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    Plenarprotokoll 17/190 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 190. Sitzung Berlin, Dienstag, den 11. September 2012 I n h a l t : Nachruf auf den Abgeordneten Jürgen Herrmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachruf auf die Vizepräsidentin a. D. Liselotte Funcke und den Vizepräsidenten a. D. Georg Leber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 1: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes über die Feststellung des Bundes- haushaltsplans für das Haushaltsjahr 2013 (Haushaltsgesetz 2013) (Drucksache 17/10200) . . . . . . . . . . . . . . . b) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Finanzplan des Bundes 2012 bis 2016 (Drucksache 17/10201) . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 2: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Haushaltsbe- gleitgesetzes 2013 (HBeglG 2013) (Drucksache 17/10588) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister  BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Joachim Poß (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Norbert Barthle (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE) . . . . . . . . Otto Fricke (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Michael Meister (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Carsten Schneider (Erfurt) (SPD) . . . . . . . . . Dr. Volker Wissing (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . Bartholomäus Kalb (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Bettina Hagedorn (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Lothar Binding (Heidelberg)  (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einzelplan 16 Bundesministerium für Umwelt, Natur- schutz und Reaktorsicherheit Peter Altmaier, Bundesminister  BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Matthias Miersch (SPD) . . . . . . . . . . . . . Stephan Thomae (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Christian Ruck (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Dr. Bärbel Kofler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Kauch (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ralph Lenkert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Ulrich Petzold (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peter Altmaier (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Bernhard Schulte-Drüggelte  (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulrich Kelber (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 22861 B 22861 D 22862 C 22862 C 22862 C 22862 D 22872 C 22874 B 22876 C 22879 B 22881 B 22883 B 22886 B 22887 D 22889 B 22890 A 22891 C 22893 B 22895 B 22897 B 22898 C 22899 D 22900 D 22902 B 22904 B 22906 A 22907 A 22908 C 22909 C 22910 A 22910 C Inhaltsverzeichnis II Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 190. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 11. September 2012 Einzelplan 30 Bundesministerium für Bildung und Forschung Dr. Annette Schavan, Bundesministerin  BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus Hagemann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Heinz-Peter Haustein (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Michael Leutert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Albert Rupprecht (Weiden) (CDU/CSU) . . . . Agnes Alpers (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Krista Sager (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dagmar Ziegler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Patrick Meinhardt (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Rosemarie Hein (DIE LINKE) . . . . . . . . . Michael Kretschmer (CDU/CSU) . . . . . . . Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) . . . . . . . Anette Hübinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) . . . . . . . . . Eckhardt Rehberg (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) . . . . . . . Einzelplan 15 Bundesministerium für Gesundheit Daniel Bahr, Bundesminister  BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ewald Schurer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Daniel Bahr, Bundesminister BMG . . . . . . . . Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Johannes Singhammer (CDU/CSU) . . . . . . . . Harald Weinberg (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Otto Fricke (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bärbel Bas (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Otto Fricke (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jens Spahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . Kathrin Senger-Schäfer (DIE LINKE) . . . . . Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Rolf Koschorrek (CDU/CSU) . . . . . . . . . Dr. Edgar Franke (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Erwin Lotter (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . Alois Karl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Christine Buchholz und Nicole Gohlke (beide DIE LINKE) zur Abstimmung über den An- trag: Rechtliche Regelung der Beschneidun- gen von Jungen (189. Sitzung, Zusatztages- ordnungspunkt 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN) zur Abstimmung über den Antrag: Rechtliche Regelung der Beschneidungen von Jungen (189. Sitzung, Zusatztagesordnungs- punkt 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Arfst Wagner (Schleswig) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über den Antrag: Rechtliche Regelung der Beschnei- dungen von Jungen (189. Sitzung, Zusatzta- gesordnungspunkt 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über den Antrag: Rechtliche Regelung der Beschneidungen von Jungen (189. Sitzung, Zusatztagesordnungs- punkt 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22912 B 22914 B 22916 B 22917 A 22918 B 22920 D 22921 B 22922 B 22923 C 22924 D 22926 D 22927 B 22927 D 22928 C 22930 A 22931 C 22932 C 22933 B 22935 D 22937 B 22937 D 22938 D 22939 A 22940 C 22941 D 22943 A 22944 A 22945 B 22946 A 22948 A 22949 B 22950 A 22951 B 22952 B 22953 A 22954 D 22955 A 22955 C 22956 A 22956 B 22956 D Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 190. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 11. September 2012 22861 (A) (C) (D)(B) 190. Sitzung Berlin, Dienstag, den 11. September 2012 Beginn: 10.01 Uhr
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    Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 190. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 11. September 2012 22955 (A) (C) (D)(B) Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versamm- lung des Europarates Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Christine Buchholz und Nicole Gohlke (beide die Linke) zur Abstim- mung über den Antrag: Rechtliche Regelung der Beschneidungen von Jungen (189. Sitzung, Zusatztagesordnungspunkt 1) Während sich die Mehrheit der Fraktion Die Linke im Bundestag bei dem Antrag „Rechtliche Regelung der Beschneidung minderjähriger Jungen“ von CDU/CSU, FDP und SPD enthält, habe ich diesem zugestimmt. Der Antrag fordert die Bundesregierung auf, „im Herbst 2012 unter Berücksichtigung der grundgesetzlich geschützten Rechtsgüter des Kindeswohls, der körperli- chen Unversehrtheit, der Religionsfreiheit und des Rechts der Eltern auf Erziehung einen Gesetzentwurf vorzule- gen, der sicherstellt, dass eine medizinisch fachgerechte Beschneidung von Jungen ohne unnötige Schmerzen grundsätzlich zulässig ist.“ Der Antrag ist notwendig ge- worden, nachdem das Kölner Landgericht ein Urteil ge- troffen hat, dass von den jüdischen und muslimischen Ge- meinschaften zurecht als Angriff auf die Ausübung ihrer Religionsfreiheit gesehen wird. Vielmehr hat das Urteil eine – in Teilen rassistisch ge- führte – Debatte ausgelöst, in der scheinbar liberale Mei- nungsmacher die angeblich herzlosen muslimischen und jüdischen Eltern an den Pranger stellen. Eine medizinisch sachgerecht durchgeführte Be- schneidung bei Jungen gleichzusetzen mit weiblicher Genitalverstümmelung, Klitorisentfernung, – die selbst- verständlich vehement abzulehnen ist – ist in keiner Weise gerechtfertigt. Gleichzeitig so zu tun, als würde nur die Beschneidung einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit darstel- len und nicht auch beispielsweise kosmetische Operatio- nen bei Minderjährigen, vorsorgliche Blinddarm- oder Mandelentfernungen oder beispielsweise Ohrlochste- chen, ist bigott. Die Beschneidung ist in beiden Religio-  Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Bär, Dorothee CDU/CSU 11.09.2012 Bluhm, Heidrun DIE LINKE 11.09.2012 Dağdelen, Sevim DIE LINKE 11.09.2012 Dr. Danckert, Peter SPD 11.09.2012 Daub, Helga FDP 11.09.2012 Gehrcke, Wolfgang DIE LINKE 11.09.2012 Gohlke, Nicole DIE LINKE 11.09.2012 Höferlin, Manuel FDP 11.09.2012 Hörster, Joachim CDU/CSU 11.09.2012* Hunko, Andrej DIE LINKE 11.09.2012* Kilic, Memet BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 11.09.2012 Koch, Harald DIE LINKE 11.09.2012 Kolbe (Leipzig),  Daniela SPD 11.09.2012 Kuhn, Fritz BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 11.09.2012 Lach, Günter CDU/CSU 11.09.2012 Mast, Katja SPD 11.09.2012 Möller, Kornelia DIE LINKE 11.09.2012 Mücke, Jan FDP 11.09.2012 Müller (Erlangen), Stefan CDU/CSU 11.09.2012 Schmidt (Eisleben), Silvia SPD 11.09.2012 Simmling, Werner FDP 11.09.2012 Spatz, Joachim FDP 11.09.2012 Ulrich, Alexander DIE LINKE 11.09.2012 Dr. Wadephul, Johann CDU/CSU 11.09.2012* Werner, Katrin DIE LINKE 11.09.2012 Widmann-Mauz, Annette CDU/CSU 11.09.2012 Zimmermann, Sabine DIE LINKE 11.09.2012  Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Anlagen 22956 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 190. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 11. September 2012 (A) (C) (D)(B) nen ein wesentlicher Initiationsritus für die Zugehörigkeit zum Kollektiv der Gläubigen. Ein Verbot der Beschnei- dung liefe auf ein Religionsverbot für Muslime und Juden in Deutschland hinaus. Wer glaubt, Fragen der religiösen oder kulturellen Identität über das Strafrecht zu regeln, befördert die Kri- minalisierung jüdischer und muslimischer Riten. Praktisch bedeutet das für die betroffenen Jungen nicht weniger, sondern mehr Probleme: Operationen im Ausland, Eingriffe durch Kurpfuscher und eine Stigmati- sierung, die das Zusammenleben in einer multikulturel- len Gesellschaft erschwert. Ich begrüße es, dass mit dem Antrag ein klares Signal an Juden und Muslime in Deutschland gesendet wird und klargestellt wird, dass sie und ihre Religionspraxis ein selbstverständlicher Teil unserer Gesellschaft sind. Ich spreche mich für eine Regelung im Sinne des Antra- ges aus. Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über den An- trag: Rechtliche Regelung der Beschneidungen von Jungen (189. Sitzung, Zusatztagesord- nungspunkt 1) Ich stimme dem Antrag „Rechtliche Regelung der Beschneidungen von minderjährigen Jungen“ zu. Das Landgerichtsurteil vom 7. Mai 2012 entfaltet zwar an und für sich keine Bindungswirkung, durch da- raus resultierende Verunsicherung der jüdischen und muslimischen Bevölkerung sowie die Reaktion der Bun- desärztekammer ist ein Handeln nötig geworden. Ich möchte nicht, dass religiöses Leben in diesem Land im Untergrund stattfinden muss. Ein Komplettver- bot der Beschneidung drängt die jüdischen und muslimi- schen Gemeinschaften in den Untergrund. Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Arfst Wagner (Schleswig) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstim- mung über den Antrag: Rechtliche Regelung der Beschneidungen von Jungen (189. Sitzung, Zusatztagesordnungspunkt 1) Der Grundrechtekatalog unseres Grundgesetzes ist ein guter roter Faden für das Zusammenleben in unserer heterogenen Gesellschaft. Dort werden die Grundfrei- heiten und Grundrechte und ihre Schranken definiert. Sowohl die Religionsfreiheit (Glaubensfreiheit, Nicht- glauben, Wechsel der Religionen), aber auch körperliche Unversehrtheit sind Grundrechtsgüter. Wenn sie mitei- nander kollidieren, sind sie abzuwägen und es muss ge- gebenenfalls ein guter Kompromiss gefunden werden. Sowohl die heiligen Schriften der Religionen, aber auch die religiösen Riten, Gebräuche und Traditionen beinhal- ten naturgemäß alte Elemente, die im Lichte der Vernunft und den neuen Einsichten der Wissenschaft neu zu verste- hen und zu interpretieren sind. Die Menschheit kann mit Glück und Stolz darauf zu- rückblicken, dass wir keine Menschenopfer mehr brin- gen, die Steinigung von Ehebrechern nicht mehr Teil un- serer Rechtsprechung ist, verwitwete Hindufrauen seit mehr als 100 Jahren nicht mehr mit ihren verstorbenen Ehemännern verbrannt werden und die Beschneidung von Mädchen weitgehend verpönt und strafbar ist. Bei der Gleichberechtigung von Mann und Frau und der Nichtdiskriminierung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften wurden einige Fortschritte erzielt, aber auch einige Rückschritte verzeichnet. Die Kinder sind kein Eigentum der Eltern, der Reli- gionsgemeinschaften oder des Staates. Sie sind Indivi- duen mit vollen Rechten. Das Kindeswohl zu gewährleis- ten obliegt den Eltern und dem Staat in den gesetzlichen Rahmen. Der säkulare Staat hat auch die Aufgabe, den Druck der Religionsgemeinschaften oder Weltanschauung auf einzelne Individuen abzuwenden oder dies zumindest abzumildern, damit sich das Individuum frei entfalten kann (Art. 2 Grundgesetz). Medizinisch notwendige Ein- griffe in die körperliche Unversehrtheit stehen hierbei außer Diskussion. Zur Disposition steht nur, inwieweit die blutigen Ri- tuale der Religionsgemeinschaften, die einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit – sogar bei Kleinkindern – darstellen, allein der Entscheidung der Religionsgemein- schaften bzw. Eltern zu überlassen ist. Bei der Beschneidung stellt sich diese Frage vorder- gründig. Es besteht sowohl wissenschaftliche wie politische Einigkeit darüber, dass die Zirkumzision einen irreversi- blen und nicht zu bagatellisierenden Eingriff in die Körper von Menschen darstellt. Es ist aber auch soziolo- gischer Fakt, dass sich viele Eltern in der Religions- oder Traditionspflicht sehen, diesen Vorgang bei ihrem Kind vornehmen zu lassen. Um eine selbstbestimmte Erwachsenenentscheidung – im Idealfall zu einem unblutigen Religionsbekennt- nis – zu ermöglichen, kann der Gesetzgeber einen Über- gangskompromiss vorlegen. Solch eine gesetzliche Regelung mit einer großen ge- sellschaftlichen und grundrechtlichen Reichweite darf nicht in einem Schnellverfahren erfolgen. Dafür müssen gründliche Anhörungsverfahren durchgeführt werden. Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Josef Philip Winkler (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 190. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 11. September 2012 22957 (A) (C) (D)(B) den Antrag: Rechtliche Regelung der Beschnei- dungen von Jungen (189. Sitzung, Zusatztages- ordnungspunkt 1) Ich stimme dem Antrag „Rechtliche Regelung der Beschneidungen von minderjährigen Jungen“ zu. Das Landgerichtsurteil vom 7. Mai 2012 entfaltet zwar an und für sich keine Bindungswirkung, durch die daraus resultierende Verunsicherung der jüdischen und muslimischen Bevölkerung sowie die Reaktion der Bun- desärztekammer ist ein Handeln aber nötig geworden. Ich möchte nicht, dass religiöses Leben in diesem Land im Untergrund stattfinden muss. Ein Komplettver- bot der Beschneidung drängt die jüdischen und muslimi- schen Gemeinschaften in den Untergrund. Das lehne ich ab und stimme deshalb dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP und SPD zu. 190. Sitzung Inhaltsverzeichnis TOP 1 Einbringung Haushaltsgesetz 2013Finanzplan Epl 08, Epl 20, Epl 32, Epl 60, TOP 2 Allgemeine Finanzdebatte Epl 16 Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Epl 30 Bildung und Forschung Epl 15 Gesundheit Anlagen
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    Rede von Carsten Schneider


