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    Plenarprotokoll 17/191 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 191. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 12. September 2012 I n h a l t : Tagesordnungspunkt 1: (Fortsetzung) a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes über die Feststellung des Bundes- haushaltsplans für das Haushaltsjahr 2013 (Haushaltsgesetz 2013) (Drucksache 17/10200) . . . . . . . . . . . . . . . b) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Finanzplan des Bundes 2012 bis 2016 (Drucksache 17/10201) . . . . . . . . . . . . . . . Einzelplan 23 Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Dirk Niebel, Bundesminister  BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Bärbel Kofler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dagmar G. Wöhrl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Thilo Hoppe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Christiane Ratjen-Damerau (FDP) . . . . . . Dr. Sascha Raabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP) . . . . . . . . Sibylle Pfeiffer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Karin Roth (Esslingen) (SPD) . . . . . . . . . . Niema Movassat (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Ute Koczy (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jürgen Klimke (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Martin Gerster (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP) . . . . . . . . Volkmar Klein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Einzelplan 04 Bundeskanzleramt Dr. Frank-Walter Steinmeier (SPD) . . . . . . . . Dr. Angela Merkel,  Bundeskanzlerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Rainer Brüderle (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Renate Künast (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Volker Kauder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Petra Merkel (Berlin) (SPD) . . . . . . . . . . . . . Dr. Hermann Otto Solms (FDP) . . . . . . . . . . . Michael Roth (Heringen) (SPD) . . . . . . . . . . Gerda Hasselfeldt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Siegmund Ehrmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Bernd Neumann, Staatsminister  BK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Lukrezia Jochimsen (DIE LINKE) . . . . . Reiner Deutschmann (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Agnes Krumwiede (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22959 A 22959 B 22959 B 22961 B 22963 A 22965 B 22966 C 22967 D 22968 D 22970 B 22971 B 22972 A 22973 A 22973 D 22974 D 22975 D 22977 A 22978 A 22978 D 22980 A 22985 A 22992 C 22997 C 23002 A 23006 A 23008 B 23010 B 23011 C 23012 D 23015 B 23016 B 23017 D 23019 B 23020 C Inhaltsverzeichnis II Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 191. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. September 2012 Einzelplan 05 Auswärtiges Amt Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister  AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Rolf Mützenich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU) . . . . . Jan van Aken (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Frithjof Schmidt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bijan Djir-Sarai (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus Brandner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ruprecht Polenz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Alexander Ulrich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Thomas Silberhorn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Michael Brand (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Bettina Kudla (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Einzelplan 14 Bundesministerium der Verteidigung Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister  BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rainer Arnold (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP) . . . . . . . . . . Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Reinhard Brandl (CDU/CSU) . . . . . . . . . Bernhard Brinkmann (Hildesheim)  (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elke Hoff (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE) . . . . . . . . Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen)  (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus-Peter Willsch (CDU/CSU) . . . . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 23022 A 23023 D 23025 D 23028 B 23029 B 23031 A 23031 D 23033 C 23034 D 23036 A 23037 B 23038 B 23039 A 23041 A 23043 C 23045 A 23046 C 23047 D 23049 A 23050 C 23052 A 23053 B 23054 C 23055 A 23056 B 23057 D 23059 A Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 191. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. September 2012 22959 (A) (C) (D)(B) 191. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 12. September 2012 Beginn: 10.00 Uhr
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    Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 191. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. September 2012 23059 (A) (C) (D)(B) Anlage zum Stenografischen Bericht Liste der entschuldigten Abgeordneten  Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Bär, Dorothee CDU/CSU 12.09.2012 Dr. Bartsch, Dietmar DIE LINKE 12.09.2012 Binder, Karin DIE LINKE 12.09.2012 Dağdelen, Sevim DIE LINKE 12.09.2012 Dr. Danckert, Peter SPD 12.09.2012 Dr. Dehm, Diether DIE LINKE 12.09.2012 Gehrcke, Wolfgang DIE LINKE 12.09.2012 Gohlke, Nicole DIE LINKE 12.09.2012 Höferlin, Manuel FDP 12.09.2012 Höhn, Bärbel BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 12.09.2012 Kilic, Memet BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 12.09.2012 Koch, Harald DIE LINKE 12.09.2012 Kolbe (Leipzig),  Daniela SPD 12.09.2012 Kuhn, Fritz BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 12.09.2012 Mast, Katja SPD 12.09.2012 Mücke, Jan FDP 12.09.2012 Rupprecht (Tuchenbach), Marlene SPD 12.09.2012 Scheelen, Bernd SPD 12.09.2012 Schmidt (Eisleben), Silvia SPD 12.09.2012 Simmling, Werner FDP 12.09.2012 Wunderlich, Jörn DIE LINKE 12.09.2012  Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Anlagen 191. Sitzung Inhaltsverzeichnis Epl 23 Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Epl 04 Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt Epl 05 Auswärtiges Amt Epl 14 Verteidigung Anlagen
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Rainer Brüderle


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)


    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Deutsch-

    land steht besser da als die meisten Länder der Welt. Das
    ist kein Zufall. Das ist das Resultat harter Arbeit der
    Menschen, das Resultat erfolgreicher Unternehmen – so-
    wohl des Mittelstands als auch von Konzernen –, das
    Resultat vernünftiger Tarifpartnerschaft. Das ist das Re-
    sultat der christlich-liberalen Regierungspolitik.


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


    Wir haben die Weichen für Wachstum und Beschäfti-
    gung gestellt. Die Reallöhne steigen zum ersten Mal seit
    zehn Jahren das dritte Jahr hintereinander. Unsere Ent-
    lastungspolitik lohnt sich: 24 Milliarden Euro bei den
    Steuern, 9 Milliarden Euro bei den Rentenbeiträgen. Das
    hat Hunderttausende neue Jobs in Deutschland gebracht.


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


    Die letzten Schritte bei der Rentenbeitragsentlastung blo-
    ckiert die SPD im Bundesrat. Da vernebelt eine undurch-
    dachte Wahlkampftaktik den ökonomischen Durchblick.
    Die christlich-liberale Koalition sorgt für Rekordbeschäf-
    tigung. Wir haben 41 Millionen Erwerbstätige. So viele
    gab es noch nie in Deutschland.

    Ich habe noch die schrillen Töne von Herrn Gabriel
    am Anfang dieser Legislaturperiode im Ohr. Er hat vor
    einer Abwärtsspirale und vor Massenarbeitslosigkeit ge-
    warnt. Nichts von Ihren Kassandrarufen ist eingetreten.
    Ihre Lagebeurteilung war falsch, und Ihre Rezepte wären
    auch falsch gewesen.


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


    Sie wollten eine Kurzarbeiterregelung bis zum Sankt-
    Nimmerleins-Tag, Staatshilfen für Opel und Abwrack-
    prämien für Maschinen. Alles das war im Angebot von
    Herrn Gabriel. Es wäre teuer, sinnlos und kurzatmig ge-
    wesen. Das haben wir Gott sei Dank nicht gemacht.


    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Unsere Politik folgt langen Linien. Es gibt keine kurz-
    atmigen Maßnahmen. Nicht kurzfristiges Hüpfen, son-
    dern Durchhalten von Linien, das ist das Gegenmodell
    der christlich-liberalen Erfolgskoalition zu dem, was uns
    Rot-Grün immer wieder vorträgt.


