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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 17/184 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 184. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 I n h a l t : Glückwünsche zum Geburtstag der Abge- ordneten Hans-Ulrich Klose, Bernhard Brinkmann (Hildesheim), Hans-Christian Ströbele, Helga Daub und Wolfgang Bosbach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begrüßung der neuen Abgeordneten Annette Sawade . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wahl der Abgeordneten Annette Sawade als Schriftführerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erweiterung und Abwicklung der Tagesord- nung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Absetzung der Tagesordnungspunkte 29 und 53 e . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 3: Abgabe einer Regierungserklärung durch die Bundeskanzlerin: zum G-20-Gipfel am 18./19. Juni 2012 in Los Cabos (Mexiko) . . Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin . . . . . . . Dr. Frank-Walter Steinmeier (SPD) . . . . . . . . Rainer Brüderle (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Volker Kauder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Renate Künast (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Volker Wissing (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . Gerda Hasselfeldt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Joachim Poß (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Frank Steffel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU) . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 4: Erste Beratung des von den Abgeordneten Gabriele Hiller-Ohm, Anette Kramme, Josip Juratovic, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs ei- nes Gesetzes zur Durchsetzung des Entgelt- gleichheitsgebotes für Frauen und Männer (Entgeltgleichheitsgesetz) (Drucksache 17/9781) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Andrea Nahles (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nadine Schön (St. Wendel) (CDU/CSU) . . . . Dagmar Ziegler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Cornelia Möhring (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Nicole Bracht-Bendt (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Matthias Zimmer (CDU/CSU) . . . . . . . . . Elke Ferner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jörg von Polheim (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Yvonne Ploetz (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Katharina Landgraf (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Gabriele Hiller-Ohm (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Paul Lehrieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Christel Humme (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 52: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- 21859 A 21859 C 21859 C 21859 D 21860 B 21860 C 21860 C 21865 B 21868 A 21870 A 21873 B 21875 A 21877 C 21878 D 21880 B 21881 C 21882 D 21884 C 21884 C 21885 D 21887 B 21888 C 21889 C 21890 C 21891 D 21893 C 21894 C 21896 A 21897 A 21898 B 21900 A 21901 A 21903 D Inhaltsverzeichnis II Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 zes zur Änderung des Übereinkommens vom 8. April 1959 zur Errichtung der Interamerikanischen Entwicklungsbank (Drucksache 17/9697) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Änderung des Übereinkommens vom 18. Oktober 1969 zur Errichtung der Karibischen Entwicklungsbank (Drucksache 17/9698) . . . . . . . . . . . . . . . . c) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Änderung des Übereinkommens vom 19. November 1984 zur Errichtung der Interamerikanischen Investitions- gesellschaft (Drucksache 17/9699) . . . . . . . . . . . . . . . . d) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Bun- desbesoldungs- und -versorgungsanpas- sungsgesetzes 2012/2013 (BBVAnpG 2012/2013) (Drucksache 17/9875) . . . . . . . . . . . . . . . . e) Antrag der Abgeordneten Dr. Marlies Volkmer, Bärbel Bas, Petra Ernstberger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Mehr Sicherheit bei Medizin- produkten (Drucksache 17/9932) . . . . . . . . . . . . . . . . f) Antrag der Abgeordneten Marieluise Beck (Bremen), Memet Kilic, Viola von Cramon- Taubadel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Visapolitik liberalisieren (Drucksache 17/9951) . . . . . . . . . . . . . . . . g) Antrag der Abgeordneten Markus Kurth, Ulrich Schneider, Katrin Göring-Eckardt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Zweckge- bundene und steuerfreie Übungsleiter- pauschalen und Aufwandsentschädigun- gen für bürgerschaftliches Engagement nicht auf Leistungen nach dem Zweiten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch an- rechnen (Drucksache 17/9950) . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 2: Antrag der Abgeordneten Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, Christine Buchholz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Lieferung von U-Booten an Israel stoppen (Drucksache 17/9738) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 53: a) Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 21. Oktober 2010 zur Änderung des Übereinkommens vom 9. Februar 1994 über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimm- ter Straßen mit schweren Nutzfahrzeu- gen (Drucksachen 17/9343, 17/9843) . . . . . . . b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Markenrechts- vertrag von Singapur vom 27. März 2006 (Drucksachen 17/9691, 17/9991) . . . . . . . c) – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Achten Gesetzes zur Ände- rung eisenbahnrechtlicher Vorschrif- ten (Drucksachen 17/9692, 17/9953) . . . . – Bericht des Haushaltsausschusses ge- mäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 17/9995) . . . . . . . . . . . . . d) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 4. Oktober 2003 zur Gründung des Globalen Treuhandfonds für Nutz- pflanzenvielfalt (Drucksachen 17/9696, 17/9955) . . . . . . . f) – m) Beschlussempfehlungen des Petitionsaus- schusses: Sammelübersichten 437, 438, 439, 440, 441, 442, 443 und 444 zu Peti- tionen (Drucksachen 17/9760, 17/9761, 17/9762, 17/9763, 17/9764, 17/9765, 17/9766, 17/9767) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 3: Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP: Verlängerung der Arbeit der Enquete- Kommission „Internet und digitale Gesell- schaft“ (Drucksache 17/9939) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 6: Wahl eines Mitglieds des Parlamentarischen Kontrollgremiums gemäß Artikel 45 d des Grundgesetzes (Drucksache 17/9918) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21905 A 21905 A 21905 B 21905 B 21905 C 21905 C 21905 C 21905 D 21906 A 21906 A 21906 C 21906 C 21906 D 21907 A 21907 D 21907 D Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 III Wahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 7: Wahl der Mitglieder des Sondergremiums gemäß § 3 Absatz 3 des Stabilisierungsme- chanismusgesetzes (Drucksache 17/9919) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 4: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktio- nen der CDU/CSU und FDP: Der Netzent- wicklungsplan als Meilenstein der Energie- wende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU) . . . . . . . . . Garrelt Duin (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Philipp Rösler, Bundesminister BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Johanna Voß (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Rolf Hempelmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus Breil (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thomas Bareiß (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Ulrich Kelber (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Horst Meierhofer (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Jens Koeppen (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 9: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur bundesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebotes im Recht der Si- cherungsverwahrung (Drucksache 17/9874) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Er- weiterung der jugendgerichtlichen Hand- lungsmöglichkeiten (Drucksachen 17/9389, 17/9990) . . . . . . . Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Christine Lambrecht (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Andrea Astrid Voßhoff (CDU/CSU) . . . . . . . Halina Wawzyniak (DIE LINKE) . . . . . . . . . Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ansgar Heveling (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Burkhard Lischka (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU) . . . . Tagesordnungspunkt 8: Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Klaus Ernst, Diana Golze, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Risiken der Riester-Rente offenlegen – Al- tersvorsorge von Finanzmärkten entkop- peln (Drucksache 17/9194) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) . . . . . . . Dr. Mathias Middelberg (CDU/CSU) . . . . . . Petra Hinz (Essen) (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Frank Schäffler (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . Bettina Kudla (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Ingrid Arndt-Brauer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) . . . . Björn Sänger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ralph Brinkhaus (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 5: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung ei- nes Nachtrags zum Bundeshaushalts- plan für das Haushaltsjahr 2012 (Nach- tragshaushaltsgesetz 2012) (Drucksachen 17/9040, 17/9649, 17/9650, 17/9651) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Sven-Christian Kindler, Priska Hinz (Herborn), Katja Dörner, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Energie- wende und Klimaschutz solide finanzie- ren – Nachtragshaushalt nutzen (Drucksachen 17/8919, 17/9911) . . . . . . . Stefanie Vogelsang (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 21908 B 21936 D 21908 C 21909 B 21936 D 21909 B 21909 C 21910 C 21912 A 21913 D 21914 D 21916 B 21917 B 21918 B 21919 B 21920 C 21921 D 21923 B 21924 B 21924 C 21924 D 21926 B 21927 C 21929 B 21930 C 21932 A 21933 D 21935 A 21937 A 21937 B 21938 C 21940 A 21941 B 21941 C 21943 B 21944 D 21945 B 21946 B 21947 C 21948 A 21950 B 21950 B 21950 C IV Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 Carsten Schneider (Erfurt) (SPD) . . . . . . . . . . Norbert Barthle (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP) . . . . . . . . . . . Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stefanie Vogelsang (CDU/CSU) . . . . . . . . Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lothar Binding (Heidelberg) (SPD) . . . . . . . . Otto Fricke (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bartholomäus Kalb (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 10: Erste Beratung des von den Abgeordneten Ingrid Hönlinger, Hans-Christian Ströbele, Dr. Konstantin von Notz, weiteren Abgeord- neten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Ge- setzes zur Förderung von Transparenz und zum Diskriminierungsschutz von Hinweis- geberinnen und Hinweisgebern (Whistle- blower-Schutzgesetz) (Drucksache 17/9782) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulrich Lange (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Kerstin Tack (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Heinz Golombeck (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Karin Binder (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Gitta Connemann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Gabriele Lösekrug-Möller (SPD) . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 11: a) – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Begleitung der Reform der Bundeswehr (Bundeswehrreform-Begleitgesetz – BwRefBeglG) (Drucksachen 17/9340, 17/9954) . . . . – Bericht des Haushaltsausschusses ge- mäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 17/9994) . . . . . . . . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Verteidigungsausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Katja Keul, Agnes Malczak, Monika Lazar, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: 10 Jahre Frauen in der Bundeswehr (Drucksachen 17/7351, 17/8496) . . . . . . . Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lars Klingbeil (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elke Hoff (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Harald Koch (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Agnes Brugger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Reinhard Brandl (CDU/CSU) . . . . . . . . . Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Karin Evers-Meyer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Burkhardt Müller-Sönksen (FDP) . . . . . . . . . Robert Hochbaum (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 12: Antrag der Abgeordneten Karin Roth (Esslin- gen), Marlene Rupprecht (Tuchenbach), Christoph Strässer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Wirksame Maß- nahmen gegen ausbeuterische Kinderar- beit durchsetzen (Drucksache 17/9920) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Marlene Rupprecht (Tuchenbach) (SPD) . . . Eckhard Pols (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Katrin Werner (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Pascal Kober (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Katja Dörner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Paul Lehrieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 13: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Menschenrechte und Hu- manitäre Hilfe zu dem Antrag der Abge- ordneten Volker Kauder, Ute Granold, Erika Steinbach, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Marina Schuster, Serkan Tören, Pascal Kober, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion der FDP: Fortbe- 21952 B 21952 D 21954 C 21956 A 21957 B 21958 C 21959 B 21961 A 21962 C 21963 D 21965 B 21967 C 21965 D 21966 A 21969 B 21970 D 21972 A 21973 A 21974 A 21975 D 21977 A 21977 B 21977 B 21977 C 21979 A 21980 C 21981 C 21982 B 21982 D 21984 A 21985 A 21985 C 21986 C 21987 B 21988 C 21988 D 21989 D 21991 A 21991 D 21992 D 21993 D Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 V stand des Klosters Mor Gabriel sicher- stellen (Drucksachen 17/9185, 17/9914) . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Angelika Graf (Rosenheim), Klaus Brandner, Dr. h. c. Gernot Erler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Kloster Mor Gabriel weiter schützen (Drucksache 17/9921) . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 14: a) Antrag der Fraktionen SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Rio 2012 – Nach- haltige Entwicklung jetzt umsetzen (Drucksache 17/9922) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für wirtschaftliche Zusam- menarbeit und Entwicklung zu dem An- trag der Abgeordneten Heike Hänsel, Eva Bulling-Schröter, Ulla Lötzer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Rio+20 – Globale Gerechtigkeit statt grüner Kapitalismus (Drucksachen 17/9732, 17/9988) . . . . . . . Dr. Matthias Miersch (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Josef Göppel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Michael Kauch (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Helmut Heiderich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 15: Antrag der Abgeordneten Sibylle Pfeiffer, Dr. Christian Ruck, Michael Grosse-Brömer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Dr. Christiane Ratjen-Damerau, Helga Daub, Harald Leibrecht, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Tokio-Konferenz zu einem entwicklungspolitischen Erfolg füh- ren (Drucksache 17/9923) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 16: Antrag der Abgeordneten Caren Lay, Dr. Kirsten Tackmann, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Unseriöses Inkasso zu Lasten der Verbraucherinnen und Verbraucher stop- pen (Drucksache 17/9746) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 17: Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der United Nations Interim Force in Lebanon (UNIFIL) auf Grundlage der Resolution 1701 (2006) vom 11. August 2006 und folgender Resolutionen, zuletzt 2004 (2011) vom 30. August 2011 des Si- cherheitsrates der Vereinten Nationen (Drucksache 17/9873) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Hans-Peter Bartels (SPD) . . . . . . . . . . . . Michael Link, Staatsminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Philipp Mißfelder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 18: Antrag der Abgeordneten Dr. Gerhard Schick, Dr. Thomas Gambke, Britta Haßelmann, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Auskunftspflichten der Europäischen Zentralbank einfordern und für eine ausreichende Eigenkapitalba- sis der Kreditwirtschaft sorgen (Drucksache 17/9585) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 19: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung eines pauschalierenden Entgeltsystems für psychiatrische und psychosomatische Einrichtungen (Psych-Entgeltgesetz – PsychEntgG) (Drucksachen 17/8986, 17/9992) . . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit – zu dem Antrag der Abgeordneten Harald Weinberg, Dr. Martina Bunge, Dr. Ilja Seifert, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Ergeb- nisoffene Prüfung der Fallpauscha- len in Krankenhäusern – zu dem Antrag der Abgeordneten Maria Klein-Schmeink, Dr. Harald Terpe, Birgitt Bender, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Einführung eines pauschalierenden psychiatri- schen Entgeltsystems zur qualitati- 21994 B 21994 C 21994 D 21994 B 21995 A 21996 C 21997 C 21998 B 21999 D 22000 D 22002 A 22002 B 22002 C 22002 D 22003 C 22004 D 22006 B 22007 B 22008 B 22009 B 22009 B VI Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 ven Weiterentwicklung der Versor- gung nutzen (Drucksachen 17/5119, 17/9169, 17/9992) Tagesordnungspunkt 20: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für die Angelegenheiten der Euro- päischen Union zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP: Übersetzungserfor- dernisse der nationalen Parlamente in der mehrjährigen EU-Finanzplanung 2014 bis 2020 berücksichtigen – Übersetzungen auch im intergouvernementalen Rahmen sicherstellen (Drucksachen 17/9736, 17/10003) . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 21: Antrag der Abgeordneten Uwe Beckmeyer, Gustav Herzog, Garrelt Duin, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der SPD: Für eine zukunftsfähige Wasser- und Schifffahrts- verwaltung des Bundes und ein modernes Wasserstraßenmanagement (Drucksache 17/9743) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 22: a) Antrag der Abgeordneten Dorothee Bär, Markus Grübel, Harald Weinberg, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/ CSU sowie der Abgeordneten Miriam Gruß, Nicole Bracht-Bendt, Florian Bernschneider, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Tagespflegepersonen stärken – Qualifikation steigern (Drucksache 17/9925) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung über den Stand des Ausbaus für ein bedarfsge- rechtes Angebot an Kindertagesbetreu- ung für Kinder unter drei Jahren für das Berichtsjahr 2011 (Dritter Zwi- schenbericht zur Evaluation des Kin- derförderungsgesetzes) (Drucksache 17/9850) . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 23: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Tourismus zu dem Antrag der Abgeordneten Gabriele Hiller-Ohm, Silvia Schmidt (Eisleben), Elvira Drobinski-Weiß, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Barrierefreier Tourismus für alle (Drucksachen 17/5913, 17/9853) . . . . . . . . . . Christian Hirte (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Klaus Brähmig (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Gabriele Hiller-Ohm (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Jens Ackermann (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Markus Tressel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 24: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Bildung, Forschung und Tech- nikfolgenabschätzung zu dem Antrag der Ab- geordneten Tankred Schipanski, Albert Rupprecht (Weiden), Michael Kretschmer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Dr. Martin Neumann (Lausitz), Dr. Peter Röhlinger, Patrick Meinhardt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Potenziale der Ein- richtungen des Bundes mit Ressortfor- schungsaufgaben stärken (Drucksachen 17/7183, 17/9912) . . . . . . . . . . Tankred Schipanski (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Eckhardt Rehberg (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . René Röspel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Martin Neumann (Lausitz) (FDP) . . . . . . Dr. Petra Sitte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Krista Sager (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 25: Antrag der Abgeordneten Ulla Jelpke, Dr. Barbara Höll, Jan Korte, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion DIE LINKE: Wirk- samer Schutz für Flüchtlinge, die wegen ihrer sexuellen Identität verfolgt werden (Drucksache 17/9193) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Helmut Brandt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Rüdiger Veit (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP) . . . . . . . . Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 26: Antrag der Abgeordneten Marcus Weinberg (Hamburg), Michael Kretschmer, Peter Altmaier, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Sylvia Canel, Dr. Martin Neumann (Lausitz), Patrick Meinhardt, weiterer Abgeordneter und der 22009 C 22010 A 22010 B 22010 C 22010 D 22010 D 22011 A 22012 A 22013 A 22014 B 22015 A 22016 A 22017 A 22017 B 22018 B 22019 D 22021 A 22022 A 22022 D 22023 D 22024 A 22025 D 22027 B 22027 C 22029 A Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 VII Fraktion der FDP: Initiative zur Stärkung der Exzellenz in der Lehrerausbildung (Drucksache 17/9937) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU) . . Florian Hahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) . . . . . . . . . Sylvia Canel (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Rosemarie Hein (DIE LINKE) . . . . . . . . . Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 27: Antrag der Abgeordneten Stephan Kühn, Dr. Anton Hofreiter, Dr. Valerie Wilms, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Verbesserung des Schienenverkehrs zwischen Deutschland und Polen (Drucksache 17/9947) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulrich Lange (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Jens Koeppen (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Joachim Hacker (SPD) . . . . . . . . . . . . . Werner Simmling (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Sabine Leidig (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 28: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Tourismus – zu dem Antrag der Abgeordneten Marlene Mortler, Ingbert Liebing, Dr. Michael Fuchs, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Helga Daub, Horst Meierhofer, Jens Ackermann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Kinder- und Jugendtouris- mus unterstützen und weiter fördern – zu dem Antrag der Abgeordneten Gabriele Hiller-Ohm, Elvira Drobinski- Weiß, Hans-Joachim Hacker, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Reisen für Kinder und Jugendli- che ermöglichen – Förderung sicher- stellen und „Aktionsplan Kinder- und Jugendtourismus in Deutschland“ weiterentwickeln (Drucksachen 17/8451, 17/8924, 17/9913) b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Tourismus zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Ilja Seifert, Dr. Dietmar Bartsch, Herbert Behrens, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Mitgliedschaft in der Inter- national Organisation of Social Tourism (Drucksachen 17/4844, 17/9308) . . . . . . . Marlene Mortler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Ingbert Liebing (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Gabriele Hiller-Ohm (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Helga Daub (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 31: Antrag der Fraktionen SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Die Menschenrechte in Zentralasien stärken (Drucksache 17/9924) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jürgen Klimke (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Ullrich Meßmer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Marina Schuster (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Katrin Werner (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 30: Antrag der Abgeordneten Dr. Joachim Pfeiffer, Andreas G. Lämmel, Thomas Bareiß, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Martin Lindner (Berlin), Claudia Bögel, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion der FDP: Neue Heraus- forderungen der regionalen Wirtschafts- struktur meistern – GRW fortführen und EU-Kohäsionspolitik zukunftsorientiert ge- stalten (Drucksache 17/9938) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Andreas G. Lämmel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Doris Barnett (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Claudia Bögel (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Johanna Voß (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Lisa Paus (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 36: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Wirtschaft und Technologie zu dem Antrag der Abgeordneten Marco Bülow, Dirk Becker, Gerd Bollmann, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der SPD: Keine 22029 D 22030 A 22031 A 22031 D 22034 D 22035 C 22036 D 22037 C 22037 D 22039 A 22039 D 22040 D 22041 C 22043 A 22044 A 22044 B 22044 B 22045 C 22046 D 22047 D 22048 D 22050 A 22050 A 22051 C 22052 D 22054 A 22055 C 22056 B 22056 C 22058 A 22059 A 22059 C 22060 B VIII Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 deutsche Zustimmung zu einer europäi- schen Förderung der Atomenergie (Drucksachen 17/9554, 17/9799) . . . . . . . . . . Thomas Bareiß (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Franz Obermeier (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Marco Bülow (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus Breil (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sabine Stüber (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 32: Zweite und dritte Beratung des vom Bundes- rat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Vereinfachung des Elterngeldvollzugs (Drucksachen 17/1221, 17/9841) . . . . . . . . . . Nadine Schön (St. Wendel) (CDU/CSU) . . . . . Caren Marks (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Miriam Gruß (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jörn Wunderlich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Katja Dörner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 33: Antrag der Abgeordneten Dr. Harald Terpe, Tom Koenigs, Hans-Christian Ströbele, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Eigengebrauch von Cannabis wirksam entkriminalisieren – Nationale und internationale Drogenpolitik evaluieren (Drucksache 17/9948) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Karin Maag (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . Angelika Graf (Rosenheim) (SPD) . . . . . . . . . Christine Aschenberg-Dugnus (FDP) . . . . . . Frank Tempel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 34: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines … Strafrechts- änderungsgesetzes – Beschränkung der Möglichkeit zur Strafmilderung bei Aufklä- rungs- und Präventionshilfe (… StrÄndG) (Drucksache 17/9695) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ansgar Heveling (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Burkhard Lischka (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Halina Wawzyniak (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 35: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Geset- zes zur Änderung wohnungsrechtlicher Vorschriften (Drucksache 17/9851) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gero Storjohann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Daniela Ludwig (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Michael Groß (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Petra Müller (Aachen) (FDP) . . . . . . . . . . . . Heidrun Bluhm (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Daniela Wagner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 38: Antrag der Abgeordneten Sönke Rix, Ute Kumpf, Petra Crone, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeord- neten Ulrich Schneider, Ekin Deligöz, Katja Dörner, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Freiwilli- gendienste in zivilgesellschaftlicher Verant- wortung stärken (Drucksache 17/9926) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Peter Tauber (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Sönke Rix (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ute Kumpf (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Florian Bernschneider (FDP) . . . . . . . . . . . . Harald Koch (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Ulrich Schneider (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 37: Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP: Für effektive EU-Regeln zur Beteili- gungstransparenz an börsennotierten Unter- nehmen und die Möglichkeit des Stimmrechts- verlustes von Aktionären bei Verstößen gegen Meldepflichten aus den §§ 25, 25 a des Wertpapierhandelsgesetzes in der Fas- sung des Anlegerschutz- und Funktions- verbesserungsgesetzes (Drucksache 17/9940) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ralph Brinkhaus (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 22061 B 22061 B 22062 C 22063 B 22064 B 22065 B 22066 A 22067 A 22067 B 22068 B 22069 C 22070 A 22070 D 22071 D 22071 D 22073 C 22074 C 22075 B 22076 A 22077 A 22077 B 22078 B 22078 D 22079 C 22080 B 22081 A 22081 A 22082 B 22083 B 22084 A 22084 D 22085 C 22085 D 22086 A 22087 B 22088 A 22089 B 22090 A 22092 A 22092 D 22092 D Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 IX Ingo Egloff (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Frank Schäffler (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Harald Koch (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 40: Antrag der Abgeordneten Michael Groschek, Uta Zapf, Rainer Arnold, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der SPD sowie der Ab- geordneten Katja Keul, Volker Beck (Köln), Marieluise Beck (Bremen), weiterer Abgeord- neter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Für einen wirkungsvollen UN- Waffenhandelsvertrag (Arms Trade Treaty) (Drucksache 17/9927) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Roderich Kiesewetter (CDU/CSU) . . . . . . . . . Michael Groschek (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Christoph Schnurr (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE) . . . . . . . . . Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 39: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Umwelt, Naturschutz und Reak- torsicherheit – zu dem Antrag der Abgeordneten Frank Schwabe, Dirk Becker, Gerd Bollmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Klimaziel der EU auf 30 Pro- zent anheben – zu dem Antrag der Abgeordneten Eva Bulling-Schröter, Dorothée Menzner, Ralph Lenkert, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Europäisches Kli- maschutzziel für 2020 auf 30 Prozent Treibhausgasminderung erhöhen – Über- schüssige Emissionsrechte stilllegen – zu dem Antrag der Abgeordneten Bärbel Höhn, Dr. Hermann E. Ott, Hans-Josef Fell, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: EU- Klimaziel anheben – 30 Prozent Emis- sionsminderung bis 2020 (Drucksachen 17/9561, 17/9562, 17/9175, 17/9993) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Andreas Jung (Konstanz) (CDU/CSU) . . . . . . Frank Schwabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Kauch (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . . Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 41: Antrag der Abgeordneten Uwe Beckmeyer, Sören Bartol, Martin Burkert, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der SPD: Schutz- und Sicherheitskonzepte für den Bau und Betrieb von Offshore-Windparkanlagen weiterentwickeln (Drucksache 17/9928) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Matthias Lietz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Hans-Werner Kammer (CDU/CSU) . . . . . . . . Uwe Beckmeyer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Torsten Staffeldt (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Herbert Behrens (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 43: Antrag der Abgeordneten Hans-Joachim Hacker, Sören Bartol, Uwe Beckmeyer, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Neuausrichtung der Bundesanstalt für Im- mobilienaufgaben (Drucksache 17/9930) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Norbert Brackmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Alois Karl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Joachim Hacker (SPD) . . . . . . . . . . . . Heinz-Peter Haustein (FDP) . . . . . . . . . . . . . Inge Höger (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . Daniela Wagner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 42: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Menschenrechte und Hu- manitäre Hilfe zu dem Entschließungsan- trag der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Tom Koenigs, Josef Philip Winkler, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN zu der Beratung der Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Tom Koenigs, Manuel Sarrazin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: 22094 A 22094 C 22095 B 22096 B 22097 B 22097 B 22098 C 22099 B 22100 B 22101 A 22102 B 22102 B 22104 A 22105 A 22105 D 22106 C 22107 D 22108 A 22108 D 22109 C 22110 B 22110 C 22111 B 22112 A 22112 A 22113 B 22114 C 22115 C 22116 D 22117 C X Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 Zur Situation von Roma in der Euro- päischen Union und in den (potentiel- len) EU-Beitrittskandidatenstaaten (Drucksachen 17/8868, 17/5536, 17/7131, 17/9915) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des In- nenausschusses zu dem Entschließungsan- trag der Abgeordneten Tom Koenigs, Volker Beck (Köln), Josef Philip Winkler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu der Be- ratung der Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Tom Koenigs, Manuel Sarrazin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Zur Situation von Roma in der Europäischen Union und in den (potentiellen) EU-Beitrittskandidaten- staaten (Drucksachen 17/8869, 17/5536, 17/7131, 17/9723) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Frieser (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Angelika Graf (Rosenheim) (SPD) . . . . . . . . . Pascal Kober (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Annette Groth (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 44: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für die Angelegenheiten der Euro- päischen Union zu dem Antrag der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ehr- licher Dialog über europäische Grund- werte und Grundrechte in Ungarn (Drucksachen 17/9032, 17/10004) . . . . . . . . . Dr. Johann Wadephul (CDU/CSU) . . . . . . . . . Karl Holmeier (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Michael Roth (Heringen) (SPD) . . . . . . . . . . . Joachim Spatz (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thomas Nord (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 45: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Arbeit und Soziales – zu dem Antrag der Abgeordneten Angelika Krüger-Leißner, Anette Kramme, Siegmund Ehrmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Die Schutzfunktion der Arbeitslosenversicherung stärken – Rahmenfrist verlängern – Regelung für kurz befristet Beschäftigte weiterentwi- ckeln – zu dem Antrag der Abgeordneten Sabine Zimmermann, Jutta Krellmann, Dr. Lukrezia Jochimsen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Arbeitslosengeld statt Hartz IV – Zugang zur Arbeitslo- senversicherung erleichtern – zu dem Antrag der Abgeordneten Brigitte Pothmer, Fritz Kuhn, Agnes Krumwiede, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Flexibel Beschäftigte in der Arbeitslosenversi- cherung besser absichern (Drucksachen 17/8574, 17/8586, 17/8579, 17/9612) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Max Straubinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Angelika Krüger-Leißner (SPD) . . . . . . . . . . Johannes Vogel (Lüdenscheid) (FDP) . . . . . . Jutta Krellmann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . Anlage 2 Namensverzeichnis der Mitglieder des Deut- schen Bundestages, die an der Wahl eines Mitglieds des Parlamentarischen Kontrollgre- miums gemäß Artikel 45 d des Grundgesetzes teilgenommen haben (Tagesordnungspunkt 6) Anlage 3 Namensverzeichnis der Mitglieder des Deut- schen Bundestages, die an der Wahl der Mitglieder des Sondergremiums gemäß § 3 Absatz 2 des Stabilisierungsmechanismusge- setzes teilgenommen haben (Tagesordnungs- punkt 7) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Ingrid Remmers, Ulla Jelpke, Kersten Steinke und Sabine Stüber (alle DIE LINKE) zur Ab- stimmung über die Beschlussempfehlung: Sammelübersicht 444 zu Petitionen (Tages- ordnungspunkt 53 m) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22118 B 22118 C 22118 D 22120 A 22121 C 22122 B 22123 C 22124 C 22125 A 22126 A 22127 D 22128 C 22129 A 22130 A 22131 B 22131 C 22132 D 22134 B 22135 A 22135 D 22136 D 22137 A 22137 B 22140 A 22142 A Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 XI Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Frank Schäffler (FDP) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes über die Feststel- lung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 2012 (Nachtragshaus- haltsgesetz 2012) (Tagesordnungspunkt 5 a) . Anlage 6 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Klaus-Peter Willsch und Manfred Kolbe (CDU/CSU) zur Abstimmung über den Ent- wurf eines Gesetzes über die Feststellung ei- nes Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 2012 (Nachtragshaushalts- gesetz 2012) (Tagesordnungspunkt 5 a) . . . . . Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des Antrags: Wirksame Maßnahmen gegen aus- beuterische Kinderarbeit durchsetzen (Tages- ordnungspunkt 12) Stefan Rebmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Beschlussempfehlung und Bericht zu dem Antrag: Fortbestand des Klosters Mor Gabriel sicherstellen – Antrag: – Kloster Mor Gabriel weiter schüt- zen (Tagesordnungspunkt 13 a und b) Ute Granold (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . Frank Heinrich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Angelika Graf (Rosenheim) (SPD) . . . . . . . . . Pascal Kober (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Lukrezia Jochimsen (DIE LINKE) . . . . . . Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Tokio-Konferenz zu einem ent- wicklungspolitischen Erfolg führen (Tages- ordnungspunkt 15) Sibylle Pfeiffer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Roderich Kiesewetter (CDU/CSU) . . . . . . . . . Stefan Rebmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Christiane Ratjen-Damerau (FDP) . . . . . Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Ute Koczy (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Unseriöses Inkasso zu Lasten der Verbraucherinnen und Verbraucher stop- pen (Tagesordnungspunkt 16) Marco Wanderwitz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Mechthild Heil (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Kerstin Tack (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stephan Thomae (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Erik Schweickert (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Caren Lay (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Auskunftspflichten der Europäi- schen Zentralbank einfordern und für eine ausreichende Eigenkapitalbasis der Kredit- wirtschaft sorgen (Tagesordnungspunkt 18) Ralph Brinkhaus (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Manfred Zöllmer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Holger Krestel (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Axel Troost (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 12 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Entwurf eines Gesetzes zur Einführung eines pauschalierenden Entgeltsystems für psychiatrische und psychosomatische Einrichtungen (Psych-Entgeltgesetz – PsychEntgG) – Beschlussempfehlung und Bericht zu den Anträgen: – Ergebnisoffene Prüfung der Fallpau- schalen in Krankenhäusern – Einführung eines pauschalierenden psy- chiatrischen Entgeltsystems zur qualita- tiven Weiterentwicklung der Versor- gung nutzen (Tagesordnungspunkt 19 a und b) Lothar Riebsamen (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 22143 A 22143 B 22143 D 22144 D 22145 D 22147 A 22148 B 22149 B 22149 D 22151 B 22152 C 22153 C 22154 B 22155 D 22156 C 22157 C 22158 B 22159 B 22160 D 22161 C 22162 C 22163 B 22164 A 22165 B 22166 B 22166 D 22167 B 22168 C XII Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 Hilde Mattheis (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Erwin Lotter (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Harald Weinberg (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 13 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts zu dem Antrag: Übersetzungserfordernisse der nationalen Parlamente in der mehrjährigen EU-Finanzplanung 2014 – 2020 berücksichti- gen – Übersetzungen auch im intergouverne- mentalen Rahmen sicherstellen (Tagesord- nungspunkt 20) Thomas Dörflinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Alois Karl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Roth (Heringen) (SPD) . . . . . . . . . . . Dr. Stefan Ruppert (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Andrej Hunko (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 14 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Für eine zukunftsfähige Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes und ein modernes Wasserstraßenmanagement (Ta- gesordnungspunkt 21) Matthias Lietz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Hans-Werner Kammer (CDU/CSU) . . . . . . . . Uwe Beckmeyer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gustav Herzog (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Torsten Staffeldt (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Herbert Behrens (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 15 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Antrag: Tagespflegepersonen stärken – Qualifikation steigern – Unterrichtung: Bericht der Bundesregie- rung über den Stand des Ausbaus für ein bedarfsgerechtes Angebot an Kindertages- betreuung für Kinder unter drei Jahren für das Berichtsjahr 2011 (Dritter Zwischen- bericht zur Evaluation des Kinderförde- rungsgesetzes) (Tagesordnungspunkt 22 a und b) Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU) . . Norbert Geis (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Caren Marks (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Miriam Gruß (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diana Golze (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . Katja Dörner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 16 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung: – Beschlussempfehlung zu den Anträgen – Kinder- und Jugendtourismus unter- stützen und weiter fördern – Reisen für Kinder und Jugendliche er- möglichen – Förderung sicherstellen und „Aktionsplan Kinder- und Jugendtou- rismus in Deutschland“ weiterentwi- ckeln – Beschlussempfehlung zu dem Antrag: – Mitgliedschaft in der International Or- ganisation of Social Tourism (Tagesordnungspunkt 28 a und b) Markus Tressel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 17 Erklärung der Abgeordneten Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstim- mung über die Beschlussempfehlung zu dem Antrag: Potenziale der Einrichtungen des Bundes mit Ressortforschungsaufgaben stär- ken (Tagesordnungspunkt 24) . . . . . . . . . . . . 22169 B 22170 D 22171 D 22173 A 22173 D 22175 A 22176 B 22177 B 22178 A 22178 D 22179 B 22180 C 22181 C 22182 B 22183 B 22184 A 22184 C 22185 B 22186 C 22187 C 22188 C 22189 D 22190 C 22191 B 22192 A 22193 C Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 21859 (A) (C) (D)(B) 184. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 Beginn: 9.01 Uhr
