Rede:
ID1719815300

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 23
    1. Vielen: 1
    2. Dank,: 1
    3. Frau: 1
    4. Bundesministerin.: 1
    5. –: 1
    6. Nächster: 1
    7. Red-ner: 1
    8. in: 1
    9. unserer: 1
    10. Aussprache: 1
    11. ist: 1
    12. für: 1
    13. die: 1
    14. Fraktion: 1
    15. der: 1
    16. Sozial-demokraten: 1
    17. unser: 1
    18. Kollege: 1
    19. René: 1
    20. Röspel.: 1
    21. Bitte: 1
    22. schön,Kollege: 1
    23. Röspel.\n: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 17/198 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 198. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 18. Oktober 2012 I n h a l t : Wahl des Herrn Andreas Meitzner als stell- vertretendes Mitglied in den Stiftungsrat der Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöh- nung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erweiterung und Abwicklung der Tagesord- nung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Absetzung der Tagesordnungspunkte 37 und 41 d . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachträgliche Ausschussüberweisung . . . . . . Tagesordnungspunkt 4: Abgabe einer Regierungserklärung durch die Bundeskanzlerin: zum Europäischen Rat am 18./19. Oktober 2012 in Brüssel . . . . . . Dr. Angela Merkel,  Bundeskanzlerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peer Steinbrück (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rainer Brüderle (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Volker Kauder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Renate Künast (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gerda Hasselfeldt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Sigmar Gabriel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Volker Kauder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Hermann Otto Solms (FDP) . . . . . . . . . . . Norbert Barthle (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Klaus-Peter Flosbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . Michael Stübgen (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 5: a) Antrag der Abgeordneten Willi Brase, Dr. Ernst Dieter Rossmann, Dr. Hans- Peter Bartels, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Jugendliche haben ein Recht auf Ausbildung (Drucksache 17/10116) . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Agnes Alpers, Nicole Gohlke, Dr. Rosemarie Hein, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Perspektiven für 1,5 Millionen junge Menschen ohne Berufsabschluss schaffen – Ausbildung für alle garantie- ren (Drucksache 17/10856) . . . . . . . . . . . . . . c) Antrag der Abgeordneten Kai Gehring, Brigitte Pothmer, Ekin Deligöz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Mit DualPlus mehr Jugendlichen und Betrieben die Teilnahme an der dualen Ausbildung ermöglichen (Drucksache 17/9586) . . . . . . . . . . . . . . . d) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Berufsbildungsbericht 2012 (Drucksache 17/9700) . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 2: Antrag der Abgeordneten Uwe Schummer, Albert Rupprecht (Weiden), Michael Kretschmer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeord- neten Heiner Kamp, Dr. Martin Neumann (Lausitz), Sylvia Canel, weiterer Abgeordne- 23807 A 23807 B 23809 C 23809 C 23810 C 23810 D 23818 A 23822 D 23825 A 23828 B 23830 C 23833 B 23835 A 23835 C 23836 A 23837 B 23838 B 23840 A 23841 B 23841 B 23841 B 23841 C Inhaltsverzeichnis II Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Oktober 2012 ter und der Fraktion der FDP: Das deutsche Berufsbildungssystem – Versicherung ge- gen Jugendarbeitslosigkeit und Fachkräf- temangel (Drucksache 17/10986) . . . . . . . . . . . . . . . . . Willi Brase (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Annette Schavan, Bundesministerin  BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Agnes Alpers (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Heiner Kamp (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Uwe Schummer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Oliver Kaczmarek (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Patrick Meinhardt (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Thomas Feist (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Nadine Schön (St. Wendel) (CDU/CSU) . . . . Katja Mast (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Reinhard Brandl (CDU/CSU) . . . . . . . . . Axel Knoerig (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 40: a) Erste Beratung des vom Bundesrat einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zum Schutz des Erbrechts und der Verfah- rensbeteiligungsrechte nichtehelicher und einzeladoptierter Kinder im Nach- lassverfahren (Drucksache 17/9427) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes über die Feststellung des Wirt- schaftsplans des ERP-Sondervermögens für das Jahr 2013 (ERP-Wirtschafts- plangesetz 2013) (Drucksache 17/10915) . . . . . . . . . . . . . . . c) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Luftverkehrsabkommen vom 17. Dezember 2009 zwischen Kanada und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten (Vertragsgesetz EU- Kanada-Luftverkehrsabkommen – EU- KAN-LuftverkAbkG) (Drucksache 17/10917) . . . . . . . . . . . . . . . d) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Änderung der Gewerbeordnung und anderer Gesetze (Drucksache 17/10961) . . . . . . . . . . . . . . . e) Antrag der Abgeordneten Angelika Graf (Rosenheim), Marianne Schieder (Schwan- dorf), Frank Hofmann (Volkach), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Konsum kristalliner Methamphetamine durch Prävention eindämmen – Neue synthetische Drogen europaweit effi- zienter bekämpfen (Drucksache 17/10646) . . . . . . . . . . . . . . f) Antrag der Abgeordneten Wolfgang Börnsen (Bönstrup), Johannes Selle, Dorothee Bär, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Dr. Claudia Winterstein, Burkhardt Müller- Sönksen, Reiner Deutschmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Das Filmerbe stärken, die Kulturschätze für die Nachwelt bewahren und im digi- talen Zeitalter zugänglich machen (Drucksache 17/11006) . . . . . . . . . . . . . . g) Antrag der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Jan Korte, Agnes Alpers, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Rehabilitierung und Entschädi- gung der verfolgten Lesben und Schwu- len in beiden deutschen Staaten (Drucksache 17/10841) . . . . . . . . . . . . . . h) Antrag der Abgeordneten Kathrin Senger- Schäfer, Jan Korte, Herbert Behrens, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Finanzierung zur Bewahrung des deutschen Filmerbes endlich sicher- stellen (Drucksache 17/11007) . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 3: a) Antrag der Abgeordneten Claudia Roth (Augsburg), Tom Koenigs, Hans-Christian Ströbele, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: NS-Vergangenheit von Bundesministe- rien und Behörden systematisch aufar- beiten – Bestandsaufnahme zur For- schung erstellen – Erinnerungsarbeit koordinieren (Drucksache 17/10068) . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Markus Kurth, Beate Müller-Gemmeke, Britta Haßelmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Für eine angemessene Praxis bei Anträgen auf Kindergeldabzweigung durch die So- zialhilfeträger (Drucksache 17/10863) . . . . . . . . . . . . . . c) Antrag der Abgeordneten Dr. Günter Krings, Michael Kretschmer, Dr. Hans- Peter Uhl, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abge- 23841 C 23841 D 23843 C 23845 A 23847 A 23849 A 23850 B 23851 D 23853 B 23855 A 23855 D 23856 B 23857 B 23858 D 23859 D 23861 A 23861 A 23861 A 23861 D 23861 B 23861 C 23861 C 23861 D 23861 D 23861 D Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Oktober 2012 III ordneten Dr. h. c. Wolfgang Thierse, Siegmund Ehrmann, Angelika Krüger- Leißner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Dr. Stefan Ruppert, Patrick Kurth (Kyff- häuser), Gisela Piltz, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion der FDP: Wissen- schafts- und Forschungsfreiheit stärken, Rahmenbedingungen verbessern – Die Aufarbeitung der Geschichte der wich- tigsten staatlichen Institutionen in Be- zug auf die NS-Vergangenheit durch besseren Aktenzugang unterstützen und Bestandsaufnahmen zur Aufarbeitung der frühen Geschichte der Bundesminis- terien und -behörden sowie der ver- gleichbaren DDR-Institutionen beauf- tragen (Drucksache 17/11001) . . . . . . . . . . . . . . . d) Antrag der Abgeordneten Dr. Marlies Volkmer, Dr. Karl Lauterbach, Elke Ferner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Patientenrechte wirksam ver- bessern (Drucksache 17/11008) . . . . . . . . . . . . . . . e) Antrag der Abgeordneten Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Kerstin Andreae, Markus Kurth, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Beitragssätze nachhaltig stabilisieren, Erwerbsminderungsrente verbessern, Reha-Budget angemessen ausgestalten (Drucksache 17/11010) . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 41: a) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Martin Dörmann, Gerold Reichenbach, Doris Barnett, weiteren Ab- geordneten und der Fraktion der SPD ein- gebrachten Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung des Telemediengesetzes (TMG) (Drucksachen 17/8454, 17/8814) . . . . . . . b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Vorschlag für einen Beschluss des Rates zur Festlegung ei- nes Mehrjahresrahmens (2013–2017) für die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (Drucksachen 17/10760, 17/11062) . . . . . c) Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Frei- handelsabkommen vom 6. Oktober 2010 zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Korea andererseits (Drucksachen 17/10758, 17/11054) . . . . . e) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Par- laments und des Rates zur Aufstellung des Programms für Umwelt- und Kli- mapolitik (LIFE) – KOM(2011) 874 endg.; Ratsdok. 18627/11  (Drucksachen 17/8515 Nr. A.42, 17/10196) f) – l) Beratung der Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses: Sammelübersich- ten 473, 474, 475, 476, 477, 478, 479 zu Petitionen (Drucksachen 17/10834, 17/10835, 17/10836, 17/10837, 17/10838, 17/10839, 17/10840) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 4: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 29. Juni 2012 zwischen der Bundesre- publik Deutschland und dem Globalen Treuhandfonds für Nutzpflanzenvielfalt über den Sitz des Globalen Treuhand- fonds für Nutzpflanzenvielfalt (Drucksachen 17/10756, 17/11035) . . . . . b) Antrag der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Portugal unterstützen und Parlamentsrechte wahren – hier: Stellungnahme des Deut- schen Bundestages nach Artikel 23 des Grundgesetzes i. V. m. § 9 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundes- regierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union (Drucksache 17/11009) . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 5: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Integrität parlamentarischer Entscheidungen durch mehr Transparenz und klare Regeln ge- währleisten – Nebentätigkeiten, Karenzzeit für Regierungsmitglieder, Abgeordneten- bestechung und Parteiengesetz . . . . . . . . . . Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU) . . . . . . Thomas Oppermann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Hermann Otto Solms (FDP) . . . . . . . . . . . Raju Sharma (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Wolfgang Götzer (CDU/CSU) . . . . . . . . . 23862 A 23862 B 23862 B 23862 C 23862 D 23863 A 23863 B 23863 C 23864 A 23864 C 23864 C 23864 D 23866 B 23868 A 23869 B 23870 C 23871 D IV Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Oktober 2012 Christine Lambrecht (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Jörg van Essen (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Helmut Brandt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Christian Lange (Backnang) (SPD) . . . . . . . . Ansgar Heveling (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 6: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2012/…/EU über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinsti- tuten und die Beaufsichtigung von Kredit- instituten und Wertpapierfirmen und zur Anpassung des Aufsichtsrechts an die Ver- ordnung (EU) Nr. …/2012 über die Auf- sichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen (CRD-IV-Umsetzungs- gesetz) (Drucksache 17/10974) . . . . . . . . . . . . . . . . . Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär  BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Manfred Zöllmer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Björn Sänger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Axel Troost (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus-Peter Flosbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . Dr. Carsten Sieling (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Volker Wissing (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ralph Brinkhaus (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 7: a) Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Diana Golze, Dr. Martina Bunge, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Wiederherstellung eines Lebensstandard sichernden und strukturell armutsfesten Rentenniveaus (Drucksache 17/10990) . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Diana Golze, Dr. Martina Bunge, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Altersarmut wirk- sam bekämpfen – Solidarische Min- destrente einführen (Drucksache 17/10998) . . . . . . . . . . . . . . . c) Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Diana Golze, Dr. Martina Bunge, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Rente erst ab 67 sofort vollständig zurücknehmen (Drucksache 17/10991) . . . . . . . . . . . . . . d) Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Diana Golze, Dr. Martina Bunge, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Kindererziehung in der Rente besser berücksichtigen (Drucksache 17/10994) . . . . . . . . . . . . . . e) Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Diana Golze, Dr. Martina Bunge, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Eine solidarische Rentenversicherung für alle Erwerbstä- tigen (Drucksache 17/10997) . . . . . . . . . . . . . . f) Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Diana Golze, Dr. Martina Bunge, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Risiko der Er- werbsminderung besser absichern (Drucksache 17/10992) . . . . . . . . . . . . . . g) Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Diana Golze, Dr. Martina Bunge, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Angleichung der Renten in Ostdeutschland auf das West- niveau bis 2016 umsetzen (Drucksache 17/10996) . . . . . . . . . . . . . . h) Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Diana Golze, Dr. Martina Bunge, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Rente nach Min- destentgeltpunkten entfristen (Drucksache 17/10995) . . . . . . . . . . . . . . i) Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Diana Golze, Dr. Martina Bunge, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Rentenbeiträge für Langzeiterwerbslose wieder einfüh- ren (Drucksache 17/10993) . . . . . . . . . . . . . . Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) . . . . . . Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) . . . Ralph Lenkert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) . . . . Anton Schaaf (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn  (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . Max Straubinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 23872 D 23873 D 23875 A 23876 B 23877 C 23878 D 23880 A 23880 B 23881 C 23882 D 23883 C 23884 C 23886 A 23887 C 23888 D 23889 C 23890 C 23892 A 23892 A 23892 B 23892 B 23892 C 23892 C 23892 D 23892 D 23893 A 23893 A 23894 B 23895 A 23895 D 23897 A 23899 A 23900 D 23901 D Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Oktober 2012 V Tagesordnungspunkt 8: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Flexibilisierung von haushalts- rechtlichen Rahmenbedingungen außer- universitärer Wissenschaftseinrichtungen (Wissenschaftsfreiheitsgesetz – WissFG) (Drucksachen 17/10037, 17/10123, 17/11046) Dr. Annette Schavan, Bundesministerin  BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . René Röspel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Peter Röhlinger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Petra Sitte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Krista Sager (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Albert Rupprecht (Weiden) (CDU/CSU) . . . . Klaus Hagemann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Martin Neumann (Lausitz) (FDP) . . . . . . Eckhardt Rehberg (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 9: Antrag der Abgeordneten Bärbel Höhn, Kerstin Andreae, Hans-Josef Fell, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Kosten und Nutzen der Energiewende fair verteilen (Drucksache 17/11004) . . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Andreas G. Lämmel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Ralph Lenkert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Andreas G. Lämmel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Rolf Hempelmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU) . . . . . . . Horst Meierhofer (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulrich Kelber (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . . Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Ralph Lenkert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 6: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Achten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbe- schränkungen (8. GWB-ÄndG) (Drucksachen 17/9852, 17/11053) . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Technolo- gie zu dem Antrag der Abgeordneten Kerstin Andreae, Dr. Tobias Lindner, Nicole Maisch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Verbraucherschutz und Nachhal- tigkeit im Wettbewerbsrecht verankern (Drucksachen 17/9956, 17/11053) . . . . . . c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Technolo- gie zu dem Antrag der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Presse- Grosso gesetzlich verankern (Drucksachen 17/8923, 17/9989) . . . . . . . d) Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Kultur und Medien zu dem An- trag der Fraktionen SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Instrumente zur Förderung der Medienvielfalt auf solide Datenbasis stellen (Drucksachen 17/9155, 17/11058) . . . . . . e) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Kultur und Medien zu dem Antrag der Abgeordneten Martin Dörmann, Siegmund Ehrmann, Petra Ernstberger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Freiheit und Un- abhängigkeit der Medien sichern – Viel- falt der Medienlandschaft erhalten und Qualität im Journalismus stärken (Drucksachen 17/10787, 17/11045, 17/11082) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Martin Lindner (Berlin) (FDP) . . . . . . . . Ingo Egloff (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU) . . . . . . . . . Kathrin Vogler (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Christine Aschenberg-Dugnus (FDP) . . . . Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär  BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Martin Dörmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Elke Ferner (SPD)  (Erklärung nach § 31 GO) . . . . . . . . . . . . . Wahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23903 A 23903 B 23904 C 23906 A 23907 A 23908 C 23909 D 23911 A 23912 B 23913 B 23914 C 23914 D 23916 B 23917 D 23918 B 23918 D 23919 B 23920 B 23920 C 23921 B 23923 C 23924 C 23925 B 23926 A 23927 A 23927 A 23927 B 23927 B 23927 B 23927 C 23928 C 23929 C 23930 D 23931 B 23932 A 23933 A 23934 A 23934 D 23936 A 23935 D 23936 D VI Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Oktober 2012 Tagesordnungspunkt 11: a) Antrag der Abgeordneten Michael Groß, Sören Bartol, Uwe Beckmeyer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Daniela Wagner, Bettina Herlitzius, Britta Haßelmann, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Programm „Soziale Stadt“ zukunftsfähig weiterent- wickeln – Städtebauförderung sichern  (Drucksache 17/10999) . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadt- entwicklung – zu dem Antrag der Abgeordneten Sören Bartol, Uwe Beckmeyer, Martin Burkert, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeord- neten Bettina Herlitzius, Daniela Wagner, Dr. Anton Hofreiter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: 40 Jahre Städtebauförderung – Erfolgsmodell für die Zukunft der Städte und Re- gionen erhalten und fortentwickeln – zu dem Antrag der Abgeordneten Heidrun Bluhm, Dr. Dietmar Bartsch, Herbert Behrens, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion DIE LINKE: Städtebauförderung auf hohem Ni- veau verstetigen, Forderungen der Bauministerkonferenz umsetzen (Drucksachen 17/6444, 17/6447, 17/8199) . Michael Groß (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peter Götz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . Heidrun Bluhm (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Petra Müller (Aachen) (FDP) . . . . . . . . . . . . . Daniela Wagner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Volkmar Vogel (Kleinsaara) (CDU/CSU) . . . Tagesordnungspunkt 10: a) Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Lebensmittelverluste reduzieren (Drucksache 17/10987) . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Karin Binder, Johanna Voß, Dr. Kirsten Tackmann, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Die Ursachen der Vernichtung und Verschwendung von Lebensmit- teln wirksam bekämpfen (Drucksache 17/10989) . . . . . . . . . . . . . . . Peter Bleser, Parl. Staatssekretär  BMELV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elvira Drobinski-Weiß (SPD) . . . . . . . . . . . . Hans-Michael Goldmann (FDP) . . . . . . . . . . Karin Binder (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Carola Stauche (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 20: a) – Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs ei- nes … Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuchs – Aufnahme men- schenverachtender Tatmotive als be- sondere Umstände der Strafzumes- sung (… StRÄndG) (Drucksachen 17/9345, 17/11061) . . . – Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Ent- wurfs eines … Gesetzes zur Ände- rung des Strafgesetzbuchs (… Straf- rechtsänderungsgesetz – … StRÄndG) (Drucksachen 17/8131, 17/11061) . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu dem Antrag der Ab- geordneten Volker Beck (Köln), Ingrid Hönlinger, Memet Kilic, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Vorurteilsmotivierte Straftaten wirksam verfolgen (Drucksachen 17/8796, 17/11061) . . . . . Tagesordnungspunkt 12: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Weingesetzes (Drucksachen 17/10042, 17/10124, 17/11019) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirt- schaft und Verbraucherschutz zu dem An- trag der Abgeordneten Alexander Süßmair, Dr. Kirsten Tackmann, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Rettung einheimischer Rebsorten durch Erhal- tungsanbau (Drucksachen 17/7845, 17/8612) . . . . . . . Alois Gerig (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . Gustav Herzog (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Erik Schweickert (FDP) . . . . . . . . . . . . . . 23939 D 23940 A 23940 B 23941 C 23942 D 23943 D 23945 A 23946 A 23947 C 23947 C 23947 D 23948 D 23950 A 23951 A 23952 A 23953 B 23954 D 23954 D 23955 A 23955 C 23955 C 23955 D 23957 A 23958 A Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Oktober 2012 VII Alexander Süßmair (DIE LINKE) . . . . . . . . . Dr. Erik Schweickert (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Alexander Süßmair (DIE LINKE) . . . . . . . . . Markus Tressel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Norbert Schindler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 15: Antrag der Abgeordneten Dr. Lukrezia Jochimsen, Dr. Petra Sitte, Jan Korte, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Rechtliche und finanzielle Voraussetzun- gen für die Zahlung einer Ausstellungsver- gütung für bildende Künstlerinnen und Künstler schaffen (Drucksache 17/8379) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 14: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Arti- kel 91 b) (Drucksache 17/10956) . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 17: Beschlussempfehlung und Bericht des Innen- ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Josef Philip Winkler, Viola von Cramon- Taubadel, Volker Beck (Köln), weiterer Abge- ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Für wirksamen Rechtsschutz im Asylverfahren – Konsequenzen aus den Entscheidungen des Gerichtshofs der Eu- ropäischen Union und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ziehen (Drucksachen 17/8460, 17/9008) . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 16: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu den Änderungen vom 10. und 11. Juni 2010 des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs vom 17. Juli 1998 (Drucksache 17/10975) . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 18: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Anpassung des Bauproduk- tengesetzes und weiterer Rechtsvorschrif- ten an die Verordnung (EU) Nr. 305/2011 zur Festlegung harmonisierter Bedingun- gen für die Vermarktung von Bauproduk- ten (Drucksachen 17/10310, 17/10874) . . . . . . . . Matthias Lietz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Michael Groß (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Petra Müller (Aachen) (FDP) . . . . . . . . . . . . Heidrun Bluhm (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Daniela Wagner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär  BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 22: Antrag der Abgeordneten Gabriele Fograscher, Wolfgang Gunkel, Michael Hartmann (Wa- ckernheim), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Evaluierung der Auswir- kungen des neuen Waffenrechts (Drucksache 17/10114) . . . . . . . . . . . . . . . . . Günter Lach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Gabriele Fograscher (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Serkan Tören (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Frank Tempel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 19: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Umwelt, Naturschutz und Reak- torsicherheit zu der Verordnung der Bundes- regierung: Verordnung über die Höhe der Managementprämie für Strom aus Wind- energie und solarer Strahlungsenergie (Ma- nagementprämienverordnung – MaPrV) (Drucksachen 17/10571, 17/10707 Nr. 2.2, 17/10817) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Maria Flachsbarth (CDU/CSU) . . . . . . . Josef Göppel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Matthias Miersch (SPD) . . . . . . . . . . . . . Michael Kauch (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dorothée Menzner (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 28: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- wärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Ab- 23959 A 23960 A 23960 B 23960 D 23961 C 23963 C 23963 C 23963 D 23964 A 23964 B 23964 C 23964 D 23965 B 23966 A 23966 B 23968 B 23969 A 23969 A 23971 A 23972 A 23972 D 23973 C 23974 B 23974 C 23976 A 23976 D 23977 D 23978 A 23978 C VIII Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Oktober 2012 geordneten Dietmar Nietan, Uta Zapf, Josip Juratovic, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Für eine ehrliche und faire europäische Perspektive der Staaten des westlichen Balkans (Drucksachen 17/9744, 17/11034) . . . . . . . . . Peter Beyer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Wolfgang Götzer (CDU/CSU) . . . . . . . . . Dietmar Nietan (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Rainer Stinner (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Thomas Nord (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 21: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Umwelt-Rechtsbehelfsgeset- zes und anderer umweltrechtlicher Vor- schriften (Drucksache 17/10957) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Thomas Gebhart (CDU/CSU) . . . . . . . . . Josef Göppel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Matthias Miersch (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Judith Skudelny (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sabine Stüber (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 24: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Arbeit und Soziales – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Ilja Seifert, Dr. Martina Bunge, Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Behindern ist heil- bar – Unser Weg in eine inklusive Ge- sellschaft – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Ilja Seifert, Dr. Martina Bunge, Agnes Alpers, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Teilhabesicherungsgesetz vorlegen (Drucksachen 17/7872, 17/7889, 17/10008) . Maria Michalk (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Paul Lehrieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Gabriele Hiller-Ohm (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Gabriele Molitor (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 23: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 1177/2010 des Europäischen Parla- ments und des Rates vom 24. November 2010 über die Fahrgastrechte im See- und Binnenschiffsverkehr sowie zur Änderung des Luftverkehrsgesetzes (Drucksache 17/10958) . . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Werner Kammer (CDU/CSU) . . . . . . . . Ulrike Gottschalck (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Torsten Staffeldt (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Thomas Lutze (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Markus Tressel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär  BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 26: Antrag der Abgeordneten Bettina Herlitzius, Hans-Josef Fell, Oliver Krischer, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Beitrag der Raumordnung zu Klimaschutz und Energiewende (Drucksache 17/9583) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulrich Lange (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Thomas Bareiß (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Michael Groß (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Petra Müller (Aachen) (FDP) . . . . . . . . . . . . Heidrun Bluhm (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 25: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Umsetzung des Seearbeitsüber- einkommens 2006 der Internationalen Arbeitsorganisation (Drucksache 17/10959) . . . . . . . . . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales zu dem Antrag der Abgeordneten Herbert Behrens, Dr. Kirsten Tackmann, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Unverzüg- liche Ratifizierung des Seearbeitsüber- 23979 B 23979 C 23980 C 23981 B 23983 A 23983 D 23984 D 23985 C 23985 D 23986 D 23987 B 23988 A 23989 B 23990 A 23990 D 23991 A 23992 A 23992 D 23994 A 23995 A 23996 B 23997 C 23997 C 23998 D 23999 D 24000 B 24000 D 24001 C 24002 A 24002 A 24003 A 24003 D 24004 C 24005 B 24006 A 24006 D Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Oktober 2012 IX einkommens der Internationalen Ar- beitsorganisation (Drucksachen 17/9066, 17/9614) . . . . . . . Dr. Johann Wadephul (CDU/CSU) . . . . . . . . . Josip Juratovic (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Herbert Behrens (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär  BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 30: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- wärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Fraktion der SPD: Die Umsetzung der UN- Resolution 1325 mit einem Rechenschafts- mechanismus fördern (Drucksachen 17/8777, 17/10904) . . . . . . . . . Dr. Egon Jüttner (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) . . . . . . . . Bijan Djir-Sarai (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Stefan Liebich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Ute Koczy (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 27: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Umwelt, Naturschutz und Reak- torsicherheit – zu der Verordnung der Bundesregierung: Verordnung zur Umsetzung der Richtli- nie über Industrieemissionen, zur Ände- rung der Verordnung zur Begrenzung der Emissionen flüchtiger organischer Verbindungen beim Umfüllen oder La- gern von Ottokraftstoffen, Kraftstoffge- mischen oder Rohbenzin sowie zur Än- derung der Verordnung zur Begrenzung der Kohlenwasserstoffemissionen bei der Betankung von Kraftfahrzeugen – zu dem Antrag der Abgeordneten Dirk Becker, Gerd Bollmann, Marco Bülow, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Schadstoffbelastung durch Abfallmitverbrennung senken – Gleiche Bedingungen für Müllverbrennung und Abfallmitverbrennung (Drucksachen 17/10605, 17/10707 Nr. 2.3, 17/9555, 17/11060) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Michael Paul (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Franz Obermeier (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Ute Vogt (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Lutz Knopek (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Ralph Lenkert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 7: a) Antrag der Abgeordneten Ulrike Gottschalck, Sören Bartol, Uwe Beckmeyer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Neue Impulse für die Förderung des Radverkehrs setzen – Den Nationalen Radverkehrsplan 2020 überarbeiten (Drucksache 17/11000) . . . . . . . . . . . . . . b) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Nationaler Radverkehrsplan 2020 – Den Radverkehr gemeinsam weiterent- wickeln (Drucksache 17/10681) . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 29: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung eines Zulassungsverfahrens für Bewachungsunternehmen auf Seeschiffen (Drucksache 17/10960) . . . . . . . . . . . . . . . . . Eckhardt Rehberg (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Ingo Egloff (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Manfred Todtenhausen (FDP) . . . . . . . . . . . . Frank Tempel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 31: Antrag der Abgeordneten Ingrid Remmers, Kersten Steinke, Dr. Kirsten Tackmann, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Bürgerbeteiligung stärken – Peti- tionsrecht ausbauen (Drucksache 17/10682) . . . . . . . . . . . . . . . . . Günter Baumann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Gero Storjohann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Sonja Steffen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stephan Thomae (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Ingrid Remmers (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Memet Kilic (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24006 D 24007 A 24008 A 24009 A 24010 A 24010 D 24011 B 24012 D 24013 A 24014 D 24015 C 24016 C 24017 B 24018 B 24018 C 24019 D 24020 C 24021 C 24022 A 24022 C 24023 C 24023 C 24023 D 24024 A 24025 D 24026 C 24027 B 24028 A 24029 B 24029 B 24030 A 24031 B 24031 D 24033 A 24033 D X Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Oktober 2012 Tagesordnungspunkt 32: Antrag der Abgeordneten Annette Groth, Katrin Werner, Wolfgang Gehrcke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Freiheit für Mumia Abu-Jamal (Drucksache 17/8916) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Egon Jüttner (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Angelika Graf (Rosenheim) (SPD) . . . . . . . . . Pascal Kober (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Annette Groth (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 33: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe zu dem Antrag der Abgeordneten Katrin Werner, Annette Groth, Wolfgang Gehrcke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Menschenrechte und Demokratie in den Staaten des Südkaukasus fördern (Drucksachen 17/7645, 17/8681) . . . . . . . . . . Erika Steinbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Ullrich Meßmer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Marina Schuster (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Katrin Werner (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 91 b) (Tagesord- nungspunkt 14) Monika Grütters (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Swen Schulz (Spandau) (SPD) . . . . . . . . . . . . Marianne Schieder (Schwandorf) (SPD) . . . . Dr. Martin Neumann (Lausitz) (FDP) . . . . . . Nicole Gohlke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Annette Schavan, Bundesministerin  BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Rechtliche und finanzielle Vo- raussetzungen für die Zahlung einer Ausstel- lungsvergütung für bildende Künstlerinnen und Künstler schaffen (Tagesordnungs- punkt 15) Monika Grütters (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Christoph Poland (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Siegmund Ehrmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Burkhardt Müller-Sönksen (FDP) . . . . . . . . . Dr. Lukrezia Jochimsen (DIE LINKE) . . . . . . Agnes Krumwiede (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zu den Änderun- gen vom 10. und 11. Juni 2010 des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs vom 17. Juli 1998 (Tagesordnungspunkt 16) Michael Frieser (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Christoph Strässer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Marina Schuster (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Stefan Liebich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts zu dem Antrag: Für wirksamen Rechtsschutz im Asyl- verfahren – Konsequenzen aus den Entschei- dungen des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ziehen (Tagesordnungs- punkt 17) Helmut Brandt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Rüdiger Veit (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP) . . . . . . . . Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24034 C 24034 C 24035 D 24037 B 24038 A 24039 A 24039 C 24039 D 24040 C 24041 C 24042 B 24043 C 24045 C 24047 A 24047 D 24048 D 24049 C 24050 C 24051 D 24052 D 24053 D 24055 A 24056 C 24057 A 24058 A 24058 D 24059 D 24060 D 24062 C 24064 A 24065 C 24066 B 24068 D 24070 A 24071 B 24071 D 24072 D Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Oktober 2012 XI Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuchs (… Strafrechtsänderungsge- setz – … StRÄndG) – Beschlussempfehlung und Bericht zu dem Antrag: – Vorurteilsmoti- vierte Straftaten wirksam verfolgen (Tages- ordnungspunkte 20 a und 20 b) Ansgar Heveling (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Burkhard Lischka (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Sönke Rix (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jörg van Essen (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Halina Wawzyniak (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden: Zur Beratung: Antrag: Neue Impulse für die Förderung des Radverkehrs setzen – Den Nationalen Rad- verkehrsplan 2020 überarbeiten – Unterrich- tung: Nationaler Radverkehrsplan 2020 – Den Radverkehr gemeinsam weiterentwickeln (Zusatztagesordnungspunkt 7) Gero Storjohann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Ulrike Gottschalck (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Torsten Staffeldt (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Herbert Behrens (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24073 D 24075 A 24075 C 24076 B 24076 D 24077 D 24078 D 24081 B 24082 B 24083 A 24083 D Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Oktober 2012 23807 (A) (C) (D)(B) 198. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 18. Oktober 2012 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Oktober 2012 24047 (A) (C) (D)(B) Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten * für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver- sammlung der NATO Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 91 b) (Ta- gesordnungspunkt 14) Monika Grütters (CDU/CSU): Heute legt die Bun- desregierung ihren Entwurf zur Änderung des Grundge- setzes im Bildungsbereich vor. Lassen Sie uns noch ein- mal vergegenwärtigen, warum wir über diese Änderung beraten. Natürlich geht es zum einen darum, neue Mög- lichkeiten für bildungspolitische Kooperationen zwi- schen Bund und Ländern zu ermöglichen. Im Zentrum steht aber heute vielmehr der Ehrgeiz, zukünftig wenigs- tens nicht wieder hinter das aktuelle Kooperationsniveau zurückzufallen. Wir sollten in der Debatte nie vergessen, dass Hochschulpakt, Exzellenzinitiative und Qualitäts- pakt für die Lehre in der verfassungsrechtlichen Istsitua- tion nur zeitlich begrenzte Umwege um die grundgesetz- lichen Kooperationsgrenzen sind. Ob sie einer Klage in Karlsruhe standhalten würden, ist nicht geklärt, und an eine einfache, generelle Entfristung ist angesichts der  Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Bär, Dorothee CDU/CSU 18.10.2012 Beck (Reutlingen), Ernst-Reinhard CDU/CSU 18.10.2012* Becker, Dirk SPD 18.10.2012 Bender, Birgitt BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 18.10.2012 Brinkmann (Hildesheim), Bernhard SPD 18.10.2012 Dagdelen, Sevim DIE LINKE 18.10.2012 Ernst, Klaus DIE LINKE 18.10.2012 Fischbach, Ingrid CDU/CSU 18.10.2012 Funk, Alexander CDU/CSU 18.10.2012 Gerdes, Michael SPD 18.10.2012 Hahn, Florian CDU/CSU 18.10.2012 Dr. Hein, Rosemarie DIE LINKE 18.10.2012 Heinen-Esser, Ursula CDU/CSU 18.10.2012 Hintze, Peter CDU/CSU 18.10.2012 Dr. Kaufmann, Stefan CDU/CSU 18.10.2012 Krichbaum, Gunther CDU/CSU 18.10.2012 Kuhn, Fritz BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 18.10.2012 Lanfermann, Heinz FDP 18.10.2012 Mißfelder, Philipp CDU/CSU 18.10.2012 Möller, Kornelia DIE LINKE 18.10.2012 Nink, Manfred SPD 18.10.2012 Ploetz, Yvonne DIE LINKE 18.10.2012 Rawert, Mechthild SPD 18.10.2012 Remmers, Ingrid DIE LINKE 18.10.2012 Scharfenberg, Elisabeth BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 18.10.2012 Schmidt (Eisleben), Silvia SPD 18.10.2012 Dr. Schwanholz, Martin SPD 18.10.2012 Silberhorn, Thomas CDU/CSU 18.10.2012 Simmling, Werner FDP 18.10.2012 Wagenknecht, Sahra DIE LINKE 18.10.2012 Walter-Rosenheimer, Beate BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 18.10.2012 Weinberg, Harald DIE LINKE 18.10.2012 Wellenreuther, Ingo CDU/CSU 18.10.2012 Werner, Katrin DIE LINKE 18.10.2012 Winkler, Josef Philip BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 18.10.2012 Ziegler, Dagmar SPD 18.10.2012  Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Anlagen 24048 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Oktober 2012 (A) (C) (D)(B) klaren Vorgaben des Grundgesetzes nicht zu denken. Bund, Länder und Vertreter aller Parteien haben am Zu- standekommen dieser Pakte mitgewirkt, weil ihnen be- wusst war und ist, dass die Länder mit der Herausforde- rung der doppelten Abiturjahrgänge, mit den Folgen der Aussetzung der Wehrpflicht und mit der ohnehin gestie- genen Zahl der Studierwilligen echt überfordert sind. Es war und bleibt richtig, dass den Herausforderungen einer wissensbasierten Gesellschaft nur mit einer gesamtstaat- lichen Antwort begegnet werden kann. Der Hochschul- pakt ist deshalb ein Ergebnis politischer Vernunft und Zeichen eines verantwortungsvollen Umgangs mit dem Zukunftsfeld Bildung, an dem alle politischen Akteure im Bund und in den Ländern ihren verdienten Anteil ha- ben. Heute wissen wir, dass der Hochschulpakt aber auch ein Signal war, das tief in die Gesellschaft hineingewirkt hat. Die gemeinsame Anstrengung von Bund und Län- dern und der Konsens über Parteigrenzen hinweg haben gerade den jungen Menschen in unserem Land deutlich gemacht, welche Bedeutung und welcher Wert einer aka- demischen Ausbildung zukommt. Mehr als 46 Prozent eines Jahrgangs studieren heute schon. Mittlerweile kommen jedes Jahr mehr als 550 000 neue Studienan- fänger an die Universitäten. Das sind gute Nachrichten, aber auch große Herausforderungen, die über die Aus- wirkungen von G 8 hinausgehen. Hoffen wir, dass dieser Trend noch lange anhalten wird! Aber – das wissen wir hier alle – der Hochschulpakt als Voraussetzung dieser Erfolge ist endlich. Die zweite Programmphase läuft 2015 aus, und eine beliebige Ver- längerung dieses Instrumentes würde die Grenzen eines unveränderten Grundgesetzes sprengen. Es geht also tat- sächlich darum, dass wir die Erfolge sichern, die wir in Bund und Ländern gemeinsam erreicht haben. Nicht nur wir Politiker, sondern auch die Unis, die dort Beschäftig- ten und vor allem die Studierenden – wir alle haben viel zu verlieren, wenn wir es nicht schaffen, uns auf eine Änderung des Grundgesetzes zu einigen. Diese Einsicht liegt dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zugrunde, der heute eingebracht wird. Er beschränkt sich zunächst darauf, die Weichen für die dauerhafte Sicherung des be- reits Erreichten zu stellen. In dieser Hinsicht verändert der Entwurf den Status quo nicht, er macht ihn nur end- lich verfassungssicher und damit zukunftsfest. Aber lei- der, leider können manche Kollegen ihrem Oppositions- reflex nicht widerstehen. Gerade der SPD gehen diese Änderungen nicht weit genug. Sie will die Kooperati- onsmöglichkeiten auch auf den Schulbereich ausweiten. Und in der Tat: Auch und gerade im Schulbereich macht die fehlende Kooperation große Probleme; das wissen wir natürlich auch. Ein Kind, dessen Eltern von Berlin nach Bayern umziehen, leidet, und es verliert nicht sel- ten ganze Schuljahre dabei. Das ist vollkommen inak- zeptabel. Wenn wir mit einer Grundgesetzänderung hier Abhilfe schaffen könnten, wäre ich dazu sofort bereit. Aber – und das wissen wir und Sie natürlich ebenso gut – eine solche Regelung wird an den Ländern scheitern, so- lange sie fürchten, dass die Länder bei einer Mitwirkung des Bundes im Bereich Bildung den Kernbereich ihrer Kompetenzen zumindest teilweise einschränken müss- ten. Wenn wir nicht gemeinsam in der Lage sind, eine solche Kooperationskultur sensibel zu beschreiben und gesetzlich zu regeln, sind die Länder zu einer Verfas- sungsänderung hier zum jetzigen Zeitpunkt nicht bereit. Wer also das eine ultimativ mit dem anderen einfordert, verhindert beides. So gelingt weder eine Verbesserung der Hochschulsituation noch eine bessere Kooperations- kultur in der Schulbildung. Das hat die SPD noch nicht verstanden. Ihr Vorschlag stellt eher ein kleines trojanisches Pferd dar. Wo außen „Schulbereich“ draufsteht, ist ein kleiner Länderfinanz- ausgleich drin. Sie glauben doch tatsächlich, die födera- listischen Probleme im Schulbereich wären dann gelöst, wenn der Bund Mehrwertsteuerpunkte an die Länder ab- tritt. Damit wäre das Bildungsproblem aber gerade nicht gelöst. Eine bedingungslose Zuweisung finanzieller Mittel wird ja nicht die KMK revolutionieren und das schaffen, worauf wir seit Jahrzehnten warten: die Bil- dungssysteme und -leistungen der Länder endlich ver- gleichbar zu machen. Vielmehr fürchten wir, dass derart unspezifisch vom Bund an die Länder durchgereichte Mittel in erster Linie von den Länderfinanzministern zur Finanzierung der Lehrerpensionen verwendet würden. Das aber ist sicher nicht der Sinn der Bildungspolitik – und schon gar nicht der Bildungspolitik des Bundes. Abgesehen davon muss ein Parlament, ein Haushälter natürlich eine Mitverantwortung übernehmen können für die Vergabe der Mittel und ihre Verwendung. Eine sim- ple Abtretung erheblicher Mittel über Mehrwertsteuer- punkte bedeutet auch einen Verzicht auf Mitwirkung – was für ein politisches Ethos steckt dahinter? Einen sol- chen Umgang mit Steuergeldern kann ich als Abgeord- nete gegenüber meinen Wählerinnen und Wählern nicht verantworten – zumal er die Probleme der föderalen Ver- gleichbarkeit und Mobilität im Schulbereich überhaupt nicht löst. Ich bin mir sicher, dass auch der Großteil meiner Aus- schusskolleginnen und Kollegen – auch die Damen und Herren der SPD – das so sehen. Deshalb appelliere ich an Sie: Lassen Sie uns gemeinsam den bereits beschritte- nen Weg der verstärkten Kooperation im Bund-Länder- Bereich und die bereits sichtbaren gemeinsamen Erfolge zumindest im Hochschulbereich sichern! Hier gibt es be- reits jetzt einen Konsens mit allen Ländern, der so für den Schulbereich noch nicht besteht. Deshalb bitte ich Sie, auf Ihre Ländervertreter einzuwirken, damit diese die Einladung von Bundesministerin Annette Schavan für Ende Oktober ernst nehmen und dort nicht um Län- derfinanzfragen zocken, sondern sich um die Sicherung der gemeinsamen Erfolge in der Hochschulpolitik und der künftigen Perspektiven für die Bildungsbereiche be- mühen. Es ist vielleicht die letzte Chance, dieses Thema von überragender Bedeutung für die Zukunft unseres Landes zu einem Erfolg zu führen. Swen Schulz (Spandau) (SPD): Die Bundesregie- rung hat einen Gesetzentwurf eingebracht – aber die Koalition will ihn offenbar nicht im Plenum des Deut- schen Bundestages debattieren, hat ihn weit hinten auf der Tagesordnung versteckt und letztlich die Debatte nur Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Oktober 2012 24049 (A) (C) (D)(B) zu Protokoll gegeben. Hält die Koalition den eigenen Vorschlag selbst für so schlecht? Zumindest sieht sie ein, dass er keine Chance auf eine Umsetzung hat, weil schlicht und einfach die Mehrheit fehlt, weil er nicht überzeugend ist. Im Konsens aller Fraktionen hatten wir eine Sachver- ständigenanhörung zu diesem Thema angesetzt. Dort gab es viele interessante und überzeugende Argumente für mehr Kooperation von Bund und Ländern in der Bildung. Doch die Regierungskoalition reduziert ihren Vorschlag auf die Erweiterung der bestehenden Koope- rationsmöglichkeiten von Bund und Ländern im Bereich der Wissenschaft einzig und allein für eine Handvoll besonderer Einrichtungen. Wir haben es in den vergan- genen Monaten immer wieder gesagt: Nach der Methode „Friss, Vogel, oder stirb“ wird diese Teilmaßnahme, für die es zweifelsohne viel Zustimmung auch in unserer Fraktion gibt, isoliert als einzig wahre und machbare Lösung präsentiert. Doch dabei wird vollkommen außer Acht gelassen, dass die Fixierung auf eine solche Teil- lösung die Gesamtbalance zerstört und alles zum Schei- tern bringt. Das Motto „Lasst uns den kleinsten gemein- samen Nenner vereinbaren, alles Weitere sehen wir dann“ sieht nur auf den ersten Blick wie ein vernünftiges realpolitisches Vorgehen aus. Der Bundesrat hat den Regierungsvorschlag bereits abgelehnt. Zu Recht! Denn für diesen Bereich hatte die SPD-Fraktion bereits Möglichkeiten der Kooperation durchgesetzt. Auf dieser Basis werden etwa die Exzel- lenzinitiative und der Hochschulpakt realisiert. Die Hauptprobleme, vor denen wir heute stehen, sind jedoch andere und benötigen dringend die Zusammenar- beit von Bund und Ländern – und darum eben eine durchgreifende Änderung des Grundgesetzes. Es geht doch wohl nicht an, dass die Bundesregierung einige wenige Einrichtungen vom Bund finanzieren und For- scherstellen schaffen will, während sie nicht einmal da- rüber nachdenkt, wie Ganztagsschulen eingerichtet oder mehr Pädagogen zur Förderung von Schülern eingestellt werden können. Auch die Bildung an den Hochschulen, ihre Grundfinanzierung und die Lehre würde außen vor gelassen. Mehr Kooperation ist für Wissenschaft sinnvoll. Für die Bildung, für die Lehre an den Hochschulen und ins- besondere für die Schulen ist sie jedoch vordringlich und zwingend nötig: Wir müssen endlich überhaupt damit anfangen! Ich kenne kein Bundesland, das das Ganztags- schulprogramm der Regierung Schröder heute noch für schlecht hält. Die einzige – und berechtigte – Kritik ist, dass es auf bauliche Investitionen beschränkt war. Doch anders ging es damals nicht. Darum muss ein ganz neuer Kooperationsartikel ins Grundgesetz, der die Bildung in ihrer gesamten Breite im Blick behält. Die von der Koalition geforderte Teillösung aber würde eine solche Verbesserung für die Bildung auf den Sankt-Nimmer- leins-Tag verschieben. Nach der Ablehnung des Regierungsvorschlages im Bundesrat hat Bundesministerin Schavan die Länder zu einem Gespräch eingeladen. Es ist die Frage, was dabei herauskommen soll, wenn doch andererseits Frau Schavan immer so tut, als sei der Regierungsvorschlag der einzig realisierbare. Wir sind offen für eine Einigung. Sie muss nicht exakt unseren Vorschlag abbilden. Aber sie muss der Bildung, sie muss den Kitakindern, Schülerinnen und Schülern, den Auszubildenden und Studierenden helfen. Marianne Schieder (Schwandorf) (SPD): Wir brau- chen ganz dringend mehr Kooperation zwischen dem Bund und den Ländern, was das Feld der Bildungspolitik betrifft! Das mit der Föderalismusreform im Grundge- setz verankerte Kooperationsverbot muss beseitigt wer- den. Der ganz überwiegende Teil der Bevölkerung sieht das so. Dies hat nun auch die Bundesregierung erkannt, wie der vorliegende Gesetzentwurf zeigt, den wir heute erstmalig diskutieren. Aber das was vorliegt ist sicher- lich nur ein ganz kleiner Wurf und nicht geeignet, die Aufgabe zu lösen. Der Weg zu einer umfassenden und gewinnbringen- den Kooperation ist aus meiner Sicht vergleichbar mit einem Marathon. Um mit diesem Bild ein bisschen wei- ter zu arbeiten, möchte ich einmal den vorliegenden Ge- setzentwurf dort einordnen. Dann erscheint der vorge- legte Gesetzentwurf nämlich in einem ganz anderen Licht, als man ihn derzeit verkaufen will. Er würde maxi- mal dazu nützen, die ersten beiden Kilometer zu schaf- fen. Dann geht dem Kooperationswillen der Bundes- regierung leider die Puste aus. Der vorliegende Gesetzentwurf ist maximal ein kurzer Spurt in die rich- tige Richtung, doch fehlt ihm tatsächlich die Ausdauer, um grundlegend etwas zu verbessern. Wenn man sich die Stellungnahme des Bundesrates ansieht, so wird dieser Eindruck verstärkt. Selbst unions- geführte Bundesländer haben mit dem Gesetzentwurf ein Problem, wie man zum Beispiel auch an der Reaktion aus Bayern sehen kann. So will Bayerns Wissenschafts- minister Wolfgang Heubisch, dass nicht nur bei der Spit- zenforschung kooperiert werden darf, sondern bei der Grundfinanzierung der Hochschulen insgesamt ange- setzt werden muss. Das wäre schon erfreulich, doch würde auch eine solche Reform kaum für die ersten zehn Kilometer reichen, um wieder auf den Vergleich mit dem Marathon zurück zu greifen. Denn Bildung wird nicht allein an den Hochschulen vermittelt. Was ist mit den Schulen? Unabhängig von der Schul- struktur gibt es in allen Bundesländern den dringenden Wunsch nach einem Ausbau der Schulsozialarbeit oder der Ganztagsbetreuung. Wo bleibt die außerschulische und informelle Bildung? Die Bildungslandschaft in Deutschland ist sehr breit aufgestellt. Wissen wird an un- terschiedlichsten Orten und auf vielfältige Weise vermit- telt. Bildung ist seit jeher eine der wichtigsten Ressourcen, die unser Land hat. Wer ernsthaft eine Bildungsrepublik will, der muss mehr tun, als nur Spitzenforschung bzw. Hochschulen in den Blick zu nehmen, wenn es um Kooperation zwischen Bund und Ländern geht. Ich möchte nochmals einen Blick auf Bayern werfen, um zu verdeutlichen, warum es nicht ausreicht, nur im Bereich der Hochschulen das Kooperationsverbot zu än- 24050 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Oktober 2012 (A) (C) (D)(B) dern, selbst wenn man die Mitfinanzierung aller Hoch- schulen durch den Bund ermöglichen würde. Bayern ist zwar bei verschiedensten Bildungstests sehr gut. Aber deswegen ist die Welt an Bayerns Schulen keineswegs in Ordnung. In keinem anderen Bundesland sind zum Beispiel die Bildungsperspektiven in derart ho- hem Maß vom Geldbeutel der Eltern abhängig wie im Freistaat, ein Zeichen dafür, dass es dringend der Nach- besserung bedarf, um durch das staatliche System mög- lichst allen Kindern sehr gute Chancen zu ermöglichen. Ähnlich sieht es mit der Ganztagesbetreuung aus. Gerade Bayern wäre geholfen, wenn es endlich ein bundesweites Ganztagsschulprogramm geben würde, mit dem nicht nur in Infrastruktur, sondern auch in Personal investiert werden könnte, ein Programm, mit dem vor allem auch die Qualität an den Ganztagsschulen und nicht nur die Quantität gefördert werden könnte. Es gäbe eine Möglichkeit, an den Mittelschulen flächende- ckend Schulsozialarbeit und gebundene Ganztagsbetreu- ung anzubieten und den dort herrschenden Lehrermangel zu bekämpfen, und zwar nicht nur mit geschönten Zah- len, bei denen man so tut, als wären Teilzeitstellen oder befristete Verträge gleichzusetzen mit Vollzeitlehrerstel- len. Weiter geht es mit der frühkindlichen Bildung. Auch hier könnten mit einer umfassenden Öffnung des Koope- rationsverbots gemeinsam die Angebote verbessert und ausgebaut werden. Die CSU könnte endlich das unsin- nige Betreuungsgeld fallen lassen, wenn Bund und Länder umfassend im Bereich der Bildung kooperieren würden. Dann müsste man nicht mit fragwürdigen Ersatzangebo- ten darüber hinwegtäuschen, dass Bayern seine Hausauf- gaben in der frühkindlichen Bildung noch nicht gemacht hat. Neben der Hochschule, den allgemeinbildenden Schulen und der beruflichen Ausbildung gibt es unzäh- lige Akteure, die im Bereich der informellen Bildung ak- tiv sind. Auch hier könnten vonseiten des Bundes unter Wahrung der Kultushoheit der Länder wertvolle Impulse gesetzt werden, angesichts der Tatsache von Schulden- bremse, knappen kommunalen Haushalten und unzurei- chenden Bildungsbudgets der Länder eine sinnvolle Form der Zusammenarbeit. Doch auch dafür braucht es eine umfassende Änderung des Kooperationsverbotes, das neben Wissenschaft und Forschung vor allem die Zusammenarbeit im Bereich der Bildung erlaubt. Eine Grundgesetzänderung kann man nicht alle Tage neu diskutieren. Wenn wir nun das Projekt schon in An- griff nehmen und wenn Sie ernsthaft eine Bildungsrepu- blik wollen, dann haben Sie Mut und bringen Sie mit uns eine Grundgesetzänderung auf den Weg, die mehr er- laubt, als ein bisschen Spitzenforschungsförderung. Mit unserem Vorschlag, einen neuen Art. 104 c in das Grundgesetz aufzunehmen, würde Bildung insgesamt profitieren. Unter Wahrung der Bildungshoheit der Län- der könnte das gesamte Bildungssystem in Deutschland gestärkt werden: Hochschulen, Schulen und die unter- schiedlichsten Arten der informellen sowie außerschuli- schen Bildung. Darüber hinaus hätte unser Vorschlag den Vorteil, dass er bereits von den SPD-geführten Bundesländern mitgetragen wird und so eine breite Zustimmung im Bundesrat gegeben ist. Um zu meinem Bild des Mara- thons vom Anfang zurückzukommen: Unser Antrag führt zum Ziel. Er ist dazu angelegt, die gesamte Strecke des föderalen Langstreckenlaufes im Bereich der Bil- dung zu schaffen. Das Ziel heißt mehr Bildungsgerech- tigkeit und eine Bildungskooperation, die breiten Teilen der Bevölkerung nutzt. Nehmen Sie die Bildung in Gänze in den Blick, und gehen Sie mit uns den Weg über einen neuen Art. 104 c! Dr. Martin Neumann (Lausitz) (FDP): Deutschlands Hochschullandschaft steht in Zeiten des Bologna- Reformprozesses, angesichts steigender Studierenden- zahlen – ob nun durch die seit Jahren anwachsende Stu- dienanfängerquote, die doppelten Abiturjahrgänge oder die Aussetzung der Wehrpflicht – und durch die haus- halts- und finanzpolitischen Zwänge – Stichwort Schul- denbremsen – vor nie da gewesenen Herausforderungen. Seit Jahren unternimmt der Bund massive Anstrengun- gen, damit diese Entwicklung nicht zulasten von Studie- renden und Lehrenden verläuft. Die christlich-liberale Koalition hat mit ihren zahlreichen Initiativen wie dem Hochschulpakt, dem Qualitätspakt „Lehre“, der Exzel- lenzinitiative oder dem Deutschland-Stipendium – um nur wenige zu nennen – in erheblichem Maße dazu bei- getragen, dass die für die Hochschulen verantwortlichen Länder mit diesen großen Herausforderungen nicht al- lein gelassen werden. Leider gehen einige Länder nicht so verantwortungsvoll mit diesen Bundesmitteln um, wie es eigentlich im Interesse der Hochschulen sein sollte. Und so verstärkt der Bund auf der einen Seite be- ständig sein Engagement für die Hochschullandschaft, und auf der anderen Seite fahren Länder wie Berlin ihre Mittel im gleichen Maße zurück. Der Tagesspiegel drückt es ganz treffend aus: Den Hauptstadthochschulen bleibt nichts anderes, als die „Suppe mit Bundesgeld zu strecken“. Der Senat stiehlt sich aus seiner Verantwor- tung. Eine Schande! Die Regierungsfraktionen sind sich einig, dass die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu- nehmend von der Leistungsfähigkeit des Wissenschafts- systems abhängen wird. Im Bereich der universitären Forschung hat sich – nicht zuletzt wegen des enormen Engagements des Bundes – enorm viel getan. Für den Bereich der Hochschullehre gilt es, ein ähnliches Auf- bauprogramm zu entwickeln. Es darf nicht hingenom- men werden, dass diese wichtige Aufgabe zunehmend unter die Räder gerät. Wir müssen Hochschullehre at- traktiver gestalten, Betreuungsrelationen und -intensität deutlich verbessern, innovativere Formen des Austau- sches zwischen Lehrenden und Lernenden auf den Weg bringen und die Brücke zwischen der Vermittlung von Wissen und Kompetenzen und der Erfahrbarkeit von Forschung schlagen. Das lässt sich nicht zum Nulltarif haben. Nicht zuletzt deswegen legt die Bundesregierung ei- nen Gesetzentwurf vor, mit dem eine Änderung des Grundgesetzes in Art. 91 b auf den Weg gebracht wird. Ziel ist es, dass der Bund künftig im Hochschulbereich Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Oktober 2012 24051 (A) (C) (D)(B) stärker mit den Ländern kooperieren kann. Denn spätes- tens seit dem in Zeiten der Großen Koalition im Jahr 2006 eingeführten Kooperationsverbot im Bildungsbe- reich sind die Möglichkeiten des Bundes extrem einge- schränkt, sich sinnvoll an der Finanzierung von Bil- dungsvorhaben zu beteiligen. Heute wissen wir, dass die Einführung dieses Kooperationsverbotes – um es mit den Worten Hans-Dietrich Genschers zu sagen – „zu den größten Fehlleistungen der schwarz-roten Koalition“ ge- hörte. Die FDP hat sich damals wie heute massiv gegen dieses Kooperationsverbot ausgesprochen. Insoweit ist es nur konsequent, dass wir gemeinsam mit unserem Ko- alitionspartner heute eine Regelung auf den Weg bringen wollen, um das Kooperationsverbot im Wissenschaftsbe- reich zu lockern. In den Sonntagsreden von Vertretern von SPD, Bünd- nis 90/Die Grünen und der Linken wird die Regelung von 2006 verteufelt. Gleichzeitig gibt man sich Fantaste- reien hin, malt sich aus, was wäre, wenn der Bund die Zügel in der Hand hielte. Dass der Realisierungsgehalt dieser nebulösen Vorstellungen jedoch gegen null ten- diert, klammert man dagegen allzu gerne aus. Bezeich- nend war die Reaktion der Kollegin Krista Sager auf den Hinweis, dass der grüne Ministerpräsident Baden-Würt- tembergs öffentlich erklärt habe, man werde die Länder- hoheit im Schulbereich vehement verteidigen. Es mag zwar sein, dass Herr Kretschmann nur ein einzelner Grü- ner ist, doch es drängt sich die Frage auf, wie die grüne Bundestagsfraktion angesichts der konträren Haltung ei- gener Führungspersönlichkeiten – mögen diese noch so verschroben sein – sich als seriöser Verhandlungspartner gerieren will. Jedenfalls erschwert das elende Hickhack die dringend erforderliche Konsensfindung – schließlich benötigen wir nicht nur auf Bundesebene eine Zweidrit- telmehrheit, auch die Länder müssen in gleichem Um- fang mitziehen. Und wer solche Verhandlungen mit Ma- ximalforderungen überlastet, seine unabgestimmten Positionen in den Raum wirft, gefährdet auf unverant- wortliche Weise ein für alle tragfähiges Ergebnis. Es geht hier um die Zukunft unseres Hochschulsystems und nicht um die Ausgestaltung eines Krötenwanderweges. Hier sind die kleinkrämerischen Zänkereien entschieden fehl am Platze. Kurzum: Der Gesetzentwurf der Bundesregierung, basierend auf dem Vorstoß des bayerischen FDP-Wis- senschaftsministers Dr. Wolfgang Heubisch, bietet die Chance, die wirklich drängenden Fragen zu lösen. Na- türlich bleiben Wünsche unerfüllt. Mit Lob aus den Op- positionsfraktionen war nicht zu rechnen. Aber im Inte- resse der deutschen Hochschulen und Hunderttausender Studierender wäre es angebracht, sich aus dem Schmoll- winkel herauszubegeben und endlich die Ärmel aufzu- krempeln und ernsthaft zu verhandeln. Forderungen mit Blick auf den Schulbereich, auch wenn die FDP-Bun- destagsfraktion diese grundsätzlich für sinnvoll hält, sind aufgrund der Gemengelage – man denke an die Worte des grünen Ministerpräsidenten – derzeit nicht realisierbar. Unser Vorschlag lautet: Konzentrieren wir uns auf das Machbare. Die Oppositionsfraktionen tun sich mit ihrer Verwei- gerungshaltung auch keinen Gefallen. Es mutet nicht glaubwürdig an, wenn, wie derzeit im Deutschen Bun- destag, die Änderung des Art. 91 b des Grundgesetzes mit dem Hinweis, sie sei nicht weitreichend genug, ab- gelehnt wird und man zeitgleich im Bundesrat verkün- det, dass eine weiterreichende Lockerung des Koopera- tionsverbotes nicht infrage kommt. Mit dieser unsinnigen Haltung zementiert die Opposition das Ko- operationsverbot auf lange Sicht – und die Hochschul- verbände, Studierenden und Bevölkerung sind keines- wegs so naiv, dies nicht zu erkennen. In der Öffentlichkeit wird man sehr schnell erkennen, wer die historische Chance verbockt hat. Und es ist doch klar, dass wir die Gelegenheit nutzen werden, darauf auf- merksam zu machen, wer die Saboteure einer Verfas- sungsänderung waren. Ich würde mir jedoch für unsere Hochschulen in Deutschland wünschen, dass Sie uns diesen Wahlkampfschlager aus den Händen nehmen und Vernunft walten lassen. Während nahezu alle wichtigen Institutionen im Wis- senschaftsbereich – von den Forschungsgemeinschaften über die Hochschulverbände und den Wissenschaftsrat bis hin zu den Sachverständigen in unserer öffentlichen Anhörung am 19. März 2012 im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung – unseren Ge- setzesvorschlag einhellig begrüßen, legen die Opposi- tionsfraktionen aus rein wahltaktischem Kalkül unüber- brückbare Steine in den Weg. Da ist es nur bezeichnend, dass es mit Dr. Wolfgang Heubisch ein FDP-Wissen- schaftsminister ist, der angesichts dieser Gefechtslage einen Kompromissvorschlag formuliert, um doch noch eine Grundgesetzänderung zum Wohle der Hochschulen und damit der Studierenden zu ermöglichen. Mich ver- wundert es nicht, dass aus den Reihen der Oppositions- fraktionen hierzu keinerlei Verlautbarung zu vernehmen ist. Einzig der sozialdemokratische Politikrentner Jürgen Zöllner hat die Zeichen der Zeit erkannt, nur wird dieser in seinen eigenen Reihen schon lange nicht mehr erhört. Mich erreichen fast täglich Zuschriften von Hoch- schulpräsidenten aus ganz Deutschland, die Mut ma- chen, an dem Ziel festzuhalten, eine Mitwirkung des Bundes bei der Hochschulfinanzierung durch die Ände- rung von Art. 91 b Grundgesetz zu ermöglichen. Ich be- zweifle, dass diese Briefe nicht auch die Vertreter der Oppositionsfraktionen erreichen, und frage mich, ob diese noch mit gutem Gewissen den Vertretern der Hochschulen gegenübertreten können, sollten sie sich unserem Gesetzesvorschlag verweigern und auf lange Zeit das Kooperationsverbot zementieren. Mit diesem fahrlässigen Handeln verpassen Sie die einmalige Chance für Hochschulen und Wissenschaftseinrichtun- gen und fügen unserem Land Schaden zu, da Sie die in- ternationale Wettbewerbsfähigkeit unseres Wissen- schaftssystems auf lange Zeit gefährden. Wiederholen Sie Ihre Fehler aus dem Jahre 2006 nicht! Lassen Sie diesmal Vernunft walten! Nicole Gohlke (DIE LINKE): Im letzten Winterse- mester fehlten mehr als 100 000 Studienplätze im Bundesgebiet, Tausende Studienbewerber gingen leer aus – trotz Studienberechtigung in der Tasche. In Baden- Württemberg fehlen ab 2013 mindestens 7 000 Master- 24052 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Oktober 2012 (A) (C) (D)(B) studienplätze pro Jahr, an der Hochschule Offenburg er- hält nur jeder zehnte Bewerber eine Zulassung zu einem Masterstudiengang. Das Studentenwerk fordert den Bau von mindestens 25 000 Wohnheimplätzen, da viele Studierende gerade jetzt zu Semesterbeginn keine finan- zierbare Wohnung finden. In Hannover kommen bei- spielsweise auf 760 freie Wohnheimplätze mittlerweile 2 650 Bewerber. In München sind derzeit mindestens 6 000 junge Menschen ohne Unterkunft. Und in den Ländern werden ab 2014 mindestens 700 Millionen Euro im Jahr für den Hochschulbau fehlen. Ende 2011 stellte der Deutsche Philologenverband fest, dass in der Bundesrepublik jede Woche rund 1 Mil- lion Unterrichtsstunden ausfallen. Die durchschnittliche Klassengröße liegt laut Statistischem Bundesamt bei 27 Schülern an Gymnasien und bei 26 an Realschulen und integrierten Gesamtschulen. Eine 2009 von Klaus Klemm veröffentlichte Studie schätzt den Einstel- lungsbedarf von Lehrerinnen und Lehrern bis zum Jahr 2015/16 bei konstanter Schüler-Lehrer-Relation auf 195 921. Diese Liste wäre leicht zu erweitern, sie beschreibt lediglich einen Ausschnitt der bildungspoliti- schen Missstände und Leerstellen in der Bundesrepu- blik. Während die Presse voll ist von solchen Nachrichten, verharrt die Bundesregierung im Aussitzmodus und hält an ihrem völlig unzureichenden und vielfach kritisierten Gesetzentwurf zur Lockerung des Kooperationsverbotes fest. Seit der Bekanntmachung des Gesetzentwurfs im März dieses Jahres wurde von den Oppositionsparteien, von Gewerkschaften und vielen bildungspolitischen Akteuren Kritik geübt. Im Bildungsausschuss gab es eine Anhörung, in der die Sachverständigen fast einhel- lig die Position vertreten haben, dass das Verbot der Kooperation abgeschafft und die Zusammenarbeit von Bund und Ländern endlich verfassungsrechtlich veran- kert gehört. Dabei müsse vor allem sichergestellt wer- den, dass sich die Zusammenarbeit auf die gesamte Bil- dung erstreckt und eben nicht nur auf „Einrichtungen und Vorhaben an einigen Hochschulen von überregiona- ler Bedeutung“, wie das der schwarz-gelbe Entwurf vor- sieht. Trotz dieser Kritik brachte die Bundesregierung ihre Grundgesetzänderung völlig unverändert im Sep- tember zur Beratung in den Bundesrat ein und erhielt dort das absehbare Ergebnis: noch nicht einmal die ein- fache Mehrheit der Stimmen. Manche Niederlagen scheinen fast gewollt zu sein. Die Bundesregierung legt einen sehr dürftigen Gesetzentwurf vor, verändert – trotz großer Kritik – keinen Satz und stellt sich dann als poli- tisch gescheiterter Veränderer des Kooperationsverbotes dar. Meine Damen und Herren von der Bundesregierung, das ist scheinheilig. Wenn Sie wirklich den politischen Willen hätten, das Kooperationsverbot zu lockern, dann stellten Sie sich der Kritik, nähmen Sie die Aufforderung des Bundesrates ernst, über einen neuen Entwurf ge- meinsam zu beraten, überarbeiteten Sie Ihren Vorschlag und weiteten Sie die Möglichkeiten der Kooperation endlich auf die gesamte Bildung aus. Sie sind weiterhin am Zug, Damen und Herren von der Regierung! Die derzeitigen Probleme in allen Bildungsbereichen sind gravierend und werden in dem schwarz-gelben Ent- wurf nicht berücksichtigt; denn Sie kümmern sich einzig und allein um die Spitzenforschung. Statt des Umsteu- erns weg vom gescheiterten Wettbewerbsföderalismus hin zur politisch gewollten Kooperation von Bund und Ländern im Sinne der Bildung, statt sich der Verantwor- tung zu stellen, in einer gemeinsamen Kraftanstrengung die Qualität des gesamten Bildungs- und Wissenschafts- systems zu verbessern und endlich die Gleichheit von Bildungschancen – unabhängig von regionalen, sozialen oder herkunftsbedingten Unterschieden – politisch zu gewährleisten, setzen Sie weiter auf die Förderung eini- ger Leuchtturmprojekte in der Forschung. Noch nicht einmal die grundlegenden Probleme der Hochschulfinanzierung würden mit Ihrem Gesetz gelöst. Wir brauchen dauerhaft ein gemeinsames Engagement von Bund und Ländern für mehr Studienplätze, wenn wir die unerträglichen Zustände bei der Hochschulzulas- sung überwinden wollen. Wir brauchen gemeinsame Ini- tiativen von Bund und Ländern zur Öffnung der Hoch- schulen. Wir haben bereits eine Fernuniversität, die bundesweit arbeitet und die für viele die einzige Chance auf ein Hochschulstudium ist – aber der Bund gibt hier- für keinen Cent, und die Fern-Uni Hagen pfeift finan- ziell aus dem letzten Loch. Mit Ihrem Gesetzentwurf würde sich hieran nicht das Geringste ändern, ganz zu schweigen von den Problemen in der allgemeinen Bil- dung: weder wäre ein neues Ganztagsschulprogramm noch eine umfassende Verwirklichung von Inklusion mit vereinten Kräften möglich. Wenn Sie diese Probleme noch nicht einmal interessieren, sollten Sie von der Bil- dungsrepublik schweigen! Die föderalen Strukturen sind für diese Regierung schon längst nur noch das Abschieben von Verantwor- tung und die Ausrede für unterlassene Finanzierungen und politische Steuerung. Der Föderalismus entlässt Sie aber nicht aus Ihrer bildungspolitischen Verantwortung. Wenn Sie keine Verantwortung tragen wollen, dann treten Sie ab, statt Notwendiges zu verhindern. Die Linke fordert weiterhin die sofortige Abschaffung des Kooperationsverbotes, die Verankerung einer Ge- meinschaftsaufgabe Bildung, eine gemeinsame Bil- dungsplanung von Bund und Ländern und eine kontinu- ierliche institutionelle Mitfinanzierung der Hochschulen durch den Bund in der Fläche. Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Endlich findet nun die erste Lesung des Vorschlags der Koalition zur Änderung des Grundgesetzes statt. Was Sie uns hier leider nicht vorlegen, ist ein substanzieller Antrag zur Aufhebung des Kooperationsverbots. Der zuständigen Bundesbildungsministerin ist es bis- her nicht gelungen, einen einigungsfähigen Vorschlag vorzulegen. Stattdessen hat die Bundesregierung ihren schwarz-gelben Entwurf auf den Weg gebracht, ohne Gespräche mit den Oppositionsfraktionen und den Län- dern zu suchen. Wer die benötigte Zweidrittelmehrheit für mehr Kooperation erreichen möchte, sollte schon im Verfahren und im eigenen Handeln kooperativ sein und nicht einfach einen Konsens suggerieren, der bislang nicht hergestellt wurde. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Oktober 2012 24053 (A) (C) (D)(B) Der Koalitionsvorschlag ist aber vor allem inhaltlich nicht zielführend. Anstatt der allgemeinen Erkenntnis zu folgen, dass die Einführung des Kooperationsverbots ein riesiger Fehler war, legen Sie uns hier eine Verfassungs- änderung vor, die nur auf den Bereich Wissenschaft un- zureichend eingeht. Völlig unberücksichtigt lassen Sie die Aufhebung des Kooperationsverbots im Bildungsbe- reich. Deswegen hat ihr Vorschlag zu Recht im Bundes- rat keine Mehrheit gefunden! Wir Grüne waren von Anfang an gegen das Koopera- tionsverbot. Wir sind daher weiter sehr an einer Eini- gung interessiert. Denn es geht uns dabei um die bil- dungspolitischen Zukunftschancen aller Kinder und Jugendlichen in diesem Land. Auch die Koalition muss doch erkennen, dass viele Bundesländer finanziell kaum in der Lage sind, ihr Bildungssystem angemessen auszu- finanzieren, vor allem wenn sie zugleich die Schulden- bremse einhalten sollen. Auch deswegen brauchen wir eine Ermöglichungsverfassung für bessere Bildung und bessere Wissenschaft und ein Aufbrechen verfassungs- rechtlicher Bildungsblockaden. Es ist im gemeinsamen Interesse aller staatlichen Ebenen, die Leistungsfähigkeit und Qualität der Bildung zu steigern; denn die immensen Folgekosten unterlassener Bildungsinvestitionen und unzureichender Qualifizierung tragen die Sozialkassen aller Ebenen. Wir setzen uns daher für einen kooperativen Bil- dungsföderalismus ein. Es ist eine gesamtstaatliche Auf- gabe, für gute Bildungsinstitutionen zu sorgen – von der frühkindlichen Bildung über Ganztagsschulen bis hin zu den Hochschulen. Dies muss sich auch in der Verfassung widerspiegeln. Bildung muss in der Breite und von Be- ginn an besser werden. Wir Grüne wollen daher eine Verantwortungspartnerschaft und Vertrauenskultur mit Ländern und Kommunen eingehen. Wir sind es leid, dass hier Scheindebatten geführt werden, für die jetzt wirklich keine Zeit mehr ist: Es ist schlicht falsch, dass die Opposition die Hochschulen in „Geiselhaft“ nehmen würde – uns Grünen geht es viel- mehr um eine Lösung, die verbesserte Kooperation im gesamten Bildungswesen ermöglicht. Nur wenn dies flä- chendeckend gelingt, nützt dies auch nachhaltig der Hochschulbildung. Selbst wenn man für einen Moment den Aspekt der Schulen ausblendet: Auch für die Wissenschaft ist der vorliegende Vorschlag doch völlig unzureichend, weil damit lediglich wenigen Spitzenuniversitäten oder ein- zelnen exzellenten Einrichtungen vage Mittel in Aus- sicht gestellt würden. Auch den Hochschulen wird der Regierungsvorschlag so kaum gerecht. Wir wollen das Maximum für eine bessere Bildung erreichen und sind für dieses Ziel immer gesprächs- und handlungsbereit. Und noch eine Scheindebatte sollten wir beenden: Es ist völlig verfehlt, unseren Vorschlägen zu unterstellen, wir wollten den Ländern die Zuständigkeit für die Schu- len nehmen. Niemand – egal auf welcher Ebene, egal in welcher Partei – braucht den Popanz aufzubauen, dass es uns Grünen oder der SPD um ein Hineinregieren in die Schulen vor Ort ginge. Als Grüne wollen wir Koopera- tion ermöglichen – unter Wahrung der Kulturhoheit der Bundesländer, im Einvernehmen mit ihnen und auf der Basis fester Bund-Länder-Vereinbarungen, und das mit dem klaren Ziel, kein Kind zurückzulassen und die Bil- dungschancen aller Kinder und Jugendlichen zu verbes- sern. Denn Bildung ist präventive Sozialpolitik, ermög- licht Inklusion, Integration und Teilhabe, legt die Basis für wirtschaftliche Entwicklung und Innovationsfähig- keit. Jedem und jeder ist offensichtlich, wie sehr die beste- hende Verfassungslage sinnvolle Lösungen blockiert. Bestes Beispiel sind die Verrenkungen des sogenannten Bildungs- und Teilhabepakets. Anstatt die Bildungsein- richtungen für alle Kinder und Jugendlichen zu stärken, wurde hier ein Bürokratiemonster erschaffen, das eigent- lich alle Beteiligten gern wieder verjagen würden. Dies ist nur möglich, wenn wir die Verfassung entsprechend ändern! Wir begrüßen, dass Frau Ministerin Schavan nun end- lich auf die Länder zugeht, um im Dialog zu der für eine Grundgesetzänderung benötigten Zweidrittelmehrheit zu kommen. Das war überfällig. Schade, dass sie unsere ständig wiederholten Aufforderungen zu einem Reform- konvent für eine Verfassungsänderung monatelang igno- riert haben. Dies wäre nicht nur der effektivere Weg ge- wesen, sondern hätte der Sache sicher gedient. Nun müssen wir das immer enger werdende Zeitfenster auf dem Weg zur Kooperationskultur endlich nutzen! Jetzt ist es an der Zeit, Vorwürfe beiseitezulassen und nicht mit dem Finger auf andere zu zeigen. Es ist bitter nötig, endlich von den bildungs- und gesellschaftspoliti- schen Notwendigkeiten auszugehen. Diese bestehen in erster Linie darin, die Spaltungen im deutschen Bil- dungssystem zu überwinden. Die Finanzierung von In- klusion und besserer individueller Förderung wird nur gemeinsam gelingen. Man kann es gar nicht oft genug wiederholen: Kindeswohl muss vor Kooperationsverbot gehen. Die Bürgerinnen und Bürger, die Schülerinnen und Schüler und die Eltern wünschen – ebenso wie ein Großteil der Praktiker und Wissenschaft, der Städtetag, die Gewerkschaften und Kirchen sowie Wirtschaftsver- bände –, dass das Kooperationsverbot aufgehoben wird. Ein Blockieren dieses Ziels nützt niemandem, sondern schadet der Politik insgesamt. Zu Recht würde Bund und Ländern Reformunfähigkeit vorgeworfen und der Föde- ralismus blamiert. Das dürfen wir alle nicht zulassen. Ich hoffe und bleibe optimistisch, dass wir gemeinsam mehr erreichen können als den jetzt vorliegenden Koalitions- vorschlag. Wir halten unsere ausformulierten Vorschläge und Anträge für konkrete Änderungen der Art. 91 b und 104 c weiterhin für gute und machbare Lösungen. Dazu muss sich die Koalition bewegen und endlich für einen echten Konsens offen sein. Ihr Koalitionskonsens reicht inhaltlich nicht aus. Dr. Annette Schavan, Bundesministerin für Bildung und Forschung: Am 30. Mai haben wir im Kabinett den Ihnen vorliegenden Entwurf eines Gesetzes zur Ände- rung des Art. 91b des Grundgesetzes beschlossen. Wir wollen ermöglichen, dass Bund und Länder in Zukunft 24054 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Oktober 2012 (A) (C) (D)(B) auch bei der institutionellen Förderung unserer Hoch- schulen dauerhaft zusammenarbeiten können. Diese Kooperation zielt auf zwei große Herausforderungen für die Zukunft: Deutschlands Position im internationalen Wettbewerb um Ideen und künftigen Wohlstand zu ver- bessern und die Anzahl und Qualität der Fachkräfte von morgen zu erhöhen. In der Wirtschaft und in der Wissenschaft nimmt der internationale Wettbewerb zu. Internationale Rankings sprechen hier eine deutliche Sprache: Um zur Spitzen- gruppe der Welt aufzuschließen, müssen deutsche Hoch- schulen noch besser werden. Wir dürfen nicht nur an den Wettbewerb zwischen einzelnen Bundesländern bei uns denken – auch der ist wichtig – sondern eben auch an die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands insgesamt. Zum Beispiel in Asien wird massiv in die dortigen Hoch- schulsysteme investiert. Dies ist die eine Herausforde- rung, vor der wir stehen und die wir nur gemeinsam meistern können. Es gibt aber eine zweite Herausforderung, die min- destens ebenso wichtig ist: Wir müssen die Ressourcen zur Verfügung stellen, die für die Aus- und Weiterbil- dung der künftigen Fachkräfte auf höchstem Niveau in Deutschland notwendig sind. Die Zielrichtung meiner Intention lässt sich an den Initiativen ablesen, die Bund und Länder in den vergan- genen Jahren gemeinsam für einen befristeten Zeitraum gestartet haben und mit denen wir die Hochschulen in unserem Land erfolgreich vorangebracht haben. Hiervon profitieren die Studierenden genauso wie die Forschung. Beispielhaft nenne ich den Hochschulpakt 2020, mit dem wir neue Studienmöglichkeiten für die zu erwarten- den 327 000 zusätzlichen Studienanfänger schaffen. Ich nenne weiter den Qualitätspakt Lehre, an dem ge- genwärtig 186 Hochschulen aus allen 16 Ländern betei- ligt sind. Ich nenne schließlich die Exzellenzinitiative, mit der wir die internationale Sichtbarkeit unserer Hochschulen vor allem in der Forschung entscheidend verbessern und nach vorne bringen. Die Resonanz auf diese milliardenschweren Programme zeigt: Es gibt in allen Ländern einen Bedarf dafür. Es gibt ein immenses Interesse der Hochschulen. Mit Blick auf die Studierenden und die Wett- bewerbsfähigkeit unserer Hochschulen muss ich auch sagen: Es gibt schlicht die gesamtstaatliche Notwendig- keit, dass wir gemeinsam handeln. Die angestrebte Änderung des Grundgesetzes trägt wesentlich zur Bewältigung beider Herausforderungen bei. In den Reden, die anlässlich der Befassung mit dem Gesetzentwurf im Bundesrat gehalten wurden, war von den Länderkollegen zu hören, dass der Entwurf nicht weit genug gehe, dass man auch den Bildungsbereich mit einbeziehen müsse. Ich wiederhole hier gerne noch einmal, was ich be- reits in der Debatte im Bundesrat gesagt habe: Herzlich gerne, gerne können wir über zweite und dritte Schritte reden, aber zunächst einmal lassen Sie uns gemeinsam jetzt diesen ersten Schritt tun. Der Bundesrat hat die Bundesregierung aufgefordert, mit den Ländern in Gespräche einzutreten. Deshalb habe ich nun die Kultus- und Wissenschaftsminister der Län- der für den 25. Oktober 2012 zu einem Gespräch einge- laden. Ich frage aber: Gibt es einen Konsens der Länder untereinander? Ich sehe nicht, dass die Länder wissen, welche Änderungen sie wollen und wie weit diese gehen sollen. Im Übrigen habe ich bereits mehrfach vorgeschlagen, entsprechend der Empfehlung von renommierten Bildungspolitikern und Experten – wie zuletzt von der Robert-Bosch-Stiftung – einen Bildungsrat einzurichten, der analog zum Wissenschaftsrat mit Experten und Ver- tretern der Politik von Bund und Ländern besetzt sein soll. Ein großer gemeinsamer Erfolg ist, dass wir das ver- einbarte 10-Prozent-Ziel fast erreicht haben. Der Anteil von Bildung und Forschung am Bruttoinlandsprodukt lag 2008 bei 8,6 Prozent und ist in den Jahren 2009 und 2010 trotz einer Steigerung des BIP um 5,2 Prozent mit 9,5 Prozent auf hohem Niveau konstant geblieben. Ins- gesamt betrugen 2010 die Bildungsausgaben 172,3 Mil- liarden Euro. Damit ist das vereinbarte 10-Prozent-Ziel in greifbarer Nähe. Nun hat der Bundesrat in seiner Stellungnahme des Weiteren gefordert, dass der Bund die Länderhaushalte zur Erreichung der bildungspolitischen Zielsetzungen mit zusätzlichen Umsatzsteuerpunkten unterstützt. Diese Forderung lehne ich ab. Denn da machen es sich die Länder zu einfach. Der Bund ist nicht die Spar- kasse der Länder. Auch für den Bund gilt die Schulden- bremse, und zudem ist die Finanzausstattung des Bundes – dieser Hinweis sei erlaubt – deutlich ungünstiger als die der Länder. Vielmehr geht es um zusätzliche Mittel – nicht um schlichte Umverteilung. Darüber hinaus halte ich eine solche Übertragung auch nicht für zweckmäßig, da die übertragenen Mittel der Gestaltungsund Kontrollmöglichkeit des Bundes ent- zogen wären. Ich denke, hier haben wir in diesem Hause einen Konsens. Es kann schließlich nicht sein, dass der Bund das Geld gibt, aber inhaltlich dann nicht mitspre- chen darf. Sie alle wissen: Die Zeit drängt. Sie alle wissen: Die Hochschulen brauchen diese Änderung jetzt. Sie alle kennen die Appelle der Allianz der Wissenschaftsorgani- sationen, der Hochschulrektorenkonferenz und der TU9. Deshalb bitte ich Sie: Helfen Sie den Hochschulen jetzt. Nehmen Sie nicht die Hochschulen und Studenten als Geiseln. Gerne können wir über weitere Schritte re- den, aber lassen Sie uns die Zeit nutzen und jetzt diesen wichtigen Schritt gemeinsam tun. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Oktober 2012 24055 (A) (C) (D)(B) Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Rechtliche und fi- nanzielle Voraussetzungen für die Zahlung einer Ausstellungsvergütung für bildende Künstlerinnen und Künstler schaffen (Tages- ordnungspunkt 15) Monika Grütters (CDU/CSU): Zum wiederholten Mal – das letzte Mal war es im vergangenen Jahr am 7. Juli auf Antrag der Grünen – diskutieren wir heute das Für und Wider einer Ausstellungsvergütung. Jetzt ist es die Linke, die sich einer Forderung des BBK anschlie- ßen will – es ist zwar alles schon mehrfach gesagt, aber eben nicht von allen. Sie wollen einen „unverzichtbaren Anspruch auf eine angemessene Vergütung für die Ver- wertung ihrer Werke im Rahmen von öffentlichen Aus- stellungen sichern“. Zugleich soll dafür gesorgt werden, dass „Institutionen, die zeitgenössische Kunst ausstellen (…), nicht über Gebühr belastet werden.“ Also muss der Steuerzahler wieder einmal in die Tasche greifen, denn Museen, die heute kaum noch einen Ankauf- oder Aus- stellungsetat haben, müssten ja hier noch einmal draufle- gen, und das geht eben aus den vorhandenen Haushalten kaum. Eine „Gerechtigkeitslücke“ gerade gegenüber bilden- den Künstlern im Vergleich zu Künstlern anderer Spar- ten, wie sie damals von den Grünen hier ausgemacht wurde, kann ich nicht erkennen – wir alle wissen, dass es sehr erfolgreiche Maler und Bildhauer gibt, ebenso wie arme Poeten, und nur wenige wohlhabende Musiker. Richtig ist: Der bildende Künstler lebt im Gegensatz zu anderen Künstlern vom Verkauf seiner Werke, der Autor vom Vertrieb, der Musiker von Aufführungen. Erfolg- reich verkaufen kann ein Künstler dann, wenn er zuvor bekannt gemacht wurde – zum Beispiel durch Ausstel- lungen in Museen, Kunstvereinen, Galerien etc. Das bringt dem bildenden Künstler eine große Öffentlichkeit und bestenfalls Anerkennung seines Werkes. Während die einen bei Lesung, die anderen bei Kon- zerten eine direkte Vergütung erhalten, lebt der bildende Künstler vom direkten Verkauf seiner Werke oder auch zum Beispiel von der Nutzung der Abbildungen. Die nun erneut geforderte Ausstellungsvergütung soll dazu dienen, bildenden Künstlern auch aus der Ausstellung ihrer Werke einen wirtschaftlichen Nutzen zukommen zu lassen – auf dass sich ihre wirtschaftliche und damit soziale Lage verbessere. Abgesehen davon, dass auch eine Ausstellungsvergü- tung die in vielen Fällen sicher schwierige wirtschaft- liche Situation der Künstler mitnichten auffangen würde, wäre die Ausstellungsvergütung so nur eine verkappte zusätzliche Sozialleistung. Aber mit welcher Berechti- gung eigentlich? Wenn auch in verschiedenen Systemen, so arbeiten und leben doch alle Künstler von demselben Prinzip: vom „Verkauf“, von der Verwertung, von der Nutzung ihrer kreativen Arbeit – eben indem sie sie auf- führen – Bühne, Musik – oder ihr Kunstwerk sein Publi- kum – Kompositionen, Theaterstücke – oder halt neue Besitzer – bildende Kunst – findet. Die soziale Absicherung aller (!) Künstlerinnen und Künstler in Deutschland unterstützen wir mit der Künst- lersozialkasse – eine große und übrigens weltweit in die- ser Form einzigartige Anerkennung, die die Gesellschaft den besonderen Erfordernissen diesem uns so wichtigen Berufsstand zollt. Viele Befürworter einer Ausstellungsvergütung bli- cken hoffnungsvoll auf das schwedische Modell, das 2009 in Kraft trat. Aber hat das schwedische Modell die ökonomischen Verhältnisse der Künstler oder deren Möglichkeit, ihre Werke auszustellen, tatsächlich signi- fikant verbessert? Nicht, dass wir wüssten. Zu bedenken ist aber sehr wohl, was für dramatische Konsequenzen es gerade finanziell für die Museen hätte: Solange es die Forderungen nach einem Vergütungsanspruch für die öf- fentliche Ausstellung bildender Kunst gibt, werden sie von fast allen im Kunstbetrieb Verantwortlichen abge- lehnt. Die Museen haben ja ein großes Interesse an Ausstel- lungen zeitgenössischer Kunst. Sie verleihen den Häu- sern Lebendigkeit und Aktualität. Umgekehrt wissen na- türlich auch die Künstler um die Vorteile einer Ausstellung in diesen Institutionen. Gerade Ausstellun- gen ihrer Werke in öffentlichen Museen sind für die Künstler wie ein Ritterschlag, die Arbeiten erfahren so ja auch eine enorme Wertsteigerung. Die Schattenseite: Durch Ausstellungsvergütungen werden Ausstellungen für die Veranstalter erheblich teu- rer, in der Folge planen die Museen weniger Ausstellun- gen, oder man greift gleich auf die – freien – Werke zu- rück, für die keine Gebühr bezahlt werden muss – und das geht dann endgültig zulasten derjenigen Künstler, die Sie doch begünstigen wollen. Nur die bekommen dann noch weniger Präsentationsmöglichkeiten. In fast allen Fällen werden schon heute Ausstellungen nicht einmal kostendeckend durchgeführt. Künstler an Aus- stellungseinnahmen zu beteiligen, würde in vielen Fällen den finanziellen Ruin der Veranstalter bedeuten, und das wäre dann das endgültige Aus einer wirksamen Kunst- und Künstlerförderung. Die meisten Museen verfügen ohnehin kaum noch über große Ausstellungsetats. Ihr Budget für Ausstellun- gen müsste also entsprechend erhöht werden. Wer, bitte, will das bezahlen? BKM? Oder der Aufrichtigkeit und Wahrheit halber dann doch lieber das Sozialministe- rium? Als eine Stiftungschefin, die beinahe jährlich Ausstel- lungen erarbeitet, kann ich Ihnen aus langjähriger, per- sönlicher Erfahrung berichten, dass die Mehrzahl der (Kunst-)Museumsbesucher nicht an Werken zeitgenössi- scher Künstler, sondern eher an Werken der klassischen Moderne oder der aIten Kunst interessiert ist. Diese fal- len ohnehin nicht unter die Ausstellungsvergütung. Für Werke zeitgenössischer Künstler müssen wir das Publi- kum zunächst mühsam begeistern. Kuratierung der Aus- stellung, Transport der Werke, Schreiner-, Maler- und Reinigungsarbeiten, Restaurierung, Beschriftung, Be- 24056 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Oktober 2012 (A) (C) (D)(B) leuchtung, Bewachung, Heizung und Klimatisierung, Herstellung von Katalogen, Plakaten, Einladungskarten, deren Versand, Kosten für die Eröffnung etc. All diese Kosten übernehmen wir als Aussteller bereits. Und dann auch noch eine Vergütung an die Künstler zahlen als „Belohnung“ dafür, dass wir sie bekannt machen? Natürlich könnte man die Künstler an dem Gewinn, der mit der Präsentation ihrer Kunstwerke erwirtschaftet wird, beteiligen, wenn es denn überhaupt einen gäbe. Doch wer am Erlös beteiligt wird, müsste auch einen Teil der Kosten übernehmen – und diese übertreffen be- kanntlich in fast allen Fällen die Einnahmen aus den Ausstellungsprojekten. Hinzu kommt, dass der Kunst- markt genau dieses Geschäft betreibt, in Galerien und auf Messen. Museen haben einen anderen Auftrag. Die Auswirkungen auf die private Kunstförderung und Aus- stellungstätigkeit wären verheerend, weil sich solche Kosten nicht über die Eintrittsgelder auf die Besucher verlagern lassen. Die Enquete-Kommission hat dem Deutschen Bun- destag und der Bundesregierung empfohlen, erneut zu prüfen, „mit welchen Regelungen und Maßnahmen im Urhebervertragsrecht eine angemessene, an die wirt- schaftlichen Verhältnisse angepasste Vergütung für alle Urheber und ausübenden Künstler erreicht werden kann, da die bisherigen Regelungen im Urhebervertragsgesetz unzureichend sind“. Die bildende Kunst wird über den Verkauf verwertet. Glauben Sie wirklich, dass ein Künstler, dessen Werke nicht gekauft werden, gegen Vergütung ausgestellt würde? Sicher nicht. Eine Ausstellungsvergütung nach dem von Ihnen vorgeschlagenen Modus käme vor allem einem kleinen Kreis längst etablierter Künstler zugute. Österreich jedenfalls hat die Ausstellungsvergütung zurückgenommen – 1996 eingeführt, 2000 wieder abge- schafft –: Dort gibt es keine Ausstellungsvergütung für urheberrechtlich geschützte Werke der bildenden Kunst mehr. Die Ausstellungsvergütung bewirkte nämlich prompt eine Benachteiligung lebender Künstler und wirkte sich am Ende sogar nachteilig für den ganzen Kunststandort Österreich aus. Positiv an Ihrem Antrag ist, dass wir einmal mehr das wichtige Thema Soziale Lage der Künstler besprechen, und das werden wir in einer der nächsten Ausschusssit- zungen dann ja auch noch einmal tun. Es ist uns allen wichtig, dass unsere Künstler für ihre Arbeit – gut – be- zahlt werden. Aber eine pauschalierte Ausstellungszah- lung für Einrichtungen des BKM, für Institutionen, die überwiegend mit etablierten und auf dem Kunstmarkt bereits eingeführten Künstlern arbeiten? Das jedenfalls führt nicht zu mehr – sozialer oder wirtschaftlicher – Ge- rechtigkeit. Wichtiger ist es, die Chancen für Künstler zu verbes- sern, überhaupt ausstellen zu können, nicht, sie gesondert zu vergüten. Es braucht mehr Ausstellungsmöglichkeiten für jüngere bildende Künstler, weitere Fördermöglichkei- ten, Projektzuschüsse oder Arbeitsstipendien – Stiftung Kunstfonds, Künstlerstipendien der Villa Massimo etc. – und Ankaufetats für die Museen – und hier sind vor allem die Länder und Kommunen gefragt. Christoph Poland (CDU/CSU): Die Förderung von Künstlerinnen und Künstlern in Deutschland hat einen guten Ruf – und das zu Recht. Die Kultur hat in Deutschland schon immer eine wichtige Rolle gespielt, und der föderale Staat Bundesrepublik Deutschland braucht und fördert diese kulturelle Klammer zwischen Bund und Ländern in besonderer Weise. Der deutsche Staat fördert seine Kultur mit „nur“ 1,67 Prozent aller öffentlichen Haushalte, aber das sind circa 9,6 Milliar- den Euro jährlich. Das hat einen positiven Effekt und eine nachhaltige Wirkung! Im föderalen Bundesstaat Bundesrepublik liegt die Hoheit über Bildung und Kultur bei den Ländern. Sie fi- nanzieren den Großteil der öffentlich geförderten Kultur mit über 43 Prozent, die Kommunen sogar noch mehr, mit 44,4 Prozent. 113 Millionen Menschen besuchten 2009 deutsche Museen – eine Steigerung von circa 2,2 Millionen gegenüber dem Vorjahr. Das sind zehnmal mal so viele Gäste, wie alle Bundesligaspiele einer Sai- son Besucher hatten. Vor diesem Hintergrund kann ich nur feststellen: Der Antrag der Linken ist populistisch. Ihn von den Grünen fast wortwörtlich zu übernehmen, macht ihn und die gute Absicht nicht besser! Was würde eine Ausstellungsvergütung in Deutsch- land bewirken? Die ausstellenden Institutionen verzichten aus Kos- tengründen gänzlich oder teilweise auf die Ausstellung. Das kann uns nicht recht sein. Wir sind zu Recht stolz auf eine breite Kulturszene. Sie von den Linken nehmen bitte die Fakten zur Kenntnis: Die Forderung nach einer Ausstellungsvergü- tung geht von falschen Voraussetzungen aus. Denn nur 10 Prozent der Museen in Deutschland sind reine Kunst- museen. Überwiegend werden Kunstwerke zu Illustra- tionszwecken ausgestellt, und mit einer Ausstellungsge- bühr würden diese Werke aus dem Ausstellungskonzept herausgenommen und als verzichtbar angesehen. Die Mehrzahl der Museen in Deutschland sind klein und Einrichtungen mit geringen Besucherzahlen und wenig Personal. Auch solche kleinen Museen würden auf zeit- genössische Künstler verzichten, da der Verwaltungsauf- wand für die Abrechnung der Ausstellungsvergütung in keinem Verhältnis zu den Kosten steht. Entscheiden sich die Aussteller für die Umlage der Kosten, würde das automatisch zu einer Erhöhung der Eintrittspreise führen. Das können wir nicht wollen. Über 30 Prozent der Museen erheben keinen Eintritt, und 33 Prozent haben einen Eintrittspreis bei maximal 2 Euro. Der Jahresverdienst von Künstlerinnen und Künstlern ist nicht hoch. Das ist beklagenswert, aber auch den meisten Künstlerinnen und Künstlern bei Aufnahme ihres Berufs klar. Daher unterstützen wir mit Bundesmit- teln die Künstlerinnen und Künstler in Deutschland über Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Oktober 2012 24057 (A) (C) (D)(B) die Künstlersozialkasse. Es ist für uns in Regierungsver- antwortung eine bürgerliche Tugend, die Kunst und Frei- heit zu fördern. Das sage ich deutlich in Richtung der Linken bei so populistischen Anträgen wie diesem. Und nehmen Sie bitte auch aus der Diskussion schon um den Antrag der Grünen zur Kenntnis: Das schwedi- sche Modell einer Ausstellungsgebühr ist nicht übertrag- bar, und das österreichische Modell wurde wieder abge- schafft! Meine Erfahrung als Ausstellungsmacher war immer, dass es darum geht, Künstlern eine Plattform zu bieten und Besuchern die Schwellenangst beim Ausstellungs- besuch zu nehmen. Der Antrag der Linken ist kein Weg dahin. Siegmund Ehrmann (SPD): Vor knapp anderthalb Jahren haben wir an gleicher Stelle einen Antrag der Grünen debattiert, die ein Ausstellungshonorar bzw. eine Ausstellungszahlung fordern. Dieser Vorschlag orientiert sich am schwedischen Modell einer Künstlervergütung. Dazu hatte die Friedrich-Ebert-Stiftung im Herbst 2010 eine Studie vorgestellt und am 25. November 2010 ein Expertengespräch durchgeführt. Ich habe schon damals deutlich gemacht, dass das schwedische Modell nicht direkt auf Deutschland über- tragbar ist. Im Vergleich zu Schweden, wo auch nur eine geringe Zahl von Ausstellungshäusern und staatlichen Museen unter diese Regelung fallen, sind es in Deutsch- land deutlich mehr öffentliche Einrichtungen, die von ei- ner solchen Regelung erfasst werden müssten, und diese Einrichtungen befinden sich überwiegend in der kultur- politischen Verantwortung von Ländern und Kommu- nen. Die Forderung nach einer verpflichtenden Ausstel- lungszahlung an bildende Künstlerinnen und Künstler greift zu kurz, wenn damit nur der Bund angesprochen wird. Es wäre nach einer Regelung zu suchen, die die Länder und Kommunen und natürlich auch deren ak- tuelle finanzielle Lage berücksichtigt. Was nützt eine Forderung, wenn sie auch bei bestem Willen nicht erfüllt werden kann. Dass es Lösungen gibt, zeigt das Land Berlin. Hier wurden erstmals im Sommer 2011 für eine vom Land or- ganisierte Ausstellung – „based in berlin“, Gesamtetat: 1,2 Millionen Euro – Honorare gezahlt. Kritik gab es na- türlich sofort an der Höhe hier: 500 Euro. Berlin hat aber auch andere Wege gesucht und gefunden, die bildende Kunst zu unterstützen. Über ein Atelierprogramm bei- spielsweise wird die Möglichkeit zur Präsentation von Kunst ebenfalls gefördert. Ich meine, dass es sich die Linke etwas zu leicht macht, wenn sie fordert, der Bund möge seinen Einfluss geltend machen, dass auch die Länder und Kommunen ein verpflichtendes Ausstellungshonorar zahlen mögen. Sie sollten schon auch sagen, wie genau das gehen soll angesichts der finanziellen Lage vieler Kommunen. Wenn der Bund eine Ausstellungszahlung in seinen Ein- richtungen ermöglichen würde, was vielleicht sogar fi- nanziell überschaubar ist, würde er damit Länder und Kommunen in erhebliche Erklärungs- und Handlungs- nöte bringen. Von den über 6 500 Museen und Ausstel- lungshäusern in Deutschland sind nach Angaben des In- stituts für Museumsforschung nur knapp 60 in der Trägerschaft des Bundes; der allergrößte Anteil öffentli- cher Museen ist in kommunaler Trägerschaft. Gleich- wohl sieht die SPD-Bundestagsfraktion den Bund in der Verantwortung. Orientiert an pragmatischen Lösungen, wie in Berlin, könnten und sollten erste Schritte hin zu einer angemessenen Vergütung von bildenden Künstle- rinnen und Künstlern erfolgen. Damit wären wir beim zweiten Kernpunkt des Antra- ges. Die Linke versucht nämlich, schlauer als die Grünen zu sein, und fordert zunächst eine urheberrechtliche Ausstellungsvergütung. Solange es diese aber nicht gibt, soll es eine Ausstellungszahlung bzw. ein Ausstellungs- honorar geben. Die Linke weiß also selbst, dass es neben vielen Argumenten für eine Ausstellungsvergütung, die wir als Kulturpolitiker allesamt teilen, auch eine Menge von Argumenten dagegen gibt. Diese sollte man nicht unterschätzen, zumal diese insbesondere von kommuna- ler Seite und dem Deutschen Museumsbund, also den Akteuren, die eine solche Vergütung finanziell zu schul- tern hätten, vorgetragen werden. Sie argumentieren, dass diese Zusatzkosten dazu führen könnten, dass im Ergeb- nis weniger Ausstellungen durchgeführt werden und am Ende nur die bekannten und etablierten Künstler profi- tieren. Derartige Erfahrungen in Österreich haben dazu geführt, dass man sich dort von einer entsprechenden Regelung wieder verabschiedet hat. Ich will die Argumente für und gegen eine urheber- rechtliche Ausstellungsvergütung nicht alle einzeln noch einmal vortragen. Für die SPD will ich an dieser Stelle deutlich sagen, dass wir diese nun schon mehr als 30 Jahre alte Forderung maßgeblicher Verbände im Be- reich der bildenden Kunst, eine Ausstellungsvergütung einzuführen, immer positiv begleitet haben. Mit einem Sondervotum hat sich die SPD in der Enquete-Kommis- sion „Kultur in Deutschland“ für eine Ausstellungsver- gütung ausgesprochen. Eine parlamentarische Initiative der SPD-Kulturpolitiker 2005 war nicht erfolgreich, auch weil die Verbände der bildenden Künstlerinnen und Künstler unterschiedliche Vorstellungen hatten, wie ge- nau eine Ausstellungsvergütung rechtlich ausgestaltet sein soll. Wir halten das Anliegen einer gerechten und fairen Vergütung von bildenden Künstlerinnen und Künstlern für mehr als berechtigt. Wir wollen, dass Kultur- und Medienschaffende, Künstlerinnen und Künstler und Kreative von ihrer Arbeit leben können. In unserem Pro- jekt Kreativpakt haben wir deutlich gemacht, dass eine öffentliche Förderung auch daran geknüpft sein sollte, dass Tarifverträge und soziale Mindeststandards einge- halten werden. Die Forderung nach einer Ausstellungs- vergütung, unabhängig von der Frage nach der konkre- ten Ausgestaltung, gehört dazu. Wir halten es für wichtig, zu umfassenden und tragfä- higen Lösungen zu kommen. Unser Ziel ist es, dass die Künstler und Kreative durch ihr Schaffen und ihr Werk auch ein angemessenes Einkommen erzielen können. Die Vor- und Nachteile der vorgestellten Ansätze für 24058 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Oktober 2012 (A) (C) (D)(B) Ausstellungszahlungen, -honorare bzw. Ausstellungs- vergütung müssen sorgfältig abgewogen werden. Nur mit einer sinnvollen und belastbaren Lösung ist den Kul- turschaffenden auch wirklich geholfen. Dabei sollten al- ternative Lösungen zur Förderung der bildenden Kunst ebenfalls bedacht werden. Burkhardt Müller-Sönksen (FDP): Das Thema Ausstellungsvergütung ist im Deutschen Bundestag ein wohlbekanntes. Bereits in der letzten Wahlperiode wurde dieses Thema in der Enquete-Kommission „Kul- tur in Deutschland“ ausführlich beraten und kontrovers debattiert. Die Enquete-Berichte sowie die Sondervoten spiegelten die Debatte wider; der Antrag der Fraktion Die Linke wiederholt sie nun. Zweifellos ist der Beteiligungsgrundsatz, nach dem der Urheber oder Leistungsschutzberechtigte an jeder wirtschaftlichen Nutzung seiner Werke oder Leistungen angemessen zu beteiligen ist, einer der tragenden Leitge- danken des Urheberrechts. Nach unserem liberalen Ver- ständnis realisiert sich darin die Verwertungsfreiheit des Einzelnen, die wir schützen und gewährleisten müssen. Für uns ist und bleibt die Einführung einer Ausstellungs- vergütung für bildende Künstlerinnen und Künstler aber der falsche Weg, um ihre – teilweise auch für uns unbe- friedigende – soziale Lage zu verbessern. Der Antrag moniert die Ungleichbehandlung bilden- der Künstlerinnen und Künstler. Für uns war diese Un- gleichbehandlung ein Grund, genauer hinzusehen, und wir stellten bereits in den Beratungen der Enquete fest: Ungleiches wird richtigerweise und dem verfassungsmä- ßigen Gleichheitssatz entsprechend ungleich behandelt. Insofern drängt sich mir der Verdacht auf, dass die Lin- ken Symbolpolitik betreiben. Nach dem Motto „Gut ge- meint ist manchmal das Gegenteil von gut“ muss ich dringend davor warnen, ungleich mit ungerecht gleich- zusetzen und die besonderen Verhältnisse im Ausstel- lungswesen zu verkennen. Bei reinen Verkaufsausstellungen dürfte die Notwen- digkeit einer weiteren Beteiligung selbst von der Links- fraktion verneint werden. Mit Blick auf die zahlreichen Ausnahmen, die der Antrag für kleinere Vereine und Projekte, Eigentümer und Galeristen vorsieht, blieben daneben nur große Ausstellungsformate vergütungs- pflichtig. Unter diesen gibt es selbstverständlich Leucht- türme wie die Documenta in Kassel oder den MOMA- Besuch in Berlin, die sich gewinnbringend vermarkten lassen. Hier werden in der Regel aber bereits etablierte Künstler gezeigt. Bei allen Bemühungen um eine leben- dige deutsche Kunstszene gebe ich mich nicht der Hoff- nung hin, dass diese Formate die Regel werden könnten. Regelmäßig betroffen wären also die übrigen Ausstel- lungen: kleinere Ausstellungen in Museen und Kunst- vereinen. Ausgerechnet diese engagierten Ausstellungs- macher würden also zusätzlich unter wirtschaftlichen Erfolgsdruck gesetzt. Für uns wäre es nur allzu verständ- lich, wenn sie als Konsequenz vorrangig auf bekannte und etablierte Künstlerinnen und Künstler setzen wür- den, um das wirtschaftliche Risiko zu minimieren. Inso- fern nützte die Ausstellungsvergütung vor allem denen, die sie gar nicht bräuchten. Es droht sogar, was der Kollege Siegmund Ehrmann in einer ähnlich gelagerten Debatte zu einem Antrag der Grünen so treffend als Bärendienst an den Künstlern be- schrieben hat. Der Deutsche Museumsbund und Vertre- ter der Kommunen und Länder, in deren Verantwortung besonders viele kleinere Museen und Ausstellungsräume stehen, weisen immer wieder auf den Effekt von Zusatz- kosten hin: weniger Ausstellungen! Dies wäre aber ge- rade für die von den Linken fokussierte Zielgruppe fatal. Gerade junge und unbekannte Künstlerinnen und Künst- ler profitieren unmittelbar von der Ausstellung ihrer Werke, weil sie ihre Bekanntheit steigert und ihnen Kon- takte zu Galeristen und Sammlern verschafft. Da es schlechterdings nicht vorstellbar ist, dass ein Künstler keine Werke verkauft und keine Aufträge erhält, aber so oft ausgestellt wird, dass er davon leben könnte, könnte sich die Lage bildender Künstlerinnen und Künstler also sogar verschlechtern. Schließlich sei nochmals darauf hingewiesen, dass die Ausstellungsmacher schon aus wirtschaftlichen Gründen die Ausstellungsvergütung einpreisen müssten. Letztlich würde sie sich also in höheren Eintritts- oder Verzehr- güterpreisen und sinkenden Besucherzahlen niederschla- gen. Wenn die Linken, wie Sie in Ihrem Antrag ebenfalls schreiben, die Zugänglichkeit zu den Ausstellungen für alle Bürgerinnen und Bürger gewährleisten wollen, ist dies sicherlich der falsche Weg. Mein Kollege Reiner Deutschmann hat in der bereits erwähnten Debatte darauf verwiesen, dass wir struktu- relle Unterstützungsmöglichkeiten suchen sollten. Wie lassen sich zum Beispiel durch Zwischennutzungen günstige Atelier- oder Ausstellungsflächen gewinnen? Welche Maßnahmen entlasten den allgemeinen Kunst- handel nach der auf zwingendem EU-Recht beruhenden Anpassung des Mehrwertsteuersatzes? Staatsminister Neumann und Staatssekretär Otto prüfen derzeit unter anderem die Möglichkeit einer Margenbesteuerung und eine Anhebung des Bundeszuschusses zur KSK. Alle diese Maßnahmen wirken strukturell und wären aus un- serer Sicht geeigneter als die von der Linken geforderte Mehrbelastung des Ausstellungswesens. Dr. Lukrezia Jochimsen (DIE LINKE): Als läh- menden Stillstand könnte man die Situation beschreiben, mit der wir uns heute auseinanderzusetzen haben: Seit 30 Jahren debattieren bildende Künstlerinnen und Künstler, die sie vertretenden Organisationen und Politi- kerinnen und Politiker über „rechtliche und finanzielle Voraussetzungen für die Zahlung einer Ausstellungsver- gütung“, wie es in unserem Antrag heißt. Es geht darum, eine seit langem bestehende Gerechtigkeitslücke im gel- tenden Urheberrecht zu schließen. Einen ersten Schritt in diese Richtung haben die Grünen mit ihrem Antrag „Für eine Ausstellungszahlung an bildende Künstlerinnen und Künstler sowie Fotografinnen und Fotografen bei durch den Bund geförderten Ausstellungen“, Druck- sache 17/6346, im letzten Jahr gemacht. Diesen Antrag haben wir unterstützt. Er wurde leider im mitberatenden Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Oktober 2012 24059 (A) (C) (D)(B) Haushaltsausschuss abgelehnt. Seitdem wieder: lähmen- der Stillstand. Aber nun kommt Bewegung in die Geschichte. Am 12. Dezember gibt es im Kulturausschuss ein Fachge- spräch zur bildenden Kunst unter anderem auch zum Thema Ausstellungsvergütung. Der Antrag der Grünen und unserer vom heutigen Tag stehen dann zur Diskus- sion. Schweden hat 2009 eine Ausstellungsvergütung ein- geführt, deren Regelungen durch die Zusammenarbeit von Künstlerorganisationen und dem schwedischen Kul- turrat erarbeitet wurden. Seitdem sind alle staatlichen Museen verpflichtet, für alle Werke im Eigentum eines in Schweden lebenden Künstlers eine Ausstellungsver- gütung zu zahlen. 109 Kunsteinrichtungen haben sich dieser Regelung inzwischen angeschlossen. Schritt für Schritt verbessert sich so die Situation der schwedischen Künstlerinnen und Künstler. Außerdem ist diese Rege- lung Ausdruck für die Anerkennung künstlerischer Leis- tungen durch den Staat, durch die Gesellschaft. Ich frage: Warum ist es eigentlich bei uns nicht möglich, endlich eine Ausstellungsvergütung im Urheberrecht zu verankern? Wenn sich die Bundesrepublik Deutschland als Kulturstaat versteht und das Schaffen von Künstle- rinnen und Künstlern für unverzichtbar hält, dann muss sie auch die Konsequenzen daraus ziehen und dafür sor- gen, dass Kreative von ihrer Arbeit leben können. Museen, Kunstvereine und Kommunalverbände haben in der Vergangenheit vor der Einführung der Ausstel- lungsvergütung gewarnt. Sie machten deutlich, dass be- reits jetzt die Etats für Ausstellungen so knapp bemessen seien, dass die Einführung letztlich zu weniger Ausstel- lungen und damit auch zu weniger Präsentationsmög- lichkeiten für Künstler führen würde. Dieser Argumenta- tion haben sich leider viele Politiker – namentlich aus den Reihen der Koalition – angeschlossen. Sie alle ha- ben gegen die Einführung einer Ausstellungsvergütung argumentiert. Koalition und auch SPD werden nicht müde, davor zu warnen, eine solche Vergütung würde eventuell mehr schaden als nutzen. Hier gilt: Immer wenn es darum geht, Ungerechtigkeiten aus der Welt zu schaffen und Menschen zu einem besseren Anteil an ih- rer Arbeit zu verhelfen, kommt dieses Totschlagargu- ment. Das war bei der Diskussion um den Mindestlohn so. Das war beim Folgerecht so. Gerade der Fall Folge- recht zeigt, dass sich nichts von der Schwarzmalerei, die jedem Vergütungsanspruch entgegengehalten wird, in der Realität bewahrheitet hat. Anke Schierholz von der VG Bild-Kunst hat belegt, dass zum Beispiel in Groß- britannien nach der Einführung des Folgerechts das Auk- tionswesen genauso blüht wie zuvor. Dass die finanzielle Situation der Museen und anderer Kulturstätten äußerst schwierig ist, ist auch uns bekannt. Die Frage ist nur, welche Konsequenzen wir aus dieser Tatsache ziehen. Finden wir uns damit ab, dass wir ein kulturelles Prekariat haben? Halten wir das für normal, oder tun wir etwas dagegen? Wir als Linke sind nicht be- reit, diese Unterfinanzierung weiter hinzunehmen. Des- halb fordern wir in unserem Antrag auch ein Umsteuern in der Finanzpolitik des Bundes, um die Voraussetzun- gen dafür zu schaffen, dass die Länder und Kommunen ihre Aufgaben zur Daseinsvorsorge auch im kulturellen Bereich leisten können. Uns geht es um eine Lösung, die zum einen die Benachteiligung bildender Künstlerinnen und Künstler im geltenden Recht beendet und darüber hinaus sichert, dass die Vergütung auch wirklich den Ur- heberinnen und Urhebern zugutekommt. Der Vergü- tungsanspruch soll deshalb unverzichtbar sein, im Vo- raus nur an eine Verwertungsgesellschaft abgetreten und nur durch diese geltend gemacht werden können. Klei- nere Vereine und Projekte, die zeitgenössische Kunst ausstellen, sollen nicht über Gebühr belastet werden. Hier sind Ausnahmeregelungen sinnvoll. Der Kunsthan- del soll davon gänzlich ausgenommen werden. Die konkrete Ausgestaltung der rechtlichen Regelung sowie die Höhe und Kriterien einer Ausstellungsvergü- tung sollen in einem Gremium mit den Vertreterinnen und Vertretern der betroffenen Verbände und Institutio- nen sowie ausgewählten Künstlerinnen und Künstlern und Rechtsexperten beraten werden. Es geht ja nicht um Millionen oder Milliarden an finanziellem Mehrbedarf. Nehmen wir Berlin als Beispiel. Schon mit circa 400 000 Euro jährlich ließe sich hier laut einer Berechnung des BBK Berlin der Bedarf für die Ausstellungen in den sechs größeren Landeseinrichtun- gen sowie den Ausstellungsflächen der Kunstvereine decken. Unsere Kolleginnen und Kollegen in der Links- fraktion im Abgeordnetenhaus von Berlin haben in ih- rem Antrag vom Februar dieses Jahres zur Zahlung von Ausstellungsvergütungen in öffentlichen Einrichtungen des Landes Berlin im vergangenen Jahr als ersten Schritt einen Ausstellungsfonds für die kommunalen Galerien in Höhe von 200 000 Euro im Jahr gefordert. Nehmen wir an: Jeder Bezirk hat mindestens eine kommunale Galerie. Dann wären dies ungefähr 18 000 Euro pro Haus und pro Jahr. Und dies hieße um die 3 000 Euro pro Ausstellung bei sechs bis sieben Ausstellungen. Diese Summen kämen Künstlern zugute – einzeln oder in der ausstellenden Gruppe. Ist das zu viel? Zu viel ver- langt? Bricht damit unser öffentliches Finanzsystem zu- sammen? Es ist uns klar, dass wir mit diesen Forderungen die finanzielle Situation von bildenden Künstlerinnen und Künstlern nicht von Grund auf verbessern können. Es geht dabei auch um Anerkennung ihres Schaffens und um Gerechtigkeit. Vergessen wir bitte nicht, wie viel ge- rade Kunstausstellungen wert sind für eine Stadt, eine Region, wie viel sie beitragen, für deren Ausstrahlungs- kraft und Faszination. Und alles ohne einen Euro Hono- rar für die ausstellenden Künstler? Das kann doch unser politischer Wille nicht sein. Agnes Krumwiede (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir begrüßen, dass nach unserem Grünen-Antrag zur Ausstellungszahlung jetzt auch die Linken einen Antrag mit derselben Intention vorlegen. Darin übernehmen die Linken unter anderem unsere zentrale Forderung, dass der Bund eine verpflichtende Ausstellungszahlung an bildende Künstlerinnen und Künstler sowie Fotografin- nen und Fotografen in seine Förderkriterien mit aufneh- 24060 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Oktober 2012 (A) (C) (D)(B) men soll. Wir sind überzeugt: Dies wäre ein erster Schritt von Bundesseite mit Signalwirkung an Länder und Kommunen, um die bestehende Gerechtigkeitslücke im Bereich bildende Kunst zu schließen. Interpretinnen und Interpreten erhalten für ihre öffentlichen künstleri- schen Darbietungen in der Regel eine Gage. Bildende Künstlerinnen und Künstler müssen zumindest für die öffentliche Ausstellung ihrer Werke vergütet werden. Die Linken schließen bei dieser Forderung zu Recht den Kunsthandel aus. In Galerien oder bei Kunstauktionen besteht für Künstlerinnen und Künstler die Option, dass ihre Werke verkauft werden und sie eine Gewinnbeteili- gung erhalten, ganz im Gegensatz zu Ausstellungen in Museen. Zwar werden Leihgebühren entrichtet, wenn Kunstwerke eines Museums temporär in ein anderes wandern. Aber die Schöpferinnen und Schöpfer selbst erhalten keinen Cent für das Ausleihen ihrer Werke bei nicht kommerziellen, öffentlichen Ausstellungen. Eine Ausstellungsvergütung wäre keineswegs mit immensen Kosten verbunden. Gerade einmal 2 bis 3 Prozent eines Ausstellungsetats betreffen die Ausstellungsvergütung an Künstlerinnen und Künstler, wie wir am Beispiel Schweden sehen können. Seit 30 Jahren appellieren Kunstverbände gemeinsam mit der Gewerkschaft Verdi an die Politik, die Ungleich- behandlung im Bereich bildende Kunst zu beenden. Dass es höchste Zeit ist für ein entschlossenes politi- sches Handeln zur Verbesserung der sozialen und wirt- schaftlichen Situation insbesondere von bildenden Künstlerinnen und Künstlern, belegen zahlreiche Statis- tiken. Laut einer Studie des BBK – des Bundesverbands der Bildenden Künstlerinnen und Künstler – nehmen über 50 Prozent der befragten Künstlerinnen und Künst- ler durchschnittlich lediglich 5 000 Euro pro Jahr durch den Verkauf ihrer Werke ein. Nicht unerwähnt bleiben sollte, dass Frauen im Bereich bildende Kunst ein Drittel weniger verdienen als ihre männlichen Kollegen und das, obwohl Frauen mit 60 Prozent an Kunstakademien eindeutig in der Mehrheit sind. Werke von Künstlerinnen sind wesentlich seltener in Galerien und Museen zu fin- den; unter den ersten zehn der bedeutendsten und somit bestverdienenden Künstlerinnen und Künstler der Ge- genwart befinden sich laut Manager-Magazin gerade einmal drei Frauen. Was die Gleichstellung von Frauen auch im Kulturbetrieb betrifft, haben wir Grünen ja in dieser Legislaturperiode bereits einen Antrag vorgelegt; auf die Umsetzung unserer Forderungen durch die Bun- desregierung warten wir bis heute vergeblich. Während die Ausstellung von Kunstwerken im analo- gen Raum den Künstlerinnen und Künstlern keinerlei Vergütung einbringt, ist beispielsweise die öffentliche Abbildung von Kunstwerken im Internet gemäß § 15 Abs. 2 UrhG vergütungspflichtig. Das heißt, die Schöp- ferinnen und Schöpfer erhalten entsprechend Ausschüttungen über die VG Bildkunst. Im bestehenden Urheberrecht existiert eine rechtliche Lücke für eine Ausstellungsvergütung von künstlerischen Werken im analogen Raum, welche die Linken in ihrem Antrag ebenso wie der BBK durch die Forderung einer entspre- chenden Ergänzung eines Rechtsanspruchs füllen wollen. Soweit dadurch der Zugang zu öffentlichen Aus- stellungen und somit die Möglichkeit zur Teilhabe an Kunstwerken für alle Bürgerinnen und Bürger nicht be- einträchtigt werden, ist gegen diesen Vorschlag aus un- serer Sicht nichts einzuwenden. Wir begrüßen in diesem Zusammenhang auch, dass die Linken in ihrem Antrag die Verantwortung des Bundes für eine bessere Finanz- ausstattung der Länder und Kommunen nicht außer Acht lassen. Auch ein Rechtsanspruch auf eine Ausstellungsvergü- tung als Ergänzung im Urheberrecht wird jedoch ohne grundlegende Reformen beim Urhebervertragsrecht in der Praxis – auch darauf gehen die Linken in ihrem Antrag ein – nur wenig bewirken. Schöpferinnen von künstlerischen Werken müssen eine stärkere Verhand- lungsposition gegenüber den Verwertern ihrer Werke er- halten, damit wirtschaftliche Gewinne der öffentlichen Verbreitung nicht überproportional bei marktstarken Verwertern und Vermittlern liegen. Die Bundesregierung sollte diesbezüglich schleunigst einen Gesetzentwurf vorlegen – Künstlerinnen und Künstler in Deutschland sind darauf angewiesen, dass die Politik endlich maßgebliche Entscheidungen trifft, um ihre soziale und wirtschaftliche Lage zu verbessern. Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zu den Änderungen vom 10. und 11. Juni 2010 des Römischen Statuts des Internationalen Strafge- richtshofs vom 17. Juli 1998 (Tagesordnungs- punkt 16) Michael Frieser (CDU/CSU): Was bereits viel zu lange währt, wird nun hoffentlich gut. In dem Gesetzent- wurf zu den Änderungen vom 10. und 11. Juni 2010 des Römischen Statuts des Internationalen Gerichtshofs vom 17. Juli 1998 wird nun das Verbrechen der Aggression definiert. Dies ist ein wesentlicher Schritt, damit in Zu- kunft die Strafandrohung durch den Internationalen Strafgerichtshof nicht nur eine leere Drohung ist. Der In- ternationale Strafgerichtshof muss als permanentes inter- nationales Gericht in die Lage versetzt werden, die Ver- antwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Um die Tragweite der geplanten Änderungen des Rö- mischen Statuts zu erfassen, muss zunächst die histori- sche Entwicklung, die zu diesen Änderungen führte, be- trachtet werden. Am 30. September und 1. Oktober 1946 verkündete das Internationale Militärtribunal in Nürnberg die Urteile gegen 22 Hauptkriegsverbrecher des Zweiten Weltkrieges. Das Urteil von Nürnberg stellte einen Aus- gangspunkt für weitere Bemühungen der Staatengemein- schaft um einen internationalen Strafgerichtshof dar. Nachfolgend bekräftigte die UN-Vollversammlung aus- drücklich die Rechtsprinzipien, die in Nürnberg zur An- wendung gekommen waren, als sogenannte Nürnberger Prinzipien. Was in Nürnberg seinen Anfang nahm, wurde stetig weiterentwickelt. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Oktober 2012 24061 (A) (C) (D)(B) Bereits 1950 legte die Völkerrechtskommission der UNO sieben Prinzipien vor, die den Anspruch darauf er- hoben, dass schwere Verstöße gegen die internationale Werteordnung geahndet werden. Diese Nürnberger Prin- zipien haben im Römischen Statut des Internationalen Gerichtshofs eine Weiterentwicklung erfahren. Das Sta- tut ist ein völkerrechtlicher Vertrag, der das Völkerstraf- recht kodifiziert, damit in internationalen Beziehungen keine rechtsfreien Räume verbleiben, in denen Men- schen schutzlos den Gräueltaten von Kriegsverbrechern ausgesetzt sind. Jede Person, die eine Tat begeht, die nach dem Völkerrecht als Verbrechen bestimmt wurde, ist dafür verantwortlich und wird der Bestrafung zuge- führt, auch wenn das nationale Recht keine Strafe für eine Tat vorsieht. Um diese Prinzipien durchzusetzen, wurde mit dem am 1. Juli 2002 in Kraft getretenen Römischen Statut der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag eingerichtet. Der IStGH will die nationale Strafgerichtsbarkeit der Staaten nicht ersetzen und ist auch kein letztinstanzliches Rechtsmittelgericht, welches Verfahren der nationalen Strafgerichtsbarkeit überprüfen könnte. Der IStGH er- gänzt vielmehr die innerstaatliche Gerichtsbarkeit bei der Verfolgung von Völkerrechtsverbrechen, deren Vor- rang im Statut vielfach verankert ist. Der Internationale Strafgerichtshof ist damit Ausdruck des gemeinsamen Wunsches der Staatengemeinschaft, für Frieden und Ge- rechtigkeit auch außerhalb der nationalen Grenzen ein- zustehen. Das erste Urteil sprach der Internationale Strafge- richtshof am 14. März 2012 im Verfahren gegen den frü- heren kongolesischen Milizenführer Thomas Lubanga, der wegen der Rekrutierung und des Einsatzes von Kin- dersoldaten für schuldig befunden wurde. Er wurde da- für am 10. Juli 2012 zu einer Freiheitsstrafe von 14 Jah- ren verurteilt. Dieses Urteil zeigt, dass die Nürnberger Prinzipien kein theoretisches Konstrukt sind, sondern auch in die Praxis umgesetzt werden können. Doch die Entwicklung des Völkerstrafrechts ist durch die Errichtung des Internationalen Strafgerichtshof 2002 nicht zu einem Abschluss gekommen. Jetzt gilt es zu be- weisen, dass Deutschland aus seiner dunklen Vergangen- heit gelernt hat und seiner völkerrechtlichen Verpflich- tung nachkommt. Das Völkerstrafrecht muss zu einem wirksamen Instrument der Friedenssicherung aufgebaut werden. Bereits die Strafandrohung muss Aggressoren in ihre Schranken weisen. Dazu ist die stetige Optimierung und Weiterentwicklung des Völkerstrafrechts notwen- dig, die mit der vorliegenden Änderung unterstützt wer- den muss. Obwohl bereits im ursprünglichen Statut das Verbre- chen der Aggression als Straftatbestand angelegt gewesen war, hatten sich die Vertragsstaaten auf der Gründungs- konferenz weder auf eine Definition des Verbrechens der Aggression einigen können noch auf die vorzusehende Rolle des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen. Eine Kodifikation des Tatbestands scheiterte auch an umstrit- tenen Fragen wie dem Umfang des Rechts auf Selbstver- teidigung und die Zulässigkeit humanitärer Intervention. Nach Art. 5 des Statuts, wie es auf der Konferenz in Rom verabschiedet wurde, besitzt der Gerichtshof die sachliche Zuständigkeit für das Verbrechen der Aggres- sion. Da aber keine Definition der Aggression beschlos- sen werden konnte, bleibt die Norm eine leere Hülle, und zwar so lange, bis eine Definition in das Statut eingefügt wird. Dies ist angesichts der herausragenden Bedeutung des Aggressionstatbestands, dessen Zweck es ist, die Ge- waltanwendung als solche auf internationaler Ebene zu pönalisieren, ein unhaltbarer Zustand. Vom 31. Mai bis 11. Juni 2010 fand in Kampala die erste Überprüfungskonferenz des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs statt, in deren Mittel- punkt die Bemühungen um eine Einigung in Bezug auf das Verbrechen der Aggression standen. Mit den Ände- rungen des Römischen Statuts des Internationalen Straf- gerichtshofs werden nun eine Definition des Verbrechens der Aggression und die Bedingungen der Ausübung der Gerichtsbarkeit in das Römische Statut eingefügt. Auch wird der Einsatz bestimmter Waffen und Geschosse, de- ren Verwendung in internationalen bewaffneten Konflik- ten bereits ein Kriegsverbrechen darstellt, auch im nicht internationalen bewaffneten Konflikt unter Strafe ge- stellt. Diese Änderungen sind die Früchte eines langwie- rigen Prozesses, in dem das Völkerstrafrecht geschaffen und weiter ausgestaltet wurde. Einzelne Staaten sind in mühsamen Verhandlungen Kompromisse eingegangen, um das gemeinsame, höhere Ziel voranzubringen: ein umfassendes System internationaler Strafgerichtsbarkeit, die die nationale Strafverfolgung wirksam ergänzt. Die Normierung des Aggressionstatbestandes ist dabei von herausragender Bedeutung. Nur durch diesen kann eine wesentliche Lücke der völkerrechtlichen Strafbarkeit ge- schlossen werden. Der nun verabschiedete Tatbestand des Aggressions- verbrechens stellt einen ausgewogenen Kompromiss dar und trägt der Tatsache Rechnung, dass dieses Delikt im Vergleich zu den anderen im Römischen Statut aufge- führten Verbrechen durch die Kriminalisierung staatlicher Angriffshandlungen und als Führungsverbrechen einen besonderen Charakter hat. Die individuellen Tathandlun- gen wurden fast wörtlich den Vorgaben des Statuts des Nürnberger Militärgerichtshofs zum „Verbrechen gegen den Frieden“ entnommen. Von einem Verbrechen der Aggression wird ausge- gangen, wenn eine Person, die tatsächlich in der Lage ist, das politische oder militärische Handeln eines Staa- tes zu kontrollieren oder zu lenken, eine Angriffshand- lung plant, vorbereitet oder ausführt, die ihrer Art, ihrer Schwere und ihrem Umfang nach eine offenkundige Verletzung der Charta der Vereinten Nationen darstellt. Die Formulierung stellt klar, dass es sich um ein soge- nanntes Führungsverbrechen handelt, das hohe Anforde- rungen an die individuelle Täterqualität stellt. Es betrifft nicht die kleinen Befehlsempfänger, sondern zieht die Täter zur Rechenschaft, die tatsächlich für den Angriff auf den Frieden verantwortlich sind. Regierungsober- häupter dürfen nicht über dem Gesetz stehen. Eine Angriffshandlung stellt jede mit der Charta der Vereinten Nationen unvereinbare Anwendung von Waf- fengewalt durch einen anderen Staat dar, so zum Bei- 24062 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Oktober 2012 (A) (C) (D)(B) spiel die Invasion des Hoheitsgebiets eines Staates oder der Angriff auf dieses durch die Streitkräfte eines ande- ren Staates. Auch eine militärische Besetzung, die sich aus einer solchen Invasion ergibt, sowie die Bombardie- rung oder Beschießung des Hoheitsgebiets sind umfasst. Neben der Blockade der Häfen oder Küsten eines Staates ist auch der Einsatz von Streitkräften eines Staates, die sich mit der Zustimmung eines anderen Staates in dessen Hoheitsgebiet befinden, unter Verstoß gegen die in der entsprechenden Einwilligung oder Vereinbarung vorge- sehenen Bedingungen strafbar. Damit ist nicht jede völ- kerrechtswidrige staatliche Gewaltanwendung zugleich ein Aggressionsverbrechen. Rechtlich umstrittene Ein- sätze, die im Rahmen humanitärer Interventionen durch- geführt werden, um das Leid von Menschen zu lindern und weitere Gewalt zu verhindern, werden so nicht er- fasst. Auch Fälle von nicht hinreichender Intensität sol- len gerade nicht berücksichtigt werden. Die Ausübung der Gerichtsbarkeit über das Verbre- chen der Aggression wird in den Änderungen geregelt. Der Gerichtshof kann seine Gerichtsbarkeit nur bei Ver- brechen der Aggression ausüben, die ein Jahr nach Rati- fikation oder Annahme der Änderungen durch 30 Ver- tragsstaaten begangen werden. Eine weitere wichtige Änderung betrifft die Strafbarkeit gewisser verbotener Waffen in nichtinternationalen bewaffneten Konflikten. Die Verwendung von Gift oder vergifteten Waffen, die Verwendung erstickender, giftiger oder gleichartiger Gase sowie aller ähnlichen Flüssigkeiten, Stoffe oder Vorrichtungen, die Verwendung von Geschossen, die sich im Körper des Menschen leicht ausdehnen oder flach- drücken, sind in internationalen bewaffneten Konflikten bereits strafbar. Der Zustand, dass der Einsatz von Gift- gasen zwar in internationalen Konflikten bereits als Kriegsverbrechen geahndet werden kann, Machthaber aber ihr eigenes Volk mit diesen Waffen konsequenzlos angreifen können, ist unerträglich. Hier kommt es nun zu einer Angleichung, da eine grundsätzliche Unterschei- dung zwischen den Konfliktformen auf humanitär völ- kerrechtlicher Ebene heute nicht mehr angemessen ist. Das Leiden und die Verletzungswirkung, die durch diese Waffen ausgelöst werden, sind verurteilenswert, gleich in welcher Art von Konflikt sie eingesetzt werden. Diese Änderungen liegen mir als in Nürnberg direkt gewähltem Abgeordneten besonders am Herzen. In Nürnberg entsteht ein Institut für die Durchsetzung der Nürnberger Prinzipien zum Völkerstrafrecht. Es soll als Expertenforum dazu beitragen, Frieden mit den Mitteln des Rechts zu sichern, indem es interdisziplinäre For- schung betreibt und zielgruppenspezifisches Training zu völkerstrafrechtlichen Themen sowie Menschenrechts- bildung anbietet. Ziel der Akademie ist es, die Akzep- tanz des Völkerstrafrechts und der Nürnberger Prinzi- pien international zu fördern. Die Bundesrepublik Deutschland hat an der Ausarbei- tung des Römischen Statuts aktiv mitgewirkt. Wir müs- sen uns weiterhin aktiv dafür einsetzen, dass der Inter- nationale Strafgerichtshof möglichst effektiv arbeiten kann und breite Unterstützung in der Staatengemein- schaft findet. Das Gesetz zu den Änderungen vom 10. und 11. Juni 2010 des Römischen Statuts des Internatio- nalen Strafgerichtshof vom 17. Juli 1998 ist dabei ein wichtiger und wirksamer Schritt, um Verbrechen gegen den Frieden und die Sicherheit der Menschheit der Straf- barkeit zuzuführen. Christoph Strässer (SPD): Ich begrüße den Gesetz- entwurf der Bundesregierung zu den Änderungen des Rö- mischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs vom 10. und 11. Juni 2010 in Kampala. Das nicht zuletzt deshalb, weil ich in der ugandischen Hauptstadt an der parlamentarischen Begleitung zur Konferenz der Ver- tragsstaaten des Internationalen Strafgerichtshofes, IStGH, teilnehmen durfte und so den schwierigen, aber auch be- eindruckenden Einigungsprozess begleiten konnte. Es gäbe vieles über diese Konferenz zu berichten. Vor allem der Wille der meisten Beteiligten, eine tragfähige Eini- gung unbedingt zu erreichen, war und ist für mich immer noch unvergesslich. Die Konferenz war von der internationalen Vereini- gung „Parliamentarians for global Action“, PGA, in Zu- sammenarbeit mit der Protokollabteilung des Parlamen- tes von Uganda organisiert worden. Insgesamt nahmen an der Veranstaltung neben den Organisatoren und wei- teren offiziellen Vertretern 117 Parlamentarierinnen und Parlamentarier aus mehr als 30 Ländern teil. Das sichtbarste Ergebnis war die trotz großer Skepsis erkennbare Zustimmung der großen Mehrheit der Kolle- ginnen und Kollegen aus afrikanischen Ländern zur Ar- beit des IStGH. Eine vor Beginn der Konferenz befürchtete Tendenz, die beklagte „Afrika-Lastigkeit“ der bisher bekannten Ermittlungen könne auch auf der Review-Konferenz zu einer Austritts- bzw. Kündigungswelle gerade afrikani- scher Staaten führen, wurde eindrucksvoll widerlegt. Im Gegenteil, es wurde ein sehr deutliches und klares Engagement zur Unterstützung der Tätigkeit des Ge- richtshofes erkennbar. In der Abschlusserklärung wur- den in insgesamt 12 Punkten noch einmal die weitge- henden Übereinstimmungen des Treffens niedergelegt. Insbesondere wurde Wert darauf gelegt, gemeinsam in den jeweiligen Regionen für eine weitere Verbreitung des Statuts zu sorgen und das Statut in den nationalen Gesetzeswerken vollständig zu implementieren. Einer der Hauptschwerpunkte der damaligen Konfe- renz und Thema des hier zu beratenden Gesetzentwurfes der Bundesregierung war die Frage, ob der Internatio- nale Strafgerichtshof auch über Aggressionsverbrechen urteilen sollte. Für mich stand schon damals fest, dass sich gerade die deutsche Bundesregierung aufgrund unserer Ge- schichte dafür einsetzen musste, dass der Internationale Strafgerichtshof auch über Angriffskriege urteilen kön- nen soll. Zweimal hat Deutschland die Welt in einen Weltkrieg gestürzt, indem es Angriffskriege gegen seine Nachbarn führte, Kriegsverbrechen von bis dahin nicht gekanntem Ausmaß verübte und versuchte, die jüdische Bevölkerung Europas auszulöschen. Das Nürnberger Kriegsverbrechertribunal hat nach der Befreiung vom Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Oktober 2012 24063 (A) (C) (D)(B) Faschismus erstmals in der Rechtsgeschichte über einen Angriffskrieg und Völkermord gerichtet. Dabei wäre es 2010 in Kampala durchaus möglich ge- wesen, dass dieser Straftatbestand aus dem Rom-Statut gestrichen werden würde. Dahinter steckte seinerzeit vor allem die Befürchtung, der Streit über eine Definition von Aggressionsverbrechen könnte den IStGH insge- samt schwächen. Der SPD-Bundestagsfraktion und mir war es hierbei wichtig, dass der Internationale Strafgerichtshof seine Ar- beit nicht nur fortsetzen konnte, sondern dass er weitere Rechte erhalten musste. Denn der IStGH und seine Arbeit bedeuten einen wichtigen Fortschritt, ja einen Quanten- sprung für die Wahrung und Durchsetzung der individu- ellen Menschenrechte. In Kampala unterstützten wir inso- fern alle Anstrengungen, die zwei Ziele befördern sollten: die Definition des Straftatbestands „Aggressionsverbre- chen“ in der Zuständigkeit des Internationalen Strafge- richtshofes und die Stärkung der Arbeitsfähigkeit und die Erweiterung der Kompetenzen des IStGH. Deshalb ist dieser Gesetzentwurf ein Beleg für den Er- folg dieser Konferenz. Denn wir verpflichten uns hiermit, die Ergebnisse von Kampala in nationales Recht umzu- setzen. Danach liegt ein Verbrechen der Aggression vor, wenn die Planung, Initiierung oder Durchführung eines bewaffneten Angriffs gegen einen anderen Staat vorliegt. Dieses Verbrechen kann nur von politischen und militäri- schen Entscheidungsträgern eines Staates begangen wer- den. Durch die Änderung des Art. 8 Abs. 2 Buchstabe e des Römischen Statuts wird außerdem der Einsatz be- stimmter Waffen und Geschosse im Einklang mit dem Völkergewohnheitsrecht und dem deutschen Völker- strafgesetzbuch auch im nichtinternationalen bewaffne- ten Konflikt unter Strafe gestellt. Die USA, die dem IStGH bislang ferngeblieben sind und in Kampala nur mit Beobachterstatus vertreten waren, scheiterten glück- licherweise mit ihrem Versuch, den Streit um die Defini- tion neu zu entfachen. Große Diskussionen entbrannten über die Frage, wie sich diese Definition auf das Verhältnis zwischen dem IStGH und dem Sicherheitsrat der VN auswirken wird, welcher laut Kap. VII der VN-Charta einen Akt der Ag- gression in den internationalen Beziehungen bis dato als einziger feststellen konnte. Hier kollidierten die Interes- sen der fünf permanenten Mitglieder des Sicherheitsrates – USA, Russland, China, Großbritannien, Frankreich – mit jenen von Kanada, Australien und vor allem der süd- amerikanischen und afrikanischen Vertragsstaaten. Wäh- rend die Mitglieder des Sicherheitsrates ihr alleiniges Recht auf die Feststellung einer Aggression erhalten wollten, fürchtete die andere Gruppe eine Politisierung und zunehmende Abhängigkeit des IStGH. Am Ende der Diskussion stand schließlich ein Kompromiss, der meh- rere Wege offenlässt, ein „Verbrechen der Aggression“ festzustellen und strafrechtlich zu verfolgen: Erstens. Der Sicherheitsrat stellt ein „Verbrechen der Aggression“ fest und beauftragt den Chefankläger des IStGH, ein Verfahren einzuleiten. Zweitens. Der Chefankläger selbst darf ein Verfahren einleiten, wenn er der Meinung ist, dass ein „Verbrechen der Aggression“ stattgefunden hat, der Sicherheitsrat je- doch sechs Monate untätig bleibt. Drittens. Ein Vertragsstaat bittet den Chefankläger, ein Verfahren einzuleiten. Natürlich gibt es auch Anlass zu Kritik. Denn den Vertragsstaaten wird die Möglichkeit eingeräumt, ihre Entscheidungsträger vor Strafverfolgung durch eine so- genannte Opting-out-Erklärung zu schützen. Drittstaa- ten, zum Beispiel USA, Russland und China, fallen per se nicht unter die Aggressionszuständigkeit des IStGH. Das hat die unerfreuliche Folge, dass der IStGH nicht tätig werden darf, wenn ein Vertragsstaat, der die Ag- gressionszuständigkeit des Gerichts anerkannt hat, von einem Drittstaat oder einem ausoptierten Vertragsstaat angegriffen wird. Obwohl die Gerichtsbarkeit des IStGH in Bezug auf das „Verbrechen der Aggression“ frühestens am 1. Ja- nuar 2017 und nur, nachdem mindestens 30 Vertrags- staaten die in Kampala formulierten Regelungen ratifi- ziert haben, beginnt, sollten wir alle glücklich über die Möglichkeit der Verabschiedung dieses Gesetzes sein und dafür werben, wo immer es möglich ist, auch andere Vertragsstaaten von der Notwendigkeit und Nützlichkeit der Ratifizierung zu überzeugen. Dass angesichts dieser Konflikte eine Einigung er- reicht wurde, ist nämlich nichts weniger als ein histori- scher Erfolg – zumal vor dem Hintergrund der seit Jahr- zehnten festgefahrenen Absichten, den Sicherheitsrat und die UNO insgesamt zu reformieren. Die Annahme der Aggressionsbestimmung in Kampala und die Über- nahme in deutsches Recht stellt deshalb einen riesigen Schritt für die internationale Strafjustiz dar. In Anbe- tracht der mehr als ein halbes Jahrhundert andauernden Bemühungen zur Kodifikation des Aggressionsverbre- chens kann man das Ergebnis aus Kampala mit Fug und Recht als Erfolg bezeichnen. Damit der IStGH seine gegenwärtigen und künftigen Aufgaben erfüllen kann, braucht er die volle Unterstüt- zung der Vertragsstaaten. Die zahlenmäßig gestiegenen und meist sehr aufwendigen Untersuchungen und Ver- fahren erfordern ausreichende finanzielle und personelle Mittel. Schon jetzt stößt der Gerichtshof an die Grenzen seiner Arbeitsfähigkeit. Die seit letztem Jahr laufenden Untersuchungen in Libyen und in der Elfenbeinküste sind finanziell bereits nicht mehr gedeckt. Deshalb sollte Deutschland beispielgebend für andere Vertragsstaaten seinen freiwilligen Beitrag an den Gerichtshof deutlich erhöhen. Die Ergebnisse der Konferenz von Kampala werden den IStGH langfristig stärken, was einerseits eine große Verantwortung und Herausforderung bedeutet, anderer- seits aber auch eine große Chance ist. Treten die Rege- lungen von Kampala 2017 wirklich in Kraft, kann jede Gewaltanwendung gegenüber einem anderen Staat vor dem IStGH angeklagt werden. Dies wäre ein großer Schritt in Richtung einer starken und effizienten Ver- rechtlichung der internationalen Beziehungen. 24064 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Oktober 2012 (A) (C) (D)(B) Deshalb werden wir voraussichtlich nach den Aus- schussberatungen diesem Gesetz zustimmen. Marina Schuster (FDP): „Ein historischer Durch- bruch für die Weiterentwicklung des Völkerstrafrechts“ – eindeutiger könnte die Denkschrift zum Gesetzentwurf, den wir heute debattieren, nicht sein. Die Einigung in Kampala, den Tatbestand der Aggression unter die Ge- richtsbarkeit des Internationalen Strafgerichtshof zu stel- len, schließt eine große Lücke des Völkerstrafrechts. Sie ist ein Meilenstein im internationalen Kampf gegen die Straflosigkeit. An dieser Stelle möchte ich mich bei Markus Löning, dem Beauftragten der Bundesregierung für Menschen- rechtspolitik und Humanitäre Hilfe, bedanken. Er war Delegationsleiter in Kampala. Dabei wurde er maßgeb- lich durch die juristische Expertise von Professor Dr. Claus Kreß und der Völkerrechtsberaterin der Bundesre- gierung, Dr. Susanne Wasum-Rainer, unterstützt. Es ist dem Einsatz des Teams zu verdanken, dass bei dieser Konferenz die Ziele Deutschlands vollständig erreicht wurden. Und auch ich stehe hier nicht ohne Stolz. Deutschland ist nach San Marino und Liechtenstein das dritte Land, das die Änderungen des Römischen Statuts ratifiziert. Als Menschenrechtspolitikerin bin ich stolz, dass Deutschland hier eine Vorbildrolle übernommen hat und ein entscheidendes Signal an andere Länder sendet. Ebenso kann ich selbstbewusst sagen, dass unsere christ- lich-liberale Koalition heute ein wichtiges Ziel – wort- wörtlich aus dem Koalitionsvertrag – erreicht hat. Die FDP-Fraktion kann damit auf eine erfolgreiche Men- schenrechtsbilanz zurückblicken, und auch das Gesetz zu den Änderungen des Römischen Statuts geht auf eine Initiative von uns Liberalen zurück. Gleichzeitig mit der Definition des Tatbestands der Aggression wurde in Kampala eine weitere wichtige Än- derung des Römischen Statuts erreicht. Deutschland war maßgeblich daran beteiligt, dass der Einsatz bestimmter besonders grausamer Waffen und Geschosse auch in nicht internationalen bewaffneten Konflikten in Zukunft als Kriegsverbrechen eingestuft wird. Mit dem Tatbestand der Aggression knüpft das Rom- Statut direkt an die Nürnberger Prozesse an. Bereits im Statut des Internationalen Militärgerichtshofs wurde die- ser als „Verbrechen gegen den Frieden“ als zentraler An- klagepunkt aufgeführt. Die Nürnberger und Tokioter Prozesse legten den Grundstein für das Ende der Straf- losigkeit und damit für eine der größten kulturellen Er- rungenschaften der modernen Menschheitsgeschichte. Die Ad-hoc-Tribunale für das ehemalige Jugosla- wien, für Ruanda, Sierra Leone und Kambodscha führen dieses Vermächtnis seit den 1990er- und 2000er-Jahren fort. Sicher ist Ihnen allen das Verfahren gegen den frühe- ren serbischen Präsidenten Slobodan Milosevic wegen Völkermordes und Verbrechen gegen die Menschlichkeit noch in Erinnerung. In Den Haag hat nun gerade der Prozess gegen den letzten Angeklagten vor dem VN-Tri- bunal für das ehemalige Jugoslawien begonnen. Goran Hadzic steht wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor Gericht. Er soll an Mord, Folter und Vertreibungen beteiligt gewesen sein. In mühseliger Detailarbeit arbeitet das Tribunal für Ruanda den grausamen Völkermord an Tutsi und Hutu auf. Und mit der Verurteilung des ehemaligen liberiani- schen Präsidenten Charles Taylor vor dem Sondergericht für Sierra Leone konnte ein großer Erfolg im Kampf ge- gen die Straflosigkeit erreicht werden. Leider gibt es aber auch Beispiele, die zeigen, dass Vergangenheitsbewältigung und Strafverfolgung nach dem Ende von Unrechtsregimen oder Völkerrechtsver- brechen häufig unbefriedigend sind. So geht die Aufar- beitung der Schreckensherrschaft der Roten Khmer nur schleppend voran. Auch wenn der hauptverantwortliche Folterer „Duch“ verurteilt werden konnte, behindert die Regierung in Phnom Penh die Ermittlungen derart, dass bereits zwei anerkannte Richter aus Deutschland und der Schweiz ihr Amt niedergelegt haben. Kambodscha ist kein Einzelfall. Diesen Sommer hatte ich die Gelegenheit, mich auf einer Reise nach Kenia di- rekt vor Ort über den Versöhnungsprozess im Anschluss an die blutigen Ausschreitungen nach den Wahlen 2007 und 2008 zu informieren. Es hat mich sehr beunruhigt, zu hören, dass keiner der Täter bisher verurteilt wurde. Viele Opfer fühlen sich alleingelassen. Dies zeigt, welch große Bedeutung der Arbeit des Internationalen Strafge- richtshofs zukommt, welcher seit 2009 diese Vorfälle untersucht. Das Verfahren gegen vier hochrangige Staatsbeamte ist für 2013 geplant. William Samoei Ruto, Joshua arap Sang, Francis Kirimi Muthaura und Uhuru Muigai Kenyatta werden Verbrechen gegen die Mensch- lichkeit vorgeworfen. Die Ermittlungen des IStGH sind die große Hoffnung der kenianischen Zivilgesellschaft, die sich nach einer Aufarbeitung der Vergangenheit sehnt. Wir sehen also immer wieder, wie wichtig die Grün- dung des Internationalen Strafgerichthofs war. Das „Wunder von Rom“, wie der renommierte Völker- rechtsprofessor Christian Tomuschat die diplomatische Bevollmächtigtenkonferenz von 1998 kürzlich nannte, bestätigte die Universalität des Gedankens von Nürn- berg. Völkermörder, Kriegsverbrecher und Verbrecher gegen die Menschlichkeit müssen nun grundsätzlich da- von ausgehen, dass sie sich für ihre Taten verantworten müssen, und zwar vor einem zentralen, überparteilichen, objektiven Gericht – ohne zeitliche Begrenzung! Der Beschluss von Kampala stärkt die Rolle der indi- viduellen Verantwortung. Die Definition sieht vor, dass das Verbrechen der Aggression nur von einer Person be- gangen werden kann, die tatsächlich in der Lage ist, das politische Handeln eines Staates zu kontrollieren oder zu lenken. Man spricht hier auch vom „Führungsverbre- chen“. Mit seinem Haftbefehl gegen den sudanesischen Präsidenten Umar al-Bahir hat der Internationale Straf- gerichtshof bereits bewiesen, dass er auch nicht vor Ver- fahren gegen amtierende Staatsoberhäupter zurück- schreckt. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Oktober 2012 24065 (A) (C) (D)(B) Bis jetzt sind 121 Staaten dem Römischen Statut bei- getreten; damit hat sich die Zahl der Mitgliedstaaten seit dem Inkrafttreten des Vertrags verdoppelt. Wenn wir al- lerdings das Ende das Straflosigkeit als ernsthaftes Ziel verfolgen, reicht dies noch lange nicht. Bis jetzt sind we- der China noch Russland oder die USA Mitglieder des Römischen Statuts; das sind drei von fünf ständigen Mit- gliedern des VN-Sicherheitsrates. Während diese Auf- zählung oft und prominent erwähnt wird, werden viele andere Staaten vergessen, die sich bisher auch noch nicht zum Internationalen Strafgerichtshof bekannt haben: In- dien, Indonesien, Israel und Irak. Tunesien ist erst kürz- lich und als einziger Staat der arabischen Welt beigetre- ten. Weitere große Herausforderungen des Gerichts sind die Beschleunigung der Verfahren und eine langfristige Finanzierung. Nach Japan ist Deutschland der zweit- größte Geldgeber des IStGH. Wir steuern knappe 12 Pro- zent des 110-Millionen-Euro-Budgets bei. Um den sehr hohen Erwartungen und Anforderungen gerecht zu wer- den, ist es unabdingbar, dass das Gericht ausreichend mit Ressourcen ausgestattet ist. Dies gilt insbesondere für qualifiziertes Personal. Die Richter des IStGH müssen nicht nur über solide Kenntnisse des humanitären Völ- kerrechts und der Menschenrechte verfügen, sondern brauchen auch praktische Erfahrungen in strafrechtli- chen Prozessen. Deutschland stellt mit Hans-Peter Kaul einen der 18 Richter. Mit dem Institut zur Durchsetzung der Nürnberger Prinzipien zum Völkerstrafrecht, das unsere christlich- liberale Koalition ins Leben gerufen hat, haben wir ein weiteres wichtiges Zeichen gesetzt. 2012 wurden bereits mehrere Modellprojekte durchgeführt: unter anderem eine Summer School zum Thema „From Nuremberg to The Hague“ mit amerikanischen und zwei kenianischen Studenten im Juni. Immer wieder bemängeln Kritiker, dass es in der zehn- jährigen Tätigkeit des IStGH lediglich ein einziges Urteil gab. Im März wurde der kongolesische Milizenführer Thomas Lubanga wegen der Rekrutierung von Kinder- soldaten schuldig gesprochen. Selten wird hingegen von den Schwierigkeiten gesprochen, die die Ermittler des Gerichts bei ihren Untersuchungen bewältigen müssen. Bei ihrer Arbeit ist die Anklagebehörde auf Zeugenaus- sagen und vor allem auf die Kooperation der Behörden vor Ort angewiesen. Ein Großteil der Ermittlungsarbeit muss in Den Haag, dem Sitz des Gerichts, stattfinden. Im Ergebnis wird hier auch von „remote justice“ – Ge- rechtigkeit aus der Ferne – gesprochen und die entste- hende emotionale Distanz kritisiert. Sehr ähnlich ist der Vorwurf, dass es sich beim IStGH um eine koloniale Institution handele. Kurz vor ihrem An- tritt als neue Chefanklägerin widerlegte Fatou Bensouda dies sehr energisch: „Als Frau, als stellvertretende Chef- anklägerin, als Afrikanerin bin ich wirklich bestürzt, wenn gesagt wird, dass der Internationale Strafgerichts- hof immer nur Afrikaner ins Visier nimmt. Das tut er nicht. Der IStGH kooperiert mit Afrika. Und er versucht, die Opfer in Afrika zu beschützen.“ Zurzeit führt das Gericht Vorermittlungen zu Fällen in Afghanistan, Kolumbien, Südkorea, Georgien und in den palästinen- sischen Gebieten und bestätigt damit den universellen Fokus des Römischen Statuts. Deutschland steht fest hinter dem Internationalen Strafgerichtshof. Mit dem heute vorliegenden Gesetzent- wurf bekennen wir uns klar zu seiner Arbeit, und wir werden das Gericht auf seinem vielversprechenden Weg mit großem Engagement begleiten. Stefan Liebich (DIE LINKE): Am 25. April 2002 debattierte der Deutsche Bundestag die Ratifizierung des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtsho- fes vom 17. Juli 1998 und stimmte schließlich einstim- mig zu. Die Fraktion der PDS hatte dazu, zum Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des Völkerstrafgesetzbu- ches, einen Entschließungsantrag eingebracht, der zwar abgelehnt wurde, dessen teilweise Umsetzung wir aber nun nach zehn Jahren erleben. Wir forderten damals die Bundesregierung auf, die Definition eines Verbrechens der Aggression, die Aufnahme eines Verbrechenstatbe- standes des internationales Terrorismus, die Strafbarkeit des Einsatzes von Atomwaffen und anderer grausamer Waffen und die Festlegung einer Altersgrenze von 18 Jahren für den Einsatz als Soldat in den internationalen Gremien anzumahnen und dafür tätig zu werden. Jetzt liegt uns ein Gesetzentwurf der Bundesregierung vor, ein Gesetzentwurf, der die Resolutionen der ersten Überprüfungskonferenz des Rom-Statuts, die 2010 in Kampala, Uganda statt fand, umsetzt und die Verände- rungen des Rom-Statuts ratifizieren soll. Er regelt die Definition eines Verbrechens der Aggression, die Straf- barkeit der Verwendung von – im weiteren Sinne – che- mischen Waffen, obwohl die Definition der Chemiewaf- fenkonvention da sicher besser ist, und die Strafbarkeit grausamer Waffen – hier im Sinne von zum Beispiel Teilmantelgeschossen –; beides nicht nur in zwischen- staatlichen Konflikten. All das ist zu begrüßen. Immerhin, zwei von fünf For- derungen unseres damaligen Entschließungsantrages sind umgesetzt. Und es gilt festzuhalten: Der Internationale Strafge- richtshof in Den Haag hat trotz erheblichen Widerstan- des der Regierung der Vereinigten Staaten seine Arbeit aufnehmen können. 121 Staaten haben mittlerweile das Rom-Statut ratifiziert. Mit der Verurteilung von Thomas Lubanga im Juli dieses Jahres wurde das erste Verfahren zum Abschluss gebracht. Lubanga war der Versklavung von Kindern als Soldaten in Hunderten Fällen schuldig gesprochen worden. Im Fakultativprotokoll zu dem Übereinkommen über die Rechte des Kindes, betreffend die Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten, von der Bundes- republik unterzeichnet, aber mit einem Vorbehalt verse- hen, ist geregelt, keine Heranwachsenden unter 18 zum Dienst in Streitkräften heranzuziehen. Auch im Sinne in- ternationaler Glaubwürdigkeit kann ich Sie nur auffor- dern: Ziehen Sie diesen Vorbehalt zurück! Auch in Deutschland – und da müssen wir Vorbild sein – darf der Dienst in Streitkräften erst ab 18 möglich sein. 24066 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Oktober 2012 (A) (C) (D)(B) Festzuhalten bleibt auch: „Erste Pflicht der deutschen Politik ist es, auf die Durchsetzung eines internationalen Rechts zu drängen, das für alle Staaten verbindlich ist. Ohne eine solche Rechtsordnung kann es keinen Frieden geben. Auch international gilt: Die Freiheit des Stärke- ren führt zur Unterdrückung. Das Recht schützt die Freiheit der Schwächeren.“ Das schrieb unser späterer Parteivorsitzender Oskar Lafontaine im Jahr 2005, und ich stimme dem aus vollem Herzen zu. Deshalb muss die Bundesregierung auf allen Ebenen dafür wirken, dass die USA und Russland ihren Wider- stand gegen den Internationalen Strafgerichtshof auf- geben. Gut, dass die Tschechische Republik 2009 als letzter EU-Mitgliedsstaat die Ratifizierungsurkunde hin- terlegt hat. Bei den Beitrittsverhandlungen zur EU sollte die Ratifizierung des Rom-Statuts und damit die Aner- kennung eines wichtigen Teils des Völkerrechts Bedin- gung sein, meine ich. Historisch ist die Definition eines Verbrechens der Aggression gar nicht hoch genug zu bewerten, bei allen Abstrichen und vielen Kompromissen. Nach den Kriegs- verbrechertribunalen von Nürnberg und Tokio und der UN-Resolution 3314 von 1974 ist es gelungen, eine breit getragene Definition zu erarbeiten, die dem Gericht Raum zu eigenem Handeln lässt. Deshalb werden wir unsere Kritik im parlamentari- schen Beratungsverfahren benennen, dem Gesetzent- wurf jedoch zustimmen. Hausaufgaben – nicht nur der Bundesregierung; sie ist aber hier unser Adressat – blei- ben: ein Tatbestand des internationalen Terrorismus und die Strafbarkeit des Einsatzes von Atomwaffen und aller Massenvernichtungswaffen. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Internationale Strafgerichtshof, IStGH, soll künftig auch über das Verbrechen des Angriffskrieges urteilen. Das beschlossen in der Nacht zum 12. Juni 2010 die da- mals 111 Mitgliedstaaten des Römischen Statuts bei ei- ner Konferenz in Ugandas Hauptstadt Kampala und füg- ten einen neuen Art. 8bis in das Römische Statut des IStGH ein. Demnach können der Sicherheitsrat der Ver- einten Nationen, die Vertragstaaten des Römischen Sta- tuts sowie die Chefanklägerin in Zukunft Ermittlungen wegen Aggressionsverbrechen einleiten. Nun müssen Präsidenten oder Armeeführer damit rechnen, wegen völkerrechtswidriger Invasionen, Bombardements oder Blockaden anderer Länder persönlich zur Verantwortung gezogen zu werden. Dies ist gerade für uns Deutsche ein wesentlicher Meilenstein in der völkerrechtlichen Ent- wicklung. Es geht beim Verbrechen der Aggression um nicht weniger als um das Erbe der Nürnberger Kriegs- verbrecherprozesse. Wir Grüne hatten die deutsche De- legation in Kampala durch einen Antrag unterstützt (Bundestagsdrucksache 17/1767). Im Nachhinein ist es umso bedauerlicher und unverständlicher, dass sowohl die schwarz-gelbe Koalition als auch die SPD diesen Antrag einst abgelehnt haben. 28 Monate nach Kampala ist es aber nun doch ein gutes Zeichen, dass die Bundes- regierung die dort gefundenen Beschlüsse ratifizieren möchte. In Kampala wurde ein Kompromiss in letzter Minute gefunden. Der IStGH kann ab 2017 nun einerseits Ag- gressionsverbrechen auch dann behandeln, wenn der Si- cherheitsrat untätig bleibt – obgleich die Chefanklägerin und die von einem Angriff betroffenen Staaten erst hohe Hürden zu überwinden haben, ehe sie ein Verfahren ein- leiten können. Andererseits darf der IStGH nicht gegen Angehörige von Staaten ermitteln, die dem Statut fern- geblieben sind, zum Beispiel die USA, China und Russ- land. Ihre Führer müssen daher nicht befürchten, wegen möglicher Aggressionen – etwa in Afghanistan, Tibet oder Georgien – belangt zu werden. Mit dem universel- len Anspruch des Gerichts ist dieser Kompromiss nach Ansicht von Bündnis 90/Die Grünen nur bedingt verein- bar. Mehr als bedauerlich ist zudem die vorgesehene Op- tionslösung, wonach die Vertragstaaten erklären können, dass der IStGH nicht für Aggressionen zuständig sein soll, die durch ihre Staatsangehörigen begangen wurden oder von ihrem Staatsgebiet ausgehen. Darüber, dass wir Grünen und vermutlich auch die Bundesregierung sich ein noch schöneres Ergebnis ge- wünscht hätten, brauchen wir uns jedoch nicht lange zu unterhalten. In erster Linie sollten wir uns über den in Kampala erzielten Durchbruch freuen – Minimalkonsens hin oder her. Der Sinn der neuen Einigung besteht vor al- lem darin, eine gefährliche Lücke im Recht der Staaten- welt zu schließen. Zwar können bislang Verbrechen in- nerhalb des Kriegs verfolgt werden, auch Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord. Nur beim Angriffskrieg selbst war das bisher nicht möglich. Dabei gilt er seit den Nürnberger Prozessen gegen die NS-Füh- rung als „das schwerste internationale Verbrechen“. Die deutsche Delegation hat in Kampala – genauso wie übrigens schon bei der Schaffung des Römischen Statuts – einen sehr wichtigen und konstruktiven Beitrag geleistet, um eine Einigung zu erzielen, und hat gemein- sam mit den Niederlanden eine Gruppe der Gleichge- sinnten organisiert, um auf einen Kompromiss hinzuar- beiten. Und auch wenn Menschenrechtsorganisationen wie etwa Amnesty International zu Recht kritisieren, dass man den ständigen Mitgliedern des Sicherheitsrates zu sehr entgegengekommen sei, so muss ich doch kon- statieren, dass eine nicht ganz perfekte Regelung des Tatbestandes des Aggressionsverbrechens immer noch deutlich besser ist als gar keine Regelung. Dennoch hat auch die Beharrlichkeit von Amnesty International, Hu- man Rights Watch und anderen NGOs insgesamt eine sehr wichtige und positive Rolle gespielt: Ohne deren Forderungen wären insbesondere Großbritannien und Frankreich nicht unter jenen enormen Druck geraten, un- ter dem sie zuletzt standen. Auch Maximalforderungen zu erheben, ist in Verhandlungsrunden legitim und von großer Bedeutung. Wer den gefundenen Konsens nun für zu schmalbrüstig erachtet, der sollte bedenken, dass die Völkerrechtsentwicklung sich eher in Dekaden als in Jahren vollzieht. Eine Erweiterung des Aggressionstat- bestandes ist wohl im steten Prozess weiterhin möglich. Die große Aufgabe, die in naher Zukunft zu bewälti- gen sein wird, ist die Implementierung des Tatbestands des Aggressionsverbrechens in die deutsche Rechtsord- nung. Für die Umsetzung des Art. 8bis des Römischen Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Oktober 2012 24067 (A) (C) (D)(B) Statuts ins deutsche Recht gibt es verschiedene denkbare Varianten. Die vermeintlich einfachste, zugleich aber auch un- ambitionierteste Möglichkeit ist wohl, keine Änderun- gen im deutschen Recht vorzunehmen und mit dem bestehenden § 80 StGB weiter zu operieren. Die Mate- rialien zu Art. 8bis des Römischen Statuts könnten dann als reine Auslegungshilfe herangezogen werden. Dafür spricht, dass es keine völkerrechtliche Pflicht gibt, das Verbrechen der Aggression ins deutsche Recht zu imple- mentieren. Gegen diese Variante ist jedoch einzuwen- den, dass die Bundesrepublik ihrer Vorreiterrolle im Völkerstrafrecht, die sie in Kampala erneut unter Beweis gestellt hat, und auch ihrer historischen Verpflichtung nur unzureichend Rechnung tragen würde. Die zweite, genau gegensätzliche Lösung wäre wohl, Art. 8bis des Römischen Statuts vollumfänglich in einer ins Deutsche übersetzten Form im deutschen Recht abzu- bilden. Hier stellt sich jedoch die Frage des Bestimmt- heitsgrundsatzes im deutschen Recht, im Strafrecht zu- mal. Dem wird Art. 8bis nicht gerecht. Insbesondere die soeben dargestellte Entstehungsgeschichte des Kompro- misses zum Tatbestand des Aggressionsverbrechens hatte es erforderlich gemacht, auf Formulierungen zurückzu- greifen, die wohl erst im Zuge der Rechtsauslegung und -anwendung näher definiert werden. Ein Umstand zwar, der in vielen nationalen Gesetzgebungsverfahren eben- falls vorkommt. Dort aber wird im Regelfall mit bereits bekannten Rechtsbegriffen jongliert, die die Verfas- sungsmäßigkeit zumindest in der Regel nicht überstrapa- zieren. So bleibt als dritte Möglichkeit wohl nur ein Mittel- weg. Aufbauend auf § 80 StGB müsste Art. 8bis des Rö- mischen Statuts in modifizierter Form ins deutsche Recht übernommen werden, wenn auch nicht unbedingt im StGB. § 80 StGB ist anerkannt verfassungsgemäß und hinreichend bestimmt, auch im Hinblick auf die De- finition des Tatbestandsmerkmals des Angriffskrieges. Natürlich müsste die Norm jedoch verändert werden. Zum einen im Hinblick auf den Täterkreis; denn klar ist, dass das Aggressionsverbrechen im Römischen Statut ein Führungsdelikt, nach deutscher Wertung also ein ab- solutes Sonderdelikt, darstellt. Insbesondere aber ist die Klärung der Frage notwendig, ob der Bezug zu Deutsch- land in der Norm erhalten bleiben solle. Ob der Bezug zu Deutschland, wie ihn derzeit § 80 StGB vorsieht, aufrechterhalten bleiben oder zugunsten eines echten Weltrechtsprinzips aufgehoben werden soll, ist eine der beiden schwierigsten Fragen bei der Imple- mentierung des Verbrechens der Aggression in die deut- sche Rechtsordnung. Der Ständige Internationale Ge- richtshof hatte im Jahr 1927 im Lotus-Fall geurteilt, dass die Ausdehnung nationaler Strafgerichtsbarkeit nur dann unzulässig sei, wenn ein ausdrückliches völkerrechtli- ches Verbot nachweisbar wäre. Dieses wegweisende Ur- teil hat das Weltrechtsprinzip begründet und gilt bis heute. Diese Lotus-Entscheidung konsequent umzusetzen, hieße, den Deutschland-Bezug aus dem neu zu schaffen- den Tatbestand zu streichen. Damit infolgedessen jedoch nicht wegen jeder weltweiten Aggression vor deutschen Gerichten verhandelt werden müsste, wäre jedoch eine strafprozessuale Einschränkung über § 153 f StPO zwin- gend erforderlich. Wir müssen uns daher fragen, ob wir so eine weite Regelung im materiellen Strafrecht tatsächlich haben möchten. Ob es wirklich sinnvoll wäre, den Anschein ei- nes weltweit für alle Aggressionsverbrechen zuständigen materiellen Strafrechts zu erwecken, wenn doch klar ist, dass die Ermittlungsbehörden und auch die Gerichte in der Vielzahl dieser Fälle an ihre Grenzen stoßen würden. Die große Mehrzahl der Strafanzeigen nach einem neuen, auf dem Weltrechtsprinzip basierenden Tatbe- stand des Aggressionsverbrechens würde aufgrund be- rechtigter strafprozessualer Erwägungen eingestellt. Dies würde in erster Linie Enttäuschung hervorrufen und das Bestreben um eine Stärkung des Völkerstrafrechts vermutlich eher behindern als fördern. Es ist daher notwendig, den neuen Tatbestand realis- tisch und auch pragmatisch zu fassen. Der Bezug zur Bun- desrepublik Deutschland – ähnlich wie er derzeit in § 80 StGB steht – sollte daher nicht pauschal aufgegeben wer- den. Denn neben dem Argument, dass die mögliche Über- frachtung der Gerichte und Ermittlungsbehörden Enttäu- schung produzieren würde, stellt sich zusätzlich die Frage, ob ein Weltrechtsprinzip im Falle der Aggression völkerrechtlich überhaupt möglich wäre. Im Gegensatz zu anderen Völkerrechtsverbrechen gibt es im Hinblick auf die Aggression keine diesbezügliche Staatenpraxis. Mit diesem Argument das Weltrechtsprinzip beim Ag- gressionsverbrechen aber nun abzulehnen, wäre zu vor- schnell. Jede Form des Völkergewohnheitsrechts nimmt aus irgendeinem Anlass und durch irgendeine Norm ihren Anfang. Das Völkerstrafrecht weiter voranbringen zu wollen, hieße also, bei der Umsetzung des Aggressions- verbrechens ins deutsche Recht nicht gänzlich auf einen weltrechtlichen Anspruch zu verzichten. Zumal andern- falls eine nicht zu erklärende Ungleichbehandlung zwi- schen den einzelnen Völkerrechtsverbrechen die Folge wäre. Eine vermittelnde Lösung wäre also auch hier an- gebracht. Nicht alle Aggressionsverbrechen sind per se vom Weltrechtsprinzip erfasst. Nichtstaatliche Akteure schließt beispielsweise auch Art. 8bis des Römischen Statuts aus. Zwar muss bei der Fassung des Tatbestandes der Gefahr entgegengewirkt werden, dass Angriffskriege in zwei Kategorien unter- teilt würden: in solche, die von deutschen Behörden ver- folgt oder nicht verfolgt werden. Doch dies kann durch eine geschickte, sich am Sinn und Zweck der Norm orientierende Formulierung des Tatbestandes und der Tathandlung vermieden werden. Dies leitet zu der zweiten aus meiner Sicht wesentli- chen Frage bei der Implementierung des Verbrechens der Aggression in die deutsche Rechtsordnung über, der Frage nach der Definition des Angriffskrieges. Es er- scheint charmant, die Definition aus Art. 8bis Abs. 2 des Römischen Statuts zu übernehmen. Dies hieße jedoch zum einen, sich erneut an bislang im deutschen Recht undefinierte Rechtsbegriffe heranwagen zu müssen – mit allen Schwierigkeiten im Hinblick auf das Bestimmt- heitsgebot und die Verfassungsmäßigkeit, und zum an- 24068 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Oktober 2012 (A) (C) (D)(B) deren, den in Art. 8bis enthaltenen Verweis auf die Reso- lution 3314 (XXIX) der Generalversammlung der Vereinten Nationen zu übernehmen. Zu Recht wird der in Kampala gefundene Kompromiss für den Tatbestand des Aggressionsverbrechens für diesen Verweis kriti- siert. Denn die Bezugnahme auf die Resolution 3314 (XXIX) kontaminiert den Aggressionsbegriff mit politi- schen Erwägungen der Sicherheitsratsmitglieder. Im deutschen Strafrecht wäre es ein einmaliger Fremdkör- per, würde die Einschätzung des UN-Sicherheitsrates zur Tatbestandsvoraussetzung einer strafbaren Handlung. Zur Lösung dieses Problems böte es sich an, die An- griffshandlung im deutschen Recht gesondert und ohne eine Bezugnahme auf die Resolution zu definieren. Art. 3 der Resolution könnte hierfür aus seinem Kontext herausgehoben und verwendet werden. Er ist progressiv und wird international besonders von den kleineren Staa- ten begrüßt. Auch angesichts anderer Probleme bietet es sich aus meiner Sicht nicht an, die Definition aus Art. 8bis Abs. 2 des Römischen Statuts einfach zu übernehmen. Etwa die aus unserer Sicht unscharf formulierte Tathandlung der Anwendung von Waffengewalt. Oder den Buchstaben f, der Handlungen unter Strafe stellt, durch die ein Staat er- laubt, dass sein Hoheitsgebiet mit Erlaubnis von einem anderen Staat dazu genutzt wird, eine Angriffshandlung gegen einen dritten Staat zu begehen. Die Flugbasen der USA in der Bundesrepublik sind hierfür ein klassisches Beispiel. Wann immer ein von den USA geführter Krieg, bei dem in Deutschland stationierte amerikanische Sol- daten eingreifen, mit dem Vorwurf der Aggression be- legt wird, würden vermutlich sogleich zahlreiche Straf- anzeigen gegen deutsche Verantwortliche eingehen, die die Stationierung US-amerikanischer Truppen gestatten. Und zwar unabhängig von der Frage, ob der Bezug zu Deutschland im Aggressionsverbrechen aufrechterhalten bleibt oder nicht. Angesichts dieser und vermutlich noch vieler weiterer Fallstricke sollte sich der Gesetzgeber daher die Mühe machen, den Angriffskrieg selber zu definieren. Unbe- nommen davon bleibt ja die Möglichkeit, in der Begrün- dung des Gesetzentwurfs darauf zu verweisen, dass Art. 8bis des Römischen Statuts zur weiteren Auslegung des Begriffs herangezogen werden sollte. Angesichts der bereits angesprochenen Vorreiterrolle, die die Bundesrepublik Deutschland in den letzten Jahr- zehnten im Völkerstrafrecht eingenommen hat und auch weiterhin einnehmen sollte, bin ich der Meinung, dass eine Platzierung des neuen Tatbestandes des Aggressi- onsverbrechens im StGB unzureichend wäre. Anstatt § 80 StGB neu zu fassen, sollte eine neue Norm im Völker- strafgesetzbuch geschaffen werden. Nur so könnte Deutschland eine international mustergültige Regelung schaffen. Die Bundesrepublik würde hierdurch ihren Wil- len sichtbar bekräftigen, das Aggressionsverbrechen zu ächten. Denn bei aller notwendigen Begrenzung des Weltrechtsprinzips und bei allem verständlichen Wunsch, die deutschen Gerichte nicht zu überfrachten, müssen wir doch auch zugleich die Stärkung des IStGH als Institution im Blick behalten. Es hilft dem Gerichtshof nicht, wenn wir verhältnismäßig unambitionierte nationale Normen kreieren, die die wesentlichen Problemfälle dann auf den IStGH verlagern. Der IStGH ist ein Gericht nur für jenen Notfall, in dem die nationalen Gerichte und Rechtsord- nungen versagen. Daher plädiere ich für eine mutige Lö- sung und die Schaffung eines neuen Tatbestandes im VStGB. Ein Beharren auf § 80 StGB in einer modifizier- ten Form wäre der Größe des Projektes nicht angemessen. Zuletzt noch eine kurze Bemerkung zur prozessualen Flankierung. Jede noch so gute neue Regelung würde an Einfluss und Macht verlieren, wenn § 153 f StPO weiter- hin so restriktiv angewandt würde wie bislang. Er muss reformiert werden. Das Wort „insbesondere“ im zweiten Absatz suggeriert in meinen Augen, dass es sich im Ver- gleich zum ersten Absatz eher um eine Soll- als um eine Kann-Vorschrift handelt. Zudem wird – etwa in der zweiten Rumsfeld-Entscheidung – in der Rechtspraxis regelmäßig geprüft, ob angesichts der Möglichkeiten der Beweissicherung in einem fernen Staat oder der antizi- pierten Rechtshilfe ein Verfahren denn überhaupt zu ei- ner Anklage führen könne. Dieser Ansatz, so nachvoll- ziehbar und menschlich er auch erscheint, muss sehr kritisch hinterfragt werden. Er steht so nicht im Gesetz. Wer Enttäuschungen bei der Umsetzung des Tatbestan- des des Aggressionsverbrechens ins deutsche Recht vor- beugen will, der sollte auch hier ansetzen. Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts zu dem Antrag: Für wirksamen Rechtsschutz im Asylverfahren – Konsequen- zen aus den Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ziehen (Ta- gesordnungspunkt 17) Helmut Brandt (CDU/CSU): In ihrem Antrag, den wir heute in zweiter Lesung beraten, kritisiert die Frak- tion Bündnis 90/Die Grünen, dass entgegen einer Grund- satzentscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in Deutschland keine Möglichkeit eines effektiven Rechtsschutzes gegen die Überstellung in ei- nen anderen EU-Mitgliedstaat auf Basis der Dublin-Ver- ordnung bestehe. Nach der Entscheidung des Gerichts- hofes vom 21. Januar 2011 müssen Behörden und Gerichte eine Beschwerde, mit der geltend gemacht wird, durch die Abschiebung in ein anderes Land einer gegen Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonven- tion verstoßenden Behandlung ausgesetzt zu sein, gründ- lich untersuchen. Die zuständige Instanz muss die Kom- petenz haben, die Beschwerde in der Sache zu prüfen. Der Deutsche Bundestag soll daher die Bundesregie- rung auffordern, einen Gesetzentwurf vorzulegen, mit dem der in den §§ 27 a, 34 a Abs. 2 und 75 AsylVfG vorgesehene Ausschluss des vorläufigen Rechtsschutzes gegen Überstellungen im Rahmen der Dublin-II-Verord- nung aufgehoben wird und stattdessen das Recht auf ei- nen effektiven Rechtsschutz mit aufschiebender Wir- kung festgeschrieben wird. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Oktober 2012 24069 (A) (C) (D)(B) Hintergrund des vorliegenden Antrags ist neben einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Men- schenrechte vom 21. Januar 2011 ein Urteil des Europäi- schen Gerichtshofes vom 21. Dezember 2011. In dem Verfahren von Asylbewerbern aus Afghanistan, dem Iran und Algerien gegen das Vereinigte Königreich und die Republik Irland hat der Europäische Gerichtshof ent- schieden, dass ein Asylbewerber nicht an einen Mit- gliedstaat überstellt werden darf, in dem er Gefahr läuft, unmenschlich behandelt zu werden; das Unionsrecht lasse keine unwiderlegbare Vermutung zu, dass die Mit- gliedstaaten die Grundrechte der Asylbewerber beach- ten. Begründet wird der Antrag von Bündnis 90/Die Grü- nen damit, dass ein Schutzsuchender grundsätzlich vor einer Rückführung in einen anderen EU-Mitgliedstaat die Möglichkeit einer effektiven rechtlichen Überprü- fung mit aufschiebender Wirkung haben müsse: dass viele Verwaltungsgerichte bereits dementsprechend ent- schieden, reiche nicht aus. Ihren Antrag lehnen wir ab. Die Regelungen des Asylverfahrensgesetzes zum sicheren Drittstaat wurden 1996 vom Bundesverfassungsgericht grundsätzlich ge- billigt. Und auch der Europäische Gerichtshof hat in sei- nem Urteil vom 21. Dezember 2011 festgestellt, dass eine Prüfung der Rechtstexte, die das Gemeinsame Eu- ropäische Asylsystem bilden, die Annahme zulasse, dass alle an diesem System beteiligten Staaten die Grund- rechte beachten, einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention sowie in der Europäischen Menschenrechtskonvention haben. Die Mitgliedstaaten dürfen einander insoweit Vertrauen entgegenbringen. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht eng um- grenzte Ausnahmen festgelegt, in denen die von der Ver- fassung beziehungsweise dem Gesetzgeber getroffene Festlegung von Staaten als sicher und damit auch der Ausschluss des vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 34 a Asylverfahrensgesetz nicht gilt. Und auch der Europäi- sche Gerichtshof hat entschieden, dass von einer Rück- überstellung abzusehen sei, wenn ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe die Annahme nahelegen, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemi- sche Mängel aufweisen. Was Rücküberstellungen nach Griechenland anbe- langt, hat der damalige Bundesinnenminister, Thomas de Maizière, mit der bereits Anfang Januar 2011 zunächst auf ein Jahr befristeten und zwischenzeitlich um ein wei- teres Jahr bis Januar 2013 verlängerten vollständigen Aussetzung von Überstellungen von Deutschland nach Griechenland die entscheidende Konsequenz aus der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Men- schenrechte gezogen. Hintergrund der Entscheidung des Bundesinnenministers waren Berichte von Delegations- teilnehmern sowie Nichtregierungsorganisationen und dem Hohen Flüchtlingskommissariat, die immer wieder auf die unhaltbaren Zustände in Griechenland hinwie- sen. Trotz der geleisteten oder angebotenen Hilfe herrschten und herrschen in den Flüchtlingslagern men- schenunwürdige Zustände. Die griechische Regierung ist nach wie vor nicht in der Lage und wohl auch nicht willens, sich für eine deutliche Verbesserung der Lage der Flüchtlinge einzusetzen. Aufgrund der vollständigen Aussetzung von Über- stellungen nach Griechenland gibt es derzeit keine Ge- richtsverfahren, bei denen es auf die Frage vorläufigen Rechtsschutzes gegen Überstellungen dorthin ankommt. Ich versichere Ihnen, dass über eine mögliche Verlän- gerung der Aussetzung von Überstellungen nach Grie- chenland auf Basis der Dublin-Verordnung rechtzeitig entschieden wird. Einen akuten Bedarf für eine generelle Änderung des § 34 a Abs. 2 Asylverfahrensgesetz kann ich deshalb nicht erkennen. In Bezug auf Überstellungen in andere Mitgliedstaaten sind derzeit keine Konsequenzen veranlasst. Die deutli- che Verurteilung von Griechenland zeigt, dass es sich um eine ganz außergewöhnliche und einzigartige Situation handelt: Der Europäische Gerichtshof für Menschen- rechte stützt seine Entscheidung auf übereinstimmende und über einen längeren Zeitraum verfestigte Berichte zahlreicher europäischer Institutionen und unabhängiger internationaler Organisationen über massive strukturelle Mängel im Griechenland-Asylsystem, die im Ergebnis eine Schutzverweigerung bedeuten. Eine solche Situation besteht in Bezug auf andere Mitgliedstaaten nach derzei- tigem Kenntnisstand nicht. Soweit Verwaltungsgerichte gleichwohl Überstellun- gen in andere Mitgliedstaaten im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes untersagen, was zum Beispiel in Bezug auf Italien teilweise der Fall ist, teilen wir die darin zu- grunde liegende Einschätzung nicht: Weder für Italien noch für andere Mitgliedstaaten gibt es konkrete An- haltspunkte für sogenannte systemische Mängel des Asylsystems, die zu einer generellen Aussetzung von Überstellungen veranlassen. Eine Änderung des § 34 a Abs. 2 Asylverfahrensge- setz kommt überdies zum jetzigen Zeitpunkt für uns auch deshalb nicht in Betracht, da aktuell auf europäi- scher Ebene Verhandlungen über eine Neufassung der Dublin-Verordnung stattfinden. Im Zuge dieser Gesprä- che wird auch über die Möglichkeit eines einstweiligen Rechtsschutzes gegen eine Abschiebungsanordnung im Rahmen des Dublin-Verfahrens verhandelt. Ich bitte um Verständnis, dass wir schon aus Gründen einer einheitli- chen europäischen Regelung zunächst den Ausgang die- ser Gespräche abwarten. Ich warne jedoch ausdrücklich davor, das Dublin-Sys- tem als solches infrage stellen. Denn die auf dem Verant- wortungsgrundsatz basierenden Zuständigkeitsregelungen der Dublin-Verordnung und ihres Vorgängerabkommens haben sich in den über zehn Jahren ihrer Anwendung be- währt. Das Dublin-II-Abkommen war und ist der Garant dafür, dass wir keinen unkontrollierten und auch von uns nicht mehr zu bewältigenden Asylbewerberstrom haben. Und das Dublin-System bietet die Garantie dafür, dass das europäische Asylsystem nicht dadurch ins Stocken gerät, dass die staatlichen Behörden mehrere Anträge desselben Antragstellers bearbeiten müssen. 24070 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Oktober 2012 (A) (C) (D)(B) Einen Alleingang dahin gehend, den in den §§ 27 a, 34 a Abs. 2 und 75 AsylVfG vorgesehenen Ausschluss des vorläufigen Rechtsschutzes gegen Überstellungen nach Griechenland im Rahmen der Dublin-II-Verord- nung generell aufzuheben, wird es deshalb mit uns nicht geben. Wichtig erscheint mir außerdem, dass wir auf euro- päischer Ebene darüber nachdenken, die Visumsfreiheit für Länder wie Serbien und Mazedonien schnellstmög- lich auszusetzen. Die Zahlen der Asylbewerber des Mo- nats September 2012 zeigen insbesondere einen sprung- haften Anstieg von Asylanträgen durch serbische und mazedonische Staatsangehörige. Das liegt zum einen an der Abschaffung der Visapflicht für diese Länder, zum anderen aber auch an der Rechtsprechung des Bundes- verfassungsgerichts, das Asylbewerbern die volle Sozi- alhilfe zuerkannte. So etwas spricht sich natürlich auch in Staaten wie Serbien und Mazedonien, die ein beson- ders großes Wohlstandsgefälle zum EU-Raum aufwei- sen, rasend schnell herum. Diese Menschen kommen nach Deutschland, um hier ein besseres Leben führen zu können. Das mag menschlich verständlich sein; aber da- für ist das Asylrecht nicht geschaffen worden. Rüdiger Veit (SPD): In seinem Urteil vom 21. Ja- nuar 2011, MSS. gegen Belgien und Griechenland (Be- schwerde-Nr. 3096/09), hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, EGMR, entschieden, dass die Rücküberstellung in dem konkreten Fall nach Griechen- land aufgrund der dortigen Haft- und Lebensbedingun- gen eine Verletzung von Art. 3 der Europäischen Men- schenrechtskonvention, EMRK, darstellt; zudem liege eine Verletzung von Art. 13 EMRK, dem Recht auf eine wirksame Beschwerde vor, da der Beschwerdeführer keine Möglichkeit hatte, vor der Überstellung nach Grie- chenland gegen diese Rücküberstellung wirksame Rechtsmittel einzulegen. Mit anderen Worten: Aus die- ser Entscheidung des EGMR folgt unzweideutig, dass es Flüchtlingen, die rücküberstellt werden sollen, möglich sein muss, dagegen Rechtsmittel einzulegen. Das geltende deutsche Recht schließt in § 34 a Abs. 2 AsylVfG die Möglichkeit eines einstweiligen Rechts- schutzes gegen Abschiebungen in einen sogenannten sicheren Drittstaat aus. Damit entspricht es nicht der Rechtsprechung des EGMR. Ende des Jahres 2011 folgte die Große Kammer des Gerichtshofs der Europäischen Union, EuGH, der Linie des EGMR. In seiner Entscheidung vom 21. Dezember 2011 stellte sie fest, „dass das Unionsrecht der Geltung einer unwiderlegbaren Vermutung entgegensteht, dass der im Sinne der Verordnung Nr. 343/2003 – Dublin-II- Verordnung – „als zuständig bestimmte Mitgliedstaat die Unionsgrundrechte beachtet“. Der EuGH führte weiter aus, „dass es den Mitgliedstaaten einschließlich der na- tionalen Gerichte obliegt, einen Asylbewerber nicht an den „zuständigen Mitgliedstaat, im Sinne der Verord- nung Nr. 343/2003 – Dublin-II-Verordnung – zu über- stellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systematischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat … Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer un- menschlichen … Behandlung … ausgesetzt zu werden“. Vielleicht wundern Sie sich, warum ich die Entschei- dungen des EGMR und des EuGH hier noch einmal so ausführlich darlege, sind sie doch auch hinreichend in dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen genannt. Ich tue dies vor allem im Hinblick auf die Kol- leginnen und Kollegen der CDU/CSU-Fraktion. Nach dem Bericht des Innenausschusses zu dem vorliegenden Antrag hatten sie die Ablehnung des Antrags empfohlen, da er auf einer „fehlgehenden Interpretation einzelner Entscheidungen des … EuGH und des … EGMR“ beruhe; mit diesen falschen Interpretationen der Recht- sprechung der höchsten europäischen Gerichte wolle die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen den Asylkompromiss von 1992/1993 „zu Fall bringen“. Was ich zuvor zu den Entscheidungen des EGMR und des EuGH berichtet habe, habe ich nicht interpretiert, sondern zitiert. Die Entscheidungen dieser beiden Gerichte sind eindeutig, klar verständlich und bedürfen insofern keiner Interpretation mehr. Ich bin mir auch si- cher, dass EGMR und EuGH bei ihren Entscheidungen nicht im Sinn hatten, den deutschen Asylkompromiss auszuhöhlen. Das erscheint abwegig. EuGH und EGMR sind die für die Mitgliedstaaten maßgebenden Oberge- richte. Sie haben entschieden, dass im Verfahren gegen Überstellungen im Rahmen der Dublin-II-Verordnung ein effektiver einstweiliger Rechtsschutz möglich sein muss und dass es keine unwiderlegliche Vermutung für die Einhaltung und Gewährung der durch die EMRK ge- schützten Rechte in den Mitgliedstaaten gibt. Das hat auch das Bundesverfassungsgericht in mehre- ren Eilentscheidungen, in denen es die aufschiebende Wirkung eingelegter Rechtsmittel gegen Rückführungen nach Griechenland aufgrund einer „grundrechtskonfor- men Auslegung“ des § 34 a Abs. 2 AsylVfG bejaht hat, so entschieden. Ebenso urteilten verschiedene Verwal- tungsgerichte quer durch die gesamte Republik. Nach Griechenland wird derzeit – wie wir alle wissen – über- haupt nicht mehr rücküberstellt. Diese Entscheidungspraxis deutscher Gerichte kann aber nicht dazu führen – wie die Kolleginnen und Kolle- gen der Unionsfraktion jedoch meinen –, dass in Deutschland kein Handlungsbedarf bestehe. Zudem kann es nicht richtig sein, das Bundesverfassungsgericht jeweils im Einzelfall mit der Frage zu bemühen, ob ein einstweiliger Rechtsschutz gegen eine Überstellung an- gezeigt sei, wenn der EGMR deutlich sagt, dass dies ein Recht ist, das grundsätzlich gegeben sein muss. Es ist eine Fragestellung, die der Gesetzgeber zu entscheiden hat und wohl auch demnächst wird entscheiden müssen; denn am 19. September 2012 hat der Innenausschuss des EPs die geänderte Dublin-II-VO verabschiedet, auf die sich EP, Rat und Kommission zuvor in Trilogverhand- lungen in erster Lesung geeinigt hatten. In dieser Neu- fassung ist ein einstweiliger genereller Rechtsschutz ge- gen Rücküberstellungen vorgesehen. Vor diesem Hintergrund begrüßen wir auch ausdrück- lich die Entscheidung des EGMR von Anfang dieses Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Oktober 2012 24071 (A) (C) (D)(B) Jahres. Der EGMR hatte einen Fall zu entscheiden, in dem Italien eine Gruppe von auf hoher See aufgegriffe- nen Menschen an libysche Sicherheitskräfte zurücküber- stellte (Urteil vom 23. Februar 2012, Hirsi Jamaa u. a. gegen Italien, Nr. 27765/09). Damit verstieß Italien ge- gen die Europäische Konvention für Menschenrechte, EMRK: Wenn Vertreter eines EGMR-Vertragsstaates effektive Kontrolle über eine Person, ein Gebiet oder ein Schiff ausüben, dann sind sie an die EMRK – insbeson- dere das Non-Refoulement-Gebot – auch außerhalb des eigenen Hoheitsgebiets gebunden. Bei einer Überarbeitung der Frontex-Verordnung müssen wir darauf drängen, dass die EU-Menschen- rechte bei Einsätzen der Grenzschutzagentur gewahrt werden. Die Entwicklungen an den EU-Außengrenzen – ins- besondere zum Beispiel in Griechenland aber auch in jüngster Zeit in Ungarn – haben deutlich gemacht, dass wir in Europa dringend eine Verantwortungsteilung brauchen. Ich halte das für die derzeit dringendste politi- sche Aufgabe im Rahmen des europäischen Flüchtlings- rechts. Eine solche ist im Dublin-II-System nicht vor- gesehen. Das ist ungerecht. Es ist ungerecht gegenüber den Mitgliedstaaten, die EU-Außengrenzen haben; sie müssen die Hauptlast tragen, und es ist ungerecht gegen- über den Flüchtlingen, weil die auf dem Papier verein- heitlichten Aufnahme-, Verfahrens- und Anerkennungs- bedingungen weit davon entfernt sind, in der Praxis tatsächlich EU-weit gleich angewandt zu werden. Gleichzeitig sollten wir darüber nachdenken, legale Wege nach Europa zu öffnen. Eine Möglichkeit ist die Vergabe von sogenannten Schutzvisa. Außerdem sind wir für den Aufbau von langfristigen Resettlement- Programmen mit einem bestimmten Kontingent. Die be- stehenden Programme sollten dementsprechend ausge- baut werden. Ich könnte mir zum Beispiel die Aufnahme von 100 000 Personen pro Jahr EU-weit vorstellen, um mal konkret eine Hausnummer zu nennen. Um ein wirksames europäisches Asylsystem zu haben, müssen wir an vielen Stellen Änderungen vor- nehmen. Die von den europäischen Gerichten eingefor- derte Möglichkeit der Gewährung einstweiligen Schut- zes gegen Rücküberstellungen in Erstaufnahmeländer ist ein notwendiger Schritt in diese Richtung. Wir stimmen dem Antrag zu. Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP): Über das euro- päische Asylsystem muss weiter beraten und nachge- dacht werden, und das muss auch bei den anstehenden Verhandlungen zum Ausdruck gebracht werden. Eine Nachjustierung erscheint in mancher Hinsicht sinnvoll – auch beim Rechtsschutz, allerdings ist es völlig überzo- gen, in diesem Zusammenhang plakativ von „menschen- und europarechtswidrigen Bestimmungen des deutschen Rechts“ zu sprechen, wie die Antragssteller das zum wiederholten Male tun. Ob tatsächlich das von Regierungen vereinbarte Eu- roparecht, wie die Grünen das mutig behaupten, das Ver- fassungsrecht, etwa des Parlamentarischen Rates in Deutschland bricht, darüber hat Karlsruhe sich bislang nicht so eindeutig geäußert. Als Parlamentarier finde ich, dass Recht, das direkt aus einer demokratisch-parlamen- tarischen Willensbildung entsteht, grundsätzlich Vorrang vor intergouvernementalen Vereinbarungen haben sollte. Da ist der demokratische Einfluss mir denn doch zu indi- rekt. Insofern sind Reformen zur Stärkung der parlamen- tarischen Demokratie auf europäischer Ebene geboten. Das Bundesministerium des Inneren hat voriges Jahr alle Überstellungen nach der Dublin-II-VO nach Grie- chenland ausgesetzt. Hier hat der Bundesinnenminister die volle Unterstützung der FDP-Bundestagsfraktion. Damit wird die schwierige Situation berücksichtigt, die in Griechenland für Asylbewerber besteht. Bereits im Jahr 2010 war nur ein kleiner Anteil von Personen überhaupt nach Griechenland überstellt wor- den; in den restlichen Fällen hatte die Bundesrepublik Deutschland bereits von ihrem Selbsteintrittsrecht Ge- brauch gemacht. Das Bundesverfassungsgericht hat als Reaktion auf die Aussetzung die Verfahren, die dort zur Geltendmachung einstweiligen Rechtsschutzes anhängig waren, einge- stellt. Es ist über die Notwendigkeit eines einstweiligen Rechtsschutzes also nicht entschieden worden. Man kann ja grundsätzlich der Auffassung sein, dass Deutschland angesichts der bisherigen Situation des Rechtsschutzes bei Dublin-II-Verfahren noch Nachhol- bedarf hat. Die Bundesregierung geht aber sehr verant- wortungsvoll mit dem Rückführungsmechanismus um: Rückführungen sind nun ausgesetzt; bereits im vergan- genen Jahr wurden nur 50 Personen nach Griechenland zurückgeführt; beim Rest wurde vom Selbsteintrittsrecht Gebrauch gemacht. Gleichzeitig können auch Staaten wie Griechenland nicht bevorzugt werden, wenn sie die Standards nicht einhalten: Der Druck muss aufrechterhalten bleiben. Kon- krete Hilfe hat die Bundesregierung für die griechischen Behörden auch angeboten – hinsichtlich der menschen- würdigen und schnelleren Gestaltung der Asylverfahren und der Rahmenbedingungen hierzu ist dieses ebenso wie zur stärkeren Grenzsicherheit vonnöten. Der Schutz von Menschen in Not ist für uns ein hohes Gut. Die FDP wird daher in der Koalition mit der CDU/ CSU die Asylpolitik weiterhin verantwortungsbewusst und sensibel entwickeln und die EU-Planungen konstruktiv begleiten. Ulla Jelpke (DIE LINKE): Wir behandeln heute ab- schließend einen Antrag der Grünen, in dem die volle Wiederherstellung des Eilrechtsschutzes bei Abschie- bungen im Rahmen des Dublin-Systems gefordert wird. Innerhalb der EU ist im Regelfall der Staat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig, in den eine Person zuerst eingereist ist. Wenn Asylsuchende den- noch nach Deutschland weiterreisen, wird ihr Asylantrag nicht inhaltlich geprüft und sie müssen in das Erstein- reiseland zurückkehren, um dort ihr Asylverfahren zu betreiben. Im Zuge dessen erhalten sie einen Überstel- lungsbescheid. Eine Klage gegen diesen Bescheid hat al- 24072 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Oktober 2012 (A) (C) (D)(B) lerdings keine aufschiebende Wirkung – dies wird nach geltendem Recht sogar ausdrücklich ausgeschlossen. Ein solches Verfahren widerspricht dem EU-Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz. Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass die Behörden der Mitgliedstaaten nicht einfach automatisch von einer „Sicherheit“ in an- deren Mitgliedstaaten ausgehen dürfen. Ernstliche Zwei- fel an der Funktionsfähigkeit des Asylsystems und den Aufnahmebedingungen des Staates, in den überstellt werden soll, müssen grundsätzlich überprüft werden können. Die unerträglichen Zustände in Griechenland, aber zum Beispiel auch in Italien und Ungarn, führen das klar vor Augen. Deutsche Verwaltungsgerichte haben deshalb in mittlerweile Hunderten Fällen entgegen dem klaren Wortlaut des Asylverfahrensgesetzes einstweili- gen Rechtsschutz verfügt. Doch in der Bundesrepublik wird der Rechtsschutz nicht allein durch die Rechtslage ausgehebelt, sondern auch durch eine zutiefst rechtsstaatswidrige Behörden- praxis. Im Mai dieses Jahres hat die Abschiebebeobach- tung am Flughafen Frankfurt/Main ihren Tätigkeits- bericht für das Jahr 2011 vorgelegt. Darin wird der Fall eines 18-jährigen Jugendlichen aus dem Sudan dar- gestellt. Gemäß der Dublin-Verordnung ist Italien der zuständige EU-Staat. Der Jugendliche ist schwer trauma- tisiert, durch das stabile Umfeld einer Jugendhilfeein- richtung befindet er sich auf dem Weg der Besserung. Doch dann wird er nachts aus der Einrichtung abgeholt und zum Flughafen gebracht. Weder die Einrichtung noch sein Anwalt werden vorher informiert. Anschlie- ßende Recherchen des Forums Abschiebebeobachtung ergeben, dass das Bundesamt für Migration und Flücht- linge die zuständige Ausländerbehörde aufgefordert hat, den Bescheid über die Überstellung erst zu übergeben, wenn die Überstellung selbst stattfindet. Damit hat der Betroffene keine Möglichkeit mehr, sich wirksam gegen seine Überstellung zur Wehr zu setzen. Ein neueres Beispiel stammt aus dem August dieses Jahres. Da sollte ein Asylbewerber nach Italien zurück- geschoben werden. Das Verwaltungsgericht entschied jedoch, die Abschiebung dürfe nicht stattfinden, und er- ließ eine einstweilige Verfügung. Der Betroffene wurde da gerade zum Flieger gebracht. Die Bundespolizei wollte nicht auf den von der Ausländerbehörde telefo- nisch bereits angekündigten Beschluss warten und voll- zog die Abschiebung in Kenntnis des Urteilsspruchs. Eine Minute nachdem das Flugzeug seine Parkposition verlassen hatte, traf die richterliche Verfügung dann auch per Fax ein – zu spät. Inzwischen hat die Bundesre- gierung den Asylbewerber auf Staatskosten zurückholen müssen. Aber das Verfahren war eine unglaubliche Belastung und Zumutung für den Betroffenen, der in Europa Schutz vor Verfolgung sucht. Hätten seine Rechtsmittel gegen die geplante Überstellung aufschie- bende Wirkung gehabt, wäre allen Beteiligten eine Menge erspart geblieben. Die Bundesregierung weigert sich beharrlich, mir auf meine zahlreichen parlamentarischen Fragen zu dieser Zustellungspraxis auch nur einmal klar zu antworten. Erst eine neue Weisung des NRW-Innenministeriums an die Ausländerbehörden aus dem Juli hat bestätigt, dass das Bundesamt durch seine Vorgaben in der Praxis tat- sächlich effektiven Rechtsschutz bewusst verhindert hat. In der Weisung aus Nordrhein-Westfalen heißt es – ich zitiere –: „Das Bundesamt übermittelte die Rücküber- stellungsbescheide in der Praxis an die Ausländerbehör- den bislang mit der Bitte diese – möglichst am Überstel- lungstag – … zuzustellen.