    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)






    Rainer Brüderle


    (A) (C)



    (D)(B)


    Eines, Herr Steinmeier, muss ich Ihnen sagen, weil
    Sie mit solchem Selbstlob die rot-grüne Regierungszeit
    versehen haben:


    (Dr. Frank-Walter Steinmeier [SPD]: Genau! Da fehlt noch etwas!)


    Bei der Einführung des Euro hatten wir keine politische
    Union. Die war auch nicht machbar. Aber man hätte Eu-
    ropa weiterentwickeln, vorwärts entwickeln müssen.
    Aber Rot-Grün hat Europa rückwärts entwickelt. Sie ha-
    ben Griechenland in die Euro-Zone aufgenommen, Sie
    haben die Stabilitätskriterien, sowohl die 3-Prozent-Re-
    gelung als auch die 60-Prozent-Regelung, gebrochen.
    Deshalb sollten Sie sich das Selbstlob über diese Periode
    sparen. Wir räumen heute die Scherben rot-grüner Poli-
    tik weg, wir bringen Europa richtig nach vorne.


    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Dass Sie die Regierung nicht loben, kann Ihnen kei-
    ner krummnehmen. Das gehört zur Demokratie. So ist
    nun einmal das Rollenspiel. Aber dass Sie nicht zur
    Kenntnis nehmen, wie gut wir dank unserer Politik da-
    stehen,


    (Zuruf von der FDP: Das ist wahr!)


    ist schon ein Stück Realitätsverweigerung.


    (Joachim Poß [SPD]: Von dem Thema verstehen Sie am meisten! Sie sind schon einige Jahre nicht mehr von dieser Welt!)


    Wenn Sie, Herr Poß, mir nicht glauben, glauben Sie viel-
    leicht großen Magazinen. Ich zitiere einmal das Time
    Magazine; dort heißt es wörtlich:

    Deutschland geht es deswegen besser als dem Rest
    Europas,


    (Joachim Poß [SPD]: Weil wir Brüderle haben!)


    weil es sich nicht so verhält wie der Rest Europas.

    Es ist die Politik in Deutschland, die zur Veränderung
    geführt hat!


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


    Ihre Rezepte sind Steuererhöhung, Umverteilung,
    Vergemeinschaftung von Schulden. Das ist ein Rezes-
    sionsprogramm. Es geht immer wieder nach der alten
    Melodie, lieber Herr Poß: Fällt den Sozis etwas ein,
    muss es eine neue Steuer sein. –


    (Joachim Poß [SPD]: Das stimmt ja gar nicht! Wir wollen gar keine neue Steuer!)


    Die sollten Sie nicht mehr singen. Das ist einfach ver-
    kehrt. Herr Gabriel sollte einmal einen Blick auf sein so-
    zialistisches Idol Hollande werfen. Der hat gleichzeitig
    mit seinen Steuererhöhungen Wachstumseinbrüche ver-
    kündet. Beides hängt miteinander zusammen. Das Mo-
    dell, Wachstum mit Steuererhöhungen zu generieren, hat
    noch nie funktioniert.


    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Joachim Poß [SPD]: Wir sind hier nicht in Frankreich!)


    Deshalb: Mehrbelastungen und Wachstumsschwäche
    dürfen in Deutschland nicht Regierungspraxis werden.
    Wir betreiben mit Wolfgang Schäuble an der Spitze eine
    wachstumsfreundliche Konsolidierungspolitik. Das ist
    der richtige Weg. Unsere Devise ist: nicht abrupt auf die
    Bremse treten, sondern sinnvoll zurückführen, einfrieren
    und damit die Wachstumsimpulse verstärken.

    Wir halten Ausgabendisziplin. Wir haben zwei
    Schwerpunkte gesetzt – die halten wir auch ein –, Bil-
    dung und Forschung, und wir haben die Schuldenbremse
    drei Jahre früher als geplant umsetzen können. Wir wer-
    den 2014 – davon bin ich überzeugt – die schwarze Null
    erreichen können. Ich erwarte die ersten Konsolidie-
    rungsvorschläge von Ihnen, Herr Poß, und der SPD-
    Fraktion. Ich habe bisher keine gehört.

    Aber Sie sind auch mit anderen Dingen beschäftigt.
    Die SPD sucht den letzten Troikaner.


    (Dr. Frank-Walter Steinmeier [SPD]: Da fehlte doch noch etwas!)


    Unentschlossen, albern, reizlos – so zitiert die Süddeut-
    sche Zeitung andere Spitzengenossen über die drei Fra-
    gezeichen, die Sie in der Landschaft haben, die drei
    Möchtegernkanzlerkandidaten. Bis Sie das ausgebissen
    haben, wird noch viel politisches Blut fließen.

    Aber die SPD sucht nicht nur einen Kanzlerkandida-
    ten, sie sucht auch ein Wahlkampfthema. Die SPD weiß
    genau: Die Wirtschaftsbilanz von uns ist gut. Damit
    kann sie nicht punkten. Die Beschäftigungsbilanz von
    uns ist gut.


    (Dr. Frank-Walter Steinmeier [SPD]: Das sehen Sie ja an Ihren eigenen Umfragewerten!)


    Das Krisenmanagement beim Euro ist gut. Die Haltung
    zu Euro-Bonds und zur Vergemeinschaftung von Schul-
    den kommt bei ihrer eigenen Basis nicht an.

    Herr Gabriel versucht es bei seinen Twitter-Stünd-
    chen zu Hause am Computer während der Babypause
    mit der Bankenschelte per Interview. Aber die Haltung
    von Herrn Gabriel zu den Banken ist schon ein starkes
    Stück. Die SPD hat elf Jahre lang die Finanzminister in
    Deutschland gestellt und ist die ganze Zeit, elf Jahre
    lang, in die andere Richtung marschiert. Ich will Ihnen
    ersparen, im Einzelnen aufzuzählen, was Rot-Grün alles
    an Hedgefondsfreundlichkeiten und bei Derivaten einge-
    führt hat. Wenn ich mir die rege Vortragstätigkeit des
    Kollegen Steinbrück anschaue, kann ich eine Kontakt-
    scheue von ihm gegenüber Großbanken beim besten
    Willen nicht feststellen.


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


    Ich kritisiere das nicht.


    (Joachim Poß [SPD]: Da können Sie von der FDP ja mithalten!)






    Rainer Brüderle


    (A) (C)



    (D)(B)


    – Nein, ich halte keine Vorträge gegen Geld. Nein, das
    mache ich nicht.


    (Joachim Poß [SPD]: Ich habe Sie nicht gemeint! Ich habe Herrn Westerwelle gemeint!)


    Meine Weisheiten können Sie, Herr Poß, ohne Kosten
    bekommen, free of charge. Sie müssen sie nur umsetzen.
    Das wäre mein Lohn.


    (Joachim Poß [SPD]: Für Ihre Erkenntnisse zahlt keiner etwas!)


