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ID1721117300

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    Plenarprotokoll 17/211 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 211. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 29. November 2012 I n h a l t : Glückwünsche zum Geburtstag des Vizepräsi- denten Dr. Hermann Otto Solms und des Staatssekretärs Harro Semmler . . . . . . . . . . Erweiterung und Abwicklung der Tagesord- nung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Absetzung der Tagesordnungspunkte 23, 27, 46 und 48 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 2: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Neuregelung energie- wirtschaftsrechtlicher Vorschriften (Drucksachen 17/10754, 17/11269, 17/11705) Dr. Philipp Rösler, Bundesminister  BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hubertus Heil (Peine) (SPD) . . . . . . . . . . . . . Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU) . . . . . . . . . Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus Breil (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Uwe Beckmeyer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Thomas Bareiß (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Johanna Voß (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Rolf Hempelmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Franz Obermeier (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 4: a) Antrag der Abgeordneten Josef Philip Winkler, Volker Beck (Köln), Memet Kilic, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die Menschenwürde von Flüchtlingen ist migrationspolitisch nicht relativierbar – Konsequenzen aus dem Urteil des Bun- desverfassungsgerichts zum Asylbewer- berleistungsgesetz ziehen (Drucksache 17/11663) . . . . . . . . . . . . . . b) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Markus Kurth, Josef Philip Winkler, Fritz Kuhn, weiteren Abgeordne- ten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung des Asylbewer- berleistungsgesetzes (Drucksachen 17/1428, 17/10198) . . . . . . c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales zu dem Antrag der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan Korte, Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Menschenwürdiges Existenzmi- nimum für alle – Asylbewerberleistungs- gesetz abschaffen (Drucksachen 17/4424, 17/10198) . . . . . . d) Antrag der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan Korte, Sevim Dağdelen, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion DIE LINKE: 25629 A 25629 B 25631 C 25631 C 25631 D 25633 C 25635 A 25636 D 25638 A 25640 C 25642 A 25643 B 25643 D 25646 A 25647 B 25650 A 25651 C 25653 B 25653 C 25653 C Inhaltsverzeichnis II Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. November 2012 Auf Flüchtlingsproteste reagieren – Re- sidenzpflicht abschaffen (Drucksache 17/11589) . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 3: a) Antrag der Abgeordneten Gabriele Hiller- Ohm, Anette Kramme, Elke Ferner, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Menschenwürdige Lebensbedin- gungen für Asylbewerberinnen und Asylbewerber sowie Geduldete sicher- stellen – Asylbewerberleistungsgesetz reformieren (Drucksache 17/11674) . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des In- nenausschusses zu dem Antrag der Abge- ordneten Rüdiger Veit, Gabriele Fograscher, Petra Ernstberger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Mehr Bewe- gungsfreiheit für Asylsuchende und Ge- duldete (Drucksachen 17/5912, 17/11716) . . . . . . Renate Künast (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Peter Tauber (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gabriele Hiller-Ohm (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP) . . . . . . . . Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . Paul Lehrieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Elke Ferner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pascal Kober (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Hans-Peter Uhl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . Rüdiger Veit (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reinhard Grindel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Heike Brehmer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 51: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Änderung des Aktiengesetzes (Aktienrechtsnovelle 2012) (Drucksache 17/8989) . . . . . . . . . . . . . . . b) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Protokoll vom 16. Mai 2012 zu den Anliegen der irischen Bevölke- rung bezüglich des Vertrags von Lissa- bon (Drucksache 17/11367) . . . . . . . . . . . . . . c) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Änderung des Elektro- und Elektronikgerätegesetzes (Drucksache 17/11368) . . . . . . . . . . . . . . d) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Änderung versicherungsrechtli- cher Vorschriften (Drucksache 17/11469) . . . . . . . . . . . . . . e) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Ge- setzes zur Entbürokratisierung des Gemeinnützigkeitsrechts (Gemeinnüt- zigkeitsentbürokratisierungsgesetz – GemEntBG) (Drucksache 17/11632) . . . . . . . . . . . . . . f) Antrag der Abgeordneten Friedrich Ostendorff, Cornelia Behm, Harald Ebner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Haltungs- bedingungen für Puten verbessern (Drucksache 17/11667) . . . . . . . . . . . . . . g) Antrag der Abgeordneten Dr. Valerie Wilms, Cornelia Behm, Dorothea Steiner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Havarie des Containerschiffs MSC Flaminia – Aus den Fehlern von Seeunfällen lernen (Drucksache 17/11668) . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 4: a) Antrag der Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter, Markus Tressel, Markus Kurth, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Verkehrs- trägerübergreifende Fahrgastrechte stär- ken (Drucksache 17/11375) . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Steffen Bilger, Peter Götz, Armin Schuster (Weil am Rhein), weiterer Abgeordneter und der 25653 D 25653 D 25654 A 25654 A 25655 C 25656 C 25658 A 25659 B 25661 B 25664 A 25665 D 25667 B 25669 A 25670 A 25671 C 25672 B 25673 D 25675 A 25676 D 25681 D 25677 A 25677 A 25677 A 25677 B 25677 B 25677 C 25677 C 25677 C Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. November 2012 III Fraktion der CDU/CSU sowie der Abge- ordneten Werner Simmling, Birgit Homburger, Ernst Burgbacher, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Projektbeiratsbeschluss bei der Rhein- talbahn umsetzen (Drucksache 17/11652) . . . . . . . . . . . . . . c) Antrag der Abgeordneten Uwe Kekeritz, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Markus Kurth, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Aktionsplan Soziale Sicherung – Ein Beitrag zur weltweiten sozialen Wende (Drucksache 17/11665) . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 52: Antrag der Abgeordneten Dr. Wilhelm Priesmeier, Willi Brase, Heinz Paula, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes an aktuelle Herausforderungen anpassen (Drucksache 17/11653) . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 5: a) Antrag der Abgeordneten Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, Christine Buchholz, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Dem Antrag Palästinas auf er- weiterten Beobachterstatus in der UNO zustimmen (Drucksache 17/11678) . . . . . . . . . . . . . . . b) – e) Beratung der Beschlussempfehlungen des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung (1. Ausschuss): An- trag auf Genehmigung zur Durchfüh- rung eines Strafverfahrens (Drucksachen 17/11618, 17/11619, 17/11620, 17/11621) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Diether Dehm (DIE LINKE)  (Erklärung nach § 31 GO) . . . . . . . . . . . . . Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU) . . . . Tagesordnungspunkt 5: Wahl der Mitglieder des Beirates der Stif- tung Datenschutz (Drucksache 17/11637) . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 6: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der SPD: Unterschiedliche Auffassungen der Koalitionsfraktionen über ihre Pläne zur Einführung von Gutscheinen für Haus- haltshilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Caren Marks (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ingrid Fischbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Jörn Wunderlich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Miriam Gruß (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elke Ferner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Florian Bernschneider (FDP) . . . . . . . . . . . . . Stefan Schwartze (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Rolf Schwanitz (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 3: a) Antrag der Abgeordneten Ingbert Liebing, Max Straubinger, Peter Götz, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion der CDU/ CSU sowie der Abgeordneten Claudia Bögel, Dr. Edmund Peter Geisen, Heinz- Peter Haustein, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Zukunft für ländliche Räume – Regionale Vielfalt si- chern und ausbauen  (Drucksache 17/11654) . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Willi Brase, Dr. Wilhelm Priesmeier, Petra Crone, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Gutes Leben, Gute Innovationen, Gute Arbeit – Politik für ländliche Räume effektiv und effizient gestalten (Drucksache 17/11031) . . . . . . . . . . . . . . c) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Raumordnungsbericht 2011 (Drucksache 17/8360) . . . . . . . . . . . . . . . d) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadt- entwicklung zu dem Antrag der Abgeord- neten Bettina Herlitzius, Hans-Josef Fell, Oliver Krischer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Beitrag der Raumordnung zu Klimaschutz und Energiewende (Drucksachen 17/9583, 17/11672) . . . . . Volker Kauder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Willi Brase (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Andreas Mattfeldt (CDU/CSU) . . . . . . . . . 25677 D 25677 D 25678 B 25678 C 25678 C 25679 A 25679 D 25684 A 25684 B 25684 B 25685 C 25686 D 25688 B 25689 A 25690 B 25691 C 25693 A 25694 B 25695 C 25695 C 25695 D 25695 D 25696 A 25697 C 25698 C IV Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. November 2012 Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Claudia Bögel (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Alexander Süßmair (DIE LINKE) . . . . . . . . . Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ingbert Liebing (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Florian Pronold (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Volker Kauder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Florian Pronold (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Edmund Peter Geisen (FDP) . . . . . . . . . . Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Marlene Mortler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Florian Pronold (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Marlene Mortler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Eckhardt Rehberg (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD) . . . . . . . . . Ulrich Kelber (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Ernst Hinsken (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 7: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadt- entwicklung zu dem Antrag der Abgeord- neten Uwe Beckmeyer, Gustav Herzog, Garrelt Duin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Für eine zukunfts- fähige Wasser- und Schifffahrtsverwal- tung des Bundes und ein modernes Wasserstraßenmanagement (Drucksachen 17/9743, 17/11592) . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadt- entwicklung – zu dem Antrag der Abgeordneten Uwe Beckmeyer, Heinz-Joachim Barchmann, Dr. Hans-Peter Bartels, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der SPD: Zukunftsfähigkeit der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung sichern – zu dem Antrag der Abgeordneten Herbert Behrens, Eva Bulling-Schröter, Roland Claus, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Kein Personalabbau bei der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung – Aufgaben an ökologischer Flusspolitik ausrich- ten – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Valerie Wilms, Stephan Kühn, Dr. Anton Hofreiter, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Neue Netzstruktur für Wasserstraßen präzisieren und die Wasser- und Schifffahrtsverwal- tung reformieren (Drucksachen 17/4030, 17/5548, 17/5056, 17/8330) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär  BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Uwe Beckmeyer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Torsten Staffeldt (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Herbert Behrens (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Matthias Lietz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Gustav Herzog (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 6: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten (Drucksachen 17/10488, 17/11710) . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit – zu dem Antrag der Abgeordneten Mechthild Rawert, Dr. Marlies Volkmer, Bärbel Bas, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Individuelle Ge- sundheitsleistungen eindämmen – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Marlies Volkmer, Dr. Karl Lauterbach, Elke Ferner, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion der SPD: Patientenrechte wirksam verbessern – zu dem Antrag der Abgeordneten Kathrin Vogler, Dr. Martina Bunge, Katrin Kunert, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Mehr Rechte für Patientinnen und Patien- ten – zu dem Antrag der Abgeordneten Maria Klein-Schmeink, Ingrid Hönlinger, Fritz Kuhn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Rechte von Patientinnen und Patienten durchsetzen (Drucksachen 17/9061, 17/11008, 17/6489, 17/6348, 17/11710) . . . . . . . . . . . . . . . . . 25699 A 25699 C 25700 C 25702 C 25703 D 25705 A 25706 D 25707 B 25707 C 25709 A 25709 C 25711 B 25711 C 25711 D 25712 A 25712 D 25713 B 25714 C 25714 B 25715 A 25716 D 25718 B 25720 A 25721 A 25722 C 25724 B 25725 D 25726 A Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. November 2012 V Mechthild Dyckmans (FDP) . . . . . . . . . . . . . Dr. Marlies Volkmer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Christine Aschenberg-Dugnus (FDP) . . . . Wolfgang Zöller (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Kathrin Vogler (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Jan-Marco Luczak (CDU/CSU) . . . . . . . . Mechthild Rawert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Erwin Lotter (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . Christine Aschenberg-Dugnus (FDP) . . . . . . Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erwin Rüddel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 9: Antrag der Abgeordneten Caren Lay, Dr. Barbara Höll, Dr. Kirsten Tackmann, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Energiewende sozial gestalten – Stromsperren gesetzlich untersagen (Drucksache 17/11655) . . . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 7: a) Antrag der Abgeordneten Caren Lay, Dr. Kirsten Tackmann, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Strompreiserhöhung aus- setzen – Faire Strompreise für alle (Drucksache 17/11656) . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Technolo- gie – zu dem Antrag der Abgeordneten Garrelt Duin, Hubertus Heil (Peine), Rolf Hempelmann, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der SPD: Für ein konzeptionelles Vorgehen der Bundesregierung bei der Energie- wende – Masterplan Energiewende – zu dem Antrag der Abgeordneten Bärbel Höhn, Kerstin Andreae, Hans- Josef Fell, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Kosten und Nutzen der Ener- giewende fair verteilen – zu dem Antrag der Abgeordneten Renate Künast, Bärbel Höhn, Kerstin Andreae, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Bezahlbare Energie sichern durch Einsparung, Erneuerbare und mehr Verbraucherrechte (Drucksachen 17/9729, 17/11004, 17/11030, 17/11719) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Caren Lay (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . Thomas Bareiß (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Dirk Becker (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Erik Schweickert (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Caren Lay (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Erik Schweickert (FDP) . . . . . . . . . . . Birgit Homburger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus Breil (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 8: – Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung des EuGH-Urteils vom 20. Oktober 2011 in der Rechtssache C-284/09 (Drucksachen 17/11314, 17/11717) . . . . . – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 17/11718) . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 11: a) Antrag der Abgeordneten Frank Schwabe, Ulrich Kelber, Dirk Becker, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion der SPD so- wie der Abgeordneten Dr. Hermann E. Ott, Bärbel Höhn, Thilo Hoppe, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Klimakonferenz 25726 B 25727 C 25728 C 25729 C 25730 D 25732 B 25734 A 25735 D 25737 A 25737 C 25737 D 25739 A 25740 D 25740 D 25743 B 25743 C 25743 C 25744 A 25744 D 25746 C 25748 C 25749 B 25749 D 25750 A 25750 D 25751 D 25752 B 25753 A 25754 D 25756 A 25756 A VI Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. November 2012 Doha – Kein internationaler Erfolg ohne nationale Vorreiter (Drucksache 17/11651) . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Ab- geordneten Andreas Jung (Konstanz), Marie-Luise Dött, Michael Brand, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/ CSU sowie der Abgeordneten Michael Kauch, Horst Meierhofer, Angelika Brunkhorst, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Die UN-Klimakonfe- renz in Doha – Globalen Klimaschutz wirksam vorantreiben (Drucksachen 17/11514, 17/11714) . . . . . c) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Aktionsplan Anpassung der Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawan- del (Drucksache 17/6550) . . . . . . . . . . . . . . . Frank Schwabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Andreas Jung (Konstanz) (CDU/CSU) . . . . . Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . . Michael Kauch (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Hermann E. Ott (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Josef Göppel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 10: Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung des Einsatzes bewaffneter deutscher Streit- kräfte bei der Unterstützung der gemeinsa- men Reaktion auf terroristische Angriffe gegen die USA auf Grundlage des Arti- kels 51 der Satzung der Vereinten Nationen und des Artikels 5 des Nordatlantikver- trags sowie der Resolutionen 1368 (2001) und 1373 (2001) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen  (Drucksache 17/11466) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister  BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Rolf Mützenich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Michael Link, Staatsminister im  AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE) . . . . . . . . . Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Philipp Mißfelder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 13: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zu dem Antrag der Abge- ordneten Karin Roth (Esslingen), René Röspel, Dr. Sascha Raabe, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der SPD: Für eine Ge- neration frei von Aids/HIV bis 2015 – An- strengungen verstärken und Zusagen in der Entwicklungspolitik einhalten (Drucksachen 17/10096, 17/11711) . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 8: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zu dem Antrag der Abge- ordneten Uwe Kekeritz, Krista Sager, Birgitt Bender, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das Menschenrecht auf Gesundheit umsetzen – Zugang zu Medikamenten weltweit ver- wirklichen (Drucksachen 17/8493, 17/9713) . . . . . . . . . . Karin Roth (Esslingen) (SPD) . . . . . . . . . . . . Sabine Weiss (Wesel I) (CDU/CSU) . . . . . . . Niema Movassat (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sibylle Pfeiffer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Johannes Selle (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Helga Daub (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 12: a) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP einge- brachten Entwurfs eines Elften Gesetzes zur Änderung des Bundes-Immissions- schutzgesetzes (Drucksachen 17/10771, 17/11610) . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadt- entwicklung – zu dem Antrag der Abgeordneten Dirk Fischer (Hamburg), Arnold Vaatz, Daniela Ludwig, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion der CDU/CSU so- wie der Abgeordneten Patrick Döring, Michael Kauch, Birgit Homburger, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der FDP: Schienenlärm wirksam 25756 C 25756 C 25756 D 25756 D 25758 C 25760 A 25761 A 25761 D 25762 D 25763 C 25763 D 25765 A 25766 A 25767 C 25768 C 25769 D 25770 D 25770 D 25771 B 25772 D 25773 D 25774 D 25775 B 25776 A 25777 A 25778 C Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. November 2012 VII reduzieren – Schienengüterverkehr nachhaltig gestalten – zu dem Antrag der Abgeordneten Gustav Herzog, Uwe Beckmeyer, Doris Barnett, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Für einen neuen Infrastrukturkonsens – Schutz der Menschen vor Straßen- und Schienenlärm nachdrücklich verbes- sern – zu dem Antrag der Abgeordneten Gustav Herzog, Uwe Beckmeyer, Doris Barnett, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Bürgerinnen und Bürger dauerhaft vom Bahnlärm entlasten – Alternative Güterver- kehrsstrecke zum Mittelrheintal an- gehen – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter, Winfried Hermann, Kerstin Andreae, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Schutz vor Bahnlärm ver- bessern – Veraltetes Lärmprivileg „Schienenbonus“ abschaffen (Drucksachen 17/10780, 17/5461, 17/6452, 17/4652, 17/11610) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dirk Fischer (Hamburg) (CDU/CSU) . . . . . . Gustav Herzog (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Kauch (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sabine Leidig (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Daniela Ludwig (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 24: Erste Beratung des von den Abgeordneten Katrin Kunert, Dr. Kirsten Tackmann, Dr. Dietmar Bartsch, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Kapitalgesell- schaften mit kommunaler Beteiligung (Drucksache 17/11587) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Stephan Harbarth (CDU/CSU) . . . . . . . . Ingo Egloff (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Marco Buschmann (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . Katrin Kunert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 14: Antrag der Abgeordneten Wolfgang Börnsen (Bönstrup), Karin Evers-Meyer, Maria Michalk, Cornelia Behm, Serkan Tören und weiterer Abgeordneter: 20 Jahre Zeichnung der Eu- ropäischen Charta der Regional- oder Min- derheitensprachen (Drucksache 17/11638) . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU) . Karin Evers-Meyer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Torsten Staffeldt (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Raju Sharma (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Maria Michalk (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 17: Antrag der Abgeordneten Daniela Wagner, Bettina Herlitzius, Dr. Anton Hofreiter, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Energiewende im Gebäudebestand sozial gerecht, umwelt- freundlich, wirtschaftlich und zukunftswei- send umsetzen (Drucksache 17/11664) . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 16: a) Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zu den Än- derungen vom 10. und 11. Juni 2010 des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs vom 17. Juli 1998 (Drucksachen 17/10975, 17/11583) . . . . . b) Antrag der Fraktion der SPD: Universal Periodic Review – Menschenrechtslage in Deutschland auf dem Prüfstand des UN-Menschenrechtsrates (Drucksache 17/11675) . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 18: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsver- fahrens und zur Stärkung der Gläubiger- rechte (Drucksache 17/11268) . . . . . . . . . . . . . . . . . 25778 D 25779 B 25780 C 25782 B 25783 A 25783 D 25784 D 25786 C 25786 C 25786 D 25787 B 25787 D 25789 A 25789 D 25790 A 25791 B 25792 D 25794 B 25795 B 25796 B 25797 C 25797 D 25798 A 25798 A VIII Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. November 2012 Tagesordnungspunkt 20: a) Antrag der Abgeordneten Heidemarie Wieczorek-Zeul, Edelgard Bulmahn, Dr. h. c. Gernot Erler, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der SPD: Negativ- bilanz nach zwei Jahren im UN-Sicher- heitsrat (Drucksache 17/11576) . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Fraktion der SPD: Deutschland im VN-Sicherheitsrat – Impulse für Frie- den und Abrüstung (Drucksachen 17/4863, 17/7397) . . . . . . . c) Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses – zu dem Antrag der Fraktion der SPD: Die internationale Schutzverantwor- tung weiterentwickeln – zu dem Antrag der Abgeordneten Tom Koenigs, Kerstin Müller (Köln), Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Schutzverantwortung wei- terentwickeln und wirksam umset- zen (Drucksachen 17/8808, 17/9584, 17/10902) Tagesordnungspunkt 19: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Siebenten Ge- setzes zur Änderung des Urheberrechtsge- setzes (Drucksache 17/11470) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär  BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Martin Dörmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Thomas Jarzombek (CDU/CSU) . . . . . . . . Ansgar Heveling (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Dr. Petra Sitte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thomas Silberhorn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lars Klingbeil (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jimmy Schulz (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 22: Antrag der Abgeordneten Daniela Kolbe (Leipzig), Sebastian Edathy, Petra Ernstberger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Hinschauen – Dunkelfeldforschung zum Thema Rechtsextremismus (Drucksache 17/11366) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Franz Josef Jung (CDU/CSU) . . . . . . . . . Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD) . . . . . . . . . . . Dr. Stefan Ruppert (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . Monika Lazar (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 21: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Stärkung der Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden und wei- teren Fortentwicklung des Städtebau- rechts (Drucksache 17/11468) . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Bettina Herlitzius, Daniela Wagner, Friedrich Ostendorff, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Bauge- setzbuch wirklich novellieren (Drucksache 17/10846) . . . . . . . . . . . . . . c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadt- entwicklung – zu dem Antrag der Abgeordneten Kirsten Lühmann, Sören Bartol, Uwe Beckmeyer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Barrierefreie Mobilität und barrierefreies Woh- nen – Voraussetzungen für Teilhabe und Gleichberechtigung – zu dem Antrag der Abgeordneten Heidrun Bluhm, Dr. Ilja Seifert, Dr. Kirsten Tackmann, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion DIE LINKE: Barrierefreies Bauen im Baugesetz- buch verbindlich regeln – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter, Markus Kurth, Daniela Wagner, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Barrieren abbauen – Mobilität und Wohnen für alle (Drucksachen 17/6295, 17/9426, 17/9406, 17/11646) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25798 B 25798 C 25798 C 25799 A 25799 B 25800 A 25800 C 25801 C 25803 C 25804 C 25805 C 25806 B 25807 C 25808 C 25809 C 25809 C 25812 B 25813 B 25814 B 25815 B 25816 C 25816 C 25816 D Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. November 2012 IX Tagesordnungspunkt 32: Beschlussempfehlung und Bericht des Innen- ausschusses – zu dem Antrag der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan Korte, Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Einführung einer Kenn- zeichnungspflicht für Angehörige der Bundespolizei – zu dem Antrag der Abgeordneten Ulla Jelpke, Karin Binder, Frank Tempel, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Einsatz von Pfefferspray durch die Polizei massiv beschränken (Drucksachen 17/4682, 17/5055, 17/11263) . Günter Baumann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Wolfgang Gunkel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Gisela Piltz (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Frank Tempel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 9: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch (Drucksache 17/11726) . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 26: Beschlussempfehlung und Bericht des Finanz- ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Thomas Gambke, Britta Haßelmann, Lisa Paus, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Steuerliche Transparenz von multinationalen Unter- nehmen herstellen – Country-by-Country und Project-by-Project Reporting einfüh- ren (Drucksachen 17/11075, 17/11695) . . . . . . . . Manfred Kolbe (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Lothar Binding (Heidelberg) (SPD) . . . . . . . . Holger Krestel (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Dr. Thomas Gambke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 25: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung agrarmarktrechtli- cher Bestimmungen (Drucksachen 17/11294, 17/11354, 17/11677) Josef Rief (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD) . . . . . . . . . . . . Dr. Christel Happach-Kasan (FDP) . . . . . . . Alexander Süßmair (DIE LINKE) . . . . . . . . . Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 28: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe zu dem Antrag der Abgeordneten Angelika Graf (Rosenheim), Wolfgang Gunkel, Dr. h. c. Gernot Erler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Anerkennung und Wiedergutmachung des Leids der „Trostfrauen“ (Drucksachen 17/8789, 17/10084) . . . . . . . . . Ute Granold (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Angelika Graf (Rosenheim) (SPD) . . . . . . . . . Pascal Kober (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Annette Groth (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Ute Koczy (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 29: – Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP einge- brachten Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes  (Drucksachen 17/11317, 17/11699) . . . . . – Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung des Ur- heberrechtsgesetzes (Drucksachen 17/10087, 17/11699) . . . . . Tagesordnungspunkt 30: Antrag der Abgeordneten Uwe Beckmeyer, Dr. Hans-Peter Bartels, Sören Bartol, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: 25817 B 25817 C 25818 D 25819 C 25820 B 25821 B 25822 B 25822 B 25822 C 25823 C 25824 C 25825 B 25825 D 25827 A 25827 B 25827 D 25828 C 25829 D 25830 C 25831 B 25831 B 25832 D 25834 A 25835 A 25836 A 25837 A 25837 A X Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. November 2012 Schutz vor Schiffsunfällen beim Bau der Fehmarnbelt-Querung sicherstellen (Drucksache 17/11365) . . . . . . . . . . . . . . . . . Gero Storjohann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Matthias Lietz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Uwe Beckmeyer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Torsten Staffeldt (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Herbert Behrens (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 31: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2012/6/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. März 2012 zur Änderung der Richt- linie 78/660/EWG des Rates über den Jahresabschluss von Gesellschaften be- stimmter Rechtsformen hinsichtlich Kleinstbetrieben (Kleinstkapitalgesell- schaften-Bilanzrechtsänderungsgesetz – MicroBilG) (Drucksachen 17/11292, 17/11353, 17/11702) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu dem Antrag der Ab- geordneten Beate Walter-Rosenheimer, Dr. Thomas Gambke, Ingrid Hönlinger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Erleichte- rungen für Klein- und Kleinstkapitalge- sellschaften bei der Offenlegung der Jahresabschlüsse (Drucksachen 17/11027, 17/11702) . . . . . Marco Wanderwitz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Ingo Egloff (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Marco Buschmann (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . Richard Pitterle (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 41: Antrag der Abgeordneten Dr. Petra Sitte, Jan Korte, Agnes Alpers, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Arbeitsbedin- gungen und Berufsperspektiven von Pro- movierenden verbessern (Drucksache 17/11044) . . . . . . . . . . . . . . . . . Tankred Schipanski (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Swen Schulz (Spandau) (SPD) . . . . . . . . . . . . Dr. Martin Neumann (Lausitz) (FDP) . . . . . . Dr. Petra Sitte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Krista Sager (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär  BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 33: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend – zu dem Antrag der Abgeordneten Dorothee Bär, Markus Grübel, Marcus Weinberg (Hamburg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abge- ordneten Miriam Gruß, Nicole Bracht- Bendt, Florian Bernschneider, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Tagespflegepersonen stärken – Qualifi- kation steigern – zu dem Antrag der Abgeordneten Caren Marks, Petra Crone, Christel Humme, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Neuen „Krippengipfel“ einbe- rufen – Ausbau der frühkindlichen Bil- dung und Betreuung voranbringen – zu dem Antrag der Abgeordneten Katja Dörner, Ekin Deligöz, Britta Haßelmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wahlfrei- heit gewährleisten, Kindertagesbetreu- ung ausbauen – zu der Unterrichtung durch die Bundesre- gierung: Bericht der Bundesregierung über den Stand des Ausbaus für ein be- darfsgerechtes Angebot an Kinderta- gesbetreuung für Kinder unter drei Jahren für das Berichtsjahr 2010 (Zweiter Zwischenbericht zur Evalua- tion des Kinderförderungsgesetzes) – zu der Unterrichtung durch die Bundesre- gierung: Bericht der Bundesregierung über den Stand des Ausbaus für ein be- darfsgerechtes Angebot an Kinderta- gesbetreuung für Kinder unter drei Jahren für das Berichtsjahr 2011 (Drit- ter Zwischenbericht zur Evaluation des Kinderförderungsgesetzes) (Drucksachen 17/9925, 17/5518, 17/9929, 17/5900, 17/9850, 17/11574) . . . . . . . . . . . . . Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU) . . 25837 C 25837 D 25838 C 25839 C 25840 C 25841 A 25842 A 25843 C 25843 D 25844 A 25845 A 25845 B 25845 D 25847 A 25847 A 25848 C 25849 D 25851 A 25852 A 25853 A 25854 C 25855 A Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. November 2012 XI Caren Marks (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Miriam Gruß (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diana Golze (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . Katja Dörner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 34: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung – zu dem Antrag der Abgeordneten Klaus Riegert, Sibylle Pfeiffer, Dr. Christian Ruck, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abge- ordneten Helga Daub, Joachim Günther (Plauen), Harald Leibrecht, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion der FDP: „weltwärts“ wird Gemeinschaftswerk – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Bärbel Kofler, Dr. Sascha Raabe, Lothar Binding (Heidelberg), weiterer Ab- geordneter und der Fraktion der SPD: „weltwärts“ – Ein Freiwilligendienst mit Zukunft (Drucksachen 17/9027, 17/8769, 17/10061) . Klaus Riegert (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Bärbel Kofler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Joachim Günther (Plauen) (FDP) . . . . . . . . . Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Ulrich Schneider (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 35: Antrag der Abgeordneten Daniela Wagner, Bettina Herlitzius, Dr. Anton Hofreiter, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Ökologische Bau- stoffe – Klima schützen, Energie sparen und Ölabhängigkeit reduzieren (Drucksache 17/11380) . . . . . . . . . . . . . . . . . Volkmar Vogel (Kleinsaara) (CDU/CSU) . . . Ulrich Lange (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Michael Groß (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Petra Müller (Aachen) (FDP) . . . . . . . . . . . . Heidrun Bluhm (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Daniela Wagner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 36: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Umwelt, Naturschutz und Reak- torsicherheit – zu dem Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Neue Impulse für einen wirksa- men und umfassenden Schutz der Afri- kanischen Elefanten – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Christian Ruck, Josef Göppel, Marie- Luise Dött, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abge- ordneten Michael Kauch, Horst Meierhofer, Angelika Brunkhorst, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion der FDP: Neue Im- pulse für einen wirksamen und um- fassenden Schutz der Afrikanischen Elefanten (Drucksachen 17/11554, 17/10110, 17/11715) Josef Göppel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Matthias Miersch (SPD) . . . . . . . . . . . . . Angelika Brunkhorst (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . . Undine Kurth (Quedlinburg) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 37: Antrag der Abgeordneten Josip Juratovic, Anette Kramme, Petra Ernstberger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Beate Müller- Gemmeke, Uwe Kekeritz, Memet Kilic, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Arbeitsbedingungen von Hausangestellten verbessern – ILO- Übereinkommen Nr. 189 ratifizieren (Drucksache 17/11370) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Matthias Zimmer (CDU/CSU) . . . . . . . . . Max Straubinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Josip Juratovic (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) . . . . . . . . . . . . . . 25856 C 25858 A 25858 D 25859 C 25860 C 25860 D 25862 A 25863 B 25864 A 25864 D 25865 D 25866 A 25866 D 25867 D 25868 C 25869 B 25870 A 25871 C 25871 D 25872 D 25873 B 25873 D 25874 D 25875 D 25876 A 25876 D 25877 C 25878 D XII Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. November 2012 Klaus Ernst (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 38: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Kultur und Medien – zu dem Antrag der Abgeordneten Wolfgang Börnsen (Bönstrup), Peter Altmaier, Dorothee Bär, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Dr. Claudia Winterstein, Burkhardt Müller-Sönksen, Gabriele Molitor, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Barrierefreies Filman- gebot umfassend ausweiten – Mehr An- gebote für Hör- und Sehbehinderte – zu dem Antrag der Abgeordneten Claudia Roth (Augsburg), Tabea Rößner, Markus Kurth, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sofortprogramm zur Ausweitung des barrierefreien Filmangebots auflegen (Drucksachen 17/7709, 17/8355, 17/10029) . Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU) . . Marco Wanderwitz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Angelika Krüger-Leißner (SPD) . . . . . . . . . . . Burkhardt Müller-Sönksen (FDP) . . . . . . . . . Kathrin Senger-Schäfer (DIE LINKE) . . . . . . Claudia Roth (Augsburg) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 39: Antrag der Abgeordneten Silvia Schmidt (Eisleben), Gabriele Hiller-Ohm, Anette Kramme, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Taubblindheit als Behin- derung eigener Art anerkennen – Merkzei- chen Taubblindheit einführen (Drucksache 17/11676) . . . . . . . . . . . . . . . . . Maria Michalk (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Silvia Schmidt (Eisleben) (SPD) . . . . . . . . . . . Gabriele Molitor (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 40: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Strafbarkeit der gewerbsmäßigen Förde- rung der Selbsttötung (Drucksache 17/11126) . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 44: Antrag der Abgeordneten Jens Petermann, Katrin Kunert, Dr. Kirsten Tackmann, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Sportförderung neu denken – Strukturen verändern (Drucksache 17/11374) . . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus Riegert (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Eberhard Gienger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Martin Gerster (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Joachim Günther (Plauen) (FDP) . . . . . . . . . Katrin Kunert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 43: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- wärtigen Ausschusses – zu dem Antrag der Abgeordneten Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, Christine Buchholz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Diplomatische Be- ziehungen zu Palästina aufwerten – zu dem Antrag der Abgeordneten Kerstin Müller (Köln), Volker Beck (Köln), Marieluise Beck (Bremen), weiterer Ab- geordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Die Zwei-Staa- ten-Perspektive für den israelisch- palästinensischen Konflikt erhalten – Entwicklung der C-Gebiete in der Westbank fördern – Abrissverfügungen für Solaranlagen stoppen – zu dem Antrag der Abgeordneten Kerstin Müller (Köln), Volker Beck (Köln), Marieluise Beck (Bremen), weiterer Ab- geordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Die Zwei-Staa- ten-Perspektive für eine friedliche Regelung des israelisch-palästinensi- schen Konflikts retten (Drucksachen 17/8375, 17/9981, 17/10640, 17/11452) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25879 C 25880 B 25881 B 25881 C 25882 D 25883 D 25885 A 25885 D 25886 C 25887 C 25887 C 25889 B 25890 B 25891 B 25892 B 25892 D 25893 A 25893 B 25894 C 25896 C 25897 B 25898 A 25899 A 25899 D Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. November 2012 XIII Philipp Mißfelder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Günter Gloser (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Rainer Stinner (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Frank Heinrich (CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung über den Entwurf eines Geset- zes zur Aufhebung des Asylbewerberleis- tungsgesetzes (Tagesordnungspunkt 4 b) . . . . Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) zur Abstim- mung über den Antrag auf Genehmigung zur Durchführung eines Strafverfahrens (Zusatz- tagesordnungspunkt 5 b) . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung des EuGH-Urteils vom 20. Oktober 2011 in der Rechtssache C-284/09 (Tagesordnungs- punkt 8) Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU) . . . . . Dr. Mathias Middelberg (CDU/CSU) . . . . . . . Lothar Binding (Heidelberg) (SPD) . . . . . . . . Dr. Daniel Volk (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Dr. Thomas Gambke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des Antrags: 20 Jahre Zeichnung der Europäi- schen Charta der Regional- oder Minderhei- tensprachen (Tagesordnungspunkt 14) Serkan Tören (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Entwurf eines Gesetzes zu den Änderun- gen vom 10. und 11. Juni 2010 des Römi- schen Statuts des Internationalen Strafge- richtshofs vom 17. Juli 1998 – Antrag: Universal Periodic Review – Menschenrechtslage in Deutschland auf dem Prüfstand des UN-Menschenrechtsra- tes (Tagesordnungspunkte 16 a und 16 b) Michael Frieser (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Christoph Strässer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Marina Schuster (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Jan van Aken (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Energiewende im Gebäudebe- stand sozial gerecht, umweltfreundlich, wirt- schaftlich und zukunftsweisend umsetzen (Tagesordnungspunkt 17) Volkmar Vogel (Kleinsaara) (CDU/CSU) . . . Karl Holmeier (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Michael Groß (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sebastian Körber (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Heidrun Bluhm (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Daniela Wagner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte (Tagesord- nungspunkt 18) Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU) . Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU) . . . . . 25900 B 25901 C 25902 A 25903 A 25903 D 25905 C 25907 A 25907 C 25908 A 25908 C 25909 C 25910 C 25912 C 25913 B 25914 A 25914 D 25915 C 25917 D 25919 B 25920 C 25921 B 25922 C 25923 B 25924 B 25925 C 25926 B 25927 C 25929 C 25930 C XIV Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. November 2012 Sonja Steffen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Richard Pitterle (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sabine Leutheusser-Schnarrenberger,  Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Antrag: Negativbilanz nach zwei Jahren im UN-Sicherheitsrat – Beschlussempfehlung und Bericht zu dem Antrag: Deutschland im VN-Sicherheits- rat – Impulse für Frieden und Abrüstung – Beschlussempfehlung und Bericht zu den Anträgen: – Die internationale Schutzverantwor- tung weiterentwickeln – Schutzverantwortung weiterentwickeln und wirksam umsetzen (Tagesordnungspunkt 20 a bis c) Jürgen Klimke (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Wolfgang Götzer (CDU/CSU) . . . . . . . . . Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) . . . . . . . . Bijan Djir-Sarai (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Innenentwicklung in den Städten und Ge- meinden und weiteren Fortentwicklung des Städtebaurechts – Antrag: Baugesetzbuch wirklich novellie- ren – Beschlussempfehlung und Bericht zu den Anträgen: – Barrierefreie Mobilität und barriere- freies Wohnen – Voraussetzungen für Teilhabe und Gleichberechtigung – Barrierefreies Bauen im Baugesetz- buch verbindlich regeln – Barrieren abbauen – Mobilität und Wohnen für alle (Tagesordnungspunkte 21 a bis 21 c) Peter Götz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . Volkmar Vogel (Kleinsaara) (CDU/CSU) . . . Hans-Joachim Hacker (SPD) . . . . . . . . . . . . Petra Müller (Aachen) (FDP) . . . . . . . . . . . . Alexander Süßmair (DIE LINKE) . . . . . . . . . Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes (Tagesordnungs- punkt 29) Ansgar Heveling (CDU/CSU). . . . . . . . . . . . . Thomas Silberhorn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Marianne Schieder (Schwandorf) (SPD) . . . . René Röspel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stephan Thomae (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Petra Sitte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Krista Sager (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 12 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Strafbarkeit der gewerbsmäßigen Förderung der Selbsttö- tung (Tagesordnungspunkt 40) Ansgar Heveling (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Norbert Geis (CDU/CSU). . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Edgar Franke (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Kathrin Senger-Schäfer (DIE LINKE) . . . . . . Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sabine Leutheusser-Schnarrenberger,  Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 13 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Än- derung des Einführungsgesetzes zum Strafge- setzbuch (Zusatztagesordnungspunkt 9) Ansgar Heveling (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Norbert Geis (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 25931 B 25932 B 25933 A 25933 D 25934 D 25935 D 25936 C 25938 B 25938 D 25940 B 25941 C 25942 C 25943 B 25944 D 25945 C 25946 B 25947 A 25948 A 25949 A 25949 D 25950 D 25951 C 25952 B 25953 B 25954 B 25955 C 25956 D 25958 A 25959 B 25960 A 25960 D Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. November 2012 XV Burkhard Lischka (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Christian Ahrendt (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Halina Wawzyniak (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25962 A 25962 B 25962 D 25963 C Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. November 2012 25629 (A) (C) (D)(B) 211. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 29. November 2012 Beginn: 10.00 Uhr
