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ID1718437000

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    1. \n: 3
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 17/184 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 184. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 I n h a l t : Glückwünsche zum Geburtstag der Abge- ordneten Hans-Ulrich Klose, Bernhard Brinkmann (Hildesheim), Hans-Christian Ströbele, Helga Daub und Wolfgang Bosbach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begrüßung der neuen Abgeordneten Annette Sawade . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wahl der Abgeordneten Annette Sawade als Schriftführerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erweiterung und Abwicklung der Tagesord- nung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Absetzung der Tagesordnungspunkte 29 und 53 e . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 3: Abgabe einer Regierungserklärung durch die Bundeskanzlerin: zum G-20-Gipfel am 18./19. Juni 2012 in Los Cabos (Mexiko) . . Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin . . . . . . . Dr. Frank-Walter Steinmeier (SPD) . . . . . . . . Rainer Brüderle (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Volker Kauder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Renate Künast (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Volker Wissing (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . Gerda Hasselfeldt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Joachim Poß (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Frank Steffel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU) . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 4: Erste Beratung des von den Abgeordneten Gabriele Hiller-Ohm, Anette Kramme, Josip Juratovic, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs ei- nes Gesetzes zur Durchsetzung des Entgelt- gleichheitsgebotes für Frauen und Männer (Entgeltgleichheitsgesetz) (Drucksache 17/9781) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Andrea Nahles (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nadine Schön (St. Wendel) (CDU/CSU) . . . . Dagmar Ziegler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Cornelia Möhring (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Nicole Bracht-Bendt (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Matthias Zimmer (CDU/CSU) . . . . . . . . . Elke Ferner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jörg von Polheim (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Yvonne Ploetz (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Katharina Landgraf (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Gabriele Hiller-Ohm (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Paul Lehrieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Christel Humme (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 52: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- 21859 A 21859 C 21859 C 21859 D 21860 B 21860 C 21860 C 21865 B 21868 A 21870 A 21873 B 21875 A 21877 C 21878 D 21880 B 21881 C 21882 D 21884 C 21884 C 21885 D 21887 B 21888 C 21889 C 21890 C 21891 D 21893 C 21894 C 21896 A 21897 A 21898 B 21900 A 21901 A 21903 D Inhaltsverzeichnis II Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 zes zur Änderung des Übereinkommens vom 8. April 1959 zur Errichtung der Interamerikanischen Entwicklungsbank (Drucksache 17/9697) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Änderung des Übereinkommens vom 18. Oktober 1969 zur Errichtung der Karibischen Entwicklungsbank (Drucksache 17/9698) . . . . . . . . . . . . . . . . c) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Änderung des Übereinkommens vom 19. November 1984 zur Errichtung der Interamerikanischen Investitions- gesellschaft (Drucksache 17/9699) . . . . . . . . . . . . . . . . d) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Bun- desbesoldungs- und -versorgungsanpas- sungsgesetzes 2012/2013 (BBVAnpG 2012/2013) (Drucksache 17/9875) . . . . . . . . . . . . . . . . e) Antrag der Abgeordneten Dr. Marlies Volkmer, Bärbel Bas, Petra Ernstberger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Mehr Sicherheit bei Medizin- produkten (Drucksache 17/9932) . . . . . . . . . . . . . . . . f) Antrag der Abgeordneten Marieluise Beck (Bremen), Memet Kilic, Viola von Cramon- Taubadel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Visapolitik liberalisieren (Drucksache 17/9951) . . . . . . . . . . . . . . . . g) Antrag der Abgeordneten Markus Kurth, Ulrich Schneider, Katrin Göring-Eckardt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Zweckge- bundene und steuerfreie Übungsleiter- pauschalen und Aufwandsentschädigun- gen für bürgerschaftliches Engagement nicht auf Leistungen nach dem Zweiten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch an- rechnen (Drucksache 17/9950) . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 2: Antrag der Abgeordneten Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, Christine Buchholz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Lieferung von U-Booten an Israel stoppen (Drucksache 17/9738) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 53: a) Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 21. Oktober 2010 zur Änderung des Übereinkommens vom 9. Februar 1994 über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimm- ter Straßen mit schweren Nutzfahrzeu- gen (Drucksachen 17/9343, 17/9843) . . . . . . . b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Markenrechts- vertrag von Singapur vom 27. März 2006 (Drucksachen 17/9691, 17/9991) . . . . . . . c) – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Achten Gesetzes zur Ände- rung eisenbahnrechtlicher Vorschrif- ten (Drucksachen 17/9692, 17/9953) . . . . – Bericht des Haushaltsausschusses ge- mäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 17/9995) . . . . . . . . . . . . . d) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 4. Oktober 2003 zur Gründung des Globalen Treuhandfonds für Nutz- pflanzenvielfalt (Drucksachen 17/9696, 17/9955) . . . . . . . f) – m) Beschlussempfehlungen des Petitionsaus- schusses: Sammelübersichten 437, 438, 439, 440, 441, 442, 443 und 444 zu Peti- tionen (Drucksachen 17/9760, 17/9761, 17/9762, 17/9763, 17/9764, 17/9765, 17/9766, 17/9767) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 3: Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP: Verlängerung der Arbeit der Enquete- Kommission „Internet und digitale Gesell- schaft“ (Drucksache 17/9939) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 6: Wahl eines Mitglieds des Parlamentarischen Kontrollgremiums gemäß Artikel 45 d des Grundgesetzes (Drucksache 17/9918) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21905 A 21905 A 21905 B 21905 B 21905 C 21905 C 21905 C 21905 D 21906 A 21906 A 21906 C 21906 C 21906 D 21907 A 21907 D 21907 D Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 III Wahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 7: Wahl der Mitglieder des Sondergremiums gemäß § 3 Absatz 3 des Stabilisierungsme- chanismusgesetzes (Drucksache 17/9919) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 4: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktio- nen der CDU/CSU und FDP: Der Netzent- wicklungsplan als Meilenstein der Energie- wende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU) . . . . . . . . . Garrelt Duin (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Philipp Rösler, Bundesminister BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Johanna Voß (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Rolf Hempelmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus Breil (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thomas Bareiß (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Ulrich Kelber (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Horst Meierhofer (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Jens Koeppen (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 9: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur bundesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebotes im Recht der Si- cherungsverwahrung (Drucksache 17/9874) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Er- weiterung der jugendgerichtlichen Hand- lungsmöglichkeiten (Drucksachen 17/9389, 17/9990) . . . . . . . Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Christine Lambrecht (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Andrea Astrid Voßhoff (CDU/CSU) . . . . . . . Halina Wawzyniak (DIE LINKE) . . . . . . . . . Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ansgar Heveling (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Burkhard Lischka (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU) . . . . Tagesordnungspunkt 8: Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Klaus Ernst, Diana Golze, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Risiken der Riester-Rente offenlegen – Al- tersvorsorge von Finanzmärkten entkop- peln (Drucksache 17/9194) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) . . . . . . . Dr. Mathias Middelberg (CDU/CSU) . . . . . . Petra Hinz (Essen) (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Frank Schäffler (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . Bettina Kudla (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Ingrid Arndt-Brauer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) . . . . Björn Sänger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ralph Brinkhaus (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 5: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung ei- nes Nachtrags zum Bundeshaushalts- plan für das Haushaltsjahr 2012 (Nach- tragshaushaltsgesetz 2012) (Drucksachen 17/9040, 17/9649, 17/9650, 17/9651) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Sven-Christian Kindler, Priska Hinz (Herborn), Katja Dörner, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Energie- wende und Klimaschutz solide finanzie- ren – Nachtragshaushalt nutzen (Drucksachen 17/8919, 17/9911) . . . . . . . Stefanie Vogelsang (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 21908 B 21936 D 21908 C 21909 B 21936 D 21909 B 21909 C 21910 C 21912 A 21913 D 21914 D 21916 B 21917 B 21918 B 21919 B 21920 C 21921 D 21923 B 21924 B 21924 C 21924 D 21926 B 21927 C 21929 B 21930 C 21932 A 21933 D 21935 A 21937 A 21937 B 21938 C 21940 A 21941 B 21941 C 21943 B 21944 D 21945 B 21946 B 21947 C 21948 A 21950 B 21950 B 21950 C IV Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 Carsten Schneider (Erfurt) (SPD) . . . . . . . . . . Norbert Barthle (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP) . . . . . . . . . . . Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stefanie Vogelsang (CDU/CSU) . . . . . . . . Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lothar Binding (Heidelberg) (SPD) . . . . . . . . Otto Fricke (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bartholomäus Kalb (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 10: Erste Beratung des von den Abgeordneten Ingrid Hönlinger, Hans-Christian Ströbele, Dr. Konstantin von Notz, weiteren Abgeord- neten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Ge- setzes zur Förderung von Transparenz und zum Diskriminierungsschutz von Hinweis- geberinnen und Hinweisgebern (Whistle- blower-Schutzgesetz) (Drucksache 17/9782) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulrich Lange (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Kerstin Tack (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Heinz Golombeck (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Karin Binder (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Gitta Connemann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Gabriele Lösekrug-Möller (SPD) . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 11: a) – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Begleitung der Reform der Bundeswehr (Bundeswehrreform-Begleitgesetz – BwRefBeglG) (Drucksachen 17/9340, 17/9954) . . . . – Bericht des Haushaltsausschusses ge- mäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 17/9994) . . . . . . . . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Verteidigungsausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Katja Keul, Agnes Malczak, Monika Lazar, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: 10 Jahre Frauen in der Bundeswehr (Drucksachen 17/7351, 17/8496) . . . . . . . Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lars Klingbeil (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elke Hoff (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Harald Koch (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Agnes Brugger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Reinhard Brandl (CDU/CSU) . . . . . . . . . Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Karin Evers-Meyer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Burkhardt Müller-Sönksen (FDP) . . . . . . . . . Robert Hochbaum (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 12: Antrag der Abgeordneten Karin Roth (Esslin- gen), Marlene Rupprecht (Tuchenbach), Christoph Strässer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Wirksame Maß- nahmen gegen ausbeuterische Kinderar- beit durchsetzen (Drucksache 17/9920) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Marlene Rupprecht (Tuchenbach) (SPD) . . . Eckhard Pols (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Katrin Werner (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Pascal Kober (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Katja Dörner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Paul Lehrieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 13: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Menschenrechte und Hu- manitäre Hilfe zu dem Antrag der Abge- ordneten Volker Kauder, Ute Granold, Erika Steinbach, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Marina Schuster, Serkan Tören, Pascal Kober, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion der FDP: Fortbe- 21952 B 21952 D 21954 C 21956 A 21957 B 21958 C 21959 B 21961 A 21962 C 21963 D 21965 B 21967 C 21965 D 21966 A 21969 B 21970 D 21972 A 21973 A 21974 A 21975 D 21977 A 21977 B 21977 B 21977 C 21979 A 21980 C 21981 C 21982 B 21982 D 21984 A 21985 A 21985 C 21986 C 21987 B 21988 C 21988 D 21989 D 21991 A 21991 D 21992 D 21993 D Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 V stand des Klosters Mor Gabriel sicher- stellen (Drucksachen 17/9185, 17/9914) . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Angelika Graf (Rosenheim), Klaus Brandner, Dr. h. c. Gernot Erler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Kloster Mor Gabriel weiter schützen (Drucksache 17/9921) . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 14: a) Antrag der Fraktionen SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Rio 2012 – Nach- haltige Entwicklung jetzt umsetzen (Drucksache 17/9922) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für wirtschaftliche Zusam- menarbeit und Entwicklung zu dem An- trag der Abgeordneten Heike Hänsel, Eva Bulling-Schröter, Ulla Lötzer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Rio+20 – Globale Gerechtigkeit statt grüner Kapitalismus (Drucksachen 17/9732, 17/9988) . . . . . . . Dr. Matthias Miersch (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Josef Göppel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Michael Kauch (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Helmut Heiderich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 15: Antrag der Abgeordneten Sibylle Pfeiffer, Dr. Christian Ruck, Michael Grosse-Brömer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Dr. Christiane Ratjen-Damerau, Helga Daub, Harald Leibrecht, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Tokio-Konferenz zu einem entwicklungspolitischen Erfolg füh- ren (Drucksache 17/9923) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 16: Antrag der Abgeordneten Caren Lay, Dr. Kirsten Tackmann, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Unseriöses Inkasso zu Lasten der Verbraucherinnen und Verbraucher stop- pen (Drucksache 17/9746) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 17: Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der United Nations Interim Force in Lebanon (UNIFIL) auf Grundlage der Resolution 1701 (2006) vom 11. August 2006 und folgender Resolutionen, zuletzt 2004 (2011) vom 30. August 2011 des Si- cherheitsrates der Vereinten Nationen (Drucksache 17/9873) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Hans-Peter Bartels (SPD) . . . . . . . . . . . . Michael Link, Staatsminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Philipp Mißfelder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 18: Antrag der Abgeordneten Dr. Gerhard Schick, Dr. Thomas Gambke, Britta Haßelmann, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Auskunftspflichten der Europäischen Zentralbank einfordern und für eine ausreichende Eigenkapitalba- sis der Kreditwirtschaft sorgen (Drucksache 17/9585) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 19: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung eines pauschalierenden Entgeltsystems für psychiatrische und psychosomatische Einrichtungen (Psych-Entgeltgesetz – PsychEntgG) (Drucksachen 17/8986, 17/9992) . . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit – zu dem Antrag der Abgeordneten Harald Weinberg, Dr. Martina Bunge, Dr. Ilja Seifert, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Ergeb- nisoffene Prüfung der Fallpauscha- len in Krankenhäusern – zu dem Antrag der Abgeordneten Maria Klein-Schmeink, Dr. Harald Terpe, Birgitt Bender, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Einführung eines pauschalierenden psychiatri- schen Entgeltsystems zur qualitati- 21994 B 21994 C 21994 D 21994 B 21995 A 21996 C 21997 C 21998 B 21999 D 22000 D 22002 A 22002 B 22002 C 22002 D 22003 C 22004 D 22006 B 22007 B 22008 B 22009 B 22009 B VI Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 ven Weiterentwicklung der Versor- gung nutzen (Drucksachen 17/5119, 17/9169, 17/9992) Tagesordnungspunkt 20: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für die Angelegenheiten der Euro- päischen Union zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP: Übersetzungserfor- dernisse der nationalen Parlamente in der mehrjährigen EU-Finanzplanung 2014 bis 2020 berücksichtigen – Übersetzungen auch im intergouvernementalen Rahmen sicherstellen (Drucksachen 17/9736, 17/10003) . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 21: Antrag der Abgeordneten Uwe Beckmeyer, Gustav Herzog, Garrelt Duin, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der SPD: Für eine zukunftsfähige Wasser- und Schifffahrts- verwaltung des Bundes und ein modernes Wasserstraßenmanagement (Drucksache 17/9743) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 22: a) Antrag der Abgeordneten Dorothee Bär, Markus Grübel, Harald Weinberg, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/ CSU sowie der Abgeordneten Miriam Gruß, Nicole Bracht-Bendt, Florian Bernschneider, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Tagespflegepersonen stärken – Qualifikation steigern (Drucksache 17/9925) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung über den Stand des Ausbaus für ein bedarfsge- rechtes Angebot an Kindertagesbetreu- ung für Kinder unter drei Jahren für das Berichtsjahr 2011 (Dritter Zwi- schenbericht zur Evaluation des Kin- derförderungsgesetzes) (Drucksache 17/9850) . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 23: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Tourismus zu dem Antrag der Abgeordneten Gabriele Hiller-Ohm, Silvia Schmidt (Eisleben), Elvira Drobinski-Weiß, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Barrierefreier Tourismus für alle (Drucksachen 17/5913, 17/9853) . . . . . . . . . . Christian Hirte (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Klaus Brähmig (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Gabriele Hiller-Ohm (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Jens Ackermann (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Markus Tressel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 24: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Bildung, Forschung und Tech- nikfolgenabschätzung zu dem Antrag der Ab- geordneten Tankred Schipanski, Albert Rupprecht (Weiden), Michael Kretschmer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Dr. Martin Neumann (Lausitz), Dr. Peter Röhlinger, Patrick Meinhardt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Potenziale der Ein- richtungen des Bundes mit Ressortfor- schungsaufgaben stärken (Drucksachen 17/7183, 17/9912) . . . . . . . . . . Tankred Schipanski (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Eckhardt Rehberg (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . René Röspel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Martin Neumann (Lausitz) (FDP) . . . . . . Dr. Petra Sitte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Krista Sager (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 25: Antrag der Abgeordneten Ulla Jelpke, Dr. Barbara Höll, Jan Korte, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion DIE LINKE: Wirk- samer Schutz für Flüchtlinge, die wegen ihrer sexuellen Identität verfolgt werden (Drucksache 17/9193) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Helmut Brandt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Rüdiger Veit (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP) . . . . . . . . Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 26: Antrag der Abgeordneten Marcus Weinberg (Hamburg), Michael Kretschmer, Peter Altmaier, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Sylvia Canel, Dr. Martin Neumann (Lausitz), Patrick Meinhardt, weiterer Abgeordneter und der 22009 C 22010 A 22010 B 22010 C 22010 D 22010 D 22011 A 22012 A 22013 A 22014 B 22015 A 22016 A 22017 A 22017 B 22018 B 22019 D 22021 A 22022 A 22022 D 22023 D 22024 A 22025 D 22027 B 22027 C 22029 A Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 VII Fraktion der FDP: Initiative zur Stärkung der Exzellenz in der Lehrerausbildung (Drucksache 17/9937) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU) . . Florian Hahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) . . . . . . . . . Sylvia Canel (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Rosemarie Hein (DIE LINKE) . . . . . . . . . Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 27: Antrag der Abgeordneten Stephan Kühn, Dr. Anton Hofreiter, Dr. Valerie Wilms, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Verbesserung des Schienenverkehrs zwischen Deutschland und Polen (Drucksache 17/9947) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulrich Lange (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Jens Koeppen (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Joachim Hacker (SPD) . . . . . . . . . . . . . Werner Simmling (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Sabine Leidig (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 28: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Tourismus – zu dem Antrag der Abgeordneten Marlene Mortler, Ingbert Liebing, Dr. Michael Fuchs, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Helga Daub, Horst Meierhofer, Jens Ackermann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Kinder- und Jugendtouris- mus unterstützen und weiter fördern – zu dem Antrag der Abgeordneten Gabriele Hiller-Ohm, Elvira Drobinski- Weiß, Hans-Joachim Hacker, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Reisen für Kinder und Jugendli- che ermöglichen – Förderung sicher- stellen und „Aktionsplan Kinder- und Jugendtourismus in Deutschland“ weiterentwickeln (Drucksachen 17/8451, 17/8924, 17/9913) b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Tourismus zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Ilja Seifert, Dr. Dietmar Bartsch, Herbert Behrens, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Mitgliedschaft in der Inter- national Organisation of Social Tourism (Drucksachen 17/4844, 17/9308) . . . . . . . Marlene Mortler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Ingbert Liebing (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Gabriele Hiller-Ohm (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Helga Daub (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 31: Antrag der Fraktionen SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Die Menschenrechte in Zentralasien stärken (Drucksache 17/9924) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jürgen Klimke (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Ullrich Meßmer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Marina Schuster (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Katrin Werner (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 30: Antrag der Abgeordneten Dr. Joachim Pfeiffer, Andreas G. Lämmel, Thomas Bareiß, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Martin Lindner (Berlin), Claudia Bögel, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion der FDP: Neue Heraus- forderungen der regionalen Wirtschafts- struktur meistern – GRW fortführen und EU-Kohäsionspolitik zukunftsorientiert ge- stalten (Drucksache 17/9938) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Andreas G. Lämmel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Doris Barnett (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Claudia Bögel (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Johanna Voß (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Lisa Paus (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 36: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Wirtschaft und Technologie zu dem Antrag der Abgeordneten Marco Bülow, Dirk Becker, Gerd Bollmann, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der SPD: Keine 22029 D 22030 A 22031 A 22031 D 22034 D 22035 C 22036 D 22037 C 22037 D 22039 A 22039 D 22040 D 22041 C 22043 A 22044 A 22044 B 22044 B 22045 C 22046 D 22047 D 22048 D 22050 A 22050 A 22051 C 22052 D 22054 A 22055 C 22056 B 22056 C 22058 A 22059 A 22059 C 22060 B VIII Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 deutsche Zustimmung zu einer europäi- schen Förderung der Atomenergie (Drucksachen 17/9554, 17/9799) . . . . . . . . . . Thomas Bareiß (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Franz Obermeier (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Marco Bülow (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus Breil (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sabine Stüber (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 32: Zweite und dritte Beratung des vom Bundes- rat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Vereinfachung des Elterngeldvollzugs (Drucksachen 17/1221, 17/9841) . . . . . . . . . . Nadine Schön (St. Wendel) (CDU/CSU) . . . . . Caren Marks (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Miriam Gruß (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jörn Wunderlich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Katja Dörner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 33: Antrag der Abgeordneten Dr. Harald Terpe, Tom Koenigs, Hans-Christian Ströbele, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Eigengebrauch von Cannabis wirksam entkriminalisieren – Nationale und internationale Drogenpolitik evaluieren (Drucksache 17/9948) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Karin Maag (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . Angelika Graf (Rosenheim) (SPD) . . . . . . . . . Christine Aschenberg-Dugnus (FDP) . . . . . . Frank Tempel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 34: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines … Strafrechts- änderungsgesetzes – Beschränkung der Möglichkeit zur Strafmilderung bei Aufklä- rungs- und Präventionshilfe (… StrÄndG) (Drucksache 17/9695) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ansgar Heveling (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Burkhard Lischka (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Halina Wawzyniak (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 35: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Geset- zes zur Änderung wohnungsrechtlicher Vorschriften (Drucksache 17/9851) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gero Storjohann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Daniela Ludwig (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Michael Groß (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Petra Müller (Aachen) (FDP) . . . . . . . . . . . . Heidrun Bluhm (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Daniela Wagner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 38: Antrag der Abgeordneten Sönke Rix, Ute Kumpf, Petra Crone, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeord- neten Ulrich Schneider, Ekin Deligöz, Katja Dörner, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Freiwilli- gendienste in zivilgesellschaftlicher Verant- wortung stärken (Drucksache 17/9926) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Peter Tauber (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Sönke Rix (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ute Kumpf (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Florian Bernschneider (FDP) . . . . . . . . . . . . Harald Koch (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Ulrich Schneider (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 37: Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP: Für effektive EU-Regeln zur Beteili- gungstransparenz an börsennotierten Unter- nehmen und die Möglichkeit des Stimmrechts- verlustes von Aktionären bei Verstößen gegen Meldepflichten aus den §§ 25, 25 a des Wertpapierhandelsgesetzes in der Fas- sung des Anlegerschutz- und Funktions- verbesserungsgesetzes (Drucksache 17/9940) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ralph Brinkhaus (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 22061 B 22061 B 22062 C 22063 B 22064 B 22065 B 22066 A 22067 A 22067 B 22068 B 22069 C 22070 A 22070 D 22071 D 22071 D 22073 C 22074 C 22075 B 22076 A 22077 A 22077 B 22078 B 22078 D 22079 C 22080 B 22081 A 22081 A 22082 B 22083 B 22084 A 22084 D 22085 C 22085 D 22086 A 22087 B 22088 A 22089 B 22090 A 22092 A 22092 D 22092 D Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 IX Ingo Egloff (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Frank Schäffler (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Harald Koch (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 40: Antrag der Abgeordneten Michael Groschek, Uta Zapf, Rainer Arnold, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der SPD sowie der Ab- geordneten Katja Keul, Volker Beck (Köln), Marieluise Beck (Bremen), weiterer Abgeord- neter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Für einen wirkungsvollen UN- Waffenhandelsvertrag (Arms Trade Treaty) (Drucksache 17/9927) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Roderich Kiesewetter (CDU/CSU) . . . . . . . . . Michael Groschek (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Christoph Schnurr (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE) . . . . . . . . . Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 39: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Umwelt, Naturschutz und Reak- torsicherheit – zu dem Antrag der Abgeordneten Frank Schwabe, Dirk Becker, Gerd Bollmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Klimaziel der EU auf 30 Pro- zent anheben – zu dem Antrag der Abgeordneten Eva Bulling-Schröter, Dorothée Menzner, Ralph Lenkert, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Europäisches Kli- maschutzziel für 2020 auf 30 Prozent Treibhausgasminderung erhöhen – Über- schüssige Emissionsrechte stilllegen – zu dem Antrag der Abgeordneten Bärbel Höhn, Dr. Hermann E. Ott, Hans-Josef Fell, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: EU- Klimaziel anheben – 30 Prozent Emis- sionsminderung bis 2020 (Drucksachen 17/9561, 17/9562, 17/9175, 17/9993) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Andreas Jung (Konstanz) (CDU/CSU) . . . . . . Frank Schwabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Kauch (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . . Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 41: Antrag der Abgeordneten Uwe Beckmeyer, Sören Bartol, Martin Burkert, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der SPD: Schutz- und Sicherheitskonzepte für den Bau und Betrieb von Offshore-Windparkanlagen weiterentwickeln (Drucksache 17/9928) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Matthias Lietz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Hans-Werner Kammer (CDU/CSU) . . . . . . . . Uwe Beckmeyer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Torsten Staffeldt (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Herbert Behrens (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 43: Antrag der Abgeordneten Hans-Joachim Hacker, Sören Bartol, Uwe Beckmeyer, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Neuausrichtung der Bundesanstalt für Im- mobilienaufgaben (Drucksache 17/9930) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Norbert Brackmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Alois Karl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Joachim Hacker (SPD) . . . . . . . . . . . . Heinz-Peter Haustein (FDP) . . . . . . . . . . . . . Inge Höger (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . Daniela Wagner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 42: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Menschenrechte und Hu- manitäre Hilfe zu dem Entschließungsan- trag der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Tom Koenigs, Josef Philip Winkler, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN zu der Beratung der Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Tom Koenigs, Manuel Sarrazin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: 22094 A 22094 C 22095 B 22096 B 22097 B 22097 B 22098 C 22099 B 22100 B 22101 A 22102 B 22102 B 22104 A 22105 A 22105 D 22106 C 22107 D 22108 A 22108 D 22109 C 22110 B 22110 C 22111 B 22112 A 22112 A 22113 B 22114 C 22115 C 22116 D 22117 C X Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 Zur Situation von Roma in der Euro- päischen Union und in den (potentiel- len) EU-Beitrittskandidatenstaaten (Drucksachen 17/8868, 17/5536, 17/7131, 17/9915) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des In- nenausschusses zu dem Entschließungsan- trag der Abgeordneten Tom Koenigs, Volker Beck (Köln), Josef Philip Winkler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu der Be- ratung der Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Tom Koenigs, Manuel Sarrazin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Zur Situation von Roma in der Europäischen Union und in den (potentiellen) EU-Beitrittskandidaten- staaten (Drucksachen 17/8869, 17/5536, 17/7131, 17/9723) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Frieser (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Angelika Graf (Rosenheim) (SPD) . . . . . . . . . Pascal Kober (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Annette Groth (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 44: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für die Angelegenheiten der Euro- päischen Union zu dem Antrag der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ehr- licher Dialog über europäische Grund- werte und Grundrechte in Ungarn (Drucksachen 17/9032, 17/10004) . . . . . . . . . Dr. Johann Wadephul (CDU/CSU) . . . . . . . . . Karl Holmeier (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Michael Roth (Heringen) (SPD) . . . . . . . . . . . Joachim Spatz (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thomas Nord (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 45: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Arbeit und Soziales – zu dem Antrag der Abgeordneten Angelika Krüger-Leißner, Anette Kramme, Siegmund Ehrmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Die Schutzfunktion der Arbeitslosenversicherung stärken – Rahmenfrist verlängern – Regelung für kurz befristet Beschäftigte weiterentwi- ckeln – zu dem Antrag der Abgeordneten Sabine Zimmermann, Jutta Krellmann, Dr. Lukrezia Jochimsen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Arbeitslosengeld statt Hartz IV – Zugang zur Arbeitslo- senversicherung erleichtern – zu dem Antrag der Abgeordneten Brigitte Pothmer, Fritz Kuhn, Agnes Krumwiede, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Flexibel Beschäftigte in der Arbeitslosenversi- cherung besser absichern (Drucksachen 17/8574, 17/8586, 17/8579, 17/9612) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Max Straubinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Angelika Krüger-Leißner (SPD) . . . . . . . . . . Johannes Vogel (Lüdenscheid) (FDP) . . . . . . Jutta Krellmann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . Anlage 2 Namensverzeichnis der Mitglieder des Deut- schen Bundestages, die an der Wahl eines Mitglieds des Parlamentarischen Kontrollgre- miums gemäß Artikel 45 d des Grundgesetzes teilgenommen haben (Tagesordnungspunkt 6) Anlage 3 Namensverzeichnis der Mitglieder des Deut- schen Bundestages, die an der Wahl der Mitglieder des Sondergremiums gemäß § 3 Absatz 2 des Stabilisierungsmechanismusge- setzes teilgenommen haben (Tagesordnungs- punkt 7) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Ingrid Remmers, Ulla Jelpke, Kersten Steinke und Sabine Stüber (alle DIE LINKE) zur Ab- stimmung über die Beschlussempfehlung: Sammelübersicht 444 zu Petitionen (Tages- ordnungspunkt 53 m) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22118 B 22118 C 22118 D 22120 A 22121 C 22122 B 22123 C 22124 C 22125 A 22126 A 22127 D 22128 C 22129 A 22130 A 22131 B 22131 C 22132 D 22134 B 22135 A 22135 D 22136 D 22137 A 22137 B 22140 A 22142 A Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 XI Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Frank Schäffler (FDP) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes über die Feststel- lung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 2012 (Nachtragshaus- haltsgesetz 2012) (Tagesordnungspunkt 5 a) . Anlage 6 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Klaus-Peter Willsch und Manfred Kolbe (CDU/CSU) zur Abstimmung über den Ent- wurf eines Gesetzes über die Feststellung ei- nes Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 2012 (Nachtragshaushalts- gesetz 2012) (Tagesordnungspunkt 5 a) . . . . . Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des Antrags: Wirksame Maßnahmen gegen aus- beuterische Kinderarbeit durchsetzen (Tages- ordnungspunkt 12) Stefan Rebmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Beschlussempfehlung und Bericht zu dem Antrag: Fortbestand des Klosters Mor Gabriel sicherstellen – Antrag: – Kloster Mor Gabriel weiter schüt- zen (Tagesordnungspunkt 13 a und b) Ute Granold (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . Frank Heinrich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Angelika Graf (Rosenheim) (SPD) . . . . . . . . . Pascal Kober (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Lukrezia Jochimsen (DIE LINKE) . . . . . . Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Tokio-Konferenz zu einem ent- wicklungspolitischen Erfolg führen (Tages- ordnungspunkt 15) Sibylle Pfeiffer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Roderich Kiesewetter (CDU/CSU) . . . . . . . . . Stefan Rebmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Christiane Ratjen-Damerau (FDP) . . . . . Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Ute Koczy (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Unseriöses Inkasso zu Lasten der Verbraucherinnen und Verbraucher stop- pen (Tagesordnungspunkt 16) Marco Wanderwitz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Mechthild Heil (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Kerstin Tack (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stephan Thomae (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Erik Schweickert (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Caren Lay (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Auskunftspflichten der Europäi- schen Zentralbank einfordern und für eine ausreichende Eigenkapitalbasis der Kredit- wirtschaft sorgen (Tagesordnungspunkt 18) Ralph Brinkhaus (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Manfred Zöllmer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Holger Krestel (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Axel Troost (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 12 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Entwurf eines Gesetzes zur Einführung eines pauschalierenden Entgeltsystems für psychiatrische und psychosomatische Einrichtungen (Psych-Entgeltgesetz – PsychEntgG) – Beschlussempfehlung und Bericht zu den Anträgen: – Ergebnisoffene Prüfung der Fallpau- schalen in Krankenhäusern – Einführung eines pauschalierenden psy- chiatrischen Entgeltsystems zur qualita- tiven Weiterentwicklung der Versor- gung nutzen (Tagesordnungspunkt 19 a und b) Lothar Riebsamen (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 22143 A 22143 B 22143 D 22144 D 22145 D 22147 A 22148 B 22149 B 22149 D 22151 B 22152 C 22153 C 22154 B 22155 D 22156 C 22157 C 22158 B 22159 B 22160 D 22161 C 22162 C 22163 B 22164 A 22165 B 22166 B 22166 D 22167 B 22168 C XII Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 Hilde Mattheis (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Erwin Lotter (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Harald Weinberg (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 13 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts zu dem Antrag: Übersetzungserfordernisse der nationalen Parlamente in der mehrjährigen EU-Finanzplanung 2014 – 2020 berücksichti- gen – Übersetzungen auch im intergouverne- mentalen Rahmen sicherstellen (Tagesord- nungspunkt 20) Thomas Dörflinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Alois Karl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Roth (Heringen) (SPD) . . . . . . . . . . . Dr. Stefan Ruppert (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Andrej Hunko (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 14 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Für eine zukunftsfähige Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes und ein modernes Wasserstraßenmanagement (Ta- gesordnungspunkt 21) Matthias Lietz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Hans-Werner Kammer (CDU/CSU) . . . . . . . . Uwe Beckmeyer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gustav Herzog (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Torsten Staffeldt (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Herbert Behrens (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 15 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Antrag: Tagespflegepersonen stärken – Qualifikation steigern – Unterrichtung: Bericht der Bundesregie- rung über den Stand des Ausbaus für ein bedarfsgerechtes Angebot an Kindertages- betreuung für Kinder unter drei Jahren für das Berichtsjahr 2011 (Dritter Zwischen- bericht zur Evaluation des Kinderförde- rungsgesetzes) (Tagesordnungspunkt 22 a und b) Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU) . . Norbert Geis (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Caren Marks (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Miriam Gruß (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diana Golze (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . Katja Dörner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 16 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung: – Beschlussempfehlung zu den Anträgen – Kinder- und Jugendtourismus unter- stützen und weiter fördern – Reisen für Kinder und Jugendliche er- möglichen – Förderung sicherstellen und „Aktionsplan Kinder- und Jugendtou- rismus in Deutschland“ weiterentwi- ckeln – Beschlussempfehlung zu dem Antrag: – Mitgliedschaft in der International Or- ganisation of Social Tourism (Tagesordnungspunkt 28 a und b) Markus Tressel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 17 Erklärung der Abgeordneten Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstim- mung über die Beschlussempfehlung zu dem Antrag: Potenziale der Einrichtungen des Bundes mit Ressortforschungsaufgaben stär- ken (Tagesordnungspunkt 24) . . . . . . . . . . . . 22169 B 22170 D 22171 D 22173 A 22173 D 22175 A 22176 B 22177 B 22178 A 22178 D 22179 B 22180 C 22181 C 22182 B 22183 B 22184 A 22184 C 22185 B 22186 C 22187 C 22188 C 22189 D 22190 C 22191 B 22192 A 22193 C Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 21859 (A) (C) (D)(B) 184. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 Beginn: 9.01 Uhr
