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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 17/190 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 190. Sitzung Berlin, Dienstag, den 11. September 2012 I n h a l t : Nachruf auf den Abgeordneten Jürgen Herrmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachruf auf die Vizepräsidentin a. D. Liselotte Funcke und den Vizepräsidenten a. D. Georg Leber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 1: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes über die Feststellung des Bundes- haushaltsplans für das Haushaltsjahr 2013 (Haushaltsgesetz 2013) (Drucksache 17/10200) . . . . . . . . . . . . . . . b) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Finanzplan des Bundes 2012 bis 2016 (Drucksache 17/10201) . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 2: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Haushaltsbe- gleitgesetzes 2013 (HBeglG 2013) (Drucksache 17/10588) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister  BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Joachim Poß (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Norbert Barthle (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE) . . . . . . . . Otto Fricke (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Michael Meister (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Carsten Schneider (Erfurt) (SPD) . . . . . . . . . Dr. Volker Wissing (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . Bartholomäus Kalb (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Bettina Hagedorn (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Lothar Binding (Heidelberg)  (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einzelplan 16 Bundesministerium für Umwelt, Natur- schutz und Reaktorsicherheit Peter Altmaier, Bundesminister  BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Matthias Miersch (SPD) . . . . . . . . . . . . . Stephan Thomae (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Christian Ruck (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Dr. Bärbel Kofler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Kauch (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ralph Lenkert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Ulrich Petzold (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peter Altmaier (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Bernhard Schulte-Drüggelte  (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulrich Kelber (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 22861 B 22861 D 22862 C 22862 C 22862 C 22862 D 22872 C 22874 B 22876 C 22879 B 22881 B 22883 B 22886 B 22887 D 22889 B 22890 A 22891 C 22893 B 22895 B 22897 B 22898 C 22899 D 22900 D 22902 B 22904 B 22906 A 22907 A 22908 C 22909 C 22910 A 22910 C Inhaltsverzeichnis II Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 190. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 11. September 2012 Einzelplan 30 Bundesministerium für Bildung und Forschung Dr. Annette Schavan, Bundesministerin  BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus Hagemann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Heinz-Peter Haustein (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Michael Leutert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Albert Rupprecht (Weiden) (CDU/CSU) . . . . Agnes Alpers (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Krista Sager (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dagmar Ziegler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Patrick Meinhardt (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Rosemarie Hein (DIE LINKE) . . . . . . . . . Michael Kretschmer (CDU/CSU) . . . . . . . Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) . . . . . . . Anette Hübinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) . . . . . . . . . Eckhardt Rehberg (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) . . . . . . . Einzelplan 15 Bundesministerium für Gesundheit Daniel Bahr, Bundesminister  BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ewald Schurer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Daniel Bahr, Bundesminister BMG . . . . . . . . Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Johannes Singhammer (CDU/CSU) . . . . . . . . Harald Weinberg (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Otto Fricke (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bärbel Bas (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Otto Fricke (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jens Spahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . Kathrin Senger-Schäfer (DIE LINKE) . . . . . Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Rolf Koschorrek (CDU/CSU) . . . . . . . . . Dr. Edgar Franke (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Erwin Lotter (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . Alois Karl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Christine Buchholz und Nicole Gohlke (beide DIE LINKE) zur Abstimmung über den An- trag: Rechtliche Regelung der Beschneidun- gen von Jungen (189. Sitzung, Zusatztages- ordnungspunkt 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN) zur Abstimmung über den Antrag: Rechtliche Regelung der Beschneidungen von Jungen (189. Sitzung, Zusatztagesordnungs- punkt 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Arfst Wagner (Schleswig) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über den Antrag: Rechtliche Regelung der Beschnei- dungen von Jungen (189. Sitzung, Zusatzta- gesordnungspunkt 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über den Antrag: Rechtliche Regelung der Beschneidungen von Jungen (189. Sitzung, Zusatztagesordnungs- punkt 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22912 B 22914 B 22916 B 22917 A 22918 B 22920 D 22921 B 22922 B 22923 C 22924 D 22926 D 22927 B 22927 D 22928 C 22930 A 22931 C 22932 C 22933 B 22935 D 22937 B 22937 D 22938 D 22939 A 22940 C 22941 D 22943 A 22944 A 22945 B 22946 A 22948 A 22949 B 22950 A 22951 B 22952 B 22953 A 22954 D 22955 A 22955 C 22956 A 22956 B 22956 D Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 190. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 11. September 2012 22861 (A) (C) (D)(B) 190. Sitzung Berlin, Dienstag, den 11. September 2012 Beginn: 10.01 Uhr
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    Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 190. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 11. September 2012 22955 (A) (C) (D)(B) Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versamm- lung des Europarates Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Christine Buchholz und Nicole Gohlke (beide die Linke) zur Abstim- mung über den Antrag: Rechtliche Regelung der Beschneidungen von Jungen (189. Sitzung, Zusatztagesordnungspunkt 1) Während sich die Mehrheit der Fraktion Die Linke im Bundestag bei dem Antrag „Rechtliche Regelung der Beschneidung minderjähriger Jungen“ von CDU/CSU, FDP und SPD enthält, habe ich diesem zugestimmt. Der Antrag fordert die Bundesregierung auf, „im Herbst 2012 unter Berücksichtigung der grundgesetzlich geschützten Rechtsgüter des Kindeswohls, der körperli- chen Unversehrtheit, der Religionsfreiheit und des Rechts der Eltern auf Erziehung einen Gesetzentwurf vorzule- gen, der sicherstellt, dass eine medizinisch fachgerechte Beschneidung von Jungen ohne unnötige Schmerzen grundsätzlich zulässig ist.