    Ein bisschen Praxisbezug täte Herrn Gabriel schon
    gut. Wenn er den hätte, würde er vielleicht zur Kenntnis
    nehmen, wer den Ordnungsrahmen für den Finanzmarkt
    grundlegend verbessert hat. Wir, die christlich-liberale
    Koalition, haben das gemacht. Wir haben ungedeckte
    Leerverkäufe verboten. Wir haben den Anlegerschutz
    verbessert. Wir haben mit der Bankenabgabe die Ak-
    teure der Finanzmarktkrise an den Kosten beteiligt und
    damit auch Vorsorge für zukünftige Risikofälle getrof-
    fen. Wir haben die Ratingagenturen unter Aufsicht ge-
    stellt. Wir haben die Vergütungssysteme der Banken re-
    guliert. Wir fesseln den Drachen, den Rot-Grün gemästet
    hat. Das ist eben der Unterschied.


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Joachim Poß [SPD]: Sie Antikapitalist! – Dr. Frank-Walter Steinmeier [SPD]: Sie sind ein richtiger Sozi!)


    Teile der Politik haben eine Diskussion um Alters-
    armut im Jahre 2030 losgetreten. Das ist sicherlich eine
    notwendige Debatte. Aber wir müssen diese Debatte se-
    riös führen, damit sie nicht zu einem Angstverstärker
    wird. Wir alle kämpfen gerade um den Erhalt unserer
    Währung, um die Geldwertstabilität. Die Menschen ha-
    ben aktuell vielfach Angst um ihr Erspartes, um ihr Aus-
    kommen in der Zukunft. Wer in einer solchen Zeit ein
    Horrorszenario veranstaltet, ist nicht von politischer
    Klugheit geprägt,


    (Joachim Poß [SPD]: Ja, sagen Sie das mal Ihren Leuten! Von wem kommt das denn?)


    zumal viele Dinge unausgegoren sind. Private Vorsorge
    wird neben der betrieblichen und gesetzlichen Altersab-
    sicherung eine starke Säule sein müssen. Auch deshalb
    müssen wir die kleinen und mittleren Einkommen, Herr
    Poß, von der kalten Progression entlasten.

    Herr Gabriel sagt mit Blick auf die Rente: Mehr be-
    triebliche Altersvorsorge! Wenn Sie es aber nicht zulas-
    sen, dass die Menschen von ihren Lohnerhöhungen ei-
    nen fairen Anteil behalten: Wie sollen sie dann für das
    Alter vorsorgen? Es geht nicht an, ihnen das Geld zu
    verweigern und mehr Leistungen zu fordern. Das ist ein
    logischer Widerspruch. Damit kommen Sie nicht durch.


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


    Jetzt lese ich: Herr Gabriel will in die andere Richtung;
    jetzt will er die Riester-Rente abschaffen, die ja von der
    SPD eingeführt wurde. Wenn ich es richtig sehe, ist
    Riester immer noch Mitglied der SPD. Das ist die
    nächste Rückwärtsrolle. Herr Steinmeier schweigt dazu –
    was ihn auszeichnet.


    (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)


    Aber, meine Damen und Herren, bevor wir in eine
    solche Debatte einsteigen, sollten wir eine saubere Ge-
    nerationenbilanz aufstellen. Es gibt viele ausgereifte
    wissenschaftliche Ansätze, nach denen man jeder Gene-
    ration ein Konto der fiskalischen Be- und Entlastung zu-
    ordnen kann. Ohne seriöse Zahlengrundlage stochern
    wir im rentenpolitischen Nebel; das hat die Debatte der
    letzten Tage gezeigt. Hermann Gröhe hat für die CDU
    am Montag erklärt – ich teile das –: „Gründlichkeit geht
    vor Schnelligkeit.“ Dem ist nichts hinzuzufügen. Genau
    so muss man an dieses Thema herangehen.


    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Meine Damen und Herren, Geldwertstabilität ist stille
    Sozialpolitik. Stabiles Geld schützt gerade die, die wenig
    haben, vor Eingriffen in die Substanz, die sie sich erar-
    beitet haben, indem sie auf ihrem Sparbuch ein bisschen
    für das Alter angespart und damit Vorsorge getroffen ha-
    ben. Deshalb ist Inflation für mich eine der größten so-
    zialen Schweinereien. Wir müssen alles Erdenkliche tun,
    um genau diese Entwicklung zu vermeiden.


    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Vergessen wir nicht: Am Anfang und am Ende der
    unseligsten Zeit deutscher Geschichte stand eine galop-
    pierende Inflation – und zweimal eine Währungsreform.
    Deshalb ist unsere Verpflichtung als Mitverantwortliche
    für die europäische Zukunft, eine hohe Sensibilität für
    Geldwertstabilität aufzubringen. Wer Spekulation be-
    kämpfen will, muss für Geldwertstabilität sein. Denn nur
    dann ist die Nebelwand nicht da, die es Spekulanten er-
    laubt, ehrbaren Bürgern über Spekulationen Geld weg-
    zunehmen. Deshalb: Stabiles Geld ist die Grundlage, die
    Magna Charta der sozialen Marktwirtschaft. Wir steuern
    auch die Wirtschaft falsch, wenn die Preise nicht mehr
    die Knappheitsrelation widerspiegeln; denn die Preis-
    signale – und nicht der Staat – steuern in der sozialen
    Marktwirtschaft die Volkswirtschaft. Wir brauchen aus
    Gründen der Effizienz einer Volkswirtschaft, auch der
    sozialen Gerechtigkeit, stabiles Geld. Dafür müssen wir
    engagiert eintreten.

    Ich betone für meine Fraktion: Eine dauerhafte Staats-
    finanzierung durch die Notenpresse ist grundfalsch; das
    darf so nicht sein.


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


    Folglich haben wir auch eine unabhängige Europäi-
    sche Zentralbank. Das war die Prämisse, und das haben
    alle Parteien den Deutschen versprochen. Die neue Wäh-
    rung, der Euro, sollte so stabil sein, wie die D-Mark es
    war, und die EZB sollte so unabhängig sein, wie die
    Bundesbank es war und ist. Daran müssen wir uns hal-
    ten, auch wenn uns Entscheidungen einmal nicht passen;
    denn sonst gäbe es keine Unabhängigkeit.

    Das, Herr Schneider, ist ja der Witz: Wenn es Ihnen
    passt, ist Unabhängigkeit gut. Aber wenn es Ihrer sozia-
    listischen Vorstellung widerspricht, dann ist sie schlecht.





    Rainer Brüderle


    (A) (C)



    (D)(B)


    So kann man mit Unabhängigkeit nicht umgehen. Ent-
    weder man steht zur Unabhängigkeit, oder man meint es
    nicht redlich damit. Wir sind mit der Autonomie der No-
    tenbank – das ist unsere deutsche Erfahrung – gut gefah-
    ren. Deshalb sollten wir dabei bleiben. Alles andere
    führte in die Inflationsunion. Wir teilen die Bedenken
    des Bundesbankpräsidenten voll und ganz.


    (Joachim Poß [SPD]: Der ist doch isoliert!)


    Ich sage denen, die auf das Kursfeuerwerk dieser
    Tage hinweisen: Finanzmärkte haben die Perspektive
    von Stunden. Eine stabile Währung hat die Perspektive
    von Jahren und Jahrzehnten. Darüber sollten wir uns klar
    sein.


    (Dr. Frank-Walter Steinmeier [SPD]: Wem sagen Sie das jetzt? – Joachim Poß [SPD]: Wem sagen Sie das? – Weitere Zurufe)


    – Ihnen natürlich! Sie erzählen nämlich Unsinn, Herr
    Schneider, jeden Tag.