“ Nun sendet das Bundesamt den Dublin-Bescheid der zuständigen Ausländerbehörde zwei Wochen vor Termin zu, lässt aber fatalerweise komplett offen, wann er zugestellt werden soll. Ich halte also fest, dass die Bundesregierung zur rechtsstaatswidrigen Praxis des Bundesamtes bewusst unzureichende Antworten gegeben hat. Nun hat das Bundesamt den Schwarzen Peter den Ländern zugescho- ben. Wann die Ausländerbehörden die Bescheide nun zustellen, bleibt ganz ihnen überlassen. Zu befürchten ist daher, dass viele an der gängigen Praxis festhalten. Es kann aber nicht angehen, dass die Zustellung des Be- scheids aus rein taktischen Erwägungen bis zur letzten Minute herausgezögert wird. Die Effizienz des Behör- denhandelns wird mit einem solchen Vorgehen über den Rechtsstaat gestellt. Die Bundesregierung ist gefordert, hier endlich für eine einheitliche und rechtsstaatliche Praxis zu sorgen. Sobald feststeht, dass ein Asylbewer- ber in einen anderen Staat überstellt werden soll, muss das den Betroffenen auch rechtzeitig mitgeteilt werden. In der ersten Debatte dieses Antrags haben Sie von der CDU/CSU geäußert, die Einführung eines effektiven Rechtsschutzes sei überflüssig. Denn es gebe ja bereits das Selbsteintrittsrecht der EU-Staaten, von dem die Bundesrepublik im Falle Griechenlands auch Gebrauch mache. Da dort kein effektives Asylverfahren garantiert ist, werden auch keine Asylsuchenden nach Griechen- land zurückgeschoben. Ich darf Sie daran erinnern, dass es zwei Jahre gedauert hat, bis sich diese Einsicht in der Bundesregierung durchgesetzt hat – zwei Jahre, in denen Asylsuchende in Not und Elend abgeschoben wurden. Außerdem geht dieses Argument an der Sache voll- kommen vorbei. Die Grünen fordern in ihrem Antrag, den individuellen Rechtsschutz von Asylsuchenden zu stärken. Dafür sollen Überstellungsentscheidungen ge- richtlich überprüfbar gemacht werden. Das ist etwas vollkommen anderes als das Recht des Staates, von einer Überstellung im Einzelfall oder in bestimmte Länder ab- zusehen. Das ist ein reines Gnadenrecht. Wir wollen aber kein Gnadenrecht, sondern garantierte individuelle Grundrechte, deren Einhaltung von Gerichten überprüft werden kann. Die Linke stimmt dem Antrag der Grünen deshalb zu. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Noch immer haben bei Überstellungen nach der Dublin- II-Verordnung Schutzsuchende im Asylverfahren nach deutschem Recht keinen Anspruch auf effektiven einst- weiligen Rechtsschutz. Das ist eines Rechtsstaates un- würdig. Denn wie sollen Asylsuchende die Gründe für einen Verbleib in Deutschland und damit den sogenann- ten Selbsteintritt zur Durchführung des Asylverfahrens hier wirksam vorbringen? Krankheiten, familiäre Bin- dungen, aber auch gravierende Mängel im Asylsystem Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Oktober 2012 24073 (A) (C) (D)(B) des Staates, in den zurücküberstellt werden soll, können die Durchführung eines nationalen Asylverfahrens be- gründen. Nur wie soll dies durchgesetzt werden können, wenn aufgrund der Inhaftierung der allermeisten Dublin- Asylfälle – Rücküberstellungshaft – es nur wenigen ge- lingt, aus der Haft heraus einen Anwalt zu finden, der den entsprechenden Rechtsschutzantrag auf den Weg bringt? Seit den mit dem 1. EU-Richtlinienumsetzungsgesetz 2007 eingeführten Änderungen wurde über § 34 a Abs. 2 AsylVfG der einstweilige Rechtsschutz gegen Entschei- dungen im Verfahren nach der Dublin-II-Verordnung ge- nerell ausgeschlossen. Vom Ausland aus kann ein effek- tiver Rechtsschutz vor deutschen Verwaltungsgerichten aber nicht greifen. Ein Rechtsbehelf ist nur dann wirk- sam, wenn irreparable Folgen, wie sie durch die sofor- tige Vollziehung einer hoheitlichen Maßnahme vor deren gerichtlichen Überprüfung eintreten können, so weit als möglich ausgeschlossen werden können. Der Gesetzgeber ist hier zeitnah gefordert, die men- schen- und europarechtswidrigen Bestimmungen des deutschen Rechts aufzuheben und im deutschen Recht effektiven Rechtsschutz gemäß der Europäischen Men- schenrechtskonvention und unionsrechtlichen Vorgaben festzuschreiben. Dies fordert der vorliegende Antrag. Die Koalition hat in den Innenausschussberatungen hingegen weiter auf Verzögerung und Abwiegeln ge- setzt – und dies, obwohl inzwischen neben den deutli- chen Urteilen des Europäischen Gerichtshofs und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte auch im Entwurf der Kommission zur Reform der Dublin-II-Ver- ordnung ein wirksamer Rechtsschutz bei Rücküberstel- lungen vorgesehen werden soll. In einem Urteil vom 21. Dezember 2011 in den ver- bundenen Rechtssachen C-411/10 und C-493/10 hat der Gerichtshof der Europäischen Union unmissverständlich klargestellt, dass ein Asylbewerber nicht in einen Mit- gliedstaat überstellt werden darf, in dem er Gefahr läuft, unmenschlich behandelt zu werden. Der EuGH hat ferner entschieden: Das Unionsrecht lässt keine unwiderleg- bare Vermutung zu, dass die Mitgliedstaaten die Grund- rechte der Asylbewerber beachten. Der Gerichtshof stellte fest, eine Anwendung der Dublin-II-Verordnung (EG 343/2003) auf der Grundlage einer unwiderlegbaren Vermutung, dass die Grundrechte des Asylbewerbers im zuständigen Mitgliedstaat beachtet werden, ist mit der Pflicht der Mitgliedstaaten zur grundrechtskonformen Auslegung und Anwendung der Verordnung unverein- bar. Zuvor hatte bereits der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in einer Grundsatzentscheidung vom 21. Januar 2011 im Verfahren M.S.S. (Beschwerde-Nr. 3096/09) aus Art. 3 in Verbindung mit Art. 13 der Euro- päischen Menschenrechtskonvention die Verpflichtung der Vertragsstaaten abgeleitet, vor einer Überstellung an den zuständigen Mitgliedstaat im Rahmen einer Einzel- fallprüfung die Einhaltung der aus Art. 3 EMRK folgen- den Verpflichtungen durch den zuständigen Mitglied- staat zu prüfen. Art. 13, in Verbindung mit Art. 3, EMRK sei dann verletzt, wenn es vor einer Überstellung für den Betroffenen keine Möglichkeit gibt, gegen die Entscheidung, ihn in einen anderen Mitgliedstaat zu überstellen, wirksame Rechtsmittel einzulegen. Das bedeutet im Klartext: Eine automatische Rück- überstellung eines Asylbewerbers, ohne dass sich ein Gericht mit den Verhältnissen in dem anderen Mitglieds- land befasst, ist nicht im Einklang mit EU-Recht. Der deutsche Gesetzgeber muss nunmehr endlich den Weg frei machen und durch eine Gesetzesänderung gewähr- leisten, dass Schutzsuchenden ein effektiver Rechts- schutz gegen eine Abschiebung in einen anderen EU- Mitgliedstaat gewährt wird. Um auch dies klarzustellen: Die Entscheidung des EuGH bezieht sich auf alle Mitgliedstaaten der Europäi- schen Union – nicht nur auf Griechenland. Wenn nun also die Bundesregierung, wie im Innenausschuss vorge- tragen, sich in ihrer Haltung bestätigt fühlt, weil sie keine Asylbewerber mehr im Rahmen des Dublin-II- Verfahrens nach Griechenland zurücküberstellt, dann ist dies viel zu kurz gegriffen, was die Dimension der Ent- scheidung des EuGH angeht. Es geht also auch um sys- temische Missstände in den Asylverfahren und der Aner- kennungspraxis in anderen EU-Mitgliedstaaten, wie zum Beispiel in Ungarn, wo ein diktatorischer Folterstaat wie Syrien noch bis Anfang des Jahres als „sicheres Her- kunftsland“ eingestuft war. Das ist schlichtweg unfass- bar. Oder zu nennen in Bulgarien auch, wo Asylsu- chende unter unwürdigen Bedingungen inhaftiert werden, bloß weil sie einen Asylantrag stellen wollen. Für den deutschen Gesetzgeber ergibt sich aus den Urteilen des EuGH und des EGMR ein klarer Auftrag: § 34 a des Asylverfahrensgesetzes ist zu streichen. Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuchs (... Strafrechtsänderungs- gesetz - ... StRÄndG) – Beschlussempfehlung und Bericht zu dem Antrag: – Vorurteilsmotivierte Straftaten wirksam verfolgen (Tagesordnungspunkt 20 a und b) Ansgar Heveling (CDU/CSU): Zweifellos machen uns gerade die Straftaten besonders betroffen, bei denen Hass die Triebfeder ihrer Begehung ist. Was sind das für Menschen, die anderen Menschen Gewalt antun, nur weil sie eine andere Hautfarbe, Religion, Herkunft oder Weltanschauung haben oder weil sie Behinderungen ha- ben? Natürlich denken wir dabei unmittelbar an die ak- tuellen Fälle rechtsextremistischer Täter, die über den Zeitraum eines Jahrzehnts Geschäftsleute griechischer und türkischer Abstammung ermordet haben, aber auch an die Übergriffe brutalster Art in U- und S-Bahnen 24074 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Oktober 2012 (A) (C) (D)(B) sowie auf öffentlichen Plätzen, die in jüngster Zeit ins- besondere von jugendlichen Tätern begangen worden sind. Sicherlich haben wir noch die schrecklichen Bilder, von Überwachungskameras aufgezeichnet, vor Augen: Wehrlose Menschen werden verprügelt und zu Boden getreten. Und auch dann noch, wenn sie schon am Boden liegen, wird zielgerichtet weiter auf den Kopf eingetre- ten. Aber uns sind darüberhinaus auch die vielen ande- ren Vorfälle präsent: Hetzjagden auf Ausländer, Brände, die in Asylbewerberheimen gelegt werden, Menschen, die wegen ihrer Hautfarbe oder Herkunft auf brutalste und menschenverachtende Weise gequält und misshan- delt, ja getötet werden. Es handelt sich dabei um schlimmste Übergriffe, und alle diese Taten werden von uns allen gleichermaßen verurteilt. Sie sind gerade auch deshalb von besonderer Bedeutung, weil sie durch einen besonderen Unrechtsge- halt gekennzeichnet sind. Denn es geht bei diesen Straf- taten nicht um eine individuelle, persönliche Auseinan- dersetzung zwischen Täter und Opfer. Das Opfer ist vielmehr gerade nicht deshalb Opfer, weil es ein Indivi- duum ist, sondern weil es Teil einer Gruppe ist, die vom Täter als „anders“ abgestempelt wird. Dem besonderen Unrechtsgehalt solcher Hasstaten möchten der Bundesrat und die SPD-Fraktion durch die zur Abstimmung stehenden Gesetzentwürfe Rechnung tragen. Sie haben dabei zum Ziel, eine Ergänzung in § 46 Abs. 2 des Strafgesetzbuches aufzunehmen und damit die Berücksichtigung des besonderen Unrechtsgehaltes bei der Strafzumessung ausdrücklich zu verankern. Vorge- schlagen wird, strafschärfende Regelbeispiele in die Strafzumessungsregeln zur Motivation oder Zielsetzung des Täters aufzunehmen. Besonders menschenverach- tende, rassistische oder fremdenfeindliche Motive für die Tat sollen damit bei der Strafzumessung strafschärfend zu berücksichtigen sein. Ohne Frage ist dem Anliegen von Bundesrat und SPD-Fraktion in der Sache insoweit zuzustimmen, als dass die von mir eingangs angespro- chenen Taten zu Recht die Frage aufwerfen, ob unser Strafrecht in ausreichendem Maße Instrumente bereit- hält, diese besonderen Umstände im Verfahren und vor allem schlussendlich im Urteil im entsprechenden Maße zu berücksichtigen. In den Beratungen zu den Gesetzent- würfen und zum Antrag von Bündnis 90/Die Grünen, der noch einmal einen ganz anderen Akzent setzt, haben wir uns mit dieser Frage intensiv auseinandergesetzt. Insbesondere die Sachverständigenanhörung hat dazu ei- nen besonderen Beitrag geleistet. Unser Fazit ist: Einer gesetzlichen Ergänzung in § 46 Abs. 2 StGB bedarf es nicht. Der Strafrahmen, also das gesetzliche Höchst- und Mindestmaß, wird durch den konkreten Gesetzesverstoß festgestellt, mit all seinen Tatmodalitäten und Tatumständen, die den Strafrahmen erhöhen oder mildern können. In diesem festgestellten Strafrahmen sind sämtliche Umstände, die zugunsten, aber auch zuungunsten des Täter sprechen, abzuwägen. Das geltende Recht gebietet und gestattet es dabei jetzt schon, derartige Hassmotivationslagen und Zielsetzun- gen bei der Strafzumessung zu berücksichtigen. Dazu gehören, sofern dies nicht bereits Tatbestandsmerkmal ist, die Beweggründe und Tatziele, beispielsweise Taten, die auf eine verfestigte rechtsfeindliche oder gleichgül- tige Haltung zurückgehen. Als weiterer Strafschärfungs- grund ist die Gesinnung, die aus der Tat spricht, zu be- werten, wie etwa eine rohe, böswillige, gewissenlose, grausame und/oder rücksichtslose Gesinnung. Das gel- tende Recht gibt also bereits jetzt die Möglichkeit, die in den Gesetzentwürfen als Regelbeispiel ausgestalteten Strafzumessungsründe bei der Strafzumessung zu be- rücksichtigen, ohne dass diese ausdrücklich festge- schrieben sind. Das heißt zunächst einmal: Eine zu schließende rechtliche Lücke gibt es nicht. Das, was durch den Gesetzentwurf geregelt werden soll, ist bereits geltendes Recht. Damit käme der Regelung nur eines zu: Symbolcharakter. Symbolische Gesetze mögen gelegentlich auch ihre Berechtigung haben, insbesondere dann, wenn dadurch Werte und Einstellungen bekräftigt werden. Gleichwohl sollte man aber mit symbolischen Gesetzen sehr vorsich- tig und zurückhaltend umgehen. Sonst sieht man irgend- wann vor lauter Symbolen das Wesentliche nicht mehr. Und genau dieser Frage, wo die wesentlichen Defizite an dieser Stelle sind, sollten wir uns viel eher widmen. Im rechtlichen, gesetzlichen Rahmen liegen sie jedenfalls offenkundig nicht. Tatsache ist zunächst, dass gesicherte rechtstatsächli- che Erkenntnisse sowohl im Hinblick auf Art und Umfang des Vorkommens von Straftaten, die durch rassistische, fremdenfeindliche oder sonstige menschenverachtende Beweggründe motiviert sind, als auch auf den Umgang der Strafverfolgungsbehörden in sämtlichen Stadien des Verfahrens fehlen. Darauf hat in der Anhörung insbeson- dere der Sachverständige Professor Radtke hingewiesen. Hier kann ein Ansatzpunkt sein, sich die Sache noch ein- mal genau anzuschauen. Insofern verweise ich in dieser Hinsicht auch gerne, weil es ein wirklich sinnvoller Punkt ist, auf die entsprechende Forderung im Antrag von Bündnis 90/Die Grünen. Das ist eine Anregung, der wir uns nicht verschließen sollten. Mit einer vertieften Untersuchung lässt sich möglicherweise das herausfin- den, wo wir momentan noch im Nebel stochern. Denn mangels rechtstatsächlicher Erkenntnisse können wir derzeit nicht beurteilen, ob es Defizite gibt oder nicht. Ferner können wir nicht beurteilen, wo diese Defizite, wenn es sie denn geben sollte, liegen: beim „Erstkon- takt“ mit einem möglicherweise strafrechtlich relevanten Vorfall, bei der staatsanwaltschaftlichen Ermittlung und Anklagevorbereitung oder in der gerichtlichen Haupt- verhandlung mit anschließender Urteilsfindung? Angesichts der fehlenden Untersuchungserkennt- nisse lässt sich dementsprechend auch ein etwaiger ge- setzgeberischer Handlungsbedarf nicht klar erkennen. Wir sollten das Thema aus den genannten Gründen nicht aus dem Blick lassen. Und möglicherweise ist das Bun- desjustizministerium ja auch auf Bitten bereit, eine ent- sprechende rechtstatsächliche Untersuchung in Gang zu setzen. Wenn eine solche dann vorliegt, mag das Anlass sein, das Problem noch einmal anzugehen. Unmittelba- ren Anpassungsbedarf bei § 46 StGB sehen wir indessen nicht. Wir werden die Gesetzentwürfe und den Antrag dementsprechend ablehnen. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Oktober 2012 24075 (A) (C) (D)(B) Burkhard Lischka (SPD): Es ist jetzt knapp ein Jahr her, da stockte uns allen gemeinsam der Atem, als wir erfuhren, dass eine rechtsextremistische Terrorgruppe elf Jahre lang durch dieses Land zog, mindestens zehn schreckliche Morde verübte, Banküberfalle und Spreng- stoffanschläge durchführte. Am Anfang war Erschre- cken, Empörung, Wut und Trauer über diese fürchterli- che Mordserie – und Scham, Scham darüber, dass dies in unserem Land, ausgerechnet in unserem Land, 60 Jahre nach der nationalsozialistischen Barbarei möglich war. Und diese Scham empfinden wir noch heute. Erstaunlich war allerdings das Erstaunen, das in mancher öffentli- chen Äußerung zum Ausdruck kam. Nein, erstaunt und überrascht konnte eigentlich niemand sein. Denn in den 20 Jahren zuvor waren bereits weit über 150 Menschen durch braune Gewalt in unserem Land ums Leben ge- kommen. Die braune Gewalt- und Blutspur hatte sich bereits längst durch unser Land gelegt, spätestens seit den Pogromen von Hoyerswerda, Rostock-Lichten- hagen, Mölln und Solingen. Und auch diese schreck- lichen Vorfalle waren nur die sichtbare Spitze alltägli- cher neonazistischer Gewalttaten überall in unserem Land: Kinderwagen, die in Hausfluren angezündet wer- den, geschändete jüdische Friedhöfe, abgefackelte Dönerbuden, Behinderte, Ausländer und Jugendliche, die mit Baseballschlägern niedergeschlagen wurden, Menschen, die sich nicht mehr in bestimmte Stadtteile trauen. Das alles gehört zum Alltag in unserem Land. Und hieran hat sich trotz aller Appelle nichts geändert, bis zum heutigen Tag. Und damit werden wir uns nicht abfinden. Niemals! Rechtsextreme Gewalt wird seit vielen Jahren immer wieder bagatellisiert und verharmlost. Auch das gehört zum Alltag. Opfer brauner Gewalt berichten immer wie- der und übereinstimmend, sie würden häufig nicht ernst genommen. Zeugenaussagen werden zum Teil gar nicht oder unvollständig aufgenommen. In manchen Fällen wird den Opfern eine Mitschuld suggeriert. Rechtsextre- mistische und rassistische Hintergründe einer Tat wer- den nicht erkannt oder beiseite geschoben. Da sind die Ermittlungen bei der NSU-Mordserie überhaupt keine Besonderheit, wo ja auch über viele Jahre ein fremden- feindlicher Hintergrund ausgeblendet wurde. Wie schrieb die FAZ Anfang des Jahres: „Im gerichtlichen Alltag spielt die rassistische und fremdenfeindliche Mo- tivation von Straftaten nahezu keine Rolle“. Die feh- lende Aufklärung und unzureichende Aburteilung rechtsradikaler Straftaten sind verheerend, zuallerst für die betroffenen Opfer, aber auch für die Angehörigen und schließlich für unsere gesamte Gesellschaft. Denn wenn die Opfer das Gefühl haben, im Stich gelassen zu werden, wenn sie den Eindruck haben, es werde nicht genau hingeschaut und verurteilt, dann ist das nicht we- niger als eine Krise für unseren Rechtsstaat. Da, wo Menschen durch Straßen gejagt, misshandelt, geschlagen und getreten werden, da, wo sie um ihr Le- ben fürchten, da müssen diese Taten auch strafrechtlich als das behandelt werden, was sie sind: ein Anschlag auf die Menschenwürde, ein Anschlag auf uns alle. Und das sollte, das muss auch in unserem Strafgesetz- buch Niederschlag finden, wie in vielen vielen anderen Ländern auch. Deshalb unser Antrag, rassistische, frem- denfeindliche und menschenverachtende Motive von Gewalttaten strafschärfend zu berücksichtigen. Wenn der Gesetzgeber angesichts brutalster Übergriffe die Rechtslage hier klipp und klar verdeutlicht, dann sind wir das den Opfern, aber auch unserem Rechtsstaat schuldig! Es wird deshalb Zeit, höchste Zeit, dass wir endlich ein klares Zeichen setzen. Sönke Rix (SPD): Die Zahl der rechtextremistischen Straf- und Gewalttaten ist in der zweiten Hälfte des letz- ten Jahrzehnts nach einem vorübergehenden Rückgang wieder gestiegen. Bereits nach der Wende 1989/90 nahm in Deutschland die Anzahl rechtsextremistischer Straf- und Gewalttaten drastisch zu. Im Jahr 2010 erfasste das Bundeskriminalamt 15 905 rechtsextremistische Strafta- ten, darunter 762 Gewalttaten. Damit kommt es in Deutschland täglich zu durchschnittlich zwei bis drei ge- waltsamen rechtsextremistischen Übergriffen. Dies kann und darf in unserem Land nicht nur nicht toleriert werden, vielmehr brauchen wir ein starkes Signal, das wir dieser Motivation zur Gewaltausübung entgegenset- zen. Wir brauchen eine Regelung im Strafgesetzbuch, die rechten Gewalttätern klar verdeutlicht, welche Stra- fen sie erwarten, wenn sie Menschen aufgrund rassisti- scher, antisemitischer Motive, aufgrund ihrer Woh- nungslosigkeit oder anderer sozialdarwinistischer Beweggründe oder aufgrund ihrer sexuellen Orientie- rung und/oder Geschlechtsidentität sowie aufgrund ihrer Behinderung, ihrer nicht rechten Einstellung oder ihres Engagements gegen Neonazis angreifen. Ich bestreite nicht, dass die vorgeschlagene gesetz- liche Verankerung auch Symbolpolitik ist. Es ist ein Symbol an die betroffenen Minderheiten, dass Staat und Gesellschaft rechte Gewalt nicht hinnehmen. Wir setzen ein Zeichen, dass solche Taten ganz besonders geahndet werden, da sie als Botschaftsverbrechen geeignet sind, Angst und Unruhe zu schüren und demokratische Werte an und für sich infrage zu stellen. Aber es handelt sich nicht nur um Symbolpolitik. Wir wollen mit dieser Re- gelung auch derzeit bestehende Defizite bei den Straf- verfolgungsbehörden und Gerichten beheben. Viele Ver- eine und Verbände, die sich für Demokratie und gegen Rechtsextremismus und Rassismus engagieren, und ganz besonders die Opferberatungsstellen sagen mir im- mer wieder, dass vorurteilsmotivierte Straftaten im Rah- men der Strafverfolgung durch die Polizei und die Staatsanwaltschaften, aber auch bei der Strafzumessung schlichtweg nicht erkannt werden. Möglicherweise sollten wir den Begriff „Hasskrimi- nalität“ noch einmal überdenken. „Hass“ reduziert die Tat auf ein emotionales, individuelles Problem des Täters und verbirgt die zugrunde liegenden, gesellschaft- lich relevanten Vorurteile. Aus Respekt vor den Opfern sollte man klar benennen, was Ziele und Beweggründe waren – Rassismus, Antisemitismus, Homo-/Transpho- bie, Sozialdarwinismus oder der Wille, ein extrem rech- tes Weltbild umzusetzen und all jenen Gruppen ihr Recht auf körperliche Unversehrtheit und Leben abzusprechen, die als Feinde einer imaginierten Volksgemeinschaft gel- ten. 24076 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Oktober 2012 (A) (C) (D)(B) Die Beratungsstellen selbst sprechen von rechter Ge- walt, um in der politischen Sphäre deutlich zu machen, welche ideologische Basis den Taten zugrunde liegt. Rechtsextremismus kann nicht nur mit Gesetzen, Polizei und Verfassungsschutz erfolgreich bekämpft werden. Viel wichtiger ist die Prävention. Wir müssen die gesell- schaftlichen Bindekräfte stärken und den Rechtsextre- men keine Räume überlassen, in die sie mit ihrer Menschenfeindlichkeit eindringen können. Die Stärkung der demokratischen Zivilgesellschaft muss im Zentrum unserer Bemühungen stehen. Die Programme gegen Rechtsextremismus müssen dauerhaft und verlässlich unterstützt werden. Sie haben zum Aufbau lokaler Struk- turen beigetragen und zeigen Wirkung. Bürgerinnen und Bürger verteidigen die Demokratie gegen Neonazis: Im persönlichen Gespräch, in Bildungseinrichtungen, am Arbeitsplatz, in den Kommunalparlamenten und nicht zuletzt auch zunehmend bei Demonstrationen und Blockaden gegen Naziaufmärsche. Ohne die Opferbera- tungen, mobilen Beratungsteams und die vielen Initiati- ven vor Ort stünde der Kampf gegen Rechtsextremismus in vielen Regionen auf verlorenem Posten. Viele Träger leiden allerdings unter der Kurzfristigkeit und Prekarität ihrer Finanzierung. Gelungene Modellprojekte können deshalb oft nicht langfristig etabliert werden, Organisa- tionswissen geht verloren, und qualifiziertes Personal wandert ab. Das wollen wir ändern. Die dreijährige Be- fristung der Projekte muss aufgehoben werden. Gute Projekte dürfen auch länger dauern. Nicht zuletzt ist es eine zentrale Aufgabe, den sozia- len Zusammenhalt in unserer Gesellschaft zu stärken und allen jungen Menschen gute Zukunftschancen zu ge- ben. Dazu gehört, unsere Städte und Gemeinden finan- ziell gut auszustatten, sodass sie Kultur, Sport, Jugend- arbeit und Sozialarbeit wieder ausbauen können. Staat und Gesellschaft müssen ein klares Zeichen set- zen: Rechtsextreme, Rassisten und verfassungsfeindli- che Parteien haben in einem demokratischen Deutsch- land keinen Platz. Wir sind überzeugt: Die Stärkung der Demokratie und der engagierten Demokratinnen und Demokraten sind der beste Verfassungsschutz. Darum möchte ich am Ende festhalten: Es ist wichtig, dass die Opfer rassistischer, rechtsextremer und men- schenverachtender Gewalt als solche anerkannt werden. Und es folgt daraus für mich auch eine stärkere Bestra- fung der Täter. Aber noch mehr wünsche ich mir, dass solche Straftaten gar nicht erst passieren. Und das geht nur mit einer Zivilgesellschaft, die mit beiden Beinen fest auf dem Boden des Grundgesetzes steht. Jörg van Essen (FDP): Ich denke, die bisherige Debatte hat gezeigt, dass sich insgesamt das Gefühl ver- breitet, dass es in Deutschland keine Situation geben darf, in der rechtsradikale Straftäter ihre Taten ohne Konsequenzen begehen dürfen. Gerade der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen wie auch der Gesetzentwurf der SPD zu einer Änderung des § 46 StGB könnten den Eindruck entstehen lassen, dass es Defizite in der wirksamen Strafverfolgung oder Straf- zumessung bei Hassdelikten geben könnte. Ich habe aber über eine falsche oder unzureichende Strafzumessung bezüglich rechtsradikaler Straftaten noch keinerlei Vor- würfe mitbekommen. Ich kann ganz im Gegenteil aus meiner Tätigkeit als Staatsanwalt in einer Staatsschutz- abteilung nur feststellen, dass vorurteilsmotivierte Straf- taten stets zutreffend und mit notwendig hohen Strafen seitens der Gerichte gewürdigt wurden. Es bedarf keiner Änderung des § 46 des Strafgesetz- buchs, da die Berücksichtigung solcher Motive immer Gegenstand der Rechtsprechung in unserem Land gewe- sen ist. Zu Recht berücksichtigen die Gerichte, welche Beweggründe den Täter zu seiner Tat veranlasst haben. Im Rahmen der Strafzumessung werden alle Beweg- gründe zugunsten und zulasten des Täters gegeneinander abgewogen, sodass vorurteilsmotivierte Hassdelikte in diese Abwägung ebenfalls miteinbezogen werden. Mir ist kein Fall bekannt geworden, dass sich diese bewährte Gerichtspraxis geändert haben sollte. Die Grünen führen in ihrem Antrag selber aus, dass in der deutschen Gerichtspraxis anerkannt ist, dass rassisti- sche oder fremdenfeindliche Beweggründe nach § 46 Abs. 2 StGB zu berücksichtigen sind und regelmäßig zu einer Strafschärfung führen. Es ist nicht fördernd, wenn wir einige wenige Dinge bzw. Motive in der Strafzumessung hervorheben. An- dere Taten, die übrigens auch von Rechtsradikalen bzw. von Menschen mit rechtsradikaler Gesinnung begangen werden, sind in gleicher Weise verachtenswert und erfor- dern eine entsprechende strafrechtliche Konsequenz. Vor diesem Hintergrund ist eine generalisierende gesetzliche Regelung bestimmter strafschärfender Motive in § 46 StGB der falsche Weg. Strafzumessung ist stets eine Ein- zelfallentscheidung der Gerichte, denen man vertrauen muss und kann. Wir müssen daher Überlegungen anstellen, wie wir auf anderem Weg mit diesem Problem besser fertig wer- den. Zu verbessern wäre zum einen die frühzeitige Berücksichtigung solcher vorurteilsmotivierten Hand- lungen im Ermittlungsverfahren, um eine bessere Auf- klärung der Tatmotive und der Gesinnung des Täters zu ermöglichen. Zum anderen sollten die Verfahren be- schleunigt werden, um eine klare, schnelle und eindeu- tige Antwort der Gerichte auf dieses Fehlverhalten zu geben. Dadurch wird dem Täter deutlich gemacht, dass wir nicht bereit sind, ein solches Verhalten zu akzeptie- ren. Wir sollten den Weg der Veränderung des § 46 StGB nicht gehen. Es ist nicht ersichtlich, was als Konsequenz für die Justiz aus dieser Änderung zu erwarten ist. Wir sollten uns in diesem Zusammenhang vor Augen halten, dass die Justiz bzw. die Gerichte unabhängig und daher die Auswirkungen einer Änderung des § 46 StGB nicht abzuschätzen sind. Halina Wawzyniak (DIE LINKE): Wir debattieren hier eine Änderung des Strafgesetzbuches, bei der es da- rum gehen soll, dass menschenverachtende Tatmotive als besondere Umstände in der Strafzumessung Anwen- dung finden sollen. Es geht um sogenannte Hassdelikte, Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Oktober 2012 24077 (A) (C) (D)(B) denen, da sind wir uns wohl alle einig, ein erhöhter Unrechtsgehalt innewohnt. Im Kern geht es darum, rassistische, fremdenfeindli- che und sonstige menschenverachtende Beweggründe und Ziele der Täter strafschärfend im Rahmen der Straf- zumessung zu berücksichtigen. Wir verstehen die Motive, die hinter den vorgeschla- genen Gesetzesänderungen stehen, wir halten sie aber für den falschen Weg. Bereits jetzt – die Gesetzesent- würfe des Bundesrates und der SPD weisen explizit darauf hin, und unter den Sachverständigen herrschte diesbezüglich Einigkeit – können hassgeleitete Motive der Täter strafverschärfend berücksichtigt werden. Es fehlt also nicht an einer Rechtsgrundlage. Es fehlt an ei- nem dem erhöhten Unrechtsgehalt von Hasskriminalität angemessenen Umgang. Wir sind nicht davon überzeugt, dass es hilfreich ist, das Strafgesetzbuch zu ändern, um die Gerichte zu sensi- bilisieren und der Rechtsprechung einen Anhaltspunkt zu geben, wie es im Gesetzentwurf des Bundesrates heißt. Wir glauben, dass das Problem viel früher anfängt. Bei den Behörden, bei den Straftaten aufnehmenden Polizeidienststellen und bei der Handhabung der öffent- lichen Statistiken. Sie wissen genauso gut wie wir, dass die Opferberatungsstellen für Opfer rassistischer Gewalt stets höhere Zahlen ausweisen als zum Beispiel die polizeiliche Kriminalstatistik. Hieran kann der Gesetzes- vorschlag nichts ändern, sondern hier muss eine gesell- schaftliche Sensibilisierung her. Sensibilisierung mittels einer Änderung des Strafge- setzbuches ist eine Scheinlösung. Natürlich weist diese Regelung Richterinnen und Richter noch einmal geson- dert auf die Möglichkeit hin, die Motive der Tat bei der Strafzumessung zu berücksichtigen. Aber der Hinweis im Gesetz ändert noch lange nicht die Handhabung des Gesetzes. Sensibilisierung setzt Aufklärung voraus und Präven- tion. Wir leben in einer Zeit, in der sich ein Untersu- chungsausschuss mit einer ganzen Mordserie beschäfti- gen muss, weil offensichtlich niemand sich vorstellen konnte, dass Nazis ihre Art von Hasskriminalität derart ausleben. Wir leben in einer Zeit, in der wir immer wie- der mit Nachrichten überrascht werden, dass V-Leute des Verfassungsschutzes in Naziaktivitäten verwickelt waren und sind, diese teilweise sogar gefördert haben. Wir leben in einer Zeit, in der der Innenminister ganz ungeniert fordern kann, Asylbewerbern und Asylbewer- berinnen die Leistungen zu kürzen – obwohl ein anders- lautendes Urteil des Bundesverfassungsgerichts vorliegt. Auf dem Oranienplatz in Kreuzberg campen gerade Flüchtlinge und Asylbewerber und Asylbewerberinnen, um unter anderem gegen die Residenzpflicht zu protes- tieren. Wenn wir anfangen, Flüchtlinge und Asylbewerber und Asylbewerberinnen nicht weiter zu diskriminieren, dann schaffen wir Sensibilität. Sensibilisierung schaffen wir, wenn wir Projekte, die sich um Aufklärung und Prävention kümmern, endlich einer Regelfinanzierung zuführen, statt ihnen alle drei oder vier Jahre aufzubürden, neue Projektanträge zu schreiben. Sensibilisierung schaffen wir, wenn wir hier und überall sagen: Gleiche Rechte für alle hier lebenden Menschen. Wenn wir das erreicht haben, dann werden Richterin- nen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, aber auch Behörden und Polizistinnen und Polizisten von sich aus die Motive von Hasskriminalität bei der Strafzumessung und bei der Aufnahme von Straftaten berücksichtigen. Eine Gesetzesänderung brauchen wir dafür nicht. Wir haben im Rechtsausschuss eine Anhörung zum Thema Hasskriminalität durchgeführt. Die Sachverstän- digen waren hinsichtlich einer Änderung des Strafge- setzbuches unterschiedlicher Meinung. Ich will dennoch auch auf ein methodisches Problem der Gesetzentwürfe eingehen. Sie schaffen mit dem Begriff „menschenver- achtende Bewegründe" in Abgrenzung zu fremdenfeind- lich und rassistisch eine Formulierung, die Spielraum für Ungenauigkeiten lässt. Wir sind uns sicherlich einig: Auch Homophobie und Antisemitismus sind menschen- verachtend, auch Straftaten gegen Obdachlose oder so- zial benachteiligte Personen. Korrekt wäre es dann aber, genau das auch in den Gesetzentwürfen aufzuschreiben. Obwohl wir das hinter den Gesetzentwürfen stehende Ansinnen teilen, können wir ihnen aus den genannten Gründen nicht zustimmen. Wir sollten aber alle gemein- sam dafür Sorge tragen, dass Hasskriminalität in diesem Land keine Chance hat. Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wo- rüber herrscht zwischen uns Einigkeit? Ja, es gibt Straf- täter, die aus rassistischen, fremdenfeindlichen oder menschenverachtenden Motiven heraus handeln. Ja, wir wollen, dass diese Motive aufgedeckt und bei der Straf- zumessung berücksichtigt werden, selbstverständlich strafschärfend. Aber gibt es einen objektiven Befund, dass dies in unseren Strafgerichten nicht geschieht? An Gesetzen mangelt es nicht. § 46 Strafgesetzbuch erlaubt und fordert die Erhebung und Berücksichtigung aller Motive, also auch der rassistischen, fremdenfeindli- chen oder menschenverachtenden. Deshalb hat der Sach- verständige Graf, Richter am BGH, die Vorschläge des Bundesrates und der SPD als überflüssig und reine Sym- bolhandlung bezeichnet. Die wenigen wissenschaftlichen Untersuchungen über die Praxis an den Gerichten sprechen eher gegen die These, dass rassistische, fremdenfeindliche oder menschenverachtende Motive in großer Zahl unbeachtet bleiben. Und doch: Wir sollten auch diejenigen ernst nehmen, die vor Ort Opferbetreuung betreiben, die die Neonazi- und Rechtsradikalenszene beobachten, die die Strafver- fahren verfolgen und die berichten, dass allzu oft rassis- tische, fremdenfeindliche oder menschenverachtende Motive unausgesprochen und ungesühnt bleiben. Des- halb muss etwas gemacht werden, aber nicht irgendet- was, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, sondern das Richtige: 24078 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Oktober 2012 (A) (C) (D)(B) Einige gewichtige Gründe sprechen gegen die Vor- schläge der SPD und des Bundesrates. Erstens. Sie setzen am Ende und nicht am Anfang an. Die Strafzumessungsvorschrift des § 46 StGB richtet sich an das Gericht, welches am Ende das Urteil spricht. Man muss aber bei der Polizei und der Staatsanwalt- schaft ansetzen. Dort werden die ersten Ermittlungen ge- führt, dort werden die ersten Beweise gesichert und die Zeugen verhört. Hier muss nach rassistischen, fremden- feindlichen oder menschenverachtenden Motiven ge- sucht und müssen Beweise hierfür gesichert werden. Der Sachverständige Professor Radtke erklärte hierzu: Man kann nicht die Strafzumessung ändern wol- len, damit das Ermittlungsverfahren besser läuft. Des- halb muss man die Ausbildung der Polizei darauf aus- richten, dass rassistischen, fremdenfeindlichen oder menschenverachtenden Motiven nachzugehen ist und Beweise dafür zu sichern sind. Man muss die Richtlinien für das Strafverfahren ändern und festlegen, dass bei Vorliegen rassistischer, fremdenfeindlicher oder men- schenverachtender Motive das öffentliche Interesse an einer Strafverfolgung in der Regel zu bejahen ist. Das ist nicht so spektakulär wie Gesetzesänderungsinitiativen, aber es ist viel wirksamer. Zweitens. Es wird die Gefahr von Fehlurteilen wegen verbotener Doppelverwertung geschürt. Am Beispiel des Strafverfahrens gegen den NSU ist dies deutlich zu ma- chen. Im kommenden Prozess vor dem OLG München wird es um die Frage gehen, ob die Morde an neun Tür- ken und einem Griechen „aus niederen Beweggründen“, also zum Beispiel aus rassistischen oder fremdenfeind- lichen Beweggründen erfolgten. Bejaht das Gericht dies, dann bleibt kein Raum mehr, etwaige rassistische, frem- denfeindliche oder menschenverachtende Motive bei der Strafzumessung zu berücksichtigen. Geschieht dies trotzdem, hätten wir es mit einem Fehlurteil zu tun. Auch in allen Verfahren wegen Volksverhetzung nach § 130 StGB haben wir mit dem Problem der verbotenen Doppelverwertung zu tun, wenn § 46 nach den Vorstel- lungen der SPD geändert wird. Der Sachverständige Graf, Richter am BGH, hat davor ausdrücklich gewarnt. Drittens. Bei der Strafzumessung nach § 46 StGB sind die „Beweggründe und Ziele des Täters“ und/oder seine „Gesinnung, die aus der Tat spricht“ in den Blick zu nehmen. Die Gesetzentwürfe wollen die Worte „ras- sistischen, fremdenfeindlichen oder menschenverachten- den“ an die Beweggründe und Ziele hängen, nicht an die Gesinnung, die aus der Tat spricht. Dies würde Fehl- urteile provozieren, wenn die Beachtung rassistischer, fremdenfeindlicher oder menschenverachtender Motive losgelöst von ihrer Bindung an die Tat in die Strafzumes- sung Eingang finden könnte. Dies wäre aber Gesin- nungsjustiz, die aus rechtsstaatlichen Gründen auch bei rassistischen, fremdenfeindlichen oder menschenverach- tende Motivlagen untragbar wäre. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, ich weiß, dass sie dies nicht wollen. Aber durch die Fehl- lokation ihres Vorschlags provozieren sie falsche Urteile und damit eine Beschädigung des Rechtsstaats. Viertens. Wir kennen ausschließliche Strafschär- fungsgründe – und der Bundesrat und die SPD wollen doch wohl rassistische, fremdenfeindliche oder men- schenverachtende Motive ausschließlich strafschärfend in die Strafzumessung einfließen lassen – nur als Regel- beispiele im materiellen Strafrecht mit der Folge erhöh- ter Strafrahmen. Die Beweggründe eines Täters können, angesiedelt im Allgemeinen Teil des StGB in § 46 im- mer nur strafschärfend wie auch strafmildernd sein. Aber genau das wollen weder der Bundesrat noch die SPD. Darauf hat der Sachverständige Professor Radtke ausdrücklich warnend hingewiesen. Wir Grünen haben schon 2010 in unserem Antrag „Daueraufgabe Demokratiestärkung – Die Auseinander- setzung mit rassistischen, antisemitischen und men- schenverachtenden Haltungen gesamtgesellschaftlich angehen und die Förderprogramme des Bundes danach ausrichten“, Drucksache 17/2482, 15 Punkte zum Vorge- hen gegen rassistischen, fremdenfeindlichen oder men- schenverachtenden Hass benannt. Wir wählen nicht die verengte Sichtweise auf das Strafrecht, sondern schlagen ein gesamtgesellschaftliches Vorgehen vor. Mit unserem heutigen Antrag komplettieren wir unse- ren Handlungskatalog um die Ausbildung der Ermitt- lungsbeamten und klare Regeln in den Richtlinien für das Strafverfahren. Wir gehen einen besseren und erfolg- versprechenderen Weg. Den kontraproduktiven Vor- schlägen der SPD und des Bundesrates können wir trotz ihrer guten Absichten nicht folgen. Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden Zur Beratung: Antrag: Neue Impulse für die Förderung des Radverkehrs setzen – Den Nationalen Radverkehrsplan 2020 überarbeiten – Unterrichtung: Nationaler Radverkehrsplan 2020 – Den Radverkehr gemeinsam weiter- entwickeln (Zusatztagesordnungspunkt 7) Gero Storjohann (CDU/CSU): Das Fahrrad als Ver- kehrsmittel nimmt einen wichtigen und stetig wachsen- den Teil am Gesamtverkehrsaufkommen in Deutschland ein. Radfahren schont die Umwelt; denn das Fahrrad ist ein vollkommen emissionsfreies Verkehrsmittel. Rad- fahren entlastet das motorisierte Verkehrsaufkommen in unseren belebten Innenstädten. Radfahren ist gesund und hält fit. Und nicht zuletzt: Radfahren macht Spaß. Sicherlich hat jeder von uns schon Fahrradtouren mit Freunden und Familie erlebt, an die er sich noch lange gerne zurückerinnert. Das Fahrrad als Verkehrsmittel hat viele Vorteile für den Einzelnen, für die Gesellschaft und die Umwelt. Es gibt also viele gute Gründe, den Radver- kehr weiter zu fördern. Deshalb hat die Bundesregierung den Nationalen Radverkehrsplan 2020 vorgelegt. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Oktober 2012 24079 (A) (C) (D)(B) Mit diesem neuen Nationalen Radverkehrsplan setzt die christlich-liberale Koalition wichtige Impulse an die zuständigen Länder und Kommunen. Die Aufgabe des Bundes ist es, die Rahmenbedingungen für die weitere Entwicklung des Radverkehrs zu schaffen. Der Bund fördert den Radverkehr in seiner Zuständigkeit als Ge- setzgeber und in seiner Verantwortung für den Bau von Radwegen an Bundesstraßen und Bundeswasserstraßen. Mit dem Nationalen Radverkehrsplan möchte der Bund Förderer, Impulsgeber, Moderator und Koordinator sein. Es werden grundsätzliche Leitlinien für die örtliche Rad- verkehrsförderung in den kommenden Jahren formuliert. Ziel ist es, den Radverkehr in Deutschland noch attrakti- ver und sicherer zu machen. Deutschland soll noch fahr- radfreundlicher werden. Aber der Hauptadressat des Plans sind die Länder und Kommunen. Sie sind es, die für die einzelnen Maßnah- men der Radverkehrsförderung vor Ort zuständig sind. So will es unsere föderale Ordnung. Und es dient auch der Sache, dass diese Aufgabe bei den Ländern und Kommunen angesiedelt ist. Denn es sind die Entschei- dungsträger vor Ort, die am besten beurteilen können, welche Maßnahmen in den Städten und Gemeinden Sinn ergeben. Die kommunalen Entscheidungsträger wissen am besten, wie weit ihre Kommune in der Radverkehrs- förderung vorangeschritten ist und wie die nächsten Schritte individuell aussehen können. Der Nationale Radverkehrsplan ist deshalb kein verbindliches Programm für die Kommunen, in dem der Bund den Ländern und Kommunen vorschreibt, wie gute Radver- kehrsförderung auszusehen hat. Stattdessen sammelt der Nationale Radverkehrsplan Ideen einer guten Radver- kehrsförderung. Er analysiert die aktuellen Entwicklun- gen des Radverkehrs und formuliert Empfehlungen an die Kommunen. Wie sehen diese aktuellen Entwicklungen im deut- schen Radverkehr aus? Hierzu möchte ich einige Zahlen nennen. Derzeit gibt es in Deutschland 70 Millionen Fahrräder. Die Branche verkauft jedes Jahr 4 Millionen Räder und macht 5 Milliarden Euro Umsatz. Der Rad- verkehr ist somit auch ein gewaltiger Wirtschaftsfaktor. In etwas mehr als 80 Prozent aller deutschen Haushalte ist mindestens ein Fahrrad vorhanden. Jeder vierte Haus- halt verfügt sogar über drei oder mehr Räder. Derzeit wird jeder zehnte Weg in Deutschland mit dem Rad zu- rückgelegt – Tendenz steigend. Unser Ziel ist es, diesen Anteil in den kommenden Jahren auf 15 Prozent zu erhö- hen. Eine Maßnahme, um dieses Ziel zu erreichen, liegt beispielsweise im weiteren Ausbau von öffentlichen Fahrradverleihsystemen. In einigen Städten gibt es sol- che Systeme bereits. Das Bundesverkehrsministerium hat hierzu einen Modellversuch „Öffentliche Fahrrad- verleihsysteme“ durchgeführt. Durch solche Systeme stehen den Bürgerinnen und Bürgern auch dann Fahrrä- der als Verkehrsmittel zur Verfügung, wenn sie kein eigenes Fahrrad besitzen. Solche Angebote sind für die Bürgerinnen und Bürger attraktiv, weil das Fahrrad ge- rade innerstädtisch bei kurzen Strecken oftmals das schnellste Verkehrsmittel ist. Neun von zehn Fahrten mit dem Fahrrad werden für die Bewältigung einer Strecke von weniger als fünf Kilometer absolviert. Hier liegt ein besonderes Potenzial des Radverkehrs. Innerstädtisch kann der Anteil des Radverkehrs am Gesamtverkehrs- aufkommen noch weiter gesteigert werden. Dazu muss es gelingen, die Hürden zur Nutzung des Fahrrads auf solchen Wegen zu senken – durch gute Fahrradinfra- struktur oder beispielsweise durch solche öffentlichen Verleihsysteme. Es muss auch gelingen, das Fahrrad in ein Verkehrskonzept bestehend aus Radverkehr, ÖPNV und Fußgängerverkehr zu integrieren – als Alternative zum motorisierten Individualverkehr. Die Kommunen sind bei der Schaffung solcher Struk- turen unterschiedlich weit fortgeschritten. Deshalb gibt der Nationale Radverkehrsplan den Kommunen die Möglichkeit, sich selbst hinsichtlich ihres Entwicklungs- stadiums bei der Radverkehrsförderung zu kategorisie- ren. Das Konzept unterscheidet zwischen Einsteigern, Aufsteigern und Vorreitern. Einsteiger sind diejenigen Kommunen, die noch am Anfang der Radverkehrsförde- rung stehen. Der Anteil des Radverkehrs liegt in diesen Kommunen in der Regel deutlich unter 10 Prozent. Die organisatorischen Strukturen der Radverkehrsförderung sind entweder nicht vorhanden oder erst in den Anfän- gen – in kleinen Kommunen auch durch begrenzte per- sonelle Ressourcen. Als Aufsteiger werden diejenigen Kommunen bezeichnet, die in der Radverkehrsförderung fortgeschritten sind. Hier existieren ambitionierte Ziel- werte, Förderstrategien und umfangreiche Maßnahmen der Radverkehrsförderung. Der Radverkehrsanteil liegt zwischen 10 und 25 Prozent. Mindestens eine Basisinf- rastruktur für den Radverkehr ist vorhanden. Vorreiter sind schließlich jene Kommunen, die ein hohes Niveau der Radverkehrsförderung erreicht haben. Der Radver- kehrsanteil liegt bei über 25 Prozent. Die Radverkehrs- förderung stellt eine breit getragene gesellschaftliche und politische Selbstverständlichkeit dar. Die Vorreiter haben zudem eine besondere Vorbildfunktion für andere Kommunen und tragen ihre Erfahrungen und ihr Fach- wissen nach außen. Paradebeispiele für solche Vorreiter- kommunen sind Münster mit einem Radverkehrsanteil von 38 Prozent, Oldenburg mit 43 Prozent oder Greifs- wald mit 44 Prozent. Der Nationale Radverkehrsplan bündelt die Erfahrun- gen dieser unterschiedlich kategorisierten Städte. Eines der vorrangigen Ziele des Nationalen Radverkehrsplans ist es, dass die Gemeinden voneinander lernen und ihre unterschiedlichen Erfahrungen austauschen. Maßnah- men zur Förderung des Radverkehrs sind dabei auf viel- fältige Weise möglich und können durch Bund, Länder und Kommunen gemäß des jeweiligen Kompetenzberei- ches durchgeführt werden. Ich möchte einige wichtige Handlungsfelder der zu- künftigen Förderung des Radverkehrs erwähnen. Wesentliche Grundvoraussetzung des Radverkehrs sind durchgängige und vor allem alltagstaugliche Rad- verkehrsnetze. Diese müssen alle wesentlichen regiona- len Punkte verbinden. Aufgabe des Bundes ist hierbei der Bau von Radwegen an Bundesstraßen und Bundes- wasserstraßen. Gerade an den Bundesstraßen mit ihrem schnellen Kfz-Verkehr sind gut ausgebaute Radwege 24080 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Oktober 2012 (A) (C) (D)(B) notwendig, um Radverkehr und motorisierten Verkehr zu entflechten und so zur Verkehrssicherheit beizutra- gen. Der Ausbaustand von Radwegen an Bundesstraßen ist bereits sehr hoch. Entlang der rund 40 000 Bundes- straßenkilometer finden sich rund 19 000 Kilometer Radwege. Dieser Ausbaustand ist auch vor dem Hinter- grund bereits beachtlich, dass sich manche Bundesstra- ßen aufgrund ihrer topografischen Verhältnisse nicht zum Bau von Radwegen eignen. Der weitere Bau von Radwegen wird gleichwohl mit jährlich 60 Millionen Euro aus dem Bundeshaushalt gefördert. Für die Land- und Kreisstraßen sind die Länder und Kommunen verantwortlich. 25 000 Kilometer Radwege an Landstraßen und 16 000 Kilometer Radwege an Kreisstraßen sind vorhanden. Hier sind Länder und Kommunen aufgefordert, in ihren Ausbaubemühungen ebenfalls weiter fortzufahren. Gute Erfahrungen haben einige Kommunen damit gemacht, die Förderung des Radverkehrs als Teil einer integrierten Stadtentwick- lungspolitik zu begreifen: Durch Fördermaßnahmen können Stadtteile aufgewertet werden. Es lassen sich Konzepte einer „Stadt der kurzen Wege“ entwickeln. Zu- dem unterstützt der Radverkehr die Lärmreduktions- und Luftreinhaltepläne der Kommunen. Durch aktive und innovative Radverkehrspolitik steigern die Kommunen somit direkt ihre Lebensqualität und Attraktivität. Ein weiteres wichtiges Handlungsfeld, um das Fahr- rad in den Kommunen noch populärer zu machen, ist die Schaffung sicherer und ausreichender Abstellmöglich- keiten an Bahnhöfen, an zentralen Anlaufpunkten in den Städten und an touristischen Attraktionen. Erfahrungen zeigen, dass ein Mangel an Abstellanlagen ein zentrales Hindernis für die Fahrradnutzung sein kann. Hier sind die zuständigen Kommunen aufgefordert, Abhilfe zu schaffen. Um den Kommunen hierbei unterstützend un- ter die Arme zu greifen, wird der Bund gute Beispiele sammeln und veröffentlichen, innovative Lösungen an- stoßen und den Kontakt und Erfahrungsaustausch zwi- schen den Kommunen anregen. Der Radverkehr wird zudem dann weiter wachsen, wenn es uns gelingt, die Verkehrssicherheit von Radfah- rern zu erhöhen. Auch wenn im Jahr 2011 die Zahl der getöteten und schwerverletzten Radfahrer gestiegen ist, sind die Zahlen in der langfristigen Betrachtung rückläu- fig. Hier bleibt aber noch viel zu tun. Neun von zehn Fahrradunfällen ereignen sich innerorts. Besonders ge- fährdet sind Kinder und ältere Bürgerinnen und Bürger über 65 Jahre. Bei diesen Gruppen sind die Unfallfolgen auch meist besonders schwer. Die Hälfte der 2011 im Straßenverkehr getöteten Radfahrer war über 65 Jahre alt. Ein gesteigerter Bedarf nach mehr Verkehrssicher- heit entsteht auch aus der zunehmenden Verbreitung von Elektrofahrrädern, die deutlich höhere Endgeschwindig- keiten erreichen als herkömmliche Fahrräder. Um die Verkehrssicherheit weiter zu erhöhen, ist ein gemeinsa- mes Handeln von Bund, Ländern und Kommunen zwin- gend erforderlich. Die Bundesregierung hat mit ihrem Verkehrssicher- heitsprogramm bereits einen wichtigen Baustein zur Stärkung der Verkehrssicherheit vorgelegt. Wichtig sind darüber hinaus zielgerichtete Verkehrssicherheitskampa- gnen. Zu nennen ist hier die Kampagne „Runter vom Gas“ des Bundesverkehrsministeriums und des Deut- schen Verkehrssicherheitsrates. Darüber hinaus ist es der Koalition ein besonderes Anliegen, die freiwillige Helm- tragequote weiter zu erhöhen. Fahrradhelme können ver- hindern, dass es im Falle eines Unfalls zu schwersten Kopfverletzungen kommt. In Zusammenarbeit mit der Deutschen Verkehrswacht hat das Bundesverkehrsminis- terium hierzu die Kampagne „Ich trag’ Helm“ gestartet. Der Bund prüft zudem derzeit mit den Ländern, ob und inwieweit das Sanktionsniveau im Bereich des Radver- kehrs erhöht werden soll. Es geht dabei nicht nur um Verstöße von Radfahrern, sondern auch um solche von Autofahrern, die sich negativ auf den Radverkehr aus- wirken können, wie zum Beispiel unzulässiges Parken oder Halten auf Radwegen. Länder und Kommunen sind im Bereich der Ver- kehrssicherheit dazu aufgerufen, Analysen der Unfall- schwerpunkte vor Ort durchzuführen und davon abgelei- tet Strategien und Maßnahmenbündel zu entwickeln. Wichtig sind auf Länderebene Verkehrssicherheitsnetz- werke, die die Kompetenzen von Verwaltungen, Polizei, Verbänden, Schulen und Verkehrsunternehmen bündeln und die gesellschaftliche Aufmerksamkeit für das Thema erhöhen. Zudem sind die Länder und Kommunen dazu aufgerufen, beim Bau von Radinfrastruktur die Empfehlungen des technischen Regelwerks für die grundlegenden Anforderungen und Dimensionierungen solcher Infrastruktur konsequent anzuwenden. Besonde- rer Aufmerksamkeit der Kommunen bedarf zudem die Verkehrssicherheit von Kindern auf dem Weg zur Schule. Tempo 30 vor Schulen trägt zu einem sichereren Schulweg bei. Durch die Polizei und die Verkehrswach- ten kann Mobilitäts- und Verkehrserziehung in den Schulen und Kindertageseinrichtungen sichergestellt werden. Die Kommunen sollten dieses Engagement un- bedingt weiter anerkennen und weiter ausbauen. Wie ich beschrieben habe, sind jedoch nicht nur Kin- der besonders gefährdet, sondern gerade auch ältere Menschen. Deshalb sollte ein zukünftiger Schwerpunkt auch auf die Mobilitätsbildung von Erwachsenen gelegt werden. Die Kommunen sollten entsprechende Ange- bote, wie zum Beispiel das Radverkehrstraining für ältere Menschen oder für Menschen mit Migrationshin- tergrund, stärker in ihre Aktivitäten zur Radverkehrsför- derung integrieren. Der Bund wird bei Bedarf ergänzend und unterstützend die Lehrinhalte der Fahrschulausbil- dung und der Fahrerlaubnisprüfung sowie in Abstim- mung mit den Ländern auch der Fahrlehrerausbildung kontinuierlich überprüfen und anpassen. Als letztes Beispiel möchte ich erwähnen, dass es für den weiteren Erfolg der Fahrradverkehrsförderung be- sonders wichtig ist, dass es uns gelingt, die verschiede- nen Verkehrsmittel besser miteinander zu verknüpfen. Auf lokaler Ebene sollten die Aufgabenträger des ÖPNV die Fahrradmitnahme in öffentlichen Verkehrsmitteln flächendeckend ermöglichen und für sichere Abstell- möglichkeiten an Bahnhöfen und Haltestellen sorgen. Zudem freut es mich außerordentlich, dass die Deutsche Bahn AG zugesichert hat, dass es möglich sein wird, in Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Oktober 2012 24081 (A) (C) (D)(B) den zukünftigen ICx-Schnellzügen ab 2016 Fahrräder zu transportieren. Hierdurch werden weitere Hürden der Fahrradnutzung, beispielsweise bei der Fahrt in den Ur- laub, abgebaut. Der Nationale Radverkehrsplan ist ein überzeugendes Programm für die Radverkehrsförderung auf allen politi- schen Ebenen in den kommenden Jahren. Die christlich- liberale Koalition misst dem Radverkehr einen besonde- ren Stellenwert zu. Der Fahrradverkehr ist im Zentrum der Verkehrspolitik angekommen. Noch einige Worte zu dem vorliegenden SPD-Antrag. Der Antrag der SPD wiederholt vieles, was bereits Inhalt des Nationalen Radverkehrsplans ist. Einen darüber hi- nausgehenden Mehrwert des Antrags vermisse ich. Ei- nige Aussagen des Antrags sind zudem schlicht falsch. So wird behauptet, dass der Bundesverkehrsminister In- vestitionen in die Aufklärung über die Wichtigkeit der freiwilligen Helmnutzung unterlasse. Hier empfehle ich nochmals die Internetseite www.ich-trag-helm.de des Bundesverkehrsministeriums und der Deutschen Ver- kehrswacht. Es handelt sich genau um eine solche Auf- klärungskampagne, wie sie von der SPD gefordert wird. Offensichtlich haben sich die Kollegen der SPD nicht ausreichend informiert, als sie ihren Antrag geschrieben haben. Darüber hinaus verkennt der SPD-Antrag die vorrangige Kompetenz der Länder und der Kommunen für die Radverkehrsförderung. An mehreren Stellen werden umfangreiche finanzielle Förderprogramme des Bundes für den Radverkehr gefordert. Es scheint, als wolle die SPD die Kompetenz der Radverkehrsförde- rung beim Bund bündeln. Wir als CDU/CSU-Bundestagsfraktion hingegen set- zen hier auf die Verantwortung der Entscheidungsträger von Ländern und Kommunen. Das föderale Verantwor- tungssystem hat den Radverkehr primär dort angesiedelt. Vor Ort kann sachgerechter entschieden werden, welche Maßnahmen zur Förderung des Radverkehrs sinnvoll sind. Der Bund bekennt sich hingegen zu seiner Verant- wortung für den Bau von Radwegen an Bundesstraßen und Bundeswasserstraßen und zu seiner Rolle als Mode- rator und Koordinator. Hier leistet der Nationale Radver- kehrsplan einen wichtigen Dienst. Der Nationale Radver- kehrsplan wird dazu beitragen, Deutschland in den kommenden Jahren noch fahrradfreundlicher zu gestalten. Ulrike Gottschalck (SPD): Fahrradfahren ist ge- sund, umweltfreundlich und kostengünstig. Der Ausbau des Fahrradverkehrs erhöht die Lebensqualität, senkt den CO2-Ausstoß und macht Städte und Gemeinden lebendiger. Wir haben also sehr gute Gründe, den Fahrradverkehr zu fördern; dies haben sozialdemokrati- sche Verkehrspolitikerinnen und Verkehrspolitiker früh erkannt. Der erste Radverkehrsplan war ein Quantensprung, weil sich sozialdemokratische Bundesverkehrsminister zu einer aktiven Rolle bei der Förderung des Fahrradver- kehrs bekannt haben. Es wurden Umsetzungsstrategien zur Radverkehrsförderung initiiert, ein fahrradfreundli- ches Klima angestoßen und wichtige Maßnahmen auf den Weg gebracht. Mit der Einrichtung eines eigenen Haushaltstitels für Bau und Erhaltung von Radwegen in der Baulast des Bundes wurden die Ausgaben für Rad- wege an Bundesstraßen verdoppelt. Seit 2003 konnten so jährlich deutlich mehr Radwege gebaut werden. Es wurde ein weiterer Haushaltstitel zum „Ausbau von Betriebswegen an Bundeswasserstraßen“ mit einem Anfangsfördervolumen von 10 Millionen Euro einge- richtet, um den Ausbau und den Erhalt von Freizeitrad- wegen im Verlauf von Bundeswasserstraßen zu fördern. Weiterhin wurde das Fahrradportal www.nationalerrad- verkehrsplan.de“ und der Bund-Länder-Arbeitskreis „Fahrradverkehr“, BLAK, eingerichtet, um die Umset- zung und Weiterentwicklung des NRVP zu fördern. Zu- dem wurden jährlich 2 Millionen für nichtinvestive Maßnahmen zur Umsetzung und Koordination des NRVP zur Verfügung gestellt. Als Erfolg können wir zu- dem den Aufbau der Fahrradakademie und einer Fahr- radkommunalkonferenz für die bundesweite Vernetzung der Kommunen verbuchen. Noch einmal: Fahrradfahren ist umweltfreundlich, ge- sund und hält mobil. Daher muss es unser gemeinsames Ziel sein, den Radverkehrsanteil in Deutschland weiter deutlich zu steigern. Das Verkehrsmittel Fahrrad muss neben dem öffentlichen Verkehr und dem motorisierten Individualverkehr als gleichwertiges Verkehrsmittel ei- ner nachhaltigen integrierten Verkehrspolitik verstanden werden und bei allen Konzepten für Verkehr, Stadtent- wicklung und Raumordnung berücksichtigt werden. Nun haben wir den am 5. September 2012 von der Bundesregierung beschlossenen neuen „Nationalen Rad- verkehrsplan 2020“ vorliegen. Auf 88 Seiten finden wir eine umfassende Bestandsaufnahme und eine Analyse der aktuellen Situation. Es sind gute Ansätze enthalten, und ich bedanke mich ausdrücklich bei den wenigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die in diesem großen Ministerium überhaupt noch für Radverkehr zuständig sind. Dies ist auch schon einer meiner Kritikpunkte. Wenn der Radverkehr wirklich ein gleichwertiges Ver- kehrsmittel werden soll, muss sich dies auch beim Perso- nal im Ministerium widerspiegeln. Aber leider ist das Gegenteil der Fall. Wie aus der Antwort zu meiner Klei- nen Anfrage hervorgeht, sind nur 6 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für Radverkehr zuständig und davon haben 2 befristete Arbeitsverträge, die zum 31. Dezember 2012 auslaufen. Wie die Bundesregierung dann mit nur noch vier Personen die notwendigen Aufgaben zur Förderung des Radverkehrs erfüllen will, bleibt offen. Dieser Widerspruch zwischen Ankündigung und Realität zieht sich leider wie ein roter – oder besser: schwarzer – Faden durch den NRVP. Die Wünsche und Pläne des NRVP passen nicht zu der politischen Realität, und ich befürchte, das liegt an der Hausspitze. Die Radverkehrspolitik von Bundesverkehrsminister Ramsauer ist unglaubwürdig. Die Bundesregierung will den Anteil des Fahrradverkehrs erhöhen, kürzt aber die Mittel. 2010 waren noch 100 Millionen Euro im Haus- halt, für 2013 sind nur noch 60 Millionen Euro vorgese- hen. Nur wenige Empfehlungen der vom Minister eigens eingesetzten Expertenkommission zur Fortentwicklung 24082 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Oktober 2012 (A) (C) (D)(B) des NRVP 2020 wurden aufgenommen, und, wenn über- haupt, sind sie nur sehr vage formuliert. Anstatt sich als Impulsgeber für Fahrradverkehr zu profilieren, verweist die Bundesregierung immer wieder auf die Zuständigkeit der Länder und Kommunen und spielt Schwarzer Peter. Populistisch bedient der Minister mit öffentlichen Äu- ßerungen über sogenannte Kampfradler negative Vorur- teile. Er verleugnet, dass das Auto immer noch der Hauptverursacher von Unfällen im Straßenverkehr ist. Der Bundesverkehrsminister sollte sich lieber bei den Länderministern dafür einsetzen, dass genug Polizei- beamte zur Überwachung bestehender Gesetze für alle Verkehrsteilnehmer zur Verfügung stehen. Verkehrsrow- dys müssen bestraft werden, keine Frage – aber die fin- det man leider bei allen Verkehrsteilnehmern. Ein Manko ist auch, dass der Autoverkehr weitest- gehend ausgespart wird; damit umschifft Minister Ramsauer geschickt die Diskussion um den Platz im Straßenraum. Mehr Fahrradfahrer brauchen auch mehr Platz, um sicher radeln zu können. Im NRVP fehlen konkrete ambitionierte Ziele und die verbindliche Finanzierung einer engagierten Fahrrad- politik des Bundes. Wir Sozialdemokraten fordern daher mit unserem aktuell vorliegenden Antrag die Bundes- regierung auf, das Fahrradfahren in Deutschland weiter ernsthaft zu fördern und starke Impulse zu setzen. Wir fordern unter anderem die Finanzausstattung für den Bau von Radwegen an Bundesfernstraßen in einer Höhe von 100 Millionen Euro in der mittelfristigen Fi- nanzplanung festzuschreiben. Dies haben wir auch mit einem Haushaltsantrag untermauert. Eine Steigerung des Radverkehrs in Deutschland durchschnittlich auf 20 Prozent am Modal Split der Ver- kehrsträger bis 2020. Die Beauftragung eines Parlamentarischen Staats- sekretärs beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung mit der Funktion des Fahrradbeauf- tragten und eine personelle Aufwertung des Ressorts. Eine verlässliche Förderung mit Kontinuität. Ein eigenständiges Themenfeld „Radverkehr im länd- lichen Raum“. Wir haben also gute Konzepte, damit das Fahrrad wichtiger Bestandteil einer integrierten Verkehrs- und Mobilitätspolitik wird. Grundvoraussetzung ist jedoch, dass man es politisch will. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten stehen bereit, die vagen Ankündigun- gen im NRVP in konkrete Politik umzusetzen. Torsten Staffeldt (FDP): Vorab: Als täglicher Fahr- radnutzer habe ich ein großes Eigeninteresse daran, den Radverkehr zu fördern. Doch der vorliegende Antrag der Sozialdemokraten ist, wie leider häufig, ein klassischer Schaufensterantrag. Er bedient die Wünsche der Klien- tel, zeigt, dass die Sozialdemokraten vermeintlich han- deln, ist aber letztlich fernab der Realität, insbesondere was den Forderungsteil betrifft. Niemand wird bestreiten, dass Fahrradfahren eine ge- sunde und umweltfreundliche Alternative zum Auto dar- stellt. Doch Forderungen, die das Thema Fahrrad auf den Olymp aller Verkehrsträger setzen, fahren weit über die Ziellinie hinaus und sind den anderen Verkehrsträgern gegenüber maßlos übertrieben hoch, zumal ja im Antrag der Sozialdemokraten von der Gleichwertigkeit der Ver- kehrsträger die Rede ist. Insofern kann ja auch nicht der Radverkehr Sonderregelungen, wohl aber die gleiche Aufmerksamkeit wie andere Verkehrsträger erwarten. Damit stelle ich erst einmal grundsätzlich Widersprüche im Antrag fest. Völlig zu viel in die Pedale des Antrages getreten wird zum Beispiel in folgendem Punkt: Forderung eines eigenen Parlamentarischen Staatssekretärs beim Bundes- minister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung mit der Funktion des Fahrradbeauftragten der Bundesregierung. Dann können wir auch gleich aktuell einen Parlamentari- schen Staatssekretär für den Wiederaufbau des Schlosses oder für Wassersportler einsetzen. Anderer Kritikpunkt: Es soll eine neue Promille- grenze für Radfahrerinnen und Radfahrer eingeführt werden. Andererseits – Zitat – „muss die Bundesregie- rung auf die Länder einwirken, dass die Kontrolldichte von Fahrradfahrern durch die Landespolizeien erhöht wird“. Bezieht sich das auf mehr Promillekontrollen, liebe Antragsteller, oder etwa auf die Raser, die die Verkehrs- sicherheit im Radverkehr nun wirklich gefährden, oder warum sollen Radfahrer häufiger kontrolliert werden? Das hätte ich gern erläutert bekommen. Abgesehen da- von freuen sich sicherlich die Landespolizeien über den Aufwuchs an Arbeit. Nächster Kritikpunkt: Der Bau von Radwegen soll als Teil von städtebaulichen Konzepten zur Umgestaltung des öffentlichen Raumes im Rahmen von Städtebauför- derung gefördert werden. Interessanter Versuch, über den Radverkehr das Thema Städtebauförderung mit zu- sätzlichen Hunderten von Millionen Euro zu beglücken! Andererseits ist im Antrag die Rede davon, dass die Förderung des Radverkehrs im ländlichen Raum als ei- genständiges Themenfeld im Nationalen Radverkehrs- plan 2020 verankert und mit eigenen Maßnahmen unter- legt werden soll. Wir haben also die Forderung, den Radverkehr bei der Städtebauförderung zu fördern, und das Gleiche soll im ländlichen Raum erfolgen, also auf dem Lande und in der Stadt. Sicher, es blieben nur noch die Luft und das Wasser, aber die Fahrräder mit denen man über das Wasser fahren und in der Luft fliegen kann, wird es wohl erst in der Zukunft geben. Auszu- schließen ist das natürlich nicht, wenn die SPD weiterhin solche Anträge stellt. Nächster Punkt: An anderer Stelle im Antrag heißt es, dass das Radfahren „in allen Bevölkerungsschichten eine breite Zustimmung und Akzeptanz“ verzeichnet. Es ist von einem positiven Imagewandel die Rede. Anderer- seits wird der Regierung „populistische Pflege von Vor- urteilen“ vorgeworfen. Nach dieser Theorie bremst also die Regierungskoalition das Fahrrad populistisch so sehr Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Oktober 2012 24083 (A) (C) (D)(B) aus, dass das Radeln immer beliebter wird? Meine Da- men und Herren, hier wird in Bezug auf das Fahrrad vonseiten der SPD gegen die Regierung getreten, was das Zeug hält. Sie sollten an dieser Stelle einen Gang runterschalten, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD. Diese an die Regierung gerichteten Unterstellungen haben nichts in einem ernst gemeinten Antrag zu suchen. Allein schon deshalb lehnen wir den Antrag ab. Herbert Behrens (DIE LINKE): Kleine Kinder da- bei zu beobachten, mit welcher Lust und welchem Ent- deckergeist sie auf ihren kleinen Fahrrädern unterwegs sind, macht uns großen Spaß. Kinder erleben die neu ge- wonnene Freiheit durch das Fahrrad ganz unmittelbar. Stück um Stück erweitern sie ihren Erfahrungshorizont und erobern sich ihre Welt. Alles spricht dafür, diese Lust am Fahrradfahren zu erhalten und zu fördern. Das können wir tun, indem wir das Fahrradfahren so sicher und so angenehm wie möglich machen. Das muss auch das Ziel eines Nationalen Radverkehrsplans sein. Der Radverkehrsplan 2020 der Bundesregierung wird dieser Anforderung nicht in vollem Umfang gerecht. Er liefert uns zwar eine gute Beschreibung der Situation der Radfahrerinnen und Radfahrer auf den Straßen. Er liefert uns auch eine ganze Reihe von Handlungserfordernis- sen. Wenn wir uns aber die Lösungsstrategien an- schauen, dann wird es mit einem Mal ganz übersichtlich. Da bleibt es bei Appellen und Vorschlägen. Formulie- rungen wie: „Der Bund engagiert sich weiterhin …“, „Die Bundesregierung unterstützt das Ziel …“, sind Ab- sichtserklärungen, nicht mehr. Der Antrag der SPD-Fraktion kritisiert das zu Recht und fordert eine Reihe von Verbesserungen, damit das Fahrradfahren in Deutschland attraktiver und sicherer wird und mehr Leute mit dem Fahrrad fahren als heute. Sie übernehmen dabei Forderungen des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs, ADFC, und des Ver- kehrsclubs Deutschlands, VCD. Die Linke unterstützt diese viel ehrgeizigeren Ziele der Clubs und wird dem Antrag der SPD zustimmen. Allerdings, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD-Fraktion, taugt der Hinweis auf den sozialdemokra- tischen Verkehrsminister, der mit dem Radverkehrsplan 2012 eine breite Akzeptanz und Zustimmung des Fahrra- des initiiert habe, nicht wirklich. Ich glaube, das Fahr- radfahren hat eine erfolgreiche Geschichte, die schon vor 2002 begonnen hat. Das ist jetzt Schnee von gestern. Wir können ja dazu- lernen und künftig eine bessere Verkehrspolitik und Fahrradverkehrspolitik machen. Was gehört unserer Meinung nach dazu? Das Fahrrad muss als selbstverständliches Verkehrs- mittel wahrgenommen werden. Dafür müssen die spe- ziellen Verkehrswege für Radfahrer mindestens in einem genauso guten Zustand sein wie die für die Autofahrer. Auf den Straßen brauchen die Radfahrer eigene Fahrspu- ren. Für Autofahrer ist das schließlich völlig normal. Wir müssen das positive Image des Radfahrens för- dern. Dazu passt es überhaupt nicht, wenn der Bundes- verkehrsminister in seinen Äußerungen über aggressive Radfahrer in seiner Rhetorik nicht minder aggressiv da- herkommt. Wir müssen den Städten und Gemeinden Anregungen geben, wie der Fahrradverkehr nachhaltig in das inner- städtische Verkehrssystem eingebaut werden kann. Das klappt nicht mit Projekten, die nach dem Projektende wieder verschwinden. Es müssen gemeinsam mit den Fachverbänden Handlungsempfehlungen und Rezepte entwickelt werden, die in den Kommunen direkt umge- setzt werden können. Die höhere Bedeutung von Fahrradverkehr muss auch im Verkehrsministerium erkennbar sein. Wir wissen um das Schattendasein der Radverkehrspolitik im Ministe- rium. Impulsgeber und Ratgeber kann man aber nur sein, wenn dafür Personalkapazitäten vorhanden sind. Noch eine weitere Anregung der Fachverbände hat die SPD in ihrem Antrag aufgenommen, den die Linke ausdrücklich unterstützt. Der Verkehrsminister geht halbherzig an die Frage heran, wo wir eigentlich nach acht Jahren Radverkehrsplan stehen wollen. 15 Prozent aller zurückgelegten Wege sollen mit dem Fahrrad ge- macht werden. Das ist keine einfach nur gegriffene Zahl. Erhebungen und Prognosen mehrerer Instituten haben diese Zahl ausgeworfen. Berechnungen von Potenzialen, Szenariobeobachtun- gen und Variationsrechnungen, wie sie im Radverkehrs- plan genannt werden, sind jedoch keine politischen Ziele. Die Linke sagt, ein Radverkehrsanteil von 20 Prozent an den zurückgelegten Wegen ist erreichbar, wenn man neben dem politischen Willen auch die Unterstützung für die derjenigen sicherstellt, die mitmachen sollen, das zu erreichen. Das sind die Fachverbände, das Ministe- rium, die Länder und Kommunen. Der Radverkehrsplan bietet ein ordentliches Funda- ment für eine Überarbeitung. Die Arbeit der vielen enga- gierten Fahrradfreunde, die an diesem Plan der Bundes- regierung beteiligt waren, ist keinesfalls umsonst. Wir wissen, einige von ihnen hätten gerne mehr konkrete Ziele dringehabt. Jetzt besteht die Chance, durch eine Überarbeitung den Plan besser zu machen. Die Lust am Fahrradfahren, die wir bei Kindern sehen, werden sie sich so als Heranwachsende erhalten können. Und auch als Erwachsene werden wir das Fahrrad als selbstver- ständliches, gleichberechtigtes und attraktives Verkehrs- mittel akzeptieren und nutzen. Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir beraten heute in erster Lesung den neuen Nationalen Radverkehrsplan 2020. Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer hat am 5. September den Kabinettsbeschluss zum Nationalen Radverkehrsplan 2020 medienwirksam in die Kameras gehalten und sich plötzlich und unerwar- tet als Förderer des Radverkehrs inszeniert. Sehr glaub- würdig ist dies allerdings nicht, denn zuvor hat er sich in seiner Amtszeit vor allem mit stigmatisierenden Äuße- 24084 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Oktober 2012 (A) (C) (D)(B) rungen über sogenannte Kampfradler hervorgetan und den Radverkehrsetat fast halbiert. Standen im Jahr 2010 noch 100 Millionen Euro für Radwegebau an Bundes- straßen und Wasserstraßen zur Verfügung, sind es im Etatentwurf 2013 nur noch 60 Millionen Euro. Dazu passt auch, dass die schwarz-gelbe Bundesregierung als erste Amtshandlung das Radverkehrsreferat im Bundes- verkehrsministerium aufgelöst und mit reduziertem Per- sonal einer anderen Abteilung im Ministerium zugeord- net hat. Schauen wir also genauer hin, was uns die Bundesre- gierung als nationale Radverkehrsstrategie für die nächs- ten Jahre präsentiert, um dafür zu sorgen, dass sich bis zum Jahr 2020 wesentlich mehr Menschen gesund und umweltfreundlich mit dem Fahrrad fortbewegen können. Schließlich hatte Verkehrsminister Ramsauer eigens dazu ein Expertengremium zurate gezogen und mit Ver- tretern von Fachverbänden, Ländern und Kommunen umfangreiche Abstimmungsprozesse durchgeführt. Was wir bekommen haben, ist ein fachlich fundierter und na- hezu umfassender Sachstandsbericht zur Situation des Radverkehrs in Deutschland, der zahlreiche Maßnahmen und kreative Ansätze zur Radverkehrsförderung auflistet und den Trend zu einer neuen Fahrradkultur sehr gut be- schreibt. Einen ambitionierten Aktionsplan mit einer eindeutigen Strategie, wie sich die Bundesregierung Deutschland zu einem fahrradfreundlichen Land entwi- ckeln will, legt die Bundesregierung allerdings nicht vor, zumal sie grundlegende Empfehlungen der Experten nur halbherzig umsetzt oder ignoriert. So fehlen im Nationa- len Radverkehrsplan 2020 klare Ziele und Fristen, bis wann die Bundesregierung welche Maßnahmen zur Rad- verkehrsförderung umsetzen will, insbesondere dazu, wie der Radverkehrsanteil bis zum Jahr 2020 deutlich gesteigert werden soll. Der Nationale Radverkehrsplan 2020 enthält keinerlei Aussagen zur Finanzierung der vorgeschlagenen Maß- nahmen zur Radverkehrsförderung. Die Bundesregie- rung überlässt die Finanzierung der meisten Maßnahmen den Ländern und den klammen Kommunen, während der Bund nicht mal ausreichend Mittel für die Instand- haltung und den Ausbau von Radwegen an Bundesstra- ßen und Bundeswasserstraßen zur Verfügung stellt. Wie wenig ambitioniert die für möglich gehaltene Steigerung des Radverkehrsanteil auf 15 Prozent bis zum Jahr 2020 ist, zeigen aktuelle Zahlen des Deutschen Mobilitätspa- nels von 2011, das im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung jährlich erhoben wird. Danach lag der Radverkehrsanteil am Verkehrs- aufkommen im Jahr 2011 bereits bei 14,7 Prozent. Das Bundesverkehrsministerium erklärt also zum möglichen Anteil in 2020, was im Jahr der Erarbeitung des Nationa- len Radverkehrsplans schon längst Realität in Deutsch- land ist. Nicht jeder zehnte, sondern jeder siebte Weg wird aktuell bereits mit dem Rad zurückgelegt. Besondere Bedeutung muss dem Thema Verkehrssi- cherheit beigemessen werden. Diese ist in hohem Maße abhängig vom Zustand der Infrastruktur und dem örtli- chen Geschwindigkeitsniveau. Rund 75 Prozent der Zu- sammenstöße zwischen Radfahrenden und Kraftfahrzeu- gen werden durch Autofahrerinnen und Autofahrer verursacht. Die überwiegend Geschädigten sind Fahr- radfahrerinnen und Fahrradfahrer. Betroffen sind bei steigenden Unfallzahlen besonders ältere Menschen über 65 Jahre. Trotzdem unterlässt es die Bundesregierung, die Restriktionen in der StVO abzuschaffen, die verhin- dern, dass Kommunen Tempo 30 als Regelgeschwindig- keit zur Erhöhung der Verkehrssicherheit einführen kön- nen. Stattdessen lädt der Nationale Radverkehrplan 2020 die Verantwortung für die Sicherheit vor allem wieder bei den Radfahrenden ab, die fluoreszierende Radhelme tragen und bei Regelverstößen mit höheren Bußgeldern bestraft werden sollen. Wir fordern die Bundesregierung daher auf, den vom Kabinett beschlossenen Nationalen Radverkehrsplan 2020 zu überarbeiten. Erstens. Der Nationale Radverkehrplan 2020 muss verbindliche Lang- und Mittelfristziele festlegen und konkret benennen, welche Maßnahmen dazu bis wann von welcher Akteursebene – Bund, Länder, Gemeinden, Verbände – ergriffen werden sollen. Der Erfolg dieser Maßnahmen muss evaluiert werden. Zweitens. Der Nationale Radverkehrplan 2020 muss als Ziel formulieren, dass der Radverkehrsanteil an allen Wegen in Deutschland bis 2020 auf mindestens 20 Pro- zent ansteigen soll. Drittens. Die Bundeshaushaltsmittel für den Bau von Radwegen entlang von Bundesstraßen müssen auf min- destens das Niveau 100 Millionen Euro pro Jahr erhöht und verstetigt werden. Viertens. Die Bundesregierung muss sich eindeutig zur Schaffung eines flächendeckenden integrierten Rad- verkehrsnetzes in Deutschland bekennen. Der Bund ist aufgefordert, die Länder und Gemeinden beim Ausbau der Radverkehrsinfrastruktur durch die kontinuierliche Finanzierung von innovativen Modellprojekten, soge- nannte Leuchtturmprojekte, zu unterstützen. Darunter verstehen wir beispielsweise Radschnellwege, Fahr- radabstellanlagen und Ortsdurchfahrten sowie bundes- weite Imagekampagnen. Fünftens. Die Bundesregierung sollte eine(n) Radver- kehrsbeauftragte(n) auf Staatssekretärsebene benennen. Zur Koordinierung der bundesweiten Aktivitäten zur Stärkung des Radverkehrs sollte im Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung ein eigenständi- ges Radverkehrsreferat eingerichtet und angemessen personell ausgestattet werden. 198. Sitzung Inhaltsverzeichnis TOP 4 Regierungserklärung zum Europäischen Rat TOP 5, ZP 2 Ausbildungspolitik TOP 40, ZP 3 Überweisungen im vereinfachten Verfahren TOP 41, ZP 4 Abschließende Beratungen ohne Aussprache ZP 5 Aktuelle Stunde zu Transparenz bei Nebeneinkünften von Abgeordneten TOP 6 Beaufsichtigung von Kreditinstituten (CRD IV) TOP 7 Rentenpolitik TOP 8 Wissenschaftsfreiheitsgesetz TOP 9 Verteilung der Kosten und Nutzen der Energiewende ZP 6 Wettbewerbsrecht undMedienvielfalt TOP 11 Städtebauförderung TOP 10 Reduzierung von Lebensmittelverlusten TOP 20 Strafrecht menschenverachtende Beweggründe) TOP 12 Weingesetz TOP 15 Ausstellungsvergütung für bildende Künstler TOP 14 Änderung des Grundgesetzes (Artikel 91b) TOP 17 Rechtsschutz im Asylverfahren TOP 16 Internationaler Strafgerichtshof TOP 18 Anpassung des Bauproduktengesetzes TOP 22 Auswirkungen des neuen Waffenrechts TOP 19 Managementprämienverordnung TOP 28 Perspektive der Staaten des westlichen Balkans TOP 21 Änderung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes TOP 24 Recht allerMenschen mit Behinderung auf Teilhabe TOP 23 Fahrgastrechte im Schiffsverkehr TOP 26 Beitrag der Raumordnung zur Energiewende TOP 25 Umsetzung des Seearbeitsübereinkommens 2006 TOP 30 Umsetzung der Resolution 1325 TOP 27 Umsetzung der Richtlinie über Industrieemissionen ZP 7 Förderung des Radverkehrs TOP 29 Bewachungsunternehmen auf Seeschiffen TOP 31 Petitionsrecht TOP 32 Mumia Abu-Jamal (Menschenrechte in den USA) TOP 33 Menschenrechte in den Staaten des Südkaukasus Anlagen
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Eduard Oswald


