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    Plenarprotokoll 17/190 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 190. Sitzung Berlin, Dienstag, den 11. September 2012 I n h a l t : Nachruf auf den Abgeordneten Jürgen Herrmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachruf auf die Vizepräsidentin a. D. Liselotte Funcke und den Vizepräsidenten a. D. Georg Leber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 1: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes über die Feststellung des Bundes- haushaltsplans für das Haushaltsjahr 2013 (Haushaltsgesetz 2013) (Drucksache 17/10200) . . . . . . . . . . . . . . . b) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Finanzplan des Bundes 2012 bis 2016 (Drucksache 17/10201) . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 2: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Haushaltsbe- gleitgesetzes 2013 (HBeglG 2013) (Drucksache 17/10588) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister  BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Joachim Poß (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Norbert Barthle (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE) . . . . . . . . Otto Fricke (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Michael Meister (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Carsten Schneider (Erfurt) (SPD) . . . . . . . . . Dr. Volker Wissing (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . Bartholomäus Kalb (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Bettina Hagedorn (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Lothar Binding (Heidelberg)  (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einzelplan 16 Bundesministerium für Umwelt, Natur- schutz und Reaktorsicherheit Peter Altmaier, Bundesminister  BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Matthias Miersch (SPD) . . . . . . . . . . . . . Stephan Thomae (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Christian Ruck (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Dr. Bärbel Kofler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Kauch (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ralph Lenkert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Ulrich Petzold (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peter Altmaier (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Bernhard Schulte-Drüggelte  (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulrich Kelber (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 22861 B 22861 D 22862 C 22862 C 22862 C 22862 D 22872 C 22874 B 22876 C 22879 B 22881 B 22883 B 22886 B 22887 D 22889 B 22890 A 22891 C 22893 B 22895 B 22897 B 22898 C 22899 D 22900 D 22902 B 22904 B 22906 A 22907 A 22908 C 22909 C 22910 A 22910 C Inhaltsverzeichnis II Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 190. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 11. September 2012 Einzelplan 30 Bundesministerium für Bildung und Forschung Dr. Annette Schavan, Bundesministerin  BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus Hagemann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Heinz-Peter Haustein (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Michael Leutert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Albert Rupprecht (Weiden) (CDU/CSU) . . . . Agnes Alpers (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Krista Sager (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dagmar Ziegler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Patrick Meinhardt (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Rosemarie Hein (DIE LINKE) . . . . . . . . . Michael Kretschmer (CDU/CSU) . . . . . . . Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) . . . . . . . Anette Hübinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) . . . . . . . . . Eckhardt Rehberg (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) . . . . . . . Einzelplan 15 Bundesministerium für Gesundheit Daniel Bahr, Bundesminister  BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ewald Schurer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Daniel Bahr, Bundesminister BMG . . . . . . . . Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Johannes Singhammer (CDU/CSU) . . . . . . . . Harald Weinberg (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Otto Fricke (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bärbel Bas (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Otto Fricke (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jens Spahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . Kathrin Senger-Schäfer (DIE LINKE) . . . . . Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Rolf Koschorrek (CDU/CSU) . . . . . . . . . Dr. Edgar Franke (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Erwin Lotter (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . Alois Karl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Christine Buchholz und Nicole Gohlke (beide DIE LINKE) zur Abstimmung über den An- trag: Rechtliche Regelung der Beschneidun- gen von Jungen (189. Sitzung, Zusatztages- ordnungspunkt 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN) zur Abstimmung über den Antrag: Rechtliche Regelung der Beschneidungen von Jungen (189. Sitzung, Zusatztagesordnungs- punkt 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Arfst Wagner (Schleswig) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über den Antrag: Rechtliche Regelung der Beschnei- dungen von Jungen (189. Sitzung, Zusatzta- gesordnungspunkt 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über den Antrag: Rechtliche Regelung der Beschneidungen von Jungen (189. Sitzung, Zusatztagesordnungs- punkt 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22912 B 22914 B 22916 B 22917 A 22918 B 22920 D 22921 B 22922 B 22923 C 22924 D 22926 D 22927 B 22927 D 22928 C 22930 A 22931 C 22932 C 22933 B 22935 D 22937 B 22937 D 22938 D 22939 A 22940 C 22941 D 22943 A 22944 A 22945 B 22946 A 22948 A 22949 B 22950 A 22951 B 22952 B 22953 A 22954 D 22955 A 22955 C 22956 A 22956 B 22956 D Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 190. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 11. September 2012 22861 (A) (C) (D)(B) 190. Sitzung Berlin, Dienstag, den 11. September 2012 Beginn: 10.01 Uhr
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    Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 190. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 11. September 2012 22955 (A) (C) (D)(B) Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versamm- lung des Europarates Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Christine Buchholz und Nicole Gohlke (beide die Linke) zur Abstim- mung über den Antrag: Rechtliche Regelung der Beschneidungen von Jungen (189. Sitzung, Zusatztagesordnungspunkt 1) Während sich die Mehrheit der Fraktion Die Linke im Bundestag bei dem Antrag „Rechtliche Regelung der Beschneidung minderjähriger Jungen“ von CDU/CSU, FDP und SPD enthält, habe ich diesem zugestimmt. Der Antrag fordert die Bundesregierung auf, „im Herbst 2012 unter Berücksichtigung der grundgesetzlich geschützten Rechtsgüter des Kindeswohls, der körperli- chen Unversehrtheit, der Religionsfreiheit und des Rechts der Eltern auf Erziehung einen Gesetzentwurf vorzule- gen, der sicherstellt, dass eine medizinisch fachgerechte Beschneidung von Jungen ohne unnötige Schmerzen grundsätzlich zulässig ist.