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)


    Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

    Sehr geehrter Herr Meister, wenn Sie denn einmal auf
    die Vorschläge zugegriffen hätten, die wir in den vergan-
    genen Jahren gemacht haben, dann sähe es um Deutsch-
    land und die Finanzen des Bundes bedeutend besser aus.


    (Beifall bei der SPD – Norbert Barthle [CDU/ CSU]: Schlechter!)


    Sie haben gerade auf die Erhöhung der Neuverschul-
    dung im Land NRW hingewiesen. Darf ich Sie einmal an
    Ihrem eigenen Handeln messen? Für das Jahr 2012, also
    das Jahr, in dem wir uns befinden, haben Sie einen
    Nachtragshaushalt verabschiedet: 32 Milliarden Euro
    neue Schulden – das hat Minister Schäuble eben noch
    einmal gesagt – haben Sie hier beschlossen.


    (Otto Fricke [FDP]: Sind Sie gegen den Nachtragshaushalt?)


    Kennen Sie noch die Zahl des Jahres 2011?


    (Otto Fricke [FDP]: Ja!)


    17 Milliarden Euro neue Schulden. Im Jahr 2012:
    32 Milliarden Euro neue Schulden. Das ist eine Erhö-
    hung, oder?


    (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Ist, nicht Soll!)


    Die Steuereinnahmen sind explodiert, die Zinsausgaben
    sind gesunken, und die Sozialausgaben haben Sie ge-
    kürzt. Ich frage mich, wo Sie konsolidieren wollen.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Otto Fricke [FDP]: Welche Sozialausgaben?)


    Wenn man sich die Situation sehr ernsthaft anschaut,
    stellt man fest: Wir haben in den letzten beiden Jahren
    extrem profitiert: von der Euro-Krise, bei den Zinsen.
    Aber bei den Zinsen tickt eine Zeitbombe. Wir haben
    außerdem von den Nachholeffekten aus der Konjunktur-
    delle – Herr Minister Schäuble ist vorhin darauf einge-
    gangen – enorm profitiert. Ihre Aufgabe wäre es gewe-
    sen, in der Zeit, in der die Konjunktur geboomt hat, die
    Verschuldung stärker zu senken, damit wir, wenn es ein-
    mal schlechter läuft, Rücklagen haben, um aktiv handeln
    zu können. Diese Zeit haben Sie vergeudet. Nichts da-
    von ist passiert.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Otto Fricke [FDP]: Jetzt kommen Vorschläge!)


