedingungen auf inten- siv genutzten Grünlandflächen statt 170 Kilogramm Stickstoff aus Wirtschaftsdüngern tierischer Herkunft bis zu 230 Kilogramm pro Hektar auszubringen. Bereits im Mai hatte ich deshalb der Bundesregierung zwei Fragen gestellt und um Auskunft gebeten. Zum einen wollte ich wissen, welchen landwirtschaftlichen und gewerblichen Betrieben Ausnahmegenehmigungen zur Ausbringung von Stickstoff auf Intensivgrünland erteilt wurden und aufgrund welcher Kriterien diese Betriebe eine Ausnah- megenehmigung erhielten. Darüber hinaus habe ich die Bundesregierung gefragt, wie die Einhaltung der geneh- migten Ausbringungsobergrenzen kontrolliert wird und wie die Betriebe an die vorgeschriebenen Stickstoffaus- bringungsgrenzen nach der EU-Nitratrichtlinie nach Auslaufen der Ausnahmegenehmigung zum 31. Dezem- ber 2013 herangeführt werden. An dieser Stelle bedanke ich mich für die rasche Ant- wort der Bundesregierung und die beigefügten Aufstel- lungen. Nach Aussage der Bundesregierung nutzten in 2011 insgesamt 1 067 Derogationsbetriebe eine Ausnah- megenehmigung. Die Betriebe konzentrieren sich vor al- lem in den folgenden Regionen: Niederrhein, Bergisches Land und Sauerland, Nord- und Westniedersachsen so- wie das Allgäu, das bayerische Alpenvorland und Nie- derbayern. Ich gehe davon aus, dass die Derogationsbetriebe ein existenzielles Interesse daran haben, das Problem der Nährstoffüberschüsse dauerhaft zu lösen. Aber was tut die Bundesregierung? Laut der Antwort auf mein Schrei- ben hat die Bundesregierung mit der Europäischen Kom- mission Kontakt aufgenommen, um die Möglichkeit zur Verlängerung der bestehenden Derogationsregelung zu erörtern. Dabei ist klar, dass die EU-Kommission die Derogationsregel grundsätzlich infrage stellt. Weder den Betrieben noch der Umwelt wäre damit geholfen, dass die bis Ende 2013 befristete Ausnahmeregelung in der Düngeverordnung weiter verlängert wird. Diese Antwort ist typisch für die konservative Land- wirtschaftspolitik: keine Strategie, wegsehen und nicht handeln. Weder bietet diese Bundesregierung Orientie- rung noch schafft sie Planungssicherheit. Stattdessen speist sie die betroffenen Landwirte mit lauwarmen Worten ab. Als niedersächsischer Bundestagsabgeordneter be- wegt mich insbesondere die Situation in den Verede- lungsregionen in Nord- und Nordwestniedersachsen. Dort haben wir massive Probleme mit Stickstoffeinträ- gen ins Grundwasser. Und die Situation hat sich nicht geändert, das kann man im Nitratbericht 2012 nachlesen. Leider muss ich feststellen, dass die schwarz-gelbe Lan- desregierung im Agrarland Nummer 1 ihre konservative Landwirtschaftspolitik genauso wie im Bund durchzieht. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012 26465 (A) (C) (D)(B) Seit ein paar Monaten ist die niedersächsische Verord- nung über Meldepflichten in Bezug auf Wirtschaftsdün- ger in Kraft. Seit dem 1. Juli 2012 müssen die in den Ver- kehr gebrachten Mengen an Wirtschaftsdünger sowie von Stoffen, die als Ausgangsstoff oder Bestandteil Wirt- schaftsdünger enthalten, an eine zentrale Datenbank der Landwirtschaftskammer Niedersachsen gemeldet wer- den. Die Datenbank mit der Bezeichnung „Meldepro- gramm Wirtschaftsdünger Niedersachsen“ ist ein erster Schritt, um eine Übersicht zu erhalten, wo welche Men- gen an Wirtschaftsdüngern verbracht werden. Scheinbar war die bisherige Erfassungsmethode auf Landkreis- ebene nur unzureichend. Die Landesregierung hat gezwungenermaßen Aktivi- täten entwickelt, die leider nur halbherzig sind; denn ohne effektive Kontrollen bleiben die Dokumentations- pflichten ein Placebo. In diesem Zusammenhang muss auch auf die grundsätzliche Aussage der EU hingewie- sen werden, die sich vorbehält, alle Rechtsregeln im Zu- sammenhang mit der EU-Nitratrichtlinie zu notifizieren. Dies betrifft auch Länderregelungen. Und das ist auch richtig so; denn scheinbar nehmen die Mitgliedstaaten einige Vorgaben nicht wirklich ernst. Gerade in den Problemregionen, in denen der Viehbe- satz pro Hektar teilweise weit über dem erträglichen Maß liegt, müssen wir dauerhaft neue Lösungen finden. Eine SPD-geführte Landesregierung wird dieses seit Jahren in Niedersachsen verschleppte Problem mit aller Kraft angehen. Unsere Agrarpolitik unterscheidet sich maßgeblich von der Klientelpolitik der CDU, der CSU und der FDP: Die SPD schafft Klarheit und Planungssicherheit, wäh- rend die schwarz-gelben Koalitionen zaudern und unsys- tematisch rumwursteln. Wir wollen eine nachhaltige, tiergerechte und klimaschonende Landwirtschaft voran- bringen. Wir sagen den Landwirten klar und deutlich, was wir von Ihnen erwarten, und wir sagen ihnen im gleichen Atemzug auch, was sie dafür von uns erwarten können. Wir bieten Orientierung und schaffen Planungs- sicherheit. Bundesagrarministerin Ilse Aigner hat Anfang letzten Jahres einen Dialogprozess um die Charta für Landwirt- schaft und Verbraucher auf den Weg gebracht. Ihr Ziel war es, ein Bild einer verbraucherorientierten Landwirt- schaft zu entwickeln. Dieses Ziel unterstütze ich voll und ganz. Verbraucherinnen und Verbraucher wollen Antworten auf die drängenden Fragen beispielsweise in der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung. Leider bleiben die Dialogprozesse auf halber Strecke stecken. Verbrau- cher und Landwirte werden von dieser Regierung im Re- gen stehen gelassen. Auf Bundes- und auf Landesebene produzieren schwarz-gelbe Regierungen Sprechblasen. Im besten Fall kann man von Schwarz-Gelb erwarten, dass sie Missstände und Herausforderungen dokumentieren und beforschen lassen. Statt politische Lösungen anzubieten, schleichen Sie sich aus der politischen Verantwortung und scheuen den Konflikt mit den Lobbyverbänden. Sie verzögern die erforderliche und zeitnahe Anpassung an die sich ändernden Rahmenbedingungen. Dies sieht man ganz deutlich an der Novelle der Düngeverordnung. Ich finde es mittlerweile mehr als beschämend, wie Sie mit wichtigen Zukunftsfragen der Landwirtschaft umgehen. Wir diskutieren heute ja nicht nur den SPD- Antrag zur Novelle der Düngeverordnung, sondern auch zu später Stunde die Novelle des Tierschutzgesetzes. Am heutigen Tag zeigt sich deutlich: Ihre Agrarpolitik, Ihre Tierschutzpolitik und am Ende Ihre Verbraucherpolitik sind nicht tageslichttauglich. Verantwortliches politisches Handeln sieht anders aus. Leider muss die SPD wieder einmal die Versäum- nisse einer verfehlten konservativen Agrarpolitik ausbü- geln. Wir Sozialdemokraten werden die erforderlichen Diskussionsprozesse ab dem 21. Januar 2013 in Nieder- sachsen und ab Herbst 2013 in Berlin moderieren und am Ende auch die richtigen politischen Entscheidungen treffen. Dr. Christel Happach-Kasan (FDP): Der Schutz unseres Grundwassers hat hohe Priorität, denn Trink- wasser ist ein wertvolles Grundnahrungsmittel. Mit der Verabschiedung des Abwasserabgabengesetzes 1978 wurde im Umweltschutz eine Wende eingeleitet. Der Kläranlagenbau wurde vorangetrieben, unsere Gewäs- ser sind seither deutlich sauberer geworden. Der Lachs steigt den Rhein auf, und die Stinte aus der Elbe können wieder gegessen werden. Dennoch können wir uns nicht zurücklehnen. Wäh- rend Nährstoffeinträge in unsere Gewässer aus Punkt- quellen durch die verbesserte Reinigungsleistung der Kläranlagen stark gesunken sind, sind die Einträge aus diffusen Quellen weniger stark zurückgegangen. Die dif- fusen Quellen haben somit an Bedeutung gewonnen. Nach Angaben des Umweltbundesamts stammen 62 Pro- zent der diffusen Einträge aus der Landwirtschaft. Wir haben im Dreijahresmittel einen Stickstoffüber- schuss von etwa 95 Kilogramm pro Hektar und Jahr. Das ist deutlich mehr als die Bundesregierung in ihrer Nach- haltigkeitsstrategie beschlossen hat. Auch wenn es in vielen Regionen gelungen ist, den Stickstoffeintrag ins Grundwasser deutlich zu mindern, gibt es andere, in de- nen er nach wie vor zu hoch ist. Der Antrag des Kollegen Priesmeier spricht daher ein wichtiges Thema an. Die Faktenlage ist vom Umwelt- bundesamt gut aufgearbeitet worden, darüber dürfte es kaum Dissens geben. Deutschland ist aufgrund der euro- päischen Wasserrahmenrichtline, WRRL, verpflichtet, Oberflächen- und Grundwässer zu schützen und bis 2015 in einen guten chemischen Zustand zu versetzen. Dazu zählt nach der geltenden Trinkwasserverordnung, dass die Nitratgehalte im Trinkwasser eine Konzentra- tion von 50 Milligramm pro Liter im Grundwasser nicht überschreiten dürfen. Umfangreiche Messungen haben gezeigt, dass Stick- stoffeinträge in Oberflächengewässer hauptsächlich durch das Grundwasser erfolgen, und die Hauptquelle für Nitrate und ähnliche Stickstoffverbindungen ist in- zwischen die Landwirtschaft. Insgesamt ist laut Nitrat- 26466 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012 (A) (C) (D)(B) bericht der Bundesregierung an den meisten Messstellen eine deutliche Verringerung der Nitratkonzentrationen zu verzeichnen. Vergleichsmaßstab kann dabei aus Sicht der FDP jedoch nicht der Stand aus den 1980er-Jahren sein, wir müssen uns auf die jüngste Entwicklung kon- zentrieren. Die Dynamik der Abnahme hat sich in letzter Zeit deutlich verringert, in Regionen mit starker Vieh- haltung und vielen Biogasanlagen jedoch umgedreht. Dasselbe muss man auch für einige Messwerte in den Küstengewässern, insbesondere der Nordsee und der östlichen Ostsee, feststellen. Laut Nitratbericht ist der ökologische Zustand dort unbefriedigend. Dem kann nicht tatenlos zugesehen werden. Der Indikatorenbericht 2012 des Statistischen Bun- desamtes zur nachhaltigen Entwicklung in Deutschland weist für den Teilindikator 12 a, Stickstoffüberschüsse der Gesamtbilanz Deutschland, im gleitenden Dreijah- resdurchschnitt immer noch eine deutliche Abweichung vom Ziel 80 Kilogramm pro Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche aus. Die Bundesregierung hat Maßnahmen unternommen, um die Überschüsse zu reduzieren und gleichzeitig die wissenschaftliche Datengrundlage zu verbessern. Dennoch wurden Ziele der Nachhaltigkeits- strategie bisher nicht erreicht, und eine Erfüllung ist in absehbarer Zeit fraglich. Der Antrag der SPD enthält durchaus einige richtige Ansatzpunkte, die auch aus Sicht der FDP mitgetragen werden könnten. So ist eine Berechnung der Stickstoff- bilanz ab dem Hoftor, die Einrechnung der ausgebrach- ten Gärreste und die Anrechnung auf den Wirtschafts- dünger notwendig, um aussagekräftige Zahlen zu erhalten. Bund und Länder arbeiten hier an einer sachge- mäßen Umsetzung. Es wäre aus Sicht der FDP wün- schenswert, wenn die Umsetzung noch in dieser Legisla- turperiode erfolgen könnte. Die Bundesregierung und die Länder sind aufgefordert, hier möglichst schnell zu einer konstruktiven Lösung zu gelangen. Der Antrag enthält jedoch einige Allgemeinplätze, wie die Forderung nach verschärften Kontrollen, die vom Bund nur bedingt direkt umgesetzt werden können. Hier sind insbesondere die Länder gefordert. Dies soll insbesondere bei den Betrieben erfolgen, die von der Ausnahmeregelung Gebrauch machen, auf Grünland maximal 230 statt 170 Kilogramm Stickstoff pro Hektar einzusetzen. Allerdings ist der Ruf nach einem Monito- ring bei diesen Betrieben wenig sinnvoll, da diese bereits deutlich schärfer kontrolliert werden als andere. Bevor weitere pauschale Grenzwerte eingeführt werden und vorhandene Vorschriften verschärft werden, sollten wir die bereits vorhandenen Instrumente effizienter einset- zen. Die FDP hält es allerdings nicht für sinnvoll, diese Ausnahmeregelung festzuschreiben. Der Schutz unserer Gewässer und eine gute Wasserqualität sind für die Bür- gerinnen und Bürger ein wichtiges Anliegen. Zukunfts- fähig ist letztlich nur eine Regelung, die zu einer zielge- nauen Düngung führt und Einträge von überschüssigen Stickstoffverbindungen weitestgehend verhindert. Beispiele aus der Praxis zeigen, dass bereits eine Viel- zahl moderner Technologien bereitsteht, um zu einer zielgenaueren und bedarfsangepassten Düngepraxis zu gelangen. Nicht zuletzt deutsche Unternehmen der Agrartechnik sind hier gut aufgestellt. Unsere Nachbar- staaten Dänemark und die Niederlande zeigen, dass der großflächige Einsatz von modernen Methoden wie dem „precision farming“ zu besseren Ergebnissen führen kann. Die Ergebnisse des DLG-Kolloquiums „Nitratein- träge aus der Landwirtschaft – Problem von gestern und Hypothek für morgen“, das am letzten Mittwoch hier in Berlin stattgefunden hat, haben gezeigt, dass durch gute Beratung und Umsetzung der Empfehlungen eine Effi- zienzsteigerung der Stickstoffnutzung und damit eine Minderung des Austrags möglich ist. Die Forderung nach einer gezielten Weiterbildung der Landwirte ist ebenfalls sinnvoll, um die neuesten techni- schen Entwicklungen in die Praxis zu überführen. Wir haben in Deutschland ein beispielhaftes System der Be- ratung und der Aus- und Weiterbildung, das wir nutzen sollten. Die Landwirtschaftskammern, die Bauernver- bände und ebenso die DLG mit ihren Testprogrammen und Fortbildungsangeboten können unseren Landwirten die vielen Verbesserungsansätze nahebringen. Wir Libe- rale freuen uns darauf, den sachlichen und faktenbasier- ten Antrag in den weiteren parlamentarischen Beratun- gen zu diskutieren, auch wenn die Forderungen nicht in allen Punkten von uns geteilt werden. Alexander Süßmair (DIE LINKE): Die SPD fordert in ihrem Antrag eine Verschärfung der Düngeverord- nung. So soll der in der derzeit gültigen Verordnung be- stimmte Wert für Stickstoffüberschüsse von 60 Kilo- gramm Nitrat pro Hektar auf 50 Kilogramm Nitrat pro Hektar gesenkt werden. Weitere Forderungen sind die angemessene Berücksichtigung von Gärresten in den Stickstoffbilanzen sowie die Einführung einer obligato- rischen Hoftorbilanz. Neben diesen vorgeschlagenen dramatischen Ver- schärfungen sollen die Beratung der Landwirte verstärkt und die Kontrolle der Einhaltung der Düngeverordnung intensiviert werden. Für mich stellt sich die Frage, ob das wirklich die Maßnahmen sind, die zum Ziel einer geringeren Stick- stoffbelastung aus der Landwirtschaft beitragen und ob überhaupt eine weitere Verschärfung der Düngeverord- nung an den von der SPD vorgeschlagenen Stellen etwas bringt? Die Senkung um 10 Kilogramm Nitrat pro Hektar kann eigentlich nur symbolisch gemeint sein. Sie wird keinen nennenswerten Beitrag zur Senkung der landwirt- schaftlichen Stickstofffracht leisten, solange noch nicht einmal der vor drei Jahren geltende Wert von 80 Kilo- gramm erreicht wird. Es wäre also schon viel erreicht, wenn der jetzt in der Düngeverordnung geltende Wert von maximal 60 Kilogramm Nitrat pro Hektar erreicht werden würde. Landwirtschaftsbetriebe, die Gärreste aus Biogasanlagen als Dünger einsetzen, müssen schon jetzt die Gärreste in den flächenbezogenen Stickstoffbilanzen ausweisen. Für mich stellt sich schon die Frage, was konkret mit der im Antrag formulierten Forderung erreicht werden Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012 26467 (A) (C) (D)(B) soll? Dass die Hoftorbilanz wirklich zu einer Verbesse- rung der Effizienz der Düngereinsätze führen wird, halte ich für fraglich. Grundsätzlich ist klar, dass in der Landwirtschaft die Sensibilität für die Umweltbelastungen durch zu hohe Stickstoffverluste gesteigert werden muss. Bewährt ha- ben sich einige Maßnahmen, die über die Düngeverord- nung nicht geregelt werden können, die aber politisch weiter gestärkt und verfolgt werden müssen. Dazu ge- hört zum Beispiel die gezielte Kooperation zwischen der Land- und der Wasserwirtschaft. Gerade die Betreiber der Wasserwerke in Deutschland haben gute Daten- grundlagen, um die Verursacher von Stickstoffbelastun- gen zielgenauer einzugrenzen. Bereits existierende Kooperationen zeigen die Potenziale, die weitaus höher sind als Verbesserungen, die möglicherweise durch eine teure Intensivierung der betrieblichen Kontrollen erreicht werden können. In einer funktionierenden Kooperation zwischen Land- und Wasserwirtschaft wird automatisch die Beratung und auch die Kontrolle der Düngeverfahren in der Landwirtschaft verbessert. Viel- leicht ist es angeraten, derartige Kooperationen politisch stärker zu fördern. Ein weiterer Bereich wäre der weitere Ausbau von Lagerkapazitäten zur Gülle- und Gärrestelagerung. Auch dieses ist nicht Bestandteil der Düngeverordnung, ermöglicht aber die Erweiterung der Möglichkeiten, betrieblich anfallende organische Düngemittel pflanzen- baulich optimal einzusetzen. Auch würde ein besserer Schutz, besser noch Wiederherstellung von Grünland erheblich zu einer Reduzierung der Nitrateinträge in die Umwelt beitragen. Letztlich ist aus Sicht der Linken auch die agrarpoliti- sche Rahmensetzung wichtig. Mit dem Durchsetzen des obligatorischen Greenings in der ersten Säule der Agrar- förderung der EU kann die landwirtschaftliche Intensi- tät, vor allem an umweltsensiblen Standorten, gemindert werden, ohne dass das betriebswirtschaftlich untragbar wird. Um hier nicht missverstanden zu werden: Die Forde- rungen der SPD in ihrem Antrag sind nicht falsch. Ob sie aber einen nennenswerten Beitrag zur Verminderung der Umweltprobleme aufgrund der Düngepraxis leisten kön- nen, wage ich zu bezweifeln. Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Die Nitratbelastung des Grundwassers durch die Landwirtschaft ist weiterhin alarmierend. 36 Prozent der Grundwassermessstellen in Deutschland weisen deutlich bis stark erhöhte Nitratwerte auf. Bei 15 Prozent der Messstellen werden die Nitratgrenzwerte sogar über- schritten. Die signifikant höchsten Werte treten dabei im Ein- zugsbereich von Agrarflächen auf. Alarmierend ist, dass Fachleute inzwischen wieder deutliche Anstiege der Nitratgehalte genau dort feststellen, wo es in den letz- ten Jahren zum Ausbau der Massentierhaltung gekom- men ist. So lag zum Beispiel im Münsterland die Zahl der Messbrunnen, bei denen der Nitratgrenzwert von 50 Milligramm pro Liter überschritten wurde, im Zeit- raum 2008 bis 2011 bei 32,5 Prozent, während es 2000 noch 28,6 Prozent waren. 2002 wurde in der Nachhaltigkeitsstrategie der Bun- desregierung das Ziel verankert, im Bilanzjahr 2010 ei- nen Stickstoffüberschuss von höchstens 80 Kilogramm pro Hektar zu erreichen. Tatsächlich lagen wir 2010 mit 96 Kilogramm pro Hektar deutlich jenseits dieses ohne- hin schon sehr hohen Zielwertes. Die Gründe für diese Situation sind bekannt: über 1 000 neue Großställe in den letzten Jahren, explodieren- der Import von Futtermitteln, sprich Nährstoffen, die dann in Form von Gülle auf den abnehmenden Flächen landen, Grünlandumbruch und damit Stickstoffmobili- sierung in tieferen Bodenschichten und eine regional hohe Konzentration von Gärresten aus Biogasanlagen. Die Bundesregierung ist nicht nur untätig, was die Novellierung der Düngeverordnung betrifft, sondern auch politisch verantwortlich dafür, dass die Belastung des Wassers und des Klimas durch die Landwirtschaft weiter zunimmt. Denn die Expansion der Massentierhal- tung ist politisch gewollt und gefördert. Die Bundesländer Baden-Württemberg, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-West- falen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Schleswig-Hol- stein haben die Bundesregierung bei der Agrarminister- konferenz in Schöntal aufgefordert, bis Ende November 2012 einen Entwurf für eine Novelle der Düngeverord- nung vorzulegen. Bisher hat die Bundesregierung jedoch leider nichts geliefert. Auch die EU-Kommission hat die Bundesregierung aufgefordert, die Umsetzung der Nitratrichtlinie in Deutschland zu verbessern. Aber auch darauf hat die Bundesregierung bisher nicht reagiert. Dabei liegen die Fakten auf der Hand. Die Düngeverordnung soll zum Erreichen folgender politischer Ziele beitragen: Sie soll bzw. sollte die Stick- stoffüberschüsse der deutschen Landwirtschaft bis 2010 auf 80 Kilogramm pro Hektar senken, um das Ziel der Nachhaltigkeitsstrategie zu erreichen. Sie soll bzw. sollte die Ammoniakemissionen in Deutschland ab 2010 auf 550 Kilotonnen pro Jahr senken. Sie soll zur Erreichung der Qualitätsziele der Wasserrahmenrichtlinie beitragen. Und sie soll helfen, den Klimaschutz in der Landwirt- schaft zu verbessern. Keines dieser Ziele wurde in einem Maße erreicht, das uns zufriedenstellen könnte. Deshalb muss die Dün- geverordnung novelliert werden. Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Evaluierung der Düngeverordnung nennt 24 Punkte, an denen die Dünge- verordnung nachgebessert werden müsste. Einige wich- tige Änderungen wie die Begrenzung der Stickstoffüber- schüsse auf 50 Kilogramm pro Hektar und die Einführung einer Hoftorbilanz werden im Antrag der SPD genannt. Daneben bedarf es weiterer technischer Vorgaben und Anwendungsvorschriften zur Vermeidung gasförmiger Verluste bei der Ausbringung von Düngern und wirksa- mer Sanktionsinstrumente. Zudem fordern wir die Ein- 26468 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012 (A) (C) (D)(B) führung einer EU-weiten Stickstoffüberschussabgabe. Das können Sie alles auch in unserem Antrag „Klima- schutz im Ackerbau verbessern“ von 2010 nachlesen. Die Probleme bei der Umsetzung der Düngeverord- nung stehen stellvertretend für die negativen ökologi- schen Folgen, die Landwirtschaft überall da hat, wo industrielle Produktion und Massentierhaltung vorherr- schen. Was wir brauchen, ist daher eine grundlegende Agrarwende weg von der Agrarindustrie, hin zu einer bäuerlich-ökologischen Landwirtschaft. Nur so werden wir den großen Herausforderungen beim Klima- und Umweltschutz gerecht werden können. Anlage 12 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts zu dem Antrag: Steuerfreie Risikoaus- gleichsrücklage für Landwirtschaftsbetriebe er- möglichen (Tagesordnungspunkt 18) Norbert Schindler (CDU/CSU): Zum aktuellen An- trag der Linken möchte ich deutlich hervorheben, dass ich in meiner Eigenschaft als Vizepräsident des Deut- schen Bauernverbandes über die Forderung meiner Prä- sidentenkollegen und der Landesbauernverbände nach einer steuerfreien Risikoausgleichsrücklage für Land- wirtschaftsbetriebe hervorragend im Bilde bin. Ich per- sönlich bin jedoch überhaupt nicht überzeugt, dass dies eine wirkungsvolle Hilfe für unsere landwirtschaftlichen Betriebe wäre. Ich verstehe, dass man zur Sicherung der innerbetrieblichen Liquidität wegen möglicher Witte- rungskapriolen Risikovorsorge betreiben möchte. Wenn wir hier einen Ausnahmetatbestand für die Landwirtschaft schaffen, würden sofort andere mittel- ständische Betriebe, die ebenfalls vom Wetter abhängig sind – von Unternehmen der Tourismusbranche, Betrei- bern von Seilbahnen und Skiliften bis hin zur Ausflugs- schifffahrt – ebenfalls Vergünstigungen fordern. Der mo- netäre Glättungseffekt würde kurzfristig auch nur für circa 10 Prozent der Betriebe eine gewisse Liquiditäts- hilfe darstellen, so kann ich Herrn Professor Enno Bahrs von der Universität Hohenheim zitieren, der als fachkun- diger Branchenkenner gilt. Für die Masse der Betriebe würde der mit der Risikoausgleichsrücklage verbundene Steuerspareffekt nicht merklich zur Stabilisierung beitra- gen. Zudem wäre im Rahmen der Steuergerechtigkeit – man würde dem gesamten Mittelstand die Möglichkeit einer steuerfreien Risikoausgleichsrücklage einräumen – gerade in den ersten beiden Jahren einer solchen Lösung ein Steuerausfall von circa 2 Milliarden Euro zu erwar- ten. Diese 2 Milliarden Euro als Steuererleichterung zu sehen, wäre vom Steuerzahler sehr kurzsichtig gedacht. Denn wenn man dann noch berücksichtigt, dass bei der Nachversteuerung nach fünf Jahren seitens der Finanz- behörden 6 Prozent Zinsen erhoben werden, ist die Rechnung für den überwiegenden Teil der Betriebe beim derzeitigen Marktzins eine negative. Die einzigen, die sicher glückliche Gewinner einer solchen Lösung wären, sind die Steuerberater, die über zusätzliche Arbeit und Gebühren ein dickes Plus auf ih- rer Seite hätten. Deshalb ist dieser gut gemeinte Ansatz – ich bilde mir ein, etwas von Steuerfragen zu verstehen – unter dem Strich für alle Beteiligten nicht vorteilhaft. Im Übrigen haben wir hier in diesem Hause vor eini- gen Wochen mit der Mehrgefahren- und Sonderversiche- rung bereits einen Ausnahmetatbestand für die Land- wirte beschlossen. Ich denke, wir sorgen durchaus mit Augenmaß für un- sere Landwirte. Lothar Binding (Heidelberg) (SPD): Wir beraten heute über einen Antrag der Fraktion die Linke, in dem sie die Einführung einer steuerfreien Risikoausgleichs- rücklage für landwirtschaftliche Betriebe vorschlägt. Damit soll Betrieben geholfen werden, die sich ange- sichts des Klimawandels und unvorhersehbarer, spekula- tionsinduzierter Preisschwankungen auf den Rohstoff- märkten mit wachsenden unternehmerischen Risiken konfrontiert sehen. Deshalb sollte im Jahressteuergesetz 2013 für Land- wirtschaftsbetriebe die Möglichkeit geschaffen werden, eine steuerfreie betriebliche Risikoausgleichsrücklage anzulegen, von der sie in schlechten Zeiten zehren kön- nen. Die Rücklage soll dabei helfen, Einkommensver- luste infolge wetterbedingter Ernteausfälle oder Markt- extreme zu kompensieren. Die Höhe der Rücklage soll sich aus den betrieblichen Umsätzen der vorangegange- nen drei Wirtschaftsjahre errechnen und bis zu 20 Pro- zent des durchschnittlichen Jahresumsatzes betragen. Bei betrieblichen Neugründungen soll die beantragte Agrarförderung aus den Direktzahlungen der Gemeinsa- men Agrarpolitik der EU, GAP, als Bemessungsgrund- lage zur Berechnung der Rücklagenhöhe herangezogen werden. Die SPD-Fraktion lehnt diesen Vorschlag einer weite- ren steuerlichen Subvention, den der Bauernverband schon seit Jahren immer wieder erfolglos vorbringt, ab, weil er seine Ziele nicht erreicht und zudem sehr unge- nau und selektiv – man könnte auch sagen: ungerecht – wirkt. Wenn wir es nicht besser wüssten, könnte man fast auf den Gedanken kommen, die Linken würden sich vor den Karren der Bauernlobby spannen lassen. Ich komme darauf nochmals zurück. Eine steuerliche Subventionierung landwirtschaft- licher Betriebe ist nach unserer Einschätzung nicht erfor- derlich angesichts der Tatsache, dass die ertragsteuer- liche Belastung in diesem Sektor insgesamt gering ist und eine zusätzliche steuerliche Verlustkompensation bzw. Glättung von Ertragsschwankungen – über die be- stehenden Möglichkeiten im Steuerrecht hinaus; ich denke an die Investitionsabzugs- und die Thesaurie- rungsrücklage – nicht angemessen erscheint. Das lesen wir auch in einem Gutachten, das vom Bun- desministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Ver- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012 26469 (A) (C) (D)(B) braucherschutz in Auftrag gegeben worden war. Es kommt zu dem Ergebnis, dass eine steuerfreie Risiko- ausgleichsrücklage „keinen wesentlichen Beitrag zur Abfederung von markt- und wetterbedingten Risiken in der Landwirtschaft“ leisten würde. Mit der Rücklage werde im Vergleich mit einer Versicherung keine wirkli- che Entlastung erreicht, da die Steuerzahlung lediglich in die Zukunft verschoben werde. Die Linke hält ihren Vorschlag zwar für „eine relativ einfache und für die öf- fentlichen Haushalte kalkulierbare Unterstützungsmaß- nahme mit geringem bürokratischem Aufwand“ – in der Tat belaufen sich die Mindereinnahmen für die öffent- lichen Haushalte auf 35 Millionen Euro pro Jahr; eine überschaubare Zahl – aber 35 Millionen Euro für un- wirksame Steuersubventionen ist immer noch ziemlich viel Geld. In dem Gutachten wird zudem dargelegt, dass eine steuerfreie Rücklage sehr selektiv wirken und lediglich einer kleinen Gruppe landwirtschaftlicher Großbetriebe helfen würde, während der überwiegende Teil der klei- nen und mittelgroßen Höfe nicht oder nur in geringem Umfang davon profitieren könnte. Etwa 30 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland ziehen überhaupt keinen Nutzen aus einer Risikoausgleichs- rücklage. Für weitere 30 Prozent beliefe sich die steuer- liche Entlastung auf etwa 100 bis 500 Euro pro Jahr – keine Größenordnung, bei der man von einer wesent- lichen Erleichterung für den Steuerpflichtigen sprechen würde. Die Hälfte der steuerlichen Entlastung entfiele auf 10 Prozent der Betriebe, insbesondere Veredlungs- betriebe. Der Vorschlag verfehlt somit seine Lenkungsabsicht einer Stabilisierung der Liquiditätsausstattung. Bei klei- nen und mittelgroßen Betrieben, bei denen in Phasen angespannter Rohstoffpreise oder infolge von Wetterka- priolen vielleicht ein tatsächlicher Bedarf an Liquiditäts- verbesserungen auftreten kann, wirkt die Steuersubven- tion nicht oder kaum. Großbetriebe hingegen, in denen der Bedarf gering ist, profitieren überproportional. Diese Logik – eine kleine Gruppe freut sich sehr über Steuerge- schenke, die von einer großen Gruppe bezahlt werden – erinnert mich an Beschlüsse, die uns die FDP in ähnli- cher Weise zu Beginn der Legislaturperiode vorgesetzt hatte. Wenn Sie jetzt an Hotels denken, erkennen Sie den systematischen Denkfehler, den uns die Linke heute vor- trägt. Der Antrag folgt einem Schema, das sich die Lin- ken in vielen Fragen zu eigen gemacht zu haben schei- nen, nämlich alle Probleme in der Welt mit steuerlichen Mitteln lösen zu wollen. Eine überzeugende Begrün- dung, warum die Steuerzahler Ernteausfälle, Schlecht- wetterphasen oder Preisschwankungen auf den globalen Rohstoffmärkten aus dem nationalen Steueraufkommen kompensieren sollen, habe ich in dem Antrag nicht ge- funden. Es wäre viel wichtiger, den Agrarmarkt vom Kopf auf die Füße zu stellen, Subventionen, Steuererleichterungen und jede Menge Sonderregelungen auslaufen zu lassen und stattdessen im Markt faire Preise zu verlangen. Wir haben uns daran gewöhnt, zu glauben, ein Bauer könne mittels einer Kuh einen Liter Milch für 20 oder 30 Cent produzieren und das auch noch bei hoch volatilen Prei- sen: 23,9 Cent im Mai, 35,3 Cent im Oktober; aktuell liegt der Erzeugerpreis bei knapp 35 Cent. Kein Wunder, dass der Deutsche Bauernverband, DBV, schon wieder eine klare Politik zur Stärkung der Milcherzeuger in Deutschland fordert. Durch jahrzehntelange Agrarsub- ventionspolitik ist das Gefühl für einfache Marktgesetze verlorengegangen. Deshalb bin ich für faire Löhne, faire Endverbraucherpreise und damit auch für faire Erzeu- gerpreise. Damit lassen sich dann auch branchenspezifi- sche Risiken versichern oder durch eine aus den Erträ- gen gebildete Risikoausgleichsrücklage abfedern. Aber scheinbar ist der Linken selbst nicht so wohl in ihrer Haut; denn sonst hätte sie im Finanzausschuss kaum auf die Erläuterung ihres eigenen Antrags verzich- tet, um bei den Kolleginnen und Kollegen für diese Vor- schläge zu werben. Was sollen wir davon halten? Traut die Linke ihren eigenen Argumenten nicht? Will sie sich den Vorwurf ersparen, Klientelpolitik auf Kosten der Allgemeinheit zu betreiben? Beides wäre verständlich. So erklärt es sich, warum wir diesen Vorschlag einer weiteren steuerlichen Subvention ablehnen. Dr. Edmund Peter Geisen (FDP): Wer sich in der Landwirtschaft auskennt, weiß: Die Produktionsbedin- gungen in der Landwirtschaft sind völlig andere als in der Wirtschaft allgemein. Im Unterschied zur gewerbli- chen Wirtschaft tragen Landwirte Risiken, die aus dem Umgang mit lebenden Pflanzen und Tieren sowie der Abhängigkeit von Witterung und Klima resultieren. Sie sind ständig höherer Gewalt ausgesetzt, die zu massiven Ertragsschwankungen führt und den Fortbe- stand der Betriebe gefährden kann. Neben Wetterextre- men sind dies Tierkrankheiten bzw. -seuchen, Schäd- lingsbefall oder Kontamination in der Lebensmittelkette. Wetterkapriolen mit einem extrem trockenen Frühjahr und massiven Regenfällen zur Haupterntezeit haben vie- len Landwirten die Erntebilanz 2011 buchstäblich verha- gelt. Und auch dieses Jahr war das Ergebnis mehr als durchwachsen. Aber nicht nur angesichts des Klimawandels, auch zur Abfederung der immer stärker schwankenden Preise an den liberalisierten Agrarmärkten ist das Risikoma- nagement für die Landwirte entscheidend. Nicht ohne Grund lautet denn auch eine Bauernweisheit: Drei Ern- ten soll ein Bauer haben: Eine auf dem Feld, eine in der Scheune und eine auf der Bank. Vor diesem Hintergrund erscheint die Forderung einer steuerfreien Risikoausgleichsrücklage für Landwirt- schaftsbetriebe erst einmal attraktiv – auch wir haben uns damit schon intensiver auseinandergesetzt. Aber – wie immer – steckt auch hier die Tücke im Detail. Im April vergangenen Jahres hat der Wissenschaftliche Beirat beim BMELV eine Stellungnahme zur Risikoaus- gleichsrücklage abgegeben. Darin äußern die Fachleute grundlegende Bedenken, die auch von verschiedenen Wissenschaftlern geteilt werden. Lassen Sie mich die wichtigsten aufführen: 26470 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012 (A) (C) (D)(B) Es wird ein neuer steuerrechtlicher Sondertatbestand eingeführt, zumal die Möglichkeiten der Einkommens- glättung in Form der zweijährigen Durchschnittsbesteue- rung und des Verlustabzugs nach § 13 a EStG schon be- stehen. Problematisch wird die Behandlung unterschiedlicher Rechtsformen und Gewinnermittlungsarten, eine weitere Verkomplizierung der Besteuerung landwirtschaftlicher Betriebe ist kaum vertretbar und auch vom Berufsstand nicht gewünscht. Die Einführung wird zu Problemen bei der Vereinbar- keit mit den EU-Beihilferegeln und im WTO-Kontext führen. Und nicht zuletzt ist fraglich, ob der Großteil der Landwirte überhaupt von den Vorteilen der Rücklage profitieren kann, zumal der Landwirt in der Lage sein muss, sein Einkommen der Folgejahre möglichst genau abschätzen zu können. Der Wissenschaftliche Beirat kommt zu dem Ergeb- nis, dass die Risikoausgleichsrücklage höchstens als er- gänzendes Instrument der Einkommensglättung infrage käme, dann aber auch nicht sektorspezifisch, sondern als generelle steuerpolitische Maßnahme. Die Vermeidung einer existenzbedrohenden wirtschaftlichen Situation werde damit aber nicht erreicht, hier seien Versiche- rungslösungen besser geeignet. Vor diesem Hintergrund haben wir uns als Regie- rungskoalition entschlossen, durch die Änderungen bei der Versicherungsteuer die Möglichkeiten der betriebli- chen Risikovorsorge zu verbessern. Bislang sind etwa zwei Drittel der Acker- und Gartenbauflächen gegen Ha- gelschlag versichert. Landwirte müssen sich aber gegen weitere Wetterrisiken wie Sturm, Starkregen, Spätfrost, Auswinterung, Überschwemmung oder Trockenheit ab- sichern. Die hierdurch verursachten Schäden können sich auf ein Vielfaches des durch Hagelschlag verursach- ten Ertragsausfalls belaufen. Deshalb benötigen land- wirtschaftliche Betriebe kombinierte Versicherungslö- sungen, sogenannte Mehrgefahrenversicherungen. In den meisten EU-Ländern fällt überhaupt keine Ver- sicherungsteuer für die Absicherung gegen Wetterrisiken an, vielfach werden sogar staatliche Zuschüsse zu sol- chen Versicherungen gewährt. Es kann nicht sein, dass unsere heimischen Landwirte und Gartenbauer erneut mit einem Wettbewerbsnachteil zu kämpfen haben. Deshalb haben wir uns entschieden, auch Versiche- rungen gegen Starkregen, Sturm und Frost mit einer ab- gesenkten Versicherungsteuer von 0,3 Promille zu bele- gen. Um den Haushalt nicht unnötig zu belasten, haben wir die Steuer für Hagel um 0,1 Promille auf jetzt eben- falls 0,3 Promille angehoben. Landwirte haben somit verbesserte Möglichkeiten, die Risiken zunehmender Wetterextreme individuell ab- zusichern und ein auf ihren Betrieb zugeschnittenes Risi- komanagement einzuführen. Damit stärken wir die Ei- genvorsorge und reduzieren die Abhängigkeit von staatlicher Ad-hoc-Hilfe. Wir müssen jetzt aber auch die Verhandlung über die Weiterentwicklung der GAP abwarten – hier machen ei- nige Mitgliedstaaten Druck, mit EU-Mitteln Versiche- rungen staatlich fördern zu lassen. Dann werden wir prü- fen, ob und welche politischen Rahmenbedingungen zusätzlich nötig sind, um den Landwirten das Risikoma- nagement zu erleichtern. Möglicherweise benötigen sie weitere Instrumente, die zur Einkommenssicherung in schwierigen Jahren beitragen können. Eine allgemeine, aus EU-Geldern finanzierte Ernte- versicherung lehnt die FDP jedoch ab. Sie belastet alle Landwirte und Steuerzahler in Deutschland und führt nicht zu einem adäquaten Ausgleich wirtschaftlicher Ri- siken. Mitnahmeeffekte sind so vorprogrammiert. Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE): Der Spar- strumpf ist ein beliebtes Symbol. In guten Zeiten soll man ihn füllen, damit man in schlechten Zeiten ein paar Groschen aus dem Strumpf herausholen kann. Ein ural- tes Prinzip. Den gleichen Zweck haben Sparkonten, nur dass sich in diesem Sparstrumpf der Neuzeit das Geld auch noch vermehrt, zumindest im günstigsten Fall. Die Linksfraktion schlägt nun vor, dieses Prinzip bei Agrarbetrieben staatlich zu unterstützen. Bei ihrem exis- tenzsichernden Notgroschen soll auf Versteuerung ver- zichtet werden, wenn er in den modernen Sparstrumpf kommt. Das nennt sich „steuerfreie Risikoausgleichs- rücklage“, und ihre Einführung fordert Die Linke im An- trag 17/10099, der heute abschließend beraten wird! Dabei geht es uns ausdrücklich nicht um ein staatlich finanziertes Rundum-Sorglos-Paket, sondern um not- wendige Hilfe zur Selbsthilfe, und das nicht nur im fi- nanziellen Sinne. Denn damit wird aktive und effektive Risikovermeidung unterstützt. So bleibt mehr Geld im Sparstrumpf für die Notfälle, die nicht zu vermeiden sind. Das wiederum entlastet die öffentlichen Haushalte, die in solchen Notfällen dann nicht mehr einspringen müssten. Das ist eine klassische Win-win-Lösung, von der so- wohl die Agrarbetriebe als auch die öffentlichen Kassen profitieren würden. Allerdings ist ein solcher konditionierter Steuerver- zicht nur unter zwei Voraussetzungen gerechtfertigt: Ers- tens, wenn es ein herausgehobenes gesellschaftliches In- teresse an der Absicherung der Leistungserbringung gibt, und zweitens die unvermeidlichen Risiken so hoch sind, dass der Staat immer wieder zur Notfallregulierung einspringen müsste. Beide Voraussetzungen sieht Die Linke bei den Ag- rarbetrieben erfüllt. Die Versorgung mit Lebensmitteln und zunehmend auch mit Energie sehen wir als eine strategische Aufgabe der einheimischen Agrarwirtschaft, die im Interesse der Gesellschaft gesichert sein muss. Damit hat die Agrarpro- duktion eine höhere Priorität als viele andere Bereiche in Industrie und Dienstleistung. In der aktuellen Situation eines realen oder scheinbaren Überflusses scheint dieses Grundverständnis manchmal in den Debatten verloren zu Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012 26471 (A) (C) (D)(B) gehen. Aber wir tun alle gemeinsam gut daran, das nicht zu vergessen. Im Gegenteil. Aus Sicht der Linken muss die Agrarwirtschaft wieder viel deutlicher auf die strate- gische Aufgabe dieser Versorgungsleistung für die Ge- sellschaft ausgerichtet werden, statt sich auf die Rohstoff- zulieferung für einen globalisierten Weltagrarmarkt zu reduzieren. Damit ist die erste Voraussetzung für den konditio- nierten Steuerverzicht erfüllt. Zur zweiten Voraussetzung: Die Notfallrisiken haben deutlich zugenommen. Damit meinen wir nicht jene, die durch eigenes vorsorgliches Handeln vermieden werden können, sondern die nahezu oder gar nicht vermeidba- ren. Bisher ist es so, dass in schwierigen Zeiten die Agrar- betriebe oft um staatliche Finanzhilfe bitten. Beim lang- anhaltenden Binnenhochwasser in Brandenburg war das so, während der Milchkrise oder auch, als die EHEC- Krise tausende Gemüsebetriebe unverschuldet in Exis- tenznot gebracht hat. Schnell sind dann mehr oder weni- ger namhafte Agrarpolitikerinnen und -politiker in den Medien und lassen sich für Rettungsmaßnahmen feiern. Dabei kann das ganz einfach vermieden werden: keine Steuern auf das Geld erheben, das für bestimmte Risiken in den Sparstrumpf gesteckt werden soll. Aber die Frage ist ja legitim: Was geht dieses Spar- modell den Staat an? Die Bundesregierung verweist auf die unternehmerische Verantwortung, auch der Wissen- schaftliche Beirat des BMELV sieht das so. Aber der Bundesrat teilt unsere Position und hat im Jahr 2009 von der Bundesregierung gefordert, „für land- wirtschaftliche Betriebe die Möglichkeit zu schaffen, steuerfreie Rücklagen zur Glättung der zukünftig auf- grund der Marktliberalisierung noch stärker schwanken- den Gewinne zu schaffen“. Und der Bundesrat ist alles andere als ein von den Linken dominiertes Gremium. Die unwägbaren Risiken werden für Landwirtinnen und Landwirte immer größer. Klimawandel, internatio- nale Handels- und Personenströme, neue Tierseuchen oder starke Preisschwankungen. Die Auswirkungen tref- fen die Agrarbetriebe oft hart. Meist können sie sich da- gegen gar nicht wehren oder darauf vorbereiten. Wir hal- ten es auch nicht für sinnvoll, solche kaum kalkulierbaren Produktionsrisiken über Versicherungen abzufangen. Sie wären kaum finanzierbar, und profitieren würden wahr- scheinlich nicht Bäuerinnen und Bauern, sondern die gro- ßen Versicherer. Das will ich nicht! Die internationalen Agrarmärkte sind ständig in Be- wegung. Das unvorhersehbare Auf und Ab wird durch das Machwerk von Spekulantinnen und Spekulanten an den Rohstoffbörsen noch verstärkt. Die Agrarbetriebe haben oft das Nachsehen, und sie müssen hilflos dabei zusehen, wie der Preis ins Bodenlose fällt. Hier knüpft die Idee der Linksfraktion an. Es geht eben nicht um Steuergeschenke, wie leider manchmal behauptet wird, sondern um mehr Stabilität für die Betriebe. Im Interesse der Ernährungssicherung und des Erhalts von Arbeitsplätzen in den ländlichen Räumen macht die Einführung einer steuerfreien Risikoausgleichsrücklage für Landwirtschaftsbetriebe also Sinn. Die Höhe sollte sich aus den betrieblichen Umsätzen der vorangegange- nen drei Wirtschaftsjahre errechnen und bis zu 20 Pro- zent des durchschnittlichen Jahresumsatzes betragen. Für die öffentlichen Haushalte ist das eine kalkulierbare Unterstützungsmaßnahme und der bürokratische Auf- wand hält sich in Grenzen. Die bereits erwähnten, all- jährlichen Debatten über Hilfspakete würden mit Aus- nahme von Großschadenslagen entfallen. Leider werden die anderen vier Fraktionen des Deut- schen Bundestages heute unseren Antrag nicht unterstüt- zen. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass die Debatten weitergehen werden und dass diese Unterstützung für die einheimische Landwirtschaft gewährt werden muss und wird. Dr. Thomas Gambke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Wettereinflüsse wie längere Trockenheit, ein har- ter Winter oder auch Überschwemmungen oder Hagel beeinflussen in hohem Maße den Ernteerfolg. Klima- bzw. wetterbedingte Missernten und Ernteverluste füh- ren nicht nur zum Verdienstausfall für Landwirte, son- dern bedeuten Knappheit an Lebensmitteln für viele Menschen in den betroffenen Regionen. Es steht außer Frage, dass die Solidargemeinschaft der Menschen sich immer wieder und verstärkt darum kümmern muss, dass Hunger in der Welt eingedämmt werden muss. Wir Grü- nen setzen uns an vielen Stellen dafür ein, dass mit ent- sprechenden Maßnahmen dieser Hunger bekämpft wird. Dies sollte aber nur dort geschehen, wo es Sinn macht, also vor Ort. Der Wohlstand und die technische Entwicklung in den westlichen Ländern haben dazu geführt, dass die Be- völkerung in diesen Ländern wetter- und klimabedingte Missernten in keiner Weise mehr zu spüren bekommt. Lediglich die heimische Landwirtschaft ist durch wetter- bedingte Ernteschwankungen betroffen, sie führen zu entsprechenden Schwankungen der Einnahmen. Dabei gibt es ein System von Versicherungen und direkten Hil- fen, um Verdienstausfälle von Landwirten aufgrund von Wetterereignissen oder Schädlingsbefall und Krankhei- ten abzufedern. Die Linke will nun über die schon bestehenden Siche- rungssysteme hinaus mit einer steuerfreien Risikoaus- gleichsrücklage für Landwirte eine weitere Risikoabsi- cherung organisieren. Auch gegen Einnahmeausfälle durch Schwankungen am Markt und sinkende Agrarsub- ventionen sollen Landwirte zusätzlich geschützt werden. Eine Risikoausgleichsrücklage würde bedeuten, dass Landwirte in guten Zeiten einen Teil des Gewinns in eine Rücklage einbringen, die durch Nichtversteuerung begünstigt wird und gegebenenfalls zur Kostendeckung bei wetterbedingten Verlusten herangezogen werden kann. Damit kein Missbrauch mit einer solchen Rege- lung betrieben würde, müsste das Finanzamt in die Be- wertung von Höhe und Art eines möglichen wetterbe- dingten Verdienstausfalles eingebunden werden, diesen 26472 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012 (A) (C) (D)(B) Sachverhalt der Sache und der Höhe nach prüfen. Dabei zeigt sich, dass es ordnungspolitisch höchst fragwürdig ist, eine Risikoabsicherung durch eine steuerliche Rege- lung zu bewerkstelligen. Natürlich ist das Regelwerk einer Versicherung oft kompliziert, aber das Problem kann nicht einfach da- durch gelöst werden, dass es vom Versicherungsbereich in die Finanzämter verlagert wird. Dieses wäre ein voll- kommen untaugliches Mittel und ist deshalb strikt und aus prinzipiellen Gründen abzulehnen. Es ist kaum vor- stellbar, dass der Bauernverband eine solche Initiative stützt, und wenn dann nur deshalb, weil er ein Steuer- schlupfloch für seine Mitglieder vermutet. Weiter im Antrag wird die Forderung nach der Ge- winnrücklage auch mit gestiegenen Schwankungen der Agrarmärkte und sinkenden Agrarsubventionen begrün- det. Damit wird deutlich, dass die Linke die Mechanis- men eines funktionierenden Marktes gerne komplett aus- schalten würde. Aber auch in der Landwirtschaft bestehen unternehmerische Risiken, die nicht vom Staat übernommen werden können. Und wir wollen doch zum Beispiel Landwirten mit einer Massenproduktion von Schweinefleisch mit dem Zielmarkt Russland oder China nicht auch noch das unternehmerische Risiko ab- nehmen. Zudem erhalten Landwirte bei wetterbedingten Pro- blemen bereits Unterstützung. Die Bundesländer über- nehmen oft unwetterbedingte Ernteausfälle. Auf die Hagelversicherung gibt es eine Ermäßigung bei der Ver- sicherungsteuer, und die Grundsteuer A kann bei nach- gewiesenen Ernteausfällen erlassen werden. Warum da- neben noch eine weitere Förderung entstehen soll, ist nicht ersichtlich. Statt neue steuerliche Sonderregelungen zu schaffen, sollte man eher bestehende Regelungen überdenken. So ist die Grundsteuer A in ihrer derzeitigen Form eher ein Relikt vergangener Tage, das einen erheblichen Erhe- bungsaufwand bedeutet. Auch die Besteuerung nach Durchschnittssätzen in der Einkommen- und Umsatz- steuer kann kritisch hinterfragt werden, weil sie zum Teil erhebliche Vorteile für Umsätze aus dem landwirtschaft- lichen Betrieb bedeutet. Wir sollten nicht den Fehler machen, die industriell geprägte Landwirtschaft in der Bundesrepublik aus der Verantwortung zu entlassen, nachhaltig unternehmerisch zu handeln. Zudem sollten wir nicht in Aktionismus ver- fallen und, weil es gerade in Mode ist, ständig neue steu- erliche Subventionen einführen. Deswegen lehnen wir den vorgelegten Antrag strikt ab. Anlage 13 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Zweiten Ge- setzes zur Änderung des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch (Tagesordnungspunkt 19) Ansgar Heveling (CDU/CSU): Das Recht der Sicherungsverwahrung beschäftigt seit Ende der 90er- Jahre Gesetzgeber und Rechtsprechung fortwährend. Das ist zunächst einerseits aus der Sicht der Betroffenen nachvollziehbar. Es ist ihr gutes Recht, jedwedes Rechts- mittel zu nutzen und sämtliche Instanzen bis zum Bundesverfassungsgericht und zum Europäischen Ge- richtshof für Menschenrechte anzurufen. Andererseits ist es zur Daueraufgabe des Gesetzgebers geworden, die Entscheidungen der Rechtsprechung in gesetzliche Regelungen zu übersetzen, um auch weiterhin dem Schutzauftrag des Staates gegenüber der Bevölkerung nachkommen zu können. Denn darum geht es: die Bür- gerinnen und Bürger bestmöglich vor hochgefährlichen Straftätern zu schützen. Erinnern wir uns: Im Dezember 2009 – rechtskräftig geworden im Mai 2010 – hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschieden, dass die Sicherungsverwahrung vom Verbot der Rückwirkung nach Art. 7 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, EMRK, er- fasst sei. Damit wurde unser bewährtes zweispuriges System aus Strafen – als Sanktion für individuelle Schuld – und Maßnahmen – die nicht an die Schuld an- knüpfen und wie die Sicherungsverwahrung auch prä- ventiven Charakter haben können – auf den Prüfstand gestellt. Das Bundesverfassungsgericht ist der Linie des Euro- päischen Gerichtshofs für Menschenrechte mit seiner Entscheidung im Mai 2011 zwar grundsätzlich gefolgt, hat aber einerseits die Tür für unser zweispuriges System weiter offen gelassen und gleichzeitig andererseits fest- gestellt, dass trotz des Rückwirkungsgebots in einigen Fällen besonders hochgradiger Gefährlichkeit eine Frei- heitsentziehung weiterhin möglich sein muss. Daraufhin hat die christlich-liberale Koalition zusammen mit der SPD-Fraktion mit dem Therapie- und Unterbringungs- gesetz, ThUG, zunächst eine gesetzliche Lösung für eine große Zahl von Fällen geschaffen, für die eine Unter- bringung auf Grundlage des Rechts der Sicherungsver- wahrung nicht mehr möglich war. Außerdem ist der Deutsche Bundestag vor wenigen Wochen dem Auftrag des Bundesverfassungsgerichts nachgekommen und hat das Recht der Sicherungsverwahrung mit Blick auf das Abstandsgebot zwischen Strafe und Sicherungsverwah- rung neu geregelt. Insgesamt kommt man dabei allerdings an zwei Fest- stellungen nicht vorbei: Erstens haben der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte und das Bundesverfas- sungsgericht leider den zweispurigen Weg zu einem im- mer schmaleren Grat werden lassen. Hoffen wir, dass er auch für die Zukunft breit genug ist, an der Sicherungs- verwahrung grundsätzlich weiterhin verfassungskon- form festhalten zu können. Und zweitens ergeben sich aus minimalen Differenzen zwischen den unterschiedli- chen Gerichtsentscheidungen gelegentlich Lücken, die zwar nur für wenige Fälle einschlägig, aber gleichwohl von großer Bedeutung sind. Wir nehmen unseren Schutzauftrag ernst. Deshalb haben wir nicht nur das Therapie- und Unterbringungs- gesetz sowie die Neuregelung des Abstandsgebots zügig auf den Weg gebracht. Wir sind ebenso entschlossen, Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012 26473 (A) (C) (D)(B) auftretende Lücken aufgrund der oben beschriebenen Kongruenzmängel rasch zu schließen. Und um eine sol- che Lücke geht es beim vorliegenden Gesetzentwurf zur Änderung des Einführungsgesetzes zum Strafgesetz- buch, EGStGB. Es geht darum, dass zwischen den Ent- scheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Men- schenrechte von Dezember 2009 und dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von Mai 2011 eine zeitliche Lücke klafft, die zu Entscheidungsunsicherheiten führen konnte und in einzelnen Fällen wohl auch geführt hat. Solche Lücken wollen wir nun schließen. Es geht hierbei um Fälle, in denen ein Antrag auf An- ordnung einer Sicherungsverwahrung vor dem 4. Mai 2011 ausschließlich deshalb abgelehnt wurde, weil das zuständige Revisionsgericht dies aufgrund der Recht- sprechung des Europäischen Gerichtshofs für Men- schenrechte, EGMR, für zwingend ansah, unabhängig von sonstigen Kriterien wie insbesondere dem Grad der Gefährlichkeit des Täters. Diese Konstellation konnte dadurch entstehen, dass bis zum Urteil des Bundes- verfassungsgerichts vom 4. Mai 2011 noch nicht abschließend geklärt war, ob die Vorgaben der Euro- päischen Menschenrechtskonvention und der Rechtspre- chung des Europäischen Gerichtshofs für Menschen- rechte den nationalen Gerichten von vornherein jede rückwirkend verschärfende Rechtsanwendung im Recht der Sicherungsverwahrung ausschlossen oder dies – un- ter erhöhten Voraussetzungen – doch noch möglich war, so wie es das Bundesverfassungsgericht schlussendlich entschieden hat. Um einen solchen Fall handelt es sich beim soge- nannten Saarland-Fall. Dabei wurde im November 2006 von der Staatsanwaltschaft die Anordnung der nachträg- lichen Sicherungsverwahrung beantragt und vom Land- gericht ein Unterbringungsbefehl zur vorläufigen Unter- bringung erlassen. Im April 2007 hat das Landgericht Saarbrücken auch die nachträgliche Sicherungsverwah- rung angeordnet, die vom Bundesgerichtshof im Februar 2009 allerdings aus formaljuristischen Gründen aufge- hoben werden musste und in der Sache an eine andere Strafkammer des Landgerichts Saarbrücken zurückver- wiesen wurde. Im Juli 2009 ordnete das Landgericht Saarbrücken erneut die nachträgliche Sicherungsver- wahrung an. Aufgrund der Entscheidung des Europäi- schen Gerichtshofs für Menschenrechte hat der Bundes- gerichtshof im Mai 2010 jedoch entschieden, dass das Landgericht Saarbrücken die gesetzlichen Voraussetzun- gen für eine nachträgliche Anordnung der Sicherungs- verwahrung zwar rechtsfehlerfrei bejaht habe, das Urteil des Landgerichts Saarbrücken aber dennoch aufgehoben werden müsse, weil die Anordnungsnormen zum Tatzeitpunkt noch nicht in Kraft waren und gemäß der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Men- schenrechte aus Dezember 2009 das Rückwirkungsver- bot greife. Der Betroffene wurde daraufhin freigelassen. Aufgrund der Tatsache, dass der Betroffene damit nicht endgültig, sondern zuvor nur vorläufig in der Sicherungsverwahrung untergebracht war, hat der Bun- desgerichtshof im Juli 2012 zudem im Verfahren um eine Unterbringung nach Therapie- und Unterbringungs- gesetz festgestellt, dass eine Unterbringung aufgrund des Therapie- und Unterbringungsgesetzes ebenfalls nicht möglich sei, da es nicht auf Personen anwendbar sei, die nur vorläufig in der Sicherungsverwahrung unterge- bracht waren. Vergegenwärtigen wir uns aber einmal, mit welchem Täter wir es hier zu tun haben: Erstmals wurde er im Dezember 1970 wegen Mordes zu einer Jugendstrafe von zehn Jahren verurteilt, weil er ein 16 Jahre altes Mädchen zum Geschlechtsverkehr zwang und dabei er- würgte. Im Juni 1979 wurde er aus der Haft entlassen und drängte bereits im Juli 1979 in einem Treppenhaus eine ihm unbekannte Frau in ihre dortige Wohnung, fasste sie an den Hals und würgte sie, bis ihr schwindlig wurde. Die Frau konnte sich durch Gegenwehr befreien und flüchten. Im Mai 1980 wurde er deswegen wegen gefährlicher Körperverletzung zu drei Jahren Freiheits- strafe verurteilt. Nach seiner Haftentlassung im Februar 1982 verließ er Deutschland zunächst und kehrte im Fe- bruar 1988 ins Saarland zurück. Schon Mitte Februar 1988 verfolgte er dann eine Frau, griff sie an den Hals, würgte sie und zerrte sie in ein Waldgelände, wo er sie auszog und auf sie einschlug. Da es nicht zum Ge- schlechtsverkehr kam, ließ er die Frau unbekleidet bei Temperaturen um 0 Grad Celsius im Wald zurück. Hier- für wurde er zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten sowie zur Unterbringung in einem psych- iatrischen Krankenhaus verurteilt. Von dort entwich er im Februar 1990 und beging unmittelbar während der Flucht seine nächste Straftat, indem er in einem Bordell eine Prostituierte von hinten ansprang, ihr den Mund zuhielt und sie am Hals würgte. Mehrfach floh er im Anschluss daran aus der Unterbringung und verbüßte ab Dezember 2005 seine restliche Strafhaft. Dieser Fall zeigt, dass die Lücken, die sich durch die verschiedenen Gerichtsentscheidungen ergeben haben, schnellstmöglich zu schließen sind. Der beschriebene Täter ist ein erschreckendes Beispiel für die Folgen, die die entstandene Regelungslücke mit sich bringen kann. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf zur Änderung des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch (EGStGB) soll diese Lücke nun rasch geschlossen werden, um keine Schutzlücke entstehen zu lassen. So bedauerlich es einerseits ist, dass dies nun in einem eige- nen Gesetzgebungsverfahren geschehen muss und eine Regelung nicht schon mit dem vor einigen Wochen verabschiedeten Gesetz zur Neuregelung der Siche- rungsverwahrung erfolgen konnte, so wichtig ist es an- dererseits, dass wir dieses Gesetzgebungsverfahren nun zügig durchführen. Hier gilt mein Dank allen Fraktio- nen, die sich konstruktiv in das Verfahren einbringen. Abschließend möchte ich, da dies in der vorbereiten- den Diskussion bereits Erwähnung gefunden hat, darauf hinweisen, dass eine Neuregelung der nachträglichen Sicherungsverwahrung die mit dem vorliegenden Ge- setzentwurf zu erfassenden Fälle nicht umfasst hätte. Ohne Frage: Wir hätten uns im Gesetzgebungsverfahren zur Neuordnung der Sicherungsverwahrung als CDU/ CSU-Fraktion gewünscht, auch in Zukunft die Möglich- keit der nachträglichen Sicherungsverwahrung zu haben. Dies ist nach wie vor nicht geregelt. Die Fälle, die 26474 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012 (A) (C) (D)(B) Grundlage dieses heute beratenen Gesetzentwurfs sind, wären aber davon, ich betone dies noch einmal, nicht er- fasst. Daher bedarf es einer eigenständigen gesetzlichen Regelung. Der entsprechende Gesetzentwurf liegt vor, und wir wollen ihn heute endgültig beschließen. Burkhard Lischka (SPD): Seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Sicherungsverwah- rung vom Mai 2011 haben sowohl die SPD-Bundes- tagsfraktion als auch die Länder immer wieder auf die Notwendigkeit einer möglichen nachträglichen Thera- pieunterbringung gefährlicher Gewalt- und Sexualstraf- täter hingewiesen. Die Anhörung des Rechtsausschusses hat unsere Forderung eindrücklich bestätigt. Die von den Sachverständigen zur Illustrierung genannten Beispiele aus der gerichtlichen Praxis gingen unter die Haut. Die Bundesjustizministerin hat sich jedoch aus nicht nach- vollziehbaren Gründen bis zuletzt gesträubt, die nach- trägliche Therapieunterbringung zu ermöglichen. Und die Union? Sie hat sich zähneknirschend und wider bes- seres Wissen der Koalitionsdisziplin gebeugt. Mulmig wurde der Koalition, als kurz vor dem längst überfälligen Abschluss der parlamentarischen Beratun- gen des Regierungsentwurfs ein BGH-Beschluss publik wurde, nach dem ein hochgefährlicher Sexualstraftäter im Saarland hätte entlassen werden müssen, da der Ge- setzesvorschlag keine Handhabe zu seiner Unterbrin- gung bietet. Aber auch hier endete das Koalitionsgezerre wie in den vielen Monaten zuvor: Es wurde viel debat- tiert, aber ohne Ergebnis. Erst im Bundesrat ist die Bundesregierung dem Druck der Länder gewichen und hat per Protokollerklärung eine teilweise Nachbesserung zugesichert. Anstatt diese jedoch mit offenem Visier zu präsentieren, versteckte die Koalition die Änderung zunächst verschämt als Anhang im Bilanzrechtsänderungsgesetz. Zu peinlich war ihr wohl das Eingeständnis, bereits wenige Wochen nach Verabschiedung ihres Gesetzes zur Neuregelung der Si- cherungsverwahrung die ersten Nachbesserungen vor- nehmen zu müssen. Mittlerweile ist die letzte Schleife gedreht, die Koali- tion hat die Nachbesserung in Form eines eigenen Gesetz- entwurfs präsentiert. Wir begrüßen dies im Ergebnis, da diese Regelung zumindest den saarländischen Fall er- fasst. Aus Bayern ist jedoch ein weiterer Fall bekannt worden, der möglicherweise nicht unter den Regelungs- gehalt fällt. Mit anderen Worten: Der Entwurf bleibt Stückwerk; die nächsten Nachbesserungen sind absehbar. All dies wäre uns erspart geblieben, hätte die Bundesjus- tizministerin unsere Forderung nach Ermöglichung einer nachträglichen Therapieunterbringung aufgegriffen. Ihr diesbezüglicher Kommentar „Die Wirkung der nachträg- lichen Therapieunterbringung wird überschätzt“ macht deutlich, dass sie die Dimension der Problematik immer noch nicht erkannt hat. Jörg van Essen (FDP): Es ist selten, dass sich der Deutsche Bundestag mit Regelungen möglicherweise ei- nes einzigen Einzelfalles befassen muss. Aber es geht hier um hochgradig gefährliche Personen, bei denen die Anordnung der Sicherungsverwahrung an sich noch möglich gewesen wäre, dies aber nach den Vorgaben ei- ner Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr erfolgt ist. Es ist deshalb richtig, in diesem Fall durch eine Übergangsregelung den Anwendungsbereich des Therapieunterbringungsgesetzes geringfügig zu erweitern. Die FDP-Bundestagsfraktion stimmt dem Gesetzentwurf deshalb zu. Halina Wawzyniak (DIE LINKE): Die Linke lehnt das Gesetz zur Änderung des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch ab. Wie ich bereits bei unserer letzten Beratung sagte, begrüßen wir, dass CDU und SPD sich mit ihrer Forderung nach der Einführung einer nachträg- lichen Therapieunterbringung nicht durchsetzen konn- ten. Die Koalition hatte ihr Anliegen ursprünglich auf merkwürdigen Wegen in eine parlamentarische Form ge- bracht: erst als Änderungsantrag zum MicroBilG – ohne dass es auch nur den geringsten Zusammenhang zwi- schen dem MicroBilG und dem Thema Sicherungsver- wahrung gab. Dieser Änderungsantrag wurde anschlie- ßend zurückgezogen, da die Linke angekündigt hatte, im Rechtsausschuss eine Abstimmung darüber herbeizufüh- ren, ob der nach § 62 Abs. 1 Satz 2 Geschäftsordnung notwendige unmittelbare Sachzusammenhang gegeben ist. Daraufhin wurde der Inhalt nunmehr als eigenständi- ger Gesetzentwurf eingebracht. Immerhin. Zum Inhalt selbst kann ich nur wiederholen, was ich bereits in unserer ersten Beratung dazu gesagt habe: Mit dem Gesetzentwurf, der den § 1 ThUG ändert, wird der Anwendungsbereich des Therapieunterbrin- gungsgesetzes erweitert und damit die rückwirkende Ver- schärfung im Recht der Sicherungsverwahrung perpe- tuiert. Mit diesem Gesetzentwurf soll ein Mensch, gegen den die Sicherungsverwahrung erstinstanzlich angeord- net wurde, wo die Entscheidung aber nicht rechtskräftig geworden ist und er sich deshalb derzeit nicht in Siche- rungsverwahrung befindet, nunmehr nach dem Therapie- unterbringungsgesetz in einer „geeigneten geschlossenen Einrichtung“ untergebracht werden. Dies lehnen wir als Umgehung des Urteils des Euro- päischen Gerichtshofs für Menschenrechte aus dem Dezember 2009 ab. Die richtige Konsequenz aus dem Urteil, die nachträgliche Sicherungsverwahrung, unab- hängig von einer neuen Betitelung als Therapieunter- bringung, für Alt- und Neufälle abzuschaffen, wird so umgangen. Wir halten das Therapieunterbringungsge- setz außerdem für verfassungswidrig. Es versieht – men- schenrechtlich problematisch – bisher nicht als psy- chisch krank befundene Menschen nun mit dem unbestimmten Begriff „psychisch gestört“, und zwar al- lein mit dem Ziel, sie weiterhin der Freiheit berauben zu können. Neben dieser unzulässigen Umetikettierung er- geben sich kompetenzrechtliche Bedenken. Im Rechtsausschuss wurde ausdrücklich erwähnt, dass die angedachte Gesetzesänderung einen derzeit be- kannten Fall betreffe. Mithin würde nach derzeitigem Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012 26475 (A) (C) (D)(B) Kenntnisstand der Bundesregierung die Gesetzesände- rung konkret bei einer Person zur Anwendung kommen. Angesichts dessen geht dieser Vorschlag trotz abstrakt- genereller Formulierung ziemlich nah in Richtung eines unzulässigen Einzelfallgesetzes. Die Linke hat bereits das Therapieunterbringungsge- setz abgelehnt, einer Verschlechterung eines schlechten Gesetzes können wir unmöglich zustimmen. Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der vorliegende Gesetzentwurf zur Änderung des EGStGB ist bereits am 29. November 2012 ausführlich diskutiert worden (Plenarprotokoll 17/211). Neue Argumente sind meines Wissens nicht hinzugekommen, neue Sachver- halte erfordern kein Überdenken der Bewertung, die wir bereits im Plenum am 29. November 2012 vorgenom- men haben. Ich möchte deshalb zur Schonung der Ressourcen des Bundestages beitragen und darf auf meine Ausführungen in der Debatte vom 29. November 2012 verweisen (Plenarprotokoll 17/211, Anlage 13). Anlage 14 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts zu dem Antrag: Neuntes Buch Sozial- gesetzbuch im Sinne des Selbstbestimmungs- rechts der Menschen mit Behinderung weiter- entwickeln (Tagesordnungspunkt 20) Maria Michalk (CDU/CSU): Seit nunmehr elf Jahren ist das Rehabilitations- und Schwerbehindertenrecht als Neuntes Buch im Sozialgesetzbuch verankert. Mit dem SGB IX hat die Politik einen wichtigen Meilenstein in der behindertenpolitischen Gesetzgebung markiert und einen Paradigmenwechsel eingeläutet. Der Mensch steht mit seiner Behinderung und seinen individuellen Bedürf- nissen im Mittelpunkt. Es soll nicht mehr allein der Be- darf betrachtet werden. Im Zentrum stehen die Fähigkei- ten. Die Orientierung liegt auf der Chancengerechtigkeit. Das Benachteiligungsverbot des Grundgesetzes „Nie- mand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt wer- den“, Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG, ist seitdem fest im Sozial- recht verankert. Wir wollen, dass Menschen mit Behin- derung und diejenigen, die von einer Behinderung be- droht sind, solidarische Leistungen erhalten, um selbst- bestimmt und gleichberechtigt am Leben in unserer Ge- sellschaft teilhaben zu können. Das SGB IX wurde mit den Stimmen einer parlamen- tarischen Mehrheit von SPD und Grünen, CDU/CSU, FDP beschlossen. Es hat jedoch nicht nur eine breite Zu- stimmung im Parlament erfahren, sondern ist auch bei den Rehabilitationsträgern und Verbänden im Gesund- heits- und Sozialwesen positiv aufgenommen worden. Ihnen wurde deutlich mehr Spielraum zur eigenverant- wortlichen Gestaltung gesetzlicher Vorgaben einge- räumt. Jeder Mensch ist ein Individuum und braucht eine in- dividuell zugeschnittene Lösung. Zur besseren prakti- schen Handhabung hat der Gesetzgeber unter Beibehal- tung des gegliederten Systems der sozialen Sicherung das bis dahin auf alle Sozialgesetzbücher verteilte Recht der Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen in einem Buch des Sozialgesetzbuchs zusammengefasst. Auf dieser Basis sollen durch Koordination, Koopera- tion der Rehabilitationsträger und Konvergenz der Leis- tungen ein gemeinsames Recht und eine einheitliche Praxis der Rehabilitation und Behindertenpolitik erreicht werden. Die weitgehende Einheitlichkeit des Leistungs- rechts ist ein hohes Gut. Wir wollen, dass der behinderte, pflegebedürftige und chronisch kranke Mensch losgelöst von der Zuständigkeit des Rehaträgers und der Ursache für den individuellen Rehabedarf von jedem zuständigen Träger die nach Art, Umfang sowie Struktur- und Pro- zessqualität gleich wirksame und bedarfsgerechte Leis- tung erhält. Die Intention des Gesetzgebers war und ist es bis heute, den Hilfebedarf von Menschen mit Behinderung möglichst schnell zu klären und die entsprechenden Teil- habeleistungen für Menschen mit Behinderung, vor al- lem für das Arbeitsleben, unbürokratisch auf den Weg zu bringen. Dabei sollten die beteiligten Akteure gut ver- netzt Hand in Hand arbeiten. Die bestehenden Schnitt- stellenprobleme des gegliederten Sozialleistungssystems im Bereich des Rehabilitations- und Teilhaberechts soll- ten überwunden werden. Zentral war vor allem auch das Ziel, die Selbstbestimmung und die Rechte der Men- schen mit Behinderung zu stärken und zu fördern. Dazu wurden das Recht auf ein Persönliches Budget, das Wunsch- und Wahlrecht sowie die Verpflichtung zur Be- rücksichtigung der besonderen Belange behinderter Frauen, seelisch behinderter Menschen oder von Eltern und Kindern eingeführt. Heute erkennen wir: Elf Jahre haben noch nicht ge- reicht, um ein über Jahrzehnte hinweg gewachsenes Sys- tem der Fürsorge in ein modernes Teilhabesystem umzu- wandeln. Vieles konnte erreicht werden, aber mit manchem können wir noch nicht zufrieden sein. Der uns heute zur Debatte vorliegende Antrag greift vieles von dem auf, was bisher in der Umsetzung noch nicht klappt. Er blendet jedoch die erreichten Fortschritte aus, was be- dauerlich ist, denn insgesamt hat sich das SGB IX be- währt. Die Weiterentwicklung des SGB IX ist ein Pro- zess, der seit geraumer Zeit im Gange ist. So hat er mit dem Nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Be- hindertenrechtskonvention neue Impulse erhalten. Zwi- schen 2013 bis 2015 wird die Bundesregierung prüfen, welche der Regelungen wirken und wo genau nachjus- tiert werden muss. Aus Sicht der CDU/CSU darf die Frage nicht lauten, was am Gesetz geändert werden muss, damit die betrof- fenen Menschen effizient und schnell ihre Hilfen erhal- ten. Wir brauchen vielmehr eine klare Antwort darauf, was in der Praxis geändert werden muss, damit die Um- setzungsdefizite abgebaut werden. Das betrifft das Per- sönliche Budget, die Frühförderung von Kindern mit Be- hinderung und die Arbeit und Struktur der Gemeinsamen Servicestellen. Die Kooperationen der verschiedenen 26476 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012 (A) (C) (D)(B) Rehabilitationsträger funktioniert nur schleppend. Aber die gemeinsame Verantwortung steht nicht zur Disposi- tion. Aus unserer Sicht ist die Idee der Gemeinsamen Ser- vicestellen, also eine trägerübergreifende und unabhän- gige Beratung aus einer Hand, eine „Anlaufstelle für al- les“ sozusagen, nach wie vor der optimale Weg, um die Rehabilitation zu steuern. Doch für die meisten Kunden endet er heute meist noch in einer Sackgasse. Denn viele Träger haben ihre Gemeinsamen Servicestellen zwi- schenzeitlich aufgegeben. Doch einige wenige Anlauf- stellen reichen nicht, um potenziell rund 10 Millionen Menschen mit Behinderung, die in ganz Deutschland le- ben, umfassend beraten zu können. Ich erwarte von den Ergebnissen der Evaluierung durch die Bundesregierung Klarheit darüber, was verän- dert werden muss, damit die Gemeinsamen Servicestel- len so funktionieren, wie wir es im Gesetz vorgesehen haben. Wir müssen dazu die Rehaträger wieder stärker in die Beratungspflicht nehmen. Der Aufbau einer neuen Beratungseinheit nach dem Vorbild einer unabhängigen Patientenberatung würde wieder neue Kosten erfordern, die zu zahlen die Träger mit Sicherheit nicht bereit sind. Als fast schon „revolutionäre“ Neuerung wurde das Per- sönliche Budget eingeführt, damit Menschen mit Behin- derungen ihre Leistungen individuell und selbstständig „einkaufen“ und auswählen können. Bis heute ist dieses Instrument des SGB IX eine Errungenschaft, auf die wir auch in Zukunft weiterhin setzen müssen. Die Gründe, warum dieses neue Instrument bislang so selten zur Anwendung kam, sind vielfältig. Zum einen ist es die teilweise lückenhafte Beratung durch die Reha- träger, zum anderen kommt die Unwissenheit und vor al- lem die Unsicherheit bei einigen Antragstellern hinzu. Dies hat dazu geführt, dass in der Vergangenheit nur we- nige positive Budgetbescheide registriert wurden. Zu- nehmend ist es so, dass die Betroffenen deutlich besser informiert sind als die Kostenträger. Langsam geht es aufwärts. Die Fallzahlen des Persönlichen Budgets stei- gen. In diesem Zusammenhang möchte ich der neu ge- gründeten Bundesarbeitsgemeinschaft Persönliches Bud- get viel Erfolg für ihre Beratungsarbeit wünschen und dass es auch mit ihrer Hilfe gelingt, das Persönliche Budget in der Praxis durchzusetzen. Nach dem Vorbild des Persönlichen Budgets wurde vor einigen Jahren modellhaft in Niedersachsen und Rheinland-Pfalz das Budget für Arbeit eingeführt. Vo- raussetzung ist, dass die Beschäftigten einen Platz auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt finden bzw. dass ein so- zialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis zustande kommt. Ziel ist es, Menschen mit Behinderung, die voll erwerbsgemindert im Sinne des SGB II und SGB VI sind, außerhalb einer Werkstatt für behinderte Menschen eine Anstellung zu vermitteln. Damit soll der Übergang von der Werkstatt für behinderte Menschen auf den ers- ten Arbeitsmarkt erleichtert werden. Entsprechend des Leistungsvermögens der behinderten Menschen zahlen die Arbeitgeber 30 vom Hundert des Tariflohns. Arbeit- geber in Rheinland-Pfalz können darüber einen Lohn- kostenzuschuss in Höhe von bis zu 70 Prozent des Tarif- lohns erhalten, in Niedersachsen sogar bis zu 100 Pro- zent. Beide Modellprojekte haben bislang nur wenig Reso- nanz. Im September dieses Jahres haben in Rheinland- Pfalz 209 und in Niedersachsen nur 40 Personen das Budget für Arbeit tatsächlich in Anspruch genommen. Das liegt wohl vor allem daran, dass sich viele Betrof- fene nicht trauen, den Schritt in ein neues Erwerbsleben zu gehen. Allerdings sind diejenigen, die den Schritt ge- macht haben, sehr zufrieden und fühlen sich als „voll- wertiges Mitglied der Gesellschaft“. Als diskussions- würdig erachte ich auch ein umfassendes Recht zur Rückkehr in Werkstätten für behinderte Menschen, um darüber möglicherweise mehr Anreize zu schaffen, eine Stelle auf dem ersten Arbeitsmarkt anzutreten. Insgesamt möchte ich feststellen, dass das Wunsch- und Wahlrecht der Betroffenen hinsichtlich der Frage, ob sie in oder lieber außerhalb einer Werkstatt arbeiten möchten, in der heutigen Praxis noch nicht ausreichend berücksichtigt wird. Fakt ist, dass die Umsetzungsdefi- zite des SGB IX erkannt sind und dass nach Lösungen gesucht wird, um die praktische Anwendung effizienter im Sinne der Menschen mit Behinderung zu gestalten. Ich stelle fest, dass wir dafür auf dem richtigen Weg sind und bin der festen Überzeugung, dass dies nur schritt- weise und in enger Abstimmung mit den Ländern errei- chet werden kann. Hubert Hüppe (CDU/CSU): Welche Bilanz kann nach über 10 Jahren SGB IX gezogen werden und wel- cher Änderungsbedarf besteht noch? Wir haben das SGB IX ja mit großer Mehrheit 2001 hier im Deutschen Bundestag gemeinsam mit fast allen Fraktionen be- schlossen. Als Erfolg kann sicherlich gewertet werden, dass das SGB IX einen Sichtwechsel unterstützt hat: Menschen mit Behinderungen nicht als Fürsorgeemp- fänger zu sehen, sondern ihr Recht anzuerkennen, selbstbestimmt und gleichberechtigt in der Gesellschaft teilzuhaben. Einige Instrumente, wie das betriebliche Eingliederungsmanagement, funktionieren dort, wo en- gagierte Leute es umsetzen, auch gut, beispielsweise in der Automobilindustrie. Allerdings gilt es auch, die Ziele des SGB IX zu be- nennen, die bisher noch nicht erreicht werden konnten. Ein Hauptanliegen des SGB IX war es, Leistungen aus einer Hand zu leisten, eine schnelle Zuständigkeitsklä- rung zu erreichen und das Wunsch- und Wahlrecht der Menschen mit Behinderungen zu stärken. Allerdings er- reichen mich zu diesen Themen viele Bürgeranfragen, die zeigen, dass das Ziel hier offensichtlich nicht erreicht ist. Hierfür gibt es unterschiedliche Gründe. Es kommt etwa immer wieder vor, dass Kostenträger sich trotz Leistungspflicht aus ihrer Verantwortung ziehen. Die Zusammenarbeit der Träger funktioniert noch nicht so, wie vom SGB IX angedacht. Dies gilt insbesondere dann, wenn es um sogenannte Komplexleistungen geht, wie etwa in der Frühförderung. Mir wird auch immer wieder berichtet, dass Anliegen behinderter Menschen von Trägern teilweise nicht ernst genommen werden. Sie werden von einer Stelle zur Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012 26477 (A) (C) (D)(B) nächsten geschickt. Manchmal beschleicht mich der Ver- dacht, dass man darauf spekuliert, dass die Menschen aufgeben. Leider ist es auch so, dass oft die als Erstes aufgeben, die der Unterstützung am dringendsten bedür- fen. Hinzu kommt, dass Leistungen im SGB IX teilweise zu sehr auf Einrichtungen bezogen sind, etwa im Bereich der Teilhabe am Arbeitsleben. Bekanntermaßen ist es so, dass derzeit rund 300 000 Menschen mit Behinderung in Werkstätten für behinderte Menschen tätig sind. Die Zahl der Menschen in Werkstätten hat sich damit inner- halb von 15 Jahren fast verdoppelt, und jedes Jahr kom- men Tausende noch hinzu. Gemeinsame Servicestellen sind in vielen Regionen kaum bekannt und funktionieren oft nicht. Oder Möglichkeiten wie das Persönliche Bud- get werden von vielen Kostenträgern ignoriert oder im Einzelfall so kompliziert ausgestaltet, dass es für behin- derte Menschen fast unmöglich ist, sie zu nutzen. Meine Damen und Herren, was ist zu tun, um dem An- liegen des SGB IX auf Selbstbestimmung und wirksame Teilhabe stärker Rechnung zu tragen? Die Kompetenzen der Gemeinsamen Servicestellen müssen gestärkt wer- den. Solange sie aber wie derzeit von einzelnen Kosten- trägern verantwortet werden, erfüllen sie ihre Aufgaben oft nicht. Träger stehen weiter in der Pflicht, zusammen- zuarbeiten, um die Rechte von Menschen mit Behinde- rungen unbürokratisch zu verwirklichen. Möglichkeiten des SGB IX, wie das Persönliche Budget, müssen entbü- rokratisiert werden. Die Leistung muss hier dem Men- schen folgen und nicht umgekehrt, der Mensch der Leis- tung. Dies gilt auch für das Arbeitsleben. Leistungen müssen auch ohne Anbindung an eine Werkstatt für be- hinderte Menschen ermöglicht werden. Das ist auch grundsätzlich Beschlusslage der zuständigen Bund-Län- der-Arbeitsgruppe zur Reform der Eingliederungshilfe. Wenn es dann allerdings konkret wird und man in das erarbeitete Grundlagenpapier der Arbeitsgruppe herein- schaut, wird man enttäuscht sein. Da bleibt von der grundsätzlichen Unterstützung für Leistungen, die an die Person gebunden sind, nicht mehr viel übrig. Die Leis- tungen müssen aber so gestaltet werden, dass Menschen mit Behinderungen sie in Betriebe des allgemeinen Ar- beitsmarktes mitnehmen können, etwa mit einem Budget für Ausbildung und Arbeit, aus dem Menschen mit Be- hinderung notwendige Unterstützungsleistungen ohne großen bürokratischen Aufwand bezahlen können. Es gilt, bei den anstehenden Verhandlungen über ein Bun- desleistungsgesetz hierauf zu achten. Hier müssen auch andere wichtige Aspekte, wie etwa die Elternassistenz, also die notwendige Unterstützung für Eltern mit Behin- derung, berücksichtigt werden. Auf dem Weg zu einem Bundesleistungsgesetz sind Bund und Länder gefordert. Hier hoffe ich auch darauf, dass die Antragsteller in den Ländern, in denen sie mitregieren, ihre Forderungen ebenfalls vorbringen. Silvia Schmidt (Eisleben) (SPD): Die Debatte um die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in diesem Hause wird weiter fortgesetzt. Das begrüße ich an dem vorliegenden Antrag der Grünen-Fraktion aus- drücklich! Es darf aber nicht sein, dass die UN-Behinderten- rechtskonvention so ignoriert wird, wie die Bundesregie- rung das tut. Sie laufen der Entwicklung hinterher, das sage ich Ihnen ganz deutlich, und das sieht man auch an den Ergebnissen der letzten Konferenz der Ländersozial- minister. Dort ist einstimmig entschieden worden, was wir schon lange fordern und die Regierungsfraktionen bei den Ausschussberatungen zu dem vorliegenden An- trag für unmöglich erklärt haben: die Herauslösung der Eingliederungshilfe aus dem Sozialhilferecht und die weitestmögliche Freistellung der Betroffenen vom Ein- satz ihres Einkommens und Vermögens. Gleiches gilt für die schulische Inklusion: Die Länder mit den nennenswert hohen Inklusionsquoten sind nicht die CDU/CSU-geführten Länder. Hier gibt es für uns alle noch viel zu tun. Uns kommt es darauf an, dass der Aktionsplan der Bundesregierung nun zügig umgesetzt, kontinuierlich weiterentwickelt und für die Beteiligung der Betroffenen geöffnet wird. Leider gibt es bisher keine konkreten Maßnahmen oder Initiativen der Bundesregierung, die für Menschen mit Behinderung konkret etwas verbessert hätten. Bei dem einzigen konkreten Vorhaben, der Auswei- tung des Assistenzpflegebedarfsgesetzes, sind Sie wie- der auf halbem Wege stehen geblieben. Das reicht nicht. Es gibt gar keinen Grund dafür, eine wichtige Leistung wie die Mitnahme der Assistenzpflege ins Krankenhaus nur für das sogenannte Arbeitgebermodell zuzulassen. Sie haben dazu wieder von allen Verbänden und den Be- troffenen gehört, wie man es machen sollte. Allein der Wille zum Umsetzen dieser Expertenmeinungen fehlt bei Ihnen. Ich habe es bei der Einführung dieses Antrags im De- zember 2011 schon einmal gesagt, und es hat sich auch leider wenig geändert: Die Bundesregierung hat mit ih- rem Aktionsplan die Zusammenarbeit mit den Betroffe- nen aufgekündigt und die gestalterische Kraft bisher nicht gefunden, die UN-Behindertenrechtskonvention umzusetzen. Es kommt darauf an, nicht nur anzuhören oder zuzuhören, sondern das Gehörte auch aufzuneh- men, zu verarbeiten und in konkrete Vorhaben zu gießen. Das scheint mir kein Grundsatz dieser Koalition zu sein, denn bisher kam nichts als heiße Luft und sogar Verschlechterungen für die Betroffenen. Anträge wie der vorliegende oder auch die Anträge der SPD und der Lin- ken sind Anlass, um Sie immer wieder auf diesen Um- stand hinzuweisen. Viel lieber würden wir sehen, dass sich etwas tut und dass konkrete Schritte unternommen werden, denn die Vorschläge liegen auf dem Tisch! Sie jedoch lehnen einfach alle Anträge ab, ohne ei- gene zu unterbreiten. Der Aktionsplan – das wissen Sie so gut wie ich, liebe Kolleginnen und Kollegen der Re- gierungsfraktionen –, ist allenfalls der Anfang der Ent- wicklung. Auf ihn immer nur gebetsmühlenartig zu ver- weisen, kann nicht aus der Verantwortung entlassen, tätig zu werden. Und da gibt es so vieles, was gemacht werden muss. 26478 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012 (A) (C) (D)(B) Es ist unwürdig, dass Menschen ihre Rechte einkla- gen müssen, obwohl die UN-Konvention bereits gelten- des Recht in Deutschland ist. Nachhaltigkeit und Men- schenrechte finden nach wie vor nicht statt. Es schadet jedoch nicht nur unserer Demokratie, wenn eine ganze Gesellschaft die rechtlichen Ansprüche von Menschen mit Behinderung ignoriert. Je länger diese Menschenrechte vorenthalten werden, umso mehr Kosten entstehen. Wenn wir hier schon über das SGB IX reden, dann müssen wir über das Persönliche Budget reden. Das Per- sönliche Budget ist seit 2008 verbindlicher Rechtsan- spruch. In der Realität muss es nun neu belebt werden. Die Zahl Persönlicher Budgets lag 2008 bei knapp 7 000 bundesweit. Davon ist die überwiegende Anzahl in ei- nem SPD-regierten Land vereinbart worden. Vorreiter ist hier Rheinland-Pfalz. Die Mehrzahl sind alleinige Bud- gets der Eingliederungs- bzw. Sozialhilfe. Das war und ist bundesweit gesehen viel zu wenig Trotz schwach steigender Tendenz besteht massiver Handlungsbedarf. Wir kennen die vielen Beispiele dafür, wie das Budget von den Rehaträgern blockiert wird und die Menschen jahrelang dafür kämpfen müssen. Das Budget für Arbeit ist erst durch ein Urteil des Bundessozialgerichts etwas in Fahrt gekommen. Ge- richte sind aber nicht dafür da, bestehende gesetzliche Instrumente zu aktivieren. Dass es diese braucht, ist eine Niederlage für diese Regierung. Der übergreifende An- satz des SGB IX ist in Gefahr und muss neu belebt wer- den, diese Legislatur blieb dafür leider völlig ungenutzt. Ich hätte mir bei dem vorliegenden Antrag den Mut ge- wünscht, die Herauslösung der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen aus der Sozialhilfe mit aufzuneh- men. Dies scheint mir zentral zu sein, will man dem An- spruch der UN-Behindertenrechtskonvention und dem Anspruch des SGB IX – Teilhabe statt Fürsorge – gerecht werden. Daher kann es vonseiten der SPD auch nur eine Enthaltung zu diesem Antrag geben. Wir freuen uns aber über jeden Antrag, der dieser Re- gierung und der Öffentlichkeit aufzeigt, welcher kon- krete Handlungsbedarf besteht und dass sich ein Regie- rungswechsel für die mehr als 9 Millionen Menschen mit Behinderung wirklich lohnen würde! Gabriele Molitor (FDP): Seit über elf Jahren gibt es das Neunte Sozialgesetzbuch für Menschen mit Behin- derungen. Die bis dahin geltenden Rechte der Rehabili- tation und Teilhabe wurden mit dem SGB IX zusammen- gefasst und weiterentwickelt. Der Gesetzgeber hat ein systematisches und umfassendes Leistungsspektrum für Menschen mit Behinderungen geschaffen. Darüber hi- naus wurde der Fürsorgegedanke, der den Menschen mit Behinderung hilflos und schwach erscheinen lässt, abge- schafft und durch das Recht auf Selbstbestimmung er- setzt. Das SGB IX leitete damit ein neues Verständnis der Politik für Menschen mit Behinderung ein: statt Be- vormundung und übertriebener Fürsorge hin zu einem selbstbestimmten Leben. Wer selbst über sich bestimmen soll, muss die Wahl haben. Deshalb wurde das Wunsch- und Wahlrecht bei Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, bei Leis- tungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft und bei unterhaltssichernden und anderen ergänzenden Leis- tungen des SGB IX gestärkt. Besonders hervorzuheben sind dabei die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Das Recht, ein selbstbestimmtes Leben zu führen, ist Basis liberaler Sozialpolitik. Bei vielen Menschen mit Behinderung ist die Möglichkeit zur Selbstbestimmung trotz der Fortschritte im SGB IX aber nach wie vor ein- geschränkt. Sie sind auf besondere Hilfen angewiesen, um sich frei und selbstbestimmt in unserer Gesellschaft bewegen zu können. Daher ist es an der Zeit, die beste- henden Regelungen zu überprüfen. Die Frage ist: Kann das SGB IX wirklich umfassend Benachteiligungen ver- meiden? Denn die Realität sieht leider zu oft anders aus: Noch viel zu oft müssen Menschen mit Behinderungen ihr Recht einklagen, weil Hilfsmittel nicht bewilligt oder berechtigte Ansprüche zwischen den Leistungsträgern hin- und hergeschoben werden. Das liegt dann aber nicht an dem Gesetz. Denn es ist die Pflicht der Rehabilitations- träger, die trägerübergreifende Koordination und Koope- ration zu optimieren. Sie müssen die Strukturen und In- strumente im SGB IX stärker nutzen und wahrnehmen. Eine zentrale Aufgabe des Staates ist die Sicherung von Chancen- und Leistungsgerechtigkeit für alle Men- schen. Menschen mit Behinderungen steht dabei das gleiche Recht auf Selbstbestimmung zu wie allen ande- ren Menschen. Sie dürfen aufgrund ihrer Behinderung keine Benachteiligung erfahren. Ich finde es deshalb gut, dass das Thema „Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung“ im Antrag der Grünen thematisiert wird. Der Antrag gibt uns Anlass, über die Selbstbestimmung und mehr Teilhabe zu diskutieren. In dem Weg, um diese Ziele zu erreichen, unterscheiden wir uns aber. So halten wir Liberale es für ein falsches Signal der Grünen, die UN-Behindertenrechtskonvention dafür zu instrumentalisieren, unerfüllbare Versprechungen zu ma- chen. Unrealistische und noch dazu volkswirtschaftlich nicht umsetzbare Forderungen schaffen nicht mehr Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen, sondern Enttäuschung und Frustration. Hauruck-Aktio- nen werden nicht zu dem gewünschten Ergebnis führen. Wir setzen uns hingegen dafür ein, dass der bereits bestehende inklusive Ansatz des Rechts der Rehabilita- tion und Teilhabe im SGB IX weiterentwickelt wird. Auch das Ziel, bestehende Regelungen weiter zusam- menzufassen, zu vereinfachen und somit leichter an- wendbar zu machen, ist richtig. Dabei muss vor allem die Beantragung des „Persönlichen Budgets“ vereinfacht und praktikabel gemacht werden. Hier müssen dann auch die Ergebnisse der „Wissenschaftlichen Begleitfor- schung zur Umsetzung und Akzeptanz des Persönlichen Budgets“ mit einbezogen werden, sobald sie vorliegen. Es darf nicht sein, dass drei Sachbearbeiter benötigt wer- den, um einen Antrag auf das „Persönliche Budget“ aus- zufüllen. Die Inanspruchnahme von sozialen Leistungen soll dabei auf die Bedürfnisse der anspruchsberechtigten Personen ausgerichtet sein. Forderungen nach Teilhabe- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012 26479 (A) (C) (D)(B) leistungen, die unabhängig vom Einkommen und Ver- mögen erbracht werden müssen, können aus der UN-Be- hindertenrechtskonvention nicht abgeleitet werden. Es ist auch wichtig, zunächst durch die zielgerichtete Evaluation des SGB IX Lösungsmöglichkeiten für Um- setzungsdefizite zu finden. Anstatt unrealistische Forde- rungen zu stellen, wie es die Grünen in ihrem Antrag tun, plädiere ich dafür, realistische Ziele zu verfolgen. Um diese Ziele klar benennen zu können, benötigen wir als Grundlage für unsere Entscheidungen eine bessere Datensammlung zur Situation von Menschen mit Behin- derungen. Im Nationalen Aktionsplan sind Studien ge- nannt, deren Ergebnisse die Grundlagen für die richtigen politischen Entscheidungen liefern werden. Hier werden behindertenpolitische Maßnahmen evaluiert und auf ihre Wirksamkeit hin geprüft. Für uns Liberale sind Inklusion, Teilhabe und Selbst- bestimmung Eckpfeiler einer freien und demokratischen Gesellschaft. Was viele noch nicht begriffen haben: In- klusion wächst nicht allein durch Sonntagsreden über Selbstbestimmung und Menschenrechte. Dazu braucht es mehr. Die Vision einer inklusiven Gesellschaft muss nicht nur in Reden, sondern im Leben ankommen. Dafür braucht es die Beteiligung aller. Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE): In den letzten Monaten gab es mehrere Veranstaltungen, in denen zehn bzw. elf Jahre nach dem Inkrafttreten des Sozialgesetzbuches IX – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen – über die Wirkungen dieses Gesetzes diskutiert wurde. Dazu ein kurzer Rückblick: Das SGB IX wurde von der Koalition aus SPD und Bündnis 90/Die Grünen ein- gebracht und am 6. April 2001 mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD, Grünen und FDP verabschiedet. Die Linke – damals noch die PDS-Fraktion – hatte in die ab- schließende Debatte fünf Änderungsanträge sowie einen Entschließungsantrag – Bundestagsdrucksache 14/5823 – eingebracht. In meiner Rede sowie meiner Erklärung zur Abstimmung – Plenarprotokoll 14/165 – begründete ich im Namen der PDS, warum wir uns der Stimme enthal- ten. Der Kern linker Kritik – bei gleichzeitiger Würdigung vieler positiver Dinge –: In vielen Punkten konnte sich der Bundestag nicht durchringen, einen tatsächlichen Paradigmenwechsel vorzunehmen. Es gibt in dem Ge- setz keinen Bezug zum Art. 3 des Grundgesetzes. Der Behindertenbegriff ist weiterhin defizitär angelegt. Das SGB IX ist ein Rehabilitations-, aber kein Leistungs- gesetz. Das Damoklesschwert des Heimeinweisungs- paragrafen, der Kostenvorbehalt in § 13 des SGB XII, blieb bestehen. Die Bedürftigkeitsprüfungen und die Ab- hängigkeit der Leistungsgewährung von Einkommen und Vermögen wurden nicht angetastet. Dies bekräftig- te auch der Deutsche Behindertenrat, als er am 4. De- zember 2004 zwölf Thesen symbolisch an die Tür der Berliner Nikolaikirche heftete. Selbst die damals opposi- tionelle CDU/CSU forderte ein eigenständiges, bundes- finanziertes Leistungsgesetz, mit dem die Eingliede- rungshilfe aus dem Sozialhilferecht herausgelöst werden soll. Nun, zehn Jahre später, fordern die Grünen, das SGB IX weiterzuentwickeln. Das unterstützt die Linke ausdrücklich. Aber wir reden heute nicht nur über die Überschrift, sondern auch über den Inhalt des Antrags. Im Feststellungsteil standen die Antragsteller vor der schwierigen Aufgabe, einerseits ihr damaliges Tun zu würdigen, andererseits auch die damaligen und neu ent- standenen Defizite aufzuzeigen. Diese Herausforderung haben sie nur zum Teil gemeistert. Wichtiger sind aber die Forderungen an ein Gesetz zur Weiterentwicklung des SGB IX. Und auch hier ist mein Fazit: Es ist wie 2001, nur dass die Grünen damals regierten und sich heute in Wartestellung befinden: Es gibt viele Punkte in dem Antrag, die die Linken unter- stützen können. Aber mehrere entscheidende Fragen werden überhaupt nicht bzw. nur sehr vorsichtig ange- sprochen, obwohl spätestens seit dem Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention im März 2009 unstrit- tig sein müsste, dass wir ein Leistungsgesetz brauchen, welches Menschen eine umfassende Teilhabe am Leben in der Gesellschaft durch den einkommens- und vermö- gensunabhängigen Ausgleich behinderungsbedingter Nachteile ermöglicht. Viele Abgeordnete der Grünen unterstützten vor der Bundestagswahl 2009 ebenso wie Abgeordnete der Lin- ken und der SPD die Forderung der Behindertenbewe- gung nach einem Gesetz zur sozialen Teilhabe, darunter auch Claudia Roth und Markus Kurth. Nach der Bundes- tagswahl hatten behinderte Juristinnen und Juristen dazu sogar einen Gesetzentwurf erarbeitet. Die Linke hat diese Vorschläge und Forderungen mit einem Antrag für ein Teilhabesicherungsgesetz im Bundestag zur Diskus- sion gestellt. Und Bündnis 90/Die Grünen? In diesem Antrag – und hier hätte es hineingepasst – ist leider nichts davon zu spüren. Deswegen werden wir uns – wie schon 2001 – bei der Abstimmung über diesen Antrag der Stimme enthalten. Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Bundesregierung lässt sich Zeit mit der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention, BRK, in deutsches Recht – viel Zeit. Während Ministerin von der Leyen nicht müde wird, von Inklusion zu sprechen, hält sich ihr Ministerium mit Gesetzesinitiativen in diese Richtung vornehm zurück. Der Ruf nach einem Teilhabeleistungs- gesetz wird jedoch – ganz zu Recht – immer lauter. Er- kennbare Schritte in diese Richtung sind aber von dieser Bundesregierung wohl nicht mehr zu erwarten. Vor mittlerweile fast zwölf Jahren, einige Jahre vor Inkrafttreten der BRK, hat die damalige rot-grüne Bun- desregierung mit dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch SGB IX die Selbstbestimmungsrechte von Menschen mit Behinderungen gestärkt. Die Bedeutung des Wunsch- und Wahlrechts wurde deutlich unterstrichen; die neue Leistungsform „Persönliches Budget“ ermög- lichte es, die Leistungserbringung individueller und passgenauer zu gestalten. Das SGB IX macht klare Vor- gaben zur Zusammenarbeit der Rehabilitationsträger. Indes: Dass dieses Gesetz nur unzureichend umge- setzt wird, das wissen wir alle. Zahlreiche Klagen vor 26480 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012 (A) (C) (D)(B) den Sozialgerichten zeugen davon. Als hier in diesem Hohen Hause im Oktober 2012 etwa 300 Menschen mit Behinderungen mit uns Abgeordneten über Maßnahmen zur Umsetzung der BRK diskutierten, konnte die weit überwiegende Zahl unserer Gäste von haarsträubenden Auseinandersetzungen berichten, die sie durchstehen mussten, bevor sie bekamen, was ihnen von Rechts wegen zusteht. Und es scheint keine wirkliche Verbesse- rung in Sicht zu sein. Mehr oder weniger ungeniert rich- ten sich die Rehabilitationsträger darin ein, Anträge mit Verweis auf die Zuständigkeit anderer Träger abzuleh- nen. Angesichts des hohen Kostendrucks ist dieses Verhalten nicht überraschend; trotzdem ist es hochgradig ärgerlich und nicht zu rechtfertigen. Ich glaube, es gibt nur wenige Gesetze, die derart ignoriert werden wie das SGB IX. Ein historisch einmaliger, sehr beunruhigender Trend zu fehlender Rechtstreue ist festzustellen. Nun sollte man meinen, die Bundesregierung würde die ihr zur Verfügung stehenden Instrumente nutzen und diese Verweigerungshaltung offensiv angehen – zum Beispiel über ihre Instrumente der Rechts- und Fachauf- sicht. Ich muss sagen: Davon habe ich bisher nicht viel bemerkt. Und auch in den relevanten Strukturfragen sind wir kein Stück weitergekommen. Die Regierung ver- weist unablässig auf ihren Nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der BRK; sie schaffte es nicht, den Staaten- bericht zum Stand der Umsetzung rechtzeitig fertigzu- stellen, und kann auch darüber hinaus keine nennens- werten Fortschritte vorweisen. Wenn wir die BRK konsequent umsetzen möchten, brauchen wir letztlich ein Teilhabeleistungsgesetz, um die Schwächen des gegliederten Systems der sozialen Sicherung zu überwinden. Eine menschenrechtsbasierte Ausgestaltung etwa der Eingliederungshilfe kann nicht funktionieren, solange diese Form der Unterstützung im Recht der Sozialhilfe angesiedelt ist. Uns ist doch aber sicher allen klar, dass diese Reform, so bedauerlich das ist, nicht von heute auf morgen zu machen ist. Wenn wir nächstes Jahr eine rot-grüne Bundesregierung haben, die der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention ei- nen höheren Stellenwert einräumen wird – und dafür werde ich streiten –, selbst dann wird es dauern, bis eine politische Lösung gefunden wird. Es gibt aber auch As- pekte, die wir zügig verbessern können. Schon verhältnismäßig kleine Änderungen des SGB IX könnten die Situation behinderter Menschen er- heblich verbessern. Es gibt keinen Grund, dies weiter auf die lange Bank zu schieben. Meine Fraktion hat mit dem Antrag sehr konkrete Vorschläge hierzu vorgelegt. Ich habe sie an dieser Stelle vor einem Jahr vorgestellt; wir haben sie im Ausschuss und im Rahmen einer öffentli- chen Anhörung diskutiert. Dass die Koalitionsfraktionen diese Schritte ableh- nen, war zu erwarten. Sie sind naturgemäß der Ansicht, selbst bereits ausreichend etwas zu unternehmen. Dass sie keine wesentlichen Verbesserungen vorzuweisen ha- ben, tut dieser Überzeugung keinen Abbruch. Aber auch Sozialdemokraten und Linke konnten sich nicht durch- ringen, unserem Antrag zuzustimmen. Beiden gehen die Forderungen nicht weit genug. So schön es ist, dass die SPD, die sich ansonsten gern auf Prüfaufträge zurückzieht, den Vorschlag meiner Fraktion für nicht weitreichend genug hält – nachvoll- ziehbar ist es nicht. Die Sozialdemokraten hatten wäh- rend der vergangenen Wahlperiode genug Gelegenheit, weitreichende Veränderungen zum Beispiel in der Ein- gliederungshilfe oder beim SGB IX vorzunehmen; schließlich stellten sie den Sozialminister in der Großen Koalition. Vor diesem Hintergrund ist die Nichtzustim- mung der SPD besonders fadenscheinig, wenig glaub- würdig und ein klares Zeichen, dass es in der Behinder- tenpolitik auf Bündnis 90/Die Grünen ankommt. Ich bin zuversichtlich, dass betroffene Leistungsberechtigte, Angehörige sowie Angestellte in Einrichtungen und Diensten dies am 22. September 2013 in ihre Wahlent- scheidung einfließen lassen werden. Ich freue mich, wenn zunehmend mehr Menschen von Inklusion sprechen – wie zuletzt in überzeugender Weise der Vorsitzende des Zentralkomitees der deut- schen Katholiken, Alois Glück. Ebenso erfreulich ist die Tatsache, dass sich der Gedanke eines Teilhabeleistungs- gesetzes zunehmender Beliebtheit erfreut. Aber: Von schönen Worten kann man sich nichts kaufen. Wir brau- chen konkrete Schritte, von denen sich zahlreiche auch im bestehenden Rechtsrahmen umsetzen lassen. Mit einer trägerunabhängigen Beratung beispiels- weise, bei der Menschen mit Behinderungen nach dem Peer-to-Peer-Prinzip von Menschen mit ähnlichem Erfahrungshintergrund beraten werden, kann die Ver- handlungssituation der Leistungsberechtigten bereits jetzt gestärkt werden. Wir haben das in unserem Antrag gefordert. Über eine Ausweitung der Kompetenzen der Gemeinsamen Servicestellen wäre es bereits jetzt mög- lich, die Rehabilitationsträger zur verbesserten Zusam- menarbeit anzuhalten. Auch dazu machen wir mit unse- rem Antrag konkrete Vorschläge. Es ist und bleibt mir ein Rätsel, warum sich die Kolle- ginnen und Kollegen von SPD und Linken nicht durch- ringen konnten, Forderungen nach einer einheitlichen und trägerübergreifenden Bedarfserhebung, nach verbes- serter Schulung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Rehabilitationsträger und der bundesweiten Einfüh- rung eines Budgets für Arbeit zuzustimmen. Wir möch- ten alle in möglichst großen Schritten zum Erfolg. Wenn das nicht möglich ist, sind es die kleinen Schritte, auf die es ankommt. Anlage 15 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung – Entwurf eines Gesetzes zur Einführung ei- nes Zulassungsverfahrens für Bewachungs- unternehmen auf Seeschiffen – Beschlussempfehlung und Bericht zu dem Antrag: Einsatz privater Sicherheitsdienste im Kampf gegen Piraterie zertifizieren und kontrollieren Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012 26481 (A) (C) (D)(B) – Beschlussempfehlung und Bericht zu dem Antrag: Private Sicherheitsfirmen umfas- send regulieren und zertifizieren – Beschlussempfehlung und Bericht zu dem Antrag: Internationale Ächtung des Söld- nerwesens und Verbot privater militärischer Dienstleistungen aus Deutschland (Tagesordnungspunkt 21 a bis c und Zusatz- tagesordnungspunkt 6) Uwe Beckmeyer (SPD): Das Risiko fährt mit. Pira- ten machen die Passage durch den Golf von Aden zu ei- nem Risiko für die Seeschifffahrt. Mit dem Zusammen- bruch des somalischen Staates und dem seit 1991 andauernden Bürgerkrieg wurde insbesondere das Horn von Afrika zum Operationsgebiet moderner Seeräuber, verläuft doch entlang der Küstenlinie eine der weltweit wichtigsten seewärtigen Handelsstraßen. Pro Jahr gibt es allein rund 1 700 Passagen deutscher Schiffe durch den Golf von Aden, und so sind es auch immer wieder deutsche Handelsschiffe, die von den Piraten überfallen werden. Zwar hat die militärische Präsenz in den betroffenen Gebieten offenbar Wirkung gezeigt – bis Ende Novem- ber 2012 gab es 261 Piratenangriffe auf internationale Seehandelsschiffe, so wenig Überfälle wie seit 2007 nicht mehr –, aber die internationalen Streitkräfte allein können keinen 100-prozentigen Schutz vor Piratenüber- fällen bieten. Letztendlich kann die somalische Piraterie nur ausgeschaltet werden, wenn das Land wieder eine starke Regierung erhält, der es gelingt, die verfeindeten Clans zu einen und eine gesunde Wirtschaft und funktio- nierende staatliche Strukturen aufzubauen. Doch diese Bedingungen dürften in naher Zukunft kaum erfüllt sein. Die entscheidende Frage ist daher inzwischen, welche Maßnahmen ergriffen werden können, um das Risiko einer Entführung zu minimieren und der Besatzung die besten Überlebenschancen im Falle eines Überfalls zu geben. Die Bundesregierung hat ein Konzept zur Zulassung von privaten bewaffneten Sicherheitskräften an Bord von Schiffen unter deutscher Flagge vorgelegt und will mit dem vorliegenden Gesetzentwurf die rechtlichen Grundlagen dafür schaffen. Zu klären bleibt jedoch insbesondere die Ausgestal- tung des Zulassungsverfahrens für die privaten Sicher- heitsdienste. Details werden von der Bundesregierung auf eine im Einzelnen noch auszuarbeitende Verordnung des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle verschoben. Durch diesen gesetzgeberischen Kunstgriff können diese erst später geregelt werden. Doch eines ist schon jetzt klar: Es bleibt noch eine Reihe offener Fragen. Die Zahl privater Sicherheitsanbieter steigt, aber es fehlt ein internationaler Standard. Derzeit sind mehr als 200 Firmen auf dem maritimen Sicherheitsmarkt aktiv. Dabei bestehen große Qualitätsunterschiede unter den privaten Sicherheitsdiensten. Daher muss der rechtliche Rahmen für den Einsatz privater Sicherheitskräfte im Kampf gegen Piratenübergriffe am Horn von Afrika ins- besondere die Themen Qualitätssicherung und Zertifi- zierung umfassend regeln. Es muss geklärt werden, ob diese Firmen über Erfahrung im maritimen Einsatz ver- fügen, ob sie die Gesetze des jeweiligen Flaggenstaats kennen und ob sie unterscheiden können zwischen ei- nem Kampfeinsatz und einer angemessenen Notwehr- situation. In den inzwischen vorliegenden Eckpunkten der drei zuständigen Ressorts BMWi, BMI und BMVBS für eine Rechtsverordnung wird unter anderem auf die Frage der Kommunikations- und Entscheidungswege zwischen Schiffsführung und der Leitung der privaten Sicherheits- kräfte an Bord Bezug genommen, die in dem Gesetzent- wurf der Bundesregierung bisher nicht angesprochen waren, was wir kritisieren. Allerdings werden diese Aspekte aus unserer Sicht auch in den Eckpunkten bisher nur unzureichend beschrieben. Kosten, Ordnungs- widrigkeiten, Zuständigkeit, Haftpflicht und vor allem Zuverlässigkeit sind noch ausgeklammert. Zulassungen aus EU-Staaten sollen, Zulassungen aus Nicht-EU- Staaten können bei „Gleichwertigkeit“ anerkannt werden. Ausländische Unternehmen dürften vor dem Problem stehen, Mitarbeiter erst in deutschem Recht schulen zu müssen. Der vorgelegte Gesetzestext lässt also wesentliche Fragen unbeantwortet. Das sehen offenbar auch die Koalitionsfraktionen so, die jetzt einen umfänglichen Änderungsantrag zu dem Gesetzentwurf der Bundes- regierung vorgelegt haben, um im parlamentarischen Verfahren nachträgliche Änderungen vorzunehmen. So weit, so schlecht. Hinzu kommt, dass der Gesetz- geber im Hinblick auf den Einsatz privater Sicherheits- kräfte auf Schiffen deutscher Eigner unter fremder Flagge überhaupt keine Regelungen treffen kann. Nach dem Völkerrechtsprinzip der Flaggenhoheit ist dies nur für Schiffe unter deutscher Flagge möglich. Die Bundes- regierung bleibt deshalb weiterhin aufgefordert, gegen- über deutschen Reedereien für eine verstärkte Rückflag- gung des Schiffsbestandes unter deutsche Flagge einzutreten. Von den rund 3 500 Schiffen deutscher Eigner sind derzeit nur 492 mit deutscher Flagge unter- wegs. Die anderen fahren aus Kostengründen unter der Flagge anderer Staaten, deren Sicherheitsbestimmungen mitunter einen niedrigeren Standard haben als in Deutschland. Es liegt daher im eigenen Interesse der deutschen Reeder und in ihrer Verantwortung für die Schiffsbesat- zungen, ihre Schiffe zurückzuflaggen. Genauso wichtig ist aber, dass die internationale Ge- meinschaft das Problem der Piraterie an der Wurzel packt. Das heißt: Mit Entwicklungshilfe die Lebensbe- dingungen der Menschen verbessern und Somalia beim Aufbau staatlicher Strukturen und dem wirtschaftlichen Wiederaufbau des Landes zu unterstützen. Der Einsatz privater Sicherheitskräfte zum Schutz deutschflaggiger Handelsschiffe darf auch in Zukunft nicht die Regel sein. Mit der Piraterie haben nicht nur somalische Clans ein neues Geschäftsfeld entdeckt, mit dem sie viele Millionen Euro verdienen, sondern auch die westlichen 26482 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012 (A) (C) (D)(B) Sicherheitsfirmen. Doch Sicherheit darf nicht zu einem Marktgut werden. Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE): Das staatliche Gewaltmonopol gilt zu Recht als wichtige zivilisatori- sche Errungenschaft. Als staatliche Einrichtungen sollen Polizei und Militär sicherstellen, dass der mögliche Ein- satz von Gewalt strikt an Recht und Gesetz gebunden ist, dass die Verantwortlichen gegebenenfalls auch für ihr Tun haftbar gemacht werden können, dass er der öffent- lichen Kontrolle unterliegt und dass für die Sicherheits- gewährleistung nur entsprechend ausgebildete Fach- kräfte zuständig sind. Leider ist seit den 90er-Jahren ein Prozess in Gang gekommen, diese besonders sensiblen hoheitlichen Funktionen des Staates auszulagern – nicht nur im In- land. Immer mehr übernehmen die sogenannten Private Security oder Private Military Companies auch polizei- liche und militärische Aufgaben außerhalb der Staats- grenzen. Das Spektrum reicht von Ausbildungs- und Aufklä- rungsdiensten über den Betrieb von Gefängnissen bis zur Gefechtsunterstützung. Hier werden inzwischen dicke Geschäfte gemacht, und dieser Boom hält an, obwohl die „Einsatzerfahrungen“ mit solchen Söldnerfirmen in Afrika oder im Irak eher skeptisch machen sollten. Das neueste Geschäftsfeld dieses privaten Sicher- heitssektors ist die Bekämpfung der Piraterie. Auch deutsche Firmen sind hier bereits unterwegs. In der Wo- chenzeitung Freitag vom 15. November 2012 wird ein Mitarbeiter dieser neuen „Sicherheitsfirmen“ wie folgt zitiert: „Es steckt eine Menge Kohle dahinter. Jeder will ein Stück vom Kuchen abhaben. Unternehmen aus Deutschland sind ganz vorne mit dabei.“ Genau darum geht es bei dem vorliegenden Gesetz- entwurf der Bundesregierung. Auch in Deutschland soll der Weg in diesen „Zukunftsmarkt“ endgültig geöffnet werden – natürlich lizensiert, zertifiziert, reguliert, erst einmal nur für Sicherheitsdienste auf Schiffen. Aber es liegt auf der Hand, dass dies nur der erste Schritt ist. Wir lehnen das entschieden ab, und wir finden uns mit dieser quasi-unvermeidlichen Privatisierung nicht ab. Erstens ist die Vorstellung, dass man dieses Ge- schäftsfeld völlig transparent gestalten und lückenlos öf- fentlich kontrollieren könne, naiv und unrealistisch. Si- cherheitsfirmen, sagen wir es deutlicher: Söldnerfirmen, zeichnen sich durch einen hohen Grad von Schachtel- konstruktionen aus. Sie entziehen sich öffentlicher Kon- trolle – und sei es durch Firmenneu- bzw. -umgründun- gen. Beispiel Blackwater: nach Rechtsstreit mit der US- Regierung vorübergehend in XeServices umbenannt und heute als, welch schöner Name, Academi aktiv. Das aktive Personal, das heißt die Leute mit den Waf- fen, sind in der Regel keine ordentlich angestellten Per- sonen. Sie werden in Zeitverträgen eingesetzt. Woher sie kommen, was sie gemacht haben, was sie danach ma- chen werden: Das bleibt im Verborgenen. Und dort aus- gestellte Führungszeugnisse sollen von öffentlichen Be- hörden verlässlich beurteilt werden? Der zweite Grund ist die – auch trotz des hier vorlie- genden Gesetzes – nicht gewährleistete konsequente Haftbarkeit der Unternehmen und ihres Personals. Ein Ermittlungsverfahren bei Waffeneinsatz an Bord ist quasi nur vorgesehen, wenn sich die mutmaßlichen Täter selber anzeigen. Und das soll funktionieren? In diesen Tagen kann man die Frage auch so stellen: Glauben Sie an den Weihnachtsmann? In ihrer Antwort auf Fragen meiner Fraktion vom April dieses Jahres räumt die Bundesregierung selber ein, dass eine fortlaufende Beaufsichtigung dieser Unter- nehmen auf See nicht möglich ist. Drittens. Der Einsatz privater Sicherheitskräfte am Horn von Afrika ist eine Art Komplementärmaßnahme für die misslungene Atalanta-Militärmission der EU zur Pirateriebekämpfung. Ein nachhaltiger Erfolg wurde trotz großem Aufwand nicht erreicht. Jetzt sollen die Söldnerfirmen dabei mithelfen, diese Bilanz entschei- dend aufzubessern, ohne dass man an der bisherigen allzu schlichten Strategie, Gewalt mit Gewalt zu be- kämpfen, etwas ändern müsste. Eine wirksame Ursa- chenbekämpfung sieht anders aus. Ihr Gesetzentwurf ist bestenfalls Stückwerk; sie lega- lisieren damit ein Gewerbe, das wir in der Form nicht brauchen. Die Linke stellt deswegen hier den klar for- mulierten Antrag, solche Dienstleistungen im Ausland nicht zu gestatten. Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der vorliegende Antrag zu den Sicherheitsdiensten auf Schiffen war überfällig. Der internationalen Handels- schifffahrt macht seit mehreren Jahren die Passage am Horn von Afrika vor der somalischen Küste schwer zu schaffen. Vor allem die Seeleute leiden darunter. Piraterie beschäftigt uns bereits seit Jahrhunderten, seit Bestehen der Seefahrt. So wie die Seeschifffahrt sich verändert hat, hat sich auch die Piraterie verändert. Es mussten immer wieder neue Maßnahmen gefunden wer- den, um Piratenangriffen auf Handelsschiffe vorzubeu- gen. Bei den heutigen Piratenattacken werden Schiffe samt Ladung gekapert, Besatzungen als Geisel genommen und es wird Lösegeld gefordert. Die Piraten gehen dabei nicht zimperlich vor. Auch vor Kreuzfahrtschiffen ma- chen die Piraten nicht halt. 2011 wurden vor der Küste Somalias knapp 450 Schiffe Opfer von Piratenangriffen sowie über 50 Millionen Euro Lösegeld gefordert. Die Piraterie ist für Teile des schwer gebeutelten Lan- des Somalia zu einem lukrativen Geschäft geworden. Die Überfälle sind wirtschaftlich-kriminell oder sogar mafiös organisiert. Die Piraterie ist aber auch Lebens- grundlage für einige ehemalige Fischer; denn ihnen wurde durch die Raubfischerei ihre bisherige Lebens- grundlage entzogen. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012 26483 (A) (C) (D)(B) Bis 2011 stieg die Zahl der Piratenangriffe vor dem Horn von Afrika Jahr für Jahr stark an. Das hatte für die betroffenen Reeder starke finanzielle Auswirkungen, ganz zu schweigen von den betroffenen Schiffsbesatzun- gen, die an einer der meistbefahrenen Welthandelsrouten dramatische Situationen durchstehen müssen. Wir müssen daher dringend politische Maßnahmen zum Rückgang der Piraterie ergreifen und Somalia poli- tisch stärken. Die internationale Staatengemeinschaft hat die Vorfälle zum Anlass genommen und mit der Opera- tion Atalanta eine verstärkte Marinepräsenz installiert. Die deutschen Reedereien müssen die Möglichkeit be- kommen, auch an Bord Sicherheitsdienste mitzuführen. Das wird bisher zwar bereits praktiziert. Doch das ge- schieht alles in einer juristischen Grauzone – mit allen Risiken für Kapitäne und Besatzungen. „Djangos“ haben an Bord nichts zu suchen! Ich habe den Wissenschaftlichen Dienst zu den Risi- ken des Einsatzes von privaten Sicherheitsdiensten auf Seeschiffen befragt. Von dort kam eine deutliche Aus- sage: Kapitäne eines Schiffes können sich nach der bis- herigen Rechtslage strafbar machen. Richtig brisant wird es, wenn in der Gefahrenabwehr unterschiedliche An- weisungen von privaten Sicherheitsleuten und dem Ka- pitän kommen. Dann könnte sich ein Kapitän wegen fahrlässiger Körperverletzung beziehungsweise Tötung sogar strafbar machen. Auf diese Fragestellung wird im Gesetzentwurf der Bundesregierung endlich eingegangen. Die Sicherheits- kräfte müssen jetzt entsprechend geschult werden. Grundsätzlich bringt der Gesetzentwurf Verbesserungen für die Verantwortlichen an Bord. Wir Grüne haben das gesamte Verfahren konstruktiv begleitet. Dennoch gibt es eine Reihe von Kritikpunkten. Meine Fraktion kann dem vorliegenden Gesetzentwurf deswe- gen auch nicht zustimmen: Es findet zwar eine Zertifi- zierung der Sicherheitsdienste statt, das eingesetzte Per- sonal wird aber nicht einzeln geprüft. Verschiedene Forderungen des Bundesrats wurden nicht aufgegriffen, etwa die Forderung, auch deutsche Seeschiffe mit aus- ländischer Flagge mit einzubeziehen. Es hat viel zu lange gedauert, bis der Entwurf vorlag. Selbst dann fin- den noch Notreparaturen statt. Und: Bis heute hat keine richtige Abstimmung zwischen den einzelnen Ressorts stattgefunden Daher: Erst mit dem Vorliegen der ange- kündigten Rechtsverordnung wird sich erweisen, wie ernst es die Koalition mit der Regulierung der Sicher- heitsdienste meint! Wir werden uns bei der Abstimmung zum vorliegenden Gesetzentwurf deswegen enthalten. Grundsätzlich ist ein guter Wille der Koalition er- kennbar. Doch bei der Abstimmung in der schwarz-gel- ben Regierung knirscht es nur noch. Die Ressortabstim- mung für die Verordnungen ist noch in vollem Gange. Reißen Sie sich zusammen! Legen Sie jetzt endlich die Umsetzung vor, damit die Seeleute mehr Sicherheit bekommen! Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bun- desminister für Wirtschaft und Technologie: Deutsch- land besitzt die drittgrößte Handelsflotte der Welt. Wir verfügen über die weltweit größte Containerschiffsflotte. Allein in der Seeschifffahrt sind rund 95 000 Menschen beschäftigt. Eine starke maritime Wirtschaft ist für ein so außen- handelsorientiertes Land wie Deutschland von gesamt- wirtschaftlicher, von strategischer Bedeutung. Maritime Sicherheit hat für uns deshalb höchste Priorität. Die Piraterie stellt eine erhebliche Bedrohung für die maritime Wirtschaft dar. Ich will dies anhand einiger Zahlen verdeutlichen: 2011 fanden 439 Piratenübergriffe weltweit statt. Davon entfielen über die Hälfte, 236, auf Gebiete vor den Küsten Somalias. 64 Überfälle erfolgten auf Schiffe in Besitz deutscher Reeder. 2011 fuhren 1 243 Schiffe unter deutscher Flagge im Hochrisikoge- biet am Horn von Afrika – 2010: 688. Die starke Steige- rung 2011 gegenüber 2010 ist vor allem auf die Auswei- tung des Hochrisikogebietes bis zur indischen Küste im Jahre 2011 zurückzuführen. Die durch Piraterie entstehenden Kosten für die Reede- reien sind enorm: Eine Studie der One Earth Future Foun- dation beziffert die Kosten auf 6,6 bis 6,9 Milliarden US- Dollar pro Jahr – Horn von Afrika und gesamter Indischer Ozean. Der Lösegeldanteil in Höhe von 160 Millionen US-Dollar ist dabei noch der geringste Teil. Viel stärker ins Gewicht fallen die Folgekosten wie steigende Bun- kerkosten durch höhere Durchfahrtsgeschwindigkeiten in gefährdeten Gebieten oder für Umwege sowie die An- schaffung von Sicherheitsausrüstungen auf Schiffen. In der jüngsten Zeit können wir einen deutlichen Rückgang an Überfällen verzeichnen. Dies hat im We- sentlichen drei Ursachen: Erstens werden die Schiffe mit immer effektiveren Abwehrmechanismen ausgestattet: Stacheldraht an der Reling, Schallkanonen, Schleppleinen. Zweitens die starke internationale militärische Prä- senz. Auch die deutsche Marine ist im Rahmen der EU- geführten Operation Atalanta erfolgreich engagiert. Drittens wird immer häufiger bewaffnetes Sicher- heitspersonal als ergänzende Schutzmaßnahme auf den Schiffen eingesetzt. Es wird berichtet, dass Piraten ihre Angriffe abbrechen, sobald sie bewaffnete Sicherheits- kräfte an Bord bemerken. Nach Schätzungen wurden 2011 über 20 Prozent der Schiffe im somalischen Gefahrengebiet von privaten Si- cherheitskräften begleitet, die Dunkelziffer dürfte sogar noch höher sein. Wir wollen keine Desperados, sondern nur zuverläs- sige Sicherheitsunternehmen mit qualifiziertem Personal auf Schiffen unter deutscher Flagge. Daher hat die Bun- desregierung einen Gesetzentwurf vorgelegt, mit dem ein neues Zulassungsverfahren für Bewachungsunter- nehmen auf Seeschiffen eingeführt werden soll. Damit schaffen wir die notwendige Rechtssicherheit. Dies ist auch ein Anliegen der Reeder, die eine solche Regelung fordern. 26484 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012 (A) (C) (D)(B) Das vorgesehene Zulassungsverfahren orientiert sich eng an den Anforderungen, die die Internationale Schiff- fahrtsorganisation, IMO, in ihren Empfehlungen aufge- stellt hat. Die Bewachungsunternehmen müssen im Rah- men des Zulassungsverfahrens darlegen, dass sie die vorgeschriebenen Anforderungen an die betriebliche Or- ganisation und Verfahrensabläufe erfüllen. Organisation und Verfahrensabläufe müssen hierbei so ausgestaltet sein, dass nur fachlich und persönlich geeignetes sowie zuverlässiges Personal an Bord von Seeschiffen einge- setzt wird. Es ist damit ein unternehmensbezogenes Zu- lassungsverfahren. Die Zulassungen werden vom Bundesamt für Wirt- schaft und Ausfuhrkontrolle, BAFA, im Benehmen mit der Bundespolizei erteilt und sind für die Dauer von zwei Jahren befristet. Wichtig ist, dass die eingesetzten privaten Sicherheitskräfte keine staatlichen Hoheits- rechte haben. Ihnen stehen zur Abwehr von Piratenan- griffen nur die sogenannten Jedermannsrechte wie Not- wehr und Nothilfe zu. Neben den vorgesehenen Änderungen in der Gewer- beordnung sieht der Gesetzentwurf eine Änderung des Waffengesetzes vor. Danach wird künftig die Waffenbe- hörde Hamburg zentrale Behörde für die Erteilung der erforderlichen waffenrechtlichen Erlaubnisse an auslän- dische Bewachungsunternehmen. Gerade für ausländi- sche Bewachungsunternehmen, auf deren Dienstleistun- gen die deutschen Reeder angewiesen sind, ist diese Bündelung der Zuständigkeit wichtig. Die hohen Anfor- derungen des deutschen Waffenrechts gelten weiter, ge- nauso wie der Einsatz von Kriegswaffen nicht erlaubt werden wird. Mit diesem Zulassungsgesetz sind wir international Vorreiter bei der Regelung des Einsatzes von Bewa- chungsunternehmen an Bord von Seeschiffen. Wir besei- tigen derzeit noch bestehende Rechtsunsicherheiten und sichern eine hohe Qualität bei diesen Sicherheitsdienst- leistungen. Anlage 16 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und Be- richt zu den Anträgen: – Geschlechtergerechtigkeit im Lebensverlauf – Zeit zwischen den Geschlechtern gerecht verteilen – Partnerschaftlichkeit stärken – Unterrichtung: Erster Gleichstellungsbe- richt; Neue Wege – Gleiche Chancen; Gleichstellung von Frauen und Männern im Lebensverlauf (Tagesordnungspunkt 22) Dorothee Bär (CDU/CSU): Der Erste Gleichstel- lungsbericht, den das Kabinett am 15. Juni 2011 verab- schiedet hat, zeigt strukturelle Ungleichheiten im Le- bensverlauf von Frauen und Männern auf und arbeitet so die gleichstellungspolitischen Erfordernisse in Deutsch- land systematisch heraus. Es wird ausgelotet, wie eine Gesellschaft auszusehen hat, in der Frauen und Männer während ihres gesamten Lebens die gleichen Teilhabe- und Verwirklichungschancen haben. Der Bericht ist unterteilt in fünf Kapitel: Rollenbilder und Recht, Bildung, Erwerbsleben, Zeitverwendung, Al- ter und Bilanzierung des Lebensverlaufs. In allen Kapi- teln lässt sich sehr schön ablesen, wie Nachteile, die in einer bestimmten Lebenssituation entstehen – etwa der Einkommensverlust während einer familienbedingten Auszeit, eine Ehescheidung oder die Aufnahme einer ge- ringfügigen Beschäftigung – über den Lebensverlauf hinweg kumulieren können. Gesetzliche Regelungen können diese Nachteile mitunter verstärken, zum Bei- spiel, indem die Unterstützung, die eine Regelung in ei- ner Lebensphase gewährt, in der darauffolgenden Phase abbricht. Unser Antrag erläutert daher anlässlich des Ersten Gleichstellungsberichts die Bedeutung der Gleichstel- lungspolitik für unsere Gesellschaft und verknüpft dies mit aktuellen gleichstellungspolitischen Forderungen. Denn die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen in allen Etappen des Lebensverlaufs ist noch immer keineswegs selbstverständlich gewährleistet: Frauen steigen weitaus seltener als Männer in Führungspositionen auf; sie unter- brechen ihr Berufsleben häufiger und länger als Männer, um sich um die gemeinsamen Kinder oder um pflegebe- dürftige Angehörige zu kümmern. Ein besonderes Problem stellt die Alterssicherung von Frauen dar. In Betrachtung der heutigen Generation Rentner zeigt sich, dass die Lücke in den eigenen Alters- sicherungseinkommen zwischen Frauen und Männern gravierend ist. Unsere gleichstellungspolitischen Forderungen zie- len daher insbesondere darauf ab, die Erkenntnisse des Ersten Gleichstellungsberichts auszuwerten und auf Grundlage dessen einen Rahmenplan zur gleichberech- tigten Teilhabe von Frauen und Männern in allen Phasen des Lebensverlaufs vorzulegen; die Ursachen der sich im Lebensverlauf verbreiternden Entgeltunterschiede zwi- schen Frauen und Männern weiter zu erforschen; Pro- gramme wie Girls’ Day, Boys’ Day, die darauf abzielen, das Berufswahlspektrum von Jungen und Mädchen zu verbreitern, fortzusetzen und konkret zu evaluieren; Handlungsmöglichkeiten zu erarbeiten und umzusetzen, die Karrierewege für Frauen systematisch öffnen, um die Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen zu überwinden; in jeder Legislaturperiode einen Gleichstel- lungsbericht vorzulegen; die Zeitsouveränität von Frauen und Männern nach deren Bedürfnissen im Le- bensverlauf zu stärken, – zum Beispiel durch die Förde- rung flexibler Arbeitszeiten statt überkommener Anwe- senheitskulturen. Meine Damen und Herren, Chancengleichheit für Frauen und Männer ist als Längsschnittaufgabe zu be- trachten. Sie ist nur zu erreichen, wenn die kurz- und langfristigen Folgen individuell und partnerschaftlich ge- troffener Entscheidungen konsequent bedacht werden – und die Politik dafür Sorge trägt, dass die Chancen und Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012 26485 (A) (C) (D)(B) Risiken dieser Entscheidungen nicht bereits strukturell ungleich zwischen den Geschlechtern verteilt sind. Nadine Schön (St. Wendel) (CDU/CSU): Heute de- battieren wir abschließend den Ersten Gleichstellungsbe- richt der Bundesregierung hier im Deutschen Bundestag. Diese Debatte passt sehr schön in die letzte Sitzung des Jahres, denn er hat uns das ganze Jahr 2012 hindurch im Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend be- gleitet. Wir haben mehrmals im Ausschuss über den Be- richt und seine Folgerungen gesprochen, wir haben eine Expertenanhörung durchgeführt, die Fraktionen haben Anträge dazu erarbeitet und auch in zahlreichen Fachge- sprächen, Dialogen und Foren haben die Gleichstel- lungspolitiker aller Fraktionen umfassend über den Be- richt debattiert, und das mit gutem Grund. Denn dieser Bericht bietet viel Interessantes für unsere politische Ar- beit: Auf knapp 250 Seiten finden wir erstmalig eine um- fassende wissenschaftliche Bestandsaufnahme über die gleichstellungspolitische Situation in