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


    Dass Sie sich da von Ihrer Partei absentieren, spricht na-
    türlich für partielle Erkenntnisgewinne, aber noch nicht
    für klare Linie.

    Ich finde es geradezu erstaunlich, was wir erleben:
    Die europäische Linke verbündet sich mit Wall Street.
    Die beiden Extrempositionen finden zusammen. Die
    wollen alles mit Geld fluten. Das war doch genau der
    Fehler der Amerikaner, der Fehler von Greenspan. Die
    lockere Geldpolitik, das permanente Gelddrucken in den
    USA ist eine der Ursachen mangelnder Wettbewerbsfä-
    higkeit und falscher Strukturen.


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


    So kann man Strukturprobleme nicht lösen. So kann man
    nur kurzfristig etwas abfedern. Alles mit Geld zuzu-
    schütten, wie die Linken es wollen, wie Wall Street es
    will, ist keine Lösung.


    (Dr. Frank-Walter Steinmeier [SPD]: Aber so können Sie die Kanzlerin doch nicht kritisieren!)


    Da müssen wir Maß und Mitte und Vernunft walten las-
    sen und dürfen nicht die EZB zur Fed werden lassen.
    Das hat Amerika in die Krise hineingeführt. Deshalb ha-
    ben wir einen klaren Kurs und eine klare Meinung. Herr
    Steinmeier, sagen Sie ehrlich, dass ich recht habe, auch
    wenn es der SPD schadet. Sie kommen dann aber weni-
    ger lang ins Fegefeuer; das ist auch ein Stück Fortschritt.


    (Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


    Was Greenspan gemacht hat, der sogenannte
    Greenspan-Put, den viele für legendär halten, war doch
    die Hauptursache, die zur Misere geführt hat.


    (Joachim Poß [SPD]: Das bestreitet ja hier keiner!)


    Im Boom wurden die Zinsen nicht erhöht; in der Baisse
    wurden sie gegen null geführt. Falsche Zinsen führen zu
    falschen Entscheidungen.


    (Dr. Frank-Walter Steinmeier [SPD]: Ja!)


    Der Zins ist der Preis für Kapital. Wenn man den über
    längere Zeit künstlich anders gestaltet, verzerrt man eine
    Volkswirtschaft. Das ist das Problem der Amerikaner.
    Von daher tun sie sich so schwer, wieder hochzukom-
    men.


    (Dr. Frank-Walter Steinmeier [SPD]: Da haben Sie schnell gelernt!)


    Deshalb halten wir bei uns sorgfältige Beobachtung
    für notwendig. Die Güterpreise sind zwar stabil, aber bei
    den Vermögenspreisen müssen wir genau hinschauen.
    Partiell gibt es im Immobiliensektor nach meiner Be-
    obachtung schon Vorformen einer Blasenbildung. Wenn
    der DAX so schnell hochschießt, ist das auch eine nicht
    ganz gesunde Entwicklung. Deshalb: stabilitätsorien-
    tierte Geldpolitik!

    Für die Grünen sind die Schicksalsfragen offenbar gar
    nicht so interessant. Schauen wir uns einmal an, was Sie
    von den Grünen bei Ihrer Klausur veranstaltet haben
    – das ist angesichts des Ernsts der Lage in Europa wirk-
    lich erstaunlich –: Abwrackprämien für Fahrräder! Frau
    Künast hat das dann wieder einkassiert. Dafür machen
    Sie Abwrackprämien für Kühlschränke – wahrlich ein
    großer Impuls für die europäische Zukunftsentwicklung!


    (Claudia Bögel [FDP]: Völlig unseriös!)


    Dass eine Partei, die einmal gegen die Wegwerfkultur
    angetreten ist, solche Anregungen gibt, ist sehr erstaun-
    lich.

    Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, ha-
    ben Sie doch den Mut, bei der nächsten Klausur ihre
    Dienstwagen vorne zu parken, nicht versteckt hinter dem
    Haus!


    (Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Claudia Bögel [FDP]: Wie peinlich!)


    Ich kann Ihnen versichern: Deutsche Autos sind gute
    Wertarbeit. Die kann man mit Stolz zeigen. Die sind
    auch ökologisch gut weiterentwickelt.


    (Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


    Sie brauchen nicht vor lauter Angst um Ihr Ökoimage
    Ihre Autos zu verstecken und vorne für das Pressefoto
    liebevoll irgendein Ökomodell, wahrscheinlich mit Son-
    nensegel, zu präsentieren. Das ist unaufrichtig und ent-
    spricht auch nicht der Sachlage.


    (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)


    Aber diese Zweischneidigkeiten kennt man bei Ihnen;
    das hat schon fast Tradition. Herr Kretschmann fliegt per
    Hubschrauber, lässt seinen Dienstwagen 600 Kilometer
    nachkommen. Jetzt verstehe ich Ihre Forderung nach
    neuen Mobilitätskonzepten.





    Rainer Brüderle


    (A) (C)



    (D)(B)



    (Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


    Grün ist – jetzt habe ich es wirklich verstanden –, wenn
    ich für eine Strecke zwei Fortbewegungsmittel brauche.
    Das ist grüne Politik!


    (Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


    Aber das ist scheinheilig. Deshalb muss das ausgespro-
    chen werden.


    (Lachen bei Abgeordneten der SPD)


    Das, was Sie propagieren und hier erzählen, und das,
    was Sie draußen machen, sind zwei Paar Stiefel. Die
    Menschen müssen endlich einmal die Wahrheit erfahren.
    Das ist Bio mit Schickeria – komische Mischung, aber
    nicht die Lösung der Probleme!


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


    Zu Ihren energiepolitischen Vorstellungen. Für viele
    Menschen im Lande ist der Energiepreis auch ein Brot-
    preis. Dieser Preis steigt durch die EEG-Umlage wahn-
    sinnig. Wir haben Subventionszusagen von über 100 Mil-
    liarden Euro. Laut Hochrechnungen mancher Experten
    werden das bis 2030 über 300 Milliarden Euro sein. Das
    sind Beträge, die höher sind als das, was wir in 60 Jahren
    für die Kohleförderung in Deutschland ausgegeben ha-
    ben. Die Solarlobbyisten bei den Grünen haben hier
    ganze Arbeit geleistet.


    (Beifall bei Abgeordneten der FDP)


    Meine Damen und Herren, Energie muss bezahlbar blei-
    ben: für Familien, für den Mittelstand, für die Industrie.

    Einer der weniger intelligenten Zwischenrufe des
    Kollegen Trittin bei der Energiedebatte war neulich:
    „Morgenthau-Plan!“ Wollen Sie denn den Morgenthau-
    Plan für die deutsche Industrie? Wollen Sie diejenigen
    plattmachen, die unseren Wohlstand ermöglichen, die
    uns aus der Krise herausgezogen haben? Die SPD setzt
    ganz andere Akzente. Da ist offenbar der Groschen ge-
    fallen. Die Grünen setzen auf eine Energie- und Indus-
    triepolitik der sozialen Kälte. Das ist die Realität.


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Sie diskutieren jetzt einen Sozialtarif, weil sie merken,
    was sie den Menschen mit ihrer falschen Politik zumu-
    ten. Deshalb ist es richtig, dass man das ändern muss.
    Ich setze auf unser Duo Rösler und Altmaier, dass es ge-
    nau das ändert.