“ Der Antrag ist notwendig ge- worden, nachdem das Kölner Landgericht ein Urteil ge- troffen hat, dass von den jüdischen und muslimischen Ge- meinschaften zurecht als Angriff auf die Ausübung ihrer Religionsfreiheit gesehen wird. Vielmehr hat das Urteil eine – in Teilen rassistisch ge- führte – Debatte ausgelöst, in der scheinbar liberale Mei- nungsmacher die angeblich herzlosen muslimischen und jüdischen Eltern an den Pranger stellen. Eine medizinisch sachgerecht durchgeführte Be- schneidung bei Jungen gleichzusetzen mit weiblicher Genitalverstümmelung, Klitorisentfernung, – die selbst- verständlich vehement abzulehnen ist – ist in keiner Weise gerechtfertigt. Gleichzeitig so zu tun, als würde nur die Beschneidung einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit darstel- len und nicht auch beispielsweise kosmetische Operatio- nen bei Minderjährigen, vorsorgliche Blinddarm- oder Mandelentfernungen oder beispielsweise Ohrlochste- chen, ist bigott. Die Beschneidung ist in beiden Religio-  Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Bär, Dorothee CDU/CSU 11.09.2012 Bluhm, Heidrun DIE LINKE 11.09.2012 Dağdelen, Sevim DIE LINKE 11.09.2012 Dr. Danckert, Peter SPD 11.09.2012 Daub, Helga FDP 11.09.2012 Gehrcke, Wolfgang DIE LINKE 11.09.2012 Gohlke, Nicole DIE LINKE 11.09.2012 Höferlin, Manuel FDP 11.09.2012 Hörster, Joachim CDU/CSU 11.09.2012* Hunko, Andrej DIE LINKE 11.09.2012* Kilic, Memet BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 11.09.2012 Koch, Harald DIE LINKE 11.09.2012 Kolbe (Leipzig),  Daniela SPD 11.09.2012 Kuhn, Fritz BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 11.09.2012 Lach, Günter CDU/CSU 11.09.2012 Mast, Katja SPD 11.09.2012 Möller, Kornelia DIE LINKE 11.09.2012 Mücke, Jan FDP 11.09.2012 Müller (Erlangen), Stefan CDU/CSU 11.09.2012 Schmidt (Eisleben), Silvia SPD 11.09.2012 Simmling, Werner FDP 11.09.2012 Spatz, Joachim FDP 11.09.2012 Ulrich, Alexander DIE LINKE 11.09.2012 Dr. Wadephul, Johann CDU/CSU 11.09.2012* Werner, Katrin DIE LINKE 11.09.2012 Widmann-Mauz, Annette CDU/CSU 11.09.2012 Zimmermann, Sabine DIE LINKE 11.09.2012  Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Anlagen 22956 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 190. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 11. September 2012 (A) (C) (D)(B) nen ein wesentlicher Initiationsritus für die Zugehörigkeit zum Kollektiv der Gläubigen. Ein Verbot der Beschnei- dung liefe auf ein Religionsverbot für Muslime und Juden in Deutschland hinaus. Wer glaubt, Fragen der religiösen oder kulturellen Identität über das Strafrecht zu regeln, befördert die Kri- minalisierung jüdischer und muslimischer Riten. Praktisch bedeutet das für die betroffenen Jungen nicht weniger, sondern mehr Probleme: Operationen im Ausland, Eingriffe durch Kurpfuscher und eine Stigmati- sierung, die das Zusammenleben in einer multikulturel- len Gesellschaft erschwert. Ich begrüße es, dass mit dem Antrag ein klares Signal an Juden und Muslime in Deutschland gesendet wird und klargestellt wird, dass sie und ihre Religionspraxis ein selbstverständlicher Teil unserer Gesellschaft sind. Ich spreche mich für eine Regelung im Sinne des Antra- ges aus. Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über den An- trag: Rechtliche Regelung der Beschneidungen von Jungen (189. Sitzung, Zusatztagesord- nungspunkt 1) Ich stimme dem Antrag „Rechtliche Regelung der Beschneidungen von minderjährigen Jungen“ zu. Das Landgerichtsurteil vom 7. Mai 2012 entfaltet zwar an und für sich keine Bindungswirkung, durch da- raus resultierende Verunsicherung der jüdischen und muslimischen Bevölkerung sowie die Reaktion der Bun- desärztekammer ist ein Handeln nötig geworden. Ich möchte nicht, dass religiöses Leben in diesem Land im Untergrund stattfinden muss. Ein Komplettver- bot der Beschneidung drängt die jüdischen und muslimi- schen Gemeinschaften in den Untergrund. Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Arfst Wagner (Schleswig) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstim- mung über den Antrag: Rechtliche Regelung der Beschneidungen von Jungen (189. Sitzung, Zusatztagesordnungspunkt 1) Der Grundrechtekatalog unseres Grundgesetzes ist ein guter roter Faden für das Zusammenleben in unserer heterogenen Gesellschaft. Dort werden die Grundfrei- heiten und Grundrechte und ihre Schranken definiert. Sowohl die Religionsfreiheit (Glaubensfreiheit, Nicht- glauben, Wechsel der Religionen), aber auch körperliche Unversehrtheit sind Grundrechtsgüter. Wenn sie mitei- nander kollidieren, sind sie abzuwägen und es muss ge- gebenenfalls ein guter Kompromiss gefunden werden. Sowohl die heiligen Schriften der Religionen, aber auch die religiösen Riten, Gebräuche und Traditionen beinhal- ten naturgemäß alte Elemente, die im Lichte der Vernunft und den neuen Einsichten der Wissenschaft neu zu verste- hen und zu interpretieren sind. Die Menschheit kann mit Glück und Stolz darauf zu- rückblicken, dass wir keine Menschenopfer mehr brin- gen, die Steinigung von Ehebrechern nicht mehr Teil un- serer Rechtsprechung ist, verwitwete Hindufrauen seit mehr als 100 Jahren nicht mehr mit ihren verstorbenen Ehemännern verbrannt werden und die Beschneidung von Mädchen weitgehend verpönt und strafbar ist. Bei der Gleichberechtigung von Mann und Frau und der Nichtdiskriminierung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften wurden einige Fortschritte erzielt, aber auch einige Rückschritte verzeichnet. Die Kinder sind kein Eigentum der Eltern, der Reli- gionsgemeinschaften oder des Staates. Sie sind Indivi- duen mit vollen Rechten. Das Kindeswohl zu gewährleis- ten obliegt den Eltern und dem Staat in den gesetzlichen Rahmen. Der säkulare Staat hat auch die Aufgabe, den Druck der Religionsgemeinschaften oder Weltanschauung auf einzelne Individuen abzuwenden oder dies zumindest abzumildern, damit sich das Individuum frei entfalten kann (Art. 2 Grundgesetz). Medizinisch notwendige Ein- griffe in die körperliche Unversehrtheit stehen hierbei außer Diskussion. Zur Disposition steht nur, inwieweit die blutigen Ri- tuale der Religionsgemeinschaften, die einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit – sogar bei Kleinkindern – darstellen, allein der Entscheidung der Religionsgemein- schaften bzw. Eltern zu überlassen ist. Bei der Beschneidung stellt sich diese Frage vorder- gründig. Es besteht sowohl wissenschaftliche wie politische Einigkeit darüber, dass die Zirkumzision einen irreversi- blen und nicht zu bagatellisierenden Eingriff in die Körper von Menschen darstellt. Es ist aber auch soziolo- gischer Fakt, dass sich viele Eltern in der Religions- oder Traditionspflicht sehen, diesen Vorgang bei ihrem Kind vornehmen zu lassen. Um eine selbstbestimmte Erwachsenenentscheidung – im Idealfall zu einem unblutigen Religionsbekennt- nis – zu ermöglichen, kann der Gesetzgeber einen Über- gangskompromiss vorlegen. Solch eine gesetzliche Regelung mit einer großen ge- sellschaftlichen und grundrechtlichen Reichweite darf nicht in einem Schnellverfahren erfolgen. Dafür müssen gründliche Anhörungsverfahren durchgeführt werden. Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Josef Philip Winkler (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 190. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 11. September 2012 22957 (A) (C) (D)(B) den Antrag: Rechtliche Regelung der Beschnei- dungen von Jungen (189. Sitzung, Zusatztages- ordnungspunkt 1) Ich stimme dem Antrag „Rechtliche Regelung der Beschneidungen von minderjährigen Jungen“ zu. Das Landgerichtsurteil vom 7. Mai 2012 entfaltet zwar an und für sich keine Bindungswirkung, durch die daraus resultierende Verunsicherung der jüdischen und muslimischen Bevölkerung sowie die Reaktion der Bun- desärztekammer ist ein Handeln aber nötig geworden. Ich möchte nicht, dass religiöses Leben in diesem Land im Untergrund stattfinden muss. Ein Komplettver- bot der Beschneidung drängt die jüdischen und muslimi- schen Gemeinschaften in den Untergrund. Das lehne ich ab und stimme deshalb dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP und SPD zu. 190. Sitzung Inhaltsverzeichnis TOP 1 Einbringung Haushaltsgesetz 2013Finanzplan Epl 08, Epl 20, Epl 32, Epl 60, TOP 2 Allgemeine Finanzdebatte Epl 16 Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Epl 30 Bildung und Forschung Epl 15 Gesundheit Anlagen
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Bettina Hagedorn