Deutschland. Be- sonders bemerkenswert ist dabei der neue und interes- sante Ansatz, der neue Blickwinkel, aus dem auf dieses Thema geschaut wird. Es ist der Ansatz der Lebensver- laufsperspektive. Betrachtet man das Thema aus der Le- bensverlaufsperspektive, dann schauen wir nicht mehr statisch auf die Lebenssituationen im Moment und auf Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern in einem speziellen Themenfeld, sondern wir stellen die Frage, welche Entscheidungen im Leben von Frauen und Män- nern zu welchen Konsequenzen im Laufe ihres Lebens führen können. Problemstellungen und Lösungen wer- den in ihren Ursachen und Wirkungen über den ganzen Lebensverlauf analysiert und auch politische Weichen- stellungen werden in diesem Kontext beleuchtet. Das ist ein wirkliches Novum, hier setzen wir international Maßstäbe, und dies möchte ich deshalb auch heute noch einmal ausdrücklich positiv erwähnen. Kern des Berichtes ist die Frage, wie wir gleiche Teil- habe- und Verwirklichungschancen für Frauen und Män- ner sichern können. Dabei spielt das Erwerbsleben eine Schlüsselrolle genauso wie die unterschiedlichen Rol- lenvorstellungen, die zur Zeit massiv im Wandel sind. Wie beides miteinander zusammenhängt, sieht man am Wandel des klassischen Ernährermodells. Während frü- her der Mann das Familieneinkommen verdiente und die Frau sich um Haus und Kinder kümmerte, werden heute die unterschiedlichsten Modelle gelebt: In zunehmen- dem Maße nehmen beide Partner gemeinsam die Rolle des Ernährers wahr, es gibt innerhalb einer Beziehung wechselnde Schwerpunkte, und immer öfter ist auch die Frau die Familienernährerin. Dieser Wandel bringt es umgekehrt mit sich, dass auch Männer sich immer mehr um die Familie kümmern. Die so wechselnden Rollenbilder sind eine Tatsache, die vieles in unserer Gesellschaft verändern wird. Aus diesen neuen Entwicklungen die richtigen Schlüsse zu ziehen, das ist mein Appell, den ich heute hier formuliere: Für Männer und Frauen muss es möglich sein, Familie zu leben und im Erwerbsleben zu stehen. Beide wollen bei- des, beide müssen beides, und beiden muss die Möglich- keit gegeben sein, die Schwerpunkte innerhalb des Le- bensverlaufs zu ändern, ohne dass sie einseitig negative Folgen haben. Diese Flexibilität zu ermöglichen, das ist Aufgabe von Politik, aber auch von Wirtschaft und Ge- sellschaft. Deshalb gibt es etwa die Initiative „Familien- freundliche Arbeitswelt“. Damit werden Betriebe sensi- bilisiert, etwa 30/35-Stunden-Arbeitszeit-Modelle für beide Partner anzubieten, Karrierewege mit Familienpla- nung gemeinsam zu gestalten, Mitarbeiter auch an den Betrieb zu binden, wenn sie sich in einer Familienphase befinden, und vieles mehr. Ziel ist es, Rahmenbedingun- gen zu schaffen, die Berufstätigkeit und Karriere ermög- lichen ohne auf Familie zu verzichten, und zwar für beide Partner. Genau deshalb ist das Programm aus gleichstel- lungspolitischen Gesichtspunkten so wichtig. In diesen Zusammenhang passen auch die Elternzeit und die Familienpflegezeit. Der Staat bietet den Rahmen und Modelle an, auf die die Menschen zugreifen können. Bei der Elternzeit bietet er den notwendigen Schonraum nach der Geburt eines Kindes, ermöglicht aber eine rei- bungslose Rückkehr in den Beruf. Bei der Familienpfle- gezeit hilft er, Arbeitszeit eine Zeit lang zugunsten der Pflege eines Angehörigen zu reduzieren, ohne ganz auf Berufstätigkeit zu verzichten. Diese Modelle sind erfolg- reich, und sie müssen zugunsten von mehr Flexibilität ausgebaut werden. Wichtig in diesem Zusammenhang ist auch die Kin- derbetreuungsinfrastruktur. Eine Empfehlung der Kom- mission, die den Gleichstellungsbericht erarbeitet hat, ist es, die Kinderbetreuungsmöglichkeiten quantitativ und qualitativ weiter auszubauen. Und das ist genau das, was wir in dieser christlich-liberalen Koalition tun. Ich rufe den Kolleginnen und Kollegen gerne noch einmal ins Gedächtnis: Für den Ausbau eines bedarfsgerechten An- gebots mit dem Ziel der Schaffung von 750 000 Kita- plätzen – das entspricht 35 Prozent im Bundesdurch- schnitt – übernimmt der Bund bereits mit 4 Milliarden Euro ein Drittel der Gesamtkosten. Um den Ausbau zu forcieren und ein hochwertiges Angebot machen zu kön- nen, haben wir zusätzliche 580 Millionen Euro an Inves- titionszuschüssen in die Hand genommen, die ab dem 1. Januar 2013 zur Verfügung stehen sollen. Darüber hi- naus wird es Betriebskostenzuschüsse geben: 18,75 Mil- lionen Euro in 2013, 37,5 Millionen Euro in 2014 und 75 Millionen Euro ab 2015. Das ist trotz Schulden- bremse ein eindeutiges Bekenntnis und ein sehr starkes Signal! Zusätzlich gibt es Unterstützung bei Betriebskin- dergärten, Tagespflegepersonen und durch KfW-Kredite. Auch das wird zu mehr Wahlfreiheit führen, mehr Gleichberechtigung bei der Verteilung von Familien- pflichten und Erwerbstätigkeit und somit zu mehr Gleichstellung. Der Staat, und zwar Bund, Länder und Kommunen, kann also gemeinsam mit der Wirtschaft vieles tun, um im Erwerbsleben Weichen zu stellen, die gleiche Chancen ermöglichen. Allerdings ist es mit Entscheidungen von Politik und Wirtschaft allein nicht getan. Gleichstellung fängt nicht zuletzt bei den individuellen Entscheidungen des Einzel- nen an. In der Lebensverlaufsperspektive sehen wir ge- nau, welche Auswirkungen diese Entscheidungen je- weils haben. Wenn sich beispielsweise eine Schülerin dazu entscheidet, eine Ausbildung in einem Beruf anzu- 26486 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012 (A) (C) (D)(B) treten, der in Betätigungsfeld, Aufstiegschancen und Entlohnung sehr eingeengt ist, dann zementiert eine sol- che Entscheidung die von uns hier kritisierten Struktu- ren. Gleiches gilt für die Wahl des Studienfachs, oder den Arbeitsplatz nach dem Abschluss. Auch hier kann der Staat Angebote machen und in gewissem Sinne Auf- klärungsarbeit leisten, welche Folgen die ein oder andere Entscheidung mit sich bringt – nicht nur für den Mo- ment, die kommenden Monate, sondern für eine recht lange Zeit im Leben. Und hier findet sich wieder der An- satz der Lebensverlaufsperspektive als Grundlage gleichstellungspolitischer Entscheidungen. Ich bin deswegen sehr gespannt, wie sich der nächste Gleichstellungsbericht äußern wird, den wir in unserem Antrag gefordert haben. Denn nach und nach stoßen im- mer mehr Frauen und Mädchen in klassische Männer- sphären vor, der demografische Wandel birgt gewaltiges gesellschaftliches Veränderungspotenzial, und die Fir- men werden nicht umhin kommen, ihre internen Struktu- ren zu flexibilisieren. Wir vonseiten der Politik werden das Unsrige beisteuern, hier mitzuhelfen. Der Gleichstellungsbericht ist eine gute Handlungs- grundlage für die kommenden Jahre, die Lebens- verlaufsperspektive der richtige Ansatz, und ich fordere alle dazu auf, dies zu nutzen und den Wandel mitzuge- stalten. Christel Humme (SPD): Es ist schade, dass ein so wichtiges Thema, nämlich die Gleichstellung von Frauen und Männern in Deutschland, erst zu so einer sehr späten Tageszeit auf der Tagesordnung steht. Das zeigt erneut: Diese schwarz-gelbe Bundesregierung nimmt das Thema nicht ernst und kehrt es, genauso wie den tollen Gleichstellungsbericht, unter den Tisch. Mit dem Sachverständigengutachten für den ersten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung ist der Be- weis erbracht: Frauen sind nicht selber schuld an ihrer Situation, wie es die Frauenministerin Schröder und die Kanzlerin Merkel gerne unterstellen. In Deutschland sind es nach wie vor die Strukturen, die Frauen benach- teiligen. Kein anderes europäisches Land hat so konser- vative Rollenbilder wie Deutschland. Die viel zitierte „gläserne Decke“ ist in Deutschland nach wie vor aus Panzerglas. Nicht nur der Bericht, sondern vor allem die Lebens- wirklichkeit zeigen: Frauen streben immer mehr nach ökonomischer Unabhängigkeit, und sie wollen sich be- ruflich frei entfalten können und eine Familie haben. Männer wollen neben dem Beruf auch mehr Verantwor- tung in der Familie übernehmen. Auf diese Veränderun- gen in den Lebensentwürfen muss sich die Politik ein- stellen. Das Sachverständigengutachten gibt uns darauf viele Antworten. Aber vor allem gibt es uns Politikerin- nen und Politikern Handlungsempfehlungen für eine in sich konsistente Gleichstellungspolitik. Dafür können wir den Sachverständigen gar nicht genug danken. Mittlerweile liegt das Gutachten seit fast zwei Jahren vor. Passiert ist seitdem nichts. Im Gegenteil sogar: Die Bundesregierung setzt Dinge um, die entgegen den Handlungsempfehlungen der Sachverständigenkommis- sion sind, so zum Beispiel die Ausweitung der Minijobs von 400 auf 450 Euro, die Einführung des unsinnigen Betreuungsgeldes oder die Lebensleistungsrente von Ar- beitsministerin von der Leyen, von der Frauen keinerlei Vorteil zu erwarten haben. Damit verschärft die Bundesregierung die Problemla- gen von Frauen in unserem Land und macht neue Wider- sprüche in der Gleichstellungspolitik auf. Besonders deutlich wird das bei dem Thema Mini- jobs. Erst vor wenigen Wochen hat das Delta-Institut eine vom Bundesfrauenministerium in Auftrag gegebene Studie zu „Frauen im Minijob“ veröffentlicht. Die Studie bestätigt erneut, wie schädlich Minijobs für Frauen sind: „Minijobs pur entfalten eine schnell einsetzende und hohe Klebewirkung und keine Brückenfunktion“. Sie reichen, salopp gesagt, weder zum Leben noch zum Sterben! Wie reagiert die Bundesregierung darauf? So, als ob es diese Studie gar nicht geben würde; sie be- schließt die Ausweitung der Minijobs von 400 auf 450 Euro. Das ist unlogisch, falsch und erweist den Frauen einen Bärendienst. Gleiches gilt für das Betreuungsgeld. Es ist ein Ge- schenk für die CSU (und nur für sie), aber ein Stolper- stein für Eltern und ihre Kinder. Denn das Betreuungs- geld bindet wichtige finanzielle Mittel, die für den stockenden Ausbau der Kinderbetreuung dringend ge- braucht werden. Vor allem im Bereich der U-3-Betreu- ung klaffen Wunsch und Realisierung eines Betreuungs- platzes weit auseinander. In der Regel ist es dann die Frau, die zu Hause bleibt und sich um die Betreuung der Kinder kümmert. Wir wissen aber alle, dass junge Frauen und Männer beides wollen: Familie und Beruf. Je länger jedoch die Auszeit aus dem Beruf andauert, desto wahrscheinlicher arbeiten Mütter anschließend in kürze- rer Teilzeit (als gewünscht), zu einem niedrigeren Lohn und schaffen den beruflichen Aufstieg seltener. Das ist ganz klar eine Absage an ein modernes Familien- und Frauenbild. Das hat übrigens auch der Bundesparteitag der CDU vor knapp zwei Wochen erneut bestätigt: Die Union hat ein völlig überholtes und realitätsfremdes Bild von Le- bensgemeinschaften. Offensichtlich sind ihr nicht alle Ehen und Lebensmodelle gleich viel wert. Auch die Lebensleistungsrente von Frau von der Leyen gibt keine Antwort auf die drohende Altersarmut von Frauen. Denn Voraussetzung zum Erhalt dieser Rente sind 40 Beitragsjahre und eine private Altersvor- sorge. Mir ist nicht klar, wie Frauen, die überwiegend in Teilzeit und zu niedrigen Löhnen gearbeitet haben, und solche, die aufgrund fehlender Kinderbetreuungsange- bote längere Zeit aus dem Beruf ausgestiegen sind, auf 40 Beitragsjahre und eine zusätzliche private Altersvor- sorge kommen sollen. Dieses Modell unterstützt nicht die Frauen und ist reine Augenwischerei. Die SPD hat hingegen ein gleichstellungspolitisches Gesamtkonzept und bereits zwei wichtige Gesetzent- würfe in den Deutschen Bundestag eingebracht. Wir wollen keine Rollen rückwärts. Wir wollen eine eigen- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012 26487 (A) (C) (D)(B) ständige Existenzsicherung von Männern und von Frauen; denn das ist für uns echte Gleichstellung (und zukunftsweisend). Wir wollen eine gesetzliche Regelung für gleichen Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit und kein auf Freiwilligkeit beruhendes Lohnmessverfahren. Wir wollen einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn und keine Niedriglöhne für Frauen und Männer. Wir wollen eine verbindliche Quote von mindestens 40 Prozent für Frauen in Aufsichtsräten und Vorständen und keine auf Freiwilligkeit basierende Flexi-Quote, hinter der sich jedes Unternehmen verstecken kann. Wir wollen die Minijobs eindämmen und keine Aus- weitung von 400 auf 450 Euro. Wir wollen den Ausbau der Kinderbetreuung voran- bringen und kein verantwortungsloses Betreuungsgeld. Wir wollen armutsfeste Renten und keine Lebensleis- tungsrente, von der Frauen nicht profitieren können, weil die Zugangsvoraussetzungen schlichtweg von den meis- ten nicht erfüllt werden. Wir wollen das Elterngeld partnerschaftlich weiter- entwickeln und nicht für bestimmte Familien kürzen. Für all das haben wir Konzepte vorliegen – im Ge- gensatz zur schwarz-gelben Bundesregierung. Die SPD hat eine gleichstellungspolitische Vision und wird diese nach der Bundestagswahl 2013 umsetzen. Nicole Bracht-Bendt (FDP): Der Erste Gleichstel- lungsbericht mit dem Gutachten der Sachverständigen- kommission zeigt deutlich, dass wir noch nicht am Ziel sind. Wir haben schon gute Maßnahmen entwickelt. Es gibt auch Erfolge, aber nicht genug. Bei der Gleichstel- lung muss der Weg das Ziel sein. Wir können uns nicht erlauben, nicht langfristig zu handeln. Wir müssen um- fassend und konsistent agieren. Was bedeutet Gleichstellung für die unterschiedlichen Altersgruppen? In den Köpfen der Kinder und Jugendli- chen ist „Gleichberechtigung“ kein Thema. Sie kennen die Statistiken nicht. Vermutlich können sie auch nicht viel mit dem Begriff Geschlechtergleichstellung anfan- gen. Und dennoch weiß jedes Mädchen und jeder Junge, dass für beide Geschlechter dieselben Rechte gelten müssen. Und in der Schule würden alle protestieren, wenn einer von ihnen aufgrund seines Geschlechts schlechter benotet werden würde – oder besser. Es ist ja bekannt, dass junge Frauen heutzutage durch- schnittlich die besseren Abschlüsse an Schule und Uni- versität machen. Doch wenn sie ins Berufsleben kom- men, sieht es leider schon anders aus: Die richtige Denkweise der jungen Menschen stößt auf die bittere Realität. Schon bei einigen Studiengängen ist ein Ungleichgewicht im Geschlechterverhältnis deut- lich zu sehen. Hier sind natürlich keineswegs die Män- ner schuld. Frauen sollten motiviert werden, sich nicht unbedingt auf traditionelle Frauenberufe zu konzentrie- ren. Nicht nur Frauen, auch Männer müssen sich erst durchsetzen, wenn sie sich für einen geschlechtsuntypi- schen Beruf entscheiden. Es gibt immer noch erhebliche, sich mit dem Alter vergrößernde Lohnunterschiede. Und nicht zuletzt be- obachten wir einen zwar steigenden, aber zu geringen Frauenanteil in Führungspositionen der Unternehmen. Hier sind wir uns alle einig: Das muss sich ändern. Vergessen wir nicht den Spagat zwischen Familie und Beruf. Es sind meistens die Frauen, die die Berufstätig- keit unterbrechen, um sich um die Kinder zu kümmern, aber auch, um pflegebedürftige Angehörige zu pflegen. Frauen ermöglichen ihren Männern den beruflichen Auf- stieg. Das können sie natürlich tun; der Staat hat sich da rauszuhalten. Frauen sollte aber klar sein, dass jedes Jahr, das sie aus dem Beruf aussteigen, weniger Rente im Alter bedeutet. Der Gleichstellungsbericht macht deutlich, dass wir Gleichstellungspolitik aus der Lebensverlaufsperspek- tive betrachten sollten, dass wir die unterschiedlichen Lebensphasen unter die Lupe nehmen müssen, vor allem die Übergänge im Lebenslauf. Und wir müssen dafür sorgen, dass der nächste Gleichstellungsbericht uns bes- sere Ergebnisse darstellen kann. Was wir brauchen, ist eine klare Linie. Was wir aber nicht brauchen, sind Fehlanreize, die uns kurzfristige Vorteile überbewerten lassen. Das gilt beispielsweise für eine gesetzliche Frauenquote. Ich sagte es bereits: Der Weg ist das Ziel. Und mög- lichst schnell eine bestimmte Anzahl an weiblichen Vor- ständen zu sammeln, ist nicht die Lösung. Die Lösung des Problems ist auch nicht, dafür Männer zu entlassen oder wenn Unternehmen versuchen, Sanktionen zu ent- gehen, so wie es in Norwegen passiert ist. Nein, wir brauchen einen langfristigen Wandel mit ei- ner gesunden Basis. Das fängt mit dem Studium an. Es mangelt hier nicht an Qualifikation von Frauen für be- stimmte Fachrichtungen. Wir müssen Anreize schaffen, um Studiengänge für alle gleichermaßen attraktiv zu ma- chen. Dabei hilft ein Abbau von Klischees. Auch bei Berufen müssen wir verhindern, dass sich jemand wegen seiner Berufswahl in Bezug auf sein Ge- schlecht rechtfertigen muss. Vielmehr sollten wir darauf hinarbeiten, dass es so etwas wie geschlechtsuntypische Berufe gar nicht erst gibt. Wenn es um Vereinbarkeit von Familie und Beruf geht, müssen wir die Familien unterstützen, Frauen wie Männer. Viele Frauen wollen ihr Kind auch nicht sofort in eine Kita geben. Das ist ihr gutes Recht. Dagegen dür- fen wir keine Gesetze erlassen; das wäre nur ein Ein- schnitt in ihre Freiheit. Konzentrieren wir uns lieber darauf, wie wir es den Menschen ermöglichen, frei zu wählen, wie sie ihre Familie organisieren und dazu ihren Beruf ausüben können! Tatsächlich beschäftigen sich 90 Prozent der Unter- nehmen mit Vereinbarkeit. Auch sie müssen hier flexibel sein und kooperativ, sowohl während der Auszeit als auch beim Wiedereinstieg. 26488 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012 (A) (C) (D)(B) Ein erfolgreiches Pilotprojekt der Arbeitsagentur er- möglichte bereits über 1 000 Frauen, aus einem Minijob in eine Teilzeitstelle zu gehen. Das müssen wir ausbauen; denn jahrelange Minijobs können der Einstieg in die Al- tersarmut werden. Das muss jeder wissen! Gestaltungsfreiheit bedeutet auch, dass wir von unse- rer jetzigen Präsenzkultur wegkommen und Alternativen durchsetzen. Es gibt Konzepte wie das Jobsharing oder Telearbeit. In Verbindung mit flexiblen Arbeitszeiten und Teilzeitmodellen, auch für Führungskräfte, müssen Familie und Beruf nicht länger ein Dilemma bedeuten. Dadurch werden auch Männer ermutigt, eine Auszeit zu- gunsten der Familie zu nehmen. Laut Gleichstellungsbericht lehnte 2008 noch fast die Hälfte aller befragten Väter es ab, die Arbeitszeit zu re- duzieren. Ich bin mir sicher, dass sich das mit den ge- nannten Konzepten und Modellen ändert. Verstaubte Ge- schlechterrollen gehören abgeschafft! Das gleiche gilt für Pflege. Wir nähern uns stetig dem Punkt, an dem wir mehr pflegebedürftige Menschen in Deutschland haben als jemals zuvor. Und wir nähern uns dem Punkt, an dem wir mehr pflegebedürftige Menschen in Deutschland haben, als wir überhaupt pflegen können. Jemanden im privaten Umfeld zu pflegen, ist nicht nur ein Zeitproblem. Es ist eine schwere körperliche und psychologische Last. Dennoch sind viele darauf ange- wiesen, und wir müssen einen guten Austausch von pro- fessioneller und privater Pflege ermöglichen, um das im Griff zu haben. Wir müssen den Menschen die Hand rei- chen, und dann können wir auch erwarten, dass die Ge- sellschaft das nutzt. Mit „Nutzen“ meine ich breite Dis- kussionen, ein neues Bewusstsein und auch die Inanspruch- nahme der Angebote und Modelle. Das ist der Weg. Dazu gehört zum Beispiel die Familienpflegezeit, die die Koalition letztes Jahr verabschiedet hat. Wir beraten ja heute nicht nur den Bericht der Bun- desregierung, sondern auch einen Antrag der Koalition und einen Antrag der SPD-Fraktion. Darin greifen Sie Thesen auf, denen wir uns in der FDP-Fraktion in vielen Punkten anschließen können. Wir sind uns einig, dass die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen in allen Etap- pen des Lebensverlaufs noch immer keineswegs selbst- verständlich gewährleistet ist. Allerdings sind wir ande- rer Auffassung über den Weg dahin. Deshalb ist es keine Überraschung, dass Sie, Kolle- ginnen und Kollegen der SPD-Fraktion, mal wieder nach dem Gesetzgeber rufen. Zur Verwirklichung der Arbeits- zeitwünsche ist also nicht nur, so wie wir in den Koali- tionsfraktionen sagen, die Flexibilität der Unternehmen gefragt. Nein, Sie fordern gleich konkrete Vorgaben des Gesetzgebers. Ich finde, hier machen Sie es sich zu ein- fach. Da machen wir nicht mit. Aber: Wir alle verfolgen das gleiche Ziel. Und des- halb möchte ich Sie, sehr geehrte Kolleginnen und Kol- legen, dazu auffordern, zu versuchen, hier einen gemein- samen Weg einzuschlagen, und zwar nicht den bequemsten Weg, sondern den nachhaltigsten. Heidrun Dittrich (DIE LINKE): „Die gegenwärtige Minijobstrategie muss aus Perspektive der Geschlechter- gleichstellung als desaströs bezeichnet werden.“ (Presse- info der Geschäftsstelle Gleichstellungsbericht vom 25. Januar 2011) So kritisiert Frau Prof. Dr. Ute Klammer, die Vorsitzende der Sachverständigenkom- mission, den Ersten Gleichstellungsbericht der Bundes- regierung. Diese Kritik interessiert die Bundesregierung nicht, sie macht das Gegenteil und erhöht die 400-Euro-Jobs auf 450 Euro. Durch den Ausbau von Minijobs werden Vollzeitstellen vernichtet. Ungefähr 1,5 Millionen Voll- zeitstellen wurden nach Angaben von Verdi seit 1991 in Teilzeitstellen umgewandelt. Vor allem Frauenarbeits- plätze sind davon betroffen. Somit verfügen Frauen nicht über ein existenzsicherndes Einkommen für sich selbst und ihre Kinder. Sie bleiben vom Einkommen des Ehegatten oder von der Aufstockung durch Hartz IV ab- hängig. Eine eigene Rente kann damit nicht aufgebaut werden. Voraussetzung für die Aufnahme einer Beschäftigung von Müttern sind Kindertagesstätten. Der Ausbau der Kindertagesstätten ist aber gescheitert: Denn mit den be- reitgestellten Finanzmitteln der Bundesregierung können nur Baumaßnahmen gefördert werden und nicht Perso- nalkosten. Erzieherinnen werden aus den Haushalten der Kommunen bezahlt. Gerade dort aber fehlen die Mittel! 70 000 Erzieherinnen fehlen für die Betreuung der Kin- der unter drei Jahren. Aus diesem Grund will die Bun- desregierung mit dem Betreuungsgeld den Eltern den Anspruch auf einen Kitaplatz abkaufen. Der gescheiterte Ausbau der Kinderbetreuung wirkt sich wie ein Verbot der Vollzeiterwerbstätigkeit von Frauen aus. Dadurch können Frauen keine Ernährerposition für sich und ihre Kinder aufbauen. Dies verhindert eine Gleichstellung von Müttern und vor allem von Alleinerziehenden mit den Berufschancen der Männer. Frauen verdienen insgesamt 23 Prozent weniger als Männer und können ihre Familien damit nicht versor- gen. Eine steuerliche Besserstellung fordert die Linke mit der Individualbesteuerung. Dort, wo Kinder oder Pflegebedürftige im Haushalt versorgt werden, soll ge- ringer besteuert werden. Mit einer Individualbesteue- rung, wie sie die Linke fordert, wird einem Erwachsenen das Kind oder eine pflegebedürftige Person im Haushalt zugerechnet, und eine günstige Steuerklasse (III/V) ist nicht mehr vom Trauschein abhängig. Die Bevorzugung der Hausfrauenehe durch das Ehegattensplitting nutzt den verheirateten erwebstätigen Männern. Die Alleiner- ziehenden und ledigen Eltern werden bisher steuerlich benachteiligt. Der Abbau des Sozialstaats wirkt sich durch Abbau von Arbeitsplätzen im öffentlichen und privaten Dienst- leistungsbereich verheerend aus: 80 Prozent der Be- schäftigten im sozialen Bereich sind Altenpflegerinnen, Erzieherinnen, Sozialarbeiterinnen, Krankenschwes- tern. In diesen Bereichen wird privatisiert und Personal entlassen. Damit werden Frauenarbeitsplätze vernichtet. In Kliniken wird Outsourcing betrieben, und dieselbe Krankenschwester kommt wieder – als Leiharbeiterin Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012 26489 (A) (C) (D)(B) mit geringerem Lohn. Deshalb fordern wir das Verbot der Leiharbeit. Der Ersatz der Fachkräfte in der sozialen Arbeit wird mit der Dienstverpflichtung im Bundesfreiwilligendienst und einer Aufwandsentschädigung von 330 Euro monat- lich von der Bundesregierung betrieben. Mit der staatli- chen Bezuschussung des Bundesfreiwilligendienstes werden sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze im sozialen Bereich abgebaut. Es ist keine Gleichstellung, Frauen als billige Arbeitsmarkt- und Engagementreserve einzusetzen. Das ist diskriminierend! Die Entgeltanglei- chung von Männer- und Frauenlöhnen kann damit nicht erreicht werden Wir benötigen den gesetzlichen Min- destlohn von 10 Euro pro Stunde. Solange die Steuergelder aus dem Sozialstaat abgezo- gen werden, um die Verluste der Zockerbanken zu finan- zieren, wird keine Änderung eintreten Es müssen eine Millionärsteuer und eine einmalige Vermögensabgabe erhoben werden, um den Sozialstaat wieder aufzubauen. Die Gemeinden könnten nach Vorstellung der Linken eine Gemeindewirtschaftsteuer von Selbstständigen er- heben. 730 Millionen Euro hat die Bundesregierung durch die Rettung der Banken jetzt den Steuerzahlern aufgebürdet. Statt bei der Rüstung zu kürzen, wird im sozialen Bereich gekürzt. Wir benötigen eine solidarische Rentenversicherung, in die alle Berufsgruppen wie Selbstständige, Beamte, Abgeordnete einzahlen und nicht nur die Angestellten. Da die Frauen in den alten Bundesländern eine erheblich geringere Erwerbsbeteiligung durch die Unterbrechung wegen Kindererziehung aufweisen, muss eine steuer- finanzierte Mindestrente über die Rentenversicherung zur Verfügung gestellt werden, damit keine Frau mehr Angst vor Altersarmut haben muss und 1 050 Euro Min- destrente erhält. Die durchschnittlichen Erwerbsjahre für Frauen in Westdeutschland liegen bei 28 Jahren; damit erhalten sie einen Rentenanspruch von 526 Euro und fal- len in die Grundsicherung. Das bedeutet Leben auf Hartz-IV-Niveau. Das ist keine Gleichstellungspolitik – im Gegenteil: Die Bundesregierung betreibt die Verarmung der Mütter! Selbst wenn eine junge Frau keinen Ausbildungsplatz findet, sollte sie niemals auf die Werbung der Bundes- wehr hereinfallen: Sogar die Ausbildung zur Kranken- schwester bei der Bundeswehr setzt eine militärische Grundausbildung als Feldwebel voraus und führt im Kriegsfall zum Einsatz in Kriegsgebieten. Es ist keine Gleichberechtigung für die Linke, wenn nun auch Frauen den Soldatentod sterben dürfen. Der Abbau von Lohnungleichheit ist nur im Frieden möglich. Daher müssen unsere Steuergelder für den Aufbau sozialer Leistungen verwandt werden. Das kommt allen Men- schen zugute. Monika Lazar (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Im Januar 2008 beauftragte die damalige Große Koalition eine hochkarätige Sachverständigenkommission mit der Erarbeitung eines Gleichstellungsberichtes. Der Auftrag lautete, handlungsorientierte Empfehlungen zur Gleich- stellung von Frauen und Männern in der Lebensverlaufs- perspektive zu entwickeln. Im Januar 2011 sollte die Übergabe im Ministerium an Ministerin Schröder erfolgen. Diese war zwar im Hause, schickte aber zur Annahme lieber ihren Staatsse- kretär – ein deutliches Zeichen, für wie wichtig – oder eben nicht – sie das Gutachten ansah. Dementsprechend umfasst auch die Stellungnahme der Bundesregierung zum Gleichstellungsbericht gerade einmal 14 Seiten und enthält inhaltlich wenig bis nichts. Das ist vor allem vor dem Hintergrund des sehr detail- lierten und durchaus meinungsfreudigen Sachverständi- gengutachtens auffällig. Die Bundesregierung äußert sich weder zu Minijobs noch zu Entgeltgleichheit, geschweige denn zu einer Quote für Aufsichtsräte und Vorstände, weder zum Min- destlohn noch zum Ehegattensplitting oder zu der kos- tenfreien Mitversicherung in der Krankenversicherung. Sie sagt nichts zum Elterngeld oder dem Ausbau der Kinderbetreuung. Stattdessen werden mehrfach eher kleinteilige Initiativen wie der Boys Day oder „Mehr Männer in Kitas“ gelobt. Selbst wenn die Bundesregierung nicht alle Schluss- folgerungen der Sachverständigen teilt, wie sie offen schreibt, hätten wir doch zumindest eine Auseinander- setzung mit den Handlungsempfehlungen der Kommis- sion erwartet. Die Kommission diagnostiziert, dass es zwar in den vergangenen Jahren Fortschritte in der Gleichstellungs- politik gegeben habe, aber ein klares Leitbild in der Gleichstellungspolitik nach wie vor fehle. Das führt dazu, dass die Politik gleichzeitig Anreize für ganz un- terschiedliche Lebensmodelle setzt. Unterstützung, die in einer Lebensphase gewährt wird, bricht in der nächs- ten ab oder ändert die Richtung. Mit dem Ehegattensplitting oder der kostenfreien Mitversicherung in der gesetzlichen Krankenversiche- rung werden Anreize für einen Ausstieg oder eine deutli- che Reduzierung von Erwerbstätigkeit gesetzt. Ob Kin- der zu versorgen sind oder nicht, ist dabei unerheblich. Gleichzeitig setzt das Unterhaltsrecht auf eine zügige fi- nanzielle Eigenständigkeit der Partner nach einer Schei- dung. Mit der Einführung des Elterngeldes fördert der Staat finanziell die baldige Rückkehr von Müttern ins Erwerbs- leben, allerdings ohne die dafür nötige Betreuungsinfra- struktur aufzubauen. Der Rechtsanspruch umfasst nur ei- nen Betreuungsanspruch von vier Stunden täglich – damit lässt sich selbst eine Halbtagsstelle kaum realisie- ren. Das Betreuungsgeld wiederum konterkariert einen zügigen Wiedereinstieg, weil es Anreize für ein längeres Zuhausebleiben setzt. Eine Politik für eine wirkliche Chancengleichheit muss Fehlanreize wie diese vermeiden. Im Gutachten wird die Lebensverlaufsperspektive als zentrale Analyse- kategorie verwandt. „Wirkungsketten und Abfolgedyna- miken“ werden dabei stärker in den Blick genommen. 26490 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012 (A) (C) (D)(B) Ein Ergebnis: Gerade Übergänge und „Knotenpunkte“ – wie Ausbildungsentscheidung, Kinder, Erwerbsunterbre- chung, Teilzeit, Scheidung – müssen gestützt werden. Gemeinsam getroffene Entscheidungen von Paaren, wie zum Beispiel eine familienbedingte Erwerbsunter- brechung und Erwerbsreduzierung der Frau, können weit- reichende Auswirkungen auf das weitere Leben haben: Wenn eine Frau ihre Erwerbstätigkeit wegen Familienar- beit unterbricht und reduziert, hat dies finanzielle Einbu- ßen zum Beispiel bei der Rente zur Folge. Auch Ein- kommenseinbußen aus Gründen der Erwerbsunter- brechung, wegen Kinderbetreuung oder der Pflege von Angehörigen, sind in späteren Jahren nicht wieder einzu- holen. Die langfristigen und oft nicht mehr veränderbaren Auswirkungen dieser Entscheidungen haben deutliche Konsequenzen für die eigenständige Existenzsicherung von Frauen. Punktuelle Entscheidungen resultieren in späteren kumulativen geschlechtsspezifischen Benach- teiligungen. Für Männer können die Auswirkungen an- ders sein; eine starke Berufsfixierung als Haupternährer kann eine starke Belastung sein, ebenso wie nur als Zaungast am Leben und der Entwicklung der Kinder teilzuhaben. Die Sachverständigen fordern eine konsistente Gleich- stellungspolitik über den Lebensverlauf, die gleiche Chancen ermöglicht, dabei aber auch Raum für individu- elle Wahlfreiheit lässt. Sie formulieren ein neues Leit- bild, das eine Gesellschaft mit Wahlmöglichkeiten an- strebt. Die Menschen werden befähigt, durch eine gute Ausbildung für ihren Lebensunterhalt selbst zu sorgen und eine eigene soziale Sicherung aufzubauen. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erfordert eine ausreichende Infrastruktur für Kinderbetreuung und Pflege. Erwerbstätigkeit kann unterbrochen werden, Ar- beitszeitverkürzungen sind ebenso möglich wie die Rückkehr zu Vollzeit. Anreize zur Übernahme von Sor- gearbeit werden für Frauen wie für Männer gesetzt, ohne dass es zu Nachteilen in der Alterssicherung kommt. Für den Arbeitsmarkt heißt das konkret, geringfügige Beschäftigungsverhältnisse nicht mehr zu fördern, Indi- vidualbesteuerung und Mindestlohn einführen. Die Ent- geltungleichheit zwischen Frauen und Männern muss beseitigt werden. Bei der Vergabe öffentlicher Aufträge sind Maßnahmen zur Gleichstellung im Unternehmen zu berücksichtigen. Mit einer Quote für Aufsichtsräte und Führungspositionen soll die Stagnation in diesem Be- reich aufgebrochen werden. Auch für den Bereich der Vereinbarkeit von Familie und Beruf macht die Kommission Vorschläge, wie den Ausbau der Kinderbetreuung, die Verbesserung der Ver- zahnung von familiärer und professioneller Pflege, eine Verlängerung der Partnermonate beim Elterngeld. Das Interesse an dem Bericht war riesig. Dreieinhalb Jahre lang koordinierte die Geschäftsstelle den Aus- tausch zwischen Kommission und Interessierten. Die Rückmeldung aus den Fachveranstaltungen und Gesprä- chen lautet unisono, dass das Gutachten „Neue Wege – Gleiche Chancen. Gleichstellung von Frauen und Män- nern im Lebensverlauf“ einen Meilenstein darstelle und dass die Empfehlungen jetzt auch konkret umgesetzt werden müssen. Da die Forderungen des Gutachtens vielen Forderun- gen von Bündnis 90/Die Grünen entsprechen, unterstüt- zen wir das Gutachten ausdrücklich. Denn Gleichstel- lungspolitik kommt allen zugute. Die Sachverständigen haben es klar und deutlich formuliert: Die Kosten des gegenwärtigen Nichtstuns übersteigen die einer zu- kunftsweisenden Gleichstellungspolitik bei weitem. Die Koalition sollte die ihr verbleibende Zeit also da- für nutzen, sich an den Forderungen des Gutachtens ein Beispiel zu nehmen und endlich zu handeln! Anlage 17 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts zu den Anträgen: – Vorschlag für eine Verordnung des Europäi- schen Parlaments und des Rates zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (Datenschutz-Grundverord- nung) – KOM(2012) 11 endg.; Ratsdok. 5853/12 – hier: Stellungnahme des Deut- schen Bundestages gemäß Artikel 23 Absatz 3 Satz 1 des Grundgesetzes – Europäische Harmonisierung im Daten- schutz auf hohem Niveau sicherstellen – hier: Stellungnahme des Deutschen Bundes- tages nach Artikel 23 Absatz 3 des Grundge- setzes i. V. m. § 9 des Gesetzes über die Zu- sammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union – EU-Datenschutzreform unterstützen (Tagesordnungspunkt 32) Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU): Deutsch- land kann auf eine lange und erfolgreiche Tradition im Bereich des Datenschutzes zurückblicken. Dies liegt so- wohl an der Vielzahl als auch an der Differenziertheit der gesetzlichen Regelungen zum Schutz personenbe- zogener Daten, sei es im öffentlichen wie im nichtöffent- lichen Bereich. Es liegt aber natürlich auch an der star- ken und unabhängigen Rechtsprechung, die seit dem Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts den Schutz personenbezogener Daten in einer Vielzahl von Entscheidungen sehr detailliert herausgearbeitet hat. Zu Recht wird daher das in Deutschland vorhandene Schutzniveau als das höchste in Europa angesehen. Die- ses hohe Schutzniveau wollen wir auch nach dem Inkrafttreten der EU-Datenschutz-Grundverordnung er- halten – ein Ziel, welches sicherlich alle Fraktionen die- ses Hohen Hauses verfolgen. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012 26491 (A) (C) (D)(B) Auch begrüßen wir alle den Schritt zu einer Harmoni- sierung des Datenschutzrechts im nichtöffentlichen Bereich. Die fehlende Harmonisierung hat in vielen Wirtschaftszweigen zu erheblichen Wettbewerbsverzer- rungen im Binnenmarkt geführt. Nicht wenige Unter- nehmen haben ihre Standortwahl von der örtlichen Regelungs- und Vollzugslage abhängig gemacht. Die an- gestrebte Harmonisierung kann daher zu mehr Klarheit und vor allem auch Wettbewerbsgleichheit zwischen den einzelnen Standorten führen. Dies wird zudem helfen, europäische Standards gegenüber Drittstaaten besser durchzusetzen. Allerdings sehen wir alle auch noch mehrere offene Fragen, die der von der EU-Kommission am 25. Januar 2012 vorgelegte Entwurf aufwirft. So verbindet uns bei- spielsweise die Sorge über die Vielzahl der delegierten Rechtsakte in dem vorgelegten Entwurf. Grundsätzliche Regelungen, insbesondere dann, wenn sie grundrechts- relevant sein können, gehören in den Text der Verord- nung und nicht in einen delegierten Rechtsakt. Dies er- gibt sich auch bereits aus den Art. 289 und 290 AEUV. Wesentliche materielle Festlegungen dürfen nicht auf den abgeleiteten Rechtsakt übertragen werden. An dieser Stelle muss es daher aus meiner Sicht zu einer deutlichen Reduzierung der bisher vorgesehenen knapp 50 delegier- ten Rechtsakte bzw. weiterführenden Ermächtigungen kommen. Auch der betriebliche Datenschutz würde durch die Datenschutz-Grundverordnung einen deutlichen Rück- schritt erleben. Während für die Bestellung eines be- trieblichen Datenschutzbeauftragten gemäß § 4 f Abs. 1 BDSG niedrigschwellige Grenzen von 20 bzw. 9 Be- schäftigten gelten, sieht der Entwurf der EU-Kommis- sion in Art. 35 Nr. 1 b eine solche regelmäßige Verpflichtung zukünftig erst ab einer Zahl von 250 Beschäftigten vor. Ich würde mir an dieser Stelle eine stärkere Annäherung an unsere Regelung in § 4 f BDSG und eine stärkere Ausprägung eines risikobasierten Ansatzes wünschen. Alle Fraktionen des Deutschen Bundestages haben auch Bedenken gegen den von der EU-Kommission vorgesehenen Kohärenzmechanismus geäußert. Selbst- verständlich muss die Verordnung auch Maßnahmen für den Fall enthalten, dass die Harmonisierung in einzelnen Fallkonstellationen durch die jeweilige Umsetzung in den Mitgliedstaaten beeinträchtigt wird. Nur darf dies nicht dazu führen, dass die Unabhängigkeit der jeweili- gen nationalen Datenschutzbehörden in den Mitglied- staaten gefährdet wird. Das von der EU-Kommission vorgesehene Selbsteintrittsrecht stellt allerdings eine sol- che Gefahr dar. Daher bedarf es auch an dieser Stelle noch einer Überarbeitung des Verordnungsentwurfs. Die vorgelegten Anträge machen allerdings auch we- sentliche Unterschiede zwischen der christlich-liberalen Koalition und den Oppositionsfraktionen deutlich. Auf diese möchte ich nachfolgend detaillierter eingehen. So fordert der Antrag der SPD-Fraktion beispiels- weise eine Anhebung der in Art. 8 des Entwurfs festge- legten Altersgrenze von 13 Jahren auf 18 Jahre, mindes- tens jedoch auf 16 Jahre. Diese Forderung ist nicht nur völlig praxisfern, sondern zugleich auch völlig system- widrig zu den bisher in Deutschland geltenden Regelun- gen. Sicher kann man über das „richtige“ Alter für die Abgabe einer informierten Einwilligung in die Erhebung und Verarbeitung der eigenen personenbezogenen Daten streiten. Daher haben wir im Bundesdatenschutzgesetz auch nicht auf eine starre Altersgrenze, sondern auf die Einsichtsfähigkeit des jeweiligen Kindes abgestellt. Die von Ihnen vorgeschlagene Heraufsetzung des Alters halte ich schlicht für realitätsfern. Selbst das BGB geht in § 106 davon aus, dass Minderjährige ab dem 7. Le- bensjahr beschränkt geschäftsfähig sind und gemäß § 110 BGB eigene Rechtsgeschäfte eingehen können, wenn die dafür aufgewendeten Mittel zu diesem Zweck oder zu freier Verfügung von den Eltern oder einem Dritten überlassen worden sind. Aus meiner Sicht sollte daher eher über eine Absenkung der in Art. 8 vorgesehe- nen starren Altersgrenze nachgedacht werden und nicht über eine Anhebung. Ebenfalls systemfremd ist die von Ihnen geforderte Erweiterung eines Verbandsklagerechts für Gewerk- schaften. Bereits das von der EU-Kommission vorgese- hene Verbandsklagerecht widerspricht aus meiner Sicht dem Rechtsverständnis des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung als höchstpersönliches Recht. Dieses Recht sollte daher auch jeder selbst einklagen und sich dabei nicht von den möglicherweise sachfremden Interessen eines Verbandes oder gar einer Gewerkschaft leiten lassen. Auch die von Ihnen geforderte Pauschalisierung des Schadensersatzes im Falle einer Rechtsverletzung wider- spricht einem angemessenen Umgang mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung als höchstpersönli- ches Recht. Ein Verstoß gegen die unerlaubte Veröffent- lichung einer Adresse oder eines Geburtsdatums sollte nicht pauschal mit einem Betrag X abgefunden werden. Bei der Festsetzung des Schadensersatzanspruches müssen die Umstände des Einzelfalles Berücksichtigung finden. Sie gilt es zu würdigen, und dann ist die ange- messene Höhe festzusetzen. Ich halte auch nichts von einer Gleichsetzung der möglichen Höchstsummen mit den bisherigen Beträgen aus dem Wettbewerbsrecht. Verstöße im Wettbewerbs- recht wirken sich in der Regel nicht nur auf einzelne Per- sonen bzw. Personengruppen aus, sondern beeinflussen generell den gesamten Markt. Zudem geht es dabei in erster Linie um die Kompensation von wirtschaftlichen Schäden und nicht den Ausgleich von höchst-individuel- len Rechten. Es fehlt aus meiner Sicht daher bereits an einer Vergleichbarkeit. Auch die von Ihnen erhobene Forderung, dass kom- merzielle Werbung bzw. Direktwerbung nur mit einer Einwilligung des Betroffenen zulässig sein soll, vermag ich nicht nachzuvollziehen. Noch im Jahr 2009 haben wir gemeinsam die hierfür maßgeblichen Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes ausführlich geprüft und anschließend novelliert. Die nunmehr geltenden Rege- lungen haben sich aus meiner Sicht bewährt. Sie stellen einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen des Einzelnen auf Schutz seiner personenbezogenen Daten und dem wirtschaftlichen Interesse von Unterneh- 26492 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012 (A) (C) (D)(B) men dar. Wir können somit an dieser Stelle auf Regelun- gen zurückgreifen, die den Praxistest bestanden haben. Dies müssen die Vorschriften der Datenschutz-Grund- verordnung