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)


    Wir sind am Ende unserer Aussprache, liebe Kolle-

    ginnen und Kollegen.

    Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf
    den Drucksachen 17/10990 bis 17/10998 an die in der
    Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen.
    Sie sind damit einverstanden? – Ich sehe keinen Wider-
    spruch. Dann ist die Überweisung so beschlossen.

    Ich rufe den Tagesordnungspunkt 8 auf:

    Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre-
    gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
    zur Flexibilisierung von haushaltsrechtlichen
    Rahmenbedingungen außeruniversitärer Wis-

    (Wissenschaftsfreiheitsgesetz – WissFG)

    – Drucksachen 17/10037, 17/10123 –

    Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-
    ses für Bildung, Forschung und Technikfolgenab-
    schätzung (18. Ausschuss)


    – Drucksache 17/11046 –

    Berichterstattung:
    Abgeordnete Tankred Schipanski
    René Röspel
    Dr. Peter Röhlinger
    Dr. Petra Sitte
    Krista Sager

    Hierzu liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion
    Die Linke vor.

    Liebe Kolleginnen und Kollegen, nach einer inter-
    fraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine
    Dreiviertelstunde vorgesehen. Sie sind damit einverstan-
    den? – Dann haben wir das auch gemeinsam so be-
    schlossen.

    Ich eröffne die Aussprache. Erste Rednerin in unserer
    Aussprache ist für die Bundesregierung Frau Bundes-
    ministerin Dr. Annette Schavan. Bitte schön, Frau Bun-
    desministerin.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


    Dr. Annette Schavan, Bundesministerin für Bil-
    dung und Forschung:

    Danke schön, Herr Präsident. – Herr Präsident! Liebe
    Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren!
    Einrichtungen der Wissenschaft stehen in einem starken
    internationalen Wettbewerb um Wissen und Technolo-
    gien, und sie stehen in einem Wettbewerb um gute Rah-

    menbedingungen, der ebenso stark ist. Sie brauchen Ge-
    staltungsspielraum, sie brauchen Handlungsfreiheit,
    Eigenverantwortung, einen autonomen Status ihrer Insti-
    tution. Dies beschäftigt uns seit langem. Ich habe gerade
    Frau Flach, die sich, bevor sie ins Gesundheitsministe-
    rium ging, viele Jahre dafür stark gemacht hat, gesagt,
    dass es uns nun gelingt, den Einrichtungen die Bedin-
    gungen zu geben, die notwendig sind, um international
    stark und souverän auftreten zu können.


    (Beifall bei der FDP)


    Der Gesetzentwurf, den wir heute in zweiter und drit-
    ter Lesung beraten, hat deshalb auch einen starken und
    ungeteilten Zuspruch aus der Wissenschaft bekommen.
    Er hat über Fraktionsgrenzen hinweg einen breiten poli-
    tischen Konsens gefunden; das freut mich. Das Gesetz
    ist damit nicht nur ein Gesetz der einen oder anderen
    Gruppe im Parlament, sondern auch das Ergebnis eines
    langjährigen Dialoges der wissenschaftspolitischen
    Sprecher mit unseren Wissenschaftsorganisationen. Drei
    Säulen tragen dieses Gesetz: Autonomie, Eigenverant-
    wortung und Transparenz.

    Autonomie heißt Selbstständigkeit, wenn es um Pro-
    fil, Programme, Projekte und Strategien geht. Die Ein-
    richtungen müssen selbst entscheiden können. Wenn
    Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Forschungs-
    projekte betreuen und gestalten, müssen sie immer auch
    kurzfristig die Möglichkeit haben, neue Wege zu gehen,
    umzuplanen und bislang nicht Vorhersehbares aufzugrei-
    fen. Neue Ansätze müssen berücksichtigt werden, For-
    schungsergebnisse in die weiteren Planungen aufgenom-
    men werden. Hierfür ist größtmögliche Flexibilität in der
    Mittelbewirtschaftung erforderlich. Dafür sind Global-
    haushalte notwendig. Genau das ermöglicht dieses Ge-
    setz.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


    Ich nenne Ihnen ein Beispiel, das viele von uns in den
    letzten Jahren verfolgt haben: Die Gründungsphase des
    Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankun-
    gen hat uns gezeigt, wie wichtig diese operative Flexibi-
    lität vor Ort ist. Nur so können wir aktuelle, gesellschaft-
    lich relevante Forschungsgebiete zügig erschließen und
    uns im internationalen Vergleich an der Spitze positio-
    nieren.

    Die Wissenschaftseinrichtungen werden durch das
    Gesetz mehr Freiheit und Selbstständigkeit bei Finanz-
    und Personalentscheidungen, bei Kooperationen und
    Bauvorhaben erhalten. Wir machen Ernst mit der De-
    regulierung und in der Folge dann auch mit dem Büro-
    kratieabbau, nicht nur, weil es effizienter ist, sondern
    auch, weil wir die Einrichtungen und ihre Mitarbeiterin-
    nen und Mitarbeiter darin unterstützen wollen, sich auf
    ihre Kernkompetenzen zu konzentrieren. Wir wissen,
    das steigert die Leistung.

    Zweitens: Eigenverantwortung. Freiheit ist an Verant-
    wortung gebunden. Deshalb kann ich Ihnen versichern
    – das sage ich ganz besonders den Mitgliedern des Haus-
    haltsausschusses, die uns berechtigterweise viele Fragen
    gestellt haben –: Die Pilotphase der Wissenschaftsfrei-
    heitsinitiative hat gezeigt, dass die Einrichtungen maß-





    Bundesministerin Dr. Annette Schavan


    (A) (C)



    (D)(B)


    voll und verantwortungsbewusst mit ihrer Selbstständig-
    keit umgehen und dass sie unser Vertrauen verdient
    haben.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


    Mehr Eigenverantwortung bedeutet auch, die Detail-
    steuerung durch Staat und Verwaltung weiter zurückzu-
    fahren. Das bedeutet aber nicht Regellosigkeit. Die Ver-
    antwortungsbereiche von Wissenschaftseinrichtungen,
    Staat und Politik werden insgesamt klarer gefasst und
    damit auch transparenter. Ich glaube, das ist ein zentraler
    Punkt. Wir bauen nicht Regeln ab. Autonomie heißt
    nicht Anarchie. Vielmehr haben wir neue Formen der
    Rechenschaftsgebung und der Rechenschaftslegung.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


    Drittens: Transparenz. Transparente Strukturen ma-
    chen Verantwortung sichtbar. Mit dem Monitoring zum
    Pakt für Forschung und Innovation und mit den damit
    verbundenen Zielvereinbarungen haben wir bereits gute
    Erfahrungen gemacht. Auf diesen Erfahrungen bauen
    wir auf. Wir wollen kein starres Berichtswesen, sondern
    ein flexibles Instrumentarium, mit dem wir auch kurz-
    fristig auf aktuelle Entwicklungen reagieren können. Wir
    wollen keine neue Bürokratie, sondern wir wollen den
    Abbau bisheriger Bürokratie.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


    Meine Damen und Herren, das Wissenschaftsfreiheits-
    gesetz ist schlank konzipiert. Herr Professor Schubert
    vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsfor-
    schung hat dies im Rahmen der Expertenanhörung zur in-
    haltlichen Seite des Gesetzentwurfes treffend formuliert.
    Ich zitiere: Es sind sieben einfache Paragrafen, die in wei-
    ten Bereichen oder in weiten Teilen eine Diskussion be-
    enden – zumindest für die außeruniversitäre Forschung –,
    die wir nun seit mindestens 20 Jahren führen.

    Ich bin davon überzeugt: Das Wissenschaftsfreiheits-
    gesetz wird dem gesamten Wissenschaftssystem positive
    Impulse geben. In diesem Zusammenhang nenne ich
    ausdrücklich auch die Ressortforschungseinrichtungen.
    Mit dem Entwurf für den Haushalt 2013 hat die Bundes-
    regierung auch für solche Einrichtungen wichtige Flexi-
    bilisierungen auf den Weg gebracht.

    Und ich freue mich sehr, dass das Parlament auch den
    DAAD und die Alexander-von-Humboldt-Stiftung in
    dieses Gesetz aufnimmt.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    – Danke an alle. – Auch hier gilt das Struck’sche Gesetz:
    Kein Gesetz geht so hinaus, wie es hereingekommen ist.
    Dies begrüße ich außerordentlich.

    Meine Damen und Herren, ich ermutige schließlich
    die Länder, im Blick auf die Hochschulen ausdrücklich
    gemeinsam mit uns diesen Weg zu gehen. Wir haben
    viele Kooperationen zwischen Hochschulen und außer-
    universitären Forschungseinrichtungen, und genau da-

    für ist es wichtig, dass auch die Hochschulen ein ver-
    gleichbares Maß an Autonomie erhalten.

    Ich bin davon überzeugt: Für die Wissenschaft in
    Deutschland, für die betroffenen Wissenschaftseinrich-
    tungen ist dieses Gesetz Signal zum Aufbruch, eine wei-
    tere Etappe zur Stärkung in einem harten internationalen
    Wettbewerb.

    Vielen Dank.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)




Rede von Eduard Oswald
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

Vielen Dank, Frau Bundesministerin. – Nächster Red-

ner in unserer Aussprache ist für die Fraktion der Sozial-
demokraten unser Kollege René Röspel. Bitte schön,
Kollege Röspel.


(Beifall bei der SPD)



  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von René Röspel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)


    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

    Herren! Zunächst, Frau Ministerin Schavan, herzlichen
    Dank, dass Sie mit relativ wenig Pathos und sehr sach-
    lich in das Wissenschaftsfreiheitsgesetz eingeführt ha-
    ben.


    (Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: So ist sie eben!)


    Wir haben das in den letzten Wochen und Monaten in
    den Ausschussanhörungen oder in den Debatten manch-
    mal durchaus etwas anders erlebt.

    Wir debattieren heute in der Tat nicht über Wissen-
    schaftsfreiheit. Das haben wir im Hohen Hause an ande-
    rer Stelle durchaus gemacht, immer dann, wenn die Wis-
    senschaftsfreiheit wirklich tangiert war, bei embryonaler
    Stammzellforschung und Ähnlichem.

    Beim Wissenschaftsfreiheitsgesetz geht es um die
    Flexibilisierung haushaltsrechtlicher Rahmenbedingun-
    gen der Forschung, also Erleichterungen im Wissen-
    schaftsmanagement.


    (Albert Rupprecht [Weiden] [CDU/CSU]: Es geht um die Freiheit! – Zuruf von der FDP: Das ist eine Initiative der FDP-Fraktion!)


    Das ist eine Initiative der Großen Koalition von 2008.
    Ich habe schon damals kritisiert, dass der Titel eigentlich
    zu hoch gehängt ist, wenngleich viele der Maßnahmen
    für außeruniversitäre Einrichtungen durchaus sinnvoll
    sind. Wir stärken damit sozusagen ein Bein im Mara-
    thonlauf um ein besseres Bildungs- und Wissenschafts-
    system in Deutschland und mehr Wettbewerbsfähigkeit
    im internationalen Vergleich.

    Aber auch das andere Bein muss man immer im Blick
    behalten: Das ist die universitäre Forschung. Im Hin-
    blick darauf, wie die Hochschulen künftig aufgestellt
    sind, treibt uns doch die Sorge um. Auch dieses Bein
    muss weiterentwickelt werden. Leider geht die Debatte
    über die Änderung des Grundgesetzes heute Abend zu
    Protokoll. Wir hätten Ihnen gerne in dieser Debatte un-
    sere Vorschläge vorgestellt, wie man dauerhaft, nachhal-





    René Röspel


    (A) (C)



    (D)(B)


    tig und sicher Bildung, aber auch universitäre Hoch-
    schulforschung und -lehre besser finanzieren kann.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)


    Das ist dringend notwendig; denn wenn Sie nur bei ei-
    nem Bein den Muskel stärken, werden Sie feststellen,
    dass Sie irgendwann im Kreis laufen und nicht wirklich
    vorankommen.

    Unabhängig davon bedeutet das Wissenschaftsfrei-
    heitsgesetz für außeruniversitäre Einrichtungen sicher-
    lich einen Fortschritt. Ich will den beiden Berichterstat-
    tern, Herrn Schipanski und Herrn Rehberg, ausdrücklich
    meinen Dank dafür aussprechen, dass sie unser Ge-
    sprächsangebot angenommen haben, zu schauen, an wel-
    chen Stellen wir gemeinsam noch etwas verbessern kön-
    nen. Daraus ist ein interfraktioneller Antrag geworden.
    Dass nun auch die Alexander-von-Humboldt-Stiftung
    und der DAAD in das Gesetz aufgenommen sind, ist si-
    cherlich ein Fortschritt.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)


    Das führt dazu, dass wir diese Initiative mit einer Enthal-
    tung begleiten.

    Zustimmen können wir leider nicht, weil wir an ande-
    ren Stellen – das werden Sie uns nachsehen – weiterhin
    Probleme oder Verbesserungsbedarf sehen. Wir hätten es
    zum Beispiel besser gefunden, wenn die Ressortfor-
    schungseinrichtungen des Bundes verbindlicher in das
    Gesetz aufgenommen worden wären, als das jetzt über
    Maßnahmen haushaltsrechtlicher Art erfolgt. Dieser
    Punkt war uns wichtig; doch wir haben ihn leider nicht
    hineinverhandeln können. Schon jetzt erreichen uns An-
    fragen aus den entsprechenden Instituten,


    (Klaus Hagemann [SPD]: So ist es!)


    warum sie, die sie doch gute Forschung machen, nur
    deswegen, weil sie zum Bund gehören, von den Rege-
    lungen des Wissenschaftsfreiheitsgesetzes keinen Ge-
    brauch machen könnten.

    Andere Punkte, die wir für wichtig und richtig halten
    – wir finden es gut, dass das endlich kommt –, sind De-
    ckungsfähigkeit und Überjährigkeit. Nach der Vorlauf-
    phase, die es gab, wird es den Instituten jetzt endlich
    möglich sein, Sachmittel, die nicht abgerufen worden
    sind, in Personalmittel umzuschichten und damit zum
    Beispiel für die nächsten Jahre einen Doktoranden zu fi-
    nanzieren. Das ist wirklich gut für die außeruniversitäre
    wissenschaftliche Arbeit. Schlecht wäre es allerdings,
    wenn umgekehrt der Fall entstünde, dass vorhandene
    Personalmittel, die nicht abgerufen wurden, in Sachmit-
    tel umgewandelt werden und damit zum Beispiel – zuge-
    gebenermaßen ein extremes Beispiel – dem neuen Di-
    rektor eine Dienstvilla gebaut wird; im Gesetz steht ja
    auch etwas von baurechtlichen Erleichterungen. Wenn
    die Bürger uns fragen würden: „Warum macht ihr so et-
    was?“, könnten wir kaum sagen: Wir haben den Institu-
    ten 1 Milliarde Euro zur Verfügung gestellt; was sie da-
    mit machen, wissen wir jedoch nicht.


    (Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Wer macht denn so was? Das macht doch keiner!)


    Deswegen ging es in einem unserer Anträge – er
    wurde im Ausschuss leider abgelehnt – um ein verbes-
    sertes Steuerungs- und Informationssystem, das das Par-
    lament beschließt, um die Kontrolle nachvollziehbar und
    sichtbar zu machen.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Albert Rupprecht [Weiden] [CDU/CSU]: Natürlich Kontrolle! Wie denn sonst?)


    Wir sind es, die dem Bürger gegenüber zu rechtfertigen
    haben, was mit dem Geld, das den Einrichtungen zur
    Verfügung gestellt wird, passiert. Das ginge über das hi-
    naus, was in § 3 Abs. 3 des Entwurfs des Wissenschafts-
    freiheitsgesetzes steht; da kommt das aus unserer Sicht
    zu kurz. Da hätten wir uns eine stärkere parlamentari-
    sche Beteiligung gewünscht.

    Gut für die außeruniversitären Einrichtungen ist si-
    cherlich auch, dass man Berufungen, Neueinstellungen
    von Spitzenwissenschaftlern dadurch begleiten kann,
    dass man ihnen ein höheres Gehalt zahlt, als eigentlich
    vorgesehen ist – solange dieses zusätzliche Geld aus
    nichtöffentlichen Quellen kommt.

    So gut das für die außeruniversitären Einrichtungen
    ist, so sehr sehen wir auch drei Probleme, die damit ver-
    bunden sind:

    Erstens führt ein solches Verfahren zu einem Un-
    gleichgewicht in den Instituten. Wir bekommen schon
    jetzt mit, dass sich viele Mitarbeiter zu Recht fragen, wa-
    rum es eine Stärkung in der Spitze und nicht in der
    Breite gibt. Über das Tarifsystem in außeruniversitären
    Forschungseinrichtungen wird an anderer Stelle, im Zu-
    sammenhang mit dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz,
    zu reden sein.

    Das zweite Problem, das wir sehen, ist: Wie steht es
    eigentlich mit der Unabhängigkeit von Spitzenwissen-
    schaftlern, wenn künftig über private Industriebeiträge
    ein Teil ihres Gehalts finanziert wird? Kann Unabhän-
    gigkeit wirklich gewährleistet werden? Ich habe zwar
    erst einmal Vertrauen in die Wissenschaft,


    (Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Das ist gut!)


    aber es ist ein schwieriger Ansatz, das muss man schon
    sagen.

    Das dritte Problem, das wir sehen, ist: Wie ist das im
    Verhältnis zu Universitäten und Hochschulen, die es sich
    nicht leisten können, diesen zusätzlichen Zuschlag zu
    gewähren? Auch da ist die Balance zwischen außeruni-
    versitärer und universitärer Forschung ein Problem.

    Leider haben Sie unseren Antrag, etwas für den wis-
    senschaftlichen Nachwuchs – und nicht nur für die
    Spitze – zu machen, im Ausschuss abgelehnt. Das hätten
    wir für gut befunden. Wissenschaftsfreiheit in unserem
    Sinne bedeutet nämlich auch, dass Wissenschaftler frei
    von Sorgen um ihre Existenz forschen und kreativ arbei-
    ten können.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)






    René Röspel


    (A) (C)



    (D)(B)


    Das bedeutet, eine Zukunftsperspektive und vernünftige
    Arbeitsbedingungen zu schaffen. Dafür werden wir uns
    weiterhin einsetzen.

    Vielen Dank.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)