    (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU – Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Die Energiewende gibt es nicht zum Nulltarif, aber
    Energie darf auch nicht zum Luxusgut werden. Man
    kann sie auch nicht nur auf Erneuerbare reduzieren. Da
    Erneuerbare weitgehend nicht grundlastfähig sind, brau-
    chen wir auch zukünftig Gas- und Kohlekraftwerke. Wir
    brauchen Tausende Kilometer an neuen Leitungen. Off-
    shoreanbindung und Bundesnetzplan sind Ansätze der

    Bundesregierung, die richtig sind. Aber Ihre grün mitre-
    gierten Bundesländer sitzen im Bremserhäuschen. Bei
    der erneuerbaren Energie die Hand aufhalten und sich
    beim Netzausbau einen schlanken Fuß machen, das wer-
    den wir Ihnen nicht durchgehen lassen. Wir werden Sie
    überall stellen.


    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Eine Deindustrialisierung als Opfergabe für die Energie-
    wende wäre genau der falsche Weg.


    (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer deindustrialisiert hier eigentlich?)


    – Frau Roth, Sie wissen das schon. So doof können Sie
    doch gar nicht sein, dass Sie hier etwas Falsches sagen.


    (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Frau Präsidentin! – Haben Sie heute schon einen getrunken, Herr Brüderle?)


    Sie sind doch eine intelligente Frau. Sie sagen das wider
    besseres Wissen.

    Das Bundesverfassungsgericht hat die Politik der
    Bundesregierung sehr beeindruckend bestätigt. Ich finde
    das gut. Es hat eine klare Haftungsbegrenzung hinsicht-
    lich der Parlamentsbeteiligung gesetzt und mehr Trans-
    parenz beim ESM gefordert. Das ist für mich auch eine
    indirekte Absage für Euro-Bonds und einen Altschul-
    dentilgungsfonds. Wer so etwas diskutiert, bewegt sich
    verfassungsrechtlich auf sehr dünnem Eis, ökonomisch
    völlig auf dem Holzweg, weil ein Einheitszins völlig
    falsch ist. Wenn man gute und schlechte Risiken mit
    dem gleichen Zins und Preis bedenkt, dann macht man
    etwas fundamental falsch. Zinsen sind Fieberthermome-
    ter, und wer diese ignoriert, steuert unsere Volkswirt-
    schaft völlig falsch.


    (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das machen Sie schon lange!)


    Insofern hat das Gericht den erfolgreichen Kurs der Bun-
    desregierung bestätigt.

    Herr Trittin als Freund der Hochfinanz wird wahr-
    scheinlich wieder die Banklizenz des ESM hochziehen,
    wie in Amerika demonstriert. Das Anwerfen der Noten-
    presse ist wirtschaftspolitisches Morphium. Lassen Sie
    also die Finger davon! Das vernichtet Vermögen. Das
    steuert falsch und ist der falsche Weg. Einen Dank an
    das Verfassungsgericht, das uns davor bewahrt, den An-
    sätzen eines inflationspolitischen Himmelfahrtskom-
    mandos von der linken Ecke her in Deutschland Raum
    zu geben. Nein, wir bleiben auf klarem Kurs. Dieser ist
    erfolgreich. Diesen setzen wir genau so fort.

    Vielen Dank.


    (Anhaltender Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)




Rede von Petra Pau
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DIE LINKE.)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)

Die Kollegin Renate Künast hat für die Fraktion

Bündnis 90/Die Grünen das Wort.






(A) (C)



(D)(B)



  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Renate Künast


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Um es

    nach dieser Karnevalsrede einmal auf den Punkt zu brin-
    gen:


    (Widerspruch bei Abgeordneten der FDP – Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Nein, nein! Ganz schlechter Einstieg! Fangen Sie noch mal von vorne an!)


    Dies ist der letzte Haushalt, den Schwarz-Gelb in den
    Deutschen Bundestag einbringt, weil das letzte Jahr ei-
    ner schwarz-gelben Regierung bevorsteht.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Der Klamauk von Ihnen, Herr Brüderle, war der Beweis
    dafür, dass eine neue Regierung dringend nottut.

    Es hat Regierungen gegeben in diesem Land, es hat
    Kanzler gegeben in diesem Land, die haben das Land an
    manchen Stellen wirklich vorangebracht. Denke ich an
    Willy Brandt: die Ostverträge, die Öffnung in der Ge-
    sellschaftspolitik, das hat Mut erfordert. Denke ich – das
    wird Sie vielleicht verwundern – an Helmut Kohl: Er hat
    in der Europapolitik so manchen mutigen Schritt getan,
    weitsichtige Entscheidungen getroffen. Denke ich an die
    Regierung Schröder/Fischer, so weiß ich: Da waren der
    Ausstieg aus der Atomenergie, die ökologische Steuer-
    reform, die Realisierung, dass sich die Wirklichkeiten in
    Deutschland aufgrund des demografischen Wandels ver-
    ändern, statt sich in falschen Sicherheiten zu wiegen.

    Nach dem, was Frau Merkel heute zum Besten gege-
    ben hat, muss ich feststellen: Sie, Frau Merkel, haben
    sich hier hingestellt und von einem großen Tag für
    Europa, von einer großen europäischen Botschaft ge-
    sprochen; aber das war ja nur von den Aktivitäten ande-
    rer abgeleitet.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Sie haben sich hier hingestellt und gesagt, Ihr Credo sei
    ein Dreiklang aus soliden Finanzen, Solidarität mit den
    Schwachen und Wettbewerbsfähigkeit der deutschen
    Wirtschaft. Ich muss wirklich sagen – mit Verlaub, Frau
    Merkel –: Das war unwahr. Nichts, was sich positiv ent-
    wickelt hat, beruht auf dem Handeln von Schwarz-Gelb.
    Die drei Ihrem Credo zugrunde liegenden Dinge stellen
    nicht die Leitlinie Ihrer schwarz-gelben Regierung dar.
    Im Gegenteil: Mit Ihnen geht die Schere weiter auf, mit
    Ihnen wird nicht an soliden Finanzen gearbeitet.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Kein Projekt, keine Reform, keine Wegmarke, nichts,
    sondern Stillstand und Zank, den Sie in der Sommer-
    pause gerade einmal ein wenig zurückgehalten haben.
    Ich muss Ihnen ehrlich sagen: In diesem Land haben
    viele langsam die Nase voll von dieser Inszenierung von
    Politik,


    (Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Die Sie hier darbieten! Richtig!)


    inszeniert je nach Meinungsumfrage, je danach, wo an-
    geblich der Mitte der Schuh drückt. Dann zeigen Sie sich

    ein wenig: Jede Ministerin, jeder Minister darf einmal so
    herum und einmal so herum blinken, aber danach pas-
    siert nichts. Das ständige Nein in Europa führt dazu, dass
    die EZB jetzt diese Anleihen kauft, was Sie angeblich
    nicht wollten. Beim Mindestlohn gab es eine lange In-
    szenierung. Und, gibt es einen Mindestlohn? Gibt es
    nicht. Bei der Frauenquote gab es eine lange Aufführung
    von zwei Frauen. Passiert ist auch noch nichts. Höchs-
    tens die Flexi-Quote kommt.