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    Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 22137 (A) (C) (D)(B) Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Bär, Dorothee CDU/CSU 14.06.2012 Bätzing-Lichtenthäler, Sabine SPD 14.06.2012 Bellmann, Veronika CDU/CSU 14.06.2012 Brinkmann (Hildes- heim), Bernhard SPD 14.06.2012 Dyckmans, Mechthild FDP 14.06.2012 Gohlke, Nicole DIE LINKE 14.06.2012 Hoppe, Thilo BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 14.06.2012 Kauder (Villingen- Schwenningen), Siegfried CDU/CSU 14.06.2012 Krichbaum, Gunther CDU/CSU 14.06.2012 Lemme, Steffen-Claudio SPD 14.06.2012 Leutheusser- Schnarrenberger, Sabine FDP 14.06.2012 Lindner, Christian FDP 14.06.2012 Menzner, Dorothée DIE LINKE 14.06.2012 Möller, Kornelia DIE LINKE 14.06.2012 Otto (Frankfurt), Hans-Joachim FDP 14.06.2012 Dr. Reinemund, Birgit FDP 14.06.2012 Rößner, Tabea BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 14.06.2012 Roth (Esslingen), Karin SPD 14.06.2012 Schmidt (Eisleben), Silvia SPD 14.06.2012 Schreiner, Ottmar SPD 14.06.2012 Süßmair, Alexander DIE LINKE 14.06.2012 Wagner, Daniela BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 14.06.2012 Dr. Westerwelle, Guido FDP 14.06.2012 Zapf, Uta SPD 14.06.2012 Zimmermann, Sabine DIE LINKE 14.06.2012 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Anlage 2 Namensverzeichnis der Mitglieder des Deutschen Bundestages, die an der Wahl eines Mitglieds des Parlamentarischen Kon- trollgremiums gemäß Artikel 45 d des Grundgesetzes teilgenommen haben (Tagesordnungspunkt 6) CDU/CSU Ilse Aigner Peter Altmaier Peter Aumer Thomas Bareiß Norbert Barthle Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen) Manfred Behrens (Börde) Dr. Christoph Bergner Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Dr. Maria Böhmer Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Wolfgang Bosbach Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Gitta Connemann Alexander Dobrindt Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Dr. Thomas Feist Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Hartwig Fischer (Göttingen) Dirk Fischer (Hamburg) Axel E. Fischer (Karlsruhe- Land) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Michael Frieser Erich G. Fritz Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Ingo Gädechens Dr. Peter Gauweiler Dr. Thomas Gebhart Norbert Geis Alois Gerig Eberhard Gienger Michael Glos Josef Göppel Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Ute Granold Reinhard Grindel Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Anlagen 22138 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 (A) (C) (D)(B) Manfred Grund Monika Grütters Olav Gutting Florian Hahn Dr. Stephan Harbarth Jürgen Hardt Gerda Hasselfeldt Dr. Matthias Heider Helmut Heiderich Mechthild Heil Ursula Heinen-Esser Frank Heinrich Rudolf Henke Michael Hennrich Jürgen Herrmann Ansgar Heveling Ernst Hinsken Peter Hintze Christian Hirte Robert Hochbaum Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Joachim Hörster Anette Hübinger Thomas Jarzombek Dieter Jasper Dr. Franz Josef Jung Andreas Jung (Konstanz) Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kampeter Alois Karl Bernhard Kaster Volker Kauder Dr. Stefan Kaufmann Roderich Kiesewetter Eckart von Klaeden Ewa Klamt Volkmar Klein Jürgen Klimke Axel Knoerig Jens Koeppen Manfred Kolbe Dr. Rolf Koschorrek Thomas Kossendey Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Bettina Kudla Dr. Hermann Kues Günter Lach Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) Andreas G. Lämmel Katharina Landgraf Ulrich Lange Dr. Max Lehmer Paul Lehrieder Dr. Ursula von der Leyen Ingbert Liebing Matthias Lietz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Dr. Jan-Marco Luczak Daniela Ludwig Dr. Michael Luther Karin Maag Dr. Thomas de Maizière Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Stephan Mayer (Altötting) Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Dr. Mathias Middelberg Philipp Mißfelder Dietrich Monstadt Marlene Mortler Dr. Gerd Müller Stefan Müller (Erlangen) Dr. Philipp Murmann Bernd Neumann (Bremen) Michaela Noll Dr. Georg Nüßlein Franz Obermeier Eduard Oswald Henning Otte Dr. Michael Paul Rita Pawelski Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Beatrix Philipp Ronald Pofalla Christoph Poland Ruprecht Polenz Eckhard Pols Thomas Rachel Dr. Peter Ramsauer Eckhardt Rehberg Katherina Reiche (Potsdam) Lothar Riebsamen Josef Rief Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Johannes Röring Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Erwin Rüddel Albert Rupprecht (Weiden) Anita Schäfer (Saalstadt) Dr. Wolfgang Schäuble Dr. Andreas Scheuer Karl Schiewerling Norbert Schindler Tankred Schipanski Georg Schirmbeck Christian Schmidt (Fürth) Patrick Schnieder Dr. Andreas Schockenhoff Nadine Schön (St. Wendel) Dr. Kristina Schröder (Wiesbaden) Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Armin Schuster (Weil am Rhein) Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Jens Spahn Carola Stauche Dr. Frank Steffel Erika Steinbach Christian Freiherr von Stetten Dieter Stier Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Karin Strenz Thomas Strobl (Heilbronn) Lena Strothmann Michael Stübgen Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Volkmar Vogel (Kleinsaara) Stefanie Vogelsang Andrea Astrid Voßhoff Dr. Johann Wadephul Marco Wanderwitz Kai Wegner Marcus Weinberg (Hamburg) Peter Weiß (Emmendingen) Sabine Weiss (Wesel I) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Elisabeth Winkelmeier- Becker Dagmar G. Wöhrl Dr. Matthias Zimmer Wolfgang Zöller Willi Zylajew SPD Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Heinz-Joachim Barchmann Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Klaus Barthel Sören Bartol Dirk Becker Uwe Beckmeyer Lothar Binding (Heidelberg) Gerd Bollmann Klaus Brandner Willi Brase Bernhard Brinkmann (Hildesheim) Edelgard Bulmahn Marco Bülow Ulla Burchardt Martin Burkert Petra Crone Dr. Peter Danckert Elvira Drobinski-Weiß Garrelt Duin Sebastian Edathy Ingo Egloff Siegmund Ehrmann Dr. h. c. Gernot Erler Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Elke Ferner Gabriele Fograscher Dr. Edgar Franke Dagmar Freitag Michael Gerdes Martin Gerster Iris Gleicke Günter Gloser Ulrike Gottschalck Angelika Graf (Rosenheim) Kerstin Griese Michael Groschek Michael Groß Wolfgang Gunkel Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Michael Hartmann (Wackernheim) Hubertus Heil (Peine) Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Gustav Herzog Gabriele Hiller-Ohm Petra Hinz (Essen) Frank Hofmann (Volkach) Dr. Eva Högl Christel Humme Josip Juratovic Oliver Kaczmarek Johannes Kahrs Dr. h. c. Susanne Kastner Ulrich Kelber Lars Klingbeil Dr. Bärbel Kofler Daniela Kolbe (Leipzig) Fritz Rudolf Körper Anette Kramme Angelika Krüger-Leißner Ute Kumpf Christine Lambrecht Christian Lange (Backnang) Dr. Karl Lauterbach Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Kirsten Lühmann Caren Marks Hilde Mattheis Petra Merkel (Berlin) Ullrich Meßmer Dr. Matthias Miersch Franz Müntefering Dr. Rolf Mützenich Andrea Nahles Dietmar Nietan Manfred Nink Thomas Oppermann Holger Ortel Aydan Özoğuz Heinz Paula Johannes Pflug Joachim Poß Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Mechthild Rawert Stefan Rebmann Gerold Reichenbach Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 22139 (A) (C) (D)(B) Dr. Carola Reimann Sönke Rix René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Michael Roth (Heringen) Marlene Rupprecht (Tuchenbach) Annette Sawade Axel Schäfer (Bochum) Bernd Scheelen Marianne Schieder (Schwandorf) Werner Schieder (Weiden) Ulla Schmidt (Aachen) Carsten Schneider (Erfurt) Swen Schulz (Spandau) Ewald Schurer Frank Schwabe Dr. Martin Schwanholz Rolf Schwanitz Stefan Schwartze Rita Schwarzelühr-Sutter Dr. Carsten Sieling Sonja Steffen Peer Steinbrück Dr. Frank-Walter Steinmeier Christoph Strässer Kerstin Tack Dr. h. c. Wolfgang Thierse Franz Thönnes Wolfgang Tiefensee Rüdiger Veit Ute Vogt Dr. Marlies Volkmer Andrea Wicklein Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Dieter Wiefelspütz Waltraud Wolff (Wolmirstedt) Dagmar Ziegler Manfred Zöllmer Brigitte Zypries FDP Jens Ackermann Christian Ahrendt Christine Aschenberg- Dugnus Daniel Bahr (Münster) Florian Bernschneider Sebastian Blumenthal Claudia Bögel Nicole Bracht-Bendt Klaus Breil Rainer Brüderle Angelika Brunkhorst Ernst Burgbacher Marco Buschmann Sylvia Canel Helga Daub Reiner Deutschmann Bijan Djir-Sarai Patrick Döring Rainer Erdel Jörg van Essen Ulrike Flach Otto Fricke Dr. Edmund Peter Geisen Dr. Wolfgang Gerhardt Hans-Michael Goldmann Heinz Golombeck Miriam Gruß Joachim Günther (Plauen) Dr. Christel Happach-Kasan Heinz-Peter Haustein Manuel Höferlin Elke Hoff Birgit Homburger Heiner Kamp Michael Kauch Dr. Lutz Knopek Pascal Kober Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Dr. h. c. Jürgen Koppelin Sebastian Körber Holger Krestel Patrick Kurth (Kyffhäuser) Heinz Lanfermann Sibylle Laurischk Harald Leibrecht Lars Lindemann Dr. Martin Lindner (Berlin) Michael Link (Heilbronn) Dr. Erwin Lotter Oliver Luksic Horst Meierhofer Patrick Meinhardt Gabriele Molitor Jan Mücke Petra Müller (Aachen) Burkhardt Müller-Sönksen Dr. Martin Neumann (Lausitz) Dirk Niebel Cornelia Pieper Gisela Piltz Jörg von Polheim Dr. Christiane Ratjen- Damerau Dr. Peter Röhlinger Dr. Stefan Ruppert Björn Sänger Frank Schäffler Christoph Schnurr Jimmy Schulz Marina Schuster Dr. Erik Schweickert Werner Simmling Judith Skudelny Dr. Hermann Otto Solms Joachim Spatz Dr. Max Stadler Torsten Staffeldt Dr. Rainer Stinner Stephan Thomae Manfred Todtenhausen Florian Toncar Serkan Tören Johannes Vogel (Lüdenscheid) Dr. Daniel Volk Dr. Claudia Winterstein Hartfrid Wolff (Rems-Murr) DIE LINKE Jan van Aken Agnes Alpers Dr. Dietmar Bartsch Karin Binder Matthias W. Birkwald Steffen Bockhahn Christine Buchholz Eva Bulling-Schröter Dr. Martina Bunge Roland Claus Dr. Diether Dehm Heidrun Dittrich Werner Dreibus Dr. Dagmar Enkelmann Klaus Ernst Wolfgang Gehrcke Diana Golze Annette Groth Dr. Gregor Gysi Dr. Rosemarie Hein Inge Höger Dr. Barbara Höll Andrej Hunko Ulla Jelpke Dr. Lukrezia Jochimsen Katja Kipping Harald Koch Jan Korte Jutta Krellmann Katrin Kunert Caren Lay Sabine Leidig Ralph Lenkert Michael Leutert Stefan Liebich Ulla Lötzer Dr. Gesine Lötzsch Thomas Lutze Ulrich Maurer Cornelia Möhring Niema Movassat Wolfgang Nešković Thomas Nord Petra Pau Jens Petermann Richard Pitterle Yvonne Ploetz Ingrid Remmers Paul Schäfer (Köln) Michael Schlecht Dr. Ilja Seifert Kathrin Senger-Schäfer Raju Sharma Dr. Petra Sitte Kersten Steinke Sabine Stüber Dr. Kirsten Tackmann Frank Tempel Dr. Axel Troost Alexander Ulrich Kathrin Vogler Johanna Voß Sahra Wagenknecht Halina Wawzyniak Harald Weinberg Katrin Werner Jörn Wunderlich BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Marieluise Beck (Bremen) Volker Beck (Köln) Cornelia Behm Birgitt Bender Agnes Brugger Viola von Cramon-Taubadel Ekin Deligöz Katja Dörner Harald Ebner Hans-Josef Fell Dr. Thomas Gambke Kai Gehring Katrin Göring-Eckardt Britta Haßelmann Bettina Herlitzius Priska Hinz (Herborn) Dr. Anton Hofreiter Bärbel Höhn Ingrid Hönlinger Uwe Kekeritz Katja Keul Sven-Christian Kindler Maria Klein-Schmeink Ute Koczy Tom Koenigs Sylvia Kotting-Uhl Oliver Krischer Agnes Krumwiede Stephan Kühn Renate Künast Markus Kurth Undine Kurth (Quedlinburg) Monika Lazar Dr. Tobias Lindner Nicole Maisch Jerzy Montag Kerstin Müller (Köln) Beate Müller-Gemmeke Dr. Konstantin von Notz Omid Nouripour Friedrich Ostendorff Dr. Hermann E. Ott Lisa Paus Brigitte Pothmer Claudia Roth (Augsburg) Krista Sager Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Dr. Gerhard Schick Dr. Frithjof Schmidt Ulrich Schneider Dorothea Steiner Dr. Wolfgang Strengmann- Kuhn Hans-Christian Ströbele Dr. Harald Terpe Markus Tressel Jürgen Trittin Beate Walter-Rosenheimer Wolfgang Wieland Dr. Valerie Wilms Josef Philip Winkler 22140 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 (A) (C) (D)(B) Anlage 3 Namensverzeichnis der Mitglieder des Deutschen Bundestages, die an der Wahl der Mitglieder des Sondergremiums gemäß § 3 Absatz 2 des Stabilisierungsmechanismusgesetzes teilgenommen haben (Tagesordnungspunkt 7) CDU/CSU Ilse Aigner Peter Altmaier Peter Aumer Thomas Bareiß Norbert Barthle Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen) Manfred Behrens (Börde) Dr. Christoph Bergner Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Dr. Maria Böhmer Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Wolfgang Bosbach Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Gitta Connemann Alexander Dobrindt Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Dr. Thomas Feist Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Hartwig Fischer (Göttingen) Dirk Fischer (Hamburg) Axel E. Fischer (Karlsruhe- Land) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Herbert Frankenhauser Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Michael Frieser Erich G. Fritz Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Alexander Funk Ingo Gädechens Dr. Peter Gauweiler Dr. Thomas Gebhart Norbert Geis Alois Gerig Eberhard Gienger Michael Glos Josef Göppel Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Ute Granold Reinhard Grindel Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Monika Grütters Olav Gutting Florian Hahn Dr. Stephan Harbarth Jürgen Hardt Gerda Hasselfeldt Dr. Matthias Heider Helmut Heiderich Mechthild Heil Ursula Heinen-Esser Frank Heinrich Rudolf Henke Michael Hennrich Jürgen Herrmann Ansgar Heveling Ernst Hinsken Peter Hintze Christian Hirte Robert Hochbaum Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Joachim Hörster Anette Hübinger Thomas Jarzombek Dieter Jasper Dr. Franz Josef Jung Andreas Jung (Konstanz) Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kampeter Alois Karl Bernhard Kaster Volker Kauder Dr. Stefan Kaufmann Roderich Kiesewetter Eckart von Klaeden Ewa Klamt Volkmar Klein Jürgen Klimke Axel Knoerig Jens Koeppen Manfred Kolbe Dr. Rolf Koschorrek Thomas Kossendey Michael Kretschmer Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Bettina Kudla Dr. Hermann Kues Günter Lach Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) Andreas G. Lämmel Dr. Norbert Lammert Katharina Landgraf Ulrich Lange Dr. Max Lehmer Paul Lehrieder Dr. Ursula von der Leyen Ingbert Liebing Matthias Lietz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Dr. Jan-Marco Luczak Daniela Ludwig Dr. Michael Luther Karin Maag Dr. Thomas de Maizière Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Stephan Mayer (Altötting) Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Dr. Mathias Middelberg Philipp Mißfelder Dietrich Monstadt Marlene Mortler Dr. Gerd Müller Stefan Müller (Erlangen) Dr. Philipp Murmann Bernd Neumann (Bremen) Michaela Noll Dr. Georg Nüßlein Franz Obermeier Eduard Oswald Henning Otte Dr. Michael Paul Rita Pawelski Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Beatrix Philipp Ronald Pofalla Christoph Poland Ruprecht Polenz Eckhard Pols Thomas Rachel Dr. Peter Ramsauer Eckhardt Rehberg Katherina Reiche (Potsdam) Lothar Riebsamen Josef Rief Klaus Riegert Johannes Röring Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Erwin Rüddel Albert Rupprecht (Weiden) Anita Schäfer (Saalstadt) Dr. Wolfgang Schäuble Dr. Andreas Scheuer Karl Schiewerling Norbert Schindler Tankred Schipanski Georg Schirmbeck Christian Schmidt (Fürth) Patrick Schnieder Dr. Andreas Schockenhoff Nadine Schön (St. Wendel) Dr. Kristina Schröder (Wiesbaden) Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Armin Schuster (Weil am Rhein) Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Jens Spahn Carola Stauche Dr. Frank Steffel Erika Steinbach Christian Freiherr von Stetten Dieter Stier Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Karin Strenz Thomas Strobl (Heilbronn) Lena Strothmann Michael Stübgen Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Volkmar Vogel (Kleinsaara) Stefanie Vogelsang Andrea Astrid Voßhoff Dr. Johann Wadephul Marco Wanderwitz Kai Wegner Marcus Weinberg (Hamburg) Peter Weiß (Emmendingen) Sabine Weiss (Wesel I) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Elisabeth Winkelmeier- Becker Dagmar G. Wöhrl Dr. Matthias Zimmer Wolfgang Zöller Willi Zylajew SPD Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Heinz-Joachim Barchmann Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 22141 (A) (C) (D)(B) Klaus Barthel Sören Bartol Dirk Becker Uwe Beckmeyer Lothar Binding (Heidelberg) Gerd Bollmann Klaus Brandner Willi Brase Bernhard Brinkmann (Hildesheim) Edelgard Bulmahn Marco Bülow Ulla Burchardt Martin Burkert Petra Crone Dr. Peter Danckert Martin Dörmann Elvira Drobinski-Weiß Garrelt Duin Sebastian Edathy Ingo Egloff Siegmund Ehrmann Dr. h. c. Gernot Erler Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Elke Ferner Gabriele Fograscher Dr. Edgar Franke Dagmar Freitag Michael Gerdes Martin Gerster Iris Gleicke Günter Gloser Ulrike Gottschalck Angelika Graf (Rosenheim) Kerstin Griese Michael Groschek Michael Groß Wolfgang Gunkel Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Michael Hartmann (Wackernheim) Hubertus Heil (Peine) Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Gustav Herzog Gabriele Hiller-Ohm Petra Hinz (Essen) Frank Hofmann (Volkach) Dr. Eva Högl Christel Humme Josip Juratovic Oliver Kaczmarek Johannes Kahrs Dr. h. c. Susanne Kastner Ulrich Kelber Lars Klingbeil Dr. Bärbel Kofler Daniela Kolbe (Leipzig) Fritz Rudolf Körper Anette Kramme Angelika Krüger-Leißner Ute Kumpf Christine Lambrecht Christian Lange (Backnang) Dr. Karl Lauterbach Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Kirsten Lühmann Caren Marks Hilde Mattheis Petra Merkel (Berlin) Ullrich Meßmer Dr. Matthias Miersch Franz Müntefering Dr. Rolf Mützenich Andrea Nahles Dietmar Nietan Manfred Nink Thomas Oppermann Holger Ortel Aydan Özoğuz Heinz Paula Johannes Pflug Joachim Poß Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Mechthild Rawert Stefan Rebmann Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Sönke Rix René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Michael Roth (Heringen) Marlene Rupprecht (Tuchenbach) Annette Sawade Axel Schäfer (Bochum) Bernd Scheelen Marianne Schieder (Schwandorf) Werner Schieder (Weiden) Ulla Schmidt (Aachen) Carsten Schneider (Erfurt) Swen Schulz (Spandau) Ewald Schurer Frank Schwabe Dr. Martin Schwanholz Rolf Schwanitz Stefan Schwartze Rita Schwarzelühr-Sutter Dr. Carsten Sieling Sonja Steffen Peer Steinbrück Dr. Frank-Walter Steinmeier Christoph Strässer Kerstin Tack Dr. h. c. Wolfgang Thierse Franz Thönnes Wolfgang Tiefensee Rüdiger Veit Ute Vogt Dr. Marlies Volkmer Andrea Wicklein Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Dieter Wiefelspütz Waltraud Wolff (Wolmirstedt) Dagmar Ziegler Manfred Zöllmer Brigitte Zypries FDP Jens Ackermann Christian Ahrendt Christine Aschenberg- Dugnus Daniel Bahr (Münster) Florian Bernschneider Sebastian Blumenthal Claudia Bögel Nicole Bracht-Bendt Klaus Breil Rainer Brüderle Angelika Brunkhorst Ernst Burgbacher Marco Buschmann Sylvia Canel Helga Daub Reiner Deutschmann Bijan Djir-Sarai Patrick Döring Rainer Erdel Jörg van Essen Ulrike Flach Otto Fricke Dr. Edmund Peter Geisen Dr. Wolfgang Gerhardt Hans-Michael Goldmann Heinz Golombeck Miriam Gruß Joachim Günther (Plauen) Dr. Christel Happach-Kasan Heinz-Peter Haustein Manuel Höferlin Elke Hoff Birgit Homburger Heiner Kamp Michael Kauch Dr. Lutz Knopek Pascal Kober Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Dr. h. c. Jürgen Koppelin Sebastian Körber Holger Krestel Patrick Kurth (Kyffhäuser) Heinz Lanfermann Sibylle Laurischk Harald Leibrecht Lars Lindemann Dr. Martin Lindner (Berlin) Michael Link (Heilbronn) Dr. Erwin Lotter Oliver Luksic Horst Meierhofer Patrick Meinhardt Gabriele Molitor Jan Mücke Petra Müller (Aachen) Burkhardt Müller-Sönksen Dr. Martin Neumann (Lausitz) Dirk Niebel Cornelia Pieper Gisela Piltz Jörg von Polheim Dr. Christiane Ratjen- Damerau Dr. Peter Röhlinger Dr. Stefan Ruppert Björn Sänger Frank Schäffler Christoph Schnurr Jimmy Schulz Marina Schuster Dr. Erik Schweickert Werner Simmling Judith Skudelny Dr. Hermann Otto Solms Joachim Spatz Dr. Max Stadler Torsten Staffeldt Dr. Rainer Stinner Stephan Thomae Manfred Todtenhausen Florian Toncar Serkan Tören Johannes Vogel (Lüdenscheid) Dr. Daniel Volk Dr. Claudia Winterstein Hartfrid Wolff (Rems-Murr) DIE LINKE Jan van Aken Agnes Alpers Dr. Dietmar Bartsch Karin Binder Matthias W. Birkwald Steffen Bockhahn Christine Buchholz Eva Bulling-Schröter Dr. Martina Bunge Roland Claus Dr. Diether Dehm Heidrun Dittrich Werner Dreibus Dr. Dagmar Enkelmann Klaus Ernst Wolfgang Gehrcke Diana Golze Annette Groth Dr. Gregor Gysi Dr. Rosemarie Hein Inge Höger Dr. Barbara Höll Andrej Hunko Ulla Jelpke Dr. Lukrezia Jochimsen Katja Kipping Harald Koch Jan Korte Jutta Krellmann Katrin Kunert Caren Lay Sabine Leidig Ralph Lenkert Michael Leutert Stefan Liebich Ulla Lötzer Dr. Gesine Lötzsch Thomas Lutze Ulrich Maurer Cornelia Möhring Niema Movassat Wolfgang Nešković 22142 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 (A) (C) (D)(B) Thomas Nord Petra Pau Jens Petermann Richard Pitterle Yvonne Ploetz Ingrid Remmers Paul Schäfer (Köln) Michael Schlecht Dr. Ilja Seifert Kathrin Senger-Schäfer Raju Sharma Dr. Petra Sitte Kersten Steinke Sabine Stüber Dr. Kirsten Tackmann Frank Tempel Dr. Axel Troost Alexander Ulrich Kathrin Vogler Johanna Voß Sahra Wagenknecht Halina Wawzyniak Harald Weinberg Katrin Werner Jörn Wunderlich BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Marieluise Beck (Bremen) Volker Beck (Köln) Cornelia Behm Birgitt Bender Agnes Brugger Viola von Cramon-Taubadel Ekin Deligöz Katja Dörner Harald Ebner Hans-Josef Fell Dr. Thomas Gambke Kai Gehring Katrin Göring-Eckardt Britta Haßelmann Bettina Herlitzius Priska Hinz (Herborn) Dr. Anton Hofreiter Bärbel Höhn Ingrid Hönlinger Uwe Kekeritz Katja Keul Sven-Christian Kindler Maria Klein-Schmeink Ute Koczy Tom Koenigs Sylvia Kotting-Uhl Oliver Krischer Agnes Krumwiede Stephan Kühn Renate Künast Markus Kurth Undine Kurth (Quedlinburg) Monika Lazar Dr. Tobias Lindner Nicole Maisch Jerzy Montag Kerstin Müller (Köln) Beate Müller-Gemmeke Dr. Konstantin von Notz Omid Nouripour Friedrich Ostendorff Dr. Hermann E. Ott Lisa Paus Brigitte Pothmer Claudia Roth (Augsburg) Krista Sager Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Dr. Gerhard Schick Dr. Frithjof Schmidt Ulrich Schneider Dorothea Steiner Dr. Wolfgang Strengmann- Kuhn Hans-Christian Ströbele Dr. Harald Terpe Markus Tressel Jürgen Trittin Beate Walter-Rosenheimer Wolfgang Wieland Dr. Valerie Wilms Josef Philip Winkler Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Ingrid Remmers, Ulla Jelpke, Kersten Steinke und Sabine Stüber (alle DIE LINKE) zur Abstimmung über die Be- schlussempfehlung: Sammelübersicht 444 zu Petitionen (Tagesordnungspunkt 53 m) Wir stimmen – wie auch schon in der Sitzung des Pe- titionsausschusses – gegen den Abschluss der Petition zur Abschaffung der Residenzpflicht. Dem Anliegen der Petition wurde in keiner Weise ent- sprochen, denn bei den jüngst beschlossenen Gesetzes- änderungen handelt es sich lediglich um Korrekturen im Detail, die den menschenrechtlichen Skandal der „Resi- denzpflicht“ insgesamt unverändert bestehen lassen. Wir lehnen das ab. Der fortbestehende Skandal be- steht darin, dass das Menschenrecht auf Bewegungsfrei- heit ohne stichhaltige Begründung – zur Abschreckung – eingeschränkt wird und Verstöße mit erheblichen Strafen – bis hin zur Freiheitsstrafe und der späteren Verweigerung eines Bleiberechts unter Hinweis auf eben diese Strafen – geahndet werden. Die beschlossenen Gesetzesänderungen halten im Grundsatz an den Beschränkungen der Bewegungsfrei- heit, an der Genehmigungspflicht und an den strafrecht- lichen Sanktionen fest. Es steht nunmehr lediglich im Ermessen der Behörden, den eingeschränkten Kreis der Bewegungsfreiheit etwas weiter zu ziehen. Weitere Aus- nahmeregelungen gelten nur für Personen, an deren Ver- bleib in Deutschland ein besonderes staatliches Interesse besteht, wie zum Beispiel junge und gut ausgebildete Menschen. Diese selektive Herangehensweise aber steht im Widerspruch zur bedingungslosen Gewährleistung von Menschenrechten. Eine große Gruppe von Betroffe- nen kann in der Praxis von den Gesetzesänderungen nicht profitieren, wenn ihnen eine Nichtmitwirkung ge- genüber den Behörden oder „Straftaten“ vorgehalten werden. Wir sind nicht einverstanden, dass infolge der im Grundsatz weiter bestehenden Residenzpflicht rassisti- sche Kontrollen der Polizei gefördert werden, die sich nach Äußerlichkeiten von einzelnen Personen richten. In der Beschlussempfehlung heißt es: „Die in § 56 AsylVfG getroffenen Regelungen zur räumlichen Be- schränkung von Asylbewerbern dienen einer gleichmä- ßigen Verteilung der mit der Aufnahme von Asylbewer- bern verbundenen Aufgaben und Belastungen auf die Länder und Kommunen und bewirken durch die jeder- zeitige Erreichbarkeit der Asylantragsteller eine Be- schleunigung der Verfahren. Das Gleiche gilt für in Deutschland geduldete Ausländer. Dies ist in keiner Weise zutreffend. Zunächst ist der Begriff „Residenzpflicht“ erläuterungsbedürftig, da es in der öffentlichen und politischen Debatte hierum – und auch in der Petition – nicht (vorrangig) um die Pflicht geht, einen bestimmten Aufenthaltsort zu nehmen – diese sogenannte „Verteilung“ wird in den §§ 44 f. AsylVfG geregelt und nicht in § 56 AsylVfG, sondern um die Beschränkungen der Bewegungsfreiheit. Letzte- res ist gerade nicht erforderlich, um eine „gleichmäßige Verteilung“ der Asylsuchenden und der damit verbunde- nen Aufgaben auf die Länder zu bewirken. Auch eine Beschleunigung des Asylverfahrens wird mit der Residenzpflicht nicht erreicht, denn die Betroffe- nen müssen ohnehin sicherstellen, dass sie jederzeit er- reichbar sind. Wenn dies nicht der Fall ist, geht dies zu ihren Lasten, vergleiche § 10 AsylVfG. „Das Gleiche“ – Beschlussempfehlung – kann für Geduldete schon gar nicht gelten, weil sie kein Asylverfahren betreiben. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 22143 (A) (C) (D)(B) Was die „jederzeitige Erreichbarkeit“ – etwa für Ab- schiebungen – betrifft, ist auch dies kein Argument. Konkret von Abschiebung bedrohte Menschen, die sich einer Abschiebung entziehen wollen, tauchen unter. Dies hat mit der Frage ihrer Bewegungsfreiheit bis zu dem Zeitpunkt einer konkret beabsichtigten Durchsetzung der Abschiebung nichts zu tun, und keine Vorschrift zur Be- schränkung der Bewegungsfreiheit kann sie hiervon ab- halten, wenn sie dies aus Angst vor den Folgen einer Ab- schiebung für richtig halten Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Frank Schäffler (FDP) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Bun- deshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 2012 (Nachtragshaushaltsgesetz 2012) (Tagesord- nungspunkt 5 a) Der Nachtragshaushalt 2012 schafft die haushalts- rechtlichen Voraussetzungen, um die noch in diesem Jahr erforderliche Einzahlung der ersten beiden Tran- chen des deutschen Anteils am Eigenkapital des Euro- päischen Stabilisierungsmechanismus, ESM, leisten zu können. Es geht um eine Summe von 8,687 Milliarden Euro. Entscheidend für die Ausgabe ist indes die Rati- fikation des ESM-Vertrags. Wenn der ESM-Vertrag nicht ratifiziert wird, dann entfällt die Verpflichtung zur Be- zahlung der Einlage. Die parlamentarische Debatte über die Richtigkeit des ESM ist bei seiner Ratifikation zu führen, nicht im Rahmen des Nachtragshaushalts. Ob- wohl ich gegen die Ratifizierung des ESM stimmen werde, stimme ich daher dem Nachtragshaushalt zu. Anlage 6 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Klaus-Peter Willsch und Manfred Kolbe (CDU/CSU) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes über die Fest- stellung eines Nachtrags zum Bundeshaushalts- plan für das Haushaltsjahr 2012 (Nachtrags- haushaltsgesetz 2012) (Tagesordnungspunkt 5 a) Wir werden dem Nachtragshaushalt nicht zustimmen, weil mit dem Nachtragshaushalt die Voraussetzung dafür geschaffen wird, dass Deutschland die ersten beiden Ra- ten in Höhe von etwa 8,7 Milliarden Euro in den ESM einzahlen kann. Dieses Geld ist etwa ein Drittel von dem, was wir in diesem Jahr dem Bundesverkehrsminis- terium zur Verfügung gestellt haben. Gleichzeitig wird zu Recht allerorten ein riesiger Investitionsstau in unsere Verkehrsinfrastruktur beklagt. Im Gegensatz zum Ausbau unserer Infrastruktur ist das Geld beim ESM denkbar schlecht angelegt. Das Dogma der Bail-out-Politik, Staaten um jedem Preis vor einem Staatsbankrott zu bewahren und in der Euro-Zone zu behalten, ist ökonomisch falsch. Einigen Staaten hängt der starke Euro wie ein Mühlstein um den Hals. Die Hoffnung, dass sich die Wirtschaften im Euro-Raum einander annähern, hat sich nicht bewahrheitet. Eine Währungsunion muss allen ihren Mitgliedern nutzen. Es führt kein Weg an einem neuen Zuschnitt der Euro-Zone vorbei. Der ESM zementiert den Weg in eine Schuldenunion und institutionalisiert den fortgesetzten Vertragsbruch. Damit haben wir den Vertrag von Maastricht auf den Kopf gestellt. Dies ist genau das Gegenteil von dem, was wir den Menschen bei der Einführung des Euro verspro- chen haben. Ohne jegliche Legitimation verwandeln wir die Europäische Union in ein Gebilde, das wir nie haben wollten. Seit dem Ausbruch der Euro-Krise im Frühjahr 2010 haben sämtliche Wahlen in den Mitgliedstaaten zu Regierungswechseln geführt. Wir müssen die Menschen mitnehmen und nicht das bürokratische Europa der Eli- ten noch weiter ausbauen. Wir sprechen uns für mehr Transparenz und Bürger- nähe der europäischen Institutionen aus, schaffen aber immer weiter Bürokratie. Europa stand einst für die „Einheit durch Vielfalt“. Gerade wir Deutsche mit unse- rem föderalen Staatsaufbau müssten uns gegen immer mehr Zentralismus und Gleichheitswahn erwehren. Wir brauchen keine gleichgemähte Wiese. Nur wenn dem Prinzip der Eigenverantwortlichkeit wieder Geltung ver- schafft werden wird, können die Wirtschaften Europas wieder blühen. Die Vielfalt war, was Europa immer stark gemacht hat. Der eingeschlagene Weg führt uns unwei- gerlich immer tiefer in die Krise und entzweit die Völ- ker. Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des Antrags: Wirksame Maßnah- men gegen ausbeuterische Kinderarbeit durch- setzen (Tagesordnungspunkt 12) Stefan Rebmann (SPD): Kofi Annan hat einmal ge- sagt: „Am Ende wird die Geschichte uns nicht an dem, was wir sagen, messen, sondern an dem, was wir tun.“ Also: Dann reden wir nicht nur von und über die Kinder- arbeit, sondern tun wir etwas dagegen – glaubhaft, nach- vollziehbar und wirkungsvoll. Ja, es gibt zahlreiche internationale Abkommen gegen Kinderarbeit bei der ILO, es gibt die UN-Kinderrechts- konvention, und wir hören in vielen schönen Reden, wie schlimm das alles mit der Kinderarbeit ist. Nur Reden und Abkommen alleine helfen nicht, wir müssen auch konsequent handeln. Immer noch müssen über 220 Millionen Kinder mehr als zwölf Stunden tagtäglich schuften. Die Ursache für Kinderarbeit ist in erster Linie die enorme Armut, die in vielen Ländern herrscht. Durch unsere Geiz-ist-geil- und Billig-billig-will-ich-haben-Mentalität sind wir auch mitverantwortlich für ausbeuterische Produktionsstruk- turen, Lohndumping und Kinderarbeit. Damit sind wir auch mitverantwortlich, wenn Kinder zum Lebensunter- 22144 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 (A) (C) (D)(B) halt – und zum Überleben – ihrer Familien beitragen müssen. Wir dürfen es nicht weiter zulassen, dass Kinder ihrer Kindheit beraubt werden, dass ihnen die Zeit zum Er- wachsenwerden, Spielen und Träumen gestohlen wird, und wir dürfen es nicht zulassen, dass ihnen Bildungs- chancen und damit Lebenschancen genommen werden. Denn wer von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang ar- beiten muss, kann nicht zur Schule gehen. Welch eine Vergeudung von Ressourcen und Lebenschancen. Ich will gar nicht wissen, wie viele kleine unentdeckte Ein- steins der Kinderarbeit schon zum Opfer gefallen sind. Bildung ist der wichtigste Schlüssel zur Bekämpfung von Armut, und deshalb müssen wir die Bekämpfung von Armut und Kinderarbeit, den Aufbau von sozialen Sicherungssystemen und die Bildung zu einem Schwer- punkt unserer Entwicklungspolitik machen. Vielen von uns ist gar nicht bewusst, dass viele Pro- dukte und Lebensmittel oft auch durch ausbeuterische Kinderarbeit mit produziert werden. Wer von uns weiß schon, dass selbst vor Grabsteinen aus Kinderhand nicht haltgemacht wird. Viele klatschen Beifall, wenn ich sage: Wer arbeitet, muss auch von seiner Hände Arbeit leben können. 87 Prozent der Deutschen sind für einen gesetzlichen Mindestlohn und gegen Lohndumping. Wenn wir für all das sind und nicht nur an uns denken, dann müssen wir mehr als bisher gegen Kinderarbeit vorgehen – und auch deshalb unser heutiger Antrag. Aber nicht nur wir Politiker und Politikerinnen sind gefordert, auch die Verbraucher können einiges dafür tun, dass sich Unternehmen an sozialverträgliche Nor- men halten. Nehmen wir als Beispiel Schokolade: NGOs und Ge- werkschaften fordern seit langem bessere Bedingungen für die Bauern und faire Handelsbedingungen. 12,4 Pro- zent des weltweit angebauten Kakaos wird bei uns ver- arbeitet; jede achte geerntete Kakaobohne wird in Deutschland konsumiert, und von hier aus bedienen wir den zweitgrößten Schokoladenmarkt weltweit. In den letzten zehn Jahren ist der Kakaopreis ständig gesunken, und gleichzeitig ist der Verbrauch von Schokolade enorm gestiegen. Höhere Renditen und Gewinne bei sinkenden Ern- teerlösen für die Bauern stehen in einem engen Zusam- menhang mit Kinderarbeit und Armut. Wollen wir wirklich Kinderschokolade von Kindern für Kinder pro- duziert, mitproduziert von ausgebeuteten armen Kindern in Afrika für glückliche Wohlstandskinder hier bei uns? Wollen wir das wirklich? Ein Cent mehr an Produktionskosten für das Überra- schungsei, und unsere Kinder würden Schokolade essen können, die nicht durch Kinderarbeit produziert wurde. Fairer Handel und faire Arbeitsbedingungen ohne Kinderarbeit überall auf der Welt lassen sich nur dann durchsetzen, wenn wir auch als Verbraucher bereit sind, für das Produkt einen fairen Preis zu zahlen. Letztend- lich werden alle Beteiligten am Wertschöpfungsprozess und die Regierungen zusammenarbeiten müssen, um für faire Bedingungen zu sorgen. Ich fordere deshalb die Bundesregierung auf, dafür zu sorgen, dass künftig alle Unternehmen eine lückenlose Prüfung ihrer Zulieferketten vornehmen müssen. Für die Verbraucher muss klar erkenntlich sein, bei welchen Produkten in der Herstellung soziale Mindeststandards eingehalten werden. Wir brauchen ein einheitliches Zertifizierungssystem. In jedes EU-Handelsabkommen muss das Verbot von Kinderarbeit aufgenommen werden. Ich will eine Rote Karte für Unternehmen, die meinen, mit Kinderarbeit hier bei uns Geschäfte machen zu können. Nicht an unseren Worten, sondern an unseren Tagen werden wir uns messen lassen müssen. Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Beschlussempfehlung und Bericht zu dem Antrag: Fortbestand des Klosters Mor Gabriel sicherstellen – Antrag: Kloster Mor Gabriel weiter schützen (Tagesordnungspunkt 13 a und b) Ute Granold (CDU/CSU): Nach den Ausschussbera- tungen befassen wir uns heute erneut mit unserem Koali- tionsantrag zum Erhalt des syrisch-orthodoxen Klosters Mor Gabriel im Tur Abdin im Südosten der Türkei. Denn dieses und andere Klöster sehen sich nach wie vor durch eine Reihe von Gerichtsverfahren in ihrer Existenz bedroht. Ich begrüße es sehr, dass wir heute in der Sache große Übereinstimmung erzielt haben, das Kloster Mor Gabriel in Deutschland und Europa auch weiterhin aktiv beim Kampf um seine Existenz zu unterstützen. Zwar haben in den vergangenen Jahren Vertreter der Bundesregierung und Bundestagsabgeordnete – ich selbst war zuletzt im Oktober 2011 vor Ort – mehrfach auf die Probleme des Klosters hingewiesen und diese auch in Gesprächen mit der türkischen Regierung zur Sprache gebracht, an der Situation des Klosters hat sich aber bislang nichts geändert. Es besteht demnach noch immer dringend Handlungsbedarf. Die heutige Türkei versteht sich als weltlicher Staat, der zu Europa gehören und der EU beitreten will, doch verweigert sie den wenigen verbliebenen Christen ele- mentare Rechte bzw. Menschenrechte. Dies wird gerade auch durch die Zwangsenteignung des Klosters Mor Gabriel, einem der ältesten christlichen Klöster der Welt, belegt. Heute leben weniger als 100 000 Christen in der Tür- kei und stellen nur noch 0,2 Prozent der Bevölkerung des Landes dar. Diese Zahl ist in den vergangenen Jah- ren sogar noch rückläufig. Die restriktiven Gesetze, die Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 22145 (A) (C) (D)(B) nach wie vor stark in die Religionsfreiheit eingreifen, gefährden den Fortbestand der christlichen Gemeinden. Trotz einiger Fortschritte in den vergangenen Jahren kann von Religionsfreiheit in der Türkei keine Rede sein. Der Umgang mit nichtmuslimischen Minderheiten entspricht nicht den Standards der Europäischen Union. Der Fortschrittsbericht der Europäischen Kommis- sion listet seit Jahren Defizite auf: Eine Befreiung vom grundsätzlich verpflichtenden sunnitisch-muslimischen Religionsunterricht ist entge- gen einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte aus dem Jahre 2007 – der Fall Zengin – in der Praxis nach wie vor nicht problemlos möglich. Da die Türkei den syrisch-orthodoxen Christen an- ders als ihren jüdischen, griechisch-orthodoxen und armenischen Staatsbürgern keinen Status als „nicht-reli- giöse Minderheit“ im Sinne des Vertrages von Lausanne zubilligt, haben diese auch nicht das Recht, eigene Schu- len in aramäischer Sprache zu unterhalten. Religiösen Minderheiten ist es nicht gestattet, ihren geistlichen Nachwuchs auszubilden. Die religiöse Zuge- hörigkeit wird in Personaldokumenten festgehalten und bietet Anlass für vielfältige Diskriminierung im Alltag. Die mittlerweile auf Antrag mögliche Änderung der Ein- tragung – auch das Freilassen des Feldes – hat die glei- chen Folgen. Immer wieder kommt es zu Gewalt gegen Anders- gläubige und ihre Gebetshäuser. Obwohl seit Aufhebung des Art. 163 TStGB „Mission“, also die öffentliche Wei- tergabe des Glaubens, formal nicht mehr verboten ist, wird unter anderem auch von staatlicher Seite so gehan- delt, als wäre der Artikel noch in Kraft, und es kommt wegen des Vorwurfs der Missionierung weiterhin zu An- klageerhebungen. Es geht hier also nicht nur um den Erhalt des Klosters Mor Gabriel und der 1 600 Jahre alten klösterlichen Tradition, sondern auch um den Erhalt der christlichen Gemeinden – insbesondere der Aramäer – und deren Traditionen in der Türkei, in dem Land, um genau zu sein in Antiochia, wo sich die Christen zum ersten Mal Christen nannten. Mor Gabriel ist das kulturelle Erbe aller Aramäer: der syrisch-orthodoxen, der syrisch-katholischen, der sy- risch-protestantischen Christen und anderer Mitglieder der syrischen Kirche in der Türkei. Diese sehen sich als nicht anerkannte indigene Minderheit ständigen Bedro- hungen und Übergriffen ausgesetzt, die bereits zu einem beinahe vollständigen Exodus der Aramäer aus ihrer Heimat, dem Tur Abdin, geführt haben. Wir müssen uns daher neben dem Erhalt des Klosters auch dafür starkmachen, dass der christliche Glaube in der Türkei frei gelebt werden kann, dass Christen und insbesondere Priester keine Angst haben müssen, ermor- det zu werden, und dass neue Priester ausgebildet wer- den können. Die wenigen in der Türkei verbliebenen Christen müssen wieder eine Perspektive haben. Darüber hinaus ist die Anerkennung der Schule im Kloster Mor Gabriel als „Minderheitenschule“, damit dort „legal“ gemäß Lausanner Vertrag – mit staatlichen Subventionen – Sprache und Religion gelehrt und prakti- ziert werden können, unerlässlich. Diese Forderungen scheinen gering, wenn man bedenkt, dass die Zahl der Moscheen in Deutschland stetig steigt, in diesem Jahr an deutschen Schulen teilweise islamischer Religionsunter- richt eingeführt werden soll und sogar über eine umfas- sende deutsche Imam-Ausbildung nachgedacht wird. Sollten wir dann nicht im Gegenzug erwarten können, dass zumindest die bereits seit Jahrhunderten bestehen- den christlichen Klöster in der Türkei erhalten bleiben und die christlichen Minderheiten anerkannt werden? Auch die Parlamentarische Versammlung des Europa- rats hat in ihrer Resolution vom 27. Januar 2010 die Tür- kei dazu aufgefordert, den Aramäern den Minderheiten- status gemäß Lausanner Vertrag zu gewähren und die illegale Landnahme aramäischen Eigentums zu beenden. Das Europäische Parlament hat Ende März 2012 einen ähnlichen Beschluss gefasst. Der Rechtsstatus als anerkannte ethnische Minderheit würde den Aramäern eine große Rechtssicherheit und gleichzeitig eine Anspruchsgrundlage bieten, ihr Eigen- tum, ihre Sprache, ihre Kultur, ihre Tradition und ihr Recht auf ungehinderte Religionsausübung – mit allem, was dazu gehört – durchsetzen zu können. Dabei wäre der Erhalt des Klosters Mor Gabriel durch den türki- schen Staat ein starkes Signal für ein Zugehen der Türkei auf die religiösen Minderheiten im Land – insbesondere die Christen. Denn klar ist: Solange die Defizite im Bereich der re- ligiösen Minderheiten fortbestehen, ist ein positiver Ab- schluss des EU-Beitrittsverfahrens nicht möglich. Die umfassende Verwirklichung der Menschenrechte und der Kopenhagener Kriterien ist eine unumstößliche Grund- voraussetzung für eine Aufnahme der Türkei in die EU. Abschließend möchte ich noch einmal die Ziele unse- res Antrags nennen: Wir wollen zeigen, dass wir die Ge- richtsverhandlungen weiterhin genau verfolgen und be- gleiten werden. Wir wollen ein klares Signal an die türkische Regierung senden, dass ein „Auf-Zeit-Spielen“ zwecklos ist, da unser Interesse am und unsere Hilfe für das Kloster nicht nachlassen wird. Wir werden Mor Gabriel nicht im Stich lassen. Das Kloster ist für uns der Lackmustest dafür, dass es die Türkei mit der Umset- zung der Religionsfreiheit ernst meint und insbesondere die religiösen Minderheiten wie die Aramäer in ihrem Land endlich anerkennt. Dass es der Türkei gerade mit dem zuletzt genannten Punkt ernst ist, könnte sie im Rahmen der aktuellen Ver- fassungsreform unter Beweis stellen und damit ein wich- tiges Zeichen in Richtung EU-Beitritt setzen. Frank Heinrich (CDU/CSU): Wir reden über den Er- halt des Klosters Mor Gabriel, und damit über nicht we- niger als ein markantes Symbol der Religionsfreiheit – oder eben der Einschränkung der Religionsfreiheit für Minderheiten in der Türkei. 22146 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 (A) (C) (D)(B) Das syrisch-orthodoxe Kloster Mor Gabriel liegt im Südosten der Türkei, nahe der syrischen Grenze, in der türkischen Provinz Mardin. Das Kloster und die örtliche Gemeinde sehen sich in ihrer Existenz bedroht. Es steht zu befürchten, dass das Kloster Mor Gabriel in mehreren seit Jahren anhängigen Gerichtsverfahren enteignet und entwidmet werden könnte. Es handelt sich um eine Viel- zahl von Prozessen gegenüber dem Kloster selbst, aber auch gegenüber dem Vorsitzenden der Klosterstiftung, Herrn Ergün, und anderen syrisch-orthodoxen Christen. Damit droht das Abreißen einer seit mehr als 1 600 Jah- ren gepflegten liturgischen und klösterlichen Tradition und damit eines der ältesten christlichen Klöster der Welt. Da das Kloster eine entscheidende Rolle bei der Pflege der syrisch-orthodoxen Kirchen- und Alltagsspra- che spielt und institutionell das kulturelle Erbe der sy- risch-orthodoxen Bevölkerung sichert, bleibt der Fortbe- stand der Kultur der syrisch-orthodoxen Christen insgesamt gefährdet, da eine Enteignung Folgen für um- liegende Klöster und Gemeinden hätte, die sich einer Prozessflut gegenübersehen und sich an diesem Präze- denzfall messen lassen müssten. Schon heute sehen wir Auswirkungen der Repressa- lien: Von den 200 000 syrisch-orthodoxen Christen, die Anfang des 20. Jahrhunderts in der Türkei lebten, sind gerade noch 13 000 verblieben. Oder eine andere Zahl: Vor 60 Jahren betrug der Anteil der Christen an der Be- völkerung der Türkei 20 Prozent; heute sind es weniger als ein einziges Prozent, 0,15 Prozent, um genau zu sein. Auch der Fortbestand der über zweieinhalb Jahrtau- sende alten aramäischen Sprache – der Sprache, in der Jesus Christus gesprochen hat – ist gefährdet. Es ist da- her wichtig, uns an die Seite der syrisch-orthodoxen Christen zu stellen. Nur durch diese Initiativen einzelner Länder und der Europäischen Union hat das Kloster eine Chance, zu überleben. Ohne unsere Solidarität, so hat es der Klostervorsteher Erzbischof Aktas mehrfach betont, würde es das Kloster Mor Gabriel heute nicht mehr ge- ben. Mit der Debatte um das Kloster Mor Gabriel berühren wir eine Vielzahl angrenzender Themenfelder. Wir kön- nen sie hier und heute nicht in der Tiefe diskutieren. Da- für reicht die Zeit nicht, und dafür sind sie jeweils in sich zu wichtig. Aber zumindest vier Stichworte möchte ich kurz be- nennen: Erstens die Frage nach der Nähe der Türkei zur EU: Müssen wir von einem privilegierten Partner, mit dem die EU ergebnisoffene Beitrittsverhandlungen führt, nicht verlässliches und rechtssicheres Verhalten erwarten können, insbesondere wenn – wie im Fall der Restaura- tion des Klosters, das ja im Übrigen den Status eines UNESCO-Weltkulturerbes besitzt – Fördermittel der EU im Spiel sind? Der Umgang mit nichtmuslimischen Min- derheiten entspricht nicht den Standards der Europäi- schen Union. Der Fortschrittsbericht der Europäischen Kommission listet seit Jahren Defizite auf. Zweitens die Frage nach dem Umgang der Türkei mit seiner Historie und Gegenwart bezüglich der Minderhei- ten, ihrer Kultur und ihrer Sprache. Damit ist die Verbin- dung zu den Massakern an den Aramäern und den Arme- niern nicht weit. Können wir zulassen, dass der Völkermord bis heute geleugnet wird? Oder sollten wir hier, ähnlich wie Frankreich es im vergangenen Jahr vor- gemacht hat, noch deutlicher Position beziehen? Immer- hin hat das Europäische Parlament Ende März 2012 be- schlossen, sich dafür einzusetzen, dass die Türkei die religiösen Minderheiten, namentlich die Aramäer, aner- kennt und unterzeichnete Verträge zu ihrem Schutz auch umsetzt. Drittens die Frage nach der Integration: Wie können wir den Bürgerinnen und Bürgern erklären, dass, um es mit Christian Wulffs Worten zu sagen, „der Islam zu Deutschland gehört“, wenn sich nicht gleichzeitig musli- misch geprägte Länder, zumal solche mit einer solchen Nähe zu Europa wie die Türkei, ihrerseits um die Inte- gration von religiösen Minderheiten bemühen? Zwar hat das eine rechtlich nicht notwendig mit dem anderen zu tun, doch die Stimmung, das Klima in der Bevölkerung für eine positive Integration des Islam hängt stark von gegenseitigen Handlungen ab. Im Übrigen unterstützen viele der in Deutschland lebenden Muslime diesen An- satz. Viertens die Frage nach der Religionsfreiheit insge- samt. Die Wahrung der Menschenrechte im Allgemeinen und – in diesem Fall – des Rechtes auf Religionsfreiheit sind für die Bundesrepublik ein hohes Gut. Die Türkei garantiert als laizistischer Staat die Religionsfreiheit per Verfassung. Sie hat auf dem Gebiet der praktischen Um- setzung große Fortschritte gemacht. Zu nennen sind etwa die Erlaubnisse für Gottesdienste der griechisch-or- thodoxen Christen im ehemaligen Kloster Sümela und armenischer Christen in der Kirche auf der Insel Akda- mar in den Jahren 2010 und 2011. Auch im Stiftungs- recht hat es seit 2008 erhebliche Verbesserungen gege- ben. Zu begrüßen ist nicht zuletzt das Dekret mit Gesetzeskraft vom 27. August 2011. Dieses gibt religiö- sen Gemeindestiftungen das Recht, binnen zwölf Mona- ten nach Inkrafttreten die Rückgabe von Immobilien zu verlangen, die ihnen nach 1936 durch Enteignung entzo- gen wurden. Alternativ besteht ein Entschädigungsan- spruch zum heutigen Marktwert. Doch bis heute bleiben viele Benachteiligungen in rechtlicher und sozialer Hin- sicht bestehen. Trotz einiger kleiner Fortschritte in den vergangenen Jahren ist die Religionsfreiheit in der Tür- kei nach wie vor stark eingeschränkt; insbesondere sind die Rechte betroffen, Eigentum zu besitzen, eigene Ge- betsstätten zu errichten und Geistliche auszubilden. Wir behandeln also hier ein sensibles Thema im Kon- text einer vielfältigen Problemlage. Umso wichtiger scheint mir, dass wir mit einer starken Stimme reden, und ich bitte Sie daher um Zustimmung für unseren An- trag. Wir hatten über die Möglichkeit eines gemeinsa- men Antrags gesprochen. Unter dem Drängen der Zeit sind die Fraktionen von CDU/CSU und der FDP in Vor- leistung gegangen. Die SPD hat nun doch noch einen ei- genen Antrag formuliert. Das ist schade, zumal es keinen großen inhaltlichen Dissens zu unserem Antrag gibt und der Antrag der SPD nicht wirklich weiterführend ist. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 22147 (A) (C) (D)(B) Doch sollen nicht unser politischer Alltag und oder un- sere wechselseitigen „Spielchen“ heute das Thema sein. Vielmehr geht es um das Kloster Mor Gabriel und um den Schutz der christlichen und anderer Minderheiten in der Türkei. Ich darf Sie daher um breite Zustimmung bitten. Angelika Graf (Rosenheim) (SPD): Vor wenigen Wochen haben wir hier im Plenum das erste Mal den Antrag der Koalitionsfraktionen beraten. Damals stand ein weiterer Prozesstag gegen den Stiftungsvorsitzenden des Klosters, Herrn Kuryakos Ergün, gerade bevor. Ihm wird vorgeworfen, er habe sich in seiner Funktion als Stiftungsvorsitzender fremden Boden angeeignet. Das Kloster habe mit einer Mauer widerrechtlich öffentli- chen Grund eingefasst. Umliegende Dörfer, aber auch die staatliche Forstbehörde, klagten. Die Debatte im Bundestag war ein wichtiges Zeichen, in der deutlich wurde, dass wir alle diesen Prozess im Blickwinkel ha- ben. Inzwischen haben wir verärgert zur Kenntnis neh- men müssen, dass der Prozess dann abermals verscho- ben wurde – ohne Begründung, zum elften Mal. Als neuer Verhandlungstermin wurde der gestrige 13. Juni festgelegt. Und heute wissen wir: Erneut vertagt – dies- mal auf den 12. September. Der bizarre Rechtsstreit zeigt, dass es hier um mehr geht als um den Konflikt um eine Mauer. Die Mauer steht schon lange. Sie war unter anderem in den Zeiten des Kampfes des türkischen Staates gegen die PKK, wo die Klöster des Tur Abdin mitten im Kampfgebiet lagen, ein wichtiger Schutz. Die Mauer steht aber auch symbo- lisch für den Schutz des Klosters. Wird sie niedergeris- sen, ist das Kloster schutzlos und mit ihm das, was es in seinem Kern ausmacht: der syrisch-orthodoxe christliche Glauben. Daneben ist auch die Existenz des Klosters ge- fährdet; denn seinen Unterhalt bestreitet es durch das Bewirtschaften der umliegenden Felder. Auch diese Ei- gentumsrechte wurden ihm in zurückliegenden Prozes- sen streitig gemacht. Rufen wir uns noch einmal in Erinnerung: Das christ- liche Kloster wurde vor circa 1 600 Jahren in rein christ- licher Umgebung gegründet. Heute steht es inmitten ei- nes muslimisch geprägten Umfelds. In die meisten Nachbardörfer des Klosters sind nach den Kämpfen des türkischen Staates gegen die PKK entweder die kurdi- schen Familien zurückgekehrt, oder es haben sich tür- kisch-muslimische Familien niedergelassen. Sie leben von karger Landwirtschaft und bewirtschaften die Felder neben dem Klostereigentum. Als Solitair steht hier hoch über den Dörfern auf einem Hügel Mor Gabriel: Seit dem 4. Jahrhundert ist es geistliches und soziales Zen- trum der Christen, Sitz des Erzbischofs, Heimat für we- nige Nonnen und Mönche und Wallfahrtsort. Unter der Woche werden hier Schüler unterrichtet, es gibt Sprach- kurse in aramäisch, der Sprache Jesu, die in diesem Kloster noch gesprochen wird. Die Priesterausbildung wurde vom türkischen Staat ja bereits 1980 verboten. Wenn es nicht um die Steine dieser Mauer geht: Um was geht es dann? Es geht wohl schlicht um die Macht, nämlich, ob den aramäischen Christen ihre über 1 600 Jahre alten Rechte zugesprochen werden. Und diese Rechte beinhalten nicht nur ihre Duldung, sondern auch die Garantie darauf, ihre Rechte durch den Schutz des Staates gewährleistet zu bekommen. Und da ist das Angebot der Türken, das Kloster könne ja das eigene Land nach der Enteignung pachten, ein verräterisches Zeichen. Man will das Kloster in Abhängigkeit halten, ihm die Selbstständigkeit nehmen. Der Deutsche Bundestag hat sich in den vergangenen Jahren kontinuierlich mit dem Überlebenskampf des Klosters beschäftigt. Fraktionsübergreifend haben wir versucht, ein gemeinsames Zeichen zu setzen. Das ist uns auch immer wieder gelungen – zuletzt 2009 in einem Antrag der SPD, CDU/CSU und der FDP –, was auch der türkischen Seite deutlich macht, dass es ein großes Anliegen des Bundestages ist, sich für das Kloster einzu- setzen. Ich habe schon in meiner ersten Rede zu diesem An- trag vor einigen Wochen deutlich gemacht, dass es uns sehr verwundert, dass die Regierungsfraktionen es dies- mal nicht für notwendig gehalten haben, erneut ein ge- meinsamen Zeichen des Deutschen Bundestages in Richtung türkischen Staat zu senden. Nach der ersten Lesung habe ich bei Ihnen, Frau Granold, nachgefragt, ob ein gemeinsamer Antrag nicht möglich und vor allem effektiver wäre. Ich habe Sie gebeten, die Opposition einzubinden. Sie lehnten nach einigen Tagen Bedenkzeit ohne Begründung ab. Wir hätten ja, so meinten Sie dann im Ausschuss, die Möglichkeit, Ihrem Antrag zuzustimmen und damit un- seren gemeinsamen Willen zu dokumentieren. Verehrte Frau Granold, dies ist mit Sicherheit nicht das, was ich und meine Fraktion unter einer gemeinsamen Initiative verstehen, wobei ich damals im Plenum schon zum Aus- druck gebracht habe, dass Ihr Antrag ergänzungsbedürf- tig ist. Wir haben Ihnen das nun mit unserem Antrag vor- gemacht! Sie schildern ausführlich, in welchen Instanzen türki- sche Gerichte gegen Mor Gabriel entschieden haben. „Das Kloster und die örtliche Gemeinde sehen sich in ih- rer Existenz bedroht“, heißt es. Dem stimme ich unein- geschränkt zu. Auch den weiteren Ausführungen und Forderungen in Ihrem Antrag stimme ich zu. Aber er ist wenig konkret. Die kulturelle und historische Einbettung des Klosters zum Beispiel ist für das Verständnis der Situation und der gegenwärtigen zahlreichen Rechtsstreitigkeiten un- erlässlich. Wir weisen nun auf den kulturhistorischen Kontext deutlich hin. Auch hat sich die Türkei vor knapp 90 Jahren im Lau- sanner Vertrag dazu verpflichtet, dass Minderheiten die gleichen Rechte besitzen wie muslimische Türken. Die syrisch-orthodoxen Christen werden in der Realpolitik der türkischen Regierung aber nicht als Minderheit in diesem Sinne verstanden, ein Beispiel, wie problema- tisch der Umgang der türkischen Republik mit den Min- derheiten nach wie vor ist. Daher fordern wir in unserem Antrag konsequenterweise die Bundesregierung dazu 22148 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 (A) (C) (D)(B) auf, sich dafür einzusetzen, dass die türkische Regierung den Minderheitenstatus gemäß dem Lausanner Vertrag auch wirklich einhält. Ebenso fordern wir, dass die türkische Regierung den Vorbehalt zu Art. 27 des Paktes über bürgerliche und politische Rechte, IPbpR, in dem die Minderheitenrechte geregelt sind, endlich streicht. Und weiter: Zu einem ernsthaften Minderheitenschutz gehört außerdem, dass die Türkei die Europäische Charta für Regional- und Minderheitensprachen und die Rahmenkonvention zum Schutz nationaler Minderheiten unterzeichnet. Ich möchte mit einer allgemeinen Bemerkung zum Minderheiten- und Religionsverständnis enden. Verehrte Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU, wer mit dem Finger auf andere zeigt, sollte beachten, dass vier Finger derselben Hand auf einen selber deuten. Nach meiner Auffassung sind die Christen und ihre historische und moderne Kultur ein wichtiger Bestandteil auch des mo- dernen Lebens und der Kultur in der Türkei. Sie gehören also zur Türkei. Ihr Fraktionsvorsitzender Volker Kauder erklärte neulich, dass der Islam nicht zu Deutschland ge- höre. Ich sehe das anders: Der Glaube und die Kultur von muslimischen Menschen, die seit vielen Jahrzehnten friedlich in Deutschland leben, ist ein Teil unseres Le- bens geworden und darf nicht ausgegrenzt werden. Er gehört ebenso wie die Gläubigen inzwischen zu uns. Wer das nicht akzeptiert, ist in seinen Forderungen nach der Anerkennung der Christen und dem Kampf um den Er- halt christlicher Stätten meines Erachtens nur begrenzt glaubwürdig. Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag. Pascal Kober (FDP): Wir debattieren heute erneut über den Erhalt des syrisch-orthodoxen Klosters Mor Gabriel, zu dem nun auch die SPD einen eigenen Antrag eingebracht hat. Eingangs möchte ich das Problem des Klosters Mor Gabriel noch einmal kurz umreißen. Es gibt Befürchtun- gen, dass das in der südöstlichen Türkei gelegene Kloster enteignet und entwidmet werden soll. Mehrere Gerichts- verfahren sind in diesem Zusammenhang anhängig, wo- rin der Orden beschuldigt wird, illegal Land besetzt zu haben. Daher sehen sich die Nonnen und Mönche bedau- erlicherweise seit längerem juristischen Drangsalierun- gen seitens der türkischen Behörden ausgesetzt. Derzeit leben dort 14 Nonnen, 10 Mönche und unge- fähr 40 Schüler. Die Bedeutung des Klosters Mor Gabriel ergibt sich jedoch nicht aus der Anzahl der Men- schen, die dort wohnen, arbeiten und ihren Glauben le- ben. Das im Jahr 397 gegründete Kloster ist vielmehr das geistige Zentrum der syrisch-orthodoxen christlichen Minderheit in der Türkei und eines der ältesten christli- chen Klöster weltweit. Vor kurzem habe ich mich mit Vertretern des europäi- schen Dachverbands der syrisch-orthodoxen Minderheit getroffen. Sie bezeichnen das Kloster als ihre „letzte Burg“ im Südosten der Türkei, die für den Fortbestand dieser religiösen Minderheit in der Region von zentraler Bedeutung ist. Hier wird der syrisch-orthodoxe Glauben unterrichtet und weitergegeben, der für die Identität die- ser religiösen Minderheit von zentraler Bedeutung ist. Daher kommt dem Kloster eine größere Bedeutung zu, denn es steht stellvertretend für die Situation der syrisch- orthodoxen christlichen Minderheit in der Türkei. Von ihm geht ein starkes Signal aus, wie die Türkei mit ihrem religiösen und kulturellen Erbe, das zugleich auch unser europäisches Erbe ist, umgeht. Somit ist die Geschichte von Mor Gabriel zugleich auch die schwierige Geschichte der syrisch-orthodoxen Christen. Es ist die Geschichte einer religiösen Minder- heit, die in der Türkei vor 100 Jahren noch 200 000 Mit- glieder zählte, deren Zahl aber auf heute nur noch circa 13 000 Personen abgenommen hat. 3 000 von ihnen sind in der Region um Mor Gabriel beheimatet. Sie berichten seit Mitte 2008 von vermehrter widerrechtlicher Beset- zung ihrer Grundstücke und sind nach Angaben von Menschenrechtlern von Enteignungen bedroht. Im Zu- sammenhang mit der erstmaligen Landvermessung zur Anlage von Grundbüchern in der Region kam es zu zahl- reichen Konflikten um Grundeigentum mit rund 300 an- hängigen Gerichtsverfahren. Der Streit um die Liegenschaften des Klosters Mor Gabriel steht also emblematisch für die Probleme der sy- risch-orthodoxen Christen und die Situation weiterer nichtmuslimischer religiöser Minderheiten in der Türkei. Zwar garantiert die türkische Verfassung die Religions- und Gewissensfreiheit, die individuelle Glaubensfrei- heit wird respektiert und die individuelle Religions- ausübung ist frei möglich. Für nichtmuslimische Min- derheiten bestehen jedoch weiter Einschränkungen ihrer kollektiven Religionsfreiheit als Gruppen in Fragen der Rechtspersönlichkeit, der Eigentumsrechte sowie ihrer Möglichkeit, Geistliche auszubilden und Gebetsstätten zu errichten. Unser Antrag möchte auf dieses nach wie vor bestehende Problem hinweisen und die Türkei ermu- tigen, weitere Reformen auf diesem Gebiet anzugehen. Denn durchaus hat die Türkei in den letzten Jahren auf diesem Gebiet Fortschritte gemacht. Im August 2011 verkündete Ministerpräsident Erdoğan eine neue Verord- nung, wonach Stiftungen anerkannter religiöser Minder- heiten Immobilien zurückerhalten sollen, die nach 1936 enteignet wurden. Diese Stiftungen können Immobilien, die sie 1936 registriert und in der Folge der politischen Krisen an den türkischen Staat verloren hatten, nach der neuen Verordnung innerhalb eines Jahres grundsätzlich zurückfordern. Die neue Verordnung soll zudem die Be- weislast zugunsten der Stiftungen umkehren. Ich möchte auch noch einmal ausdrücklich begrüßen, dass am 20. Februar dieses Jahres Vertreter der religiö- sen Minderheiten einschließlich der syrisch-orthodoxen Minderheit vor der türkischen Verfassungskommission angehört wurden. Dies verbinde ich mit der Hoffnung, dass sich die neue türkische Verfassung bei der Reli- gionsfreiheit auf europäische Standards stützen wird und die religiöse und kulturelle Vielfalt dieses Landes als Be- reicherung sieht, die es zu schützen und zu erhalten gilt. Denn die FDP-Fraktion unterstützt grundsätzlich den Weg der Türkei in Richtung Europa und damit in Rich- tung einer stärkeren Beachtung der Menschenrechte. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 22149 (A) (C) (D)(B) Unser Antrag enthält daher die Aufforderung, der sy- risch-orthodoxen Minderheit in der Türkei im Einklang mit der Europäischen Menschenrechtskonvention die Rechte zu gewähren, die auch in der EU-Beitrittspartner- schaft mit der Türkei eindeutig festgelegt sind. Des Wei- teren fordert unser Antrag von der türkischen Regierung die uneingeschränkte Einhaltung der Verpflichtungen aus Art. 18 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte, also das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit aller religiösen Min- derheiten. Der Antrag der Kolleginnen und Kollegen der SPD hingegen fordert explizit, die türkische Regierung solle die syrisch-orthodoxen Christen als Minderheit gemäß dem Lausanner Vertrag anerkennen. Dies würde zwar zunächst die rechtliche Situation dieser Minderheit ver- bessern, es würde jedoch an der Situation der Religions- freiheit in der Türkei nichts ändern und würde die Be- deutung dieses schon sehr alten und statischen Vertrags aufwerten. Wie ich soeben ausgeführt habe, ist es jedoch das Anliegen unseres Koalitionsantrags, die freie Reli- gionsausübung der syrisch-orthodoxen und auch aller anderen religiösen Minderheiten in der Türkei vor allem im Einklang mit der Europäischen Menschenrechtskon- vention und dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte zu unterstützen. Daher scheint mir ein expliziter Rückgriff auf den Vertrag von Lausanne aus dem Jahr 1923 nicht sinnvoll. Aus diesem Grund ziehe ich unseren eigenen Antrag ihrem Antrag vor. Dr. Lukrezia Jochimsen (DIE LINKE): Vorgestern fand in Midyat wieder ein Gerichtstermin gegen das Kloster Mor Gabriel statt – und wurde wieder vertagt. Wie schon zwölfmal vorher seit Mitte 2008. Es ist eine unendliche und unglaubliche Geschichte von Enteig- nungsversuchen dieses uralten Ortes aramäischer Reli- gion und Kultur. Und eine Geschichte, wie eine Minder- heit von vielen in der Türkei drangsaliert, ja verfolgt wird. Eine Minderheit – nicht nur eine Glaubensgemein- schaft. Insofern stellen die Angriffe und Übergriffe von türkischer Seite auf das Kloster Mor Gabriel nicht nur eine Bedrohung der Religionsfreiheit dar, sondern eine eklatante Verletzung der Menschenrechte. Nicht um- sonst stehen im Mittelpunkt der Prozesse, mit denen das Kloster Mor Gabriel seit Jahren von der türkischen Justiz überzogen wird, Eigentumsfragen. Jahrhundertealtes Ei- gentum wird dem Kloster streitig gemacht. Es geht um die freie Ausübung der Religion; ja, und ihre Weitergabe an die nächsten Generationen. Es geht um den Erhalt der uralten aramäischen Sprache für die heutige Zeit. Aber es geht auch um die wirtschaftliche Existenz dieser Minderheit, die einmal 200 000 Men- schen in Ostanatolien zählte und heute nicht mehr als 2 000 zählt. Sie sollen entmutigt werden, weiterhin dort zu leben, wo sie seit 3 500 Jahren verwurzelt sind – am besten in alle Winde zerstreut, ohne Zusammenhang der Sprache, der Kultur, der Tradition. Das ist das Ziel der türkischen Maßnahmen gegen sie – und hier müsste un- sere parlamentarische Aufmerksamkeit ansetzen und da- mit möglicherweise Hilfe schaffen. Das aber heißt: Schluss mit den wohlklingende, aber völlig wirkungslo- sen Appellen an die türkische Regierung, die seit Jahren verhallen! Der Antrag der Koalitionsfraktionen ist ein Beispiel dafür: Er wiederholt einfach, was schon so oft gefordert wurde: Einwirkung auf die türkische Regierung von deutscher Regierungsseite – gut gemeint, aber die lang- jährige Erfahrung zeigt, dass damit nichts erreicht wird. Diesen Antrag haben wir bei der ersten Lesung bereits abgelehnt und lehnen ihn auch jetzt ab. Der Änderungsantrag der SPD bleibt leider ebenfalls im Bereich des Appellativen. Er listet zwar wichtige De- tails auf: so die Forderung, dass die Türkei der Europäi- schen Charta für Regional- und Minderheitensprachen sowie der Rahmenkonvention zum Schutz nationaler Minderheiten vorbehaltlos beitritt und den Pakt über bürgerliche und politische Rechte, der Minderheiten- rechte garantiert, aus dem Jahr 2003 ebenfalls vorbehalt- los einhält. Aber das allein wird nicht ausreichen, um der aramäi- schen Minderheit, wie anderen Minderheiten auch, die in der Türkei leben, einen gleichberechtigten Status zu er- möglichen. Schon bei der ersten Lesung des Koalitionsantrags im April dieses Jahres habe ich vorgeschlagen, über „andere solidarische Hilfen“ für Mor Gabriel nachzudenken, zum Beispiel über einen von der Bundesregierung beauf- tragten ständigen Beobachter aus dem christlichen oder zivilgesellschaftlichen Bereich – anstelle der bisherigen sporadischen Prozessbeobachter. Beim Verhandlungster- min vorgestern war kein Beobachter anwesend – bei den vielen Vertagungen und Verschiebungen ist das auch kein Wunder. Aber das ist ja genau das, was die türki- sche Seite erreichen will: internationales Desinteresse nach so langer, zermürbender Zeit. Also müsste man eine deutsche oder europäische Prozessbeobachtung institutionalisieren – und jedesmal Information und Un- terrichtung aus Midyat nach Europa verschicken. Wir dürfen in dieser Menschenrechtsfrage nicht nach- lassen – und nach den bisherigen Erfahrungen sind eben Appelle nicht genug. Insofern sind uns auch beide Anträge „nicht genug“, das heißt: Wir werden sie ablehnen, im Fall des SPD- Antrags außerdem auch deshalb, weil auch er in seinem Begründungstext so tut, als habe es in der vergangenen Legislaturperiode nur einen Antrag der Fraktionen CDU/ CSU, SPD und FDP zur Situation des Klosters Mor Gabriel gegeben. Dabei stammte der ursprüngliche An- trag von der Linksfraktion – ich hatte ihn zusammen mit Monika Griefahn und Claudia Roth formuliert. Die Große Koalition hat ihn einfach kopiert und uns von der gemeinsamen Antragstellung ausgeschlossen. So viel Verdrehung der Wahrheit lassen wir nicht zu – schon aus Gründen der politischen Kultur nicht und gerade dann nicht, wenn es um den Umgang von Mehrheiten mit Minderheiten im demokratisch gewählten Parlament geht. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Antrag der Koalition zum syrisch-orthodoxen Klos- 22150 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 (A) (C) (D)(B) ter Mor Gabriel enthält viel Wahres, aber es fehlt auch Einiges. Den Großteil der Ausführungen, Erläuterungen und auch Forderungen im Antrag können wir ohne Wei- teres unterstützen und mittragen. Seit den 90er-Jahren haben immer wieder Abgeordnete meiner Fraktion das Kloster besucht und die Religionsfreiheit in den auf die Türkei bezogenen Debatten immer wieder angespro- chen. Deswegen haben wir dem Antrag im federführenden Menschenrechtsausschuss zugestimmt und werden es auch heute tun. Wohler wäre uns gewesen, wenn wir nur den drei For- derungen des Antrags hätten zustimmen müssen. Sie sind richtig und verdienen unsere Unterstützung. Und daher haben wir uns auch durchgerungen, oder sind viel- mehr zu der Überzeugung gekommen, dass der Grund- tenor des Antrages richtig ist. Erwähnen möchte ich aber auch, dass ich Ihren Text in seiner epischen Breite und etwas länglichen Ausfüh- rung etwas misslich finde. Ellenlange Feststellungsteile zur Welterklärung liefern viele Gründe, sich zu fragen, ob man zustimmen kann, obwohl man mit den Forderun- gen eigentlich d’accord ist, oder ob es nicht doch ein Haar in der Suppe gebe, das der Zustimmung entgegen stehe. Deshalb hatten wir im Ausschuss ja auch zunächst den Antrag gestellt, über den Feststellungsteil und den Forderungsteil getrennt abzustimmen. In diesem Fall hätten wir unterschiedlich votiert: Ihren ellenlangen und ideologisch dann doch leicht verbrämten Feststellungs- teil abgelehnt und den Forderungen zugestimmt. Ich sage „ideologisch leicht verbrämt“, weil ich die Aufarbeitung der Problematik der Religionsfreiheit in der Türkei in diesem Antrag für defizitär und einseitig halte. Man muss beispielsweise mehr zu der großen Minderheit der Aleviten in der Türkei sagen, die auch massive Probleme hat. Wenn in dem Antrag schon Vie- les so fein aufgedröselt wird, können Sie nicht nur über das Kloster und die Rechtsprobleme sprechen, sondern müssen auch andere Fragen thematisieren; wo hat sich etwas verbessert und wo nicht. Uns als Opposition bringt Ihr Antrag in eine unange- nehme Lage: Selbstverständlich wollen wir die Türkei politisch unter Druck setzen, die Frage des Klosters Mor Gabriel zu lösen. Und auch die Religionspolitik in der Türkei ist mehr als fragwürdig. Aber es werden längst nicht alle Fragen von diesem Antragstext erfasst. Sie waren so entgegenkommend, einen konkreten Verbesserungsvorschlag, den ich in der 62. Sitzung des Menschenrechtsschusses unterbreitete, in der wir über Ihren Antrag debattierten, in den Antrag aufzunehmen. Dort steht nun in Forderung 2 richtigerweise nicht nur „nichtmuslimische Minderheiten“, sondern: „… nicht- muslimische bzw. nichtsunnitische Minderheiten“. Es wäre schön, wenn wir künftig öfter an solchen Stellen zusammenarbeiten. Und das fällt umso leichter, wenn man Inhalte, Fragen und Textquellen, bei denen schon im Vorhinein klar ist, dass sie auf der jeweils anderen politischen Seite nicht zustimmungsfähig sind, einfach weglässt oder notfalls zumindest in die Begründung ei- nes Textes verschiebt. Die Gerichtsverfahren gegen das syrisch-orthodoxe Kloster Mor Gabriel stellen bedauerlicherweise die Spitze des Eisberges ständiger und bereits langanhalten- der Bedrohungen und Übergriffe dar, denen die Aramäer als nicht anerkannte indigene Minderheit in der Türkei ausgesetzt sind und die zu einem fast vollständigen Exo- dus der Aramäer aus ihrer Heimat im Südosten der Tür- kei geführt haben. Es ist wichtig und notwendig, in den einzelnen, bekannt werdenden Fällen wie im Fall des Klosters Mor Gabriel sich gegen die Bedrohung zu stel- len und zu versuchen, das Schlimmste abzuwenden. Die- ser Einzelfall, der traurige Berühmtheit erlangt hat, darf jedoch nicht vergessen lassen, dass zahlreiche andere Kirchen und Klöster, aramäische Ortschaften und viele Aramäer als Einzelpersonen (auch mittelbar hier in Deutschland) mit Hunderten von Enteignungsverfahren konfrontiert sind, die ihr Eigentum bedrohen und denen man weitgehend rechtlos gegenübersteht. In dem langen Feststellungsteil wird aber leider an der einen oder anderen Stelle deutlich, welchen Fehler insbesondere die Union immer wieder begeht, wenn sie versucht, für das Menschenrecht auf Glaubens- und Re- ligionsfreiheit einzutreten. Denn Sie setzen bei diesem Thema stets doppelte Standards an. Was Sie vollkom- men zu Recht für verfolgte Christinnen und Christen in anderen Staaten fordern, sind Sie zugleich nicht bereit, den Muslimas und Muslimen in Deutschland zuzuerken- nen. Selbstverständlich ist es richtig, von der türkischen Regierung zu fordern, dass nichtmuslimische Minder- heiten Rechtspersönlichkeit erlangen und als anerkannte Minderheiten ihre Rechte uneingeschränkt ausüben kön- nen. Dann müssen Sie aber auch endlich einsehen, dass die Bundesrepublik Deutschland ebenso in der Pflicht steht, dass nichtchristliche Minderheiten Rechtspersön- lichkeit erlangen und als anerkannte Minderheiten ihre Rechte hier in Deutschland uneingeschränkt ausüben können. Wir lehnen es – offenbar im Gegensatz zu Ihnen – entschieden ab, bei der Durchsetzung der Men- schenrechte und der Religionsfreiheit Doppelstandards anzuwenden! Und dann schwingt natürlich noch ein leiser Ton mit, den ich hier in der Debatte kritisieren muss. Es ist doch so, dass die CDU/CSU aus rein innenpolitischen und ideologischen Interessen die Beitrittsperspektive der Türkei, die diesbezügliche Politik der EU und deren Glaubwürdigkeit immer wieder torpediert und dann so tut, als ob nur die mangelhafte Religionsfreiheit in der Türkei das Hauptproblem wäre. Die Türkei kann man nur mit einem glaubwürdigen und ernst gemeinten Kurs dazu bringen, alle Kopenhagener Kriterien umzusetzen. Die Türkei respektiert nach dem Lausanner Vertrag nur zwei christliche Glaubensgemeinschaften, nämlich die griechisch-orthodoxe und die armenisch-apostoli- sche Kirche, zudem die jüdische Glaubensgemeinschaft. Die Protestanten und Katholiken werden dort offiziell nicht anerkannt. Die Ausbildung von Pfarrern ist nicht möglich. Die Einreise von Pfarrern aus dem Ausland wird erschwert, auch von Pfarrern der orthodoxen Kir- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 22151 (A) (C) (D)(B) che. Das dürfen wir der Türkei als einem befreundeten Land nicht durchgehen lassen. Wir müssen deutlich machen: Wir fordern gleiche Rechte für die Christen in der Türkei. Aber wir fordern selbstverständlich auch gleiche Rechte für die Aleviten; sie sind keine Christen. Sie bilden die größte religiöse Gruppe neben dem sunnitischen Islam in der Türkei. Wir verlangen von der Türkei auch, dass die Cem-Häuser mit den Moscheen gleichgestellt werden und die Zwangsas- similierung an den sunnitischen Islam von alevitischen Kindern in der Schule aufhört, wie das auch der Europäi- sche Gerichtshof für Menschenrechte von Ankara gefor- dert hat. Deswegen unterstützen wir Ihren Antrag, wir hoffen aber sehr, dass unsere Kooperationsbereitschaft Ihnen ein wenig zu denken gibt und Sie sich unsere Kritik- punkte ebenfalls zu Herzen nehmen. Zum Schluss noch kurz ein paar Worte zum eilig ge- schriebenen und mitaufgesetzten Antrag der SPD. Er ist besser als der der Koalition. Die Forderungen sind präzi- ser und im wahrsten Sinne des Wortes menschenrechtli- cher. Angesichts der Tatsache, dass der türkische Staat versucht, dem syrisch-orthodoxen Kloster Mor Gabriel und seinen Bewohnern die Existenz mit juristischen Mit- teln zu erschweren, ist dies genau der richtige Ansatz. Zudem kommt der Feststellungsteil ohne ideologische Zwischentöne und ohne eine ähnlich einseitige Schwer- punktsetzung auf das Christentum aus, wie es im Koali- tionsantrag der Fall ist. Selbstverständlich werden wir ihm deshalb auch zustimmen. Aber eine Bemerkung sei mir gestattet; auch die Kolleginnen und Kollegen der SPD haben im Feststellungsteil offensichtlich die Alevi- ten vergessen, wenn Sie sagen: „der Umgang mit nicht- muslimischen Minderheiten entspricht nicht den Stan- dards des Europäischen Union“. Sie lassen hier also mal eben so etwa 20 Prozent der türkischen Bevölkerung un- erwähnt. Wenn sich schon die Koalition in ihrem Antrag bereit erklärt, hier Änderungen vorzunehmen und von „nicht-sunnitischen Minderheiten“ zu sprechen, dann stünde es Ihnen gut zu Gesicht, dies an allen Stellen Ih- res Antrags auch zu tun. Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Tokio-Konferenz zu einem entwicklungspolitischen Erfolg führen (Tagesordnungspunkt 15) Sybille Pfeiffer (CDU/CSU): Wenn am 8. Juli 2012 die internationale Gemeinschaft zur Tokio-Konferenz zusammenkommt, so dient dies zwei Zielen: einerseits dem Blick zurück auf bisher Erreichtes, andererseits aber auch dem Blick nach vorn. Was erwartet Afghanis- tan von der internationalen Gemeinschaft in der soge- nannten Transformationsdekade, also den zehn Jahren, die sich an die Transition anschließen werden? Vor allem aber auch: Was erwartet die internationale Gemeinschaft von Afghanistan. Was kann sie erwarten? Eines ist klar: Afghanistan ist eine Generationenaufgabe. Vieles wurde schon erreicht. Unser Antrag benennt exemplarisch Er- folge aus den unterschiedlichen Sektoren des deutschen Engagements. So wurden mit deutscher Hilfe im Norden des Landes deutliche Verbesserungen bei der Arbeit der staatlichen Institutionen, der Energieversorgung, beim Zugang zu Trinkwasser, im Bereich Grund- und Berufs- bildung sowie bei der Privatwirtschaftsentwicklung er- zielt. Dies alles wäre – so umstritten es auch in der öf- fentlichen Meinung sein mag – ohne die militärische Komponente des Einsatzes nicht erreicht worden. Das ISAF-Mandat – und damit auch der Einsatz der Bundes- wehr – ist das Fundament für eine verbesserte Sicher- heitslage und den Wiederaufbau des Landes. Deshalb gilt an dieser Stelle mein Dank sowohl den Soldaten als auch den Fachkräften der Entwicklungszusammenarbeit. Auf der anderen Seite bestehen aber auch nach wie vor erhebliche Entwicklungsdefizite. Afghanistan bleibt ausweislich des Human Development Index der Verein- ten Nationen eines der ärmsten Länder der Welt. Dies wird regelmäßig durch Indikatoren wie Lebenserwar- tung, Bildungsniveau und Einkommen reflektiert. Genauso berechtigt wie es also ist, auf Erfolge hinzu- weisen, verstehe ich auch diejenigen, welche sich Sor- gen um die zukünftige Entwicklung des Landes nach dem Abzug der militärischen Kampfverbände nach 2014 machen. Aber es hilft nichts, den Kopf in den Sand zu stecken. Die internationale Gemeinschaft hat Afghanis- tan auf der Bonner Afghanistan-Konferenz im Novem- ber 2011 und jüngst erneut im Rahmen des G-8-Gipfels in Camp David ihre Solidarität zugesichert. Wir werden die afghanische Bevölkerung auch langfristig nicht im Stich lassen, sondern ihr weiterhin mit ziviler Hilfe, aber auch mit der Unterstützung der afghanischen Sicher- heitskräfte zur Seite stehen. Der mit dem Ende der militärischen Präsenz verbun- dene Paradigmenwechsel, weg von schneller Sichtbar- keit hin zu nachhaltiger Entwicklung, wird vermutlich nicht ohne Auswirkungen auf die öffentliche Debatte bleiben. Die zu erwartende Abschwächung des außen- und sicherheitspolitischen Diskurses birgt auch die Ge- fahr, dass Afghanistan vom Radar der internationalen Gemeinschaft verschwindet, sobald andere Konfliktre- gionen – und derer gibt es derzeit nun wahrlich genug – in den Vordergrund treten. Hierüber müssen wir uns Ge- danken machen. Unser Leitbild für die kommenden Jahre wird es sein, Afghanistan bis 2024 – dem Ende der Transformations- phase – zu einem sicheren und stabilen Staat zu machen. Denn wir dürfen nicht vergessen: Sicherheit in Deutsch- land braucht Stabilität in Afghanistan. Genauso wie es ohne eine erfolgreiche Sicherheitspolitik keine Entwick- lung geben kann, kann es keine dauerhafte Befriedung ohne Entwicklung geben. Deshalb arbeitet Deutschland gemeinsam mit den anderen 40 Partnern dafür, dass Afghanistan stabil und sicher ist. Wir wissen aus der Historie: Nur durch die Entwicklung des Landes kann es gelingen, dem Terrorismus dauerhaft den Boden zu ent- ziehen. Erinnern wir uns: 2001 – zu Beginn des Einsat- zes – bestand der Nährboden für terroristische Aktivitä- 22152 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 (A) (C) (D)(B) ten aus einer fehlenden staatlichen Ordnung, fehlender Rechtsstaatlichkeit, fehlenden Bildungschancen und feh- lenden Perspektiven für die Bevölkerung. Bei allen nach wie vor bestehenden Problemen hat sich dies grundle- gend gewandelt. Wie also wird es weitergehen? Der Entwicklungszu- sammenarbeit wird in der Transformationsdekade eine noch größere Rolle zukommen. Im Rahmen der anste- henden Afghanistan-Konferenz in Tokio soll die Unter- stützungszusage der internationalen Gemeinschaft in den kommenden Jahren mit Leben erfüllt werden. Die Bundesregierung ist hier mit gutem Beispiel vo- rangegangen und hat sich zu einer Verstetigung der Mittel auf derzeitigem Niveau, 430 Millionen Euro, bekannt. Dies ist nicht nur wegen der bereits angesprochenen De- fizite notwendig, sondern auch, um die wirtschaftlichen Risiken abzufedern, die sich aus dem Abzug der auslän- dischen Truppen ergeben werden. Dennoch appelliere ich dafür, ehrlich mit uns selber zu sein: Wir reden von einem langfristigen Engagement. In den vergangenen Jahren waren zur Legitimierung des militärischen Ein- satzes schnell sichtbare Erfolge gefragt. Die Zeitlinien einer nachhaltigen Entwicklungszusammenarbeit hinge- gen bemessen sich mehr in Jahrzehnten, denn in Jahren. Im Fokus werden nach Übergabe der Sicherheitsverant- wortung also Programme und Projekte stehen, die nicht primär schnelle Sichtbarkeit, sondern nachhaltige Ent- wicklung ermöglichen. Darauf ist die deutsche Entwick- lungszusammenarbeit, die immer schon langfristig und nachhaltig ausgerichtet war, jedoch besser eingestellt als die anderer Partner. Deswegen werden etwaige Anpas- sungen im deutschen entwicklungspolitischen Portfolio auch geringer ausfallen als jene anderer Partner. Ein noch stärkeres deutsches Engagement wäre aus meiner Sicht beispielsweise im Bereich der ländlichen Entwick- lung wünschenswert. Denn die Generierung von Be- schäftigung und Einkommen im ländlich geprägten Af- ghanistan ist gerade auch hinsichtlich der Gefahr eines Wiedererstarkens der Taliban nach Abzug der internatio- nalen Kampftruppen von übergeordneter Bedeutung. Gleichzeitig haben wir deutlich gemacht – und wer- den dies auch weiterhin tun –, dass Deutschland im Ge- genzug von der afghanischen Regierung verstärkte An- strengungen in den Bereichen gute Regierungsführung, Menschenrechte und Korruptionsbekämpfung erwartet. Damit ist das auf der Bonner Afghanistan-Konferenz Ende letzten Jahres vereinbarte Prinzip des Quid pro Quo (Zug um Zug) angesprochen. Fortschritte in den an- gesprochenen Bereichen müssen fortlaufend überprüft und vonseiten der Gebergemeinschaft bewertet werden. Deutschland hat Afghanistan klar signalisiert, dass es bereit wäre, Finanzmittel auszusetzen oder zu kürzen, falls bestimmte Reformziele seitens der afghanischen Regierung nicht erreicht werden. Dies sind wir nicht zu- letzt auch unseren eigenen Steuerzahlern schuldig. Abschließend erlauben Sie mir in diesem Zusammen- hang die Bemerkung, dass sich die veränderte Aufga- benstellung in der Transformationsdekade – weg von der Umfeldstabilisierung hin zu einer noch stärkeren Fokus- sierung auf eine nachhaltige Entwicklungszusammenar- beit – auch in einer sukzessiven Verschiebung der Fi- nanzmittel niederschlagen muss. Das heißt, dass es zu einer finanziellen Abschmelzung der im AA angesiedel- ten Maßnahmen der Umfeldstabilisierung bei entspre- chender Verlagerung der Mittel in den Einzelplan des BMZ kommen muss. Dies ist zwischen den Ressorts mittlerweile auch grundsätzlich Konsens. Doch der Teu- fel steckt wie so oft im Detail. Auch an dieser Stelle müssen in den kommenden Monaten konkrete Vorstel- lungen entwickelt werden. Diesen Klärungsprozess wol- len wir parlamentarisch begleiten. Roderich Kiesewetter (CDU/CSU): Ich freue mich, dass wir heute einen für unser gesamtes Afghanistan-En- gagement so wichtigen Antrag beraten. Er ist entwick- lungspolitisch bedeutsam, mehr noch: Er passt in unsere außenpolitische Strategie. Deshalb möchte ich meine heutigen Ausführungen auf diese außenpolitische Di- mension konzentrieren, da der entwicklungspolitische Kern bereits intensiv erörtert wurde. Der vorliegende Antrag steht nicht isoliert für sich selbst, sondern ist die konsequente Fortschreibung der politischen Beschlüsse, die sich mit der Neuausrichtung unseres außen- und sicherheitspolitischen Ansatzes in Afghanistan beschäftigen. Als wir Anfang des Jahres das neue Mandat für ISAF mit großer Mehrheit verabschie- det haben, war es unser zentrales Anliegen, die An- schlussfähigkeit der bis 2014 laufenden Transition an das sich anschließende Transformationsjahrzehnt – 2015 bis 2024 – sicherzustellen. Diese kohärente Planung aus Stärkung des zivilen politischen Prozesses und Übergabe der Sicherheitsver- antwortung wird einerseits durch die beschlossenen Schwerpunkte des ISAF-Mandates und andererseits durch die Ergebnisse der Bonner Afghanistan-Konferenz vom Dezember 2011 gewährleistet. Ich habe bei der ers- ten Lesung zum neuen Mandat ausgeführt, dass ich bei- des zusammen für eine erhebliche politische Leistung dieser Bundesregierung und ihrer Partner halte. Bei die- ser Neuausrichtung haben wir auf vier Aspekte besonde- ren Wert gelegt: erstens Stärkung der Ausbildung der ANSF, zweitens Restrukturierung des deutschen Ein- satzkontingents, drittens regionale Einbettung des Tran- sitionprozesses, viertens Ausrichtung des zivilen Enga- gements. Da wir heute über die künftige Ausrichtung des zivilen Engagements – und hierbei insbesondere des entwick- lungspolitischen Anteils – diskutieren sowie grundsätz- lich die sicherheitspolitisch notwendigen Entscheidun- gen getroffen haben, möchte ich im Weiteren gerne auf die regionale Einbettung unserer künftigen Afghanistan- Politik bei den nördlichen Anrainerstaaten abheben. Es wurde durch die Kollegin Pfeiffer völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass im Verlauf der Transformations- dekade der Schwerpunkt von der Umfeldstabilisierung hin zu einer noch stärkeren Fokussierung auf eine nach- haltige Entwicklungszusammenarbeit verlagert werden muss. Gleichzeitig bleibt die Stabilisierung Afghanistans Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 22153 (A) (C) (D)(B) untrennbar mit der Stabilität in der Region verbunden. Dieser außenpolitische Zusammenhang wird insbeson- dere in der ersten Hälfte des Jahrzehnts, von 2014 bis 2019, zu beachten sein, und dies vor dem Hintergrund der Tatsache, dass regionale Zusammenarbeit trotz der Vielzahl regionaler Organisationen und bilateraler bzw. trilateraler Gipfelprozesse sowohl politisch als auch öko- nomisch und gesellschaftlich unterentwickelt ist. Die Gründe hierfür sind laut Antwort der Bundesregierung – Drucksache 17/6218 – auf die Kleine Anfrage der Kolle- ginnen und Kollegen der Grünen vom letzten Jahr „unter anderem regionale politische Konflikte, unterschiedliche wirtschaftliche Entwicklungsstände, divergierende wirt- schaftliche Interessen und gegenseitiges Misstrauen. Weitgehende Einigkeit herrscht hinsichtlich der gravie- renden regionalen Probleme: Terrorismus, Extremismus, Drogenhandel, Flüchtlinge.“ Wir werden also weiterhin aufpassen müssen, dass insbesondere in und mit den nordafghanischen Anrainer- staaten Turkmenistan, Usbekistan und Tadschikistan kein Konfliktpotenzial durch eine wahrgenommene Be- vorteilung Afghanistans entsteht. Denn wir als Deutsche und die internationale Gemeinschaft wollen das Finan- zierungsniveau für entwicklungspolitische Maßnahmen auf hohem Niveau halten. Es gilt, das Störpotenzial im Zusammenhang mit den in Nordafghanistan beheimate- ten ethnischen Minderheiten so gering wie möglich zu halten. Die Bundesregierung fördert beispielsweise seit 2010 ein Programm mit dem Titel „Pakistan – Afghanistan – Tajikstan Regional Integration Programme“, PATRIP. Dessen Zielsetzung ist – ich beziehe mich hier wieder auf die erwähnte Antwort der Bundesregierung – „die Förderung des grenzüberschreitenden Handels und Austauschs, um einen Beitrag zur wirtschaftlichen Ent- wicklung und politischen Stabilisierung der volatilen Grenzregionen zu leisten. Soziale und wirtschaftliche In- frastrukturmaßnahmen werden in enger Zusammenarbeit mit der lokalen Bevölkerung geplant und umgesetzt. Seit 2010 wurden grenzüberschreitende Projekte an der Grenze Afghanistan-Tadschikistan sowie an der Grenz- region zu Pakistan – Brücken, Bewässerungskanäle, Re- paratur von Wasserkraftwerken – durchgeführt.“ Diese außenpolitische Dimension unseres Engage- ments in Afghanistan ist seit langem erkannt, muss je- doch in der ersten Hälfte der Transformationsdekade weiter berücksichtigt werden. Dafür werbe ich heute! In Ergänzung dieses richtigen Ansatzes müssen bei grenzüberschreitenden Aktivitäten die Anstrengungen der NATO zur Sicherung ihrer Versorgungsrouten bis 2014 gesehen werden. Das wird viel Geld kosten. Von diesen Regelungen profitieren die Anrainerstaaten aus- drücklich; ein erstes Abkommen mit Kasachstan, Kirgi- sien und Tadschikistan wurde durch die NATO bereits unterschrieben. Allerdings werden wir noch zusätzliches politisches Kapital investieren müssen, um die regionale Einbettung des komplexen Überganges von Transition zu Transformation zu organisieren und dann in der ersten Phase der Transformation zu stabilisieren. PATRIP und Logistikabkommen sind wichtig; aber politisch kommt es darauf an, wie wir die nördlichen Anrainerstaaten da- bei einbinden wollen und können, ohne bestehendes Konfliktpotenzial zu vergrößern. Es ist unsere politische Aufgabe, unsere wesentliche Leistung, dieses Konflikt- potenzial auszuloten und deutlich zu reduzieren. Die regionale Zusammenarbeit wird weiterhin nur langsam und schrittweise verbessert werden können. Vertrauensbildende Maßnahmen zwischen den Akteuren der Region sind in erster Linie über verstärkte Zusam- menarbeit bei Handel, Infrastrukturmaßnahmen, Ener- giekooperation, Wassermanagement oder Ähnliches zu realisieren. So kann es uns aber gelingen, die Transfor- mationsdekade auch in der Region abzustützen. Stefan Rebmann (SPD): Seit mehr als einem Jahr- zehnt ist Deutschland innerhalb der ISAF-Gemeinschaft am Einsatz in Afghanistan beteiligt. Wollte man zum jet- zigen Zeitpunkt Bilanz ziehen, dürfte diese nicht allzu viel Anlass zur Euphorie geben. Zwar sind durchaus nennenswerte Erfolge zu verbuchen: Angefangen mit der bloßen Existenz einer Verfassung, einer zentralstaat- lichen Exekutive, einer kontrollierten Armee sowie einer im Aufbau befindlichen Polizei – all dies gab es vor 2001 in Afghanistan nicht. Im zivilen wie auch im ent- wicklungspolitischen Bereich haben wir gemeinsam mit den NGOs dringend notwendige Projekte in Infrastruk- tur, Bildung – Aufbau von Schulen, insbesondere für Mädchen – und medizinischer Versorgung sowie beim Zugang zu Elektrizität und Trinkwasser angestoßen und gemeinsam umgesetzt. Diese Entwicklungen sind ge- messen an der Situation vor 2001 durchaus als Erfolge zu bezeichnen, allerdings gehen sie bei Weitem nicht so weit, wie wir uns das wünschen würden. Sie sind oftmals bedauerlicherweise nur punktueller Natur und reichen definitiv nicht aus, um Afghanistan fortan sich selbst zu überlassen. Insgesamt ist es aber nicht gelungen, in Afghanistan stabile demokratische Strukturen zu etablieren. Wir dür- fen uns keinen Illusionen hingeben: An der Regierung Karzai bestehen erhebliche Zweifel bezüglich der demo- kratischen Legitimität und der politischen Integrität. Nach wie vor beherrschen Korruption, Drogenökonomie und die Missachtung von Menschen- und insbesondere von Frauenrechten die politische Situation in Afghanis- tan. Auch ist weder ein Versöhnungsprozess mit den Ta- liban in Form von formaler und demokratischer Teilhabe an der Macht in Afghanistan in die Wege geleitet wor- den, noch ist es gelungen, die Taliban aus dem Land zu vertreiben. Und auch die Warlords sind weiterhin die entscheidenden lokalen Akteure vor Ort. Die Gefahr ei- nes erneuten Bürgerkriegs in naher Zukunft ist damit keineswegs gebannt. Immer noch ist Afghanistan eines der ärmsten Länder der Welt. Auf dem Index der Vereinten Nationen, dem Human Development Index, HDI, von 2011, der Lebens- erwartung, Bildungsniveau und Einkommen abbildet, belegt Afghanistan gerade mal Platz 172 von insgesamt 187 Ländern. Hohe Arbeitslosigkeit, besonders unter Ju- gendlichen, geringe Bildungsraten und, trotz aller Er- folge, nach wie vor lückenhafte Versorgung mit Trink- 22154 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 (A) (C) (D)(B) wasser, Elektrizität und Medizin bestätigen dies. Auch hat es das ISAF-Mandat nicht in Gänze geschafft, ein Si- cherheitsfundament für die Arbeit der NGOs zu schaf- fen. Und nicht zuletzt haben kulturelle Verfehlungen wie die jüngsten Koranverbrennungen und fehlgeschlagene Militäroperationen wie das Bombardement der Tanklas- ter in Mazar-i-Sharif das Vertrauen der afghanischen Zi- vilbevölkerung in die internationalen Streitkräfte massiv geschädigt. Das ist die ernüchternde Bilanz der letzten zehn Jahre. Was aber bedeutet diese Entwicklung für die Zukunft Afghanistans und für das weitere Vorgehen der interna- tionalen Gemeinschaft? Die Flinte ins Korn zu werfen? – Mit Sicherheit nicht. Der beschlossene Abzug der inter- nationalen Truppen bis Ende 2014 ist richtig. Dies be- deutet aber nicht, dass wir Afghanistan nach 2014 al- leine lassen können oder dürfen. Das Land wird weiterhin wird in besonderem Maße und auf lange Zeit auf internationale Hilfe angewiesen sein. Die afghani- sche Westminster-Demokratie werden wir vielleicht nicht erreichen, aber wir müssen verhindern, dass Af- ghanistan auf einen Status quo ante – das heißt vor 2001 – zurückfällt und zu einem „failed state“ wird. Das Land benötigt für den Aufbau staatlicher und wirtschaftlicher Strukturen, aber auch für die Festigung der innerafghanischen Sicherheitskapazitäten, Mittel, die nach dem Abzug des Militärs nicht versiegen dürfen. Die zivile Aufbauhilfe muss garantiert werden, um den Menschen in Afghanistan eine Perspektive zu geben. Hier ist die Verlässlichkeit der internationalen Politik un- mittelbar gefordert. Die bevorstehende Konferenz der so genannten Ge- berländer in Tokio bietet hierfür die zentrale Chance, eine dringend benötigte Agenda für den Aufbau des Lan- des nach dem Truppenabzug 2014 auf den Weg zu brin- gen. Die Bundesregierung hat als gewichtiges Mitglied der ISAF-Gemeinschaft und als Mitglied der G 8 die Möglichkeiten, entscheidende politische Impulse mit zu setzen. Diese Chance muss genutzt werden. Dabei wer- den sich die Ergebnisse der Tokio-Konferenz nicht allein an der Höhe der Summe, die von der internationalen Ge- meinschaft zum Wiederaufbau bereitgestellt wird, und auch nicht an der Anzahl von Dokumenten, die auf der Konferenz beschlossen werden, messen lassen. Was letztlich zählt, ist die tatsächliche Schaffung sicherer, demokratischer und stabiler Lebensbedingungen für 30 Millionen Afghaninnen und Afghanen. Dr. Christiane Ratjen-Damerau (FDP): Wer erin- nert sich nicht an den 11. September 2001? Viele von uns wissen noch exakt, was sie an diesem Tag getan ha- ben und wann sie von den Anschlägen auf das World Trade Center gehört haben. Der 11. September 2001 ist ein Tag des gemeinschaft- lichen Bewusstseins. Die meisten Menschen können noch im Detail beschreiben, was sie getan haben, als sie die schreckliche Nachricht gehört haben, mit wem sie zusammen waren und wo sie die ersten Bilder der Flug- zeuge sahen, die ins World Trade Center flogen. Die Menschen spürten am 11. September 2001 unmit- telbar, dass die Ereignisse in New York die Welt ver- ändern würden, dass der Einsturz der Zwillingstürme Reaktionen der Vereinigten Staaten und der Weltgemein- schaft hervorrufen würde. Am 7. Oktober 2001 begann der Krieg in Afghanis- tan. Dieser Krieg wurde auch begonnen, um die Men- schen in Afghanistan aus der Tyrannei der Taliban zu be- freien. Der Krieg brachte, trotz seiner dunklen Seite, den Menschen mehr Freiheit, mehr Demokratie und mehr Wohlstand. Ende 2014 ist der ISAF-Einsatz in Afghanistan been- det. Wir werden weiter das afghanische Volk auf dem Weg zu Stabilität, Gleichberechtigung und wirtschaftli- chem Aufschwung begleiten und unterstützen. Die Transformation eines der ärmsten und am wenigsten ent- wickelten Länder ist eine Generationenaufgabe. Mit dem Abzug der militärischen Truppen wird sich unser Enga- gement zwar verändern, aber unsere Solidarität und un- ser Versprechen gegenüber Afghanistan bleiben langfris- tig. Vor diesem Hintergrund ist die im Juli in Tokio unter dem Leitthema „Nachhaltige Entwicklungsstrategien für Afghanistan“ zu den zivilen Aspekten der Transforma- tionsdekade von 2015 bis 2024 stattfindende Konferenz ein wichtiger Meilenstein. Ziel ist, die Entwicklung Af- ghanistans zu einem voll funktionsfähigen, stabilen und demokratischen Staat zu unterstützen. In der Vergangenheit wurde bereits viel erreicht. Dies zeigt sich besonders deutlich bei den Frauen. Sie haben am meisten unter den Taliban gelitten. 