“ Der Antrag ist notwendig ge- worden, nachdem das Kölner Landgericht ein Urteil ge- troffen hat, dass von den jüdischen und muslimischen Ge- meinschaften zurecht als Angriff auf die Ausübung ihrer Religionsfreiheit gesehen wird. Vielmehr hat das Urteil eine – in Teilen rassistisch ge- führte – Debatte ausgelöst, in der scheinbar liberale Mei- nungsmacher die angeblich herzlosen muslimischen und jüdischen Eltern an den Pranger stellen. Eine medizinisch sachgerecht durchgeführte Be- schneidung bei Jungen gleichzusetzen mit weiblicher Genitalverstümmelung, Klitorisentfernung, – die selbst- verständlich vehement abzulehnen ist – ist in keiner Weise gerechtfertigt. Gleichzeitig so zu tun, als würde nur die Beschneidung einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit darstel- len und nicht auch beispielsweise kosmetische Operatio- nen bei Minderjährigen, vorsorgliche Blinddarm- oder Mandelentfernungen oder beispielsweise Ohrlochste- chen, ist bigott. Die Beschneidung ist in beiden Religio-  Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Bär, Dorothee CDU/CSU 11.09.2012 Bluhm, Heidrun DIE LINKE 11.09.2012 Dağdelen, Sevim DIE LINKE 11.09.2012 Dr. Danckert, Peter SPD 11.09.2012 Daub, Helga FDP 11.09.2012 Gehrcke, Wolfgang DIE LINKE 11.09.2012 Gohlke, Nicole DIE LINKE 11.09.2012 Höferlin, Manuel FDP 11.09.2012 Hörster, Joachim CDU/CSU 11.09.2012* Hunko, Andrej DIE LINKE 11.09.2012* Kilic, Memet BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 11.09.2012 Koch, Harald DIE LINKE 11.09.2012 Kolbe (Leipzig),  Daniela SPD 11.09.2012 Kuhn, Fritz BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 11.09.2012 Lach, Günter CDU/CSU 11.09.2012 Mast, Katja SPD 11.09.2012 Möller, Kornelia DIE LINKE 11.09.2012 Mücke, Jan FDP 11.09.2012 Müller (Erlangen), Stefan CDU/CSU 11.09.2012 Schmidt (Eisleben), Silvia SPD 11.09.2012 Simmling, Werner FDP 11.09.2012 Spatz, Joachim FDP 11.09.2012 Ulrich, Alexander DIE LINKE 11.09.2012 Dr. Wadephul, Johann CDU/CSU 11.09.2012* Werner, Katrin DIE LINKE 11.09.2012 Widmann-Mauz, Annette CDU/CSU 11.09.2012 Zimmermann, Sabine DIE LINKE 11.09.2012  Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Anlagen 22956 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 190. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 11. September 2012 (A) (C) (D)(B) nen ein wesentlicher Initiationsritus für die Zugehörigkeit zum Kollektiv der Gläubigen. Ein Verbot der Beschnei- dung liefe auf ein Religionsverbot für Muslime und Juden in Deutschland hinaus. Wer glaubt, Fragen der religiösen oder kulturellen Identität über das Strafrecht zu regeln, befördert die Kri- minalisierung jüdischer und muslimischer Riten. Praktisch bedeutet das für die betroffenen Jungen nicht weniger, sondern mehr Probleme: Operationen im Ausland, Eingriffe durch Kurpfuscher und eine Stigmati- sierung, die das Zusammenleben in einer multikulturel- len Gesellschaft erschwert. Ich begrüße es, dass mit dem Antrag ein klares Signal an Juden und Muslime in Deutschland gesendet wird und klargestellt wird, dass sie und ihre Religionspraxis ein selbstverständlicher Teil unserer Gesellschaft sind. Ich spreche mich für eine Regelung im Sinne des Antra- ges aus. Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über den An- trag: Rechtliche Regelung der Beschneidungen von Jungen (189. Sitzung, Zusatztagesord- nungspunkt 1) Ich stimme dem Antrag „Rechtliche Regelung der Beschneidungen von minderjährigen Jungen“ zu. Das Landgerichtsurteil vom 7. Mai 2012 entfaltet zwar an und für sich keine Bindungswirkung, durch da- raus resultierende Verunsicherung der jüdischen und muslimischen Bevölkerung sowie die Reaktion der Bun- desärztekammer ist ein Handeln nötig geworden. Ich möchte nicht, dass religiöses Leben in diesem Land im Untergrund stattfinden muss. Ein Komplettver- bot der Beschneidung drängt die jüdischen und muslimi- schen Gemeinschaften in den Untergrund. Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Arfst Wagner (Schleswig) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstim- mung über den Antrag: Rechtliche Regelung der Beschneidungen von Jungen (189. Sitzung, Zusatztagesordnungspunkt 1) Der Grundrechtekatalog unseres Grundgesetzes ist ein guter roter Faden für das Zusammenleben in unserer heterogenen Gesellschaft. Dort werden die Grundfrei- heiten und Grundrechte und ihre Schranken definiert. Sowohl die Religionsfreiheit (Glaubensfreiheit, Nicht- glauben, Wechsel der Religionen), aber auch körperliche Unversehrtheit sind Grundrechtsgüter. Wenn sie mitei- nander kollidieren, sind sie abzuwägen und es muss ge- gebenenfalls ein guter Kompromiss gefunden werden. Sowohl die heiligen Schriften der Religionen, aber auch die religiösen Riten, Gebräuche und Traditionen beinhal- ten naturgemäß alte Elemente, die im Lichte der Vernunft und den neuen Einsichten der Wissenschaft neu zu verste- hen und zu interpretieren sind. Die Menschheit kann mit Glück und Stolz darauf zu- rückblicken, dass wir keine Menschenopfer mehr brin- gen, die Steinigung von Ehebrechern nicht mehr Teil un- serer Rechtsprechung ist, verwitwete Hindufrauen seit mehr als 100 Jahren nicht mehr mit ihren verstorbenen Ehemännern verbrannt werden und die Beschneidung von Mädchen weitgehend verpönt und strafbar ist. Bei der Gleichberechtigung von Mann und Frau und der Nichtdiskriminierung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften wurden einige Fortschritte erzielt, aber auch einige Rückschritte verzeichnet. Die Kinder sind kein Eigentum der Eltern, der Reli- gionsgemeinschaften oder des Staates. Sie sind Indivi- duen mit vollen Rechten. Das Kindeswohl zu gewährleis- ten obliegt den Eltern und dem Staat in den gesetzlichen Rahmen. Der säkulare Staat hat auch die Aufgabe, den Druck der Religionsgemeinschaften oder Weltanschauung auf einzelne Individuen abzuwenden oder dies zumindest abzumildern, damit sich das Individuum frei entfalten kann (Art. 2 Grundgesetz). Medizinisch notwendige Ein- griffe in die körperliche Unversehrtheit stehen hierbei außer Diskussion. Zur Disposition steht nur, inwieweit die blutigen Ri- tuale der Religionsgemeinschaften, die einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit – sogar bei Kleinkindern – darstellen, allein der Entscheidung der Religionsgemein- schaften bzw. Eltern zu überlassen ist. Bei der Beschneidung stellt sich diese Frage vorder- gründig. Es besteht sowohl wissenschaftliche wie politische Einigkeit darüber, dass die Zirkumzision einen irreversi- blen und nicht zu bagatellisierenden Eingriff in die Körper von Menschen darstellt. Es ist aber auch soziolo- gischer Fakt, dass sich viele Eltern in der Religions- oder Traditionspflicht sehen, diesen Vorgang bei ihrem Kind vornehmen zu lassen. Um eine selbstbestimmte Erwachsenenentscheidung – im Idealfall zu einem unblutigen Religionsbekennt- nis – zu ermöglichen, kann der Gesetzgeber einen Über- gangskompromiss vorlegen. Solch eine gesetzliche Regelung mit einer großen ge- sellschaftlichen und grundrechtlichen Reichweite darf nicht in einem Schnellverfahren erfolgen. Dafür müssen gründliche Anhörungsverfahren durchgeführt werden. Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Josef Philip Winkler (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 190. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 11. September 2012 22957 (A) (C) (D)(B) den Antrag: Rechtliche Regelung der Beschnei- dungen von Jungen (189. Sitzung, Zusatztages- ordnungspunkt 1) Ich stimme dem Antrag „Rechtliche Regelung der Beschneidungen von minderjährigen Jungen“ zu. Das Landgerichtsurteil vom 7. Mai 2012 entfaltet zwar an und für sich keine Bindungswirkung, durch die daraus resultierende Verunsicherung der jüdischen und muslimischen Bevölkerung sowie die Reaktion der Bun- desärztekammer ist ein Handeln aber nötig geworden. Ich möchte nicht, dass religiöses Leben in diesem Land im Untergrund stattfinden muss. Ein Komplettver- bot der Beschneidung drängt die jüdischen und muslimi- schen Gemeinschaften in den Untergrund. Das lehne ich ab und stimme deshalb dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP und SPD zu. 190. Sitzung Inhaltsverzeichnis TOP 1 Einbringung Haushaltsgesetz 2013Finanzplan Epl 08, Epl 20, Epl 32, Epl 60, TOP 2 Allgemeine Finanzdebatte Epl 16 Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Epl 30 Bildung und Forschung Epl 15 Gesundheit Anlagen
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    Rede von Eduard Oswald