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)


    Lieber Kollege Bartholomäus Kalb, da wir gerade

    beim Thema „Griff in die Sozialversicherungssysteme“
    sind – damit reden Sie Ihren Haushaltsentwurf 2013
    schön –, möchte ich Ihnen ein paar Fragen stellen.

    Meine erste Frage ist: Stimmen Sie mir zu, dass das
    sogenannte Sparpaket für das Jahr 2013 mit einem Kon-
    solidierungsbeitrag in Höhe von minus 6,5 Milliarden
    Euro zu Buche schlägt, allein im Einzelplan der Ministe-
    rin Frau von der Leyen mit 2 Milliarden Euro, bei der
    Bundesagentur für Arbeit mit 3 Milliarden Euro, bei den
    Fördermaßnahmen von Langzeitarbeitslosen zusätzlich
    mit 1,5 Milliarden Euro, und das in einer Zeit des Fach-
    kräftemangels – Frau Hinz hat glücklicherweise darauf
    hingewiesen –, in der wir die Menschen doch qualifizie-
    ren wollen? Sie nehmen dem Staat und der Bundesagen-
    tur für Arbeit das Geld, mit dem Menschen in Arbeit ge-
    bracht werden könnten.

    Zweite Frage. Sie haben schon mit Ihrem sogenann-
    ten Sparpaket mit jährlich zusätzlich 2,7 Milliarden Euro
    in die Rentenkasse eingegriffen. Schon im letzten Jahr
    haben Sie die Rentenbeiträge für die Langzeitarbeitslo-
    sen gestrichen; das sind 1,8 Milliarden Euro pro Jahr. In
    diesem Jahr greifen Sie erneut in die Rentenkasse und
    nehmen 1 Milliarde Euro heraus. Im Finanzplan stehen
    sogar 1,25 Milliarden Euro pro Jahr bis 2016. Das sind
    nach Finanzplan minus 4,75 Milliarden Euro allein im
    Bereich Rente. Wie wollen Sie das alles erwirtschaften?
    Vermutlich ist es genau die Milliarde, die Sie durch die
    Senkung der Rentenversicherungsbeiträge auf 19,0 Pro-
    zent erwirtschaften wollen. Und was machen Sie, wenn
    auch Ihre Ministerpräsidenten und Ihre Sozialminister
    dieser Beitragssatzsenkung nicht zustimmen? Dann ha-
    ben Sie ein Loch von 1 Milliarde Euro allein für das Jahr
    2013. Was Sie hier machen, ist in höchstem Maße unso-
    lide. Ihr sogenanntes Sparpaket, das ohnehin schon eine
    soziale Schieflage hatte, weil es fast nur den Einzelplan
    von Frau von der Leyen betrifft, haben Sie durch diese
    Kürzungen noch verschlimmert, während all die Kür-
    zungen, die Sie hier zulasten der Wirtschaft, aber auch
    für sich selber postuliert haben, ausnahmslos nicht
    durchgeführt worden sind.



Rede von Eduard Oswald
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

Das waren – deshalb die zwei Hände – also die Fra-

gen. – Bitte schön, Kollege Bartholomäus Kalb.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Bartholomäus Kalb


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)


    Liebe Frau Kollegin Hagedorn, ich weiß nicht, ob ich

    so lange antworten kann, wie die Fragen waren.


    (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Bettina Hagedorn [SPD]: Aber ja!)


    Ich könnte es ausreizen, aber ich weiß nicht, ob ich mir
    dadurch die Sympathien der Kolleginnen und Kollegen
    verspiele.


    (Volker Kauder [CDU/CSU]: Doch, doch, doch! Nur zu! – Stefan Rebmann [SPD]: Keine Sorge! Wäre nicht schlimm!)


    Zu Ihren Fragen. Sie wissen ganz genau, dass wir
    jährlich zwischen 80 und 90 Milliarden Euro aus Steuer-
    mitteln in die Rentenkassen geben.


    (Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: 70!)


    – Nein, nein. – Sie wissen ganz genau, dass wir in den
    Gesundheitsfonds zusätzliche Mittel hineingegeben ha-
    ben. Früher gab es überhaupt keinen Bundeszuschuss an
    die Krankenkassen; den haben wir erst vor einigen Jah-
    ren eingeführt. Sie wissen, dass wir vom Bund aus von
    der Bundesanstalt für Arbeit nicht mehr verlangen, dass
    die Eingliederungshilfe an den Bund gegeben werden
    muss. Es ist aber richtig, dass wir die Steueranteile zu-
    rückfahren, die wir zunächst hineingegeben haben.

    Ich komme noch einmal darauf zurück, was ich vor-
    hin gesagt habe: Wenn Gott sei Dank die finanzielle Si-
    tuation aufgrund der guten Entwicklung unserer Sozial-
    versicherungen gut ist, dann ist es auch gerechtfertigt,
    dass wir die Zuschüsse wieder zurücknehmen. Dann
    können wir andere Prioritäten setzen, die wir im Inte-
    resse der Zukunftsfähigkeit unseres Landes dringend set-
    zen müssen. Wenn die Zahl der Langzeitarbeitslosen
    sinkt, dann wäre es eigentlich paradox, wenn dort ein
    Mehraufwand und nicht eine Minderausgabe getätigt
    würde. So viel dazu.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Stephan Thomae [FDP])


    Ich bleibe bei dem, was ich immer und immer wieder
    hier und an anderer Stelle gesagt habe: Haushaltskonsoli-
    dierung heißt auf der einen Seite, sparsam und wirtschaft-
    lich mit dem vom Bürger anvertrauten Geld umzugehen,
    und es heißt auf der anderen Seite, die Wachstumskräfte
    sich entfalten zu lassen und nicht abzuwürgen, weil nur
    eine sparsame und wirtschaftliche Haushaltsführung auf
    der einen Seite und eine gute wirtschaftliche Entwick-
    lung auf der anderen Seite zu langfristigen positiven Ef-
    fekten führen. Vor allen Dingen muss man immer der
    Versuchung widerstehen, schöne Wohltaten zu verteilen,
    sich alles leisten zu wollen, was man sich nicht leisten
    kann. Das gilt sowohl für uns als auch für die Länder in
    besonderer Weise. Wir sehen es im Wettbewerb der Län-
    der untereinander: Nordrhein-Westfalen kann noch so
    viele Schulden machen, es wird nicht auf einen grünen
    Zweig kommen.