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    Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 22137 (A) (C) (D)(B) Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Bär, Dorothee CDU/CSU 14.06.2012 Bätzing-Lichtenthäler, Sabine SPD 14.06.2012 Bellmann, Veronika CDU/CSU 14.06.2012 Brinkmann (Hildes- heim), Bernhard SPD 14.06.2012 Dyckmans, Mechthild FDP 14.06.2012 Gohlke, Nicole DIE LINKE 14.06.2012 Hoppe, Thilo BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 14.06.2012 Kauder (Villingen- Schwenningen), Siegfried CDU/CSU 14.06.2012 Krichbaum, Gunther CDU/CSU 14.06.2012 Lemme, Steffen-Claudio SPD 14.06.2012 Leutheusser- Schnarrenberger, Sabine FDP 14.06.2012 Lindner, Christian FDP 14.06.2012 Menzner, Dorothée DIE LINKE 14.06.2012 Möller, Kornelia DIE LINKE 14.06.2012 Otto (Frankfurt), Hans-Joachim FDP 14.06.2012 Dr. Reinemund, Birgit FDP 14.06.2012 Rößner, Tabea BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 14.06.2012 Roth (Esslingen), Karin SPD 14.06.2012 Schmidt (Eisleben), Silvia SPD 14.06.2012 Schreiner, Ottmar SPD 14.06.2012 Süßmair, Alexander DIE LINKE 14.06.2012 Wagner, Daniela BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 14.06.2012 Dr. Westerwelle, Guido FDP 14.06.2012 Zapf, Uta SPD 14.06.2012 Zimmermann, Sabine DIE LINKE 14.06.2012 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Anlage 2 Namensverzeichnis der Mitglieder des Deutschen Bundestages, die an der Wahl eines Mitglieds des Parlamentarischen Kon- trollgremiums gemäß Artikel 45 d des Grundgesetzes teilgenommen haben (Tagesordnungspunkt 6) CDU/CSU Ilse Aigner Peter Altmaier Peter Aumer Thomas Bareiß Norbert Barthle Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen) Manfred Behrens (Börde) Dr. Christoph Bergner Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Dr. Maria Böhmer Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Wolfgang Bosbach Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Gitta Connemann Alexander Dobrindt Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Dr. Thomas Feist Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Hartwig Fischer (Göttingen) Dirk Fischer (Hamburg) Axel E. Fischer (Karlsruhe- Land) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Michael Frieser Erich G. Fritz Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Ingo Gädechens Dr. Peter Gauweiler Dr. Thomas Gebhart Norbert Geis Alois Gerig Eberhard Gienger Michael Glos Josef Göppel Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Ute Granold Reinhard Grindel Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Anlagen 22138 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 (A) (C) (D)(B) Manfred Grund Monika Grütters Olav Gutting Florian Hahn Dr. Stephan Harbarth Jürgen Hardt Gerda Hasselfeldt Dr. Matthias Heider Helmut Heiderich Mechthild Heil Ursula Heinen-Esser Frank Heinrich Rudolf Henke Michael Hennrich Jürgen Herrmann Ansgar Heveling Ernst Hinsken Peter Hintze Christian Hirte Robert Hochbaum Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Joachim Hörster Anette Hübinger Thomas Jarzombek Dieter Jasper Dr. Franz Josef Jung Andreas Jung (Konstanz) Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kampeter Alois Karl Bernhard Kaster Volker Kauder Dr. Stefan Kaufmann Roderich Kiesewetter Eckart von Klaeden Ewa Klamt Volkmar Klein Jürgen Klimke Axel Knoerig Jens Koeppen Manfred Kolbe Dr. Rolf Koschorrek Thomas Kossendey Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Bettina Kudla Dr. Hermann Kues Günter Lach Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) Andreas G. Lämmel Katharina Landgraf Ulrich Lange Dr. Max Lehmer Paul Lehrieder Dr. Ursula von der Leyen Ingbert Liebing Matthias Lietz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Dr. Jan-Marco Luczak Daniela Ludwig Dr. Michael Luther Karin Maag Dr. Thomas de Maizière Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Stephan Mayer (Altötting) Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Dr. Mathias Middelberg Philipp Mißfelder Dietrich Monstadt Marlene Mortler Dr. Gerd Müller Stefan Müller (Erlangen) Dr. Philipp Murmann Bernd Neumann (Bremen) Michaela Noll Dr. Georg Nüßlein Franz Obermeier Eduard Oswald Henning Otte Dr. Michael Paul Rita Pawelski Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Beatrix Philipp Ronald Pofalla Christoph Poland Ruprecht Polenz Eckhard Pols Thomas Rachel Dr. Peter Ramsauer Eckhardt Rehberg Katherina Reiche (Potsdam) Lothar Riebsamen Josef Rief Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Johannes Röring Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Erwin Rüddel Albert Rupprecht (Weiden) Anita Schäfer (Saalstadt) Dr. Wolfgang Schäuble Dr. Andreas Scheuer Karl Schiewerling Norbert Schindler Tankred Schipanski Georg Schirmbeck Christian Schmidt (Fürth) Patrick Schnieder Dr. Andreas Schockenhoff Nadine Schön (St. Wendel) Dr. Kristina Schröder (Wiesbaden) Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Armin Schuster (Weil am Rhein) Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Jens Spahn Carola Stauche Dr. Frank Steffel Erika Steinbach Christian Freiherr von Stetten Dieter Stier Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Karin Strenz Thomas Strobl (Heilbronn) Lena Strothmann Michael Stübgen Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Volkmar Vogel (Kleinsaara) Stefanie Vogelsang Andrea Astrid Voßhoff Dr. Johann Wadephul Marco Wanderwitz Kai Wegner Marcus Weinberg (Hamburg) Peter Weiß (Emmendingen) Sabine Weiss (Wesel I) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Elisabeth Winkelmeier- Becker Dagmar G. Wöhrl Dr. Matthias Zimmer Wolfgang Zöller Willi Zylajew SPD Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Heinz-Joachim Barchmann Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Klaus Barthel Sören Bartol Dirk Becker Uwe Beckmeyer Lothar Binding (Heidelberg) Gerd Bollmann Klaus Brandner Willi Brase Bernhard Brinkmann (Hildesheim) Edelgard Bulmahn Marco Bülow Ulla Burchardt Martin Burkert Petra Crone Dr. Peter Danckert Elvira Drobinski-Weiß Garrelt Duin Sebastian Edathy Ingo Egloff Siegmund Ehrmann Dr. h. c. Gernot Erler Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Elke Ferner Gabriele Fograscher Dr. Edgar Franke Dagmar Freitag Michael Gerdes Martin Gerster Iris Gleicke Günter Gloser Ulrike Gottschalck Angelika Graf (Rosenheim) Kerstin Griese Michael Groschek Michael Groß Wolfgang Gunkel Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Michael Hartmann (Wackernheim) Hubertus Heil (Peine) Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Gustav Herzog Gabriele Hiller-Ohm Petra Hinz (Essen) Frank Hofmann (Volkach) Dr. Eva Högl Christel Humme Josip Juratovic Oliver Kaczmarek Johannes Kahrs Dr. h. c. Susanne Kastner Ulrich Kelber Lars Klingbeil Dr. Bärbel Kofler Daniela Kolbe (Leipzig) Fritz Rudolf Körper Anette Kramme Angelika Krüger-Leißner Ute Kumpf Christine Lambrecht Christian Lange (Backnang) Dr. Karl Lauterbach Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Kirsten Lühmann Caren Marks Hilde Mattheis Petra Merkel (Berlin) Ullrich Meßmer Dr. Matthias Miersch Franz Müntefering Dr. Rolf Mützenich Andrea Nahles Dietmar Nietan Manfred Nink Thomas Oppermann Holger Ortel Aydan Özoğuz Heinz Paula Johannes Pflug Joachim Poß Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Mechthild Rawert Stefan Rebmann Gerold Reichenbach Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 22139 (A) (C) (D)(B) Dr. Carola Reimann Sönke Rix René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Michael Roth (Heringen) Marlene Rupprecht (Tuchenbach) Annette Sawade Axel Schäfer (Bochum) Bernd Scheelen Marianne Schieder (Schwandorf) Werner Schieder (Weiden) Ulla Schmidt (Aachen) Carsten Schneider (Erfurt) Swen Schulz (Spandau) Ewald Schurer Frank Schwabe Dr. Martin Schwanholz Rolf Schwanitz Stefan Schwartze Rita Schwarzelühr-Sutter Dr. Carsten Sieling Sonja Steffen Peer Steinbrück Dr. Frank-Walter Steinmeier Christoph Strässer Kerstin Tack Dr. h. c. Wolfgang Thierse Franz Thönnes Wolfgang Tiefensee Rüdiger Veit Ute Vogt Dr. Marlies Volkmer Andrea Wicklein Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Dieter Wiefelspütz Waltraud Wolff (Wolmirstedt) Dagmar Ziegler Manfred Zöllmer Brigitte Zypries FDP Jens Ackermann Christian Ahrendt Christine Aschenberg- Dugnus Daniel Bahr (Münster) Florian Bernschneider Sebastian Blumenthal Claudia Bögel Nicole Bracht-Bendt Klaus Breil Rainer Brüderle Angelika Brunkhorst Ernst Burgbacher Marco Buschmann Sylvia Canel Helga Daub Reiner Deutschmann Bijan Djir-Sarai Patrick Döring Rainer Erdel Jörg van Essen Ulrike Flach Otto Fricke Dr. Edmund Peter Geisen Dr. Wolfgang Gerhardt Hans-Michael Goldmann Heinz Golombeck Miriam Gruß Joachim Günther (Plauen) Dr. Christel Happach-Kasan Heinz-Peter Haustein Manuel Höferlin Elke Hoff Birgit Homburger Heiner Kamp Michael Kauch Dr. Lutz Knopek Pascal Kober Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Dr. h. c. Jürgen Koppelin Sebastian Körber Holger Krestel Patrick Kurth (Kyffhäuser) Heinz Lanfermann Sibylle Laurischk Harald Leibrecht Lars Lindemann Dr. Martin Lindner (Berlin) Michael Link (Heilbronn) Dr. Erwin Lotter Oliver Luksic Horst Meierhofer Patrick Meinhardt Gabriele Molitor Jan Mücke Petra Müller (Aachen) Burkhardt Müller-Sönksen Dr. Martin Neumann (Lausitz) Dirk Niebel Cornelia Pieper Gisela Piltz Jörg von Polheim Dr. Christiane Ratjen- Damerau Dr. Peter Röhlinger Dr. Stefan Ruppert Björn Sänger Frank Schäffler Christoph Schnurr Jimmy Schulz Marina Schuster Dr. Erik Schweickert Werner Simmling Judith Skudelny Dr. Hermann Otto Solms Joachim Spatz Dr. Max Stadler Torsten Staffeldt Dr. Rainer Stinner Stephan Thomae Manfred Todtenhausen Florian Toncar Serkan Tören Johannes Vogel (Lüdenscheid) Dr. Daniel Volk Dr. Claudia Winterstein Hartfrid Wolff (Rems-Murr) DIE LINKE Jan van Aken Agnes Alpers Dr. Dietmar Bartsch Karin Binder Matthias W. Birkwald Steffen Bockhahn Christine Buchholz Eva Bulling-Schröter Dr. Martina Bunge Roland Claus Dr. Diether Dehm Heidrun Dittrich Werner Dreibus Dr. Dagmar Enkelmann Klaus Ernst Wolfgang Gehrcke Diana Golze Annette Groth Dr. Gregor Gysi Dr. Rosemarie Hein Inge Höger Dr. Barbara Höll Andrej Hunko Ulla Jelpke Dr. Lukrezia Jochimsen Katja Kipping Harald Koch Jan Korte Jutta Krellmann Katrin Kunert Caren Lay Sabine Leidig Ralph Lenkert Michael Leutert Stefan Liebich Ulla Lötzer Dr. Gesine Lötzsch Thomas Lutze Ulrich Maurer Cornelia Möhring Niema Movassat Wolfgang Nešković Thomas Nord Petra Pau Jens Petermann Richard Pitterle Yvonne Ploetz Ingrid Remmers Paul Schäfer (Köln) Michael Schlecht Dr. Ilja Seifert Kathrin Senger-Schäfer Raju Sharma Dr. Petra Sitte Kersten Steinke Sabine Stüber Dr. Kirsten Tackmann Frank Tempel Dr. Axel Troost Alexander Ulrich Kathrin Vogler Johanna Voß Sahra Wagenknecht Halina Wawzyniak Harald Weinberg Katrin Werner Jörn Wunderlich BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Marieluise Beck (Bremen) Volker Beck (Köln) Cornelia Behm Birgitt Bender Agnes Brugger Viola von Cramon-Taubadel Ekin Deligöz Katja Dörner Harald Ebner Hans-Josef Fell Dr. Thomas Gambke Kai Gehring Katrin Göring-Eckardt Britta Haßelmann Bettina Herlitzius Priska Hinz (Herborn) Dr. Anton Hofreiter Bärbel Höhn Ingrid Hönlinger Uwe Kekeritz Katja Keul Sven-Christian Kindler Maria Klein-Schmeink Ute Koczy Tom Koenigs Sylvia Kotting-Uhl Oliver Krischer Agnes Krumwiede Stephan Kühn Renate Künast Markus Kurth Undine Kurth (Quedlinburg) Monika Lazar Dr. Tobias Lindner Nicole Maisch Jerzy Montag Kerstin Müller (Köln) Beate Müller-Gemmeke Dr. Konstantin von Notz Omid Nouripour Friedrich Ostendorff Dr. Hermann E. Ott Lisa Paus Brigitte Pothmer Claudia Roth (Augsburg) Krista Sager Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Dr. Gerhard Schick Dr. Frithjof Schmidt Ulrich Schneider Dorothea Steiner Dr. Wolfgang Strengmann- Kuhn Hans-Christian Ströbele Dr. Harald Terpe Markus Tressel Jürgen Trittin Beate Walter-Rosenheimer Wolfgang Wieland Dr. Valerie Wilms Josef Philip Winkler 22140 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 (A) (C) (D)(B) Anlage 3 Namensverzeichnis der Mitglieder des Deutschen Bundestages, die an der Wahl der Mitglieder des Sondergremiums gemäß § 3 Absatz 2 des Stabilisierungsmechanismusgesetzes teilgenommen haben (Tagesordnungspunkt 7) CDU/CSU Ilse Aigner Peter Altmaier Peter Aumer Thomas Bareiß Norbert Barthle Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen) Manfred Behrens (Börde) Dr. Christoph Bergner Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Dr. Maria Böhmer Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Wolfgang Bosbach Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Gitta Connemann Alexander Dobrindt Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Dr. Thomas Feist Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Hartwig Fischer (Göttingen) Dirk Fischer (Hamburg) Axel E. Fischer (Karlsruhe- Land) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Herbert Frankenhauser Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Michael Frieser Erich G. Fritz Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Alexander Funk Ingo Gädechens Dr. Peter Gauweiler Dr. Thomas Gebhart Norbert Geis Alois Gerig Eberhard Gienger Michael Glos Josef Göppel Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Ute Granold Reinhard Grindel Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Monika Grütters Olav Gutting Florian Hahn Dr. Stephan Harbarth Jürgen Hardt Gerda Hasselfeldt Dr. Matthias Heider Helmut Heiderich Mechthild Heil Ursula Heinen-Esser Frank Heinrich Rudolf Henke Michael Hennrich Jürgen Herrmann Ansgar Heveling Ernst Hinsken Peter Hintze Christian Hirte Robert Hochbaum Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Joachim Hörster Anette Hübinger Thomas Jarzombek Dieter Jasper Dr. Franz Josef Jung Andreas Jung (Konstanz) Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kampeter Alois Karl Bernhard Kaster Volker Kauder Dr. Stefan Kaufmann Roderich Kiesewetter Eckart von Klaeden Ewa Klamt Volkmar Klein Jürgen Klimke Axel Knoerig Jens Koeppen Manfred Kolbe Dr. Rolf Koschorrek Thomas Kossendey Michael Kretschmer Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Bettina Kudla Dr. Hermann Kues Günter Lach Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) Andreas G. Lämmel Dr. Norbert Lammert Katharina Landgraf Ulrich Lange Dr. Max Lehmer Paul Lehrieder Dr. Ursula von der Leyen Ingbert Liebing Matthias Lietz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Dr. Jan-Marco Luczak Daniela Ludwig Dr. Michael Luther Karin Maag Dr. Thomas de Maizière Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Stephan Mayer (Altötting) Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Dr. Mathias Middelberg Philipp Mißfelder Dietrich Monstadt Marlene Mortler Dr. Gerd Müller Stefan Müller (Erlangen) Dr. Philipp Murmann Bernd Neumann (Bremen) Michaela Noll Dr. Georg Nüßlein Franz Obermeier Eduard Oswald Henning Otte Dr. Michael Paul Rita Pawelski Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Beatrix Philipp Ronald Pofalla Christoph Poland Ruprecht Polenz Eckhard Pols Thomas Rachel Dr. Peter Ramsauer Eckhardt Rehberg Katherina Reiche (Potsdam) Lothar Riebsamen Josef Rief Klaus Riegert Johannes Röring Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Erwin Rüddel Albert Rupprecht (Weiden) Anita Schäfer (Saalstadt) Dr. Wolfgang Schäuble Dr. Andreas Scheuer Karl Schiewerling Norbert Schindler Tankred Schipanski Georg Schirmbeck Christian Schmidt (Fürth) Patrick Schnieder Dr. Andreas Schockenhoff Nadine Schön (St. Wendel) Dr. Kristina Schröder (Wiesbaden) Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Armin Schuster (Weil am Rhein) Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Jens Spahn Carola Stauche Dr. Frank Steffel Erika Steinbach Christian Freiherr von Stetten Dieter Stier Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Karin Strenz Thomas Strobl (Heilbronn) Lena Strothmann Michael Stübgen Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Volkmar Vogel (Kleinsaara) Stefanie Vogelsang Andrea Astrid Voßhoff Dr. Johann Wadephul Marco Wanderwitz Kai Wegner Marcus Weinberg (Hamburg) Peter Weiß (Emmendingen) Sabine Weiss (Wesel I) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Elisabeth Winkelmeier- Becker Dagmar G. Wöhrl Dr. Matthias Zimmer Wolfgang Zöller Willi Zylajew SPD Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Heinz-Joachim Barchmann Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 22141 (A) (C) (D)(B) Klaus Barthel Sören Bartol Dirk Becker Uwe Beckmeyer Lothar Binding (Heidelberg) Gerd Bollmann Klaus Brandner Willi Brase Bernhard Brinkmann (Hildesheim) Edelgard Bulmahn Marco Bülow Ulla Burchardt Martin Burkert Petra Crone Dr. Peter Danckert Martin Dörmann Elvira Drobinski-Weiß Garrelt Duin Sebastian Edathy Ingo Egloff Siegmund Ehrmann Dr. h. c. Gernot Erler Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Elke Ferner Gabriele Fograscher Dr. Edgar Franke Dagmar Freitag Michael Gerdes Martin Gerster Iris Gleicke Günter Gloser Ulrike Gottschalck Angelika Graf (Rosenheim) Kerstin Griese Michael Groschek Michael Groß Wolfgang Gunkel Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Michael Hartmann (Wackernheim) Hubertus Heil (Peine) Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Gustav Herzog Gabriele Hiller-Ohm Petra Hinz (Essen) Frank Hofmann (Volkach) Dr. Eva Högl Christel Humme Josip Juratovic Oliver Kaczmarek Johannes Kahrs Dr. h. c. Susanne Kastner Ulrich Kelber Lars Klingbeil Dr. Bärbel Kofler Daniela Kolbe (Leipzig) Fritz Rudolf Körper Anette Kramme Angelika Krüger-Leißner Ute Kumpf Christine Lambrecht Christian Lange (Backnang) Dr. Karl Lauterbach Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Kirsten Lühmann Caren Marks Hilde Mattheis Petra Merkel (Berlin) Ullrich Meßmer Dr. Matthias Miersch Franz Müntefering Dr. Rolf Mützenich Andrea Nahles Dietmar Nietan Manfred Nink Thomas Oppermann Holger Ortel Aydan Özoğuz Heinz Paula Johannes Pflug Joachim Poß Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Mechthild Rawert Stefan Rebmann Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Sönke Rix René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Michael Roth (Heringen) Marlene Rupprecht (Tuchenbach) Annette Sawade Axel Schäfer (Bochum) Bernd Scheelen Marianne Schieder (Schwandorf) Werner Schieder (Weiden) Ulla Schmidt (Aachen) Carsten Schneider (Erfurt) Swen Schulz (Spandau) Ewald Schurer Frank Schwabe Dr. Martin Schwanholz Rolf Schwanitz Stefan Schwartze Rita Schwarzelühr-Sutter Dr. Carsten Sieling Sonja Steffen Peer Steinbrück Dr. Frank-Walter Steinmeier Christoph Strässer Kerstin Tack Dr. h. c. Wolfgang Thierse Franz Thönnes Wolfgang Tiefensee Rüdiger Veit Ute Vogt Dr. Marlies Volkmer Andrea Wicklein Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Dieter Wiefelspütz Waltraud Wolff (Wolmirstedt) Dagmar Ziegler Manfred Zöllmer Brigitte Zypries FDP Jens Ackermann Christian Ahrendt Christine Aschenberg- Dugnus Daniel Bahr (Münster) Florian Bernschneider Sebastian Blumenthal Claudia Bögel Nicole Bracht-Bendt Klaus Breil Rainer Brüderle Angelika Brunkhorst Ernst Burgbacher Marco Buschmann Sylvia Canel Helga Daub Reiner Deutschmann Bijan Djir-Sarai Patrick Döring Rainer Erdel Jörg van Essen Ulrike Flach Otto Fricke Dr. Edmund Peter Geisen Dr. Wolfgang Gerhardt Hans-Michael Goldmann Heinz Golombeck Miriam Gruß Joachim Günther (Plauen) Dr. Christel Happach-Kasan Heinz-Peter Haustein Manuel Höferlin Elke Hoff Birgit Homburger Heiner Kamp Michael Kauch Dr. Lutz Knopek Pascal Kober Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Dr. h. c. Jürgen Koppelin Sebastian Körber Holger Krestel Patrick Kurth (Kyffhäuser) Heinz Lanfermann Sibylle Laurischk Harald Leibrecht Lars Lindemann Dr. Martin Lindner (Berlin) Michael Link (Heilbronn) Dr. Erwin Lotter Oliver Luksic Horst Meierhofer Patrick Meinhardt Gabriele Molitor Jan Mücke Petra Müller (Aachen) Burkhardt Müller-Sönksen Dr. Martin Neumann (Lausitz) Dirk Niebel Cornelia Pieper Gisela Piltz Jörg von Polheim Dr. Christiane Ratjen- Damerau Dr. Peter Röhlinger Dr. Stefan Ruppert Björn Sänger Frank Schäffler Christoph Schnurr Jimmy Schulz Marina Schuster Dr. Erik Schweickert Werner Simmling Judith Skudelny Dr. Hermann Otto Solms Joachim Spatz Dr. Max Stadler Torsten Staffeldt Dr. Rainer Stinner Stephan Thomae Manfred Todtenhausen Florian Toncar Serkan Tören Johannes Vogel (Lüdenscheid) Dr. Daniel Volk Dr. Claudia Winterstein Hartfrid Wolff (Rems-Murr) DIE LINKE Jan van Aken Agnes Alpers Dr. Dietmar Bartsch Karin Binder Matthias W. Birkwald Steffen Bockhahn Christine Buchholz Eva Bulling-Schröter Dr. Martina Bunge Roland Claus Dr. Diether Dehm Heidrun Dittrich Werner Dreibus Dr. Dagmar Enkelmann Klaus Ernst Wolfgang Gehrcke Diana Golze Annette Groth Dr. Gregor Gysi Dr. Rosemarie Hein Inge Höger Dr. Barbara Höll Andrej Hunko Ulla Jelpke Dr. Lukrezia Jochimsen Katja Kipping Harald Koch Jan Korte Jutta Krellmann Katrin Kunert Caren Lay Sabine Leidig Ralph Lenkert Michael Leutert Stefan Liebich Ulla Lötzer Dr. Gesine Lötzsch Thomas Lutze Ulrich Maurer Cornelia Möhring Niema Movassat Wolfgang Nešković 22142 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 (A) (C) (D)(B) Thomas Nord Petra Pau Jens Petermann Richard Pitterle Yvonne Ploetz Ingrid Remmers Paul Schäfer (Köln) Michael Schlecht Dr. Ilja Seifert Kathrin Senger-Schäfer Raju Sharma Dr. Petra Sitte Kersten Steinke Sabine Stüber Dr. Kirsten Tackmann Frank Tempel Dr. Axel Troost Alexander Ulrich Kathrin Vogler Johanna Voß Sahra Wagenknecht Halina Wawzyniak Harald Weinberg Katrin Werner Jörn Wunderlich BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Marieluise Beck (Bremen) Volker Beck (Köln) Cornelia Behm Birgitt Bender Agnes Brugger Viola von Cramon-Taubadel Ekin Deligöz Katja Dörner Harald Ebner Hans-Josef Fell Dr. Thomas Gambke Kai Gehring Katrin Göring-Eckardt Britta Haßelmann Bettina Herlitzius Priska Hinz (Herborn) Dr. Anton Hofreiter Bärbel Höhn Ingrid Hönlinger Uwe Kekeritz Katja Keul Sven-Christian Kindler Maria Klein-Schmeink Ute Koczy Tom Koenigs Sylvia Kotting-Uhl Oliver Krischer Agnes Krumwiede Stephan Kühn Renate Künast Markus Kurth Undine Kurth (Quedlinburg) Monika Lazar Dr. Tobias Lindner Nicole Maisch Jerzy Montag Kerstin Müller (Köln) Beate Müller-Gemmeke Dr. Konstantin von Notz Omid Nouripour Friedrich Ostendorff Dr. Hermann E. Ott Lisa Paus Brigitte Pothmer Claudia Roth (Augsburg) Krista Sager Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Dr. Gerhard Schick Dr. Frithjof Schmidt Ulrich Schneider Dorothea Steiner Dr. Wolfgang Strengmann- Kuhn Hans-Christian Ströbele Dr. Harald Terpe Markus Tressel Jürgen Trittin Beate Walter-Rosenheimer Wolfgang Wieland Dr. Valerie Wilms Josef Philip Winkler Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Ingrid Remmers, Ulla Jelpke, Kersten Steinke und Sabine Stüber (alle DIE LINKE) zur Abstimmung über die Be- schlussempfehlung: Sammelübersicht 444 zu Petitionen (Tagesordnungspunkt 53 m) Wir stimmen – wie auch schon in der Sitzung des Pe- titionsausschusses – gegen den Abschluss der Petition zur Abschaffung der Residenzpflicht. Dem Anliegen der Petition wurde in keiner Weise ent- sprochen, denn bei den jüngst beschlossenen Gesetzes- änderungen handelt es sich lediglich um Korrekturen im Detail, die den menschenrechtlichen Skandal der „Resi- denzpflicht“ insgesamt unverändert bestehen lassen. Wir lehnen das ab. Der fortbestehende Skandal be- steht darin, dass das Menschenrecht auf Bewegungsfrei- heit ohne stichhaltige Begründung – zur Abschreckung – eingeschränkt wird und Verstöße mit erheblichen Strafen – bis hin zur Freiheitsstrafe und der späteren Verweigerung eines Bleiberechts unter Hinweis auf eben diese Strafen – geahndet werden. Die beschlossenen Gesetzesänderungen halten im Grundsatz an den Beschränkungen der Bewegungsfrei- heit, an der Genehmigungspflicht und an den strafrecht- lichen Sanktionen fest. Es steht nunmehr lediglich im Ermessen der Behörden, den eingeschränkten Kreis der Bewegungsfreiheit etwas weiter zu ziehen. Weitere Aus- nahmeregelungen gelten nur für Personen, an deren Ver- bleib in Deutschland ein besonderes staatliches Interesse besteht, wie zum Beispiel junge und gut ausgebildete Menschen. Diese selektive Herangehensweise aber steht im Widerspruch zur bedingungslosen Gewährleistung von Menschenrechten. Eine große Gruppe von Betroffe- nen kann in der Praxis von den Gesetzesänderungen nicht profitieren, wenn ihnen eine Nichtmitwirkung ge- genüber den Behörden oder „Straftaten“ vorgehalten werden. Wir sind nicht einverstanden, dass infolge der im Grundsatz weiter bestehenden Residenzpflicht rassisti- sche Kontrollen der Polizei gefördert werden, die sich nach Äußerlichkeiten von einzelnen Personen richten. In der Beschlussempfehlung heißt es: „Die in § 56 AsylVfG getroffenen Regelungen zur räumlichen Be- schränkung von Asylbewerbern dienen einer gleichmä- ßigen Verteilung der mit der Aufnahme von Asylbewer- bern verbundenen Aufgaben und Belastungen auf die Länder und Kommunen und bewirken durch die jeder- zeitige Erreichbarkeit der Asylantragsteller eine Be- schleunigung der Verfahren. Das Gleiche gilt für in Deutschland geduldete Ausländer. Dies ist in keiner Weise zutreffend. Zunächst ist der Begriff „Residenzpflicht“ erläuterungsbedürftig, da es in der öffentlichen und politischen Debatte hierum – und auch in der Petition – nicht (vorrangig) um die Pflicht geht, einen bestimmten Aufenthaltsort zu nehmen – diese sogenannte „Verteilung“ wird in den §§ 44 f. AsylVfG geregelt und nicht in § 56 AsylVfG, sondern um die Beschränkungen der Bewegungsfreiheit. Letzte- res ist gerade nicht erforderlich, um eine „gleichmäßige Verteilung“ der Asylsuchenden und der damit verbunde- nen Aufgaben auf die Länder zu bewirken. Auch eine Beschleunigung des Asylverfahrens wird mit der Residenzpflicht nicht erreicht, denn die Betroffe- nen müssen ohnehin sicherstellen, dass sie jederzeit er- reichbar sind. Wenn dies nicht der Fall ist, geht dies zu ihren Lasten, vergleiche § 10 AsylVfG. „Das Gleiche“ – Beschlussempfehlung – kann für Geduldete schon gar nicht gelten, weil sie kein Asylverfahren betreiben. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 22143 (A) (C) (D)(B) Was die „jederzeitige Erreichbarkeit“ – etwa für Ab- schiebungen – betrifft, ist auch dies kein Argument. Konkret von Abschiebung bedrohte Menschen, die sich einer Abschiebung entziehen wollen, tauchen unter. Dies hat mit der Frage ihrer Bewegungsfreiheit bis zu dem Zeitpunkt einer konkret beabsichtigten Durchsetzung der Abschiebung nichts zu tun, und keine Vorschrift zur Be- schränkung der Bewegungsfreiheit kann sie hiervon ab- halten, wenn sie dies aus Angst vor den Folgen einer Ab- schiebung für richtig halten Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Frank Schäffler (FDP) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Bun- deshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 2012 (Nachtragshaushaltsgesetz 2012) (Tagesord- nungspunkt 5 a) Der Nachtragshaushalt 2012 schafft die haushalts- rechtlichen Voraussetzungen, um die noch in diesem Jahr erforderliche Einzahlung der ersten beiden Tran- chen des deutschen Anteils am Eigenkapital des Euro- päischen Stabilisierungsmechanismus, ESM, leisten zu können. Es geht um eine Summe von 8,687 Milliarden Euro. Entscheidend für die Ausgabe ist indes die Rati- fikation des ESM-Vertrags. Wenn der ESM-Vertrag nicht ratifiziert wird, dann entfällt die Verpflichtung zur Be- zahlung der Einlage. Die parlamentarische Debatte über die Richtigkeit des ESM ist bei seiner Ratifikation zu führen, nicht im Rahmen des Nachtragshaushalts. Ob- wohl ich gegen die Ratifizierung des ESM stimmen werde, stimme ich daher dem Nachtragshaushalt zu. Anlage 6 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Klaus-Peter Willsch und Manfred Kolbe (CDU/CSU) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes über die Fest- stellung eines Nachtrags zum Bundeshaushalts- plan für das Haushaltsjahr 2012 (Nachtrags- haushaltsgesetz 2012) (Tagesordnungspunkt 5 a) Wir werden dem Nachtragshaushalt nicht zustimmen, weil mit dem Nachtragshaushalt die Voraussetzung dafür geschaffen wird, dass Deutschland die ersten beiden Ra- ten in Höhe von etwa 8,7 Milliarden Euro in den ESM einzahlen kann. Dieses Geld ist etwa ein Drittel von dem, was wir in diesem Jahr dem Bundesverkehrsminis- terium zur Verfügung gestellt haben. Gleichzeitig wird zu Recht allerorten ein riesiger Investitionsstau in unsere Verkehrsinfrastruktur beklagt. Im Gegensatz zum Ausbau unserer Infrastruktur ist das Geld beim ESM denkbar schlecht angelegt. Das Dogma der Bail-out-Politik, Staaten um jedem Preis vor einem Staatsbankrott zu bewahren und in der Euro-Zone zu behalten, ist ökonomisch falsch. Einigen Staaten hängt der starke Euro wie ein Mühlstein um den Hals. Die Hoffnung, dass sich die Wirtschaften im Euro-Raum einander annähern, hat sich nicht bewahrheitet. Eine Währungsunion muss allen ihren Mitgliedern nutzen. Es führt kein Weg an einem neuen Zuschnitt der Euro-Zone vorbei. Der ESM zementiert den Weg in eine Schuldenunion und institutionalisiert den fortgesetzten Vertragsbruch. Damit haben wir den Vertrag von Maastricht auf den Kopf gestellt. Dies ist genau das Gegenteil von dem, was wir den Menschen bei der Einführung des Euro verspro- chen haben. Ohne jegliche Legitimation verwandeln wir die Europäische Union in ein Gebilde, das wir nie haben wollten. Seit dem Ausbruch der Euro-Krise im Frühjahr 2010 haben sämtliche Wahlen in den Mitgliedstaaten zu Regierungswechseln geführt. Wir müssen die Menschen mitnehmen und nicht das bürokratische Europa der Eli- ten noch weiter ausbauen. Wir sprechen uns für mehr Transparenz und Bürger- nähe der europäischen Institutionen aus, schaffen aber immer weiter Bürokratie. Europa stand einst für die „Einheit durch Vielfalt“. Gerade wir Deutsche mit unse- rem föderalen Staatsaufbau müssten uns gegen immer mehr Zentralismus und Gleichheitswahn erwehren. Wir brauchen keine gleichgemähte Wiese. Nur wenn dem Prinzip der Eigenverantwortlichkeit wieder Geltung ver- schafft werden wird, können die Wirtschaften Europas wieder blühen. Die Vielfalt war, was Europa immer stark gemacht hat. Der eingeschlagene Weg führt uns unwei- gerlich immer tiefer in die Krise und entzweit die Völ- ker. Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des Antrags: Wirksame Maßnah- men gegen ausbeuterische Kinderarbeit durch- setzen (Tagesordnungspunkt 12) Stefan Rebmann (SPD): Kofi Annan hat einmal ge- sagt: „Am Ende wird die Geschichte uns nicht an dem, was wir sagen, messen, sondern an dem, was wir tun.“ Also: Dann reden wir nicht nur von und über die Kinder- arbeit, sondern tun wir etwas dagegen – glaubhaft, nach- vollziehbar und wirkungsvoll. Ja, es gibt zahlreiche internationale Abkommen gegen Kinderarbeit bei der ILO, es gibt die UN-Kinderrechts- konvention, und wir hören in vielen schönen Reden, wie schlimm das alles mit der Kinderarbeit ist. Nur Reden und Abkommen alleine helfen nicht, wir müssen auch konsequent handeln. Immer noch müssen über 220 Millionen Kinder mehr als zwölf Stunden tagtäglich schuften. Die Ursache für Kinderarbeit ist in erster Linie die enorme Armut, die in vielen Ländern herrscht. Durch unsere Geiz-ist-geil- und Billig-billig-will-ich-haben-Mentalität sind wir auch mitverantwortlich für ausbeuterische Produktionsstruk- turen, Lohndumping und Kinderarbeit. Damit sind wir auch mitverantwortlich, wenn Kinder zum Lebensunter- 22144 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 (A) (C) (D)(B) halt – und zum Überleben – ihrer Familien beitragen müssen. Wir dürfen es nicht weiter zulassen, dass Kinder ihrer Kindheit beraubt werden, dass ihnen die Zeit zum Er- wachsenwerden, Spielen und Träumen gestohlen wird, und wir dürfen es nicht zulassen, dass ihnen Bildungs- chancen und damit Lebenschancen genommen werden. Denn wer von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang ar- beiten muss, kann nicht zur Schule gehen. Welch eine Vergeudung von Ressourcen und Lebenschancen. Ich will gar nicht wissen, wie viele kleine unentdeckte Ein- steins der Kinderarbeit schon zum Opfer gefallen sind. Bildung ist der wichtigste Schlüssel zur Bekämpfung von Armut, und deshalb müssen wir die Bekämpfung von Armut und Kinderarbeit, den Aufbau von sozialen Sicherungssystemen und die Bildung zu einem Schwer- punkt unserer Entwicklungspolitik machen. Vielen von uns ist gar nicht bewusst, dass viele Pro- dukte und Lebensmittel oft auch durch ausbeuterische Kinderarbeit mit produziert werden. Wer von uns weiß schon, dass selbst vor Grabsteinen aus Kinderhand nicht haltgemacht wird. Viele klatschen Beifall, wenn ich sage: Wer arbeitet, muss auch von seiner Hände Arbeit leben können. 87 Prozent der Deutschen sind für einen gesetzlichen Mindestlohn und gegen Lohndumping. Wenn wir für all das sind und nicht nur an uns denken, dann müssen wir mehr als bisher gegen Kinderarbeit vorgehen – und auch deshalb unser heutiger Antrag. Aber nicht nur wir Politiker und Politikerinnen sind gefordert, auch die Verbraucher können einiges dafür tun, dass sich Unternehmen an sozialverträgliche Nor- men halten. Nehmen wir als Beispiel Schokolade: NGOs und Ge- werkschaften fordern seit langem bessere Bedingungen für die Bauern und faire Handelsbedingungen. 12,4 Pro- zent des weltweit angebauten Kakaos wird bei uns ver- arbeitet; jede achte geerntete Kakaobohne wird in Deutschland konsumiert, und von hier aus bedienen wir den zweitgrößten Schokoladenmarkt weltweit. In den letzten zehn Jahren ist der Kakaopreis ständig gesunken, und gleichzeitig ist der Verbrauch von Schokolade enorm gestiegen. Höhere Renditen und Gewinne bei sinkenden Ern- teerlösen für die Bauern stehen in einem engen Zusam- menhang mit Kinderarbeit und Armut. Wollen wir wirklich Kinderschokolade von Kindern für Kinder pro- duziert, mitproduziert von ausgebeuteten armen Kindern in Afrika für glückliche Wohlstandskinder hier bei uns? Wollen wir das wirklich? Ein Cent mehr an Produktionskosten für das Überra- schungsei, und unsere Kinder würden Schokolade essen können, die nicht durch Kinderarbeit produziert wurde. Fairer Handel und faire Arbeitsbedingungen ohne Kinderarbeit überall auf der Welt lassen sich nur dann durchsetzen, wenn wir auch als Verbraucher bereit sind, für das Produkt einen fairen Preis zu zahlen. Letztend- lich werden alle Beteiligten am Wertschöpfungsprozess und die Regierungen zusammenarbeiten müssen, um für faire Bedingungen zu sorgen. Ich fordere deshalb die Bundesregierung auf, dafür zu sorgen, dass künftig alle Unternehmen eine lückenlose Prüfung ihrer Zulieferketten vornehmen müssen. Für die Verbraucher muss klar erkenntlich sein, bei welchen Produkten in der Herstellung soziale Mindeststandards eingehalten werden. Wir brauchen ein einheitliches Zertifizierungssystem. In jedes EU-Handelsabkommen muss das Verbot von Kinderarbeit aufgenommen werden. Ich will eine Rote Karte für Unternehmen, die meinen, mit Kinderarbeit hier bei uns Geschäfte machen zu können. Nicht an unseren Worten, sondern an unseren Tagen werden wir uns messen lassen müssen. Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Beschlussempfehlung und Bericht zu dem Antrag: Fortbestand des Klosters Mor Gabriel sicherstellen – Antrag: Kloster Mor Gabriel weiter schützen (Tagesordnungspunkt 13 a und b) Ute Granold (CDU/CSU): Nach den Ausschussbera- tungen befassen wir uns heute erneut mit unserem Koali- tionsantrag zum Erhalt des syrisch-orthodoxen Klosters Mor Gabriel im Tur Abdin im Südosten der Türkei. Denn dieses und andere Klöster sehen sich nach wie vor durch eine Reihe von Gerichtsverfahren in ihrer Existenz bedroht. Ich begrüße es sehr, dass wir heute in der Sache große Übereinstimmung erzielt haben, das Kloster Mor Gabriel in Deutschland und Europa auch weiterhin aktiv beim Kampf um seine Existenz zu unterstützen. Zwar haben in den vergangenen Jahren Vertreter der Bundesregierung und Bundestagsabgeordnete – ich selbst war zuletzt im Oktober 2011 vor Ort – mehrfach auf die Probleme des Klosters hingewiesen und diese auch in Gesprächen mit der türkischen Regierung zur Sprache gebracht, an der Situation des Klosters hat sich aber bislang nichts geändert. Es besteht demnach noch immer dringend Handlungsbedarf. Die heutige Türkei versteht sich als weltlicher Staat, der zu Europa gehören und der EU beitreten will, doch verweigert sie den wenigen verbliebenen Christen ele- mentare Rechte bzw. Menschenrechte. Dies wird gerade auch durch die Zwangsenteignung des Klosters Mor Gabriel, einem der ältesten christlichen Klöster der Welt, belegt. Heute leben weniger als 100 000 Christen in der Tür- kei und stellen nur noch 0,2 Prozent der Bevölkerung des Landes dar. Diese Zahl ist in den vergangenen Jah- ren sogar noch rückläufig. Die restriktiven Gesetze, die Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 22145 (A) (C) (D)(B) nach wie vor stark in die Religionsfreiheit eingreifen, gefährden den Fortbestand der christlichen Gemeinden. Trotz einiger Fortschritte in den vergangenen Jahren kann von Religionsfreiheit in der Türkei keine Rede sein. Der Umgang mit nichtmuslimischen Minderheiten entspricht nicht den Standards der Europäischen Union. Der Fortschrittsbericht der Europäischen Kommis- sion listet seit Jahren Defizite auf: Eine Befreiung vom grundsätzlich verpflichtenden sunnitisch-muslimischen Religionsunterricht ist entge- gen einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte aus dem Jahre 2007 – der Fall Zengin – in der Praxis nach wie vor nicht problemlos möglich. Da die Türkei den syrisch-orthodoxen Christen an- ders als ihren jüdischen, griechisch-orthodoxen und armenischen Staatsbürgern keinen Status als „nicht-reli- giöse Minderheit“ im Sinne des Vertrages von Lausanne zubilligt, haben diese auch nicht das Recht, eigene Schu- len in aramäischer Sprache zu unterhalten. Religiösen Minderheiten ist es nicht gestattet, ihren geistlichen Nachwuchs auszubilden. Die religiöse Zuge- hörigkeit wird in Personaldokumenten festgehalten und bietet Anlass für vielfältige Diskriminierung im Alltag. Die mittlerweile auf Antrag mögliche Änderung der Ein- tragung – auch das Freilassen des Feldes – hat die glei- chen Folgen. Immer wieder kommt es zu Gewalt gegen Anders- gläubige und ihre Gebetshäuser. Obwohl seit Aufhebung des Art. 163 TStGB „Mission“, also die öffentliche Wei- tergabe des Glaubens, formal nicht mehr verboten ist, wird unter anderem auch von staatlicher Seite so gehan- delt, als wäre der Artikel noch in Kraft, und es kommt wegen des Vorwurfs der Missionierung weiterhin zu An- klageerhebungen. Es geht hier also nicht nur um den Erhalt des Klosters Mor Gabriel und der 1 600 Jahre alten klösterlichen Tradition, sondern auch um den Erhalt der christlichen Gemeinden – insbesondere der Aramäer – und deren Traditionen in der Türkei, in dem Land, um genau zu sein in Antiochia, wo sich die Christen zum ersten Mal Christen nannten. Mor Gabriel ist das kulturelle Erbe aller Aramäer: der syrisch-orthodoxen, der syrisch-katholischen, der sy- risch-protestantischen Christen und anderer Mitglieder der syrischen Kirche in der Türkei. Diese sehen sich als nicht anerkannte indigene Minderheit ständigen Bedro- hungen und Übergriffen ausgesetzt, die bereits zu einem beinahe vollständigen Exodus der Aramäer aus ihrer Heimat, dem Tur Abdin, geführt haben. Wir müssen uns daher neben dem Erhalt des Klosters auch dafür starkmachen, dass der christliche Glaube in der Türkei frei gelebt werden kann, dass Christen und insbesondere Priester keine Angst haben müssen, ermor- det zu werden, und dass neue Priester ausgebildet wer- den können. Die wenigen in der Türkei verbliebenen Christen müssen wieder eine Perspektive haben. Darüber hinaus ist die Anerkennung der Schule im Kloster Mor Gabriel als „Minderheitenschule“, damit dort „legal“ gemäß Lausanner Vertrag – mit staatlichen Subventionen – Sprache und Religion gelehrt und prakti- ziert werden können, unerlässlich. Diese Forderungen scheinen gering, wenn man bedenkt, dass die Zahl der Moscheen in Deutschland stetig steigt, in diesem Jahr an deutschen Schulen teilweise islamischer Religionsunter- richt eingeführt werden soll und sogar über eine umfas- sende deutsche Imam-Ausbildung nachgedacht wird. Sollten wir dann nicht im Gegenzug erwarten können, dass zumindest die bereits seit Jahrhunderten bestehen- den christlichen Klöster in der Türkei erhalten bleiben und die christlichen Minderheiten anerkannt werden? Auch die Parlamentarische Versammlung des Europa- rats hat in ihrer Resolution vom 27. Januar 2010 die Tür- kei dazu aufgefordert, den Aramäern den Minderheiten- status gemäß Lausanner Vertrag zu gewähren und die illegale Landnahme aramäischen Eigentums zu beenden. Das Europäische Parlament hat Ende März 2012 einen ähnlichen Beschluss gefasst. Der Rechtsstatus als anerkannte ethnische Minderheit würde den Aramäern eine große Rechtssicherheit und gleichzeitig eine Anspruchsgrundlage bieten, ihr Eigen- tum, ihre Sprache, ihre Kultur, ihre Tradition und ihr Recht auf ungehinderte Religionsausübung – mit allem, was dazu gehört – durchsetzen zu können. Dabei wäre der Erhalt des Klosters Mor Gabriel durch den türki- schen Staat ein starkes Signal für ein Zugehen der Türkei auf die religiösen Minderheiten im Land – insbesondere die Christen. Denn klar ist: Solange die Defizite im Bereich der re- ligiösen Minderheiten fortbestehen, ist ein positiver Ab- schluss des EU-Beitrittsverfahrens nicht möglich. Die umfassende Verwirklichung der Menschenrechte und der Kopenhagener Kriterien ist eine unumstößliche Grund- voraussetzung für eine Aufnahme der Türkei in die EU. Abschließend möchte ich noch einmal die Ziele unse- res Antrags nennen: Wir wollen zeigen, dass wir die Ge- richtsverhandlungen weiterhin genau verfolgen und be- gleiten werden. Wir wollen ein klares Signal an die türkische Regierung senden, dass ein „Auf-Zeit-Spielen“ zwecklos ist, da unser Interesse am und unsere Hilfe für das Kloster nicht nachlassen wird. Wir werden Mor Gabriel nicht im Stich lassen. Das Kloster ist für uns der Lackmustest dafür, dass es die Türkei mit der Umset- zung der Religionsfreiheit ernst meint und insbesondere die religiösen Minderheiten wie die Aramäer in ihrem Land endlich anerkennt. Dass es der Türkei gerade mit dem zuletzt genannten Punkt ernst ist, könnte sie im Rahmen der aktuellen Ver- fassungsreform unter Beweis stellen und damit ein wich- tiges Zeichen in Richtung EU-Beitritt setzen. Frank Heinrich (CDU/CSU): Wir reden über den Er- halt des Klosters Mor Gabriel, und damit über nicht we- niger als ein markantes Symbol der Religionsfreiheit – oder eben der Einschränkung der Religionsfreiheit für Minderheiten in der Türkei. 22146 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 (A) (C) (D)(B) Das syrisch-orthodoxe Kloster Mor Gabriel liegt im Südosten der Türkei, nahe der syrischen Grenze, in der türkischen Provinz Mardin. Das Kloster und die örtliche Gemeinde sehen sich in ihrer Existenz bedroht. Es steht zu befürchten, dass das Kloster Mor Gabriel in mehreren seit Jahren anhängigen Gerichtsverfahren enteignet und entwidmet werden könnte. Es handelt sich um eine Viel- zahl von Prozessen gegenüber dem Kloster selbst, aber auch gegenüber dem Vorsitzenden der Klosterstiftung, Herrn Ergün, und anderen syrisch-orthodoxen Christen. Damit droht das Abreißen einer seit mehr als 1 600 Jah- ren gepflegten liturgischen und klösterlichen Tradition und damit eines der ältesten christlichen Klöster der Welt. Da das Kloster eine entscheidende Rolle bei der Pflege der syrisch-orthodoxen Kirchen- und Alltagsspra- che spielt und institutionell das kulturelle Erbe der sy- risch-orthodoxen Bevölkerung sichert, bleibt der Fortbe- stand der Kultur der syrisch-orthodoxen Christen insgesamt gefährdet, da eine Enteignung Folgen für um- liegende Klöster und Gemeinden hätte, die sich einer Prozessflut gegenübersehen und sich an diesem Präze- denzfall messen lassen müssten. Schon heute sehen wir Auswirkungen der Repressa- lien: Von den 200 000 syrisch-orthodoxen Christen, die Anfang des 20. Jahrhunderts in der Türkei lebten, sind gerade noch 13 000 verblieben. Oder eine andere Zahl: Vor 60 Jahren betrug der Anteil der Christen an der Be- völkerung der Türkei 20 Prozent; heute sind es weniger als ein einziges Prozent, 0,15 Prozent, um genau zu sein. Auch der Fortbestand der über zweieinhalb Jahrtau- sende alten aramäischen Sprache – der Sprache, in der Jesus Christus gesprochen hat – ist gefährdet. Es ist da- her wichtig, uns an die Seite der syrisch-orthodoxen Christen zu stellen. Nur durch diese Initiativen einzelner Länder und der Europäischen Union hat das Kloster eine Chance, zu überleben. Ohne unsere Solidarität, so hat es der Klostervorsteher Erzbischof Aktas mehrfach betont, würde es das Kloster Mor Gabriel heute nicht mehr ge- ben. Mit der Debatte um das Kloster Mor Gabriel berühren wir eine Vielzahl angrenzender Themenfelder. Wir kön- nen sie hier und heute nicht in der Tiefe diskutieren. Da- für reicht die Zeit nicht, und dafür sind sie jeweils in sich zu wichtig. Aber zumindest vier Stichworte möchte ich kurz be- nennen: Erstens die Frage nach der Nähe der Türkei zur EU: Müssen wir von einem privilegierten Partner, mit dem die EU ergebnisoffene Beitrittsverhandlungen führt, nicht verlässliches und rechtssicheres Verhalten erwarten können, insbesondere wenn – wie im Fall der Restaura- tion des Klosters, das ja im Übrigen den Status eines UNESCO-Weltkulturerbes besitzt – Fördermittel der EU im Spiel sind? Der Umgang mit nichtmuslimischen Min- derheiten entspricht nicht den Standards der Europäi- schen Union. Der Fortschrittsbericht der Europäischen Kommission listet seit Jahren Defizite auf. Zweitens die Frage nach dem Umgang der Türkei mit seiner Historie und Gegenwart bezüglich der Minderhei- ten, ihrer Kultur und ihrer Sprache. Damit ist die Verbin- dung zu den Massakern an den Aramäern und den Arme- niern nicht weit. Können wir zulassen, dass der Völkermord bis heute geleugnet wird? Oder sollten wir hier, ähnlich wie Frankreich es im vergangenen Jahr vor- gemacht hat, noch deutlicher Position beziehen? Immer- hin hat das Europäische Parlament Ende März 2012 be- schlossen, sich dafür einzusetzen, dass die Türkei die religiösen Minderheiten, namentlich die Aramäer, aner- kennt und unterzeichnete Verträge zu ihrem Schutz auch umsetzt. Drittens die Frage nach der Integration: Wie können wir den Bürgerinnen und Bürgern erklären, dass, um es mit Christian Wulffs Worten zu sagen, „der Islam zu Deutschland gehört“, wenn sich nicht gleichzeitig musli- misch geprägte Länder, zumal solche mit einer solchen Nähe zu Europa wie die Türkei, ihrerseits um die Inte- gration von religiösen Minderheiten bemühen? Zwar hat das eine rechtlich nicht notwendig mit dem anderen zu tun, doch die Stimmung, das Klima in der Bevölkerung für eine positive Integration des Islam hängt stark von gegenseitigen Handlungen ab. Im Übrigen unterstützen viele der in Deutschland lebenden Muslime diesen An- satz. Viertens die Frage nach der Religionsfreiheit insge- samt. Die Wahrung der Menschenrechte im Allgemeinen und – in diesem Fall – des Rechtes auf Religionsfreiheit sind für die Bundesrepublik ein hohes Gut. Die Türkei garantiert als laizistischer Staat die Religionsfreiheit per Verfassung. Sie hat auf dem Gebiet der praktischen Um- setzung große Fortschritte gemacht. Zu nennen sind etwa die Erlaubnisse für Gottesdienste der griechisch-or- thodoxen Christen im ehemaligen Kloster Sümela und armenischer Christen in der Kirche auf der Insel Akda- mar in den Jahren 2010 und 2011. Auch im Stiftungs- recht hat es seit 2008 erhebliche Verbesserungen gege- ben. Zu begrüßen ist nicht zuletzt das Dekret mit Gesetzeskraft vom 27. August 2011. Dieses gibt religiö- sen Gemeindestiftungen das Recht, binnen zwölf Mona- ten nach Inkrafttreten die Rückgabe von Immobilien zu verlangen, die ihnen nach 1936 durch Enteignung entzo- gen wurden. Alternativ besteht ein Entschädigungsan- spruch zum heutigen Marktwert. Doch bis heute bleiben viele Benachteiligungen in rechtlicher und sozialer Hin- sicht bestehen. Trotz einiger kleiner Fortschritte in den vergangenen Jahren ist die Religionsfreiheit in der Tür- kei nach wie vor stark eingeschränkt; insbesondere sind die Rechte betroffen, Eigentum zu besitzen, eigene Ge- betsstätten zu errichten und Geistliche auszubilden. Wir behandeln also hier ein sensibles Thema im Kon- text einer vielfältigen Problemlage. Umso wichtiger scheint mir, dass wir mit einer starken Stimme reden, und ich bitte Sie daher um Zustimmung für unseren An- trag. Wir hatten über die Möglichkeit eines gemeinsa- men Antrags gesprochen. Unter dem Drängen der Zeit sind die Fraktionen von CDU/CSU und der FDP in Vor- leistung gegangen. Die SPD hat nun doch noch einen ei- genen Antrag formuliert. Das ist schade, zumal es keinen großen inhaltlichen Dissens zu unserem Antrag gibt und der Antrag der SPD nicht wirklich weiterführend ist. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 22147 (A) (C) (D)(B) Doch sollen nicht unser politischer Alltag und oder un- sere wechselseitigen „Spielchen“ heute das Thema sein. Vielmehr geht es um das Kloster Mor Gabriel und um den Schutz der christlichen und anderer Minderheiten in der Türkei. Ich darf Sie daher um breite Zustimmung bitten. Angelika Graf (Rosenheim) (SPD): Vor wenigen Wochen haben wir hier im Plenum das erste Mal den Antrag der Koalitionsfraktionen beraten. Damals stand ein weiterer Prozesstag gegen den Stiftungsvorsitzenden des Klosters, Herrn Kuryakos Ergün, gerade bevor. Ihm wird vorgeworfen, er habe sich in seiner Funktion als Stiftungsvorsitzender fremden Boden angeeignet. Das Kloster habe mit einer Mauer widerrechtlich öffentli- chen Grund eingefasst. Umliegende Dörfer, aber auch die staatliche Forstbehörde, klagten. Die Debatte im Bundestag war ein wichtiges Zeichen, in der deutlich wurde, dass wir alle diesen Prozess im Blickwinkel ha- ben. Inzwischen haben wir verärgert zur Kenntnis neh- men müssen, dass der Prozess dann abermals verscho- ben wurde – ohne Begründung, zum elften Mal. Als neuer Verhandlungstermin wurde der gestrige 13. Juni festgelegt. Und heute wissen wir: Erneut vertagt – dies- mal auf den 12. September. Der bizarre Rechtsstreit zeigt, dass es hier um mehr geht als um den Konflikt um eine Mauer. Die Mauer steht schon lange. Sie war unter anderem in den Zeiten des Kampfes des türkischen Staates gegen die PKK, wo die Klöster des Tur Abdin mitten im Kampfgebiet lagen, ein wichtiger Schutz. Die Mauer steht aber auch symbo- lisch für den Schutz des Klosters. Wird sie niedergeris- sen, ist das Kloster schutzlos und mit ihm das, was es in seinem Kern ausmacht: der syrisch-orthodoxe christliche Glauben. Daneben ist auch die Existenz des Klosters ge- fährdet; denn seinen Unterhalt bestreitet es durch das Bewirtschaften der umliegenden Felder. Auch diese Ei- gentumsrechte wurden ihm in zurückliegenden Prozes- sen streitig gemacht. Rufen wir uns noch einmal in Erinnerung: Das christ- liche Kloster wurde vor circa 1 600 Jahren in rein christ- licher Umgebung gegründet. Heute steht es inmitten ei- nes muslimisch geprägten Umfelds. In die meisten Nachbardörfer des Klosters sind nach den Kämpfen des türkischen Staates gegen die PKK entweder die kurdi- schen Familien zurückgekehrt, oder es haben sich tür- kisch-muslimische Familien niedergelassen. Sie leben von karger Landwirtschaft und bewirtschaften die Felder neben dem Klostereigentum. Als Solitair steht hier hoch über den Dörfern auf einem Hügel Mor Gabriel: Seit dem 4. Jahrhundert ist es geistliches und soziales Zen- trum der Christen, Sitz des Erzbischofs, Heimat für we- nige Nonnen und Mönche und Wallfahrtsort. Unter der Woche werden hier Schüler unterrichtet, es gibt Sprach- kurse in aramäisch, der Sprache Jesu, die in diesem Kloster noch gesprochen wird. Die Priesterausbildung wurde vom türkischen Staat ja bereits 1980 verboten. Wenn es nicht um die Steine dieser Mauer geht: Um was geht es dann? Es geht wohl schlicht um die Macht, nämlich, ob den aramäischen Christen ihre über 1 600 Jahre alten Rechte zugesprochen werden. Und diese Rechte beinhalten nicht nur ihre Duldung, sondern auch die Garantie darauf, ihre Rechte durch den Schutz des Staates gewährleistet zu bekommen. Und da ist das Angebot der Türken, das Kloster könne ja das eigene Land nach der Enteignung pachten, ein verräterisches Zeichen. Man will das Kloster in Abhängigkeit halten, ihm die Selbstständigkeit nehmen. Der Deutsche Bundestag hat sich in den vergangenen Jahren kontinuierlich mit dem Überlebenskampf des Klosters beschäftigt. Fraktionsübergreifend haben wir versucht, ein gemeinsames Zeichen zu setzen. Das ist uns auch immer wieder gelungen – zuletzt 2009 in einem Antrag der SPD, CDU/CSU und der FDP –, was auch der türkischen Seite deutlich macht, dass es ein großes Anliegen des Bundestages ist, sich für das Kloster einzu- setzen. Ich habe schon in meiner ersten Rede zu diesem An- trag vor einigen Wochen deutlich gemacht, dass es uns sehr verwundert, dass die Regierungsfraktionen es dies- mal nicht für notwendig gehalten haben, erneut ein ge- meinsamen Zeichen des Deutschen Bundestages in Richtung türkischen Staat zu senden. Nach der ersten Lesung habe ich bei Ihnen, Frau Granold, nachgefragt, ob ein gemeinsamer Antrag nicht möglich und vor allem effektiver wäre. Ich habe Sie gebeten, die Opposition einzubinden. Sie lehnten nach einigen Tagen Bedenkzeit ohne Begründung ab. Wir hätten ja, so meinten Sie dann im Ausschuss, die Möglichkeit, Ihrem Antrag zuzustimmen und damit un- seren gemeinsamen Willen zu dokumentieren. Verehrte Frau Granold, dies ist mit Sicherheit nicht das, was ich und meine Fraktion unter einer gemeinsamen Initiative verstehen, wobei ich damals im Plenum schon zum Aus- druck gebracht habe, dass Ihr Antrag ergänzungsbedürf- tig ist. Wir haben Ihnen das nun mit unserem Antrag vor- gemacht! Sie schildern ausführlich, in welchen Instanzen türki- sche Gerichte gegen Mor Gabriel entschieden haben. „Das Kloster und die örtliche Gemeinde sehen sich in ih- rer Existenz bedroht“, heißt es. Dem stimme ich unein- geschränkt zu. Auch den weiteren Ausführungen und Forderungen in Ihrem Antrag stimme ich zu. Aber er ist wenig konkret. Die kulturelle und historische Einbettung des Klosters zum Beispiel ist für das Verständnis der Situation und der gegenwärtigen zahlreichen Rechtsstreitigkeiten un- erlässlich. Wir weisen nun auf den kulturhistorischen Kontext deutlich hin. Auch hat sich die Türkei vor knapp 90 Jahren im Lau- sanner Vertrag dazu verpflichtet, dass Minderheiten die gleichen Rechte besitzen wie muslimische Türken. Die syrisch-orthodoxen Christen werden in der Realpolitik der türkischen Regierung aber nicht als Minderheit in diesem Sinne verstanden, ein Beispiel, wie problema- tisch der Umgang der türkischen Republik mit den Min- derheiten nach wie vor ist. Daher fordern wir in unserem Antrag konsequenterweise die Bundesregierung dazu 22148 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 (A) (C) (D)(B) auf, sich dafür einzusetzen, dass die türkische Regierung den Minderheitenstatus gemäß dem Lausanner Vertrag auch wirklich einhält. Ebenso fordern wir, dass die türkische Regierung den Vorbehalt zu Art. 27 des Paktes über bürgerliche und politische Rechte, IPbpR, in dem die Minderheitenrechte geregelt sind, endlich streicht. Und weiter: Zu einem ernsthaften Minderheitenschutz gehört außerdem, dass die Türkei die Europäische Charta für Regional- und Minderheitensprachen und die Rahmenkonvention zum Schutz nationaler Minderheiten unterzeichnet. Ich möchte mit einer allgemeinen Bemerkung zum Minderheiten- und Religionsverständnis enden. Verehrte Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU, wer mit dem Finger auf andere zeigt, sollte beachten, dass vier Finger derselben Hand auf einen selber deuten. Nach meiner Auffassung sind die Christen und ihre historische und moderne Kultur ein wichtiger Bestandteil auch des mo- dernen Lebens und der Kultur in der Türkei. Sie gehören also zur Türkei. Ihr Fraktionsvorsitzender Volker Kauder erklärte neulich, dass der Islam nicht zu Deutschland ge- höre. Ich sehe das anders: Der Glaube und die Kultur von muslimischen Menschen, die seit vielen Jahrzehnten friedlich in Deutschland leben, ist ein Teil unseres Le- bens geworden und darf nicht ausgegrenzt werden. Er gehört ebenso wie die Gläubigen inzwischen zu uns. Wer das nicht akzeptiert, ist in seinen Forderungen nach der Anerkennung der Christen und dem Kampf um den Er- halt christlicher Stätten meines Erachtens nur begrenzt glaubwürdig. Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag. Pascal Kober (FDP): Wir debattieren heute erneut über den Erhalt des syrisch-orthodoxen Klosters Mor Gabriel, zu dem nun auch die SPD einen eigenen Antrag eingebracht hat. Eingangs möchte ich das Problem des Klosters Mor Gabriel noch einmal kurz umreißen. Es gibt Befürchtun- gen, dass das in der südöstlichen Türkei gelegene Kloster enteignet und entwidmet werden soll. Mehrere Gerichts- verfahren sind in diesem Zusammenhang anhängig, wo- rin der Orden beschuldigt wird, illegal Land besetzt zu haben. Daher sehen sich die Nonnen und Mönche bedau- erlicherweise seit längerem juristischen Drangsalierun- gen seitens der türkischen Behörden ausgesetzt. Derzeit leben dort 14 Nonnen, 10 Mönche und unge- fähr 40 Schüler. Die Bedeutung des Klosters Mor Gabriel ergibt sich jedoch nicht aus der Anzahl der Men- schen, die dort wohnen, arbeiten und ihren Glauben le- ben. Das im Jahr 397 gegründete Kloster ist vielmehr das geistige Zentrum der syrisch-orthodoxen christlichen Minderheit in der Türkei und eines der ältesten christli- chen Klöster weltweit. Vor kurzem habe ich mich mit Vertretern des europäi- schen Dachverbands der syrisch-orthodoxen Minderheit getroffen. Sie bezeichnen das Kloster als ihre „letzte Burg“ im Südosten der Türkei, die für den Fortbestand dieser religiösen Minderheit in der Region von zentraler Bedeutung ist. Hier wird der syrisch-orthodoxe Glauben unterrichtet und weitergegeben, der für die Identität die- ser religiösen Minderheit von zentraler Bedeutung ist. Daher kommt dem Kloster eine größere Bedeutung zu, denn es steht stellvertretend für die Situation der syrisch- orthodoxen christlichen Minderheit in der Türkei. Von ihm geht ein starkes Signal aus, wie die Türkei mit ihrem religiösen und kulturellen Erbe, das zugleich auch unser europäisches Erbe ist, umgeht. Somit ist die Geschichte von Mor Gabriel zugleich auch die schwierige Geschichte der syrisch-orthodoxen Christen. Es ist die Geschichte einer religiösen Minder- heit, die in der Türkei vor 100 Jahren noch 200 000 Mit- glieder zählte, deren Zahl aber auf heute nur noch circa 13 000 Personen abgenommen hat. 3 000 von ihnen sind in der Region um Mor Gabriel beheimatet. Sie berichten seit Mitte 2008 von vermehrter widerrechtlicher Beset- zung ihrer Grundstücke und sind nach Angaben von Menschenrechtlern von Enteignungen bedroht. Im Zu- sammenhang mit der erstmaligen Landvermessung zur Anlage von Grundbüchern in der Region kam es zu zahl- reichen Konflikten um Grundeigentum mit rund 300 an- hängigen Gerichtsverfahren. Der Streit um die Liegenschaften des Klosters Mor Gabriel steht also emblematisch für die Probleme der sy- risch-orthodoxen Christen und die Situation weiterer nichtmuslimischer religiöser Minderheiten in der Türkei. Zwar garantiert die türkische Verfassung die Religions- und Gewissensfreiheit, die individuelle Glaubensfrei- heit wird respektiert und die individuelle Religions- ausübung ist frei möglich. Für nichtmuslimische Min- derheiten bestehen jedoch weiter Einschränkungen ihrer kollektiven Religionsfreiheit als Gruppen in Fragen der Rechtspersönlichkeit, der Eigentumsrechte sowie ihrer Möglichkeit, Geistliche auszubilden und Gebetsstätten zu errichten. Unser Antrag möchte auf dieses nach wie vor bestehende Problem hinweisen und die Türkei ermu- tigen, weitere Reformen auf diesem Gebiet anzugehen. Denn durchaus hat die Türkei in den letzten Jahren auf diesem Gebiet Fortschritte gemacht. Im August 2011 verkündete Ministerpräsident Erdoğan eine neue Verord- nung, wonach Stiftungen anerkannter religiöser Minder- heiten Immobilien zurückerhalten sollen, die nach 1936 enteignet wurden. Diese Stiftungen können Immobilien, die sie 1936 registriert und in der Folge der politischen Krisen an den türkischen Staat verloren hatten, nach der neuen Verordnung innerhalb eines Jahres grundsätzlich zurückfordern. Die neue Verordnung soll zudem die Be- weislast zugunsten der Stiftungen umkehren. Ich möchte auch noch einmal ausdrücklich begrüßen, dass am 20. Februar dieses Jahres Vertreter der religiö- sen Minderheiten einschließlich der syrisch-orthodoxen Minderheit vor der türkischen Verfassungskommission angehört wurden. Dies verbinde ich mit der Hoffnung, dass sich die neue türkische Verfassung bei der Reli- gionsfreiheit auf europäische Standards stützen wird und die religiöse und kulturelle Vielfalt dieses Landes als Be- reicherung sieht, die es zu schützen und zu erhalten gilt. Denn die FDP-Fraktion unterstützt grundsätzlich den Weg der Türkei in Richtung Europa und damit in Rich- tung einer stärkeren Beachtung der Menschenrechte. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 22149 (A) (C) (D)(B) Unser Antrag enthält daher die Aufforderung, der sy- risch-orthodoxen Minderheit in der Türkei im Einklang mit der Europäischen Menschenrechtskonvention die Rechte zu gewähren, die auch in der EU-Beitrittspartner- schaft mit der Türkei eindeutig festgelegt sind. Des Wei- teren fordert unser Antrag von der türkischen Regierung die uneingeschränkte Einhaltung der Verpflichtungen aus Art. 18 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte, also das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit aller religiösen Min- derheiten. Der Antrag der Kolleginnen und Kollegen der SPD hingegen fordert explizit, die türkische Regierung solle die syrisch-orthodoxen Christen als Minderheit gemäß dem Lausanner Vertrag anerkennen. Dies würde zwar zunächst die rechtliche Situation dieser Minderheit ver- bessern, es würde jedoch an der Situation der Religions- freiheit in der Türkei nichts ändern und würde die Be- deutung dieses schon sehr alten und statischen Vertrags aufwerten. Wie ich soeben ausgeführt habe, ist es jedoch das Anliegen unseres Koalitionsantrags, die freie Reli- gionsausübung der syrisch-orthodoxen und auch aller anderen religiösen Minderheiten in der Türkei vor allem im Einklang mit der Europäischen Menschenrechtskon- vention und dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte zu unterstützen. Daher scheint mir ein expliziter Rückgriff auf den Vertrag von Lausanne aus dem Jahr 1923 nicht sinnvoll. Aus diesem Grund ziehe ich unseren eigenen Antrag ihrem Antrag vor. Dr. Lukrezia Jochimsen (DIE LINKE): Vorgestern fand in Midyat wieder ein Gerichtstermin gegen das Kloster Mor Gabriel statt – und wurde wieder vertagt. Wie schon zwölfmal vorher seit Mitte 2008. Es ist eine unendliche und unglaubliche Geschichte von Enteig- nungsversuchen dieses uralten Ortes aramäischer Reli- gion und Kultur. Und eine Geschichte, wie eine Minder- heit von vielen in der Türkei drangsaliert, ja verfolgt wird. Eine Minderheit – nicht nur eine Glaubensgemein- schaft. Insofern stellen die Angriffe und Übergriffe von türkischer Seite auf das Kloster Mor Gabriel nicht nur eine Bedrohung der Religionsfreiheit dar, sondern eine eklatante Verletzung der Menschenrechte. Nicht um- sonst stehen im Mittelpunkt der Prozesse, mit denen das Kloster Mor Gabriel seit Jahren von der türkischen Justiz überzogen wird, Eigentumsfragen. Jahrhundertealtes Ei- gentum wird dem Kloster streitig gemacht. Es geht um die freie Ausübung der Religion; ja, und ihre Weitergabe an die nächsten Generationen. Es geht um den Erhalt der uralten aramäischen Sprache für die heutige Zeit. Aber es geht auch um die wirtschaftliche Existenz dieser Minderheit, die einmal 200 000 Men- schen in Ostanatolien zählte und heute nicht mehr als 2 000 zählt. Sie sollen entmutigt werden, weiterhin dort zu leben, wo sie seit 3 500 Jahren verwurzelt sind – am besten in alle Winde zerstreut, ohne Zusammenhang der Sprache, der Kultur, der Tradition. Das ist das Ziel der türkischen Maßnahmen gegen sie – und hier müsste un- sere parlamentarische Aufmerksamkeit ansetzen und da- mit möglicherweise Hilfe schaffen. Das aber heißt: Schluss mit den wohlklingende, aber völlig wirkungslo- sen Appellen an die türkische Regierung, die seit Jahren verhallen! Der Antrag der Koalitionsfraktionen ist ein Beispiel dafür: Er wiederholt einfach, was schon so oft gefordert wurde: Einwirkung auf die türkische Regierung von deutscher Regierungsseite – gut gemeint, aber die lang- jährige Erfahrung zeigt, dass damit nichts erreicht wird. Diesen Antrag haben wir bei der ersten Lesung bereits abgelehnt und lehnen ihn auch jetzt ab. Der Änderungsantrag der SPD bleibt leider ebenfalls im Bereich des Appellativen. Er listet zwar wichtige De- tails auf: so die Forderung, dass die Türkei der Europäi- schen Charta für Regional- und Minderheitensprachen sowie der Rahmenkonvention zum Schutz nationaler Minderheiten vorbehaltlos beitritt und den Pakt über bürgerliche und politische Rechte, der Minderheiten- rechte garantiert, aus dem Jahr 2003 ebenfalls vorbehalt- los einhält. Aber das allein wird nicht ausreichen, um der aramäi- schen Minderheit, wie anderen Minderheiten auch, die in der Türkei leben, einen gleichberechtigten Status zu er- möglichen. Schon bei der ersten Lesung des Koalitionsantrags im April dieses Jahres habe ich vorgeschlagen, über „andere solidarische Hilfen“ für Mor Gabriel nachzudenken, zum Beispiel über einen von der Bundesregierung beauf- tragten ständigen Beobachter aus dem christlichen oder zivilgesellschaftlichen Bereich – anstelle der bisherigen sporadischen Prozessbeobachter. Beim Verhandlungster- min vorgestern war kein Beobachter anwesend – bei den vielen Vertagungen und Verschiebungen ist das auch kein Wunder. Aber das ist ja genau das, was die türki- sche Seite erreichen will: internationales Desinteresse nach so langer, zermürbender Zeit. Also müsste man eine deutsche oder europäische Prozessbeobachtung institutionalisieren – und jedesmal Information und Un- terrichtung aus Midyat nach Europa verschicken. Wir dürfen in dieser Menschenrechtsfrage nicht nach- lassen – und nach den bisherigen Erfahrungen sind eben Appelle nicht genug. Insofern sind uns auch beide Anträge „nicht genug“, das heißt: Wir werden sie ablehnen, im Fall des SPD- Antrags außerdem auch deshalb, weil auch er in seinem Begründungstext so tut, als habe es in der vergangenen Legislaturperiode nur einen Antrag der Fraktionen CDU/ CSU, SPD und FDP zur Situation des Klosters Mor Gabriel gegeben. Dabei stammte der ursprüngliche An- trag von der Linksfraktion – ich hatte ihn zusammen mit Monika Griefahn und Claudia Roth formuliert. Die Große Koalition hat ihn einfach kopiert und uns von der gemeinsamen Antragstellung ausgeschlossen. So viel Verdrehung der Wahrheit lassen wir nicht zu – schon aus Gründen der politischen Kultur nicht und gerade dann nicht, wenn es um den Umgang von Mehrheiten mit Minderheiten im demokratisch gewählten Parlament geht. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Antrag der Koalition zum syrisch-orthodoxen Klos- 22150 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 (A) (C) (D)(B) ter Mor Gabriel enthält viel Wahres, aber es fehlt auch Einiges. Den Großteil der Ausführungen, Erläuterungen und auch Forderungen im Antrag können wir ohne Wei- teres unterstützen und mittragen. Seit den 90er-Jahren haben immer wieder Abgeordnete meiner Fraktion das Kloster besucht und die Religionsfreiheit in den auf die Türkei bezogenen Debatten immer wieder angespro- chen. Deswegen haben wir dem Antrag im federführenden Menschenrechtsausschuss zugestimmt und werden es auch heute tun. Wohler wäre uns gewesen, wenn wir nur den drei For- derungen des Antrags hätten zustimmen müssen. Sie sind richtig und verdienen unsere Unterstützung. Und daher haben wir uns auch durchgerungen, oder sind viel- mehr zu der Überzeugung gekommen, dass der Grund- tenor des Antrages richtig ist. Erwähnen möchte ich aber auch, dass ich Ihren Text in seiner epischen Breite und etwas länglichen Ausfüh- rung etwas misslich finde. Ellenlange Feststellungsteile zur Welterklärung liefern viele Gründe, sich zu fragen, ob man zustimmen kann, obwohl man mit den Forderun- gen eigentlich d’accord ist, oder ob es nicht doch ein Haar in der Suppe gebe, das der Zustimmung entgegen stehe. Deshalb hatten wir im Ausschuss ja auch zunächst den Antrag gestellt, über den Feststellungsteil und den Forderungsteil getrennt abzustimmen. In diesem Fall hätten wir unterschiedlich votiert: Ihren ellenlangen und ideologisch dann doch leicht verbrämten Feststellungs- teil abgelehnt und den Forderungen zugestimmt. Ich sage „ideologisch leicht verbrämt“, weil ich die Aufarbeitung der Problematik der Religionsfreiheit in der Türkei in diesem Antrag für defizitär und einseitig halte. Man muss beispielsweise mehr zu der großen Minderheit der Aleviten in der Türkei sagen, die auch massive Probleme hat. Wenn in dem Antrag schon Vie- les so fein aufgedröselt wird, können Sie nicht nur über das Kloster und die Rechtsprobleme sprechen, sondern müssen auch andere Fragen thematisieren; wo hat sich etwas verbessert und wo nicht. Uns als Opposition bringt Ihr Antrag in eine unange- nehme Lage: Selbstverständlich wollen wir die Türkei politisch unter Druck setzen, die Frage des Klosters Mor Gabriel zu lösen. Und auch die Religionspolitik in der Türkei ist mehr als fragwürdig. Aber es werden längst nicht alle Fragen von diesem Antragstext erfasst. Sie waren so entgegenkommend, einen konkreten Verbesserungsvorschlag, den ich in der 62. Sitzung des Menschenrechtsschusses unterbreitete, in der wir über Ihren Antrag debattierten, in den Antrag aufzunehmen. Dort steht nun in Forderung 2 richtigerweise nicht nur „nichtmuslimische Minderheiten“, sondern: „… nicht- muslimische bzw. nichtsunnitische Minderheiten“. Es wäre schön, wenn wir künftig öfter an solchen Stellen zusammenarbeiten. Und das fällt umso leichter, wenn man Inhalte, Fragen und Textquellen, bei denen schon im Vorhinein klar ist, dass sie auf der jeweils anderen politischen Seite nicht zustimmungsfähig sind, einfach weglässt oder notfalls zumindest in die Begründung ei- nes Textes verschiebt. Die Gerichtsverfahren gegen das syrisch-orthodoxe Kloster Mor Gabriel stellen bedauerlicherweise die Spitze des Eisberges ständiger und bereits langanhalten- der Bedrohungen und Übergriffe dar, denen die Aramäer als nicht anerkannte indigene Minderheit in der Türkei ausgesetzt sind und die zu einem fast vollständigen Exo- dus der Aramäer aus ihrer Heimat im Südosten der Tür- kei geführt haben. Es ist wichtig und notwendig, in den einzelnen, bekannt werdenden Fällen wie im Fall des Klosters Mor Gabriel sich gegen die Bedrohung zu stel- len und zu versuchen, das Schlimmste abzuwenden. Die- ser Einzelfall, der traurige Berühmtheit erlangt hat, darf jedoch nicht vergessen lassen, dass zahlreiche andere Kirchen und Klöster, aramäische Ortschaften und viele Aramäer als Einzelpersonen (auch mittelbar hier in Deutschland) mit Hunderten von Enteignungsverfahren konfrontiert sind, die ihr Eigentum bedrohen und denen man weitgehend rechtlos gegenübersteht. In dem langen Feststellungsteil wird aber leider an der einen oder anderen Stelle deutlich, welchen Fehler insbesondere die Union immer wieder begeht, wenn sie versucht, für das Menschenrecht auf Glaubens- und Re- ligionsfreiheit einzutreten. Denn Sie setzen bei diesem Thema stets doppelte Standards an. Was Sie vollkom- men zu Recht für verfolgte Christinnen und Christen in anderen Staaten fordern, sind Sie zugleich nicht bereit, den Muslimas und Muslimen in Deutschland zuzuerken- nen. Selbstverständlich ist es richtig, von der türkischen Regierung zu fordern, dass nichtmuslimische Minder- heiten Rechtspersönlichkeit erlangen und als anerkannte Minderheiten ihre Rechte uneingeschränkt ausüben kön- nen. Dann müssen Sie aber auch endlich einsehen, dass die