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)


    Vielen Dank, Kollege Lothar Binding.

    Wir haben keine weiteren Redner in dieser Ausspra-
    che.

    Beim Tagesordnungspunkt 2 wird interfraktionell die
    Überweisung des Haushaltsbegleitgesetzes 2013 auf
    Drucksache 17/10588 an die in der Tagesordnung aufge-
    führten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es dazu ander-
    weitige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall. Dann ist die
    Überweisung so beschlossen.

    Wir kommen nun zu dem Geschäftsbereich des
    Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und
    Reaktorsicherheit, Einzelplan 16.

    Erster Redner in unserer Aussprache ist für die Bun-
    desregierung Herr Bundesminister Peter Altmaier. Bitte
    schön, Kollege Bundesminister Peter Altmaier.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


    Peter Altmaier, Bundesminister für Umwelt, Natur-
    schutz und Reaktorsicherheit:

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
    Herren! Der Haushalt des Bundesministeriums für Um-
    welt, Naturschutz und Reaktorsicherheit ist einer der
    kleinsten und bescheidensten überhaupt. Das wird sich
    auch im neuen Haushaltsjahr nicht grundlegend ändern.
    Das Haushaltsvolumen steigt nur sehr moderat, um ins-
    gesamt 54,7 Millionen Euro; das sind 3,4 Prozent. Der
    Löwenanteil dieser Steigerung geht zurück auf Ausga-
    ben im Bereich der Vorbereitung der Rückholung radio-
    aktiver Abfälle aus der Asse – ein Ziel, das wir uns ge-
    meinsam gesetzt haben.