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    Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. November 2012 25907 (A) (C) (D)(B) Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten * für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver- sammlung der NATO Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Frank Heinrich (CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Aufhebung des Asylbewerberleistungsgesetzes (Tagesordnungs- punkt 4 b) Asylbewerber in Deutschland müssen rechtlich besser gestellt werden. Das Asylbewerberleistungsgesetz in sei- ner jetzigen Form wird weder der Lebenswirklichkeit von Flüchtlingen gerecht, wovon ich mir persönlich ein Bild bei Begegnungen mit Asylbewerbern machen konnte, noch den grundlegenden rechtlichen Rahmenbe- dingungen in der Bundesrepublik, wie das Urteil des BVG zeigt und die Expertenberichte bestätigen. Deshalb bedarf es einer gründlichen und bedarfs- gerechten Überarbeitung des Asylbewerberleistungsge- setzes bzw. einer grundlegenden gesetzlichen Neurege- lung. Hier stimme ich in der Sache dem Anliegen der Anträge zu. Die geforderte Sicherung des menschenwür- digen Existenzminimums wurde durch Bundesministerin von der Leyen ausdrücklich begrüßt und wird bereits umgesetzt. Eine gesetzliche Neuregelung ist im BMI sowie im BMSFJ in Arbeit. Die hier zu beschließenden Vorschläge einer bloßen Abschaffung des Gesetzes dagegen greifen für eine umfassende Gesetzgebung zu kurz. Zum Antrag in TOP 4 d der Fraktion der Linken noch eine grundsätzliche Bemerkung: Das Prinzip der Rechts- staatlichkeit lässt eine Gesetzgebung aus aktueller und situativer Betroffenheit nicht zu. Ich begrüße die erwähnte Demonstration der Asylbewerber und unter- stütze das Anliegen, die Residenzpflicht zu überdenken. Dies muss aber einem politischen Konzept folgen und  Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Brinkmann (Hildesheim), Bernhard SPD 29.11.2012 Bulmahn, Edelgard SPD 29.11.2012 Canel, Sylvia FDP 29.11.2012 Deligöz, Ekin BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 29.11.2012 Fischer (Göttingen), Hartwig CDU/CSU 29.11.2012 Frankenhauser, Herbert CDU/CSU 29.11.2012 Hardt, Jürgen CDU/CSU 29.11.2012* Dr. Hein, Rosemarie DIE LINKE 29.11.2012 Heinen-Esser, Ursula CDU/CSU 29.11.2012 Hirte, Christian CDU/CSU 29.11.2012* Humme, Christel SPD 29.11.2012 Kuhn, Fritz BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 29.11.2012 Dr. Lauterbach, Karl SPD 29.11.2012 Mast, Katja SPD 29.11.2012 Maurer, Ulrich DIE LINKE 29.11.2012 Meierhofer, Horst FDP 29.11.2012 Menzner, Dorothée DIE LINKE 29.11.2012 Nink, Manfred SPD 29.11.2012 Pieper, Cornelia FDP 29.11.2012 Ploetz, Yvonne DIE LINKE 29.11.2012 Rachel, Thomas CDU/CSU 29.11.2012 Dr. Ratjen-Damerau, Christiane FDP 29.11.2012 Schlecht, Michael DIE LINKE 29.11.2012 Schuster, Marina FDP 29.11.2012 Dr. Schwanholz, Martin SPD 29.11.2012 Simmling, Werner FDP 29.11.2012 Dr. Wadephul, Johann CDU/CSU 29.11.2012 Wellenreuther, Ingo CDU/CSU 29.11.2012 Zypries, Brigitte SPD 29.11.2012  Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Anlagen 25908 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. November 2012 (A) (C) (D)(B) die rechtlichen Auswirkungen nach allen Seiten berück- sichtigen. Ein spontaner Impuls reicht für ein belastbares Gesetzgebungsverfahren nicht aus – und genau deswe- gen werden die Gesetze in den zuständigen Ministerien zur Zeit überarbeitet. Persönlich werde ich mich dafür einsetzen, dass Er- gebnisse zeitnah und konkret vorgelegt werden. Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) zur Abstimmung über den Antrag auf Genehmigung zur Durchführung eines Straf- verfahrens (Zusatztagesordnungspunkt 5 b) Ich habe den Anträgen auf Genehmigung der Durch- führung von Strafverfahren gegen meine Kolleginnen und Kollegen Sevim Dağdelen, Inge Höger, Jan van Aken und Dr. Diether Dehm nicht zugestimmt. Dazu will ich erklären: Erstens. Die Immunität von Abgeordneten gehört ebenso wie die freie und geheime Wahl, das Rede- und Stimmrecht und der Schutz der Person zu den elementa- ren Parlamentsrechten. Die Immunität aufzuheben, sie besteht konkret und grundsätzlich, bedarf es aus meiner Sicht drastischer Vorhaltungen. Die Genannten haben jedoch von ihren Bürgerrechten Gebrauch gemacht. Ihre Zivilcourage verdient Schutz und Anerkennung, nicht Verfolgung. Wer die Rechte von Parlamentariern ein- schränkt, schränkt das Parlament ein und damit die Volkssouveränität. Deshalb habe ich den Anträgen nicht zugestimmt. Zweitens. Art und Weise wie Form und Inhalt von Protesten und Demonstrationen unterliegen einem be- ständigen Wandel, so wie auch die Gesellschaft sich wandelt. Gleichermaßen bleibt das Prinzip der Gewalt- losigkeit. Denken Sie zum Beispiel an das Mittel der Blockade. Diese Protestform ist mit den Blockaden in Mutlangen aufgekommen und danach an vielen anderen Orten angewandt worden. Heute ist auch diese Protest- form gesellschaftlich weitgehend akzeptiert, und Verfol- gungen wurden eingestellt bzw. gar nicht erst eingeleitet. Unrühmliche Ausnahme ist allerdings die Verfolgung der Naziblockierer und Naziblockiererinnen von Dres- den durch die sächsische Staatsanwaltschaft. Auch das „Schottern“ findet weit mehr gesellschaftliche Akzep- tanz, als den Behörden dieses Landes lieb ist. Weder die konkrete, öffentliche Aktion noch die öffentlich geäu- ßerte Sympathie darf aus meiner Sicht verfolgt werden. Deshalb habe ich den vorliegenden Anträgen nicht zuge- stimmt. Drittens. Auch die Provokation, die Überzeichnung von Zuständen, ist ein zulässiges Mittel des Protestes, der Politik und Kunst. Ohne die Provokation gäbe es heute zum Beispiel keine gesellschaftliche Mehrheit für eine Energiewende. Da ich für den Ausstieg aus der Kernenergie bin, kann ich einer Verfolgung von Atom- kraftgegnerinnen und -gegnern nicht zustimmen. Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung des EuGH-Urteils vom 20. Oktober 2011 in der Rechtssache C-284/09 (Tagesord- nungspunkt 8) Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU): Mit der derzeitigen Behandlung von Streubesitzdividenden ver- stößt das deutsche Steuerrecht gegen europäische Recht- sprechung. Es handelt sich um eine Benachteiligung von ausländischen Kapitalgesellschaften mit Sitz im EU/ EWR-Raum. Bisher wird eine Abgeltungsteuer auf Dividendenzah- lungen an ausländische Unternehmen bei einer Beteili- gung von unter 10 Prozent erhoben. Dabei wird eine Ka- pitalertragsteuer von 25 Prozent, bei Vorhandensein eines Doppelbesteuerungsabkommens von 15 Prozent, einbehalten. Auch bei inländischen Unternehmen wird die Kapi- talertragsteuer erhoben; sie wird jedoch mit der Körper- schaftsteuer verrechnet. So wird eine Mehrfachbesteue- rung vermieden. Bei ausländischen Unternehmen hat der Kapitalertragsteuereinbehalt hingegen grundsätzlich ab- geltende Wirkung. Der EuGH hat eine Korrektur dieser ungleichen Be- handlung von inländischen und ausländischen Kapital- gesellschaften gefordert. Dieser Forderung tragen wir nun Rechnung. Die Ungleichheit muss beseitigt werden. Das gehört zur Steuergleichheit und Steuergerechtigkeit. Hierfür hat die Koalition einen Gesetzentwurf vorge- legt, der von einer großen Mehrheit der Sachverständi- gen begrüßt wurde, weil er eine korrekte, förderliche und gerechte Lösung präsentiert. Das Grundanliegen des Gesetzentwurfs ist es, die Be- stimmungen zur Erstattung der Kapitalertragsteuer an die Vorgaben des EuGH anzupassen. Wir erreichen die Gleichstellung von ausländischen und inländischen Ka- pitalgesellschaften dadurch, dass wir die ausländischen mit der bestehenden Freistellung der inländischen gleichstellen. So beseitigen wir den europarechtswidri- gen Zustand auch rückwirkend. Es ist richtig, dass dies erstens Steuermindereinahmen bedeutet und zweitens eine rückwirkende Erstattung deutscher Kapitalertragsteuer an ausländische Kapitalge- sellschaften mit Sitz im EU/EWR-Raum stattfindet. Der Steuergesetzgeber kann sich nicht von willkürlichen Steuermehreinnahmewünschen leiten lassen. Steuerpoli- tik benötigt auch die Akzeptanz der Wirtschaft. Natürlich ist die im Gesetzentwurf vorgesehene Er- stattungsregelung – wie bereits bei unseren österreichi- schen Nachbarn – an klare Bedingungen geknüpft: Die Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. November 2012 25909 (A) (C) (D)(B) Erstattung auf Antrag kommt nur dann infrage, wenn die ausländische Kapitalgesellschaft nachweist, dass die deutsche Kapitalertragsteuer im Ausland weder ange- rechnet noch als Betriebsausgabe abgezogen worden ist. Es wird keine doppelte Entlastung geben. Wir setzen die Vorgabe des Europäischen Gerichts- hofs zugunsten der Steuerpflichtigen um, ohne dass deutschen Unternehmen zusätzliche Steuerlasten aufer- legt würden – im Gegensatz zu Teilen der Opposition, die neue Belastungen durch Steuererhöhungen durchset- zen will. Rot-Grün will die Gleichstellung dadurch schaffen, dass die inländische Steuerbefreiung aufgeho- ben wird. Sie müssen doch einsehen, dass deutsche Un- ternehmen bei dieser Variante erheblich belastet würden! Gerade junge Unternehmen in der Gründungsphase, Kleinanleger und vor allem auch Versicherungen wären betroffen. Junge Unternehmen wie Start-ups sind auf mehrere Investoren angewiesen. Wenn wir den Streube- sitz besteuern, dann wird diese Finanzierung erschwert. Der Vorschlag des Bundesrates würde dem Wirt- schaftsstandort Deutschland erheblichen Schaden zufü- gen. Die Steuerpflicht für Streubesitzdividenden würde zu einer systemwidrigen Mehrfachbesteuerung desselben Gewinns und damit zu drastischen Steuererhöhungen führen. Wird der Gewinn über mehrere Beteiligungsstu- fen ausgeschüttet, entsteht hierdurch ein Kaskadeneffekt. Das bedeutet, dass mit jeder Ebene, über die ein Gewinn innerhalb eines Unternehmens weitergereicht wird, auch die Besteuerungsstufen kulminieren. Bereits bei einer weiteren Tochterebene und damit zwei Ebenen würde die Steuerbelastung bei 64 Prozent anstatt bei der Normal- steuerlast von 49,5 Prozent liegen. Massiv und ungerechtfertigt getroffen durch den Kas- kadeneffekt wären insbesondere die Verbundstrukturen der Sparkassen sowie der Volks- und Raiffeisenbanken – aufgrund der dezentralen Struktur werden Regional- und Spitzeninstitute, Dienstleister und andere Verbundunter- nehmen von einer Vielzahl kleinerer Institute „getragen“, die somit zwangsläufig nur Minderheitsbeteiligungen halten –, Venture-Capital- und Private-Equity-Finanzie- rungen, der deutsche Aktienmarkt – denn es steht zu be- fürchten, dass sich private und institutionelle Anleger aus Renditegründen in erheblichem Umfang zurückziehen könnten; ich denke hier auch an mögliche panische Betei- ligungsverkäufe –, die betriebliche Altersvorsorge, da Pensionsverpflichtungen großer Arbeitgeber auch mit Streubesitzbeteiligungen unterlegt sind. Angesichts der gerade in der letzten Zeit geführten Debatte über eine aus- reichende Alterssicherung frage ich mich, wie die Bun- desländer ernsthaft über eine Aufhebung der Steuerbe- freiung von Streubesitzdividenden nachdenken können. Die Einführung einer Schedulenbesteuerung, wie sie vom Bundesrat vorgeschlagen worden ist, würde die Un- ternehmensbesteuerung erheblich verkomplizieren, was im Widerspruch zum Koalitionsvertrag steht. Würde der Vorschlag der Bundesländermehrheit umgesetzt, könnten sich Unternehmen entschließen, ihre Hauptniederlassung aus Deutschland hinaus zu verlegen. So würden dem deutschen Haushalt zukünftige Steuereinnahmen entge- hen. Die Diskriminierung von ausländischen Kapitalge- sellschaften wollen Teile der Opposition also dadurch beseitigen, dass zum einen deutsche Unternehmen er- heblichen Steuermehrbelastungen ausgesetzt werden und zum anderen der Wirtschaftstandort Deutschland seine Attraktivität einbüßt. Diese falsche Politik der Steuererhöhung lehnen wir entschieden ab. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf gelingt es uns, einen fiskalisch vertretbaren Weg einzuschlagen. So werden wir den Vorgaben des Europäischen Gerichts- hofs gerecht, ohne deutschen Unternehmen zusätzliche, sachlich nicht gerechtfertigte Lasten aufzubürden. Es ist der richtige Weg, um Investitionen und Unternehmen nicht aus unserem Land zu vertreiben, sondern sie hier zu halten. Dieser Grundsatz unserer Steuerpolitik dient dem Wachstum und den Arbeitsplätzen in Deutschland. Dr. Mathias Middelberg (CDU/CSU): Mit dem von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Gesetzentwurf setzen wir Vorgaben aus dem EuGH- Urteil vom 20. Oktober 2011 in der Rechtssache C-284/09 um. Der vom EuGH beanstandete unionsrechtswidrige Zustand wird, auch mit Wirkung für die Vergangenheit, beseitigt. Die von dem EuGH-Urteil betroffenen auslän- dischen EU-Körperschaften werden von der Kapitaler- tragsteuer bei Vorliegen der Voraussetzungen entlastet. Die Vorgaben des EuGH werden punktgenau umgesetzt. Eine Erstattung erfolgt allerdings nur, soweit nachgewie- sen wird, dass die deutsche Kapitalertragsteuer im Ausland weder angerechnet noch als Betriebsausgabe abgezogen worden ist oder zukünftig steuerlich berück- sichtigt werden kann. Durch die Umsetzung der Formulierungshilfe dürfte es in den Kassenjahren 2013 und 2014 zu einer Erstat- tung von Kapitalertragsteuer in einer Größenordnung von rund 1,5 Milliarden Euro kommen. Darin sind die Er- stattungen für die Altfälle enthalten. In den darauffol- genden Jahren wird das Volumen der jährlichen Erstattun- gen auf eine Größenordnung von bis zu 650 Millionen Euro pro anno geschätzt. Die Erstattungen belasten zur Hälfte den Bundeshaushalt. Die Steuerfreiheit von konzerninternen Dividenden ist keine Begünstigung von Unternehmen, sondern eine rein technische Umsetzung des Teileinkünfteverfahrens. Dieses Teileinkünfteverfahren ist mit der Unternehmen- steuerreform 2008 von der Großen Koalition eingeführt worden. Danach soll die Besteuerung von Kapitalgesell- schaftsgewinnen in einem ersten Schritt bei der Kapital- gesellschaft und in einem zweiten Schritt als Dividende erst bei Ausschüttung an den privaten Gesellschafter er- folgen. In Beteiligungsketten sollte sichergestellt sein, dass es bei einer Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuerbelas- tung von zusammen 30 Prozent so lange bleibt, bis der Gewinn die Ebene der Körperschaft verlässt und an eine natürliche Person ausgeschüttet wird. Wenn Sie dieses System der Steuerfreiheit konzerninterner Dividenden aufmachen, würde das zu einer systemwidrigen Überbe- 25910 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. November 2012 (A) (C) (D)(B) steuerung führen, da Gewinne bereits vor Ausschüttung an den Gesellschafter auf der Ebene der Kapitalgesell- schaft mehrfach besteuert würden. Bei Ausschüttungen über mehrere Konzernebenen kann es dabei zu erheblichen Kaskadeneffekten kom- men. Bisher liegt die Gesamtbelastung bei 49,5 Prozent Steuern – 30 Prozent auf Ebene der Körperschaft und 29,5 Prozent auf der Ebene privater Gesellschafter – 25 Prozent Abgeltungsteuer plus 5,5 Prozent Soli. Bei dem Vorschlag des Bundesrates würden die Ausschüt- tungen konzernintern auf jeder Mutter-Tochter-Stufe im- mer wieder besteuert. Bei zwei Konzernebenen wären wir bei 64 Prozent Gesamtbelastung, bei drei Ebenen bei 76 Prozent und bei vier Ebenen bei 83 Prozent. Das Bun- desratsmodell würde deshalb eine Welle von gesell- schaftsrechtlichen Umstrukturierungen auslösen. Die Anhörung hat gezeigt, dass vor allem im Bereich der Fondsbesteuerung die entstehenden Nachteile ver- heerend wären: Insbesondere in der betrieblichen Al- tersvorsorge würden die zusätzlichen Belastungen die Kapitalerträge mindern und zwangsläufig zu einer Ab- senkung der betrieblichen Versorgungsleistungen führen. Von deutschen Unternehmen gegebene Pensionszusa- gen werden häufig mittels Wertpapieranlagen gedeckt. Diese Wertpapieranlagen bestehen dabei typischerweise auch aus Aktien. Aufgrund der vorgebenden und ange- strebten Risikostreuung werden regelmäßig nur Streube- sitzbeteiligungen gehalten. Diese langfristige und risiko- diversifizierte Aktienanlage steigert die Rendite des zur Deckung der Pensionszusagen dienenden Wertpapier- portfolios. Aufgrund der definitiven Vorbelastung wären zudem Fondsanlagen steuerbefreiter institutioneller Anleger – Kirchen, Stiftungen, steuerbefreite Pensions- und Un- terstützungskassen – generell benachteiligt. Der negative Anreiz von Minderheitsbeteiligungen unterhalb von 10 Prozent würde auch Start-ups in beson- derer Weise treffen. Oft werden in diesen Bereichen zur Festigung der Unternehmensbeziehungen, aber auch zur Stärkung des Eigenkapitals Beteiligungen von unter 10 Prozent eingegangen. Eine Steuerpflicht der Erträge aus diesen Beteiligungen würde ein solches Engagement deutlich unattraktiver machen. Dadurch würden erfolg- reiche Start-ups in ihren Investitionen ausgebremst. Um die vom EuGH konstatierte Europarechtswidrig- keit des derzeitigen Steuerrechts zu bereinigen, muss zwar die Ungleichbehandlung zwischen einem ausländi- schen und einem inländischen Anteilseigner beseitigt werden. Dies darf aber nicht dadurch geschehen, dass die Inländerbesteuerung verschlechtert wird. Stattdessen muss Deutschland die Besteuerungssituation ausländi- scher Anteilseigner verbessern. Dies kann zum Beispiel dadurch geschehen, dass Deutschland die Kapitalertrag- steuer erstattet, die die ausschüttende deutsche Gesell- schaft an das Finanzamt abgeführt hat. In Österreich ist dieses Modell bereits Gesetz. So sollten wir es jetzt hier bei uns installieren. Unternehmensteuerrecht steht zunehmend im interna- tionalen Wettbewerb. Wir haben im Moment ein gutes, wettbewerbsfähiges Steuerrecht. Diesen Standortvorteil sollten wir nicht gefährden – nicht im Interesse von Unternehmen oder irgendwelchen Managern, sondern im Interesse der Arbeitsplätze und der Steuereinnahmen, die wir damit sichern. Das Steuermodell des Bundesrates würde dem Standort Deutschland massiv schaden. Zahl- reiche Unternehmen würden ihren Konzernsitz ins euro- päische Nachbarland verlegen. Solche Sitzverlegungen sind heute schnell gemacht. Massive Steuerausfälle wären die Folge. Dann hätten wir wirkliche Steueraus- fälle, die wir vermeiden, wenn wir den Entwurf dieser Koalition umsetzen. Deshalb sollten wir diesem Gesetz- entwurf zustimmen! Lothar Binding (Heidelberg) (SPD): Wir beraten heute in abschließender Lesung den Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen zur Neuregelung der Besteuerung von Dividendenausschüttungen auf Unternehmens- anteile, die sich in Streubesitz befinden. Ich hätte mir ge- wünscht, dass wir die Beratungen zu diesem Gesetz heute noch nicht abschließen, da nach unserer Einschät- zung und der Meinung vieler Sachverständiger wichtige Fragen nicht geklärt sind. Die Koalitionsfraktionen ha- ben eine gute Gelegenheit vergeben, im Dialog mit den anderen Fraktionen und den Bundesländern zu einer Lö- sung zu kommen, die sowohl den Vorgaben der Ent- scheidung des Europäischen Gerichtshofs gerecht wird, als auch den fiskalischen Interessen von Bund und Län- dern dient. Da die Sachlage nicht ganz einfach ist, will ich einige einleitende Bemerkungen zur Erläuterung vorausschicken. Die Besteuerung von Streubesitzdividenden muss im Zusammenhang mit dem Körperschaftsteuersystem be- trachtet werden. Seit dem europarechtlich gebotenen Systemwechsel mit der Aufgabe des Vollanrechnungs- verfahrens sind in- und ausländische Beteiligungserträge bei Körperschaften steuerfrei. Diese Befreiung erfolgt, da die Steuerbelastung auf der Ebene der Körperschaften endgültig verbleibt und nicht mehr mit der Steuerschuld des Anteilseigner verrechnet wird. Ohne diese Befreiung würde es bei Unternehmensverbünden zu einer Mehr- fachbesteuerung kommen, wenn ein Gewinn über meh- rere Stufen von einer Konzerngesellschaft zu einer anderen Konzerngesellschaft ausgeschüttet wird. Wir sprechen vom Kaskadeneffekt, der die komplette Dividende bei wiederholtem Kapitalertragsteuerabzug auf die soge- nannte Schachteldividende schnell aufzehren würde. Hier sind also Verschonungen in großem Umfang – mit guter Begründung – vorgesehen. Die europäische Mutter-Tochter-Richtlinie schreibt vor, dass Schachteldividenden, die infolge einer strategi- schen Beteiligung einer Kapitalgesellschaft an einer an- deren erzielt werden, vom Steuerabzug ausgenommen werden müssen. Außerhalb von Konzernverbünden ist eine solche Steuerbefreiung hingegen nicht gerechtfer- tigt. Folgerichtig ist bei sogenannten Streubesitzdividen- den, die durch eine Beteiligung von unter 10 Prozent ge- kennzeichnet sind und deshalb in Konzernstrukturen keine Bedeutung haben, eine Besteuerung zulässig. Die „Lücke“ zwischen Streubesitzbetrachtung und Schach- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. November 2012 25911 (A) (C) (D)(B) telbeteiligung entsteht leider infolge der EU-Regelungen in der Mutter-Tochter-Richtlinie – damit ist uns eine an- dere Definition von Streubesitz oberhalb der 10 Prozent nicht möglich. Anlass für den vorliegenden Gesetzentwurf ist die Beanstandung der in Deutschland bislang geltenden Be- steuerung von Streubesitzdividenden durch den Europäi- schen Gerichtshof. Der Kapitalertragsteuerabzug wird unabhängig von der empfangenden Körperschaft durch- geführt. Inländische Körperschaften können die einbe- haltene Kapitalertragsteuer im Rahmen der Körper- schaftsteuerveranlagung in voller Höhe anrechnen. Bei ausländischen Körperschaften ohne inländische Be- triebsstätte hat der Kapitalertragsteuerabzug hingegen grundsätzlich definitive Wirkung. Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 20. Oktober 2011 entschieden, dass die Abgel- tungswirkung der Kapitalertragsteuer bei ausländischen Körperschaften eine nicht zu rechtfertigende Diskrimi- nierung und einen Verstoß gegen die Kapitalverkehrs- freiheit darstellt. Auch die mögliche Anrechnung der Kapitalertragsteuer im Empfängerland ist nach Ansicht des Gerichts nicht ausreichend, um die Diskriminierung zu heilen. Da bei Schachteldividenden an EU-Körper- schaften nach der Mutter-Tochter-Richtlinie kein Kapi- talertragsteuerabzug erfolgt, sind von der Problematik im Ergebnis nur Streubesitzdividenden betroffen. Bezo- gen auf die unterschiedliche Behandlung von inländi- schen und ausländischen Wagniskapitalbeteiligungsge- sellschaften hat der Europäische Gerichtshof, EuGH, entschieden, dass hier künftig eine Gleichbehandlung bei der Steuerbelastung der Dividenden erfolgen muss. Der EuGH lässt dabei allerdings die unterschiedliche Behandlung der Gewerbesteuer unberücksichtigt. Derzeit werden zwei Wege diskutiert, wie die unzu- lässige Diskriminierung beseitigt werden kann: Erstens. Die CDU/CSU-FDP-Koalition schlägt in ih- rer Gesetzesinitiative eine Steuerbefreiung auch für aus- ländische Streubesitzdividenden vor. Zweitens. Dagegen spreche ich mich – in Überein- stimmung mit dem Bundesrat – aus Gründen der Steuer- gerechtigkeit und auch aus fiskalischen Erwägungen für die Aufhebung der Steuerbefreiung für inländische Streubesitzdividenden aus. Einer solchen Besteuerung steht das Problem der Mehrfachbesteuerung in Konzern- verbünden nicht entgegen, denn Schachteldividenden, das heißt Beteiligungen oberhalb der 10-Prozent- Schwelle, bleiben weiterhin steuerfrei. Sie entspricht vielmehr dem Grundsatz der Besteuerung nach der wirt- schaftlichen Leistungsfähigkeit. Außerdem würde eine Steuerbefreiung ausländischer Streubesitzdividenden zu hohen jährlichen Steuerausfällen führen. Diese Gründe haben auch andere Länder zu einer Be- steuerung von Streubesitzdividenden bewogen. Dies ist zum Beispiel in Belgien, Frankreich, den Niederlanden, Polen, aber auch in den USA der Fall. Die Steuerfreiheit von Streubesitzdividenden finden wir hingegen in Eng- land, Estland, Österreich oder Ungarn. Mit neuen Belastungen müssen bei diesem zweiten Vorschlag zur Beseitigung der Steuerbefreiung inlän- discher Dividendenbezieher vor allem Wagnisbeteili- gungsgesellschaften rechnen. Dies gilt wohlgemerkt nur dann, wenn sie nicht schon – wie in vielen Fällen üblich – eine Beteiligung von über 10 Prozent halten oder sie über diese Grenze anheben können. Bei Wagnis- beteiligungsgesellschaften allerdings, die geringere Be- teiligungen halten, sind im Ergebnis höhere Steuern zu erwarten. Für diese Fälle müssen wir überlegen, welche Möglichkeiten es gibt, die wichtige Gründerszene – ins- besondere in der Internetwirtschaft – zu unterstützen. Ich komme auf die Auswirkungen auf die Gründerszene spä- ter noch einmal genauer zurück. Statt nach einer europarechtskonformen Lösung für Deutschland zu suchen, die den deutschen Fiskus nicht belastet – und wir reden über eine Belastung von mehr als einer halben Milliarde Euro –, haben die Koalitions- fraktionen bzw. die Bundesregierung eilfertig einen Vor- schlag vorgelegt, der darauf hinausläuft, die ausländischen Wagnisbeteiligungen von der Dividendenbesteuerung freizustellen. Unter Verzicht auf mehr als eine halbe Mil- liarde Steuereinnahmen wird hier also eine scheinbare Gleichbehandlung von ausländischen und inländischen Wagniskapitalbeteiligungsgesellschaften hergestellt – und dies nur, weil der EuGH die gewerbesteuerliche Vorbelastung außer Acht lässt. Hier wäre es Aufgabe der Regierung und der Koali- tionsfraktionen von CDU/CSU und FDP gewesen, intel- ligente Lösungen zu suchen, die auf die besonderen Ver- hältnisse in Deutschland Rücksicht nehmen. Dabei geht es nicht nur um die Besonderheiten rund um die Grün- derszene, sondern auch um die Probleme, die sich im Zusammenhang mit kreditwirtschaftlichen Verbund- gruppen ergeben. Zunächst zu den kreditwirtschaftlichen Verbundgrup- pen: Wollen wir den enormen Steuerausfall von über ei- ner halben Milliarde Euro vermeiden, ist der Vorschlag des Bundesrats, die inländischen Wagniskapitalbeteili- gungsgesellschaften ebenso zu besteuern wie die auslän- dischen, ein sehr guter Vorschlag. Das hätte allerdings zur Folge, dass die damit zusammenhängenden Streube- sitzdividendenregelungen zu einer Doppelbesteuerung bisher im Verbund erzielter Gewinne führen würden. So- mit wären kreditwirtschaftliche Verbundsysteme – ich nenne als Beispiel Sparkassen – gegenüber Konzern- strukturen benachteiligt. Dies wäre eine Ungerechtig- keit, die doch einige Fantasie erfordert, um sie zu ver- meiden. Es würde sich lohnen, hier einmal nachzuschauen, wie andere Länder, die sich ebenfalls an der Entschei- dung des EuGH zu orientieren haben, solche Probleme lösen. Der Blick nach Frankreich zeigt uns, dass dort spezielle Ausnahmeregelungen für kreditwirtschaftliche Verbundgruppen helfen, solche Schwierigkeiten aufzu- lösen. Dort gibt es etwa Befreiungen für bestimmte Strukturen, die die erforderliche Mindestbeteiligungs- grenze von 10 Prozent nicht überschreiten. Ich möchte als Beispiel die Banken Crédit Agricole, Crédit Mutuel, Banque Populaire und Caisse d’Epargne nennen. Mit 25912 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. November 2012 (A) (C) (D)(B) diesem europarechtskonformen Ansatz könnten wir die besonderen Zusammenhänge in deutschen Verbundgrup- pen hinsichtlich Haftungsfragen, auch hinsichtlich von Fragen rund um den Werbeauftritt oder die Gemein- wohlorientierung, lösen. Auf diesem Weg könnten wir auch die Beteiligungen der Sparkassen an ihren Ver- bundunternehmen mit Blick auf die Besteuerung von Streubesitzdividenden entsprechend berücksichtigen. Eine ähnliche Aufgabe besteht im Zusammenhang mit der Gründerszene. Bedenken gegen eine Belastung von Existenzgründern sind dabei sehr ernst zu nehmen. Wollen wir den Industriestandort voranbringen, wollen wir die Innovationsdynamik beschleunigen, haben Exis- tenzgründer im Umfeld von guter Bildung, guter Arbeit und guter Forschung eine sehr wichtige Aufgabe. Mit Blick auf die unsicheren Aussichten vieler Banken fehlt es sicher an Risikobereitschaft bei der Kreditvergabe an Existenzgründer, und wir sind froh, wenn diese Lücke von sogenannten Business Angels oder Wagniskapital- gesellschaften geschlossen wird. Andererseits sind die Business Angels nicht nur Angels; ihr erhöhtes Risiko verbinden sie natürlich mit der Erwartung gewisser Er- träge, und es stellt sich die Frage, wie wir mit den mög- lichen Verlusten und Gewinnen aus diesem Engagement umgehen. Dabei ist es wesentlich, darauf zu achten, wie diese Begriffe definiert werden. Selbst in der Anhörung des Finanzausschusses wurde hier nicht sauber zwischen Business Angels und Wagniskapitalbeteiligungsgesell- schaften getrennt. In der Anhörung mussten wir zeitwei- lig den Eindruck haben, als ob auch private Geldgeber von dem Thema Streubesitzdividendenbesteuerung be- troffen wären. Das ist aber nicht der Fall, denn tatsäch- lich geht es hier nur um Beteiligungen zwischen Ge- sellschaften und damit um Dividenden, die an Körperschaften – Aktiengesellschaft, GmbHs etc. –, je- denfalls Unternehmen, ausbezahlt werden. Sorgen hinsichtlich der Auswirkungen der Aufhebung der Steuerbefreiung inländischer Streubesitzdividenden auf die Gründerszene sind somit nur teilweise begründet, da die Steuerpflicht nur für Beteiligungserträge von Körperschaften und nicht für Privatpersonen gilt. Bei Einkommensteuerpflichtigen, die Streubesitzerträge im Betriebsvermögen erzielen – Personengesellschaften, Einzelunternehmer – und bei Veräußerungen von Anteilen im Privatvermögen, die mindestens 1 Prozent betragen, gilt das Teileinkünfteverfahren mit einer Steuerpflicht von 60 Prozent der Erträge. Soweit die sogenannten Business Angels der Einkommensteuerpflicht unterlie- gen, sind sie von der Neuregelung nicht betroffen. Das Drama besteht darin, dass es weder Bundesregie- rung noch Koalitionsfraktionen für nötig befunden ha- ben, solche Besonderheiten der Unternehmenslandschaft in Deutschland bei gleichzeitiger Rücksichtnahme auf unsere fiskalischen Aufgaben – wir arbeiten immerhin im Finanzausschuss – zu berücksichtigen. Wie lohnend wäre es gewesen, wenigstens die nahe- liegendsten Fragen zu klären, bevor man einfach vor- schlägt, auf eine halbe Milliarde Euro Steuereinnahmen von ausländischen Gesellschaften zu verzichten. Mit Blick auf die Prüfung alternativer Lösungen wäre etwa die Klärung, ja die Beantwortung folgender Fragen wichtig gewesen: In welchen EU-Mitgliedstaaten ergibt sich aus dem oben genannten Urteil gesetzgeberischer Handlungsbe- darf, und welche Schlussfolgerungen werden in anderen Ländern gezogen, um die Europarechtskonformität her- zustellen? Welche EU-Mitgliedstaaten verfügen über steuer- rechtliche Regelungen, die den Vorgaben des Europäi- schen Gerichtshofs, EuGH, genügen, und wie sind diese ausgestaltet? Mit Antworten auf solche einfachen Fragen wären wir eine guten Schritt weiter. Zusammenfassend: Mit Blick auf die hohen Steuer- ausfälle lehnen wir Ihren Entwurf zur vollständigen Steuerfreistellung aller Dividenden auf Streubesitz ab und unterstützen die Vorschläge des Bundesrates zur Be- steuerung der Streubesitzdividenden. Mit unserer Ent- haltung wollen wir deutlich machen, dass wir mit Blick auf die oben beschriebenen Probleme für Beteiligungen an Verbundunternehmen und mit Blick auf die Gründer- szene nicht davon ausgehen, dass mit der heutigen Entscheidung der Regierungskoalitionen ein zukunfts- fähiges Besteuerungsmodell für Streubesitzdividenden gefunden wurde. Dr. Daniel Volk (FDP): Der Gesetzentwurf zur Um- setzung des EuGH-Urteils vom 20. Oktober 2011 in der Rechtssache C-284/09 klingt zwar nach einem steuer- technischen Gesetz, aber von diesem Gesetz sind viele Unternehmen und Bürger in Deutschland betroffen. Das EuGH-Urteil vom 20. Oktober 2011 stellt die Be- nachteiligung ausländischer Kapitalgesellschaften mit Streubesitzbeteiligung an einer deutschen Aktiengesell- schaft und damit einen Verstoß gegen die Kapitalver- kehrsfreiheit fest. Dies betrifft alle Beteiligungen unter 10 Prozent, also den sogenannten Streubesitz, und damit greift die Mutter-Tochter-Richtlinie nicht. Bisher wurden 25 Prozent Kapitalertragsteuer plus Soli – bzw. 15 Prozent beim Vorliegen eines DBA – auf Dividenden an ausländische Unternehmen einbehalten, wohingegen bei reinen Inlandssachverhalten die Abgel- tungsteuer mit der Körperschaftsteuer verrechnet werden konnte. Da die ausländischen Unternehmen aufgrund ihrer Nichtveranlagung im Inland nicht möglich war, werden diese damit schlechtergestellt. Mit dem Gesetz soll die steuerliche Ungleichbehandlung von Zahlungen aus Streubesitzdividenden beseitigt werden. Der vorliegende Gesetzentwurf beseitigt den unions- rechtswidrigen Zustand. CDU/CSU und FDP streben mit dem vorliegenden Gesetzentwurf die Erstattung der Kapitalertragsteuer für ausländische Körperschaften an, wenn keine Verrechnung im Anteilseignerstaat möglich ist. Damit wird die Steuerfreiheit der inländischen Streu- besitzdividenden auch auf Tatbestände mit Auslandsbe- zug angewandt. Allerdings orientieren wir uns an dem Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. November 2012 25913 (A) (C) (D)(B) österreichischen Modell, bei dem eine Steuererstattung nur auf Antrag möglich ist, wenn keine Anrechnung der Steuer im Ausland zulässig ist. Wir verhindern damit eine Steuermehrbelastung für deutsche Unternehmen und kommen unserem Verspre- chen nach, ohne Steuererhöhung auszukommen. Des Weiteren ist die bisherige Regelung der Steuerfreistel- lung sinnvoll und hat sich bewährt. Die Besteuerung der Streubesitzdividenden ist eine systemwidrige Mehrfach- besteuerung desselben Gewinns und führt bei mehreren Beteiligungsstufen zu einem Kaskadeneffekt mit einer Steuerbelastung in Höhe von 75 Prozent, da sich die Steuerlast für denselben Gewinn bei der Verschachte- lung mehrerer Unternehmen immer weiter erhöht. Wei- terhin käme es zu einer Doppelbesteuerung der ausschüt- tenden Gesellschaft und der empfangenden Gesellschaft. Dies ist mit vernünftiger Wirtschafts-, Finanz- oder Steuerpolitik nicht zu vereinbaren. Was will die Opposition? Sie will Beteiligungserträge aus Streubesitz, und zwar Dividenden und Veräuße- rungsgewinne, auch im Inland steuerpflichtig machen. Der Vorschlag geht genau ins Gegenteil und würde vor allem die private und betriebliche Altersversorgung – Pensionsverpflichtungen sind mit Streubesitzbeteili- gungen unterlegt – treffen. Ebenso würde die Finanzie- rung von Start-up-Unternehmen – durch Minderheitsbe- teiligungen anderer Kapitalgesellschaften – schwieriger, und es entsteht eine Benachteiligung von Aktieninvesti- tionen gegenüber anderen Unternehmensfinanzierungen. Dr. Barbara Höll (DIE LINKE): Der vorliegende Ge- setzentwurf behandelt eine schwer verständliche steuer- liche Problematik. Es geht um die steuerliche Behand- lung von Dividenden zwischen verbundenen Kapital- gesellschaften, bei denen die Mutter im Ausland und die Tochter im Inland liegt. Die bisherige steuerrechtliche Behandlung in diesen Fällen auf deutscher Seite führte zu einem Vertragsverletzungsverfahren seitens der EU gegen Deutschland und mündete letztlich in einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes, EuGH, vom 20. Okto- ber 2011. Der EuGH kritisierte die unterschiedliche steu- erliche Behandlung von inländischen und ausländischen Kapitalgesellschaften. Dies verstoße gegen die Kapital- verkehrsfreiheit. Daher verlangt der EuGH auch die rückwirkende Erstattung für alle noch nicht bestands- kräftig veranlagten Fälle. Da der EuGH die Niederlassungs- und Kapitalver- kehrsfreiheit über alles stellt, bemängelt er selbstver- ständlich in seiner Logik zu Recht die Ungleichbehand- lung von inländischen und ausländischen Kapitalgesell- schaften. Über den volkswirtschaftlichen Sinn und Nut- zen solcher Konstruktionen, verschachtelte Beteiligun- gen von Unternehmen, lässt sich sicher streiten. Aber auch wenn man das so akzeptiert, gäbe es trotzdem drei Lösungen. Bevor ich aber zu diesen kommen, noch einmal kurz, worum es konkret geht: Es geht um die steuerliche Behandlung ausgeschütte- ter Dividenden. Generell gilt, dass Dividenden, die von einer Kapitalgesellschaft an eine andere ausgeschüttet werden, auf der Ebene des empfangenden Unternehmens zu 95 Prozent von der Körperschaftsteuer befreit sind, § 8 b Abs. 1 und 5 KStG. Damit soll letztlich eine Mehr- fachbesteuerung durch die Körperschaftsteuer vermie- den werden. Jedoch unterliegen diese Dividendenaus- schüttungen zwischen Kapitalgesellschaften nach § 43 Abs. 1 Satz 3 EStG der Kapitalertragsteuer, allgemein nur bekannt als Abgeltungsteuer. Dies stellt für inländische Kapitalgesellschaften keine endgültige Belastung dar, auch nicht für ausländische Kapitalgesellschaften, die im Inland über eine Betriebs- stätte verfügen. Steuerbelastend wirkt es nur für im Aus- land ansässige Kapitalgesellschaften, die über keine in- ländische Betriebsstätte verfügen. Beispielsweise wenn die empfangene Kapitalgesellschaft außerhalb des EU/ EWR-Raums ansässig ist oder wenn sie innerhalb der EU oder des EWR ansässig ist und ihre Beteiligung an der die Dividenden auszahlenden inländischen Tochter unter 10 Prozent liegt. Nun, welche Lösungsmöglichkeiten gibt es? Der erste Lösungsvorschlag ist der der Bundesregie- rung, welcher das Problem übrigens lange bekannt ist. Bereits im Dezember 2011 befragten wir die Bundesre- gierung zu dieser Problematik. Es war seit dem Urteil ausreichend Zeit, hier aktiv zu werden. Nun soll wieder einmal alles übers Knie gebrochen werden. Nach der Bundesregierung soll für alle EU/EWR-Kapitalgesell- schaften die Anrechnung und Erstattung der Abgeltung- steuer auf inländische Dividenden gewährt werden. Das kostet allein rückwirkend rund 2 Milliarden Euro und bedeutet für die kommenden Jahre eine Belastung zwi- schen 500 und 750 Millionen Euro. Außerdem betrifft die Regelung nur einen relativ kleinen Kreis von Unter- nehmen. Das ist für uns die schlechteste aller Lösungen. Denn mit dieser Regelung wird ein bereits bestehendes Steuerprivileg ausgebaut. Unserer Meinung nach gehört die heute bereits beste- hende körperschaftsteuerliche Befreiung für Kapitalge- sellschaften prinzipiell auf den Prüfstand, statt sie hier kritiklos auszubauen. Zwar sehen Sie im Gesetz gewisse Einschränkungen zur Gewährung der Steuerbefreiung vor, die gut gemeint sind. Jedoch werden sie in der Pra- xis sicher nicht wie gedacht funktionieren, da sie durch ihre Komplexität und Kompliziertheit gestaltungs- und streitanfällig sind. Das wurde auch in der Anhörung zu diesem Gesetz deutlich. Fakt ist damit: Sie ermöglichen mit diesem Gesetz neue Steuergestaltungsmodelle. Zwar unterliegen inlän- dische Dividenden, die an private Steuerausländer flie- ßen, grundsätzlich der Abgeltungsteuer. Zukünftig kann diese aber durch geschickte Zwischenschaltung einer ausländischen Kapitalgesellschaft leichter umgangen werden. Sie schaffen damit weitere Umgehungsmöglich- keiten. Der zweite Vorschlag ist der des Bundesrates. Dieser will die Steuerbefreiung für Kapitalerträge aus Streube- sitz bis zu einer Beteiligungshöhe von 10 Prozent gene- rell aufheben. Dies entspräche der Regelung nahezu aller 25914 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. November 2012 (A) (C) (D)(B) europäischen Staaten, wonach die Steuerfreiheit für Di- videnden und Veräußerungsgewinne nur bei Überschrei- ten einer Mindestbeteiligungsquote zu gewähren ist. Diese Lösung würde bei verschachtelten Beteiligungen zu einer Mehrfachbesteuerung führen und verringert so- mit die Attraktivität solcher verschachtelten Beteiligun- gen. Die dritte Möglichkeit, die wir Ihnen vorschlagen, ist die Rückkehr zum Vollanrechnungsverfahren, das heißt, jede beteiligte Kapitalgesellschaft muss Steuern abfüh- ren. Eine Mehrfachbesteuerung wird durch Anrechnung der bereits gezahlten Steuern verhindert. Die Abschaf- fung der Steuerfreiheit für in- und ausländische Beteili- gungserträge ist unseres Erachtens längst überfällig. Die Fraktion Die Linke lehnt den Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen aus den eben genannten Gründen ab. Einige Bundesländer kündigten im Übrigen bereits ihren Widerstand gegen den Vorschlag der Bundesregie- rung an, sodass wahrscheinlich auch wieder der Vermitt- lungsausschuss angerufen werden muss; das ist bei Ihren Finanz- und Steuergesetzen ja derzeit fast die Regel. Dr. Thomas Gambke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf zu den Streubesitzdividenden kommt ein Gesetz daher, das uns in den nächsten beiden Jahren insgesamt 3 Milliarden Euro kosten wird und danach jährlich mindestens 600 Millionen Euro. Und dieses Geld geht an ausländi- sche Investoren; da kann auch die notorische Steuersen- kerpartei FDP nicht argumentieren, dadurch würde ja die Wirtschaft in Deutschland gestärkt. Schon aufgrund dieser Einnahmeverluste kann dieses Gesetz eigentlich nur abgelehnt werden! In der Anhörung im Finanzausschuss letzte Woche zum vorliegenden Gesetzentwurf wurden unsere Kritik- punkte noch einmal deutlich bestätigt: Der Gesetzent- wurf schafft Anreize zur Steuergestaltung, die Europa- rechtskonformität steht auf wackligen Füßen, und es kommt zu Steuerausfällen in Milliardenhöhe. Ich habe bei der Einbringung des Gesetzes die Hoff- nung geäußert, dass die Bundesregierung hier noch ein- mal nachbessert. Der Bundesrat hat eine Alternative auf- gezeigt, die sicher auch Schwächen hat, aber die letztlich nicht zu den hohen Einnahmeverlusten führen würde. Sich hier hinzustellen und den Gesetzentwurf im glei- chen mangelhaften Zustand zur Abstimmung zu stellen, wie er auch vor drei Wochen eingebracht wurde, ist schlicht eine Zumutung. Und in der Anhörung haben wir ja die deutliche Kri- tik der Experten vernommen. Wichtigster Kritikpunkt war, dass das Gesetz neue Anreize zur Steuergestaltung bietet. Und das ist ganz einfach zu verstehen: Wenn Sie unterschiedlich hohe Steuerniveaus schaffen, wird ein Anreiz gesetzt, dorthin zu gehen, wo die Besteuerung am niedrigsten ist. Das ist die wirklich eklatante Schwäche dieses Gesetzes: Es stellt ausländische Unternehmen bei der Besteuerung von Streubesitzdividenden deutlich bes- ser. Denn ausländische Unternehmen zahlen im Gegen- satz zu inländischen keine Gewerbesteuer – das ergibt eine satte Differenz in der Steuerbelastung von 15 Pro- zent. Bei so einer großen Differenz ist doch die Steuerge- staltung vorprogrammiert. Dazu ist ja lediglich das Um- hängen der Beteiligung auf eine ausländische Holding erforderlich. Nun ist versucht worden, da Missbrauchsvorschriften einzubauen. Aber die Experten warnen: Diese Miss- brauchsvorschriften könnten sich als stumpfes Schwert erweisen. Dieser Gesetzentwurf ist nicht ausgereift. Dies zeigt sich auch noch an einer weiteren Stelle. In der Anhörung gab es deutliche Hinweise von Experten, dass der vorliegende Entwurf nicht europarechtskonform sein könne. Wegen der sogenannten Drittstaatenwirkung der Kapitalverkehrsfreiheit müsse womöglich die Steu- erbefreiung von Streubesitzdividenden auf europäische Drittstaaten ausgeweitet werden. Das würde dann zu weiteren Einnahmeverlusten führen. Diese Nachlässigkeit der Koalition könnte für uns noch sehr teuer werden, und das ist einfach nicht akzep- tabel. Grundsätzlich hätte es bei der Umsetzung des Urteils des Europäischen Gerichtshofes mehr Spielraum gege- ben, als uns Schwarz-Gelb hier glauben machen will. Das Urteil wurde vor über einem Jahr gefällt – in einem breiten Dialog hätte man Lösungsansätze prüfen müs- sen, die zumindest zu einer geringeren Belastung für die öffentlichen Haushalte geführt und nicht so klare An- reize zur Steuergestaltung gesetzt hätten. Wir Grüne haben den Vorschlag gemacht, eine Veran- lagungsoption für ausländische Gesellschaften in Deutschland zu schaffen. In Deutschland würde die aus- ländische Gesellschaft mit ihrer Dividende dann wie ein Inländer zur Körperschaftsteuer und zur Gewerbesteuer veranlagt. Damit würde der Anreiz zur Steuergestaltung vermieden. Auch dieser Ansatz birgt Schwächen, aber ist dieser Vorschlag wirklich sorgfältig geprüft worden? Es liegt uns hier ein schwarz-gelbes Hauruck-Gesetz vor, das teuer für den Staat ist, handwerklich schlecht ge- macht ist und Anreize zu mehr Steuergestaltung setzt. Wir werden das Gesetz daher ablehnen. Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des Antrags: 20 Jahre Zeichnung der Europäischen Charta Regional- oder Min- derheitensprache (Tagesordnungspunkt 14) Serkan Tören (FDP): Leve Herr Präsident, leve Fro- onslüüd un Mannslüüd, wi snackt hier vondoog in dit hoge Huus een miteenanner wegen de „Europäische Charta över de Reginol- oder Minnerheitensproken“. De is vör een poor Doog 20 Johr oolt worrn. Ziel vun de Charta is de Schuul un de Help vun de Regionol- un Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. November 2012 25915 (A) (C) (D)(B) Minnerheitensproken. Dit Ziel is wichtig, sünnerlich wenn man bedinkt, dat jümmer mihr Sproken in de glo- balisierte Welt verloren goht. Fachlüüd goht dorvon ut, dat in de tokomen Tiet een Drüttel von de 6 000 Spro- ken, de vondoog noch snackt warrt, verloren goht. No 20 Johr vun de Charta is dat nu an de Tiet, eenmol Bilanz to tehn. Wie süht dat in Düütschland ut. In miene norddüütsche Heimot hebbt 1984 5,6 Millionen Min- schen angeben, dat se „goot“ bit „sehr goot“ Platt- düütsch snacken künnt. Disse Tohl hett sik bit 2007 – dat is dat Johr von de letzte Erhebung – mihr as halbiert. Mit disse Halbierung is natürlich ok de Sprook ut den Alldag vun de Minschen verswunnen. In annere Regionen mit jümehr Regionol- un Minnerheitensproken warrt dat nich veel anners utsehn. Dissen Verlust vun dat Plattdüütsche mutt Inholt bo- den warrn. Sprook is Heimot un en Teken vun leevte Alldagskultur. Wenn wi disse leevte Alldagskultur ver- kümmern loot, verliert wi alltohoop wiet mihr as blots en Sprook. Dat Hochdüütsche is de Sprook, de uns Düüt- sche von Flensborg in’n Noorden bit no Füssen in’n Sü- den verbinnt. De regionolen Sproken goht in de Harten vun de Minschen un verbinnt se in jümehr Rebeet. Ik will dat mol so seggen, leve Froonslüüd un Mannslüüd, de düütsche Standardsprook is as en Antog, scheun ober en lütt beten stief. Dat Plattdüütsche is as mien leevsten Pullover: bequeem, villicht ok mol stoppt, ober kommo- dig. He warmt mien Hart un miene Seel un ik heff em leev un ik will em ok nich missen. Wat könnt wi dorför doon, dat de tonehmen Verlust vun de Regionol- un Minnerheitensproken nich wieder geiht? Grundsätzlich is Kultur jo Sook vun de Länner. Se sünd also in eerster Linie in de Plicht. Erfreulicherwies deit sik hier jo wat. So hebbt all de noorddüütschen Bundslänner Plattdüütsch in jümehr Lihrpläne inbuut. Wat wi ober nich vergeten dröfft, sünd de öörtlichen Verene, de dat Plattdüütsche dagdääglich pleegt. Hier warrt veel privotes Geld un ok Freetiet investiert. Disse Insatz bewiest ober ok, dat de Idee, de Regio- nol- un Minnerheitensproken to retten, keen dösigen In- fall vun de Kulturpolitiker is. In miene Heimot, in’n Landkreis Stood, gifft dat to ’n Bispill den Fördervereen för de Plattdüütsche Sprook „De Plattdüütschen“. Disse Vereen bringt Plattdüütsch in den Alldag vun de Minschen trüch. Disse Vereen an- gascheert sik afsünnerlich öber den Vörsitter Heinz Mügge, Börgermeester in de Gemeen Düdenbüttel, in Bildungsprojekten för de Sprookförderung, un disse Vereen leist dormit enen wichtigen Bidrag för dat Erho- len von uns kulturellet Gedächtnis. Disse kulturelle, bür- gerschaftliche Insatz verdeent an disse Steed afsünnerli- chen Dank. Leve Kolleginnen un Kollegen, dit is blots een Bispill dorför, dat de Börgerinnen un Börgers ehr Regionol- un Minnerheitensprook schützen un wieterhin quickleben- nig holen wüllt. Geevt wi jüm de Stütten öber de Parteigrenzen hin- weg. Een Verlust von de Sproken bedüüd ok enen Kultur- verlust, un dat dröfft wi nich toloten. Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Entwurf eines Gesetzes zu den Änderungen vom 10. und 11. Juni 2010 des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs vom 17. Juli 1998 – Antrag: Universal Periodic Review – Men- schenrechtslage in Deutschland auf dem Prüfstand des UN-Menschenrechtsrates (Tagesordnungspunkte 16 a und b) Michael Frieser (CDU/CSU): Was bereits viel zu lange währt, wird nun hoffentlich gut. In dem Gesetzent- wurf zu den Änderungen vom 10. und 11. Juni 2010 des Römischen Statuts des Internationalen Gerichtshofs vom 17. Juli 1998 wird nun das Verbrechen der Aggression definiert. Dies ist ein wesentlicher Schritt, damit in Zu- kunft die Strafandrohung durch den Internationalen Strafgerichtshof nicht nur eine leere Drohung ist. Es freut mich, dass in allen Fraktionen Einigkeit herrscht, dass es sich bei den Änderungen um einen Meilenstein des Völkerstrafrechts handelt, den es zu un- terstützen gilt. Auch wenn es sich bei der Normierung des Aggressionstatbestandes um einen Kompromiss han- delt, ist dieser von herausragender Bedeutung, um den Internationalen Strafgerichtshof als permanentes interna- tionales Gericht in die Lage zu versetzen, die Verant- wortlichen zur Rechenschaft ziehen zu können. Um die Tragweite der geplanten Änderungen des Römischen Statuts zu erfassen, muss zunächst die histo- rische Entwicklung, die zu diesen Änderungen führte, betrachtet werden: Am 30. September und 1. Oktober 1946 verkündete das Internationale Militärtribunal in Nürnberg die Urteile gegen 22 Hauptkriegsverbrecher des Zweiten Weltkrieges. Das Urteil von Nürnberg stellte einen Ausgangspunkt für weitere Bemühungen der Staaten- gemeinschaft um einen internationalen Strafgerichtshof dar. Nachfolgend bekräftigte die UN-Vollversammlung ausdrücklich die Rechtsprinzipien, die in Nürnberg zur Anwendung gekommen waren, als sogenannte Nürnber- ger Prinzipien. Was in Nürnberg seinen Anfang nahm, wurde stetig weiterentwickelt. Bereits 1950 legte die Völkerrechtskommission der UNO sieben Prinzipien vor, die den Anspruch darauf er- hoben, dass schwere Verstöße gegen die internationale Werteordnung geahndet werden. Diese Nürnberger Prinzipien haben im Römischen Statut des Internationa- len Gerichtshofs eine Weiterentwicklung erfahren. Das Statut ist ein völkerrechtlicher Vertrag, der das Völker- strafrecht kodifiziert, damit in internationalen Beziehun- gen keine rechtsfreien Räume verbleiben, in denen Men- 25916 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. November 2012 (A) (C) (D)(B) schen schutzlos den Gräueltaten von Kriegsverbrechern ausgesetzt sind. Jede Person, die eine Tat begeht, die nach dem Völkerrecht als Verbrechen bestimmt wurde, ist dafür verantwortlich und wird der Bestrafung zuge- führt, auch wenn das nationale Recht keine Strafe für eine Tat vorsieht. Um diese Prinzipien durchzusetzen, wurde mit dem am 1. Juli 2002 in Kraft getretenen Römischen Statut der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag eingerichtet. Der IStGH will die nationale Strafgerichtsbarkeit der Staaten nicht ersetzen und ist auch kein letztinstanzli- ches Rechtsmittelgericht, welches Verfahren der natio- nalen Strafgerichtsbarkeit überprüfen könnte. Der IStGH ergänzt vielmehr die innerstaatliche Gerichtsbarkeit bei der Verfolgung von Völkerrechtsverbrechen, deren Vor- rang im Statut vielfach verankert ist. Der Internationale Strafgerichtshof ist damit Ausdruck des gemeinsamen Wunsches der Staatengemeinschaft, für Frieden und Ge- rechtigkeit auch außerhalb der nationalen Grenzen ein- zustehen. Das erste Urteil sprach der Internationale Straf- gerichtshof am 14. März 2012 im Verfahren gegen den früheren kongolesischen Milizenführer Thomas Lubanga, der wegen der Rekrutierung und des Einsatzes von Kindersoldaten für schuldig befunden wurde. Er wurde dafür am 10. Juli 2012 zu einer Freiheitsstrafe von 14 Jahren verurteilt. Dieses Urteil zeigt, dass die Nürnberger Prinzipien kein theoretisches Konstrukt sind, sondern auch in die Praxis umgesetzt werden können. Doch die Entwicklung des Völkerstrafrechts ist durch die Errichtung des Internationalen Strafgerichtshofs 2002 nicht zu einem Abschluss gekommen. Jetzt gilt es, zu beweisen, dass Deutschland aus seiner dunklen Vergangenheit gelernt hat und seiner völkerrechtlichen Verpflichtung nachkommt. Das Völkerstrafrecht muss zu einem wirksamen Instrument der Friedenssicherung aufgebaut werden. Bereits die Strafandrohung muss Aggressoren in ihre Schranken weisen. Dazu ist die stetige Optimierung und Weiterentwicklung des Völker- strafrechts notwendig, die mit der vorliegenden Ände- rung unterstützt werden muss. Obwohl bereits im ursprünglichen Statut das Verbre- chen der Aggression als Straftatbestand angelegt gewe- sen war, hatten sich die Vertragsstaaten auf der Grün- dungskonferenz weder auf eine Definition des Verbrechens der Aggression einigen können noch auf die vorzusehende Rolle des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen. Eine Kodifikation des Tatbestands scheiterte auch an umstrittenen Fragen wie dem Umfang des Rechts auf Selbstverteidigung und die Zulässigkeit humanitärer Intervention. Nach Art. 5 des Statuts, wie es auf der Konferenz in Rom verabschiedet wurde, besitzt der Gerichtshof die sachliche Zuständigkeit für das Ver- brechen der Aggression. Da aber keine Definition der Aggression beschlossen werden konnte, bleibt die Norm eine „leere Hülle“, bis eine Definition in das Statut eingefügt wird. Dies ist angesichts der herausragenden Bedeutung des Aggressionstatbestands, dessen Zweck es ist, die Gewaltanwendung als solche auf internationaler Ebene zu pönalisieren, ein unhaltbarer Zustand. Vom 31. Mai bis zum 11. Juni 2010 fand in Kampala die erste Konferenz zur Überprüfung des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs statt, in de- ren Mittelpunkt die Bemühungen um eine Einigung in Bezug auf das Verbrechen der Aggression standen. Mit den Änderungen des Römischen Statuts des Internatio- nalen Strafgerichtshofs werden nun eine Definition des Verbrechens der Aggression und die Bedingungen der Ausübung der Gerichtsbarkeit in das Römische Statut eingefügt. Auch wird der Einsatz bestimmter Waffen und Geschosse, deren Verwendung in internationalen bewaffneten Konflikten bereits ein Kriegsverbrechen darstellt, auch im nicht internationalen bewaffneten Konflikt unter Strafe gestellt. Deutschland war maßgeblich an der Ausarbeitung der in Kampala gefundenen Einigung beteiligt. Dieser Einsatz für die Definition des Aggressionstatbestandes bedurfte nicht des Grünenantrages aus dem Mai 2010, dessen sie sich so rühmen. Dieser Antrag war weder Grund noch Unterstützung für die deutschen Anstren- gungen um eine Einigung. Die Bemühungen mit anderen gleichgesinnten Staaten für einen möglichst effektiven, funktionsfähigen, unabhängigen und damit glaubwürdi- gen Internationalen Strafgerichtshof waren auch vor und ohne diesen Antrag deutlich sichtbar. Unter anderem ist Deutschland nach Japan der größte Beitragszahler für den IStGH und engagiert sich darüber hinaus mit freiwil- ligen Beiträgen für den sogenannten Opferschutzfonds und das Zeugenschutzprogramm des Gerichtshofs. Die Änderungen des Römischen Statuts sind die Früchte eines langwierigen Prozesses, in dem das Völ- kerstrafrecht geschaffen und weiter ausgestaltet wird. Einzelne Staaten sind in mühsamen Verhandlungen Kompromisse eingegangen, um das gemeinsame höhere Ziel voranzubringen: ein umfassendes System interna- tionaler Strafgerichtsbarkeit, die die nationale Straf- verfolgung wirksam ergänzt. Natürlich will ich nicht verschweigen, dass noch ein langer Weg vor uns liegt. 121 von 193 Staaten haben die Gerichtsbarkeit des Internationalen Strafgerichtshofs an- erkannt. Wichtige Staaten sind noch nicht Vertragspartei des IStGH, darunter China, Russland, Indien, Israel und vor allem die USA. Die USA sorgen sich, dass amerika- nische Staatsbürger durch das Gericht verurteilt werden könnten. Die Tatsache, dass sie dennoch fallweise Unter- stützer sind, wenn auch ohne Mitglied zu sein, zeigt aber, dass auch sie die Bedeutung des Internationalen Gerichtshofs nicht verkennen. Die heutigen Änderungen sind nicht der Abschluss, aber ein bedeutender Schritt zu einer funktionierenden internationalen Strafgerichts- barkeit, der unbedingt unterstützt werden muss. Beson- ders die Normierung des Aggressionstatbestandes ist von herausragender Bedeutung. Nur durch diese kann eine wesentliche Lücke der völkerrechtlichen Straf- barkeit geschlossen werden. Der nun verabschiedete Tatbestand des Aggressions- verbrechens stellt einen ausgewogenen Kompromiss dar und trägt der Tatsache Rechnung, dass dieses Delikt im Vergleich zu den anderen im Römischen Statut aufge- führten Verbrechen durch die Kriminalisierung staatli- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. November 2012 25917 (A) (C) (D)(B) cher Angriffshandlungen und als Führungsverbrechen einen besonderen Charakter hat. Die individuellen Tathandlungen wurden fast wörtlich den Vorgaben des Statuts des Nürnberger Militärgerichtshofs zum „Verbre- chen gegen den Frieden“ entnommen. Von einem Verbrechen der Aggression wird ausge- gangen, wenn eine Person, die tatsächlich in der Lage ist, das politische oder militärische Handeln eines Staa- tes zu kontrollieren oder zu lenken, eine Angriffshand- lung plant, vorbereitet oder ausführt, die ihrer Art, ihrer Schwere und ihrem Umfang nach eine offenkundige Verletzung der Charta der Vereinten Nationen darstellt. Die Formulierung stellt klar, dass es sich um ein soge- nanntes Führungsverbrechen handelt, das hohe Anforde- rungen an die individuelle Täterqualität stellt. Es betrifft nicht die kleinen Befehlsempfänger, sondern zieht die Täter zur Rechenschaft, die tatsächlich für den Angriff auf den Frieden verantwortlich sind. Regierungsober- häupter dürfen nicht über dem Gesetz stehen. Eine Angriffshandlung stellt jede mit der Charta der Vereinten Nationen unvereinbare Anwendung von Waffengewalt durch einen anderen Staat dar, so zum Beispiel die Invasion des Hoheitsgebiets eines Staates oder der Angriff auf dieses durch die Streitkräfte eines anderen Staates. Auch eine militärische Besetzung, die sich aus einer solchen Invasion ergibt, sowie die Bom- bardierung oder Beschießung des Hoheitsgebiets sind umfasst. Neben der Blockade der Häfen oder Küsten ei- nes Staates ist auch der Einsatz von Streitkräften eines Staates, die sich mit der Zustimmung eines anderen Staates in dessen Hoheitsgebiet befinden, unter Verstoß gegen die in der entsprechenden Einwilligung oder Ver- einbarung vorgesehenen Bedingungen strafbar. Damit ist nicht jede völkerrechtswidrige staatliche Gewaltanwen- dung zugleich ein Aggressionsverbrechen. Rechtlich umstrittene Einsätze, die im Rahmen humanitärer Inter- ventionen durchgeführt werden, um das Leid von Menschen zu lindern und weitere Gewalt zu verhindern, werden so nicht erfasst. Auch Fälle von nicht hinrei- chender Intensität sollen gerade nicht berücksichtigt werden. Die Ausübung der Gerichtsbarkeit über das Verbre- chen der Aggression wird in den Änderungen geregelt. Der Gerichtshof kann seine Gerichtsbarkeit nur über Verbrechen der Aggression ausüben, die ein Jahr nach Ratifikation oder Annahme der Änderungen durch 30 Vertragsstaaten begangen werden. Die weitere wichtige Änderung betrifft die Straf- barkeit gewisser verbotener Waffen in nichtinternationa- len bewaffneten Konflikten. Die Verwendung von Gift oder vergifteten Waffen, die Verwendung erstickender, giftiger oder gleichartiger Gase sowie aller ähnlichen Flüssigkeiten, Stoffe oder Vorrichtungen, die Verwen- dung von Geschossen, die sich im Körper des Menschen leicht ausdehnen oder flachdrücken ist in internationalen bewaffneten Konflikten bereits strafbar. Der Zustand, dass der Einsatz von Giftgasen zwar in internationalen Konflikten bereits als Kriegsverbrechen geahndet wer- den kann, Machthaber aber ihr eigenes Volk mit diesen Waffen konsequenzlos angreifen können, ist unerträg- lich. Hier kommt es nun zu einer Angleichung, da eine grundsätzliche Unterscheidung zwischen den Konflikt- formen auf humanitärvölkerrechtlicher Ebene heute nicht mehr angemessen ist. Das Leiden und die Verlet- zungswirkung, die durch diese Waffen ausgelöst werden, sind verurteilenswert, gleich in welcher Art von Konflikt sie eingesetzt werden. Diese Änderungen liegen mir als in Nürnberg direkt gewähltem Abgeordneten besonders am Herzen. In Nürnberg entsteht ein Institut für die Durchsetzung der Nürnberger Prinzipien zum Völkerstrafrecht. Es soll als Expertenforum dazu beitragen, Frieden mit den Mitteln des Rechts zu sichern, indem es interdisziplinäre For- schung betreibt und zielgruppenspezifisches Training zu völkerstrafrechtlichen Themen sowie Menschenrechts- bildung anbietet. Ziel der Akademie ist es, die Akzep- tanz des Völkerstrafrechts und der Nürnberger Prinzi- pien international zu fördern. Die Bundesrepublik Deutschland hat an der Ausarbei- tung des Römischen Statuts aktiv mitgewirkt. Wir müssen uns weiterhin aktiv dafür einsetzen, dass der In- ternationale Strafgerichtshof möglichst effektiv arbeiten kann und breite Unterstützung in der Staatengemein- schaft findet. Das Gesetz zu den Änderungen vom 10. und 11. Juni 2010 des Römischen Statuts des Internatio- nalen Strafgerichtshofs vom 17. Juli 1998 ist dabei ein wichtiger und wirksamer Schritt, um Verbrechen gegen den Frieden und die Sicherheit der Menschheit der Strafbarkeit zuzuführen. Christoph Strässer (SPD): Offenheit vor allem auch im Umgang mit eigenen Fehlern und Defiziten ist ein Überlebensprinzip für jedes politische System. Des- halb sollten auch wir Deutschen sehr darum bemüht sein, Kritik aus anderen Ländern offen gegenüberzuste- hen und sie ernst zu nehmen – egal woher sie kommt. Dies ist nicht zuletzt der Einsicht geschuldet, dass aus der eigenen Fehlbarkeit die Notwendigkeit des Dialogs und der Kooperation folgt. Genau diese fundamentale Erkenntnis ist der Kern des UPR-Verfahrens im Menschenrechtsrat der VN, des wohl wichtigsten und positivsten Ergebnisses aus den ansonsten ja eher wenig erfolgreich verlaufenden Bemü- hungen um die Reform der Vereinten Nationen. Alle Staaten überprüfen ihre menschenrechtliche Praxis zu- erst selbst, stellen die Ergebnisse vor und stellen sich dann der Kritik im Menschenrechtsrat – und das rich- tigerweise ohne Ausnahme und damit eben auf gleicher Augenhöhe, unabhängig von Wirtschaftskraft und/oder politischer sowie militärischer Macht. Allein das macht das UPR-Verfahren so interessant und einmalig. Alle Länder sind gleich, beraten auf gleicher Augenhöhe und stellen sich demselben Verfahren. Ein demokratisches Grundprinzip, das leider in der Struktur der UNO oft un- erreichbar erscheint und doch so wichtig wäre, ein Ver- fahren, dass eindrucksvoll die These widerlegt, dass westliche Staaten und Kulturen das Thema Menschen- rechte benutzen, um auf diesem Wege hegemoniale Strukturen auf- und auszubauen. 25918 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. November 2012 (A) (C) (D)(B) Zur Demokratie gehört, das wissen wir spätestens seit Kant, auch die öffentliche Auseinandersetzung, die Öf- fentlichkeit. Deshalb hat auf unser Bestreben hin, die FDP-Fraktion zugesagt, zu beantragen, dass die heutige Debatte zum Tag der Menschenrechte an prominenter Stelle stattfinden soll, wie eigentlich immer in den letz- ten Jahren um den Internationalen Tag der Menschen- rechte am 10. Dezember. Nun gehen die Reden zu Proto- koll. Es ist ein Armutszeugnis für unsere demokratische Kultur, dass es nicht gelingt, wenigstens einmal im Jahr in diesem Hause zu einer Zeit über dieses Thema zu de- battieren, wo zumindest die Chance besteht, öffentlich wahrgenommen zu werden. Diese Koalition führt zwar gerne bei jeder Gelegenheit die Menschenrechte im Munde, schafft es aber noch nicht einmal, einen akzepta- blen Debattenplatz zu organisieren. Das sagt eigentlich alles! Der erste Zyklus der regelmäßigen Überprüfung der Staaten auf ihre Menschenrechtslage hin, UPR, ist abge- schlossen. Mit der Vorstellung des Staatenberichts vor dem UN-Menschenrechtsrat 2009 hat Deutschland sei- nerzeit durch Selbstkritik zwar einige überzeugt, aber der schriftliche Bericht der Regierung wurde von vielen als „zu glatt“ eingeschätzt, weil die offene Benennung von Problembereichen, die Darstellung von Maßnahmen zur Verbesserung der Situation, der Bericht über Erfolge, aber auch selbstkritische Anmerkungen und Aussagen über Zielsetzungen fehlten. Allerdings präsentierte sich die Bundesregierung in ihren mündlichen Einlassungen im UPR sehr viel selbstkritischer. Die Regierungsver- treter gaben wiederholt zu erkennen, dass – bei dem unbestritten hohen Standard von Rechtsstaatlichkeit in Deutschland – gleichwohl ernste menschenrechtliche Probleme zu bewältigen blieben. Der Zweite Zyklus wurde nun formal geändert, um ein besonderes Augenmerk auf die Umsetzung der ak- zeptierten Empfehlungen aus dem ersten Zyklus richten zu können. Das macht viel Sinn; denn nur so kann im weiteren Überprüfungszyklus aufmerksam geschaut wer- den, wie ein Staat in der Zwischenzeit die akzeptierten Empfehlungen in die Praxis umgesetzt hat und was da- rauf aufbauend in den zweiten Bericht Eingang finden sollte. Um das Voranschreiten im nationalen Follow-up auch im Menschenrechtsrat nachvollziehbar zu machen, sind die Staaten aufgerufen, nach zwei Jahren freiwillig einen schriftlichen Zwischenbericht – „mid-term report“ – zu erstellen. Deutschland hat nach seiner Überprüfung kei- nen solchen Zwischenbericht abgegeben. Das sollte sich ändern. Es ist, wie sich aus vielen Beispielen ersehen lässt, eine große Hilfe für das ganze Verfahren, wenn es einen staatlich initiierten Zwischenbericht gibt, der in der Mitte des Zyklus vorgelegt wird. Zwischenberichte zum UPR-Verfahren gehören inzwischen beim Rat zum guten Ton. Sie wurden vorgelegt unter anderem von Frankreich, Japan, den Niederlanden, Bahrain, Chile, Finnland, Ecuador, Kolumbien, Mauritius, Rumänien, der Ukraine. Deutschland gibt hier kein gutes Beispiel ab. Diese Forderung vieler NGOs an Deutschland halte ich für gerechtfertigt. Im Mai 2013 wird Deutschland zum zweiten Mal vom UN-Menschenrechtsrat im Rahmen des UPR-Ver- fahrens auf seine Menschenrechtssituation hin überprüft werden. Das Forum Menschenrechte und das Deutsche Institut für Menschenrechte haben dankenswerterweise ihre Analysen und Empfehlungen bereits abgegeben. Wir fordern deshalb die Bundesregierung auf, die Sicht dieser Organisationen ernst zu nehmen und in ihren Bericht einfließen zu lassen. Deshalb ist es auch zu be- grüßen, dass Markus Löning, der Menschenrechtsbeauf- tragte im Auswärtigen Amt, im Namen der Bundesregie- rung die „Zivilgesellschaft“ zum 5. Dezember zu einer Anhörung eingeladen hat – spät, aber hoffentlich nicht zu spät, um berechtigte Anliegen noch aufzunehmen. Bis zum Februar 2013 läuft die Frist für die Einrei- chung des Staatenberichts. Im April/Mai ist die 16. Sit- zung der UPR Working Group mit der Überprüfung Deutschlands, und circa im September 2013 gibt es die Stellungnahme Deutschlands zu den Empfehlungen. Im Oktober 2013 soll schlussendlich der Bericht zur UPR- Überprüfung Deutschlands in der 17. Sitzung des Men- schenrechtsrates erörtert werden. Einer der Hauptkritikpunkte an Deutschland 2009 war die fehlende Bekämpfung von Rassendiskriminie- rung und Fremdenfeindlichkeit. Wie die Vorfälle um die Terrorzelle NSU gezeigt haben, waren diese Empfehlun- gen geradezu prophetisch und wurden leider nicht ernst genug genommen. Im Gegenteil: Mittel für die nachhal- tige Bekämpfung dieses braunen Sumpfs wurden ge- kürzt, Menschen, die sich dort engagierten, wurde unter der Überschrift „Extremismusklausel“ ein Treuebekennt- nis zu unserem Grundgesetz abverlangt – absurd gegen- über denjenigen, die mit ihrer konkreten Arbeit mehr für die Werte unserer Verfassung tun, als dies in vielen Sonntagsreden geschieht. Deshalb muss dieser Bereich im neuen Bericht explizit näher beleuchtet und intensiver bearbeitet werden. Wir sollten offen ansprechen, dass wir hier vieles verschlafen haben und es nun besser ma- chen wollen. Ein weiterer Punkt, den Kanada und Ägypten seiner- zeit angesprochen haben und der immer noch problema- tisch ist, sind die Rechte der Kinder in Deutschland. Zwar gab es einen wichtigen Fortschritt, weil Deutsch- land die Vorbehalte gegen die Kinderrechtskonvention zurückgenommen hat. Aber hinsichtlich der Kinder von Einwanderern und „Ausländern“ hat sich bisher kaum etwas verbessert. Besonders prekär ist immer noch die Situation unbegleiteter minderjähriger Flüchtlingskin- der. Sie werden immer noch zu oft routinemäßig in be- lastende, nicht kinderfreundliche Asylverfahren ge- drängt. Häufig verbleiben die Betroffenen im Status der Duldung und leben daher in ständiger Furcht vor der Ausweisung. Auch hier sollten wir die Empfehlungen ernst nehmen und das im aktuellen Zyklus ansprechen. Viel besser noch wäre es selbstverständlich, der Kinder- rechtskonvention entsprechende Gesetze zu schaffen, im Aufenthaltsrecht wie im Sozialrecht. Eine weitere wichtige Empfehlung bezog sich auf un- sere selektive Bildungspolitik, die zu einer strukturellen Diskriminierung bestimmter Gruppen von Kindern im Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. November 2012 25919 (A) (C) (D)(B) deutschen Schulsystem führt. Zumeist sind Kinder mit Migrationshintergrund und Kinder aus sozial schwieri- gen Verhältnissen betroffen. Der Menschenrechtsstandard in unserem Land ist hoch, kein Zweifel. Aber wir können und müssen besser werden, gerade auch als neu gewähltes Mitglied im Menschenrechtsrat. Diese Wahl, über die wir uns sehr freuen, ist nicht nur Erfolg, sondern auch Verpflichtung. Dies gilt auch – um einen letzten Punkt anzusprechen – für die Stellung des Deutschen Instituts für Menschen- rechte. Wegen Untätigkeit der Bundesregierung und eines offenkundigen Streits innerhalb der Koalition besteht die Gefahr, dass diese hochangesehene unabhängige Institu- tion im Herbst dieses Jahres bei der Akkreditierungskon- ferenz ihren jetzigen A-Status verliert – und das nur, weil die Mehrheit in diesem Hause sich nicht darauf ver- ständigen kann, durch eine gesetzliche Grundlage die Unabhängigkeit der Arbeit des Instituts sicherzustellen. Das ist ein Armutszeugnis für die deutsche Menschen- rechtspolitik und ihr Ansehen weltweit. Die SPD-Frak- tion jedenfalls ist bereit, auch kurzfristig gesetzgebe- rische Initiativen zu unterstützen, die den Erhalt des jetzigen Status des Instituts sichern. Zum Schluss möchte ich noch hervorheben, dass die SPD-Fraktion, wie schon in der ersten Lesung angekün- digt, den Gesetzentwurf der Bundesregierung zu den Änderungen des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs vom 10. und 11. Juni 2010 in Kampala begrüßt. Die Ergebnisse der Konferenz von Kampala werden den Internationalen Strafgerichtshof langfristig stärken, was einerseits eine große Verantwortung und Herausforderung bedeutet, andererseits aber auch eine große Chance ist. Treten die Regelungen von Kampala 2017 wirklich in Kraft, kann jede Gewaltanwendung ge- genüber einem anderen Staat vor dem Internationalen Strafgerichtshof angeklagt werden. Dies wäre ein großer Schritt in Richtung einer starken und effizienten Ver- rechtlichung der internationalen Beziehungen. Deshalb werden wir diesem Gesetz zustimmen. Marina Schuster (FDP): Am 10. Dezember bege- hen wir jedes Jahr den Allgemeinen Tag der Menschen- rechte. Dann jährt sich die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, eine Errungenschaft unserer Mensch- heitsgeschichte. Sie gibt uns das vor, für das wir welt- weit eintreten: den Schutz und die Wahrung der Men- schenrechte. Wie könnte es besser passen, dass wir heute in der zweiten und dritten Lesung die Änderung des Römi- schen Statuts im deutschen Recht beschließen werden? Einen Wermutstropfen gibt es dennoch: Leider findet die Debatte zu später Stunde statt. Jeder weiß, dass wir uns diese Debattenzeit nicht ausgesucht haben. Der ehemalige Menschenrechtskommissar der Ver- einten Nationen, José Ayala Lasso, bringt das Problem der Straflosigkeit auf den Punkt: Es ist wahrscheinlicher, dass ein Mensch für die Ermordung eines einzigen Men- schen verurteilt wird, als dass er für die Ermordung von 100 000 Menschen verurteilt wird. Während Verbrechen auf kleinster Ebene – und hier spreche ich noch gar nicht von Mord – meist zügig ver- folgt werden können, ist es nach wie vor eine große, langwierige und schwierige Aufgabe, Völkermörder, Kriegsverbrecher und Verbrecher gegen die Menschlich- keit zur Rechenschaft zu ziehen. Mit der Schaffung des Internationalen Strafgerichts- hofs am 17. Juli 1998 in Rom setzte die internationale Gemeinschaft ein klares Zeichen, dass sie sich diesem Missstand entschieden entgegenstellen will. Sicherlich bleibt die strafrechtliche Verfolgung von Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Mensch- lichkeit eine Herausforderung. Sie ist aber eben keine Utopie mehr. Die Täter grausamster Völkerrechtsverbre- chen können nicht mehr auf ihre Immunität vertrauen, sondern müssen grundsätzlich davon ausgehen, dass sie sich vor einem zentralen, überparteilichen Gericht für ihr Handeln verantworten müssen. Die universelle Zuständigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs ist eine bahnbrechende Errungen- schaft des internationalen Menschenrechtsschutzes. Die Verfolgung von Völkerrechtsverbrechen und der Kampf gegen die Straflosigkeit knüpfen an das Vermächtnis der Nürnberger und Tokioter Prozesse an. Seit den 1990er- und 2000er-Jahren führen die Ad-hoc-Tribunale für das ehemalige Jugoslawien, für Ruanda, Sierra Leone und Kambodscha diesen Leitgedanken fort. Dieser Leitgedanke hat bisher seinen Höhepunkt in der Überprüfungskonferenz von Kampala gefunden, bei der eine große Lücke im Völkerstrafrecht geschlossen wurde. Die Definition des Tatbestandes der Aggression bedeutet einen historischen Durchbruch. Ich wiederhole es gerne: Es handelt sich hier um einen Meilenstein im Kampf gegen die Straflosigkeit. Es ist dem Einsatz der deutschen Delegation in Kam- pala zu verdanken, dass Deutschland seine Konferenz- ziele erfolgreich durchsetzen konnte, auch gegen kriti- sche Stimmen aus Frankreich und Großbritannien. Wir Liberalen haben uns dafür starkgemacht, dass diese wichtige Lücke im Völkerstrafrecht geschlossen wird. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf haben wir ein Ziel des Koalitionsvertrages Wort für Wort umge- setzt. Das ist ein großer Erfolg! Die Förderung und Wah- rung der Menschenrechte ist ein ureigener liberaler Grundgedanke. Von Beginn dieser Wahlperiode an hat sich die FDP dafür eingesetzt, dass Deutschland im welt- weiten Menschenrechtsschutz nicht nur gegenüber sei- nen internationalen Partnern eine glaubwürdige Position vertritt, sondern auch eine Vorbildrolle übernimmt. Deutschland ratifiziert als einer der ersten Staaten die Änderungen des Römischen Statuts, die in Kampala be- schlossen wurden. Nun gilt es, dass bis Ende 2015 min- destens 30 Staaten das erweiterte Römische Statut ratifi- zieren. Nur dann treten die Änderungen auch bereits 2017 in Kraft. Liechtenstein und das Global Institute for the Prevention of Aggression leisten hier wertvolle Ar- beit. Unter ihrer Federführung wurde beispielsweise ein Handbuch erstellt, das Staaten bei der Implementierung 25920 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. November 2012 (A) (C) (D)(B) und Ratifizierung der Änderungen von Kampala unter- stützt. Die Position Deutschlands im Kampf gegen die Straf- losigkeit hat sich seit den Nürnberger Prozessen rich- tungsweisend und grundlegend gewandelt. Während die Rechtsprechung des Nürnberger Tribunals noch auf Ab- lehnung stieß, gestaltet Deutschland heute nicht nur die Ausformung universeller Normen aktiv mit, sondern nimmt in vielen Bereichen eine Vorreiterrolle ein. Seit Mai 2011 läuft vor dem Oberlandesgericht Stutt- gart ein Prozess gegen Ignace Murwanashyaka, den ehe- maligen Präsidenten der ruandischen Rebellenbewegung FDLR, und gegen seinen Stellvertreter Straton Musoni. Murwanashyaka und Musoni wird als Vorgesetzten der FDLR eine direkte Verantwortung für deren Aktivitäten und die Völkerrechtsverbrechen im Kongo vorgeworfen. Dieser Prozess in Stuttgart ist der erste seiner Art. Das Pilotverfahren wird unter dem Völkerstrafgesetzbuch geführt, welches das Römische Statut in deutsches Recht überträgt. Unter dem „Weltrechtsprinzip“ des deutschen Völkerstrafgesetzbuches engagiert sich Deutschland hier im Sinne einer komplementären Arbeitsteilung mit dem Internationalen Strafgerichtshof. Der Grundsatz der Komplementarität sieht vor, dass die strafrechtliche Ver- folgung von Völkerrechtsverbrechen auch durch die Mitgliedstaaten des Römischen Statuts erfolgen kann. Wir können bereits heute auf eine erfolgreiche Men- schenrechtsbilanz in dieser Legislaturperiode zurückbli- cken. Lassen Sie mich exemplarisch einige Beispiele ge- ben: Unter dem Vorsitz Deutschlands hat der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen im Juli 2011 eine Resolution zum Schutz von Kindern in bewaffneten Konflikten ver- abschiedet. Die Ächtung von Angriffen auf Krankenhäu- ser und Schulen durch die internationale Gemeinschaft wurde damit institutionalisiert. Dieses Engagement hat Deutschland im September noch einmal gefestigt und eine zweite Resolution eingebracht, die den Schutzme- chanismus und die Arbeit der VN-Sonderbeauftragten für Kinder und bewaffnete Konflikte, Leila Zerrougui, noch weiter stärkt. Ein weiteres wichtiges Thema für uns ist der Schutz des Menschenrechtes auf Wasser, für das wir uns mit verschiedenen Maßnahmen einsetzen. Die VN-Resolu- tion „Menschenrecht auf sauberes Trinkwasser und Sa- nitärversorgung“ sowie die deutsch-spanische Initiative im Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen haben wir hier im Bundestag mit mehreren Anträgen flankiert. Durch meine Arbeit als Mitglied der Parlamentari- schen Versammlung des Europarates weiß ich aus eige- ner Erfahrung, wie wichtig regionale Menschenrechts- schutzsysteme sind. Auf der Konferenz zur Reform des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in Brighton konnte sich Deutschland erfolgreich gegen die Vorschläge Großbritanniens durchsetzen, die eine drasti- sche Beschneidung der Kompetenzen des Gerichts be- deutet hätten. Die Ergebnisse von Brighton müssen nun schnell umgesetzt werden, damit der EGMR die Heraus- forderungen einer stetig wachsenden Zahl an Gesuchen bewältigen kann. Die Wahl Deutschlands in den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen bestätigt unseren Menschenrechts- kurs. Sie zeigt die Anerkennung und das Vertrauen in unser menschenrechtspolitisches Engagement. Gleich- zeitig ist die Wahl Ansporn und Verpflichtung. Am 5. Dezember findet die öffentliche Anhörung zum Menschenrechtsbericht der Bundesregierung statt. Nächstes Jahr im April durchläuft Deutschland die „Uni- versal Periodic Review“ des Menschenrechtsrates der Vereinten Nationen. Im Vierjahresrhythmus müssen sich die Mitgliedstaaten einer Überprüfung ihrer Menschen- rechtslage stellen. Die Bundesregierung bezieht hierbei die Zivilgesellschaft mit ein und diskutiert den Entwurf des Menschenrechtsberichtes, den sie in Genf vorlegen wird, im Vorfeld. Die Wahrung und Förderung der Menschenrechte ist Voraussetzung einer demokratischen, wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung jedes Landes. Wir sind uns unserer Verantwortung im eigenen Land und für den men- schenrechtlichen Fortschritt unserer Partner bewusst. Deutschland ist – und bleibt – ein wichtiger Akteur im in- ternationalen Menschenrechtsschutz. Jan van Aken (DIE LINKE): Meine Fraktion wird dem heute vorliegenden Gesetzentwurf zustimmen. Mit dem Gesetz wird das veränderte Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofes ratifiziert. Konkret geht es um die Aufnahme der Aggression, also eines An- griffskrieges, in den Katalog der Verbrechen, die vom In- ternationalen Strafgerichtshof geahndet werden können. Die internationale Verankerung eines Straftatbestands der Aggression wird seit den Nürnberger Prozessen ge- fordert. Dass es nach langen und durchaus kontroversen Diskussionen gelungen ist, sich auf eine Definition des Aggressionsverbrechens zu einigen und damit einen Straftatbestand zu schaffen, ist ohne Zweifel ein Erfolg, allerdings, wie so oft bei Kompromissen, ein Erfolg mit bitterem Beigeschmack. So konnte nicht durchgesetzt werden, dass schon die Vorbereitung und Planung eines unter den Begriff der Aggression fallenden Angriffs ein Strafverfahren auslösen können. Ein Angriff muss be- reits erfolgt sein, um vom Internationalen Strafgerichts- hof – nachträglich – geahndet zu werden. Ebenfalls konnte nicht durchgesetzt werden, dass der Straftat- bestand der Aggression auch für Nichtvertragsstaaten Anwendung findet. Zu ihnen gehören unter anderem die USA, Russland und China. Ebenso schwer wiegt, dass die Abhängigkeit vom Sicherheitsrat der Vereinten Na- tionen bestehen bleibt, dass der Strafgerichtshof also nicht von sich aus, unabhängig vom UN-Sicherheitsrat, tätig werden kann. Gerade mit Blick auf den völkerrechtswidrigen Krieg gegen Irak ist bedauerlich, dass nur zukünftige Aggres- sionsverbrechen verfolgt werden können, also frühestens im Jahr 2017 und ein Jahr nachdem mindestens 30 Staa- ten die Änderungen ratifiziert haben. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. November 2012 25921 (A) (C) (D)(B) Nun ist es, wie es ist. Die Änderung des Römischen Statuts spiegelt den Minimalkonsens wider. Mehr war auf der Überprüfungskonferenz 2010 im ugandischen Kampala nicht zu erreichen. Aber es spricht doch gar nichts dagegen, dass Deutschland bei der nationalen Umsetzung einen Schritt weitergeht – über den heute vorliegenden Gesetzentwurf hinaus. In Art. 26 des Grundgesetzes heißt es: „Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen wer- den, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stö- ren, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vor- zubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen.“ Bislang wurde in der deutschen Rechtspre- chung lediglich die Vorbereitung eines Angriffskrieges als strafrechtlich relevant interpretiert, geregelt in § 80 des Strafgesetzbuches. Das Grundgesetz betrachtet aber alle Handlungen, die friedenstörend sind, als verfas- sungswidrig. In diesem Sinne müssen die direkte und in- direkte Beteiligung an der Durchführung von Angriffs- kriegen ebenso wie deren Planung und Vorbereitung unter Strafe gestellt werden. Um nur ein Beispiel zu nennen: Wenn ein Land, sa- gen wir: die USA, ein anderes Land, sagen wir: Irak, völkerrechtswidrig überfällt, dann darf Deutschland das nicht direkt oder indirekt unterstützen, sagen wir: durch BND-Agenten oder durch Überfluggenehmigungen. Wenn eine Bundesregierung, sagen wir: die rot-grüne Regierung von 2003, das unterstützt, muss sie sich straf- bar machen. Die Linke will deshalb eine rechtliche Klar- stellung auch im Strafgesetzbuch, also eine Präzisierung von § 80 Strafgesetzbuch. Eine entsprechende parlamen- tarische Initiative werden wir demnächst hier vorlegen. Es kann doch nicht sein, dass Deutschland militärisch mit Staaten kooperiert, die sich vorbehalten, Angriffs- kriege zu führen. Wir erwarten deshalb von Ihnen, dass Sie dafür sor- gen, dass kein Land – auch nicht die USA – jemals wie- der Stützpunkte in Deutschland oder deutsche Logistik für Angriffskriege nutzen kann. Wir erwarten aber auch, dass Sie den politischen Druck auf die drei ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates USA, Russland und China erhöhen, den Internationalen Strafgerichtshof end- lich anzuerkennen und sich seiner Gerichtsbarkeit zu un- terwerfen. Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Deutschland keine Waffen mehr exportieren sollte. Von Deutschland soll nie wieder Krieg ausgehen, auch nicht in Form von Waffenlieferungen, die Kriegsführung anderswo mög- lich machen. Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Am 10. Dezember werden wir den Tag der Menschenrechte feiern. Vor 64 Jahren haben die Vereinten Nationen an diesem Tag die Menschenrechte im internationalen Recht verankert. Bis heute ist die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte das Wertegerüst der internationalen Gemeinschaft aller inzwischen 193 Staaten der Verein- ten Nationen. Menschen streben nach einem Leben in Würde, sozia- ler Sicherheit und Frieden. Wie keine andere Institution verkörpern die Vereinten Nationen dieses Streben. Die Vereinten Nationen besitzen inzwischen wichtige Mittel, um weltweit die Einhaltung der Menschenrechte zu überwachen und ihre Missachtung, wo dies möglich ist, zu ahnden. Da ist natürlich zu allererst der Internationale Strafge- richtshof, den die Vereinten Nationen 2002 ins Leben gerufen haben. Es ist erfreulich, dass wir den Gesetzent- wurf zur Stärkung des Internationalen Strafgerichtshofes gemeinsam und hoffentlich einstimmig verabschieden werden. Die eigentliche Arbeit steht mit der Umsetzung in die nationale Rechtsordnung noch aus. Ich möchte mich heute aber noch auf ein anderes wichtiges Instrument beziehen, das den Menschen- rechtsschutz weltweit zum Ziel hat: das Verfahren des Universal Periodic Review. Es ist im Gegensatz zum scharfen Schwert des Gerichts eher eine Soft Power. Das UPR-Verfahren wurde im März 2006 durch die Resolu- tion 60/251 ins Leben gerufen. Beim Wandel von der VN-Menschenrechtskommission zum Menschenrechts- rat war es die wichtigste Weiterentwicklung; der Rat ist insgesamt ein Fortschritt gegenüber der vorherigen Kommission. Früher wurde nur eine kleine Auswahl an Staaten ge- prüft, heute müssen sich alle prüfen lassen. Alle Staaten sind dem Verfahren gleichermaßen unterworfen. Neben den Staaten selbst und VN-Expertenteams aus anderen Mitgliedstaaten wird auch die Zivilgesellschaft des zu prüfenden Staates in die Berichterstattung mit einbezo- gen. Daraus entsteht dann ein umfassender Bericht, der konkrete Maßnahmen empfiehlt, wie der Mitgliedstaat die Menschenrechte besser schützen, achten und ge- währleisten kann. Daraus ergeben sich zwei Chancen: erstens, dass die zivilgesellschaftlichen Akteure in den Mitgliedstaaten besser miteinander kommunizieren, weil sie sich für den gemeinsamen Bericht vernetzen müssen; zweitens, dass die Regierungen – auch die Bundesregierung – weniger politisch voreingenommen berichten, indem sie die „Zi- vilgesellschaft stärker als bisher“ einbeziehen, wie dies die SPD fordert. Wir wollen, dass die Zivilgesellschaft systematisch und im Vorfeld mit einbezogen wird, sei es durch Anhörungen in den Ausschüssen des Deutschen Bundestages, sei es durch regelmäßige und verbindliche Konsultationen. Die größte Glaubwürdigkeit im weltweiten Bemühen um eine bessere Menschenrechtslage haben die Staaten, die sich auch um die Menschenrechte in ihrem eigenen Land kümmern. Will man Menschenrechtsverletzungen anderer Staaten kritisieren, dann muss man selbst ver- bindlich, gar vorbildlich sein. Wir können nicht Staaten wie den Iran oder China kritisieren, wenn wir Vorwürfe ignorieren, Deutschland messe mit zweierlei Maß – „dou- ble standards“ – und sei voreingenommen. Zweierlei Maß, das mindert den Schutz der Men- schenrechte; Guantánamo hat es gezeigt. Deutschland soll bei Kritik an Missständen im Lande so viel Dialog- 25922 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. November 2012 (A) (C) (D)(B) bereitschaft und Engagement zeigen, wie wir es von an- deren Ländern wünschen. Was also hat die Bundesregie- rung getan, nachdem Deutschland zuletzt 2009 im UPR- Verfahren untersucht wurde? Der UPR-Bericht über Deutschland setzt Schwer- punkte in der Asyl- und Integrationspolitik, beim Schutz vor Folter, beim Kampf gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus und beim Schutz vor Diskriminierung. Dji- bouti fordert zum Beispiel, dass Deutschland eine unab- hängige Institution schafft, die Beschwerden über Poli- zeigewalt untersucht. Bedauerlicherweise hat die Bundesregierung diese Forderung zurückgewiesen. Die Bunderepublik hat 34 von 44 Empfehlungen des UPR- Berichtes von 2009 akzeptiert. Die SPD fordert zwar dazu auf, hinsichtlich der akzeptierten Empfehlungen detailliert die Umsetzungsschritte sowie die Erfolge und Probleme in diesem Prozess zu erläutern – das ist richtig –, ich finde aber, darüber hinaus müsste die Bun- desregierung erklären, warum zehn Empfehlungen nicht umgesetzt wurden. Das Zusatzprotokoll des Paktes über soziale, wirt- schaftliche und kulturelle Rechte, der WSK-Pakt, muss endlich ratifiziert werden. Das wurde bereits 2009 kriti- siert. 2013 wird es immer noch bemängelt – zu Recht –, nicht nur von uns Grünen, auch vom Deutschen Institut für Menschenrechte, DIMR. Die Bundesregierung muss sämtliche Empfehlungen ernst nehmen, sonst schwächt sie das Verfahren. Andere Staaten könnten sich daran ein schlechtes Beispiel neh- men. Im schlimmsten Falle werden einzelne unilateral aus dem Staatenüberprüfungsverfahren aussteigen, wie es Israel angedroht hat. Die Folgen für die Glaubwürdig- keit des Verfahrens wären verheerend. Doch der Umgang mit den VN-Empfehlung ist symp- tomatisch für ein tiefergehendes Problem: das schwache Engagement Deutschlands in den VN allgemein. Wir Grüne wollen, dass Deutschland über die VN globale Verantwortung übernimmt und sich in den VN weit akti- ver, engagierter und wirkungsvoller für Frieden und Menschenrechte einsetzt. Die VN sind nur so stark, wie ihre Mitgliedstaaten sie machen. Dies gilt besonders für den Schutz der Men- schenrechte. Nur wenn alle 193 ihren Beitrag leisten und einige vorbildlich sind, werden wir Fortschritte machen. – Dass Deutschland in den VN-Menschenrechtsrat wieder- gewählt worden ist, hat alle Mitglieder dieses Hauses ge- freut. Der Bundesaußenminister sprach von einem „Ver- trauensbeweis für Deutschland“. Doch für dieses Vertrauen muss sich Deutschland als würdig erweisen. Der nächste Zyklus 2013 des UPR-Überprüfungsverfah- rens bietet sich dazu an. Wir erwarten von der Bundesre- gierung, dass sie das Überprüfungsverfahren im Men- schenrechtsrat aktiv und glaubwürdig begleitet. Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Energiewende im Gebäudebestand sozial gerecht, umweltfreund- lich, wirtschaftlich und zukunftsweisend umset- zen (Tagesordnungspunkt 17) Volkmar Vogel (Kleinsaara) (CDU/CSU): Klima- schutz, Energiewende und Effizienzsteigerung sind zen- trale Punkte der politischen Agenda in den kommenden Jahren. Wir müssen die Weichen für die Energiewende so stellen, dass sowohl wirtschaftliche als auch soziale Aspekte einfließen. Die christlich-liberale Koalition fährt mit Augenmaß und wirtschaftlichem Sachverstand. Die Energiewende braucht eine breite Zustimmung in der Bevölkerung. Auch dafür arbeiten wir als christlich- liberale Koalition. Der vorliegende Antrag der Grünen lässt das entwe- der vermissen oder beschreibt Maßnahmen, die wir be- reits umsetzen. Die Grünen wollen mit ihrer Regelungs- wut ideologische Forderungen zulasten von Mietern, Vermietern und Eigenheimbesitzern durchsetzen. Sie fordern mehr Transparenz und wollen an der Aus- gestaltung des Energieausweises herumfuhrwerken. Da- für haben wir schon sehr gute und strenge Regeln. Schon jetzt muss der Verkäufer auf Verlangen bei einem Eigen- tümerwechsel den Energieausweis parat haben. Sie wol- len den Energieausweis nun ab 2018 für alle Eigentümer zur Pflicht machen und koppeln dies an eine Zwangsbe- ratung. Das ist doch nur eine Arbeitsbeschaffungsmaß- nahme für Energieberater und Bürokraten. Wir haben hier bereits strikte Regeln, und die genügen. Die Grünen sollten daran denken, dass das auch je- mand kontrollieren muss. Dabei fordern Sie in dem An- trag den Abbau von Kontrolldefiziten, und gleichzeitig schaffen Sie mehr Kontrollbedarf. Das zeigt doch deut- lich, in welche Richtung Ihr Antrag geht: Bevormun- dung von Bürgern. Statt mehr Transparenz und Energie- einsparung stehen unter dem Strich komplizierte Kontrollmechanismen und mehr Bürokratie. Bündnis 90/Die Grünen fordern einen Energiespar- fonds von 3 Milliarden Euro jährlich. Das klingt beim ersten Hören gut. Jedoch scheinen Sie bei den Haus- haltsverhandlungen nicht dabei gewesen zu sein. Wir ha- ben große Anstrengungen unternommen, um die Mittel, die wir bereits bereitstellen, weiterhin bereitzustellen. Wir haben die Programme für die energetische Sanie- rung fortgeschrieben. 1,5 Milliarden Euro aus dem Ener- gie- und Klimafonds stehen nicht nur für 2012, sondern auch für 2013 und 2014 wieder für die CO2-Gebäudesa- nierung zur Verfügung. Das ist Planungssicherheit. Sie fordern mehr und mehr Geld, das Sie in einem Fonds von den kleinen Leuten einsammeln wollen. Las- sen Sie es bei den Hausbesitzern, damit die in ihr Ei- gentum investieren können. Die von SPD und Grünen regierten Länder lehnen Sonderabschreibungen für ener- getische Sanierungen ab. Auch das würde vielen Priva- ten helfen, die energetische Sanierung voranzutreiben. Wirken Sie auf Ihre Kollegen in den Ländern ein, damit wir hier endlich zu einem positiven Ergebnis kommen. Im vorliegenden Antrag fordern die Grünen Mindest- anteile für erneuerbare Energien, die gesetzlich festge- legt sind und regelmäßig angehoben werden sollen. Was Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. November 2012 25923 (A) (C) (D)(B) sagen Sie dem Hausbesitzer, der diese Erzeugungsart nicht wirtschaftlich nutzen kann? Was sagen Sie ihm, wenn er sich das nicht leisten kann? All dies sind Fra- gen, die Sie in Ihrem Antrag nicht beantworten. Der Antrag der Grünen zeigt eines deutlich: Die Grü- nen sind nicht nah am Menschen dran. Die Grünen wol- len ideologische Ziele über die Köpfe der Bürger in un- serem Land hinweg umsetzen. Sie denken nicht an die sozialen Folgen. Es hilft nicht, wenn im Antrag hier und da das Wort „sozial“ eingestreut wird. Genaue Angaben zur Ausgestaltung des Marktanreizprogrammes und zur Umgestaltung des Wohngeldes zu einem Klimawohn- geld machen Sie nicht. Es bleibt bei vagen Hinweisen. Eine sachliche Fundierung bleiben Sie hier schuldig. Lassen Sie mich noch auf einen Detailpunkt einge- hen: Die Grünen fordern, dass ab dem Jahr 2015 neue Ölheizungen durch Erneuerbare-Energien-Anlagen er- setzt werden. Wir halten an unserem Grundsatz fest, dass die Akteure selbst die für sie geeigneten Technologien auswählen. Wir haben als CDU/CSU mit dem Energiekonzept im Herbst 2010 die Ziele klar formuliert und werden sie in der christlich-liberalen Koalition umsetzen. Wir wollen maßvoll fordern und zielgerichtet fördern. Die Einhal- tung des Wirtschaftlichkeitsgebotes sorgt für soziale Ge- rechtigkeit. Technologieoffenheit in der Anwendung sorgt für Wirtschaftlichkeit. Wir wissen, dass unsere Ziele 20 Prozent weniger Pri- märenergie bis 2020 und 80 Prozent weniger bis 2050 sehr anspruchsvoll sind. Menschen aber mit überzoge- nen Maßnahmen zu verprellen und damit die gesamtge- sellschaftliche Akzeptanz für die Energiewende zu ge- fährden, ist nicht unser Weg. Wir werden die Bürger vor den überzogenen Forderungen der Grünen schützen. Ideologische Bevormundung von oben lehnen wir ab. Daher ist dieser Antrag für uns nicht tragbar. Wir lehnen ihn ab! Karl Holmeier (CDU/CSU): Ich denke, wir sind uns unter den Baupolitikern aller Fraktionen weitgehend ei- nig, dass die energetische Modernisierung des Gebäude- bestandes in der Wohnungs- und Städtebaupolitik oberste Priorität haben muss. Denn das Einsparpotenzial ist hier enorm. Der zur Debatte stehende Antrag betont insofern auch zu Recht, dass rund 40 Prozent des gesam- ten Energieverbrauchs in Deutschland auf das Heizen und Kühlen von Gebäuden entfällt. Dies müssen wir dringend ändern. Daher auch mein ständiger Appell: Energie, die gar nicht erst verbraucht wird, ist immer noch die beste; denn sie braucht erst gar nicht erzeugt zu werden. Wir sind uns sicherlich auch darüber einig, dass wir hier vor gewaltigen Herausforderungen stehen. Wo wir uns aber ganz offensichtlich nicht einig sind, ist der Weg, auf dem das gemeinsame Ziel einer signifi- kanten Steigerung der Energieeffizienz im Gebäude- bestand erreichen wollen. Der Weg, den die christlich- liberale Koalition eingeschlagen hat, ist realistisch. Der Weg, den die Grünen beschreiten wollen und den sie mit dem vorliegenden Antrag untermauern, führt hin- gegen in die Irre. Sie wollen eine sozial gerechte und zu- gleich wirtschaftliche Bestandssanierung – und dies bei einer drastischen Verschärfung der Modernisierungs- standards. Hierzu fordern sie natürlich auch wesentlich mehr Geld aus dem Bundeshaushalt, obwohl ihnen an anderer Stelle die Haushaltskonsolidierung nicht schnell genug vorankommt. Meine sehr verehrten Kollegen von den Grünen, es ist zwar bald Weihnachten; davon sollten Sie sich aber nicht irritieren lassen. Wir sind hier im Deutschen Bundestag und nicht bei „Wünsch dir was“. Daher zurück zur Realität: Aus meiner und der Sicht meiner Fraktion müssen sich die Maßnahmen zur Steige- rung der Gebäudeeffizienz an drei wesentlichen Krite- rien orientieren: Erstens. Sie müssen vom Bundeshaushalt finanzierbar sein, ohne die nachfolgenden Generationen zu belasten. Zweitens. Sie dürfen die Menschen nicht überfordern, das heißt die Standards dürfen nicht zu hoch sein, und es darf keinen Sanierungszwang geben. Unsere Maxime lautet: Anreiz statt Zwang! Denn wir wollen die Bürge- rinnen und Bürger bei den Sanierungsmaßnahmen mit- nehmen. Und drittens müssen die Maßnahmen so angelegt sein, dass die Häuslebauer, Hauseigentümer und Mieter in der Lage sind, sich die Modernisierung auch leisten zu können. Das Energiekonzept der Bundesregierung und die da- rauf aufbauenden Maßnahmen folgen diesem Dreiklang. Darüber hinaus entwickelt Bundesbauminister Dr. Peter Ramsauer zurzeit einen Sanierungsfahrplan für den Ge- bäudebestand, der sich ebenfalls an diesen Kriterien orientiert. Außerdem kommt man auch nicht umhin, die bereits auf den Weg gebrachten Maßnahmen der christlich- liberalen Koalition anzuerkennen. Was haben wir bisher erreicht? Erstens. Wir haben beschlossen, das erfolgreiche CO2-Gebäudesanierungsprogramm trotz schwieriger Haushaltslage von 2012 bis 2014 jeweils mit einem Pro- grammvolumen in Höhe von 1,5 Milliarden Euro fortzu- setzen. Mit diesem Geld werden zinsverbilligte Kredite sowie Zuschüsse für die energetische Gebäudesanierung durch die bundeseigene Kreditanstalt für Wiederaufbau, KfW, bereitgestellt. Die Höhe der Investitionszuschüsse der KfW wurde mit Wirkung vom 1. Januar 2012 auf bis zu 20 Prozent der Investitionssumme erhöht. Auch der Zuschuss für Einzelmaßnahmen ist von 5 Prozent auf 7,5 Prozent gestiegen. Dieses Programm ist eine klima- und wirtschaftspoli- tische Erfolgsgeschichte. Seit dem Jahr 2007 wurden da- mit über 1 400 Gebäude der sozialen und kommunalen Infrastruktur saniert. Jährlich wurden bis zu 300 000 Ar- beitsplätze im Mittelstand und Handwerk gesichert. Der Förderhebel öffentlicher Mittel zu privaten Investitionen beträgt hier durchschnittlich 1 : 12. Damit ist das CO2- Programm ein echter Wirtschaftsmotor. Unser Ziel ist es 25924 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. November 2012 (A) (C) (D)(B) daher, dieses Programm kontinuierlich weiterzuentwi- ckeln und gegebenfalls auch den Ersatzneubau für Ge- bäude der sozialen und kommunalen Infrastruktur zu er- gänzen. Zweitens. Darüber hinaus gibt es seit Januar ein neues KfW-Programm „Energetische Stadtsanierung“, für das der Bund 2012 rund 70 Millionen Euro und 2013 sogar 100 Millionen Euro zur Verfügung stellt. Damit werden Maßnahmen zum Quartiersmanagement für die Steige- rung der Energieeffizienz vor allem in Altquartieren ge- fördert. Drittens: Außerdem haben wir als christlich-liberale Koalition im Deutschen Bundestag ein Gesetz zur steu- erlichen Förderung der energetischen Gebäudesanie- rung beschlossen. Hier sind es jedoch die rot-grünen Bundesländer, die sich aus der Verantwortung stehlen. Wenn es Ihnen, liebe Kollegen von den Grünen, mit der Gebäudesanierung wirklich ernst wäre, würden Sie auch dort Flagge zeigen und dem Gesetz zustimmen. Statt- dessen zeigen Sie nur mit dem Finger auf den Bund und wollen ausschließlich ihn die Lasten für die Energie- wende im Gebäudebereich tragen lassen. Verantwor- tungsvolle Politik und Glaubwürdigkeit sehen anders aus! Viertens. Auch im Bereich des Mietrechts fördert die christlich-liberale Koalition die energetische Gebäude- sanierung. Mit unserem Entwurf für ein Mietrechtsände- rungsgesetz sorgen wir dafür, dass das Mietrecht unter Wahrung seines sozialen Charakters für energetische Sanierungen investitionsfreundlicher wird. So sollen beispielsweise Mieter künftig für eine Zeit von drei Monaten energetische Modernisierungsmaßnahmen dul- den müssen, ohne die Miete mindern zu können. Außer- dem werden wir mit dem Gesetz Contracting-Modelle im Mietwohnungsbereich ermöglichen. Insgesamt sind wir also mit unseren Maßnahmen auf einem sehr guten Weg zur Schaffung eines klimaneutra- len Gebäudebestandes – und zwar ohne Zwang, ohne starre und unrealistische Zielvorgaben sowie mit Augen- maß und mit Rücksicht auf die nachfolgenden Genera- tionen. Der Antrag der Grünen erfüllt diese Kriterien leider nicht. Er ist ein unseriöses Sammelsurium von Wunsch- maßnahmen ohne Bezug zur Realität. Michael Groß (SPD): Die Schlagzeilen zum Thema Wohnen in den letzten Wochen spiegeln eindeutig die Ängste vieler Menschen wider: Aufruhr am Rhein oder drastische Mieterhöhungen in Neuperlach. Die Mieten steigen in Wachstumsregionen und zumindest die soge- nannte zweite Miete in ganz Deutschland. Eine Rentne- rin berichtet von zwei Mieterhöhungen in den Jahren 2008 und 2012 um jeweils 20 Prozent. Mietsteigerungen in Ballungszentren von 7 bis 10 Prozent sind keine Selten- heit, auch weil zumindest in Ballungsräumen zu wenige Wohnungen am Markt sind. Massiv steigende Stromkos- ten werden aktuell umgesetzt und weiterhin prognosti- ziert, aber auch für die Wärmeerzeugung benötigte Ener- gie wird teurer. „Stadtluft macht arm“ war in den letzten Wochen zu lesen. Legt man die Einkommensentwicklung der letzten zehn Jahre und den „Reichtums- und Armutsbericht“ der Bundesregierung in seiner nicht zensierten Fassung zu- grunde, sind inzwischen viele nicht mehr in der Lage, neben den Kosten für das Wohnen und die Mobilität große Sprünge zu machen. Circa 30 bis 50 Prozent des zur Verfügung stehenden Haushaltseinkommens müssen durchschnittlich für das Wohnen aufgebracht werden, 15 Prozent für die Mobilität bei Fahrten zur Arbeit, zur Schule oder zu Freunden und in die Vereine. Nachhaltiges politisches Handeln hat den Gleich- klang von sozialen, ökonomischen und ökologischen Zielsetzungen zur Grundlage. Gesellschaftliche Verwer- fungen und ökologischer Nachholbedarf werden nicht allein über Wohnungsbaupolitik, Städtebauförderung und das Mietrecht zu korrigieren sein. Aber wir müssen soziale Trennung und Klimasegregation verhindern. Das Mietrecht ist auf keinen Fall der Hebel, um Kli- maschutzziele zu erreichen. Das Mietrecht muss in sei- ner sozialen Funktion erhalten bleiben. Das Mietrecht ist der Ort, um eine soziale Balance zwischen Vermietern und Mietern sicherzustellen. Investoren müssen dennoch ebenso motiviert wie der Mieter vor überhöhten Mieten und Mietsteigerungen ge- schützt werden. Die SPD-Fraktion hat dazu einen eige- nen Antrag vorgelegt. Wichtig ist, dass bei energetischen Gebäudesanierungen der Mieter Energieeinsparungen tat- sächlich feststellt und erst dann auch eine erhöhte Miete gerechtfertigt ist. Auf der Grundlage aller vorliegenden Berechnungs- modelle wird der Mieter allerdings nie so viel Heiz- und Nebenkosten einsparen können, wie ihn eine Mieter- höhung gegebenenfalls mehr belasten wird. Im Rahmen einer durchschnittlichen Mietdauer von sieben Jahren und bei durchschnittlichen Investitionskosten im durch- schnittlichen Wohnungsbestand wird sich eine größere Investition für den Mieter nicht amortisieren. Eine Voll- sanierung einer 60-Quadratmeter-Wohnung in einem in den 60er-Jahren gebauten Haus bedeutet eine Mietstei- gerung von 2,50 Euro pro Quadratmeter und damit eine um 150 Euro höhere Miete im Monat. Dem steht eine Energiekosteneinsparung von etwa 40 Euro gegenüber. Um diese große Differenz abzufedern, sind verläss- liche und planbare Förderprogramme des Bundes erfor- derlich. Die Mieter müssen vor zu hohen Kosten ge- schützt werden. Das Wohngeld ist anzupassen und der Heizkostenzuschuss wieder einzuführen. Auch diejeni- gen, die über wenig Einkommen verfügen oder von Transferleistungen leben müssen, dürfen nicht in energe- tisch unsanierte Quartiere verdrängt und müssen für das eigene Energiesparen belohnt werden. Gleichzeitig brauchen Vermieter und Investoren An- reize, um die oft nicht wirtschaftlichen Investitionen zu tätigen und sich daran zu beteiligen, Energieeffizienz und CO2-Reduzierung voranzutreiben. Daher fordern wir das energetische Gebäudesanierungsprogramm mit 2 Milliarden Euro im Haushalt fest zu verankern – ver- lässlich und planbar! Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. November 2012 25925 (A) (C) (D)(B) Eine weitere Verschärfung des Ordnungsrechts im Rahmen der Novellierung der Energieeinsparverordnung 2009 für den Bestand lehnt die SPD-Fraktion ab. Bereits jetzt sind Wohnungswirtschaft, Eigentümer und Mieter mit der Erfüllung der Anforderungen durch die beste- henden Standards im Bestand an die wirtschaftliche und finanzielle Belastungsgrenze gekommen. Vor diesem Hin- tergrund weise ich darauf hin, dass es auf einen ganz- heitlichen, technologieoffenen und quartiersbezogenen Ansatz ankommt. Das Ziel kann nicht heißen, das letzte Quäntchen aus den Gebäuden herauspressen, um für viel Geld noch ein Minimum an CO2-Einsparung zu generie- ren. Es ist wesentlich sinnvoller, die effizientesten Maß- nahmen mit der Versorgung durch regenerative Energien zu kombinieren. Grundsätzlich stellen sich Fragen an die Datengrund- lagen und die Technologien. Die theoretisch berechneten Verbräuche für Häuser und Wohnungen vor den Sanie- rungen sind höher als der tatsächliche Verbrauch. Aus- wertungen nach der energetischen Sanierung ergaben im Gegenzug, dass der tatsächliche Verbrauch höher war als der vorher rechnerisch kalkulierte Bedarf. Es richten sich außerdem noch offene Fragen an die Baustoffe hinsichtlich des ökologischen Fußabdrucks in Bezug auf Herstellung, Transport, Recycling, Brandge- fahren und Gesundheitsgefährdung. Es muss mehr Geld in die Forschung und städtebauliche Entwicklung inves- tiert werden, damit zielsicher, effizient und effektiv saniert werden kann. In einzelnen Städten liegen Erkenntnisse vor, dass bereits durch die Optimierung vorhandener Technik und kleinerer Maßnahmen 30 Prozent Energie- einsparung zu erreichen sind. Insgesamt müssen die Kommunen im Bereich der Stadtentwicklung und im Wohnungsbau unterstützt wer- den, um quartiersbezogene Ansätze gemeinsam mit an- deren wichtigen Akteuren vor Ort umzusetzen. Viele Städten und Gemeinden sind schon sehr weit. Sie wissen am besten über den Wohnungsbestand und die Leis- tungsfähigkeit der Vermieter und Mieter Bescheid. Sie müssen und können sich umsetzbare Ziele setzen. Neben der Energieeinsparung geht es aber auch um das soziale Leben, den altersgerechten Umbau, Barrierearmut und Inklusion. Jeder Euro kann nur einmal ausgegeben wer- den, und Immobilien und ihr Umfeld müssen aus wirt- schaftlichen Gesichtspunkten umfassend entwickelt wer- den. Deshalb wollen wir die energetische Stadtsanierung in die Städtebauförderung integrieren und diejenigen be- lohnen, die sich auf einen abgestimmten, realistischen Pfad einlassen. Einen großen Beitrag zur Energieeffi- zienz und CO2-Reduzierung kann und muss darüber hi- naus die dezentrale Energiegewinnung, -speicherung und -versorgung leisten. Wohnen ist Daseinsvorsorge. Die Menschen wollen bezahlbar wohnen und in den Städten und Gemeinden gut leben. Das ist die Aufgabe, der sich die SPD-Bun- destagsfraktion stellt. Wir werden ein Leitprogramm „Soziale Stadt“ mit einer wesentlich verbesserte Mittel- ausstattung und einem vernünftigen ressortübergreifen- den Ansatz weiterentwickeln sowie die Städtebauförde- rung mit mindestens 700 Millionen Euro verlässlich finanzieren und das Programm „Altersgerecht Um- bauen“ wieder in den Bundeshaushalt integrieren. Die Bezuschussungskomponente für diese Maßnahmen muss hier wieder enthalten sein. Die zweckgebundene soziale Wohnraumförderung ist auf dem jetzigen Niveau zu ver- stetigen und als Kompensationszahlung des Bundes bis 2019 fortzuführen. Sebastian Körber (FDP): Die heutige Debatte ver- danken wir einem langen Antrag der Grünen zur Ener- giewende im Gebäudebereich, von dem die Grünen selbst salbungsvoll im Titel behaupten, er wäre „sozial gerecht, umweltfreundlich, wirtschaftlich und zukunfts- weisend“. Sie behaupten darin unter anderem: „In allen Berei- chen gibt es gravierende Defizite und falsche Weichen- stellungen durch die Bundesregierung“. Also, liebe Kol- legen der Grünen, die einzigen Defizite befinden sich in Ihrer ideologischen Wahrnehmung und vor allem in Ih- rem Gedächtnis. Die Wahrheit ist: Wir stehen heute hier, weil diese Regierung nicht wie Sie nur geredet, sondern gehandelt hat, weil Schwarz-Gelb die Energiewende ein- geleitet hat und nicht Sie – und daran haben Sie bei den Grünen auch bis heute zu kämpfen. In dieser andauernden Sinnkrise ist Ihr Ansatz, um die Energiewende im Gebäudebereich „zukunftsweisend umzusetzen“, lediglich immer mehr Geld, Bürokratie und Überwachung. Das ist nicht „zukunftsweisend“, sondern selbst für grüne Verhältnisse mehr als rück- schrittlich. Besonders lächerlich wird es, wenn Sie am Anfang zunächst der Bundesregierung fehlendes Handeln und fehlende Konzepte vorwerfen und dann im Zuge des An- trags seitenweise auf die zahlreichen Initiativen dieser Regierung im Gebäudebereich kleinlaut eingehen und daran rumnörgeln. Wer hat also gehandelt und auch die Energiewende im Gebäudebereich voran-getrieben? Diese schwarz-gelbe Koalition! Sie wollen sich vor den Wahlen schnell den Mantel der bürgerlichen Mitte umhängen; in Wirklichkeit täu- schen Sie die Menschen: Sie sind nicht bürgerlich; Sie wollen den Einstieg in den ökologischen Überwachungs- staat – kaum ein Absatz in Ihrem Antrag ohne die Zu- sätze „verpflichtend“, „verbindlich“, „vorschreiben“, „Verschärfung“, „Kontrolle“, – und das lehnen wir ent- schieden ab. Aber der Gipfel ist: Sie betreiben die dreisteste, schlimmste Blockadepolitik im Bundesrat seit Lafontaine/ Schröder in den 90er-Jahren – im Bundestag immer mehr fordern und im Bundesrat alles blockieren! Und Sie wa- gen es, sich hier treuherzig hinzustellen und in diesen Antrag zu schreiben: „Hinzu kommt, dass die Verhand- lungen über den Steuerbonus für energetische Gebäude- sanierungen von der Bundesregierung ausgebremst und verzögert werden.“ Das ist ja geradezu grotesk. Wem wol- len Sie denn das ernsthaft erzählen? Sie wissen es natür- lich selbst besser. Seit einem Jahr blockieren Sie zusammen mit der SPD, vorneweg Herr Kretschmann und Frau Kraft – die SPD- 25926 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. November 2012 (A) (C) (D)(B) „Reserve-Kanzlerkandidatin“ der Herzen, falls Herrn Steinbrück die Luft endgültig ausgeht. Da weiß Deutsch- land, was ihm blüht, wenn nächstes Jahr Rot-Grün regie- ren sollte. Sie nehmen mit Ihrer Blockade alle Eigentümer und Hausbesitzer in Deutschland in steuerpolitische „Geisel- haft“. Ich fordere alle Hausbesitzer und Eigentümer auf, Protestschreiben und Protest-E-Mails an Rot-Grün zu schicken – insbesondere an Frau Kraft in Düsseldorf und Herrn Kretschmann in Stuttgart – dessen grüner Infra- strukturminister Hermann laut Bild gerade 200 000 Euro in Teekücheninfrastruktur investiert; das zeigt, wie „gut“ Sie mit Steuergeld umgehen können. Konzentrieren wir uns also auf die Fakten und nicht auf grüne Wunschträume: Auch in den Jahren 2013 und 2014 werden im Ener- gie- und Klimafonds Programmmittel von jährlich 1,5 Milliarden Euro für das CO2-Gebäudesanierungspro- gramm zur Verfügung stehen. Mit dem erfolgreichen CO2-Gebäudesanierungsprogramm unterstützt die Bun- desregierung bereits die Kommunen finanziell bei der Finanzierung von energetischen Sanierungsmaßnahmen bei Gebäuden der kommunalen Infrastruktur. Zusätzlich werden mit dem von uns initiierten KfW- Programm „Energetische Stadtsanierung“ umfassende Maßnahmen mit Blick auf die Energieeffizienz und die Infrastruktur im Quartier angestoßen. Wir wollen so er- neuerbaren Energien breitere Einsatzmöglichkeiten in innerstädtischen Altbauquartieren bieten, weitere Inves- torengruppen in den Sanierungsprozess einbeziehen so- wie Energieeinsparung und Baukultur besser in Einklang bringen. Wieder so ein Fall: Sie lamentieren, wir würden nichts tun; ja, wer hat es denn eingeführt? Union und FDP! Übrigens: Alle Vorschläge zur Begrenzung des Mietanstiegs, die ich von Ihnen höre, gehen einseitig zu- lasten des Vermieters und sind ungeeignet, Mietsteige- rungen zu vermeiden und bezahlbaren Wohnraum zu er- halten. Vielmehr besteht die Gefahr der Verstetigung von Wohnraumknappheiten, wenn sich die Investitionsbedin- gungen für den Mietwohnungsbau verschlechtern. Der beste Mieterschutz ist, für ausreichend bezahlbaren Wohnraum zu sorgen. Wir müssen die energetische Modernisierung des Ge- bäudebestandes stärker vorantreiben – aber nicht mit der „Zwangskeule“, sondern nach dem Motto „Unterstützen statt überfordern“. Die steuerliche Förderung von ener- getischen Modernisierungsmaßnahmen im Gebäudebe- stand ist zwingend. Wir werden Ihnen das so lange hier vorhalten, bis Sie Ihre Blockade aufgeben. Der Gebäu- debereich wird entscheidend zum Gelingen der Energie- wende beitragen. Union und FDP setzen – im Gegensatz zu den Grünen – die richtigen Rahmenbedingungen durch Planungssicherheit für gewerbliche Investoren und private Haushalte. Heidrun Bluhm (DIE LINKE): Der verantwortungs- volle Umgang mit unserer Umwelt, dem Klima und mit den begrenzten Ressourcen der Erde ist unsere Pflicht und unsere Schuldigkeit gegenüber unseren Kindern, Enkeln und deren Kindern. Er ist zugleich eine hoch- aktuelle, dringende Tagesaufgabe, weil schon viel zu viel Zeit ungenutzt verstrichen ist und die Zeichen der „menschgemachten“ Klimakatastrophe unübersehbar ge- worden sind. Die Linke bekennt sich programmatisch zu den inter- nationalen Klimaschutzzielen und fordert von der Bun- desregierung, ihre verbalen Verpflichtungen mit aktivem politischem Handeln dauerhaft und verlässlich zu unter- setzen. Wir unterstützen parlamentarische Initiativen, die die Erreichung der international vereinbarten Klima- ziele fördern wollen, wie der hier vorliegende Antrag von Bündnis 90/Die GRÜNEN. Wir sagen aber auch: Ohne breite Akzeptanz in der Bevölkerung, ohne soziale Gerechtigkeit sind solche parlamentarischen Aktionen nicht tragfähig und werden daher unwirksam bleiben. Der Antrag führt zwar die Worte „sozial gerecht“ im Titel, wenn man ihn sich aber genauer anschaut, scheint das doch eher ein Feigenblatt zu sein in einem Wust von technischen, ordnungsrecht- lichen Forderungen und Regelungsvorschlägen. So rich- tig und berechtigt die Forderungen in ihrer Zielsetzung auch sein mögen, sie werden unerfüllbar bleiben, wenn sie den Betroffenen – das sind in diesem Falle 81 Millionen Bewohnerinnen und Bewohner der Bundesrepublik – von „oben“ übergestülpt werden, ohne dass die sozialen Interessen aller Beteiligten ausgewogen berücksichtigt werden. Um es konkret zu machen: In keinem anderen Be- reich sind die Wohnkosten so schmerzhaft gestiegen wie bei den Kosten für Heizung, Strom und warmes Wasser. Die energiepolitische Wende ist daher schlicht auch not- wendig, um den Anteil der Wohnkosten an den Haus- haltseinkommen überhaupt noch schultern zu können – übrigens nicht nur der Mieterinnen und Mieter, son- dern auch sehr vieler Eigenheimbesitzer, für die ihr Häuschen aus der gedachten Altersvorsorge zu einem Armutsrisiko wird. Umsonst ist die Energiewende im Gebäudebestand nicht zu haben. Das wissen und akzeptieren wir. Wir ak- zeptieren daher auch, dass neben dem Staat und den Wohnungseigentümern auch die Mieterinnen und Mieter, die das wirtschaftlich tragen können, an den Kosten der Klimainvestitionen zu beteiligen sind. Um es mit dem DMB auszudrücken: „Die Mehrzahl der Mieter ist nicht arm. Aber die Menschen in den unteren Einkommens- gruppen sind fast ausschließlich Mieterinnen und Mieter.“ Die Folgerung aus dieser These darf aber nicht sein – wie man das gelegentlich aus der anderen Richtung der Wohnungswirtschaft hört –, dass man einen gewissen Teil unsanierten und damit angeblich preiswerten Wohn- raums für diesen Bevölkerungsteil vorhalten müsse. Die Forderung, man solle nicht „preiswerten Wohnraum wegsanieren“ ist nicht nur zynisch, sie ist auch wirt- schafts- und erst recht sozialpolitisch völlig inakzepta- bel. In den energetisch unsanierten Gebäuden wohnen die meisten Menschen mit niedrigen Einkommen. Wenn die Heiz- und Warmwasserkosten dort aufgrund steigender Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. November 2012 25927 (A) (C) (D)(B) Energiepreise das Niveau der Nettokaltmieten erreichen, dann sind es die Einkommensschwächsten, die die höchsten Rechnungen für eine unterlassene energetische Ertüchtigung zahlen müssen. Die energetische Wende kann nicht gelingen, wenn Menschen auf diese Weise ausgegrenzt werden oder wenn die Kosten von Moderni- sierungsmaßnahmen zu Armutsrisiken oder zu sozialer Spaltung in den Städten und Wohnquartieren führen. Ge- rade deshalb müssen alle Maßnahmen für einen konse- quenten Klimaschutz sehr ernsthaft mit flankierenden sozialen Maßnahmen verbunden werden. Die energeti- schen Sanierungsmaßnahmen sind in dem notwendigen und rechtsverbindlich vorgegebenen Rahmen ohne mas- sive staatliche Beteiligung völlig undenkbar. Schon deshalb müssen Fördermaßnahmen nicht allein an ihrem finanziellen Umfang bemessen werden, son- dern an ihren Wirkungen. Staatliche Förderung energeti- scher Sanierung muss in erster Linie an den erzielten Energieeinsparungseffekten orientiert sein, nicht an den Investitionskosten. Das heißt: Besonders effiziente ener- getische Sanierung muss auch besonders intensiv geför- dert werden. Die Forderung nach der Wirtschaftlichkeit energetischer Sanierungsmaßnahmen muss für beide Seiten, für Vermieter und Mieter, gelten. Das heißt, vor- rangig solche Maßnahmen zu fördern, die die beste Kos- ten-Nutzen-Relation nachweisen. Warmmietenneutralität ist in der Regel nicht ohne öf- fentliche Förderung möglich. Das heißt: Was der Mieter bei der durch die Modernisierungsumlage steigenden Kaltmiete nicht aus Energiekostenersparnis „erwirt- schaften“ kann, muss durch öffentliche Förderung aufge- fangen werden. Wir unterstützen deshalb auch die – in diesem vorgelegten Antrag enthaltene – Forderung des Deutschen Mieterbundes nach Einführung eines „Klima- wohngeldes“, also einer zusätzlichen Kategorie im Wohngeld, die es berücksichtigt, wenn aufgrund einer energetischen Sanierung die Miete höher ist als ohne diese Sanierungsmaßnahme. Unterm Strich: Politik kann genaue Gesetze, Verord- nungen, Durchführungsbestimmungen, Regeln und Aus- nahmebestimmungen erlassen. Aber bei allem gilt: Jedes mit Gesetzen, Verordnungen usw. fixierte Ziel wird nur erreicht werden, wenn ihm eine adäquate Finanzausstat- tung zugrunde gelegt wird. Vermieter werden ihre Inves- titionsentscheidungen nicht von internationalen Klima- schutzzielen abhängig machen, sondern von der zu erzielenden Rendite an ihrem konkreten Investitions- standort. Mindestens aber wollen sie nicht draufzahlen. Mieter haben nicht plötzlich mehr Einkommen zur Ver- fügung, weil eine neue Energieeinsparverordnung in Kraft tritt. Nur die Politik, der Staat, kein anderer Betei- ligter kann diesen Interessenkonflikt wenn schon nicht auflösen, dann doch wenigstens ausgleichen. Dazu muss er aber zuallererst die soziale Dimension des Klima- schutzes im Auge haben und darf Förderung nicht nach Kassenlage, an Umfragewerten oder an Lobbyinteressen ausrichten. Wenn die finanzielle Ausstattung der Förder- programme einschließlich des EKF sich an den selbstge- steckten Klimaschutzzielen orientiert und der Einsatz der Fördermittel sich ausschließlich am Grad der erziel- ten Steigerung der Energieeffizienz ausrichtet, dann kann – und das muss es auch unter Klimaschutzerforder- nissen – Wohnen in Deutschland auf Dauer bezahlbar bleiben. Daniela Wagner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Deutschland hat sich international verpflichtet, den Aus- stoß von Klimagasen hierzulande um mindestens 40 Pro- zent bis 2020 und um 95 Prozent bis 2050 zu senken. Dennoch ist die Bundesregierung anscheinend in einem Winterschlaf gefangen. Ausreichende Förderung der energetischen Gebäudesanierung? Steuerliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung? Mietrechtsnovelle? Baugesetzbuchnovelle? Soziale Wohnraumförderung? Städtebauförderung? Fehlanzeige! Zielführende Politik sieht so nicht aus. In der Summe führen die Defizite und Fehlsteuerun- gen bei der Gebäudesanierung dazu, dass Deutschland das EU-Einsparziel von 20 Prozent bis 2020 weit verfeh- len wird. Die Bundesregierung hat nach Brüssel gemel- det, dass bis 2020 der Energieverbrauch gegenüber 2008 um lediglich 12,8 Prozent gesenkt werden könne. Damit fällt Deutschland deutlich hinter Länder wie Frankreich oder Spanien zurück. In ihrem eigenen Energiekonzept hat die Bundesre- gierung eine Senkung um 20 Prozent des Primärenergie- verbrauchs für den gleichen Zeitraum beschlossen. Eine Gesamtstrategie für die Energiewende im Gebäude- bereich ist dringend notwendig, sollen die Klimaschutz- ziele erreicht, die ökonomischen Potenziale erschlossen und die Sozialverträglichkeit gesichert werden. Die Bun- desregierung muss endlich eine konsistente Strategie für die sozialverträgliche Sanierung des Gebäudebestands mit dem Ziel eines klimaneutralen Gebäudebestands bis 2050 entwickeln und konsequent verfolgen, wenn sie die Klimaziele erreichen will. Wir Grüne haben ein Maßnahmenpaket mit mehreren Aktionsbereichen vorgeschlagen. Im ersten Aktionsbe- reich ist dringend mehr Transparenz hinsichtlich des energetischen Standards von Gebäuden und Wohnungen herzustellen. Wir Grüne schlagen daher vor, die Energie- ausweise für Gebäude zu vereinheitlichen und auf den Bedarfsausweis zu beschränken, der den Energiebedarf des Gebäudes unabhängig vom Nutzerverhalten dar- stellt. Der Bedarfsausweis ist in seiner heutigen Form konzeptionell zu überarbeiten, zu erweitern und verbrau- cherfreundlicher und aussagekräftiger zu gestalten. Dazu sollte er auf sicheren, nachvollziehbaren und überprüf- baren Berechnungen basieren und zum Beispiel um die Angabe des Energieverbrauchs der letzten Verbrauchs- abrechnungen ergänzt werden. Der Bedarfsausweis sollte verpflichtend an eine Vor- Ort-Energieberatung geknüpft sowie um einen individu- ellen Modernisierungsfahrplan mit konkreten Moderni- sierungsempfehlungen für die Eigentümer ergänzt wer- den. Dieser Ausweis sollte bei Immobilieninseraten, Eigentümerwechsel, EnEV-relevanten Sanierungen so- wie zur Beantragung von Fördergeldern verpflichtend vorgeschrieben werden. Es sollte verbindlich vorge- schrieben werden, dass der Ausweis ab 2015 bei neuen 25928 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. November 2012 (A) (C) (D)(B) Vermietungen und ab 2018 für alle Gebäude an Mieter ausgehändigt werden muss. Für die schrittweise Einführung des neuen Bedarfs- ausweises sollten entsprechend Fördermittel bereitge- stellt werden, wobei diejenigen, die früh aktiv werden, besonders von der Unterstützung profitieren sollen. Wir fordern die Bundesregierung auf, die mithilfe der Bedarfsausweise ermittelten energetischen Kennzahlen unter Wahrung datenschutzrechtlicher Bestimmungen in einer Datenbank zu sammeln, um sukzessive den ener- getischen Zustand des Gebäudebestands zu erfassen und ein Monitoring zu ermöglichen. Diese Datenbank kann auch von Kommunen genutzt werden, etwa um Moder- nisierungsmaßnahmen zu planen oder ökologische Miet- spiegel, die den energetischen Zustand der Gebäude ent- halten, zu erstellen. Im zweiten Aktionsbereich sollten die Mindeststan- dards für die energetische Modernisierung angehoben werden. Der derzeit gültige Energiestandard von 90 bis 100 Kilowattstunden Energiebedarf für Wärme und Kühlung, Kilowattstunden pro Quadtratmeter und Jahr, soll bei Sanierung bis 2020 schrittweise auf 70 Kilowatt- stunden angehoben werden – 7-Liter-Haus. Bevor Sie jetzt wieder mit Zwangssanierung kom- men: Dieser Standard muss nur eingehalten werden – wie bereits heute in EnEG und EnEV vorgesehen –, wenn überhaupt saniert wird und die Sanierung wirt- schaftlich darstellbar ist. Die Umstellung auf erneuer- bare Energien bei der Einhaltung der Mindeststandards sollte mit Energieeffizienzmaßnahmen gekoppelt wer- den. Maßnahmen der energetischen Quartierssanierung sind leichter anzuerkennen, sofern diese mit Energieeffi- zienzmaßnahmen am einzelnen Gebäude einhergehen. Hinsichtlich des Erhalts von Baukultur sagen wir, dass Ausnahmeregeln für denkmalgeschützte Gebäude sowie für städtebaulich oder architektonisch besonders erhaltenswerte Gebäude weiterhin vorzusehen sind. Soweit es ihre städtebauliche Bedeutung zulässt, sol- len bei der Sanierung ökologische Ziele berücksichtigt werden; Ausnahmetatbestände für Bestandsgebäude, die nicht unter Denkmalschutz stehen oder als baukulturell erhaltenswerte Gebäude gelten, wollen wir auf den Prüf- stand stellen. Klar ist: Die Verschärfung der EnEV-Standards ist mit der gleichzeitigen Bereitstellung ausreichender Förder- mittel zu flankieren, um einen Modernisierungsstau zu vermeiden. Auch ist mittelfristig die Wirtschaftlichkeits- definition im Energieeinsparungsgesetz, EnEG, zu über- arbeiten, sodass die Anforderungen der EU-Gebäude- richtlinie zur Berechnung kostenoptimaler Niveaus berücksichtigt werden. Im dritten Aktionsbereich ist akut die Förderung des Energiesparens und der Effizienz neu auszurichten. Wir Grünen wollen die finanzielle Ausstattung der Förder- programme zur Gebäudemodernisierung auf 2 Milliar- den Euro per anno anheben, auf diesem Niveau versteti- gen und wieder in den Bundeshaushalt überführen. Die unsichere Finanzierung der CO2-Gebäudesanierungspro- gramme der KfW über den Energie- und Klimafonds bringen uns nicht weiter. Weiterhin ist ein neuer Energiesparfonds mit einem Finanzvolumen von 3 Milliarden Euro jährlich aufzule- gen sowie zu einer zielgerichteten und dauerhaften Effi- zienzinitiative auszubauen. Der Fonds soll dazu beitragen, den Strom- und Wär- meverbrauch zu senken und folgende Förderprogramme umfassen: Energieberatung und Informationen verbes- sern und die Erstellung von Energiebedarfsausweisen für jedes Wohngebäude fördern; energetische Modernisie- rung insbesondere in Wohnquartieren mit hohem Anteil einkommensschwacher und investitionsschwacher Haus- halte erhöhen; Stromeffizienz besonders sparsamer strombetriebener Geräte fördern, insbesondere in ein- kommensschwachen Haushalten; weitere Fondsmittel sollen für die Modernisierung öffentlicher Gebäude so- wie für die Einführung eines Klimawohngeldes zur Ver- fügung stehen, mit dem soziale Härten im Zuge der Mo- dernisierung verhindert werden. Zusätzlich ist eine steuerliche Förderung der energetischen Modernisierung so auszugestalten, dass sie sozial gerecht ist, einen zu- sätzlichen Modernisierungsanreiz für selbstnutzende Ei- gentümerinnen und Eigentümer darstellt, den Klimazie- len gerecht wird und die bestehenden CO2-Gebäude- modernisierungsprogramme der KfW sowie den grünen Energiesparfonds ergänzt. Auch sollte sich die Bundesregierung dafür einzuset- zen, dass auch zukünftig aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, EFRE, die Steigerung von Energieeffizienz und erneuerbaren Energien im Woh- nungsbestand förderfähig bleibt und die Begrenzung der Höchstsumme von 4 Prozent der nationalen EFRE-Mit- tel in eine Mindestsumme umgewandelt wird. Der vierte Aktionsbereich zielt darauf, endlich die Nutzung erneuerbarer Wärme voranzutreiben. Hierzu sollte die Bundesregierung das EEWärmeG über Neu- bauten hinaus auf den Gebäudebestand sowie auf öffent- liche Gebäude ausweiten. Die gesetzliche Verpflichtung zum Einsatz erneuerbarer Energien muss entsprechend beim Neubau sowie bei Modernisierungen und Aus- tausch bestehender Heizungsanlagen greifen. In den gesetzlichen Standard für den Einsatz erneuer- barer Energien ist ein Deckungsanteil von 20 Prozent bei Neubauten und 10 Prozent bei Bestandsbauten am jährli- chen Wärmebedarf festzuschreiben. Der Standard wird entsprechend der Marktentwicklung regelmäßig angeho- ben. Dazu ist im Gesetz alle fünf Jahre eine Steigerung um 10 Prozent bei Neubauten und 5 Prozent bei Altbau- ten vorzusehen; Es sollten jene Gebäude von der gesetzlichen Pflicht befreit werden, die die jeweils gültigen Bestimmungen der Energieeinsparverordnung um mindestens 50 Pro- zent übererfüllen, sowie sporadisch genutzte Gebäude und Gebäude mit einer Nutzfläche von unter 50 Quadrat- metern. In dem Gesetz sollte die maximale CO2-Reduktion in den Mittelpunkt gestellt werden und deshalb eine Ver- drängung neuer Ölheizungen ab dem Jahr 2015 durch Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. November 2012 25929 (A) (C) (D)(B) Erneuerbare-Energien-Anlagen als Ziel gesetzt werden. Dies ist bei der Ausgestaltung der Förderrichtlinien zu beachten. Die Erschwernisse einkommensschwacher Haushalte und investitionsschwacher Eigentümerinnen und Eigen- tümer sind in dem Marktanreizprogramm für erneuerbare Energien, MAP, stärker zu berücksichtigen. Begleitend zum EEWärmeG sollte die Förderung der saisonalen Wärmespeicherung und des Ausbaus der Wär- menetze mit besonderem Augenmerk auf Nahwärmenetze ausgedehnt werden. Auch ist parallel zum EEWärmeG das Mietrecht so zu ergänzen, dass die Umstellung auf er- neuerbare Wärme mit Maßnahmen zur Effizienzsteige- rung einhergeht. Im fünften Aktionsbereich sollten die energetische Sanierung des Gebäudebestands wohnungspolitisch und mietrechtlich unterstützt sowie die soziale Entmischung in unseren Städten aufgehalten werden. Daher sollte die Bundesregierung im Rahmen der aktuellen Mietrechts- novelle die Modernisierungsumlage auf 9 Prozent absen- ken und auf die energetische Modernisierung sowie den altersgerechten bzw. barrierefreien Umbau konzentrie- ren. Die Bundesregierung sollte zusätzlich die Aufnahme der energetischen Gebäudebeschaffenheit in die ortsübli- che Vergleichsmiete stärker unterstützen. Wichtig wäre es, festzulegen, dass durch energetische Modernisierun- gen Primär- und Endenergie eingespart wird, damit Mieterhöhungen durch Heizkostenersparnisse refinan- ziert werden können. Ergänzend hierzu sollten energeti- sche Modernisierungen gegenüber anderen Modernisie- rungsmaßnahmen bei den Duldungsbestimmungen privi- legiert werden. Weiterhin wäre es zielführend, das Bürgerliche Ge- setzbuch, Mietrecht, Baugesetzbuch und Wirtschafts- strafgesetzbuch entsprechend den Anträgen auf den Drucksachen 17/7983 und 17/10120 zu ändern und wei- terzuentwickeln. Den Ländern ist endlich ein ernsthaftes und annehm- bares Angebot zu unterbreiten, das eine Verstetigung der Finanzhilfen nach Art. 143 c des Grundgesetzes für die soziale Wohnraumförderung bis zum 31. Dezember 2019 zweckgebunden vorsieht. Sie haben den Heizkostenzuschuss im Wohngeld ab- geschafft. Das wäre nur sinnvoll gewesen, wenn Sie ihn schrittweise in einen Klimazuschuss als Bestandteil des Wohngeldes weiterentwickelt hätten. Das Wohngeld ist endlich bedarfsgerecht weiterzu- führen und zu einem Klimawohngeld weiterzuentwi- ckeln. Im Rahmen des Klimawohngeldes wird ein Kli- mazuschuss für energetisch sanierte Wohnungen eingeführt, um einkommensschwache Haushalte zu un- terstützen. Der § 5 des Wirtschaftsstrafgesetzes, WiStG, sollte so ausgestaltet werden, dass er auf die bezirks- und quartiersspezifischen Entwicklungen der Kommunen stärker eingeht und die Wesentlichkeitsgrenze abgrenzt. Ergänzend hierzu sind die §§ 142 und 144 – Sanie- rungssatzung – sowie 172 – Erhaltungssatzung – des Baugesetzbuchs, BauGB, dahin gehend zu ergänzen, dass bei der Ausweisung von Sanierungs- und Milieu- schutzgebieten die Möglichkeit von Mietobergrenzen wieder zugelassen werden können. Herr Bundesbauminister, wachen Sie endlich aus Ih- rem bau- und wohnungspolitischen Winterschlaf auf! Schützen Sie Mieterinnen und Mieter vor steigenden Ne- ben- und Heizkosten sowie daraus folgender Energiear- mut. Bewahren Sie Immobilienbesitzerinnen und Immo- bilienbesitzer vor einer langfristigen kalten Enteignung ihrer unsanierten Gebäude über steigende Energiepreise. Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfah- rens und zur Stärkung der Gläubigerrechte (Ta- gesordnungspunkt 18) Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU): Das Insolvenzrecht beschäftigt uns in dieser Wahlperiode als Daueraufgabe. Nach dem ESUG, das in den vergangenen Monaten den ersten Praxistest durchlaufen hat, haben wir kürzlich die Entfristung der Regelung zum Über- schuldungsbegriff beschlossen, um den Unternehmen an dieser Stelle die nötige Rechtssicherheit für die Zukunft zu geben. Mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Ver- kürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte greifen wir nun ein Projekt aus dem Koalitionsvertrag auf. Eine Vereinbarung über eine schnellere Möglichkeit zur privaten Entschuldung findet sich hier, allerdings im Kapitel über die Wirt- schaftspolitik. Für uns als federführende Rechtspolitiker war das zunächst einmal überraschend. Das Anliegen, Unternehmen im Fall des Scheiterns ihrer Geschäftsidee einen schnelleren Fresh Start zu ermöglichen, ist aber auch für die Rechtspolitiker sicher nachvollziehbar. Wir haben alle ein Interesse daran, dass immer wieder Men- schen mit guten Geschäftsideen ein Wagnis eingehen, auch wenn ein Teil von ihnen mit dieser Geschäftsidee scheitert. Es ist gut, wenn sie die Chance erhalten, in an- gemessener Zeit wieder wirtschaftlich handlungsfähig zu werden und etwas Neues zu beginnen. Nun legt die Bundesregierung einen Gesetzentwurf vor, der sich über diese ursprüngliche Intention hinaus nicht nur auf Unternehmer, sondern auf alle privaten Schuldner erstreckt. Auch das ist plausibel; denn in der Tat ist eine verfassungsmäßig haltbare Abgrenzung zwi- schen den einen und anderen Schuldnern sehr problema- tisch. Wir wissen außerdem, dass auch unter den priva- ten Schuldnern vielfach schicksalhafte Entwicklungen wie Arbeitslosigkeit Ursache der Überschuldung sind; oft auch Trennung und Scheidung – das möchte ich zwar nicht per se als „schicksalhaft“ bezeichnen. Es zeigt sich aber, dass die Probleme zumeist nicht in einem allzu leichtfertigen Umgang mit Geld liegen, sondern andere, oft einmalige Ursachen im Lebensverlauf haben. Oft ge- 25930 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. November 2012 (A) (C) (D)(B) hen dem Antrag auf ein privates Insolvenzverfahren und Restschuldbefreiung bereits Jahre voraus, in denen der Schuldner und gegebenenfalls auch seine Familie sich wegen der Schulden sehr stark einschränken müssen – mit allen Begleiterscheinungen für die Lebensgestal- tung, aber auch Ausweichreaktionen in Richtung Schwarzarbeit. Es ist deshalb ein richtiger Ansatz, wenn durch eine angemessene Regelung zur Restschuldbefrei- ung eine Perspektive für einen Neuanfang geschaffen wird. Es gibt aber auch die andere Seite: Der Grundsatz „pacta sunt servanda“ hat ebenfalls eine hohe Bedeutung und verlangt grundsätzlich, dass eingegangene Ver- pflichtungen zu erfüllen sind. Beides muss gegeneinan- der abgewogen werden. Die Bundesregierung schlägt uns hier eine Verkürzung der Wohlverhaltensperiode auf drei Jahre vor, wenn im Insolvenzverfahren zumindest 25 Prozent der Schulden beglichen werden, auf fünf Jahre, wenn zumindest die Verfahrenskosten gedeckt werden. Die bereits vorliegenden Stellungnahmen zei- gen: Das ist den einen nicht weitreichend genug, den an- deren geht der damit verbundene Einschnitt in die Posi- tion der Gläubiger schon zu weit. Hier muss man gut überlegen, ob diese Hürde für alle Fälle sachgerecht ist, oder ob es weitere Möglichkeiten der Differenzierung geben sollte – etwa dort, wo auch der redliche Schuldner bei bestem Willen eine solche Quote nicht erfüllen kann oder wo auf der anderen Seite ein beschleunigtes „Frei- kaufen“ von leichtsinnig aufgehäuften Konsumschulden mit 25 Prozent allzu einfach erscheint. Der Ansatz, mit einer bestimmten Mindestquote einen Anreiz zu setzen, der zu einem frühzeitigen Insolvenzan- trag und unter Umständen auch zu überobligatorischen Bemühungen um die Erfüllung einer solchen Quote führt, die weit über den heute durchschnittlich erzielten Quoten liegt, erscheint jedenfalls zunächst einmal plau- sibel, und wir werden das konstruktiv prüfen. Das Gesetzgebungsverfahren greift weitere wichtige Punkte zur Verbesserung des Restschuldverfahrens auf. Eine wichtige Stärkung der Gläubigerrechte liegt darin, dass Anträge auf Versagung der Restschuldbefreiung künftig nicht mehr nur im Schlusstermin geltend ge- macht werden können. Entscheidend ist, dass sie bis da- hin zumindest schriftlich vorliegen müssen; bei später bekanntwerdenden Gründen ist auch die nachträgliche Geltendmachung noch möglich. Ärgerliche Fälle, in de- nen auch unredliche Schuldner Restschuldbefreiung er- langen konnten, weil die Gläubiger den Aufwand der Antragstellung im Schlusstermin scheuten, sind damit für die Zukunft ausgeschlossen. Eine Stärkung der Er- werbsobliegenheiten des Schuldners im Insolvenzver- fahren und seiner Auskunfts- und Mitwirkungspflichten erscheinen ebenfalls gerecht und sinnvoll und stärken die Rechte der Gläubiger. Erklärtes Ziel des Gesetzentwurfs ist außerdem die Stärkung des außergerichtlichen Einigungsversuchs. Hier leisten die Schuldnerberatungsstellen oft eine sehr gute Arbeit, in der neben der Klärung der persönlichen Finanzlage auch viel Lebenshilfe geboten wird. Die Schuldnerberatungsstellen weisen allerdings darauf hin, dass das Ziel einer Stärkung der außergerichtlichen Eini- gung durch den Wegfall der gerichtlichen Zustimmungs- ersetzung aus ihrer Sicht gefährdet erscheint. Dies und die weiteren Vorschläge der sogenannten Stephan-Kom- mission sollten wir in den anstehenden Beratungen nochmals im Detail prüfen. Noch offen ist aus meiner Sicht die Regelung der funktionellen Zuständigkeit. Ursprünglich war im Refe- rentenentwurf die Übertragung der Verbraucherinsol- venz auf die Rechtspfleger vorgesehen, auch als Aus- gleich zur Übertragung von Zuständigkeiten auf den Richter im ESUG. Dies ist im nun vorliegenden Regie- rungsentwurf geändert, ohne dass uns das Ministerium dazu eine vertiefte Begründung liefert. Der Gesetzentwurf greift weitere Aspekte auf, die zu- sammen mit den genannten Änderungen dazu beitragen können, Gerechtigkeit und Akzeptanz des Insolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahrens im privaten Bereich zu verbessern. In den anstehenden Beratungen wird es unsere Aufgabe sein, für Schuldner und Gläubiger zu praktikablen Regelungen zu kommen, die einen ange- messenen Ausgleich zwischen den widerstreitenden In- teressen ermöglichen. Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU): Nachdem wir im vergangenen Jahr die erste Stufe der Insolvenz- rechtsreform – das Gesetz zur weiteren Erleichterung von Unternehmen – erfolgreich abgeschlossen haben, sprechen wir heute über die zweite Stufe der umfassen- den Reform durch die christlich-liberale Koalition. Auch wenn der Schwerpunkt der letzten Stufe bei den Unternehmen und deren Erhalt im Falle einer Schieflage lag und der Schwerpunkt nunmehr bei den Verbrauche- rinnen und Verbrauchern liegt, gilt es auch in diesem Ge- setzgebungsverfahren, wieder einen angemessenen Aus- gleich zwischen den widerstreitenden Interessen zu finden. Denn auch im Verbraucherinsolvenzverfahren gibt es Gläubiger, die ein berechtigtes Interesse daran haben, dass ihre ausstehenden Forderungen beglichen werden, und Schuldner, die nicht mehr alle ihre einge- gangenen Verbindlichkeiten bedienen können und daher auf eine zweite Chance setzen. Das geltende Recht enthält bereits einen Weg hin zu dieser zweiten Chance, zur Restschuldbefreiung. Dieser ist allerdings nicht nur im europäischen Vergleich ver- hältnismäßig lang, sondern auch in vielen Fällen nicht zielführend gewesen, da die ausstehenden Forderungen aufgrund fehlender Anreize für den Schuldner nicht be- glichen wurden. Der vorliegende Gesetzentwurf greift diese Fehlent- wicklung auf und sieht vor, die Dauer des Restschuldbe- freiungsverfahrens von sechs auf drei Jahre zu halbieren. Allerdings setzt dies voraus, dass die betroffenen Ver- braucherinnen und Verbraucher einen Teil ihrer Schul- den begleichen, genauer gesagt: 25 Prozent, sowie die dazugehörigen Verfahrenskosten. Gelingt es dem Schuldner nicht, die Mindestbefriedi- gungsquote zu erreichen, so kann er zumindest, sofern er die Verfahrenskosten begleicht, die Wohlverhaltensperi- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. November 2012 25931 (A) (C) (D)(B) ode auf fünf Jahre verkürzen. Kann der Schuldner nicht einmal diese Kosten aufbringen, bleibt es bei der derzei- tigen Restschuldbefreiungsdauer von sechs Jahren. Da- mit wird deutlich, dass es auch in Zukunft nicht darum gehen kann, sich einen „schlanken Fuß“ zu machen. Wer eine Vielzahl von Verbindlichkeiten eingeht und diese dann nicht mehr begleichen kann, muss bereit sein, hier- für einzustehen. Ist er nicht dazu bereit, seine angehäuf- ten Verbindlichkeiten zumindest ansatzweise abzutra- gen, hat er auch weiterhin die Konsequenzen hierfür zu tragen und das Restschuldbefreiungsverfahren in vollem Umfang zu durchlaufen. Schließlich ist und bleibt ein solches Verhalten kontraproduktiv für alle Beteiligten und darf durch den Gesetzgeber nicht auch noch unter- stützt werden. Dies gilt es auch im weiteren parlamenta- rischen Verfahren nochmals deutlich herauszustellen. Das parlamentarische Verfahren sollte aus meiner Sicht aber auch dafür genutzt werden, an der einen oder anderen Stelle noch Veränderungen am Gesetzentwurf zu prüfen. Der Gesetzentwurf enthält zwar bereits einige Änderungen, die für eine höhere Effektivität bei der Um- setzung der gesetzlichen Vorgaben sorgen sollen. So soll beispielsweise zukünftig der außergerichtliche Eini- gungsversuch wegfallen, wenn dieser offensichtlich aus- sichtslos ist. Allerdings sehe ich durchaus auch noch Potenzial für weitere Verfahrensverbesserungen. So hat der Bundesrat in seiner Stellungnahme vom 21. Septem- ber 2012 angeregt, eine Länderöffnungsklausel in das Gesetz mit aufzunehmen. Die Landesregierungen sollen ermächtigt werden, das Verbraucherinsolvenzverfahren auf Rechtspfleger zu übertragen. Auch der erste Refe- rentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz sah eine Übertragung der Zuständigkeit für das Verbrau- cherinsolvenzverfahren auf die Rechtspfleger vor. Dem Rechtspfleger obliegen im Verbraucherinsol- venz- und im Restschuldbefreiungsverfahren bereits heute umfangreiche Aufgaben. Im Laufe des Verfahrens kommt es allerdings zu Zuständigkeitswechseln zwi- schen dem Rechtspfleger und dem Richter. Diese könn- ten durch eine entsprechende Ermächtigungsnorm für die Länder behoben werden. Damit könnte man auch den unterschiedlichen personalwirtschaftlichen Belan- gen der einzelnen Länder Rechnung tragen. Zudem ist ausschließlich die funktionale Zuständigkeit betroffen, sodass ein mögliches Auseinanderfallen in den Ländern nicht weiter ins Gewicht fallen sollte. Auch wenn der Ausgleich widerstreitender Interessen nicht immer einfach ist, bietet der heute von der christ- lich-liberalen Koalition eingebrachte Gesetzentwurf hierfür bereits eine sehr gute Grundlage. Dennoch soll- ten wir das anstehende parlamentarische Verfahren dafür nutzen, ihn an der einen oder anderen Stelle noch zu ver- bessern. Sonja Steffen (SPD): Mit der Einführung der Insol- venzordnung im Jahr 1999 haben wir auch für natürliche Personen einen Weg aus den Schulden eröffnet. Die Überschuldung der privaten Haushalte ist immer noch ein großes Problem. Mittlerweile melden jedes Jahr mehr als 100 000 Privatpersonen Insolvenz an. Die soge- nannte Verbraucherinsolvenz ermöglicht es, dass per Ge- richtsbeschluss alle Restschulden erlassen werden, wenn der Überschuldete sich über mindestens sechs Jahre hin- weg an strenge Regeln hält. Diese Zeit bezeichnet man als „Wohlverhaltensperiode“ oder „Wohlverhaltens- phase“. Der nun vorliegende Gesetzentwurf sieht vor, dass der Schuldner die Wohlverhaltensperiode von sechs auf drei Jahre verkürzen kann. Der Neustart in eine schul- denfreie Zukunft soll also wesentlich schneller möglich sein. Allerdings nur unter einer Bedingung: Der Schuld- ner muss innerhalb dieser drei Jahre mindestens ein Viertel seiner Schulden abgetragen und die Verfahrens- kosten beglichen haben. Die 25-Prozent-Quote, die bei Hinzurechnung der Verfahrenskosten auf circa 30 Prozent steigen wird, ist wissenschaftlich nicht hinterlegt. In den Zeiten vor der Insolvenzordnung gab es eine sogenannte Vergleichs- quote von 35 Prozent, die nur in jedem 500. Insolvenz- verfahren erreicht werden konnte. Die geplante Neuregelung kann daher nur eine Er- leichterung für die Fälle sein, in denen eine Erbschaft oder Hilfe aus der Verwandtschaft eintritt; denn es ist nicht davon auszugehen, dass die Zahl der Insolvenz- schuldner mit Restvermögen in der Zwischenzeit gestie- gen ist. Nach Einschätzung der gerichtlichen Praxis und der Schuldnerberater wird der Großteil der Schuldner auch bei Ausschöpfung aller Arbeitsmöglichkeiten und eventuell vorhandener Drittmittel nicht in der Lage sein, die von Ihnen aufgestellten Tilgungsforderungen zu er- füllen. Es ist daher zu befürchten, dass mit der 25-Pro- zent-Regelung eine neue Zweiklassengesellschaft der In- solvenzschuldner geschaffen wird. Es muss außerdem verhindert werden, dass durch die- ses sogenannte Anreizsystem Missbrauch hervorgerufen wird, zum Beispiel durch die Zunahme von Schwarzar- beit. Es kann Ziel der Schuldner werden, rechtzeitig vor der Insolvenz die nötige Summe beiseitezuschaffen. Aber auch auf legalem Wege wird dazu eingeladen, bei knappen finanziellen Mitteln, die für die Begleichung der Quote noch reichen, vor der Insolvenz weitere Schulden zu machen, in dem Wissen, dass die Gesamt- schulden durch die Insolvenz um 75 Prozent reduziert werden und bereits nach drei Jahren ein Neustart erfol- gen kann. Zu Recht haben daher zum Beispiel viele Handwerks- betriebe die Sorge, dass sie zukünftig in noch größerem Umfang auf ihren Forderungen sitzen bleiben werden. Dennoch ist eine verkürzte Verfahrensdauer nicht per se abzulehnen. Der Gesetzentwurf bietet die Chance, in die Diskussion über die Verfahrenslänge einzusteigen. Hier ist zu fragen und zu untersuchen, welche Dauer für ein Leben unter dem staatlichen Zwang der Insolvenz angemessen ist, welche Anreize tatsächlich notwendig sind und wie ein vernünftiger Ausgleich zwischen den Interessen von Schuldnern und Gläubigern geschaffen werden kann. Über die Verkürzung der Restschuldbefreiung hinaus will das Bundesjustizministerium mit dieser Reform den 25932 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. November 2012 (A) (C) (D)(B) außergerichtlichen Einigungsversuch stärken. Überra- schenderweise sieht der Regierungsentwurf im Gegen- satz zum Referentenentwurf hierfür vor, „das mittlerweile weitgehend bedeutungslose gerichtliche Schuldenberei- nigungsplanverfahren abzuschaffen und stattdessen auch in den Verbraucherinsolvenzverfahren das bewährte In- strument des Insolvenzplans zuzulassen“. Mit diesem Vorhaben stoßen Sie nicht nur bei den Schuldnerberatern und Verbraucherschützern auf mas- sive Kritik; auch der Bundesrat hat hier erhebliche Zwei- fel angemeldet. Darüber hinaus soll bei offensichtlicher Aussichtslo- sigkeit künftig kein außergerichtlicher Einigungsversuch mehr unternommen werden müssen. Der Gesetzentwurf sieht für die aussichtslosen Fälle eine starre Definition vor: Ein Fall ist von vornherein aussichtslos, wenn die Gläubiger nur eine Befriedigungsquote von 5 Prozent oder darunter zu erwarten haben oder der Schuldner 20 oder mehr Gläubiger hat. Eine derart formale Vorgabe kann dazu führen, dass Schuldner automatisch in ein langwieriges Entschul- dungsverfahren geführt werden, obwohl die Aussicht auf eine außergerichtliche Einigung bestanden hätte. Laut Aussage der Verbraucherverbände lag bisher die außer- gerichtliche Einigungsquote bei 15 bis 20 Prozent. Dies ist auch der professionellen und umfassenden persönli- chen Beratungen durch die Schuldnerberatungen zu ver- danken. Wir müssen aufpassen, dass wir bei dem Versuch, den außergerichtlichen Einigungsversuch zu stärken, nicht letztlich genau das Gegenteil erreichen und dabei Türen nicht auf-, sondern zugeschlagen werden. Insbesondere dürfen hier nicht nur die Interessen der öffentlichen Haushalte im Vordergrund stehen. Die Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen leisten mit ihren teilweise sehr begrenzten Ressourcen eine sehr wichtige und gute Arbeit. Diese zu stärken und finanziell besser abzusichern, sollte eines unserer Ziele in diesem Gesetzgebungsverfahren sein. Als letzten Punkt möchte ich begrüßen, dass im Ge- setzentwurf Regelungen zum Schutz von Mitgliedern von Wohnungsgenossenschaften aufgenommen wurden. Zu dieser Problematik haben den Bundestag bereits viele Petitionen von Betroffenen erreicht. Wie die Regelung im Einzelnen ausgestaltet wird, werden wir sicher im Ausschuss noch diskutieren müssen. Aber ich denke, wir sind uns zumindest darin einig, dass der Verlust der Wohnung durch ein Verbraucherinsolvenzverfahren eine nicht zumutbare Härte darstellt. Insgesamt ist festzustellen, dass wir noch ein ganzes Stück Arbeit vor uns haben. Aber ich freue mich auf die sicherlich konstruktiven Beratungen im Rechtsaus- schuss. Richard Pitterle (DIE LINKE): Der vorgelegte Ge- setzentwurf zur Verkürzung des Restschuldbefreiungs- verfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte zeigt eines sehr deutlich: Dieser Bundesregierung fehlt das so- ziale Bewusstsein. Entsprechend Ihrem Koalitionsvertrag und der Be- gründung Ihres Gesetzentwurfs hatten Sie ursprünglich nur gescheiterte Selbstständige zu einer Befreiung von ihren Schulden verhelfen wollen. Nachdem Sie gemerkt hatten, dass Sie eine Beschränkung nur auf diesen Perso- nenkreis aus Gründen der Gleichbehandlung rechtlich niemals hätten halten konnten, haben Sie den Kreis for- mell erweitert. Und so liest sich auch Ihr Entwurf. Der Vorschlag, Schuldner, die bereits voll erwerbstä- tig sind, durch Aufnahme von Zusatzjobs zu einer Erhö- hung ihres Einkommens zu bewegen, geht genauso an der Lebenswirklichkeit vorbei wie die Aufforderung, die Verwandten anzupumpen. Denn dadurch verringern sich keine Schulden, nur die Gläubiger werden ausgetauscht. Auch die genannten Quoten sind unrealistisch: Wenn mindestens 25 Prozent der Schulden bezahlt sind, kann nach drei Jahren die Befreiung von den restlichen Schul- den erfolgen. Zwar gibt es keine belastbaren Daten über die tatsächlich erzielten Befriedigungsquoten, doch häu- fig wird ein Wert von unter 10 Prozent genannt, wie die Regierung selbst schreibt. Wenn also nach sechs Jahren im Durchschnitt nur 10 Prozent aller Forderungen zu- rückgezahlt werden konnten, ist es nicht nachvollzieh- bar, wie die Bundesregierung dazu kommt, dass jemand zukünftig innerhalb von nur drei Jahren mindestens 25 Prozent zahlen können soll, um von seinen restlichen Schulden befreit zu werden. Darüber hinaus sehen wir bei dem außergerichtlichen Einigungsversuch noch erheblichen Nachbearbeitungs- bedarf. Er wird durch die Streichung des noch im Refe- rentenentwurf vorgesehenen gerichtlichen Zustimmungs- ersetzungsverfahrens erheblich geschwächt. Denn dann könnte beispielsweise bereits eine Minderheit der Gläu- biger eine außergerichtliche Einigung verhindern. Große Bedenken haben wir ferner bei der beabsichtig- ten erheblichen Ausdehnung der von der Restschuldbe- freiung ausgenommenen Forderungen – § 302 Nr. 1 InsO. Damit würde für viele Schuldner de facto die Möglichkeit der Restschuldbefreiung aufgehoben. Beispielsweise er- gehen häufig Unterhaltstitel, obwohl das betroffene El- ternteil finanziell nicht leistungsfähig ist. Doch das wurde nicht geprüft. Der Titel ist aber in der Welt. Nach Jahren kann ein Schuldner aber kaum mehr belegen, dass er trotz des Unterhaltstitels finanziell leistungsunfähig gewesen war. In diesen Fällen würden sich während der Wohlver- haltensphase mangels leistbarer Unterhaltszahlungen weiter erhebliche Schulden aufbauen, sodass für den Be- troffenen eine Befreiung von all seinen Schulden nicht in Sicht käme. Ähnlich wäre es bei der beabsichtigten Bevorzugung der Steuerforderungen. Damit wird wieder das Fis- kusprivileg eingeführt, also der Vorrang staatlicher An- sprüche gegenüber privaten, das aus guten Gründen vor einigen Jahren gestrichen wurde. Steuerschuldnern bliebe in der Praxis kaum noch Vermögen, um die For- derungen bei ihren nichtstaatlichen Gläubigern zu be- friedigen. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. November 2012 25933 (A) (C) (D)(B) Der Bundesregierung fehlt der Blick zu den weniger Begüterten in diesem Land. Ihr geht es nur um ge- scheiterte Selbstständige, die – so haben Sie es in der Gesetzesbegründung ja auch geschrieben – der Koali- tionsvertrag bei der Verkürzung der Dauer des Rest- schuldbefreiungsverfahrens besonders im Blick hat. Diese Personengruppe ist häufig in der Lage, durch eine neue, oft gut bezahlte Tätigkeit in relativ kurzer Frist ei- nen Teil ihrer Schulden zurückzuzahlen. Für sie lohnt es sich, 25 Prozent der Forderungen zu zahlen, um die rest- lichen 75 Prozent nach drei Jahren loszuwerden. Hier lädt die Quote zum Missbrauch ein. Davon werden be- sonders die Kleingläubiger wie Handwerker, Einzel- händler oder kleine Dienstleister betroffen sein, deren Forderungen nicht extra besichert sind. Damit Sie mich nicht missverstehen: Auch gescheiterte Selbstständige verdienen unseren Schutz, aber eben nicht nur sie. Bei der Restschuldbefreiung geht es um den Aus- gleich der widerstreitenden Interessen: denen der Gläubi- ger an einer Rückzahlung möglichst vieler Forderungen und denen des Schuldners an einer möglichst schnellen Befreiung von seinen Schulden. In der Tat ist die allge- mein als lang empfundene Wohlverhaltensperiode von derzeit sechs Jahren bis zur Befreiung von den restlichen Schulden zu reformieren. Doch das Ergebnis sollte für alle Schuldnerinnen und Schuldner erreichbar sein, nicht nur für die Klientel der FDP. Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Zahl der Verbraucherinsolvenzen ist in den letzten zehn Jahren kontinuierlich gestiegen. Weit mehr als 100 000 Menschen melden pro Jahr mittlerweile in Deutschland Privatinsolvenz an. Die Gründe für eine private Insolvenz sind vielfältig. Oftmals sind sie sehr persönlich und hängen mit einer Krankheit, Arbeitslo- sigkeit oder einer Ehescheidung zusammen. Die Privatinsolvenz stellt die betroffenen Menschen für viele Jahre vor unüberwindbare Hindernisse. Für Menschen, die in Privatinsolvenz gehen müssen, ist schon die Suche nach einer Mietwohnung fast ein Ding der Unmöglichkeit. Die Teilnahme am gesellschaftli- chen Leben ist für diese Menschen deutlich erschwert. Klar ist auch, dass sie nicht erst mit dem Antrag auf Pri- vatinsolvenz Einschränkungen im täglichen Leben hin- nehmen müssen. Der Weg bis dahin ist häufig schon für viele Jahre mit Problemen finanzieller Art gepflastert. Die Privatinsolvenz ist immer nur der letzte Schritt. Sechs Jahre lang dauert nach derzeitiger Rechtslage die sogenannte Wohlverhaltensphase. Doch auch nach Ablauf dieser sechs Jahre können Menschen, die sich in der Privatinsolvenz befinden, nicht wieder uneinge- schränkt am Wirtschaftsleben teilnehmen. Weitere drei Jahre dauert es, bis der Eintrag bei der Schufa gelöscht wird. Dass Menschen so viele Jahre ihres Lebens solch weit- gehenden Einschränkungen unterworfen sind, lässt sich nicht rechtfertigen. Daher ist der Ansatz des Gesetzent- wurfs richtig, die Wohlverhaltensphase im Verbrau- cherinsolvenzverfahren zu verkürzen. Der Gesetzentwurf sieht die Möglichkeit vor, die Dauer des Restschuldbe- freiungsverfahrens von sechs Jahre auf drei Jahre zu hal- bieren. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass die Schuldnerin oder der Schuldner während dieses Zeit- raums eine Mindestquote von 25 Prozent der bestehenden Schulden erfüllt und vorab die Kosten des Verfahrens be- gleicht. Wenn der Schuldner oder die Schuldnerin nur die Verfahrenskosten begleicht, soll sich das Restschuldbe- freiungsverfahren zumindest auf fünf Jahre verkürzen. Ansonsten bleibt es bei den bisherigen sechs Jahren. Darüber, ob die Schaffung eines Anreizsystems für eine schnelle Begleichung der Schulden sachgerecht ist, lässt sich diskutieren. Wie ein Schuldner oder eine Schuldnerin es allerdings bewerkstelligen soll, die vorgesehene Quote von 25 Pro- zent und die Verfahrenskosten innerhalb von drei Jahren zu befriedigen, ist mir ein Rätsel. Im Ergebnis werden nur wenige Schuldnerinnen und Schuldner von den Neu- regelungen profitieren. Ein wirtschaftlicher Neustart wird für die allermeisten wohl wie bisher erst nach fast zehn Jahren möglich sein. Da stelle ich mir ernsthaft die Frage, ob wir hier nicht einen Luxusgesetzentwurf für Schuldner mit vermögenden Verwandten vor uns haben. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein weiteres Anlie- gen des Entwurfs ist es, den außergerichtlichen Eini- gungsversuch entscheidend zu stärken. Im Regierungs- entwurf ist hierzu zu lesen, dass beim außergerichtlichen Einigungsversuch hohe Erfolgsquoten zu verzeichnen seien und dass außergerichtliche Einigungen der bessere Weg einer Entschuldung seien. Sie entlasteten die Insol- venzgerichte und führten so zu Einspareffekten in den Justizhaushalten der Länder. Außerdem ermöglichten außergerichtliche Einigungen eine einfachere, schnel- lere, kostensparendere und dem Einzelfall angemesse- nere Bewältigung der Insolvenzsituation. Eine umfassende Stärkung des außergerichtlichen Ei- nigungsversuchs wäre auch aus unserer Sicht richtig, wünschenswert und erfreulich gewesen. Vorschläge hierzu gab es genug. Leider stärkt der Gesetzentwurf den außergerichtlichen Einigungsversuch aber nicht ausrei- chend. Die Vorgaben zur Entbehrlichkeit des Einigungs- versuchs bringen die Gefahr mit sich, dass keine Einzel- betrachtung des konkreten Sachverhalts erfolgt. Dieser Gesetzentwurf ist noch nicht ausgereift. Im weiteren Verfahren werden wir Grünen uns dafür einset- zen, einerseits Schuldnerinnen und Schuldnern mehr und bessere Hilfestellungen zukommen zu lassen und ande- rerseits auch Gläubigerinnen und Gläubiger nicht unan- gemessen zu benachteiligen. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundes- ministerin der Justiz: Vor 20 Jahren, am 3. Juni 1992, wurde dem Bundestag erstmals ein Entschuldungsver- fahren für natürliche Personen vorgestellt. Menschen, die unverschuldet, etwa aufgrund persönlicher Schick- salsschläge, in finanzielle Not geraten sind, sollten die Chance für einen Neuanfang erhalten. In den nachfolgenden Jahren zeigten sich auf der einen Seite die große Akzeptanz, die das Restschuldbe- freiungsverfahren bei den Bürgern erfahren hat, aber auf 25934 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. November 2012 (A) (C) (D)(B) der anderen Seite auch verfahrensrechtliche Hemmnisse für einen effektiven Neustart. Die hierzu eingeleiteten Reformvorhaben konnten in der vergangenen Legislatur- periode nicht umgesetzt werden. Mit dem heute vorgestellten Entwurf wollen wir die bestehenden verfahrensrechtlichen Hürden nun abbauen und verschuldeten Personen unter Berücksichtigung der berechtigten Belange der Gläubiger eine faire Chance für einen Neuanfang einräumen. Ein erster Schwerpunkt dieses Gesetzentwurfes ist die Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens. Der Entwurf eröffnet für alle Schuldner ein schnelles Ent- schuldungsverfahren, wenn sie besondere Anstrengun- gen unternehmen. Die derzeitige Laufzeit der Restschuldbefreiung von sechs Jahren soll daher künftig auf drei Jahre abgekürzt werden können, wenn der Schuldner innerhalb dieses Zeitraums sowohl die Verfahrenskosten als auch 25 Pro- zent der Forderungen der Insolvenzgläubiger erfüllt hat. Der Entwurf belässt es jedoch nicht dabei. Er lässt al- ternativ das Insolvenzplanverfahren in allen Insolvenz- verfahren, also auch im Verbraucherinsolvenzverfahren, zu. Dieses bewährte Instrument ermöglicht es künftig je- dem Schuldner, in Einvernehmen mit seinen Gläubigern flexibel und schnell zu einer Entschuldung zu gelangen. Ein weiterer Schwerpunkt des Entwurfs ist eine Ver- besserung der Position der Gläubiger. Quasi als Gegen- leistung für eine schnelle Entschuldung wird bei einer vorzeitigen Restschuldbefreiung eine Mindestbefriedi- gung der Gläubiger gefordert. Bislang können Gläubiger trotz der langen Wohlver- haltensphase leer ausgehen, da es sich für den Schuldner nicht lohnt, sich besonders anzustrengen. Ein solcher Anreiz wird erstmals mit der Mindestquote gesetzt. Die- ses System kann aber nur funktionieren, wenn bei der Festsetzung der Mindestquote einerseits die Interessen der Gläubiger im Blick behalten werden, sodass die Quote zu einer fühlbaren Gläubigerbefriedigung bei- trägt. Andererseits darf sie auch nicht unerreichbar hoch sein. Wir sind nach gründlicher Prüfung der Ansicht, dass die im Entwurf gewählte Quote von 25 Prozent diese Kriterien erfüllt. Eine weitere Neuerung findet sich in der Gestaltung des Verbraucherinsolvenzverfahrens, das nun deutlich verschlankt wird. Ineffektive Bestandteile wie das ge- richtliche Schuldenbereinigungsplanverfahren, das nicht einmal in 2 Prozent der Fälle genutzt wird, werden ge- strichen. Der Zwang zu einem außergerichtlichen Planverfah- ren entfällt, wenn eine Einigung mit den Gläubigern of- fensichtlich aussichtslos ist. Die in diesem Bereich über- aus wichtige Tätigkeit von Schuldnerberatungsstellen soll dagegen ausgebaut werden. Künftig sollen sie auch im gerichtlichen Verfahren den Schuldner begleiten und dort ihre bewährte Arbeit fortsetzen können. Lassen Sie mich zum Schluss noch auf einen weiteren wichtigen Regelungsgegenstand eingehen: die Verbesse- rung des Schutzes insolventer Nutzer von Genossen- schaftswohnungen vor Wohnungsverlust. Unser Ziel, dem Schuldner eine neue Chance für ei- nen wirtschaftlichen Neuanfang zu ermöglichen, erfor- dert auch, dass er als Nutzer einer Genossenschaftswoh- nung ähnlich wie der Wohnungsmieter nach Möglichkeit seine Wohnung behalten kann. Nach bislang geltendem Recht muss der Insolvenzverwalter das Geschäftsgut- haben des Genossenschaftsmieters verwerten. Dieser verliert dadurch seine Mitgliedschaft, was wiederum die Genossenschaft meist zur Kündigung des Nutzungsver- hältnisses zwingt, weil die Genossenschaftswohnungen in erster Linie für die Nutzung durch Mitglieder be- stimmt sind. Künftig soll die Kündigung der Mitgliedschaft daher ausgeschlossen sein, wenn das Geschäftsguthaben be- stimmte Grenzen nicht übersteigt. Eine solche Begren- zung ist notwendig, damit nicht auch Anteile geschützt werden, die den Charakter einer Kapitalanlage haben. Dieses wichtige Gesetz sollte alsbald verabschiedet werden – die deutsche Wirtschaft und der gescheiterte Verbraucher verdienen eine effektive und schnelle Ent- schuldung und damit eine echte zweite Chance. Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Antrag: Negativbilanz nach zwei Jahren im UN-Sicherheitsrat – Beschlussempfehlung und Bericht zu dem Antrag: Deutschland im VN-Sicherheitsrat – Impulse für Frieden und Abrüstung Beschlussempfehlung und Bericht zu den An- trägen: – Die internationale Schutzverantwortung weiterentwickeln – Schutzverantwortung weiterentwickeln und wirksam umsetzen (Tagesordnungspunkte 20 a bis 20 c) Jürgen Klimke (CDU/CSU): Die Mitgliedschaft Deutschlands in den letzten zwei Jahren im UN-Sicher- heitsrat ist ohne Frage eine Erfolgsgeschichte. Niemals zuvor konnte eine deutsche Regierung umfassendere neue Schwerpunkte und Impulse in das Gremium einbringen. Zudem haben wir unsere Präsidentschaft im Sicher- heitsrat der Vereinten Nationen erfolgreich genutzt und gute Ergebnisse insbesondere im Bereich des Schutzes von Kindern in Kriegsgebieten sowie im Klimaschutz erzielt. Endlich haben wir Instrumente im Rahmen der UN entwickeln können, die Kinder vor Gewalt und Misshandlung besonders schützen. Dies gilt vor allem in kriegerischen Auseinandersetzungen. Auf Initiative der Bundesregierung wurde daher am 12. Juli 2011 die Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. November 2012 25935 (A) (C) (D)(B) Sicherheitsratsresolution zum stärkeren Schutz von Kindern in Kriegen und bewaffneten Konflikten verab- schiedet. Damit ist einstimmig beschlossen worden, gezielte Angriffe auf Schulen und Krankenhäuser inter- national zu ächten und den Schutz von Kindern vor Missbrauch als Soldaten zu verstärken. Fortschritte konnten außerdem im Bereich des Klima- schutzes erzielt werden. Unter deutscher Präsidentschaft wurde das Thema Klimawandel und dessen mögliche Auswirkungen auf den Weltfrieden im Sicherheitsrat diskutiert und wurde eine einstimmige Erklärung ver- abschiedet. Im Zuge dessen ist UN-Generalsekretär Ban Ki-moon gefordert, in seinen Berichten künftig Klimaas- pekte aufzunehmen. Erstmals wird damit in einer Erklä- rung, die von allen 15 Mitgliedern des Sicherheitsrates abgestimmt wurde, die Bedeutung des Klimawandels im Zusammenhang mit Frieden und internationaler Sicher- heit unterstrichen. Als 194. Mitglied wurde am 14. Juli 2011 der Südsu- dan als souveräner Staat anerkannt und als vollwertiges Mitglied in die Staatengemeinschaft aufgenommen. Da- mit konnte während der deutschen Ratspräsidentschaft erfolgreich der Fokus auf den afrikanischen Kontinent und die dortigen Herausforderungen gelegt werden. Bereits am 8. Juli 2011 hat der Deutsche Bundestag den Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte im Rah- men der Friedensmission der Vereinten Nationen im Südsudan (UNMISS) gebilligt. Damit wurde der Bedeu- tung, die der neugegründete Staat in den Friedensbemü- hungen in Nordostafrika einnimmt, Rechnung getragen. Deutschland hat mit der erfolgreichen Präsidentschaft im UN-Sicherheitsrat gezeigt, dass es seine internatio- nale Verantwortung mit großem Engagement ausübt und weltweit zur Lösung von Konflikten beiträgt. Ich sehe also die von der Opposition beschriebene Negativbilanz in keinster Weise. Ihr Antrag ist eher der klare Ausdruck von schlechtem politischen Stil, da die Opposition die Würdigung der von mir eben angespro- chenen Entwicklungen in ihren Anträgen verschweigt. Noch viel unverständlicher für mich ist, dass die Op- position die fehlenden Friedensinitiativen der Bundes- regierung kritisiert. Ich erinnere mich, dass unter der Präsidentschaft Schröders und Fischers im Sicherheitsrat der Irakkrieg verabschiedet wurde. Wo war dort Ihre Friedenspolitik? Ich erinnere mich, dass die Opposition in Libyen in den Krieg ziehen wollte. Wo war dort Ihre Friedenspolitik? Nein, Deutschland hat unter unserer Regierung seinen Beitrag zum Frieden, erstmals auch im Sicherheitsrat, umfangreich geleistet. Wir können uns sicher sein, dass die von uns geschaffenen Instrumente die jetzt abzu- schließende Mitgliedschaft überdauern werden. Natürlich ist es unerfreulich, dass die von uns ange- strebte Weiterentwicklung des Sicherheitsrates an den Vetokräften gescheitert ist. Trotzdem müssen wir weiter an einer modernen UN-Sicherheitsagentur arbeiten. Der Sicherheitsrat ist aus unserer Sicht in seiner heutigen Zusammensetzung überholt. Dies erleben wir nicht zuletzt in seiner Entscheidungsunfähigkeit beim Thema Syrien. Auch wenn Deutschland erst einmal aus dem Sicher- heitsrat ausscheiden wird, stehen wir vor weiteren Herausforderungen, die unsere Gestaltungsmacht erfor- dern. Die Post-MDG-Ära beginnt, und die CDU/CSU- Fraktion sieht die Ausgestaltung als eine der zentralen Herausforderungen der UN im nächsten Jahr an. Klar ist, dass die Welt sich seit der Jahrtausendwende dramatisch weitergedreht hat. Der beginnende Klimawandel zeigt uns drastisch die Begrenztheit unseres Lebensmodells und die globalen Verflechtungen. Unser Wirtschafts- und Lebensmodell als solches ist weder nachhaltig noch zu- kunftsfähig, noch entwicklungskonform, wenn wir mit „Entwicklung“ meinen, dass die, die Opfer unseres bis- herigen Treibens geworden sind, auch nur ansatzweise noch Rechte auf ein menschenwürdiges Leben verwirk- lichen sollen. Hinzu kommt, dass sich das Nord-Süd-Paradigma langsam auflöst. Deutlich wird das zum Beispiel an der G 20 oder den BRIC-Ländern, die nach vorne drängen. Noch weniger als früher können wir nur die Nord-Süd- Brille aufsetzen, sondern müssen eher von einer Arm- Reich-Dimension ausgehen. Das heißt zum einen, noch stärker als bisher gemeinsame Verantwortung sehen, und zum anderen, noch stärker als bisher nicht nur die Regie- rungsebene denken und sehen, sondern von der Perspek- tive derjenigen her denken, die schon heute und erst recht in Zukunft von den negativen Folgen einer falschen Politik und eines falschen Wirtschaftens betrof- fen sind. Hier geht es darum, wie Schwellenländer oder Mitteleinkommensländer, in denen die meisten Armen leben, ins Boot geholt werden, und auch um die Verant- wortung und Vorbildfunktion des Nordens. Diese Punkte werden von den bisherigen MDGs nicht berücksichtigt. Für die mögliche Post-2015-Agenda ist es aber un- bedingt notwendig, sich diesen komplexen Herausforde- rungen zu stellen und über das Denken der bisherigen MDGs hinauszugehen. Dies ist unser Ziel und unser Schwerpunkt für die Arbeit Deutschlands bei der UN. Dr. Wolfgang Götzer (CDU/CSU): Nächsten Monat gehen für Deutschland zwei außenpolitisch sehr erfolg- reiche Jahre als nichtständiges Mitglied des Sicherheits- rats der Vereinten Nationen zu Ende. Wie Außenminister Westerwelle in seiner Rede vor der UN-Vollversammlung im September betonte, sind wir bereit, noch mehr Verantwortung zu übernehmen. Dementsprechend streben wir eine neue Kandidatur als nichtständiges Mitglied für den Sicherheitsrat für die Jahre 2019/2020 an. Außerdem werden wir unsere Be- mühungen um einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat weiter vorantreiben. Dieses Ziel haben wir in unserem Koalitionsvertrag festgeschrieben, und daran werden wir auch festhalten. Von einer „Negativbilanz nach zwei Jahren im UN- Sicherheitsrat“, wie von der Opposition behauptet, kann nicht die Rede sein. Im Gegenteil: Wir haben eine ganze 25936 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. November 2012 (A) (C) (D)(B) Reihe von Initiativen angestoßen und vieles erreicht. Im Folgenden möchte ich mich auf die meines Erachtens wichtigsten Errungenschaften konzentrieren. Vor dem Hintergrund der Umbrüche in der arabischen Welt war Deutschland im Sicherheitsrat sehr engagiert, um eine möglichst breite Unterstützung für einen friedli- chen Wandel zur Demokratie durch die internationale Staatengemeinschaft zu erreichen. So haben wir uns bei- spielsweise sehr früh dafür eingesetzt, dass sich der Si- cherheitsrat der Krise im Jemen angenommen hat und dass die internationale Staatengemeinschaft mit der ers- ten Sicherheitsratsresolution zu Jemen überhaupt mit ei- ner gemeinsamen Stimme gesprochen hat. Des Weiteren haben wir dazu beigetragen, Befassungen des Sicher- heitsrates zu Syrien und Libyen überhaupt erst möglich zu machen. Seither haben wir uns in den Vereinten Na- tionen aktiv für ein Ende der Gewalt in Syrien einge- setzt. Ferner hatte sich Außenminister Westerwelle wäh- rend des deutschen Vorsitzes des Sicherheitsrats im Sep- tember als Unterstützung des arabischen Frühlings auf seine Fahnen geschrieben, die Arabische Liga aufzuwer- ten, nachdem diese in vielen arabischen Ländern zu ei- nem wichtigen Akteur und Partner der UNO geworden war. Auch im Bereich der Afghanistan-Politik hat das deutsche Engagement im Sicherheitsrat einiges voran- getrieben. So wurde unter deutschem Vorsitz der Aus- schuss für die Al-Qaida-/Taliban-Sanktionen in jeweils einen Ausschuss für die Taliban und einen für al-Qaida geteilt – mit weitreichender Signalwirkung sowohl für die Bekämpfung des internationalen Terrorismus als auch für die afghanische Innenpolitik. Ein weiterer Themenkomplex, bei dem Deutschland einen großen Erfolg verbuchen konnte, war der Schutz von Kindern in bewaffneten Konflikten. Da Deutschland den Vorsitz der Arbeitsgruppe „Kinder und bewaffnete Konflikte“ innehatte, kam uns eine besondere Verant- wortung bei der Verhandlung und der Annahme einer entsprechenden Resolution zu, durch die gezielte An- griffe gegen Schulen und Hospitäler völkerrechtlich ge- ächtet werden. Ferner konnte Deutschland erstmals das Thema „Si- cherheitspolitische Auswirkungen des Klimawandels“ auf die Agenda des Sicherheitsrats bringen. In der vom Sicherheitsrat einstimmig angenommenen Erklärung wurde festgehalten, dass der Klimawandel eine poten- zielle Bedrohung für den Weltfrieden und die internatio- nale Sicherheit ist. In Zukunft wird der Generalsekretär somit in seinen Berichten den Aspekt des Klimawandels mitberücksichtigen müssen – auch ein Erfolg für unser Anliegen, die Präventionsmechanismen von Krisen zu stärken. Lassen Sie mich abschließend noch kurz auf die inter- nationale Schutzverantwortung zu sprechen kommen. Diese ist mit den Resolutionen des UN-Sicherheitsrats zu Libyen zum ersten Mal als Begründung für Schutz- maßnahmen nach Kapitel VII der UN-Charta herangezo- gen worden und hat somit einen erfolgreichen Eingang in die Praxis des Sicherheitsrats gefunden. Als Mitglied der „Freundesgruppe der Schutzverantwortung“ hat Deutschland von Beginn an die konzeptionelle Ausge- staltung der internationalen Schutzverantwortung geför- dert, sei es durch Förderung eines einheitlichen EU- Standpunkts oder auch durch einen engen Austausch mit dem UN-Sonderberater für die Schutzverantwortung. Besonders wichtig war und ist uns dabei die Stärkung der präventiven Aspekte, um ein Eingreifen mit militäri- schen Mitteln gar nicht erst nötig zu machen. Insofern haben wir uns, was Syrien anbelangt, seit Ausbruch der Gewalt kontinuierlich für ein entschiede- nes Vorgehen des Sicherheitsrats eingesetzt, vor allen Dingen um den Schutz von Zivilisten zu verbessern und um gegen massive Menschenrechtsverletzungen vorzu- gehen. Auch wenn diese Bemühungen bislang noch nicht erfolgreich waren, so werden wir weiterhin den UN-Sicherheitsrat als Gremium nutzen, um die Interes- sengegensätze mit Russland und China gezielt anzuspre- chen. Sie sehen also: Die Bilanz nach zwei Jahren im UN- Sicherheitsrat ist alles andere als „negativ“; sie ist viel- mehr beeindruckend! Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD): Ich bedaure es außerordentlich, dass ich gezwungen bin, diese Rede zu Protokoll zu geben. Ich selbst würde auch, wie vorgese- hen, um 1 Uhr oder 2 Uhr in der Nacht im Plenum spre- chen; aber das Thema „Zwei Jahre Bilanz der deutschen Mitgliedschaft im UN-Sicherheitsrat“ würde eine Kern- zeit dringend erfordern. Welch hehre Erklärungen gab die Bundesregierung zu Beginn ihrer zweijährigen Mitgliedschaft im obersten UN-Gremium, im UN-Sicherheitsrat, im Jahre 2011 ab. Sie wolle sich gemeinsam mit internationalen Partnern in so wichtigen Bereichen wie der Sicherheitsratsreform, dem Schutz der Menschenrechte, der Rüstungskontrolle und dem Nahostfriedensprozess engagieren. Kurz vor dem Ausscheiden Deutschlands aus dem UN-Sicherheitsrat muss man sich über das unterhalten, was die Bundesregierung als nichtständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat bewirkt hat – oder eben auch nicht. So ist aus ihren vollmundigen Ankündigungen, neuen Schwung bei der Reform des Sicherheitsrats erreichen zu wollen, nichts geworden. Weder gibt es eine grundle- gende Reform des UN-Sicherheitsrates, die der Realität des 21. Jahrhunderts entspricht, noch hat es die Bundes- regierung erreicht, einen ständigen Sitz im UN-Sicher- heitsrat für Deutschland mit anderen Partnern zusammen durchzusetzen. Es ist schön, dass Deutschland wieder Mitglied im UN-Menschenrechtsrat geworden ist; das kann aber das Versagen der Bundesregierung in der anderen Frage nicht ausgleichen. Die Länder Afrikas, Lateinamerikas und Asiens fordern schon seit langem eine bessere Re- präsentation ihrer Kontinente, und dem müssen wir Nachdruck verleihen. Die Reform des UN-Sicherheits- rats bleibt eine zentrale Forderung, und sie muss auch die schrittweise Überwindung des Vetorechts der ständi- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. November 2012 25937 (A) (C) (D)(B) gen Ratsmitglieder zum Inhalt haben. Die unerträgliche Situation, die sich durch die Blockadehaltung von UN- Sicherheitsrats-Mitgliedern in Bezug auf Syrien gezeigt hat, macht das deutlich. Es ist völlig inakzeptabel, dass der UN-Sicherheitsrat dabei zur Handlungsunfähigkeit gepresst wurde und noch wird. Wie steht es um die Legitimation eines UN-Sicher- heitsrates, wenn fünf Staaten mit ihrem Veto sich als Mitglieder „erster Klasse“ gerieren und die UN blockie- ren können, obwohl es dringend einer gemeinschaftli- chen Aktion bedürfte? Jetzt werden Staaten wie Argenti- nien, Ruanda und Südkorea Deutschland in den Sicherheitsrat nachfolgen. Insgesamt ist das Verhalten der Bundesregierung im UN-Sicherheitsrat eher von Einzelentscheidungen und nicht von einer Gesamtstrategie internationaler Politik geprägt. Das schwerste Versagen der Bundesregierung hat sich bei der Abstimmung über die Resolution 1973, der Errichtung einer Flugverbotszone über Libyen, ge- zeigt. Mit dieser Sicherheitsratsresolution übernahm die internationale Gemeinschaft zum ersten Mal in einer UN-Resolution die Schutzverantwortung für die Zivilbe- völkerung in Libyen. Tausende Libyer verdanken dieser Resolution ihr Leben, da es galt, sie vor Muammar al- Gaddafi und den Gewalttaten seiner Gefolgsleute zu schützen. Und wie agierte die Bundesregierung in dieser Frage? Sie enthielt sich – und stellte sich damit gegen Partnerländer wie die USA, Frankreich, Großbritannien und Portugal. Wir alle wissen, wie dramatisch sich diese Enthaltung auf das Ansehen der Bundesregierung in der Welt ausgeübt hat. Ich sage: Notwendig wäre die klare Zustimmung gewesen, verbunden mit einem Monito- ring-Mechanismus, der die NATO-Mission überwachen sollte und dem UN-Sicherheitsrat jeweils aktuell berich- tet hätte und eine Überdehnung des Mandates hätte ver- hindern können. Aber noch schwerer wiegt: Bei dem Schutz von Men- schenrechten darf es keine Enthaltung geben! Denn die Norm der Internationalen Schutzverantwortung, die Res- ponsibility to Protect, wurde von der internationalen Ge- meinschaft im Jahr 2005 auf dem Weltgipfel verabschie- det, damit sich massive Menschenrechtsverletzungen wie in Ruanda und Srebrenica niemals wiederholen. Staaten haben demnach die Verantwortung, ihre Bevöl- kerung vor Völkermord, Kriegsverbrechen, systemati- scher Gewalt gegen Minderheiten und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu schützen. Können oder wollen sie dies nicht leisten, geht die Verantwortung auf die inter- nationale Staatengemeinschaft über, die als letztes Mittel Schutzmaßnahmen nach Kap. VII der UN-Charta ergrei- fen kann. Die Diskussion um die Schutzverantwortung wird von Kritikern gern auf das militärische Element ver- kürzt. Die Schutzverantwortung wurde dabei als ganz- heitlicher Ansatz mit drei Säulen konzipiert: der Respon- sibility to Prevent, der Responsibility to React und der Responsibility to Rebuild. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Vorbeugung vor schweren und systematischen Menschenrechtsverletzungen. Um die Entscheidung für oder gegen einen militärischen Einsatz nachvollziehbar und überprüfbarer zu machen, müssen Leitkriterien aus- gearbeitet werden, wie sie von der Internationalen Kom- mission zur Intervention und Staatensouveränität im Jahr 2001 bereits formuliert wurden. Demnach soll ein mili- tärischer Einsatz nach dem Ernst der Bedrohung, der Redlichkeit der Motive, der Anwendung als letztes Mit- tel, der Verhältnismäßigkeit der Mittel und der Ange- messenheit der Folgen abgewogen werden. Ich möchte an dieser Stelle die Forderungen aufgrei- fen, wie sie in unserem Antrag und ähnlich auch im An- trag von Bündnis 90/Die Grünen, den wir nachdrücklich unterstützen, formuliert wurden: Die Bundesregierung muss für die Norm der internationalen Schutzverantwor- tung aktiv werben und darf nicht bloß Lippenkenntnisse abgeben. Sie muss dazu beitragen, dass ein nationales und regionales Frühwarnsystem für Menschenrechtsver- letzungen etabliert wird, indem bestehende Strukturen verbessert und regionale und subregionale Akteure bes- ser eingebunden werden. Und sie muss sich für die Aus- arbeitung von Leitkriterien, vergleichbar denen der In- ternationalen Kommission zur Intervention und Staaten- souveränität, starkmachen, die bei UN-mandatierten mi- litärischen Einsätzen zum Schutz vor massiven und sys- tematischen Menschenrechtsverletzungen herangezogen werden können. Zudem muss sie sich für einen Monito- ring-Mechanismus bei UN-Mandaten im Rahmen der Schutzverantwortung einsetzen, der beispielsweise eine zeitliche Begrenzung von Mandaten und klar bestimmte Berichtspflichten vorsieht. Die Weiterentwicklung der Internationalen Schutz- verantwortung hängt entscheidend vom Willen und En- gagement der Nationalstaaten ab. Hier muss die Bundes- regierung endlich durch Taten in Erscheinung treten! Der Antrag der palästinensischen Autonomiebehörde im UN-Sicherheitsrat, als vollwertiges Mitglied aufge- nommen zu werden, wurde durch die Androhung eines US-Vetos im Jahr 2011 praktisch zum Erliegen gebracht. Die Bundesregierung hatte sich mit ihren Äußerungen auf die Seite derer gestellt, die einen solchen Antrag nicht wünschen. Bei der Abstimmung zur Aufnahme Pa- lästinas als Mitglied in die UNESCO stimmte sie sogar mit Nein. Nun hat Präsident Abbas den Antrag in der UN-Generalversammlung gestellt, als Staat mit Be- obachterstatus – „non-member observer state“ – aner- kannt und somit im Status aufgewertet zu werden. Ich möchte das zum Anlass nehmen, das zu wiederholen, was ich bereits öffentlich geäußert habe. Das Anliegen der Palästinenser muss auch im Interesse Israels unter- stützt werden! Wie Weltbank und der Internationale Währungsfonds bezeugen, hat die palästinensische Autonomiebehörde alle Voraussetzungen für ihre Staatlichkeit geschaffen. Die enormen Preissteigerungen und sozialen Unruhen in der Westbank einerseits und die jüngste feindselige Aus- einandersetzung zwischen der Hamas und Israel anderer- seits haben die palästinensische Autonomiebehörde in ihrem Ansehen bei der eigenen Bevölkerung massiv ge- schwächt. Die Hamas geht aus all dem gestärkt hervor. Angesichts dieser Situation halte ich die Weichenstel- lung, mit der die Bundesregierung sich heute in der UN- 25938 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. November 2012 (A) (C) (D)(B) Generalversammlung zu dem Antrag auf Aufwertung des Status von Palästina verhalten hat, für falsch. Es muss doch im Interesse der Europäischen Union und der internationalen Staatengemeinschaft sein, diejenigen zu stärken, die den multilateralen, friedlichen Weg über die Vereinten Nationen wählen, zumal eine große Zahl euro- päischer Regierungen für die Aufwertung stimmt. Die Schlussfolgerung muss sein, dem Antrag der pa- lästinensischen Autonomiebehörde zuzustimmen. Eine Aufwertung des palästinensischen UN-Status kann den Weg für einen neuen Nahost-Friedensprozess bereiten. Ein Nein hingegen würde von den Palästinensern als Nein zu ihrem Recht auf Selbstbestimmung gewertet. Es braucht einen neuen Anlauf für einen wirklichen Friedensprozess, der die gesamte palästinensische Be- völkerung umschließt, damit endlich die Gewalt und der jahrzehntelange Konflikt im Sinne der Zwei-Staaten-Lö- sung beendet werden können. Angesichts der weitreichenden Umwälzungen in den arabischen Ländern muss doch jedem klar sein: Ohne eine derartige Lösung wird es immer möglich sein, dass Frustrationen, die aus inneren Konflikten in manchen arabischen Ländern resultieren, in Aggressionen gegen- über Israel gewendet werden können. Deshalb ist es ge- rade aus deutscher Verantwortung für Israel notwendig, eine klare Unterstützung zu dem Antrag von Präsident Abbas zu zeigen und deutlich ein Signal zur Rettung der Zwei-Staaten-Lösung zu geben. Besonders inakzeptabel finde ich es, wenn es europäische Länder gibt, die ihre Zustimmung zu dem Palästina-Antrag an die Forderung knüpfen, es müsse einen Verzicht auf ein mögliches An- rufen des Internationalen Strafgerichtshofes zu Protokoll geben. Eine derartige Forderung fällt in ihrer Grundhal- tung auf diese Staaten selbst zurück. Abschließend: Wir drängen darauf, dass der geplante Waffenhandelsvertrag, der nach langwierigen Verhand- lungen im Jahr 2012 nicht zustande gekommen ist, er- neut in der UN-Generalversammlung im Frühjahr 2013 auf die Tagesordnung gesetzt wird. Die Bundesregierung muss darauf drängen, dass weiter verhandelt wird. Es braucht dringend völkerrechtlich verbindliche Standards für den Import, Export und Transfer von konventionellen Waffen, um weitere regionale Aufrüstungswettläufe und die Destabilisierung weiterer Regionen zu verhindern. Bijan Djir-Sarai (FDP): Am Ende der letzten Sicher- heitsratssitzung, die Außenminister Westerwelle leitete, ergriff der Generalsekretär der Arabischen Liga, Nabil al-Arabi, entgegen dem Protokoll das Wort. Er sagte fol- gende zwei Sätze: „Ich sage mehr als Dankeschön. Ich sage vielen, vielen Dank.“ Diese Worte könnten als Antwort auf den Antrag der Opposition eigentlich genügen. Der Generalsekretär dankt Deutschland für sein Engagement im Sicherheits- rat. Zuvor schon sagte der marokkanische Außenminis- ter zu Herrn Westerwelle auf Deutsch „Danke schön“. Anscheinend sind die Gesandten des Auslands alles an- dere als enttäuscht vom deutschen Vorsitz im Sicher- heitsrat der Vereinten Nationen, und zwar zu Recht. Ich werde Ihnen jetzt auch erläutern, warum. Hier einmal eine knappe Bilanz: Während unseres Vorsitzes hat Deutschland Initiativen zum Klimaschutz und zur globalen Abrüstung geleitet. Wir haben eine Re- solution zum Schutz von Kindern in bewaffneten Gebie- ten eingebracht. Das syrische Regime wurde weiter politisch isoliert, und Deutschland hat aktiv die Friedensbemühungen im Nahen Osten unterstützt. Wir haben eine stärkere Zusammenarbeit zwischen den Vereinten Nationen und der Arabischen Liga durch- gesetzt. Es wirkt schon realitätsfremd, wenn man der Bundes- regierung vorwirft, nicht genug für den Nahen Osten zu tun, wenn gleichzeitig Außenminister Westerwelle vor Ort Friedensverhandlungen zwischen Israel und der Ha- mas führt. Genauso wirklichkeitsfremd ist die Klage, Deutsch- land habe bei einer Sicherheitsratsreform versagt. Natür- lich: Wir haben während unseres Vorsitzes keine Neu- strukturierung der Vereinten Nationen erreicht. Leider auch nicht den Weltfrieden. Aber wie es sogar in dem Antrag steht, wird solch eine Reform auch nicht im Si- cherheitsrat entschieden, sondern sie benötigt eine Un- terstützung von zwei Dritteln der 193 UN-Mitgliedstaa- ten. Und wie alle politischen Entscheidungsträger in diesem Saal wissen sollten, haben einige Staaten über- haupt kein Interesse, die verkrusteten Strukturen aufzu- brechen. Nichtsdestotrotz hat Dr. Guido Westerwelle ein Au- ßenministertreffen mit Indien, Brasilien und Japan orga- nisiert, um diesen Status quo zu ändern. Leider geht solch eine Revolution nicht blitzartig, auch wenn ich da- mit unsere werten Kollegen der Opposition nun enttäu- schen muss. Wir verfolgen das langfristige Ziel, ständi- ges Mitglied im UN-Sicherheitsrat zu werden. An dieser Prämisse hat sich nichts geändert. Wir haben daran gear- beitet, wir werden daran weiterarbeiten. Das Vertrauen in die deutsche Außenpolitik und deren friedensstiftenden Einfluss auf die internationalen Bezie- hungen ist groß. Und es wurde durch unseren Vorsitz im Sicherheitsrat noch verstärkt. Als Beweis der internatio- nalen Zustimmung zum Kurs der Bundesregierung wurde Deutschland vor wenigen Tagen in den UN-Men- schenrechtsrat gewählt – gegen Kandidaten wie Schwe- den. Das ist aller Ehren wert. Die zwei Jahre im Sicherheitsrat und der deutsche Vorsitz sind eine Erfolgsgeschichte dieser Bundesregie- rung. Wo die Opposition hier eine Negativbilanz er- kennt, ist mir fraglich. Daher wird die FDP-Fraktion die- sen Antrag ablehnen. Heike Hänsel (DIE LINKE): Heute stimmt die Generalversammlung der Vereinten Nationen über den Antrag Palästinas auf Status eines Beobachterstaates bei der UN ab. Dies ist eine historisch wichtige Chance für den gesamten Nahen Osten. Mit der angekündigten Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. November 2012 25939 (A) (C) (D)(B) Enthaltung Deutschlands gegen die große Mehrheit der UN-Mitgliedstaaten, darunter auch EU-Länder wie Frankreich, Spanien, Schweden, Portugal, hat sich die Bundesregierung deutlich isoliert, auch in Europa. Zumal die Bundesregierung sogar versucht hat, die EU- Mitgliedstaaten von ihrem Ja abzuhalten. Die Aufnahme Palästinas als Beobachterstaat ist ein wichtiger Schritt, um eine Zweistaatenlösung überhaupt am Leben zu erhalten, denn in den von Israel besetzten Gebieten wer- den tagtäglich Fakten geschaffen durch immer neue Siedlungen, Vertreibungen und einseitige Grenzziehun- gen. Wir brauchen endlich ein Ende der Besatzung in der Westbank, die Aufhebung der Gaza-Blockade und eine Zwei-Staaten-Lösung! Die Bundesregierung verpasst am heutigen Tag diese historische Chance, und sie schwächt die palästinensischen Kräfte, die sich für eine Verhand- lungslösung aussprechen, die die Bundesregierung nach eigenen Angaben ja eigentlich unterstützen will. Das ist kontraproduktiv! Wir ziehen heute gleichzeitig Bilanz über fast zwei Jahre Mitgliedschaft im UN-Sicherheitsrat. Und da zeigt sich, dass es die Bundesregierung in vielerlei Hinsicht verpasst hat, Friedensinitiativen zu befördern. Trotz Vorsitz in der Afghanistan-Arbeitsgruppe für das UNAMA-Mandat hat die Bundesregierung keine umfas- sende Friedensinitiative in der Region entwickelt; die Afghanistan-Konferenz im Dezember 2011 war ein Misserfolg, Pakistan nahm nicht daran teil, und die Zivilgesellschaft war nur symbolisch einbezogen. Sie verlässt sich stattdessen lieber weiterhin auf ihre be- währte Zusammenarbeit mit afghanischen Warlords und der korrupten Karzai-Regierung. Im Falle des syrischen Bürgerkrieges hat UN-Sonder- vermittler Lakhdar Brahimi ein schwieriges Mandat übernommen, nachdem sein Vorgänger Kofi Annan be- reits einen Sechs-Punkte-Plan für eine Verhandlungs- lösung des Konflikts vorgelegt hat. Dieser ist unter ande- rem daran gescheitert, dass Frankreich, die Türkei, Saudi-Arabien, Katar, die USA und andere Staaten ein- seitig auf Regime-Change setzen und die Rebellen aktiv unterstützen. Auch die Bundesregierung hat nicht zual- lererst das Ende der Gewalt von beiden Seiten im Blick, sondern unterstützt die Forderung nach einem Regime- Change von außen. Das manifestiert sich unter anderem in dem von der Bundesregierung mitfinanzierten Projekt „The Day after“. Frieden gibt es aber nur mit einem Dia- log, der alle Konfliktparteien mit einbezieht und zu ei- nem Interessenausgleich führt. Die UN-Charta und das Völkerrecht müssen oberste Priorität haben! Die Bundesregierung torpediert nun die schwierigen Bemühungen Brahimis um eine Verhandlungslösung im Syrien-Konflikt mit der geplanten Stationierung von Patriot-Raketen in der Türkei und setzt einseitig auf die militärische Eskalation durch die NATO. Eine solche Politik schwächt die UNO und fördert die Kriegsgefahr, nicht den Frieden. Wir brauchen eine Außenpolitik, die auf zivile und gerechte Konfliktlösungen setzt und die Vereinten Nationen in ihrer Rolle stärkt, statt sie durch NATO-Militärinterventionen zu marginalisieren. Hier ist auch der größte Unterschied zwischen den Positionen der SPD, der Grünen und unserer Fraktion: Zwar stellen Sie in den hier vorliegenden Anträgen fest, dass militärisches Eingreifen Konflikte nicht löst und letztes Mittel der Politik sein sollte. Aber in Wirklichkeit scheint die militärische Option immer mehr als erstes Mittel zu gelten. Denn für SPD und Grüne war die schwarz-gelbe Koalition beim Libyen-Krieg zu zöger- lich; die Enthaltung im Sicherheitsrat, die wir in dem Fall deutlich begrüßt haben, wurde von Rot-Grün scharf kritisiert. Wäre es nach Ihnen gegangen, dann wäre die Bundeswehr an den wochenlangen Luftbombardierun- gen Libyens beteiligt gewesen, die bis zu 50 000 Men- schen das Leben gekostet haben. Wo bleiben denn da Ihre friedlichen Konfliktlösungsstrategien? Die Bundesregierung weist als politischen Erfolg un- ter anderem die Verabschiedung einer Resolution für die Bekämpfung der Rekrutierung von Kindersoldaten auf. Durch die neue Resolution sollten die Angreifer von Schulen und Krankenhäusern aber nicht nur geächtet, sondern auch mit Sanktionen belegt werden. Beispiels- weise könnten Konten gesperrt oder Reiseverbote ver- hängt werden. „Diese Resolution ist nicht nur politisches Papier, sondern hat handfeste Konsequenzen“, sagte Außenminister Westerwelle. Mit keinem Wort und kei- ner politischen Konsequenz ging die Bundesregierung allerdings auf das Problem der Rüstungsexporte, speziell von Kleinwaffen, ein, die ja weltweit von Konflikt zu Konflikt weiterverkauft werden und womit die meisten Kindersoldaten gezwungen werden, zu kämpfen. Und darunter sind eben häufig auch deutsche Kleinwaffen, zum Beispiel Gewehre von Heckler & Koch. Solange sie Rüstungsexporte in Milliardenumfang selbst für Kon- fliktregionen genehmigen, sogar Lizenzen für eigene Waffenproduktion bewilligen, ist dieser Kampf gegen Kindersoldaten wenig glaubhaft! Die Linke ist für eine Reform und Demokratisierung der Vereinten Nationen: Die Struktur des UN-Sicher- heitsrats als bedeutendstem Entscheidungsgremium spiegelt alte Machtverhältnisse wider. Der Sicherheitsrat muss zugunsten der Länder Asiens, Afrikas und Latein- amerikas erweitert werden, und die UN-Vollversamm- lung muss die zentrale Rolle spielen. In diesem Kontext muss auch das Vetorecht neu diskutiert werden. Die Bundesregierung setzt sich in den stockenden Verhand- lungen darüber zu einseitig für einen Sitz Deutschlands im UN-Sicherheitsrat ein. Die Weltorganisation muss finanziell gestärkt, entsprechend ihrer Funktion politisch respektiert und zu einer handlungsfähigen Instanz zur Lösung internationaler Probleme ausgebaut werden, um weltweit Frieden und Entwicklung unter den neuen politischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen des 21. Jahrhunderts tatsächlich fördern und sichern zu können. Parallel zu einer Demokratisierung der UNO sollte der Wirtschafts- und Sozialrat (ECOSOC) zu einer gleichwertigen Instanz für wirtschaftliche und soziale Gerechtigkeit aufgewertet werden, beispielsweise über die Festlegung von sozialen und ökologischen Normen für transnationale Unternehmen und generellen Rechten 25940 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. November 2012 (A) (C) (D)(B) und Pflichten von privaten Unternehmen. Hier fehlen ei- gene Initiativen der Bundesregierung völlig. Die Grünen stellen in ihrem Antrag die Umsetzung von „Responsibility to Protect“, R2P, als zentrale Herausforderung für einen wirksamen Menschenrechts- schutz im 21. Jahrhundert dar. Zwar verstehen die Grünen – wie die SPD – die Schutzverantwortung aus- drücklich nicht in erster Linie als militärische Aufgabe, aber diese Option müsse eingesetzt werden, wenn alle anderen R2P-Instrumente ausgeschöpft seien. Die Grü- nen fordern zwar die Verbesserung der Präventions- mechanismen von R2P und das genaue Festlegen von Kriterien für militärisches Eingreifen und dessen Länge, aber dass der Krieg dem Schutz der Zivilbevölkerung dienen soll, ist zynisch. Mit dem Vorwand des Schutzes von Menschenrechten werden bereits Militärinterventio- nen geführt. Der Verweis auf die Schutzverantwortung liefert der internationalen Gemeinschaft nur weitere Gelegenheiten für Angriffskriege. Die Linke lehnt mili- tärische Interventionen unter dem Vorwand des Schutzes der Menschenrechte und der Zivilbevölkerung konse- quent ab. Wir fordern stattdessen, dass die „Friedenskommis- sion zur Unterstützung von Staaten nach bewaffneten Konflikten“ in eine umfassende Friedenskommission erweitert wird, die nicht nur die Nachsorge, sondern auch konkrete Schritte zur Konfliktvorbeugung und nichtmilitärischer Konfliktlösung einschließlich präven- tiver Diplomatie zum Gegenstand ihrer Tätigkeit hat. Wir wenden uns strikt gegen die weitere Militarisierung der Vereinten Nationen, die bereits jetzt das Dreifache des UN-Haushalts für „Friedensmissionen“ ausgeben, während die humanitäre Hilfe, Armutsbekämpfung, Klimaschutz und zivile Konfliktlösungen unterfinanziert sind. Wir brauchen demokratisch reformierte Vereinte Nationen und die Auflösung aller Militärbündnisse. Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Wir ziehen heute Bilanz aus zwei Jahren Deutschland im UN-Sicherheitsrat. Diese Bilanz ist, das will ich gleich vorabschicken, schlicht enttäuschend. So erfolgreich die Bewerbung um einen nichtständigen Sitz im Sicherheitsrat vor fast zwei Jahren war, umso erfolg- loser war leider das Wirken Deutschlands in der wich- tigsten Schaltstelle für Frieden und Sicherheit in der Welt. Für diese Bundesregierung zählte wieder einmal mehr die Verpackung und nicht der Inhalt. Das Dabei- sein war für sie wichtiger, als zu gestalten. Ziellos und ohne strategische Ausrichtung wurde das deutsche Mandat begonnen. Sie sind geradezu auf die Weltbühne am East River gestolpert. Deshalb verwundert es mich nicht, dass Deutschland kaum Akzente setzen konnte in Sachen UN-Reformen, nicht in Abrüstungsfragen und nicht in Sachen Nahostkrise. Keine Ideen haben, das ist die eine Sache. Das ist schlimm genug. Etwas ganz anderes ist es aber, wenn die Bundesregierung dann auch noch beim Krisenmanage- ment wie in Libyen völlig versagt und ganz nebenbei das Prinzip der Schutzverantwortung, zu dem sich auch Deutschland 2005 auf dem Weltgipfel ausdrücklich ver- pflichtet hatte, missachtet. Es ist schlicht ein Skandal, dass ausgerechnet Deutschland sich im Sicherheitsrat gegen das Votum der Arabischen Liga bei der Frage ei- ner Intervention enthalten hat. Deutschland hat immer auch eine besondere historische Verantwortung, Men- schen vor Völkermord und schwersten Menschenrechts- verbrechen zu schützen. Dass ausgerechnet Deutschland den vielen in Bengasi eingekesselten Menschen, die in Todesangst auf das Massaker warteten, nicht ohne Wenn und Aber beistand und sich stattdessen an die Seite der ewigen Blockierer Russland und China stellte, war poli- tisch falsch und hat uns schweren Schaden zugefügt. Herr Westerwelle, die Bundesregierung hat sich bei Libyen schlicht aus der Verantwortung gestohlen. Selbst aus dieser offensichtlichen Fehlentscheidung haben Sie leider nichts gelernt. Statt nach Libyen die Schutzverantwortung zur Priorität zu machen, sind Sie einfach nur in die nächste Krise in Syrien gestolpert. Auch hier schwimmen Sie wieder nur mit und reden in „Freundesgruppen“, anstatt zu handeln. Noch immer warten wir auf eine selbstbewusste Krisendiplomatie und Initiativen zur Überwindung der russischen und chi- nesischen Blockade im Sicherheitsrat, und noch immer riegeln Sie die Grenzen Deutschlands für die syrischen Flüchtlinge ab, anstatt ihnen bei uns hier Schutz zu ge- währen. Das Mindeste, Herr Westerwelle, wäre doch, dass Sie denjenigen syrischen Flüchtlingen ein Visum gewähren, die bei ihren hier lebenden Familienangehöri- gen unterkommen wollen und könnten. Das wäre we- nigstens eine kleine humanitäre Geste. Noch nicht ein- mal die sind Sie bereit zu gewähren. Libyen und Syrien haben viele Fragen aufgeworfen, die an die Grundfesten der UNO rühren: wie wir zum Schutz von Menschen künftig Blockaden im Sicherheits- rat und den Missbrauch von Mandaten von Menschen verhindern können. Dennoch hat die Bundesregierung im Sicherheitstrat keine Lösung dieser zentralen Fragen vorangetrieben, die für die Ausbuchstabierung der Schutzverantwortung so wichtig sind. Nein, es waren wieder andere: Brasilien mit seiner Initiative „Responsi- bility while protecting“ und wir, die Opposition im Bun- destag. Wir haben die Anträge zur Schutzverantwortung vorgelegt, und wir Grüne haben die Experten zu einer Konferenz eingeladen, um nach Lösungswegen zu suchen. Sie haben offensichtlich noch immer nicht begriffen, dass die Schutzverantwortung die menschen- rechtspolitische Herausforderung des 21. Jahrhunderts ist. Wir schon. Wir haben verstanden, dass wir im Sicher- heitsrat dringend Initiativen brauchen, wie wir bei Völ- kermord, Kriegsverbrechen, ethnischen Säuberungen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, also bei schwersten Menschenrechtsverbrechen, Blockaden im Sicherheitsrat überwinden können. Wir bringen die Idee, die VN-Generalversammlung mehr in die Verantwor- tung zu nehmen im Sinne des „Uniting for Peace“. Und wir haben verstanden, dass wir dazu auch klare Leitplan- ken für Mandate brauchen. Dazu müssen wir die Vorschläge der Expertengruppe Kofi Annans weiterent- wickeln, das heißt etwa, auch enge zeitliche Beschrän- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. November 2012 25941 (A) (C) (D)(B) kungen und regelmäßige Überprüfungen von Mandaten voranzutreiben. Wir haben verstanden, dass es in Fragen schwerster Menschenrechtsverbrechen in erster Linie darum gehen muss, die vorbeugende Schutzverantwortung, die „Res- ponsibility to prevent“, in die Köpfe der Verantwortli- chen im Sicherheitsrat hineinzubekommen, um rechtzei- tig zu handeln, bevor Gewalt und Chaos regieren. Wir sollten Kofi Annans Vermächtnis nach Ruanda ernst nehmen und intensiv an einer zivilen und präventiven Schutzverantwortung arbeiten, um das Morden von mor- gen durch eine kluge Politik der Prävention von heute zu verhindern. Dazu brauchen wir in der Außenpolitik end- lich wieder eine neue Kultur der zivilen Krisenpräven- tion, wenn wir wieder als Zivilmacht ernst genommen werden wollen. Auch das hat diese Bundesregierung offensichtlich nicht verstanden. Sie entwickelt nicht etwa den Aktions- plan zivile Krisenprävention weiter und ergänzt ihn, etwa durch wichtige neue Instrumente zur politischen Vermittlung in Konflikten und Krisen, nein, stattdessen hat sie ihn einfach in die „Ablage P“, also in den Papier- korb, geschoben. Wichtige Institutionen wie das ZIF baut sie nicht aus, obwohl es immer mehr Aufgaben zu erfüllen hat. Und schließlich kürzt die Bundesregierung jetzt wieder die Mittel der zivilen Krisenprävention im Auswärtigen Amt und wartet ab, bis der Unterausschuss „Zivile Krisenprävention“ ihr Ideen auf den Tisch legt. Wir schlagen dagegen den Aufbau ziviler Präven- tionsinstrumente, wie Pools für Mediations-, Polizei-, Verwaltungs- und Rechtsexperten vor. Wir wollen die Frühwarnung und Reaktionsfähigkeit in Sachen Schutz- verantwortung stärken durch die Einrichtung nationaler Kontaktstellen, sogenannter Focal Points, und wir wollen die Einrichtung eines Beirates zur Verhütung von Massenverbrechen. Da sind uns die Amerikaner mit ih- rem Mass Atrocity Prevention Board schon weit voraus. Liebe Bundesregierung, ich appelliere an Sie: Lassen Sie sich gerade in Sachen Schutzverantwortung nicht weiter nur treiben, sondern treiben Sie selbst etwas voran. Unser Antrag sollte Ihnen dazu Ansporn sein und Inspiration geben. Ich bitte deshalb hier im Parlament um eine breite Unterstützung. Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der In- nenentwicklung in den Städten und Gemein- den und weiteren Fortentwicklung des Städ- tebaurechts – Antrag: Baugesetzbuch wirklich novellieren Beschlussempfehlung und Bericht zu den An- trägen: – Barrierefreie Mobilität und barrierefreies Wohnen – Voraussetzungen für Teilhabe und Gleichberechtigung – Barrierefreies Bauen im Baugesetzbuch ver- bindlich regeln – Barrieren abbauen – Mobilität und Wohnen für alle (Tagesordnungspunkte 21 a bis 21 c) Peter Götz (CDU/CSU): Mit dem Gesetzentwurf zur Stärkung der Innenentwicklung in den Städten und Ge- meinden und zur weiteren Fortentwicklung des Städte- baurechts wollen wir sowohl das Baugesetzbuch als auch die Baunutzungsverordnung ändern. Im Juni ver- gangenen Jahres haben wir in einem ersten Schritt zur Beschleunigung der Energiewende die notwendigen An- passungen im Baugesetzbuch vorgenommen. Mit dem jetzt vorliegenden zweiten Teil wollen wir uns im Wesentlichen auf die Stärkung der Innenentwick- lung in den Städten und Gemeinden konzentrieren: Wir wollen, dass in Zukunft die städtebauliche Ent- wicklung noch stärker als bisher durch Maßnahmen der Innenentwicklung erfolgt. Die Umwandlung landwirt- schaftlich oder als Wald genutzter Fläche muss künftig besonders begründet werden. Wir wollen es durch eine Änderung der Baunutzungsverordnung den Kommunen erleichtern, in ihren Bebauungsplänen eine gewollte städtebauliche Verdichtung vorzusehen. Wir erleichtern den Kommunen die Steuerung der Ansiedlung von Ein- zelhandelsbetrieben. Ein weiterer Komplex sind Maßnahmen, die zu einer geordneten Entwicklung im Außenbereich des ländli- chen Raums beitragen sollen. Wir wissen, dass die bäu- erliche Landwirtschaft zu den tragenden Säulen der wirt- schaftlichen Entwicklung im ländlichen Raum gehört. Ihre bestehenden Entwicklungsmöglichkeiten dürfen nicht beeinträchtigt werden. Allerdings sind durch die Ansiedlung von großen Tierhaltungsanlagen in den letz- ten Jahren zunehmend Fragen aufgeworfen worden, ob die Standorte städtebaulich verträglich sind oder der Ent- wicklung der Gemeinden entgegenstehen. Wir haben uns deshalb die Frage gestellt, wie die Ge- meinden trotz der privilegierten Zulässigkeit dieser Tier- haltungsanlagen im Außenbereich die Instrumente der Bauleitplanung zum Einsatz bringen können. Dabei geht es vor allem um die industrielle Intensivtierhaltung, die teilweise Ausmaße angenommen hat, die zu einer nach- haltigen Beeinträchtigung der Umwelt sowie der Le- bensqualität führen kann. Nur für diesen Bereich und nicht für den normalen landwirtschaftlichen Betrieb brauchen die Kommunen wirkungsvolle Steuerungs- möglichkeiten, die wir mit diesem Gesetz vorschlagen. Ich werde in den parlamentarischen Beratungen auf diese Unterscheidung großen Wert legen. Eine pauschale Verdammung landwirtschaftlicher Vorhaben im Außen- bereich tragen wir nicht mit. Zur Unterstützung des Strukturwandels in der Land- wirtschaft schlägt die Bundesregierung außerdem vor, den Begünstigungstatbestand für ehemals landwirt- schaftlich genutzte Gebäude maßvoll zu erweitern. 25942 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. November 2012 (A) (C) (D)(B) Ein dritter Punkt sind jene Regelungsvorschläge, die darauf abzielen, konkrete Vorhaben in den Städten und Gemeinden durch aktives Handeln zu unterstützen. Dazu zähle ich insbesondere die Erweiterung des gemeindli- chen Vorkaufsrechts zugunsten eines Dritten. Diese Regelung wird zur Verfahrensvereinfachung und Verfah- rensbeschleunigung beitragen. Gemeinden und Investo- ren werden dadurch außerdem entlastet. Ein weiteres stadtentwicklungspolitisches Problem, das dem Ziel einer qualitätsvollen Innenentwicklung der Städte und Gemeinden widerspricht, greifen wir mit die- sem Gesetz ebenfalls auf: In den letzten Jahren prägen zunehmend verwahr- loste, nicht mehr wirtschaftlich nutzbare Gebäude das Bild vieler Städte, teilweise auch der Innenstädte. Solche „Schrottimmobilien“ stellen aufgrund ihrer negativen Ausstrahlung auf die Umgebung für viele Kommunen eine große Herausforderung dar. Nicht selten werden solche Immobilien als Spekulationsobjekte gehalten, die nach und nach dem Verfall preisgegeben sind. Struktur- schwache Regionen, die mit wirtschaftlich bedingten Bevölkerungsverlusten und auch mit den Folgen des de- mografischen Wandels kämpfen, sind davon besonders betroffen. Dies gilt sowohl für die Großstädte als auch für Gemeinden im ländlichen Raum. Erlauben Sie mir noch den Hinweis darauf, dass die Bundesregierung dem Wunsch nach einem verbesserten Vorschlag für die rechtliche Unterstützung des energie- effizienten und klimaneutralen Quartiersumbaus nachge- kommen ist. Wir wollen energieeffiziente Lösungen, die einerseits dem Klimaschutz Rechnung tragen, die aber auch wirtschaftlich sind und von den Haus- und Grund- stückseigentümern angenommen werden. Ordnungspoli- tische Zwänge sind der falsche Weg. Auch wollen wir durch eine Änderung des Städtebaurechts eine verbes- serte Steuerung von Vergnügungsstätten ermöglichen und für die Anwendung städtebaulicher Verträge klar- stellende Regelungen aufnehmen. Wir haben einen guten Gesetzentwurf. Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme zum Ge- setzentwurf einige interessante Punkte angesprochen, die wir in den Beratungen diskutieren werden. Im Bau- und Planungsrecht ist es eine gute und be- währte Tradition, im Vorfeld der parlamentarischen Be- ratungen zusammen mit ausgewählten Kommunen im Planspiel gesetzliche Auswirkungen zu testen. Die Er- gebnisse des Planspiels und der vereinbarten Sachver- ständigenanhörung fließen in unsere Entscheidungs- findung ein. Ich bin optimistisch, dass wir diesen Gesetzentwurf, so wie seine Vorgänger, im guten und of- fenen Gedankenaustausch beraten. Es wird für mich nach mehr als 20 Jahren wohl das letzte parlamentari- sche Verfahren zur Änderung des Baugesetzbuches sein. Mein persönlicher Wunsch ist es, dass wir es auch dieses Mal wieder quer durch alle Fraktionen schaffen, zu ei- nem breiten Konsens über die wesentlichen Änderungen des Baugesetzbuches zu kommen. Planungssicherheit für einen längeren Zeitraum ist gerade im Baubereich für alle Akteure in den Rathäu- sern, aber auch für Investoren ein nicht zu unterschät- zendes hohes Gut. Deshalb sind Deutscher Bundestag und Bundesrat gut beraten, beim Baugesetzbuch und der Baunutzungsverordnung möglichst mit großer Mehrheit an einem Strang zu ziehen. Das erfordert Kompromisse in der Sache. Lassen Sie uns darüber reden. Ich wünsche uns fruchtbare Beratungen. Volkmar Vogel (Kleinsaara) (CDU/CSU): Heute machen wir einen wichtigen Schritt in Richtung der not- wendigen Novelle des Bau- und Planungsrechts. Das deutsche Baugesetzbuch ist seit Jahrzehnten ein bewährtes und verlässliches Planungsinstrument. Das Baugesetzbuch und die Bauordnungen der Länder haben mit dafür gesorgt, den enormen Nachholbedarf bei Infra- struktur und Siedlungsbau in Ostdeutschland zu stem- men. Dank gemeinsamer Anstrengungen des Bundes, der Länder und Kommunen ist es uns gelungen, die durch Plan- und Mangelwirtschaft verursachten Defizite zu beheben. Geänderte Lebensumstände und neue gewerbliche Strukturen erfordern eine Anpassung im Bebauungs- recht. Mit den demografischen Veränderungen und wei- teren Flächeninanspruchnahmen wächst die Forderung aus den Kommunen an den Gesetzgeber. Der Schutz landwirtschaftlicher Flächen vor weiterer Inanspruch- nahme durch Siedlung und Verkehr hat für die christlich- liberalen Koalitionspartner große Priorität. Wir haben auch Verständnis für den Unmut der Landwirte, wenn wertvolle Böden für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen geopfert werden. Wir verstehen die Kritik, wenn mehr und mehr Fläche im Außenbereich versiegelt wird. Wir nehmen Beschwerden der Bevölkerung über Belastun- gen durch Agrargewerbebetriebe vor der Haustür ernst. Wir sehen die Schwierigkeit, dass bei weiterer Sied- lungsausdehnung die Innenstädte zusehends strukturell verarmen. Deswegen haben wir im Koalitionsvertrag die Stär- kung der Innenentwicklung zur Reduktion der Flächen- inanspruchnahme als Ziel unserer Regierungspolitik fest- gehalten. Der vorliegende Regierungsentwurf zur Novelle des Baugesetzbuches setzt klare Signale für eine nachhaltige Flächennutzung und zukunftsgerechte Stadt- entwicklung. Der Regierungsentwurf zielt unmissver- ständlich auf eine Stärkung der Innenentwicklung in Städten und Gemeinden. Die Kommunen sollen mehr Ge- staltungsfreiraum durch bessere Unterstützung bei der städtebaulichen Entwicklung erhalten. Anstatt mehr Flä- che im Außenbereich zu nutzen, sollen Baulücken ge- schlossen, Brachen genutzt und leer stehende Gebäude durch Modernisierung attraktiver werden. Die christlich-liberale Koalition steht zur Privilegie- rung landwirtschaftlicher Betriebe im Außenbereich. Wir wollen keine neuen Planungsinstrumente schaffen, son- dern vorhandene anwenden. Demografische Veränderun- gen und neue Methoden der Landwirtschaft erfordern vor allem praxistaugliche Regelungen. Bei Agrargewerbebe- trieben halten wir die Umweltverträglichkeitsprüfung deshalb für ein geeignetes Instrument der Kommunen. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. November 2012 25943 (A) (C) (D)(B) Das Baugesetzbuch und die Bauordnungen der Län- der berühren in Verbindung mit der Baunutzungsverord- nung alle Bereiche des Lebens und der Wirtschaft. Des- halb sollten wir uns hier im Hause einig sein, einen möglichst breiten Konsens zwischen den Fraktionen ge- meinsam mit den Bundesländern zu finden. Die Menschen stellen neue Ansprüche an das Woh- nen. Dem müssen wir als Gesetzgeber folgen. Barriere- freiheit, aber auch Barrierearmut im Gebäude werden zusehends wichtige Themen. Die Belange von älteren Menschen und Menschen mit Behinderungen finden im Baugesetzbuch bereits Berücksichtigung. Wie ich bereits sagte, liegt die Ausgestaltung in der Zuständigkeit der Länder und der jeweiligen Bauordnungen. Das Bauge- setzbuch eröffnet dazu in § 1 die notwendigen Rechts- grundlagen. Die Bauordnungen der Länder können dazu weitere Regelungen treffen. Auch der Aktionsplan der Bunderegierung zur Um- setzung der Behindertenrechtskonvention sowie die För- dermittel der Kreditanstalt für Wiederaufbau zum alters- gerechten Umbau zielen in dieselbe Richtung. Auch der jüngst erzielte Kompromiss im Personenbeförderungs- gesetz zeigt, dass wir gemeinsam erfolgreich an einer sukzessiven Entwicklung hin zu mehr barrierefreien An- geboten arbeiten können. Aus diesen Gründen können wir den Anträgen der Opposition nicht folgen. Ich werbe um Zustimmung zum vorgelegten Regierungsentwurf. Hans-Joachim Hacker (SPD): Die Weihnachtszeit ist ja bekanntlich die Zeit der Geschenke. Heute erfüllt uns Herr Minister Ramsauer auch endlich einen Wunsch und legt die lang erwartete Novelle zum Bauplanungs- recht vor. Der Entwurf für ein Gesetz zur Stärkung der Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden und weiteren Fortentwicklung des Städtebaurechts hat fast ein Jahr benötigt, um vom Referentenentwurf zum Kabi- nettsentwurf zu reifen. Bedenkt man, dass die Novellierung des Baupla- nungsrechts ursprünglich einmal 2011 abgeschlossen sein sollte und jetzt erst weit in 2013 in Kraft treten kann, ist die tatsächliche Verzögerung noch viel erhebli- cher. Für die durch die Energiewende notwendige Aufsplit- tung der Novelle kann ich die Bundesregierung nicht kri- tisieren. Das war wegen des Atomausstiegs richtig, und wir haben das auch im Konsens durchgezogen. Aller- dings hätte der zweite, ebenso wichtige Teil der Novelle längst umgesetzt werden müssen. Hier muss sich die Bundesregierung sehr wohl den Vorwurf gefallen lassen, wegen hausgemachter Probleme bei der Abstimmung zwischen den Ressorts unnötig Zeit verschwendet zu ha- ben. Es kann doch nicht sein, dass ein Streit zwischen dem Minister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung und sei- ner Kollegin aus dem Landwirtschaftsministerium die Novellierung des BauGB für Monate auf Eis legt. Und das auch noch wegen eines ganz zentralen Punkts des Entwurfs, der baurechtlichen Privilegierung der Inten- sivtierhaltungsanlagen. Und es ist noch verwunderlicher, dass am Ende sogar noch die unbedeutende Frage der baurechtlichen Einordnung von Kleintierzucht zu weite- ren wochenlangen Verzögerungen führte. Wir sind von der schwarz-gelben Koalition in Bezug auf Tierverglei- che ja schon einiges gewohnt – die Wildsäue und der Frosch lassen grüßen. Es erstaunt mich aber dennoch, dass der Bundesregierung eine Regelung für Rassegeflü- gelzucht in der Baunutzungsverordnung offenkundig so wichtig ist, dass sie die überfällige Weiterentwicklung des Bauplanungsrechtes dafür auf die lange Bank ge- schoben hat. Mit dem Gesetz zur Stärkung der Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden und weiteren Fortent- wicklung des Städtebaurechts muss der Gesetzgeber eine Antwort auf Trends und Entwicklungen geben, die die Städtebaupolitik in den letzten Jahren maßgeblich be- stimmen. Diesen Ansatz unterstützt die SPD-Bundes- tagsfraktion ausdrücklich. Die demografische Entwicklung mit der Veränderung der Altersstruktur einerseits und dem Rückgang der Be- völkerung andererseits, die zudem auch noch regional sehr unterschiedlich ausfällt, hat erhebliche Auswirkun- gen auf die Entwicklung der Städte und Gemeinden. Das gilt es zu gestalten. Wir erleben derzeit, wie uns die damit verbundenen Probleme förmlich schon auf den Nägeln brennen. Der Zuzug von Menschen in die Städte und Ballungsgebiete führt zu Wohnraumverknappung und steigenden Mieten. Die Verdichtung des Innenbereichs, die sich in Zukunft noch weiter verstärken wird, macht eine Anpassung der bauplanungsrechtlichen Grundlagen unumgänglich. Üb- rigens auch da, wo wir die gegenteilige Entwicklung ha- ben. Auch in den Schrumpfungsregionen müssen Pro- zesse gestaltet werden, müssen Kommunen zusätzliche Steuerungsinstrumente erhalten, um mit den Folgen die- ser Schrumpfungsprozesse umgehen zu können. Die Verdichtung, etwa durch Erschließung von Freiflächen oder Möglichkeiten zur Aufstockung von Gebäuden in den Städten, und die Entwertung, etwa durch Leerstand oder durch Schrottimmobilien – das sind zwei Seiten derselben Medaille. Dazu gehören auch der Klimaschutz und die Gestal- tung der städtebaulichen Folgen der klimatischen Verän- derungen. Steigende Energiepreise und die damit ver- bundenen höheren Transportkosten führen zum Wegzug von Pendlern aus den Speckgürteln in die Innenstädte. Dort muss dann aber im Gegenzug auch die energetische Ausstattung der Wohnquartiere so sein, dass die wegfal- lenden Pendelkosten nicht anschließend durch die hohen Energiekosten schlecht gedämmter Wohnhäuser wieder aufgefressen werden. Das gilt aber auch für die Mieten, die durch überzogene energetische Maßnahmen und de- ren Kostenfolgen nicht noch weiter klettern dürfen. Zur Stärkung des Innenbereichs gehört es auch, die Infrastruktur auf die mit der Verdichtung zusammenhän- genden Entwicklungen einzustellen und dabei auch die Aspekte des Klimaschutzes mit zu berücksichtigen – zum Beispiel durch zentrale Versorgungseinrichtungen, 25944 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. November 2012 (A) (C) (D)(B) die unnötige Wege und unnötigen CO2-Ausstoß vermei- den. Und letztlich ergibt sich durch den Schwerpunkt der Innenentwicklung auch die Option, den Außenbereich stärker als bislang zu schützen. Verdichtete Innenstädte brauchen mehr denn je den Ausgleich durch die zu schützende sprichwörtliche „grüne Wiese“ im Außenbe- reich, die eben mehr ist als nur eine Fläche zur Ansied- lung von Einkaufszentren. Das sind – in groben Zügen – die Anforderungen an die Novelle des Bauplanungsrechtes, die mit dem Ge- setzentwurf im Großen und Ganzen auch umgesetzt wer- den sollen. Der Entwurf des Gesetzes, mit dem in Zukunft so- wohl SPD- als auch unionsgeführte Kommunen – ja so- gar Städte mit grünen Bürgermeistern – umgehen müs- sen, ist ja auch nicht im Elfenbeinturm des BMVBS entstanden. Er ist Ergebnis eines langen Dialogprozes- ses, in den die maßgeblichen kommunalen Akteure im Rahmen der Berliner Gespräche eingebunden waren. Herausgekommen ist ein Gesetzentwurf, mit dem die Koalition im Wesentlichen ihren Koalitionsvertrag abar- beitet und über die dort vereinbarten Punkte hinaus nur noch notwendig gewordene Anpassungen an die Recht- sprechung und an geändertes EU-Recht sowie Folgeän- derungen durch vorangegangene Änderungen in Fachge- setzen umsetzt. Lediglich mit den Regelungen zur Intensivtierhaltung und zu Vergnügungsstätten bzw. Spielhallen wird weiterer politischer Regelungsbedarf aufgegriffen. Einen großen Wurf kann man diese Novelle also nicht gerade nennen, eher Dienst nach Vorschrift – aber mehr war von dieser Koalition auch nicht zu erwarten. Der Umstand, dass dieser Punkt heute hätte um Mitternacht debattiert werden sollen und nicht in der Kernzeit, spricht ja Bände. Im Ergebnis präsentiert sich der Gesetzentwurf also als „Novelle light“. Eine revolutionäre Weiterentwick- lung des Bauplanungsrechts erfolgt nicht. Bereits die Formulierungen des Koalitionsvertrages hatten ja, wie gesagt, keine großen gestalterischen Absichten erkennen lassen. Auch bei der Vorbereitung des Gesetzentwurfs durch die Berliner Gespräche hat das BMVBS eher bremsend als reformbegeistert gewirkt. Konkretere Maßnahmen zum Bauen im Außenbereich etwa oder zur Minimierung des Flächenverbrauchs waren ausdrücklich nicht gewünscht bzw. wurden gar als „Investitions- hemmnis“ bezeichnet. Die von dieser doch sehr eindeutigen politischen Vor- gabe geprägten Vorschläge und Empfehlungen der Ex- perten wurden im weiteren Verlauf vom BMVBS auch nur in Teilen in den Entwurf aufgenommen. Weiterge- hende Regelungen wurden zudem währen der koalitions- internen Abstimmung weichgespült oder ganz fallen ge- lassen. Gleichwohl: Die Städte und Gemeinden warten hän- deringend auf die im Gesetz enthaltenen baurechtlichen Regelungen für ihre durch Zuzug und Wohnungsmangel geprägten Innenstädte. Sie brauchen verbesserte Durch- griffsmöglichkeiten im Umgang mit Schrottimmobilien, sie brauchen Regelungen zur Einschränkung der Flächeninanspruchnahme und zum Schutz des Außenbe- reichs. Die baurechtliche Zulässigkeit von Kinderbetreu- ungseinrichtungen in Wohngebieten ist ein ebenso wich- tiges Anliegen. Die SPD könnte daher auch diese nicht in allen Teilen zufriedenstellende Novelle mittragen, wenn die Bundesregierung den Entwurf in entscheiden- den Punkten nachbessert. Dazu gehören aus Sicht der SPD ganz klar Änderun- gen bei der nur halbherzig vorgenommenen Einschrän- kung der baurechtlichen Privilegierung der Intensivtier- haltung. Die Privilegierung der Tierhaltung muss nach Auffassung der SPD im Baurecht künftig schon bei Er- reichen des jeweils unteren Schwellenwertes im Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung entfallen – und zwar ohne eine unnötige Vorprüfung und ohne zwischen landwirtschaftlicher und gewerblicher Tierhaltung zu unterscheiden. Wir wollen, dass die kommunalen Steue- rungsmöglichkeiten deutlich verbessert werden, damit die zuständigen Stellen endlich die Probleme vor Ort lö- sen können. Die schwarz-gelbe Bundesregierung löst mit ihrer Novelle in der vorliegenden Fassung keines der drängenden Probleme im Bereich der Tierhaltung. Auch die im Entwurf enthaltenen Instrumente für Kommunen, gegen Schrottimmobilien vorzugehen, sind in der vorliegenden Form ein stumpfes Schwert. Es fehlt vor allem der politische Wille, Eigentümer dieser Schandflecken an den Kosten für deren Beseitigung zu beteiligen. Das ist ein zentraler Punkt, bei dem aus unse- rer Sicht der Entwurf nicht so die Ausschussberatung verlassen darf, wie er hineingeht. Ich will hier als weiteren Punkt die im Baugesetzbuch vorgesehenen Änderungen zum Schutz des Außenbe- reichs nennen, die sich im Wesentlichen auf gut klin- gende Sätze in § 1 und 1 a beschränken, ohne aber in der Praxis nennenswerte Auswirkungen zu haben. Im Ge- genteil, kuriose Einzelregelungen wie zum Beispiel die geplante Neufassung des § 35 Abs. 4 – Stichworte: Um- nutzung und Neubau von Höfen im Außenbereich – lau- fen sogar auf das Gegenteil hinaus und unterlaufen die Intention des Gesetzentwurfes. Hier gilt es also, in der weiteren Beratung unter Ab- wägung der Belange der Kommunen und unter Vermei- dung allzu großer bürokratischer Auflagen Regelungen zu finden, die den Schutz des Außenbereichs und die Er- reichung des 30-Hektar-Ziels tatsächlich sicherstellen. Liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalitionsfrak- tion, die kommenden Ausschussberatungen werden zei- gen, wie ernst Sie es mit der Stärkung der Innenentwick- lung der Städte und Gemeinden wirklich meinen. Petra Müller (Aachen) (FDP): Mit dem Gesetz zur Stärkung der Innenentwicklung in Städten und Gemein- den und zur weiteren Fortentwicklung des Städtebau- rechts erfüllen CDU/CSU und FDP ihren Koalitionsver- trag weiterhin zielbewusst, konzentriert und erfolgreich. Mit dem hier vorgelegten Gesetzentwurf wollen wir zu- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. November 2012 25945 (A) (C) (D)(B) gleich wesentliche Ziele einer zukunftsgerichteten und an den sich verändernden Lebensbedingungen ausge- richteten Stadtentwicklung und Raumplanung erreichen. Es ist dabei Ziel der FDP, den Menschen in Deutschland ein qualitativ hochwertiges, modernes und nachhaltiges Lebensumfeld zu schaffen. Die Ziele des Klimaschutzes und die notwendigen Schritte zur erfolgreichen Gestal- tung der Energiewende haben wir immer fest im Blick. Diesen Anforderungen wird das vorgelegte Gesetz gerecht: Mit einer Vielzahl von Maßnahmen in einer Vielzahl von Bereichen werden wir mit der Gesetzesvor- lage das Leben der Menschen erleichtern und verbes- sern, die kommunale Selbstverwaltung weiter stärken und zugleich die Ziele der nationalen Nachhaltigkeits- strategie konsequent verfolgen. So wird die Innenent- wicklung der Städte und Gemeinden in der städtebauli- chen Entwicklung weiterhin vorrangig erfolgen. Die Reduzierung der Flächeninanspruchnahme ist im Koali- tionsvertrag vereinbart und wir setzen dieses Vorhaben mit diesem Gesetz fort. Sollten darüber hinaus zukünftig landwirtschaftlich oder als Wald genutzte Flächen einer Umnutzung zugeführt werden, so bedarf dies künftig ei- ner ausdrücklichen Begründung. So erhöhen wir die Schwelle der Neubebauung und fördern die Entwicklung eines bewussten Umgangs mit Freiflächen und Raum. Den Kommunen wird es im Zusammenhang mit der Innenentwicklung erstens erleichtert, in ihren Bebau- ungsplänen eine gewollte städtebauliche Verdichtung vorzusehen. Darüber hinaus wird mit diesem Gesetz zweitens durch die Schaffung einer neuen Darstellungs- möglichkeit im Flächennutzungsplan der Schutz zentra- ler Versorgungsbereiche nachdrücklich gestärkt werden. Und drittens erhalten die Kommunen Erleichterungen beim gesetzlichen Vorkaufsrecht der Gemeinden. All das wird den Kommunen einen neuen, einen wirkungsvollen Handlungsspielraum geben, die Städte und Gemeinden lebenswerter und wohnlicher zu gestalten und dabei die Umwelt und Natur zu schützen und zu erhalten. Mit dem Gesetz schaffen wir aber auch für den Ein- zelnen, für den Bürger sofort oder kurzfristig wirksame und wahrnehmbare Verbesserungen: So werden Kinder- tagesstätten zukünftig in einer den Bedürfnissen der Be- wohner angemessenen Größe auch in reinen Wohngebie- ten allgemein zulässig sein. Wir unterstützen damit Eltern, wir verbessern die Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch kurze Wege und die Ermöglichung von Be- treuungsplätzen. Bereits im letzten Jahr hat die christ- lich-liberale Koalition klargestellt, dass Kinderlärm keine schädliche Umwelteinwirkung darstellt; jetzt wer- den wir das Recht der Kinder auf eine in ihr Lebensum- feld integrierte Außer-Haus-Betreuung weiter stärken. Nur zwei weitere Punkte aus dem Gesetz darf ich an- sprechen, die in der Bevölkerung berechtigterweise im- mer große Aufmerksamkeit und Resonanz finden und die dezidiertes Interesse liberaler Stadtentwicklungspoli- tik sind: Zur Steuerung der Ansiedlung von Vergnü- gungsstätten wird es zukünftig eine klarstellende Rege- lung geben. Gewerbliche Tierhaltungsanlagen sollen im Außenbereich nur dann privilegiert sein, wenn sie keine Pflicht zur Umweltverträglichkeitsprüfung haben. Damit regeln wir sensible Bereiche der Baugesetzgebung nun endlich zum Wohle der Menschen und unter Berücksich- tigung auch berechtigter wirtschaftlicher Interessen. Ich darf an dieser Stelle ausdrücklich darauf hinwei- sen, dass die Landwirte von diesen Regelungen nicht be- troffen sind, sondern ausschließlich und gewollt die ge- werbliche Tierhaltung. Insofern kann ich die Aufregung mancher Landwirte nicht nachvollziehen. Letztlich bleibt es aber immer die Eigenverantwortung der betrof- fenen Kommune, dass für ihre Region „Beste“ zu ent- scheiden. Mit der Vorlage dieses Gesetzes beweist die Koalition ihre politische Handlungsfähigkeit und setzt einen weite- ren wichtigen Stein auf dem Weg zu einer erfolgreichen und lebensnahen Politik für Bürgerinnen und Bürger, für Deutschland. Alexander Süßmair (DIE LINKE): Wir debattieren heute in erster Lesung den Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Innenentwicklung in den Städten und Ge- meinden und weiteren Fortentwicklung des Städtebau- rechts. Das Hauptanliegen des Gesetzentwurfs ist klar. Die Linke teilt die Forderungen nach Stärkung der Innenstädte und Ortskerne. Natürlich wenden wir uns gegen weitere Flächenversiegelung durch Zersiedelung. Da sind wir uns in diesem Hause wohl alle einig, und es wird allerhöchste Zeit, dass den Sonntagsreden der Bundesregierung auch Taten folgen: Der Flächen- verbrauch muss aus umwelt- und agrarpolitischen Grün- den dringend gestoppt werden. Der vorliegende Gesetzentwurf krankt aber an zwei Punkten: Erster Punkt. Es fehlt das klare Bekenntnis, die 2009 beschlossene UN-Behindertenrechtskonvention auch beim Städtebau umzusetzen. Wir brauchen ein Grund- recht auf Barrierefreiheit. Das nützt nicht nur Menschen mit Behinderungen, sondern allen, die im Alltag behin- dert werden: Kindern, Alten, dem Vater mit dem Kinder- wagen, der Frau mit dem Lastrad. Die Linke hat dazu ei- nen Antrag eingebracht, den wir hier in dritter Lesung debattieren und dann abstimmen werden. Wir unterstüt- zen aber ebenso die Anträge von SPD und Bündnis 90/ Die Grünen zur Barrierefreiheit. Die Oppositionsfraktio- nen sind sich hier, abgesehen von Nuancen, ziemlich einig. Im Gesetzentwurf der Regierung kommt die Bar- rierefreiheit allerdings überhaupt nicht vor. Das kann doch wohl nicht ihr Ernst sein? Hier müssen Sie drin- gend nachbessern! Zweiter Punkt. Ihre Änderung des § 35 Baugesetz- buch geht in die falsche Richtung. In diesem Paragrafen geht es um die Privilegierung landwirtschaftlicher Ge- bäude im Außenbereich. Nun sollen auch gewerbliche Tierhalter davon profitieren, solange die Stallanlagen nicht unter die Umweltverträglichkeitsprüfung fallen. Das klingt kompliziert. Sagen wir es deutlicher: Die Bundesregierung will jetzt sogar die Intensivtierhaltung besser behandeln als bisher. Das geht gar nicht und ist ein Schlag ins Gesicht der Bürgerinnen und Bürger in 25946 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. November 2012 (A) (C) (D)(B) den Regionen, die heute schon von einer extremen Konzentration der Intensivtierhaltung betroffen sind. Die Linke spricht sich generell für die Beibehaltung des Landwirtschaftsprivilegs im Baurecht aus. Die Linke hält es aber für unumgänglich, mehrere „Verträglich- keitskriterien“ für derartige Anlagen zu formulieren und gesetzlich zu regeln. Die Umweltverträglichkeitsprüfung allein reicht aber als Kriterium nicht aus. Viehdichte und Bodenverhältnisse einer Region müssen ebenso eine Rolle spielen wie Bevölkerungsdichte und die soziale Struktur. Auf der Ebene der Bundesländer sollten Eignungska- taster potenzieller Tierhaltungsstandorte entwickelt wer- den. Diese könnten im Rahmen der Raumordnung in den Regional- oder Landesplanungen berücksichtigt werden. Ein wesentlicher Vorteil läge darin, dass sich sowohl die Akteure als auch die Bevölkerung der Region frühzeitig auf mögliche Investitionsvorhaben einstellen und sie mit beeinflussen können. Unterschiedliche Standortbedin- gungen fänden damit zudem Berücksichtigung. Der klassische Naturkreislauf Boden–Pflanze–Tier– Boden muss auch in Hinblick auf die Neuansiedlung von Tierhaltungsanlagen Beachtung finden. Er ist Ausdruck regionaler Stoffkreisläufe, die im Gegensatz zum globa- len Umschlag von Stoffen und Energie zum Schutz der Umwelt und des Klimas beitragen können. Somit kann auch dem Anspruch, Transportaufwendungen so weit wie möglich zu minimieren, Rechnung getragen werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, ge- statten Sie mir diese Bemerkung: Es geht um regionale Stoffkreisläufe, nicht zwingend um innerbetriebliche. Abgesehen davon können betriebliche Flächen weit ver- teilt sein. Ihre Forderung, dass 50 Prozent des Futters aus dem eigenen Betrieb stammt, hört sich vielleicht gut an, ist aber derzeit realitätsfern und greift zu kurz. Futter muss aus der Region kommen, Gülle muss in ihr verblei- ben. Die Größe der Region ist von geografischen und kulturellen Faktoren abhängig und daher verschieden. Darum geht es aber nicht vorrangig. Es geht vielmehr darum, dass wir mittelfristig in der Lage sein müssen, unsere Futtermittel selbst anzubauen. Wir müssen Schluss machen mit dem Import von Soja, das in ande- ren Teilen der Welt unter katastrophalen sozialen und ökologischen Bedingungen produziert wird! Sie sehen, das Landwirtschaftsprivileg in § 35 Bauge- setzbuch ist ein komplexes Thema. Das Baugesetz allein kann die Frage nicht lösen, wie wir von der Intensivtier- haltung zu einer tiergerechten nachhaltigen Nutztierhal- tung kommen können. Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es ist ärgerlich, dass dieses wichtige Thema zu so später Stunde aufgesetzt werden sollte, bewusst in Kauf neh- mend, dass dann keine politische Debatte mehr stattfin- det, sondern alle Reden zu Protokoll gegeben werden. Dabei hat die Regierung die Novellierung des Bauge- setzbuches bewusst verschleppt und verzögert. Seit ei- nem Jahr warten wir auf Ihren Gesetzesvorschlag. Nun legen Sie ihn vor. Und was macht die Koalition? Sie ver- bannt die Debatte in die Nachtzeit, damit keiner etwas merkt. Dabei sind die Probleme der Menschen in unseren Städten und Gemeinden drängend. Kein Tag vergeht, ohne dass die Medien über steigende Mieten, viel zu hohe Nebenkosten, Verdrängung von Mietern aus ihren Vierteln, über Flächenfraß und über die unzumutbaren Zustände in den Immobilienbeständen der Hedge-Fonds, der sogenannten Heuschrecken, berichten. Aber anstatt zu handeln, legen Sie ein Gesetz vor, das nur ein baupo- litisches Trostpflaster für die Kommunen ist. Es ist schon bemerkenswert, wie viele Regelungen man in einem Gesetz unterbringen kann, ohne wirklich etwas zu bewegen. Sie gehen wirklich jedes aktuelle Thema an und schaffen dabei keine neuen Handlungs- spielräume für die Gemeinden. Einzig positiv sind die Änderungen bei den Spielhallen, die zwei Jahre nach un- serem Antrag zu dem Thema endlich angepackt werden. Aber nun zu der ganzen Reihe von Themen, die nur scheinbar anpackt werden. Herr Minister Ramsauer, unser Ankündigungsminis- ter, hat groß von Maßnahmen gegen die Intensivtierhal- tung gesprochen. Doch die Änderungen werden nichts an der aktuellen Praxis bewirken. Ein Betrieb mit 84 999 Hühnern fällt offensichtlich in Ramsauers Bild einer bäuerlichen Landwirtschaft. Auch für die energetische Sanierung von Quartieren gibt es ein Placebo. § 136 des Baugesetzbuchs wird ge- ändert, aber nicht in der von Fachleuten geforderten Fas- sung, sondern in einer abgeschwächten Variante, die in der Praxis ohne Auswirkung bleiben wird. Dabei wäre es so wichtig, Quartierssanierungen voranzubringen und dem neuen KfW-Programm zur Stadtsanierung einen si- cheren Rahmen zu geben. Ein weiteres Thema, in dem Sie Tätigkeit vortäu- schen, sind die Schrottimmobilien. Ihre redaktionelle Änderung in § 179 erweitert die Handlungsspielräume der Gemeinden nur unwesentlich. Solange die Gemein- den allein auf den Kosten sitzenbleiben, kann der Kampf gegen Schrottimmobilien nicht gelingen. Mit unserem Antrag schlagen wir ein Konzept vor, dass auch die Ver- ursacher in die Pflicht nimmt, ohne ihnen unzumutbare Lasten aufzubürden. Wenn Sie schon unserem Antrag dazu nicht folgen wollen, dann greifen Sie doch wenigs- tens die Initiative der Länder im Bundesrat auf. Die großen Worte zum U3-Kindergartenausbau sind ohne Substanz. Für Kindertagesstätten in reinen Wohn- gebieten wollen Sie die Hürden im Baurecht nicht ganz aufheben. Damit steht ihr Handeln wieder einmal im Ge- gensatz zur ihren Reden. Hier können Sie ganz konkret mit einem Bundesgesetz etwas für den Kitaausbau tun; doch Sie verweigern sich. Besonders ärgerlich ist Ihr Verständnis von Innenent- wicklung. In der Novelle zur Innenentwicklung eine Re- gelung unterzubringen, bei der der Abriss von Scheunen zugunsten von Ferienwohnungen begünstigt wird, ist einmalig. Das ist Klientelpolitik und führt zu weiterer Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. November 2012 25947 (A) (C) (D)(B) Zersiedlung. Das ist das Gegenteil von Innenentwick- lung. Stadtentwicklungspolitik wird auf der Ebene der Ge- meinden gemacht. Wir im Bundestag haben die Auf- gabe, den Werkzeugkasten zu geben. Wir stellen den Ge- meinden die Instrumente zur Verfügung, die Sie im Rahmen der Planungshoheit nutzen können. Für die an- stehenden Herausforderungen, wie den demografischen Wandel und den Klimawandel, stehen wir den Gemein- den gegenüber in der Verantwortung. Folgen Sie einfach unserem Antrag, den Stellungnahmen der Verbände oder dem Beschluss des Bundesrates. Liebe Koalitionsfrak- tionen, lassen Sie sich nicht mit der „Placebonovelle“ aus dem Hause Ramsauer abspeisen. Nutzen Sie das par- lamentarische Verfahren, um die zahlreichen guten Ideen aufzugreifen. Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes (Ta- gesordnungspunkt 29) Ansgar Heveling (CDU/CSU): Einen wesentlichen Markstein auf dem Weg zur Freiheit der Wissenschaft markierte im 16. und 17. Jahrhundert der Disput über die Frage, ob sich die Sonne um die Erde oder die Erde um die Sonne drehe. Den machtvollen religiös motivierten Gegnern der Gedanken von Kopernikus und Galilei diente vor allem eine Stelle aus dem Alten Testament als schlagender Beweis. In Josua 10,12–14 heißt es: „Sonne, stehe still zu Gibeon.“ Und: „Die Sonne blieb stehen mitten am Himmel und beeilte sich nicht unterzugehen.“ Heute wissen wir es – dank des Freiheitsdrangs der Wissenschaften – eigentlich besser, wie es sich mit dem Lauf der Himmelskörper verhält. Der Gesetzgeber in- dessen meint bisweilen – so auch heute –, Sonnenauf- und -untergang immer noch beeinflussen zu können. Denn eigentlich war § 52 a des Urheberrechtsgesetzes 2003 – als erste Urheberrechtsvorschrift in Deutschland überhaupt – mit einer sogenannten sunset provision, ei- ner Sonnenuntergangsregelung, sprich Befristung, verse- hen worden. Ursprünglich sollte die Schrankenregelung Ende 2006 auslaufen. Heute schickt sich der Gesetzge- ber nun an, den Sonnenuntergang bereits zum dritten Mal zu verschieben. Diesmal bis zum 31. Dezember 2014. Zugegebenermaßen: Klarheit und eitel Sonnenschein werden damit nicht wirklich geschaffen. Vielmehr wird gezwungenermaßen ein Schwebezustand perpetuiert. Angesichts der Zeitabläufe eine Notwendigkeit – mir fällt dazu eine Vokabel aus dem Lateinunterricht ein, die mir aus endlosen Cäsar-Übersetzungsstunden ins Ge- dächtnis eingebrannt ist: necessitate coactus, durch die Notwendigkeit gezwungen. So steht der Gesetzgeber, sprich: das Parlament, nämlich zurzeit da. Wir, die christlich-liberale Koalition, haben uns als Fraktionen aus der Mitte des Parlaments daher entschie- den, § 52 a des Urheberrechtsgesetzes ein weiteres Mal für zwei Jahre zu verlängern. Damit verbinden wir das Ziel, diese Zeit zu nutzen, eine einheitliche Wissen- schaftsschranke zu formulieren. Das setzt zum einen voraus, dass in dieser Zeit end- lich auch valide Daten zur Inanspruchnahme von § 52 a Urheberrechtsgesetz vorgelegt werden. Der dritte Eva- luierungsbericht des Bundesjustizministeriums hat keine weiteren Erkenntnisse gegenüber dem zweiten und dem ersten Bericht gebracht. Das ist misslich, zumal es offen- sichtlich die mangelnde Bereitschaft der im Obligo ste- henden Beteiligten ist, die notwendigen Daten zu erhe- ben und bereitzustellen. Zum anderen – und auch damit verknüpft – ist die Be- reitschaft zur Zahlung einer angemessenen Vergütung als Conditio sine qua non. Während es im Schulbereich hier außer kleineren Problemen bei den Gesamtverträgen keine wirklichen Schwierigkeiten gibt, ist im Wissen- schaftsbereich dieser Punkt von maßgeblicher Bedeutung und hoch streitbehaftet. Hier werden wir als Gesetzgeber in den nächsten Jahren ganz genau hinzuschauen haben. Es wird für die künftige Gestaltung einer einheitlichen Wissenschaftsschranke von entscheidender Bedeutung sein, wie die angemessene Vergütung gehandhabt wird. Wir rechnen zudem ja damit, dass die Rechtsprechung in den nächsten zwei Jahren entsprechende Hinweise geben wird. Die weitere Entwicklung bei diesen Faktoren wird maßgeblichen Einfluss auf die weiteren Überlegungen zur Schaffung einer einheitlichen Wissenschaftsschranke haben. Dessen sollten sich insbesondere die Wissen- schaftsorganisationen ganz dringend bewusst sein. Denn auch die zukünftige Regelung einer einheit- lichen Wissenschaftsschranke wird nicht losgelöst und nach Tagesform der Politik erfolgen. Sie muss sich in die bestehende Systematik des Urheberrechts einfügen. Und deren Ausgangspunkt ist Art. 14 unseres Grundgesetzes, der das Eigentum garantiert. Schranken dieses Eigen- tumsrechts, also Freiheiten des Nutzers, lassen sich da nur als allgemeinwohlorientierte Ausnahmen begründen. Das ist aber der Maßstab, an dem sich das Handeln de- rer, die eine Schranke in Anspruch nehmen wollen, mes- sen lassen muss. Haushalterische Zwänge und das Ziel der Kosteneinsparung sind jedenfalls keine legitimen Allgemeinwohlbelange, die eine Schrankenregelung zu rechtfertigen vermögen. Natürlich darf nicht verschwiegen werden, dass es auf der Seite der Rechteinhaber auch Akteure gibt, die den Schutz des Eigentums dazu benutzen, illusorische Preis- vorstellungen realisieren zu wollen. Das ist bedauerlich, denn es schadet dem berechtigten Anliegen der ungleich größeren Zahl an Verlagen und Verlegern, die bei ihrer Preisgestaltung wie selbstverständlich dem Prinzip des ehrbaren Kaufmanns verpflichtet sind. Gerade für die hiesige deutsche mittelständisch geprägte Verlagsland- schaft gilt dies in besonderem Maße. 25948 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. November 2012 (A) (C) (D)(B) Den Lauf der Zeit kann und will auch der Gesetzge- ber nicht aufhalten. Es ist unsere Aufgabe, die Zeiten zu gestalten. Das bloße Hinausschieben einer Befristung ist dabei eigentlich noch kein Mittel, das von Gestaltungs- kraft zeugt. Daher verbinden wir damit den Auftrag an uns selbst und an die Bundesregierung, die gewonnene Zeit zu nutzen, die widerstreitenden Interessen in einer eindeutigen Schrankenregelung zum Ausgleich zu brin- gen. Ein bloßes Auslaufen der gesetzlichen Regelung hätte dem ebenso wenig gedient wie eine dauerhafte Ent- fristung. Thomas Silberhorn (CDU/CSU): Bildung, Wissen- schaft und Forschung sind der Schlüssel, um unserem Land auch in Zukunft im internationalen Wettbewerb ei- nen Spitzenplatz zu sichern. Deshalb haben wir uns die „Bildungsrepublik“ Deutschland zum Ziel gesetzt. Da- mit Forschung und Lehre Spitzenleistungen erzielen können, brauchen sie uneingeschränkten Zugang zu vor- handenem Wissen. Auch die Qualität des Unterrichts an Schulen und Hochschulen hängt maßgeblich von den zur Lehre und Ausbildung verwendeten Materialien ab. Um den Zugang von Forschung und Lehre zu beste- hendem Wissen zu erleichtern, haben wir im Rahmen des sogenannten ersten Korbs der Novellierung des Ur- heberrechts im Jahr 2003 den § 52 a ins Urheberrechts- gesetz eingeführt. Dieser § 52 a Urheberrechtsgesetz ge- währleistet, dass urheberrechtlich geschützte Werke für einen bestimmten, abgegrenzten Personenkreis in Schule, Hochschule und Forschung öffentlich zugäng- lich gemacht werden dürfen. Damit ist etwa das Kopie- ren von geschützten Werken geringen Umfangs oder von Werkteilen sowie das Einscannen und Einstellen ins Int- ranet der jeweiligen Einrichtung zu Unterrichts- oder Forschungszwecken möglich. Die Urheber erhalten da- für nach § 52 a Abs. 4 Urheberrechtsgesetz eine ange- messene Vergütung. Die Norm wurde seit ihrer Einführung mehrfach be- fristet und würde nun zum 31. Dezember 2012 auslau- fen. Daran kann aber aus den vorgenannten Gründen niemand ein ernsthaftes Interesse haben. Festzuhalten ist allerdings auch, dass in den vergangenen neun Jahren ei- nige Defizite des § 52 a Urheberrechtsgesetz zutage ge- treten sind. Sowohl die Praxistauglichkeit als auch die vertragliche Umsetzung in Kooperation mit einer Ver- wertungsgesellschaft werfen Fragen auf. Mit einer simp- len Entfristung der Regelung wäre es daher nicht getan. Unbestimmte Rechtsbegriffe wie die öffentliche Zu- gänglichmachung von veröffentlichten „kleinen Teilen“ eines Werkes oder von Werken „geringen Umfangs“ füh- ren zu Rechtsunsicherheit aufseiten der Nutzer wie auf- seiten der Rechteinhaber bzw. der Verlage. Zwar soll der kopierte Teil eines Werkes jedenfalls dann als klein an- zusehen sein, wenn dieser im Vergleich zum Gesamt- werk so unbedeutend ist, dass er das Werk nicht ersetzen kann, aber allgemeingültige, konkret quantifizierbare Vorgaben existieren nicht. Auch der Versuch von Recht- sprechung und Lehre, diese unbestimmten Rechtsbe- griffe durch eine prozentuale Angabe für einen Werkteil zu konkretisieren, hat bislang keinen einheitlichen Be- wertungsmaßstab hervorgebracht. So schwankt die Defi- nition eines „kleinen Teils“ derzeit zwischen etwa 10 und 20 Prozent des Gesamtwerks. Darüber hinaus hat die Gestattung der Veröffentli- chung „zur Veranschaulichung im Unterricht“ zu einer unterschiedlichen Auslegung geführt. So wird geltend gemacht, dass damit die Zugänglichmachung nur inner- halb der zeitlichen und räumlichen Grenzen des Unter- richts erlaubt sei. Das Oberlandesgericht Stuttgart stellte hierzu hingegen klar, dass der Vorschrift vielmehr das Verständnis zugrunde liege, dass auch die Vor- und Nachbereitung von Hausarbeiten mit erfasst sein solle. Um die Zahlung einer angemessenen Vergütung zu si- chern, schließen die Länder Verträge mit den Verwer- tungsgesellschaften. Bei den Verhandlungen für den Hochschulbereich konnte bisher allerdings keine Eini- gung mit der Verwertungsgesellschaft Wort erzielt wer- den, die einen wesentlichen Anteil bei den Nutzungen nach § 52 a Urheberrechtsgesetz im Hochschulbereich hat. Die VG Wort hat daher, nachdem sie im Jahr 2005 aus den Vertragsverhandlungen ausgestiegen war, 2009 Klage beim Oberlandesgericht München gegen die Län- der erhoben. Dieser Rechtsstreit ist bis heute anhängig. Derzeit läuft auf Betreiben der Länder und der VG Wort ein Revisionsverfahren beim Bundesgerichtshof. Dass wir ein bildungs- und wissenschaftsfreundliches Urheberrecht benötigen, steht außer Zweifel. Als CDU/ CSU-Bundestagsfraktion haben wir uns dazu in unserem Positionspapier zum Urheberrecht in der digitalen Ge- sellschaft deutlich bekannt. Ziel unserer Bemühungen muss es sein, die in den §§ 52 a ff. Urheberrechtsgesetz etablierten Schranken des Urheberrechts zugunsten von Schule, Studium, Wissenschaft und Forschung zu einer einheitlichen, praktikablen und rechtssicheren Bil- dungs- und Wissenschaftsklausel weiterzuentwickeln. Sicherlich ist die wiederholte Befristung des § 52 a Urheberrechtsgesetz nicht der Weisheit letzter Schluss. Es besteht jedoch kein Anlass zur Eile. Eine dauerhafte Entfristung, ohne die angesprochenen Defizite anzuge- hen, wäre die deutlich schlechtere Lösung. Die letztma- lige Befristung um zwei weitere Jahre gibt Unterricht und Forschung die nötige Sicherheit, über den 31. De- zember 2012 hinaus ihre Informationsquellen gemäß § 52 a Urheberrechtsgesetz weiter nutzen zu können. Zugleich ermöglicht uns diese Befristung, die BGH-Ent- scheidung im Rechtsstreit mit der VG Wort abzuwarten und die daraus zu ziehenden Erkenntnisse in eine auf Dauer angelegte gesetzliche Regelung einfließen zu las- sen. Im Rahmen dieser Überlegungen sollten wir uns dann auch stärker den Fragen der OpenAccess-Veröffentli- chungen sowie der Verankerung eines verbindlichen Zweitveröffentlichungsrechts bei wissenschaftlichen Beiträgen und öffentlich geförderten Forschungsprojek- ten widmen. Für den Erhalt und die Weiterentwicklung des Bildungs- und Wissenschaftsstandorts Deutschland bleibt ein modernes, praxistaugliches Urheberrecht un- verzichtbar. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. November 2012 25949 (A) (C) (D)(B) Marianne Schieder (Schwandorf) (SPD): Was in aller Welt muss noch passieren, damit die Bundesregie- rung endlich vernünftig handelt und ihren ureigenen Aufgaben nachkommt? Selbst bei einem so eindeutigen Thema wie der Verlängerung des § 52 a des Urheber- rechtsgesetzes schafft sie es nicht, mit Vernunft und Au- genmaß zu handeln. Statt den Paragrafen unbefristet weiter gelten zu lassen, soll eine erneute Befristung be- schlossen werden. Selbst der Bundesrat hat sich in seiner Sitzung am 12. Oktober 2012 für eine Entfristung des § 52 a des Urheberrechts ausgesprochen; siehe Bundesratsdruck- sache 514/12 (Beschluss), Seite 4. Der Beschluss im Kul- turausschuss des Bundesrates am 24. September 2012 fiel im Übrigen einstimmig, also 16 : 0 aus. Die große Mehrheit der Akteure in Forschung und Lehre ist eben- falls für eine Entfristung. Nur die Bundesregierung und ihre Koalition haben das noch nicht erkannt. Was will man dazu noch sagen?! Vor rund neun Jahren, am 10. September 2003, wurde der § 52 a ins Urheberrechtsgesetz eingeführt. Zunächst befristet bis zum 31. Dezember 2006. Danach folgten Befristungen bis Ende 2008 und schließlich bis zum 31. Dezember 2012, die aktuell noch gelten. In der Zwi- schenzeit gab es auch schon drei Evaluierungen. Jetzt verweigert die Bundesregierung eine dauerhafte Regelung mit dem Verweis auf noch ausstehende Ge- richtsurteile. So sieht doch kein verantwortungsvolles gesetzgeberisches Handeln aus! Der Vorschlag der Bun- desregierung provoziert nichts weiter als beschränkte Rechtssicherheit und Beschäftigungsmaßnahmen für die öffentliche Verwaltung, Ministerien und den nächsten Bundestag. Von den zusätzlichen Kosten durch dieses Wiedervorlageprinzip will ich gar nicht reden. Erschwerend kommt hinzu, dass die Bundesregierung ihren Gesetzentwurf kurz vor Schluss auf den Weg bringt. Erhält er heute nicht die notwendige Mehrheit, droht uns ab 1. Januar 2013 ein Fiasko für den gesamten Bildungsbetrieb in Deutschland. Kein Lehrer bzw. keine Lehrerin wäre mehr in der Lage, Auszüge einzelner Werke als Kopie an Schülerin- nen und Schüler zu verteilen. Semesterapparate, wie sie an deutschen Hochschulen derzeit üblich sind, würde es von einem auf den anderen Tag nicht mehr geben. Alter- nativen wären entweder illegale Kopien oder zusätzliche Kosten für Schülerinnen und Schüler bzw. Studierende, weil sie sich die erforderlichen Auszüge im Original kaufen müssen. Um diese untragbare Situation zu verhindern und den Lehrenden an Schulen und Hochschulen zumindest für die nächsten beiden Jahre Rechtssicherheit zu gewähren, werden wir von der SPD dem vorliegenden Gesetzent- wurf der Koalition zustimmen. Ich halte aber ausdrück- lich fest, dass die Zustimmung nur geschieht, um den Wegfall des § 52 a und die damit verbundenen Probleme um jeden Preis zu verhindern. In keinem Fall heißen wir damit die Untätigkeit bzw. Unentschlossenheit der Bun- desregierung gut. Daher möchte ich es nicht unterlassen, gerade bei den Kolleginnen und Kollegen von CDU/ CSU und FDP nochmals für unseren Entwurf eines Ge- setzes zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes werben. Sorgen sie mit dafür, dass dieser Entwurf eine Mehrheit im Deutschen Bundestag bekommt. Damit hätten wir dauerhafte Rechtssicherheit und würden für die Zukunft unnötige Arbeit und zusätzliche Kosten ersparen. Mit der Streichung des § 137 des Urheberrechtsgeset- zes würde der § 52 a des Urheberrechtsgesetzes dauer- haft entfristet. Der Wortlaut des § 52 a wird beibehalten. Mit wenigen Worten könnten wir eine vernünftige und vor allem dauerhafte Lösung auf den Weg bringen. Abschließend möchte ich es aber nicht versäumen, Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der schwarz-gelben Koalition, auf eine ihrer Vereinbarungen im Koalitions- vertrag aus dem Jahr 2009 hinzuweisen: „Das Urheber- recht hat in der modernden Medien- und Informations- gesellschaft eine Schlüsselfunktion. Wir werden das Urheberrecht deshalb entschlossen weiterentwickeln ...“, heißt es dort auf Seite 103. Dass Sie unter entschlossener Weiterentwicklung lediglich eine erneute Befristung mit der Aussicht auf weitere Evaluationen verstehen, zeigt auf alarmierende Weise, wie schlecht dieses Land derzeit regiert wird. Drei Jahre hatten Sie Zeit, eine umfassende Urheber- rechtsreform auf den Weg zu bringen. Das Ergebnis hin- gegen ist nicht einmal mangelhaft. Es gibt schlichtweg keines. Das Schlimme ist, dass dies nicht nur beim Urhe- berrecht zu diagnostizieren ist. Es ist auch in vielen an- deren Bereichen der Fall. Somit können wir in der ver- bleibenden Legislaturperiode nur noch darauf achten, dass keine weiteren Missstände und Schieflagen entste- hen. Unter diesem Aspekt bekommen Sie diesmal für ein Gesetzesvorhaben meine Stimme. Ansonsten werde ich mich mit aller Kraft darum bemühen, dass dieses Land im Herbst nächsten Jahres eine bessere Regierung be- kommt. René Röspel (SPD): Als wir vor genau drei Wochen anlässlich der ersten Lesung zum vorliegenden Gesetz- entwurf der Koalitionsfraktionen die ersten Reden zu diesem Thema zu Protokoll gegeben haben, habe ich in einem kurzen Exkurs auf die besondere Funktion der in § 52 a Urheberrecht garantierten Wissenschaftsschranke hingewiesen. Daher soll in der nun folgenden Ausfüh- rung nicht noch einmal darauf eingegangen werden, wel- che bedeutende Rolle eine Wissenschaftsschranke für Bildung, Wissenschaft und Forschung in Deutschland einnimmt. Vielmehr möchte ich zunächst einige Äußerungen von Kollegen der Koalitionsfraktionen aufgreifen, an- hand derer ich die Defizite in der Argumentation deut- lich machen möchte. Zunächst möchte ich auf die in der Rede des Kollegen Heveling geäußerte These eingehen, nach der mittels ei- ner weiteren Befristung des § 52 a Urheberrechtsgesetz die Voraussetzung dafür geschaffen sei, dass es eine dau- erhafte und einheitliche Wissenschaftsschranke im deut- schen Urheberrecht geben könne. Dies scheint mir doch eine etwas abwegige Argumentation zu sein – nicht nur 25950 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. November 2012 (A) (C) (D)(B) vor dem Hintergrund, dass die Koalitionsfraktionen sich im vorliegenden Fall explizit gegen eine Entfristung zu- gunsten einer weiteren Befristung aussprechen. Dieses Vorgehen mit einem laufenden Gerichtsverfahren zu be- gründen, scheint umso bizarrer: Denn Recht wird nach geltender Rechtslage gesprochen. Das Verfahren wäre mit einer Entfristung des § 52 a Urheberrechtsgesetz ab dem 1. Januar 2013 nicht gefährdet. Ich möchte – wie in meiner ersten Rede bereits erwähnt – darauf hinweisen, dass diese Koalition und Bundesregierung von den Wäh- lerinnen und Wählern einen Gesetzgebungsauftrag er- halten hat. Den gilt es anzunehmen und die hiermit ver- bundene Arbeit nicht auf den Bundesgerichtshof abzuwälzen! Weiterhin möchte ich noch auf die Äußerung des Kol- legen Heveling hinsichtlich der Evaluierung des Bundes- ministeriums der Justiz eingehen. Hier wird der Ein- druck erweckt, dass das Ministerium im Rahmen seiner Evaluationen – es waren insgesamt drei an der Zahl – sich stets gegen eine Entfristung ausgesprochen habe. Dem ist entschieden zu widersprechen! An dieser Stelle sei explizit die zweite Evaluierung des Justizministeri- ums vom 30. April 2008 zitiert: „Die Evaluierung hat keine Ergebnisse erbracht, welche die Entscheidung des Gesetzgebers bei Einführung der Norm als korrekturbe- dürftig erscheinen lassen. Folglich sollte die Befristung in § 137 k UrhG entfallen.“ Die Darstellung der Koalitionsfraktionen, dass eine Befristung derzeit alternativlos sei, ist schlichtweg falsch. Vielmehr möchte ich an dieser Stelle erneut für eine Entfristung des § 52 a Urheberrechtsgesetz – wie in unserem Gesetzentwurf gefordert – werben. Wie in der bisherigen Debatte deutlich wurde, scheint sich zumindest zwischen den Wissenschaftspolitikern fraktionsübergreifend die Erkenntnis verfestigt zu haben, dass es im Sinne von Bildung, Wissenschaft und For- schung in Deutschland ist, eine umfassende Wissen- schaftsschranke im Urheberrechtsgesetz zu verankern. Die Erarbeitung einer solchen umfassenden Wissen- schaftsschranke ist in der Tat keine triviale Aufgabe. Ihre Bearbeitung hat sorgfältig, gründlich und nicht un- ter Zeitdruck zu erfolgen. Vor diesem Hintergrund wäre es wichtig, wenigstens die bestehende, spezifische Wis- senschaftsschranke in § 52 a Urheberrechtsgesetz zu ent- fristen. Damit wäre zum einen den Betroffenen in den Bildungs- und Wissenschaftseinrichtungen die in dieser Frage dringend notwendige Rechtssicherheit geboten; zum anderen ließe sich auf diese Weise ohne unnötigen Zeitdruck eine Norm ins Urheberrecht inkorporieren, die den Belangen von Bildung und Wissenschaft in all ihren Facetten gerecht wird. Doch anstatt diese komfortable Lösung zu präferieren, die im Übrigen mit dem anhängi- gen Gerichtsverfahren beim BGH in keiner Weise in Konflikt stünde, entscheiden sich die Koalitionsfraktio- nen für die unsauberste aller Lösungen: eine erneute Be- fristung um zwei Jahre. Auf diese Weise wird nicht nur den Betroffenen eine dauerhafte Rechtssicherheit ver- wehrt, sondern auch unnötiger Zeitdruck aufgebaut, der dem weiteren Verfahren sicherlich nicht dienlich ist. Als wäre diese Taktik allein nicht schon genug der Zumutung für die Betroffenen in Bildung und Wissen- schaft, bleiben die Regierungskoalitionen nicht nur in ih- rer Handlungsunfähigkeit, sondern auch in ihrer Visions- losigkeit verhaftet. Zwar plädieren die Kollegen der Koalitionsfraktionen dafür, eine umfassende Wissen- schaftsschranke im Urheberrecht zu verankern. Allein die Frage, wie eine solche Schranke gesetzgeberisch auszugestalten ist, lassen sie unbeantwortet. Ironischer- weise wird etwa im Diskussionspapier der Unions- fraktion zum „Urheberrecht in der digitalen Gesell- schaft“ lediglich darauf verwiesen, dass die in § 52 a Urheberrechtsgesetz kodifizierte Wissenschaftsschranke ausgiebig zu evaluieren und zu überarbeiten sei. Der Vorschlag der Union besteht demnach darin, das durch das BMJ bereits dreimal durchgeführte Verfahren ein weiteres Mal zu wiederholen. Ein wirklicher Gestal- tungsanspruch wird hingegen nicht erkennbar. Man be- kommt den Eindruck, dass die schwach-gelbe Koalition solche Entscheidungen lieber der im Herbst 2013 ge- wählten neuen Bundesregierung übertragen möchte. Abschließend möchte ich noch darauf eingehen, wa- rum die SPD-Bundestagsfraktion im vorliegenden Fall dem Gesetzentwurf zustimmen wird, obwohl wir mit un- serem Gesetzentwurf eine bessere Lösung vorschlagen. Aufgrund der fahrlässigen Verzögerung der Koalitions- fraktionen ist nun eine Situation eingetreten, die erhebli- chen Handlungsdruck und eine für die Betroffenen fast unerträgliche Situation herbeigeführt hat: Denn der Um- stand, dass der § 52 a Urheberrechtsgesetz zum Ende des Jahres ausläuft, gepaart mit der Untätigkeit der Regie- rungsfraktionen in dieser Frage, hat dazu geführt, dass den Betroffenen in den Bildungs- und Wissenschaftsein- richtungen massive Rechtsunsicherheit droht. Diese gilt es aber unter allen Umständen abzuwenden. Nur deshalb unterstützen wir das kleinere Übel einer weiteren Befris- tung. Eine Solidarität, die diese Regierung eigentlich nicht verdient hat, wohl aber die Betroffenen in Bildung und Wissenschaft. Stephan Thomae (FDP): Das Urheberrecht und die Frage nach seiner Reformbedürftigkeit sind Themen, die uns in den vergangenen Monaten und Jahren am meisten beschäftigt haben und auch in Zukunft immer weiter beschäftigen werden. Viele Stimmen, die das geltende Urheberrecht für veraltet halten, argumentieren damit, dass neu entstehende Kreativität immer darauf angewie- sen ist, an Informationen zu gelangen. Es sei ein über- kommener Ansatz, denjenigen, der eine Idee zuerst ent- wickelt hat, stärker zu schützen als Dritte, die die Idee aufgreifen und weiterentwickeln wollen. Unabhängig davon, wie man zu dieser Frage steht, ist für die FDP- Bundestagsfraktion eins klar: Urheber sollen auch in Zukunft die Möglichkeit haben, für ihre Werke und In- halte eine angemessene Vergütung zu erhalten. Die FDP bekennt sich zu einem starken und modernen Urheber- recht. Es ist gleichzeitig völlig richtig, dass Kreativität auf Inspiration und Input von außen angewiesen ist. Wer nicht mit fremden Ansichten und Inhalten in Kontakt kommt, wird nur schwer die Anregungen und das Wis- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. November 2012 25951 (A) (C) (D)(B) sen erhalten, die als Grundlage für eigene Gedanken und Ideen unerlässlich sind. Daher bekennt sich die FDP auch dazu, dass das Urheberrecht nicht ohne Schranken auskommen kann. Es ist Aufgabe der Politik, beide Belange, den Schutz geistigen Eigentums und den Zugang zu Inhalten und Informationen, so auszugestalten, dass die Interessen der Beteiligten zu einem angemessenen Ausgleich gebracht werden. Zu diesem Zweck hat der deutsche Gesetzgeber durch das erste Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft vom 10. September 2003 den § 52 a in das deutsche Urheberrecht eingefügt. Nach dieser Vorschrift ist es zulässig, kleine Teile eines Wer- kes, Werke geringen Umfangs und einzelne Beiträge aus Zeitschriften oder Zeitungen zur Veranschaulichung im Unterricht an Schulen, Hochschulen und weiteren Einrichtungen einem bestimmt abgegrenzten Kreis von Personen öffentlich zugänglich zu machen. Faktisch sol- len die Schulen und Hochschulen also die genannten Werke und Werkteile ihren Schülern und Studenten im Intranet der jeweiligen Einrichtung zugänglich machen dürfen. Voraussetzungen hierfür sind, dass dies zu Unterrichts- oder Forschungszwecken geschieht, die Maßnahmen zu dem jeweiligen Zweck geboten und zur Verfolgung nicht kommerzieller Zwecke gerechtfertigt sind. Der Einführung von § 52 a Urheberrechtsgesetz ging eine große Debatte voraus. Die Verlage befürchteten, un- term Strich für die Bildung von Schülern und Studenten aufkommen zu müssen. Dies hatte zur Folge, dass § 137 k Urheberrechtsgesetz eingeführt wurde, der die Wirkung des § 52 a Urheberrechtsgesetz zunächst bis zum 31. Dezember 2006 befristete. Bis zum Ablauf die- ses Datums sollten die Auswirkungen der Norm auf die Praxis anhand einer Evaluierung ermittelt werden. Da eine abschließende Beurteilung bislang nicht möglich war, wurde die Befristung bislang zweimal verlängert. Stand heute würde die Regelung des § 52 a Urheber- rechtsgesetz am 31. Dezember 2012 auslaufen, wenn der Deutsche Bundestag vorher nicht anders entscheidet. Im Großen und Ganzen hat sich § 52 a Urheberrechts- gesetz bewährt. Für den Bereich der Schulen haben die Bundesländer mit allen Verwertungsgesellschaften Gesamtverträge geschlossen, in denen die Nutzungs- bedingungen für die genannten Werke geregelt sind. Ähnliches gilt für die Nutzung an Hochschulen. Auch hier wurden mit nur einer Ausnahme zwischen den Län- dern und den Verwertungsgesellschaften Gesamtverträge geschlossen. Einzige Ausnahme ist die VG Wort, die zurzeit noch mit der Kultusministerkonferenz über die Höhe und die Berechnungsweise der angemessenen Vergütung verhandelt. Hierzu ist ein Verfahren vor dem Bundesgerichtshof anhängig. In diesem wird zusätzlich über die Reichweite der sogenannten Wissenschafts- schranke entschieden werden. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie die Zukunft von § 52 a Urheberrechtsgesetz aussehen soll. Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes wird erst für 2013, also nicht vor dem bislang vorgesehenen Aus- laufen von § 52 a Urheberrechtsgesetz, erwartet. Eine Entfristung der Norm bereits zum jetzigen Zeitpunkt, wie es die SPD fordert, wäre daher verfrüht. Das Urteil des Bundesgerichtshofes sollte vielmehr abgewartet und anhand dessen geprüft werden, ob der rechtliche Rahmen bereits jetzt ausreicht, um die Interessen von Urhebern und Bildungsanstalten in Einklang zu bringen, oder ob hier gesetzgeberisch nachgebessert werden muss. Daher lehnt die FDP-Bundestagsfraktion den Antrag der SPD ab. Die Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und FDP schlagen stattdessen eine nochmalige Verlängerung der Befristung von § 52 a Urheberrechtsgesetz bis zum 31. Dezember 2014 vor. Parallel dazu fordern wir die Bundesregierung auf, bis spätestens sechs Monate vor Ablauf der erneuten Befristung einen Gesetzentwurf zu erarbeiten, mit dem die Norm in eine dauerhafte Urhe- berrechtsschranke überführt werden kann. Dabei soll der Wissenschaft der digitale Zugang zu wissenschaftlichen Publikationen durch eine Wissenschaftsschranke für den Fall gesichert werden, dass die Verlage keine Onlinean- gebote zu angemessenen Bedingungen bereitstellen. Diese Lösung wird den berechtigten Interessen aller Beteiligten gerecht. Wir sind damit auf einem guten Weg, in absehbarer Zeit einen endgültigen Schlussstrich unter die Frage der Zukunft von § 52 a Urheberrechts- gesetz zu ziehen und Rechtssicherheit für alle Parteien zu schaffen. Dr. Petra Sitte (DIE LINKE): Liebe Freunde der Wissenschaft, § 52 a des Urheberrechtsgesetzes regelt die Zugänglichmachung von kleinen Teilen urheber- rechtlich geschützter Werke im Intranet von Hochschu- len. Die hauptsächliche praktische Anwendung ist der elektronische Semesterapparat, in dem die Lehrenden ihren Studierenden Aufsätze und Textauszüge oder an- dere Quellen zur Verfügung stellen. Der § 52 a wurde 2003 eingeführt und seither immer wieder befristet verlängert. Warum diese Befristungen? Weil die Wissenschaftsverlage gegen den Paragrafen lobbyieren. Sie halten Hochschullehrer für Raubkopie- rer. Sie glauben, sie würden viel mehr Bücher verkaufen, wenn an Hochschulen nicht so viel kopiert würde. Sie fordern die Abschaffung des Paragrafen. Die Verleger beklagen, dass die Hochschulen oder besser die zuständigen Bundesländer für die Nutzung der Werke in elektronischen Semesterapparaten nichts zah- len. Allerdings haben die Bundesländer für die Nutzung beispielsweise von Bild- oder Tonmaterial sehr wohl Verträge geschlossen und bezahlen auch Nutzungs- gebühren. Die Wissenschaftsverlage aber verlangen das 240- Fache dessen, was andere als angemessene Vergütung akzeptiert haben. Und sie wollen, dass alle Dozenten an allen Hochschulen für jedes Seminar neu jedes einzelne Buch auflisten sollen, aus dem sie ein paar Seiten für ihre Studierenden kopieren. Dabei sollen sie folgende Angaben machen: Name und Anschrift der Hochschule, Titel des Seminars, Zeitraum des Seminars, Teilnehmer- zahl des Seminars, Name und Mailadresse des Dozenten, 25952 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. November 2012 (A) (C) (D)(B) die Titel des Buches und des Aufsatzes, ISBN-Nummer, Anzahl der kopierten Seiten, Verlag, Erscheinungsort, Erscheinungsjahr, Anzahl der Autoren. Sie können sich denken, wie lange es dauert, ein solches Formular aus- zufüllen. Und dann hat auch noch das Oberlandesgericht Stutt- gart verfügt, dass diese elektronischen Semesterapparate nicht ausgedruckt oder heruntergeladen werden dürfen, sondern nur am Bildschirm zu lesen sind. Ich stelle mir wissenschaftliches Arbeiten anders vor. Ich glaube, das Urheberrecht sollte die Verbreitung von Wissen erleichtern und nicht behindern. Jetzt hoffen die Verlage, dass auch der Bundes- gerichtshof den § 52 a so restriktiv auslegt wie die Ober- landesgerichte zuvor. Dann wäre der Paragraf sozusagen vor Gericht totgemacht. In der Folge müssten Hochschu- len einzeln privatwirtschaftliche Lizenzverträge mit den Verlagen abschließen, wenn sie modernes wissenschaft- liches Arbeiten weiter ermöglichen wollen. Das wird richtig teuer für die Bundesländer. Die Regierungskoali- tion riskiert mit ihrer hier zur Debatte stehenden zögerli- chen Fristverlängerung des § 52 a, die klammen Kassen der Bundesländer weiter zu strapazieren. Oder das Ende moderner Wissensvermittlung an unseren Hochschulen. Der § 52 a muss nicht befristet verlängert werden, sondern sein Anwendungsbereich muss so ausgeweitet werden, dass die Hochschulen tatsächlich etwas davon haben. Er muss Teil einer allgemeinen Wissenschafts- schranke werden, wie sie die Linke und unzählige Wis- senschaftsverbände immer wieder gefordert haben. Krista Sager (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Gesetzentwurf, den die Regierungskoalition uns heute zur erneuten Befristung der Regelungen für Bildung und Wissenschaft im § 52 a des Urheberrechtsgesetzes vor- legt, ist wieder einmal eine Kleinstmaßnahme und Not- operation in allerletzter Minute. Statt im Interesse von Bildung und Wissenschaft für Rechtsklarheit und Rechtssicherheit zu sorgen, hangeln Sie sich mit der jetzt schon dritten Befristungsregelung nur von einem Provi- sorium zum nächsten. Dabei verpassen Sie nebenbei auch noch die Chance, endlich klarzustellen, dass die Norm des § 52 a Urheber- rechtsgesetz nicht nur für den Einsatz urheberrechtlich geschützter Texte im Unterricht gelten soll, sondern für alle Zwecke des Unterrichts. Die Ursache dafür, dass Sie sich nicht haben durchringen können, die Befristung in § 52 a Urheberrechtsgesetz endlich aufzuheben, ist wie- der einmal eher im bedauernswerten Zustand der Regie- rungskoalition zu suchen als in rationalen Gründen. Denn die Entfristung des § 52 a Urheberrechtsgesetz wird ja nicht nur seit Jahren von der Opposition und von Experten und Fachleuten aus dem Wissenschafts- und Bibliothekenbereich gefordert. Eine Entfristung verlangt auch der Bundesrat unter Beteiligung von CDU-geführ- ten Landesregierungen. Eine Befristung einer gesetzlichen Regelung mag ja manchmal sinnvoll sein, wenn man Neuland betritt und erst einmal Erfahrungen sammeln will. Aber wir wissen doch längst, dass eine Regelung, die es ermöglicht, urhe- berrechtlich geschützte Texte gegen Vergütung für Un- terrichtszwecke einzusetzen, vollkommen unverzichtbar ist. Mag sich denn hier irgendjemand ernsthaft vorstellen, der § 52 a Urheberrechtsgesetz werde irgendwann ein- fach ersatzlos auslaufen und alle Hochschulen müssten ihre Intranets für die Lehre abstellen? Das ist doch ein absurder Gedanke! Deshalb ist die Warterei, wann und ob die Mehrheitsfraktionen in diesem Haus diesmal kurz vor Weihnachten gerade wieder einmal knapp die Kurve kriegen, eine für Sie zunehmend peinliche Veranstal- tung. Noch nicht abgeschlossene Fragen hinsichtlich einer angemessenen Vergütung an die VG Wort werden dem- nächst einer gerichtlichen Klärung zugeführt. Das kann für Ihre Zögerlichkeit also nicht herhalten. Die Evalua- tion des § 52 a Urheberrechtsgesetz durch ihr eigenes Justizministerium hat aber längst ergeben, dass die dau- ernde Befristung nicht nur überflüssig, sondern auch schädlich ist. Denn sie behindert und verzögert wichtige Investitionen in die digitale Infrastruktur von Hochschu- len und Bibliotheken. Niemand investiert Millionen auf der Basis einer unsicheren Rechtsgrundlage. Umso bedauerlicher ist es, dass diese Regierung nicht die Kraft findet, endlich den immer wieder versproche- nen dritten Korb zum Urheberrecht mit den notwendigen Schrankenregelungen für Bildung und Wissenschaft vor Ende der Legislaturperiode vorzulegen. Denn es gibt eine ganze Reihe von ungelösten Problemen und Rechts- unsicherheiten, die dem zeitgemäßen Arbeiten im Bil- dungs- und Wissenschaftsbereich entgegenstehen und wo transparente, rechtssichere und faire Regelungen überfällig sind. Dazu gehören Probleme der Langzeitar- chivierung und der Digitalisierungskompetenzen von Bi- bliotheken, die Regelungen über elektronische Lese- plätze und die Ausleihe von E-Books. Die Regelungen zum elektronischen Kopienversand haben sich als nicht praktikabel herausgestellt. Es ist schlicht ein Unding, wenn heutzutage wissen- schaftliche Hilfskräfte von Dahlem nach Mitte geschickt werden, weil von dort aus ein vorhandener Zeitschriften- aufsatz nicht zeitnah per elektronischer Fernleihe ver- schickt werden kann. Das ist aber leider Berliner Wissen- schaftsalltag. Genauso ist es Alltag, dass Menschen im Wissenschaftsbereich ganztägige Lehrgänge zu einzelnen Gesetzesnormen besuchen, weil keine Rechtssicherheit herrscht, was mit Texten, Forschungsdaten und anderen Digitalisaten gemacht werden darf. Dabei liegen konkrete Gesetzestextvorschläge zum Beispiel von der Allianz der deutschen Wissenschaftsorganisationen längst vor. Das gilt auch für die Umsetzung der Forderung nach einem unabdingbaren Zweitveröffentlichungsrecht für wissenschaftliche Autorinnen und Autoren, damit Publi- kationen, die aus öffentlich finanzierter Forschung ent- stehen, nach einer angemessenen Frist auch öffentlich frei zugänglich gemacht werden können und zum Bei- spiel von staatlichen Bibliotheken und Hochschulen nicht noch einmal bezahlt werden müssen. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. November 2012 25953 (A) (C) (D)(B) Diese Forderung wurde auch von der Internet-Enquete des Bundestages einstimmig unterstützt und im aktuellen Bericht aufgenommen. Ich weiß, dass dies ohne die er- folgreichen Überzeugungsarbeiten der dort beteiligten Kolleginnen und Kollegen der Regierungskoalition ge- genüber Ihren Rechtspolitikern nicht möglich geworden wäre. Das verdient auch ausdrücklich der positiven Wür- digung, aber ein großer Schritt für FDP und CDU/CSU ist eben noch kein großer Schritt für die Menschheit, wenn daraus keine Handlungen erwachsen. Das gilt übrigens auch für die Empfehlung der En- quete, eine allgemeine zusammengeführte Schrankenre- gelung im Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft zu prüfen. Auch für eine solche Regelung gibt es längst einen ausgearbeiteten Vorschlag der Allianz. Aber wenn Sie bei dieser Prüfung so zögerlich ans Werk gehen wie beim § 52 a Urheberrechtsgesetz, wird die Prüfung wohl noch bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag dauern, von der Umsetzung ganz zu schweigen. Meine Damen und Herren von der Regierung, über- winden Sie endlich Ihre chronifizierte Mut- und Tatenlo- sigkeit. Sie wird den Anforderungen einer modernen Wissensgesellschaft nicht gerecht. Anlage 12 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Strafbarkeit der gewerbsmäßigen Förderung der Selbsttötung (Tagesordnungspunkt 40) Ansgar Heveling (CDU/CSU): Weniger als zwei Monate vor seinem eigenen Tod schrieb Franz Kardinal König, der beliebte Alterzbischof von Wien sowie sei- nerzeit wesentlicher Denker und Lenker des Zweiten Va- tikanischen Konzils, im Januar 2004 in einem Brief an den österreichischen Verfassungskonvent zu Fragen der Sterbehilfe: „Menschen sollen an der Hand eines ande- ren Menschen sterben und nicht durch die Hand eines anderen Menschen.“ Damit hat Kardinal König jenseits aller juristischen Kategorien sehr griffig und unmissver- ständlich auf den Punkt gebracht, wo die ethische Grenz- linie im Umgang mit dem Sterben für die Gesellschaft liegt. Die Unantastbarkeit der Würde des Menschen ist ein fundamentales Gebot unserer Verfassung. Sie zu achten und zu schützen, ist Aufgabe aller staatlichen Gewalt. Dessen sollten wir uns sehr deutlich bewusst sein. Es mögen unabhängige Begründungswurzeln sein. Den- noch – in diesem Verständnis sind sich das christliche und das humanistische Menschenbild im Übrigen einig –: Bei beiden steht der einzelne Mensch im Mittelpunkt. Seine Würde ist es, um die es geht. Natürlich hat der autonome Wunsch des Einzelnen, über sein Leben zu entscheiden, Respekt verdient. Auf die Gesellschaft als Ganzes bezogen stellt sich demge- genüber schon die Frage: Wie ist es um die Würde des Menschen im Sterben bestellt, dass dem Einzelnen über- haupt der Wunsch entsteht, seinem Leben ein Ende zu setzen? Kardinal König spricht in diesem Zusammen- hang von einer „Kultur des Lebens“, um die es gehe und zu der auch eine „Kultur des Sterbens“ gehöre. Dabei formuliert er es so: „Das Leben des Menschen ist mehr als eine beliebige biologische Tatsache unter anderen.“ Auch dessen sollten wir uns als Richtschnur bewusst sein. Das Strafrecht kann dabei zwangsläufig nicht das erste Mittel sein, ethischen Aufträgen an die Gesell- schaft gerecht zu werden. Behutsamkeit, Verständnis für die körperlichen und psychischen Veränderungen, die etwa das Alter mit sich bringt, Sensibilität – alles das kann nicht der Staatsanwalt bescheren. Aber das Straf- recht ist gefordert, wo es darum geht, den besonderen Schutz der Würde des Menschen durchzusetzen, gegen Entwicklungen vorzugehen, die diesem Schutz zuwider- laufen. Selbsttötung ist in Deutschland straflos. Damit trägt unsere Strafrechtsordnung trotz der Schutzverpflichtung gegenüber der Würde des Menschen der individuellen Letztentscheidung des Einzelnen Rechnung. Systema- tisch sind deshalb auch Beihilfehandlungen straflos, so- lange es keine gesetzliche Regelung gibt. Lange Zeit be- stand hierzu auch kaum ein Anlass. Die Frage nach strafrechtlicher Verantwortung stellte sich im Wesentli- chen in Einzelfällen mit besonderen Konstellationen, die allesamt Ausdruck innerer Konflikte im zwischen- menschlichen Nahbereich sind. Davon haben wir uns indessen mittlerweile weit ent- fernt. Aus dem individuellen Konflikt ist durch das Auf- treten von Sterbehilfevereinen die Diskussion um ein Dienstleistungsangebot geworden. Es geht um All- inclusive-Pakete für den Tod. Das ist eine Entwicklung, der wir nicht tatenlos zusehen dürfen. Wir beraten daher heute in erster Lesung den Entwurf eines Gesetzes zur Strafbarkeit der gewerbsmäßigen Förderung der Selbst- tötung, dessen Ziel es ist, eine Korrektur dort vorzuneh- men, wo eine kommerzialisierte Suizidhilfe Menschen dazu verleiten kann, sich das Leben zu nehmen. Bereits im Koalitionsvertrag hatte die christlich-liberale Koali- tion vereinbart, dagegen vorzugehen. Um den Schutz des Lebens am Lebensende zu gewährleisten, wollen wir „Geschäften mit dem Tod“ sichtbar und nachhaltig die Grundlage entziehen und damit der organisierten Suizid- beihilfe entgegenwirken. Wie der Gesetzentwurf festhält, nehmen auch in Deutschland die Fälle zu, in denen Personen auftreten, deren Anliegen es ist, einer Vielzahl von Menschen in Form einer entgeltlichen Dienstleistung eine schnelle und effiziente Möglichkeit für einen Suizid anzubieten. Dies geschieht beispielsweise durch das Verschaffen ei- nes tödlich wirkenden Mittels und das Anbieten einer Räumlichkeit, in der das Gift durch die suizidwillige Person eingenommen werden kann. Zu denken ist aber auch an Fälle, in denen von Deutschland aus die Gele- genheit vermittelt wird, im Ausland die für eine Selbst- tötung notwendigen Mittel und Räumlichkeiten zu erhal- ten. Im Vordergrund solcher Handlungen steht dabei nicht ein Beratungsangebot mit primär lebensbejahenden Perspektiven, sondern die rasche und sichere Abwick- 25954 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. November 2012 (A) (C) (D)(B) lung des Selbsttötungsentschlusses, um damit Geld zu verdienen. Diese Kommerzialisierung stellt eine qualita- tive Änderung in der Praxis der Sterbehilfe dar. Sie lässt befürchten, dass die Hilfe zum Suizid als eine normale Dienstleistung angesehen wird und sich Menschen zur Selbsttötung verleiten lassen, die dies ohne ein solches Angebot nicht tun würden. Ich will nicht verhehlen, dass sich auch mir die Frage stellt, ob die Begrenzung auf eine „gewerbsmäßige För- derung“ ausreicht, um das Vorgehen der Sterbehilfeorga- nisationen zu unterbinden. Wir müssen daher in der wei- teren Beratung genau überlegen, inwieweit die vorgesehene gesetzliche Regelung dazu Raum lässt, durch kleinere organisatorische und strukturelle Verän- derungen das „Geschäftsmodell Tod“ ohne Strafrechts- androhung aufrechtzuerhalten und inwieweit dadurch die Gefahr besteht, dass sich diese Organisationen ge- rade darauf berufen können, dass ihr Tun strafrechtlich nicht verboten ist. So lässt ein Verein, der den Dienstleis- tungstod anbietet, auf seiner Homepage unter „Häufig gestellte Fragen“ darauf hinweisen – ich zitiere –: „Be- steht nicht die Gefahr, dass der Verein verboten wird? – Das Bundesjustizministerium hat im April 2012 den ,Entwurf eines Gesetzes zur Strafbarkeit der gewerbsmä- ßigen Förderung der Selbsttötung‘ auf den gesetzgeberi- schen Weg gebracht. Es ist damit zu rechnen, dass Bun- destag und Bundesrat … ein solches Gesetz verab- schieden. Unser Verein ist nicht betroffen, da wir den Mitgliedern Suizidbegleitung nicht gegen Honorar, also nicht gewerbsmäßig, anbieten.“ Das Verbot der gewerbs- mäßigen Förderung der Selbsttötung ist aber in jedem Falle ein erster, wichtiger Schritt, um der organisierten Suizidbeihilfe entgegenzutreten. Erstmals wird damit eine Form der Suizidbeihilfe überhaupt unter Strafe ge- stellt. Das ist gegenüber dem jetzigen Rechtszustand be- reits ein Fortschritt. Wir als Parlament haben einen klaren Verfassungsauf- trag. Es ist auch unsere Aufgabe, die Würde des Men- schen zu schützen. Diesem umfassenden Schutzauftrag müssen wir sorgfältig gerecht werden. Gerade die Rege- lung von Lebenssachverhalten, die sich mit dem Beginn und dem Ende des Lebens befassen, bedarf dabei einer besonderen Sensibilität. Das sind die Punkte, an denen, um nochmals Kardinal König zu zitieren, „das Leben in besonderer Weise gefährdet, ja ‚zerbrechlich‘ ist, wo die Gefahr droht, dass der Mensch ganz über den Menschen verfügt“. Dort liegt unser besonderer Schutzauftrag. Dort geht es nicht mehr um den Vorrang individueller Selbstbestimmung, sondern um das ethische Fundament einer ganzen Gesellschaft. Folgen wir der Maxime „Menschen sollen an der Hand eines anderen Menschen sterben und nicht durch die Hand eines anderen Men- schen“. Norbert Geis (CDU/CSU): Mit dem Sterben und dem Tod ist es eine merkwürdige Sache. Für gewöhnlich leben wir so dahin, als ob es immer so weiterginge und als ob es selbstverständlich sei, dass wir da sind. Manchmal allerdings tritt der Tod mitten in unser Le- ben. Wir sind erschüttert, wenn ein naher Angehöriger stirbt. Wir begreifen kaum, dass der Mensch, den wir gut gekannt haben, der uns vielleicht sogar sehr lieb war, plötzlich nichts mehr sagt und schweigend daliegt. Nichts ist mehr revidierbar, nichts kann mehr vorange- bracht werden. Das Leben, mit all seinen Begegnungen, mit allen Beziehungen, mit allen Vorhaben und Ideen, mit seinen Hoffnungen und Niederungen findet mit dem Tod unwiederbringlich sein Ende. Der Tod ist der Ernst- fall schlechthin. Unser Leben ist auf den Tod ausgerichtet, unser Le- benswille lebt aber gegen den Tod. Gerade angesichts des Todes erfahren wir, welche Bedeutung das Leben für uns hat, das wir leben dürfen. Deshalb ist es so unbegreiflich, dass sich jemand das Leben selbst nimmt. Wir sind sprachlos und finden keine Worte, fragen uns, ob wir seine Not nicht erkannt oder sie übergangen haben, die ihn dazu getrieben hat, sich selbst das Leben zu nehmen. Gegen solche Vorwürfe an uns selbst wenden wir aber schnell ein und beruhigen uns damit, dass der Betroffene ja schließlich aus freiem Willen gehandelt habe. Er habe sich frei entschlossen, seinem Leben ein Ende zu ma- chen, reden wir uns ein. Diese Autonomie, die die heutigen Menschen gerne für sich fordern, spielt gerade in unserer Zeit, in der wir so großen Wert auf Individualität legen, eine entschei- dende Rolle. Die freie Selbstbestimmung und damit das Recht, seinem Leben dann ein Ende zu setzen, wenn man es für richtig hält, gilt dem heutigen Menschen als Teil seiner Würde, als Ausfluss seiner Autonomie, deren Beachtung er von den anderen einfordert. Mit dieser Autonomie ist es aber oft nicht weit her. In 90 Prozent der Suizide ist die Ursache eine schwere De- pression, die geheilt werden kann, wenn sie rechtzeitig erkannt wird. Wer annimmt, die Autonomie sei das höchste Gut, das der Staat zu achten habe, irrt. Nicht der Schutz der Auto- nomie ist oberstes verfassungsrechtliches Gebot, sondern oberstes Gebot ist der Schutz des Lebens. Das ist der al- lererste Auftrag des Staates. Ist das Leben genommen, gibt es auch keine Autonomie und keine Würde mehr. Mit dem Tod gehen alle Rechte unter, auch die Autono- mie des Menschen. Folglich hat also der Staat vor allem den Auftrag, das Leben des Menschen zu schützen, unter Umständen auch gegen seinen Willen. Der Staat kann deshalb die Selbsttötung nicht billigen. Sie steht nicht im Einklang mit unserer Rechtsordnung. Es gibt ein Recht auf Leben, aber kein Recht auf Selbsttötung. Richtig ist, dass die Selbsttötung nicht bestraft wird. Dies hat aber einen rein praktischen Grund. Der, der sich selbst umgebracht hat, kann nicht mehr bestraft werden. Der, dessen Suizid misslungen ist, der also nur versucht hat, sich selbst zu töten, wird deshalb nicht bestraft, weil der Staat davon ausgeht, dass er mit sich selbst Schwierigkeiten genug hat und insofern gestraft genug ist. Weil aber der Selbst- tod nicht strafbar ist, sind nach dem bei uns geltenden Prinzip der Akzessorietät auch die Beihilfe und die An- stiftung nicht strafbar. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. November 2012 25955 (A) (C) (D)(B) Dieser Grundsatz der Akzessorietät in unserem Straf- recht scheint mir jedoch bei der Beihilfe zum Suizid höchst fraglich, vor allem dann, wenn diese Beihilfe ver- werflich ist. Derjenige, der den anderen auf dessen drin- gende Bitte hin tötet, wird nach § 216 StGB wegen Tö- tung auf Verlangen bestraft. Sein Verhalten ist hoch- verwerflich und deshalb strafwürdig. Dahingegen wird derjenige, der wissentlich und willentlich dem anderen die Pistole in die Hand gibt, damit er sich selbst tötet, nicht bestraft. Dies ist ein Widerspruch, der schwer zu erklären ist. In beiden Fällen wollen die Handelnden den Tod des Betroffenen herbeiführen. Es ist nicht nachvoll- ziehbar, dass die eine Handlung strafwürdig ist, die Strafwürdigkeit der anderen Handlung aber abgelehnt wird. Als Begründung für die Entscheidung wird die Tatherrschaft desjenigen angegeben, der den anderen tötet. Das erscheint mir zu wenig. Andere Länder stellen die Beihilfe zum Selbsttod un- ter Strafe, so Österreich, Italien, England, Irland, Portu- gal, Spanien und Polen. In diesen Ländern gilt die Bei- hilfe als verwerflich und strafwürdig. Diese Einsicht müsste auch in Deutschland Geltung haben. Die Beihilfe ist schon allein deshalb verwerflich und strafwürdig, weil dadurch das Leben eines anderen vernichtet wird. Das überragende Rechtsgut Leben wird durch die Bei- hilfe missachtet. Darin liegt der Grund der Strafbarkeit. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung bleibt aber dabei, dass die Beihilfe nicht strafbar ist. Der Grundsatz der Akzessorietät der Beihilfe zu einer Tat soll also auch beim Suizid gewahrt bleiben. Dies bleibt unverständlich und ist auch nicht logisch. Bei der geplanten Bestrafung der gewerbsmäßigen Beihilfe wird dieser Grundsatz allerdings nicht eingehal- ten. Das Dienstleistungsangebot der gewerblichen Bei- hilfe ist moralisch in einem solchen Maß verwerflich, dass der Staat an einer Bestrafung nicht vorbeikommt. Das kann aber nicht nur für die gewerbsmäßige Bei- hilfe gelten. Wir haben auch den Fall, dass Einzelperso- nen oder organisierte Personengruppen ein solches „Dienstleistungsangebot“ propagieren. Für diese Ange- bote, die nachweislich ohne gewerblichen Hintergrund betrieben werden, wird auch öffentlich geworben. Ein solches Verhalten ist ebenfalls verwerflich und ist des- halb, wie die gewerbliche Beihilfe, unter Strafe zu stel- len. Hinzu kommen muss aber auch der Fall, dass ein ein- zelner „Helfer“ die Selbsttötungsabsicht eines anderen aus völlig eigennützigen Motiven hervorruft. Er stiftet den Betroffenen zur Selbsttötung an. Ohne diese Anstif- tung kommt der Betroffene vielleicht gar nicht zu dem Entschluss, sich selbst zu töten. Solche „Helfer“ handeln nicht selten aus Eigennutz. Dies kann im ganz nahen Verwandtschaftsverhältnis oder Freundeskreis der Fall sein, wenn zum Beispiel die Pflege des alten Menschen zur unerträglichen Last geworden ist oder aber wenn diese „Helfer“ durch den Tod des Betroffenen auf eine große Erbschaft hoffen dürfen. Dieses Verhalten ist min- destens genauso verwerflich wie die gewerbliche Bei- hilfe. Deshalb ist auch ein solches Verhalten unter Strafe zu stellen. Aus all diesen Gründen ist der Gesetzentwurf der Bundesregierung im parlamentarischen Verfahren zu überprüfen und zu ergänzen. Wichtig allerdings er- scheint mir die Ausweitung der Hilfe. Gerade die unmit- telbare Nachbarschaft ist insbesondere aufgefordert, mit älteren Menschen, bei denen die Suizidrate am höchsten ist, in Kontakt zu bleiben, ihnen mit kleinen Diensten bei der Bewältigung des Alltages zu helfen. Aufmerksam- keit, Freundlichkeit und Entgegenkommen können hel- fen, damit sich der Gedanke an die Selbsttötung bei dem Nächsten gar nicht erst festsetzt. Dr. Edgar Franke (SPD): In der Schweiz wird die Beihilfe zum Suizid durch Laien oder durch Ärzte nicht strafrechtlich verfolgt. Hier dürfen Suizidhilfe-Organisa- tionen mit Namen Exit oder Dignitas den vom Sterbe- wunsch Erfüllten eine Infusion mit tödlichem Gift anle- gen und so lange anwesend bleiben, bis der Tod eintritt. Der Sterbewillige muss diese allerdings selbst auslösen. Im Jahr 2011 sind 411 Menschen mithilfe von Exit aus dem Leben geschieden. Dies berichtet Bernhard Sutter, der Vizepräsident von Exit (Deutsche Schweiz), dem Evangelischen Pressedienst, epd, veröffentlicht am 14. Juni des Jahres. Nach Angaben von Exit sind rund 30 Prozent der Sterbewilligen „nicht todkrank“. In der kanadischen Provinz Ontario ist der assistierte Suizid übrigens ebenfalls erlaubt; dort lässt man den Pa- tienten jedoch mit dem Gift allein, was in 50 Prozent der Fälle dazu führt, dass dieser sich doch nicht tötet. Der vorliegende Gesetzentwurf zur Strafbarkeit der gewerbsmäßigen Förderung der Selbsttötung wendet sich im Kern gegen private Suzidhilfe-Organisationen wie Exit und Dignitas, denen eine gewerbs- oder zumin- dest geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung unter- stellt wird. Die Selbsttötung und die Teilnahme sind in Deutsch- land nicht strafbar. Straffrei sind auch der gerechtfertigte Behandlungsabbruch – passive Sterbehilfe – und die so- genannte indirekte Sterbehilfe. Mit Strafe bedroht ist da- gegen die Tötung auf Verlangen, § 216 StGB. Der vor- liegende Gesetzentwurf schlägt die Schaffung eines neuen Straftatbestandes im Strafgesetzbuch vor, der die gewerbsmäßige Förderung der Selbsttötung unter Strafe stellt. Der gewerbsmäßigen, also der auf Gewinnerzielung ausgerichteten Förderung der Selbsttötung soll demnach durch ein strafrechtliches Verbot entgegengewirkt wer- den. Dazu soll ein neuer Straftatbestand, der § 217 StGB-E, geschaffen werden. Im Wortlaut: „Wer absicht- lich und gewerbsmäßig einem anderen die Gelegenheit zur Selbsttötung gewährt, verschafft oder vermittelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geld- strafe bestraft.“ Gewerbsmäßig handelt nach der Rechtsprechung des BGH, wer in der Absicht handelt, sich durch wiederholte Tatbegehung eine fortlaufende Einnahmequelle zu ver- schaffen, wobei die Tätigkeit von der Absicht getragen werden muss, Gewinn zu erzielen. 25956 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. November 2012 (A) (C) (D)(B) Den Suizidhilfe-Organisationen wird vorgeworfen, mit dem Leid verzweifelter Menschen Geschäfte zu ma- chen. Ob eine Gewinnerzielungsabsicht festgestellt wer- den kann, ist nicht sicher. Exit hat nach eigener Zählung rund 80 000 Mitglieder. Nach eigenen Angaben streben sie die gesicherte Finanzierung ihrer Aktivitäten an. In dem Gesetzentwurf sagen Sie, eine gesetzliche Re- gelung zur Strafbarkeit der Förderung der Sterbehilfe sei längst fällig. Ist es nicht vielmehr notwendig, die Sicht darauf zu richten, dass nicht nur die gewerbsmäßige, sondern auch die organisierte Förderung der Sterbehilfe als strafwürdiges Verhalten angesehen werden sollte? Die Abgrenzung einer gewerbsmäßigen zur organisier- ten Förderung der Sterbehilfe wird im Einzelfall sich nämlich eher schwierig gestalten. Das Entscheidende ist jedoch: Weder die Urteilsfähig- keit noch die genaue Krankengeschichte müssen oder können von den Laienhelfern geprüft werden. So werden gerade bei psychischen Erkrankungen oder psychischen Ausnahmezuständen die nötige therapeutische Erfah- rung und fachliche Voraussetzungen weitgehend fehlen. Das ist untragbar und betrifft mehr oder weniger die or- ganisierte Förderung der Sterbehilfe. So fordert die Bundesärztekammer, dann nicht nur die gewerbliche Suizidbeihilfe, sondern jegliche organisierte Sterbehilfe zu verbieten. Eugen Brysch, Vorstand der Patientenschutzorganisa- tion Deutsche Hospiz Stiftung, will, dass das konzeptio- nelle Vorgehen der Sterbehilfeorganisationen verhindert wird. Er drängt damit ebenfalls zum Verbot der organi- sierten Sterbehilfe. Meine Kollegin Sabine Bätzing-Lichtenthäler hat in ihrer veröffentlichten Stellungnahme recht: Wo ein kom- merzielles Interesse ist, gibt es auch Interessen, den Ge- winn zu maximieren. Diesbezüglich ist der Gesetzent- wurf der Bundesregierung richtig. Er ist aber nicht weitgehend genug. Denn auch die organisierte Sterbe- hilfe, die nicht kommerziell arbeitet, ist falsch. Eine Or- ganisation, die den Tod in einem bürokratischen Ver- fahren zuweist, passt nicht zu einer individuellen Entscheidung. Eine solche Organisation wird allein durch ihre Existenz Entscheidungen beeinflussen und wahrscheinlich auch in Gesprächen Einfluss nehmen. – Sie hat recht; dies spricht gegen die organisierte Sterbe- hilfe. Die Entscheidung für eine Selbsttötung kann doch sinnvoll nur im Einzelfall durch den Betroffenen mit- hilfe seiner Angehörigen und mit Beratung durch einen Arzt, möglichst mit therapeutischen Erfahrungen, erfol- gen. Hier haben Sie Ihren ursprünglichen Entwurf nach Protesten der Ärzteschaft entschärft. Der vorliegende Entwurf sieht nur noch vor, dass Angehörige oder andere nahestehende Personen einem Sterbenskranken straffrei Beihilfe leisten dürfen. Die Bundesärztekammer versucht, über berufsrechtli- che Regelungen und Regelungen der Berufsordnung sich zu entziehen. Und auch der Bundesverband privater An- bieter sozialer Dienste betont, dass Pflegekräfte den Menschen beim Leben helfen wollen, aber nicht beim Suizid. Der Begriff „nahestehende Personen“ ist allerdings eher unbestimmt und erlaubt, dass auch Ärzte und Pfle- gekräfte gemeint sein können. Aber der Kollege Spahn bemerkt zu Recht, dass es nicht sein kann, dass in solch einem „Nebensatz“ die Sterbehilfe durch nahestehende Ärzte und Pflegekräfte straffrei gestellt werden sollte. Hier werden Sie also nachbessern und erklären müssen, ob Sie in einem weiteren Gesetzentwurf die Rolle der Ärzte und Pflegekräfte neu ausrichten und die Sterbe- hilfe – unter gewissen Voraussetzungen – durch diese Berufsgruppen straffrei stellen wollen. Generell haben wir das Selbstbestimmungsrecht der Patientinnen und Patienten mehr zu achten. Dafür muss auch Klarheit über die Verbindlichkeit und die Reich- weite von Patientenverfügungen herrschen. Wie schaf- fen wir die erforderliche Rechtssicherheit für alle Betei- ligten auch bei der passiven und indirekten Sterbehilfe sowie der Beihilfe zur Selbsttötung? Gesetzliche Regelungen zur Stärkung des Selbstbe- stimmungsrechts von Patienten können aber nur ein Baustein sein, um Menschen einen würdigen Umgang mit Leiden und Sterben zu ermöglichen. Wichtig ist der weitere Ausbau des Hospizwesens und der Palliativme- dizin. Schon meine Kollegin Brigitte Zypries hatte in ih- rer Zeit als Bundesjustizministerin die Vorstellung, dass dann auch die Diskussion über aktive Sterbehilfe in den Hintergrund treten würde. Es geht letztlich darum, die Patientenautonomie auch am Lebensende zu stärken und menschenwürdige Bedin- gungen für Kranke und Sterbende zu schaffen. Kathrin Senger-Schäfer (DIE LINKE): Wie die Menschen im Land diskutiert auch die Linksfraktion das Thema Sterbehilfe insgesamt kontrovers. Auch nach der geplanten Anhörung im Rechtsausschuss zum Inhalt des Gesetzentwurfs und zur abschließenden Lesung im Bun- destag ist keine einhellige Fraktionsmeinung der Linken zu erwarten. Wie sollte es auch anders sein? Schließlich sind doch die Fragen, welche sich dem Thema Sterbe- hilfe widmen, nicht nur ethisch bzw. moralisch hochsen- sibel und differenziert zu betrachten, sondern bergen auch jede Menge Missverständnisse. Allein die Begrifflichkeiten wie „aktive Selbsthilfe“ und „passive Sterbehilfe“ oder auch „Beihilfe zur Selbst- tötung“ bzw. „assistierter Suizid“ werden häufig nicht eindeutig angewandt, abgesehen davon, dass sehr unter- schiedliche – auch medizinische – Vorgehensweisen in der Nähe des Lebensendes häufig als Sterbehilfe be- zeichnet und missverstanden werden. Insofern sei mir der Hinweis erlaubt, dass meine Hal- tung nicht den Standpunkt meiner Fraktion in ihrer Ge- samtheit wiedergibt, sondern vielmehr meine persönli- che Meinung zum Thema beinhaltet, die maßgeblich durch meine pflege- und gesundheitspolitische Arbeit geprägt ist. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. November 2012 25957 (A) (C) (D)(B) Insofern plädiere ich mit Nachdruck dafür, dass alle Abgeordneten des Deutschen Bundestages frei und al- lein ihrem Gewissen verpflichtet und nach gründlicher persönlicher Abwägung zum Gesetzentwurf ihre Ent- scheidung fällen können und gegebenenfalls mittels fraktionsunabhängiger parlamentarischer Initiativen die Debatte befruchten. Meine Position ist es, sich ausdrücklich und entschie- den gegen jede Form der aktiven Sterbehilfe und jegli- cher Form der organisierten Beihilfe zur Selbsttötung auszusprechen. Menschen, die aussichtslos erkrankt sind, dürfen weder sich selbst überlassen bleiben, noch einer organisierten oder gar kommerzialisierten Sterbe- hilfe oder Beihilfe zur Selbsttötung ausgeliefert werden, die teilweise dilettantisch von Nichtärzten durchgeführt wird und die ohne jegliches Empfinden für die Sorgfalts- pflicht Sterbewillige in ungeeigneten Räumlichkeiten oder gar auf Parkplätzen unwiederbringlich ihrem Schicksal überlässt. Weder von Ärzten noch von Pflege- personal noch von privaten Organisationen sollte eine aktive Unterstützung von Selbsttötungen angeboten oder ausgeübt werden. Der vorliegende Gesetzentwurf der Bundesregierung greift das Verbot der gewerblichen Beihilfe zur Selbsttö- tung auf und geht somit in die richtige Richtung. Einmal abgesehen davon, dass der Gesetzentwurf in der Begrün- dung mit ungenauen Formulierungen hantiert – denn es geht hier um Beihilfe zur Selbsttötung, was etwas ande- res ist als Sterbehilfe, – greift er aber insoweit zu kurz, als eben nicht ausdrücklich jegliche Form der organisier- ten Beihilfe zur Selbsttötung unter Strafe gestellt wird, sondern nur die gewerbsmäßige Form. Jedoch ist eine Grenze in der Praxis nicht haarscharf zu ziehen, die strafrechtliche Ahndung daher äußerst schwierig, und sind Umgehungstatbestände faktisch vor- programmiert. Es reicht deshalb nicht aus, dass mit dem Gesetzentwurf eine nichtgewerbsmäßige Beihilfe zur Selbsttötung dann straffrei bleibt, wenn der- oder dieje- nige, welche die Beihilfe leisteten, eine Angehörige oder ein Angehöriger oder eine nahestehende Person ist. Vor diesem Hintergrund ist anzumerken – und findet sich auch in der Begründung des Gesetzentwurfs –, dass Studien mehrfach gezeigt haben, dass ein kausaler Zu- sammenhang zwischen der Zulassung von kommerziali- sierter Beihilfe zur Selbsttötung und einem Anstieg ent- sprechender Selbsttötungen zwar nicht bewiesen ist, aber dennoch vermutet werden kann. Das allein rechtfertigt ein Verbot. Nachvollziehbar ist aber nicht, diesen Zusam- menhang allein für die kommerzialisierte Beihilfe zur Selbsttötung zu vermuten. Die Vermutung muss auch für jede andere Form der organisierten Beihilfe zur Selbsttö- tung gelten bzw. sie kann nicht ausgeschlossen werden und rechtfertigt insofern ebenfalls ein Verbot. Fakt ist, dass beispielsweise in den Niederlanden nicht nur Menschen durch die Einwirkung Dritter star- ben, die danach verlangt hatten, sondern jedes Jahr auch einige Hundert, die nicht darum gebeten hatten. Nach ärztlicher Einschätzung konnte keine Besserung ihres Zustandes mehr erzielt werden bzw. wurden medizini- sche Maßnahmen für sinnlos erachtet, wurde ihre Le- bensqualität als gering eingeschätzt oder hatten ihre An- gehörigen darum gebeten. Menschen wollen sterben, weil sie einsam sind, keine Hilfen bekommen, ihren Angehörigen nicht zur Last fal- len wollen, Schmerzen haben. Dies sind alles Problem- felder, auf die spezifisch und wirksam reagiert werden könnte, die aber in den Hintergrund gerückt sind. Be- zeichnend ist in diesem Zusammenhang, dass der Aus- bau der palliativmedizinischen Versorgung nur schlep- pend vorankommt. Es muss darauf hingewiesen werden, dass Menschen mit unheilbaren Krankheiten ein Recht auf die bestmög- liche Versorgung haben. Es muss gewährleistet sein, dass für sie bis zum Lebensende alles getan wird, damit sie selbstbestimmt und in Würde bis zum Ende leben können. Eine gute palliativmedizinische Versorgung und die dazugehörige Pflege und Betreuung sind deshalb wichtige Bausteine, um dieses Ziel zu verwirklichen. Die palliativmedizinische Versorgung als Teil eines umfassenden Palliative-Care-Konzepts leistet hier Her- vorragendes, ebenso wie die Hospizeinrichtungen. Bei der palliativmedizinischen Versorgung geht es um die aktive, ganzheitliche Behandlung von Patienten mit einer voranschreitenden, weit fortgeschrittenen Erkran- kung und einer begrenzten Lebenserwartung in dem Ab- schnitt, in der die Erkrankung nicht mehr auf eine kura- tive – also heilende – Behandlung anspricht und die Beherrschung von Schmerzen, anderen Krankheitsbe- schwerden, von psychologischen, sozialen und spirituel- len Problemen höchste Priorität besitzt. Die Palliativmedizin ist fester Bestandteil der hiesi- gen medizinischen Versorgung. Gerade in Hinblick auf die Diskussion zum Thema ist von größter Bedeutung, dass Palliativmedizin das Ziel hat, todkranke Menschen in ihrer Ganzheitlichkeit zu betreuen. Das bedeutet, die Leiden umfassend zu lindern und dabei die Würde und Eigenständigkeit des Menschen zu achten. Hier zeigt sich der entscheidende Unterschied zur Sterbehilfe bzw. zur Beihilfe zur Selbsttötung, der darin liegt, dass bei der palliativmedizinischen bzw. Palliative- Care-Versorgung nicht der Leidende, sondern die Symp- tome des Leids wie Schmerz und Einsamkeit beseitigt werden. Die Palliative-Care-Versorgung macht Sterbe- hilfe und die Beihilfe zur Selbsttötung dadurch weitge- hend überflüssig. Auch die verkürzte Sicht, welche die palliativmedizi- nische Versorgung auf die Gabe von Schmerzmitteln re- duziert und diese dann womöglich in die Nähe einer wie auch immer gelagerten Form der Sterbehilfe oder auch Beihilfe zur Selbsttötung rückt, ist irreführend. Deshalb bin ich der Meinung, dass wir den Ausbau und die Sicher- stellung der palliativmedizinischen und Hospizversor- gung gerade im Zusammenhang mit der heutigen Debatte nicht aus den Augen verlieren dürfen. Es muss vielmehr Aufgabe des Gesundheitssystems sein, ungeachtet jegli- cher Marktmechanismen die Gesundheit jedes Einzelnen zu erhalten, Leiden zu verhindern, Schmerzen zu lindern, Menschen am Lebensende zu begleiten sowie beizuste- hen und nicht ihr Leben aktiv zu beenden. Notwendig 25958 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. November 2012 (A) (C) (D)(B) sind eine flächendeckende palliativmedizinische bzw. Palliative-Care-Versorgung und auch eine breitere Finan- zierung der Pflegeversicherung und ein entsprechender Ausbau ihrer Leistungen. Daneben muss die Hospizbe- wegung dringend weiter strukturell, finanziell und medial unterstützt werden, damit auch hier eine flächendeckende Versorgung – die nachweislich nicht gegeben ist – ge- währleistet werden kann. Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Seit Jahren wird in der Gesellschaft darüber diskutiert, ob Menschen ihrem Leben freiwillig und selbstverantwort- lich ein Ende setzen dürfen und ob es erlaubt oder gar geboten sei, den hierzu Entschlossenen dabei zu assistie- ren. Der Freitod steht nicht unter Strafe, auch die Bei- hilfe dazu – selbstverständlich – nicht. Es wäre sinnvoll, gesetzlich klarzustellen, dass straflose Beihilfe zum Sui- zid nicht durch die Hintertür wegen unterlassener Hilfe- leistung verfolgt werden kann. Leider legt die Bundesre- gierung hierzu keinen Gesetzentwurf vor. Stattdessen beschäftigen wir uns mit einem Vorschlag zur Strafbar- keit der gewerbsmäßigen Förderung der Selbsttötung. Der vorliegende Gesetzentwurf scheitert bereits an der Darstellung der Lebenssachverhalte, die unter Strafe gestellt werden sollen. Ich zitiere aus der Begründung: „In Deutschland nehmen die Fälle zu, in denen Personen auftreten, deren Anliegen es ist, einer Vielzahl von Men- schen in Form einer entgeltlichen Dienstleistung eine schnelle und effiziente Möglichkeit für einen Suizid an- zubieten. ... Im Vordergrund solcher Handlungen steht dabei nicht ein Beratungsangebot mit primär lebensbeja- henden Perspektiven, sondern die rasche und sichere Abwicklung des Selbsttötungsentschlusses, um damit Geld zu verdienen.“ Ich hätte erwartet, dass nunmehr einige Beispiele fol- gen, von Menschen oder Organisationen, auf die diese Beschreibung zutrifft. Aber weit gefehlt, nicht ein einzi- ges konkretes Beispiel wird von der Regierung benannt. Ich will konkreter werden und die Fälle ansprechen, über die seit Jahren in der Öffentlichkeit kontrovers dis- kutiert wird: Es sind dies erstens die schweizerischen Vereine Exit und Dignitas und ihr deutscher Ableger Dignitate und zweitens die namensgleichen schweizerischen und deut- schen Vereine Sterbehilfe Deutschland e. V., hinter de- nen der frühere Hamburger Justizsenator Dr. Kusch und seine Gefolgsleute stehen. Man muss diese Vereine und die für sie handelnden Personen nicht mögen, aber eines ist klar: Gerade diesen Personen wird nicht nachzuweisen sein, dass bei ihren Suizidhilfeangeboten das Geldverdienen im Vorder- grund steht und dass sie deshalb ihr Beratungsangebot nicht vorrangig auf lebensbejahende Perspektiven aus- richten. Ein Blick auf die im Internet nachlesbaren An- gebote und die veröffentlichten Satzungen reicht hierfür aus. Auch der Hinweis auf die angeblich steigende Zahl von Suizidfällen in den Niederlanden, Belgien und der Schweiz halten schon einer oberflächlichen Überprüfung nicht stand. In den Niederlanden und in Belgien ist seit 2001/2002 die aktive Strebehilfe unter bestimmten Be- dingungen nicht strafbar. In Deutschland ist sie aber strafbar, und zwar als Tötung auf Verlangen. Dies will auch niemand ändern. Um uns von den Niederlanden und Belgien abzusetzen, bedarf es deshalb des vorgeleg- ten neuen Strafgesetzes gar nicht. Und in der Schweiz ist die Suizidhilfe strafbar, wenn sie aus „selbstsüchtigen Beweggründen“ geschieht. Dies entspricht in etwa der vorgeschlagenen Gewerblichkeit; jedenfalls sind altruistische Motivationen straflos. Im Ergebnis würde der vorliegende Entwurf eine ähnliche Rechtslage wie in der Schweiz schaffen, obwohl die Be- gründung die Lage in der Schweiz gerade als einen Grund für den vorgelegten Entwurf benennt. Bezeich- nend ist in diesem Zusammenhang, dass die in der Schweiz legal tätigen Vereine als „quasi gewerbsmäßig auftretende Sterbehilfeorganisationen“ bezeichnet wer- den. So verschwimmt immer mehr, welche Personen ei- gentlich von der Strafbarkeit mit dem neuen Recht er- fasst werden sollen. Nur am Rande sei angemerkt, dass wir die Auffas- sung der Bunderegierung teilen, dass der Versuch, jegli- che – auch nicht gewerbsmäßige – organisierte Sterbe- hilfe zu verbieten, an verfassungsrechtliche Schranken stoßen würde. Was einem Einzelnen erlaubt ist, kann ei- nem Verein nicht verboten werden. Trotz also der ins Auge springenden Schwächen des vorgelegten Gesetzentwurfs gibt es Hinweise auf Vorge- hensweisen bei der Suizidhilfe, die strafwürdig sein könnten. Wir gehen von der Freiheit zur Selbstbestimmung aus. Diese beinhaltet auch die Freiheit, seinem Leben ein Ende zu setzen. Wir wollen solche Entscheidungen nicht fördern, wir wollen niemanden hierzu anstiften oder ver- leiten, aber wir achten und respektieren auch diese Ent- scheidung, wenn sie frei von Einflüssen Dritter und au- tonom getroffen wird. Deshalb ist weder der Suizid noch die Beihilfe hierzu unter Strafe gestellt. Der Staat ist aber – was völlig unbestritten ist – auf den Schutz menschlichen Lebens verpflichtet. Diese Schutzpflicht ist nicht vorrangig und nicht ausschließlich mit dem Mittel des Strafrechts zu erfüllen. Vor allem an- deren müssen wir mehr tun, um den Menschen die Angst vor unerträglichen Schmerzen und vor einem qualvollen Tod zu nehmen. Dazu gehört, die Palliativmedizin und die Hospizbewegung zu stärken und deren Angebote als Alternative zum Suizid bekannt zu machen. Zum staatlichen Schutzauftrag gehört aber auch, die Entscheidung, seinem Leben ein Ende zu setzen, von or- ganisierter Fremdbestimmung und Beeinflussung frei zu halten. Sollte hier eine evidente und eklatante Schutzlü- cke bestehen, ist diese zu schließen. Was sagt nun der Regierungsentwurf hierzu? Wir le- sen: „Diese Kommerzialisierung“ – der Sterbehilfe – „stellt eine qualitative Änderung in der Praxis der Ster- behilfe dar. Sie lässt befürchten, dass die Hilfe zum Sui- zid als eine normale Dienstleistung angesehen wird und sich Menschen zur Selbsttötung verleiten lassen, die dies Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. November 2012 25959 (A) (C) (D)(B) ohne ein solches Angebot nicht tun würden.“ Der Ent- wurf schlägt deshalb vor, „die gewerbsmäßige Förde- rung der Selbsttötung unter Strafe zu stellen“. Die Förderung von Suiziden – insbesondere dadurch, dass Menschen, die noch gar nicht zur Beendigung ihres Lebens entschlossen sind, die über Schmerzlinderung am Lebensende, über die Angebote der Hospize, über die Abfassung entsprechender Patientenverfügungen nicht aufgeklärt sind, verleitet werden, Suizid zu bege- hen – kann das Rechtsgut Leben in einer Art und Weise verletzen, dass an einen strafrechtlichen Schutz gegen solche Verletzungen zu denken wäre. Untersuchungen, die darüber Aufschluss geben könn- ten, ob es wirklich Tendenzen zu einer so verstandenen Kommerzialisierung des Suizids gibt, bleiben im Ge- setzentwurf unerwähnt. Ja, noch schlimmer, wir müssen lesen, dass die Bundesregierung solche Untersuchungen gar nicht kennt. Wenn man aber die Aussagen im Gesetzentwurf zur Grundlage neuen Strafrechts machen will, dann muss gerade das Element der Fremdbestimmung, das Verlei- ten zur Selbsttötung, auch im Straftatbestand als das ent- scheidende Merkmal der Straftat auftauchen. Nicht die Verschaffung der Gelegenheit zum Suizid an sich, nicht die Erstattung von Kosten, die dabei entstehen, nicht die Entlohnung der bei der Suizidhilfe eingesetzte Arbeits- zeit und Energie, ja nicht einmal die Motivation an sich, sich damit eine Einnahmequelle zu verschaffen, ist straf- würdig, sondern – wenn überhaupt – im Kern die Verlei- tung noch unentschlossener oder mangelhaft informier- ter Menschen zur Selbsttötung und die dadurch bewirkte Förderung des Suizids. Die Thematik der Strafbarkeit bestimmter Formen der Beihilfe zum Suizid ist eine ernsthafte und überaus schwierige. Ich bitte die Koalition mit Nachdruck, hier mit Gründlichkeit vor Schnelligkeit vorzugehen. Es gibt keinen Grund zur Hast und Oberflächlichkeit. Der vor- liegende Entwurf muss gründlich nach dem sogenannten Struck’schen Gesetz bearbeitet werden. Er darf den Bun- destag nicht in der Form und nicht mit der Begründung verlassen, wie er in den Bundestag eingebracht worden ist. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundes- ministerin der Justiz: Ein breiter gesellschaftlicher Konsens über Umfang und Inhalt einer Regulierung zur in ethischer, moralischer und juristischer Hinsicht äu- ßerst komplexen Frage der Suizidhilfe wird sich kaum erreichen lassen. Einerseits wird die Forderung nach generellen Verbotsregelungen erhoben, andererseits sehen viele Menschen ihr Selbstbestimmungsrecht nur dann ge- wahrt, wenn sie auch die uneingeschränkte Möglichkeit haben, Hilfe zur Selbsttötung in Anspruch zu nehmen. Verzweifelte Betroffene in großer seelischer oder kör- perlicher Not benötigen vor allem menschliche Zuwen- dung und eine medizinische Versorgung, die eine lebens- bejahende Einstellung erleichtert und die ihnen bei Schmerzen die bestmögliche palliativmedizinische Behandlung zukommen lässt. Leider können aber weder Unterstützung noch mo- derne Palliativmedizin alle Schmerzen lindern; auch weiterhin werden Menschen die Entscheidung zur Been- digung ihres Lebens treffen. Wir müssen uns als Gesetz- geber deshalb immer wieder fragen, welche rechtlichen Rahmenbedingungen wir in diesem sensiblen und schwierigen Bereich vorgeben wollen. Ausgangspunkt ist die grundsätzliche Straffreiheit der Suizidhilfe im deutschen Recht, da auch die Selbsttötung bekanntlich nicht strafbar ist. Es geht in der derzeitigen Diskussion also allein um die Frage, inwieweit Suizid- hilfe erstmals unter Strafe gestellt werden soll. Der Ent- wurf der Bundesregierung sieht dies nun für die Fälle vor, in denen Suizidhilfe gewerbsmäßig angeboten wird. Dort, wo sie kommerzialisiert wird, und wo sie sich zu einer Art „normaler Dienstleistung“ entwickeln kann, bestünde nämlich die Gefahr, dass sich vielleicht noch unentschlossene Menschen zum Suizid verleiten lassen oder dass bei den Suizidhelfern die Gewinnerzielung ei- gentliches Motiv des Handelns wird. Die Gewerbsmäßigkeit ist ein klares rechtliches Abgrenzungskriterium. Einer Kriminalisierung jeder or- ganisierten, konkret von Vereinen gewährten Suizidhilfe stünden dagegen auch verfassungsrechtliche Bedenken entgegen. Aufgrund der in Art. 9 GG garantierten Verei- nigungsfreiheit kann dem Verein nämlich grundsätzlich nicht verboten werden, was dem Einzelnen gestattet ist. Ähnlich schwer ließe sich für die sogenannte ge- schäftsmäßige – also für die lediglich auf Wiederholung angelegte und ohne Gewinnabsicht durchgeführte – Suizidhilfe begründen, weshalb ein an sich erlaubtes Verhalten allein dadurch strafbar sein sollte, dass es wie- derholt wird. Nach dem Entwurf der Bundesregierung soll die Suizidhilfe deshalb nur dann unter Strafe gestellt wer- den, wenn sie gewerbsmäßig, also aus kommerziellen Gründen angeboten wird. Dort, wo Suizidhilfe in einer emotional schwierigen Konfliktsituation im Familienkreis und aus rein altruisti- schen Gründen gewährt wird, soll dagegen bewusst nicht gesetzlich eingegriffen werden; in diesen intimen zwischenmenschlichen Beziehungen muss sich der Staat auch zukünftig zurückzuhalten. Der Gesetzentwurf stellt daher sicher, dass Angehörige und etwa langjährige und sehr enge Freunde von der Strafbarkeit ausgenommen werden, wenn sie an der Tat des Suizidhelfers lediglich teilnehmen, ohne selbst gewerbsmäßig zu handeln. Dies wird also weiterhin straffrei bleiben – wie es das Straf- gesetzbuch ja bereits jetzt vorsieht. Es geht dabei über- haupt nicht – auch das möchte ich noch einmal betonen – um den Beruf, den die Angehörigen oder engen Freunde ausüben. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung trifft eine maßvolle Wertentscheidung in dem sehr sensiblen Bereich der Sterbehilfe. 25960 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. November 2012 (A) (C) (D)(B) Anlage 13 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Zweiten Ge- setzes zur Änderung des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch (Zusatztagesordnungs- punkt 9) Ansgar Heveling (CDU/CSU): Das Recht der Sicherungsverwahrung beschäftigt seit Ende der 1990er- Jahre fortwährend den Gesetzgeber und die Rechtspre- chung. Das ist einerseits aus der Interessenlage der Betroffenen nachzuvollziehen, die, was ihr gutes Recht ist, jedwedes Rechtsmittel und sämtliche Instanzen nut- zen bis hin zu Bundesverfassungsgericht und Europäi- schem Gerichtshof für Menschenrechte. Andererseits ist es aus dem Blickwinkel des Gesetzgebers zur Dauerauf- gabe geworden, die Entscheidungen der Rechtsprechung im Hinblick auf den durch den Gesetzgeber wahrzuneh- menden Schutzauftrag gegenüber der Bevölkerung in entsprechende gesetzliche Regelungen zu übersetzen. Mit dem Therapie- und Unterbringungsgesetz, ThUG, hat die christlich-liberale Koalition zusammen mit der SPD-Fraktion eine gesetzliche Lösung für eine große Zahl von Fällen geschaffen, bei denen aufgrund der Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom Dezember 2009, rechtskräftig ge- worden im Mai 2010, sowie nachfolgend des Bundes- verfassungsgerichts im Mai 2011 eine Unterbringung nicht mehr auf der Grundlage des Rechts der Siche- rungsverwahrung erfolgen konnte. Außerdem ist der Deutsche Bundestag vor wenigen Wochen erst durch die Neuregelung des Rechts der Sicherungsverwahrung im Hinblick auf die Beachtung des Abstandsgebotes dem Auftrag des Bundesverfassungsgerichts aus seiner Ent- scheidung von Mai 2011 nachgekommen. Wir nehmen den Schutzauftrag gegenüber der Bevöl- kerung ernst und haben die entsprechenden gesetzlichen Regelungen zügig auf den Weg gebracht. Aufgrund der zeitlichen Lücke zwischen der Entscheidung des Euro- päischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Dezember 2009, dass die Sicherungsverwahrung vom Verbot der Rückwirkung nach Art. 7 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, EMRK, erfasst sei, und der Entscheidung des Bundes- verfassungsgerichts im Mai 2011, dass trotz des Rück- wirkungsgebots in einigen Fällen besonders hochgradi- ger Gefährlichkeit eine Freiheitsentziehung weiterhin möglich sei, ist es allerdings in wenigen Einzelfällen möglich, dass eine Regelungslücke besteht. Es geht hierbei um Fälle, in denen ein Antrag auf An- ordnung einer solchen Sicherungsverwahrung vor dem 4. Mai 2011 ausschließlich deshalb abgelehnt wurde, weil das zuständige Revisionsgericht dies aufgrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, EGMR, namentlich aufgrund der am 10. Mai 2010 bestandskräftig gewordenen Entscheidung des EGMR vom 17. Dezember 2009 – Nr. 19359/04 –, wegen Verstoßes gegen das Rückwirkungsverbot von Art. 7 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, EMRK, für zwin- gend ansah, unabhängig von sonstigen Kriterien wie insbesondere dem Grad der Gefährlichkeit des Täters, vergleiche namentlich BGH, Beschluss vom 12. Mai 2010, 4 StR 577/09. Diese Konstellation konnte dadurch entstehen, dass bis zum obengenannten Urteil des Bundesverfassungs- gerichts vom 4. Mai 2011 noch nicht abschließend geklärt war, ob die Vorgaben der EMRK und der Rechtsprechung des EGMR den nationalen Gerichten von vornherein jede rückwirkend verschärfende Rechts- anwendung im Recht der Sicherungsverwahrung aus- schlossen oder dies – unter erhöhten Voraussetzungen – doch noch möglich war. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf zur Änderung des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch, EGStGB, soll diese Lücke nun rasch geschlossen werden, um keine Schutzlücke entstehen zu lassen. So bedauerlich es einerseits ist, dass dies nun in einem eigenen Gesetz- gebungsverfahren geschehen muss und eine Regelung nicht schon mit dem vor einigen Wochen verabschiede- ten Gesetz zur Neuregelung der Sicherungsverwahrung erfolgte, so wichtig ist es andererseits, dass wir dieses Gesetzgebungsverfahren nun zügig durchführen. Hier gilt mein Dank allen Fraktionen, die sich konstruktiv in das Verfahren einbringen. Abschließend möchte ich, da dies in der vorbereiten- den Diskussion bereits Erwähnung gefunden hat, darauf hinweisen, dass eine Regelung der nachträglichen Siche- rungsverwahrung die mit dem vorliegenden Gesetz- entwurf zu erfassenden Fälle nicht umfasst hätte. Ohne Frage: Wir hätten uns im Gesetzgebungsverfahren zur Neuordnung der Sicherungsverwahrung als CDU/CSU- Fraktion auch für die Zukunft die Möglichkeit der nach- träglichen Sicherungsverwahrung gewünscht. Dies ist nach wie vor nicht geregelt. Die Fälle, die Grundlage dieses heute beratenen Gesetzentwurfs sind, wären aber – ich betone dies noch einmal – von der nachträglichen Sicherungsverwahrung nicht erfasst. Lassen Sie uns nun aber mit dem vorliegenden Gesetz die entstandene Lücke schnell schließen. Norbert Geis (CDU/CSU): Der vorliegende Gesetz- entwurf hat seinen Grund vor allem darin, dass der EGMR und das Bundesverfassungsgericht das Recht der Sicherungsverwahrung für verfassungs- und konven- tionswidrig erklärt haben. Genauer gesagt, hat der EGMR die Sicherungsverwahrung, SV, als Strafe qualifiziert, für die auch das Rückwirkungsverbot Anwendung fin- det. Die SV war zunächst auf zehn Jahre begrenzt. Diese zeitliche Begrenzung der SV wurde jedoch später aufge- hoben. Bis zu dem Urteil des EGMR war es möglich, dass ein Gericht auf entsprechenden Antrag hin die zu- nächst auf zehn Jahre befristete SV eines gefährlichen Täters nachträglich aufheben und verlängern konnte. Da diese Regelung vor dem EGMR keinen Bestand hatte, war die Folge, dass alle Täter, deren SV über die Zehn- jahresfrist hinaus verlängert worden war, nun freigelas- sen werden mussten. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. November 2012 25961 (A) (C) (D)(B) Dann hat der Bundestag mit dem Gesetz zur Thera- pierung und Unterbringung psychisch gestörter Gewalt- täter eine neue gesetzliche Regelung geschaffen, um sol- che Täter dann doch noch in Therapieunterbringung halten zu können. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 4. Mai 2011 festgestellt, dass die SV keine Strafe ist. Die nachträgliche SV bleibt also zulässig, wenn durch Freilassung des Täters von einer konkreten hoch- gradigen Gefährdung der Öffentlichkeit durch schwerste Gewalt oder Sexualverbrechen auszugehen ist und wenn bei dem Täter eine psychische Störung im Sinne des ThUG vorliegt. Im Juli 2012 stellte aber der BGH fest, dass das ThUG nach dem derzeitigen Wortlaut nicht auf Personen anwendbar ist, die nur vorläufig gemäß § 275 a StPO, alte Fassung, nicht aber endgültig in der nachträg- lichen SV untergebracht sind. Für diese Fälle, so der BGH, war keine Unterbringung nach dem ThUG mög- lich. Deshalb kam der Wunsch aus dem Bundesrat, diese Sicherheitslücke zu schließen. Der Deutsche Bundestag hat am 8. November 2012 das Gesetz zur bundesrechtlichen Umsetzung des Ab- standsgebotes im Recht der SV beschlossen. Allerdings wurde der Wunsch der Länder, durch eine Erweiterung des ThUG die Sicherheitslücke zu schließen, nicht er- füllt. Die Regierung war der Auffassung, dass dies nicht notwendig sei. Dagegen hat sich der Bundesrat gewehrt. Er wollte veranlassen, dass der Vermittlungsausschuss angerufen wird. Deshalb gab die Bundesregierung eine Protokollerklärung ab, in der sie zusichert, dass diese oben bezeichnete besondere Problematik im Rahmen ei- ner Übergangsregelung zu lösen sei. Dazu, so heißt es in der Protokollerklärung, werde die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag eine Ergänzung von Art. 316 e EGStGB vorschlagen. Die Koalition hat diesen Gedanken, der in der Proto- kollerklärung zum Ausdruck gekommen ist, aufgenom- men und hat nunmehr das vorliegende Gesetz ausgear- beitet und vorgelegt, um damit die erwähnte Sicherheitslücke zu schließen. Mit der vorgesehenen Übergangsregelung im EGStGB wird also der Anwendungsbereich des Thera- pieunterbringungsgesetzes, ThUG, nachträglich ergänzt. Das ThUG soll zukünftig auch für die besonderen Fälle anwendbar sein, in denen der Täter zwar noch nicht oder nur vorläufig in der SV untergebracht ist, gegen den aber bereits im ersten Rechtszug die SV angeordnet worden war. In einem solchen speziellen Fall hatte der BGH mit Urteil vom Mai 2010 auf die Revision hin das erstinstanz- liche Urteil aufgehoben, weil die Norm, auf die die An- ordnung gestützt worden war (§ 66 Abs. 3 StGB, alte Fassung), zum Tatzeitpunkt noch nicht in Kraft war. Deshalb, so der BGH, konnte die Anordnung nicht rechtskräftig erfolgen. Der BGH stützte sich dabei auf die Entscheidung des EGMR vom 17. Dezember 2009. Allerdings lag zum Zeitpunkt des Urteils des BGH noch nicht das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2011 vor, das die nachträgliche SV für zulässig erklärt, wenn eine konkrete, hochgradige Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualverbrechen besteht und wenn bei dem Täter eine psychische Störung im Sinne des ThUG vorliegt. Folglich wäre das damalige Urteil des BGH nicht ergangen, wenn zum Zeitpunkt der Ent- scheidung das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes schon vorgelegen hätte. Die Rechtskraft der Entscheidung über die Ableh- nung der Anordnung der SV ist also deshalb entstanden, weil die Grundsätze des Urteils des Verfassungsgerichtes vom 4. Mai 2011 noch nicht vorlagen und daher nicht berücksichtigt werden konnten. Daraus geht nämlich hervor, dass trotz des Rückwirkungsverbotes eine An- ordnung der nachträglichen SV unter bestimmten Um- ständen eben doch erfolgen kann. Der BGH führt nun in seinem Urteil vom Juli 2012 aus, dass das ThUG nach seinem derzeitigen Wortlaut nicht auf Personen anwendbar ist, die nur vorläufig ge- mäß § 275 a StPO, alte Fassung, und nicht endgültig in der nachträglichen SV untergebracht waren. Der Gesetzentwurf will nun diese Lücke schließen. Die Regelung sieht vor, dass § 1 ThUG auch dann an- wendbar ist, wenn der Betroffene noch nicht rechtskräf- tig in der SV untergebracht war, gegen ihn aber bereits SV im ersten Rechtszug angeordnet worden war, eine Revisionsentscheidung vor dem 4. Mai 2011 (Entschei- dung des BVerfG) ergangen ist, in dieser Revisionsent- scheidung festgestellt wurde, dass die nachträgliche SV allein wegen eines Verbotes der rückwirkenden Ver- schärfung im Recht die SV nicht rechtswirksam ange- ordnet werden konnte, sodass es auf die Gefährlichkeit des Täters gar nicht mehr ankam. Dieser Gesetzentwurf der Koalition schließt eine zwar kleine, aber sehr wohl existierende Regelungslücke im Anwendungsbereich des ThUG, die ein hohes Risiko darstellt. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 12. Juli 2012 hat gezeigt, dass aufgrund der zeitli- chen Abfolge zwischen dem Inkrafttreten des ThUG am 1. Januar 2011 und der Entscheidung des Bundesverfas- sungsgerichtes vom 4. Mai 2011 sowie den vorhergegan- genen Urteilen des EGMR in den Jahren 2009 und 2010 ein „anwendungsfreier Bereich“ für hochgefährliche Straftäter entstanden ist. Diese Gesetzeslücke wird durch den vorliegenden Gesetzentwurf geschlossen. Ein Gericht kann nun die Unterbringung von solchen hochgradig gefährlichen Personen, die aufgrund dieser Gesetzeslücke trotz ihres hohen Rückfallrisikos hätten freigelassen werden müs- sen, in einer geeigneten geschlossenen Einrichtung an- ordnen. Die Anordnung setzt voraus, dass der Täter ge- mäß § 1 Abs. 1 ThUG an einer psychischen Störung leidet. Zudem muss eine Gesamtwürdigung der Persön- lichkeit, des Vorlebens und der Lebensverhältnisse des Täters ergeben, dass infolge der psychischen Störung mit hoher Wahrscheinlichkeit das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die se- xuelle Selbstbestimmung einer anderen Person erheblich beeinträchtigt werden könnte. Ebenfalls muss die Unter- bringung in der SV aus den zuvor genannten Gründen zum Schutz der Allgemeinheit notwendig sein. 25962 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. November 2012 (A) (C) (D)(B) Burkhard Lischka (SPD): Steter Tropfen höhlt den Stein. Zumindest im Bereich der Sicherungsverwahrung sind unsere mahnenden Rufe gehört worden – wenn auch nur teilweise und in letzter Minute. Seit der Ent- scheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Siche- rungsverwahrung vom Mai 2011 haben sowohl die SPD- Bundestagsfraktion als auch die Länder immer wieder auf die Notwendigkeit einer möglichen nachträglichen Therapieunterbringung gefährlicher Gewalt- und Sexual- straftäter hingewiesen. Die Anhörung des Rechtsaus- schusses hat unsere Forderung eindrücklich bestätigt. Die von den Sachverständigen zur Illustrierung genann- ten Beispiele aus der gerichtlichen Praxis gingen wahr- lich unter die Haut. Die Bundesjustizministerin hat sich jedoch aus nicht nachvollziehbaren Gründen bis zuletzt gesträubt, die nachträgliche Therapieunterbringung zu ermöglichen. Und die Union? Sie hat sich zähneknirschend wider bes- seres Wissen der Koalitionsdisziplin gebeugt. Mulmig wurde der Koalition, als kurz vor dem längst überfälligen Abschluss der parlamentarischen Beratun- gen des Regierungsentwurfs ein BGH-Beschluss publik wurde, nach dem ein hochgefährlicher Sexualstraftäter im Saarland hätte entlassen werden müssen, da der Ge- setzesvorschlag keine Handhabe zu seiner Unterbrin- gung bietet. Aber auch hier endete das Koalitionsgezerre wie in den vielen Monaten zuvor: Es wurde viel debat- tiert, aber ohne Ergebnis. Erst im Bundesrat ist die Bundesregierung dem Druck der Länder gewichen und hat per Protokollerklärung eine teilweise Nachbesserung zugesichert. Anstatt diese jedoch mit offenem Visier zu präsentieren, versteckte die Koalition die Änderung zunächst verschämt als Anhang im Bilanzrechtsänderungsgesetz. Zu peinlich war ihr wohl das Eingeständnis, bereits wenige Wochen nach Verabschiedung ihres Gesetzes zur Neuregelung der Si- cherungsverwahrung die ersten Nachbesserungen vor- nehmen zu müssen. Aber jetzt ist die – hoffentlich – letzte Schleife ge- dreht; die Koalition hat die Nachbesserung in Form eines eigenen Gesetzentwurfs präsentiert. Wir begrüßen dies im Ergebnis, da diese Regelung ein Mehr an Schutz be- wirkt. Es bleibt die Frage: Warum nicht gleich so? Und es bleibt die Forderung nach Ermöglichung einer nach- träglichen Therapieunterbringung, denn diese ist mit dem Änderungsantrag noch nicht realisiert. Die Bundes- justizministerin tut dies lapidar mit der Bemerkung „Die Wirkung der nachträglichen Therapieunterbringung wird überschätzt“ ab. Wir können nur hoffen, dass ihr dieser Kommentar nicht noch um die Ohren fliegt. Christian Ahrendt (FDP): Der Gesetzentwurf dient der Umsetzung einer Protokollerklärung, die im Zuge des Abschlusses der Reform der Sicherungsverwahrung vor dem Bundesrat abzugeben war. Die Länder befürch- teten aufgrund eines Einzelfalls aus dem Saarland das Bestehen einer Schutzlücke. Mit diesem Gesetz soll dem Anliegen der Länder nun Rechnung getragen werden, auch wenn davon auszugehen ist, dass es derzeit tatsäch- lich keine weiteren Anwendungsfälle für die vorgeschla- gene Änderung gibt. Im Saarland gibt es den einzigen Fall, in dem die vor- geschlagene Änderung des Therapieunterbringungsge- setzes, ThUG, virulent wurde. Dieser Einzelfall beruht auf dem Umstand, dass der Bundesgerichtshof, BGH, im Mai 2010 unmittelbar nach der Rechtskraft der Entschei- dung des Europäischen Gerichtshofs für Menschen- rechte, EGMR, vom Dezember 2009 eine Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung abgelehnt hatte. Kernpunkt der Entscheidung des EGMR war, dass rückwirkende gesetzliche Verschärfungen der Siche- rungsverwahrung nicht zulässig waren. Folglich könnte dies grundsätzlich zur Entlassung von Untergebrachten führen. Erst am 4. Mai 2011 hat das Bundesverfassungs- gericht in seinem Urteil schließlich entschieden, die An- ordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung mit entsprechenden Maßnahmen doch zuzulassen. Bis dahin war noch nicht abschließend geklärt, ob die Vorgaben der EMRK und der Rechtsprechung des EGMR den na- tionalen Gerichten von vorneherein jede rückwirkend verschärfende Rechtsanwendung im Recht der Siche- rungsverwahrung ausschlossen oder dies unter erhöhten Voraussetzungen noch möglich war. Vom Anwendungsbereich des Therapieunterbringungs- gesetzes sind daher ebenfalls solche in diesen Zeitraum fallende Fälle nicht erfasst, in denen gegen einen hoch- gradig gefährlichen Betroffenen zwar noch keine Siche- rungsverwahrung vollstreckt wurde, diese aber bereits in erster Instanz angeordnet und in der Revisionsinstanz we- gen der Entscheidung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, EGMR, aufgehoben wurde. Denn nach § 1 Abs. 1 ThUG kann die Therapieunterbringung nur ge- gen Betroffene angeordnet werden, die sich in Siche- rungsverwahrung befinden oder bereits befunden haben. Für diese sehr beschränkte Fallkonstellation soll im Wege einer Übergangsregelung der Anwendungsbereich des Therapieunterbringungsgesetzes insofern durch ei- nen neuen Abs. 4 in Art. 316 e des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch, EGStGB, erweitert werden. Halina Wawzyniak (DIE LINKE): Wir erleben ge- rade ein Kuriosum. Eine Rede zu Protokoll, ohne dass zum Zeitpunkt des Schreibens dieser Rede der zu bere- dende Gesetzentwurf überhaupt eine Drucksachennum- mer hat bzw. vorliegt. Was ist passiert? Der Bundesrat hat in der vergangenen Woche das Gesetz zur Regelung des Abstandsgebotes im Recht der Sicherungsverwah- rung beschlossen. Die Linke lehnt dieses Gesetz ab, hat aber erfreut zur Kenntnis genommen, dass CDU und SPD sich mit ihrer Forderung nach Einführung der nach- träglichen Therapieunterbringung nicht durchsetzen konnten. Dem Rechtsausschuss am Mittwoch dieser Woche lag nun ein Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen zum MicroBilG vor, mit welchem das Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch geändert werden sollte. In diesem Antrag – Ausschussdrucksache 17(6)219 – hieß es: „§ 1 des Therapieunterbringungsgesetzes vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I S. 2300, 2305) ist unter den dortigen Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. November 2012 25963 (A) (C) (D)(B) sonstigen Voraussetzungen auch dann anzuwenden, wenn der Betroffene noch nicht in Sicherungsverwah- rung untergebracht, gegen ihn aber bereits Sicherungs- verwahrung im ersten Rechtszug angeordnet war und aufgrund einer vor dem 4. Mai 2011 ergangenen Revi- sionsentscheidung festgestellt wurde, dass die Siche- rungsverwahrung ausschließlich deshalb nicht rechts- kräftig angeordnet werden konnte, weil ein zu berücksichtigendes Verbot rückwirkender Verschärfun- gen im Recht der Sicherungsverwahrung dem entgegen- stand, ohne dass es dabei auf den Grad der Gefährlich- keit des Betroffenen für die Allgemeinheit angekommen wäre.“ Es wird sofort deutlich, dass diese Änderung nichts mit dem eigentlichen Gesetz, um das es im Ausschuss ging, zu tun hat. Die Linke hatte deshalb angekündigt, im Rechtsausschuss eine Abstimmung darüber herbeizu- führen, ob der nach § 62 Abs. 1 Satz 2 Geschäftsord- nung notwendige unmittelbare Sachzusammenhang ge- geben ist. Die Koalitionsfraktionen haben daraufhin diesen Änderungsantrag zurückgezogen. Das ist die ein- zig richtige Entscheidung gewesen, auch wenn so die Welt nie erfahren wird, worin der angeblich unmittelbare Zusammenhang zum MicroBilG besteht, und wir heute über einen Gesetzentwurf reden, der zum Zeitpunkt der Erstellung der Rede noch nicht vorliegt. Es steht zu vermuten, dass die noch unbekannte Drucksache, über die wir reden, dem Änderungsantrag im Rechtsausschuss entspricht. Mit der – zumindest im Rechtsausschuss vorgelegten – Änderung an § 1 Thera- pieunterbringungsgesetz wird der Anwendungsbereich des Therapieunterbringungsgesetzes erweitert und so die rückwirkende Verschärfung im Recht der Sicherungs- verwahrung perpetuiert. Mit diesem Gesetzentwurf soll ein Mensch, gegen den die Sicherungsverwahrung erstinstanzlich angeordnet wurde, bei dem die ent- sprechende Entscheidung aber nicht rechtskräftig gewor- den ist und der sich deshalb derzeit nicht in Sicherungs- verwahrung befindet, nunmehr nach dem Therapieunterbringungsgesetz in einer „geeigneten ge- schlossenen Einrichtung“ untergebracht werden. Dies lehnen wir als Umgehung des Urteils des Euro- päischen Gerichtshofs für Menschenrechte aus dem Dezember 2009 ab. Die richtige Konsequenz aus dem Urteil, die nachträgliche Sicherungsverwahrung, unab- hängig von einer neuen Betitelung als Therapieunter- bringung, für Alt- und Neufälle abzuschaffen, wird so umgangen. Wir halten das Therapieunterbringungs- gesetz außerdem für verfassungswidrig. Es versieht menschenrechtlich problematisch bisher nicht als psy- chisch krank befundene Menschen nun mit dem unbe- stimmten Begriff „psychisch gestört“, und zwar allein mit dem Ziel, sie weiterhin der Freiheit berauben zu kön- nen. Neben dieser unzulässigen Umetikettierung ergeben sich kompetenzrechtliche Bedenken. Diese Änderung wird von uns daher abgelehnt. Es kommt aber noch ein weiteres Problem hinzu. Im Rechtsausschuss wurde den Abgeordneten erklärt, dass die Regelung notwendig sei, weil im Bundesrat – ver- gleiche Protokoll der Bundesratssitzung vom 17. De- zember 2010, Seite 538 – eine Erklärung des Saarlandes zu Protokoll gegeben wurde. Darin heißt es: „… geht das Saarland bezüglich des Anwendungsbereiches des § 1 des Gesetzes zur Therapierung und Unterbringung psy- chisch gestörter Gewalttäter davon aus, dass die Fälle noch fortdauernder oder bereits beendeter Freiheitsent- ziehung der verurteilten Personen in Vollzug eines Unterbringungsbefehls gemäß § 275 a der Strafprozess- ordnung vom Anwendungsbereich mit umfasst sind.“ Da dies – wie auch bereits der Bundesgerichtshof feststellte – nicht der Fall zu sein scheint, wurde wohl die vorlie- gende neue Regelung verfasst. Im Rechtsausschuss wurde ausdrücklich erwähnt, dass die angedachte Geset- zesänderung einen derzeit bekannten Fall betreffe. Mithin würde nach derzeitigem Kenntnisstand der Bundesregierung die Gesetzesänderung konkret bei ei- ner Person zur Anwendung kommen. Angesichts dessen liegt dieser Vorschlag trotz abstrakt-genereller Formulie- rung ziemlich nah an einem unzulässigen Einzelfall- gesetz. Die Linke hat bereits das Therapieunterbringungs- gesetz abgelehnt; einer Verschlechterung eines schlech- ten Gesetzes können wir unmöglich zustimmen. Das Ge- setzgebungsverfahren ist darüber hinaus intransparent, sodass auch aus demokratietheoretischen Gründen eine Zustimmung unmöglich ist. Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf zur Änderung des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch soll wieder einmal eine angebliche Lücke im Recht der Sicherungs- verwahrung geschlossen werden. Gleichzeitig erfüllt die Bundesregierung damit eine Zusage gegenüber dem Bundesrat. Der Wunsch der Länder Hamburg und Bayern, der Bundesrat möge in der Beratung über das Gesetz zur Reform der Ausgestaltung der Sicherungs- verwahrung den Vermittlungsausschuss anrufen, fand im Bundesrat keine Mehrheit – vielleicht auch, weil die Bundesregierung sich zu der Vorlage verpflichtete, über die wir heute zu diskutieren haben. Wir Grüne haben die Reform des Rechts der Siche- rungsverwahrung, obwohl die von uns eingebrachten ge- wichtigen Änderungsanträge von der Koalition leider abgelehnt worden sind, im Grundsatz befürwortet. Denn mit der Reform werden wichtige Urteile des Europäi- schen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Bundes- verfassungsgerichts umgesetzt. So wird die nachträgli- che Sicherungsverwahrung – wenigstens für zukünftige Fälle – abgeschafft, und für den Vollzug gelten endlich die menschenrechtlich notwendigen Vorgaben. Auch wir wollen, dass die Gesetzgebung endlich zu einem Abschluss kommt und die Länder auf gesicherter Grund- lage an die Ausgestaltung des Vollzugs der Sicherungs- verwahrung gehen können. Aus diesem Grund stellen wir uns nicht gegen die Erfüllung des im Bundesrat ge- gebenen Versprechens durch die Bundesregierung. Andererseits sind wir in der Sache entschieden ande- rer Auffassung. Wir haben schon bei der Reform im Jahre 2010 dafür geworben, mit dem Grundsatz des Rückwirkungsverbots Ernst zu machen, und, aus der 25964 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. November 2012 (A) (C) (D)(B) Sicht der Betroffenen, Verschlechterungen der Rechts- lage nur und ausschließlich für die Zukunft wirken zu lassen. Das galt und gilt sowohl für den Wegfall der Zehnjahresfrist, für den Wegfall von Vergünstigungen für Verurteilte in der früheren DDR als auch für diejeni- gen, die von den Verschärfungen des Rechts der Siche- rungsverwahrung bei Begehung von Sexualdelikten be- troffen waren. Die gegenteilige Auffassung, die sich bis in die heutige Vorlage zur Änderung des Einführungs- gesetzes zum Strafgesetzbuch durchzieht, glaubt, jede auftauchende angebliche Schutzlücke durch Nachbesse- rungen und Sonderregelungen schließen zu müssen. Wer dieser Logik erliegt, für den gibt es auf der Rutschbahn vom Rechtsstaat zum präventiven Sicherheits- und Überwachungsstaat kein Halten. Das Recht der Siche- rungsverwahrung kodifiziert Grenzen, jenseits derer eine Sicherungsverwahrung nicht infrage kommt, egal wie gefährlich der jeweilige Rechtsbrecher auch sein mag. Ein Mindestmaß an Rechtsstaatlichkeit und Streben nach absoluter Sicherheit vertragen sich nicht. Die andau- ernde Ausweitung der Sicherungsverwahrung in den Jahren ab Anfang 1998, an der alle Regierungen beteiligt waren und die gerade in den Reihen der Union besonders laut und aggressiv gefordert wurde, hat dazu geführt, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Deutschland Nachhilfe in Rechtsstaatlichkeit und der Beachtung von Menschenrechten erteilen musste. Auch das ThUG, das Therapieunterbringungsgesetz, ist ein solcher Ausdruck fortwährenden Schutz- lückenschließens. Jeder noch so kleine Türspalt, den die Urteile des Bundesverfassungsgerichts öffnen, wird ge- nutzt, um die Sicherungsverwahrung auszuweiten. Das Gericht hat das ThUG bisher noch nicht an den Normen des Grundgesetzes geprüft – 2 BvR 2365/09, Anmer- kung 173! Wenn nicht das Bundesverfassungsgericht, dann wird der schon mehrfach erwähnte Europäische Gerichtshof für Menschenrechte dem ThUG vielleicht den Garaus machen. Die für das ThUG zentrale neue Begrifflichkeit einer psychischen Störung wird von den meisten psychiatrischen Praktikern wie Sachverständi- gen als eine völlig amorphe und untaugliche Kategorie menschlicher Persönlichkeitsstrukturen bezeichnet, die lediglich dazu dient, mit ihrer Hilfe zukünftig angeblich hochgefährliche Straftäter zu identifizieren. In einem Antrag der SPD hierzu wird mehr als 50 Prozent der heutigen Gefängnispopulation in Deutschland als „psy- chisch gestört“ bezeichnet. Das Bundesverfassungsgericht hat es zwar nicht für schlichtweg verfassungswidrig angesehen, mit dem Be- griff der „psychischen Störung“ im Rahmen von kurzen Übergangsregelungen zu arbeiten, aber muss der Gesetz- geber zu jedem Mittel greifen, das gerade so dem Ver- dikt der Verfassungswidrigkeit entkommen ist? Da wir Grünen schon seit Jahren die Abschaffung des ThUG fordern, können wir der jetzt vorgelegten weite- ren – wenn auch kleinen und in sich folgerichtigen – Ausweitung des ThUG nicht zustimmen. Weil wir aber der Gesamtreform des Rechts der Sicherungsverwah- rung nicht im Wege stehen wollen, werden wir uns in der Abstimmung enthalten. 211. Sitzung Inhaltsverzeichnis ZP 2 Energiewirtschaftsrecht – Offshore-Stromerzeugung TOP 4, ZP 3 Asylbewerberleistungsrecht TOP 51, ZP 4 Überweisungen im vereinfachten Verfahren TOP 52, ZP 5 Abschließende Beratungen ohne Aussprache TOP 5 Wahl zum Beirat der Stiftung Datenschutz ZP 6 Aktuelle Stunde zu Gutscheinen für Haushaltshilfen TOP 3 Raumentwicklungspolitik TOP 7 Wasser- und Schifffahrtsverwaltung TOP 6 Patientenrechte TOP 9, ZP 7 Verteilung der Kosten der Energiewende TOP 8 Umsetzung EuGH-Urteil -freier Kapitalverkehr- TOP 11 UN-Klimakonferenz in Doha TOP 10 Bundeswehreinsatz (Operation Active Endeavour) TOP 13, ZP 8 Weltgesundheitspolitik TOP 12 Reduzierung von Schienenverkehrslärm TOP 24 Kapitalgesellschaften mit kommunaler Beteiligung TOP 14 EU-Charta der Regional- und Minderheitensprachen TOP 17 Umsetzung der Energiewende im Gebäudebestand TOP 16 Statut des Internationalen Strafgerichtshofes TOP 18 Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens TOP 20 Deutschland im UN-Sicherheitsrat TOP 19 Urheberrecht (Presseerzeugnisse im Internet) TOP 22 Forschung zum Thema Rechtsextremismus TOP 21 Fortentwicklung des Städtebaurechts TOP 32 Kennzeichnungspflicht für Bundespolizei ZP 9 Therapieunterbringung TOP 26 Steuertransparenz bei multinationalen Unternehmen TOP 25 Agrarmarktrechtliche Bestimmungen TOP 28 Leid der „Trostfrauen“ TOP 29 Urheberrecht (Nutzung für Unterrichtszwecke) TOP 30 Schiffsunfallvorsorge am Fehmarnbelt TOP 31 Kleinstkapitalgesellschaften-Bilanzrecht TOP 41 Bedingungen für Promovierende TOP 33 Kindertagesbetreuung TOP 34 Freiwilligendienst „Weltwärts“ TOP 35 Ökologische Baustoffe TOP 36 Schutz der Afrikanischen Elefanten TOP 37 Arbeitsbedingungen von Hausangestellten TOP 38 Barrierefreies Filmangebot TOP 39 Taubblindheit TOP 40 Gewerbsmäßige Förderung der Selbsttötung TOP 44 Sportförderung TOP 43 Israelisch-palästinensischer Konflikt Anlagen
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. h.c. Wolfgang Thierse


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)


    Herr Kollege, es gibt den Wunsch nach einer weiteren

    Zwischenfrage, diesmal vom Kollegen Hinsken. Wollen
    Sie sie gestatten?



Rede von Eckhardt Rehberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

Sehr gerne.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. h.c. Wolfgang Thierse


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)


    Das ist dann aber die letzte Zwischenfrage, die ich

    diesem Redner zumute.


    (Hans-Joachim Hacker [SPD]: Die Frage ist bestellt!)