    (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die ist ja auch nichts!)


    Ich habe schon langsam ein Von-der-Leyen-Syndrom;
    das macht sich immer dann bemerkbar, wenn sie auf-
    taucht. Die letzte Inszenierung ist die Zuschussrente. Da
    wird wahrscheinlich wieder nichts für die armen Rentner
    passieren, meine Damen und Herren. Das ist Ihre Me-
    thode. Vergleiche ich Sie mit anderen großen Kanzlern,
    kann ich nur sagen: So werden Sie nicht in die Ge-
    schichte eingehen, Frau Merkel.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Otto Fricke [FDP]: Gut, dass Sie nicht darüber entscheiden!)


    Die Frage, die ich Ihnen stelle, ist: Was tun Sie ei-
    gentlich sozial, ökologisch und finanziell für dieses
    Land? Wo sorgen Sie eigentlich dafür, dass in Deutsch-
    land mehr Teilhabe möglich ist, dass Menschen Aufstieg
    erfahren können? Wo tun Sie etwas dafür, dass sich alle,
    die hier leben, einmischen können, Bürgerinnen und
    Bürger des Landes sind? Wo tun Sie etwas dafür, dass
    die zentralen Zukunftsfragen dieses Landes geregelt
    werden? An keiner Stelle. Ich sage Ihnen: Dieses Land
    braucht eine andere Politik. Eine andere Politik ist mög-
    lich, und die wird auch kommen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Beginnen wir doch einmal mit der Frage nach der Zu-
    kunft Europas. Da muss ich mich jetzt einen Augenblick
    von Frau Merkel abwenden


    (Zurufe von der FDP: Oh!)


    und zu Gregor Gysi schauen. Das war eine Lachnum-
    mer, lieber Gregor Gysi. Indem Sie immer nur Nein sa-
    gen und zusammen mit dem Europagegner Gauweiler
    immer wieder nach Karlsruhe ziehen, haben Sie keinen
    Anteil daran, dass, wie auch heute wieder geschehen, die
    Beteiligung des Bundestages gesichert wurde.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie des Abg. Volker Kauder [CDU/CSU])


    Das ist das Bedauerliche beim ewigen Neinsagen. Wir
    dagegen haben uns wirklich Gedanken um Europa ge-
    macht und dafür gesorgt, dass in die Vorlagen zum ESM
    eine ordentliche Parlamentsbeteiligung aufgenommen
    wurde.


    (Dr. Frank-Walter Steinmeier [SPD]: So ist es! Genau so!)






    Renate Künast


    (A) (C)



    (D)(B)


    Das haben wir – ich gebe es zu – auch mit Klagen in
    Karlsruhe erkämpft,


    (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber wir haben unsere Klagen gewonnen!)


    aber auch in beinharten Verhandlungen hier. Deshalb
    hast du heute zusammen mit Gauweiler verloren. Frau
    Merkel hat auch keinen Grund, zu sagen, von ihrer Re-
    gierung gehe ein europäisches Signal aus.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Frau Merkel, ich würde mir wünschen, Sie hätten
    mehr Mut. Helmut Kohl hatte ihn. Er hat 1997 einmal
    gesagt:

    … wer Frieden, Freiheit, Sicherheit und Wohlstand
    für alle Bürger unseres Kontinents auf Dauer si-
    chern will, der wird für das geeinte Europa eintre-
    ten.

    Ich verstehe Ihre Notlage durchaus. Wenn Sie einen
    Schritt nach vorne machen, kommen all die Kleingeister
    aus Ihrer Fraktion. Die einen fordern den sofortigen
    Austritt Griechenlands und die anderen fordern die Ab-
    spaltung; aber nicht die Abspaltung Griechenlands, son-
    dern die Abspaltung Bayerns, auch das hat es bei Ihnen
    gegeben. Um es einmal so zu formulieren: Für Söder
    und Dobrindt ist ja keine Forderung zu blöd. Außerdem
    wäre da noch der Bundeswirtschaftsminister, der uns da-
    mit beglückt, indem er immer wieder stolz sagt, um uns
    seine Tapferkeit zu beweisen, dass ein Euro-Austritt
    Griechenlands kein Problem mehr sei.


    (Otto Fricke [FDP]: Das hat er nicht gesagt!)


    – Das hat er immer wieder gesagt, man sei irgendwie da-
    rauf vorbereitet.


    (Otto Fricke [FDP]: Nein! Falsches Zitat!)


    Ich sage Ihnen einmal, was kein Problem wäre: Es
    wäre kein Problem, wenn Philipp Rösler nicht mehr
    Bundeswirtschaftsminister wäre, weil es gar nicht auffal-
    len würde.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Wie kann man in einer Situation, in der alle Finanz-
    märkte darauf lauern, ob wir in der Lage sind, das relativ
    kleine Griechenland zu halten, sagen, es wäre kein Pro-
    blem, wenn es die Euro-Zone verlassen würde; denn
    wenn das der Fall wäre, dann wüssten alle, dass wir Ita-
    lien, Spanien und andere nicht halten können, und dann
    gäbe es einen Dominoeffekt. Nur Philipp Rösler versteht
    das nicht.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Frank-Walter Steinmeier [SPD])


    All jenen, die fragen, wozu man ihn braucht, sage ich:
    Das Einzige, was von ihm in Erinnerung bleiben wird,
    ist die Tatsache, dass er Hermesbürgschaften für Lege-
    hennenfabriken in der Ukraine vergeben hat. Es wird

    eine aus deutschen Steuergeldern finanzierte Hermes-
    bürgschaft übernommen, damit in der Ukraine Käfige
    aufgebaut werden können, die in Deutschland längst ver-
    boten sind. Für die viertgrößte Industrienation ist das
    erstens falsch und zweitens zu wenig, Herr Brüderle.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Lassen Sie mich diejenigen, die immer gerne nach
    Karlsruhe gehen, um den nächsten europäischen Schritt
    zu verhindern, an Folgendes erinnern: Werfen Sie einen
    Blick in die Präambel des Grundgesetzes; Sie sind ja im-
    mer so verfassungstreu. Dort steht, dass wir einen Staats-
    zielauftrag haben, und der lautet so:

    … von dem Willen beseelt, als gleichberechtigtes
    Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der
    Welt zu dienen …

    – „in einem vereinten Europa“! Ich erwarte, dass wir
    eine Regierung haben, die sich endlich auf diesen Weg
    macht, statt immer nur Mauschelei zu betreiben und
    Zickzackkurse zu fahren. Das ist zu wenig.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Ihre Strategie ist gescheitert. Das verdeutlicht die Tat-
    sache, dass die EZB gerade die Notenpresse anwerfen
    musste. Herr Brüderle kann noch so lange herumtanzen,
    es ist einfach passiert. Und nun, Herr Brüderle? Jetzt
    stellt er sich hierher, bläst sich auf und sagt: Aber nicht
    dauerhaft! Dabei werden Sie auch in diesem Punkt um-
    fallen, wir wissen nur noch nicht, ob nächste Woche oder
    in ein, zwei Monaten.


    (Dr. Frank-Walter Steinmeier [SPD]: Ja!)