72 Prozent aller Frauen erklären bei einer Umfrage in Afghanistan, dass sich ihr Leben seit der NATO-Intervention im Jahr 2001 verbessert habe. Das ist ein großer Erfolg, auf den wir und die Afgha- nen stolz sein können. Denn der Grad der Entwicklung eines Landes bemisst sich auch immer am Grad der Frei- heit der Frauen. Nach dem Truppenabzug 2014 rechnen 37 Prozent der Frauen mit einer Verschlechterung ihrer Situation. 86 Prozent haben Angst vor einer Rückkehr der Taliban. Jede Fünfte verwies dabei auf drohende Einschränkun- gen bei der Schulausbildung ihrer Töchter. Eine Studie der Hilfsorganisation Oxfam zeigt deut- lich, wie dringend notwendig unsere Unterstützung der Frauen ist: Die Studie gibt an, dass 87 Prozent der Af- ghaninnen schon Opfer von Gewalt in der Familie ge- worden sind. Im März dieses Jahres konstatierte die Menschen- rechtsorganisation Human Rights Watch: „Afghanische Frauen leiden unter Belästigung, Bedrohungen und manchmal sogar Mord. Zwangsheiraten, die Verheira- tung Minderjähriger und häusliche Gewalt sind weit ver- breitet und noch immer zu sehr akzeptiert.“ Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 22155 (A) (C) (D)(B) „Der Platz der Frau ist entweder das Haus ihres Man- nes oder ihr Grab“, so lautet bis heute ein weit verbreite- tes afghanisches Sprichwort. Frauen leiden am meisten unter der fragilen Sicher- heitslage. Sie werden diejenigen sein, die als erste in ih- ren Freiheiten und Grundrechten eingeschränkt werden, sollte sich die Situation in Afghanistan nach dem Trup- penabzug destabilisieren. Es sind folglich insbesondere die Frauen, die die internationale Gemeinschaft in ihren Fokus rücken muss. Die im Zuge der Friedensverhandlungen mit den Tali- ban hart erkämpften Frauenrechte dürfen auf keinen Fall zur Disposition gestellt werden. Das wäre ein falsch ver- standener Friedensprozess. Daher fordern wir die Bundesregierung auf, an dem 2011 auf der internationalen Afghanistan-Konferenz in Bonn festgeschriebenen Prinzip des Quidproquo – also langfristiges Engagement der internationalen Gemein- schaft wird nur geleistet, wenn Reformfortschritte der afghanischen Regierung sichtbar sind – insbesondere bei den Frauenrechten festzuhalten. Wir sind nur bereit, die afghanische Regierung zu un- terstützen, wenn die Grundrechte der Frauen gewahrt sind! Ein weiteres Problem nach dem Ende des ISAF-Ein- satzes ist die Entwicklung der afghanischen Volkswirt- schaft. Schon heute kommt nur ein verhältnismäßig geringer Anteil der finanziellen Unterstützung Afghanis- tans auch direkt bei den Händlern und Produzenten vor Ort an. Die meisten Güter, die ausländische Organisatio- nen oder Militärs benötigen, werden im Ausland gekauft und ins Land transportiert. Dies führt dazu, dass kaum Arbeitsplätze in Afghanistan selbst geschaffen werden. Neben der allgegenwärtigen Korruption ist dies vor allem der mangelnden Verfügbarkeit der Güter vor Ort geschuldet. Die dringende Aufgabe liegt in dem Aufbau von privatwirtschaftlicher Produktion. Eine Steigerung der lokalen Wertschöpfung ist essenziell für den Aufbau von Afghanistan. Wir fordern daher die Bundesregierung auf, ihren Beitrag zur Stärkung der afghanischen Privatwirtschaft zu leisten. Nur durch die Stärkung privater Betriebe und deren Unternehmergeist kann die Abhängigkeit Afgha- nistans von internationalen Unterstützungen verringert werden. Gleichzeitig kann auch die deutsche Wirtschaft ihren Beitrag zum Aufbau Afghanistans bewirken. Unser Wis- sen, unsere Technologien und unser Kapital können ei- nen wichtigen Wachstumsschub auslösen. Die Bundesre- gierung sollte sich daher verstärkt für Investitionen in Afghanistan einsetzen. Abseits der großen Städte und Zentren ist die Lage für die Menschen dramatisch: Im ländlichen Raum ist die Armut am größten, und im ländlichen Raum gelten die staatlichen Institutionen und die von der Verfassung ga- rantierten Rechte am wenigsten. Daher müssen wir den ländlichen Raum in unseren Fokus nehmen. Wir sollten Afghanistan dabei unterstützen, ihn als Lebensraum zu entwickeln. In ihm müssen sich die Menschen versorgen und sicher fühlen können. Vernetzte Sicherheit bedeutet die ressortübergreifende Zusammenarbeit und eine umfassende Vernetzung staat- licher und nichtstaatlicher Akteure in Krisenregionen. Dabei ist der vernetzte Ansatz mehr als das bloße Be- schützen von Menschen und Dingen. Der vernetzte Ansatz hat in den vergangenen Jahren zu mehr Stabilität und Erfolg beim Wiederaufbau von Afghanistan geführt. Nach wie vor gilt, dass militärische Operationen al- leine keinen Frieden schaffen und keine dauerhafte Si- cherheit garantieren können. Das Militär kann jedoch Zeit für diplomatische Lösungen oder die nötigen Si- cherheit beim Wiederaufbau schaffen. Mit der vernetzten Sicherheit werden Konfliktlö- sungsmechanismen entwickelt, die die ganze Komplexi- tät moderner Konfliktszenarien abbilden und einen um- fassenden Lösungsansatz bieten. Gerade für Afghanistan benötigen wir ein besonders hohes Maß an Vernetzung. Die Bundesregierung sollte diesen Weg weiter gehen. Die Menschen in Afghanistan werden noch über viele Jahre unsere Solidarität und unsere Unterstützung benö- tigen. Dies gilt insbesondere für die Schwächsten der af- ghanischen Gesellschaft: für die Frauen und Kinder. Die westliche Welt hat eine besondere Verpflichtung, Afghanistan auf seinem Weg der wirtschaftlichen und demokratischen Entwicklung beizustehen. Auf der Kon- ferenz in Tokio werden hierfür die Grundsteine gelegt. Mit unserem Antrag zeigen wir den von uns zu leisten- den Beitrag für ein friedliches und demokratisches Af- ghanistan auf. Heike Hansel (DIE LINKE): Vor einer Woche wur- den 18 Zivilisten bei einem Luftangriff der NATO getö- tet; am Dienstag kamen sieben Zivilisten bei einem An- schlag auf Sicherheitskräfte ums Leben; jeden Tag sterben dort Menschen durch Krieg. Am Montag verlo- ren über 80 Menschen bei einem Erdbeben ihr Leben. Das Dorf, in dem sie lebten, soll nun zum Massengrab erklärt werden, weil eine Bergung der Toten nicht mög- lich ist. Das sind die Nachrichten aus Afghanistan, wäh- rend wir im Bundestag zur besten Debattenzeit über flie- gende Teppiche streiten, anstatt darüber zu diskutieren, wie wir den Krieg beenden. Es wäre besser gewesen, Herr Niebel hätte statt Teppichen die deutschen Soldaten aus Afghanistan mitgebracht und sich damit ein Beispiel an der neuen französischen Regierung genommen, die ihre Truppen dieses Jahr abziehen will. Die Bilanz der bisherigen Unterstützung fällt aller- dings verheerend aus. Sie formulieren es in ihrem Antrag selbst: Ob Human Development Index, Lebenserwar- tung, Kindersterblichkeit – Afghanistan belegt überall ei- nen der letzten Ränge, und das nach über zehn Jahren sogenannter Unterstützung. Milliarden wurden in Afgha- nistan ausgegeben, auch für die zivile Hilfe, so viel, wie 22156 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 (A) (C) (D)(B) in keinem anderen Land, und das, um ein solches Ergeb- nis zu erzielen. Das zeigt: Im Krieg kann es keine Ent- wicklung geben. Die Fraktion Die Linke fordert seit Jah- ren: Schluss mit dem NATO-Krieg, Truppen raus aus Afghanistan, weil erst dann Entwicklung überhaupt mög- lich wird. Jetzt schreiben Sie, dass die Kampftruppen bis Ende 2014 Afghanistan verlassen haben werden. Tatsächlich aber werden noch lange danach, und zwar mindestens bis 2024, NATO-Truppen stationiert bleiben. Das heißt, dass deutsche Soldaten noch zehn weitere Jahre dort statio- niert sein werden. Die militärische, strategische und geheimdienstliche Kooperation mit Afghanistan, für Ausbildung und Terrorismusbekämpfung mit Spezialein- heiten wird für die Zeit nach 2014 festgeschrieben. Es wird erwartet, dass eine Truppenstärke von 15 000 Mann im Land verbleiben wird, darunter etwa 1 000 Bundes- wehrsoldaten. Ein vollständiger Truppenabzug sieht an- ders aus. Es ginge darum, „die Entwicklung Afghanistans zu ei- nem voll funktionsfähigen Staat weiterhin zu unterstüt- zen“, schreiben Sie. Weiterhin? Entwicklung zu einem funktionsfähigen Staat? Wie sah diese Entwicklung denn bislang aus – mit Ihrer Unterstützung? Als Kriegspartei sind die ISAF-Truppen am Töten in Afghanistan betei- ligt, Zehntausende von Zivilisten wurden in Afghanistan auch durch die Angriffe der ISAF getötet. Doch Deutsch- land ist nicht nur Kriegspartei, sondern hat auch eine kor- rupte Regierung, verbrecherische Warlords und Funda- mentalisten im Land gestärkt. Politische Stabilität und graduelle Demokratisierung wollen Sie in Afghanistan feststellen? Frauenrechte, die sowieso nur auf dem Papier standen, werden wieder zur Disposition gestellt. Korruption und Misswirtschaft do- minieren das Land. Gestern habe ich auf das Verbotsver- fahren gegen die Solidaritätspartei, die sich gegen die Besatzung und die Warlords und Drogenbarone in Parla- ment und Regierung engagiert und für den Abzug der Truppen wirbt und gegen die herrschenden Warlords auf die Straße geht, verwiesen. Wo bleibt gegen diese staatli- che Repression die Reaktion vonseiten der Bundesregie- rung und von Minister Niebel? Was schlagen die Fraktionen der Regierungskoalition nun vor? Leider nichts Neues, sondern nur mehr vom Alten. Im Sinne des kürzlich abgeschlossenen bilatera- len Kooperationsabkommens zwischen der Bundesregie- rung und Afghanistan setzen sie auf genau das Konzept, das bereits gescheitert ist: Die Wirtschaft Afghanistans soll weiter liberalisiert, bessere Bedingungen für private Investoren sollen geschaffen werden. Sie haben die Inte- ressen der deutschen Wirtschaft fest im Blick. Die Libe- ralisierung, der Afghanistan unter der Kuratel der inter- nationalen „Geber“ unterzogen wird, hat allerdings schon mehr als genug Schaden angerichtet. Vor allem re- gionale Märkte sind dadurch zusammengebrochen, die die Armut in den ländlichen Regionen massiv verstärkt hat. Mit dieser Politik tragen sie nicht zu Stabilität, Ent- wicklung und Demokratisierung bei. Ute Koczy (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dieses Jahr ist ein weiteres wichtiges Jahr für die Zukunft der Menschen in Afghanistan. Nach der Bonner Konferenz im letzten Dezember und dem NATO-Gipfel im Mai wird jetzt die Geberkonferenz in Tokio darüber entschei- den, ob die internationale Gemeinschaft in der Lage ist, die Weichen für ein Afghanistan nach 2014 richtig zu stellen. Wir Grünen finden es sehr wichtig, dass in Tokio tat- sächlich substanzielle Vereinbarungen getroffen werden. Denn in den vergangenen Jahren mussten wir immer wieder erleben, wie in Afghanistan falsche Prioritäten gesetzt wurden und wie die richtige Einsicht nicht umge- setzt wird. Tokio ist deswegen so wichtig, weil dort beschlossen werden muss, dass das Ende des Militäreinsatzes nicht auch das Ende der zivilen Unterstützung bedeutet. Aus diesem Grund begrüße ich es, dass die Koalition den An- trag „Tokio-Konferenz zu einem entwicklungspoliti- schen Erfolg führen“ vorgelegt hat. Er geht in die rich- tige Richtung. Aber er geht nicht weit genug. Afghanistan hat sich verändert. Es gibt Fortschritte für die Entwicklung im Land. Zu nennen sind hier der Bildungssektor oder der Gesundheitsbereich. So wurden im Rahmen der deutsch-afghanischen Zusammenarbeit allein seit 2009 34 000 Lehrkräfte an Grund- und weiter- führenden Schulen aus- und fortgebildet. Insgesamt hat sich seit 2001 die Anzahl der Schülerinnen und Schüler von einer auf 8 Millionen gesteigert, darunter viele Mäd- chen. Aber auch bei den Menschenrechten konnten teil- weise signifikante, für die Menschen spürbare Verbesse- rungen erreicht werden. Hoffnung gibt eine aktive und zuletzt weiter erstarkte und zunehmend gut vernetzte af- ghanische Zivilgesellschaft. Aber sicherlich gibt es auch besorgniserregende Ent- wicklungen in Afghanistan. Die Sicherheitslage ist be- unruhigend. Rückschritte zeichnen sich am Horizont ab. Beschämend ist, wie wenig hoffnungsfroh die Lage der Frauen in Afghanistan ist. Nach deutlichen Fortschritten in der Zeit nach 2001 gibt es in letzter Zeit zu viele negative Beispiele. Ich nenne die geplante Verstaatlichung und Kontrolle der af- ghanischen Frauenhäuser oder einen Gesetzentwurf zur Regelung von Hochzeiten, der letztendlich die Rechte von Frauen beschneiden sollte. Beide Initiativen kamen zynischerweise aus dem afghanischen Frauenministe- rium. Der Eindruck drängt sich auf, dass die Regierung Karzai auf dem Weg ist, das afghanische Frauenministe- rium zu einem Sittenwächter umzufunktionieren. Auch lassen sich die genannten Beispiele als Versuch verste- hen, den wieder erstarkenden konservativen Kräften in der afghanischen Gesellschaft entgegenzukommen. Das ist bitter, denn das dokumentiert auch ein Versagen der internationalen Politik. Liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalition, was ich in Ihrem Antrag vermisse, ist eine kritische Ausei- nandersetzung mit dem deutschen Engagement. Bis heute gibt es keine unabhängige Evaluierung des deut- schen Engagements in Afghanistan. Wir Grünen fordern Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 22157 (A) (C) (D)(B) dies seit Jahren ein. Der jährlich vorgelegte Fortschritts- bericht reicht da bei weitem nicht aus. Denn eine feh- lende Auseinandersetzung mit den Fehlern der Vergan- genheit heißt auch, dass man nicht bereit ist zu lernen. Daran leidet letztlich die Qualität des deutschen Einsat- zes. Mit dem Konzept der vernetzten Sicherheit wurde ein Tabu gebrochen und das Entwicklungspolitische dem Militärischen nachgeordnet. Dies hat dem Verhältnis zur Zivilgesellschaft geschadet. Eine kritische Aufarbeitung wäre auch wichtig für die weitere Strategie. So erklärt sich auch, warum Deutsch- land beim Aufbau Afghanistans generell so strategielos wirkt und international in der zweiten Reihe steht. Hier schließt sich auch der Kreis zu Ihrem Antrag. Es finden sich keine ambitionierten Ziele für die Zukunft Afgha- nistans. Stattdessen lese ich Dinge, die Fragen aufwer- fen. Im Antrag legen sie fest, dass für die Phase der Tran- sition die Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit und den zivilen Aufbau verstetigt werden sollen. Sprich, das wären dann die insgesamt 430 Millionen, davon 240 Millionen Euro aus dem Haushalt des BMZ. So weit, so gut. Für die Transformationsdekade von 2014 bis 2024 wird dagegen nur noch von einem „substanziellen Bei- trag“ gesprochen, der regelmäßig in Art und Umfang überprüft werden solle. Ich interpretiere das so, dass dies dann die schleichende Abkehr bzw. Reduktion der zivi- len Unterstützung für Afghanistan bedeutet. Ich finde, hierzu müssen sie sich erklären. Ich kritisiere die Ankündigung, die Ausarbeitung ei- nes bilateralen Rohstoffabkommens prüfen zu lassen. Ich finde es besser, Afghanistan dabei zu unterstützen, die eigenen Rohstoffe überhaupt erst einmal fördern zu können und dies zum Nutzen der gesamten Bevölkerung zu tun, sprich, ohne Korruption und für einen Staats- haushalt, der der parlamentarischen Kontrolle unterliegt. Solange dies nicht garantiert ist, sollten wir tunlichst die Finger davon lassen. Ich möchte auch noch einen weiteren Widerspruch in Ihrem Antrag aufzeigen: Ich verstehe nicht, wie Ihre ri- gorose Ablehnung von Budgethilfen für Afghanistan mit dem von Ihnen erweckten Eindruck zusammenpasst, den afghanischen Staat eigenständig machen zu wollen. Sie möchten Afghanistan dazu ermächtigen, aus eigenen Einnahmen, wohl auch durch Rohstoffexporte, die nöti- gen Mittel aufzubringen, um Entwicklung und Sicher- heitskräfte zu finanzieren. Gerade Budgethilfen sind ein geeignetes Instrument, um ein Land beim Aufbau von Finanzmanagement zu unterstützen, das Koordinations- problem der vielen Geber aufzulösen und endlich mal aus dem Klein-Klein herauszukommen. Ich sage Ihnen: Ein Land, das nicht in der Lage ist, verantwortungsvoll mit Budgethilfen umzugehen, ist auch nicht in der Lage, aus Rohstoffeinnahmen etwas Gutes für das Land zu er- reichen. Auch hier müssen Sie sich Kritik gefallen las- sen. Auch deshalb können wir dem Antrag nicht zustim- men. Zum Schluss. Die Tokio-Konferenz ist wichtig. Die Geber müssen Farbe bekennen. Deutschland muss aktiv für ein weiteres, verbessertes ziviles und entwicklungs- politisches Engagement eintreten. Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Unseriöses Inkasso zu Lasten der Verbraucherinnen und Verbrau- cher stoppen (Tagesordnungspunkt 16) Marco Wanderwitz (CDU/CSU): Mit dem stetigen Aufwachsen des Onlinehandels und Telefonmarketings sind leider zunehmend unseriöse Geschäftspraktiken zu einem großen Übel für Verbraucherinnen und Verbrau- cher geworden: Rechnungen infolge unerlaubter Tele- fonanrufe, aufgrund von sogenannten Abo-Fallen im In- ternet oder in mittelbarer Folge durch den Missbrauch datenschutzrechtlicher Einwilligungen. Die Methoden sind vielfältig, letztlich aber eng miteinander verfloch- ten. Am Ende derartiger Betrugsketten steht meist nicht nur die Beitreibung nicht existierender Forderungen selbst. Es sind auch unangemessene Beitreibungsmetho- den und vor allem das Anschwellen einer Bagatellforde- rung durch überhöhte Inkassokosten, die Verbraucherin- nen und Verbraucher drücken. In den letzten Jahren hat sich zudem das wettbe- werbsrechtliche Abmahnwesen für Bagatellen als ein neuer Geschäftszweig im negativen Sinne etabliert. Mit Hilfe von Suchmaschinen werden kleinste Verstöße im Internetauftritt identifiziert und folgend abgemahnt. Häufigen Anlass für diese Masche geben Verstöße gegen Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 4 Nr. 11 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, insbeson- dere die Impressumspflicht nach dem Telemediengesetz, der Gebrauch unzulässiger Allgemeiner Geschäftsbedin- gungen und Verstöße gegen die Preisangabenverord- nung. Für Mitbewerber ist es dabei oft zu keiner spürba- ren Wettbewerbsverzerrung gekommen, für den zumeist betroffenen Kleinunternehmer hingegen stellen die im Rahmen der Abmahnung geforderten Kosten eine exis- tenzbedrohende große Belastung dar, die, und das ist der wesentliche Punkt, in keinem Verhältnis zur Geringfü- gigkeit des Verstoßes stehen. Die Drohgebärden der unseriösen Inkassounterneh- men werden durch das Versenden vorformulierter Klage- schriften oder umfänglicher vermeintlich zutreffender Urteilssammlungen zugunsten der angeblichen Forde- rungsinhaber unterstützt, um den Druck noch weiter zu erhöhen. Die Verbraucherzentrale in meinem Heimatland Sachsen hat im Rahmen einer Erhebung aus dem Jahre 2011 lediglich 1 Prozent von 4 000 untersuchten Be- schwerden als eindeutig berechtigte Inkassoforderungen identifiziert. Die Zahl derer, die den Weg zu den Ver- braucherzentralen nicht gesucht und stattdessen unter dem Druck sich anhäufender Mahnungen gezahlt haben, 22158 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 (A) (C) (D)(B) dürfte um ein Wesentliches höher liegen: die sogenannte Grauzone. Die Inkassobranche hat nicht zuletzt ob dieser Methoden mancher insgesamt keinen guten Ruf beim Verbraucher. Der vorliegende Antrag der PDS richtet sich gegen die schwarzen Schafe einer Branche, die für das Funk- tionieren des Geschäftslebens insgesamt aber unabding- bar ist. Inkassounternehmen ermöglichen vielen Unter- nehmen aus sämtlichen Branchen die Konzentration aufs Kerngeschäft, indem sie bestehende Forderungen im außer- gerichtlichen Inkasso realisieren. Wir dürfen eines nicht verkennen in der ganzen Diskussion: Viele Schuldner er- halten zu Recht Inkassoschreiben, weil sie säumig mit einer unbestreitbaren Forderung sind. Die Inkassovergü- tung ist dann Teil des Verzugsschadenersatzanspruchs des Gläubigers. Die christlich-liberale Koalition sieht angesichts des Missbrauchs in der Branche natürlich Handlungsbedarf. Das Kind mit dem Bade ausschütten wollen und werden wir aber nicht. Entgegen der Darstel- lung im Antrag sind wir in diesem Bereich auch alles an- dere als untätig. Im März haben wir hier im Haus das Gesetz gegen Kostenfallen im elektronischen Geschäftsverkehr verab- schiedet, mit dem den sogenannten Abo-Fallen ein wei- terer Riegel vorgeschoben wird. Das war ein wichtiger weiterer Schritt zur Umsetzung unserer rechts- und ver- braucherpolitischen Agenda, mit dem wir den Hebel am Anfang der skizzierten Betrugskette ansetzen. Die Bundesregierung, in Person die Ministerinnen Aigner und Leutheusser-Schnarrenberger – das will ich in diesem Zusammenhang gern nochmals betonen –, hatte erfolgreich die Aufnahme dieser Regelung in die am 12. Dezember 2011 in Kraft getretene EU-Verbrau- cherrechte-Richtlinie erreicht. Wir waren danach die ers- ten in Europa, die umgesetzt haben. Wir haben die euro- päisch abgestimmte Regelung erreicht. Auch gegen verbundene unseriöse Geschäftsprakti- ken, gegen unseriöse Inkassounternehmen und die er- wähnte Bagatellabmahnindustrie werden wir vorgehen. Der entsprechende Referentenentwurf des Bundesminis- teriums der Justiz liegt bereits vor. Die Schwerpunkte darin sind mehr Transparenz beim Forderungseinzug, Darlegungs- und Informationspflich- ten bei Inkassodienstleistungen und erweiterte Sank- tionspflichten der Aufsichtsbehörden einschließlich empfindlicher Bußgelder sowie Rahmensetzung im Ge- bührenbereich. Der vorliegende Antrag ist also weitgehend erledigt. Ihre Forderung nach einer neuen Behörde lehnen wir ab, da es keinen Vollzugsmangel gibt, sondern zusätzlicher Regulierung bedarf – und die kommt. Mechthild Heil (CDU/CSU): Erst das Vergnügen – dann die Arbeit: Zunächst möchte ich nämlich etwas durchaus Erfreuliches feststellen: Im Verbraucherschutz liegen die Positionen in diesem Hause weniger weit aus- einander als in anderen politischen Fragen. Weniger erfreulich ist allerdings, dass wir uns immer wieder mit Anträgen wie diesem beschäftigen müssen, in denen Sie etwas fordern, was wir schon längst tun. Wir sind uns doch beim Thema: „Unseriöses Inkasso zu- lasten Verbraucherinnen und Verbrauchern stoppen“ grundsätzlich einig. Seriöses Inkasso ist im Wirtschafts- leben normal und wichtig. Viele Firmen sind beim Ein- zug ihrer Forderungen auf die Hilfe seriöser Inkasso- unternehmen angewiesen. Einige schwarze Schafe bringen aber die gesamte Branche zunehmend in Verruf. Schlimmer noch: Die be- troffenen Verbraucherinnen und Verbraucher fühlen sich durch ungerechtfertigte Mahnungen bedroht und einge- schüchtert. Sie müssen einen finanziellen Schaden hin- nehmen, auch wenn sie entweder keine oder nur gering- fügige Rechtsverstöße begangen haben. Deshalb: Den Praktiken von unseriösen Inkassounternehmen in Deutschland muss ein Riegel vorgeschoben werden. Und das machen wir. Ja, es ist richtig, dass Verbraucherinnen und Verbrau- chern von solchen unseriösen Unternehmen in vielen Fällen Gebühren zugemutet werden, die ungerechtfertigt hoch sind. Ja, es ist auch richtig, dass eine Informations- pflicht in Zusammenhang mit den Zahlungsaufforderun- gen von Inkassounternehmen eingeführt werden muss, damit Verbraucherinnen und Verbraucher nachvollzie- hen können, woher die Zahlungsverpflichtungen kom- men, und damit sie überprüfen können, ob diese Forde- rungen berechtigt sind. Ja, es ist richtig, dass der Sanktionsrahmen gegen un- seriöses Inkasso qualitativ und quantitativ erweitert und die entsprechenden Kontrollmechanismen ausgebaut werden müssen. Ja. Ja. Ja. – Aber trotzdem: Nein, meine Damen und Herren von der Linken, zu Ihrem Antrag! Denn: Wir brauchen diesen Antrag nicht. Die genannten Kritikpunkte hat das BMJ schon längst in seinem Ge- setzentwurf zur Bekämpfung unseriöser Geschäftsprak- tiken mit gezielten Neuregelungen gegen unseriöse Inkassotätigkeit im Rechtsdienstleistungsgesetz aufge- griffen. Der Entwurf befindet sich derzeit noch in der Ressortabstimmung. Vorgesehen ist unter anderem: Aus Inkassoschreiben muss eindeutig zu entnehmen sein, für wen das Inkassounternehmen arbeitet, worauf die Forderung beruht und wie sich die Inkassogebühren zusammensetzen. Dies ist für seriös arbeitende Perso- nen, die Inkassodienstleistungen erbringen, schon heute selbstverständlich, sodass mit dieser Verpflichtung für die Mehrheit der seriösen Marktteilnehmer kein bürokra- tischer Mehraufwand und kein Kostenaufwand entste- hen. Die Aufsicht über die Inkassobranche soll verbessert werden. Schon heute benötigen Inkasso-Unternehmen eine Registrierung. Die Widerrufsmöglichkeiten für die Registrierung sollen erweitert werden, damit unseriöse Unternehmen schneller vom Markt verschwinden. Eine einfache und transparente Gebührenregelung soll verhindern, dass Verbraucherinnen und Verbraucher überzogene Inkassogebühren zahlen. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 22159 (A) (C) (D)(B) Derzeit gibt es keine klare Regelung, bis zu welcher Höhe Inkassogebühren geltend gemacht werden können. Mit der Einführung von Inkassoregelsätzen kann jeder Verbraucher sofort erkennen, bis zu welcher Höhe sol- che Kosten erstattungsfähig sind. Eine faire, dem tat- sächlichen Aufwand angemessene Staffelung der Kosten nimmt unseriösen Abzockern in dieser Branche den An- reiz. Verknüpft werden diese Maßnahmen gegen unseriö- ses Inkasso mit neuen Regelungen zu Telefonwerbung und Abmahnwesen, da hier ein inhaltlicher Zusammen- hang besteht. In vielen Fällen beziehen sich unseriöse Inkassopraktiken auf Forderungen, die während eines unerlaubten Werbeanrufs begründet worden sind. Wir reagieren damit auf die Forderungen des Bundes- rates vom Mai 2011 und der Verbraucherschutzminister- konferenz vom vergangenen September sowie auf die im Dezember veröffentlichten Untersuchungsergebnisse der Verbraucherzentrale, auf die Sie sich in Ihrem Antrag ebenfalls beziehen und die übrigens vom BMELV geför- dert wurde. Wir brauchen allerdings keine bundesweit tätige Verbraucherschutzbehörde, die die Inkassounter- nehmen überwacht, wie Sie es fordern. Die Aufsicht er- folgt heute durch die Länder. Eine Übertragung der Auf- sichtspflicht auf eine Bundesbehörde würde nur zu Know-how-Verlust führen. Auch Ihre Forderung, eine Inkassogenehmigung dürfe nur nach eingehender, vorheriger behördlicher Prüfung erteilt werden, läuft ins Leere. Eine Zulassung für Inkassounternehmen wird heute schon nur erteilt, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen: Die Inkassodienstleister müssen geeignet und zuverlässig sein, die besondere Sachkunde besitzen, die notwendig ist, um die Rechtsdienstleistung zu erbringen, und eine Berufshaftpflichtversicherung abgeschlossen haben. Worum es hier geht, worum es uns geht, ist, Betrü- gern in einem im Übrigen seriösen und leider notwendi- gen Dienstleistungsbereich das Handwerk zu legen, in- dem wir die schwarzen Schafe erkennen, sie von dieser Tätigkeit ausschließen und gegebenenfalls bestrafen. Nicht weniger, aber eben auch nicht mehr. Damit, ich sagte es bereits, setzen wir um, was Sie heute fordern: den umfassenden Schutz der Verbraucherinnen und Ver- braucher vor unseriösem Inkasso. Hier trifft das arabi- sche Sprichwort zu: „Weisheit, die auf Eseln reitet, kommt immer zu spät.“ Kerstin Tack (SPD): Wieder einmal geht es heute um unseriöse Inkassounternehmen. Ein Problem, das in- zwischen nahezu jedem hier bekannt sein sollte: Forde- rungen werden teilweise ungeprüft gestellt, und dafür werden horrende Beträge verlangt, die die eigentliche Forderung teilweise überschreiten. Alle sind sich hier ei- nig: So geht das nicht. Die Bundesjustizministerin hatte hierzu einen Gesetzentwurf erarbeitet. Ein Missgeschick führte dazu, dass dieser Gesetzentwurf die Öffentlichkeit erreichte. Und obwohl der Gesetzentwurf tatsächlich eine Verbesserung der Verbraucher dargestellt hätte, liegt er nun auf Eis. Die in dem Gesetzentwurf zum Ausdruck kommende Begrenzung des Streitwertes auf 500 Euro beispielsweise finde auch ich ein adäquates Mittel. Über weitere Details müsste man sich unterhalten. Aber – und dieses „aber“ kommt ja inzwischen auch schon aus den eigenen Reihen der Koalition – Fernsehmoderatoren führen hierüber Nachgespräche. Aber, meine Damen und Herren, der Gesetzentwurf wurde bis heute nicht im Kabinett beschlossen. Die Regierung bleibt auch in die- sem Punkt untätig. Anhalten, aufhalten, einstampfen. Schade um die Kapazitäten der Ministerien. Wenn wir nun also darüber reden, wie wir die schwar- zen Schafe unter den Inkassounternehmen an die Kan- dare legen wollen, dann müssen wir uns klarmachen, wo die Probleme liegen. Mit dem Begriff Inkasso bezeich- nen wir das Eintreiben fremder Forderungen. Wenn wir den Normalfall anschauen, ist das auch unproblema- tisch: Ein Kunde bezahlt die Rechnung nicht, also soll er hierzu verpflichtet werden. Problematisch wird es aber – und deswegen unterhalten wir uns hier und heute darüber –, wenn zweifelhaft ist, ob die Forderung über- haupt besteht, oder wenn für das Eintreiben der Forde- rung deutlich mehr Geld verlangt wird, als die Forde- rung selbst wert ist. Schauen wir uns beispielsweise Abmahnungen im Urheberrechtsbereich an: Der Verein gegen den Ab- mahnwahn e. V. hat im Jahr 2011 über 218 000 Abmah- nungen mit einem Gesamtforderungsvolumen von über 165 Millionen Euro geschätzt. Wenn diese Schreiben alle bezahlt worden wären, so hätte jedes über 750 Euro gekostet. Der Verein geht von einer Zahlungsquote von 40 Prozent aus. Das heißt, 218 000 Abmahnungen erge- ben 66 Millionen Euro. Pro versandtem Brief ergibt das immer noch etwas mehr als 300 Euro, über 300 Euro für ein maschinell erstelltes Aufforderungsschreiben, mit dem jemand gebeten wird, ein Verhalten künftig zu un- terlassen. Das ist problematisch. Deshalb unterstütze ich die Forderung, die auch im heute zur Debatte stehenden Antrag enthalten ist, Inkassogebühren für den Regelfall zu deckeln, ausdrücklich. Ich möchte in diesem Zusammenhang auch einmal darauf hinweisen, dass es bei einer solchen Abmahnung weder um einen Schadenersatz geht, den der oder die Abgemahnte bezahlen soll, noch um eine strafrechtliche Sanktion. Für beides haben wir andere Vorschriften. Hier geht es lediglich darum, ein Verhalten abzumahnen, so- dass dies künftig unterlassen wird. Hohe Gebühren sind da nicht angebracht. Probleme gibt es auch in anderen Bereichen, beispielsweise bei Vertragsschlüssen auf- grund von Telefonwerbungen. Die Telefonate haben manchmal noch nicht einmal stattgefunden, was die Un- ternehmen nicht immer davon abhält, diese Forderungen – ohne jede Vertragsgrundlage – durchsetzen zu lassen. Die Inkassounternehmen prüfen nicht, sondern ziehen den Betrag sofort ein. Cary Grant sagte einmal: „Mach deine Arbeit und verlange deine Bezahlung – aber bitte in dieser Reihenfolge.“ Diese Reihenfolge wird aber eben genau nicht eingehalten. Vielmehr fordern unse- riöse Inkassounternehmen Gelder ein, ohne geprüft zu haben, ob sie dazu überhaupt berechtigt sind. Die Arbeit überlassen sie erst einmal den Verbraucherinnen und Verbrauchern und gucken, ob die sich gegen die Forde- rung wehren. So kann das aber nicht weitergehen. 22160 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 (A) (C) (D)(B) Wir müssen Verbraucherinnen und Verbraucher davor bewahren, dass Unternehmen unberechtigte Forderun- gen stellen. Um Verbraucherinnen und Verbraucher vor unseriösem Inkasso zu schützen, müssen daher folgende Eckpunkte gesetzlich verankert werden: Die Gebühren müssen begrenzt werden. Mehr als 100 Euro für ein ers- tes, einfaches Aufforderungsschreiben sind unverhältnis- mäßig. Das gilt nicht nur, aber ganz besonders bei Ab- mahnungen mit Unterlassungsandrohungen. Man muss sich doch einmal anschauen, worum es hier geht: Unter- lasse das, sonst wird es teuer! Das ist die Aussage einer Abmahnung. Und nicht: Zahle teures Geld, weil Du et- was falsch gemacht hast. Zweitens brauchen wir ein breiteres Sanktionsspek- trum gegen die schwarzen Schafe unter den Inkasso- unternehmen. Es kann doch nicht angehen, dass Forde- rungen ohne die Prüfung, ob sie überhaupt bestehen könnten, durchgesetzt werden. Wenn so etwas passiert, dann muss die Aufsicht auch mal ein Bußgeld verhängen dürfen. Und wenn so etwas häufig passiert, dann muss es auch möglich sein, das Unternehmen zu schließen. Drittens müssen wir die Verbraucherzentralen zu ei- nem Finanzmarktwächter ausbauen. Wir brauchen ein Organ im Markt, das Fehlverhalten aufdeckt und kennt- lich macht. Die Verbraucherzentralen bieten die Infra- struktur, um Marktmissstände frühzeitig zu erkennen. Sie stehen im direkten Austausch mit Verbraucherinnen und Verbrauchern. Über ihr breites Netz an Verbraucher- zentralen einerseits, aber auch über Onlineplattformen andererseits kann sich nahezu jede deutsche Verbrauche- rin und jeder deutsche Verbraucher mit Problemen ein- fach an die Verbraucherzentralen wenden. Die zum Marktwächter erstarkten Verbraucherzentralen könnten Probleme am Markt filtern und an eine schlagkräftige Aufsicht weitergeben. Dann brauchen wir keine bürokra- tisch organisierte Verbraucherbehörde, wie sie im vorlie- genden Antrag gefordert wird. Wir wollen eine bürger- und marktnahe Einrichtung, die die Probleme der Ver- braucherinnen und Verbraucher kennt. Viertens muss gewährleistet sein, dass alle Bereiche des Finanzmarktes einer schlagkräftigen Aufsicht unter- stellt sind. Das muss auch für Inkassounternehmen gel- ten. Die Zivilgerichte können diese Aufgabe nicht leisten. Ihre Aufgabe ist das Wachen über Rechtsdienstleistun- gen. Ihre Struktur ist über das gesamte Bundesgebiet ver- teilt. Traditionell kam es bei Inkassounternehmen genau auf diese Art der Aufsicht an. Denn Inkassounternehmen sollten fremde Forderungen einziehen. Sie sollten eine rechtsnahe Dienstleistung erbringen. Heute zeigt sich aber, dass es auch auf die inhaltliche Arbeit der Unterneh- men ankommt. Die Aufsichtsbehörde muss im Zweifel eben auch beachten und beobachten, ob ein Inkassounter- nehmen Forderungen überprüft hat, bzw. Sanktionen ver- hängen, wenn das nicht der Fall war. Für eine solche Überprüfung bedarf es einer schlagkräftigen Aufsicht, die Missständen nachgehen und diese sanktionieren kann. Die Zivilgerichte sind hierzu weder strukturell noch per- sonell in der Lage. Erst wenn wir ein solches Gesamtkon- zept verabschiedet haben, wird sich der Markt regulieren. Das Zusammenspiel von Marktwächter und Aufsichtsbe- hörde ist dabei der entscheidende Schlüssel, um eine ef- fiziente Kontrolle des Marktes ohne zu gravierende Ein- schnitte zu gewährleisten. Denn der Marktwächter beobachtet den Markt aus der Sicht der Verbraucherinnen und Verbraucher. Er ist eine Bündelung der vielen schwa- chen Einzelinteressen, die unter ihm versammelt werden. Er schaut sich an, wo Defizite bestehen, und diese meldet er an die Aufsicht. Diese ist wiederum alleinige Sank- tionsbehörde. Sie prüft, entscheidet und verhängt gegebe- nenfalls Sanktionen gegen unseriöse Marktteilnehmer. Dieses Marktwächtermodell berücksichtigt die Inte- ressen der Verbraucherinnen und Verbraucher ohne eine übermäßige Regulierung. Es ist günstiger und effektiver als die Schaffung einer Behörde. Und ein Marktwächter hat deutlich bessere Handlungsmöglichkeiten, um prä- ventiv vorzubeugen. Verbraucherinnen und Verbraucher können ohne große Hemmungen mit dem Marktwächter kommunizieren und sich über Gefahren und Miss- brauchsmechanismen des Marktes kundig machen. Mit einem ausbalancierten Rechte- und Pflichtensys- tem, mit einer schlagkräftigen Aufsicht und mit einem Marktwächter, der die Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher im Blick hat, können wir auch unseriö- ses Inkasso langfristig eindämmen. Stephan Thomae (FDP): Die Linke stellt in ihrem Antrag ihre Überlegungen zu unseriösem Inkasso vor. Ich muss zunächst eins klarstellen: Es ist mitnichten so, dass die Bundesregierung das Problem unseriöser Inkas- sounternehmen ignoriert hätte. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser- Schnarrenberger hat einen Referentenentwurf zur Be- kämpfung unseriöser Geschäftspraktiken vorgelegt. In diesem wird neben den Themen unerlaubte Telefonwer- bung, Abmahnungen nach dem Gesetzt gegen unlauteren Wettbewerb und nach dem Urheberrechtsgesetz auch das Problemfeld unseriöser Inkassopraktiken behandelt. Lassen Sie mich nun auf die Forderungen der Linken im Einzelnen eingehen. Erstens. Die Linke schlägt vor, dass die Schuldnergebühren für die ersten beiden Mah- nungen 100 Euro nicht überschreiten dürfen. Wie das ge- gen unseriöse Machenschaften helfen soll, erschließt sich mir nicht. Hier muss man eins bedenken: Eine Ge- bührendeckelung trifft seriöse Inkassounternehmen ge- nauso wie unseriöse. Wenn die Unternehmen aber nur geringe Gebühren verlangen dürfen, können sie auch nur diese geringen Gebühren einsetzen um die einzelnen Fälle seriös abzuwickeln. Dies wirkt sich natürlich auf die Qualität des Inkassos aus. Seriös arbeitende Unter- nehmen haben dann weit weniger Mittel zur Verfügung, um die Prüfung und Fallbearbeitung im Einzelfall mit der gebotenen Intensität zu betreiben. Der Vorschlag der Linken würde nicht dazu führen, dass wir unseriösen In- kassounternehmen das Wasser abgraben. Vielmehr wäre die Konsequenz einer Kostendeckelung, wie sie die Linke vorschlägt, dass das Niveau seriösen Inkassos ins- gesamt sinkt. Das sollten wir nicht wollen. Der Referen- tenentwurf des BMJ sieht daher auch vor, dass durch eine Verordnung Inkassoregelsätze aufgestellt werden, Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 22161 (A) (C) (D)(B) die es seriösen Unternehmen ermöglichen, sinnvoll zu arbeiten. Zweitens. Weiter fordert die Linke, dass Inkassoun- ternehmen umfangreiche Informationspflichten auferlegt werden. Dies geht in der Sache in die richtige Richtung und seriöse Unternehmen erfüllen diese Voraussetzun- gen heute bereits. Aber auch hier muss man mit Augen- maß vorgehen. Der vorliegende Vorschlag sieht vor, dass Inkassounternehmen verpflichtet werden. Verbraucher immer auch die Anschrift des Auftraggebers der Inkas- sounternehmen zu übermitteln. Dies übersieht aber voll- ständig, dass dabei auch datenschutzrechtliche Aspekte berücksichtigt werden müssen. Daher sieht der Entwurf der Bundesjustizministerin vor, dass auf die Angabe der Anschrift verzichtet werden kann, wenn dargelegt wird, dass der Benennung der Anschrift besondere Schwierig- keiten oder schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen entgegenstehen. Dies könnte der Fall sein, wenn es im Vorfeld wiederholt zu Bedrohungen oder Stalking durch die Schuldnerin oder den Schuldner gegenüber dem Gläubiger gekommen ist. Drittens. Eine weitere Forderung Ihres Papiers ist die Erhöhung des Bußgeldrahmens. In dieser Hinsicht kann ich Sie voll und ganz beruhigen. Der Referentenentwurf sieht vor, dass im Rahmen von § 20 RDG, Gesetz über außergerichtliche Rechtsdienstleistungen, verhängte Bußgelder bis zu 50 000 Euro betragen können. Dies be- deutet eine Verzehnfachung des bisherigen Rahmens. Wir sind uns in diesem hohen Hause alle einig, dass ge- gen unseriöse Inkassounternehmen etwas unternommen werden muss, um die Verbraucher zu schützen. Wir dürfen dabei aber nicht aufgrund einzelner Unter- nehmen eine ganze Branche unter Generalverdacht stel- len. Die schwarz-gelbe Bundesregierung möchte präzise die Betrüger unter den Inkassounternehmen treffen und nicht diejenigen, die ihre Arbeit legitim durchführen. Die Linke verfährt aber offensichtlich nach dem Prinzip: „Bei den Inkassounternehmen trifft man sowieso nicht den Falschen.“ Das zeigt sich auch anhand der Tatsache, dass die Linke behauptet, die „Inkassoindustrie“ finan- ziere sich dadurch, dass den Verbraucherinnen und Ver- brauchern „weiterhin unberechtigt Geld aus der Tasche gezogen“ werde. Wer seriöse Unternehmen so leichtfer- tig mit betrügerischen Unternehmen vermengt, muss sich den Vorwurf gefallen lassen, es gehe ihm nicht nur darum, die unberechtigten Inkassoschreiben zu verhin- dern, sondern dass er ebenfalls in Kauf nimmt, die seriö- sen Inkassounternehmen gleich mit abzuwürgen. Die Inkassoforderung muss zur außergerichtlichen Beilegung eines Zahlungsverzugs auch weiterhin mög- lich sein. Der Kampf gegen unseriöse Geschäftsprakti- ken in der Inkassobranche darf nicht auf dem Rücken der Gläubiger ausgetragen werden. Diese möchten ihre For- derungen ja zu Recht beglichen sehen und sind daher oft auf die Dienste seriöser Inkassounternehmen angewie- sen. Das BMJ hat einen Entwurf, zur Lösung dieser Fra- gen vorgelegt. Dieser ist in den Augen meiner Fraktion der deutlich bessere Weg als das, was die Linke hier vor- schlägt. Vor diesem Hintergrund können wir dem Antrag der Linken nicht zustimmen. Dr. Erik Schweickert (FDP): Die meisten Inkasso- büros arbeiten solide und fair. Sie erfüllen in unserer Wirtschaftordnung eine wichtige Aufgabe. Sie fungieren als Vertreter des Gläubigers und realisieren Forderungen gegen säumige Schuldner. Durch die eigenbetriebliche Übernahme der Durchsetzung von Forderungen entlas- ten sie insbesondere Unternehmen in erheblichem Um- fang. Seriöse Inkassounternehmen arbeiten für Gläubiger und Schuldner gleichsam kostengünstig und effizient. Aber leider gibt es auch die Kehrseite der Medaille: Drohen, erpressen, abzocken – das ist für einige windige Inkassobüros der tägliche Dreiklang. Unlauteres Inkasso ist in Deutschland leider auf dem Vormarsch, nicht sel- ten in einer unheiligen Allianz mit unerlaubter Telefon- werbung oder Abzocke im Internet. Mit Phantasiezinsen und nicht nachvollziehbaren Gebühren werden die dem Verbraucher in Rechnung gestellten Kosten in die Höhe getrieben. Nicht selten übersteigen diese Kosten am Ende die Forderung um das Vielfache. Aber nicht nur das: Verbrauchern wird bei Nichtzahlung mit einem Schufa-Eintrag gedroht, obwohl das Inkassobüro gar nicht Schufa-Mitglied ist und somit auch gar keinen Ein- trag erwirken kann. Und die ganz Windigen versuchen gar, Forderungen beizutreiben für Verträge, die ein Ver- braucher niemals abgeschlossen hat. Das Unternehmen Lotto 3000 hat dies beispielsweise im großen Stil auch in meinem Wahlkreis versucht. So nicht! Die schwarz-gelbe Bundesregierung geht hier deutlich voran und wird den windigen Inkassounter- nehmen Ketten anlegen und damit die Verbraucher vor Abzocke schützen. Allerdings, und das sage ich mit Blick auf den vorlie- genden Antrag der Fraktion Die Linke, habe ich den Ein- druck, Sie waren zu lange zu sehr mit sich selbst und Ih- ren Führungsdebatten beschäftigt in letzter Zeit. Darüber scheinen Sie etwas den Überblick über die tagespoliti- schen Entwicklungen verloren zu haben. Wir sind näm- lich schon sehr viel weiter, als Ihr Antrag es vorgibt. Ich kläre Sie aber gerne darüber auf, was die Bundesregie- rung und die FDP-Bundestagsfraktion bereits an Maß- nahmen vorgeschlagen und auf den Weg gebracht haben. Am 24. Oktober 2011 hat die FDP-Bundestagsfrak- tion auf meine Initiative hin ein Positionspapier be- schlossen, das künftige gesetzgeberische Maßnahmen angeregt hat. Dies hat das Bundesjustizministerium auf- gegriffen und inzwischen einen Entwurf vorgelegt, der unseriöse Geschäftspraktiken ins Visier nimmt und diese abstellen möchte. Dazu gehört erstens, dass Inkassoun- ternehmen zukünftig transparenter machen müssen, für wen welche Forderung geltend gemacht wird. Die Nen- nung von Name bzw. Firma des Auftraggebers wird ebenso vorgeschrieben wie die Nennung von Vertragsda- tum, Vertragsumstand und Inhalte des Vertragsschlusses. Zweitens schiebt der Entwurf dem Gebührenauswuchs einen Riegel vor, indem Inkassoregelsätze eingeführt werden sollen, nach denen die Gebühren berechnet wer- 22162 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 (A) (C) (D)(B) den. Eine Kopie mit einem Aufwand von 200 Euro zu berechnen, wird damit der Vergangenheit angehören. Wir werden aber keine Gebührendeckelung vorneh- men bei einem bestimmten Prozentsatz der Hauptforde- rung, wie Sie es in Ihrem Antrag fordern. Wir sind der Meinung, tatsächlich anfallende Kosten sollen auch wei- terhin abgerechnet werden dürfen. Es muss lediglich transparent nachgewiesen werden, dass diese Kosten wirklich entstanden sind. Ihr Vorschlag würde beispiel- weise das Inkasso bei geringen Forderungen zu einem Zuschussgeschäft machen, da bestimmte Kosten immer anfallen, egal wie hoch die Hauptforderung ist. Wir wol- len nicht, dass Bagatellforderungen von wenigen Euro nicht mehr beigetrieben werden können, weil schon die Versendung eines umfangreichen Briefs an den Schuld- ner teurer ist als die Forderung selbst. Wir wollen jedoch, dass Zinssätze transparent darge- legt werden und sollte ein höherer Zinssatz als der ge- setzliche Verzugszins berechnet werden, dies nur dann geschehen darf, wenn die Umstände begründet dargelegt werden, warum dies nötig ist. Schließlich sieht der Entwurf des BMJ die Erweite- rung der Bußgeldvorschriften vor. Wir brauchen ein ab- gestuftes Sanktionssystem. Denn gerade das Beispiel Deutsche Zentralinkasso zeigt, dass allein der Entzug der Zulassung als Inkassodienstleister nicht ausreicht, um dem Problem des unlauteren Inkasso zu begegnen. Denn dieses Schwert mag zwar auf den ersten Blick scharf sein, aber wenn es am Ende von den Gerichten aufgrund der hohen Hürden nicht angewendet wird, dann bringt es dem Verbraucher nichts und ist auf den zweiten Blick eben leider sehr stumpf. Deshalb wollen wir über die Möglichkeit des Entzugs der Zulassung hi- naus auch Bußgeldmöglichkeiten beim Verstoß gegen oben angeführte Transparenzpflichten schaffen. Ordnungs- widrigkeiten sollen künftig nicht nur mit 5 000 Euro, sondern mit 50 000 Euro geahndet werden können. Und diese Geldbußen sollen nicht mehr nur durch die Staats- anwaltschaften verhängt werden dürfen, sondern auch durch die jeweils zuständigen Registrierungsbehörden. Die Bundesregierung hat das Problem erkannt und wird entsprechend handeln. Denn wir stehen an der Seite der Verbraucher. Deshalb unterstützen wir auch die Ver- braucherzentralen – in diesem Jahr mit 8,7 Millionen Euro aus dem Bundeshaushalt. Was dieser Aspekt im Zusammenhang mit unlauterem Inkasso in Ihrem Antrag zu suchen hat, erschließt sich mir zwar nicht, aber ich nutze dies gerne, um ausdrücklich die gute Arbeit der Verbraucherzentralen zu loben und ihnen zuzusichern, dass wir als christlich-liberale Koalition die Arbeit der Verbraucherzentralen gerne auch weiterhin entsprechend fördern werden. Denn die Verbraucherzentralen zahlen dies mit sehr guter Verbraucheraufklärung und -beratung auch zurück. Gerade beim unlauteren Inkasso hat der Verbraucherzentrale Bundesverband äußerst wertvolle Arbeit bei der Aufdeckung schwarzer Schafe geleistet. Dafür nochmals auch mein expliziter Dank. Lassen Sie mich abschließend noch kurz darauf hin- weisen, dass wir nicht nur das Thema Inkasso angehen, sondern auch das zu Beginn genannte unheilvolle Zu- sammenspiel von Internetabzockern und unlauterem In- kasso. Es ist diese schwarz-gelbe Bundesregierung ge- wesen, die bereits zahlreiche Maßnahmen ergriffen hat, um die Bestellsituation im Internet eindeutiger und nach- vollziehbarer zu gestalten. Mit dem verpflichtenden Be- stätigungsfeld bei kostenpflichtigen Vertragsabschlüssen im Internet sind wir vor allem denen zu Leibe gerückt, die bisher die Kostenpflichtigkeit von Angeboten be- wusst verschleiert haben, um die Verbraucher dann spä- ter mit Forderungen zu überziehen. Dieses Unterjubeln von Kosten wird künftig nicht mehr funktionieren, und damit haben wir auch schon vielen Inkassoabzockern ihre Geschäftsmodelle entzogen. Und all jenen, die auf andere Weise auf die Abzocke der Verbraucher als Ge- schäftsmodell setzen, werden wir dieses durch oben be- schriebene Maßnahmen ebenfalls zerschlagen. Caren Lay (DIE LINKE): Unseriöses Inkasso ist ein Riesenproblem. Häufig stehen die Forderungen unseriö- ser Unternehmen im Zusammenhang mit unerlaubter Te- lefonwerbung oder mit Kostenfallen im Internet und bil- den damit den unrühmlichen Abschluss einer langen Betrugskette. Häufig führen auch völlig überzogene und nicht nachvollziehbare Phantasiegebühren aus kleinen Beträgen zu großen Schulden. Mit Ihrem Klick auf das Feld „Jetzt anmelden“ schließen Sie dann ein Abo ab. Kosten: 96 Euro pro Jahr. Da sind Sie schnell 200 Euro los, ehe Sie sich versehen haben. Das Abo gilt gleich für zwei Jahre. Windige Geschäftemacher haben das Geschäft mit den echten oder mit vermeintlichen Schulden schon seit langem entdeckt. Und wie so oft lässt die Bundesregie- rung die Verbraucherinnen und Verbraucher im Regen stehen: Ein Gesetzentwurf war für diesen Juni verspro- chen. Aber weil die Koalition einmal wieder zerstritten ist, wird daraus nichts. Die Leidtragenden dieser Koali- tionsquerelen sind wieder einmal die Verbraucherinnen und Verbraucher. Seit Jahren gehen bei den Verbraucherzentralen Un- mengen von Beschwerden gegen Inkassobescheide ein. In mühsamer Kleinarbeit versuchen die Verbraucher- schützer, auf das Problem „Inkasso“ aufmerksam zu ma- chen. Sie warnen vor unseriösen Machenschaften, sie reichen Klagen ein und machen sogar auf eigene Rech- nung Studien. Denn Tatsache ist, dass es eine riesige Grauzone gibt, in der windige Geschäftemacher mehr oder weniger nach Lust und Laune agieren können. Es wird Zeit, dass auch die Bundesregierung endlich han- delt! Uns geht es nicht darum, Inkasso zu verbieten. Wir sagen aber als Linke: Inkasso braucht Regeln! Weil die Koalition das offenbar nicht so wichtig findet, legen wir als Linke heute einen Antrag vor, damit endlich etwas passiert. Erstens. Inkassounternehmen müssen verpflichtet werden, Verbraucherinnen und Verbraucher gut zu infor- mieren. Die Verbraucherinnen und Verbraucher müssen nachvollziehen können, aus welchem Vertrag eine For- derung stammt, wie hoch die eigentliche Forderung ist und wofür welche Gebühr erhoben wird. Diese Gebüh- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 22163 (A) (C) (D)(B) ren wollen wir verbindlich regeln und nach oben de- ckeln, damit Gebührenwucher und Phantasieabgaben endlich ein Ende haben. Zweitens. Wir brauchen dringend eine Aufsicht, die die Inkassounternehmen kontrolliert. Es kann doch nicht sein, dass nach der gerichtlichen Registrierung und Zu- lassung eines Unternehmens keinerlei Kontrolle mehr stattfindet. Das einzige, was die Gerichte und die Auf- sichtsbehörden tun können, ist, die Registrierung eines solchen Unternehmens zu widerrufen. Ein solcher Wi- derruf ist allerdings an äußerst strenge Voraussetzungen geknüpft. Deshalb laufen Klagen der Verbraucherzentra- len ja leider so oft ins Leere. So geht es also nicht. Wir sagen deshalb: Die Geschäftspraktiken unseriöser Anbieter müssen zentral kontrolliert werden. Es macht keinen Sinn, wenn über das Bundesgebiet verteilt knapp 80 Behörden zuständig sind. Die Linke fordert deshalb erneut eine Verbraucherschutzbehörde, die zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher Inkassounterneh- men und verbraucherschädigende Geschäftspraktiken überwacht und, wo nötig, auch sanktioniert. Und damit komme ich zum dritten Punkt: Die bisher möglichen Sanktionen sind absolut unzureichend und verdammen jede Aufsicht, egal ob Landgericht oder Ver- braucherschutzbehörde, zu einem Dasein als zahnloser Tiger. Die Erhöhung der Bußgelder ist überfällig, aber nicht ausreichend. Wir fordern für unseriöse Machen- schaften einen abgestuften Sanktionskatalog von Geld- strafen bis zum Entzug der Zulassung. „Die Vorstellung, der Wettbewerb könne den Markt regeln, ist ein Irrglaube.