    Im Übrigen glaube ich fest, dass der Erfolg und die
    Bedeutung eines Ministeriums nicht an Haushaltszahlen
    festgemacht werden können, weil wir alle uns dem Prin-
    zip der Nachhaltigkeit verpflichtet fühlen. Nachhaltig-
    keit ist im Bereich der Umweltpolitik erfunden worden.
    Nachhaltigkeit ist aber ein übergreifendes Prinzip, und
    es gilt auch für die Haushaltspolitik. Das wird deutlich,
    wenn Sie sich vor Augen führen, dass in den Ländern
    Südeuropas, in denen die Staatsschuldenkrise im Augen-
    blick am schwierigsten zu bewältigen ist, die Spielräume
    für Umweltpolitik besonders klein sind, weil nicht vor-
    handene Haushaltsspielräume in allererster Linie und zu-

    erst zulasten der Umweltpolitik gehen. Aus diesem
    Grund haben wir alle ein Interesse daran, dass die Haus-
    haltskonsolidierung und das Einhalten der Schulden-
    bremse gelingen.

    Im Gegensatz zum bescheidenen Haushalt ist die Be-
    deutung der Umwelt- und Energiepolitik in den letzten
    Monaten gewachsen. Sie wird in den nächsten Monaten
    weiter zunehmen. Das hat etwas damit zu tun, dass viele
    Menschen erkennen, dass Politik nicht alleine auf die
    Bewältigung von Banken- und Staatsschuldenkrisen re-
    duziert werden darf, sondern dass die Politik die Erhal-
    tung der natürlichen Lebensgrundlagen bei uns zu
    Hause, aber auch anderswo in der Welt im Auge zu be-
    halten hat.

    Wenn wir von natürlichen Lebensgrundlagen reden,
    dann müssen wir uns auch darüber klar werden, dass vie-
    les, was in anderen Teilen der Welt geschieht, unmittel-
    bare Auswirkungen auf uns hat. Der europäische Anteil
    an den CO2-Emissionen ist mit 17 Prozent relativ gering.
    Wir haben unsere Reduktionsziele bislang erfüllt. Wir
    werden sie auch in Zukunft erfüllen. Wir haben aber ein
    elementares Interesse daran, dass Klimaschutzpolitik
    weltweit erfolgreich ist und weltweit dazu beiträgt, dass
    auch das Klima in Europa und in Deutschland in einem
    vertretbaren Rahmen geschützt wird.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


    In diesem Zusammenhang steht ein Thema, das einen
    Großteil meiner Arbeitszeit in den letzten Wochen und
    Monaten beansprucht hat und weiter beanspruchen wird,
    die Energiewende. Die Energiewende ist das größte wirt-
    schaftspolitische Projekt seit dem Wiederaufbau Deutsch-
    lands, und es ist das größte umweltpolitische Projekt
    überhaupt. Diese Energiewende, die wir eingeleitet ha-
    ben, hat eine komplette Umgestaltung der Energieinfra-
    struktur in Deutschland zum Ziel. Sie hat einen Umbau
    der Energieversorgung zum Ziel, eben nicht nur den
    Ausstieg aus der Kernenergie bis zum Jahre 2022, son-
    dern vor allen Dingen auch den Aufbau einer Energie-
    versorgung, die im Jahre 2050 insgesamt zu 80 Prozent
    aus erneuerbaren Energien besteht.

    Ich glaube, dass das Ziel richtig ist, weil die Import-
    preise für fossile Rohstoffe steigen werden und weil eine
    Weltbevölkerung von 8 Milliarden Menschen, die wir
    alle noch erleben werden, ihren wachsenden Energiebe-
    darf nicht ausschließlich aus fossilen Energien und Roh-
    stoffen beziehen kann. Aber, meine sehr verehrten
    Damen und Herren, wenn wir das verhindern wollen,
    dann müssen wir dafür sorgen, dass die Energiewende in
    Deutschland zu einer Erfolgsgeschichte wird. Ob sie
    eine Erfolgsgeschichte wird, hängt nicht nur davon ab,
    wie viele Windräder, Biogasanlagen und Photovoltaik-
    dächer wir installieren. Es hängt auch davon ab, ob wir
    es schaffen, die drittgrößte Industrienation der Welt öko-
    logisch mit einer Energieversorgung aus Erneuerbaren
    zu versehen und gleichzeitig den Standort Deutschland,
    die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft zu
    erhalten und – ich füge hinzu – auszubauen. Das ist die
    Herausforderung, vor der wir stehen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)






    Bundesminister Peter Altmaier


    (A) (C)



    (D)(B)


    Wenn uns das gelingt, wenn wir zeigen können, dass
    wir mit einer neuen Energiepolitik weltwirtschaftlich er-
    folgreich sind, dann wird es international viele Länder
    geben, die dies nachahmen, die dies bei sich umsetzen.
    Der Beitrag zum Klimaschutz wird dann weltweit größer
    sein als der, der durch den Abschluss internationaler Ab-
    kommen jemals erreicht werden könnte; denn in vielen
    Ländern dieser Welt würde der Einsatz erneuerbarer
    Energien nicht dazu führen, dass Kernkraftwerke abge-
    schaltet werden – die gibt es dort zum Teil nämlich gar
    nicht –, sondern dazu, dass fossile Energien – Öl, Kohle
    und Gas – durch umweltfreundliche, erneuerbare Ener-
    gien ersetzt werden.

    Wir müssen in dieser Diskussion ehrlich sein: Wenn
    die Energiewende funktionieren soll, dann muss sie im
    Zusammenhang mit dem Ausbau der Netze und mit der
    Entwicklung von Speicherkapazitäten gesehen werden.
    Niemand kann ein Interesse daran haben, dass wir Wind-
    räder bauen und Solardächer installieren, der Strom aber
    anschließend abgeregelt werden muss und nicht genutzt
    werden kann, weil die entsprechenden Netze und Ver-
    teilmöglichkeiten fehlen. Da ist in der Vergangenheit ei-
    niges versäumt worden. Das müssen wir wieder zu einer
    guten Ordnung führen.