    Betrachten wir nur einmal die Zinsausgaben: Es gibt
    natürlich eine Friktion innerhalb der Euro-Zone. So wie
    die Spanier zu viel Zinsen zahlen, so zahlen wir zu we-
    nig. Allein die Entlastung durch geringere Zinsausgaben
    gegenüber der Finanzplanung, die Sie 2011 für dieses
    Jahr aufgestellt haben, beträgt 10,7 Milliarden Euro. An-
    gesichts dessen erschließt sich, warum Ihre Ausgaben
    insgesamt in etwa gleich bleiben, auch wenn sie in be-
    stimmten Ressorts steigen.

    Der entscheidende Punkt aber ist, dass Sie das Zins-
    änderungsrisiko – also das Risiko, dass die Zinsen wie-
    der einmal steigen, und das werden sie über kurz oder
    lang –


    (Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Richtig!)


    in Kauf nehmen und es versäumen, uns von den Finanz-
    märkten unabhängiger zu machen.


    (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Bis 2016 sind 10 Milliarden Euro Zinsen fällig!)






    Carsten Schneider (Erfurt)



    (A) (C)



    (D)(B)


    Im Gegenteil: Über die Bundesschatzbriefe konnte
    der Bürger ohne Banken, ohne Finanzsektor beim Staat
    Geld anlegen, ihm Kredite geben. Diesen direkten Zu-
    gang des Bürgers haben Sie, Herr Minister, durch eine
    Entscheidung, die Sie im Sommer getroffen haben, ab
    Ende dieses Jahres zerstört. Das ist ein weiterer Teil der
    Klientelpolitik, die Sie für den Finanzsektor und gegen
    die Interessen der Bürger in Deutschland betreiben.


    (Beifall bei der SPD – Norbert Barthle [CDU/ CSU]: Quatsch! Die Zinsausgaben steigen bis 2016 von 31 auf 41 Milliarden!)


    – Herr Kollege Barthle, die Zinsausgaben steigen vor al-
    len Dingen, weil Sie immer neue Schulden machen, die
    natürlich auch finanziert werden müssen. Das sollten Sie
    in Ihre Berechnung einbeziehen. Der Vorschlag der SPD,
    das, was wir als Alternative zu dem, was Sie heute hier
    präsentiert haben, einbringen werden, ist ein konsequenter
    Subventionsabbau. Sie haben mit dem sogenannten
    Wachstumsbeschleunigungsgesetz, lieber Kollege Meister,
    doch neue Subventionen eingeführt. Denken Sie an das
    Hotelsteuerprivileg von 1 Milliarde Euro.


    (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE] – Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Ich bitte um Vorschläge!)


    Davon wollen Sie zwar jetzt nichts mehr hören, aber es
    ist geltendes Recht in Deutschland. Wir wären sofort da-
    bei, wenn es darum ginge, das zu ändern und diese Sub-
    vention abzubauen.

    Ich gebe Ihnen ein weiteres Beispiel. Auch Sie haben
    vorhin gesagt: Gut ist alles, was Arbeit schafft. – Arbeit
    ist generell gut. Sie gehört zum Leben dazu. Entschei-
    dend ist aber, dass anständige Löhne gezahlt werden.
    Dadurch, dass Sie verhindern, dass wir hier in Deutsch-
    land zumindest einen Mindestlohn haben – wer arbeitet,
    erhält zumindest so viel, dass er davon leben kann –, ent-
    stehen dem Staat Ausgaben von über 8 Milliarden Euro.
    Das ist eine der größten Einzelsubventionen, die wir im
    Bundeshaushalt haben, die Sie nirgendwo ausgewiesen
    haben. Das wollen wir ändern.