Bundesrepublik Deutschland ebenso in der Pflicht steht, dass nichtchristliche Minderheiten Rechtspersön- lichkeit erlangen und als anerkannte Minderheiten ihre Rechte hier in Deutschland uneingeschränkt ausüben können. Wir lehnen es – offenbar im Gegensatz zu Ihnen – entschieden ab, bei der Durchsetzung der Men- schenrechte und der Religionsfreiheit Doppelstandards anzuwenden! Und dann schwingt natürlich noch ein leiser Ton mit, den ich hier in der Debatte kritisieren muss. Es ist doch so, dass die CDU/CSU aus rein innenpolitischen und ideologischen Interessen die Beitrittsperspektive der Türkei, die diesbezügliche Politik der EU und deren Glaubwürdigkeit immer wieder torpediert und dann so tut, als ob nur die mangelhafte Religionsfreiheit in der Türkei das Hauptproblem wäre. Die Türkei kann man nur mit einem glaubwürdigen und ernst gemeinten Kurs dazu bringen, alle Kopenhagener Kriterien umzusetzen. Die Türkei respektiert nach dem Lausanner Vertrag nur zwei christliche Glaubensgemeinschaften, nämlich die griechisch-orthodoxe und die armenisch-apostoli- sche Kirche, zudem die jüdische Glaubensgemeinschaft. Die Protestanten und Katholiken werden dort offiziell nicht anerkannt. Die Ausbildung von Pfarrern ist nicht möglich. Die Einreise von Pfarrern aus dem Ausland wird erschwert, auch von Pfarrern der orthodoxen Kir- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 22151 (A) (C) (D)(B) che. Das dürfen wir der Türkei als einem befreundeten Land nicht durchgehen lassen. Wir müssen deutlich machen: Wir fordern gleiche Rechte für die Christen in der Türkei. Aber wir fordern selbstverständlich auch gleiche Rechte für die Aleviten; sie sind keine Christen. Sie bilden die größte religiöse Gruppe neben dem sunnitischen Islam in der Türkei. Wir verlangen von der Türkei auch, dass die Cem-Häuser mit den Moscheen gleichgestellt werden und die Zwangsas- similierung an den sunnitischen Islam von alevitischen Kindern in der Schule aufhört, wie das auch der Europäi- sche Gerichtshof für Menschenrechte von Ankara gefor- dert hat. Deswegen unterstützen wir Ihren Antrag, wir hoffen aber sehr, dass unsere Kooperationsbereitschaft Ihnen ein wenig zu denken gibt und Sie sich unsere Kritik- punkte ebenfalls zu Herzen nehmen. Zum Schluss noch kurz ein paar Worte zum eilig ge- schriebenen und mitaufgesetzten Antrag der SPD. Er ist besser als der der Koalition. Die Forderungen sind präzi- ser und im wahrsten Sinne des Wortes menschenrechtli- cher. Angesichts der Tatsache, dass der türkische Staat versucht, dem syrisch-orthodoxen Kloster Mor Gabriel und seinen Bewohnern die Existenz mit juristischen Mit- teln zu erschweren, ist dies genau der richtige Ansatz. Zudem kommt der Feststellungsteil ohne ideologische Zwischentöne und ohne eine ähnlich einseitige Schwer- punktsetzung auf das Christentum aus, wie es im Koali- tionsantrag der Fall ist. Selbstverständlich werden wir ihm deshalb auch zustimmen. Aber eine Bemerkung sei mir gestattet; auch die Kolleginnen und Kollegen der SPD haben im Feststellungsteil offensichtlich die Alevi- ten vergessen, wenn Sie sagen: „der Umgang mit nicht- muslimischen Minderheiten entspricht nicht den Stan- dards des Europäischen Union“. Sie lassen hier also mal eben so etwa 20 Prozent der türkischen Bevölkerung un- erwähnt. Wenn sich schon die Koalition in ihrem Antrag bereit erklärt, hier Änderungen vorzunehmen und von „nicht-sunnitischen Minderheiten“ zu sprechen, dann stünde es Ihnen gut zu Gesicht, dies an allen Stellen Ih- res Antrags auch zu tun. Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Tokio-Konferenz zu einem entwicklungspolitischen Erfolg führen (Tagesordnungspunkt 15) Sybille Pfeiffer (CDU/CSU): Wenn am 8. Juli 2012 die internationale Gemeinschaft zur Tokio-Konferenz zusammenkommt, so dient dies zwei Zielen: einerseits dem Blick zurück auf bisher Erreichtes, andererseits aber auch dem Blick nach vorn. Was erwartet Afghanis- tan von der internationalen Gemeinschaft in der soge- nannten Transformationsdekade, also den zehn Jahren, die sich an die Transition anschließen werden? Vor allem aber auch: Was erwartet die internationale Gemeinschaft von Afghanistan. Was kann sie erwarten? Eines ist klar: Afghanistan ist eine Generationenaufgabe. Vieles wurde schon erreicht. Unser Antrag benennt exemplarisch Er- folge aus den unterschiedlichen Sektoren des deutschen Engagements. So wurden mit deutscher Hilfe im Norden des Landes deutliche Verbesserungen bei der Arbeit der staatlichen Institutionen, der Energieversorgung, beim Zugang zu Trinkwasser, im Bereich Grund- und Berufs- bildung sowie bei der Privatwirtschaftsentwicklung er- zielt. Dies alles wäre – so umstritten es auch in der öf- fentlichen Meinung sein mag – ohne die militärische Komponente des Einsatzes nicht erreicht worden. Das ISAF-Mandat – und damit auch der Einsatz der Bundes- wehr – ist das Fundament für eine verbesserte Sicher- heitslage und den Wiederaufbau des Landes. Deshalb gilt an dieser Stelle mein Dank sowohl den Soldaten als auch den Fachkräften der Entwicklungszusammenarbeit. Auf der anderen Seite bestehen aber auch nach wie vor erhebliche Entwicklungsdefizite. Afghanistan bleibt ausweislich des Human Development Index der Verein- ten Nationen eines der ärmsten Länder der Welt. Dies wird regelmäßig durch Indikatoren wie Lebenserwar- tung, Bildungsniveau und Einkommen reflektiert. Genauso berechtigt wie es also ist, auf Erfolge hinzu- weisen, verstehe ich auch diejenigen, welche sich Sor- gen um die zukünftige Entwicklung des Landes nach dem Abzug der militärischen Kampfverbände nach 2014 machen. Aber es hilft nichts, den Kopf in den Sand zu stecken. Die internationale Gemeinschaft hat Afghanis- tan auf der Bonner Afghanistan-Konferenz im Novem- ber 2011 und jüngst erneut im Rahmen des G-8-Gipfels in Camp David ihre Solidarität zugesichert. Wir werden die afghanische Bevölkerung auch langfristig nicht im Stich lassen, sondern ihr weiterhin mit ziviler Hilfe, aber auch mit der Unterstützung der afghanischen Sicher- heitskräfte zur Seite stehen. Der mit dem Ende der militärischen Präsenz verbun- dene Paradigmenwechsel, weg von schneller Sichtbar- keit hin zu nachhaltiger Entwicklung, wird vermutlich nicht ohne Auswirkungen auf die öffentliche Debatte bleiben. Die zu erwartende Abschwächung des außen- und sicherheitspolitischen Diskurses birgt auch die Ge- fahr, dass Afghanistan vom Radar der internationalen Gemeinschaft verschwindet, sobald andere Konfliktre- gionen – und derer gibt es derzeit nun wahrlich genug – in den Vordergrund treten. Hierüber müssen wir uns Ge- danken machen. Unser Leitbild für die kommenden Jahre wird es sein, Afghanistan bis 2024 – dem Ende der Transformations- phase – zu einem sicheren und stabilen Staat zu machen. Denn wir dürfen nicht vergessen: Sicherheit in Deutsch- land braucht Stabilität in Afghanistan. Genauso wie es ohne eine erfolgreiche Sicherheitspolitik keine Entwick- lung geben kann, kann es keine dauerhafte Befriedung ohne Entwicklung geben. Deshalb arbeitet Deutschland gemeinsam mit den anderen 40 Partnern dafür, dass Afghanistan stabil und sicher ist. Wir wissen aus der Historie: Nur durch die Entwicklung des Landes kann es gelingen, dem Terrorismus dauerhaft den Boden zu ent- ziehen. Erinnern wir uns: 2001 – zu Beginn des Einsat- zes – bestand der Nährboden für terroristische Aktivitä- 22152 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 (A) (C) (D)(B) ten aus einer fehlenden staatlichen Ordnung, fehlender Rechtsstaatlichkeit, fehlenden Bildungschancen und feh- lenden Perspektiven für die Bevölkerung. Bei allen nach wie vor bestehenden Problemen hat sich dies grundle- gend gewandelt. Wie also wird es weitergehen? Der Entwicklungszu- sammenarbeit wird in der Transformationsdekade eine noch größere Rolle zukommen. Im Rahmen der anste- henden Afghanistan-Konferenz in Tokio soll die Unter- stützungszusage der internationalen Gemeinschaft in den kommenden Jahren mit Leben erfüllt werden. Die Bundesregierung ist hier mit gutem Beispiel vo- rangegangen und hat sich zu einer Verstetigung der Mittel auf derzeitigem Niveau, 430 Millionen Euro, bekannt. Dies ist nicht nur wegen der bereits angesprochenen De- fizite notwendig, sondern auch, um die wirtschaftlichen Risiken abzufedern, die sich aus dem Abzug der auslän- dischen Truppen ergeben werden. Dennoch appelliere ich dafür, ehrlich mit uns selber zu sein: Wir reden von einem langfristigen Engagement. In den vergangenen Jahren waren zur Legitimierung des militärischen Ein- satzes schnell sichtbare Erfolge gefragt. Die Zeitlinien einer nachhaltigen Entwicklungszusammenarbeit hinge- gen bemessen sich mehr in Jahrzehnten, denn in Jahren. Im Fokus werden nach Übergabe der Sicherheitsverant- wortung also Programme und Projekte stehen, die nicht primär schnelle Sichtbarkeit, sondern nachhaltige Ent- wicklung ermöglichen. Darauf ist die deutsche Entwick- lungszusammenarbeit, die immer schon langfristig und nachhaltig ausgerichtet war, jedoch besser eingestellt als die anderer Partner. Deswegen werden etwaige Anpas- sungen im deutschen entwicklungspolitischen Portfolio auch geringer ausfallen als jene anderer Partner. Ein noch stärkeres deutsches Engagement wäre aus meiner Sicht beispielsweise im Bereich der ländlichen Entwick- lung wünschenswert. Denn die Generierung von Be- schäftigung und Einkommen im ländlich geprägten Af- ghanistan ist gerade auch hinsichtlich der Gefahr eines Wiedererstarkens der Taliban nach Abzug der internatio- nalen Kampftruppen von übergeordneter Bedeutung. Gleichzeitig haben wir deutlich gemacht – und wer- den dies auch weiterhin tun –, dass Deutschland im Ge- genzug von der afghanischen Regierung verstärkte An- strengungen in den Bereichen gute Regierungsführung, Menschenrechte und Korruptionsbekämpfung erwartet. Damit ist das auf der Bonner Afghanistan-Konferenz Ende letzten Jahres vereinbarte Prinzip des Quid pro Quo (Zug um Zug) angesprochen. Fortschritte in den an- gesprochenen Bereichen müssen fortlaufend überprüft und vonseiten der Gebergemeinschaft bewertet werden. Deutschland hat Afghanistan klar signalisiert, dass es bereit wäre, Finanzmittel auszusetzen oder zu kürzen, falls bestimmte Reformziele seitens der afghanischen Regierung nicht erreicht werden. Dies sind wir nicht zu- letzt auch unseren eigenen Steuerzahlern schuldig. Abschließend erlauben Sie mir in diesem Zusammen- hang die Bemerkung, dass sich die veränderte Aufga- benstellung in der Transformationsdekade – weg von der Umfeldstabilisierung hin zu einer noch stärkeren Fokus- sierung auf eine nachhaltige Entwicklungszusammenar- beit – auch in einer sukzessiven Verschiebung der Fi- nanzmittel niederschlagen muss. Das heißt, dass es zu einer finanziellen Abschmelzung der im AA angesiedel- ten Maßnahmen der Umfeldstabilisierung bei entspre- chender Verlagerung der Mittel in den Einzelplan des BMZ kommen muss. Dies ist zwischen den Ressorts mittlerweile auch grundsätzlich Konsens. Doch der Teu- fel steckt wie so oft im Detail. Auch an dieser Stelle müssen in den kommenden Monaten konkrete Vorstel- lungen entwickelt werden. Diesen Klärungsprozess wol- len wir parlamentarisch begleiten. Roderich Kiesewetter (CDU/CSU): Ich freue mich, dass wir heute einen für unser gesamtes Afghanistan-En- gagement so wichtigen Antrag beraten. Er ist entwick- lungspolitisch bedeutsam, mehr noch: Er passt in unsere außenpolitische Strategie. Deshalb möchte ich meine heutigen Ausführungen auf diese außenpolitische Di- mension konzentrieren, da der entwicklungspolitische Kern bereits intensiv erörtert wurde. Der vorliegende Antrag steht nicht isoliert für sich selbst, sondern ist die konsequente Fortschreibung der politischen Beschlüsse, die sich mit der Neuausrichtung unseres außen- und sicherheitspolitischen Ansatzes in Afghanistan beschäftigen. Als wir Anfang des Jahres das neue Mandat für ISAF mit großer Mehrheit verabschie- det haben, war es unser zentrales Anliegen, die An- schlussfähigkeit der bis 2014 laufenden Transition an das sich anschließende Transformationsjahrzehnt – 2015 bis 2024 – sicherzustellen. Diese kohärente Planung aus Stärkung des zivilen politischen Prozesses und Übergabe der Sicherheitsver- antwortung wird einerseits durch die beschlossenen Schwerpunkte des ISAF-Mandates und andererseits durch die Ergebnisse der Bonner Afghanistan-Konferenz vom Dezember 2011 gewährleistet. Ich habe bei der ers- ten Lesung zum neuen Mandat ausgeführt, dass ich bei- des zusammen für eine erhebliche politische Leistung dieser Bundesregierung und ihrer Partner halte. Bei die- ser Neuausrichtung haben wir auf vier Aspekte besonde- ren Wert gelegt: erstens Stärkung der Ausbildung der ANSF, zweitens Restrukturierung des deutschen Ein- satzkontingents, drittens regionale Einbettung des Tran- sitionprozesses, viertens Ausrichtung des zivilen Enga- gements. Da wir heute über die künftige Ausrichtung des zivilen Engagements – und hierbei insbesondere des entwick- lungspolitischen Anteils – diskutieren sowie grundsätz- lich die sicherheitspolitisch notwendigen Entscheidun- gen getroffen haben, möchte ich im Weiteren gerne auf die regionale Einbettung unserer künftigen Afghanistan- Politik bei den nördlichen Anrainerstaaten abheben. Es wurde durch die Kollegin Pfeiffer völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass im Verlauf der Transformations- dekade der Schwerpunkt von der Umfeldstabilisierung hin zu einer noch stärkeren Fokussierung auf eine nach- haltige Entwicklungszusammenarbeit verlagert werden muss. Gleichzeitig bleibt die Stabilisierung Afghanistans Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 22153 (A) (C) (D)(B) untrennbar mit der Stabilität in der Region verbunden. Dieser außenpolitische Zusammenhang wird insbeson- dere in der ersten Hälfte des Jahrzehnts, von 2014 bis 2019, zu beachten sein, und dies vor dem Hintergrund der Tatsache, dass regionale Zusammenarbeit trotz der Vielzahl regionaler Organisationen und bilateraler bzw. trilateraler Gipfelprozesse sowohl politisch als auch öko- nomisch und gesellschaftlich unterentwickelt ist. Die Gründe hierfür sind laut Antwort der Bundesregierung – Drucksache 17/6218 – auf die Kleine Anfrage der Kolle- ginnen und Kollegen der Grünen vom letzten Jahr „unter anderem regionale politische Konflikte, unterschiedliche wirtschaftliche Entwicklungsstände, divergierende wirt- schaftliche Interessen und gegenseitiges Misstrauen. Weitgehende Einigkeit herrscht hinsichtlich der gravie- renden regionalen Probleme: Terrorismus, Extremismus, Drogenhandel, Flüchtlinge.“ Wir werden also weiterhin aufpassen müssen, dass insbesondere in und mit den nordafghanischen Anrainer- staaten Turkmenistan, Usbekistan und Tadschikistan kein Konfliktpotenzial durch eine wahrgenommene Be- vorteilung Afghanistans entsteht. Denn wir als Deutsche und die internationale Gemeinschaft wollen das Finan- zierungsniveau für entwicklungspolitische Maßnahmen auf hohem Niveau halten. Es gilt, das Störpotenzial im Zusammenhang mit den in Nordafghanistan beheimate- ten ethnischen Minderheiten so gering wie möglich zu halten. Die Bundesregierung fördert beispielsweise seit 2010 ein Programm mit dem Titel „Pakistan – Afghanistan – Tajikstan Regional Integration Programme“, PATRIP. Dessen Zielsetzung ist – ich beziehe mich hier wieder auf die erwähnte Antwort der Bundesregierung – „die Förderung des grenzüberschreitenden Handels und Austauschs, um einen Beitrag zur wirtschaftlichen Ent- wicklung und politischen Stabilisierung der volatilen Grenzregionen zu leisten. Soziale und wirtschaftliche In- frastrukturmaßnahmen werden in enger Zusammenarbeit mit der lokalen Bevölkerung geplant und umgesetzt. Seit 2010 wurden grenzüberschreitende Projekte an der Grenze Afghanistan-Tadschikistan sowie an der Grenz- region zu Pakistan – Brücken, Bewässerungskanäle, Re- paratur von Wasserkraftwerken – durchgeführt.“ Diese außenpolitische Dimension unseres Engage- ments in Afghanistan ist seit langem erkannt, muss je- doch in der ersten Hälfte der Transformationsdekade weiter berücksichtigt werden. Dafür werbe ich heute! In Ergänzung dieses richtigen Ansatzes müssen bei grenzüberschreitenden Aktivitäten die Anstrengungen der NATO zur Sicherung ihrer Versorgungsrouten bis 2014 gesehen werden. Das wird viel Geld kosten. Von diesen Regelungen profitieren die Anrainerstaaten aus- drücklich; ein erstes Abkommen mit Kasachstan, Kirgi- sien und Tadschikistan wurde durch die NATO bereits unterschrieben. Allerdings werden wir noch zusätzliches politisches Kapital investieren müssen, um die regionale Einbettung des komplexen Überganges von Transition zu Transformation zu organisieren und dann in der ersten Phase der Transformation zu stabilisieren. PATRIP und Logistikabkommen sind wichtig; aber politisch kommt es darauf an, wie wir die nördlichen Anrainerstaaten da- bei einbinden wollen und können, ohne bestehendes Konfliktpotenzial zu vergrößern. Es ist unsere politische Aufgabe, unsere wesentliche Leistung, dieses Konflikt- potenzial auszuloten und deutlich zu reduzieren. Die regionale Zusammenarbeit wird weiterhin nur langsam und schrittweise verbessert werden können. Vertrauensbildende Maßnahmen zwischen den Akteuren der Region sind in erster Linie über verstärkte Zusam- menarbeit bei Handel, Infrastrukturmaßnahmen, Ener- giekooperation, Wassermanagement oder Ähnliches zu realisieren. So kann es uns aber gelingen, die Transfor- mationsdekade auch in der Region abzustützen. Stefan Rebmann (SPD): Seit mehr als einem Jahr- zehnt ist Deutschland innerhalb der ISAF-Gemeinschaft am Einsatz in Afghanistan beteiligt. Wollte man zum jet- zigen Zeitpunkt Bilanz ziehen, dürfte diese nicht allzu viel Anlass zur Euphorie geben. Zwar sind durchaus nennenswerte Erfolge zu verbuchen: Angefangen mit der bloßen Existenz einer Verfassung, einer zentralstaat- lichen Exekutive, einer kontrollierten Armee sowie einer im Aufbau befindlichen Polizei – all dies gab es vor 2001 in Afghanistan nicht. Im zivilen wie auch im ent- wicklungspolitischen Bereich haben wir gemeinsam mit den NGOs dringend notwendige Projekte in Infrastruk- tur, Bildung – Aufbau von Schulen, insbesondere für Mädchen – und medizinischer Versorgung sowie beim Zugang zu Elektrizität und Trinkwasser angestoßen und gemeinsam umgesetzt. Diese Entwicklungen sind ge- messen an der Situation vor 2001 durchaus als Erfolge zu bezeichnen, allerdings gehen sie bei Weitem nicht so weit, wie wir uns das wünschen würden. Sie sind oftmals bedauerlicherweise nur punktueller Natur und reichen definitiv nicht aus, um Afghanistan fortan sich selbst zu überlassen. Insgesamt ist es aber nicht gelungen, in Afghanistan stabile demokratische Strukturen zu etablieren. Wir dür- fen uns keinen Illusionen hingeben: An der Regierung Karzai bestehen erhebliche Zweifel bezüglich der demo- kratischen Legitimität und der politischen Integrität. Nach wie vor beherrschen Korruption, Drogenökonomie und die Missachtung von Menschen- und insbesondere von Frauenrechten die politische Situation in Afghanis- tan. Auch ist weder ein Versöhnungsprozess mit den Ta- liban in Form von formaler und demokratischer Teilhabe an der Macht in Afghanistan in die Wege geleitet wor- den, noch ist es gelungen, die Taliban aus dem Land zu vertreiben. Und auch die Warlords sind weiterhin die entscheidenden lokalen Akteure vor Ort. Die Gefahr ei- nes erneuten Bürgerkriegs in naher Zukunft ist damit keineswegs gebannt. Immer noch ist Afghanistan eines der ärmsten Länder der Welt. Auf dem Index der Vereinten Nationen, dem Human Development Index, HDI, von 2011, der Lebens- erwartung, Bildungsniveau und Einkommen abbildet, belegt Afghanistan gerade mal Platz 172 von insgesamt 187 Ländern. Hohe Arbeitslosigkeit, besonders unter Ju- gendlichen, geringe Bildungsraten und, trotz aller Er- folge, nach wie vor lückenhafte Versorgung mit Trink- 22154 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 (A) (C) (D)(B) wasser, Elektrizität und Medizin bestätigen dies. Auch hat es das ISAF-Mandat nicht in Gänze geschafft, ein Si- cherheitsfundament für die Arbeit der NGOs zu schaf- fen. Und nicht zuletzt haben kulturelle Verfehlungen wie die jüngsten Koranverbrennungen und fehlgeschlagene Militäroperationen wie das Bombardement der Tanklas- ter in Mazar-i-Sharif das Vertrauen der afghanischen Zi- vilbevölkerung in die internationalen Streitkräfte massiv geschädigt. Das ist die ernüchternde Bilanz der letzten zehn Jahre. Was aber bedeutet diese Entwicklung für die Zukunft Afghanistans und für das weitere Vorgehen der interna- tionalen Gemeinschaft? Die Flinte ins Korn zu werfen? – Mit Sicherheit nicht. Der beschlossene Abzug der inter- nationalen Truppen bis Ende 2014 ist richtig. Dies be- deutet aber nicht, dass wir Afghanistan nach 2014 al- leine lassen können oder dürfen. Das Land wird weiterhin wird in besonderem Maße und auf lange Zeit auf internationale Hilfe angewiesen sein. Die afghani- sche Westminster-Demokratie werden wir vielleicht nicht erreichen, aber wir müssen verhindern, dass Af- ghanistan auf einen Status quo ante – das heißt vor 2001 – zurückfällt und zu einem „failed state“ wird. Das Land benötigt für den Aufbau staatlicher und wirtschaftlicher Strukturen, aber auch für die Festigung der innerafghanischen Sicherheitskapazitäten, Mittel, die nach dem Abzug des Militärs nicht versiegen dürfen. Die zivile Aufbauhilfe muss garantiert werden, um den Menschen in Afghanistan eine Perspektive zu geben. Hier ist die Verlässlichkeit der internationalen Politik un- mittelbar gefordert. Die bevorstehende Konferenz der so genannten Ge- berländer in Tokio bietet hierfür die zentrale Chance, eine dringend benötigte Agenda für den Aufbau des Lan- des nach dem Truppenabzug 2014 auf den Weg zu brin- gen. Die Bundesregierung hat als gewichtiges Mitglied der ISAF-Gemeinschaft und als Mitglied der G 8 die Möglichkeiten, entscheidende politische Impulse mit zu setzen. Diese Chance muss genutzt werden. Dabei wer- den sich die Ergebnisse der Tokio-Konferenz nicht allein an der Höhe der Summe, die von der internationalen Ge- meinschaft zum Wiederaufbau bereitgestellt wird, und auch nicht an der Anzahl von Dokumenten, die auf der Konferenz beschlossen werden, messen lassen. Was letztlich zählt, ist die tatsächliche Schaffung sicherer, demokratischer und stabiler Lebensbedingungen für 30 Millionen Afghaninnen und Afghanen. Dr. Christiane Ratjen-Damerau (FDP): Wer erin- nert sich nicht an den 11. September 2001? Viele von uns wissen noch exakt, was sie an diesem Tag getan ha- ben und wann sie von den Anschlägen auf das World Trade Center gehört haben. Der 11. September 2001 ist ein Tag des gemeinschaft- lichen Bewusstseins. Die meisten Menschen können noch im Detail beschreiben, was sie getan haben, als sie die schreckliche Nachricht gehört haben, mit wem sie zusammen waren und wo sie die ersten Bilder der Flug- zeuge sahen, die ins World Trade Center flogen. Die Menschen spürten am 11. September 2001 unmit- telbar, dass die Ereignisse in New York die Welt ver- ändern würden, dass der Einsturz der Zwillingstürme Reaktionen der Vereinigten Staaten und der Weltgemein- schaft hervorrufen würde. Am 7. Oktober 2001 begann der Krieg in Afghanis- tan. Dieser Krieg wurde auch begonnen, um die Men- schen in Afghanistan aus der Tyrannei der Taliban zu be- freien. Der Krieg brachte, trotz seiner dunklen Seite, den Menschen mehr Freiheit, mehr Demokratie und mehr Wohlstand. Ende 2014 ist der ISAF-Einsatz in Afghanistan been- det. Wir werden weiter das afghanische Volk auf dem Weg zu Stabilität, Gleichberechtigung und wirtschaftli- chem Aufschwung begleiten und unterstützen. Die Transformation eines der ärmsten und am wenigsten ent- wickelten Länder ist eine Generationenaufgabe. Mit dem Abzug der militärischen Truppen wird sich unser Enga- gement zwar verändern, aber unsere Solidarität und un- ser Versprechen gegenüber Afghanistan bleiben langfris- tig. Vor diesem Hintergrund ist die im Juli in Tokio unter dem Leitthema „Nachhaltige Entwicklungsstrategien für Afghanistan“ zu den zivilen Aspekten der Transforma- tionsdekade von 2015 bis 2024 stattfindende Konferenz ein wichtiger Meilenstein. Ziel ist, die Entwicklung Af- ghanistans zu einem voll funktionsfähigen, stabilen und demokratischen Staat zu unterstützen. In der Vergangenheit wurde bereits viel erreicht. Dies zeigt sich besonders deutlich bei den Frauen. Sie haben am meisten unter den Taliban gelitten. 