erst noch zeigen. Wir setzen uns daher dafür ein, dass die bisherigen Regelungen einer Datenverarbeitung im Drittinteresse nach dem bewährten deutschen Datenschutzrecht beibe- halten werden. Auch eine Übertragung der Regelungen des Listenprivilegs in die Datenschutz-Grundverordnung sollte geprüft werden. Abschließend möchte ich noch kurz auf den Antrag von Bündnis 90/Die Grünen eingehen. So sehr ich das Ziel eines höchstmöglichen Datenschutzniveaus durch die neue Verordnung unterstütze, sollte aus meiner Sicht auch immer berücksichtigt werden, dass gemäß Art. 16 AEUV auch der freie Verkehr von personenbezogenen Daten innerhalb der Europäischen Union möglich bleiben muss. Beide Ziele müssen bei einer Neuregelung angemessen zur Geltung kommen. Eine Überhöhung le- diglich eines Ziels berücksichtigt dies aus meiner Sicht nicht. Auch fehlt mir in Ihrem Antrag eine differenzierte Auseinandersetzung mit anderen ebenfalls zu schützen- den Grundrechten. Schließlich geben uns das Grundgesetz und die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vor, dass widerstreitende Rechtsgüter abzuwägen und in ei- nen angemessenen Ausgleich zu bringen sind. Hierauf verweist der Entwurf der Verordnung zwar teilweise in Art. 80 Nr. 1, indem er die Mitgliedstaaten dazu auffor- dert, das Recht auf Meinungsfreiheit mit dem Recht auf Schutz der Privatsphäre durch nationale Regelungen in Einklang zu bringen. An dieser Stelle fehlt aber nicht nur die Auseinandersetzung mit anderen möglicherweise be- troffenen Grundrechten, sondern auch eine Konkretisie- rung, wie und in welcher Form ein solcher Ausgleich zu erfolgen hat. Dabei haben sowohl die nationalen Ge- richte als auch den EuGH in den vergangenen Monaten immer wieder Fragen der Abgrenzung von einzelnen Grundrechten im Internet beschäftigt. Zusammenfassend möchte ich festhalten, dass die Datenschutz-Grundverordnung noch an vielen Stellen einer grundlegenden Überprüfung und auch Verände- rung bedarf. Die christlich-liberale Koalition hat viele dieser Stellen in ihrem Antrag bereits aufgezeigt. Wir werden uns auch weiterhin konstruktiv in die laufenden Beratungen auf europäischer Ebene einbringen. Gerold Reichenbach (SPD): Am Anfang dieses Jahres stellte die Europäische Kommission den Entwurf einer Datenschutzreform vor. Dieser aus zwei Teilen bestehende Entwurf, nämlich der sogenannten Daten- schutz-Grundverordnung sowie einer Richtlinie über die justizielle und polizeiliche Zusammenarbeit, soll – so wünscht sich dies die Europäische Kommission – als Gesamtpaket verabschiedet werden. Die Datenschutz-Grundverordnung, um die es hier in den drei Anträgen der Regierungskoalition, der SPD sowie der Grünen geht, würde unmittelbar und ohne Umsetzungsrechtsakt für Deutschland gelten. Für Deutschland bedeutet dies, dass ein Großteil der deut- schen Datenschutzregelungen ersetzt werden würde. Bitte lassen Sie mich zu Beginn meiner Rede noch meine Empörung darüber äußern, dass dieses wichtige und weitgehende Thema Datenschutz erst um 2.30 Uhr in der Nacht zu Freitag auf die Tagesordnung gesetzt wurde. Also zu einer Zeit, zu der die Bürger schlafen. Die SPD-Bundestagsfraktion billigt dies auf keinen Fall. Aber das ist ja wohl auch Ihre Absicht, ähnlich wie bei der Debatte um das Meldegesetz. Sie wollen verhindern, dass die Bürger mitbekommen, wie die Koalitionsfrak- tionen wieder einmal im Interesse der Wirtschaft ihren Datenschutz aushöhlen wollen. Ich werde das noch dar- legen. Aber ich prophezeie Ihnen, Sie werden auch diesmal damit nicht durchkommen. Die SPD hat versucht, das Thema auf einen promi- nenteren Tagesordnungsplatz zu verschieben, leider ohne Erfolg. Um diese Uhrzeit macht es keinen Sinn mehr, die Debatte zu nachtschlafender Zeit ohne Zuhörer zu führen. Deshalb werden auch wir zu Protokoll geben, was ausdrücklich keine Billigung Ihres Verhaltens ist. Nun zum Thema: Ich will vorab klarstellen, dass die SPD-Bundestagsfraktion das Ziel der Kommission begrüßt, mit den vorgelegten Entwürfen die bisher geltende und – darin stimmen Sie sicherlich mit mir überein – auf das digitale Zeitalter nicht mehr passende Datenschutz-Richtlinie aus dem Jahr 1995 zu ersetzen und ein weitgehend einheitliches europäisches Daten- schutzrecht in der Europäischen Union zu erreichen. Wir sehen in den Entwürfen der Kommission die Chance für einen besseren Datenschutz sowie mehr Rechtssicherheit innerhalb Europas. Wir brauchen auch dringend einen besseren Daten- schutz und mehr Rechtssicherheit innerhalb Europas. Denn das Internet macht nicht an Ländergrenzen Halt, und innerhalb Europas haben wir es ohnehin mit einem gemeinsamen Wirtschaftsraum zu tun. Das setzt den na- tionalen Durchsetzungsmöglichkeiten für den Daten- schutz Grenzen, wie wir in der Vergangenheit bereits mehrfach schmerzlich erfahren haben. Wichtig ist darum, dass wir in Europa nicht nur ein einheitliches, sondern auch ein hohes Datenschutzniveau sowie einen bürgernahen Rechtsschutz erreichen. Dabei sind für uns die vom Bundesverfassungsgericht geschaf- fenen Grundrechte auf informationelle Selbstbestim- mung sowie auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme unverzicht- bare Grundlagen. Dieser Grundrechtsschutz ist unser Maßstab auch für die europäische Ebene. Zumal dieses Grundrecht expli- zit Eingang in den europäischen Verfassungsvertrag ge- funden hat. Wenn ich mir allerdings die von Ihnen vorgelegte Stellungnahme nach § 23 betrachte, sehr geehrte Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen der Union und der FDP, dann habe ich meine Zweifel, ob dieses Ziel, Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012 26493 (A) (C) (D)(B) das Sie ja laut eigener Bekundung teilen, damit erreicht würde. Ich halte eher das Gegenteil für gegeben. Würde die Bundesregierung ihre Vorstellungen auf europäischer Ebene durchsetzen, dann würden wir unsere Daten doch auch europaweit in die Hände der Wirtschaft geben und es die digitale Wirtschaft weitgehend allein regulieren lassen. Was aber bei der sogenannten Selbstkontrolle und Selbstregulierung herauskommt, das erleben wir gerade bei der Deutschen Bank. Mit Ihrer Politik auf europäischer Ebene führen Sie und das zuständige und CDU-geführte Ministerium unter dem Deckmantel, das hohe deutsche Niveau zu verteidigen, doch nichts anderes im Sinn, als den – si- cherlich noch stark verbesserungswürdigen Verord- nungsentwurf – eher weiter zu durchlöchern und dann auch deutsche Datenschutzgesetze außer Kraft zu setzen. Und da muss ich meinem Kollegen Dr. von Notz beipflichten: Sie betreiben auf EU-Ebene gezielt den Rückbau des Datenschutzes und nebenbei auch gleich noch heftigen Lobbyismus für die Wirtschaft. Wie wir jetzt vernommen haben, will der Ministerrat tatsächlich auf den Vorschlag unseres CDU-Bundes- innenministers Friedrichs eingehen und den Erlaubnis- grundsatz, also die grundsätzliche Zustimmung des Be- troffenen, streichen. Dies darf auf keinen Fall erfolgen. Denn in Zeiten des digitalen Zeitalters gibt es keine risikofreien und unbedeutenden Datenverarbeitungen mehr. Jedes Datum kann in Verknüpfung oder durch Ver- bindung bzw. Übermittlung zu einem persönlichen und damit zu einem schützenswerten Datum werden. Ohne den Schutz eines Erlaubnisvorbehalts werden die Datenschutzrechte der Bürgerinnen und Bürger er- heblich verschlechtert. Sicherlich wollen auch wir nicht, dass der Bäcker anfängt, Datenschutzerklärungen einzuholen, nur weil er über seine Stammkunden eine Adressliste anlegt. Aber wir wollen auch nicht, dass Kundendaten einfach so weitergegeben oder verkauft werden können. Denn mitt- lerweile ist daraus ein Big Business geworden, welches die Lobbyisten auf den Plan ruft. Entsprechend wird Brüssel auch im Zuge seines hier diskutieren Verordnungsvorschlages von der digitalen Wirtschaft überrannt. Hier müssen wir eingreifen und die Kommission in ihrem Vorhaben unterstützen und insbesondere darauf hinwirken, dass wichtige Punkte im Verordnungsentwurf zum Schutz der persönlichen Daten nicht verwässert oder gar gestrichen werden. Wie schon die Verbraucherschutzkommissarin Kuneva 2009 feststellte, sind „persönliche Daten das neue Öl des Internets und die neue Währung der digitalen Welt. Da- tenschutzgesetze bestimmen deshalb, nach welchen Re- geln ein Unternehmen die Datenvorkommen erschließen und ausbeuten kann. Dadurch kommt ihnen eine enorme gesellschafts- und wirtschaftspolitische Bedeutung zu“. Deshalb müssen Sie die vorgelegte Verordnung um- gekehrt als Chance begreifen, den Schutz der persönli- chen Daten auf ein einheitlich hohes Niveau in Europa zu setzen. Dabei muss der Schutz der Daten und nicht der Profit aus Daten im Vordergrund stehen. Wir dürfen nicht zulassen, dass dieses neue Öl zum Spielball von Unternehmen und Konzernen wird, die das Öl unter sich aufteilen und nach dem Absaugen, Spei- chern, Analysieren und Verkaufen der Daten nur noch Gewinnerzielung im Sinn haben. Denn hier geht es nicht um irgendeinen Rohstoff, sondern, wie das Bundes- verfassungsgericht in mehreren Urteilen deutlich ge- macht hat, um den Kernbereich der Würde des Men- schen. Wir begrüßen deshalb ausdrücklich, dass mit der Verordnung die Datenkraken – und das sind nicht nur Google oder Facebook – dazu gezwungen werden sol- len, europaweit einheitliche Schutz- und Sicherheits- maßstäbe einzuhalten. Wir befürworten ausdrücklich die Notwendigkeit einer vorab zu erteilenden Zustimmung. Wir befürworten ausdrücklich die Notwendigkeit der Vereinheitlichung der Betroffenenrechte, wie den Ein- spruch gegen die Verarbeitung oder gegen Werbung so- wie die Korrektur oder Löschung der Daten. Sicherlich bedürfen die Regelungen der Verordnung noch der Überarbeitung und Ergänzung. Aber die positi- ven Ansätze müssen erhalten bleiben und dürfen nicht verschlechtert werden. Sie argumentieren gerne mit dem von der betroffenen Wirtschaft geprägten Begriff des „praktikablen“ Daten- schutzes. Das ist der gleiche Mechanismus, den ich vom Frankfurter Flughafen kenne, wo die Luftverkehrswirt- schaft vom „praktikablen“ Nachtflugverbot sprach und damit faktisch eine Nachtflugerlaubnis meinte. Ähnlich sieht es mit ihrem „praktikablen“ Datenschutz auf hohem Niveau aus, faktisch heißt es aber Aushöhlung und Absenkung des Datenschutzniveaus. Diesen von der Datenverarbeitungslobby geprägten Etikettenschwindel werden wir Sozialdemokraten nicht mitmachen. Wir haben deshalb einen eigenen Antrag zur Daten- schutz-Grundverordnung eingebracht. Hier machen wir ganz konkrete Vorschläge – und nicht so auslegungs- fähige und das eigentliche Ziel verschleiernde Formulie- rungen wie Union und FDP – zu den einzelnen Regelun- gen, so wie dies auch von Paul Nemitz von der Kommission für die weitere Diskussion eingefordert wurde: am konkreten Text, an der konkreten Norm zu ar- beiten. Daran haben wir uns gehalten. Wir fordern unter anderem, dass in der Verordnung fest verankert wird, dass besonders sensible Daten von der Verordnung auszunehmen sind und dass, sollte in den Mitgliedstaaten ein höheres Datenschutzniveau vor- liegen, dieses zur Anwendung kommt. Wir begrüßen ausdrücklich, dass die Kommission den Anwendungsbereich auch hinsichtlich der Unternehmen festlegt, die ihren Sitz nicht innerhalb der Europäischen Union haben, aber in der EU Waren oder Dienstleistun- gen anbieten bzw. Verhaltensbeobachtungen durchfüh- ren. 26494 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012 (A) (C) (D)(B) Diese Festlegung auf das Territorialprinzip erleichtert auch den Kontroll- bzw. Aufsichtsbehörden die Arbeit. Oft kann Datenschutzverstößen nicht nachgegangen werden, weil die Unternehmen keinen Sitz innerhalb des jeweiligen Mitgliedstaates bzw. innerhalb der EU hatten. Der Anwendungsbereich der Verordnung bedarf einer weiteren Überarbeitung. Die Institutionen der Europäi- schen Union, selbst große Datenverarbeiter, dürfen nicht von der Verordnung ausgenommen werden. Wir machen uns dafür stark, dass soziale Netzwerke und Suchmaschinen, die ihre Einnahmen hauptsächlich aus Werbung generieren und personenbezogene Daten sammeln, um diese kommerziell zu nutzen, ebenfalls von der Verordnung erfasst werden. Dies muss explizit aufgenommen werden, damit keine Missverständnisse entstehen können. Gemeint sind natürlich Facebook und Co. Bislang sind die Nutzer den willkürlichen und häufi- gen Änderungen der Nutzungsbedingungen hilflos ausgesetzt. Wir müssen diesen Datensammelriesen klare Regeln geben. Und das kann nur erfolgen, wenn wir ihnen zeigen, dass wir das Absaugen von Daten europa- weit nicht mehr einfach so zu lassen. Wir begrüßen den Ansatz, dass die Einwilligung Vo- raussetzung für die Datenverarbeitung ist. Dennoch muss hier nachgebessert werden. Insbesondere muss festgehalten werden, dass die Einwilligung im Beschäf- tigungs- bzw. Beschäftigungsanbahnungsverhältnis keine Rechtsgrundlage für die Verarbeitung personenbe- zogener Daten sein darf. Es kann nicht sein, dass in die- sem Abhängigkeitsverhältnis Arbeitnehmer/Arbeitgeber eine Datenverarbeitung aufgrund einer Einwilligung er- folgen darf, die in den meisten Fällen nur gegeben wird, weil der Arbeitnehmer Angst hat, dass sich dies nachtei- lig auf sein Arbeitsverhältnis auswirkt, bis hin zur Kündigung. Darüber hinaus müssen die Rechtsfolgen bei Verstößen gegen diese Regelung eindeutig in der Verordnung geregelt sein. Wir fordern ebenso, dass der besondere Schutz von Kindern und Jugendlichen im Bereich der Datenverar- beitung hervorgehoben wird. Und in eine Verordnung, die auch die Datenverarbeitung gerade dieser besonders schützenswerten Gruppe regeln soll, gehören auch ge- sonderte Regelungen, die dem besonderen Gefährdungs- potenzial für diese Gruppe Rechnung tragen. Besonders wichtig ist es uns, dass eine Weitergabe oder Übermittlung an Drittstaaten oder internationale Organisationen nur dann zulässig sein darf, wenn auch dort ein vergleichbares ausreichendes Schutzniveau ge- währleistet ist. Was nützen uns denn die schönsten europäischen Datenschutzregeln, wenn wir zulassen, dass die Daten dann legal sozusagen „über die Grenze“ dahin transfe- riert werden, wo dem Unternehmen die Gesetze oder Kontrollen genehm sind und es tun und lassen kann, was es will? Gerade in diesem Abschnitt muss die Verord- nung noch erheblich nachgebessert werden. Auch für die Geltendmachung der Rechte und beim Rechtsschutz sehen wir noch erheblichen Änderungs- bzw. Ergänzungsbedarf. Es muss grundsätzlich so sein, dass der Betroffene seine Rechte gegenüber jedem gel- tend machen kann, der mit der Datenverarbeitung be- fasst ist, und nicht erst mühsam nach der zuständigen Stelle im Gewirr der bei der Verarbeitung Beteiligten und deren jeweiligen Hauptsitz suchen muss. Gleichzeitig muss es den Mitgliedstaaten möglich bleiben, über die in der Verordnung genannten Rechte der Betroffenen positiv hinauszugehen. Wir fordern weiter, dass die Unabhängigkeit der na- tionalen und europäischen Datenschutzbehörden ge- währleistet bleibt – wie dies auch das Urteil des EuGH aus dem Jahre 2010 fordert. Dies bedeutet, dass es eine klare Trennung gegenüber den Exekutivorganen der Union geben muss. Es kann nicht sein, dass die Kom- mission selbst sich bei Auslegungsfragen gegenüber den Datenschutzbeauftragten zur letzten Instanz erklärt. Ebenso sehen wir Regelungen, die besonders schüt- zenswerte Daten ausnehmen, Regelungen zum Profiling, zur Umsetzung des Prinzips „privacy by default“, die Regelungen zum Datenschutzbeauftragten sowie die Re- gelungen zu den Sanktionen als zwingend erforderlich an – um nur einige aufzuzählen. Wir möchten den Vorschlag der Kommission im Sinne des Datenschutzes verbessern, Ihr Antrag von der Koalition zielt darauf ab, ihn im Interesse der Wirt- schaftslobby zu verschlechtern. Aber das passt ja zum Gesamtbild der schwarz-gelben Koalition und zum Verhalten von Bundesinnenminister Friedrich beim Datenschutz: Es wird blockiert, pausiert, gemauert, ausgesessen und gewartet, und am besten kön- nen Sie sich doch selbst darin überbieten, dass der eine noch weniger tut als der andere, bis gar nichts mehr ge- tan wird. Um nur einige Beispiele aufzuzählen, wo nicht mal ir- gendein Schritt in irgendeine Richtung erkennbar ist, ge- schweige denn dass von Fortschritt die Rede sein kann: Die so hoch gepriesene Stiftung Datenschutz wächst sich nach der Absage der Verbraucher- und Datenschützer zum Desaster aus und hat den Namen nicht verdient. Das mit großem Trara angekündigte Rote-Linie-Gesetz wurde niemals vorgelegt. Und auch beim Beschäftigten- datenschutz herrscht Fehlanzeige, im Gegenteil: Sie suchen jede Gelegenheit, ihn auszuhöhlen. So auch in Ihrem vorliegenden Antrag zur EU-Daten- schutzgrundverordnung. Nachdem Sie mit Ihrem natio- nalen Gesetzesvorhaben einen Entrüstungssturm bei Arbeitnehmern und Betriebsräten verursacht haben, ver- suchen Sie nun durch die Hintertür über die EU den Schutz der Beschäftigten im Interesse der Arbeitgeber auszuhöhlen. Sie fordern nicht nur, dass die individuelle Einwilligung des Arbeitnehmers auch im durch das un- gleiche Machtverhältnis geprägten Beschäftigtenverhält- nis wirksam ist. Sie wünschen sich gleichzeitig auch noch die „Aufnahme von Betriebsvereinbarungen und Tarifverträgen innerhalb einzelner Branchen als Recht- fertigungsgrundlage für die Datenverarbeitung neben der bislang vorgesehenen Einwilligung und gesetzlichen Er- mächtigungsnormen“. Das soll offensichtlich nicht nur gelten, wenn die Abweichung vom gesetzlichen Daten- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012 26495 (A) (C) (D)(B) schutz durch den Tarifvertrag zugunsten der Betroffenen erfolgt, sondern auch, wenn es zulasten der Betroffenen erfolgt. Damit wollen Sie die Wahrung der elementaren Datenschutzrechte der Bürger im Beschäftigungsverhält- nis zum Spielball der Machtverhältnisse im Betrieb ma- chen. Das entspricht den Forderungen der Arbeitgeber- lobby pur, meine sehr verehrten Kolleginngen und Kollegen von der CDU/CSU und der FDP. Und ansonsten singen Ihre schwarz-gelben Minister das übliche Lied mit Strophen wie die Wirtschaft formell nicht zu sehr zu belasten, Regeln können Innovations- potenzial hemmen, nicht zu sehr regulieren, sondern die Wirtschaft soll lieber selbst regulieren, und erwarten von Europa, dass es in das Lied mit einstimmt. Nein, wir wollen und sollten die Frage des Schutzes der Daten unserer Bürger nicht von kurzfristigen Gewinn- und Geschäftsinteressen in der Wirtschaft und denen einzelner Unternehmen abhängig machen. Diese kurzgedachte Liebesdienerei gegenüber Einzelinteressen von Unternehmen und Wirtschaft ist auch nicht im Gesamtinteresse einer zukunftsfähigen Entwicklung. Die modernen Möglichkeiten der Kommunikation und Datenverarbeitung bieten vielfältige Chancen für inno- vative Produkte und Dienstleistungen, bei denen auch immer mehr Daten anfallen und verarbeitet werden. Die Bürger werden diese Produkte aber nur annehmen und für immer weitere Bereiche ihres Lebens nutzen, wenn sie darauf vertrauen können, dass ihre Daten ge- schützt sind und dass sie nicht umfassend beobachtet und manipuliert werden können. Dafür muss der Staat nicht nur gegenüber den staatlichen Organen, sondern auch gegenüber der Wirtschaft ihr informationelles Selbstbestimmungsrecht schützen. Dazu bietet die Europäische Datenschutz-Grund- verordnung die Chance, wenn wir sie im Sinne des Datenschutzes verbessern und nicht verwässern. Mit unserem Antrag wollen wir der Regierung in diesem Sinne klare Vorgaben für die weiteren Verhand- lungen geben, darum werben wir für die Zustimmung. Gisela Piltz (FDP): Manchmal gibt es im Parlament ja Sternstunden. Sternstunden, in denen Debatten von Fachwissen und Klugheit geprägt sind. Keine Stern- stunde war – das muss man leider mal sagen – die Bera- tung dieses Themas in der Sitzung des Innenausschusses in der vorigen Sitzungswoche. Da durfte man doch in der Tat von der SPD hören, dass der Datenschutz nicht gegen andere Grundrechte abgewogen werden könne. Man kann das übrigens in der Beschlussempfehlung (Bundestagsdrucksache 17/11810) nachlesen. Das ist eine Aussage, die umso erstaunlicher ist, als sie von ei- ner Fraktion kommt, nämlich den Sozialdemokraten, die für(!) die Vorratsdatenspeicherung sind. Wenn Sie, lieber Kollege Reichenbach, im Ausschuss vortragen, dass nach Ihrer Ansicht das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung abwägungsfest sei, dann frage ich Sie, wie Sie das mit Ihrer Forderung nach der anlasslo- sen Speicherung aller Telekommunikationsverbindungs- daten aller Bürgerinnen und Bürger für sechs Monate in Einklang bringen. Aber vielleicht meint die SPD ja, dass man Daten- schutz nur nicht mit anderen Grundrechten von Grund- rechtssubjekten abwägen darf und gleichzeitig für aus- ufernde Überwachung gar keine Abwägung erforderlich ist, sondern man dann den Datenschutz einfach ignorie- ren kann. Getreu dem Motto: Der Staat darf alles; die Grundrechte Privater etwa auf Eigentum sind nichts wert. Anders ist das nämlich kaum zu erklären, was Sie hier abliefern. Selbstverständlich ist es nämlich so, dass das Grund- recht auf informationelle Selbstbestimmung mit anderen Grundrechten kollidieren kann und dann eine Abwägung stattfinden muss. Das findet man in einschlägigen Grund- rechtskommentaren unter „praktische Konkordanz“, falls Sie es einmal nachschlagen möchten. Zum Glück steht aber heute hier nicht nur ein Antrag der SPD zur Debatte, sondern auch einer der schwarz- gelben Koalition. Dieser stellt ganz richtig fest, dass wir eine Abwägung brauchen. Wir brauchen eine Ausgewo- genheit, damit wir den Datenschutz nicht missbrauchen. Denn Missbrauch wäre es, wenn der Datenschutz das entscheidende Grundprinzip unserer Verfassung infrage stellte: die Selbstbestimmung des Einzelnen. Wir verste- hen Datenschutz nicht als Schutz des Menschen vor sich selbst. Wir verstehen Datenschutz auch nicht als „Über- Grundrecht“, das alle anderen verdrängt und damit quasi als Zensurmittel missbraucht werden kann. Wir verste- hen Datenschutz in dem Sinne, in dem das Bundesver- fassungsgericht das Grundrecht vor mehr als einem Vier- teljahrhundert aus der Taufe gehoben hat: als Recht, „selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu bestimmen“. Das schließt die Preisgabe ebenso ein wie die Nicht- preisgabe. Wir trauen den Menschen zu, selbst zu ent- scheiden. Wir trauen ihnen zu, selbstbewusst und frei zu sein. Deshalb wollen wir keine Verbotspolitik, sondern einen Datenschutzrahmen, dessen Dreh- und Angel- punkt die Datenautonomie ist. Und das schließt die Ent- scheidung ein, Daten preiszugeben, ebenso wie die Ent- scheidung, sie zurückzuhalten. Wir wollen nicht, dass diese Entscheidung vorgegeben ist. Vielmehr setzen wir darauf, den Rechtsrahmen so zu gestalten, dass der freien Verfügungsgewalt des Betrof- fenen größtmöglicher Raum gegeben wird. Damit das funktioniert, bedarf es klarer Vorgaben, wer die Daten des Einzelnen erheben, verarbeiten und speichern darf – und vor allem, unter welchen Voraussetzungen. Zudem setzen wir darauf, dass für die autonome Ent- scheidung ausreichend Information zur Verfügung steht, um eine wirklich mündige Entscheidung treffen zu kön- nen. Zur Freiheit in unserem Land gehört nicht nur das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, son- dern unter anderem auch das Recht auf Eigentum. Art. 14 GG ist auch kein minderes Grundrecht oder ein Grundrecht mit Igitt-Faktor. Nein: Das Recht auf Eigen- tum und davon abgeleitet auch das Recht am eingerich- 26496 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012 (A) (C) (D)(B) teten und ausgeübten Gewerbebetrieb ist ein zentrales Grundrecht in unserer sozialen Marktwirtschaft. Deshalb muss auch hier eine Abwägung stattfinden. Es wäre falsch, wenn wir so täten, als sei jede Datenver- arbeitung in der Wirtschaft oder zu wirtschaftlichen Zwe- cken Teufelszeug. Dass der Arbeitnehmer am Ende des Monats Geld auf sein Konto bekommt, funktioniert nur, wenn der Arbeitgeber bestimmte Daten über ihn hat, un- ter anderem eine Bankverbindung. Dass die Weihnachts- geschenke pünktlich von Amazon geliefert werden, geht nur, wenn man dort Daten hinterlegt, zum Bezahlen und zum Liefern. Um sich über soziale Netzwerke auszutau- schen – wie das ja seit neuestem auch Herr Steinbrück tut, der in der SPD ist, wenn ich recht informiert bin –, muss man dort Daten einstellen und – mehr noch – sie anderen zur Verfügung stellen. Abwägung bedeutet, dass man weder den Daten- schutz über alle anderen Grundrechte stellt, noch ihn ge- genüber anderen Grundrechten zu kurz kommen lässt. Deshalb darf man auf der einen Seite nicht jede Daten- verarbeitung, die heute schon nach unserem strengen deutschen Datenschutzrecht legitim ist, verdammen und verbieten wollen, noch darf man auf der anderen Seite uferlose Datenverarbeitung erlauben und damit das Selbstbestimmungsrecht untergraben. In unserer Stellungnahme der Koalitionsfraktionen ist daher eine vernünftige Abwägung getroffen. Wir fordern deshalb auch eine differenzierte Herange- hensweise. Die Informationsgesellschaft hat den Um- gang mit Daten radikal verändert. Heute haben schon einfache Mobiltelefone eine Rechenkapazität, die früher selbst Rechenzentren nur mit Mühe erreichten. Durch das Internet wird vieles, was früher flüchtig war, als di- gitales Datum längerfristig verfügbar. Wie wir mit dieser Datenflut umgehen, wie wir sicher- stellen, dass nicht aufgrund der Verknüpfungsmöglich- keiten all dieser Daten und Datenschnipsel die absolute und – dann auch tatsächlich nicht mehr der Abwägung zu- gängliche – unantastbare Grenze überschritten und der gläserne Mensch geschaffen wird, das ist die große He- rausforderung, vor der wir stehen. Als das Bundesverfassungsgericht in seinem Volks- zählungsurteil feststellte, dass es kein belangloses Da- tum mehr geben könne, da waren wir weit davon ent- fernt, dass in Sekundenschnelle irrwitzige Datenmengen verarbeitet und miteinander in Verbindung gesetzt wer- den können. Auch wenn kein Datum mehr belanglos ist, muss doch klar sein, dass nicht jedes Datum gleichermaßen schwerwiegend ist. Natürlich ist es denkbar, dass von Atlanten bis Zuschauerquoten alle Daten mit allen Daten verknüpft und schlussendlich auch mit einer Person in Verbindung gebracht werden könnten. Niemand würde bestreiten, dass darin auch Gefahren liegen. Aber umge- kehrt kann auch niemand wollen, jedem, der etwa eine Fernsehsendung moderiert, zuzurechnen, dass denkbar ist, über die Verbindung mit Zuschauerzahlen und an- dere Daten herauszufinden, ob jemand ein Fan von Samstagabendunterhaltungsshows ist. Hier muss man also abgrenzen, wer wofür verant- wortlich sein soll und bis wohin noch jemandem etwas zugerechnet werden kann, was einmal mit Daten pas- siert. Das ist eine der größten Herausforderungen, die ein modernes Datenschutzrecht bereithält. Wichtig ist, dass nicht tatsächlich personenbezogene Daten schlechter- dings schutzlos gestellt werden. Deshalb ist es konse- quent, ein differenziertes Schutzniveau zu fordern, bei dem es darauf ankommt, welches Gefährdungspotenzial in einer bestimmten Datenverarbeitung liegt. Wenn der Kellner einen Namen in sein Reservierungsbuch schreibt, ist das mit Sicherheit weniger eine Gefahr für die Persönlichkeitsrechte des Betroffenen, als wenn seine Daten in einer Smartphone-App, die ihm aufgrund der in Echtzeit übermittelten Standortdaten die Restau- rants in seiner Umgebung anzeigt, verarbeitet werden. Angemessen können Regelungen auch nur dann sein, wenn sie auf den Sachverhalt passen. Das Beispiel zeigt es ja ganz deutlich: Was für Internetgiganten gilt, muss nicht notwendigerweise für den Handwerker um die Ecke gelten. Die Koalition fordert deshalb von der Bun- desregierung, sich bei der EU dafür einzusetzen, dass nicht eine Lex Internet geschaffen wird, die gegen Face- book, Google und Co. eine feste Datenschutzfirewall er- richtet, die dann zur unüberwindbaren Hürde für kleine und mittlere Unternehmen wird, die nicht von der Daten- verarbeitung leben, sondern bei denen Datenverarbei- tung nur anlässlich ihrer tatsächlichen Geschäftsaus- übung notwendig wird, die also beispielsweise in ihrer Kundendatenbank Name und Rechnungsanschrift spei- chern. Dabei ist Datenschutz für alle Unternehmen natürlich ein wichtiger Punkt auch und gerade im Wettbewerb. Guter Datenschutz ist ein Pluspunkt bei den Kunden. Datenschutzskandale und Pannen beim Schutz von per- sönlichen Daten hingegen führen zu rapidem Vertrauens- verlust in das Unternehmen. Deshalb sind wir davon überzeugt, dass es im ureigensten Interesse der Wirt- schaft liegt, ein hohes Datenschutzniveau einzuhalten. Deshalb setzen wir eben auch auf Selbstregulierung und betrieblichen Datenschutz. Ein falscher Ansatz ist es hingegen, funktionierende Selbstregulierung durch staat- liche Allzuständigkeit ersetzen zu wollen. Das bewährte deutsche System der betrieblichen Datenschutzbeauf- tragten muss unbedingt erhalten bleiben. Die Koalitions- fraktionen fordern deshalb von der Bundesregierung, sich in der EU dafür einzusetzen, den viel zu hohen Schwellenwert von 250 Mitarbeitern abzusenken. Zu- dem ist es uns wichtig, dass Instrumente des Selbst- und Systemdatenschutzes – wie etwa ein Datenschutzgüte- siegel und zertifizierte Datenverarbeitungen – Eingang in das europäische Recht finden. Viele Punkte, die es zum Vorschlag der Kommission zu sagen gibt, sind ja auch schon von anderen vorgetra- gen worden, nicht zuletzt in der Anhörung, die der In- nenausschuss dazu durchgeführt hat. Die Koalitionsfrak- tionen haben aber – das unterscheidet uns von der SPD – sich eigene Gedanken dazu gemacht und schließen sich nicht einfach Stellungnahmen Dritter an, Dritter wohlge- merkt, die immer nur einen bestimmten Blickwinkel ver- treten und natürlich interessengeleitet sind. Das gilt für Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012 26497 (A) (C) (D)(B) Gewerkschaften nicht anders als für Arbeitgeberver- bände, lieber Kollege Reichenbach. Ein Punkt, der wohl unstreitig von allen, die sich mit der Materie befasst haben, geteilt wird, ist, dass die zahl- losen delegierten Rechtsakte inakzeptabel sind. Auch in Europa gilt, dass Wesentliches im Rechtsakt selbst zu re- geln ist – und nicht nach Gusto der Kommission ohne parlamentarische Beteiligung. Auch die Forderung, differenzierte Regelungen für den öffentlichen und den nichtöffentlichen Bereich zu schaffen, weil man das Standesamt nicht gleichbehan- deln kann mit Facebook, ist schon zu Recht von vielen erhoben worden. Ebenso halten die Koalitionsfraktionen wie viele andere klare, unmissverständliche und prakti- kable Vorgaben zum Schutz von besonders sensiblen Daten, insbesondere Gesundheits- oder Sozialdaten, für erforderlich. Natürlich teilen auch die Koalitionsfraktionen die Forderung nach der Wahrung der Unabhängigkeit der Datenschutzaufsichtsbehörden, die nach dem von der Kommission vorgeschlagenen Verfahren am Ende ihre Unabhängigkeit eben gerade bei der Kommission abge- ben und sich deren Diktat unterwerfen müssten. Dass Profilbildung nur mit Einwilligung möglich sein darf, um den besonderen Gefahren einer umfassenden Verknüpfung zahlreicher Einzeldaten ein starkes Recht des Betroffenen entgegenzustellen, ist den Koalitions- fraktionen ebenso ein Anliegen wie effektive Recht- schutzmöglichkeiten für die Bürgerinnen und Bürger, die sich trotz gebündelter Zuständigkeit der Datenschutzauf- sicht am Sitzland des Unternehmens an „ihren“ nationa- len bzw. lokal zuständigen Datenschutzbeauftragten wenden können müssen. Und schließlich halten wir auch die Einbeziehung der EU-Institutionen in die Verord- nung für erforderlich, weil es nicht sein kann, dass sich in der EU alle daran halten müssen außer der EU selbst. Die Reform des EU-Datenschutzrechts ist eine He- rausforderung und eine Chance zugleich. Dass in diesem wichtigen Bereich der Bundestag von seinen Rechten nach Art. 23 Grundgesetz Gebrauch macht und der Bun- desregierung eine Stellungnahme mit auf den Weg gibt, an die sie in der EU gebunden ist, zeigt, dass uns der Da- tenschutz ein wichtiges Anliegen ist. Denn wir reden hier über nichts anderes als die Ablösung des Bundesda- tenschutzgesetzes durch eine neue, bindende und unmit- telbar geltende EU-Verordnung. Damit das neue Recht den Anforderungen an einen modernen, effektiven und zukunftsfesten Datenschutz auf höchstem Niveau genügt, muss in Brüssel noch eini- ges gearbeitet werden. Für den Beitrag Deutschlands ge- ben wir der Bundesregierung heute ein klares Mandat. Jan Korte (DIE LINKE): Formales Ziel der Daten- schutz-Grundverordnung, über die wir hier heute einmal mehr unsere Positionen nur mit zu Protokoll gegebenen Reden austauschen, ist die Ablösung der bisherigen Richtlinie 95/46/EG und die Schaffung eines unionwei- ten einheitlichen Datenschutzniveaus. Wichtig und in der Öffentlichkeit unbestritten war von Anfang an, dass es eine inzwischen nicht mehr auf- zuschiebende Notwendigkeit zu einer verbindlichen, einheitlichen und möglichst hohen Standards genügen- den Regelung für alle Mitgliedstaaten gibt. Jeder weiß es und alle sagen es, dass aufgrund der heutigen längst grenzüberschreitenden supranationalen Kommunika- tions-, Verwaltungs- und Informationsstrukturen über- haupt kein Weg mehr daran vorbeiführt, auch die Schutzstandards und gesetzlichen Regelungen interna- tional anzugleichen und anzuheben. Doch da endet dann auch schon weitgehend die Ei- nigkeit. Wie die Grundverordnung im Detail ausgestaltet werden soll, ist heftig umstritten. In der Bundesrepublik begann die Auseinanderset- zung über die Datenschutz-Grundverordnung schon im Januar diesen Jahres gleich mit einem Donnerschlag, als nämlich Bundesverfassungsrichter Masing einer gro- ßen, interessierten Öffentlichkeit für den Fall einer Rea- lisierung der Grundverordnung den „Abschied von den Grundrechten“ in Deutschland in Aussicht stellte. Prompt hatte auch Bundesinnenminister Friedrich große Bedenken, „EU-eigenes Recht“ – und das wäre eben eine Verordnung – „an die Stelle von nationalen Vorschriften“ zu setzen. Unter diesem Vorwand – und darauf zielt auch der Antrag der Koalitionsfraktionen – sollen wirtschaftslibe- rale Lockerungen im Unternehmens- und Verbraucher- bereich durchgesetzt werden. Ich nenne dazu nur mal die Stichworte Bürokratieabbau, Wettbewerbsfähigkeit, Be- triebs- und Geschäftsgeheimnisse und natürlich Gleich- gewichtigkeit von Verbraucher- und Unternehmerinte- ressen. In der ersten Lesung nannte dieses Vorgehen der Union der Kollege Mayer euphemistisch einen „scho- nenden Ausgleich“ der Interessen von Verbrauchern und Wirtschaft. Die Kritik der Union lautet, dass die Verord- nung datenschutzrechtliche Fragestellungen nur aus der Sicht von Verbrauchern abhandle. Schließlich versuchen die Koalitionsfraktionen mit ihrem Antrag auch noch, Einwilligungsregelungen im Bereich des Beschäftigten- datenschutzes beizubehalten, die die ungleichen Macht- verhältnisse in den Unternehmen schlichtweg ignorie- ren. Das gehört nun allerdings auch deshalb zu den Treppenwitzen der Geschichte, weil es diese Regierung bis heute nicht fertiggebracht hat, einen nationalen Be- schäftigtendatenschutz einzuführen, der diesen Namen verdiente. Wir wissen, dass die Auseinandersetzung um diese Verordnung exemplarisch für eine kritische Europapoli- tik ist, in der Unterstützung für eine weitergehende Europäisierung, eine „Vertiefung“ und Harmonisierung, bei der durchaus begründete, scharfe Kritik nicht zur Selbstblockade bei schwierigen Initiativen führen darf. Die Sachverständigenanhörung hat eine Fülle von Anregungen an die Bundesregierung gebracht, in den Anträgen von SPD und Grünen findet man unterschied- lich akzentuiert einen großen Teil davon wieder, ganz im Gegensatz zu den Koalitionsfraktionen, die hinter schö- nen Worten über deutsche Standards ihre über Europa 26498 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012 (A) (C) (D)(B) gespielte Absenkung derselben in vielen Bereichen kaum verstecken können. Und zum wiederholten Mal weise ich, weil es auch immer wieder zu allerlei dema- gogischen Verrenkungen benutzt wird, darauf hin, dass die Standards hierzulande keineswegs durchgängig so hoch sind, wie es Koalitionsfraktionen und Regierung gerne glauben machen wollen. Einige der Sachverständi- gen haben darauf in der Anhörung deutlich hingewiesen. Ich nenne nur Ausstattung und Unabhängigkeit der Da- tenschutzbehörden in der Bundesrepublik als Beispiel. Und auch die Artikel-29-Gruppe, die Datenschützer- runde der EU sozusagen, ist nicht untätig geblieben und hat in einem ausführlichen Bericht vom Oktober einige der umstrittenen Punkte noch einmal aufs Korn genom- men und zahlreiche wichtige Verbesserungsvorschläge gemacht. Sie müssen für konstruktive Kritiker als Richt- schnur für die weiteren Verhandlungen gelten. Insbesondere geht es dabei um die unbedingte Beibe- haltung einer „weiten“ Definition von personenbezoge- nen Daten. Auch Daten mit technischen Identifizie- rungsmerkmalen und Daten zur Lokalisierung sollen als personenbezogene Daten geschützt werden, das heißt auch eine indirekt identifizierbare Person bzw. deren Da- ten gelten als „personenbezogen“. Eine Absicherung der Definition in diesem Sinne wäre ein Riesenschritt vor- wärts beim Schutz personenbezogener Daten, denn ge- nau in diesem Punkt setzen alle Versuche an, eine enge Definition durchzusetzen. Damit soll zukünftig einem Großteil der bei alltäglichen Verrichtungen anfallenden Daten, die nicht unmittelbar, sondern indirekt einer Per- son zuzuordnen sind, der besondere Schutz entzogen werden. Eine weitere wichtige Forderung ist die Konkretisie- rung der Bedingungen für wirksame Einwilligungsrege- lungen. Durchaus im positiven Gegensatz zu dem am 12. Dezember 2012 erneut im Vermittlungsausschuss ge- scheiterten deutschen Melderecht soll die für die Verar- beitung personenbezogener Daten verantwortliche Stelle über den Nachweis einer Einwilligung entscheiden. Schon jetzt sieht der Entwurf vor, dass „bei wesentlichen Ungleichgewichten zwischen der verantwortlichen Stelle und dem Betroffenen mangels tatsächlicher Frei- willigkeit die Verarbeitung personenbezogener Daten nicht auf Basis der Einwilligung erfolgen darf“, zitiert der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar die er- wähnte Artikel-29-Stellungnahme. Einigkeit herrscht – auf dem Papier zumindest – zwi- schen allen Fraktionen darüber, dass der Umfang der so- genannten delegierten Rechtsakte drastisch beschränkt werden muss, das heißt, dass die Ermächtigungen der Kommission zu einer Vielzahl von Regelungen, die ei- ner Rechtsverordnung hierzulande gleichkommen, sol- len, wie das die Konferenz der Datenschutzbeauftragten von Bund und Ländern schon länger fordert, auf das „unbedingt erforderliche Maß“ zurückgefahren werden. Das heißt, dass alle für den Grundrechtsschutz „wesent- lichen Regelungen“ in der Verordnung selbst konkret ausgeführt oder in den Mitgliedstaaten durch Gesetz be- stimmt werden müssen. Dass Koalitionsfraktionen und Bundesregierung sol- che Anmaßungen der Kommission zum Anlass nehmen, besonders lautstark aufzutreten, entbehrt nicht ganz der Ironie – denn das sind Folgen undemokratischer Rege- lungen im Vertrag von Lissabon, den sie gerade in die- sem Sinne ja so haben wollten. Wir bleiben also bei dem Motto des obersten EU-Da- tenschützers Peter Hustinx, das schon ganz am Anfang der Diskussionen stand, dass diese Verordnung nämlich „ein kleiner Schritt für Deutschland, aber ein großer für Europa“ ist. Wie groß der Spielraum für wirksame Verbesserun- gen tatsächlich ist, bleibt abzuwarten, und Skepsis ist durchaus angebracht. Das darf aber nicht zum Zerreden und „Spiel auf Zeit“ bei einem dringend notwendigen europäischen Projekt werden, das es diese Grundverord- nung trotz allem immer noch ist, vor allem aber, das sie werden könnte. Wenn …! Ein erster Schritt für die Stärkung des Datenschutzes bei den weiteren Verhandlungen im Jahr 2013 wäre die Unterstützung für die beiden Stellungnahmen der Oppo- sition. Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Alle Äußerungen der Regierung und der schwarz- gelben Koalition zum EU-Datenschutz-Reformprojekt wirken wenig herzlich, wenig authentisch. Es ist Ihnen ganz offensichtlich nicht so wichtig und schon gar kein Herzensanliegen, wenn es um den Erhalt von Grund- und Bürgerrechten, aber auch um die Zukunft des digita- len Verbraucherschutzes geht. Zu wenig hat die individuelle Freiheitsdimension noch Heimat in Ihren Reihen, zu sehr haben sich bei Ih- nen diejenigen kurzsichtigen Bedenkenträger aus Wirt- schaft und Verwaltung breitgemacht, die das Einzelinte- resse oder den Markt in den Vordergrund stellen, nicht aber die Grundrechte und die Freiheiten der Bürgerinnen und Bürger. Dabei zählt die EU-Datenschutzreform zu den bedeu- tendsten gesellschaftspolitischen Projekten unserer Zeit. Die Wirtschaft hat das längst verstanden und läuft mit einer wahren Armada von Anwälten und Verbänden ge- gen einzelne, vermeintlich belastende Bestimmungen Sturm. Die Reform soll eine Antwort liefern auf die zuneh- mend ubiquitäre Präsenz digitaler Medien. IT-Technolo- gie verschiebt, manchmal kaum wahrnehmbar, manch- mal überdeutlich, die bestehenden Grenzen der Privatheit und die damit verbundenen Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger. Im schlimmsten Fall droht dann auf staatli- cher Seite der technisch problemlos realisierbare Über- wachungsstaat. Auf privatwirtschaftlicher Seite, die sich davon aus vielerlei Gründen nicht mehr klar trennen lässt, droht Manipulation bis hin zum strafbaren Datenmissbrauch, aber auch Willkür, Prangerlogik und Stigmatisierung. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012 26499 (A) (C) (D)(B) Alle modernen Industriestaaten sind sich dieser quer zu ihren Werten und Grundrechtsidealen liegenden Am- bivalenz moderner Datenverarbeitung längst bewusst. Der Neujustierung des privaten Datenschutzrechts im EU-Raum kommt im globalisierten Weltmarkt eine welt- weite Bedeutung zu. Hätte die Bundesregierung diese Zusammenhänge erkannt, hätte sie weitaus früher re- agiert. Es ist deshalb nicht eben überzeugend, wenn Sie, verehrte Koalitionsabgeordnete, in Ihrem Antrag schrei- ben, „sie wünschten sich eine breite und öffentliche Dis- kussion.“ Die ersten Konsultationsverfahren der EU-Kommis- sion zur Datenschutzreform fanden bereits vor vier Jah- ren statt. Weder die damalige noch die heutige Regierung hat sich bemüßigt, etwa Stellungnahmen abzugeben. Dies war der erste und zentrale Fehler, dessen Folgen derzeit leider alle EU-Mitgliedstaaten auszubaden haben. Sie müssen nun das späte Erkennen der Bedeutung des Themas durch die Bundesrepublik – vormals füh- rend im Bereich des Datenschutzes – ertragen, das nach wie vor und ohne Rücksicht auf das angesichts der knap- pen Zeit mögliche Scheitern des Gesamtprozesses im Rat weiterhin Grundsatzfragen zu klären wünscht. Das könnte am Ende auch die europäische Wirtschaft teuer zu stehen kommen. Denn für diese wurde das Reformpa- ket maßgeblich mitgestrickt. Gerade die strenge Form der Verordnung belegt den Harmonisierungswillen und damit das Ziel des aus Wirtschaftssicht so wichtigen Le- vel Playing Field. Interessant finde ich hier, dass der Antrag der Koali- tionsparteien samt seiner uneingeschränkten Anerken- nung des gewählten Rechtsinstruments in offenem Widerspruch zur Verhandlungsposition der Bundesregie- rung steht, die nach wie vor keine Festlegung in diesem Punkte wünscht. Hinsichtlich der insbesondere von Deutschland be- triebenen Forderung nach einer pauschalen Heraus- nahme des öffentlichen Bereiches aus der Verordnung bleibt schleierhaft, weshalb sich die EU in dieser Frage so pauschal zurückhalten sollte. Wir teilen ja Ihre Be- denken hinsichtlich einzelner Teilbereiche wie etwa dem Melderecht, dem Sozial- oder Medizindatenschutz und wollen das für diesen Bereich zum Teil etablierte hohe bereichsspezifische Niveau erhalten. Doch eine völlige Herausnahme würde einen Rückschritt hinter die Richt- linie 95/46 bedeuten, für den es einfach keinen sachli- chen Grund gibt. Der heikelste der übergreifenden Diskussionspunkte, bei denen die Bundesregierung „erheblichen Erörte- rungsbedarf auch in grundsätzlicher Hinsicht“ sieht, be- trifft aber die auch im Antrag der Koalition erneut aufge- stellte Forderung nach einer stärker risikoangepassten, abgestuften Regelung der Datenverarbeitung. Dabei wurde auch das unglückliche Wort von der „Bagatellda- tenverarbeitung“ reanimiert, und es wurde von einigen Sachverständigen der Koalition immer und immer wie- der gegen den ach so bürokratischen sogenannten Ver- botsgrundsatz gewettert. Diese Debatten haben dem Datenschutz erheblich ge- schadet, sie sind weit von der Realität entfernt und dien- ten ersichtlich allein der Stimmungsmache. Bereits heute sieht das Bundesdatenschutzgesetz durch seinen in meh- rerlei Hinsicht hochproblematischen und auch ärgerli- chen § 28 ein breites Feld an Legitimationen für Daten- verarbeitungen vor. Die Realität des Datenschutzes ist damit nicht der in § 4 BDSG niedergelegte Erlaubnisvor- behalt, sondern die unbestimmte und uferlose Rechtferti- gung über die Erlaubnistatbestände des § 28. Schon diese Realität ist mehr als unbefriedigend. Sie führt zu den berechtigten Forderungen nach einer Re- form des Bundesdatenschutzgesetzes, die ja auch die Koalition noch in ihrer Koalitionsvereinbarung stehen hat, um in den letzten drei Jahren in diesem Bereich gar nichts zu tun. Noch schwerer wiegt aber, was unter anderem beim Deutschen Juristentag und durch den von ihm beauftrag- ten Professor Spindler zu den Forderungen nach Ab- schaffung des Verbotsgrundsatzes vorgetragen wurde: Wer am Erlaubnisvorbehalt rütteln will, muss sagen, was angesichts der uferlosen Freigabe von Datenverarbeitun- gen ex post an Absicherungen, zum Beispiel Sanktionen, kommen soll. Und genau hier schweigen alle Papiere der Bundesre- gierung besonders auffällig, weil man die damit verbun- dene Diskussion mit der Wirtschaft offenbar scheut wie der Teufel das Weihwasser. Und auch der heutige Antrag der Koalition geht hier genau in die entgegengesetzte Richtung: Anstatt die Ef- fektivierung des unter Druck geratenen Datenschutzes im Privatrecht durch entsprechende zivilrechtliche In- strumente zu suchen, wird gegen die Verbandsklage vo- tiert – von Haftungsregeln, Sanktionen oder gar Gewinn- abschöpfungsansprüchen wird gar nicht gesprochen. Erlauben Sie mir nun noch einige wenige Kommen- tare zum Antrag der Koalition und dem darin aufgestell- ten Forderungskatalog. Schon Ihrer Ziffer 2 können wir nicht ohne Weiteres beipflichten. Selbstverständlich wünschen auch wir eine sachgerechte Differenzierung zwischen dem öffentlichen und nichtöffentlichen Bereich des Datenschutzes. Aber diese Differenzierung ist nicht allein und ausschließlich auf die Verfassungslage zurückzuführen. Schon gar nicht stimmen wir mit der pauschalisierenden Sichtweise überein, wonach sich in Datenschutzfragen des nichtöf- fentlichen Bereiches stets kollidierende Grundrechte ge- genüberstehen. So einfach ist es denn doch nicht. Denn immerhin bedürfte es dazu klarer Linien, wie etwa aus einem Art. 14 oder auch dem vielzitierten Art. 12 Grundgesetz die Rechtfertigung einer konkreten Verarbeitung personenbezogener Daten hergeleitet wer- den soll. Dazu liegt aber kaum Material vor, weil eben das eine nicht zwingend aus dem anderen folgt! Um so deutlicher hingegen sind die Konturen der Geltung des Grundrechts auf informationelle Selbstbe- stimmung auch im Bereich der Privatwirtschaft. 26500 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012 (A) (C) (D)(B) Nur ein Beispiel: Es war das Bundesverfassungsge- richt, das unter Verweis auf die Drittwirkung der Grund- rechte im Privatrecht und das erhebliche Ungleichge- wicht zwischen den Vertragsparteien die Formularpraxis der Versicherungswirtschaft zur Schweigepflichtentbin- dung für unzulässig erklärte. Einer Reihe von Ziffern Ihres Antrages scheint man zustimmen zu können. Doch es bleibt bei Ihnen wie auch bei der Positionierung der Bundesregierung der Ein- druck, dass man sich letztlich mit allgemeinen Formeln um eine konkrete Positionierung herumdrücken möchte. Man bleibt so unkonkret wie an vielen Stellen der so kri- tisierte Text der Kommission. Das ist leider nicht genug, nicht angesichts einer Debatte von dieser Dimension. Der Entwurf der Kommission für eine Datenschutz- Grundverordnung ist stark verbesserungsbedürftig. Das ist so. Das leugnet doch auch niemand. Doch sowohl hinsichtlich der „Delegated Acts“ als auch hinsichtlich der bizarren Selbstermächtigung für Letztentscheidun- gen hat die Kommission längst Gesprächsbereitschaft si- gnalisiert. Was uns allen viel mehr Sorgen machen sollte, ist die Frage, ob der Entwurf an den für die Mo- dernisierung entscheidenden Stellen die hinreichende Präzision und Entschiedenheit aufbringen wird: Gelingt es uns beispielsweise, einen starken und verbindlichen präventiven Technikansatz im Gesetz zu verankern? Kommt das Gütesiegel als europäische Vorgabe und weiches Steuerungsinstrument? Kommt ein weites Ver- bandsklagerecht und wird es einen hinreichend effekti- ven Sanktionsrahmen für die Aufsichtsbehörden geben? Hier wie auch bei einigen anderen Punkten braucht es endlich mehr Klarheit und Bestimmtheit. Ansonsten würde dem Reformansatz das nötige Profil fehlen, des- sen es bedarf, um die veränderte IT-Wirklichkeit im Sinne der Bürgerinnen und Bürger zu gestalten. Auch wir Grünen werden erst am Ende der Verhandlungen in Brüssel entscheiden können, ob wir es in der Summe mit einer zufriedenstellenden, also zustimmungswürdigen Reform zu tun haben. Bis dahin werden wir konstruktiv an ihrem guten Gelingen mitwirken. Anlage 18 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zum Europäischen Hilfsfonds für die am stärksten von Armut betroffenen Personen – KOM(2012) 617 end.; Ratsdok. 15865/12 – hier: Stellungnahme gemäß Protokoll Nr. 2 zum Vertrag von Lissabon (Grundsätze der Subsi- diaritäts- und Verhältnismäßigkeitsprüfung) (Zusatztagesordnungspunkt 7) Max Straubinger (CDU/CSU): Im Rahmen der Europa-2020-Stratgie hat sich die Europäische Union das Ziel gesetzt, die Anzahl der in Armut lebenden oder von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedrohten Perso- nen bis 2020 um mindestens 20 Millionen zu senken. Deutschland erfüllt seine nationalen und europäischen Verpflichtungen und setzt die EU-2020-Kernziele um. Wir leisten einen außerordentlichen Beitrag für mehr Stabilität, Wachstum und Beschäftigung in Europa. An- gesichts der Wirtschafts- und Finanzkrise halte ich es für legitim, dass auf europäischer Ebene Überlegungen an- gestellt werden, wie Armut und soziale Ausgrenzung nachhaltig bekämpft werden können. Mit dem Vorschlag der Europäischen Kommission für eine „Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zum Europäischen Hilfsfonds für die am stärksten von Armut betroffenen Personen“ wird diesem Ansinnen aber nicht Rechnung getragen. Bei dem Vorschlag geht es im Kern um die Weiterführung des bisherigen EU-Nahrungsmittelprogramms „Abgabe von Nahrungs- mitteln aus Interventionsbeständen an Bedürftige in der Gemeinschaft“. Das Programm wurde 1987 von der Europäischen Gemeinschaft ins Leben gerufen und wird Ende 2013 auslaufen. Deutschland hat seit 1989 keinen Gebrauch mehr von dem Programm gemacht. Aus meiner Sicht bestehen erhebliche Subsidiaritäts- bedenken gegen den Vorschlag der Europäischen Kom- mission. Die Gewährung von sozialen Hilfen ist grund- sätzlich Sache der Mitgliedstaaten und kann von den Mitgliedstaaten effektiver und erfolgreicher betrieben werden. Nur der einzelne Mitgliedstaat kann am jeweils eigenen System ansetzen und Maßnahmen einführen, die individuell passend sind. Eine EU-Bedürftigenhilfe ist systemfremd, verwaltungsaufwendig und kontrollinten- siv. Die Aussage der Kommission, dass angesichts des Ausmaßes der Armut und sozialen Ausgrenzung in der Union und der inakzeptablen Unterschiede Maßnahmen auf EU-Ebene notwendig seien, trägt mit Blick auf das Subsidiaritätsprinzip nicht. Ungleiche Verhältnisse allein führen nicht zu einem europäischen Mehrwert. Auch die Tatsache, dass der Hilfsfonds von der EU finanziert wer- den soll und von den Mitgliedstaaten nur zu einem gerin- gen Anteil kofinanziert werden muss, ändert an dieser Einschätzung nichts. Denn Finanzmittel erzeugen nicht schon aufgrund der Tatsache, dass sie aus dem EU- Haushalt stammen, einen europäischen Mehrwert. Zudem habe ich erhebliche Zweifel an der Rechts- grundlage für den Vorschlag der Europäischen Kommis- sion. Der Hilfsfonds ist zur Armutsbekämpfung weder geeignet noch erforderlich im Sinn von Art. 175 Abs. 3 AEUV, weil er ausschließlich punktuelle materielle Hilfe in Form von Nahrungsmitteln oder grundlegenden Kon- sumgütern leisten soll. Um Menschen tatsächlich aus der Armut zu befreien, sind jedoch nachhaltige Maßnahmen erforderlich, wie sie insbesondere über den Europäi- schen Sozialfonds erfolgen. Vor diesem Hintergrund lehne ich den Vorstoß der Europäischen Kommission ab. Auch die Bundesregie- rung steht dem Vorschlag ablehnend gegenüber. Der Bundesrat wird in seiner morgigen Sitzung ebenfalls eine kritische Stellungnahme abgeben. Ich hoffe, dass die für eine Subsidiaritätsrüge erforderliche Stimmen- zahl der nationalen Parlamente zusammenkommt. Der Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012 26501 (A) (C) (D)(B) Deutsche Bundestag leistet heute mit seiner Stellung- nahme vom 11. Dezember 2012 seinen Beitrag dazu. Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): Die Euro- päische Kommission hat im Oktober dieses Jahres einen Verordnungsvorschlag vorgelegt. Die Kommission will einen neuen Hilfsfonds auf europäischer Ebene einrich- ten, der die am stärksten von Armut betroffenen Perso- nen mit Nahrungsmitteln und anderen Konsumgütern unterstützen soll. Damit soll das bisherige Nahrungsmit- telprogramm der Europäischen Union fortgeführt wer- den, das 1987 von der Europäischen Gemeinschaft ins Leben gerufen wurde. Mithilfe dieses agrarpolitischen Programms wurden anfangs Nahrungsmittel aus soge- nannten Interventionsbeständen an Bedürftige in der EU verteilt. Die damals für die Verteilung bestimmten Le- bensmittel durften ausschließlich aus landwirtschaft- lichen Überschussbeständen – auch als „Milchseen“ und „Butterberge“ bekannt – bezogen werden. Im Zuge der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik wurden diese Überschüsse allerdings Schritt für Schritt abgebaut. Um dennoch weiterhin Nahrungsmittel an Bedürftige verteilen zu können, ging man dazu über, diese am Markt käuflich zu erwerben. Nachdem nun der Europäi- sche Gerichtshof im April letzten Jahres diese Markt- käufe für unzulässig erklärt hat und weil darüber hinaus für das Jahr 2013 voraussichtlich gar keine Interven- tionsbestände mehr verfügbar sein werden, startete die Kommission den Versuch, eine neue rechtliche Grund- lage für ihre Bedürftigenhilfe zu schaffen. Dies erscheint auf den ersten Blick auch begrüßenswert. Menschen, die in Armut leben oder davon bedroht sind, brauchen Un- terstützung. Daran gibt es über alle Länder- und Partei- engrenzen hinweg keinen Zweifel. In Bezug auf die Frage, wie diese Unterstützung konkret aussehen kann, gibt es klare Zuständigkeiten, die die EU-Kommission achten sollte. Moderne Sozialpolitik bedeutet, von Armut betrof- fene Menschen durch strukturelle Hilfen zu unterstützen, die auf Prävention und Nachhaltigkeit ausgerichtet sind. Abhängigkeiten, die durch das bisherige Nahrungsmit- telhilfeprogramm geschaffen wurden, müssen abgebaut werden. Almosenpolitik statt Sozialpolitik mit ausrei- chender finanzieller und sozialer Sicherung wäre ein Rückschritt in Zeiten, die wir in Europa doch längst für überwunden hielten. Die Politik der Europäischen Kom- mission, so sehr ich diese grundsätzlich in weiten Teilen schätze, setzt in diesem konkreten Fall an der falschen Stelle an. Was wir hier brauchen ist eine solide Sozial- politik, aber nicht die Verteilung von Almosen. Und zum anderen liegt die Kompetenz im Bereich der sozialen Si- cherung bei den einzelnen Mitgliedstaaten der Europäi- schen Union. Solange sozialpolitische Maßnahmen auf der Ebene der Europäischen Union nicht besser umgesetzt werden können als auf nationaler Ebene, liegt die Zuständigkeit bei den EU-Mitgliedstaaten, und einen entsprechenden Nachweis kann die Kommission an dieser Stelle nicht erbringen. Die Bedürftigenhilfe ist im politischen Ord- nungssystem der EU systemfremd, wohingegen diese Hilfe nicht nur eine Pflicht, sondern auch ein Recht der Mitgliedstaaten darstellt. Die EU-Mitgliedstaaten allein sind in der Lage, Maßnahmen und spezielle Programme für Bedürftige aufzustellen, die in das jeweilige natio- nale Rechtssystem eingepasst und mit anderen sozial- politischen Instrumenten und Hilfesystemen abgestimmt sind. Darüber hinaus kann auf nationaler oder sogar re- gionaler und kommunaler Ebene bedeutend schneller und effizienter auf wirtschaftliche Veränderungen re- agiert werden. Der Apparat der Europäischen Union ist in dieser Hinsicht verständlicherweise träger. Wir sehen somit den Kommissionsvorschlag in seiner aktuellen Form als unvereinbar mit dem Subsidiaritätsprinzip an. Ebenso fragwürdig stellt sich der Vorstoß der Kom- mission vor dem Hintergrund der Frage des Verwal- tungs- und des finanziellen Aufwands dar. Um den Hilfsfonds einzurichten, wäre ein völlig neues Verwal- tungs- und Kontrollsystem erforderlich. Dies bedeutet natürlich personellen und finanziellen Mehraufwand. Das allein wäre schon bedenkenswert. Nun kommt aber noch hinzu, dass die hierfür benötigten Mittel zum größ- ten Teil aus dem Bereich der Kohäsionspolitik, genauer gesagt aus dem Budget des Europäischen Sozialfonds, ESF, abgezweigt werden sollen. Wie wir alle wissen, werden mit den Mitteln des ESF unzählige Projekte auf verschiedenen Ebenen gefördert. Wenn man von einem Erfolgsmodell sprechen kann, dann sicherlich im Falle des ESF-Programms. Seit über 50 Jahren werden Men- schen unter dem Dach des ESF gefördert, insbesondere zur Integration auf dem Arbeitsmarkt, aber auch zur Ver- meidung und Bekämpfung von Armut und zur Förderung der sozialen Integration. Davon profitieren Arbeitslose, Auszubildende, behinderte Menschen, Arbeitnehmerin- nen und Arbeitnehmer, Gründerinnen und Gründer in Deutschland und Europa. Der Europäische Sozialfonds hat sich im Laufe der Zeit zu dem zentralen arbeits- marktpolitischen Förderinstrument in der Europäischen Union entwickelt. Um die Ziele der Europäischen Be- schäftigungsstrategie – Vollbeschäftigung, Arbeitsplatz- qualität und -produktivität sowie sozialer Zusammen- halt – zu erreichen, sind wir auch auf den Fortbestand des ESF angewiesen. Wenn man nun ausgerechnet aus diesem Fonds Mittel entnimmt, also die Mittel des ESF kürzt, dann muss man sich die Sinnfrage stellen lassen. Außerdem hätte dies zur Konsequenz, dass der neue Hilfsfonds und das ESF-Programm in Konkurrenz zu- einander treten würden. Anstatt Mittel und Kräfte an be- währter Stelle zu bündeln, würde man dieses Modell schwächen und ein zusätzliches Modell mit erhöhtem Kostenaufwand als Parallelkonzept schaffen. Unter Kos- ten-Nutzen-Gesichtspunkten würden wir also mit dem Kommissionsvorschlag ebenfalls schlecht fahren. Wägt man also ab, welches Ziel mit den hier vorge- schlagenen Mitteln und unter Einsatz eines enormen Verwaltungs- und Kontrollaufwandes verfolgt wird, aber zu wessen Lasten dieser Fonds konzipiert ist, kann man doch nur zu einem Schluss kommen: Die Relationen und damit die Verhältnismäßigkeit sind bei dem Verord- nungsvorschlag leider nicht gewahrt. 26502 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012 (A) (C) (D)(B) Auch wir in der Union verfolgen selbstverständlich den Anstieg der Zahl der von Armut bedrohten Personen in der Europäischen Union mit großer Sorge. Die Wirt- schafts- und Finanzkrise hat deutliche Spuren in vielen Ländern hinterlassen. Aber gerade Deutschland hat unter der Regierung von Bundeskanzlerin Angela Merkel durch eine kluge Wirtschafts- und Sozialpolitik viel dazu beigetragen, diese Folgen abzumildern und den Men- schen in unserem Land, die davon betroffen waren, eine neue Perspektive zu bieten. Die christlich-liberale Koali- tion wird sich auch weiterhin dafür einsetzen, dass dieje- nigen, die auf unsere Hilfe angewiesen sind, nicht allein gelassen werden. Auch mit Blick auf das in der Europa-2020-Strategie gesetzte Ziel, den Anteil der Menschen unterhalb der je- weiligen nationalen Armutsgrenze bis zum Jahr 2020 um 25 Prozent zu verringern, ist es uns ein großes Anliegen, möglichst viele Menschen aus der Armut herauszuholen und in Beschäftigung zu bringen. Dafür bedarf es aber, wie eben dargelegt, nachhaltiger und maßgeschneiderter Maßnahmen. Mit dem Vorschlag der Europäischen Kommission zur Errichtung des neuen Hilfsfonds kom- men wir den selbst gesteckten Zielen nicht näher. Daher spreche ich mich gegen diese Initiative aus und hoffe, dass der Deutsche Bundestag mit breiter Mehrheit unse- ren Antrag unterstützt. Anton Schaaf (SPD): Mit Ihrem Vorhaben, ein Ver- fahren der Subsidiaritätsrüge anzustreben, setzen Sie die Spur der Verwüstung fort, die Sie bisher in der Behand- lung von Menschen in Armut gegangen sind. Ein wenig wird noch rumgeeiert, dass Sie das Ziel durchaus richtig finden, Menschen zu unterstützen, die von gravierender materieller Armut betroffen oder bedroht sind. Aber wie immer folgen den Worten keine Taten. Die Wirtschafts- krise ist mal wieder schuld, dass sich nichts machen lässt. Man kann sicherlich über wirksame Mittel der Ar- mutsbekämpfung streiten, aber ausgerechnet an dieser Stelle eine Rüge wegen Subsidiarität zu fordern, zeigt, dass diese Bundesregierung Europa nur als Wirtschafts- gemeinschaft und nicht als soziale Union sieht; dies wurde auch in der Debatte um die Renten-und Pensions- fonds sehr deutlich. Bedürftige Banken erhalten alle er- denkliche Hilfe, bedürftige Menschen eben nicht. Sie führen mit Ihrer restriktiven Politik immer mehr Men- schen in die Bedürftigkeit, sperren sich aber gegen di- rekte Hilfen für von Armut betroffene Menschen. Das hat schon Ihr Umgang mit dem 4. Armuts- und Reich- tumsbericht deutlich gemacht, wo Sie die Armut in Deutschland mit dem Radiergummi bekämpfen, indem Sie einfach ganze Kapitel des Berichtes verschwinden lassen. Anstatt nach dem Europäischen Jahr gegen Armut und soziale Ausgrenzung endlich neue Wege der Ar- mutsbekämpfung zu beschreiten, treten wir in Deutsch- land in eine armselige Debatte ein, dass die akute Hilfe für Bedürftige zu hohen Bürokratieaufwand bedeuten würde. Da fallen mir ganz andere Bereiche an, wo dies nicht problematisiert wird. Ich teile die Kritik, dass dieses Programm keine struk- turelle Armutsbekämpfung bedeutet, an dieser Stelle be- haupte ich ganz einfach: das eine tun, das andere nicht lassen, und zwar direkte Hilfe für Bedürftige und Zei- chen setzen gegen Lebensmittelverschwendung. Essen für Menschen und nicht Nahrungsreste für die Biogas- anlagen und Energiewirtschaft! Wir lehnen ihr Ansinnen der Subsidiaritätsrüge ab! Besonders interessant ist, dass Sie das vor der Frank- reichwahl auch noch getan haben. Nun aber, Frau Merkel, mit einem Präsident Hollande sehen Sie sich nicht mehr verpflichtet. Ihr Handeln ist für die deutsch- französische Freundschaft eine Belastung. Worum geht es eigentlich im Kern der Sache? Das bisherige Programm für direkte Lebensmittelhilfe aus dem Agrarbereich wird 2013 beendet, weil Agrarmittel nicht sozialen Zwecken dienen sollten. Es wurde aus dem Gedanken der Lebensmittelüberproduktion in Eu- ropa geschaffen (zum Beispiel Milchseen, Obst- und Ge- müsehalden, Butterberge). Man sieht aber den Bedarf. Daher sollte es in den Sozialbereich überführt werden. Der vorgeschlagene EU-Hilfsfonds dient der Verwirk- lichung des Ziels der Europa-2020-Strategie, die Zahl der in Armut lebenden oder von Armut und sozialer Ausgrenzung bedrohten Personen bis 2020 um mindes- tens 20 Millionen zu verringern. Konkret sollen Nah- rungsmangel, Obdachlosigkeit und materielle Kinderar- mut bekämpft werden. Nach Angaben der Kommission will man mit dem zusätzlichen Instrument bestehende Kohäsionsinstrumente, insbesondere den Europäischen Sozialfonds (ESF), ergänzen. Der neue Hilfsfonds beruht nicht mehr – wie das lau- fende EU-Nahrungsmittelhilfeprogramm – auf der Ver- teilung von vorhandenen Überschüssen aus landwirt- schaftlicher Produktion, sondern nunmehr auf der Verteilung von zur Sicherung einer materiellen Grund- ausstattung benötigten Waren jeglicher Art (zum Bei- spiel auch Kleidung). Als Partnerorganisationen sollen öffentliche Stellen oder gemeinnützige Organisationen (wie zum Beispiel Verbände und Tafeln) von der Förde- rung profitieren. Vorgesehen ist auch, dass eventuell vor- handene EU-Interventionsbestände unter bestimmten Bedingungen auch zukünftig den Bedürftigen im Rah- men des Programms zur Verfügung gestellt werden kön- nen. Die Kommission begründet die Erforderlichkeit des vorgeschlagenen EU-Hilfsfonds mit der hohen Zahl der Unionsbürger, die armutsgefährdet oder von sozialer Ausgrenzung bedroht sind. Im Rahmen des EU-Hilfs- fonds könnten nach Vorstellungen der Kommission die Mitgliedstaaten Unterstützung für ihre nationalen Pro- gramme beantragen und über Partnerorganisationen Hil- fen an Bedürftige leisten. Diese Initiative zu verhindern, ist darüber hinaus noch unsäglich arrogant, weil andere EU-Länder nicht über ein so tragfähiges System von Transfer- und Sozialleis- tungen verfügen wie Deutschland. Auch darüber sollten Sie nachdenken. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012 26503 (A) (C) (D)(B) Wir als Sozialdemokraten haben uns immer dafür stark gemacht, in Europa den sozialen Zusammenhalt zu fördern. Wir wollen eine harmonische Entwicklung der Union als Ganzes, wollen den Rückstand der am stärks- ten benachteiligten Gebiete verringern, einen Beitrag zur Verbesserung der sozialen Bedingungen leisten, indem Grundbedürfnisse besonders bedürftiger Menschen er- füllt werden. Was kann man eigentlich dagegen haben? Ich sage es ihnen: Ihnen sind die inakzeptablen Unter- schiede der einzelnen Mitgliedstaaten schlichtweg egal. Ich teile durchaus die Auffassung, dass Armut auf na- tionaler, teilweise sogar auf lokaler Ebene besser be- kämpft werden kann als auf europäischer Ebene, weil die Ursachen dieses Problems in den einzelnen Regionen sehr unterschiedlich sind. Aber die europäische Hilfe kann als zusätzliche Kom- ponente ergänzt werden, weil wir damit zugleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Ich sage Ihnen auch warum: Es geht nämlich nicht nur darum, dass Bedürf- tige nicht mehr hungern sollen. In Europa werden jedes Jahr rund 89 Millionen Tonnen Lebensmittel verschwen- det. Dementsprechend haben die europäischen Institutio- nen der Reduzierung von Lebensmittelverschwendung hohe Priorität eingeräumt. Das Europäische Parlament hat sofortige gemeinschaftliche Maßnahmen zur Halbie- rung der Lebensmittelverschwendung bis 2025 vorgese- hen. Zur Erreichung dieser ehrgeizigen Ziele sind koor- dinierte Bemühungen des gesamten Lebensmittelsektors erforderlich. Vielleicht sollten Sie im Kabinett mal nicht nur mit Herrn Minister Rösler, sondern auch mit Ihrer Verbrau- cherministerin Aigner sprechen; die kennt sich da ganz gut aus. Es ist im Artikel 191 und 192 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union sogar geregelt, dass sie sich auf die Erhaltung, den Schutz und die Ver- besserung der Qualität der Gesundheit des Menschen und der Umwelt beziehen soll. Es gibt zahlreiche Studien, wie durch mehr Effizienz und Fairness auf dem Einzelhandelsmarkt der weltwei- ten Verschwendung von Lebensmitteln begegnet werden kann. Es ist möglich, etwas zu tun, damit Lebensmittel nicht zu Abfall werden und Bedürftigen geholfen wird – aber Sie wollen nichts davon wissen. Lebensmittelverschwendung betrifft aber nicht nur ethische, wirtschaftliche, soziale Fragen und die Ernäh- rung und Gesundheit, auch die Umwelt leidet unter weg- geworfenen Lebensmittelbergen, die in erheblichem Maße zur Erderwärmung beitragen. Aus Lebensmittel- abfällen entsteht bekanntlich Methan, dessen Wirkung als Treibhausgas allen hinreichend bekannt sein müsste. So, wie diese Bundesregierung handelt, funktioniert Nachhaltigkeit nicht. Aber es war schon immer Sache der Sozialdemokra- ten, die Förderung eines Denkens und Handelns in Wis- senschaft und Gesellschaft, die an den Grundsätzen der Nachhaltigkeit und der Solidarität ausgerichtet werden, zu stärken. Wir sehen, dass in der Ernährungssicherheit ein grundlegendes Menschenrecht gewahrt wird. Wir wollen, dass gesunde, ausreichende, angemessene und nahrhafte Lebensmittel verfügbar und zugänglich sind; dies auch für die ärmsten Bevölkerungsschichten. Des- wegen räumen wir der geplanten Hilfe auch Vorrang ge- genüber einer kritischen Betrachtung ein. Für uns hat die Armutsbekämpfung mit vielseitigen Mitteln Priorität. Nur mit einer koordinierten Strategie auf europäischer und nationaler Ebene können Effizienz der Lebensmit- telversorgung und das ehrgeizige Ziel, die Lebensmittel- abfälle bis 2025 zu halbieren, erreicht werden, dies mit kluger Verteilung und einer Würdigung der Verbände und Institutionen, die dies bereits ehrenamtlich mit Spendenaufkommen tun – wie die Wohlfahrtsverbände und Tafeln in Deutschland. Aber auch in Österreich, Dä- nemark, Italien, Spanien und Großbritannien gibt es akute Direkthilfe. Wirklich erfolgreich wären wir, wenn die Arbeit der oben Genannten überflüssig wäre. Dieses Ziel werden wir in der nahen Zukunft aber wohl nicht erreichen. Die Politik der Bundesregierung mit der Duldung prekärer Arbeit, der Verweigerung eines Mindestlohns und ihrer Haltung gegenüber Mini-Jobs hat dafür gesorgt, dass die Anzahl bedürftiger Menschen in Deutschland gewach- sen ist. Ebenso ist die Zahl derer, die vom wirtschaftli- chen Aufschwung und vom Predigen von Lebensleis- tung in Ihren Rentenvorstellungen nie profitieren werden, gestiegen. Ich möchte enden mit den Worten von George Bernard Shaw, der gesagt hat: „Das größte Übel, das wir unseren Mitmenschen antun können, ist nicht, sie zu has- sen, sondern, ihnen gegenüber gleichgültig zu sein.“ Pascal Kober (FDP): Mit dem vorliegenden Antrag möchten FDP und CDU/CSU eine Subsidiaritätsrüge ge- gen den Kommissionsvorschlag zum Europäischen Hilfs- fonds erheben. Durch den Vertrag von Lissabon ist es die Aufgabe der nationalen Parlamente, also auch des Deutschen Bundestages, darauf zu achten, dass der Grundsatz der Subsidiarität von europäischer Ebene beachtet wird. Dort heißt es: „Die nationalen Parlamente tragen aktiv zur guten Ar- beitsweise der Union bei, indem sie dafür sorgen, dass der Grundsatz der Subsidiarität gemäß den in dem Proto- koll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiari- tät und der Verhältnismäßigkeit vorgesehenen Verfahren beachtet wird.“ Genau von diesem Recht werden wir heute Gebrauch machen, da der Verordnungsvorschlag der Europäischen Kommission dem Subsidiaritätsprinzip widerspricht. Der vorgeschlagene Fonds soll der Verwirklichung des Ziels der Europa-2020-Strategie dienen. Konkret ist vor- gesehen, dass Nahrungsmangel, Obdachlosigkeit und materielle Kinderarmut bekämpft werden sollen. Hierfür sollen Mittel aus dem Budget des Europäischen Sozial- fonds in Höhe von 2,5 Milliarden Euro entnommen und dem neuen Hilfsfonds zur Verfügung gestellt werden. 26504 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012 (A) (C) (D)(B) Geld, das für andere Projekte des Europäischen Sozial- fonds fehlen wird. Geld, das im Übrigen nicht mehr der demokratischen Kontrolle des Parlaments unterliegen wird. Auf der Ebene der einzelnen EU-Mitgliedstaaten gibt es bereits leistungsfähige Systeme der Daseinsfürsorge, die die gleiche Aufgabe und Zielrichtung wie der neue Europäische Hilfsfonds haben. Auf diese Leistungen be- steht in den Mitgliedstaaten zudem ein Rechtsanspruch, was bei den geplanten Leistungen des Hilfsfonds nicht der Fall ist. Es geht bei diesen nur um einzelne punktu- elle Unterstützung. Die Menschen können sich darauf nicht berufen, und es dürfte eher Zufall sein, wer Hilfen bekommt und wer nicht. Die Sozialpolitik, insbesondere im Bereich der Da- seinsfürsorge, obliegt eindeutig den Mitgliedstaaten und nicht der Europäischen Union. Im Verordnungsentwurf fehlt auch eine substanzielle Begründung, weshalb im vorliegenden Fall die Sozialpolitik der EU besser geeig- net sei als die der Mitgliedstaaten. Eine Begründung für die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips fehlt sogar vollkommen. Wir stehen mit dieser Skepsis auf europäischer Ebene nicht alleine. In der zuständigen Ratsarbeitsgruppe ha- ben sich am 23. November 2012 auch Schweden, Groß- britannien und Dänemark klar gegen den Fonds ausge- sprochen. Ihre Bedenken geäußert haben zudem Öster- reich, Luxemburg, die Niederlande, Tschechien, die Slo- wakei, Polen und Ungarn. Für uns als christlich-liberale Regierungskoalition ist klar, dass Armut auf nationaler beziehungsweise auch auf lokaler Ebene besser bekämpft werden kann als auf europäischer Ebene, weil die Ursachen dieses Problems in den einzelnen Regionen sehr unterschiedlich sind. Hinzu kommen zudem zusätzliche Bürokratiekosten, die anfallen würden, wenn man dem Vorschlag der Kom- mission folgen würde. Ein neues Verwaltungs- und Kon- trollsystem wäre mit einem erheblichen zusätzlichen Kostenaufwand verbunden, den wir als unverhältnismä- ßig erachten. Diese Bundesregierung hat große Erfolge im Bereich der Armutsbekämpfung erzielt, wie nicht zuletzt der Rückgang der Kinderarmut sowie der Rückgang der Langzeitarbeitslosigkeit zeigen. Wir sind in Deutschland erfolgreich mit christlich-liberaler Politik, die auf Wachstum setzt und so mehr Menschen in Beschäfti- gung bringt. Ich halte es auch für richtig, dass Nationalstaaten beim Kampf gegen Armut zuständig sind. Daher werden wir heute mit diesem Antrag ein klares Zeichen für die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips setzen. Jutta Krellmann (DIE LINKE): Der Vorschlag für einen Hilfsfonds für die am stärksten von Armut betrof- fenen Personen zeigt, wie dramatisch die sozialen Verhältnisse in der Europäischen Union sind. Es gibt massenhaft Probleme bei der Versorgung der Menschen mit den notwendigsten Gütern: Nahrung, Wohnung, Kleidung und Ausstattung von Kindern. Es ist ungeheu- erlich, dass die Bundesregierung diesem Hilfsfond seine Zustimmung verweigert. Nach Ausführungen der EU-Kommission hatten 8,7 Prozent der europäischen Bevölkerung 2010 keinen Zugang zu ausreichenden Mengen von Nahrungsmitteln. Besorgniserregend ist, dass die Anzahl der betroffenen Personen seit 2009 durch die Krise wieder ansteigt. Knapp 6 Prozent der Kinder in der EU können sich keine neue Kleidung leisten; 4,5 Prozent der Kinder besitzen nicht einmal zwei Paar Schuhe in der richtigen Größe – dies entspricht etwa 6 Millionen Kindern. Es ist ein Ar- mutszeugnis für die nationalen Sozialstaaten, dass die Europäische Union überhaupt eingreifen muss. Der- artige Defizite dürften in einem Sozialstaat nicht vor- kommen. Für die Linke liegt der Fehler im System: Die zuneh- mend kapitalistisch organisierte Verteilung der gesell- schaftlich produzierten Güter und Dienste verschärft die Armut in Europa. In der aktuellen sozialen Entwicklung haben sich Armut und soziale Ausgrenzung jedoch nicht verringert, sondern im Gegenteil verschärft. Die neolibe- ralen Kürzungsprogramme für die südeuropäischen Staaten hinterlassen massenhafte Armut. Im Lichte dieser Krise ist der vorgeschlagene Fonds leider nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Er erhält 2,5 Milliarden Euro für den Zeitraum 2014 bis 2020. Jetzt den Hilfsfonds auch noch abzulehnen, bedeutete die offene Verweigerung von europäischer Solidarität zulasten der schwächsten Menschen in den ärmsten Län- dern der EU. Im Rahmen der Europa-2020-Strategie hat sich die Europäische Union zum Ziel gesetzt, die Anzahl der Per- sonen, die in Armut leben oder von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht sind, um mindestens 20 Millionen Personen zu senken. Die Bundesregierung hatte sich die- sem Ziel angeschlossen. Aber Papier ist ja bekanntlich geduldig. Für die Linke geht der Hilfsfonds nicht weit genug: Er ist nicht darauf angelegt, soziale Rechte von Einzel- nen zu garantieren. Hier geht es um die Verteilung von Hilfen, auf die kein rechtlicher Anspruch besteht; es handelt sich hier um die eigentlich überwundene Form der Mildtätigkeit. Insofern ist der Vorschlag ein Beitrag zur „Vertafelung“ der Sozialpolitik. Das kritisieren wir. Gleichwohl macht die Dramatik der sozialen Lage – die Daten sind genannt – politisches Handeln notwen- dig. Der vorgeschlagene Hilfsfonds ist das Mindestmaß an europäischer Solidarität, das geleistet werden sollte. Es kann nicht sein, dass Sie als Abgeordnete in Ihren Wahlkreisen die Tafeln begrüßen und etwas Ähnliches den Menschen in Europa verweigern. Für die Linke muss ein demokratisches und soziales Europa auf sozialen Rechten basieren, und diese müssen einklagbar sein. Insofern befürwortet die Linke, bei aller Kritik an dem Instrument, den vorgeschlagenen Hilfs- fonds und fordert die Bundesregierung zu einem entspre- chenden Handeln auf europäischer Ebene auf. Die Einle- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012 26505 (A) (C) (D)(B) gung eines Subsidiaritätsvorbehalts unterstützt die Linke nicht. Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der europäische Hilfsfonds für die am stärksten von Armut betroffenen Personen wird von der Europäischen Kom- mission als neues Instrument im Rahmen des mehrjähri- gen Finanzrahmens für die Jahre 2014 bis 2020 vorge- schlagen. Dafür sind 2,5 Milliarden Euro eingeplant, mit denen extreme Formen von Armut und Ausgrenzung be- kämpft werden sollen. Der neue Fonds soll auch dazu beitragen, die Armutsreduktionsziele der Europa-2020- Strategie zu erreichen. Hierfür ist ein Zukauf von zur Si- cherung einer materiellen Grundausstattung benötigten Waren jeglicher Art, zum Beispiel auch Kleidung, vor- gesehen. Als Partnerorganisationen sollen öffentliche Stellen oder gemeinnützige Organisationen, wie zum Beispiel Tafeln, von der Förderung profitieren. Bündnis 90/Die Grünen teilen zwar die grundsätzli- che Kritik an direkten Nahrungsmittelhilfen. Aber nicht einmal die wohlhabenden Staaten Europas können da- rauf verzichten, wie das Beispiel der Tafeln in Deutsch- land zeigt. Es wäre natürlich besser, diese mit sozial- staatlicher Politik überflüssig zu machen. Aber solange beispielsweise in Griechenland die Menschen nicht auf eine funktionierende Sozialhilfe zurückgreifen können, muss man ihnen auf anderem Wege, notfalls auch mit Nahrungsmittelhilfe, helfen. Es ist allerdings fragwür- dig, dass dies auf Kosten der über den Europäischen So- zialfonds, ESF, geförderten Vorhaben geschehen soll. Der Hilfsfonds muss vielmehr in den ESF integriert wer- den. Als gute Ideen in der Verordnung können der hohe Fördersatz der EU von 85 Prozent, die Vorfinanzierung mit EU-Mitteln und die Übertragung der Umsetzung auf Nichtregierungsorganisationen angesehen werden. Ziel der EU muss es grundsätzlich sein, den Mitgliedstaaten zu helfen, Abhängigkeiten, die durch das Nahrungsmit- telprogramm seit 1987 geschaffen wurden, abzubauen: weg von direkter Essensverteilung, hin zu einer auf strukturelle Hilfe und Prävention angelegten Unterstüt- zung der Ärmsten in Europa. Union und FDP wollen mit dem vorliegenden Antrag eine Subsidiaritätsrüge erteilen. Die Argumente des An- trages sind grundsätzlich nicht von der Hand zu weisen, wie auch die Information des Europareferats sowie die Stellungnahme des Bundesrates zeigen. Die Erforder- lichkeit des Hilfsfonds ist ebenso infrage zu stellen wie die erfüllte bzw. nicht erfüllte Begründungspflicht der Kommission. Es ist richtig, dass es den nationalen Parla- menten nicht möglich war, sich mit Argumenten der Kommission auseinanderzusetzen. Es ist auch richtig, dass die Kompetenz im Bereich der Sicherung des Exis- tenzminimums eindeutig den Mitgliedstaaten obliegt. Trotz dieser grundsätzlichen Zustimmung können wir dem Antrag insgesamt nicht zustimmen, da wir diese Nothilfe in gewisser Weise als Teil der Förderung des sozialen Zusammenhalts verstehen, die durchaus auf EU-Ebene zu verorten ist. Hierfür aber einen eigenstän- digen, wohl auch verwaltungsaufwendigen Fonds zu installieren, halten wir, wie auch die grüne Europaparla- mentsfraktion, für schädlich. 214. Sitzung Inhaltsverzeichnis TOP 5 Regierungserklärung zum Europäischen Rat TOP 6 Studienfinanzierung und -gebühren TOP 46, ZP 2 Überweisungen im vereinfachten Verfahren TOP 47, ZP 3 Abschließende Beratungen ohne Aussprache ZP 4 Aktuelle Stunde zur geplanten Schließung bei Opel Bochum TOP 7 Regelung des OTC-Derivate-Handels (EMIR) TOP 8 Grundrechte der Beschäftigten von Kirchen TOP 9 Mietrecht TOP 45, ZP 5 Fracking in Deutschland TOP 11 Bundeswehreinsatz (Operation Active Endeavour) TOP 12 Wahl Mitglied Parlamentarisches Kontrollgremium – TOP 13 Wahl Mitglied Vertrauensgremium TOP 14 Ruhebezüge des Bundespräsidenten TOP 15 Bundeswehreinsatz (ISAF) TOP 16 Abbau der Stickstoffüberschüsse bei der Düngung TOP 17 Schachtanlage Asse II TOP 18 Risikorücklage für Landwirtschaftsbetriebe TOP 19 Therapieunterbringung TOP 20 Selbstbestimmungsrecht der Menschen mit Behinderung TOP 21, ZP 6 Regulierung privater Bewachungsunternehmen TOP 22 Geschlechtergerechtigkeit TOP 23 Initiativen der Gastwirtschaft gegen Rechts TOP 24 Tierschutz TOP 25 Unabhängigkeit der Stiftung Datenschutz TOP 26 Seehandelsrecht TOP 27 Amtshilfe der Bundeswehr im Inland TOP 28 Internationales Unterhaltsverfahrensrecht TOP 29 Einfluss auf forschungsrelevante Entscheidungen TOP 30 Forschung und Innovation TOP 31 Fahrerlaubnis für Trikes TOP 32 EU-Vorschlag für Datenschutz-Grundverordnung TOP 33 Hilfe für Syrien TOP 34 Beruf des Notfallsanitäters TOP 38 Flächenverbrauch TOP 36 Verordnung zu abschaltbaren Lasten ZP 7 Europäischer Hilfsfonds für in Armut lebende Personen TOP 37 Vertragliche Stellung von Urhebern und Künstlern TOP 39 Angriffskrieg im Strafrecht TOP 40 System der Verwertungsgesellschaften Anlagen
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Mechthild Rawert