    (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE])


    Sie haben keinerlei Vorsorge getroffen. Ich habe am
    Anfang Ihrer Konjunktureinschätzung zur Weltwirt-
    schaft ein bisschen zugehört, Herr Minister Schäuble.
    Dass sich das eintrübt, kann man sehen. Die OECD re-
    duziert ihre Prognose auf 0,8 Prozent. Wir werden das
    sehen. Wir haben das zumindest weltwirtschaftlich nicht
    in der Hand. Aber Sie hätten dafür Vorsorge treffen kön-
    nen, hätten früher und eindeutiger auch für eine gerechte
    Besteuerung in Deutschland sorgen können und müssen.

    Wir haben neben dem Haushalt noch zwei weitere
    Faktoren, die in den nächsten Jahren zu einer Belastung
    werden. Der eine Faktor ist der Investitions- und Til-
    gungsfonds. Den haben wir damals in der Großen Koali-
    tion aufgelegt. Er kostete 20 Milliarden Euro, die über
    Schulden finanziert wurden. Davon haben Sie keinen
    Cent getilgt, obwohl die Konjunktur brummt. Erst 2016

    wollen Sie das erste Mal tilgen. Ich hoffe, dass wir dann
    immer noch Aufschwung haben. Aber wenn ich mir die
    Zyklen so angucke, habe ich ernsthafte Zweifel, dass es
    einen dauerhaften Aufschwung über sechs oder sieben
    Jahre gibt. Auch da machen Sie sich also schuldig, wenn
    es um eine nachhaltige Finanzpolitik geht.

    Der zweite Faktor sind die Risiken, die wir durch die
    Euro-Krise haben. Wir haben sehr direkte Ausgaben
    durch die Abwicklungsanstalten der Banken – Hypo
    Real Estate, aber auch WestLB – und dort insbesondere
    den Schuldenschnitt für Griechenland; knapp 10 Milliar-
    den Euro. Da wird noch einiges hinzukommen. Wie viel
    das insgesamt ist, wissen wir nicht. Sie haben verhindert,
    dass wir die notwendigen Einnahmen erzielen, um diese
    Risiken und die damit verbundenen Ausgaben nicht in
    die Zukunft zu verschieben, sondern heute dafür zu be-
    zahlen. Die Risiken sind heute entstanden und haben den
    Menschen heute geholfen, vor allen Dingen denjenigen,
    die über hohe Vermögen verfügen; denn deren Einkom-
    men wurden gesichert. Das ist die Gerechtigkeitsfrage,
    vor der wir stehen, und auf die werden wir als Sozialde-
    mokraten mit einer klaren Vermögensbesteuerung auch
    eine Antwort geben.


    (Beifall bei der SPD – Otto Fricke [FDP]: Aber die geht doch zum Land! Was erzählst du da?)


    Das will ich noch als Letztes sagen – Herr Minister,
    Sie sind lange auf die Schweiz eingegangen –: Keiner
    der Sozialdemokraten hier hat ein negatives Verhältnis
    zur Schweiz; im Gegenteil: ein wunderschönes Land mit
    fleißigen Leuten.


    (Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Kavallerie!)


    Nur, eines ist auch klar, nämlich dass es kein Geschäfts-
    modell geben kann, bei dem Politik, Bankenunterstüt-
    zung und besonderer Geheimnisschutz gezielt dazu füh-
    ren, dass die Steuerbasis in einem Land erodiert, dass
    einem Land gezielt Steuern der Vermögenden abgezogen
    werden und einem anderen Land Erträge entstehen. Das
    ist unsozial. Das ist ungerecht. Deswegen wird es in der
    vorliegenden Form von uns keine Zustimmung geben.


    (Beifall bei der SPD)




Rede von Eduard Oswald
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

Vielen Dank, Kollege Carsten Schneider. – Nächster

Redner in unserer Aussprache ist für die Fraktion der
FDP unser Kollege Dr. Volker Wissing. Bitte schön,
Kollege Dr. Volker Wissing.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Volker Wissing


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)


    Besten Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen

    und Kollegen! Die Ausführungen von Herrn Kollegen
    Schneider zeigen mal wieder das klassische Bild: Je bes-
    ser die Haushaltspolitik der Regierung ist, umso schwä-
    cher werden die Argumente der Opposition.