    Wir haben – ich darf das sagen – gemeinsam, alle
    Fraktionen in diesem Haus und einstimmig im Bundes-
    rat, vor der Sommerpause die Photovoltaikförderung
    nach dem EEG neu geregelt. Sie wissen alle, dass die
    Ausbauzahlen zuletzt dreimal so hoch waren, wie im Er-
    neuerbare-Energien-Konzept der Bundesregierung vor-
    gesehen. Wir haben uns dann zu einer mutigen Reform
    entschlossen, von der niemand wusste, wie sie wirkt.
    Wir wissen es immer noch nicht. Aber ich habe jetzt die
    Zahlen: Nach einem Rekordausbau im Juni von
    1 800 Megawatt lagen die Zahlen im Juli bei 540 Mega-
    watt und im August bei 320 Megawatt. Das liegt unter
    dem viel zu hohen Ausbautempo des letzten Jahres. Das
    zeigt, dass unser gemeinsam beschlossenes Gesetz zu
    wirken beginnt, und das ist notwendig, damit Berechen-
    barkeit und Verlässlichkeit auch in der Energiewende
    eine Rolle spielen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


    Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube,
    dass wir auch über das Thema „Bürgerbeteiligung und
    Genehmigungsverfahren für die Trassen von Netzen“ re-
    den müssen. Wenn es richtig ist, dass wir erneuerbare
    Energien dort bauen, wo der Wind weht und die Sonne
    scheint, dann müssen wir auch für die Transportkapazi-
    täten sorgen, zum Teil quer durch unser Land, die not-
    wendig sind, um die Energie dorthin zu bringen, wo sie
    gebraucht wird.

    Ich glaube, dass wir uns jetzt nicht darüber unterhal-
    ten sollten, ob alle Genehmigungsverfahren und Natur-
    schutzregelungen, wie sie vor Jahren getroffen worden
    sind, glücklich sind, sondern wir sollten uns mit den
    Bürgerinnen und Bürgern zusammensetzen und versu-
    chen, auf der Grundlage der bestehenden Gesetze einen
    Konsens darüber hinzubekommen, welche Netze bis
    wann gebaut werden müssen. Ich bin davon überzeugt,
    dass dies möglich ist. Wir haben beim Thema Stutt-

    gart 21 gesehen, dass die Bürgerinnen und Bürger viel
    verantwortungsvoller sind, als es ihnen viele Politikerin-
    nen und Politiker zutrauen. Auch wenn das Ergebnis
    nicht allen hier im Hohen Haus gepasst hat, so zeigt es
    doch, dass es sich lohnt, Bürgerinnen und Bürger früh-
    zeitig in Großprojekte einzubeziehen. Ich will mich da-
    für einsetzen, dass wir diese neuen Formen der Bürger-
    beteiligung ernst nehmen und nutzen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


    Ich möchte ferner dazu beitragen, dass wir die inter-
    nationale und europäische Dimension der Energiewende
    entwickeln. Es war unglücklich, dass wir aufgrund der
    Umstände, die zum Ausstieg aus der Kernenergie ge-
    führt haben – welchen ich für richtig halte –, nicht
    imstande waren, mit unseren europäischen und interna-
    tionalen Nachbarn und Freunden ausführlich über die
    Energiewende zu reden. Genau das müssen wir jetzt
    nachholen. Wenn wir die Energiewende europäisch anle-
    gen, dann werden wir erreichen, dass die Energiewende
    für unser Land preiswerter und bezahlbarer wird und
    dass die Stromversorgung sicherer wird. Wir können er-
    reichen, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien
    auch international, in einem globalen Maßstab in Gang
    kommt. Ich habe mir vorgenommen, dass wir von
    Deutschland aus einen Klub der Staaten gründen, die
    sich erneuerbaren Energien verpflichtet fühlen, weil ich
    möchte, dass wir dazu beitragen, dass der Ausbau der er-
    neuerbaren Energien auch in Ländern, in denen die
    Sonne stärker scheint als in Deutschland und der Wind
    ebenso stark weht, vorankommt. Ich halte es für einen
    Skandal, dass einige der Inselstaaten, die am meisten un-
    ter dem Klimawandel leiden, immer noch gezwungen
    sind, ihre komplette Energie aus veralteten Dieselgene-
    ratoren zu beziehen. Ich glaube, es lohnt sich, daran zu
    arbeiten. Das eröffnet dann auch unserer deutschen Wirt-
    schaft und Industrie neue Wachstumschancen.

    Im Rahmen der Energiewende gibt es einige Fragen,
    die wir klären müssen, um Risiken zu beseitigen und
    eine gute Entwicklung sicherzustellen. Aber es gibt auch
    große Chancen. Ich persönlich glaube, dass die Energie-
    wende für unsere Volkswirtschaft mit die größte Innova-
    tionschance in den letzten Jahrzehnten ist. Das Thema
    Energieeffizienz – sparsame Produktion und sparsame
    Produkte – ist lange Jahre unterschätzt worden; es trägt
    aber dazu bei, dass wir unsere Ingenieure und Entwick-
    ler zu Leistungen beflügeln, die dazu führen, dass wir
    nicht nur Strom sparen, sondern unsere Produkte auch
    wettbewerbsfähiger machen. Deshalb möchte ich, dass
    wir den alten und, wie ich meine, falschen Gegensatz
    von Wirtschaft und Umwelt endlich überwinden.


    (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Den gibt es doch gar nicht!)


    Erfolgreiche Umweltpolitik kann nicht ohne gute Wirt-
    schaftspolitik funktionieren und umgekehrt.