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)


    Die Expertinnen und Experten des Rettungsdienstes

    leisten als Bestandteil der Daseinsvorsorge Nacht für
    Nacht und Tag für Tag eine anspruchsvolle, hochqua-
    lifizierte Arbeit. Viele verdanken ihnen ihr Leben. Viele
    verdanken ihnen ihre Gesundheit. Dafür gilt allen eh-
    renamtlichen und hauptberuflichen Fachkräften des
    Rettungsdienstes mein ganz herzlicher Dank.

    Zu Recht wird im Entwurf eines Gesetzes über den
    Beruf der Notfallsanitäterin und des Notfallsanitäters
    sowie zur Änderung des Hebammengesetzes darauf
    verwiesen, dass unsere Bürgerinnen und Bürger „ei-
    nen gesetzlichen Anspruch auf eine qualifizierte, be-
    darfsgerechte, hilfsfristorientierte und flächende-
    ckende notfallmedizinische Hilfe auf dem aktuellen
    Stand von Wissen und Technik“ haben.

    Dieser „Stand von Wissen und Technik“ ist sowohl
    im wissenschaftlichen als auch im technologischen Be-
    reich in den letzten Jahrzehnten stetig gestiegen. So
    hat sich die Medizin rasant weiterentwickelt und mit
    ihr die Möglichkeiten der Notfallmedizin.

    Deshalb begrüßen wir Sozialdemokratinnen und
    Sozialdemokraten grundsätzlich die mit diesem Gesetz
    geplanten Neuregelungen der Ausbildungsstrukturen
    im Rettungswesen. Die Notwendigkeit der Modernisie-
    rung des 23 Jahre alten Rettungsassistentengesetzes,
    RettAssG, von 1989 wird von allen – auch von den
    Fachverbänden – gesehen. Bisher sind in diesem Feld
    sowohl Rettungshelfer und Rettungshelferinnen, Ret-
    tungssanitäter und Rettungssanitäterinnen wie auch
    Rettungsassistenten und Rettungsassistentinnen im
    Einsatz. Die Ausbildungen sind bis auf die zur Ret-

    tungsassistentin oder zum Rettungsassistenten nicht
    bundeseinheitlich geregelt.

    Wir begrüßen die Aufwertung des Berufsbildes und
    der dazugehörigen Ausbildung sowie die zukünftig
    dann bundesweit einheitlichen Ausbildungsregelungen
    zum neuen Notfallsanitäter, zur Notfallsanitäterin.

    Wir begrüßen die Intention, das Ausbildungsziel zu
    erneuern und die Ausbildung von zwei auf drei Jahre
    zu verlängern. So erhalten Notfallsanitäter und Not-
    fallsanitäterinnen mehr Kompetenzen bei der Aus-
    übung ihres Berufes.

    Die SPD-Bundestagsfraktion plädiert grundsätzlich
    für eine stärkere Durchlässigkeit von Ausbildungsbe-
    rufen und Studium; nicht nur bei den Notfallsanitätern
    und den Notfallsanitäterinnen. Bei der von uns unter-
    stützen Aufwertung ist darauf zu achten, dass keine un-
    nötig hohen Hürden für den Berufszugang geschaffen
    werden. Berufszugänge müssen tendenziell erleichtert
    und Chancen zur Weiterqualifizierung gewährleistet
    sein.

    Für uns ist auch bei dieser Ausbildungsneuregelung
    wichtig, dass es in der Praxis zu keiner Zwei-Klassen-
    oder gar Dreiklassenbesetzung auf den Einsatzfahr-
    zeugen kommt.

    In der Übergangsphase der Neuregelung der Aus-
    bildung der Rettungsassistentinnen und Rettungsassis-
    tenten zum Notfallsanitäter und zur Notfallsanitäterin
    ist dringend darauf zu achten, dass es zu keinen inak-
    zeptablen Verwerfungen bei den Vergütungen kommt.
    Gezielte, nur aus Kostenersparnisgründen vorgenom-
    mene Verlagerungen von Tätigkeiten auf geringer qua-
    lifizierte Rettungshelfer und Rettungshelferinnen oder
    Rettungssanitäter und Rettungssanitäterinnen sind in-
    akzeptabel.

    Jedem heutigen Rettungsassistenten muss die nied-
    rigschwellige Möglichkeit zum Erwerb des neuen
    Berufsbildes gegeben werden. Ihre im Beruf erwor-
    bene praxisbezogene Erfahrung muss eine angemes-
    sene Berücksichtigung bei Weiterbildungsmöglichkei-
    ten finden.

    Die SPD-Bundestagsfraktion befürwortet grund-
    sätzlich Regelungen zur Delegation von ärztlichen Tä-
    tigkeiten. Trotz der Letztverantwortung des Arztes/der
    Ärztin müssen im Interesse der Hilfesuchenden und der
    interdisziplinären Kooperation Möglichkeiten zur Ent-
    lastung der Mediziner und Medizinerinnen evaluiert
    und in die Praxis überführt werden. Auf diese Weise
    gewinnt der Beruf der Notfallsanitäterin, des Notfall-
    sanitäters an weiterem Ansehen und die Notfallpatien-
    tinnen und -patienten erhalten eine noch bessere Ver-
    sorgung.

    Kritik am bislang geltenden Rettungsassistenten-
    gesetz gibt es in der Frage der bestehenden Rechtsun-
    sicherheit bei der Anwendung von invasiven Maßnah-
    men im Rahmen der sogenannten Notkompetenz. Der
    dazu nun im Gesetzentwurf verankerte Regelungsvor-
    schlag und die Ausführungen in der Begründung zum

    Zu Protokoll gegebene Reden

    26414 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012

    Mechthild Rawert


    (A) (C)



    (D)(B)


    Gesetzentwurf müssen in einer hoffentlich stattfinden-
    den Anhörung intensiv diskutiert werden, um für Not-
    fallsanitäterinnen und Notfallsanitäter Handlungsfä-
    higkeit und Rechtssicherheit zu gewährleisten.

    Die geplante Einführung einer Ausbildungsvergü-
    tung und die Schaffung eines Ausbildungsrahmens
    wird von der SPD-Bundestagsfraktion begrüßt. Si-
    cherzustellen ist dabei die Finanzierung der zukünfti-
    gen Ausbildung. Die Träger selbst, als Arbeitgeber der
    künftigen Notfallsanitäter und Notfallsanitäterinnen,
    müssen für die Ausbildung ihrer späteren Mitarbeite-
    rinnen und Mitarbeiter finanziell aufkommen. Wir So-
    zialdemokratinnen und Sozialdemokraten lehnen Re-
    gelungen ab, nach denen Auszubildende für ihre
    Ausbildungen selbst zahlen und unter anderem Schul-
    geld zahlen müssen.

    Folgende Fragen sind noch ungeklärt und sind in
    einer Anhörung im Gesundheitsausschuss des Deut-
    schen Bundestages mit den Fachverbänden zu disku-