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)






    Dr. Volker Wissing


    (A) (C)



    (D)(B)


    Sie fordern in der Finanzpolitik, insbesondere in der
    Steuerpolitik, immer das Falsche und lehnen das Rich-
    tige ab. Der Finanzminister hat es Ihnen heute noch ein-
    mal eindringlich erklärt und Sie ermahnt, den Abbau der
    kalten Progression im Bundesrat nicht länger zu blockie-
    ren, weil das eine Frage von Steuergerechtigkeit für Be-
    zieher unterer und mittlerer Einkommen ist. Aus wahl-
    taktischen Überlegungen heraus den Beziehern unterer
    und mittlerer Einkommen in Deutschland Steuergerech-
    tigkeit zu verweigern, das ist wirklich keine anständige
    Politik; das ist wirklich schäbig.


    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Haben Sie eine Gegenfinanzierung? Auf Pump! Ohne Gegenfinanzierung! – Joachim Poß [SPD]: Handwerklich schlechte Arbeit ist schäbig!)


    Das ist auch für Sozialdemokratinnen und Sozialdemo-
    kraten peinlich.

    Aber es gibt noch ein anderes Argument dafür, dass
    Sie den Abbau der kalten Progression nicht blockieren
    sollten: Der Abbau der kalten Progression ist ein aktiver
    Beitrag, ein aktives Bekenntnis zur Stabilitätspolitik, zur
    Geldwertstabilität, wie der Finanzminister ausgeführt
    hat.


    (Manfred Zöllmer [SPD]: Das ist Blödsinn!)


    Deswegen: Beenden Sie die Blockade, stimmen Sie die-
    sem notwendigen, richtigen und wichtigen Gesetz zu
    und hören Sie auf, Ihre parteitaktischen Überlegungen
    über die Interessen der Bevölkerung in Deutschland zu
    stellen!


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


    Sie fordern auch an anderer Stelle das Falsche; wir
    haben das von den Grünen heute wieder gehört. Lauthals
    wird eine Vermögensabgabe gefordert. Konkret heißt
    das für die Menschen: Sie sollen einen Teil ihrer Immo-
    bilien verkaufen, das Geld dem Staat überweisen.


    (Lachen der Abg. Priska Hinz [Herborn] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


    Das heißt für die Unternehmen: Sie sollen weniger in-
    vestieren und einen Teil der Unternehmenssubstanz an
    den Staat übertragen, so als könnte irgendeiner von Ih-
    nen durch parlamentarische Entscheidungen die Kompe-
    tenz privater Investoren ersetzen. Das, was Sie machen,
    ist nichts anderes, als dem Land Wachstumschancen zu
    nehmen, und das ist das Letzte, was wir in dieser Krise
    gebrauchen können.


    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Christian Lange [Backnang] [SPD]: Das Letzte, was wir brauchen können, sind solche Reden!)


    Die Leistung der Koalition ist, den Haushalt Schritt
    für Schritt zu konsolidieren. Damit erfüllen wir ein
    Wahlversprechen, und damit leisten wir einen Beitrag
    für solide Staatsfinanzen in ganz Europa.

    Das, was Sie mit Ihrer irrlichternden Politik wollen,
    die Sie ständig zur Euro-Krise äußern – mal wollen Sie
    Euro-Bonds, mal wollen Sie, dass die Notenpresse ange-
    worfen wird, mal suchen Sie die Lösung, indem der
    Staat die Bürgerinnen und Bürger enteignet –, ist, einen
    Weg zu finden, wie der Staat an mehr Geld kommt.


    (Joachim Poß [SPD]: Was reden Sie eigentlich?)


    Die Wahrheit ist: Nicht neues, billiges Geld ist die Lö-
    sung, sondern Strukturreformen sind der Weg aus dieser
    Krise. Die Wettbewerbsfähigkeit aller Länder der Euro-
    Zone muss wiederhergestellt werden, liebe Kolleginnen
    und Kollegen.


    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Deswegen gehen wir unseren Weg entschlossen weiter.
    Die Herstellung der Wettbewerbsfähigkeit geht am

    besten mit stabilem Geld. Dafür muss die Europäische
    Zentralbank sorgen; das ist ihre Aufgabe. Dafür hat sie
    ein Mandat, und dafür hat sie die geldpolitische Macht.


    (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Und? Und?)


    Aber die Europäische Zentralbank muss unabhängig
    bleiben.


    (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Aha!)

    Deswegen ist uns bei der Umsetzung einer europäischen
    Aufsichtsstruktur wichtig, die Unabhängigkeit der Euro-
    päischen Zentralbank streng im Auge zu haben.