    In Bayern war es auch nicht angenehm, dass der da-
    malige Ministerpräsident Edmund Stoiber den ausgegli-





    Bartholomäus Kalb


    (A) (C)



    (D)(B)


    chenen Haushalt schon sehr früh durchgesetzt hat. In der
    aktuellen Ausgabe der WirtschaftsWoche steht: Primus
    Bayern – beste Jobchancen, geringste Arbeitslosigkeit,
    geringste Zahl an Hartz-IV-Empfängern, niedrigste Kri-
    minalität und die beste Finanzsituation.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


    Dies ist ein langer Weg. Das ist harte Arbeit und zum
    Teil sehr unpopulär. Aber die Ergebnisse bestätigen, dass
    dies der richtige Weg ist und nicht der, das Geld mit lo-
    ckerer Hand auszugeben.

    Ich komme noch einmal zum Kollegen Carsten
    Schneider zurück: Geben Sie und Ihre Kolleginnen und
    Kollegen den Widerstand gegen das Gesetz für den Ab-
    bau der kalten Progression im Bundesrat auf! Warum
    gönnen Sie den arbeitenden Menschen nicht das Geld,
    das sie durch Tariferhöhungen bekommen, das sie aber
    nicht erhalten, indem sie überproportional besteuert wer-
    den?


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


    Geben Sie Ihren Widerstand auf! Vorhin wurde von Ih-
    nen groß die Energiewende angesprochen. Sie verhin-
    dern im Bundesrat die Zustimmung zur steuerlichen För-
    derung der energetischen Gebäudesanierung. Geben Sie
    doch diesen Widerstand auf! Das bringt am Ende – auch
    für Sie – mehr und nicht weniger in die Kassen.


    (Joachim Poß [SPD]: Es geht nicht um die Parteien! Es geht um die Länder, Herr Kollege!)


    Geben Sie Ihren Widerstand – das ist heute schon mehr-
    fach genannt worden – beim Steuerabkommen mit der
    Schweiz auf! Denn dann kommt Geld in die Kassen. Wir
    alle könnten dann endgültig auf diese fragwürdigen und
    dubiosen Methoden, die fast an Hehlerei grenzen, ver-
    zichten, um an Informationen zu kommen. Der Bundes-
    finanzminister hat sehr deutlich und mit großer Ein-
    dringlichkeit gesagt: Gehen wir anständig mit unseren
    Nachbarn und Partnern um!


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


    Wir werden auf jeden Fall die anstehenden Haushalts-
    beratungen mit großer Ernsthaftigkeit führen. Kollege
    Norbert Barthle hat darauf hingewiesen: Große Spiel-
    räume haben wir nicht. Wir müssen damit rechnen, dass
    die Konjunkturschwäche in Europa auch Rückwirkun-
    gen auf die Bundesrepublik Deutschland hat und damit
    auch auf unsere wirtschaftliche Situation, auf die Ein-
    nahmesituation beim Staat und bei den Sozialkassen.
    Deswegen müssen wir das Vorsichtsprinzip walten las-
    sen. Wir müssen auf der anderen Seite – auch dieses
    habe ich wiederholte Male gesagt – das tun, was die
    Menschen von uns erwarten, nämlich solide wirtschaf-
    ten, damit unsere Währung stabil bleibt. Wir haben keine
    andere Währung als den Euro. Deswegen ist es aller Mü-
    hen wert, dass wir uns für den Euro einsetzen. Das kön-
    nen wir am besten tun,


    (Joachim Poß [SPD]: Wenn Söder und Dobrindt das Maul halten!)


    wenn wir solide arbeiten, wenn wir solide wirtschaften
    und wenn wir die Enden zusammenhalten. Das liegt im
    Interesse der Menschen unseres Landes. Das liegt im In-
    teresse unseres Landes. Und das liegt im Interesse Euro-
    pas.

    Herzlichen Dank.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)