“ Das sagt Die Linke ja schon lange, aber diesmal ist es ein Zitat vom Branchenver- band der Inkassounternehmen, der dringend staatliche Regulierung einfordert. Die Inkasso-Branche muss gesetzlich geregelt wer- den, sonst hört es nie auf mit der Prellerei und der Be- drohung der Verbraucherinnen und Verbraucher. Die schwarz-gelbe Koalition soll ihre Streitereien nicht wei- ter auf dem Rücken der Verbraucherinnen und Verbrau- cher austragen. Die unseriösen Inkassomachenschaften müssen endlich gestoppt werden. Wie gut, dass die Linke als erste Partei dieses Thema aufgreift – auch im Interesse der seriösen Inkassounternehmen und der Ver- braucherinnen und Verbraucher. Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Un- seriöse Geschäftspraktiken von Inkassodiensten sind ein großes Ärgernis. Eine Studie der Verbraucherzentralen Ende 2011 sieht 99 Prozent der 4 000 erhobenen Be- schwerden als berechtigt an. Drei Viertel der Betroffenen fühlten sich durch die Briefe der Inkassounternehmen bedroht oder eingeschüchtert, und viele haben gezahlt, obwohl die Forderungen unberechtigt waren. Die Bundesregierung hat die Forderungen des Bun- desrates vom 27. Mai 2011 zur Bekämpfung unseriöser Inkassodienste sowie der Verbraucherschutzminister- konferenz vom 16. September 2011 ignoriert. Ein Refe- rentenentwurf des BMJ vom 12. März sieht Informa- tionspflichten, Gebührenordnung und Bußgelder bei Verstoß gegen Registrierungspflichten vor, ist aber im schwarz-gelben Koalitionskrach stecken geblieben. Auf- sicht und Selbstregulierung der Branche versagen, zu viele Unternehmen am Markt können frei agieren, weil es an effektiven Kontrollen mangelt. Die Untätigkeit der Bundesregierung beim Thema un- seriöses Inkasso zeigt den desolaten Zustand der schwarz-gelben Koalition. Wir fordern Sie auf: Legen Sie den schwarzen Schafen endlich das Handwerk. Die Handlungsaufträge liegen auf der Hand: Erstens. Einfüh- rung einer Inkassokostenordnung mit angemessenem Verhältnis zwischen Haupt- und Nebenforderung. Die arbeitsteilige Durchsetzung von Zahlungsforderungen nimmt immer mehr zu. Der neue Dienstleistungsmarkt führt bisher nicht zu einem angemessenen Kostenrah- men, sondern macht mit Fantasiegebühren, von der Hauptforderung entkoppelten Zahlungsforderungen, auch ohne berechtigten Grund, von sich reden. Hier braucht es einen ordnenden Eingriff in das Marktgesche- hen, damit das bereits „erhebliche gestörte Rechtsemp- finden“, BMJ, wieder geheilt wird. Dem Beispiel Öster- reichs folgend ist die Verhältnismäßigkeit zwischen Haupt- und Nebenforderungen rechtlich festzuschreiben. Zweitens. Darlegungs- und Infopflichten: Auftragge- ber, Forderungsgrund und -höhe, ladungsfähige An- schrift, Verzugsdatum, Adresse Beschwerdestelle. Um betroffene Verbraucher und Verbraucherinnen in die Lage zu versetzen, Inkassoforderungen prüfen und re- klamieren zu können, müssen diese Informationen min- destens vorliegen. Drittens. Landesweiter behördlicher Kontrollplan mit einem jährlichen Bericht der Bundesregierung. Statt auf 80 Gerichte soll die Aufsicht auf 16 Behörden (eine zu- ständige Aufsichtsbehörde pro Bundesland) konzentriert werden, um Synergieeffekte in der Verwaltung zu nutzen und Bürokratie abzubauen. Die Bundesregierung soll die Koordination für die jährliche Auswertung der Kontrol- len übernehmen und einen Jahresbericht vorlegen. Viertens. Bußgelder auf bis zu 100 000 Euro erhöhen. Das Fehlverhalten von Inkassodiensten muss effektiver sanktioniert werden. Die Geldbußen sind auf bis zu 100 000 Euro anzuheben. Die Höhe des Bußgeldrah- mens leitet sich aus dem erheblichen Einfluss auf das Rechtsempfinden der Bürgerinnen und Bürger und die Akzeptanz der Rechtsordnung ab. Der Entzug der Regis- trierung ist strenger zu prüfen. Unseriöse Geschäftspraktiken zu erkennen und publik zu machen, bedarf einer starken unabhängigen Marktbe- obachtung, daher fordern wir die Einführung eines Marktwächters bei den Verbraucherzentralen. Der An- trag der Fraktion Die Linke greift viele unserer Forde- rungen auf, lediglich drei lehnen wir ab. Unseriöses Inkasso ist zu einer Plage geworden. Las- sen Sie Ihren kleinlichen schwarz-gelben Streit hinter sich und handeln Sie im Sinne der Verbraucher und Ver- braucherinnen. 22164 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 (A) (C) (D)(B) Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Auskunftspflichten der Europäischen Zentralbank einfordern und für eine ausreichende Eigenkapitalbasis der Kreditwirtschaft sorgen (Tagesordnungspunkt 18) Ralph Brinkhaus (CDU/CSU): Wir befassen uns heute mit einem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Auskunftspflichten der Europäi- schen Zentralbank einfordern und für eine ausreichende Eigenkapitalbasis der Kreditwirtschaft sorgen“. Darin fordern die Grünen, die Informations- und Auskunfts- pflichten der Europäischen Zentralbank, EZB, gegen- über den Bürgerinnen und Bürgern zu erhöhen. Begrün- det wird diese Forderung damit, dass die von der EZB Ende 2011 bzw. Anfang 2012 durchgeführten 3-Jahres- Tender (Refinanzierungsgeschäfte) unüblich gewesen seien und diese Maßnahmen die Ausfallwahrscheinlich- keiten bei der EZB – sowohl aufgrund der Höhe der aus- gegebenen Kredite als auch aufgrund der gesunkenen er- forderlichen Sicherheiten und der langen Laufzeiten – erhöhten. Darüber hinaus wird gefordert, dass Banken, die bestimmte Eigenkapitalanforderungen nicht erfüllen, eine Gehaltsobergrenze von 500 000 Euro einzuhalten hätten und keine Dividenden ausschütten sollten, so- lange sie über Liquidität aus den oben genannten Ten- dern verfügen. Der Antrag ist zwar interessant, aber weder ausrei- chend durchdacht noch scheint er ernsthaft gewollt. Sollte er ernsthaft gewollt gewesen sein, hätte man sich um eine Mehrheit bemüht, sich zumindest aber ins Be- nehmen mit den anderen Oppositionsfraktionen gesetzt. Selbst Letzteres ist offensichtlich nicht erfolgt; denn die Grünen stellen diesen Antrag alleine. Ich möchte aber trotzdem gerne auf einige Punkte hinweisen: Die von den Grünen in ihrem Antrag angesprochenen Maßnahmen der EZB, also die Refinanzierungsge- schäfte mit einer Laufzeit von bis zu 36 Monaten, hatten vor allen Dingen den Sinn und Zweck, die Kreditver- gabe an die Realwirtschaft zu unterstützen und die Li- quiditätssituation am Euro-Geldmarkt zu verbessern. Die Tender haben zu einer temporären Stabilisierung des Bankensektors in der Euro-Zone geführt und die Anste- ckungsrisiken im Dreieck zwischen Bankenstabilität, Staatsfinanzierung und konjunktureller Entwicklung (Kreditversorgung) reduziert. Trotzdem sehen wir diese EZB-Politik mit großer Sorge. Letztlich handelt es sich bei den Tendern um relativ unkonditionierte Maßnah- men. Gerade die Konditionalität war bislang immer Grundbedingung für politisch organisierte Stützungspa- kete wie die EFSF oder zukünftig den ESM. Insofern kann es sich bei der Art und Weise, wie diese Tender he- rausgelegt worden sind, nur um eine Ausnahme handeln, die der Tatsache geschuldet ist, dass andere tragfähige Stabilisierungskonzepte noch nicht zur Verfügung ste- hen. Auf weitere kritische Punkte der Vorgehensweise der EZB wird im Antrag hingewiesen. Rein rechtlich gesehen hat sich die EZB mit den bei- den 3-Jahres-Tendern nach überwiegender Einschät- zung zwar im Grenzbereich, aber noch innerhalb ihres Mandats bewegt. Das vorrangige Mandat der EZB ist und bleibt die Wahrung der Preisstabilität. Daneben un- terstützt die EZB auch die allgemeine Wirtschaftspolitik, wozu auch Maßnahmen zur Förderung der Liquidität und Vermeidung von Kreditklemmen gehören. Um die Liquidität am Markt zu steuern, kann die EZB durchaus längerfristige Refinanzierungsgeschäfte durchführen. Auch wenn diese normalerweise kürzer ausfallen als 36 Monate, so sind längerfristige Kredite nicht ausge- schlossen. Die Europäische Zentralbank ist im Übrigen politisch unabhängig. Diese Unabhängigkeit ist im institutionel- len Rahmen für die einheitliche Geldpolitik festgelegt. Das heißt, dass die EZB ihr Mandat und ihre Aufgaben unabhängig von anderen Stellen – also unabhängig von Weisungen beispielsweise von Organen und Einrichtun- gen der Europäischen Union oder den Regierungen der Mitgliedstaaten – erfüllt. Diese Unabhängigkeit ist enorm wichtig, und wir sollten der Versuchung widerste- hen, daran zu rütteln – auch bzw. gerade in Situationen, in denen wir das Handeln der EZB kritisch betrachten und uns an der einen oder anderen Stelle mehr Einfluss- möglichkeiten wünschen. Es ist allerdings auch ein Grundprinzip demokrati- scher Gesellschaften, dass sich unabhängige Institutio- nen gegenüber den Bürgern und deren gewählten Vertretern für die Durchführung ihrer Maßnahmen verantworten müssen. Es ist falsch, den Eindruck zu erwecken, dass die EZB dieser Rechenschaftspflicht nicht nachkommt. Die EZB muss beispielsweise vor dem Europäischen Parlament Rechenschaft für ihre geldpolitischen Ent- scheidungen ablegen. Der Präsident der EZB spricht vierteljährlich vor dem zuständigen Ausschuss des Euro- päischen Parlaments, dem Ausschuss für Wirtschaft und Währung. Diese Rechenschaftspflicht gegenüber der Be- völkerung Europas sowie den von ihr gewählten Vertre- tern stellt also ein wichtiges Gegengewicht zur Zentral- bankunabhängigkeit dar. Das ist zwar nicht das von den Grünen unter II.1 im Antrag geforderte Format, aber auch über dieses Format lässt sich trefflich streiten. Im Zuge der Finanzkrise ist die Geldpolitik der EZB aber – wie schon erwähnt – eindeutig in den Grenzbe- reich ihres Mandats vorgestoßen, was für sich genom- men durchaus eine erhöhte Transparenz rechtfertigen würde. Dies findet seine Grenzen jedoch eindeutig da, wo es um eine Information über einzelne Geschäftspart- ner geht. Die Grünen fordern in Punkt II.2 ihres Antrags, dass „die EZB nach einer angemessenen Frist die Öf- fentlichkeit darüber informiert, welche Institute in wel- cher Höhe Mittel über die längerfristige Refinanzie- rungsfazilität mit einer Laufzeit über sechs Monate erhalten haben“. Dies würde Angaben über einzelne, in Deutschland im Rahmen des Zivilrechts durchgeführte Refinanzierungsgeschäfte erforderlich machen. Das ist allerdings mit den Geheimhaltungsregelungen des Bun- desbankgesetzes und der Satzung des Europäischen Sys- tems der Zentralbanken und der EZB nicht vereinbar. Insbesondere Angaben zu den im Rahmen geldpoliti- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 22165 (A) (C) (D)(B) scher Operationen aufgenommenen Krediten oder den eingereichten Sicherheiten könnten Hinweise auf das Liquiditätsmanagement und die Geschäftsmodelle der Institute geben. Unter bestimmten Umständen könnte die Veröffentlichung der Teilnehmer an geldpolitischen Operationen des Euro-Systems auch Zweifel der Märkte an der finanziellen Solidität der betroffenen Institute för- dern und so deren Zugang zu Liquidität im Markt behin- dern. Dies wäre nun genau ein Effekt, den wir nicht wol- len – sozusagen eine „self-fulfilling prophecy“. So weit zu den Informationen. Es wäre im Übrigen sehr aufschlussreich gewesen zu hören, was die Grünen mit den von ihnen geforderten Informationen angefan- gen hätten; denn Informationen an sich sind nur bedingt ein Wert. Erst die Verarbeitung der Informationen zu konkreten Maßnahmen führt weiter. Hierzu schweigen die Grünen aber leider in ihrem Antrag. Bei der in Nr. II.3 des Antrags geforderten Begren- zung von Gehaltszahlungen und dem Verbot der Auszah- lungen von Dividenden, falls bestimmte Eigenkapital- kennziffern nicht eingehalten werden, handelt es sich um einen bankaufsichtsrechtlichen Eingriff, der nur von den dafür berufenen Bankaufsichtsbehörden auf Grundlage entsprechender rechtlicher Regelungen umgesetzt wer- den kann. Es wäre des Weiteren sehr interessant gewe- sen, zu untersuchen, inwieweit die oben erwähnten posi- tiven ökonomischen Effekte der Tender unter den Bedingungen Gehaltsbegrenzung und Ausschüttungs- verbot tatsächlich eingetreten wären. Ich halte den Ge- danken dennoch für durchaus interessant, auch wenn er in keinerlei Verhältnis zu der etwas marktschreierischen Ankündigung in der Überschrift des Antrags „… und für eine ausreichende Eigenkapitalbasis der Kreditwirtschaft sorgen“ steht. Ich denke, dazu bedarf es anderer Instru- mente, wie beispielsweise einer zügigen Umsetzung von CRD IV. Insgesamt gesehen befassen wir uns mal wieder mit einem typischen Antrag der Grünen – einige interessante Gedanken, viel problematisiert, einige partikulare Lö- sungsversuche und die latente Unterstellung, dass Dinge mit Absicht verborgen werden. Manchmal hat man bei diesem immer wiederkehrenden Muster das Gefühl, dass es auch und gerade darum geht, hinterher sagen zu kön- nen, „Ich habe es ja schon damals gesagt“ bzw. „Hätte ich die Informationen gehabt, dann hätte ich es schon da- mals gesagt“. Sonderlich zielführend ist das nicht, kon- struktive Politik sieht anders aus. Wir werden den An- trag daher ablehnen. Manfred Zöllmer (SPD): Die Finanz- und Schulden- krise beschäftigt uns mit all ihren Facetten seit 2008 tag- täglich. Im Moment stehen die Banken Spaniens mit ih- ren Liquiditätsproblemen im Fokus. Insgesamt sind die Probleme im Bankensektor in Europa weiterhin sehr groß und wir müssen hier dringend zu Lösungen kom- men. Die europäischen Banken leiden auch darunter, dass amerikanische Geldmarktfonds und auch US-Banken ihre Engagements in Europa drastisch reduzieren. Diese Scheu vor dem europäischen Markt wurde uns Finanz- politikern auf unserer aktuellen Ausschussreise nach Ka- nada und in die USA besonders deutlich. Diese Zurück- haltung amerikanischer Investoren und Banken ist langfristig gefährlich für das europäische Finanzsystem. Durch die falsche Krisenpolitik der Bundesregierung wurde die Europäische Zentralbank zum Handeln ge- zwungen. EZB-Chef Draghi griff – um, wie er sagte, ei- nen Crash zu verhindern – im Dezember zu einer drasti- schen Maßnahme: Die EZB machte den europäischen Banken das Angebot, sie praktisch unbegrenzt mit No- tenbankkrediten mit einer ungewöhnlich langen Laufzeit von drei Jahren zu versorgen. Von diesem Angebot, das die EZB den Banken im Dezember und im Februar die- ses Jahres unterbreitet hatte, machten die Banken inzwi- schen in einem Umfang von fast 1 Billion Euro Ge- brauch. Mit Zinsen von einem Prozent lassen sich durch den Kauf von Staatsanleihen bei dem derzeitigen Zinslevel hohe Gewinne für die Banken erzielen. Damit konnten die Banken, wie von Draghi vorgesehen, den Staatsan- leihenmarkt etwas beruhigen. Ein Resultat ist aber zum Beispiel eine drastische Erhöhung der Bilanzsumme der Zentralbank auf über 3 Billionen Euro. Es stellt sich die Frage, wohin die Kredite der EZB geflossen sind. Mit ihrem Antrag fordern die Grünen de- taillierte Auskunftspflichten der EZB zu dieser Kredit- vergabe. Gleichzeitig soll nach Auffassung der Grünen für eine ausreichende Kapitalbasis der Banken gesorgt werden. Schließlich soll die EBA koordinierend darauf hinwirken, dass unterkapitalisierte Banken keine Gehäl- ter über 500 000 Euro inklusive Bonuszahlungen aus- zahlen und Dividenden ausschütten. Die EZB wehrt sich gegen die Forderung, die Namen der Banken preiszugeben, die sich zwischen Dezember und Februar mit dem Notenbankgeld versorgt haben. Sie begründet ihre Ablehnung mit geldpolitischen Pflichten, der Wahrung der Finanzstabilität und dem kommer- ziellen Interesse der Kreditinstitute. Die EZB will die Geheimhaltung individueller Transaktionen mit Gegen- parteien wahren. Dieser Schutz privater Unternehmens- interessen und der gesamten Finanzmarktstabilität wiege schwerer als das öffentliche Interesse an den Daten. Mit Ihrem Antrag wollen die Kolleginnen und Kolle- gen von den Grünen nunmehr quasi Schützenhilfe durch die Bundesregierung, die sich im Rat der europäischen Finanzminister für eine Veröffentlichungspflicht einset- zen soll. Im Grunde geht es – wie so oft – auch hier um den Grundkonflikt zwischen dem Bedürfnis nach Trans- parenz und öffentlichem Informationsinteresse und pri- vatem Betriebsgeheimnis. Eine Verhältnismäßigkeitsab- wägung, wie wir sie auch unter anderem aus Art. 14 Grundgesetz kennen: das Eigentumsrecht mit seiner Ausgestaltung des Rechts am eingerichteten und ausge- übten Gewerbebetrieb. Ich halte die Argumente der EZB für durchaus nach- vollziehbar – nicht, weil ich gegen Transparenz bin oder dem öffentlichen Interesse entgegenstehen will. Aber wir wissen doch alle, wie hochsensibel im Moment die Lage der Banken ist und wie irrational die Märkte häufig re- 22166 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 (A) (C) (D)(B) agieren. Es braucht nicht viel Fantasie, um sich vorzustel- len, wie die Reputation eines Finanzinstituts beschädigt werden könnte, wenn solche detaillierten Informationen öffentlich werden. Die Märkte würden zweifelsohne da- rauf reagieren. Gleichzeitig sind die Aktivitäten der EZB öffentlich, und Transparenz dient der sachlichen Bewertung der Geldpolitik der Zentralbank. Dies ist notwendig für eine vernünftige Abstimmung zwischen Geld- und Fiskal- politik und damit ein wichtiger Bestandteil einer erfolg- reichen Krisenpolitik. Es bleibt die Frage: Wie detailliert müssen die Infor- mationen sein? Einzelne Notenbanken wie zum Beispiel die Banca d’Italia haben im Nachgang veröffentlicht, wie viel Geld ihre Banken insgesamt abgerufen hatten. Deutsche Banken haben sich laut Reuters-Berechnungen beim zweiten Tender im Februar mit rund 42 Milliarden Euro eingedeckt, also etwa 8 Prozent der Gesamtsumme. Das verteilt sich wohl auf 460 Banken, darunter gut 430 kleinere Sparkassen und Volksbanken. Transparenz ist ein wichtiges Element der Demokra- tie. Aber es muss immer mit anderen Rechtsgütern abge- wogen werden. Diese Abwägung fehlt bei dem vorlie- genden Antrag. Was in Ihren Antrag nicht passt und zu unspezifisch ist, sind Ihre Forderungen nach Gehalts- reglementierung. Es ist auch ein wichtiges Thema. Aber was hat die Transparenz der EZB mit der Bonizahlung zu tun? Wie für eine ausreichende Eigenkapitalausstattung der Banken gesorgt werden soll, wird nicht weiter the- matisiert. Der Antrag ist offensichtlich mit sehr heißer Nadel gestrickt worden. Holger Krestel (FDP): Liebe grüne Antragsteller hier im Hause, Sie präsentieren sich gerne als Partei der Vielfalt, aber wenn Sie die Möglichkeit haben, werden bei Ihnen alle gleichgemacht. Sie präsentieren sich gerne als Partei, die den Datenschutz verteidigt, aber sobald es um etwas geht, was Sie selbst gerne wissen würden, wer- den so wie hier ganz schnell die Fühler ausgestreckt. Sie präsentieren sich gerne als Partei der Freiheit, die sich für den Schutz der Rechte des Individuums einsetzt, aber wenn es darauf ankommt, zeigen Sie Ihr wahres Gesicht und wollen jedem knallhart vorschreiben, was er zu tun oder zu lassen hat, weil der Staat doch vorgeblich am besten weiß, was der Einzelne wirklich will. Dass Sie ihn genau damit seiner Freiheit berauben, ist Ihnen egal. Dass Sie den Managern in den Krisenbanken die Gehäl- ter kürzen wollen, mag ja schön und gut sein, aber mir ist schleierhaft, weshalb hier die EBA als Aufsichtsbe- hörde auftreten soll. Das ist eine Aufgabe für den Ge- setzgeber, denn nur der hat auch die Möglichkeit, mit ei- nem Gesetz regulierend in die Personalpolitik der Banken einzugreifen. Im Rahmen des Finanzmarktstabi- lisierungsfondsgesetzes und des Restrukturierungsgeset- zes haben wir dies auf nationaler Ebene ja bereits getan. Aber wenn Sie fordern, dass eine europäische Behörde, deren elementare Aufgabe es ist, die nationalen Behör- den zu koordinieren, jetzt die Gesetzgeber koordinieren soll, geht das nicht nur weit über die Kompetenzen die- ser Behörde hinaus, sondern zeigt, dass Ihre Kompetenz in diesem Bereich doch sehr zu wünschen übrig lässt. Und jetzt, wo die Politamateure von den Piraten plötzlich mit dem diffus transportierten Thema Transpa- renz in der Öffentlichkeit punkten, ohne dabei konkrete Forderungen zu präsentieren, sehen Sie schon Ihre Felle davonschwimmen, und Ihre schon vorher leeren Wort- hülsen sind Ihnen nun absolut gar nichts mehr wert. Sie springen blind auf einen Zug auf, ohne sich darum zu kümmern, was die Maßnahmen im Einzelfall bedeuten. Sie wollen Stabilität schaffen, erreichen aber nur das Ge- genteil. Gerade bei der FDP weiß man, dass die Wertpa- piermärkte nicht immer perfekt rational funktionieren und bisweilen in Krisenzeiten wie den jetzigen sogar sehr emotional auf kleinste Signale reagieren. Das stän- dige Bombardement der Marktteilnehmer mit den von Ihnen geforderten Insiderdetails würde zu hochvolatilen und selbstverstärkenden Marktbewegungen führen, da ein solcher Informationsstrom zu enormen Spekulatio- nen einlädt. Scheinbar schwache Institute oder gar Staa- ten könnten dann leichter durch Leerverkäufe attackiert oder gar zu Fall gebracht werden, obwohl sie in Ihrer langfristigen Planung überlebensfähig waren. Mindestens genauso problematisch ist es, dass viele Verantwortliche unter den von Ihnen geforderten Bedin- gungen wider besseres Wissen nicht mehr zwingend die ihrer Erkenntnis nach langfristig besten Entscheidungen treffen, sondern die erwarteten kurzfristigen Reaktionen der Märkte antizipieren und ihre Aktionen daran ausrich- ten würden, aus Angst, die bis dahin erarbeitete Stabilität zu gefährden. Die Unabhängigkeit der EZB ist ein hohes Gut, und dieses gilt es zu bewahren. Ein politisch moti- viertes, ständiges Nachkorrigieren in Einzelfällen, den Blick stets nur auf den nächsten Tag gerichtet, aber trotz- dem immer noch einen Schritt hinterher, würde doch nur maßgeblich dazu beitragen, dass die Krise sich noch weiter hinzieht und wir lediglich später die wahre Rech- nung präsentiert bekommen würden, die dann um ein Vielfaches höher wäre, als sie es jetzt schon ist. Dieses Spiel, in dem der Schwarze Peter stets in die Zukunft weitergereicht wird, werden wir in keinem Fall mitspielen, sondern stattdessen für stabile Verhältnisse in Europa sorgen. Darum werden wir Ihren Antrag ab- lehnen. Dr. Axel Troost (DIE LINKE): Der Antrag der Frak- tion Bündnis 90/Die Grünen auf Ausweitung der Aus- kunftspflichten der Europäischen Zentralbank zielt zwei- fellos in die richtige Richtung – deswegen werden wir ihn auch unterstützen. Er bleibt aber zugleich weit hinter den Notwendigkeiten zurück. Die Auskunftspflichten der EZB müssen natürlich er- weitert werden, aber nicht nur, weil Ihr letzter Mega- Tender den Banken über 1 Billion Euro mit dreijähriger Laufzeit zur Verfügung gestellt hat. Eine Zentralbank ist die Spinne im Netz eines moder- nen Finanzsystems. Es ist einer Demokratie unwürdig, wenn eine derart zentrale und machtvolle Institution von den Spielregeln der demokratischen Kontrolle und Re- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 22167 (A) (C) (D)(B) chenschaftspflicht gegenüber der Öffentlichkeit bzw. dem demokratisch gewählten Parlament ausgenommen ist. Es sind aber nicht in erster Linie die heutigen Zen- tralbanker der EZB, denen man das vorwerfen muss. Es sind vielmehr die Hardliner in den deutschen Bundesre- gierungen und in der Deutschen Bundesbank in den 1990er-Jahren, die bei der Ausgestaltung der Europäi- schen Währungsunion die EZB nach dem Vorbild der vermeintlich unabhängigen und unbestechlichen Bun- desbank konzipiert haben. Ich kann mich sehr gut an die regelmäßigen Auf- schreie in Bundesbank und EZB erinnern, wenn seitens der Politik im Interesse von mehr Beschäftigung eine konstruktive Rolle der Zentralbank gewünscht wurde. Die Zentralbanker gerieren sich dann regelmäßig, als würde man sich in ihre intimsten Privatangelegenheiten mischen. Ein solches Verhalten ist völlig inakzeptabel: Zentralbanker sind Staatsbedienstete und haben sich an die gesetzlichen Rahmenbedingen zu halten. Es ist allerdings sehr wohl das Recht der EZB und der Bundesbank, der Politik den Spiegel vorzuhalten – im Sinne von: Wenn ihr von uns eine andere Geldpolitik wollt, dann müsst ihr das politisch beschließen und die geldpolitischen Ziele der EZB in den europäischen Ver- trägen ändern. Ich will mich im Übrigen von dieser Stelle aus bei all denjenigen in der EZB und den europäischen Zentral- banken bedanken, die zum Glück schon seit längerer Zeit in der EZB darauf dringen, auch trotz des engen Korsetts der europäischen Verträge als EZB eine stabili- sierende Rolle zu spielen, zum Beispiel durch Interven- tionen an den Märkten für Staatsanleihen. Es ist nun höchste Zeit, dass das geldpolitische Kor- sett der EZB anders zugeschnitten wird. Wohlgemerkt: Ich bin auch nicht für eine Geldpolitik der Zentralbank, bei der der Finanzminister dem Zentralbankchef jeden Montag die Umdrehungsgeschwindigkeit der Noten- presse diktiert. Aber es gibt noch eine ganze Reihe von sinnvollen Möglichkeiten, was die Zentralbank zur Ent- schärfung der Krise beitragen kann. Dazu gehört insbe- sondere, dass Krisenländer zu denselben Konditionen EZB-Kredite bekommen sollten, wie sie Geschäftsban- ken bekommen. Es ist pervers, dass Geschäftsbanken das von einer öffentlichen Institution bereitgestellte Geld für 1 Prozent Zinsen ausleihen können, während die öf- fentliche Hand in kriselnden Euro-Staaten 6, 8 oder 10 Prozent Zinsen dafür bezahlen muss. Daher, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen: Fordern Sie nicht nur mehr In- formationen über die Geldpolitik der EZB, fordern Sie mit uns auch gleich eine andere Geldpolitik. Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ende des Jahres 2011 stand das europäische Finanzsys- tem vor dem Kollaps: Die Banken, insbesondere im Sü- den unseres Kontinents, gerieten in teils existenzielle Refinanzierungsschwierigkeiten. Sogar in Frankreich begannen Geldmarktfonds, ihre Mittel aus den Banken abzuziehen. Vor diesem Hintergrund beschloss die Euro- päische Zentralbank zuvor nie dagewesene Rettungs- maßnahmen: Sie schuf ein neues Angebot an dreijähri- gen Liquiditätsmitteln bei gleichzeitig deutlicher Reduktion der Sicherheitsanforderungen. Insgesamt ha- ben die Institute über 1 Billion Euro an diesen Mitteln abgerufen. Den Banken gelang es auf diese Weise, hohe Gewinne zu erwirtschaften, zum Beispiel durch den Rückkauf eigener Verbindlichkeiten oder die Investition in höher verzinste Staatsanleihen. Einen großen Bankencrash quer über den Kontinent konnte die EZB mit diesem neuen Rettungskurs abwen- den. Aber letztlich handelt es sich bei dieser Operation um eine äußerst fragwürdige Art der Bankenrettung: Erstens. Anders als sonst bei Bankenrettungen zu Recht üblich, erfolgen die Stabilisierungen ohne Aufla- gen und Bedingungen. So ist nicht sichergestellt, dass die Banken die EZB-bedingten Zinsgewinne tatsächlich zur Reparatur ihrer Bilanzen und Stärkung ihres Eigen- kapitals einsetzen, sondern es ist durchaus denkbar, dass diese Gewinne als Dividenden oder Boni gleich wieder ausgeschüttet werden. Der letztlich hilflose Appell von EZB-Präsident Draghi im März an die Banken, ihre zu- sätzlichen Erträge nicht auszuschütten, sondern die ei- gene Solidität zu stärken, illustriert die Berechtigung meiner Kritik sehr deutlich. Zweitens. Für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler der Euro-Zone, die letztlich hinter der EZB stehen, ha- ben die Risiken stark zugenommen. Ausfälle bei der EZB sind aufgrund der gestiegenen Höhe ausgereichter Mittel, der schlechteren Sicherheiten und der deutlich gestiegenen Laufzeit der Kredite wahrscheinlicher ge- worden. Ein erstes Anzeichen dafür gab der aufgrund der Risikovorsorge gesunkene Bundesbankgewinn. Doch der Steuerzahler erhält – anders als normalerweise bei Bankenrettungen – keine Gegenleistung, zum Bei- spiel in Form einer Beteiligung am gestützten Unterneh- men. Damit tragen die Steuerzahler die Risiken, ohne dafür angemessen entlohnt zu werden. Drittens. Parlamentarische Kontrolle, Information und Transparenz sind faktisch nicht vorhanden. So gibt es keine offiziellen Informationen zu der Frage, welche Banken die Mittel in welcher Höhe abgerufen haben und was sie genau mit diesen Mitteln gemacht haben. Damit wird eine öffentliche Debatte auf Basis gesicherter Fak- ten über den neuen Kurs der EZB nahezu unmöglich. Viertens. Wir sehen erhebliche Mitnahmeeffekte bei der EZB-Bankenrettung. So haben auch viele eigentlich gesunde Banken die Hilfen abgerufen, obwohl sie gar nicht hilfsbedürftig sind. Niemand weiß, wie hoch diese Mitnahmeeffekte ausfallen, die ebenfalls vom Steuer- zahler zu bezahlen sind. Aber eines ist klar: Wir reden hier nicht über Peanuts, sondern über Milliardensum- men. Wenn diese Form der Bankenrettung, die in den letz- ten Monaten über die EZB erfolgt, hier im Bundestag zur Abstimmung gestanden hätte, hätte es einen Auf- schrei der Empörung in Deutschland gegeben. Die Ko- 22168 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 (A) (C) (D)(B) alitionsabgeordneten hätten sich lautstark eine Verge- meinschaftung der Haftung und gegen Geschenke an Bankaktionäre beklagt. Doch dieser Protest blieb aus, weil das alles völlig intransparent ist. Unser Antrag zielt nun darauf ab, in Bezug auf die Bankenrettung durch die EZB Transparenz zu schaffen. Wir sind der Auffassung, dass die Steuerzahler in der Euro-Zone ein Anrecht darauf haben, zu wissen, was hier geschieht. Die zusätzlichen Risiken auf der EZB-Bi- lanz dürfen nicht verschwiegen werden. Die Bürgerin- nen und Bürger sollten – zumindest nach einer gewissen Schonfrist der Vertraulichkeit – auch die Möglichkeit er- halten, nachzuvollziehen, welche Banken in welcher Höhe die Hilfen in Anspruch genommen haben. Außerdem wollen wir sicherstellen, dass die EZB-ge- nerierten Gewinne tatsächlich zur Stärkung der Stabilität des europäischen Bankensystems, also vor allem zur Stärkung der Eigenkapitalausstattung der Banken, ge- nutzt werden. Wir fordern deshalb Gehaltsdeckelungen und Ausschüttungsverbote für unterkapitalisierte Ban- ken, die die Hilfen in Anspruch genommen haben. Die EBA könnte das in Kooperation mit der EZB sicherstel- len. Damit kein falscher Eindruck entsteht: Meine Kritik an den Vorgängen der letzten Monate gilt nicht der EZB. Die EZB wurde in die Rolle des wichtigsten Krisenma- nagers der Eurozone gezwungen, weil keine andere In- stitution handlungsfähig war und das Krisenmanagement der Staats- und Regierungschefs der Euro-Zone unter Führung der deutschen Bundesregierung keine Entspan- nung, sondern eine permanente Verschärfung der Euro- Krise generiert hat. Und wir Grünen sind auch davon überzeugt, dass eine Stabilisierung des europäischen Finanzsystems notwen- dig ist. Doch was wir nicht akzeptieren, ist, dass Bürge- rinnen und Bürgern ständig die Wahrheit über die Rettungsmaßnahmen vorenthalten wird und die Intrans- parenz genutzt wird, um der Öffentlichkeit etwas vorzu- machen. Wenn die Daten offenliegen würden, würde schnell auch deutlich, dass wir die Währungsunion dringend um eine Bankenunion ergänzen müssen: Dann könnte der europäische Finanzsektor nämlich stabilisiert werden, ohne Milliarden weitgehend kontrollfrei an Bankaktio- näre und Bankmanager zu verteilen. Dann gäbe es, finanziert durch eine europäische Bankenabgabe, eine Institution, die bei einer Schieflage von grenzüberschrei- tend tätigen Banken in Europa eingreifen könnte, sodass die EZB sich wieder auf ihre eigentliche geldpolitische Aufgabe der Liquiditätsversorgung konzentrieren könnte. Wir mögen bei dieser letzten Frage im Bundestag der- zeit noch unterschiedlicher Auffassung sein. Worin es aber eigentlich keinen Dissens geben sollte, ist der An- spruch in Bezug auf Transparenz. Deshalb bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag. Anlage 12 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Entwurf eines Gesetzes zur Einführung eines pauschalierenden Entgeltsystems für psych- iatrische und psychosomatische Einrichtun- gen (Psych-Entgeltgesetz – PsychEntgG) – Beschlussempfehlung und Bericht zu den Anträgen: – Ergebnisoffene Prüfung der Fallpau- schalen in Krankenhäusern – Einführung eines pauschalierenden psych- iatrischen Entgeltsystems zur qualitati- ven Weiterentwicklung der Versorgung nutzen (Tagesordnungspunkt 19 a und b) Lothar Riebsamen (CDU/CSU): Wir wollen heute ein Gesetz verabschieden, das unser Gesundheitssystem wieder ein Stück voranbringt auf dem Weg zu mehr Transparenz, zu mehr Wirtschaftlichkeit und damit auch zu mehr Patientenorientierung. Das Entgelt, das für einen stationären Aufenthalt in der Psychiatrie zu bezahlen ist, orientiert sich zukünftig nicht mehr an den Kosten, die dividiert durch die Be- rechnungstage zu einem Pflegesatz führen, sondern an den Angeboten, die den Patienten gemacht werden, an der Leistung. Dies führt zu einer nachvollziehbaren und transparenten Methode der Bezahlung. Damit werden nicht alle Probleme eines angemessenen Entgelts für eine bestimmte Behandlung gelöst sein. Man wird ein Auge darauf haben müssen, dass es nicht zu Fehlsteue- rungen und zum Setzen von falschen Anreizen für be- stimmte Indikationen kommt. Gerade deshalb ist das neue System als lernendes System angelegt, mit langen Übergangszeiten – mit vier budgetneutralen Jahren, da- von zwei Jahre freiwillig, und mit weiteren fünf Jahren der Konvergenz –, um den Übergang von den bisherigen Budgets zur zukünftigen Systematik abzufedern. Um bessere Anreize für die Optionsphase zu schaffen, wur- den die Bedingungen für die Teilnahme noch einmal nachgebessert. Eine entscheidende Weichenstellung findet auch an der Schnittstelle stationär und ambulant statt. Gerade in der Psychiatrie und Psychotherapie ist es falsch, sich einseitig auf den stationären Bereich auszurichten. Es ist nicht nur unwirtschaftlich, sondern dient auch nicht dem Wohl der Patienten. Deshalb fördern wir durch dieses Gesetz Modellvorhaben, die helfen, diese Sektoren zu überwinden. Auch an dieser Stelle schaffen wir mehr Qualität für die Patientinnen und Patienten. Einhergehend mit diesem Gesetz ist auch eine deutli- che Hilfe für die Krankenhäuser insgesamt verbunden. Die Krankenhäuser haben eine Tariferhöhung von 3 Pro- zent für das Jahr 2012 zu tragen. Dies führt bei einer Steigerung der Grundlohnsumme von 1,45 Prozent zu einem Defizit von circa 1,5 Prozent. Allerdings liegt die Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 22169 (A) (C) (D)(B) tatsächliche Steigerung aufgrund der Mehrleistungen, die Krankenhäuser erbringen und zum Teil auch erbrin- gen müssen, deutlich über dieser gekürzten Grundlohn- summensteigerung. Deswegen ist es uns wichtig, genau diese drei Knackpunkte zu adressieren: Erstens einen teilweisen Tarifausgleich für das Jahr 2012 in Höhe von insgesamt 280 Millionen Euro. Zweitens die Umsetzung des Orientierungswerts für das Jahr 2013. Die Steigerung der Krankenhausbudgets wird dann nicht mehr ausschließlich an die Einnahme- entwicklung der Krankenkassen gebunden sein – somit entfällt die stringente Grundlohnsummenanbindung. Da- rüber hinaus werden die Selbstverwaltungspartner in die Lage versetzt, in einem bestimmten Korridor die Verän- derungsrate für das jeweilige Jahr zu verhandeln. Drittens werden die Selbstverwaltungspartner beauf- tragt, bis spätestens zum Juni 2013 über eine Studie die Mehrleistungsproblematik, auch mit Blick auf die Quali- tät der Leistungen, zu untersuchen, um dadurch zu einem sinnvolleren und gerechteren Mehrleistungsausgleich zu kommen. Die jetzige Regelung wird außerdem auf zwei Jahre befristet, um für die Selbstverwaltungspartner die Notwendigkeit zu schaffen, auch zu einem Ergebnis hin- sichtlich der Studie zu kommen. Auch die von den Kran- kenhäusern oft kritisierte Regelung der sogenannten doppelten Degression kann in die Studie einbezogen werden. Wenn zu Recht von den Krankenhäusern eine latente Unterfinanzierung reklamiert wird, dann müssen bei die- ser Betrachtung insbesondere die Bundesländer einbezo- gen werden. Die Bundesländer machen es sich zu leicht, wenn sie sich auf den Standpunkt stellen, mit der Ein- führung der DRG werde der Markt schon alles richten. Eine konkrete Krankenhausbedarfsplanung werde da- durch überflüssig. Das Gegenteil ist der Fall. Gleichzei- tig sind die Bundesländer seit vielen Jahren nicht bereit, die Investitionskosten im notwendigen Umfang zur Ver- fügung zu stellen. Und wenn man Qualitätssteuerung nicht den Krankenkassen überlassen will, sind die Län- der über ihre Krankenhausbedarfsplanung umso mehr gefordert. Es dient aber nicht der Qualität, wenn alle Leistungen überall angeboten werden, sondern es dient der Qualität und damit den Patienten, wenn arbeitsteilig durch eine entsprechende Krankenhausbedarfsplanung vorgegangen wird. So werden Krankenhäuser im ländli- chen Raum gestärkt. Es ist kurzsichtig, zu glauben, dass Krankenhausstandorte dann gesichert werden, wenn je- des Haus alles macht. Dies führt zu einer Qualitätsver- schlechterung und damit im schlimmsten Fall zur Kran- kenhausschließung. Und genau das wollen wir nicht. Mit diesem Gesetz leisten wir einen hervorragenden Beitrag zur Qualitätssicherung und mittelfristig zu einer gerech- teren Krankenhausfinanzierung. Hilde Mattheis (SPD): In einem Punkt sind wir uns wahrscheinlich alle einig: Wir alle wollen die Versor- gungsstrukturen für psychisch kranke Menschen verbes- sern. Wir wissen, dass die Versorgung von psychisch kranken Menschen hohe Anforderungen an unsere Ver- sorgungsstrukturen stellt und dass in diesem Bereich viele Verbesserungen notwendig sind. Und wir wissen, dass gerade hier Vergütungsstrukturen, gerade in einem personalintensiven Bereich wie der Psychiatrie, einen entscheidenden Einfluss auf die Versorgungsqualität ha- ben. Die entscheidende Frage, die wir uns aber stellen müssen, ist: Schafft es das hier vorgelegte Entgeltgesetz der Bundesregierung, diesem Anspruch gerecht zu wer- den? Wird die Versorgungssituation von psychisch kran- ken Menschen durch das Gesetz verbessert? Werden durch das Gesetz integrierte Versorgungsansätze ge- stärkt? Werden die psychiatrischen und psychosomati- schen Krankenhäuser in Zukunft mit ausreichend Perso- nal ausgestattet sein? Werden die richtigen Weichen gestellt, um der wachsenden Zahl von psychisch Kran- ken in der Gesellschaft gerecht zu werden? Leider mussten wir als SPD-Fraktion feststellen: Mit diesem Gesetz stellt die Regierung die falschen Wei- chen. Ein modernes, am Bedarf der Betroffenen ausgerich- tetes Entgeltsystem für die Psychiatrie erfordert, dass den Bedürfnissen von psychisch Kranken ausreichend Rechnung getragen wird. Flexible Behandlungsformen müssen gefördert werden. Es müssen Anreize geschaffen werden, den Grundsatz „ambulant vor stationär“ zu stär- ken und die starren Sektorengrenzen zu überwinden. Das alles leistet das von der Regierung vorgelegte Gesetz nicht. Aus diesem Grund lehnen wir als SPD den Ge- setzentwurf ab. Die Entwicklung eines Entgeltsystems für die psych- iatrische und psychosomatische Versorgung ist ein Auf- trag aus der letzten Legislaturperiode. Damals wurden bewusst im Krankenhausfinanzierungsreformgesetz die psychiatrischen und psychosomatischen Krankenhäuser von dem DRG-System für die somatischen Krankenhäu- ser ausgenommen. Im § 17 d des KHG wurde verankert, dass ein pauschalisierendes, tagesbezogenes Entgeltsys- tem zu entwickeln sei. Dabei sollte „insbesondere von Leistungskomplexen“ ausgegangen werden, die der „Psychiatrie-Personalverordnung zu Grunde liegen“. Das neue Entgeltsystem erfüllt nach Ansicht der SPD diese im § 17 d KHG verankerten Ansprüche nicht. Insbe- sondere durch den Wegfall der Psych-PV und den Diagno- sebezug bei der Kalkulation werden finanzielle Anreize zur „Rosinenpickerei“ gesetzt. Diese grundsätzliche Kri- tik der SPD-Fraktion möchte ich an drei Punkten deut- lich machen: Als Erstes möchte ich auf die Psychiatrie-Personal- verordnung eingehen. Sie soll ab 2017 komplett ausge- setzt werden. Dies wird von der Mehrheit der Verbände und Krankenhäuser zu Recht stark kritisiert. Die Psych- PV setzt den Rahmen für eine adäquate Personalausstat- tung der Krankenhäuser und gibt damit auch den Rah- men für die Versorgungsqualität vor. Bisher ist sie je- doch in den Krankenhäusern leider nicht vollständig umgesetzt worden. Dies liegt vor allem daran, dass keine wirksamen Kontrollen stattfinden. Ohne eine vollstän- dige Erfüllung der Psych-PV in allen Krankenhäusern ist jedoch zu befürchten, dass das neue Entgeltsystem zu ei- 22170 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 (A) (C) (D)(B) ner dauerhaften Unterfinanzierung in der psychiatri- schen Versorgung führt. Insbesondere Kinder und Jugendliche sowie schwer psychisch Kranke brauchen ein Versorgungssystem, das eine ausreichende Zuwendung durch Fachpersonal er- möglicht. Die Personalsituation darf nicht zu einer expe- rimentellen Spielwiese werden, sondern muss hinrei- chend gesichert und kontrolliert werden, damit die Qualität der Versorgung sichergestellt werden kann. Im § 17 d KHG wurde festgelegt, dass die Psychia- trie-Personalverordnung die Grundlage des neuen Ent- geltsystems sein soll. Diesen wichtigen Grundsatz hat die Bundesregierung nicht erfüllt. Richtig wäre es gewe- sen, eine verbindliche Personalbemessung nach der Psych-PV umzusetzen und später auf dieser Grundlage Mindestpersonalstandards für die Tagesentgelte festzule- gen. Dies ist nicht geschehen. Die Abschaffung der Psych-PV lehnen wir als SPD ganz klar ab. Zweitens. Das Psych-Entgeltsystem, so wie es im Ge- setzentwurf konzipiert ist, überträgt die Strukturen der somatischen Medizin auf die Versorgung von psychisch Kranken. Das halten wir als SPD für einen großen Feh- ler. Insbesondere der Diagnosebezug bei der Vergütung von Leistungen wird mit großer Wahrscheinlichkeit Fehlanreize setzen, Menschen mit schweren psychischen Krankheiten nur unzureichend zu behandeln. Diese Menschen brauchen eine sehr individuelle, therapeuti- sche und kontinuierliche Behandlung unter Einbezie- hung des eigenen Lebensumfeldes. Dies kann nicht mit einer Struktur gelingen, die sich an der Vergütung von Krankheiten auf der Grundlage der DRG orientiert. Eine psychische Krankheit ist eben nicht mit einem