    Es gibt für mich keine alten und keine neuen Indus-
    trien, keine braunen und keine grünen, sondern ich
    möchte, dass wir insgesamt dazu beitragen, dass unsere
    Wirtschaft die Potenziale, die mit der Green Economy
    verbunden sind, aufgreift und nutzt.





    Bundesminister Peter Altmaier


    (A) (C)



    (D)(B)



    (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber so sicher nicht, Herr Altmaier!)


    Wir sind Weltmarktführer im Bereich der umweltfreund-
    lichen Technologien. Wir können in den nächsten Jahren
    1 Million Arbeitsplätze in diesem Bereich schaffen. Ich
    lade Sie herzlich ein, sich daran zu beteiligen, damit all
    dies zum Erfolg wird.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


    Mein letzter Punkt. Es kommt nicht nur darauf an,
    dass die Energiewende am Ende des Tages gelingt, son-
    dern es kommt auch darauf an, wie sie gelingt. Ich kann
    mich erinnern: Vor etwa sechs oder sieben Jahren wurde
    das neue Terminal im Flughafen Heathrow eingeweiht.
    In den ersten Tagen und Wochen gab es dort ein perma-
    nentes Chaos, weil der Umzug in das neue Terminal
    nicht glückte. In der englischen Presse, die ich ab und zu
    lese, wurde auf ein Beispiel verwiesen, nämlich den Um-
    zug des Münchener Flughafens von Riem ins Erdinger
    Moos: Da klappte alles perfekt. Bei Heathrow klappt gar
    nichts. Schaut einmal, was die Deutschen Tolles können. –
    Wenn Sie heute eine solche Diskussion hätten, würde
    man sich nicht mehr auf den Flughafen im Erdinger
    Moos beziehen, sondern auf ganz andere Flughäfen und
    ganz andere Probleme. Deshalb sage ich: Für das Image
    unseres Landes und den Erfolg der Energiewende insge-
    samt ist es wichtig, dass sie dauerhaft ein Erfolgsprojekt
    ist, nicht nur am Ende, sondern auch jetzt, am Anfang,
    und zwischendurch.


    (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir sind schon mittendrin, Herr Altmaier!)


    Auf dem Weg in eine wettbewerbsfähige, ökologisch
    saubere und bezahlbare Energieversorgung müssen wir
    viele mitnehmen. Ich lade Sie herzlich ein. Wir brauchen
    in vielen Fragen einen Konsens, nicht nur wegen der
    Mitwirkungsrechte des Bundesrates, sondern auch, weil
    es Grundsatzfragen gibt, die gemeinsam geklärt werden
    müssen, damit sie nicht bei jeder Wahl neu infrage ge-
    stellt werden. Dazu gehören die Endlagersuche in Gorle-
    ben und die Frage der Meilensteine für die Energie-
    wende.

    Ich werde mit Vorschlägen auf Sie zukommen, und
    ich lade Sie herzlich ein, sich an dieser Diskussion zu
    beteiligen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)




Rede von Eduard Oswald
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

Vielen Dank, Herr Bundesminister. – Nächster Red-

ner in unserer Aussprache ist für die Fraktion der Sozial-
demokraten unser Kollege Matthias Miersch. Bitte
schön, Kollege Miersch.


(Beifall bei der SPD)



  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Matthias Miersch


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)


    Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

    Sehr geehrter Herr Minister Altmaier, dies ist der erste
    Umwelthaushalt, den Sie zu verantworten haben, wahr-
    scheinlich ist es auch der letzte der schwarz-gelben Re-

    gierung. Insofern gestatten Sie mir vorweg ein paar
    grundsätzliche Bemerkungen.

    Ich glaube, die Umweltpolitik der schwarz-gelben
    Bundesregierung ist ein Zeugnis, wie man Politik nicht
    machen darf. Jeder, der die Politik der letzten dreiein-
    halb Jahre verfolgt hat, hat erlebt, dass in einem für Ver-
    braucher und Wirtschaft zentralen Bereich 180-Grad-
    Wendungen erfolgt sind und alles andere als nachhaltig
    gehandelt worden ist, Herr Minister.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Ein bisschen entlarvend war es schon, dass Sie eben
    gesagt haben – ich habe es mir extra aufgeschrieben –:
    Die Bedeutung der Energie- und Umweltpolitik hat in
    den letzten Monaten zugenommen. – Liebe Kolleginnen
    und Kollegen, die Energiewende begann im Jahre 2001.
    Sie haben allerdings all die Jahre darauf hingearbeitet,
    eine Rolle rückwärts zu machen und die Atomtechnolo-
    gie wieder hoffähig zu machen. Das ist eine Katastrophe.
    Bei Ihnen spielte die Energiepolitik vielleicht erst in den
    letzten Monaten eine Rolle. Sie hätte bei Ihnen aber
    schon viele Jahre vorher eine Rolle spielen müssen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Man sieht das nicht nur an der Laufzeitverlängerung
    und ihrer Rücknahme, sondern auch daran, dass
    Schwarz-Gelb in einem zentralen Politikbereich den
    Minister ausgewechselt hat. Wenn die Regierung einen
    Minister auswechselt, fragt man sich: Was für eine Hal-
    tung hat der neue Minister eigentlich zur Energiepolitik?
    Ich habe einmal recherchiert, welche Position Sie in den
    letzten Jahren vertreten haben. Sie haben sich als Parla-
    mentarischer Geschäftsführer zweimal zu diesem Thema
    geäußert, und zwar angesichts der Laufzeitverlängerung
    vor gut zwei Jahren von diesem Pult aus. Da haben Sie
    gesagt, das Gesetz zur Laufzeitverlängerung für Atom-
    kraftwerke sei das modernste, umweltfreundlichste Ge-
    setz zur Energiepolitik, das jemals in diesem Haus ver-
    abschiedet worden ist.