    (Mehr– Schätzungen gehen von einer durchschnittlichen Kostensteigerung von 15 000 Euro auf 40 000 Euro aus – der umfangreicheren und längeren Ausbildung geregelt? Wie können Forderungen nach einem Zugang auch für Schüler und Schülerinnen mit einem 10-jährigen allgemeinbildenden Schulabschluss sichergestellt werden? Wie kann der von freien Trägern befürchtete Rückgang der Zahl der Auszubildenden vermieden werden, wenn die Träger nur noch in ihren trägereigenen Schulen ausbilden würden? Welche Folgen hätte die fehlende Erwähnung des Beamtenrechts – Feuerwehr – im Gesetz? Führt dies zu einer Alleinstellung der Feuerwehrsanitäter? Welche Auswirkungen hätte der Gesetzentwurf auf die Besonderheiten von Beamtenverhältnissen im Blick auf den Dienstherrn? Dieser kommt auch schon bisher für die Ausbildung – an eigenen Schulen – und die nachfolgende Anstellung auf. Der vorliegende Gesetzentwurf will auch Regelungen im Bereich der Ausbildung für Hebammen und Entbindungspfleger ändern. Ich begrüße, dass Teile der praktischen Ausbildung künftig stärker auch im außerklinischen Bereich durchgeführt werden und die Dauer der praktischen Ausbildung im außerklinischen Bereich bis zu 480 Stunden betragen soll. Damit wird der Praxis Rechnung getragen, dass in den vergangenen Jahren die Verweildauer nach Entbindungen stetig kürzer geworden ist und Schwangere und junge Mütter im häuslichen Umfeld mehr Unterstützungsleistungen von Hebammen benötigen und nachfragen. Für mich ist klar: Es geht in der Arbeit von heutigen Rettungsassistentinnen und Rettungsassistenten wie auch zukünftigen Notfallsanitätern und Notfallsanitäterinnen am Einsatzort oft schlicht um Leben und Tod. Oft zählt jede Sekunde. Wir müssen mit dem neuen Ausbildungsgesetz rechtlich einwandfreie Lösungen finden, damit sich künftig Notfallsanitäter und Notfallsanitäterinnen darauf verlassen können, dass ihr Handeln so rechtlich abgesichert ist, dass es sie nicht im Nachhinein vor den Kadi führt. Im Sinne und Interesse der Patientinnen und Patienten muss es darum gehen, den Übergang zu diesem neuen Berufsbild mit allen seinen Herausforderungen im Miteinander von Rettungsassistentinnen und Rettungsassistenten sowie Notärztinnen und Notärzten erfolgreich zu gestalten und zum Erfolg zu führen. In den letzten 20 Jahren hat sich im medizinischen Sektor viel verändert. Innovationen und Verbesserungen helfen den Menschen, ihre Gesundheit zu erhalten oder wieder gesund zu werden. Nur ein Bereich wurde jahrelang übersehen, ja nahezu ignoriert: der Bereich der Notfallversorgung durch die Rettungsassistenten. Daher war es mir und der FDP eine Herzensangelegenheit, diesen Zustand zu verbessern, und jetzt ist es der christlich-liberalen Koalition gelungen, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der den Anforderungen einer sich stetig weiterentwickelnden Medizin im Bereich der Notfallversorgung der Menschen vor Ort gerecht wird. Endlich wurden langjährige Forderungen nach einer Neuregelung der Rettungsassistentenausbildung aufgegriffen, und ich kann behaupten, dass dieses Gesetz den gewandelten Anforderungen im Rettungswesen Rechnung trägt. Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie frustrierend es für die Rettungsassistentinnen und Rettungsassistenten am Unfallort war, wenn sie hätten helfen können, aber es nicht durften, weil ihnen die veraltete Gesetzgebung die Hände gebunden hatte. Zukünftig wird die Notkompetenz in eine Regelkompetenz überführt, sodass die Notfallsanitäter im Bedarfsfall ohne rechtliche Grauzone lebensrettende Maßnahmen einleiten können. Nur so wird die notärztliche Versorgung unterstützt, und Wartezeiten bzw. Transportzeiten können zugunsten des Patienten besser überbrückt werden. Denn die Berufsgruppe der Notfallsanitäter ist es, die neben den Notärztinnen und Notärzten die Hauptlast und die hauptsächliche Verantwortung im Rettungsdienst trägt. Daher auch die neue Bezeichnung als Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter. Insbesondere in ländlichen Regionen mit vielen älteren Menschen sowie größeren Entfernungen zu Ärzten oder Krankenhäusern, die die medizinische Versorgung gewährleisten, sind die Notfallsanitäter vor Ort enorm wichtig. Ihre Qualifikation ist die wesentliche Voraussetzung dafür, dass auch weiterhin eine fachund bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung durch den Rettungsdienst garantiert werden kann. Grundlage muss daher eine gründliche und qualitativ hochwertige Ausbildung sein. Deshalb wird mit dem Gesetz die Ausbildungszeit von derzeit zwei auf drei Jahre verlängert, und die Schülerinnen und Schüler müssen für ihre Ausbildung nicht mehr zahlen. Damit passt sich die Ausbildung anderen Ausbildungsberufen im Gesundheitswesen an. Dabei hat die christlich-liberale Koalition auch die Finanzen vor Augen; denn nur durch geschultes Perso Zu Protokoll gegebene Reden Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012 26415 Jens Ackermann nal können Folgekosten beispielsweise im Krankenhaus oder bei der Pflege reduziert oder gar vermieden werden. Außerdem ist es zum Beispiel in meiner Heimat Sachsen-Anhalt momentan so, dass die Zeitspanne bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes nicht mehr als zwölf Minuten betragen darf. Der Notarzt allerdings hat noch acht Minuten mehr – dass in diesen acht Minuten über Leben und Tod entschieden werden kann, muss ich ihnen sicher nicht noch deutlicher sagen. Wie eingangs erwähnt, bin ich sehr zufrieden mit dem Gesetz und freue mich, dass wir damit wieder einmal mehr einen Beitrag zur umfassenden Versorgung aller Menschen in unserem Land leisten konnten. Viele Jahre mussten wir auf einen Entwurf zur Überarbeitung des Rettungsassistentengesetzes warten. Lang und zäh verhandelten Bund, Länder und Berufsorganisationen über die Ausbildungsund Arbeitsinhalte für die neuen Notfallsanitäterinnen und -sanitäter, aber nicht zuletzt auch über die Finanzierung ihrer Ausbildung. Was nun hier vorgelegt wurde, zeigt, dass die lange Überzeugungsarbeit zumindest an einigen Stellen ein paar Früchte getragen hat: Die Linke begrüßt, dass zukünftig die Zahlung einer Ausbildungsvergütung gesetzlich vorgesehen sein soll. Leider fehlt ein explizites Verbot von Schulgeld. Alleine die Nichtigkeitserklärung von Schulgeldforderungen in § 20 des Gesetzentwurfs reicht als Schutz für die Auszubildenden nicht aus; an dieser Stelle sollte nachgebessert werden. Halbwegs positiv zu bewerten ist auch, dass die Qualifizierung durch die dreijährige Ausbildung und die Vertiefung der Inhalte verbessert wird. Aber schon bei den zu vermittelnden Kompetenzen fehlt es an stringenten bundeseinheitlichen Festlegungen. Untragbar für uns sind die vorgesehenen Regelungen zur Aberkennung der Erlaubnis, die Berufsbezeichnung „Notfallsanitäterin“ bzw. „Notfallsanitäter“ zu führen. Wer nicht mehr die entsprechende gesundheitliche oder körperliche Eignung hat, dem soll die Erlaubnis nachträglich entzogen werden, und zwar nicht die Erlaubnis zur Berufsausübung, sondern die zum Tragen der Berufsbezeichnung. Damit aber würde eine Person, deren Gesundheit vielleicht sogar aufgrund der Arbeitsbedingungen einen Schaden genommen hat, nicht nur erwerbslos, sondern sogar den Anspruch auf Berufsunfähigkeitsrente verlieren, denn wenn kein Beruf vorliegt, dann kann es auch keine Berufsunfähigkeit, keine entsprechende Rentenzahlung und keine adäquate Umschulung geben. Das zu ändern ist sehr wichtig, denn viele werden diesen schweren Beruf nicht bis zum Rentenalter ausüben können. Zu den Übergangsfristen: Ein abgestuftes Verfahren der Nachqualifizierung je nach jetziger Ausbildung, Praxiswissen und Dauer der Berufsausübung er scheint sinnvoll und zweckmäßig. Wir werden aber noch darüber reden müssen, ob die im Entwurf getroffenen Regelungen die richtigen sind. Die Nachqualifizierung könnte helfen, die erweiterte Kompetenz dieses neuen Berufszweigs zu unterstreichen, was auch wichtig sein könnte, um Widerstände bei der Ärzteschaft zu überwinden. Auch wenn ich mich hier wieder einmal bei Teilen der Ärzteschaft unbeliebt machen sollte: Wir brauchen im Gesetz dringend eine Klarstellung zur Durchführung bestimmter ärztlicher Tätigkeiten. Denn die zukünftigen Notfallsanitäterinnen und -sanitäter brauchen mehr Rechtssicherheit bei ihrer Berufsausübung. Ihre praktische Tätigkeit im Rahmen der Akutversorgung kann es erforderlich machen, Maßnahmen durchzuführen, bei denen es sich juristisch um „Ausübung der Heilkunde“ handelt und die sonst nur von Ärztinnen und Ärzten sowie von Heilpraktikerinnen und Heilpraktikern erbracht werden dürfen. Es muss gesetzlich sichergestellt sein, dass sie dann nicht gegen geltendes Gesetz verstoßen, denn mir ist es aus ganz egoistischen Gründen wichtig, dass mir der Notfallsanitäter hilft, wenn ich medizinische Hilfe brauche und er alleine als Erster am Ort des Geschehens ist. Wir hoffen, dass es uns im Laufe der parlamentarischen Beratung noch gelingt, einige der Forderungen, die wir gemeinsam mit vielen heutigen Rettungssanitäterinnen und -sanitätern und mit der Gewerkschaft erheben, per Änderungsantrag in den Gesetzentwurf hineinzubekommen. Dann wünschen wir dem Gesetzentwurf alles Gute – und vor allem nicht, dass er noch wegen der finanziellen Belastungen für die Länder vom Bundesrat gestoppt wird. Die Forderung, dort nachzubessern, wo Kommunen als Ausbildungsträger gegebenenfalls finanziell überfordert wären, unterstützt die Linke. Aber dieser Gesetzentwurf darf nicht Opfer der Schuldenbremse werden, denn ich bin sicher, dass eine Verbesserung der Notfallversorgung im Sinne der Bürgerinnen und Bürger richtig gut investiertes Geld ist. Außerdem geht es für die circa 4 000 Auszubildenden im Jahr um ihre berufliche Zukunft. Schon in meinem ersten Jahr im Deutschen Bundes tag, das war 2006, hat mich die unzulängliche Situation bei den Rettungsassistenten beschäftigt. Und schon die damalige Regierung, die große Koalition, hatte in Gestalt des damaligen Staatssekretärs Rolf Schwanitz fast im Jahresrhythmus gesetzliche Neuregelungen angekündigt. Dabei sind die Defizite schon lange bekannt. Schon vor nahezu 20 Jahren, 1996, wurde das Reisensburger Memorandum verabschiedet. Dort wurden erstmals die Probleme des bis heute geltenden Rettungsassistentengesetzes benannt. Die Ausbildungsinhalte bilden die gestiegenen Anforderungen an die Rettungsassistentinnen und -assistenten am Unfallort weder in rechtlicher noch in fachlicher Hinsicht ab. Überhaupt Zu Protokoll gegebene Reden 26416 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012 Dr. Harald Terpe ist es fraglich, ob die Ausbildung der Rettungsassistenten mit zwei Jahren nicht viel zu kurz bemessen ist. Es gibt bis heute keine bundeseinheitlichen Mindeststandards für die Ausbildung. Und die Kosten der Ausbildung müssen von den künftigen Rettungsassistenten selbst getragen werden. Vor diesem Hintergrund ist es nur konsequent, die Tätigkeit des Rettungsassistenten zu einem eigenständigen Gesundheitsberuf aufzuwerten und die Ausbildungsinhalte deutlich zu erweitern. Diese Ausbildungsinhalte sollen unter anderem dazu befähigen, die lebensrettenden Sofortmaßnahmen sowie Basisuntersuchungen und Diagnostik der vitalen Funktion am Unfallort durchzuführen. Dazu ist natürlich auch eine entsprechende Ausbildungsdauer nötig. Und es ist notwendig, attraktive Rahmenbedingungen für diesen Ausbildungsberuf zu schaffen. Dazu gehört beispielsweise, dass die Betreffenden einen Ausbildungsvertrag und eine Ausbildungsvergütung erhalten sowie Anspruch auf kostenlose Ausbildungsmaterialien haben. Dazu gehört aber auch eine klare Regelung zur Übernahme der Kosten für die Ausbildung dieses neuen Gesundheitsberufes. Mit dem nun vorliegenden Gesetzentwurf trägt die Bundesregierung diesen Vorschlägen nach jahrzehntelangen Diskussionen nun zumindest teilweise Rechnung und bringt die jahrelange Diskussion zum Abschluss. Allerdings sind wir nicht mit allen Regelungen dieses Gesetzentwurfes einverstanden. Das betrifft vor allem zwei Punkte: Erstens sind die heilkundlichen Maßnahmen, die Notfallsanitäter eigenständig übernehmen sollen, sehr unklar definiert. Es kann nicht angehen, dass dies somit von Rettungsstelle zu Rettungsstelle unterschiedlich gehandhabt wird. Das schafft gerade nicht die nötige Rechtssicherheit für die Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter. Das betrifft auch die unglücklich formulierte Regelung zu den medizinischen Maßnahmen der Erstversorgung. In beiden Fällen muss aus unserer Sicht im Zuge der Ausschussberatungen nochmal gründlich nachgebessert werden. Zweitens haben Sie sich in diesem Gesetzentwurf ein bisschen um die grundsätzliche Frage herumgemogelt, wer denn eigentlich die Kosten für die Ausbildung dieses neuen Gesundheitsberufes tragen soll. Sie übertragen die Kosten stillschweigend auf die Versicherten der gesetzlichen und der privaten Krankenversicherungen. Ich bin mir nicht sicher, ob das die richtige Entscheidung ist. Neben diesen beiden grundsätzlichen Problemen wirft dieser Gesetzentwurf auch in den Details noch ein paar Fragen auf, etwa zu den Übergangsvorschriften für derzeitige Rettungsassistenten, zur Ausgestaltung der Ausbildungsvergütungen sowie zum Einstiegsalter künftiger Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter. Ich hoffe, dass wir diese Dinge im Zuge der Ausschussanhörungen klären können und im Ergebnis ein gutes Gesetz bekommen. Es wird Überweisung des Gesetzentwurfs auf Druck sache 17/11689 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. – Damit sind Sie einverstanden. Dann ist das so beschlossen. Tagesordnungspunkt 38: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung der Abgeordneten Bettina Herlitzius, Dr. Anton Hofreiter, Stephan Kühn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Flächenverbrauch wirkungsvoll reduzieren – Drucksachen 17/6502, 17/8387 – Berichterstattung: Abgeordneter Peter Götz Die Reden wurden zu Protokoll genommen. Die Koalition verfolgt seit Jahren das Ziel, die Flä cheninanspruchnahme zu reduzieren. Und darin sind wir auch erfolgreich. Vor zwölf Jahren lag die Flächeninanspruchnahme pro Tag noch bei 129 Hektar. Bis heute wurde dieser Wert auf circa 87 Hektar pro Tag reduziert. Auch wir wollen die maximale Flächeninanspruchnahme für Siedlungsund Infrastruktur weiterhin drastisch reduzieren. Die in dem Antrag der Grünen erhobenen Forderungen sind leider nicht zweckdienlich. Was die Grünen schaffen wollen, ist ein wahres Bürokratiemonster. Sie wollen alles reglementieren, die Kommunen bevormunden. Ihre Forderungen „zu quantitativen Zielgrößen“ auch die „fragmentierende und zerschneidende Wirkung von Verkehrsprojekten … zu berücksichtigen“, die „Nachweispflicht fehlender Innenentwicklungspotenziale aufzunehmen“, ein verpflichtendes „Flächenmonitoring“ ebenso wie „eine fiskalische Wirkungsanalyse“ vorzuschreiben, laufen einfach in die falsche Richtung. Unsinnig sind auch Ihre Vorstellungen nach Einführung eines Flächenrecylingfonds. Sie gipfeln in der Forderung nach einer Aufnahme eines Demografiechecks für Projekte im Baugesetzbuch. Bürokratieschrecken ohne Ende! Diese Maßnahmen würden sich äußerst investitionshemmend auswirken. Das wollen vielleicht die Grünen, wir nicht. Wir wollen andere Akzente setzen, indem wir den Kommunen Vertrauen entgegenbringen und ihnen deshalb mehr kommunale Planungshoheit übertragen wollen. Ziel ist, dass die Gemeinden ihre Planung eigenverantwortlich erlassen können. Die christlich-liberale Koalition setzt in verschiedenen Bereichen auf Verbesserungen. Ein Ansatzpunkt ist die nachhaltige Stadtentwicklung. Dabei sind Innenstädte und Ortskerne wesentliche Ansatzpunkte. Wesentliche positive Impulse wird das Gesetz zur Stärkung der Innenentwicklung in den Städten und Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012 26417 Ulrich Lange Gemeinden und weiteren Fortentwicklung des Städtebaurechts bringen. Zur Unterstützung des Ziels der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie, die Flächenneuinanspruchnahme zu reduzieren, soll ausdrücklich geregelt werden, dass die städtebauliche Entwicklung vorrangig durch Maßnahmen der Innenentwicklung erfolgen soll. Schwerpunkte sind: Die Notwendigkeit der Umnutzung landwirtschaftlich oder als Wald genutzter Fläche muss besonders begründet werden. Den Kommunen wird es erleichtert, in ihren Bebauungsplänen eine gewollte städtebauliche Verdichtung vorzusehen. Der Schutz zentraler Versorgungsbereiche soll durch Schaffung einer neuen Darstellungsmöglichkeit im Flächennutzungsplan gestärkt werden. Es werden Erleichterungen beim gesetzlichen Vorkaufsrecht der Gemeinden eingeführt. Wir wollen mit diesem Gesetz eine Stärkung der Innenentwicklung, eine Verdichtung des Bauens, eine Entsiegelung bei Neuversiegelung, den Ausbau vor Neubau und eine Bündelung von Infrastruktur erreichen. Aber auch das Bundeslandwirtschaftsministerium arbeitet aktiv an dem genannten Ziel. Das BMELV hat eine Flächenplattform ins Leben gerufen und gemeinsam mit weiteren Bundesressorts, Länderministerien, Kommunen und Verbänden einen Maßnahmenkatalog entwickelt und am 5. November 2012 beschlossen. Dieser sieht eine Reihe von konkreten Vorschlägen vor, um der außerlandwirtschaftlichen Flächeninanspruchnahme wirksam zu begegnen. Kernelemente sind Vorschläge zur verbindlichen Berücksichtigung agrarstruktureller Belange im novellierten Bundesbaugesetz und in der Bundeskompensationsverordnung, die derzeit erarbeitet wird. Auch in der Umweltverträglichkeitsprüfung soll künftig das Schutzgut der natürlichen Ressource Fläche eingeführt werden. Damit wird auch der Schutz landwirtschaftlicher Flächen erhöht und eine unkontrollierte und ungerechtfertigte Inanspruchnahme verhindert. Zu den weiteren Maßnahmen gehören beispielsweise bessere Informationen über Möglichkeiten der Innenentwicklung, also Übersichten zu Brachflächen, Gebäudeleerstand, Baulücken und andere Nachverdichtungsmöglichkeiten, aber auch erweiterte Möglichkeiten zur Entsiegelung von Flächen. Abschließend möchte ich noch auf die Föderalismusreform eingehen. Dort haben wir festgeschrieben, dass der Bund den Gemeinden keine weiteren Aufgaben überstülpt. Und jetzt kommen die Grünen mit einem Wust an Aufgaben für die Kommunen. Allein dies ist Grund genug, dem Antrag der Grünen nicht zuzustimmen. Jeden Tag verlieren wir unwiederbringlich rund 100 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche, Fläche, die wir für die Erzeugung von Lebensmitteln benötigen. Aktuell stehen für rund 81 Millionen Einwohner 12,5 Millionen Hektar Lebensmittelerzeugungsfläche zur Verfügung. Das entspricht rund 1 500 Quadratmetern pro Person. Bei einem täglichen Verlust von 100 Hektar geht der Gesellschaft jährlich eine Lebensmittelerzeugungsfläche für 250 000 Menschen in Deutschland verloren. In nicht mal mehr drei Jahrzehnten werden wir in der Welt nur noch die Hälfte der Fläche für die landwirtschaftliche Lebensmittelproduktion zur Verfügung haben. Ziel der Bundesregierung ist es, diesen Verbrauch auf 30 Hektar pro Tag bis 2020 zu verringern. Umso erstaunlicher ist es, dass die Grünen in ihrem Antrag überhaupt nicht auf die Belange der Landwirtschaft eingehen. Die Worte „Landwirtschaft“, „Landwirt“ und „Bauer“ tauchen in Ihrem Antrag noch nicht einmal auf. Was das Thema Flächenverbrauch angeht, lässt Ihr Antrag jegliche ganzheitliche Betrachtung vermissen. Sie versäumen mit Ihrem Antrag eine Gelegenheit, wirksam etwas gegen den Verbrauch von landwirtschaftlicher Fläche zu tun. Stattdessen präsentieren Sie uns unter dem Deckmantel kommunaler Gestaltungsfreiheit ein bürokratisches Monstrum. Ihr Instrumentarium besteht aus Verboten, Nachweispflichten und Abgaben. Das ist der übliche Dreiklang, den die Grünen benutzen, wenn sie von Gestaltungsmöglichkeiten reden. Das sind alles Methoden aus der grünen Mottenkiste. Was Sie hier den Kommunen als planerische Instrumente verkaufen, führt zu mehr Bürokratie, weiterem personellen und auch finanziellen Aufwand für die Städte und Gemeinden in Deutschland. Einen wichtigen Schritt zur Reduktion des Flächenbedarfs wollen wir mit dem Gesetz zur Stärkung der Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden, also der Baugesetzbuchnovelle, unternehmen. Hier geht es darum, leer stehende Gebäude, brachliegende Flächen und Baulücken innerhalb von Gemeindeund Stadtgebieten wieder besser in eine städtebauliche Nutzung zu integrieren. Eine Ursache des hohen Flächenverbrauchs liegt in der oftmals beliebigen und naturschutzfachlich nicht immer sinnvollen Ausweisung von Ausgleichsflächen. Darüber hinaus werden durch die Ausweisung von Schutzzonen aufgrund der EU-Artenschutzrichtlinie der Landwirtschaft weitere Flächen entzogen. Oftmals wird dabei die Richtlinie sehr stark überinterpretiert, und es werden infolgedessen sehr große Gebiete unter Schutz gestellt. Wir als Union streben daher eine bessere Berücksichtigung landund auch forstwirtschaftlicher Belange bei ökologischen Ausgleichsmaßnahmen an. Wir wollen die Möglichkeiten für produktionsintegrierte Zu Protokoll gegebene Reden 26418 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012 Johannes Röring Kompensationsmaßnahmen stärken. Es ist unser Ziel, zukünftig durch die Aufwertung, Bewirtschaftung und Pflege von Naturschutzflächen mithilfe finanzieller Mittel eine flächenschonende und naturschutzgerechte Realkompensation zu ermöglichen. Dabei muss natürlich sichergestellt werden, dass die Ersatzgelder, welche für Kompensationsmaßnahmen zur Verfügung gestellt werden, nicht für den Ankauf von landwirtschaftlichen bzw. forstwirtschaftlichen Flächen verwendet werden dürfen. Das Verhältnis von Eingriff und Ausgleich sollte bei der Beanspruchung von Agrarflächen in aller Regel eins zu eins nicht übersteigen. Eine weitere Herausforderung wird uns mit dem Netzausbau im Zuge der Energiewende begegnen. Hier müssen die Trassenführungen so erfolgen, dass Ackerflächen nicht übermäßig beansprucht werden und auf Betriebsstrukturen Rücksicht genommen wird. Auch dürfen Ausgleichsmaßnahmen im Zuge des Leitungsbaus nicht zulasten der Landwirtschaft gehen. Wir sollten gemeinsam alle Anstrengungen unternehmen, die landwirtschaftliche Nutzfläche, Acker und Grünland, ebenso unter Schutz zu stellen wie unseren Wald und unsere Feuchtgebiete. Im Hinblick auf den Flächenverbrauch sind die Vorschläge der Grünen alles andere als wirksam. Sie sind stumpfe Schwerter, die allenfalls Geld kosten. Deshalb lehnen wir als Union Ihren Antrag ab. Der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen „Flächenverbrauch wirkungsvoll reduzieren“ ist ein guter Anlass, um Fragen der Nachhaltigkeit und Ökologie im Bereich der Bodenpolitik zu diskutieren. Gleichwohl geht es bei dieser Thematik nicht um Flächenverbrauch, sondern im Sinne des Wortes um Flächeninanspruchnahme. Das ist jedoch nicht die zentrale Frage, sondern es geht hierbei darum, wie wir mit den Vorschlägen im Antrag und darüber hinausgehenden Maßnahmen, auf die ich noch zu sprechen komme, einen messbaren Beitrag leisten, das Ziel zu erreichen, dass ab 2020 die tägliche Flächeninanspruchnahme auf 30 Hektar begrenzt wird. Wir wissen, es gibt in der Praxis Nutzungskonkurrenzen zwischen dem Schutz der Bodenflächen und dem Bedarf aus den Bereichen Verkehr, Wohnungsund Industriebau, Versorgung und Entsorgung – um nur die wichtigsten Bereiche zu nennen, durch die Bodenflächen in Anspruch genommen werden. Das Statistische Bundesamt hat in seiner Veröffentlichung „Nachhaltige Entwicklung in Deutschland“ 2012 festgestellt: „Eine Fortsetzung der derzeitigen durchschnittlichen Entwicklung der letzten Jahre würde weiterhin nicht genügen, um das vorgegebene Reduktionsziel bis 2020 zu erreichen.“ Mit dem Gesetz zur Erleichterung von Planungsvorhaben für die Innenentwicklung der Städte sind bereits konkrete Beschlüsse zur Reduzierung der Flächeninanspruchnahme gefasst worden. Darauf habe ich bereits in meiner Rede zur ersten Beratung des vorliegenden Antrags am 20. Oktober 2011 hingewiesen. Der vorliegende Antrag unterstützt die Zielrichtung, an der wir alle arbeiten müssen, im Rahmen der Nachhaltigkeitsstrategie das Prinzip „Innenentwicklung vor Außenentwicklung“ und „Ausbau vor Neubau“ zu unterstützen und den Grundsatz der Stärkung der Flächenschonung durchzusetzen. Nicht anfreunden kann sich die SPD-Bundestagsfraktion mit einigen Vorschlägen im Antrag der Grünen, die nach unserer Auffassung zur Bürokratisierung führen und auch von den Ländern und Kommunen abgelehnt werden. Ich meine hierbei konkret den Vorschlag, im Baugesetzbuch eine Nachweispflicht für fehlende Innenentwicklungspotenziale aufzunehmen, eine fiskalische Wirkungsanalyse in das Baugesetzbuch zu schreiben, die der Erhebung langfristiger Folgekosten dient, und die Einführung einer Flächenverbrauchsabgabe in einem Modellprojekt. Aus diesem Grund enthält sich die SPD-Bundestagsfraktion bei dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen. In den nächsten Wochen werden wir intensiv die Novelle des Baurechts diskutieren. Es geht hierbei um Änderungen im Baugesetzbuch und in der Baunutzungsverordnung. Das wollten wir schon vor einem Jahr beginnen, aber der Streit zwischen Bauminister Ramsauer und Landwirtschaftsministerin Aigner über die Aufhebung der bestehenden Privilegierung von Anlagen der Intensivtierhaltung im Außenbereich – § 35 Baugesetzbuch – hat das Verfahren um Monate verzögert. Der Kniefall der Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner vor den Interessen des Bauernverbandes, der praktisch einen Beschluss des Bundeskabinetts gestoppt hat, ist ein einmaliger Vorgang, für den die beiden Begriffe stehen: Lobbyismus und Klientelpolitik. Unabhängig von dieser Begleitmusik bei der Baurechtsnovelle bietet das parlamentarische Verfahren die Gelegenheit, die im Gesetz zur Erleichterung von Planungsvorhaben für die Innenentwicklung der Städte geregelten Bedingungen weiter auszubauen. Wir müssen überlegen, wie der Wiedernutzungsgrad erhöht werden kann, ob ein regionales Flächenmanagement eingeführt werden kann und steuerrechtliche Regelungen und Förderpolitik das Ziel unterstützen können, die Flächeninanspruchnahme zu reduzieren. Die Nachhaltigkeitsstrategie darf nicht Theorie bleiben, wir müssen sie zum Kernpunkt der Planungsprozesse machen. Zuständigkeiten, Verwaltungsund politische Entscheidungen müssen auf dieses Ziel ausgerichtet werden. Es geht also darum, fruchtbare Böden stärker zu schützen – wie dies auch von Landwirten gefordert wird – und zu prüfen, ob die Ausweisung von Bodenschutzgebieten im Rahmen der Regionalplanung einen wirksamen Beitrag leisten kann. Alle Programme der Städtebauförderung und Dorferneuerung, der Wirtschaftsförderung und Förderung der ländlichen Räume müssen das Nachhaltigkeitsziel „Reduzierung der Flächeninanspruchnahme“ berücksichtigen und eine Konzentration auf die Innenentwicklung vorsehen. Hierzu müssen auch qualifizierte Formen der Zu Protokoll gegebene Reden Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012 26419 Hans-Joachim Hacker interkommunalen Kooperation und regionalen Zusammenarbeit entwickelt werden. Ich will an dieser Stelle einen kritischen Punkt ansprechen. Es hat in der Vergangenheit bei der Inanspruchnahme von Bodenflächen in vielen Fällen Festlegungen zu Ausgleichsmaßnahmen gegeben, um den ökologischen Nachteil durch Versiegelung des Bodens an anderer Stelle auszugleichen. Ich bezweifle – und dafür gibt es konkrete Belege –, dass diese Auflagen tatsächlich alle umgesetzt worden sind bzw. umgesetzt werden. Im Gegenteil: Es gibt hier einen erheblichen „Schwund“, und daher muss die vom Bundesumweltministerium zu erarbeitende Kompensationsverordnung zum Bundesnaturschutzgesetz die Grundlage für eine konsequente Rechtsdurchsetzung von Entscheidungen über Ausgleichsmaßnahmen bringen. Der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat eine wichtige Thematik angesprochen, wenngleich diese nicht für sich allein, sondern im Rahmen der Baurechtsnovelle gelöst werden muss. Das ist jedenfalls die Auffassung der SPD-Bundestagsfraktion, die wir in den bevorstehenden Berichterstattergesprächen zur Baurechtsnovelle geltend machen werden. Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung geht nach unserer Auffassung mit seinen Vorschlägen zur Reduzierung der Flächeninanspruchnahme nicht weit genug. Die Fragen von Nachhaltigkeit, die Herausforderungen aus der demografischen Entwicklung muss Dr. Ramsauer in seinem Haus tatsächlich intensiver verfolgen. Wir sollten die Gelegenheit des parlamentarischen Verfahrens zur Baurechtsnovelle nutzen, um Vorschläge zur Reduzierung der Flächeninanspruchnahme zu erarbeiten und zu beschließen, die den Herausforderungen bei diesem Thema gerecht werden. Mit Ihrem Antrag, den Flächenverbrauch in Deutschland wirkungsvoll zu reduzieren, zieht die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen wieder einmal ein Murmeltier aus dem Boden. Und ganz nach dem filmischen Vorbild scheinen Sie sich lieber mit einem Schuss ins Blaue auf Zufall und Schicksal zu verlassen, denn darauf, die Realitäten anzuerkennen. Zweitens belegen Sie damit, ganz in der Vergangenheit zu leben – denn substanziell hat sich an Ihren Forderungen seit unserer letzten Debatte zu diesem Thema vor etwas mehr als einem Jahr nichts, aber auch gar nichts geändert. Und das, obwohl die christlichliberale Koalition unter anderem mit der Novelle zum Baugesetzbuch sich ausdrücklich der Problematik des Flächenverbrauchs angenommen und wesentliche Verbesserungen auf den Weg gebracht hat. So wird mit der Überarbeitung des Baugesetzbuches die Innenentwicklung der Städte und Gemeinden ausdrücklich und vorrangig erfolgen. Auf dieser Grundlage werden wir unser Ziel, die Flächenneuinanspruchnahme auf 30 Hektar pro Tag zu reduzieren, wesentlich stärken. Sollten zukünftig landwirtschaftlich oder als Wald genutzte Flächen einer Umnutzung zugeführt werden, so ist das besonders zu begründen. Damit erhöhen wir als Gesetzgeber die Schwelle der Neubebauung und fördern die Entwicklung eines bewussten Umgangs mit freien, unbebauten Flächen. Den Städten und Gemeinden wird es im Zusammenhang mit der Innenentwicklung erleichtert, in ihren Bebauungsplänen eine gewollte städtebauliche Verdichtung vorzusehen. Darüber hinaus ermöglichen wir mit dieser gesetzgeberischen Maßnahme die Schaffung einer neuen Darstellungsmöglichkeit im Flächennutzungsplan. Der Schutz zentraler Versorgungsbereiche wird hier nachdrücklich gestärkt. Mehr noch: Die Kommunen erhalten Erleichterungen beim gesetzlichen Vorkaufsrecht. Das wird den Kommunen einen neuen, wirkungsvollen Handlungsspielraum geben, die Städte und Gemeinden lebenswerter und wohnlicher zu gestalten und gleichzeitig die Innenentwicklung bei geringerem Neuflächenverbrauch zu stärken. Flankiert werden die Maßnahmen von Stadtentwicklungsprogrammen, die haushälterisch insbesondere in den Bereichen gestärkt wurden, die für die Innenentwicklung unserer Kommunen von besonderer Bedeutung sind: „Kleine Städte und Gemeinden“ – dieses Förderprogramm, von dieser Koalition ins Leben gerufen, tut genau das, wenn die Entscheidungsträger auf kommunaler Ebene das wollen. Wir, die christlich-liberale Koalition, werden dieses Programm im Haushalt 2013 mit über 10 Millionen Euro mehr, also 55 Millionen Euro, stärken. Ebenso haben wir das Programm Stadtumbau Ost um 2 Millionen Euro auf 84 Millionen Euro angehoben. Das Programm Stadtumbau West wurde um 12 Millionen Euro auf 83 Millionen Euro angehoben. Das ist passgenaue, das ist investive Förderpolitik, die bei kluger Nutzung vor Ort nicht in die Fläche gehen muss, sondern für die Stärkung der Stadtkerne und Gemeindezentren genutzt werden sollte. Mit Ihren Forderungen beweisen Sie von Bündnis 90/Die Grünen sich einmal mehr als die Beharrungspartei. Die christlich-liberale Koalition handelt; Sie sind nicht einmal in der Lage, zu plan n. Gerade in meinem Heimatland NRW zeigt sich das auf bittere Weise. Die Koalition im Bund stellt 750 Millionen Euro mehr für Infrastrukturausgaben in den Bundeshaushalt ein. Rot-Grün in NRW kann nicht einmal die bereits vorhandenen und vom Bund zur Verfügung gestellten Mittel verplanen, geschweige denn verausgaben. An allen Realitäten vorbei wird die grüne Weltverbesserungsideologie über alles gestellt, solange es eine gute Schlagzeile verspricht. Woher nehmen Sie die Gewissheit, der Staat, die Politik können und wissen alles besser? Gerade der bürgerlichen Mitte, für die Sie in letzter Zeit so gerne eintreten, diesen Bürgerinnen und Bürgern trauen Sie offenbar nichts zu und werden von der SPD dabei tatkräftig unterstützt. Die Beinfreiheit, die der SPD-Kanzlerkandidat sich flehend einfordern muss, geben Sie weder ihm noch den Bürgern. Statt Freiräume für wirtschaftliche Ent Zu Protokoll gegebene Reden 26420 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012 Petra Müller wicklung und bürgerliches Engagement zu schaffen, engen Sie mit erhobenem Zeigefinger und politischen Maßnahmen immer mehr ein. Hier beweisen sich Rot und Grün als Schwestern im Geiste. Von Freiheit, von Bürgerbeteiligung, von Selbstbestimmung predigen – geschwelgt aber wird in Reglementierung, Bevormundung und Bürokratie. Die Koalition aus CDU/CSU und FDP liefert den erfolgreichen Gegenentwurf und wird das auch weiterhin tun. Wasser, Saatgut und Boden – das sind die drei wich tigsten Produktionsgrundlagen für die Landwirtschaft. Verfügbarkeit, Zugang und Teilhabe an diesen Ressourcen entscheiden auch darüber, ob das Recht auf Nahrung und die Ernährungssouveränität gesichert sind. In Europa stellen sich in diesem Kontext natürlich andere Fragen als zum Beispiel in Afrika. Aber auch in der EU und in der Bundesrepublik nehmen Konflikte zu. Die Verteilung des Wassers führt, auch infolge des Klimawandels, in einigen Regionen der Bundesrepublik zeitweise zu Problemen. Der Zugang zu Saatgut ist eigentlich politisch gesichert; aber es gibt zunehmend Einschränkungen, so beispielsweise beim Nachbaurecht oder durch Biopatente. Der Faktor Boden scheint allerdings am meisten gefährdet zu sein. Dabei ist der Boden gleichzeitig die am meisten beschränkte Ressource; denn Boden kann nicht vermehrt werden. Damit ist der Verlust wertvoller Ackerund Weideflächen durch Versiegelung und Bebauung nicht oder nur sehr schwer umkehrbar. Aktuell gehen jeden Tag 87 Hektar Fläche für die Agrarproduktion durch Infrastrukturmaßnahmen wie Straßenoder Siedlungsbau verloren. Das ist zwar etwas weniger als in den vorangegangenen Jahren; aber es sind immer noch täglich 120 Fußballfelder. Seit 1995 verlor die Landwirtschaft 4 Prozent ihrer Fläche, wie das Statistische Bundesamt im Oktober 2012 mitteilte. Das ist ein unmittelbarer dauerhafter Verlust von Produktionsfläche für die Landwirtschaft, aber nicht nur das. Auf diesen Flächen sind die Prozesse der Bodenbildung und des Stoffumsatzes unterbrochen, und sie stehen nicht mehr als Filter oder Lebensraum zur Verfügung. Ziel dieser Bundesregierung wie anderer Bundesregierungen ist und war es, diesen Flächenverbrauch bis 2020 auf 30 Hektar zu reduzieren. Doch davon sind wir noch meilenweit entfernt. Mit den aktuellen Maßnahmen wird das nicht zu schaffen sein. Doch dass man den Heißhunger nach unbebauter Fläche drosseln kann, zeigt ein Blick nach Großbritannien. Dort wird „in Relation zur Bevölkerung weniger als ein Drittel der Fläche neu in Anspruch genommen als in Deutschland“. So schrieb das Umweltbundesamt bereits 2004, um zu belegen, dass das 2002 beschlossene 30-HektarZiel machbar sei. Doch leider hat sich seitdem kaum etwas getan. Weder Rot-Grün noch Schwarz-Rot oder Schwarz-Gelb haben das Problem wirklich angepackt. Gleichzeitig steigen aber die Ansprüche an die Landwirtschaft. Sie soll nun nicht mehr nur Lebensmittel produzieren, sondern zunehmend auch wieder die eigenen Futtermittel. Sie soll ihren Beitrag zur Energieversorgungssicherheit jenseits von Atomstrom und Kohle leisten und gleichzeitig die Kulturlandschaft pflegen. Wir können uns Flächenverbrauch also weniger denn je leisten. Ich sehe angesichts dieser Situation selbst das 30-Hektar-Ziel nur als Zwischenschritt, den wir so schnell wie möglich schaffen müssen. Perspektivisch muss die Siedlungsentwicklung ohne zusätzlichen Flächenverbrauch auskommen. Anstatt neue Straßen zu bauen, sollte die vorhandene Verkehrsinfrastruktur bzw. der Verkehr selbst sozial-ökologisch optimiert werden. Das heißt: integrierte regionale Verkehrskonzepte, die verkehrsvermeidend, flächensparend und öffentlich zugänglich sind, keine Ausweisungen neuer Eigenheimgebiete, sondern besseres Management der vorhandenen Flächen. Innenvor Außenentwicklung darf nicht nur ein Slogan sein, sondern muss verbindliches Handeln werden. Auch bei der Energiewende muss der Flächenverbauch auf das unvermeidbare Maß begrenzt werden. Insbesondere Photovoltaik gehört nicht auf Äcker. Der Netzausbau sollte auf das bei dezentraler Erzeugung und Versorgung notwendige Maß beschränkt werden und vorhandene Infrastruktur, zum Beispiel Bahnlinien, berücksichtigen. Die kommunalpolitische Realität sieht mit Blick auf das 30-Hektar-Ziel leider traurig aus. Flächenwachstum wird mit Gewerbesteueroder Einkommensteuerwachstum der Gemeinde gleichgesetzt. Und wer will dieses Geld angesichts der klammen Kassen in den Städten und Dörfern nicht? So steigt auch hier der Druck auf die Flächen. Der Bau auf der grünen Wiese ist meist billiger als die Nutzung bereits bebauter bzw. versiegelter Flächen. Doch die Folgen sind für die Allgemeinheit nicht länger akzeptabel. Wir brauchen endlich ein wirkungsvolles Umdenken. Die Einführung einer Flächenverbrauchsabgabe ist zum Beispiel ein interessanter Vorschlag. Auch die Stärkung der Innenentwicklung im Baugesetzbuch ist ein wichtiger Schritt. Auch die Landwirtschaft muss ihren eigenen Flächenverbrauch kritisch hinterfragen, zum Beispiel im Zusammenhang mit ihrer Privilegierung beim Bauen im Außenbereich. Das Recht auf Privilegierung muss ja nicht genutzt werden, wenn es sinnvolle Alternativen gibt. Landwirtschaftliche Nutzfläche sollte einen vergleichbaren Schutzstatus erhalten wie durch das Bundeswaldgesetz geschützte forstwirtschaftliche Nutzfläche. Die Inwertsetzung von Flächen im Innenbereich von Siedlungen durch Nachnutzung muss attraktiver gemacht werden. Das stärkt die Städte und trägt zur Modernisierung des vorhandenen Bestandes bei. Innenverdichtung und die Nutzung vor Brachflächen müssen in den Köpfen der Stadtplanung wieder fest verankert Zu Protokoll gegebene Reden Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012 26421 Dr. Kirsten Tackmann werden. Die Nutzung eines Flächenmonitorings und Baulandkatasters kann dazu beitragen. Die Bundestagsfraktion Die Linke hat im Sommer 2012 ein Konzept zum sozial-ökologischen Umbau der Gesellschaft vorgestellt. Es kann unter www.plan-bmitmachen.de gelesen und kommentiert werden. Im Rahmen dieses Projektes haben wir auch über den Flächenverbrauch diskutiert und im Text festgehalten: „Der Flächenverbrauch durch Siedlungen, Ausgleichsflächen oder Verkehrsrouten ist radikal zu reduzieren. Da dieses Ziel seit Jahrzehnten gefordert, aber nicht wirklich erreicht wird, muss über wirkungsvollere Gesetze nachgedacht werden. Auch die Regionalplanung ist zu stärken. Neuversiegelungen sind nur zu genehmigen, wenn sie verpflichtend mit einer Entsiegelung einhergehen. Die Nutzung kommunaler Ökokonten für Ersatzund Ausgleichsmaßnahmen ist vorzuschreiben und ihre flächenschützende Wirkung zu verbessern“. Es ist Zeit, zu handeln. Vor anderthalb Jahren haben wir in erster Lesung den vorliegenden Antrag debattiert. Jetzt ist es an der Zeit, zu resümieren, was sich seitdem zum Thema Flächenverbrauch getan hat. Sicher können wir sagen, dass die Siedlungsfläche in Deutschland seitdem um 400 Millionen Quadratmeter angewachsen ist. Darüber hinaus ist nicht viel passiert. Machen wir mit unserem Flächenverbrauch so weiter wie bisher, ist Deutschland bald völlig zersiedelt, mit zerschnittenen Lebensräumen für Mensch, Flora und Fauna und mit enormen Infrastrukturfolgekosten belastet. Und so wird es wohl aussehen. Denn das Ziel, den Flächenverbrauch bis 2020 auf 30 Hektar am Tag zu begrenzen, rückt in weite Ferne, wenn nicht endlich jemand das Thema ernsthaft angeht. Bis heute weiß niemand: Was bedeutet das 30-Hektar-Ziel überhaupt? 30 Hektar von was? In welchem Zeitraum? So viel? Denn für jeden hört sich 30 Hektar erst einmal nach sehr viel Fläche an. Heruntergebrochen auf die lokale Ebene? Aufgeteilt auf die Länder, die Kommunen und Gemeinden? Und schon schrumpfen die 30 Hektar plötzlich ziemlich zusammen. 30 Hektar am Tag bedeuten eine enorme Reduzierung und eine enorme Veränderung gegenüber dem aktuellen Umgang mit Flächen. Heute sehen wir alle immer wieder neu ausgeschriebene Gewerbegebiete und Wohngebiete – doch keiner stellt die Frage: Brauchen wir diese Flächen wirklich? Welche Folgekosten rollen damit auf die Kommunen, auf die Bürgerinnen und Bürger zu? Gerade nicht ausgelastete technische und verkehrliche Infrastrukturen müssen auch für wenige Nutzerinnen und Nutzer teuer aufrechterhalten und instandgehalten werden – und das in einer in weiten Teilen schrumpfenden Gesellschaft! Ja, auch darüber muss gesprochen werden. Das einzige Projekt, das im letzten Jahr zum Thema Flächenverbrauch von der Regierung aufgenommen wurde, ist die irreführende Kampagne des Bauernver bands. Es wird unterstellt, dass Ausgleichsmaßnahmen hauptverantwortlich sind für den Flächenverbrauch. Dabei wird der größte Teil der Ausgleichsund Ersatzmaßnahmen auf Landwirtschaftsflächen durchgeführt, die dadurch nicht aus der Nutzung fallen. Die Anpflanzung von Streuobstwiesen, Ackerrandstreifen, Extensivierung der Nutzung wird nicht zum Flächenverbrauch beitragen. Das Umweltbundesamt schätzt, dass 3 Prozent des Flächenverbrauchs auf Ausgleichsflächen zurückgehen. Demgegenüber sollte das Wachstum der Verkehrsflächen dringend mehr in den Blickpunkt rücken. Der Anteil der Verkehrsfläche am Flächenverbrauch liegt bei 20 Hektar pro Tag. Der Anteil der Flächen, die durch Verkehrsprojekte beeinträchtigt werden, ist dabei noch um ein Vielfaches höher, als in der Statistik abgebildet wird; denn Verkehrsprojekte beeinträchtigen ihr Umfeld erheblich und haben eine Zerschneidungswirkung, die zusammenhängende Lebensräume zerstört. Unbequeme Wahrheiten hört keiner gerne. Aber die Reduzierung von Flächenverbrauch hat auch viele sehr positive Folgen, über die noch viel zu wenig gesprochen wird: Wir erhalten intakte, wertvolle Böden, gerade auch für die Landwirtschaft; wir erhalten zusammenhängende Lebensräume für viele Arten, wovon nicht zuletzt auch wir Menschen sehr profitieren; und wir sparen erhebliche Kosten, wenn wir nicht auf weitere Zersiedelung setzen, sondern statt dessen auf kompakte Strukturen, Nachverdichtung und in städtischen Räumen das Leitbild der Stadt der kurzen Wege verfolgen. Wir müssen die Reduzierung des Flächenverbrauchs endlich ernsthaft angehen. Statt dessen beraten wir aktuell über eine Novellierung des Bauplanungsrechts, in dem die Änderungen im § 35 – Ersatzneubauten im Außenbereich – mehr Flächenverbrauch verursachen werden und nebenbei auch noch das eigentliche Ziel der Novelle, die Stärkung des Innenbereichs, ad absurdum führen. Wir Grüne machen in unserem Antrag hingegen zahlreiche Vorschläge, mit deren Hilfe der Flächenverbrauch tatsächlich reduziert werden könnte: von verpflichtenden Demografiechecks und der Aufnahme einer fiskalischen Wirkungsanalyse in das Baugesetzbuch, über die Wiedereinführung der Revisionspflicht für Flächennutzungspläne im Zehnjahresrhythmus bis zur Städtebauförderung. Dafür bitten wir um Ihre Zustimmung. Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/8387, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/6502 abzulehnen. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Beschlussempfehlung ist angenommen bei Zustimmung durch die CDU/CSU und FDP. Dagegen waren 26422 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012 Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt Bündnis 90/Die Grünen und die Linken. Die SPD-Fraktion hat sich enthalten. Tagesordnungspunkt 36: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie Bundesregierung Verordnung über Vereinbarungen zu abschaltbaren Lasten (Verordnung zu abschaltbaren Lasten)


Rede von Jens Ackermann
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

(A) (C)


(D)(B)