Bein- bruch oder einem Herzinfarkt vergleichbar. Im Bereich der psychiatrischen und psychosomatischen Versorgung kann nicht automatisch ausgehend von der Diagnose auf den entsprechenden Behandlungsumfang geschlossen werden. Krankheitsverläufe in diesem Bereich sind indi- vidueller und komplexer. Der daraus entstehende Versor- gungsbedarf muss sich auch im Entgeltsystem wider- spiegeln. Es finden sich jedoch im Gesetzentwurf der Bundesregierung keine Ansätze, diesem Bedarf gerecht zu werden. Für sehr gefährlich halten wir aus diesem Grund auch die im Gesetzentwurf vorgesehenen Zu- und Abschläge bei Abweichung von behandlungstypischen Behand- lungszeiten. Auch hier werden ganz klar Anreize in Richtung einer nicht auf den individuellen Behandlungs- bedarf abgestimmten Versorgung gesetzt. Auch dies werden wir als SPD-Fraktion nicht mittragen. Mein dritter zentraler Kritikpunkt: Das neue Entgelt- system ist nicht sektorenübergreifend ausgerichtet. Es werden keine Anreize gesetzt, stationäre Behandlungen zu vermeiden. Psychisch Kranke werden auch in Zu- kunft keine Alternative zu stationären Aufenthalten ha- ben. Dies entspricht jedoch nicht ihrem tatsächlichen Versorgungsbedarf. Die im Gesetz festgelegten Pauschalen, die nur auf den stationären Bereich beschränkt sind, hemmen die Entwicklung hin zu einem integrierten Versorgungssys- tem, wie es schon seit Jahren von der Fachwelt gefordert wird. Die von der Regierung formulierten Prüfaufträge und die Weiterentwicklung der Vorgaben für Modellvorha- ben für eine sektorenübergreifende Versorgung sind uns zu wenig. Gute Versorgung darf es nicht nur in Modell- projekten geben. Bei den im Gesetz vorgeschlagenen Modellprojekten handelt es sich zudem vor allem um eine Bestandswahrung. Bereits bestehende Modellpro- jekte sollen weitergeführt werden. Das ist keine beson- ders große Innovation. Eine Innovation wäre es, erfolg- reiche Modellprojekte in die Regelversorgung zu überführen. Die Modellprojekte funktionieren zudem nicht in al- len Bereichen. In der Kinder- und Jugendpsychiatrie gibt es beispielsweise bundesweit nur ein einziges Modell- projekt. Das liegt vor allem daran, dass die Patientenzahl in teilweise größeren Versorgungsgebieten sehr gering ist und es sich daher nicht lohnt, Verträge für Modell- projekte auszuhandeln. Der Gesetzentwurf der Bundes- regierung sieht jetzt vor, für Modellprojekte kassenspe- zifische Verträge zuzulassen. Das bedeutet nach Einschätzung der Kolleginnen und Kollegen aus dem Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie, dass in die- sem Bereich erst recht keine Modellprojekte mehr umge- setzt werden. An diesem Beispiel können wir sehr klar sehen: Ein paar Modellprojekte sind für eine Förderung der sektorenübergreifenden Versorgung viel zu wenig. Das Gesetz der Bundesregierung folgt nicht dem Grundsatz, dass das Vergütungssystem der Versorgung dient. Als SPD-Fraktion fordern wir eine regionale, sekto- renübergreifende und bedarfsgerechte Versorgung. Wir fordern ein Vergütungssystem auf Grundlage der Psych- iatrie-Personalverordnung. Wir wollen eine integrierte Versorgung. Psychiatrische Krankenhäuser brauchen An- reize für den Ausbau personenzentrierter Behandlungs- und Hilfesettings im außerklinischen Bereich. Und wir wollen, dass auch die besonderen Bedarfe von Schwerst- kranken sowie Kindern und Jugendlichen im Versor- gungssystem Berücksichtigung finden. All dies finden wir im Gesetzentwurf der Bundesre- gierung nicht wieder. Auch in der weiteren Beratung wurde unseren bereits in der ersten Lesung vorgetrage- nen Argumenten nicht begegnet. Als SPD werden wir deshalb diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen. Dr. Erwin Lotter (FDP): Erneut beraten wir das Psych-Entgeltgesetz, welches meiner festen Überzeu- gung nach zu einer echten Erfolgsgeschichte werden wird. Schon in der ersten Beratung im März wurde deut- lich, dass der vorliegende Entwurf zu besserem Wettbe- werb und mehr Transparenz führen wird. Gleichzeitig wird eine leistungsgerechte Honorierung ermöglicht, die eine differenziertere Behandlung psychisch kranker Menschen zum Ziel hat. Auch haben wir dafür Sorge getragen, dass durch die lange Einführungsphase bis 2022 die Krankenhäuser Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 22171 (A) (C) (D)(B) nicht überfordert werden. Es ist uns gelungen, zwei An- forderungen zu vereinen: die Besonderheiten eines „ler- nenden Systems“ zu berücksichtigen und finanzielle So- lidität für die teilnehmenden Krankenhäuser zu sichern. Besonders wichtig war es den Liberalen, dass alle Be- troffenen in den Prozess der Entwicklung des Psych- Entgeltgesetzes eingebunden worden sind. Zahlreiche Stellungnahmen von Fachverbänden, Experten und Krankenhäusern wurden eingearbeitet. Nicht zuletzt als Konsequenz der öffentlichen Anhörung am 23. April hat die Koalition eine Reihe von Änderungsanträgen entwi- ckelt. Diese greifen die Ideen und Bedenken der Betrof- fenen auf. Für mich ist das ein Musterbeispiel fairer und demokratischer Gesetzgebung. Dass die Regierung mit dem Gesetz nicht falsch lie- gen kann, beweist schon der Umstand, dass bei der Sit- zung des Gesundheitsausschusses am gestrigen Mitt- woch die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen trotz einiger Kritik an Details den Entwurf nicht abgelehnt hat. Viel- mehr haben die Kolleginnen und Kollegen die Grund- linien des Gesetzes gelobt und sich bei der Abstimmung enthalten. Ich finde, das zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind und auch für das Vorbringen der Opposition durchaus ein offenes Ohr hatten. Gerne möchte ich die wichtigsten Punkte aus den ak- tuellen Änderungsanträgen erläutern: Es ist uns wichtig, dass in der Optionsphase ab 2013 möglichst viele psychiatrische Einrichtungen teilneh- men. Daher werden wir für die Optionshäuser die Mindererlösausgleiche für die Jahre 2013 und 2014 verbessern. Der Ausgleichssatz für Mindererlöse wird 95 Prozent betragen. Die ursprünglich vorgesehene Begrenzung der Nachverhandlungsmöglichkeit von Per- sonalstellen entfällt. Diese von der Psychiatrie-Personal- verordnung eingeräumte Möglichkeit wird vorerst auf- rechterhalten. Für Mehrerlöse gilt: Sie werden 2013 und 2014 zu 65 Prozent ausgeglichen. Ab 2015 sind 85 bzw. 90 Pro- zent Ausgleich möglich. Bereits für 2012 ist in der Somatik eine anteilige Be- rücksichtigung von Tariflohnsteigerungen vorgesehen. Ab 2013 werden im somatischen und im Psych-Be- reich die Selbstverwaltungspartner auf Bundesebene ei- nen anteiligen Orientierungswert vereinbaren, der die allgemeine Preisentwicklung ebenso spiegelt wie die be- sonderen finanziellen Notwendigkeiten dieser Bereiche. In der Konvergenzphase werden zusätzliche Leistun- gen mit sukzessive ansteigenden Vergütungsquoten be- rücksichtigt. Wie Sie sehen, haben wir mit diesen Änderungen die Sorgen der Krankenhäuser bezüglich einer finanziellen Schlechterstellung aufgegriffen und Verbesserungen be- schlossen. Niemand soll vor vollendete Tatsachen ge- stellt werden. Dem dient auch die neue Verpflichtung, vor Beginn der Konvergenzphase im Jahre 2017 eine gemeinsame Zwischenbilanz über die bis dahin erfolgte Einführung des neuen Entgeltsystems zu ziehen. Auf diese Weise tragen wir dem berechtigten Bedürfnis Rechnung, Erfah- rungen aus der Praxis in die Ausgestaltung der Konver- genzphase einfließen zu lassen. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Stärkung sektor- übergreifender Modellvorhaben. So werden neben Psych- iatrie und Psychosomatik weitere Fachdisziplinen einbe- zogen. Home Treatment wird in die Liste möglicher Modellvorhaben aufgenommen. Um weiße Flecken auf der Landkarte zu vermeiden, soll in jedem Bundesland mindestens ein Modellvorhaben durchgeführt werden. Schließlich tragen wir den Besonderheiten der Kin- der- und Jugendpsychiatrie Rechnung. Der Gemeinsame Bundesausschuss muss diese bei seinen Festlegungen zur Qualitätssicherung in der Versorgung berücksichti- gen. Dies gilt insbesondere für einen möglichen erhöh- ten Personalbedarf. Durch technische Neuerungen werden die Abläufe in der Psychiatrie und Psychosomatik vereinfacht. Kodie- rungen werden bundeseinheitlich geregelt. Ein elektroni- scher Datenaustausch zwischen Krankenhäusern und privaten Krankenversicherungsunternehmen ermöglicht den Verzicht auf manuelle Aufarbeitung. Nicht zuletzt verpflichten wir die Selbstverwaltungs- partner, einen gemeinsamen Forschungsauftrag zu ver- geben. Dieser soll die Ursachen für den Anstieg der Leistungsausgaben analysieren und Lösungsansätze für eine Entwicklung der Leistungen im medizinisch not- wendigen Umfang erarbeiten. Ziel ist es, die Effektivität im Krankenhausbetrieb zu verbessern und dadurch die Qualität der Versorgung unserer Patientinnen und Pa- tienten zu steigern. Ich bin zuversichtlich, dass der nunmehr verbesserte Entwurf in der praktischen Umsetzung auf große Zu- stimmung bei allen Beteiligten aus der Psychiatrie und Psychosomatik stoßen wird. Jeder, der in diesen Berei- chen arbeitet, ist aufgerufen, mitzumachen und persön- liche Erfahrungen einzubringen, um das System in den folgenden Jahren zu optimieren und noch besser an die Bedürfnisse von Ärzten, Krankenhäusern und Patienten anzupassen. Die Verabschiedung des neuen Psych-Ent- geltgesetzes liefert hierzu den Anstoß. Als Liberaler wie als Psychotherapeut freue ich mich darauf, diese längst überfällige Neuregelung mit auf den Weg zu bringen. Harald Weinberg (DIE LINKE): Heute wird hier ein Systemwechsel in der Finanzierung von psychiatrischen Krankenhäusern beschlossen. Bisher gibt es kranken- hausindividuell verhandelte Budgets. Hier spielen die Kosten, die in dem jeweiligen Krankenhaus entstehen, natürlich eine Rolle. Zum größten Teil geht es hier natür- lich – gerade im psychiatrischen Bereich – um Personal- kosten. Nach der geltenden Psychiatrie-Personalverord- nung ist der Personalbedarf verschiedener Abteilungen festgelegt und soll entsprechend finanziert werden. Nun soll dieses System – mit Übergangsfristen bis 2022 – umgestellt werden. Dann soll nicht mehr der Bedarf, sondern im Grundsatz die Leistung honoriert werden – allerdings nicht mehr einzeln für jede Klinik, sondern 22172 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 (A) (C) (D)(B) landesweit pauschaliert. Eine Klinik in München soll also für die gleiche Abteilung den gleichen Tagessatz be- kommen wie eine Klinik im Bayerischen Wald, obwohl die Kostenstrukturen andere sein dürften. Die Kranken- häuser, die derzeit noch relativ hohe Kosten geltend ma- chen können, werden massiv sparen müssen – das geht fast nur beim Personal – oder werden Defizite erwirt- schaften und verschwinden. Das ist Folge dieses Geset- zes. Es gibt für dieses Vorgehen ein Vorbild. So wurde ab 2003 ja bereits das Fallpauschalensystem in den nicht- psychiatrischen, den somatischen, Krankenhäusern ein- geführt. Für eine bestimmte Diagnose erhält das Kran- kenhaus nun einen Betrag X, während zuvor die Liegezeit entscheidend war. Ist es nun sinnvoll, dieses Prinzip auch auf die psychiatrischen Kliniken zu übertra- gen? Ich meine, nein, weil wir mit diesem neuen System, bei dem auch eine Personalbemessung aufgegeben wurde, eher schlechte als gute Erfahrungen gemacht ha- ben. Viele Zielsetzungen sind nicht erreicht worden; es sind negative Effekte aufgetreten. Bei vielen Punkten können wir aber auch gar nicht wirklich sagen, welche Erfahrungen vorliegen, weil die gesetzlich vorgeschrie- bene Begleitforschung größtenteils gescheitert ist. Das Scheitern hatte seine Ursache darin, dass sich die im Gesetz bestimmten Auftraggeber, Kassen und Klini- ken, gegenseitig blockiert haben. Deshalb haben wir auch beantragt, dass die Bundesregierung einen Sach- verständigenrat einrichten soll, der eine Evaluation vor- nehmen soll; so könnten wir zu einer neutralen For- schung und politisch brauchbaren Ergebnissen kommen. Die wären wichtig, denn immerhin geht es hier um 17 Millionen Patientinnen und Patienten und über 50 Milliarden Euro jährlich. Schade, dass die Koalition und die SPD das ablehnen. Soweit man das auch ohne Begleitforschung abschät- zen kann, passierte Folgendes: Die Fallpauschalen er- zeugten wirtschaftlichen Druck auf die Krankenhäuser, möglichst viele Fälle abzurechnen – mit möglichst kur- zer Liegedauer. Die Krankenhäuser haben infolgedessen einen immer größeren Bedarf, Ärztinnen und Ärzte ein- zustellen, um diese Fallzahlen zu generieren und – nicht zuletzt – um die Kodierung für die Abrechnung vorzu- nehmen. Die Pflege hingegen wurde nun weniger ge- braucht, und hier bestanden neben dem technischen Dienst auch die größten Einsparpotenziale für die Kran- kenhäuser. Für die Beschäftigten bedeutet dies eine enorme Arbeitsverdichtung, für die Patientinnen und Pa- tienten trotz allem Einsatz der Pflegenden ganz klar eine Verschlechterung der Pflege. Es gibt massive Probleme bei den Reha-Kliniken, die durch die früheren Entlas- sungen teilweise Patientinnen und Patienten zugewiesen bekommen, die noch gar nicht rehabilitationsfähig sind. Die Fallpauschalen erzeugen einen hohen Bürokratieauf- wand. Der Anreiz, möglichst viele Fälle zu machen, könnte von den Krankenhäusern als Anreiz verstanden werden, auch unnötige Operationen durchzuführen. Und nun kann man sich fragen, welcher Fehlanreiz besser ist: Früher ließen die Krankenhäuser die Patientinnen und Patienten gerne einmal zwei oder drei Tage zu lange lie- gen, wenn nicht alle Betten ausgelastet waren; heute muss man sich fragen, ob die Operation tatsächlich not- wendig ist oder ob einfach der Operationssaal mehr Aus- lastung braucht. Trotz dieser Probleme kann man nicht feststellen, dass Krankenhäuser durch die Umstellung auf Fallpau- schalen wirtschaftlicher geworden sind. Kurz gesagt, gibt es Hinweise auf Verschlechterungen im Kranken- haus, aber ohne dass das System wenigstens günstiger geworden wäre. Wenn das so ist, dann muss man über Alternativen im somatischen Bereich nachdenken, aber nicht dieses System im Grundsatz als Vorbild für die psychiatrischen Kliniken nehmen. Denn nichts wird dort besser werden. Wenn man tat- sächlich die Versorgung in der stationären Psychiatrie verbessern will, dann muss man dafür sorgen, dass ge- nug gut qualifiziertes Personal dort zur Verfügung steht, wo es gebraucht wird. Man muss im ersten Schritt dafür sorgen, dass die Psychiatrie-Personalverordnung tatsäch- lich überall umgesetzt wird. Außerdem muss man für eine bessere sektorenübergreifende Zusammenarbeit sorgen. Nichts davon passiert hier. Im Gegenteil: Die Sektorengrenze zwischen Ambulant und Stationär wird noch weiter zementiert, weil ein neues stationäres Finan- zierungssystem bis weit in die 2020er-Jahre festge- schrieben wird. Die Koalition nutzt dieses Gesetz aber auch als Omni- bus, um andere Regelungen noch mitzunehmen, oder, wie Herr Lindemann von der FDP heute in der Welt zi- tiert wird: „Wir müssen aufsammeln, was in den vergan- genen Monaten gesetzgeberisch liegen geblieben ist oder unzureichend gelöst wurde“. Und da gibt es einiges! So gab es ja im März einen Tarifabschluss für die öffentli- chen Krankenhäuser. Bisher war völlig unklar, wann wie viel auf welche Art und Weise davon refinanziert wird. Die Koalition hat jetzt gewürfelt, und herausgekommen sind 30 Prozent. Einen Ratschlag, wie die Krankenhäu- ser die übrigen 70 Prozent finanzieren sollen, hat die Ko- alition nicht. Dazu kommt, dass diese 30 Prozent auch noch über die Landesbasisfallwerte auf alle Krankenhäu- ser verteilt werden, also auch auf die zum Teil privaten Häuser, für die die Tarifsteigerung gar nicht gilt, und auch auf die Krankenhäuser, die Personal entlassen. Für diejenigen, die ihre Beschäftigten ordentlich entlohnen, bleibt also unterm Strich sogar weniger als 30 Prozent ihrer individuellen Mehrkosten übrig. Die Koalition un- terstützt weiter den Wettbewerb über Lohndumping und schlechte Arbeitsbedingungen. Wir brauchen hier Ab- schläge für Krankenhäuser, die untertariflich zahlen, so- wie eine klare Mindestpersonalbemessung. Damit wäre den Beschäftigten geholfen. Bereits 2008 wurde ein Gesetz mit dem Ziel verab- schiedet, nicht mehr die Steigerungen der Löhne und Gehälter der Versicherten, sondern die Kostensteigerun- gen der Krankenhäuser als Maßstab für die Erhöhung der Krankenhausbudgets zu nutzen. Schon seit Mitte 2010 sollte dieser berechnet sein. Die Bundesregierung hat aber dieses Gesetz seitdem nicht umgesetzt und zu- dem noch solche Angst vor der Öffentlichkeit gehabt, dass sie das Statistische Bundesamt zur Verschwiegen- heit verpflichtet hat. Nun soll der Orientierungswert im Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 22173 (A) (C) (D)(B) Jahr 2013 kommen. Immerhin, aber tosenden Beifall können Sie für diese Leistung von uns nicht erwarten. Alles in allem haben Sie mit den Änderungsanträgen das Gesetz zwar ein wenig verbessert. Aber durch die Umstellung der Finanzierung der Psychiatrieentgelte ist da doch deutlich mehr Schatten als Licht, und deshalb lehnen wir dieses Gesetz ab und bedauern, dass Koali- tion und SPD unseren Antrag zur Fallpauschalenfor- schung ablehnen. Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Der Bundestag bringt heute eine neue Vergü- tungsregelung für die stationäre Versorgung von psy- chisch kranken Erwachsenen und Kindern und Jugendlichen auf den Weg. Diese Regelung soll gemäß der Begründung vonseiten der Bundesregierung zu mehr Transparenz und Leistungsgerechtigkeit bei der Finan- zierung psychiatrischer Krankenhausleistungen führen. In den letzten Jahren sind die Behandlungsfälle und die Kosten aufgrund einer psychischen Erkrankung kontinu- ierlich gestiegen, gleichzeitig sank die Verweildauer in den letzten zwei Jahrzehnten von durchschnittlich 45 auf 31 Behandlungstage. Die hohe Rate von stationären Wiedereinweisungen lässt Versorgungsbrüche zwischen den Krankenhäusern und der ambulanten vertragsärztli- chen und psychotherapeutischen Versorgung erahnen. Wir haben deshalb schon bei der Einbringung des Ge- setzentwurfs und mit einem eigenen Antrag deutlich ge- macht: Es muss um mehr gehen als ein neues Entgeltsys- tem; vielmehr muss der lange Übergangszeitraum für die Weiterentwicklung der Versorgung genutzt werden. Der Gesetzentwurf wurde dem nicht gerecht. Es drohte mit der Umstellung auf Tagespauschalen ein Ab- bau von Personalstandards in der Erwachsenen- und noch extremer in der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Gleichzeitig war kein ernstzunehmender Anreiz für sek- torübergreifende und stationsersetzende Behandlungsan- sätze vorgesehen. Eine Woche vor der abschließenden Beratung haben Sie vonseiten der schwarz-gelben Koalition ein großes Paket mit Änderungsanträgen vorgelegt. Wir begrüßen den Mut zu deutlichen Veränderungen; Sie nehmen da- mit in Teilen die Vorschläge der Fachverbände, des Bun- desrates und aus unserem Antrag auf. Vor allen Dingen wurde der Versuch der Bundesregierung zurückgewie- sen, die Umstellung zu einem Spargesetz zulasten der Versorgung von psychisch Kranken zu machen. Die Möglichkeit für alle psychiatrischen Krankenhäuser, bis Ende 2016 ihr Personal analog der Psychiatrie-Personal- verordnung mit den Krankenkassen nachzubesetzen, ist im Interesse der Behandlungsqualität. Ich habe bereits seit längerem die fehlende Transparenz über die tatsäch- liche Personalbesetzung thematisiert. Bisher war das Ministerium nicht bereit, durch gesetzgeberische Maß- nahmen die Umsetzung der Psych-PV überprüfbar zu machen. Das soll nun geschehen; das ist gut. Wir begrüßen auch die Nachbesserungen bei den Mo- dellvorhaben. Sie müssen konsequent zur Weiterent- wicklung der Regelversorgung genutzt werden. Deshalb war es wichtig, wie von uns gefordert, in die Modellvor- haben ausdrücklich die komplexe psychiatrische Be- handlung im häuslichen Umfeld einzubeziehen und in jedem Bundesland ein solches Vorhaben zu realisieren. Ebenso wichtig wie eigentlich auch selbstverständlich: Die Ergebnisse der Modellvorhaben müssen bei der Be- gleitforschung genauso wie die Angebote der Regelver- sorgung miterfasst werden. Nur so ist ein qualitativer Vergleich überhaupt möglich. Trotz der Nachbesserungen hat sich unser grüner An- trag nicht erledigt. Völlig unverständlich ist es zum Bei- spiel, dass es keine Bereitschaft gab, die Umstellung durch eine interessensneutrale Expertenkommission un- ter Beteiligung von Patienten- und Angehörigenvertre- tern zu begleiten. Wir anerkennen im Teil der psychiatri- schen Krankenhäuser also die heutigen Beschlüsse als Schritte in die richtige Richtung. Kommen wir nun zum allgemeinen Krankenhausteil. Die Koalition hat angesichts der Wahlkämpfe reagiert und ist den Krankenhäusern bei der Bewältigung der Ta- rifkostensteigerungen scheinbar entgegengekommen. Eine solche Feuerwehrmaßnahme wäre jedoch nicht nö- tig gewesen, hätte die Koalition den Krankenhäusern die willkürliche Sparvorgabe im GKV-FinG nicht aufge- drückt und hätte sie sich früher dem Thema einer trans- parenten und verlässlichen Krankenhausfinanzierung ge- widmet. Es ist schon ein Husarenstück, uns eine so grundlegende und methodisch nicht unproblematische Frage quasi über Nacht auf den Tisch zu legen. Nachhal- tige Lösungen für eine belastbare Krankenhausfinanzie- rung, die endlich auch die Pflege wertschätzt, werden anders gefunden. Insgesamt können wir dem Gesetz heute nicht zustim- men und werden uns enthalten. Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Mit dem Gesetz zur Einführung eines pauschalierenden Entgeltsystems für psychiatrische und psychosomatische Einrichtungen wird die Finanzierung der Krankenhäuser in Deutsch- land verbessert. Die Leistungsorientierung und Transpa- renz über die stationäre psychiatrische und psychosoma- tische Versorgung wird gestärkt. Wir sorgen für eine Verbesserung der Rahmenbedin- gungen der Krankenhausfinanzierung, indem wir ab 2013 den anteiligen Kostenorientierungswert einführen und im Vorgriff darauf noch in diesem Jahr die Tariflas- ten der Krankenhäuser erleichtern. Von einem Sparge- setz, wie von Krankenhausverbänden behauptet, kann deshalb bei dem vorliegenden Gesetzentwurf keine Rede sein. Mit dem Gesetz wird die Grundlohnrate als Ober- grenze für den Preisanstieg von Krankenhausleistungen durch den anteiligen Kostenorientierungswert abgelöst. Liegt der Orientierungswert über der Grundlohnrate, er- folgt im Rahmen eines vorgegebenen Verhandlungskor- ridors eine Erhöhung der Preisobergrenze. Damit werden unter Berücksichtigung der Kostensituation der Kran- kenhäuser erhöhte Verhandlungsspielräume für Preiszu- wächse eröffnet. 22174 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 (A) (C) (D)(B) Der Vorwurf von Krankenhausverbänden, mit dem anteiligen Orientierungswert werde die Grundlohnrate lediglich fortgeschrieben, geht komplett ins Leere. Viel- mehr werden den Krankenhäusern gute Argumente an die Hand gegeben, den eröffneten Verhandlungskorridor auch auszuschöpfen. Zudem müssen diese Krankenhausverbände zur Kenntnis nehmen, dass bereits die von der Großen Ko- alition geschaffene Rechtsgrundlage einen anteiligen Orientierungswert, nicht aber den geforderten vollen Orientierungswert vorsieht. Etwas anderes wäre im Sinne einer nachhaltig tragfähigen Finanzierbarkeit von Krankenhausleistungen auch nicht verantwortbar. Durch die Anwendung des anteiligen Orientierungswerts wird einerseits ein Beitrag zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser geleistet, andererseits werden mit Blick auf sozial tragbare Entgelte die zusätzlich entstehenden Belastungen der Kostenträger in Grenzen gehalten. Auch mit den aktuellen Tarifsteigerungen des Jahres 2012 lassen wir die Krankenhäuser nicht allein. Im Vor- griff auf den anteiligen Orientierungswert 2013 ist noch in diesem Jahr eine anteilige Finanzierung der vereinbar- ten linearen Tarifsteigerungen für das Jahr 2012 vorgese- hen. Damit werden die Kosten der Tarifsteigerungen, die die Grundlohnrate überschreiten, zu 50 Prozent finan- ziert. Allein durch diese Maßnahme erhalten die Kran- kenhäuser jährlich dauerhaft 280 Millionen Euro zusätz- lich. Es darf nicht übersehen werden, dass allein in den Jahren 2010 und 2011 die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung für Krankenhausleistungen um na- hezu 5 Milliarden Euro gestiegen sind. Das ist ein Zu- wachs von über 8,5 Prozent – trotz der ausgabenbegren- zenden Maßnahmen des GKV-Finanzierungsgesetzes im Jahr 2011. Im Vergleich dazu wuchsen die GKV-Ausga- ben für die vertragsärztliche Behandlung um 4,5 Prozent an. Maßgeblich für den dynamischen Ausgabenanstieg ist weniger die Preisentwicklung, sondern insbesondere die Mengenentwicklung. Die Leistungsdynamik wird nicht mehr durch gedeckelte Budgets begrenzt. Die Mor- bidität wird von den Kostenträgern übernommen. Aber die DRG-Begleitforschung der Selbstverwaltungspartner auf Bundesebene hat ebenso wie eine kürzlich vorge- legte Studie des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung gezeigt, dass die Entwicklung der stationären Leistungen dynamischer verläuft, als durch die demografische Entwicklung und den medizinischen Fortschritt erklärbar. Vor diesem Hintergrund hat die Regierungskoalition immer wieder deutlich zum Ausdruck gebracht, dass eine verbesserte Refinanzierung der den Krankenhäu- sern entstehenden Kosten nur im Zusammenhang mit Maßnahmen zur Beeinflussung der Mengendynamik er- folgen kann. Um mittelfristig geeignete Lösungsansätze für eine Leistungsentwicklung im medizinisch notwen- digen Umfang zu entwickeln, werden die Selbstverwal- tungspartner auf Bundesebene mit der Vergabe eines ge- meinsamen Forschungsauftrags zur Mengendynamik beauftragt. Übergangsweise werden die derzeit noch unbefriste- ten Mehrleistungsabschläge weiter erhoben. Sie werden aber mit dem Psych-Entgeltgesetz auf die Jahre 2013 und 2014 begrenzt, wobei die Mehrheitsleistungen für das Jahr 2013 auch für das Jahr 2014 gelten. Zudem wer- den die Ausnahmetatbestände erweitert. Im Jahr 2015 entfällt der Mehrleistungsabschlag vollständig. Die Mengensteuerung soll unter Berücksichtigung der Er- gebnisse des Forschungsauftrags sowie der darauf basie- renden gemeinsamen Vorschläge der Selbstverwaltung erfolgen. Es wird nicht genug sein, für die jeweils be- kannte Position von SpiBu bzw. DKG ein wissenschaft- liches Gutachten in Auftrag zu geben. Wir nehmen die Selbstverwaltung in die Pflicht und erwarten, dass die je- weiligen Interessensgegensätze in der Form eines ge- meinsamen tragfähigen Vorschlags zur Mengenentwick- lung überwunden werden. Mit dem Psych-Entgeltgesetz werden auch die Rah- menbedingungen für ein modernes, Qualität, Transpa- renz und Wirtschaftlichkeit förderndes Vergütungssys- tem geschaffen. Die Vergütungsgerechtigkeit zwischen den Einrichtungen wird verbessert. Das neue Entgeltsystem wird im Rahmen eines lernen- den Systems mit einer vierjährigen budgetneutrale Phase und einer fünfjährigen Konvergenzphase eingeführt. In den Jahren 2013 und 2014 können die Einrichtungen das neue Entgeltsystem auf freiwilliger Grundlage anwenden. Der Anspruch zur Nachverhandlungsmöglichkeit von Stellen nach der Psychiatrie-Personalverordnung steht weiterhin allen Einrichtungen offen, für die diese Ver- ordnung Anwendung findet. Als Anreiz für eine frühzei- tige Anwendung des neuen Entgeltsystems werden in den Jahren 2013 und 2014 die Erlösausgleiche zeitlich befristet nachhaltig verbessert. Insgesamt wird den Einrichtungen durch den gesetzli- chen Rahmen ausreichend Zeit gegeben, sich auf die neuen Rahmenbedingungen einzustellen. Zudem werden die Selbstverwaltungspartner auf der Bundesebene ver- pflichtet, vor Beginn der Konvergenzphase eine gemein- same Zwischenbilanz über die bis dahin erfolgte Einfüh- rung des neuen Entgeltsystems zu ziehen. Vor Beginn der Konvergenzphase wollen wir wissen, wie das neue leistungsgerechte Entgeltsystem wirkt und insbesondere ob und welche Auswirkungen das Entgeltsystem auf die Versorgung in den Häusern hat. Begleitend werden ferner die Grundlagen für eine systematische Qualitätssicherung in der psychiatrischen und psychosomatischen Versorgung gelegt. Die Möglichkeiten für eine sektorenübergreifende Versorgung werden verbessert. Dies geschieht insbeson- dere durch die Weiterentwicklung der Vorgaben zur Durchführung von Modellvorhaben. Mit der Einführung des neuen Entgeltsystems wird nunmehr auch im Bereich der Psychiatrie und Psychoso- matik der Weg von der Finanzierung kostenorientierter Budgets hin zu einer leistungsorientierten Krankenhaus- vergütung konsequent fortgesetzt. Mit den Maßnahmen zur Krankenhausfinanzierung nimmt die Gesundheitspolitik die Herausforderung an, Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 22175 (A) (C) (D)(B) sowohl flächendeckende Defizite der Krankenhäuser zu verhindern, als auch unvertretbaren Mehrbelastungen der Kostenträger zu begegnen. In diesem Sinne formt das Gesetz einen Kompromiss, der das Notwendige und das finanziell Verantwortbare zum Ausgleich bringt. Anlage 13 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: Beschlussempfehlung und Bericht zu dem Antrag: Übersetzungserforder- nisse der nationalen Parlamente in der mehrjährigen EU-Finanzplanung 2014–2020 berücksichtigen – Übersetzungen auch im inter- gouvernementalen Rahmen sicherstellen (Ta- gesordnungspunkt 20) Thomas Dörflinger (CDU/CSU): Wenn es noch ei- nes Beweises bedurft hätte, wie berechtigt und dringend der Antrag ist, den die Koalitionsfraktionen dem Deut- schen Bundestag heute vorlegen, dann waren es die letz- ten Wochen und Monate, wo wir uns fast wöchentlich im Zusammenhang mit der europäischen Staatsschulden- krise mit Problemen und Sachverhalten auseinanderzu- setzen hatten, denen eines gemein war: Sie waren und sind allesamt von hoher Komplexität und beinhalten gleichzeitig schwierige juristische und finanztechnische Themen. Vorlagen dieser Art nicht in seiner Mutterspra- che bearbeiten zu können, ist für Parlamentarier schlicht und ergreifend unzumutbar. Darüber sind wir uns sicher über Fraktionsgrenzen hinweg einig. Ich bin in diesem Zusammenhang dankbar, dass der Vorsitzende des Europaausschusses im Deutschen Bundestag, Gunther Krichbaum, dies vor wenigen Tagen auch in einem Zei- tungsinterview nochmals klar und deutlich zum Aus- druck gebracht hat. Das Problem, dass wichtige europäische Dokumente allenfalls in englischer oder französischer Sprache vor- liegen, ist für den Deutschen Bundestag alles andere als neu. Ich erinnere daran, dass wir dies schon in der letzten Legislaturperiode zum Ausdruck gebracht haben, dass wir dies in einem Gespräch mit der EU-Kommission im Europaausschuss kritisiert haben und dass wir in diesem Ansinnen auch durch den Präsidenten des Deutschen Bundestages unterstützt worden sind. Ungeachtet dieser und bereits längere Zeit zurückliegender Initiativen dür- fen wir heute feststellen: Getan hat sich in dieser Frage nicht nur nichts, sondern das Problem ist im Gegenteil noch größer geworden. In der laufenden Legislaturpe- riode des Hohen Hauses sind es fast 100 Dokumente, die aufgrund der fehlenden Übersetzung ins Deutsche nicht beraten werden konnten. Dies ist ein unhaltbarer Zu- stand. Die Koalitionsfraktionen aus CDU/CSU und FDP fordern die Bundesregierung daher auf, ihren bereits un- ternommenen Bemühungen zur Problemlösung im Zusammenhang mit der Beratung des mehrjährigen EU- Finanzrahmens für 2014 bis 2020 nochmals neuen Nach- druck zu verleihen. Dafür muss nicht notwendigerweise mehr Geld in die Hand genommen werden. Wir sind der Auffassung, die benötigten Haushaltsmittel können auf der europäischen Ebene durch Umschichtungen erwirt- schaftet werden; denn wir wollen gleichzeitig an unserer Position festhalten, dass die Bemessungsgrenze für die Mittel, die aus den Nationalstaaten zur Finanzierung der Europäischen Union nach Brüssel abgeführt werden müssen, bei 1 Prozent des Bruttonationaleinkommens liegt. Wenn wir in den letzten Monaten über Ausgaben- begrenzung und die Notwendigkeit einer Schulden- bremse in den Nationalstaaten gesprochen haben, dann gilt auch für die Europäische Union, dass man mit dem Geld auskommen muss, das zur Verfügung steht. Ich habe davon gesprochen, dass wir das Thema Übersetzungsregime schon einmal in der vergangenen Legislaturperiode und damals mit einem fraktionsüber- greifenden Antrag aufgegriffen haben. Dies war heuer leider nicht möglich, und ich bedauere dies ausdrücklich. Die Bereitschaft der Koalitionsfraktionen hierzu war da; das stelle ich mit Blick auf die gestrigen Ausschussbera- tungen noch einmal fest. Es hat unsererseits weder am guten Willen noch an der zur Verfügung gestellten Bera- tungszeit gefehlt. Wir sind aber an einigen zentralen Punkten ganz of- fenkundig unterschiedlicher Auffassung: Erstens. Ein Wort zuerst zu dem Änderungsantrag, den uns die Fraktion Die Linke vorgelegt hat. Auch wenn wir einen Ergänzungsbedarf in unserem Forde- rungskatalog nicht wirklich sehen, will ich durchaus konzedieren, dass der Ansatz im Änderungsantrag in die richtige Richtung weist. Aber: Welchen Sinn soll es ma- chen, die Frage des Übersetzungsregimes zu einer Art Guillotineklausel zu machen, was dann bedeuten würde, die Bundesregierung müsste den europäischen mehrjäh- rigen Finanzrahmen in Gänze ablehnen, wenn die Forde- rung in puncto Übersetzungsregime nicht erfüllt sind? So kann man weder auf der europäischen Ebene noch auf der nationalen Ebene Politik machen. Der Ansatz „alles oder nichts“ hat noch in den seltensten Fällen zu einem politischen Erfolg geführt. Zweitens zu den Argumenten, die SPD und Bündnis 90/ Die Grünen vorgetragen haben: Es gibt durchaus Gründe, einen Prozess kritisch zu hinterfragen, in dem Entscheidungsabläufe in Europa zunehmend auf der in- tergouvernementalen Ebene stattfinden, wodurch das Parlament entweder nicht oder nur indirekt beteiligt ist. Dabei sollten wir jedoch so fair sein und feststellen, dass gerade im Zusammenhang mit der europäischen Staats- schuldenkrise oft die Zeit und der Druck der Märkte das Prozedere diktiert haben. Aber: Wenn wir daneben den beschriebenen, bisweilen schleichenden Prozess als überzeugte Parlamentarier gemeinsam kritisch beleuch- ten, dann muss doch der Schluss aus dieser Überlegung gezogen werden, dass uns im Parlament gerade die wichtigen Dokumente aus dem intergouvernementalen Bereich in deutscher Sprache zur Verfügung stehen. Ich habe mich in der Ausschussberatung schon gefragt, wes- halb SPD und Bündnis 90/Die Grünen gerade dies als Argument anführten, unseren Antrag nicht mittragen zu können oder zu wollen. 22176 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 (A) (C) (D)(B) Drittens. Es hat sich mir genauso wenig erschlossen, wieso für den intergouvernementalen Bereich die Mit- gliedstaaten ins finanzielle Obligo für die Übersetzung gehen sollten. Auch wenn die Vertreter der Mitgliedstaa- ten im Europäischen Rat und den einzelnen Räten agie- ren, so bleiben die Räte doch zweifelsfrei ein europäi- sches Gremium. Damit ist für die Infrastruktur dieser Räte auch die Europäische Union zuständig. Ich betone dies deshalb, weil ich mich an ein Ge- spräch im EU-Ausschuss mit dem seinerzeit für Überset- zungsfragen zuständigen Kommissar erinnere, der die Lösung des von uns benannten Problems ganz einfach skizzierte: Wo ein nationales Parlament zusätzlichen Be- darf an Übersetzungen sehe, solle es diese im eigenen Interesse doch selbst finanzieren. Genau das wollen wir aber nicht. Wo die Zuständigkeiten klar gegeben sind, muss auch für die finanziellen Konsequenzen dieser Zu- ständigkeit Sorge getragen werden. Zurück zur Gemeinsamkeit in der Sache. Ich bin dankbar, dass wir in dieser Gelegenheit auch weiterhin auf die Unterstützung des Präsidenten des Deutschen Bundestages zählen können. Die Bemühungen des Parlamentspräsidenten etwa in der Konferenz der euro- päischen Parlamentspräsidenten sind sicher umso erfolg- reicher und nachdrücklicher, wenn er sich in seinem von uns über alle Fraktionsgrenzen hinweg getragenen Ansinnen auch einer breiten Unterstützung in diesem Hohen Hause sicher weiß. Alois Karl (CDU/CSU): Ich bin den Koalitionsfrak- tionen, den Fraktionen der CDU/CSU und der FDP, au- ßerordentlich dankbar dafür, dass sie den hier in Rede stehenden Antrag in den Deutschen Bundestag einbrin- gen, wonach Übersetzungserfordernisse der nationalen Parlamente in die mehrjährige EU-Finanzplanung 2014 bis 2020 aufgenommen werden sollen und berücksich- tigt werden soll, dass dem Antrag gemäß auch die Über- setzung im intergouvernementalen Rahmen sicherge- stellt werden muss. Wir befassen uns mit dieser Materie nicht zum ersten Mal. Wir haben uns sowohl im Juni 2007 als auch im Oktober 2008 mit der Praxis der EU-Übersetzungsme- thoden befasst. Wir haben verschiedene Forderungen aufgestellt, die in der Tat an das Selbstverständnis des Deutschen Bundestages gehen. Die Problematik ist jedem klar: Der Deutsche Bun- destag wirkt mit den europäischen Institutionen am euro- päischen Recht mit. Wir haben gerade nach dem Vertrag von Lissabon weitreichende Mitwirkungsrechte und ha- ben das Recht – und aus dem Recht erwächst auch eine Pflicht –, alle für unsere Entscheidungen notwendigen Vorlagen und Unterlagen nicht nur rechtzeitig, sondern auch in einer autorisierten Übersetzung zu bekommen. In diesem Zusammenhang ist es ja geradezu ein Skan- dal, dass in dieser seit 2009 laufenden Wahlperiode des Deutschen Bundestages bereits mehr als 50 Vorlagen der Europäischen Union im Deutschen Bundestag nicht ab- schließend behandelt werden konnten oder sogar zurück- gewiesen werden mussten, weil sie aufgrund fehlender oder nicht vollständiger deutscher Übersetzungen im Ausschuss nicht behandelt werden konnten. Diese Praxis nagt am Selbstverständnis der frei ge- wählten deutschen Abgeordneten! Die Sache verschärft sich noch, wenn man weiß, dass die EU-Kommission in der Vergangenheit es sogar abgelehnt hat, auch auf Rü- gen hin Nachübersetzungen zu liefern. Auch unsere Auf- forderungen an die deutsche Bundesregierung vom 20. Juni 2007, „sich bei der EU um eine angemessene Stellung der deutschen Sprache zu bemühen“, hat dort nicht allzu viel Positives bewirkt. Auch einer weiteren Aufforderung von uns vom 17. Oktober 2008 war nicht mehr Erfolg beschieden. Wir sind an einer Stelle angelangt, wo man nicht mehr einfach zur Tagesordnung übergehen kann. Ich sehe die Situation durchaus dramatisch. Unsere Ministerien sind nicht dafür da, entsprechende Übersetzungsarbeiten zu leisten. Nachdem wir bereits die Brüsseler Bürokratie durch unsere Beiträge finanziell ausgestattet haben, ist es unverantwortlich, ein zweites Mal für die Überset- zungsdienste – jetzt im nationalen Bereich – hohe Kos- ten aufzuwenden. Es ist dem Deutschen Bundestag auch nicht zuzumuten, dann über zwar übersetzte, aber nicht autorisierte Texte zu beraten. Hinzu kommt, dass wir damit die EU-Institutionen von ihren eigenen Übersetzungsleistungen entpflichten würden. Mit der Eigenübersetzung kämen wir auch in Zeitverzug, insbesondere dann, wenn es um die Frage von Subsidiaritätsprüfungen geht. Diese müssen, wie Sie wissen, innerhalb von acht Wochen abgeschlossen wer- den. Dies kann keine Lösung sein! Die Sache wird noch gravierender: Die EU-Kommission hat die überhaupt nicht überzogenen, geradezu denknotwendigen deut- schen Forderungen nicht nur nicht aufgegriffen, sondern die Sache wird geradezu auf die Spitze getrieben. Nach unserer Information soll die EU-Kommission noch in diesem Sommer beschließen, die Generaldirektion für Übersetzungen um 250 Stellen zu verkleinern. Mit der Verminderung soll 2013 begonnen werden; 2017 soll das „Massaker bei den Übersetzungsstellen“ abgeschlossen sein. Mit dem Wegfall dieser Stellen ist natürlich eine weitergehende Minderleistung bei den Übersetzungen verbunden. Noch weniger Dokumente können übersetzt werden; die Übersetzungsarbeit wird noch länger dauern als jetzt schon. Die Sache wird aber noch mehr auf die Spitze getrie- ben: Es soll insbesondere die deutsche Abteilung sein, die unter dem personellen Aderlass zu leiden hat. Gerade die Mitarbeiter der deutschen Abteilung zeichnen sich durch ein hohes Durchschnittsalter aus. Bei Pensionie- rung sollen sie großenteils nicht mehr ersetzt werden. Von den sechs Referaten der deutschen Abteilung sollen zwei geschlossen werden; es sollen nur noch vier übrig bleiben. Es kommt noch schlimmer: Die deutsche Abteilung soll von Brüssel wegverlegt und nach Luxemburg trans- feriert werden. Gerade dies sehe ich als skandalös an. Die deutsche Sektion soll damit augenscheinlich aufs Nebengleis, aufs Abstellgleis gestellt werden. Die Be- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 22177 (A) (C) (D)(B) handlung der deutschen Sprache durch die Bediensteten der EU-Kommission ist geradezu skandalös! Den Mitarbeitern der Kommission sei ins Stammbuch geschrieben und zugerufen, dass Deutsch die mit Ab- stand am weitesten verbreitete Sprache im EU-Raum ist. Mehr als 90 Millionen EU-Bürger haben Deutsch als erste Muttersprache; auf den Plätzen zwei und drei fol- gen Italienisch und Englisch mit jeweils circa 65 Millio- nen; Französisch ist für circa 60 Millionen die Mutter- sprache. Wir verlangen ausdrücklich, dass die Bestimmungen, wie sie schon 1958 bei der Begründung der EWG festge- setzt worden sind, eingehalten werden. Die Europäer der ersten Stunde haben bereits 1958 festgelegt, dass Ver- ordnungen und andere Schriftstücke von allgemeiner Geltung in den Amtssprachen abgefasst werden müssen. Amtssprache ist neben Englisch und Französisch auch Deutsch. Wir dulden hier keine Kompromisse; wir möchten, dass dies respektiert wird! Die ganze Misere kann meines Erachtens nur dadurch gelöst werden, dass wir bei den anstehenden Beratungen zum nächsten mehrjährigen Finanzrahmen 2014 bis 2020 eine deutliche Sprache sprechen. Es kann nicht an- gehen, dass wir mit unserem Geld die EU-Kommission „auf ganz hohem Niveau füttern“ und zum Dank dafür nicht einmal die EU-Dokumente übersetzt zum Lesen bekommen. Die EU-Kommission ist offensichtlich auch nicht wil- lens, zu sparen. Der Finanzrahmen der letzten sieben Jahre belief sich auf 1,12 Prozent des Bruttonationalein- kommens der Europäischen Union; die jetzigen Forde- rungen der EU-Kommission für den neuen Finanzrah- men 2014 bis 2020 belaufen sich auf 1,11 Prozent des Bruttonationaleinkommens der EU-Staaten. Wir spre- chen dabei immerhin von der Kleinigkeit von circa 1,1 Billionen Euro. Wir wissen, Europa ist uns viel wert. Europa ist uns auch teuer! Wir wollen ausdrücklich, dass die Bundesre- gierung bei den Beratungen über den nächsten Finanz- rahmen darauf hinwirkt, dass unsere Zustimmung nur dann gegeben wird, wenn unsere jetzt zum wiederholten Male formulierten Anforderungen an die Übersetzungs- erfordernisse auch in der Europäischen Kommission auf fruchtbaren Boden fallen. Es geht nicht um Oberflächlichkeiten; es geht um viel. Es geht um die Kontrollmitwirkungsrechte des Deutschen Bundestages in Angelegenheiten der Euro- päischen Union. Wir möchten unseren Aufgaben und Pflichten nachkommen. Die Europäische Kommission hat deswegen Vorleistungen zu bringen, eine Bring- schuld, aus der wir sie nicht entlassen. Wenn die Kom- mission ihre Aufgaben nicht erfüllt, wird sie bei uns auf Granit beißen, wenn es um eine Haushaltsausstattung geht, wie sie den Damen und Herren in der Brüsseler Kommission vorschwebt. Nicht mit uns! Michael Roth (Heringen) (SPD): Für die Arbeits- fähigkeit des Deutschen Bundestages und anderer natio- naler Parlamente ist die zügige Vorlage übersetzter EU- Dokumente von zentraler Bedeutung. Es ist nicht hin- nehmbar, wenn EU-Vorlagen wegen der fehlenden Über- setzung nicht in den Fachausschüssen des Bundestages beraten werden können. Wir fordern daher seit Jahren eine grundlegende Reform des EU-Übersetzungsre- gimes. Auch für die SPD-Fraktion steht außer Frage, dass alle EU-Vorlagen in den 23 Amtssprachen der EU vorliegen müssen, damit die nationalen Parlamente ihre Mitwirkungs- und Kontrollaufgaben angemessen wahr- nehmen können. Das gilt für Dokumente, die im Rah- men der Gemeinschaftsmethode erarbeitet wurden, ebenso wie für Vorlagen aus dem Bereich des intergou- vernementalen Handelns der Mitgliedstaaten, also für Vorlagen der GASP/ESVP, zu den Rettungsschirmen EFSF und ESM, zum Fiskalpakt und zum Euro-Plus- Pakt. Im Grundsatz sind wir uns in dieser Frage fraktions- übergreifend einig. Umso ärgerlicher, dass die Koali- tionsfraktionen nicht bereit waren, sich mit der Oppo- sition noch einmal zusammenzusetzen, um einen akzeptablen Kompromiss zu schmieden. Der Dissens be- steht nämlich in der nicht unerheblichen Frage, aus wel- chem Topf das Geld für diese Übersetzungsleistungen genommen werden soll. Die Argumente von CDU/CSU und FDP zur Finanzierung des neuen Übersetzungsre- gimes sind mehr als abenteuerlich: Wenn es um die Zu- stimmungsvoraussetzungen für den ESM-Vertrag geht, erklärt uns die Bundesregierung seit Wochen, der dau- erhafte Rettungsschirm stehe „bewusst außerhalb des europäischen Rechtsrahmens“ und sei damit nicht als Angelegenheit der Europäischen Union nach Art. 23 Grundgesetz zu behandeln. Wenn es aber um Überset- zungsleistungen für Dokumente geht, die im Kontext des ESM-Vertrags erarbeitet werden, fordern die Koalitions- fraktionen wiederum, dass diese aus Mitteln des EU- Haushalts finanziert werden sollen. Diese Logik er- schließt sich mir nicht. Das passt doch vorne und hinten nicht zusammen. Des Weiteren fordern CDU/CSU und FDP in ihrem Antrag, die deutlich gestiegenen Übersetzungserforder- nisse der nationalen Parlamente „in gebührender Weise“ bei den laufenden Verhandlungen über den Mehrjährigen Finanzrahmen der EU für den Zeitraum 2014 bis 2020 zu berücksichtigen. Das verwundert mich; denn eigent- lich spricht sich die Bundesregierung doch hartnäckig für eine Kürzung des Gesamtvolumens des MFR auf 1 Prozent des Bruttonationaleinkommens aus. In Brüssel vertritt die Bundesregierung gerne das Motto Better Spending, während sie in Berlin dafür eintritt, mehr Geld auszugeben. Diese Milchmädchenrechnung kann in der Praxis nicht aufgehen. Für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ist klar: Für Dokumente, die nicht im Rahmen der klassi- schen Gemeinschaftsmethode, sondern im Bereich des intergouvernementalen Handelns der Mitgliedstaaten er- arbeitet worden sind, müssen zusätzliche finanzielle Ressourcen bereitgestellt werden. Diese Mittel dürfen aus unserer Sicht jedoch nicht aus dem EU-Haushalt stammen, sondern sie müssen aus den nationalen Haus- halten der teilnehmenden Mitgliedstaaten finanziert wer- den. Es kann doch nicht angehen, dass die Europäische 22178 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 (A) (C) (D)(B) Union die Rechnung für die Merkel’sche Unionsme- thode zahlen soll! Aus den genannten Gründen kann meine Fraktion den Antrag von CDU/CSU und FDP nicht mittragen. Dr. Stefan Ruppert (FDP): Der deutsche Dichter Julius Wilhelm Zinkgref hat einmal gesagt: „Zum Be- fehlen oder Gebieten brauche ich gern die deutsche, im Frauenzimmer die französische, im Rat die italienische Sprache.