    (Frank Schwabe [SPD]: Aha! Interessant! – Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hört! Hört!)


    Ich glaube, jeder sollte die Möglichkeit haben, sich zu
    revidieren. Das ist auch Ihr gutes Recht. Aber, Herr
    Minister Altmaier: Ich habe in den letzten Monaten noch
    nicht gehört, wofür Sie stehen. Ich habe auch noch nicht
    gehört, welche Argumente Sie denjenigen in Ihren eige-
    nen Reihen entgegenhalten, die gerade wieder aus ihren
    Löchern kriechen und hoffen, dass das Ganze gegen die
    Wand fährt. Ich glaube, Sie müssen mehr Überzeugung
    zeigen. Es reicht nicht, der nette Onkel mit der Wind-
    mühle zu sein. Sie müssen für diese Energiewende bren-
    nen, Herr Minister. Dazu fordere ich Sie auf.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie der Abg. Eva BullingSchröter [DIE LINKE] – Ulrich Kelber [SPD]: Innerlich! Nur innerlich! – Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)






    Dr. Matthias Miersch


    (A) (C)



    (D)(B)


    Liebe Kolleginnen und Kollegen, jedem, der sich mit
    diesem Thema auskennt, empfehle ich, die Debatte, die
    wir ein Jahr nach Fukushima hier geführt haben, nachzu-
    lesen. Die Reden, die in dieser Debatte von manchen
    Vertretern von Union und FDP gehalten worden sind,
    machen deutlich, dass schon damals versucht wurde, ein
    Rollback bzw. ein Hoffähigmachen der Atomtechnolo-
    gie einzuleiten, und das, obwohl Fukushima nicht einmal
    ein Jahr her war. Das ist die Debatte, die wir führen.

    Herr Minister, da Sie von Nachhaltigkeit geredet ha-
    ben, sage ich Ihnen: All denen, die heute wieder versu-
    chen, Atom, Kohle, Gas etc. als billig darzustellen, müs-
    sen wir entgegenhalten, welche Kosten damit verbunden
    sind und was sie für die heute lebende Generation und
    für zukünftige Generationen real bedeuten. Nehmen wir
    endlich zur Kenntnis, dass Peak Oil erreicht ist! Die
    Hälfte des gesamten auf der Welt verfügbaren Öls wurde
    bereits gefördert. Die Nachfrage wird steigen. Es gibt für
    Wirtschaft und Bürgerinnen und Bürger nur einen Aus-
    weg: das Zeitalter der erneuerbaren Energien.


    (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Da ich heute in verschiedenen Tageszeitungen gele-
    sen habe, dass von manchen Truppen schon wieder mehr
    Wettbewerb im Bereich der erneuerbaren Energien ge-
    fordert wird, frage ich Sie: Wie war das eigentlich bei
    Kohle und Gas? Das ist der Kampf, den wir momentan
    führen, übrigens nicht nur in diesem Hause. Es gibt vier
    große Konzerne, die um ihre Macht bangen und die et-
    was gegen die Dezentralität haben, die sich gerade über-
    all in diesem Land entwickelt. Herr Minister, hierzu
    müssen Sie als Umweltminister Position beziehen. Sie
    müssen die kommunalen Stadtwerke, die gerade ihre Re-
    naissance erleben, die Genossenschaften etc. fördern.
    Die Chance, dies in Ihrer Rede deutlich zu machen, hät-
    ten Sie hier und heute gehabt.

    Was machen Sie? Was den Haushalt betrifft, machen
    Sie in Ihrem Ministerium etwas, das sehr bemerkenswert
    ist. Sie richten 40 neue Planstellen ein und überschreiben
    diesen Vorgang mit dem Begriff „Energiewende“. Ihr
    Vorgänger, Herr Röttgen, ist leider nicht hier. Ich würde
    ihn allerdings gerne einmal fragen: Was ist im BMU ei-
    gentlich all die Jahre zuvor geschehen? Mich interessiert
    auch: Was sind das für Stellen? Wo wird umorganisiert?
    Was macht man mit den Leuten, die bisher in diesem Be-
    reich tätig gewesen sind? Welche Menschen kommen
    hinzu? Mein Kollege Lothar Binding hat eben die Frage
    gestellt – wir kennen Beispiele aus anderen Ministerien,
    Stichwort „Entwicklungshilfe“ –: Wer kommt dorthin?
    Sind das Versorgungsposten, oder geht es tatsächlich um
    den Aufbau einer Struktur, die in Ihrem Ministerium bis
    jetzt nicht vorhanden war?

    Ich sage Ihnen voraus: Auch wenn sie noch 100 Plan-
    stellen schaffen, gehen Sie nicht an die Wurzel des
    Übels. In dieser Regierung gibt es eine organisierte Un-
    verantwortlichkeit. Bei der Energiewende stehen sich
    sechs Ministerien gegenüber, die sich gegenseitig blo-
    ckieren. Es bringt nichts, neue Planstellen unter der
    Überschrift „Effizienz“ einzurichten, wenn sich Herr
    Rösler in Brüssel durchsetzt und alles, was Sie an Effi-

    zienzstandards aufbauen, wieder kaputtmacht. Sie brau-
    chen keine Planstellen, sondern politische Durchset-
    zungskraft, Herr Minister.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Es reicht nicht, wenn Sie in diesem Haushalt bezogen
    auf die Stellen von der Umsetzung des Energiekonzepts
    sprechen, aber nach der Rücknahme der Laufzeitverlän-
    gerung nicht einmal Ihr Konzept angepasst haben. Ich
    behaupte sogar, Sie haben gar keines. Wo ist der Master-
    plan, der mit den Bundesländern abgestimmt ist? Wo ist
    das Energiekonzept, das die einzelnen Schritte in den
    nächsten Jahren beschreibt? Soll das jetzt durch diese
    Stellen erarbeitet werden?