    Wir brauchen eine Regierung, die sich wirklich zu
    diesem vereinten Europa bekennt. Hierzu müssen wei-
    tere Schritte getan werden. Gerade die EZB weist uns
    darauf hin, dass der nächste Schritt Altschuldentilgungs-
    fonds heißt; denn sowohl die Summe als auch die einzel-
    nen Schritte sind überschaubar. Wo bleiben Ihre Aktivi-
    täten?


    (Otto Fricke [FDP]: Die Summe ist überschaubar? Wie hoch ist die denn?)


    – Sie kennen das Modell, Herr Fricke.


    (Otto Fricke [FDP]: Wie viel?)


    Die Summe ist berechenbar. Wenn Sie die Schulden der
    Länder, die über dem Maastricht-Kriterien von 60 Pro-
    zent des Bruttoinlandsprodukts liegen, zusammenrech-
    nen, wissen Sie, um was es geht.


    (Otto Fricke [FDP]: 2 000 Milliarden Euro! – Zuruf von der SPD: „Keinen Cent für Griechenland“!)


    In Bezug auf die EZB: Was wissen Sie denn da im Au-
    genblick, wo Sie schon immer dazwischenrufen?


    (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Fricke weiß sowieso nichts!)


    Es war ein guter Kurs. Der Sachverständigenrat hat doch
    Ihrer schwarz-gelben Bundesregierung in einer Antwort





    Renate Künast


    (A) (C)



    (D)(B)


    genau das vorgeschlagen. Die Idee kann also gar nicht so
    falsch sein.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Otto Fricke [FDP]: Mit der aktuellen Verfassung?)


    Sie werden das alles nicht schon morgen Nachmittag
    hinkriegen, aber ich appelliere an Sie: Machen Sie sich
    auf den Weg und setzen Sie ein Signal! Natürlich wird es
    ein oder zwei Jahre dauern, bis Sie ihn implementiert ha-
    ben, aber das politische Signal brauchen wir schon jetzt.
    Ich möchte jetzt Aktivitäten sehen. Wo bleibt das euro-
    päische Investitionsprogramm, das wir hier beschlossen
    haben? Welche Schritte sind geplant? Ich möchte hören,
    dass wir uns an dieser Stelle zur Weiterentwicklung Eu-
    ropas bekennen, und zwar im Rahmen eines Europäi-
    schen Konvents, an dem wir die Zivilgesellschaft und
    die Sozialpartner beteiligen sollten, um wirklich eine
    Weiterentwicklungsperspektive für Europa zu haben.
    Dann wäre es ein richtiger Schritt, die gesamte europäi-
    sche Bevölkerung in einem Referendum zu befragen.
    Wir brauchen einen Europäischen Konvent für die Wei-
    terentwicklung, bei dem man Ja sagen kann, wenn man
    möchte; man sollte es nicht den Stammtischen in Bayern
    überlassen, ein Referendum zu fordern, bei dem man nur
    Nein zu Europa sagen kann.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Welche Frage hatte ich eben gestellt? Ich fragte: Was
    tun Sie für die soziale, ökologische und finanzielle Wei-
    terentwicklung unseres Landes? Das fragen sich die
    Menschen. Wenn ich mir nun vor diesem Hintergrund
    als Zweites den Haushaltsentwurf betrachte, den wir
    heute beraten, dann frage ich mich: Wo sind denn Ihre
    Sparanstrengungen?

    Frau Merkel, Sie haben vorhin süffisant gesagt, einige
    würden Soll und Ist verwechseln. Nein, wir verwechseln
    nicht Soll und Ist, sondern wir sehen zurzeit aufgrund
    der guten Konjunkturlage und aufgrund der Einnahmen,
    die wir haben – allein 50 Milliarden Euro Gewinn durch
    den Wechselkurs –, insgesamt eine positive Entwicklung
    in Deutschland, wenn auch Auftragsrückgänge bei-
    spielsweise im Maschinenbau zu sehen sind. In dieser
    Zeit – das sagt selbst Herr Hundt vom BDA – muss man
    Vorsorge treffen. Was tun Sie aber? Sie haben nicht den
    Mut, Entscheidungen für strukturelle Veränderungen zu
    treffen, und bleiben damit sozusagen noch 3 Milliarden
    Euro unter den Möglichkeiten.


    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Sie haben einen Wahlkampfhaushalt vorgelegt; er ist
    reine Augenwischerei. Ab 2014 muss dann richtig ge-
    spart werden. Ich schließe daraus, dass Sie davon ausge-
    hen, dass Sie 2014 nicht mehr an der Regierung sind.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    An welcher Stelle mühen Sie sich, die Verschuldung
    ernsthaft anzugehen und die Lasten gerecht zu verteilen?
    10 Prozent der Menschen besitzen zwei Drittel allen

    Vermögens. Wo beziehen Sie zur Finanzierung des Ge-
    meinwesens die Vermögenden mit ein? Was ist mit einer
    Vermögensabgabe oder – das fordern wir – mit einem
    Spitzensteuersatz von 49 Prozent? Sie trauen sich nicht.

    Sie trauen sich auch nicht – da finde ich nirgendwo
    etwas –, Prioritäten zu setzen. Sie gehen nicht an die
    Subventionen heran, die ökologisch und ökonomisch un-
    sinnig sind. Das gilt auch für Steuererleichterungen. Ich
    nenne Besteuerung von Dienstwagen, Ökosteuer,
    Mövenpick-Steuer, das Lieblingskind der FDP. An die-
    ser Stelle gibt es nichts. Es gibt keine Umstrukturierung
    des Ehegattensplittings, um dieses Geld in Kinder zu
    investieren. Nichts. Kein Mut zur gesellschaftlichen
    Modernisierung, obwohl die CDU doch immer die mo-
    derne Großstadtpartei sein wollte. Nein, Sie hängen an
    einem Gesellschaftsbild der 50er-Jahre. Ein Kita-Sofort-
    programm wäre die Antwort, stattdessen führen Sie das
    Betreuungsgeld ein. Ich frage mich, wo an dieser Stelle
    von der Leyen ist, die gegen Altersarmut kämpfen will.
    In den Jahren des Bezugs von Betreuungsgeld kämpft
    keine Frau gegen ihre Altersarmut; denn in dieser Zeit
    hat sie keinen sozialversicherungspflichtigen Job.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Frau Merkel, Sie sagen, Sie wollten Kinder quasi in
    den Mittelpunkt stellen. Ich sage Ihnen: Ich stelle mir
    unter gleicher Teilhabe und gleichen Entwicklungsmög-
    lichkeiten für Kinder etwas anderes vor. Ich halte das für
    eine der zentralen Gerechtigkeitsfragen des 21. Jahrhun-
    derts, ob Teilhabe und Aufstieg möglich sind. Aber nur
    für jeden Fünften in diesem Land ist das die Realität.
    Sie, Frau Merkel, sagen: Wir müssen die duale Ausbil-
    dung bei der OECD inhaltlich vertreten, damit diese an-
    gemessen bewertet wird. Bitte, tun Sie es! Aber das än-
    dert nichts daran, dass sich gerade Kinder aus den
    ärmeren und bildungsferneren Schichten trotz Abitur
    nicht trauen, das finanzielle Wagnis eines Studiums ein-
    zugehen. Das ist die Wirklichkeit.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Wo, wenn nicht bei der Bildung für jedes Kind und
    bei der Weiterbildung jedes Erwachsenen liegt hier eine
    gesamtgesellschaftliche Aufgabe? Ich habe dazu ent-
    sprechende Sätze von Ihnen vermisst. Weg mit dem
    Kooperationsverbot, wäre der richtige Satz gewesen, da-
    mit wir diese Lasten in unserer Gesellschaft gemeinsam
    schultern können.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Ich nenne das Bürokratiemonster Bildungs- und
    Teilhabepaket, das das Ergebnis eines Von-der-Leyen-
    Spielchens war. Erinnern Sie sich? Mit großer Geste
    wurde gesagt: Jedes Kind in diesem Land wird eine
    Chipkarte haben. – Was haben wir nun? Ein Bildungs-
    und Teilhabepaket, bei dem die Gelder in den Kommu-
    nen nicht einmal abfließen können, weil die Kriterien
    unsozial sind.