“ Zinkgref, ein Zeitgenosse des 17. Jahrhun- derts, hätte sicher auch im Europa des 21. Jahrhunderts noch seine Freude an der Schönheit und Vielfalt der Sprachen. Denn die europäische Idee der Einheit in Viel- falt gilt gerade mit Blick auf die vielen Amtssprachen in- nerhalb der Union. Sprachen ermöglichen Verständnis, Sprachen ermöglichen Teilhabe. Ein wesentlicher Pfeiler der EU baut darauf, dass alle Mitgliedstaaten trotz der Vielfalt an Sprachen am politischen Prozess partizipie- ren können. Voraussetzung dafür ist ein effektives Über- setzungsregime auf europäischer Ebene. Leider ist die Übersetzungsordnung in den vergange- nen Jahren etwas in Schieflage geraten. Vielfach werden Übersetzungen bestimmter Dokumente nicht oder nur unvollständig angefertigt. So musste der Deutsche Bun- destag in dieser Legislaturperiode schon über 50 EU- Vorlagen wegen fehlender oder nicht vollständiger deut- scher Sprachfassung zurückweisen oder konnte die Vor- lagen nicht abschließend beraten. Diese Tatsache steht daher im Widerspruch zur Verordnung Nr. 1 aus dem Jahr 1958, in der es heißt, dass „Verordnungen und an- dere Schriftstücke von allgemeiner Geltung … in den … Amtssprachen abgefasst“ werden. Dass das EU-Überset- zungsregime überarbeitet werden muss, hat der Bundes- tag bereits 2008 in einem interfraktionellen Beschluss festgestellt. Seitdem ist leider wenig passiert. Die Kom- mission hat zwar mehrfach eine Reform der Überset- zungsordnung angekündigt, allerdings folgten den Worten leider keine Taten. Seit dem letzten Bundestagsbeschluss vor vier Jahren haben sich zwei Entwicklungen ergeben, die eine Re- form der Übersetzungsordnung umso dringlicher machen. Erstens hat der Vertrag von Lissabon die Mitbe- stimmungsrechte der nationalen Parlamente deutlich ausgeweitet. Die Volksvertretungen können ihre Rechte im europäischen System aber nur effektiv wahrnehmen, wenn die entsprechenden Vorlagen und Dokumente auch in ihrer jeweiligen Sprache vorliegen. Es geht hier nicht darum, ob ein Parlament der englischen oder französi- schen Sprache der Vorlagen mächtig ist oder nicht. Viel- mehr geht es darum, dass bei detaillierten Entwürfen aus Brüssel gerade in komplexen Politikfeldern alle Parla- mente auf der gleichen Grundlage in ihren jeweiligen Landessprachen arbeiten sollten. Die europäische Inte- gration kann nur gelingen, wenn die nationalen Gesetz- geber auch weiterhin in den europäischen Willensbil- dungsprozess mit eingebunden werden. Die Bedingung hierfür ist ein leistungsstarkes Übersetzungsregime auf europäischer Ebene. Zweitens hat auch die intergouvernementale, das heißt zwischenstaatliche, Ebene in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Trotzdem werden beispielsweise Dokumente und Vorlagen im Rahmen der Gemeinsamen Außen- bzw. Sicherheits- und Verteidigungspolitik so- wie der Euro-Gruppe nur sehr punktuell oder unvollstän- dig übersetzt. Für den intergouvernementalen Rahmen gibt es bisher noch keine einheitlichen Übersetzungs- richtlinien. Gerade aber im Bereich der Euro-Zone und der Stabilisierungsmaßnahmen ist das Vorhandensein von Übersetzungen essenziell. Deswegen ist es auch hier wichtig, dass die nationalen Parlamente mit den EU-In- stitutionen in einen Dialog treten und ihren spezifischen Übersetzungsbedarf ausloten. Zur Frage der Finanzierung von Übersetzungen ist Folgendes zu sagen: Wir sind uns der Tatsache bewusst, dass man bei einer Reform der Übersetzungsstrategien auch über das Finanzielle reden muss. Hierzu ist es aber notwendig, dass EU-Kommission und der Rat transpa- rent klarstellen, wie viel Mittel sie für die Übersetzungs- aufgaben jeweils benötigen. Nur so kann festgestellt werden, welcher finanzielle Mehraufwand bei einem überarbeiteten Übersetzungsregime notwendig ist. Als Finanzierungsalternative haben wir im Antrag auch das sogenannte Marktmodell angesprochen. Es kann ein nützliches Instrument für die Übersetzung von Doku- menten sein, die nicht für alle Mitgliedstaaten gleicher- maßen relevant sind. Es steht also fest: Wir haben konstruktive Vorschläge in der Übersetzungsfrage gemacht. Wir wollen damit einen offenen und ergebnisorientierten Dialog mit den europäischen Institutionen anstoßen. Allerdings müssen sich nun auch die Kommission und der Rat bewegen und dem gestiegenen Übersetzungsbedarf entsprechend nachkommen. Abschließend bedauere ich, dass sich die Opposi- tionsfraktionen dem Koalitionsantrag nicht angeschlos- sen haben. Mehrfach haben wir ein Angebot hierzu unterbreitet. Die Beratungen im EU-Ausschuss haben gezeigt, dass wir in der Sache keinen Dissens haben und es lediglich um Nuancen in der Formulierung geht. Inso- fern hätten sie ruhig über ihren Schatten springen und sich diesem wichtigen Anliegen anschließen können. Andrej Hunko (DIE LINKE): Anscheinend sind wir uns alle einig, dass die Übersetzung aller relevanten EU- Texte eine notwendige Voraussetzung für die effektive parlamentarische Kontrolle der europäischen Politik ist. Das Problem ist doch Folgendes: Während sich manche hier im Hause damit brüsten, in Europa würde wieder „deutsch gesprochen“, liegen relevante EU-Dokumente, über die wir entscheiden sollen, oft nicht oder nicht rechtzeitig in deutscher Übersetzung vor. Ich bin der Meinung, dass jede und jeder Abgeordnete in der Lage sein sollte, diese EU-Dokumente in seiner oder ihrer Muttersprache zu prüfen, um dann entscheiden zu kön- nen. Es geht hier also nicht um Deutschtümelei, sondern darum, dass gute Fremdsprachenkenntnisse keine Vo- raussetzung sein dürfen, gewissenhaft ein Bundestags- mandat auszuüben. Der Antrag von CDU/CSU und FDP geht zunächst auf die drei entscheidenden Ebenen dieses Problems ein: Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 22179 (A) (C) (D)(B) Erstens auf die Kommission, die zahlreiche Anhänge und Arbeitspapiere nicht übersetzt. Die Antragsteller be- gründen ihre Kritik mit einer Verordnung von 1958, ver- kennen dabei aber, dass nach dieser nur „Verordnungen und andere Schriftstücke von allgemeiner Geltung“, also mit legislativem Charakter, übersetzt werden müssen. Der reale institutionelle Hintergrund des Problems, vor allem die Verkleinerung der deutschen Sprachabteilung durch Stellenabbau, wird nicht angesprochen. Nun soll ein Marktmodell geprüft werden, das nichts anderes be- deutet, als ein Outsourcen öffentlicher Stellen auf den prekären und unregulierten Markt. Stattdessen müsste hier politisch entschieden werden, dass weitaus mehr Übersetzungen erforderlich sind, folglich die Stellenkür- zungen zurückgenommen, entsprechend neue Stellen ge- schaffen werden müssen und die Finanzierung dafür klar geregelt werden muss. Diese Konsequenz umgehen Sie. Ihre Forderung, das durch Umschichtungen im EU- Haushalt zu bewerkstelligen, dürfte die Durchsetzbarkeit nicht gerade erleichtern. Zweitens werden die Probleme im Rat der EU ange- sprochen, auf dessen Entscheidungen die deutsche Bun- desregierung ja erheblichen Einfluss hat. Hier hätte die Kritik nach meinem Geschmack deutlicher ausfallen müssen. Drittens werden die Probleme der in der Euro-Ban- kenkrise neugeschaffenen Systeme wie ESM und Fiskal- pakt aufgeworfen, die außerhalb der EU-Institutionen stehen. Für diese wurde jedoch keine Übersetzungsrege- lung vereinbart, was die ohnehin geschwächte parlamen- tarische Kontrolle weiter untergräbt. Der Antrag der Koalition hat also auf den ersten Blick ein durchaus unterstützenswertes Anliegen, nämlich die demokratischen Mitwirkungsrechte des Parlaments in EU-Fragen durch gute und zeitnahe Übersetzungen zu stärken, denn auf all diesen Ebenen bestehen tatsächlich gravierende Probleme. Nur sind die Regierungsfraktio- nen offenbar nicht bereit, diese Probleme ernsthaft und konsequent anzugehen. Es spricht jedoch für sich, dass Sie die Erfüllung der Bundestagsforderungen nicht mit der Zustimmung der Bundesregierung zum Mehrjähri- gen Finanzrahmen der EU verknüpfen wollten, wie die Linke es in einem Änderungsantrag im EU-Ausschuss vorgeschlagen hat. Aber ein Antrag nach § 9 EUZBBG wäre doch das mindeste Druckmittel gewesen, um hier zu einer befriedigenden Lösung zu kommen. Denn dann hätte die Bundesregierung begründen müssen, warum welche Belange der Stellungnahme nicht berücksichtigt wurden, und hätte sich gegebenenfalls auch einer Plenar- debatte stellen müssen. So bleibt der Antrag jedoch nur wirkungsloses Bekenntnis, das verschleiert, welches Desinteresse die deutsche wie auch andere Regierungen an einer notwendigen parlamentarischen Kontrolle ha- ben. Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Seit dem Vertrag von Lissabon spielen die nationalen Parlamente in der Europäischen Union eine deutlich stärkere Rolle als zuvor. Mit dem Lissabon-Urteil des Bundesverfassungsgerichts sind die Kontroll- und Mit- wirkungsrechte des Deutschen Bundestages in Angele- genheiten der Europäischen Union deutlich gestärkt worden. Es ist unser gemeinsames Anliegen, dass wir diesen Kontroll- und Mitwirkungsrechten auch gerecht werden können. Dazu gehört auch, dass uns die EU-Do- kumente, mit denen wir arbeiten, in einer übersetzten Version vorliegen, und das möglichst zeitnah. Ich glaube, dass es bei diesem Anliegen grundsätzlich keine unterschiedlichen Auffassungen in diesem Haus gibt. Wir haben ja bereits im Jahr 2007 dieses Anliegen in einem gemeinsamen Antrag unterstützt. Dass sich bis heute nichts geändert hat, dass die Kommission zahlrei- che Dokumente als Anhänge oder Arbeitspapiere klassi- fiziert und damit die Übersetzung in die 23 Amtsspra- chen umgeht, ärgert uns genauso wie sie. Dieser fraktionsübergreifende Konsens ist auch in der Aus- schusssitzung des Europaausschusses deutlich gewor- den. Es ist schade, dass wir heute nicht über einen gemein- samen Antrag aller Fraktionen abstimmen können. Die Bereitschaft zu einem gemeinsamen Papier haben wir von Beginn an signalisiert. Wir haben Ihnen auch Ände- rungsvorschläge gemacht, die jedoch nicht erwidert wur- den. Ich hatte den Eindruck, dass es vonseiten der Koali- tionsfraktionen keine wirkliche Bereitschaft oder nicht den Willen gab, einen gemeinsamen Antrag zu erarbei- ten. Das wird auch dadurch unterstrichen, dass uns die erste Version der Koalition erst drei Tage vor Einbrin- gung zugeleitet wurde. Warum können wir den vorliegenden Antrag nicht mittragen, obwohl wir das Grundanliegen unterstützen? In dem Antrag geht es um die Berücksichtigung der er- forderlichen Übersetzungsleistungen im künftigen mehr- jährigen Finanzrahmen. Kurz: Die für die erforderlichen Übersetzungsleistungen notwendigen finanziellen Mittel müssen ab 2014 im EU-Haushalt auch vorgesehen wer- den. Übersetzt werden kann nur, wenn es dafür auch eine adäquate Ausstattung gibt. Wir sprechen hier also über den mehrjährigen Finanz- rahmen, also den gemeinsamen Haushalt der 27 EU-Mit- gliedstaaten. Unter Punkt II.6 des Antrags versuchen sie jetzt aber, die Kosten der Übersetzungen für die inter- gouvernementalen Gebilde der jüngsten Vergangenheit – ich spreche von EFSF, ESM und Fiskalpakt – dem EU-Haushalt unterzujubeln. Um das zu erklären: Der EU-Haushalt ist der gemeinsame und gemeinschaftliche Haushalt der 27 EU-Mitgliedstaaten. Er wird unter ande- rem vom Europäischen Parlament demokratisch kontrol- liert. EFSF, ESM und Fiskalpakt sind intergouvernemen- tale Gebilde. Die deutsche Regierung hat alles dafür getan, die europäischen Institutionen und vor allem das europäische Parlament aus diesen Gebilden herauszuhal- ten. In Bezug auf die Informationsrechte des Bundesta- ges vertritt sie sogar die Auffassung, dass es sich bei ESM und Fiskalpakt nicht um eine Angelegenheit der Europäischen Union handelt. Jetzt sprechen Sie aber in einem Antrag zum Haushalt der Europäischen Union über Angelegenheiten, die aus ihrer Sicht nichts mit der Europäischen Union zu tun haben. 22180 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 (A) (C) (D)(B) Damit wir uns nicht falsch verstehen: Wir sind auch schwer dafür, dass wir in diesen Bereichen so schnell wie möglich alle relevanten Dokumente übersetzt be- kommen. Aber wenn sie es nicht europäisch, sondern ex- tra machen wollen, dann müssen sie die Kosten für die Übersetzungen extra regeln. Wir haben uns übrigens im- mer dafür eingesetzt, dass in diesen Gebilden, die teil- weise mit Grund intergouvernemental geregelt sind, so viel Europa steckt wie möglich. Wir vertreten auch die Auffassung, dass es sich bei der Euro-Rettung, also bei ESM und Fiskalpakt, um eine Angelegenheit der Euro- päischen Union handelt. Deswegen sind wir auch nach Karlsruhe gegangen. Das Bundesverfassungsgericht wird nächste Woche darüber entscheiden, ob es sich beim ESM um eine Angelegenheit der Europäischen Union handelt und uns die Bundesregierung entspre- chend unserer Informationsrechte gemäß EUZBBG fort- laufend und frühzeitig unterrichten muss. Sie sehen: Wir wollen Dokumente zum ESM und zum Fiskalpakt nicht nur übersetzt haben, wir wollen sie erst einmal über- haupt bekommen. Das ist der Grund, warum wir diesen Antrag heute nicht mittragen können. Wir haben Ihnen vorgeschlagen, die Passagen zu den intergouvernementalen Fragen zu streichen. Sie sind leider nicht drauf eingegangen. Abschließend möchte ich noch auf ein zweites Pro- blem hinweisen: Die Übersetzung von wirklich allen re- levanten Dokumenten in die 23 Amtssprachen der Euro- päischen Union wird Geld kosten, Geld, das gut angelegt ist, aber auch Geld, das im EU-Haushalt noch nicht aus- reichend vorhanden ist. Kurz: Die Europäische Union muss in der Finanzperiode 2014 bis 2020 mehr Geld für Übersetzungsleistungen in die Hand nehmen. Die Bundesregierung fordert aber schon seit Mona- ten, den künftigen Finanzrahmen auf maximal 1 Prozent des Bruttonationaleinkommens zu begrenzen. Das be- deutet ganz konkret, dass der Vorschlag der EU-Kom- mission um insgesamt 111 Milliarden Euro gekürzt wer- den müsste, um unter 1 Prozent zu kommen. Dieser Vorschlag sieht übrigens noch keine zusätzlichen Ausga- ben für zusätzliche Übersetzungsleistungen vor. Die Re- gierungskoalition fordert hier also Ausgabensteigerun- gen, obwohl in der Bundesregierung noch keiner einen blassen Schimmer hat, in welchen Bereichen man denn streichen könnte, um auf 1 Prozent zu kommen. Ich erkläre Ihnen mal, wie das laufen wird: Die ge- samte erste Säule der GAP soll unangetastet bleiben. Di- rektzahlungen sollen weiter und in gleicher Höhe flie- ßen. Das ist reiner Konsum; damit schaffen wir keine Innovationen, geschweige denn neue Arbeitsplätze. Dann müssen die 111 Milliarden Euro halt woanders herunter. Sie wissen selbst, was das bedeutet: Einsparun- gen bei den Strukturfonds, der vielversprechenden Con- necting-Europe-Strategie, vielleicht auch noch bei For- schung und Bildung. Anstatt die Chance zu nutzen und den EU-Haushalt zu einem echten Wachstumsprogramm in der Krise umzubauen, werden sie am Ende alle wachstums- und innovationsrelevanten Bereiche zusam- menkürzen müssen. Ich kann daher nur eindringlich an meine Kolleginnen und Kollegen appellieren: Setzen Sie dieser Irrfahrt der Regierung ein Ende. Anlage 14 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Für eine zukunftsfä- hige Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes und ein modernes Wasserstraßenmana- gement (Tagesordnungspunkt 21) Matthias Lietz (CDU/CSU): Der Antrag mit dem wir uns heute im Plenum auseinandersetzen, behandelt im Wesentlichen die Zukunft der Wasser- und Schifffahrts- verwaltung des Bundes. Grundsätzlich stimme ich der SPD dahin gehend zu, dass es sich hier um ein äußerst wichtiges und aktuelles Thema handelt, dem man beson- dere Aufmerksamkeit zollen sollte. Das hat die CDU/ CSU in der Vergangenheit getan, und das wird sie auch weiterhin tun! Wie schon in vorherigen Debatten zu diesem Sach- verhalt ausgeführt wurde, soll unter der Maßgabe des Beschlusses des Haushaltsauschusses vom 25. Mai 2011 eine Analyse der Aufgaben der Wasser- und Schiff- fahrtsverwaltung sowie des Netzes erfolgen. Das hiermit beauftragte Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung soll dazu die vorhandenen Strukturen der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung untersuchen, um dann auf der Basis der Ergebnisse eine leistungsfähigere und vor allem für den Steuerzahler kostengünstigere Wasser- und Schifffahrtsverwaltung ausgestalten zu kön- nen. Und während Sie, meine lieben Kollegen der SPD- Bundestagsfraktion, mal wieder polemische Anträge stellen, und das im Übrigen auch noch zu Sachverhalten, die SPD-Regierungen uns eingebrockt- bzw. lange Jahre nicht behoben haben, haben wir uns doch schon längst auf den Weg gemacht, die Wasser- und Schifffahrtsver- waltungen tatsächlich zukunftsfähig zu gestalten. Man muss schon sehr mutig sein, hier etwas als Herzensange- legenheit darzustellen, das man selbst jahrelang – als die Möglichkeit dazu bestand – nicht angerührt hat, wobei dies ist nicht ganz korrekt: 1999 rief die SPD-Regierung eine Projektgruppe „Entwicklungskonzepte für eine zu- kunftsorientierte WSV – Konzentration der WSV auf Kernaufgaben“ ins Leben. Vor dem Hintergrund von künftigen Personaleinsparungen und knapper werdenden Haushaltsmitteln wurde eine Möglichkeit zur weiteren Ausgestaltung der WSV untersucht. Soweit so gut. Aber nachdem die Endergebnisse 2001 vorlagen, passierte nichts mehr. Diesbezüglich sollte man sich das eine oder andere Ergebnis nochmal näher anschauen. So stellt die Projektgruppe beispielsweise fest, dass für Aufgaben, die der Gewährleistungsverantwortung zugeordnet werden, auch Dritte herangezogen werden könnten. Dies würde ein theoretisches Einsparpotenzial von 6 200 Dienstpos- ten bei damals rund 15 000 Mitarbeitern bedeuten, und das ist nur eine interessante Schlussfolgerung der dama- ligen Projektgruppe. Anstatt diese Schlussfolgerungen Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 22181 (A) (C) (D)(B) für Reformen zu nutzen, entschied sich die SPD damals allerdings lieber für die einfachere Variante: Nichtstun! Alles blieb bestehen, und die vorhandenen Strukturen wurden teilweise sogar noch weiter gefestigt. Zeit für Reformen zumindest hätte die SPD zur Genüge gehabt, immerhin führte sie das BMVBS bis in das Jahr 2009 selbst an! Wahrscheinlich erkannten die Sozialdemokra- ten aber einfach, dass diese Aufgabe ihnen eine Nummer zu groß war. Oder warum hagelte es erst nach dem Wechsel der Hausführung 2009 plötzlich oppositionelle Anträge von Ihnen zur Zukunft der WSV? Wir reden hier über eine wichtige Reform, die sehr viele Menschen betreffen wird und die vor allem die flei- ßigen Mitarbeiter der Wasser- und Schifffahrtsverwal- tungen vor neue Herausforderungen stellen wird. Das sage ich gegenüber den Behauptungen, mit dieser Re- form blindlings sozialen Kahlschlag zu betreiben. Im Gegenteil! Ich weiß als Abgeordneter mit einem Küsten-, Flüssen- und Seenwahlkreis sehr gut, wie wich- tig diese Menschen für den Betrieb und Erhalt eben die- ser Gewässer sind. Dennoch müssen wir die alten beste- henden Strukturen diskutieren und hinterfragen. Würden wir das nicht tun und uns vor Veränderungen so vehe- ment sträuben wie die SPD, wo würden wir dann heute leben? Man muss neuen Gedanken auch konstruktiven Raum lassen und Strukturen dem Wandel der Zeit anpas- sen dürfen! Wir von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion wollen jedenfalls Platz für eine sichere und leistungsfähigere Wasser- und Schifffahrtsverwaltung schaffen, und daher begrüße ich die dazu durchgeführten und beauftragten Untersuchungen, denn sie waren längst überfällig! Aber um nochmal auf den Antrag zu kommen: Ich weiß gar nicht, wo ich zuerst anfangen soll, um die von Ihnen behaupteten Dinge richtigzustellen. Da schreiben Sie beispielsweise eingangs, dass es unser Ziel sei, „radi- kal umzustrukturieren“. Wie ich vorab bereits erklärte, erfolgte die Reform im Auftrag des Haushaltsauschus- ses. Mir ist nicht bekannt, dass eben dieser das BMVBS damit beauftragte, „radikal umzustrukturieren“ oder gar, wie im zweiten Absatz des Antrags nachzulesen ist, „Personal und Investition drastisch zu reduzieren“. Sie können dies auch gern in den Beschlussempfehlungen des Ausschusses nachlesen, dort werden Sie dann sehen, dass es um die Veranlassung einer ergebnisoffenen Orga- nisationsuntersuchung ging. Widersprüchlich daran ist aber vor allem, dass Sie im Satz zuvor noch beklagen, nicht zu wissen, wie die Reform nun schließlich ausse- hen wird. Zusätzlich stellen Sie noch richtig fest, dass uns diesbezüglich noch keine abschließenden Ergebnisse vorliegen. Mit Verlaub, liebe SPD-Bundestagsfraktion, aber Sie verursachen mit diesem widersprüchlichen Antrag doch Ihre eigene Unglaubwürdigkeit. Während meine Kolle- gen und Kolleginnen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion auf den bald erscheinenden endgültigen 5. Bericht zur WSV-Reform warten, jammern Sie schon einmal vor- weg und plustern sich über noch ungelegte Eier auf. Was heute schon klar ist, ist, dass wir die Fachkompe- tenz der WSV erhalten werden und die geringeren Ver- waltungskosten den Wasserstraßen durch Investitionen in diesem Bereich zugutekommen lassen wollen. Uns ist die wirtschaftliche Bedeutung der Wasserstraßen, der Häfen und der Hinterlandanbindungen sowie der mariti- men Infrastruktur wichtig und genau aus diesem Grund müssen wir auch bereit sein, neue Wege zu gehen. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der SPD-Fraktion, noch bevor der abschließende Bericht aus dem Verkehrsministerium überhaupt vorliegt, und somit derzeit also noch gar nicht klar ist, welche konkreten Schritte die Regierung genau ergreifen wird, kritisieren Sie uns ohne Punkt und Komma wegen der Reformie- rung der WSV-Strukturen; dabei ist diese bereits vom Bundesrechnungshof angemahnte Organisationsreform notwendig, und das wissen Sie auch! Wie diese letztlich konkret aussehen wird, werden wir sicher bald wissen und dann dementsprechend diskutie- ren können. Solange und vor allem mit Blick auf meine Ausführungen zu Ihren Versäumnissen kann ich nur da- für werben, den vorliegenden Antrag abzulehnen. Hans-Werner Kammer (CDU/CSU): Die Wasser- straßen in unserem Land sind ein leistungsfähiges und umweltfreundliches Verkehrsnetz, auf das wir weder verzichten können noch verzichten wollen. Es ist ein Herzensanliegen dieser Koalition, im Rahmen des Mög- lichen und des Machbaren die Folgen von elf Jahren so- zialdemokratischer Misswirtschaft auf diesem Gebiet so schnell wie möglich zu korrigieren. Ich höre keinen Beifall von meinen sozialdemokrati- schen Kollegen. Warum eigentlich nicht? Wenn Sie ernst meinten, was Sie in Ihrem Antrag geschrieben haben, müssten Sie hier eigentlich in CDU-Trikots und CSU- Schals mit FDP-Mützen sitzen und donnernd applaudie- ren. Schließlich sind leistungsfähige Wasserstraßen und eine zukunftsfähige Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes nur durch diese bürgerliche Koalition ge- währleistet. Das sieht man daran, dass wir 2011 mehr als 1,8 Milliarden Euro für die Wasserstraßen ausgegeben haben. Der SPD waren die hier so hochgelobten Wasser- straßen 2005 nur rund ein Drittel davon wert. Wenn die jetzt so tun, als wollten wir die Wasserstraßen kaputtspa- ren, ist dies eine dreiste Heuchelei. Worum geht es wirklich? Wir müssen das Geld der Steuerzahler so wirtschaftlich wie irgend möglich zur Unterhaltung unserer Wasserstraßen einsetzen. Dazu ge- hört auch eine möglichst sinnvolle Organisation der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes. Matthias Wissmann hatte diesen Missstand schon in den 90er-Jah- ren erkannt und leitete die Umsetzung entsprechender Reformen 1997 ein – das war vor 15 Jahren! Wenn so- zialdemokratische Verkehrsminister seine Vorschläge konsequent umgesetzt hätten, würden wir heute nicht diesen Antrag diskutieren, sondern die Früchte seiner Arbeit bewundern. Diese Koalition zögert nicht, sie han- delt: Wir brauchen keine Reform der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes, die nur wegen einer Ideologie gemacht wird. Wir brauchen eine maßge- 22182 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 (A) (C) (D)(B) schneiderte Reform, die wegen besserer Ergebnisse ge- macht wird. Dieses Ziel kann man nur dadurch erreichen, dass man im ständigen Dialog mit denen steht, die etwas von der Sache verstehen und ihren Job engagiert machen: den Mitarbeitern der Wasser- und Schifffahrtsverwal- tung des Bundes. Ich kenne die Situation vor Ort und stehe schon seit langem im ständigen Kontakt mit dem Gesamtpersonalrat. Wir können und wollen nicht auf die Kompetenz dieser Menschen verzichten. Das können wir uns gar nicht leisten. Wir können es uns aber auch nicht leisten, alles beim Alten zu lassen. Wir werden sehr genau hinschauen, welche Aufgaben mit eigenen Mitteln aus eigener Kom- petenz vor Ort erledigt werden können. Wir werden aber auch gucken, was besser zentral bearbeitet wird, damit unnütze Doppelstrukturen endlich verschwinden. Die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes ist kein Verwaltungsdenkmal mit unbegrenztem Bestandsschutz, sondern ein flexibler Organismus, der sich neuen He- rausforderungen stellt und entsprechend anpasst. Anpassungen kann man nicht mit der Brechstange vornehmen. Sie müssen mit der Feile des Uhrmachers fein und vorsichtig herausgearbeitet werden. Sonst ent- stehen Missverständnisse. Ich möchte dies am Beispiel der Vergaben verdeutlichen: Wenn man den Antrag liest, gewinnt man den Eindruck, dass diese Regierung alle Aufgaben, die nicht niet- und nagelfest sind, auf Teufel komm raus privatisieren will. Das ist ein typisches Bei- spiel dafür, wie die SPD mit Unwahrheiten Menschen verunsichert. Selbstverständlich werden wir niemals Aufgaben hoheitlicher Natur oder solche, die die Kern- kompetenz der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes betreffen, an Dritte vergeben. Das wäre nicht nur verfassungswidrig, sondern auch noch ziemlich dumm. Wir können und wollen nur andere Aufgaben vergeben, die Dritte preiswerter als die Wasser- und Schifffahrts- verwaltung des Bundes erledigen können. Dabei werden wir sehr darauf achten, dass wir ein ausreichendes Know-how beim Bund belassen. Wir dürfen uns nicht in eine Abhängigkeit von einem Oligopol einiger Markt- teilnehmer begeben. Das käme die Bundesrepublik Deutschland am Ende des Tages noch teurer. Ich möchte aber auch klarstellen, dass die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes dort sein muss, wo sie gebraucht wird. Dies wird auch zu Versetzungen führen – allerdings nur in Einzelfällen. Das sind wir den Steuerzahlern schuldig. Niemand würde in der Wüste Gobi eine Wasser- und Schifffahrtsverwaltung unterhal- ten – außer Gewerkschaftern und Sozialdemokraten. Sie sehen an diesen wenigen Beispielen, wie wichtig hier Augenmaß und Souveränität sind. Für diese Reform gilt nämlich: Maßanfertigung statt Konzeption von der Stange. Uwe Beckmeyer (SPD): Die Regierungskoalition will der WSV das Wasser abgraben. Nach mehreren gescheiterten Anläufen sieht das in dieser Woche erstmals von Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer in größerem Kreis vorgestellte Konzept einen Komplettumbau der Wasser- und Schifffahrtsver- waltung vor, mit massiven Auswirkungen auf die Ämter und die Direktionen vor Ort. Zwar sollen, so heißt es, alle Standorte „zunächst er- halten“ bleiben – über den Umfang der Dienststellen und also die künftige Zahl der Beschäftigten ist damit aber noch nichts gesagt. Hier ist mit dem Schlimmsten zu rechnen. Denn die Vorgabe des Ministers ist eindeutig: Weite Teile der WSV sollen zusammengelegt werden. In den Ohren der Beschäftigten dürfte die offizielle Sprachregelung denn auch wie Hohn klingen, wird doch mit der Umstrukturierung ab 2013 ein drastischer Ar- beitsplatzabbau einhergehen. Kein Wunder, dass die Per- sonalvertretungen in die Pläne vorab nicht eingeweiht und auch die Präsidenten der Direktionen überrumpelt wurden. Denn auch ihnen dürften die Pläne kaum schmecken: Während auf der einen Seite Personal gestri- chen wird, baut Ramsauer auf der anderen Seite neue Bürokratie auf. Die Direktionen – ob nun in Aurich, Mainz oder Mag- deburg – sollen zu bloßen Außenstellen einer neuen Zen- tralstelle degradiert werden, und die Ämter verlieren ihre regionale Zuständigkeit. Grundlage für die neue Verwal- tungsstruktur ist die überarbeitete Kategorisierung der Bundeswasserstraßen nach ihrer Transportfunktion – mit der Bundesminister Peter Ramsauer im Haushaltsaus- schuss des Deutschen Bundestages in den vergangenen zwölf Monaten mehrfach grandios gescheitert ist. Durch die Hintertür will der Bundesminister die Neu- ordnung des Wasserstraßennetzes nun doch noch umset- zen, indem er mit dem Umbau der Verwaltung Fakten schafft – nur um am Ende die Netzstruktur entsprechend anpassen zu können. Auf diese Weise versucht der Bun- desminister – angetrieben von der FDP, die seit Monaten eine Privatisierungskampagne gegen die WSV führt –, Bundestag und Bundesrat gezielt zu umgehen. Die Debatte um die künftige Struktur und Ausrich- tung der größten Verwaltung des Bundes wirft ein Licht auf das Demokratieverständnis dieser Regierungskoali- tion. Die Mitglieder des Deutschen Bundestages wurden in den vergangenen Monaten mit immer neuen inhaltslee- ren Berichten, Zeitplänen, Untersuchungen und Ankün- digungen abgespeist. Vorbei an Bundestag und Bundes- rat wurden dabei hinter den Kulissen bereits die Weichen für den Kahlschlag gestellt. Wir als SPD fordern von der Bundesregierung, ihre Pläne endlich dem Parlament vorzulegen – als Basis für alle weitergehenden Entscheidungen über die Zukunft der WSV und den Verkehrsträger Wasserstraße und ein transparentes, parlamentarisches Verfahren, das alle Be- troffenen und Beteiligten einbezieht. Ziel muss es sein, die besonderen Stärken der Wasserwege optimal zu nutzen und die vorhandenen Kapazitätsreserven zu er- schließen. Die jetzigen Pläne der Bundesregierung gefährden nicht nur massiv Arbeitsplätze, sie sind auch eine Kata- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 22183 (A) (C) (D)(B) strophe für die Schifffahrt und die von leistungsfähigen Transportwegen abhängige regionale Wirtschaft. Der Vorgang zeigt aber auch einmal mehr das derzei- tige Kräfteverhältnis und die Gemengelage in der Regie- rungskoalition. Denn die jetzigen Umbaupläne werden entschieden von dem kleinen Koalitionspartner vorange- trieben. Die FDP hält unbeirrt am Totalumbau der WSV fest, ungeachtet aller verkehrspolitischen und wirtschaft- lichen Notwendigkeiten. Nach Auffassung der FDP könnten rund 80 Prozent der jetzigen Aufgaben der Behörde privatisiert werden. Hierzu gehören unter anderem sämtliche Ingenieursleis- tungen, der Stahl- und Wasserbau, aber auch die Unter- haltung von Wasserfahrzeugen. Die Liberalen folgen damit auch im Bereich der Ver- kehrspolitik – wie zuvor schon in anderen Feldern – er- neut einer Privatisierungsphilosophie, die sich letztlich jedoch als nichts anderes als bloße Klientelpolitik ent- puppt. Erst im Mai drohte die FDP dem Bundesverkehrs- minister unverhohlen mit einem eigenen Gesetzentwurf, sollte das Ressort nicht bald konkrete Ergebnisse liefern – und hat jetzt gar einen Universitätsprofessor zu prüfen beauftragt, wie der Bundestag mit einem eigenen Re- formgesetz den Umbau der Verwaltung erzwingen könnte. Das Gutachten liegt inzwischen vor – und dürfte von den Liberalen als Bestätigung ihrer Linie empfun- den werden, die Verwaltungsreform notfalls selbst auf den Weg bringen zu können. Bundesverkehrsminister Ramsauer folgt in voraus- eilendem Gehorsam der Privatisierungsstrategie der Li- beralen – ungeachtet massiver Kritik aus den eigenen Abgeordnetenreihen und ohne zu prüfen, welche Aufga- ben auf die WSV in der Zukunft zukommen und mit welcher Struktur und welchem Personal diese gelöst werden können. Die jetzigen Pläne der Regierungskoalition würden die Entwicklung des Wasserstraßennetzes in Deutsch- land behindern, die Verkehrssicherheit in Deutschland gefährden und die Nutzung der Wasserwege teurer ma- chen – zum Schaden unserer Umwelt, zulasten der Wett- bewerbsfähigkeit des Verkehrsträgers Wasserstraße und auf Kosten Tausender von Arbeitsplätzen. Gustav Herzog (SPD): Seit dem „Herbst der Ent- scheidungen“ im Oktober 2010 hält die Bundesregierung mit der Reform der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes die Politik, über 12 000 Beschäftigte und ei- nen ganzen Wirtschaftszweig auf Trab. Vier Berichte wurden vorgelegt, die zunehmend weniger Substanz und Inhalt aufwiesen. Wir wurden vertröstet mit Studien und Untersuchungen, die stets ergebnisoffen sein sollten – auch wenn Parlamentarische Staatssekretäre ihren CDU- Freunden etwas anderes schreiben – und die uns noch immer nicht vorliegen. Was uns aber nun erreicht, ist die Gewissheit darüber, was wir seit Monaten befürchten. Hinter den Kulissen werden seit langem Fakten geschaf- fen; Berichte und Untersuchungen sollten nur Zeit schin- den. Der Umbau ist längst beschlossene Sache, und eine anständige Beteiligung des Parlaments war niemals vor- gesehen. 2013 soll es losgehen. Nicht nur, dass seit 20 Monaten Verunsicherung in die Verwaltung getragen wird und ein wichtiger Teil unserer Logistikbranche noch immer nicht weiß, was kommt. Was nun häppchenweise aus den Geheimgesprächen durchsickert, ist ein Anschlag auf die Schlagkraft der WSV. Zentralisierung der Strukturen bedeutet Rückzug aus der Fläche. Sieben Direktionen werden in einer zen- tralen Stelle gebündelt; die Direktionen werden in Au- ßenstellen umbenannt, verlieren ihre regionalen Kompe- tenzen, um dann über die Jahre hinweg ausgehungert und anschließend aufgelöst zu werden. Damit ver- schwinden kompetente Stellen vor Ort. Länder, Kommu- nen und Wirtschaft sind aber angewiesen auf schnelle und mit örtlichen Kompetenzen ausgestattete Ansprech- partner. Stattdessen soll – wie man hört – zentralistisch in Bonn darüber entschieden werden, was im Norden oder im Süden der Republik gebraucht wird. Neubaupro- jekte werden nicht vor Ort geplant, sondern weit weg. Ich bin sehr gespannt auf die Reisekostenabrechnungen der Zukunft. Und was soll noch kommen? Ämter sollen komplett umstrukturiert und zusammengelegt werden, Personal soll massiv abgebaut werden. Das wird innerhalb der Verwaltung zu erdrutschartigen Verlusten an Know-how führen und das System Schifffahrt nachhaltig beschädi- gen. Als SPD-Bundestagsfraktion haben wir mit dem An- trag „Für eine zukunftsfähige Wasser- und Schifffahrts- verwaltung des Bundes und ein modernes Wasserstra- ßenmanagement“ klar Position bezogen. Wir fordern die Koalition auf, mit uns den offenen Dialog zu suchen, die WSV im Einklang mit den Beschäftigten und anhand von ökonomischen und strukturellen Leitbildern zu re- formieren. Dazu brauchen wir die Vorlage der Untersu- chungsergebnisse der KoM-WSV. Wir brauchen einen Netzzustandsbericht, Dringlichkeitsszenarien für unsere Investitionsentscheidungen, seriöse Personalbedarfser- mittlungen und eine umfassende Aufgabenkritik, um un- sere Verwaltung noch besser an den Bedürfnissen unse- rer Wasserstraßen und vor allem an den Interessen der Nutzer, insbesondere der Binnenschifffahrt, auszurich- ten. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der Koalition, wenn das, was heute ans Tageslicht durchgesickert ist, Realität wird, werden wir nicht nur unsere Verwaltung schwächen und die Beschäftigten beschädigen; es wird durch die Privatisierung über das gesunde Maß hinaus unter dem Strich noch deutlich teurer. Das können Sie auch im ersten Bericht des Verkehrsministeriums auf Seite 15 nachlesen: „Vergleichsberechnungen auf der Basis von Effektivkosten in Einzelfällen haben aber ge- zeigt, dass Vergaben gegenüber der Eigenerledigung bestenfalls kostenneutral, zum Teil sogar deutlich teurer sind“. Das kann es doch nicht sein. Lenken Sie ein, und lassen Sie uns gemeinsam an einem Strang ziehen, für den Erhalt einer guten und leistungsfähigen Verwaltung und für den nachhaltigen Verkehrsträger Schifffahrt. 22184 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 (A) (C) (D)(B) Torsten Staffeldt (FDP): Erneut beglücken uns die Sozialdemokraten mit einem Antrag zur Reform der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung. Und ich muss mich schon über Sie wundern: Durch permanente Wiederho- lung werden Ihre Feststellungen und Forderungen nicht besser. Ganz im Gegenteil: Es zeigt, dass Sie sich offen- kundig mit der Materie, über die Sie hier reden, nie ernsthaft auseinandergesetzt haben. Unwissenheit ist zwar nicht verboten, aber was mich inzwischen ärgerlich macht, ist, dass Sie weiterhin mit falschen Behauptungen durchs Land ziehen und dadurch sowohl die geneigte Öffentlichkeit desinformieren als auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung Angst machen und sie nach- haltig verunsichern. Das hätte ich ausgerechnet von So- zialdemokraten nicht erwartet. Der Kollege Herzog hat im Dezember 2010 an dieser Stelle gesagt, die Mitarbei- terinnen und Mitarbeiter der Wasser- und Schifffahrts- verwaltung hätten keine schöne Weihnacht. Ich sage Ih- nen: Die Verantwortung dafür trägt die SPD ganz alleine. Sie unterstellen, dass der Umfang von Personal und Investitionen drastisch gesenkt werden solle und dass Stellenstreichungen und Privatisierung aus Prinzip statt- fänden. Verehrte Kolleginnen und Kollegen der SPD, das ist von niemandem, zu keiner Zeit, nirgendwo gefor- dert worden. Aber vielleicht wünschen Sie sich das ja, damit sich Ihre eigene Prophezeiung erfüllt. Das Gegenteil ist doch der Fall: Es muss ergebnisof- fen die Frage beantwortet werden, welche Kernaufgaben hoheitlich sind, mit eigenem Personal ausgeführt werden müssen, bzw. wo Erfüllungsgehilfen beauftragt werden können. Wir haben lediglich die Forderung erhoben, dass nach dem Vorbild der Ausschreibungen der Notfall- schlepper bei planbaren Aufgaben abzufragen ist, ob ein Markt vorhanden ist und ob eine Wirtschaftlichkeitsbe- rechnung zum Ergebnis kommt, dass die Dienstleistung privat billiger durchzuführen ist – ein Vorhaben, das so- zialdemokratische Verkehrsminister sich selber auch schon vor zehn Jahren auf die Fahnen geschrieben ha- ben. Warum soll das, was damals richtig war, jetzt falsch sein? Das müssen Sie mir erst einmal erklären. Als uns die Kategorisierung vorgestellt wurde, war auch ich überrascht; das muss ich ganz ehrlich bekun- den. Diese hatten wir nie eingefordert. Dennoch ist es si- cherlich sinnvoll, anhand einer solchen Priorisierung die knappen Haushaltsmittel zielgerichtet einzusetzen, wo sie am meisten Sinn stiften. Es ist allerdings eine Frech- heit von Ihnen, zu behaupten, dass die Überarbeitung der Kategorisierung aufgrund des massiven politischen Drucks der SPD-Fraktion geschehen sei. Da erzählen Sie eindeutig die Unwahrheit. Diese Koalition war es, die im Verkehrsausschuss einen entsprechenden Entschlie- ßungsantrag eingebracht und beschlossen hat. Sie haben dagegen gestimmt. Im Übrigen frage ich Sie, was eigentlich aus Ihrem letzten Antrag zur WSV aus dem Dezember 2010 ge- worden ist. Haben Sie überhaupt noch vor, diesen zur zweiten und dritten Lesung ins Plenum einzubringen? Sie beweisen doch wieder nur, nichts zu Ende bringen zu können. Und dann wollen Sie uns erklären, wie man eine Verwaltungsreform durchführen muss? Ich glaube es nicht. In dieses gesamte Sammelsurium von Gerüchten, Be- hauptungen und Unwahrheiten platzt heute noch die Pressemitteilung des Kollegen Beckmeyer. Herr Kollege Beckmeyer, hören Sie endlich auf, die Öffentlichkeit so unverschämt an der Nase herumzuführen. Es wird keine Kündigungen bei der WSV geben, und es wird auch in Zukunft zu einem reibungslosen Ablauf der Verkehre kommen. Sie kennen den Reformbericht nicht, haben aber schon eine Meinung dazu. Ich bin mir sicher, der Bericht wird Ihre Äußerungen widerlegen. Herbert Behrens (DIE LINKE): Beteiligung ist für diese Bundesregierung ein Fremdwort. Das zeigt sie ak- tuell bei der Reform der Wasser- und Schifffahrtsverwal- tung. Weder Beschäftigte noch Personalrat noch die Mit- glieder des Bundestages werden ausreichend informiert – bis heute nicht. Der Minister lässt Berichte und Gut- achten anfertigen, aber nichts davon konnte ordentlich beraten werden. Jetzt kennen wir auch den Grund. Der Bundesminister will gar keine Mitberatung. Er will gar keine Vorschläge für eine zukunftsfähige WSV. Das, Herr Minister, ist eine Missachtung des Parlaments. Das akzeptieren wir nicht und fordern Sie auf: Stoppen Sie die Umbaupläne sofort, reden Sie endlich mit allen, die sich für eine gute Zukunft der WSV einsetzen. Gestern informierte der Hauptpersonalrat der WSV, dass ihre Behörde an der Basis geschwächt und in der Zentrale gestärkt werden soll. Ein Zentralamt in Bonn, das so nicht heißen darf, nimmt den dezentralen Behör- den die Aufgaben weg, und die Beschäftigten in den Ämtern werden darüber informiert, dass ihre bestehen- den Organisationseinheiten reduziert und neu organisiert werden. Nicht mehr die konkrete Situation vor Ort soll die Arbeit der Wasser- und Schifffahrtsämter bestimmen. Sie sollen künftig Fachaufgaben für mehrere Standorte übernehmen. Das widerspricht allen Aussagen der Fach- leute, mit denen ich gesprochen habe. Sie können nach- weisen, wie wichtig die Kenntnisse von Flüssen, von Kanälen, Schleusen und anderen Bauwerken vor Ort sind, um schnell und fachkundig arbeiten zu können. Be- währtes darf nicht zerschlagen werden, bevor nicht ein neues funktionierendes Konzept vorliegt. Eine neue Struktur der Behörde muss nicht falsch sein. Aber es ist zu befürchten, dass ohne Beteiligung der Beschäftigten und ohne parlamentarische Mitarbeit nur das dabei rauskommen wird, was von vornherein ge- wollt war: eine Behörde, die Arbeiten an Wasserstraßen weitgehend an private Anbieter vergibt und nur noch de- ren Kontrolle übernehmen soll. Eine Privatisierung öf- fentlicher Aufgaben nach dem Prinzip „Privat vor Staat“ lehnt die Linke ab. Aus guten Gründen. Wir wollen keine WSV, die den dezentralen Wasser- und Schifffahrts- direktionen die Steuerung wegnimmt und von Bonn aus erledigt. Wir wollen eine WSV, bei der die Wasser- und Schifffahrtsämter und die Außenbezirke nah dranbleiben können an ihrer Arbeit. Niemand kennt die Gewässer vor Ort besser als die Menschen, die damit tagtäglich zu Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 22185 (A) (C) (D)(B) tun haben. Und wir brauchen diesen Sachverstand vor Ort dringend, wenn sich die WSV künftig noch stärker um die Flussökologie und die Umsetzung europäischer Vorgaben kümmern soll. Statt einer Orientierung an den Aufgaben geht es jetzt darum, den ganzen Betrieb erst mal zu zerlegen und ihn anschließend neu zusammenzu- setzen, berichtet der Hauptpersonalrat. Das Wie bleibt unklar. Sicher ist, dass dazu ein „Aufbaustab“ nötig sein wird. Das wird die Wasserbauer, die Ingenieure und die anderen Fachleute sicher freuen. Aber ihnen wird nicht nur ein Aufbaustab versprochen. Es wird eine Umset- zung der Beschäftigten geben – sozialverträglich organi- siert, wie es heißt, und betriebsbedingte Kündigungen solle es auch nicht geben. Das ist gut zu wissen. Aber wo sie künftig welche Aufgaben erledigen sollen, das wis- sen die Beschäftigten nicht. Wer eine Reform so angeht wie Minister Ramsauer, der hat ihr Scheitern bereits ein- geplant. Und noch eine Leerstelle in der Reform: Nach dem, was wir jetzt wissen, soll es eine „überarbeitete Katego- risierung der Bundeswasserstraßen nach ihrer Transport- funktion“ geben. Das ist für Unternehmen, die auf den Flüssen und Kanälen fahren, keine beruhigende Ansage. Im Gegenteil: Bereits vor einem Jahr kritisierte der Bun- desverband der Selbstständigen, Abteilung Binnen- schifffahrt den Zustand an den Binnenwasserstraßen. Die Probleme seien marode Schleusen, an denen ständig reparaturbedingte Sperrungen auftreten; Schleusen, an denen von zwei Kammern zeitweise oder sogar dauer- haft nur eine in Betrieb ist, weil entweder ein Schaden vorliegt oder nicht genügend Schleusenpersonal vorhan- den ist; unzureichend ausgestattete oder schlecht erreich- bare Liegestellen, die für die Menschen an Bord unzu- mutbar und unsozial sind, usw. usf. Das Problem sei nicht eine falsche Gewichtung der finanziellen Mittel an vermeintlich schwach frequentierten Wasserstraßen, sondern gravierende Defizite im Bestanderhalt des ge- samten Netzes. Die vom Minister vorangetriebene vermeintliche Re- form der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung ist unver- antwortlich. Es droht die Verschlechterung der Leistung, die Zerschlagung bewährter Strukturen und die Verunsi- cherung von Beschäftigten und Kunden der WSV. Schluss damit, jetzt, sofort! Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Warum beschäftigt die Reform der Wasser- und Schiff- fahrtsverwaltung den Deutschen Bundestag nun bereits schon so lange und immer wieder? Die schiffbaren Flüsse in Deutschland werden von der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes, WSV, seit dem vor- letzten Jahrhundert in ein und derselben Struktur verwal- tet: durch sieben selbstständige Direktionen, die parallel arbeiten und dazu noch alle sieben mit eigenen Füh- rungsebenen ausgestattet sind; und das in einer Zeit, in der von Verwaltungmodernisierung gesprochen wird. Das ist nicht mehr zeitgemäß! Die Bundesregierung hat in ihren schwarz-gelben Ko- alitionsvertrag geschrieben: „Wir werden (…) ein Ge- setz zur Wasser- und Schifffahrtsreform vorlegen“. Wann und mit welchem Inhalt dies genau sein wird, das steht noch in den Sternen. Vor allem kommt es darauf an, ob mit dem Gesetz auch eine Reform der Verwaltung umgesetzt wird. Das lief bisher mehr als schleppend. Mit Beschluss des Haushaltsausschusses berichtet nun das Bundesverkehrsministerium regelmäßig über den aktuel- len Sachstand. Vier Berichte haben wir Abgeordnete be- reits erhalten – davon half nur der erste etwas weiter. Jetzt soll der fünfte folgen, er wird der wohl brisanteste werden. Mit ihm – so die Ankündigungen der Koalition – würde eine strukturelle Veränderung der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung erfolgen. Man muss dazu sagen: Der Bundesrechnungshof hat bereits durch mehrmaligen Hinweis auf die Probleme bei der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung sehr deutlich aufmerksam gemacht. Mit dem harten Beschluss des Haushaltsausschusses des Bundestages einschließlich ei- ner Beförderungssperre ist endlich auch im Bundesver- kehrsministerium etwas in Bewegung gekommen. Die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung vereinigt in ihrer schon seit der Kaiserzeit bestehenden Struktur Oberbehörde, Mittelbehörde und Ausführungsebene in einer einzigen Verwaltung. Die Ämter mit ihren Außen- bezirken, die die eigentlichen Arbeiten zum Erhalt des Systems Wasserstraße leisten, entsprechen praktisch den kommunalen Bauhöfen der Verwaltung. Dort ist die Kompetenz für die Instandhaltung der Wasserstraßen ge- ballt vorhanden, aufgrund des mehrstufigen Verwal- tungsaufbaus aber nicht die Verfügungsmöglichkeit über die Ressourcen. Hier ist dringend Handlungsbedarf er- forderlich, um dieses Manko zu beseitigen. Die Kommu- nen haben uns vorgemacht, wie so etwas gehen kann: mit einer werteorientierten Haushaltsführung und einem modernen Steuerungsmodell auf der Basis von Zielver- einbarungen. Es lohnt sich, einen derartigen Weg auch in dieser Bundesverwaltung endlich einzuschlagen. Die Steuerungsaufgaben müssen dann aber auch end- lich zusammengefasst werden. Es kann doch nicht ange- hen, dass Standardisierung bislang ein ziemliches Fremdwort in der WSV ist. So gibt es immer wieder un- terschiedliche Lösungen für gleiche Aufgaben, nur weil jeweils eine andere Direktion zuständig ist. Es ist mir ab- solut unverständlich, dass im Süden und im Norden der Republik jeweils eigene Konzepte für die Fernsteuerung der Schleusen entwickelt worden sind. Sind die Direk- tionsgrenzen etwa so undurchlässig wie damals der Ei- serne Vorhang? Da muss jetzt dringend eine Lösung her, und das geht nur über ein Zentralamt, das die Prozesse im gesamten Bundesgebiet einheitlich steuert. Die Einteilung des Netzes in verschiedene Ausbau- und Erhaltungskategorien entsprechend der Nutzung der Wasserstraßen hatten wir Grüne der Bundesregierung ja schon 2010 vorgeschlagen. Nur so bekommen wir Ehr- lichkeit in die Planungen für Wasserstraßen hinein. Wir begrüßen es ausdrücklich, dass die Bundesregierung so ein Priorisierungskonzept weiter verfolgt, trotz teils hef- tiger Kritik von Interessenverbänden. Ich möchte jedoch 22186 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 (A) (C) (D)(B) noch nicht zu schnell urteilen: Gemessen werden sollte die Bundesregierung an Ihren Taten und nicht an Ihren Ankündigungen! Von dem nun vorliegenden Antrag der SPD bin ich ehrlich enttäuscht. Hier fehlt das Bewusstsein, was ei- gentlich mit einer Verwaltungsreform erreicht werden kann – vor allem in einer Behörde wie der Schifffahrts- verwaltung. Seit den Umwandlungen von Bundespost und Bundesbahn hin zu betriebswirtschaftlich orientier- ten und leistungsfähigen Betrieben gibt es kaum einen anderen Bereich der öffentlichen Verwaltung mehr, der vor ähnlichen Veränderungen steht: Rund 12 500 Mitar- beiterinnen und Mitarbeiter sind in den Verwaltungsstel- len der WSV beschäftigt. Sie kümmern sich um den Er- halt des Systems Wasserstraße und erledigen einen sehr guten Job. Davon habe ich mich bei meinen Besuchen vor Ort in den Ämtern und Außenbezirken immer wieder überzeugen können. Aber dort baut sich auch immer mehr Frustpotenzial auf. Unsere – und das sage ich ganz bewusst – Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dort vor Ort unmittelbar am Geschehen engagieren sich und wollen das System Wasserstraße weiterentwickeln. Sie verzwei- feln aber immer mehr auch an uns Politikern, weil wir einfache betriebswirtschaftliche Zusammenhänge schein- bar nicht erkennen wollen. Wir als Parlamentarier tragen auch einen Teil Arbeitgeberverantwortung. Nehmen wir sie endlich wahr und trauen wir uns, einen großen Wurf zu wagen. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter möchten nicht weiter in Ungewissheit leben, wie es für sie weitergeht. Eine Verwaltungsreform kann also nur zusammen mit den Beamten und Angestellten erfolgen. Die SPD scheint den Ernst der Lage noch nicht er- kannt zu haben: Lassen wir alles beim Alten, wird die WSV langsam aber sicher ausgezehrt. Ohne die Verwal- tungsreform führen die jedes Jahr pauschal einzusparen- den etwa 2 Prozent der Stellen dazu, dass vor allem die Ämter und Außenbezirke ausbluten. Dort wird aber mit ihrer Objektveranwortung die Sicherheit des Systems Wasserstraße gewährleistet. Soweit möchten wir Grünen es nicht kommen lassen. Wenn die SPD sagt, das System Binnenwasserstraße sei unterfinanziert, dann muss sie dies auch begründen. Es kann nicht richtig sein, dass in der Vergangenheit Millionen in sinnlose Ausbauprojekte geflossen sind, auf denen dann kaum ein Schiff fährt. Mit einer bedarfs- orientierten Planung der Projekte hätte man das vermei- den können. Der Antrag ist eine große Wunschliste. Er suggeriert – ganz platt gesagt –, dass es immer so weitergehen könnte wie bisher. Wir brauchen aber viel mehr Mut und müssen uns trauen, auch neue Wege zu gehen, gerade in der Verkehrspolitik. Der vorliegende Antrag der SPD ist leider nicht nur ein Antrag, der zur falschen Zeit gestellt worden ist. Er ist auch ein Antrag, der in die falsche Richtung geht – und ein Antrag, den man leider nur ablehnen kann! Anlage 15 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Antrag: Tagespflegepersonen stärken – Qualifikation steigern – Unterrichtung: Bericht der Bundesregie- rung über den Stand des Ausbaus für ein be- darfsgerechtes Angebot an Kindertagesbe- treuung für Kinder unter drei Jahren für das Berichtsjahr 2011 (Dritter Zwischenbe- richt zur Evaluation des Kinderförderungs- gesetzes) (Tagesordnungspunkt 22 a und b) Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU): Wir wollen die bestmögliche Betreuung für unsere Kinder gewährleisten, ob diese in der Kindertagesstätte stattfin- det oder bei den Eltern zu Hause. Dabei nehmen wir keine Wertung darüber vor, welche Form der Betreuung mehr Anerkennung verdient als eine andere. Es geht in erster Linie darum, bestmögliche Betreuung für die Kin- der sicherzustellen, Eltern Wahlfreiheit zu eröffnen und ihnen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu er- leichtern. Im Jahr 2007 ist der Ausbau der Kindertagesbetreu- ung vereinbart worden. Bis zum nächsten Jahr sollen insgesamt mit dem Abschluss zwischen 750 000 und 790 000 Plätze entstanden sein. Damit werden 39 Pro- zent der unter Dreijährigen ein staatlich finanziertes Be- treuungsangebot in Anspruch nehmen können. Darauf wird es einen Rechtsanspruch geben. Der aktuelle dritte KiföG-Bericht belegt, dass die Be- treuungsquote im Jahr 2011 in allen Bundesländern um 2,3 Prozent zum Vorjahr gestiegen ist. Die ostdeutschen Bundesländer wiesen im März 2011 eine Betreuungs- quote von 49 Prozent auf: Fast jedes zweite Kind unter drei Jahren wurde in einer Kita oder von einer Tagespfle- geperson betreut, in Westdeutschland jedes fünfte Kind. Das sind erfreuliche Zahlen, die uns Erfolge im Kitaaus- bau bescheinigen. Sicherlich ist stellenweise – von Bun- desland zu Bundesland unterschiedlich – noch Luft nach oben. Vor allem wäre es wünschenswert, dass die Länder und Kommunen ihren Beitrag ebenso leisten wie der Bund. Immer noch rufen einige der Länder nicht alle Gelder ab. Von den insgesamt vom Bund bereitgestellten finanziellen Mitteln zum Ausbau der Kindertagesbetreu- ung in Höhe von 4 Milliarden Euro stehen noch 700 Mil- lionen Euro zur Verfügung. Das ist umso mehr be- dauerlich, als dieses Vorgehen der Länder direkte Auswirkungen auf die Kinderbetreuung vor Ort hat. Wir haben viel über die Anzahl von Betreuungsplät- zen diskutiert und auch darüber, dass die Qualität in den Einrichtungen oder in der Tagespflege gesichert sein muss. Was bedeutet in diesem Zusammenhang Qualität in der Kindertagespflege? Qualität in der Kinderbetreuung wird in erster Linie durch die Qualifikation sowie die so- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 22187 (A) (C) (D)(B) zialen und fachlichen Kompetenzen der Erzieherinnen und Erzieher bestimmt, ebenso aber auch durch ein gutes Verhältnis von Fachpersonal zur Anzahl der betreuten Kinder. Allein 30 Prozent der neu zu schaffenden Be- treuungsplätze sollen bis zum Jahr 2013 in der Tages- pflege entstehen. Trotz Werbemaßnahmen in Bund und Ländern ist bisher jedoch nicht absehbar, ob bis dahin die ausreichende Anzahl von Tagespflegepersonen für die Kinderbetreuung zur Verfügung steht. Ein Hindernis stellen die oft schwierigen Rahmenbe- dingungen für Tagesmütter und Tagesväter dar. Über- wiegend sind Tagespflegepersonen als selbstständige Unternehmerinnen und Unternehmer mit steuerlichen und versicherungsrechtlichen Erschwernissen tätig. Zu- dem sind vor allem die Verdienstmöglichkeiten be- schränkt. Laut Befragungen liegt das Einkommen bei ei- nem Drittel der im Bereich der Tagespflege tätigen Personen nur bei 365 Euro im Monat. Diese Umstände tragen leider dazu bei, dass sich Frauen und Männer ge- gen eine Erwerbstätigkeit als Tagesmutter oder Tagesva- ter entscheiden. Unser Ziel ist es daher, die rechtlichen und finanziel- len Rahmenbedingungen für Tagesmütter und Tagesväter zu verbessern; das betrifft vor allem eine angemessene Vergütung sowie die Kranken- und Sozialversicherung. Ein weiteres Anliegen ist es, Festanstellungsverhältnisse zu fördern, damit die Tagespflegepersonen gegenüber dem Personal in Einrichtungen gestärkt werden. Ergän- zend dazu fordern wir, dass der Bund, gemeinsam mit Ländern und Kommunen, eine Initiative zur fairen Be- zahlung von Tagesmüttern und -vätern startet, mit der wir ebenso Tagespflegepersonen stärken. Diese Stärkung schließt übrigens auch die angemessene und unbürokra- tische Auslegung der EU-Hygienevorschriften ein, um mit einer pragmatischen Lösung Spielräume im Sinne der besonderen Situation der Tagespflegepersonen zu nutzen. Aber es ist nicht nur Aufgabe des Bundes allein, für eine ausreichend Zahl qualifizierter Tagespflegeperso- nen Sorge zu tragen. Auch die Länder müssen dazu bei- tragen. Wir fordern die Länder in unserem Antrag daher nochmals ausdrücklich dazu auf, ihre Verpflichtungen zum Kitaausbau einzuhalten. Und wir als Bund werden dabei auch weiterhin diesen Ausbau fördern und flankie- ren: Beispielsweise sollen zinsgünstige KfW-Kredite in Höhe von 350 Millionen Euro für die Kommunen und Träger zur Verfügung gestellt werden, die der Bund durch einen Zuschuss zu den Zinsen unterstützt. Darüber hinaus wird der Bund die Länder ab dem Jahr 2014 mit zusätzlichen 770 Millionen Euro jährlich für die Be- triebskosten der Kitas unterstützen. Sie sehen, wir als Regierungsfraktionen handeln und stärken die hochwertige Betreuung durch Tagesmütter und Tagesväter in unserem Land. Eine breite Unterstüt- zung durch alle Fraktionen hier im Hause für unseren Antrag wäre nicht nur für die jetzigen und zukünftigen Tagespflegepersonen ein sehr positives Signal, sondern auch für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. „Deutschland – Kinderland“ soll noch mehr Realität werden. Norbert Geis (CDU/CSU): Heute geht es nicht di- rekt um das Betreuungsgeld. Die heutigen Themen, der Ausbau der Kitas und die Kindertagesbetreuung, hängen jedoch eng mit der Diskussion um das Betreuungsgeld zusammen. Es geht um das Generalthema Familie. Je nach dem Wert der Familie lassen sich auch die Bedeu- tung von Kita und Kindertagesbetreuung beurteilen. Deshalb ist es richtig, sich zunächst zu verdeutlichen, von welchem Ansatz her diese einzelnen Themen zu denken und anzugehen sind. In dieser Diskussion zeigen sich verschiedene Auffas- sungen vom Zusammenleben der Menschen und damit der Familien. Diese Auffassungen lassen sich auf zwei Grundeinstellungen reduzieren: einerseits die radikal- materialistische Auffassung vom Menschen und ande- rerseits jenes Menschenbild, das aus der jüdisch-christli- chen Tradition kommend, am tiefgreifendsten unsere Kultur geprägt hat. Aus unserer Kultur entspringt unser traditionelles Familienbild, wie es auch in unserer Ver- fassung seinen Niederschlag gefunden hat. Nach unserer Verfassung sind die Eltern die ersten Erzieher ihrer Kin- der. Sowohl die Erfahrung des Alltags als auch wissen- schaftliche Forschungen zeigen, dass die Erziehung in der Familie für die Kinder das Beste ist. Die Politik der Kinderkrippen, wie sie in den kommunistischen Ländern üblich gewesen ist, war ein großer Fehler. Dies stellte der Staatsmann, der die Perestroika durchgesetzt hat, Michail Gorbatschow, in verschiedenen Reden und Schriften fest. Gorbatschow sagte, sie hätten erkannt, dass die vielen Mängel der Moral, der Kultur und der Produktion in seinem kommunistischen Land auch daher gekommen sind, weil man die wichtige Bedeutung der Familie für die Erziehung der Kinder missachtet habe. Natürlich ist mit dieser Feststellung kein Pauschalurteil über Kinderkrippen gefällt. Selbstverständlich kann die Kinderkrippe eine wichtige Hilfe sein. Dies gilt natürlich ebenso für die Tagespflege, die eine wichtige Ergänzung für die familiäre Erziehung sein kann. Um es aber nochmals zu betonen: Bei der Diskussion um die Kinderkrippen und auch um die Tagesbetreuung darf nicht übersehen werden, dass es erste Aufgabe der Politik sein muss, die Familien zu stärken, damit sie ihre einzigartige Aufgabe, die Erziehung der Kinder, erfüllen können. Die Förderung der Familie ist das Beste für das Kind, aber auch für die Mütter und Väter. Nur wenn sich dieses herumspricht, kann vielleicht bei den Eltern wie- der eher die Bereitschaft für das Kind wachsen und die Zahl der dringend benötigten Geburten steigen. Auch wirtschaftlich wäre dies der vernünftigere Weg, weil die direkte Familienförderung finanziell günstiger ist als die Finanzierung von Kinderkrippen und auch von Tages- müttern. Ich betone dies auch deshalb, weil wir uns im Westen inzwischen von der kommunistisch geprägten Vorstel- lung inspirieren lassen, die Familie sei ein überholtes Modell. Mit dieser Begründung haben die Machthaber im Reich des Kommunismus die Kindererziehung sozia- lisiert. Damals wollte man nicht die Lage der Menschen verändern, sondern den Menschen selbst. Man hatte sich vorgenommen, durch veränderte Strukturen und gesell- schaftliche nicht familiäre Erziehungssysteme einen 22188 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 (A) (C) (D)(B) neuen Menschen zu schaffen. Von der traditionellen Fa- milie haben die Kommunisten mit dem Ton der Verach- tung geredet. Sie wollten diese zum Verschwinden brin- gen. Deshalb setzten sie bei der Kindererziehung an. Nach ihren Vorstellungen gehören die Kinder nicht zu den Eltern, sondern zum Staat bzw. zur Gesellschaft. Deshalb griff man nach den Kindern und steckte sie frühzeitig in die Krippe. Ziel war, die Mütter möglichst wieder rasch an ihren Arbeitsplatz zurückzuschicken. Das eigentliche Ziel aber war, alle Hemmnisse für die fa- tale Herrschaft der Partei niederzureißen. Deshalb hat Stalin die Kleinbauern beseitigt und die Kolchosen ge- schaffen, und er hat versucht, die Familien zu zerstören. Gorbatschow hat recht: Dies war einer der Gründe für den Untergang des Sowjetreiches. Die Kommunisten hatten nämlich vergessen, dass es die Mutter ist, die dem Kind am nächsten ist, noch bevor es geboren ist. Diese Grunderfahrung des Kindes stiftet das Urvertrauen – das Wichtigste, was Erziehung in den ersten drei Jahren überhaupt leisten kann. Wir im Westen laufen nun Gefahr, dass wir dieses da- mals durch die kommunistische Diktatur dem Menschen aufgezwungene Familienbild übernehmen. Diese Grund- überlegungen sind zu berücksichtigen, wenn es um den Ausbau der Kita und die Kindertagespflege geht. Diese Grundüberlegung darf nicht dazu führen, die Kinder- krippe und auch die Tagespflege in Bausch und Bogen zu verurteilen. Wir müssen einfach feststellen, dass viele Frauen aus eigenem Antrieb – und nicht weil sie wirt- schaftliche Not dazu treibt – berufstätig sind und dies auch sein wollen. Wir haben zu respektieren, dass die Zeiten vorbei sind, da die Rollenverteilung klar definiert war, der Mann muss einen Beruf haben und seine Fami- lie ernähren, die Frau bleibt daheim und erzieht die Kin- der. Die Frauen sind heute selbst hochqualifiziert und wollen natürlich ihre Qualifizierung auch im Beruf um- setzen. Der Staat muss dieser Möglichkeit gerecht wer- den. Von daher ist es eine richtige Politik, Kitas einzu- richten, in die die Kleinkinder aufgenommen werden. Der Beschluss der Großen Koalition, bis zum 1. August 2013 ausreichend Kitaplätze zur Verfügung zu stellen, war richtig. Er muss jetzt umgesetzt werden. Der Bund hat dabei seine Pflicht erfüllt. Er hat das Geld bereitge- stellt und ist bereit, für die Betriebskosten jährlich eine knappe Milliarde bereitzustellen. Es kommt nun ent- scheidend auf die Länder und Gemeinden an. Dort hat man es ganz offensichtlich versäumt, diesen Beschluss der Großen Koalition aus dem Jahre 2008 ernst zu neh- men. Deswegen gelingt der Ausbau nicht in dem Maß, wie dies notwendig wäre. Es kommt aber nicht nur auf die Kita an, auch die Ta- gesbetreuung durch Tagesmütter oder Tagesväter ist weiterzuentwickeln. Dabei geht es nicht um die privat organisierten Tagesmütter, sondern um die vom Staat ausgebildeten und zur Pflege von Kindern eigens befä- higten Tagesmütter. Diese Tagespflegepersonen können einen wichtigen Beitrag für den Ausbau der Kinder- tagesbetreuung leisten. Diese Pflegepersonen – Tages- mütter und Tagesväter – haben den Vorteil, dass sie nur wenige Kinder betreuen und so eine engere Bindung zu den jeweiligen Kleinkindern aufbauen können. Dies ist den Erzieherinnen in einer Kita nicht so leicht möglich, weil es in den Kitas meist deutlich mehr Kinder zu be- treuen gibt. Diese Tagespflegepersonen arbeiten überwiegend – zu 94 Prozent – als selbstständige Unternehmerinnen und Unternehmer. Ihre Tätigkeit geschieht aber oft unter schlechten Rahmenbedingungen. Deshalb ist es zunächst einmal erforderlich, das Berufsbild der Kindertages- pflege attraktiver zu gestalten. Hinzu kommt, dass der Verdienst zu gering ist. Das durchschnittliche Einkommen beträgt knapp 600 Euro im Monat. Fast ein Drittel der Befragten liegt bei einem Einkommen unter 365 Euro. Wenn wir die Tagespflege attraktiver gestalten wollen, muss das Einkommen ver- bessert werden. Hinzu kommt, dass die Tagespflege- person eine sichere Anstellung braucht. Dies wäre im Rahmen der Jugendhilfe möglich. Außerdem müssen wir für eine berufsbegleitende Weiterbildung an staatlich anerkannten Fachschulen oder Berufsfachschulen für Er- zieherinnen sorgen. Die Ausbildung dieser Tagespflege- personen muss Vorrang haben. Der Antrag der CDU/CSU „Tagespflegepersonen stärken – Qualifikation steigern“ bietet für diese Aus- richtung der Tagespflege einen guten Ansatz. Caren Marks (SPD): Auf der einen Seite bringen die Koalitionsfraktionen ein Betreuungsgeld auf den Weg, das Kinder von frühkindlicher Bildung fernhalten soll, auf der anderen Seite betonen sie die Steigerung der Qualität in Kitas und in der Kindertagespflege, wie der heute zu debattierende Antrag „Tagespflegepersonen stärken – Qualifikation steigern“ zeigt. Auf der einen Seite will die Koalition gezielt Eltern, die ihre Kinder nicht in einer staatlich geförderten Einrichtung betreuen und erziehen lassen, mit einer neuen Leistung honorie- ren, auf der anderen Seite will sie uns heute mit diesem Antrag weismachen, dass sie für eine weitere Professio- nalisierung der Kindertagespflege eintritt. Was denn nun, meine Damen und Herren von der CDU/CSU und FDP? Haben Sie eigentlich einmal über- legt, welche fatalen Signale eine derart widersprüchliche Familienpolitik aussendet? Alle bisher unternommenen Anstrengungen, die frühkindliche Bildung auszubauen und die Qualität zu verbessern, werden mit dem Betreu- ungsgeld konterkariert. Ihre Politik verunsichert nicht nur zahlreiche Familien, sondern ebnet auch den Weg für eine der größten Fehlinvestitionen der letzten Jahre. Da- bei ermahnt uns die OECD in regelmäßigen Abständen, dass Deutschland mehr und schneller in die frühkindli- che Bildung investieren muss. Die Kampagne „Nein zum Betreuungsgeld“, die tag- täglich neue Unterstützerinnen und Unterstützer ge- winnt, spricht für sich. Sozialverbände, Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände, Fachorganisationen, der Frauen- rat, der Deutsche Landfrauenverband und die evangeli- sche Kirche erteilen dem Betreuungsgeld ebenfalls eine klare Absage und fordern, stattdessen mehr in den Kita- ausbau zu investieren. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 22189 (A) (C) (D)(B) Ich möchte exemplarisch einen Absatz aus der aktuel- len Stellungnahme des Landeselternbeirats Nordrhein- Westfalen zitieren. Solche Stellungnahmen und Briefe erreichen uns derzeit übrigens waschkörbeweise. „Bevor all diese Mängel [damit ist das Fehlen der noch dringend benötigten Kitaplätze gemeint] nicht be- seitigt sind und wir Eltern keine echte Wahlfreiheit ha- ben, um zwischen Kita und Betreuung zu Hause zu wäh- len, lehnen wir dieses Betreuungsgeld ab. Wir fordern die Bundesregierung auf, das Betreuungsgeld abzuleh- nen und dafür in den qualitativ hochwertigen Ausbau von Kindertageseinrichtungen mit dem entsprechenden Personal zu investieren.“ Auch der neu vorgelegte Dritte Zwischenbericht zur Evaluation des Kinderförderungsgesetzes zeigt deutlich, wo die Reise hingehen muss: Bund, Länder und Kom- munen müssen sich in den nächsten Jahren darauf konzentrieren, Kitaplätze weiter auszubauen, mehr Er- zieherinnen und Erzieher zu gewinnen und die Kinderta- gespflege, wie die Regierungskoalition es ja in ihrem ei- genen Antrag fordert, weiter zu qualifizieren. Ich sage Ihnen aber: Ein Betreuungsgeld wirkt hier völlig kontra- produktiv. Es geht um echte Wahlfreiheit und um die Verbesse- rung der Zukunftschancen unserer Kinder. Denn Eltern haben derzeit keine echte Wahlfreiheit, für Kinder steht kein bedarfsdeckendes Angebot an Krippenplätzen be- reit. In gut 14 Monaten tritt der Rechtsanspruch für Kinder ab dem ersten Geburtstag auf einen Krippenplatz in Kraft. Deshalb müsste es Ihnen, meinen Damen und Herren von der CDU/CSU und FDP, Sorge bereiten, dass die neue Zwischenevaluation des Bundesfamilienminis- teriums auf bestehende Ausbauhürden hinweist. Beispielsweise fehlt es an qualifizierten Fachkräften. Hier sage ich klar: Soziale Berufe müssen aufgewertet werden. Erzieherinnen und Erzieher müssen besser ver- dienen und brauchen bessere Aufstiegschancen, damit dieses Berufsbild für Nachwuchs attraktiver wird. Wenn wir wollen, dass die Tagespflege weiter qualifiziert und aufgewertet wird, brauchen wir auch in diesem Bereich eine bessere Bezahlung. In dem Antrag von CDU/CSU und FDP ist hierzu übrigens keine einzige Forderung enthalten. Immerhin setzen Sie sich für eine Bund-Län- der-Arbeitsgruppe ein, die bis Ende des Jahres Vor- schläge zur Verbesserung der Situation von Tagespflege- personen erarbeiten soll. Aber warum Sie erst jetzt auf eine solche Idee kommen, ist rätselhaft. Die Zwischenevaluation geht auch vertiefend auf die Herausforderungen im Bereich der Qualität von Einrich- tungen der frühkindlichen Bildung ein. Wir haben hier in den vergangenen Jahren Enormes geschafft: Der Perso- nalschlüssel hat sich weiter verbessert, die Gruppen- größe ist kleiner geworden, die frühkindliche Sprachför- derung hat an Bedeutung gewonnen, die Ausstattung von Kitas ist überwiegend gut. Aber es bleibt noch viel zu tun, zumal es von Stadt zu Stadt und von Landkreis zu Landkreis oftmals große Unterschiede gibt. Die SPD-Bundestagsfraktion fordert schon seit Jah- ren, dass sich die Bundesregierung endlich mit Ländern und Kommunen an einen Tisch setzt, eine neue Be- darfsanalyse erstellt und konkrete Schritte zur Forcie- rung des Krippenausbaus verabredet. Das SPD-geführte Bundesland Nordrhein-Westfalen beispielsweise hat mit der Einberufung des Krippengipfels vorgemacht, wie man hier vorgehen muss. Die zuständige Landesministe- rin Ute Schäfer hat unmittelbar nach dem Krippengipfel eine Task Force U-3-Ausbau eingerichtet. Aktuell hat die SPD einen Aktionsplan zum Kitaaus- bau und zur Sicherung des Rechtsanspruchs vorgelegt. Der Verzicht auf die Einführung eines Betreuungsgelds ist dabei ein wichtiger Baustein. Wir werden nicht müde, deutlich zu machen: Gute Angebote der frühkindlichen Bildung, Erziehung und Betreuung sind das Fundament für eine bestmögliche Förderung von Kindern und ihre Inklusion in die Gesell- schaft. Der Staat muss mehr dafür tun, um den Ausbau dieser Angebote voranzubringen. Versäumnisse im Be- reich der frühkindlichen Bildung können nicht zu einem späteren Zeitpunkt aufgeholt werden. Daher reicht Ihr Antrag, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, nicht aus, so gut gemeint auch die eine oder andere Forderung ist. Ihre Ministerin ist aufgefordert, ihren Worten endlich Taten folgen zu lassen und vor allem für den Verzicht auf das Betreu- ungsgeld einzutreten. Miriam Gruß (FDP): Auf diesen Tag haben wir lange hingearbeitet. Denn mit dem Antrag „Tagespflege- personen stärken – Qualifikation steigern“ schließen wir eine zentrale Lücke auf dem Weg zum Rechtsanspruch U 3, der im nächsten August in Kraft tritt: Tagesmütter und Tagesväter müssen dringend bessere Rahmenbedin- gungen und mehr Anerkennung bekommen. Nur dann werden sich mehr Männer und Frauen dazu entschlie- ßen, diesen Beruf mittel- und langfristig auszuüben. Uns liegt heute der dritte Zwischenbericht zur Eva- luation des Kinderförderungsgesetzes vor. Auch er un- terstreicht, wie wichtig die Kindertagespflege in Deutschland mittlerweile ist – aber auch, wie viel hier noch passieren muss. Der Bedarf ist enorm. Wer die Wahlfreiheit in der Kinderbetreuung hat, der entscheidet sich immer häufi- ger für eine Tagesmutter – oder einen Tagesvater. Jedes sechste Kind unter drei Jahren wird mittlerweile so be- treut, Tendenz steigend. Die Gründe dafür sind vielfältig. Viele Eltern suchen sich gezielt eine Tagesmutter oder einen Tagesvater. Denn diese sind flexibel und können auch einmal spon- tan zu „Randzeiten“ zur Verfügung stehen; eine junge Anwältin oder eine Krankenschwester kann ihr Kind schließlich nicht täglich um 16 Uhr aus der Kita abholen. Keine andere Betreuungsform lässt sich so flexibel an den Bedarf anpassen – und der ist nach wie vor in Ost und West unterschiedlich, wie der KiföG-Bericht zeigt. Im Westen wird diese Betreuungsform häufig drei Tage 22190 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 (A) (C) (D)(B) in der Woche in Anspruch genommen, im Osten dagegen meist vier bis fünf Tage. Ein weiterer Vorteil dieser Betreuungsform: Das Ver- hältnis zwischen Eltern und Tagespflegeperson ist häufig besonders eng, die Absprachen funktionieren gut – und das ist gut für das Kind. Das ist ein entscheidender Punkt, denn für uns Fami- lienpolitiker steht das Kindeswohl im Mittelpunkt. Ge- rade der Kinder wegen setze ich mich für die Kinderta- gespflege als eine Alternative zur Kita ein. Denn nicht jedes Kind wird in der Kita glücklich. Schüchterne oder sehr anhängliche Kinder fühlen sich bei einer Tagesmut- ter häufig geborgener als in der Kita. Die Forschung be- legt, dass die Bindungsqualität bei einer Tagesmutter häufig höher ist als in der Kita. Sicherheitsbedürftige Kinder finden hier die Stabilität, die sie brauchen. Wir brauchen deshalb mehr und gut qualifizierte Kin- dertagespflegepersonen. Solange diese allerdings keine guten Rahmenbedingungen haben, ist die Motivation ge- ring und die Fluktuation hoch. Wir wissen aus einem Fachgespräch, das wir als FDP- Bundestagsfraktion organisiert haben, wie sehr die Kindertagespflege unter dem kommunalen Flickentep- pich leidet: Überall herrschen andere Bedingungen. Das fängt bei der Bezahlung an. Zwischen 1,97 Euro und 7,50 Euro variiert der Stundenlohn. Zwar glauben viele Eltern, sie könnten sich eine Tagesmutter nicht leisten; aber der Lohn ist teilweise geradezu lächerlich. Neben dem geringen Lohn leidet diese Berufsgruppe auch an anderen Stellen: Die Urlaubszeiten sind häufig über- haupt nicht geregelt. Die Fachberatungen sind überlastet. Und seit Anfang des Jahres sorgt auch noch eine neue EU-Hygiene-Verordnung für Aufregung. All das war Anlass für uns, dringend Verbesserungen einzufordern. Wir fordern in unserem Antrag, dass die Länder die Investitionsmittel des Bundes mehr als bis- lang geschehen für die Tagesmütter ausgeben. Denn in den letzten Jahren wurde diese Betreuungsform häufig stiefmütterlich behandelt. Die Förderung lief vor allem zugunsten der Kindergärten und Kindertagesstätten. Damit muss nun Schluss sein. Wir fordern eine Initiative „Tagesmütter und Tages- väter fair bezahlen“. Und wir fordern, die EU-Lebens- mittelhygiene-Verordnung unbürokratisch umzusetzen. Außerdem ist mir wichtig, dass wir die Tagesväter mehr in den Fokus stellen. Bislang sind lediglich 2,5 Prozent aller Kindertagespflegepersonen männlich. Aber wenn wir bis August 2013 den Rechtsanspruch er- füllen wollen, dann wird das nicht ohne diese „stille Re- serve“ funktionieren. Wir brauchen mehr Männer in der Kinderbetreuung. Das ist ein Gebot der Gleichberechti- gung und der Wahlfreiheit. In den Kitas haben wir mit einem vergleichbaren Förderprogramm bereits viel er- reicht. Daher fordere ich jetzt auch: „Mehr Männer für Tagespflege“. Jetzt ist die Zeit, um den Tagesmüttern und -vätern in diesem Land bessere Bedingungen zu geben. Die Fami- lienministerin hat in der Zwischenzeit viele unserer For- derungen aufgegriffen und die Tagesmütter an die Spitze Ihres Zehn-Punkte-Plans gestellt. Das kann ich nur aus- drücklich begrüßen. Denn machen wir uns nichts vor: Es war von Anfang an klar, dass wir den Rechtsanspruch 2013 nur erfolgreich umsetzen können, wenn wir die Kindertagespflege stärken. Viele Tagespflegepersonen sehen ihre Arbeit als Berufung. Aber gerade weil sie eine so wichtige Funktion einnehmen, müssen wir sie auch als Berufsgruppe stärken. Das ist gut für die Kin- der, gut für die Eltern und gut für die Infrastruktur in die- sem Land. Diana Golze (DIE LINKE): Es ist schon sehr be- zeichnend, dass der Deutsche Bundestag über die Frage der Sicherung und Gewährleistung eines von ihm selbst geschaffenen Rechtsanspruchs – dem auf Kindertages- betreuung für jedes Kind unter drei Jahren – zu nacht- schlafender Zeit „debattieren soll“, während die Einbrin- gung des Betreuungsgeldes einen etwas prominenteren Platz in der Tagesordnung gefunden hat. Es ist auch exemplarisch, dass der vorliegende Antrag einmal mehr nur ein Schlaglicht auf eines der großen Probleme im Ausbau der Kindertagesbetreuungsangebote wirft. Und es ist exemplarisch für die Debatten in den letzten Mona- ten, dass in diesem Antrag der Koalitionsfraktionen vor allem Aufgaben an die Länder und Kommunen verteilt werden, während der Bund vor allem Prüfaufträge und die Verteilung von Mitteln aus dem Europäischen So- zialfonds oder der Bundesagentur für Arbeit überneh- men will. All das ist ein Spiegelbild dessen, was an poli- tischem Versagen in den letzten Jahren zu dem geführt hat, was wir heute als Kitaplatzmangel, fehlendem quali- fizierten Personal und mangelnden Qualitätsstandards konstatieren müssen. Statt dass die Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen endlich so viel Verantwortung übernehmen, wie man es mit der machtvollen Ankündigung durch die Kanzlerin in Sachen Kitaausbau hätte annehmen müssen und dürfen, feiern sie jeden noch so kleinen Erfolg auf dem verlorenen Feld. Offen gestanden hatte ich ein wenig erwartet, dass Ihr Antrag, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der Ko- alitionsfraktionen, sich mit dem 10-Punkte-Programm der Ministerin zur Beschleunigung des Kitaausbaus be- fasst und dieser dadurch etwas an Konkretisierung er- fährt. Doch auch Sie bleiben sich treu, wenn es um das Schönreden von Entwicklungen und um das Drumhe- rumreden bei Problemen geht. Statt sich mit den vielen Fragen auseinanderzusetzen, die der Ausbau der öffentli- chen Kindertagesbetreuung noch immer aufwirft, haben Sie sich auf das Feld zurückgezogen, wo Sie die Verant- wortung völlig abwälzen können, ohne dabei den Kom- munen zu sehr auf die geschundenen Füße zu treten – die Kindertagespflege. Seit Jahren leisten in diesem Bereich Männer, vor al- lem aber Frauen schwere Arbeit und dies zu denkbar schlechten Bedingungen. Unzureichende Unterstützung, selbstausbeuterische Arbeitsverhältnisse und eine schlechte Entlohnung gehören zu den Alltagsproblemen dieser Frauen und Männer genauso wie mangelnde fachliche Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 22191 (A) (C) (D)(B) Begleitung und existenzielle Sorgen. Seit Jahren warnen Fachverbände, Experten, Gewerkschaften und auch meine Fraktion davor, den Tagespflegepersonen die Last des schleppenden Ausbaus und damit auch die Folgen der Unfähigkeit der politisch Agierenden aufzubürden. Nach dem letzten Bericht zum Kinderförderungsgesetz ist nun klar: Auch in diesem Bereich wird der Zuwachs nicht reichen, um als Notnagel für fehlende Kitaplätze zu fungieren. Doch statt sich nun endlich auf Notwendi- ges zu besinnen, liest sich Ihr Antrag wie der einer völlig unbeteiligten Gruppe. Ihr Forderungsteil enthält Aufforderungen, die Bun- desländer zu den verschiedensten Aktivitäten anzuhal- ten – ein Prozedere, das wir zur Genüge kennen und von dem jeder weiß, dass es ohne eine stärkere finanzielle Verantwortung nichts als eine Worthülse ist. Er enthält Umschichtungen innerhalb des Familien- haushaltes, bei denen ich mir nur verwundert die Augen reiben kann. War denn die Offensive „Frühe Chancen“ nicht erst in der vergangenen Haushaltsdebatte das Aus- hängeprojekt der Familienministerin zur Rettung des Großvorhabens Kitaausbau? Und nun sind dort noch Mittel übrig? Ich kann Ihnen nur sagen: Ihre Politik der kleine Projekte ist gescheitert! Es braucht mehr als nur Anschubfinanzierungen, um eine zukunftsträchtige und qualitativ hochwertige Kin- derbetreuung zu gewährleisten – egal ob sie in einer Kita oder in der Tagespflege stattfindet. ESF-Mittel und um- geschichtete Projektmittel aber sprechen alles andere als eine Sprache der kontinuierlichen Absicherung und Ge- staltung. Die Linke fordert darum die Bundesregierung auf, endlich selbst tätig zu werden. Es reicht nicht, Ar- beitsaufträge an die Länder und Kommunen abzugeben, Tagespflegepersonen für einen begrenzten Zeitraum über ESF-Mittel zu finanzieren und deren Qualifizierung und Beratung weiterhin unter Prüfungsvorbehalt zu stel- len. Die Gelder, die dafür nötig sind, wären vorhanden, wenn endlich von einem unsinnigen Vorhaben wie dem Betreuungsgeld Abschied genommen würde. Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der aktuelle, dritte KiföG-Zwischenbericht macht es erneut deutlich: Die Zeit wird knapp. Im August 2013 tritt der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für unter Dreijährige in Kraft. Eltern, deren Kinder jetzt geboren werden, werden sich bereits auf diesen Anspruch beru- fen können. Aber noch immer fehlen zur Erfüllung des Rechtsanspruchs fast eine Viertelmillion Plätze. Den- noch gewinnt der Ausbau nicht an Fahrt. Bereits das dritte Jahr in Folge müssen wir im Zwischenbericht le- sen, dass die Ausbauziele nur erreicht werden können, wenn die Geschwindigkeit im Ausbau deutlich zunimmt. Immer wieder dieselbe Platte – aber es passiert nichts. Statt jetzt alle Anstrengungen auf den zielgerichteten U-3-Ausbau zu fokussieren, wirft die Bundesfamilien- ministerin Nebelkerzen und täuscht Aktivismus vor. Eine dieser Nebelkerzen trägt den hochtrabenden Namen Zehnpunkteprogramm. Wenn man beide Augen zu- drückt, könnte man wohlwollend von einem Einpunkt- programm sprechen: denn außer dem Bundesprogramm zur Festanstellung von Tagespflegepersonen enthält die- ses mickrige Progrämmchen nichts substanziell Neues. Zudem hat der Bund für die Umsetzung der Vorschläge gar keine Zuständigkeit. Machen wir uns nichts vor: Noch schleppender als der Kitaausbau verläuft der Ausbau der Kindertages- pflege. So ist der Anteil von Tagespflegeplätzen der öf- fentlich geförderten Kindertagesbetreuung in den ver- gangenen Jahren nur geringfügig gestiegen. Er liegt aktuell bei lediglich 15 Prozent. Hier liegt noch unge- nutztes Potenzial. Von daher sind auch alle Bemühungen der Regierungsfraktionen zu begrüßen, dieses Potenzial auszuschöpfen. Es ist allerdings mehr als durchsichtig, dass Ihnen dieser wichtige und richtige Ausbau der Kin- dertagespflege nichts wert ist. Alle in Ihrem Antrag for- mulierten Vorschläge soll die Bundesregierung nur „im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel“ umsetzen. Liebe Kolleginnen und Kollegen von Union und FDP, haben Sie immer noch nicht verstanden, dass es beim U-3-Ausbau fünf vor zwölf ist? Sie sind bereit, 1,2 Milliarden Euro jährlich für das unsinnige Betreu- ungsgeld aus dem Fenster zu werfen, haben aber kein Geld für den Ausbau von Kitas und Tagespflege übrig? Das ist unverantwortlich. Ein riesiges Problem ist der Mangel an Tagespflege- personen. Wir stehen vor der Mammutaufgabe, inner- halb eines Jahres rund 30 000 Tagespflegepersonen zu gewinnen, wohl gemerkt: gut ausgebildete Tagesmütter und Tagesväter. Auch wenn der Anteil der Tagespflege- personen, die über gar keine oder nur eine rudimentäre Qualifizierung verfügen, in den vergangenen Jahren ge- sunken ist, ist dieser Anteil mit 21 Prozent immer noch erschreckend hoch. Wir Grüne sind der Ansicht, dass Ta- gespflegepersonen mindestens einen zertifizierten Quali- fizierungskurs nach dem DJI-Curriculum mit 160 Unter- richtsstunden abgeschlossen haben bzw. solch einen Kurs berufsbegleitend besuchen sollten. Wenn die Kindertagespflege ihrem gesetzlichen Auf- trag gerecht werden soll, müssen wir bei der Qualität dringend nachlegen: denn nur eine qualitativ hochwer- tige Kindertagespflege kann einen echten Beitrag bei der Realisierung des Rechtsanspruchs leisten. Daher fordere ich Sie, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der Regierungskoalition auf, es nicht nur bei wohlmeinen- den Absichtsbekundungen zu belassen. Machen Sie end- lich Nägel mit Köpfen, und investieren Sie das Geld in den U-3-Ausbau statt in das unsinnige Betreuungsgeld! Anlage 16 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung: – Beschlussempfehlung zu den Anträgen: – Kinder- und Jugendtourismus unterstüt- zen und weiter fördern – Reisen für Kinder und Jugendliche er- möglichen – Förderung sicherstellen und „Aktionsplan Kinder- und Jugendtouris- mus in Deutschland“ weiterentwickeln 22192 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 (A) (C) (D)(B) – Beschlussempfehlung zu dem Antrag: – Mitgliedschaft in der International Orga- nisation of Social Tourism (Tagesordnungspunkt 28 a und b) Markus Tressel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der im Jahr 2002 vom Deutschen Bundestag beschlossene rot-grüne Aktionsplan zum Kinder- und Jugendtouris- mus in Deutschland hat die Grundlage für die heutige politische Ausrichtung geschaffen. Es wurden jedoch nur unzureichende Veränderungen auf den Weg ge- bracht. Die intensive Auseinandersetzung mit dem Thema lässt schnell erkennen, dass der Kinder- und Ju- gendtourismus erst am Anfang einer notwendigen (Wei- ter-)Entwicklung steht. Die verbesserte Datenlage besagt, dass im Jahr 2008 mehr als 30 Millionen Reisen mit einer Dauer von min- destens zwei Tagen von deutschen Staatsbürgern und Staatsbürgerinnen im Alter bis einschließlich 26 Jahre unternommen wurden. Hierbei wurden 12 Milliarden Euro von Deutschen für Kinder- und Jugendreisen aus- gegeben. Jugendliche und junge Erwachsene unterneh- men circa 20 Prozent der Urlaubsreisen in Deutschland. Nicht nur innerhalb des Landes spielt das Tourismus- segment eine bedeutende Rolle. Mehr als 11 Millionen junge Europäer zwischen 15 und 35 Jahren besuchen mittlerweile Deutschland während ihrer Freizeit. Die Welttourismusorganisation UNWTO geht davon aus, dass der Marktanteil von Kindern und Jugendlichen im Tourismus in Zukunft bei rund 25 Prozent liegen wird. Wir reden heute über zwei Anträge. Auf der einen Seite haben wir einen Antrag von der Koalition. Der Feststellungsteil ist wie schon beim Thema „Tourismus und Landschaftspflege verknüpfen“ gut und lässt hoffen. Leider sind viele wichtige und auch kritische Punkte nicht aufgegriffen, die nicht unerwähnt bleiben sollten. Es fehlt an Ansätzen zur sozialen Teilhabe. Der Präven- tionsgedanke kommt nicht vor. Auch eine Unterschei- dung von kommerziellen und nichtkommerziellen An- bietern kommt nicht vor. Was allerdings in den Forderungen kommt, ist größtenteils äußerst dürftig. Denn es folgen fast ausschließlich Prüfaufträge. Erstaun- lich ist auch, dass im Feststellungsteil noch völlig richti- gerweise auf die Bedeutung von energetischer Sanierung hingewiesen wird, eine Forderung dazu findet sich aber nicht. Wir Grüne haben daher in verschiedenen Gesprä- chen versucht, mit einigen Forderungen etwas Fleisch an den Knochen zu bekommen. Das ist leider nicht möglich gewesen. Der Antrag besitzt auch einige handwerkliche Schwächen, die man ebenfalls hätte ausräumen können – wenn es denn gewollt gewesen wäre. Wir wären hier gerne zu einem interfraktionellen Ergebnis gekommen, um den Kinder- und Jugendtourismus, wo wir im Ziel alle übereinstimmen, voranzutreiben. Mit diesem Antrag wird das sicher nicht passieren. Deshalb ist er so leider nicht zustimmungsfähig. Es ist bedauerlich, dass es nicht möglich gewesen ist, auf der Basis des SPD-Antrags interfraktionelle Ver- handlungen zu führen. Denn der Antrag der SPD wäre eine solide Basis in seinen Forderungen gewesen, hätte den Koalitionsantrag damit sinnvoll ergänzt. Der Antrag geht mit seinen Forderungen sehr viel weiter und ist da- mit schon sehr viel zielführender. Doch Kinder- und Ju- gendunterkünfte sind nicht nur Jugendherbergen. Diese machen lediglich 10 Prozent aus. Zudem fehlt es auch hier an einigen Punkten, wie beispielsweise einer konsis- tenten Datenlage, einer gezielten Ausrichtung auf Nach- haltigkeit und konzertierten Aktionen zur Verbesserung der Qualifizierung und Qualität. Wir Grüne wollen die im Aktionsplan aus dem Jahre 2002 aufgestellten acht Ziele, die innerhalb der Branche weiterhin begrüßt werden, mit neuen Kriterien und Zwi- schenzielen versehen. Der novellierte Aktionsplan sollte in Zusammenarbeit von Bund und Ländern erarbeitet und fortgeführt werden sowie gemeinsame Ziele festlegen. Die Qualität und Teilhabe bei Kinder- und Jugendrei- sen muss weiter entwickelt werden, indem unter ande- rem Sanierungen von Unterkünften mit dem Ziel der Energieeffizienz, der Umstellung auf erneuerbare Ener- gien sowie der Inklusion unterstützt werden. Für die ver- schiedenen Gütesiegel im Kinder- und Jugendtourismus wäre ein Dachlabel hilfreich, und weitere Zertifizierun- gen über QMJ sollten auch für Kleinst- und Kleinbe- triebe ermöglicht oder erleichtert werden. Das zielgerichtete Aus- und Fortbilden von Personal vor dem Hintergrund der nachhaltigen Bildung, Gesund- heit, Sicherheit, Inklusion oder Ähnlichem in Kinder- und Jugendreiseunterkünften muss unterstützt werden, wie es beispielsweise bei Jugendherbergen über die ei- gene Akademie gewährleistet wird. Leider ist das nur für DJH-Werke möglich. Bei den Ländern sollte auch darauf hingewirkt wer- den, dass Kinder- und Jugendmobilität sowie nachhal- tige Mobilität in die Lehrerausbildung aufgenommen werden. Neben Klassenfahrten sollten auch außerschuli- sche Urlaubsangebote, die dem pädagogischen Ziel der nachhaltigen Bildung dienen, im SGB III verankert wer- den, und auch die Vielfalt außerschulischer Lernorte und die Vielfalt der Anbieter muss anerkannt werden. Wir Grüne wollen insbesondere Projekte zum sozia- len Lernen und zur Gesundheitsprävention, wie bei- spielsweise gesunde Ernährung, Bewegung und Stressre- gulation für Kinder und Jugendliche, unterstützen. Die Jugendaktion GUT DRAUF der Bundeszentrale für ge- sundheitliche Aufklärung ist hier als ein sehr schönes Beispiel zu nennen. Wir Grüne wollen zudem die Datenlage im Kinder- und Jugendreisesegment dauerhaft erfassen, sichern und gezielt verbessern, um entsprechend der demografischen Entwicklung notwendige Planungsschritte beachten zu können, indem erstens mit einer konzertierten Aktion alle bekannten Kinder- und Jugendunterkünfte zur Mel- dung unter einer einheitlichen Kategorie „Jugendher- berge oder ähnliche Einrichtung, Hütte“ aufgefordert werden. Zweitens sollten alle fünf Jahre regelmäßige Kennzahlen und Daten in verschiedenen Altersgruppen Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 22193 (A) (C) (D)(B) zum Kinder- und Jugendtourismus, wie beispielsweise Reisehäufigkeit und -intensität, ehrenamtliche und nichtehrenamtliche Betreuer sowie Betreuerschlüssel, Größe der Reisegruppe, familiärer Hintergrund, Kennt- nisstand über nachhaltige Mobilität beziehungsweise nachhaltigen Tourismus, erhoben werden. Die Daten- erhebung sollte weiterhin über die Jugendhilfestatistik ermöglicht werden. Nur wenn es uns gelingt, die Datenlage sauber zu erfassen, werden wir auch zukünf- tig über dieses wichtige Segment debattieren und an- schließend politische Forderungen ableiten können. Des- halb ist hier Sorgfalt gefragt. Diese fehlt leider bei beiden Anträgen. Anlage 17 Erklärung der Abgeordneten Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über die Be- schlussempfehlung zu dem Antrag: Potenziale der Einrichtungen des Bundes mit Ressort- forschungsaufgaben stärken (Tagesordnungs- punkt 24) Ich erkläre im Namen der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, dass unser Votum „Nein“ lautet. 184. Sitzung Inhaltsverzeichnis TOP 3 Regierungserklärung zum G20-Gipfel in Mexiko TOP 4 Entgeltgleichheitsgesetz TOP 52, ZP 2 Überweisungen im vereinfachten Verfahren TOP 53, ZP 3 Abschließende Beratungen ohne Aussprache TOP 6 Wahl eines Mitglieds in das PKGr TOP 7 Wahl der Mitglieder des StabMechG-Gremiums ZP 4 Aktuelle Stunde zum Netzentwicklungsplan TOP 9 Abstandsgebot im Recht der Sicherungsverwahrung TOP 8 Risiken der Riester-Rente TOP 5 Nachtragshaushaltsgesetz TOP 10 Diskriminierungsschutz für Hinweisgeber TOP 11 Bundeswehrreform TOP 12 Ausbeuterische Kinderarbeit TOP 13 Kloster Mor Gabriel TOP 14 UN-Nachhaltigkeitskonferenz in Rio TOP 15 Tokio-Konferenz zur Entwicklungspolitik TOP 16 Maßnahmen gegen unseriöses Inkasso TOP 17 Bundeswehreinsatz (UNIFIL) TOP 18 Auskunftspflichten der Europäischen Zentralbank TOP 19 Pauschal-Entgelte in der Gesundheitsversorgung TOP 20 Übersetzungserfordernis von EU-Dokumenten TOP 21 Wasser- und Schifffahrtsverwaltung TOP 22 Kindertagesbetreuung TOP 23 Barrierefreier Tourismus TOP 24 Bundeseinrichtungenmit Ressortforschungsaufgaben TOP 25 Schutz für Flüchtlinge TOP 26 Exzellenzinitiative in der Lehrerausbildung TOP 27 Schienenverkehr zwischen Deutschland und Polen TOP 28 Kinder- und Jugendtourismus TOP 31 Menschenrechte in Zentralasien TOP 30 Regionale Wirtschaftsstruktur TOP 36 Europäische Förderung der Atomenergie TOP 32 Vereinfachung des Elterngeldvollzugs TOP 33 Drogenpolitik TOP 34 Strafrechtsänderungsgesetz (Kronzeugenregelung) TOP 35 Wohnungsrechtliche Vorschriften TOP 38 Freiwilligendienst TOP 37 Wertpapierhandel TOP 40 UN-Waffenhandelsvertrag TOP 39 EU-Klimaziel TOP 41 Sicherheitskonzepte für Offshore-Windparkanlagen TOP 43 Bundesanstalt für Immobilienaufgaben TOP 42 Situation der Roma in der EU TOP 44 Europäische Grundwerte in Ungarn TOP 45 Arbeitslosenversicherung Anlagen
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Michael Groschek


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)





    (A) (C)


    (D)(B)


Rede von Christoph Schnurr
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)




(A) (C)


(D)(B)

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Paul Schäfer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)





    (A) (C)


    (D)(B)