    Lieber Herr Minister, ich glaube, es bringt nichts, iso-
    liert zu denken. Die Energiewende werden wir nur
    bewerkstelligen können, wenn wir das schemenhafte
    Denken der Ressorts beenden. Wir brauchen eine koor-
    dinierte Energie- und Umweltpolitik. Sie tun bis jetzt das
    Gegenteil. Das zweite Mal, dass Sie sich als Parlamenta-
    rischer Geschäftsführer zu diesem Thema zu Wort ge-
    meldet haben, war, als wir hier beantragt haben, einen
    Ausschuss für die Energiewende einzusetzen. Sie haben
    dagegen gesprochen und für das Ressortprinzip plädiert.
    Wir sehen heute: Sie sind keinen Millimeter vorange-
    kommen. Wir brauchen eine koordinierte Energiepolitik.
    Dazu ist Schwarz-Gelb nicht in der Lage.


    (Beifall bei der SPD)


    Es geht bei diesem Haushalt natürlich auch um die
    Energiepreise. Herr Minister, auch hier erwarte ich von
    Ihnen, dass Sie in den nächsten Wochen bzw. Monaten
    sagen: Die Behauptung, dass Kohle, Gas und Atomener-
    gie billig gewesen sind, ist eine Mär. Jeder Verbraucher
    sieht schon an dem Ansteigen der Heizölpreise und der
    Benzinpreise, das sie tagtäglich erleben müssen, dass die
    Behauptung nicht stimmt. Die Frage ist, ob der politi-
    sche Wille vorhanden ist, diese Energiewende sozialver-
    träglich und auch ökonomisch sinnvoll zu gestalten. Ich
    glaube, hierzu müssen wir in den Diskurs auch mit de-
    nen, die im Moment sagen, das sei unbezahlbar. Auch
    Atomenergie und die Energie aus Kohle wären unbe-
    zahlbar, wenn die tatsächlichen Kosten, also auch die
    Folgekosten, eingepreist worden wären. Es liegt an der
    politischen Steuerung, ob die Folgekosten herausgehal-
    ten oder andere Zukunftstechnologien gefördert werden.

    Sie tun augenblicklich genau das Gegenteil, indem
    Sie die Industrie mit der Gießkanne von der Zahlung der
    EEG-Umlage befreien. Das hat zur Folge, dass der Mit-
    telstand und die Verbraucherinnen und Verbraucher in
    die Bresche springen müssen. Nicht dass wir uns falsch
    verstehen: Wir müssen dafür sorgen, dass unsere Wirt-
    schaft wettbewerbsfähig bleibt. Aber dieses Gießkan-
    nenprinzip hat dazu geführt, dass sich die Zahl der
    Unternehmen, die von der Zahlung der Umlage ausge-
    schlossen sind, im letzten Jahr verdreifacht hat. Das
    müssen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen und lieber
    Herr Minister, hinterfragen.

    Auch dass die Großhandelspreise durch die erneuer-
    baren Energien gesunken sind, die Konzerne diese Preis-





    Dr. Matthias Miersch


    (A) (C)



    (D)(B)


    reduzierungen aber nicht an die Verbraucherinnen und
    Verbraucher weitergeben, ist ein Punkt, den Sie proble-
    matisieren und ansprechen müssen. Sie dürfen nicht ein-
    fach suggerieren, die Energiewende und die erneuerba-
    ren Energien seien unbezahlbar.

    Lieber Herr Minister, ich glaube, Sie müssen in vielen
    Bereichen Anwalt der Zukunft sein und dürfen nicht de-
    nen auf den Leim gehen, die hier seit Jahren versuchen,
    altes Denken durchzusetzen.

    Ich will Ihnen ein weiteres Beispiel nennen. Ich habe
    Ihre Staatssekretärin an dieser Stelle vor einigen Wochen
    etwas gefragt. Es ging um das Verhältnis zwischen Er-
    neuerbaren und Naturschutz. Herr Rösler erklärt seine
    eigene Untätigkeit und sein Versagen damit, dass es an-
    geblich zu hohe naturschutzrechtliche Anforderungen
    gebe. Ich habe Frau Staatssekretärin Heinen-Esser hier
    gefragt, ob sie diese Auffassung teile. Sie hat mir aus-
    drücklich gesagt, wie auf Nachfrage im Übrigen auch
    das Wirtschaftsministerium selbst, dass natürlich in Ein-
    zelfällen die gesetzlichen Grundlagen ein ausreichendes
    Instrumentarium bieten, um Abwägungen vorzunehmen.
    Ich hätte mir gewünscht, dass Sie diese Aussage vertei-
    digen. Was lese ich in den letzten 14 Tagen? Ich lese,
    dass auch Sie sagen, es sei zu prüfen, ob die gesetzlichen
    Grundlagen in diesem Bereich geändert werden müssen.

    Herr Minister, das ist genau das, was nicht passieren
    darf. Sie dürfen nicht die Werte und Güter gegeneinan-
    der ausspielen. Sie müssen für die Zukunft brennen,
    sonst fährt diese Energiewende tatsächlich an die Wand.
    Ich glaube, es ist gut, dass dies der letzte Haushalt dieser
    schwarz-gelben Regierung ist; sonst wird Zukunft ver-
    spielt, sonst wird Investitionsunsicherheit geschaffen,
    und das hat Deutschland nicht verdient. Insofern hoffen
    wir, dass all das im nächsten Jahr ein Ende hat und tat-
    sächlich an 2001 angeknüpft werden kann.

    Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie der Abg. Eva BullingSchröter [DIE LINKE])