    Ich habe eine Frau getroffen – Migrationshintergrund,
    Hartz-IV-Bezug –, die mir vor einigen Monaten erzählt





    Renate Künast


    (A) (C)



    (D)(B)


    hat, wie glücklich sie ist, dass ihre Tochter sich entgegen
    der Empfehlung der Schule den Gang zum Gymnasium
    erkämpft hat. Sie sagte, dass ihre Tochter in der Schule
    richtig gut ist, dass sie aber – und da traten Tränen in die
    Augen der Frau – Mathe nicht versteht. Ich fragte diese
    Frau: Was ist mit Nachhilfe? Sie antwortete mir: Frau
    Künast, Nachhilfe kann ich nicht bezahlen. Das Bil-
    dungspaket von Frau von der Leyen kommt für die
    Kosten der Nachhilfe nicht auf, weil meine Tochter gute
    Schulleistungen erbracht hat, mit denen sie sich den Ein-
    tritt zum Gymnasium erkämpft hat. Erst wenn sie verset-
    zungsgefährdet ist, könnte das Paket von Frau von der
    Leyen in Anspruch genommen werden.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Meine Damen und Herren, das ist ein überflüssiger
    Kropf. Das Kooperationsverbot muss fallen.

    Wo wir gerade bei den sozialen Themen sind, will ich
    einmal auf die Rente eingehen. Mir hat ein Zitat von
    Norbert Blüm gefallen. Dieses Zitat steht ziemlich dia-
    metral entgegengesetzt zu dem, was Frau Merkel hier
    gesagt hat, als sie meinte, der Mindestlohn habe mit
    Altersarmut eigentlich gar nichts zu tun. Das CDU-
    Mitglied Norbert Blüm hat heute gesagt: „Aus Hunger-
    löhnen entstehen Hungerrenten.“ Dieser Satz stimmt.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])


    Mich ärgern die fragwürdigen Zahlen der Renten-
    ministerin und mich ärgert, dass sie die gesetzliche Ren-
    tenversicherung am Ende noch schlechtredet. Ich sage
    Ihnen, was wir wollen: Wir wollen die gesetzliche
    Rentenversicherung stärken, und zwar auch durch eine
    Garantierente. Jemand, der mindestens 30 Jahre in die
    Rentenkasse eingezahlt hat, soll im Alter nicht unter die
    Grenze von 850 Euro pro Monat fallen. Diese Garantie-
    rente, die nötig ist, um auf 850 Euro zu kommen, müsste
    unserer Meinung nach steuerfinanziert werden; denn es
    ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, diese Rente zu
    finanzieren. Dies ist nicht nur die Aufgabe von den et-
    was über 60 Prozent, die in die Rentenkasse einzahlen.
    Vielmehr müssen auch die Besserverdienenden an dieser
    sozialen Absicherung beteiligt werden.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Norbert Barthle [CDU/CSU]: Welche neuen Steuern?)


    Wir wollen die Rentenansprüche von Frauen erhöhen.
    Eines wissen wir: Durch bessere Jobchancen, durch
    Mindestlöhne und Gehälter, die tariflich vereinbart über
    den Mindestlöhnen liegen, werden die Erwerbsarmut
    und damit faktisch die Altersarmut bekämpft.

    Was ist denn Ihre Bilanz, Frau Merkel, im letzten Jahr
    von Schwarz-Gelb? Wo ist denn Ihr gesellschaftlicher
    Aufbruch, wo bleibt die Anerkennung gesellschaftlicher
    Realitäten? Sie agieren doch vollkommen an den
    Bedürfnissen heutiger Familien vorbei. Beginnen wir
    einmal mit den gleichgeschlechtlichen Familien. Ich be-
    zeichne sie als Familien, weil es zwei Erwachsene sind,

    die Verantwortung füreinander und für Kinder überneh-
    men.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Bis heute kann ich nicht verstehen, wie es Ihr christli-
    ches Weltbild zulässt, dass Sie die Ehe für homosexuelle
    Partnerschaften nicht öffnen wollen; Sie verweigern ih-
    nen überdies das volle Adoptionsrecht. Seien wir doch
    froh über diese Verantwortungsübernahme.

    Aber das ist noch nicht alles. Wo bleibt der Aufbruch
    für den Ausbau von Kitaplätzen? Sie wollen das Betreu-
    ungsgeld finanzieren, statt mehr Geld in ein Sofort-
    programm zu stecken. Ich sagen Ihnen ehrlich: Es ist ja
    schön, dass Sie nach so vielen Jahren jetzt ein paar
    100 Millionen Euro für den Ausbau der Kitaplätze aus-
    geben wollen. Aber erstens es ist zu wenig und zweitens
    frage ich mich, wie es eigentlich um die Ausbildung der
    Erzieherinnen und Erzieher bestellt ist.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Einen weiteren Gedanken möchte ich der Energie-
    wende widmen. Das wäre die Zukunft des Industrielands
    Deutschland. Mit Verlaub, selbst der BDI kritisiert Sie.
    Die Menschen haben Sorgen wegen der ungleichen Ver-
    teilung der Kosten. Wer aber, Herr Brüderle, hat denn
    diese Kosten so hochgetrieben? Unter Ihrer Regent-
    schaft, unter Schwarz-Gelb, konnte es passieren, dass
    dieses angebliche Gemeinschaftswerk Energiewende die
    Industrie und Großunternehmen mit Beträgen in Höhe
    von 9 Milliarden Euro privilegiert. 5 Milliarden Euro da-
    von müssen von den Privathaushalten und von den klei-
    nen und mittleren Unternehmen getragen werden. Der
    Kostentreiber der EEG-Umlage heißt Schwarz-Gelb.
    Das ist die Wahrheit.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Frank-Walter Steinmeier [SPD])


    Sie arbeiten faktisch an der Zerstörung des besten Ins-
    trumentes, das wir haben, nämlich des EEG. An dieser
    Stelle frage ich Sie: Wir sparen Importkosten in Höhe
    von 9 Milliarden Euro, und Sie bezeichnen das EEG als
    eine Fehlentwicklung? Und dann kommt Herr Brüderle
    noch mit dem Begriff „Quotenmodell“. Die Quote ist im
    Bereich der erneuerbaren Energien schon in Polen und in
    Großbritannien gescheitert. Das brauchen wir nicht
    nachzumachen. Wir wollen das EEG weiterentwickeln,
    aber durchaus bei selbigem bleiben.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)