    Wir haben auf nationaler Ebene eine Aufsichtsreform
    auf den Weg gebracht, die von Sachverständigen großen
    Zuspruch erfährt.


    (Manfred Zöllmer [SPD]: Da sind Sie krachend mit gescheitert mit Ihrem Vorhaben!)


    Wir haben die Unabhängigkeit der nationalen Auf-
    sicht gegenüber der Wirtschaft gestärkt. Es war damals
    ein Fehler von Rot-Grün, die Wirtschaft in die Aufsicht
    selbst zu integrieren. Die Unabhängigkeit, die wir herge-
    stellt haben, ist ein richtiger und wichtiger Schritt. Aber
    Bankenaufsicht, Finanzaufsicht darf nicht unabhängig
    vom Staat sein. Sie darf vor allen Dingen nicht unabhän-
    gig von der Fiskalpolitik agieren. Deswegen gilt es jetzt,
    genau aufzupassen.

    Hinsichtlich der europäischen Aufsicht sind wir uns
    einig: Wir brauchen sie. Wenn wir, wie wir aus der Krise
    gelernt haben, gemeinsam Risiken tragen, dann muss
    auch gemeinsam beaufsichtigt werden. Wichtig ist, zu
    erkennen, dass die Bankenaufsicht ihre Risikobewertung
    nicht von der Fiskalpolitik losgelöst machen kann.

    Wenn etwa die EBA, wie wir es gegenwärtig erleben,
    den Investoren in Staatsanleihen sagt: „Ihr müsst einen
    Risikoabschlag machen, der nicht genau zu beziffern ist
    und den wir präzisieren, wenn wir beim nächsten Mal ei-
    nen Stresstest durchführen“, dann hat das unmittelbare
    Auswirkungen auf die Investitionsbereitschaft bei euro-
    päischen Staatsanleihen.


    (Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: So ist es!)






    Dr. Volker Wissing


    (A) (C)



    (D)(B)


    Damit gibt es eine enge Verknüpfung zwischen Aufsicht
    und Fiskalpolitik. Ich bin der Meinung, dass das noch
    strenger und noch enger verknüpft werden muss.

    Wenn man diese Auffassung teilt, darf eines nicht
    passieren: Dann darf Aufsicht nicht eng mit Geldpolitik
    verknüpft sein.


    (Rainer Brüderle [FDP]: Richtig!)


    Wenn Aufsicht und Fiskalpolitik einen engen Zusam-
    menhang darstellen – davon bin ich fest überzeugt; das
    können wir in der Euro-Zone beobachten –, dann muss
    eine ganz strenge Brandmauer, eine Schutzmauer zwi-
    schen Aufsicht und Geldpolitik vorhanden sein. Das ist
    das Entscheidende. Darauf kommt es an, wenn wir eine
    europäische Aufsicht schaffen.


    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Bartholomäus Kalb [CDU/ CSU]: Die EBA ist eine tragische Gestalt!)


    Deswegen ist es klug, den Sachverstand und die
    Kompetenz der Europäischen Zentralbank – Sie haben
    das gesagt, Herr Minister – einzubeziehen. Das ist eine
    Institution, die Vertrauen in Europa hat, die Vertrauen
    genießt und deren starke Stellung wir nicht schwächen
    wollen.

    Aber es ist eben auch wichtig, das Verhältnis zwi-
    schen Fiskalpolitik und Aufsicht auf der einen Seite und
    Geldpolitik auf der anderen Seite nicht aus dem Blick zu
    verlieren. Wir haben Vertrauen, dass Sie, Herr Minister,
    das im Blick haben. Wir unterstützen Sie dabei, den Weg
    hin zu einer starken europäischen Aufsicht zu gehen.
    Das vervollständigt das, was wir als Koalition geleistet
    und noch vor uns haben: stabile Staatsfinanzen, wachs-
    tumsorientierte Steuerpolitik und strenge, effiziente Auf-
    sicht der Finanzmärkte. Das sind wir den Menschen
    schuldig. Da haben wir viel geleistet. Das, was noch vor
    uns liegt, wollen wir in der gleichen soliden und guten
    Arbeit vollenden, wie wir es in der Vergangenheit getan
    haben. Das haben wir den Menschen versprochen, und
    das werden wir am Ende auch umsetzen.

    Ich danke Ihnen.


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)