72 Prozent aller Frauen erklären bei einer Umfrage in Afghanistan, dass sich ihr Leben seit der NATO-Intervention im Jahr 2001 verbessert habe. Das ist ein großer Erfolg, auf den wir und die Afgha- nen stolz sein können. Denn der Grad der Entwicklung eines Landes bemisst sich auch immer am Grad der Frei- heit der Frauen. Nach dem Truppenabzug 2014 rechnen 37 Prozent der Frauen mit einer Verschlechterung ihrer Situation. 86 Prozent haben Angst vor einer Rückkehr der Taliban. Jede Fünfte verwies dabei auf drohende Einschränkun- gen bei der Schulausbildung ihrer Töchter. Eine Studie der Hilfsorganisation Oxfam zeigt deut- lich, wie dringend notwendig unsere Unterstützung der Frauen ist: Die Studie gibt an, dass 87 Prozent der Af- ghaninnen schon Opfer von Gewalt in der Familie ge- worden sind. Im März dieses Jahres konstatierte die Menschen- rechtsorganisation Human Rights Watch: „Afghanische Frauen leiden unter Belästigung, Bedrohungen und manchmal sogar Mord. Zwangsheiraten, die Verheira- tung Minderjähriger und häusliche Gewalt sind weit ver- breitet und noch immer zu sehr akzeptiert.“ Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 22155 (A) (C) (D)(B) „Der Platz der Frau ist entweder das Haus ihres Man- nes oder ihr Grab“, so lautet bis heute ein weit verbreite- tes afghanisches Sprichwort. Frauen leiden am meisten unter der fragilen Sicher- heitslage. Sie werden diejenigen sein, die als erste in ih- ren Freiheiten und Grundrechten eingeschränkt werden, sollte sich die Situation in Afghanistan nach dem Trup- penabzug destabilisieren. Es sind folglich insbesondere die Frauen, die die internationale Gemeinschaft in ihren Fokus rücken muss. Die im Zuge der Friedensverhandlungen mit den Tali- ban hart erkämpften Frauenrechte dürfen auf keinen Fall zur Disposition gestellt werden. Das wäre ein falsch ver- standener Friedensprozess. Daher fordern wir die Bundesregierung auf, an dem 2011 auf der internationalen Afghanistan-Konferenz in Bonn festgeschriebenen Prinzip des Quidproquo – also langfristiges Engagement der internationalen Gemein- schaft wird nur geleistet, wenn Reformfortschritte der afghanischen Regierung sichtbar sind – insbesondere bei den Frauenrechten festzuhalten. Wir sind nur bereit, die afghanische Regierung zu un- terstützen, wenn die Grundrechte der Frauen gewahrt sind! Ein weiteres Problem nach dem Ende des ISAF-Ein- satzes ist die Entwicklung der afghanischen Volkswirt- schaft. Schon heute kommt nur ein verhältnismäßig geringer Anteil der finanziellen Unterstützung Afghanis- tans auch direkt bei den Händlern und Produzenten vor Ort an. Die meisten Güter, die ausländische Organisatio- nen oder Militärs benötigen, werden im Ausland gekauft und ins Land transportiert. Dies führt dazu, dass kaum Arbeitsplätze in Afghanistan selbst geschaffen werden. Neben der allgegenwärtigen Korruption ist dies vor allem der mangelnden Verfügbarkeit der Güter vor Ort geschuldet. Die dringende Aufgabe liegt in dem Aufbau von privatwirtschaftlicher Produktion. Eine Steigerung der lokalen Wertschöpfung ist essenziell für den Aufbau von Afghanistan. Wir fordern daher die Bundesregierung auf, ihren Beitrag zur Stärkung der afghanischen Privatwirtschaft zu leisten. Nur durch die Stärkung privater Betriebe und deren Unternehmergeist kann die Abhängigkeit Afgha- nistans von internationalen Unterstützungen verringert werden. Gleichzeitig kann auch die deutsche Wirtschaft ihren Beitrag zum Aufbau Afghanistans bewirken. Unser Wis- sen, unsere Technologien und unser Kapital können ei- nen wichtigen Wachstumsschub auslösen. Die Bundesre- gierung sollte sich daher verstärkt für Investitionen in Afghanistan einsetzen. Abseits der großen Städte und Zentren ist die Lage für die Menschen dramatisch: Im ländlichen Raum ist die Armut am größten, und im ländlichen Raum gelten die staatlichen Institutionen und die von der Verfassung ga- rantierten Rechte am wenigsten. Daher müssen wir den ländlichen Raum in unseren Fokus nehmen. Wir sollten Afghanistan dabei unterstützen, ihn als Lebensraum zu entwickeln. In ihm müssen sich die Menschen versorgen und sicher fühlen können. Vernetzte Sicherheit bedeutet die ressortübergreifende Zusammenarbeit und eine umfassende Vernetzung staat- licher und nichtstaatlicher Akteure in Krisenregionen. Dabei ist der vernetzte Ansatz mehr als das bloße Be- schützen von Menschen und Dingen. Der vernetzte Ansatz hat in den vergangenen Jahren zu mehr Stabilität und Erfolg beim Wiederaufbau von Afghanistan geführt. Nach wie vor gilt, dass militärische Operationen al- leine keinen Frieden schaffen und keine dauerhafte Si- cherheit garantieren können. Das Militär kann jedoch Zeit für diplomatische Lösungen oder die nötigen Si- cherheit beim Wiederaufbau schaffen. Mit der vernetzten Sicherheit werden Konfliktlö- sungsmechanismen entwickelt, die die ganze Komplexi- tät moderner Konfliktszenarien abbilden und einen um- fassenden Lösungsansatz bieten. Gerade für Afghanistan benötigen wir ein besonders hohes Maß an Vernetzung. Die Bundesregierung sollte diesen Weg weiter gehen. Die Menschen in Afghanistan werden noch über viele Jahre unsere Solidarität und unsere Unterstützung benö- tigen. Dies gilt insbesondere für die Schwächsten der af- ghanischen Gesellschaft: für die Frauen und Kinder. Die westliche Welt hat eine besondere Verpflichtung, Afghanistan auf seinem Weg der wirtschaftlichen und demokratischen Entwicklung beizustehen. Auf der Kon- ferenz in Tokio werden hierfür die Grundsteine gelegt. Mit unserem Antrag zeigen wir den von uns zu leisten- den Beitrag für ein friedliches und demokratisches Af- ghanistan auf. Heike Hansel (DIE LINKE): Vor einer Woche wur- den 18 Zivilisten bei einem Luftangriff der NATO getö- tet; am Dienstag kamen sieben Zivilisten bei einem An- schlag auf Sicherheitskräfte ums Leben; jeden Tag sterben dort Menschen durch Krieg. Am Montag verlo- ren über 80 Menschen bei einem Erdbeben ihr Leben. Das Dorf, in dem sie lebten, soll nun zum Massengrab erklärt werden, weil eine Bergung der Toten nicht mög- lich ist. Das sind die Nachrichten aus Afghanistan, wäh- rend wir im Bundestag zur besten Debattenzeit über flie- gende Teppiche streiten, anstatt darüber zu diskutieren, wie wir den Krieg beenden. Es wäre besser gewesen, Herr Niebel hätte statt Teppichen die deutschen Soldaten aus Afghanistan mitgebracht und sich damit ein Beispiel an der neuen französischen Regierung genommen, die ihre Truppen dieses Jahr abziehen will. Die Bilanz der bisherigen Unterstützung fällt aller- dings verheerend aus. Sie formulieren es in ihrem Antrag selbst: Ob Human Development Index, Lebenserwar- tung, Kindersterblichkeit – Afghanistan belegt überall ei- nen der letzten Ränge, und das nach über zehn Jahren sogenannter Unterstützung. Milliarden wurden in Afgha- nistan ausgegeben, auch für die zivile Hilfe, so viel, wie 22156 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 (A) (C) (D)(B) in keinem anderen Land, und das, um ein solches Ergeb- nis zu erzielen. Das zeigt: Im Krieg kann es keine Ent- wicklung geben. Die Fraktion Die Linke fordert seit Jah- ren: Schluss mit dem NATO-Krieg, Truppen raus aus Afghanistan, weil erst dann Entwicklung überhaupt mög- lich wird. Jetzt schreiben Sie, dass die Kampftruppen bis Ende 2014 Afghanistan verlassen haben werden. Tatsächlich aber werden noch lange danach, und zwar mindestens bis 2024, NATO-Truppen stationiert bleiben. Das heißt, dass deutsche Soldaten noch zehn weitere Jahre dort statio- niert sein werden. Die militärische, strategische und geheimdienstliche Kooperation mit Afghanistan, für Ausbildung und Terrorismusbekämpfung mit Spezialein- heiten wird für die Zeit nach 2014 festgeschrieben. Es wird erwartet, dass eine Truppenstärke von 15 000 Mann im Land verbleiben wird, darunter etwa 1 000 Bundes- wehrsoldaten. Ein vollständiger Truppenabzug sieht an- ders aus. Es ginge darum, „die Entwicklung Afghanistans zu ei- nem voll funktionsfähigen Staat weiterhin zu unterstüt- zen“, schreiben Sie. Weiterhin? Entwicklung zu einem funktionsfähigen Staat? Wie sah diese Entwicklung denn bislang aus – mit Ihrer Unterstützung? Als Kriegspartei sind die ISAF-Truppen am Töten in Afghanistan betei- ligt, Zehntausende von Zivilisten wurden in Afghanistan auch durch die Angriffe der ISAF getötet. Doch Deutsch- land ist nicht nur Kriegspartei, sondern hat auch eine kor- rupte Regierung, verbrecherische Warlords und Funda- mentalisten im Land gestärkt. Politische Stabilität und graduelle Demokratisierung wollen Sie in Afghanistan feststellen? Frauenrechte, die sowieso nur auf dem Papier standen, werden wieder zur Disposition gestellt. Korruption und Misswirtschaft do- minieren das Land. Gestern habe ich auf das Verbotsver- fahren gegen die Solidaritätspartei, die sich gegen die Besatzung und die Warlords und Drogenbarone in Parla- ment und Regierung engagiert und für den Abzug der Truppen wirbt und gegen die herrschenden Warlords auf die Straße geht, verwiesen. Wo bleibt gegen diese staatli- che Repression die Reaktion vonseiten der Bundesregie- rung und von Minister Niebel? Was schlagen die Fraktionen der Regierungskoalition nun vor? Leider nichts Neues, sondern nur mehr vom Alten. Im Sinne des kürzlich abgeschlossenen bilatera- len Kooperationsabkommens zwischen der Bundesregie- rung und Afghanistan setzen sie auf genau das Konzept, das bereits gescheitert ist: Die Wirtschaft Afghanistans soll weiter liberalisiert, bessere Bedingungen für private Investoren sollen geschaffen werden. Sie haben die Inte- ressen der deutschen Wirtschaft fest im Blick. Die Libe- ralisierung, der Afghanistan unter der Kuratel der inter- nationalen „Geber“ unterzogen wird, hat allerdings schon mehr als genug Schaden angerichtet. Vor allem re- gionale Märkte sind dadurch zusammengebrochen, die die Armut in den ländlichen Regionen massiv verstärkt hat. Mit dieser Politik tragen sie nicht zu Stabilität, Ent- wicklung und Demokratisierung bei. Ute Koczy (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dieses Jahr ist ein weiteres wichtiges Jahr für die Zukunft der Menschen in Afghanistan. Nach der Bonner Konferenz im letzten Dezember und dem NATO-Gipfel im Mai wird jetzt die Geberkonferenz in Tokio darüber entschei- den, ob die internationale Gemeinschaft in der Lage ist, die Weichen für ein Afghanistan nach 2014 richtig zu stellen. Wir Grünen finden es sehr wichtig, dass in Tokio tat- sächlich substanzielle Vereinbarungen getroffen werden. Denn in den vergangenen Jahren mussten wir immer wieder erleben, wie in Afghanistan falsche Prioritäten gesetzt wurden und wie die richtige Einsicht nicht umge- setzt wird. Tokio ist deswegen so wichtig, weil dort beschlossen werden muss, dass das Ende des Militäreinsatzes nicht auch das Ende der zivilen Unterstützung bedeutet. Aus diesem Grund begrüße ich es, dass die Koalition den An- trag „Tokio-Konferenz zu einem entwicklungspoliti- schen Erfolg führen“ vorgelegt hat. Er geht in die rich- tige Richtung. Aber er geht nicht weit genug. Afghanistan hat sich verändert. Es gibt Fortschritte für die Entwicklung im Land. Zu nennen sind hier der Bildungssektor oder der Gesundheitsbereich. So wurden im Rahmen der deutsch-afghanischen Zusammenarbeit allein seit 2009 34 000 Lehrkräfte an Grund- und weiter- führenden Schulen aus- und fortgebildet. Insgesamt hat sich seit 2001 die Anzahl der Schülerinnen und Schüler von einer auf 8 Millionen gesteigert, darunter viele Mäd- chen. Aber auch bei den Menschenrechten konnten teil- weise signifikante, für die Menschen spürbare Verbesse- rungen erreicht werden. Hoffnung gibt eine aktive und zuletzt weiter erstarkte und zunehmend gut vernetzte af- ghanische Zivilgesellschaft. Aber sicherlich gibt es auch besorgniserregende Ent- wicklungen in Afghanistan. Die Sicherheitslage ist be- unruhigend. Rückschritte zeichnen sich am Horizont ab. Beschämend ist, wie wenig hoffnungsfroh die Lage der Frauen in Afghanistan ist. Nach deutlichen Fortschritten in der Zeit nach 2001 gibt es in letzter Zeit zu viele negative Beispiele. Ich nenne die geplante Verstaatlichung und Kontrolle der af- ghanischen Frauenhäuser oder einen Gesetzentwurf zur Regelung von Hochzeiten, der letztendlich die Rechte von Frauen beschneiden sollte. Beide Initiativen kamen zynischerweise aus dem afghanischen Frauenministe- rium. Der Eindruck drängt sich auf, dass die Regierung Karzai auf dem Weg ist, das afghanische Frauenministe- rium zu einem Sittenwächter umzufunktionieren. Auch lassen sich die genannten Beispiele als Versuch verste- hen, den wieder erstarkenden konservativen Kräften in der afghanischen Gesellschaft entgegenzukommen. Das ist bitter, denn das dokumentiert auch ein Versagen der internationalen Politik. Liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalition, was ich in Ihrem Antrag vermisse, ist eine kritische Ausei- nandersetzung mit dem deutschen Engagement. Bis heute gibt es keine unabhängige Evaluierung des deut- schen Engagements in Afghanistan. Wir Grünen fordern Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 22157 (A) (C) (D)(B) dies seit Jahren ein. Der jährlich vorgelegte Fortschritts- bericht reicht da bei weitem nicht aus. Denn eine feh- lende Auseinandersetzung mit den Fehlern der Vergan- genheit heißt auch, dass man nicht bereit ist zu lernen. Daran leidet letztlich die Qualität des deutschen Einsat- zes. Mit dem Konzept der vernetzten Sicherheit wurde ein Tabu gebrochen und das Entwicklungspolitische dem Militärischen nachgeordnet. Dies hat dem Verhältnis zur Zivilgesellschaft geschadet. Eine kritische Aufarbeitung wäre auch wichtig für die weitere Strategie. So erklärt sich auch, warum Deutsch- land beim Aufbau Afghanistans generell so strategielos wirkt und international in der zweiten Reihe steht. Hier schließt sich auch der Kreis zu Ihrem Antrag. Es finden sich keine ambitionierten Ziele für die Zukunft Afgha- nistans. Stattdessen lese ich Dinge, die Fragen aufwer- fen. Im Antrag legen sie fest, dass für die Phase der Tran- sition die Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit und den zivilen Aufbau verstetigt werden sollen. Sprich, das wären dann die insgesamt 430 Millionen, davon 240 Millionen Euro aus dem Haushalt des BMZ. So weit, so gut. Für die Transformationsdekade von 2014 bis 2024 wird dagegen nur noch von einem „substanziellen Bei- trag“ gesprochen, der regelmäßig in Art und Umfang überprüft werden solle. Ich interpretiere das so, dass dies dann die schleichende Abkehr bzw. Reduktion der zivi- len Unterstützung für Afghanistan bedeutet. Ich finde, hierzu müssen sie sich erklären. Ich kritisiere die Ankündigung, die Ausarbeitung ei- nes bilateralen Rohstoffabkommens prüfen zu lassen. Ich finde es besser, Afghanistan dabei zu unterstützen, die eigenen Rohstoffe überhaupt erst einmal fördern zu können und dies zum Nutzen der gesamten Bevölkerung zu tun, sprich, ohne Korruption und für einen Staats- haushalt, der der parlamentarischen Kontrolle unterliegt. Solange dies nicht garantiert ist, sollten wir tunlichst die Finger davon lassen. Ich möchte auch noch einen weiteren Widerspruch in Ihrem Antrag aufzeigen: Ich verstehe nicht, wie Ihre ri- gorose Ablehnung von Budgethilfen für Afghanistan mit dem von Ihnen erweckten Eindruck zusammenpasst, den afghanischen Staat eigenständig machen zu wollen. Sie möchten Afghanistan dazu ermächtigen, aus eigenen Einnahmen, wohl auch durch Rohstoffexporte, die nöti- gen Mittel aufzubringen, um Entwicklung und Sicher- heitskräfte zu finanzieren. Gerade Budgethilfen sind ein geeignetes Instrument, um ein Land beim Aufbau von Finanzmanagement zu unterstützen, das Koordinations- problem der vielen Geber aufzulösen und endlich mal aus dem Klein-Klein herauszukommen. Ich sage Ihnen: Ein Land, das nicht in der Lage ist, verantwortungsvoll mit Budgethilfen umzugehen, ist auch nicht in der Lage, aus Rohstoffeinnahmen etwas Gutes für das Land zu er- reichen. Auch hier müssen Sie sich Kritik gefallen las- sen. Auch deshalb können wir dem Antrag nicht zustim- men. Zum Schluss. Die Tokio-Konferenz ist wichtig. Die Geber müssen Farbe bekennen. Deutschland muss aktiv für ein weiteres, verbessertes ziviles und entwicklungs- politisches Engagement eintreten. Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Unseriöses Inkasso zu Lasten der Verbraucherinnen und Verbrau- cher stoppen (Tagesordnungspunkt 16) Marco Wanderwitz (CDU/CSU): Mit dem stetigen Aufwachsen des Onlinehandels und Telefonmarketings sind leider zunehmend unseriöse Geschäftspraktiken zu einem großen Übel für Verbraucherinnen und Verbrau- cher geworden: Rechnungen infolge unerlaubter Tele- fonanrufe, aufgrund von sogenannten Abo-Fallen im In- ternet oder in mittelbarer Folge durch den Missbrauch datenschutzrechtlicher Einwilligungen. Die Methoden sind vielfältig, letztlich aber eng miteinander verfloch- ten. Am Ende derartiger Betrugsketten steht meist nicht nur die Beitreibung nicht existierender Forderungen selbst. Es sind auch unangemessene Beitreibungsmetho- den und vor allem das Anschwellen einer Bagatellforde- rung durch überhöhte Inkassokosten, die Verbraucherin- nen und Verbraucher drücken. In den letzten Jahren hat sich zudem das wettbe- werbsrechtliche Abmahnwesen für Bagatellen als ein neuer Geschäftszweig im negativen Sinne etabliert. Mit Hilfe von Suchmaschinen werden kleinste Verstöße im Internetauftritt identifiziert und folgend abgemahnt. Häufigen Anlass für diese Masche geben Verstöße gegen Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 4 Nr. 11 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, insbeson- dere die Impressumspflicht nach dem Telemediengesetz, der Gebrauch unzulässiger Allgemeiner Geschäftsbedin- gungen und Verstöße gegen die Preisangabenverord- nung. Für Mitbewerber ist es dabei oft zu keiner spürba- ren Wettbewerbsverzerrung gekommen, für den zumeist betroffenen Kleinunternehmer hingegen stellen die im Rahmen der Abmahnung geforderten Kosten eine exis- tenzbedrohende große Belastung dar, die, und das ist der wesentliche Punkt, in keinem Verhältnis zur Geringfü- gigkeit des Verstoßes stehen. Die Drohgebärden der unseriösen Inkassounterneh- men werden durch das Versenden vorformulierter Klage- schriften oder umfänglicher vermeintlich zutreffender Urteilssammlungen zugunsten der angeblichen Forde- rungsinhaber unterstützt, um den Druck noch weiter zu erhöhen. Die Verbraucherzentrale in meinem Heimatland Sachsen hat im Rahmen einer Erhebung aus dem Jahre 2011 lediglich 1 Prozent von 4 000 untersuchten Be- schwerden als eindeutig berechtigte Inkassoforderungen identifiziert. Die Zahl derer, die den Weg zu den Ver- braucherzentralen nicht gesucht und stattdessen unter dem Druck sich anhäufender Mahnungen gezahlt haben, 22158 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 (A) (C) (D)(B) dürfte um ein Wesentliches höher liegen: die sogenannte Grauzone. Die Inkassobranche hat nicht zuletzt ob dieser Methoden mancher insgesamt keinen guten Ruf beim Verbraucher. Der vorliegende Antrag der PDS richtet sich gegen die schwarzen Schafe einer Branche, die für das Funk- tionieren des Geschäftslebens insgesamt aber unabding- bar ist. Inkassounternehmen ermöglichen vielen Unter- nehmen aus sämtlichen Branchen die Konzentration aufs Kerngeschäft, indem sie bestehende Forderungen im außer- gerichtlichen Inkasso realisieren. Wir dürfen eines nicht verkennen in der ganzen Diskussion: Viele Schuldner er- halten zu Recht Inkassoschreiben, weil sie säumig mit einer unbestreitbaren Forderung sind. Die Inkassovergü- tung ist dann Teil des Verzugsschadenersatzanspruchs des Gläubigers. Die christlich-liberale Koalition sieht angesichts des Missbrauchs in der Branche natürlich Handlungsbedarf. Das Kind mit dem Bade ausschütten wollen und werden wir aber nicht. Entgegen der Darstel- lung im Antrag sind wir in diesem Bereich auch alles an- dere als untätig. Im März haben wir hier im Haus das Gesetz gegen Kostenfallen im elektronischen Geschäftsverkehr verab- schiedet, mit dem den sogenannten Abo-Fallen ein wei- terer Riegel vorgeschoben wird. Das war ein wichtiger weiterer Schritt zur Umsetzung unserer rechts- und ver- braucherpolitischen Agenda, mit dem wir den Hebel am Anfang der skizzierten Betrugskette ansetzen. Die Bundesregierung, in Person die Ministerinnen Aigner und Leutheusser-Schnarrenberger – das will ich in diesem Zusammenhang gern nochmals betonen –, hatte erfolgreich die Aufnahme dieser Regelung in die am 12. Dezember 2011 in Kraft getretene EU-Verbrau- cherrechte-Richtlinie erreicht. Wir waren danach die ers- ten in Europa, die umgesetzt haben. Wir haben die euro- päisch abgestimmte Regelung erreicht. Auch gegen verbundene unseriöse Geschäftsprakti- ken, gegen unseriöse Inkassounternehmen und die er- wähnte Bagatellabmahnindustrie werden wir vorgehen. Der entsprechende Referentenentwurf des Bundesminis- teriums der Justiz liegt bereits vor. Die Schwerpunkte darin sind mehr Transparenz beim Forderungseinzug, Darlegungs- und Informationspflich- ten bei Inkassodienstleistungen und erweiterte Sank- tionspflichten der Aufsichtsbehörden einschließlich empfindlicher Bußgelder sowie Rahmensetzung im Ge- bührenbereich. Der vorliegende Antrag ist also weitgehend erledigt. Ihre Forderung nach einer neuen Behörde lehnen wir ab, da es keinen Vollzugsmangel gibt, sondern zusätzlicher Regulierung bedarf – und die kommt. Mechthild Heil (CDU/CSU): Erst das Vergnügen – dann die Arbeit: Zunächst möchte ich nämlich etwas durchaus Erfreuliches feststellen: Im Verbraucherschutz liegen die Positionen in diesem Hause weniger weit aus- einander als in anderen politischen Fragen. Weniger erfreulich ist allerdings, dass wir uns immer wieder mit Anträgen wie diesem beschäftigen müssen, in denen Sie etwas fordern, was wir schon längst tun. Wir sind uns doch beim Thema: „Unseriöses Inkasso zu- lasten Verbraucherinnen und Verbrauchern stoppen“ grundsätzlich einig. Seriöses Inkasso ist im Wirtschafts- leben normal und wichtig. Viele Firmen sind beim Ein- zug ihrer Forderungen auf die Hilfe seriöser Inkasso- unternehmen angewiesen. Einige schwarze Schafe bringen aber die gesamte Branche zunehmend in Verruf. Schlimmer noch: Die be- troffenen Verbraucherinnen und Verbraucher fühlen sich durch ungerechtfertigte Mahnungen bedroht und einge- schüchtert. Sie müssen einen finanziellen Schaden hin- nehmen, auch wenn sie entweder keine oder nur gering- fügige Rechtsverstöße begangen haben. Deshalb: Den Praktiken von unseriösen Inkassounternehmen in Deutschland muss ein Riegel vorgeschoben werden. Und das machen wir. Ja, es ist richtig, dass Verbraucherinnen und Verbrau- chern von solchen unseriösen Unternehmen in vielen Fällen Gebühren zugemutet werden, die ungerechtfertigt hoch sind. Ja, es ist auch richtig, dass eine Informations- pflicht in Zusammenhang mit den Zahlungsaufforderun- gen von Inkassounternehmen eingeführt werden muss, damit Verbraucherinnen und Verbraucher nachvollzie- hen können, woher die Zahlungsverpflichtungen kom- men, und damit sie überprüfen können, ob diese Forde- rungen berechtigt sind. Ja, es ist richtig, dass der Sanktionsrahmen gegen un- seriöses Inkasso qualitativ und quantitativ erweitert und die entsprechenden Kontrollmechanismen ausgebaut werden müssen. Ja. Ja. Ja. – Aber trotzdem: Nein, meine Damen und Herren von der Linken, zu Ihrem Antrag! Denn: Wir brauchen diesen Antrag nicht. Die genannten Kritikpunkte hat das BMJ schon längst in seinem Ge- setzentwurf zur Bekämpfung unseriöser Geschäftsprak- tiken mit gezielten Neuregelungen gegen unseriöse Inkassotätigkeit im Rechtsdienstleistungsgesetz aufge- griffen. Der Entwurf befindet sich derzeit noch in der Ressortabstimmung. Vorgesehen ist unter anderem: Aus Inkassoschreiben muss eindeutig zu entnehmen sein, für wen das Inkassounternehmen arbeitet, worauf die Forderung beruht und wie sich die Inkassogebühren zusammensetzen. Dies ist für seriös arbeitende Perso- nen, die Inkassodienstleistungen erbringen, schon heute selbstverständlich, sodass mit dieser Verpflichtung für die Mehrheit der seriösen Marktteilnehmer kein bürokra- tischer Mehraufwand und kein Kostenaufwand entste- hen. Die Aufsicht über die Inkassobranche soll verbessert werden. Schon heute benötigen Inkasso-Unternehmen eine Registrierung. Die Widerrufsmöglichkeiten für die Registrierung sollen erweitert werden, damit unseriöse Unternehmen schneller vom Markt verschwinden. Eine einfache und transparente Gebührenregelung soll verhindern, dass Verbraucherinnen und Verbraucher überzogene Inkassogebühren zahlen. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 22159 (A) (C) (D)(B) Derzeit gibt es keine klare Regelung, bis zu welcher Höhe Inkassogebühren geltend gemacht werden können. Mit der Einführung von Inkassoregelsätzen kann jeder Verbraucher sofort erkennen, bis zu welcher Höhe sol- che Kosten erstattungsfähig sind. Eine faire, dem tat- sächlichen Aufwand angemessene Staffelung der Kosten nimmt unseriösen Abzockern in dieser Branche den An- reiz. Verknüpft werden diese Maßnahmen gegen unseriö- ses Inkasso mit neuen Regelungen zu Telefonwerbung und Abmahnwesen, da hier ein inhaltlicher Zusammen- hang besteht. In vielen Fällen beziehen sich unseriöse Inkassopraktiken auf Forderungen, die während eines unerlaubten Werbeanrufs begründet worden sind. Wir reagieren damit auf die Forderungen des Bundes- rates vom Mai 2011 und der Verbraucherschutzminister- konferenz vom vergangenen September sowie auf die im Dezember veröffentlichten Untersuchungsergebnisse der Verbraucherzentrale, auf die Sie sich in Ihrem Antrag ebenfalls beziehen und die übrigens vom BMELV geför- dert wurde. Wir brauchen allerdings keine bundesweit tätige Verbraucherschutzbehörde, die die Inkassounter- nehmen überwacht, wie Sie es fordern. Die Aufsicht er- folgt heute durch die Länder. Eine Übertragung der Auf- sichtspflicht auf eine Bundesbehörde würde nur zu Know-how-Verlust führen. Auch Ihre Forderung, eine Inkassogenehmigung dürfe nur nach eingehender, vorheriger behördlicher Prüfung erteilt werden, läuft ins Leere. Eine Zulassung für Inkassounternehmen wird heute schon nur erteilt, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen: Die Inkassodienstleister müssen geeignet und zuverlässig sein, die besondere Sachkunde besitzen, die notwendig ist, um die Rechtsdienstleistung zu erbringen, und eine Berufshaftpflichtversicherung abgeschlossen haben. Worum es hier geht, worum es uns geht, ist, Betrü- gern in einem im Übrigen seriösen und leider notwendi- gen Dienstleistungsbereich das Handwerk zu legen, in- dem wir die schwarzen Schafe erkennen, sie von dieser Tätigkeit ausschließen und gegebenenfalls bestrafen. Nicht weniger, aber eben auch nicht mehr. Damit, ich sagte es bereits, setzen wir um, was Sie heute fordern: den umfassenden Schutz der Verbraucherinnen und Ver- braucher vor unseriösem Inkasso. Hier trifft das arabi- sche Sprichwort zu: „Weisheit, die auf Eseln reitet, kommt immer zu spät.“ Kerstin Tack (SPD): Wieder einmal geht es heute um unseriöse Inkassounternehmen. Ein Problem, das in- zwischen nahezu jedem hier bekannt sein sollte: Forde- rungen werden teilweise ungeprüft gestellt, und dafür werden horrende Beträge verlangt, die die eigentliche Forderung teilweise überschreiten. Alle sind sich hier ei- nig: So geht das nicht. Die Bundesjustizministerin hatte hierzu einen Gesetzentwurf erarbeitet. Ein Missgeschick führte dazu, dass dieser Gesetzentwurf die Öffentlichkeit erreichte. Und obwohl der Gesetzentwurf tatsächlich eine Verbesserung der Verbraucher dargestellt hätte, liegt er nun auf Eis. Die in dem Gesetzentwurf zum Ausdruck kommende Begrenzung des Streitwertes auf 500 Euro beispielsweise finde auch ich ein adäquates Mittel. Über weitere Details müsste man sich unterhalten. Aber – und dieses „aber“ kommt ja inzwischen auch schon aus den eigenen Reihen der Koalition – Fernsehmoderatoren führen hierüber Nachgespräche. Aber, meine Damen und Herren, der Gesetzentwurf wurde bis heute nicht im Kabinett beschlossen. Die Regierung bleibt auch in die- sem Punkt untätig. Anhalten, aufhalten, einstampfen. Schade um die Kapazitäten der Ministerien. Wenn wir nun also darüber reden, wie wir die schwar- zen Schafe unter den Inkassounternehmen an die Kan- dare legen wollen, dann müssen wir uns klarmachen, wo die Probleme liegen. Mit dem Begriff Inkasso bezeich- nen wir das Eintreiben fremder Forderungen. Wenn wir den Normalfall anschauen, ist das auch unproblema- tisch: Ein Kunde bezahlt die Rechnung nicht, also soll er hierzu verpflichtet werden. Problematisch wird es aber – und deswegen unterhalten wir uns hier und heute darüber –, wenn zweifelhaft ist, ob die Forderung über- haupt besteht, oder wenn für das Eintreiben der Forde- rung deutlich mehr Geld verlangt wird, als die Forde- rung selbst wert ist. Schauen wir uns beispielsweise Abmahnungen im Urheberrechtsbereich an: Der Verein gegen den Ab- mahnwahn e. V. hat im Jahr 2011 über 218 000 Abmah- nungen mit einem Gesamtforderungsvolumen von über 165 Millionen Euro geschätzt. Wenn diese Schreiben alle bezahlt worden wären, so hätte jedes über 750 Euro gekostet. Der Verein geht von einer Zahlungsquote von 40 Prozent aus. Das heißt, 218 000 Abmahnungen erge- ben 66 Millionen Euro. Pro versandtem Brief ergibt das immer noch etwas mehr als 300 Euro, über 300 Euro für ein maschinell erstelltes Aufforderungsschreiben, mit dem jemand gebeten wird, ein Verhalten künftig zu un- terlassen. Das ist problematisch. Deshalb unterstütze ich die Forderung, die auch im heute zur Debatte stehenden Antrag enthalten ist, Inkassogebühren für den Regelfall zu deckeln, ausdrücklich. Ich möchte in diesem Zusammenhang auch einmal darauf hinweisen, dass es bei einer solchen Abmahnung weder um einen Schadenersatz geht, den der oder die Abgemahnte bezahlen soll, noch um eine strafrechtliche Sanktion. Für beides haben wir andere Vorschriften. Hier geht es lediglich darum, ein Verhalten abzumahnen, so- dass dies künftig unterlassen wird. Hohe Gebühren sind da nicht angebracht. Probleme gibt es auch in anderen Bereichen, beispielsweise bei Vertragsschlüssen auf- grund von Telefonwerbungen. Die Telefonate haben manchmal noch nicht einmal stattgefunden, was die Un- ternehmen nicht immer davon abhält, diese Forderungen – ohne jede Vertragsgrundlage – durchsetzen zu lassen. Die Inkassounternehmen prüfen nicht, sondern ziehen den Betrag sofort ein. Cary Grant sagte einmal: „Mach deine Arbeit und verlange deine Bezahlung – aber bitte in dieser Reihenfolge.“ Diese Reihenfolge wird aber eben genau nicht eingehalten. Vielmehr fordern unse- riöse Inkassounternehmen Gelder ein, ohne geprüft zu haben, ob sie dazu überhaupt berechtigt sind. Die Arbeit überlassen sie erst einmal den Verbraucherinnen und Verbrauchern und gucken, ob die sich gegen die Forde- rung wehren. So kann das aber nicht weitergehen. 22160 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 (A) (C) (D)(B) Wir müssen Verbraucherinnen und Verbraucher davor bewahren, dass Unternehmen unberechtigte Forderun- gen stellen. Um Verbraucherinnen und Verbraucher vor unseriösem Inkasso zu schützen, müssen daher folgende Eckpunkte gesetzlich verankert werden: Die Gebühren müssen begrenzt werden. Mehr als 100 Euro für ein ers- tes, einfaches Aufforderungsschreiben sind unverhältnis- mäßig. Das gilt nicht nur, aber ganz besonders bei Ab- mahnungen mit Unterlassungsandrohungen. Man muss sich doch einmal anschauen, worum es hier geht: Unter- lasse das, sonst wird es teuer! Das ist die Aussage einer Abmahnung. Und nicht: Zahle teures Geld, weil Du et- was falsch gemacht hast. Zweitens brauchen wir ein breiteres Sanktionsspek- trum gegen die schwarzen Schafe unter den Inkasso- unternehmen. Es kann doch nicht angehen, dass Forde- rungen ohne die Prüfung, ob sie überhaupt bestehen könnten, durchgesetzt werden. Wenn so etwas passiert, dann muss die Aufsicht auch mal ein Bußgeld verhängen dürfen. Und wenn so etwas häufig passiert, dann muss es auch möglich sein, das Unternehmen zu schließen. Drittens müssen wir die Verbraucherzentralen zu ei- nem Finanzmarktwächter ausbauen. Wir brauchen ein Organ im Markt, das Fehlverhalten aufdeckt und kennt- lich macht. Die Verbraucherzentralen bieten die Infra- struktur, um Marktmissstände frühzeitig zu erkennen. Sie stehen im direkten Austausch mit Verbraucherinnen und Verbrauchern. Über ihr breites Netz an Verbraucher- zentralen einerseits, aber auch über Onlineplattformen andererseits kann sich nahezu jede deutsche Verbrauche- rin und jeder deutsche Verbraucher mit Problemen ein- fach an die Verbraucherzentralen wenden. Die zum Marktwächter erstarkten Verbraucherzentralen könnten Probleme am Markt filtern und an eine schlagkräftige Aufsicht weitergeben. Dann brauchen wir keine bürokra- tisch organisierte Verbraucherbehörde, wie sie im vorlie- genden Antrag gefordert wird. Wir wollen eine bürger- und marktnahe Einrichtung, die die Probleme der Ver- braucherinnen und Verbraucher kennt. Viertens muss gewährleistet sein, dass alle Bereiche des Finanzmarktes einer schlagkräftigen Aufsicht unter- stellt sind. Das muss auch für Inkassounternehmen gel- ten. Die Zivilgerichte können diese Aufgabe nicht leisten. Ihre Aufgabe ist das Wachen über Rechtsdienstleistun- gen. Ihre Struktur ist über das gesamte Bundesgebiet ver- teilt. Traditionell kam es bei Inkassounternehmen genau auf diese Art der Aufsicht an. Denn Inkassounternehmen sollten fremde Forderungen einziehen. Sie sollten eine rechtsnahe Dienstleistung erbringen. Heute zeigt sich aber, dass es auch auf die inhaltliche Arbeit der Unterneh- men ankommt. Die Aufsichtsbehörde muss im Zweifel eben auch beachten und beobachten, ob ein Inkassounter- nehmen Forderungen überprüft hat, bzw. Sanktionen ver- hängen, wenn das nicht der Fall war. Für eine solche Überprüfung bedarf es einer schlagkräftigen Aufsicht, die Missständen nachgehen und diese sanktionieren kann. Die Zivilgerichte sind hierzu weder strukturell noch per- sonell in der Lage. Erst wenn wir ein solches Gesamtkon- zept verabschiedet haben, wird sich der Markt regulieren. Das Zusammenspiel von Marktwächter und Aufsichtsbe- hörde ist dabei der entscheidende Schlüssel, um eine ef- fiziente Kontrolle des Marktes ohne zu gravierende Ein- schnitte zu gewährleisten. Denn der Marktwächter beobachtet den Markt aus der Sicht der Verbraucherinnen und Verbraucher. Er ist eine Bündelung der vielen schwa- chen Einzelinteressen, die unter ihm versammelt werden. Er schaut sich an, wo Defizite bestehen, und diese meldet er an die Aufsicht. Diese ist wiederum alleinige Sank- tionsbehörde. Sie prüft, entscheidet und verhängt gegebe- nenfalls Sanktionen gegen unseriöse Marktteilnehmer. Dieses Marktwächtermodell berücksichtigt die Inte- ressen der Verbraucherinnen und Verbraucher ohne eine übermäßige Regulierung. Es ist günstiger und effektiver als die Schaffung einer Behörde. Und ein Marktwächter hat deutlich bessere Handlungsmöglichkeiten, um prä- ventiv vorzubeugen. Verbraucherinnen und Verbraucher können ohne große Hemmungen mit dem Marktwächter kommunizieren und sich über Gefahren und Miss- brauchsmechanismen des Marktes kundig machen. Mit einem ausbalancierten Rechte- und Pflichtensys- tem, mit einer schlagkräftigen Aufsicht und mit einem Marktwächter, der die Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher im Blick hat, können wir auch unseriö- ses Inkasso langfristig eindämmen. Stephan Thomae (FDP): Die Linke stellt in ihrem Antrag ihre Überlegungen zu unseriösem Inkasso vor. Ich muss zunächst eins klarstellen: Es ist mitnichten so, dass die Bundesregierung das Problem unseriöser Inkas- sounternehmen ignoriert hätte. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser- Schnarrenberger hat einen Referentenentwurf zur Be- kämpfung unseriöser Geschäftspraktiken vorgelegt. In diesem wird neben den Themen unerlaubte Telefonwer- bung, Abmahnungen nach dem Gesetzt gegen unlauteren Wettbewerb und nach dem Urheberrechtsgesetz auch das Problemfeld unseriöser Inkassopraktiken behandelt. Lassen Sie mich nun auf die Forderungen der Linken im Einzelnen eingehen. Erstens. Die Linke schlägt vor, dass die Schuldnergebühren für die ersten beiden Mah- nungen 100 Euro nicht überschreiten dürfen. Wie das ge- gen unseriöse Machenschaften helfen soll, erschließt sich mir nicht. Hier muss man eins bedenken: Eine Ge- bührendeckelung trifft seriöse Inkassounternehmen ge- nauso wie unseriöse. Wenn die Unternehmen aber nur geringe Gebühren verlangen dürfen, können sie auch nur diese geringen Gebühren einsetzen um die einzelnen Fälle seriös abzuwickeln. Dies wirkt sich natürlich auf die Qualität des Inkassos aus. Seriös arbeitende Unter- nehmen haben dann weit weniger Mittel zur Verfügung, um die Prüfung und Fallbearbeitung im Einzelfall mit der gebotenen Intensität zu betreiben. Der Vorschlag der Linken würde nicht dazu führen, dass wir unseriösen In- kassounternehmen das Wasser abgraben. Vielmehr wäre die Konsequenz einer Kostendeckelung, wie sie die Linke vorschlägt, dass das Niveau seriösen Inkassos ins- gesamt sinkt. Das sollten wir nicht wollen. Der Referen- tenentwurf des BMJ sieht daher auch vor, dass durch eine Verordnung Inkassoregelsätze aufgestellt werden, Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 22161 (A) (C) (D)(B) die es seriösen Unternehmen ermöglichen, sinnvoll zu arbeiten. Zweitens. Weiter fordert die Linke, dass Inkassoun- ternehmen umfangreiche Informationspflichten auferlegt werden. Dies geht in der Sache in die richtige Richtung und seriöse Unternehmen erfüllen diese Voraussetzun- gen heute bereits. Aber auch hier muss man mit Augen- maß vorgehen. Der vorliegende Vorschlag sieht vor, dass Inkassounternehmen verpflichtet werden. Verbraucher immer auch die Anschrift des Auftraggebers der Inkas- sounternehmen zu übermitteln. Dies übersieht aber voll- ständig, dass dabei auch datenschutzrechtliche Aspekte berücksichtigt werden müssen. Daher sieht der Entwurf der Bundesjustizministerin vor, dass auf die Angabe der Anschrift verzichtet werden kann, wenn dargelegt wird, dass der Benennung der Anschrift besondere Schwierig- keiten oder schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen entgegenstehen. Dies könnte der Fall sein, wenn es im Vorfeld wiederholt zu Bedrohungen oder Stalking durch die Schuldnerin oder den Schuldner gegenüber dem Gläubiger gekommen ist. Drittens. Eine weitere Forderung Ihres Papiers ist die Erhöhung des Bußgeldrahmens. In dieser Hinsicht kann ich Sie voll und ganz beruhigen. Der Referentenentwurf sieht vor, dass im Rahmen von § 20 RDG, Gesetz über außergerichtliche Rechtsdienstleistungen, verhängte Bußgelder bis zu 50 000 Euro betragen können. Dies be- deutet eine Verzehnfachung des bisherigen Rahmens. Wir sind uns in diesem hohen Hause alle einig, dass ge- gen unseriöse Inkassounternehmen etwas unternommen werden muss, um die Verbraucher zu schützen. Wir dürfen dabei aber nicht aufgrund einzelner Unter- nehmen eine ganze Branche unter Generalverdacht stel- len. Die schwarz-gelbe Bundesregierung möchte präzise die Betrüger unter den Inkassounternehmen treffen und nicht diejenigen, die ihre Arbeit legitim durchführen. Die Linke verfährt aber offensichtlich nach dem Prinzip: „Bei den Inkassounternehmen trifft man sowieso nicht den Falschen.“ Das zeigt sich auch anhand der Tatsache, dass die Linke behauptet, die „Inkassoindustrie“ finan- ziere sich dadurch, dass den Verbraucherinnen und Ver- brauchern „weiterhin unberechtigt Geld aus der Tasche gezogen“ werde. Wer seriöse Unternehmen so leichtfer- tig mit betrügerischen Unternehmen vermengt, muss sich den Vorwurf gefallen lassen, es gehe ihm nicht nur darum, die unberechtigten Inkassoschreiben zu verhin- dern, sondern dass er ebenfalls in Kauf nimmt, die seriö- sen Inkassounternehmen gleich mit abzuwürgen. Die Inkassoforderung muss zur außergerichtlichen Beilegung eines Zahlungsverzugs auch weiterhin mög- lich sein. Der Kampf gegen unseriöse Geschäftsprakti- ken in der Inkassobranche darf nicht auf dem Rücken der Gläubiger ausgetragen werden. Diese möchten ihre For- derungen ja zu Recht beglichen sehen und sind daher oft auf die Dienste seriöser Inkassounternehmen angewie- sen. Das BMJ hat einen Entwurf, zur Lösung dieser Fra- gen vorgelegt. Dieser ist in den Augen meiner Fraktion der deutlich bessere Weg als das, was die Linke hier vor- schlägt. Vor diesem Hintergrund können wir dem Antrag der Linken nicht zustimmen. Dr. Erik Schweickert (FDP): Die meisten Inkasso- büros arbeiten solide und fair. Sie erfüllen in unserer Wirtschaftordnung eine wichtige Aufgabe. Sie fungieren als Vertreter des Gläubigers und realisieren Forderungen gegen säumige Schuldner. Durch die eigenbetriebliche Übernahme der Durchsetzung von Forderungen entlas- ten sie insbesondere Unternehmen in erheblichem Um- fang. Seriöse Inkassounternehmen arbeiten für Gläubiger und Schuldner gleichsam kostengünstig und effizient. Aber leider gibt es auch die Kehrseite der Medaille: Drohen, erpressen, abzocken – das ist für einige windige Inkassobüros der tägliche Dreiklang. Unlauteres Inkasso ist in Deutschland leider auf dem Vormarsch, nicht sel- ten in einer unheiligen Allianz mit unerlaubter Telefon- werbung oder Abzocke im Internet. Mit Phantasiezinsen und nicht nachvollziehbaren Gebühren werden die dem Verbraucher in Rechnung gestellten Kosten in die Höhe getrieben. Nicht selten übersteigen diese Kosten am Ende die Forderung um das Vielfache. Aber nicht nur das: Verbrauchern wird bei Nichtzahlung mit einem Schufa-Eintrag gedroht, obwohl das Inkassobüro gar nicht Schufa-Mitglied ist und somit auch gar keinen Ein- trag erwirken kann. Und die ganz Windigen versuchen gar, Forderungen beizutreiben für Verträge, die ein Ver- braucher niemals abgeschlossen hat. Das Unternehmen Lotto 3000 hat dies beispielsweise im großen Stil auch in meinem Wahlkreis versucht. So nicht! Die schwarz-gelbe Bundesregierung geht hier deutlich voran und wird den windigen Inkassounter- nehmen Ketten anlegen und damit die Verbraucher vor Abzocke schützen. Allerdings, und das sage ich mit Blick auf den vorlie- genden Antrag der Fraktion Die Linke, habe ich den Ein- druck, Sie waren zu lange zu sehr mit sich selbst und Ih- ren Führungsdebatten beschäftigt in letzter Zeit. Darüber scheinen Sie etwas den Überblick über die tagespoliti- schen Entwicklungen verloren zu haben. Wir sind näm- lich schon sehr viel weiter, als Ihr Antrag es vorgibt. Ich kläre Sie aber gerne darüber auf, was die Bundesregie- rung und die FDP-Bundestagsfraktion bereits an Maß- nahmen vorgeschlagen und auf den Weg gebracht haben. Am 24. Oktober 2011 hat die FDP-Bundestagsfrak- tion auf meine Initiative hin ein Positionspapier be- schlossen, das künftige gesetzgeberische Maßnahmen angeregt hat. Dies hat das Bundesjustizministerium auf- gegriffen und inzwischen einen Entwurf vorgelegt, der unseriöse Geschäftspraktiken ins Visier nimmt und diese abstellen möchte. Dazu gehört erstens, dass Inkassoun- ternehmen zukünftig transparenter machen müssen, für wen welche Forderung geltend gemacht wird. Die Nen- nung von Name bzw. Firma des Auftraggebers wird ebenso vorgeschrieben wie die Nennung von Vertragsda- tum, Vertragsumstand und Inhalte des Vertragsschlusses. Zweitens schiebt der Entwurf dem Gebührenauswuchs einen Riegel vor, indem Inkassoregelsätze eingeführt werden sollen, nach denen die Gebühren berechnet wer- 22162 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 (A) (C) (D)(B) den. Eine Kopie mit einem Aufwand von 200 Euro zu berechnen, wird damit der Vergangenheit angehören. Wir werden aber keine Gebührendeckelung vorneh- men bei einem bestimmten Prozentsatz der Hauptforde- rung, wie Sie es in Ihrem Antrag fordern. Wir sind der Meinung, tatsächlich anfallende Kosten sollen auch wei- terhin abgerechnet werden dürfen. Es muss lediglich transparent nachgewiesen werden, dass diese Kosten wirklich entstanden sind. Ihr Vorschlag würde beispiel- weise das Inkasso bei geringen Forderungen zu einem Zuschussgeschäft machen, da bestimmte Kosten immer anfallen, egal wie hoch die Hauptforderung ist. Wir wol- len nicht, dass Bagatellforderungen von wenigen Euro nicht mehr beigetrieben werden können, weil schon die Versendung eines umfangreichen Briefs an den Schuld- ner teurer ist als die Forderung selbst. Wir wollen jedoch, dass Zinssätze transparent darge- legt werden und sollte ein höherer Zinssatz als der ge- setzliche Verzugszins berechnet werden, dies nur dann geschehen darf, wenn die Umstände begründet dargelegt werden, warum dies nötig ist. Schließlich sieht der Entwurf des BMJ die Erweite- rung der Bußgeldvorschriften vor. Wir brauchen ein ab- gestuftes Sanktionssystem. Denn gerade das Beispiel Deutsche Zentralinkasso zeigt, dass allein der Entzug der Zulassung als Inkassodienstleister nicht ausreicht, um dem Problem des unlauteren Inkasso zu begegnen. Denn dieses Schwert mag zwar auf den ersten Blick scharf sein, aber wenn es am Ende von den Gerichten aufgrund der hohen Hürden nicht angewendet wird, dann bringt es dem Verbraucher nichts und ist auf den zweiten Blick eben leider sehr stumpf. Deshalb wollen wir über die Möglichkeit des Entzugs der Zulassung hi- naus auch Bußgeldmöglichkeiten beim Verstoß gegen oben angeführte Transparenzpflichten schaffen. Ordnungs- widrigkeiten sollen künftig nicht nur mit 5 000 Euro, sondern mit 50 000 Euro geahndet werden können. Und diese Geldbußen sollen nicht mehr nur durch die Staats- anwaltschaften verhängt werden dürfen, sondern auch durch die jeweils zuständigen Registrierungsbehörden. Die Bundesregierung hat das Problem erkannt und wird entsprechend handeln. Denn wir stehen an der Seite der Verbraucher. Deshalb unterstützen wir auch die Ver- braucherzentralen – in diesem Jahr mit 8,7 Millionen Euro aus dem Bundeshaushalt. Was dieser Aspekt im Zusammenhang mit unlauterem Inkasso in Ihrem Antrag zu suchen hat, erschließt sich mir zwar nicht, aber ich nutze dies gerne, um ausdrücklich die gute Arbeit der Verbraucherzentralen zu loben und ihnen zuzusichern, dass wir als christlich-liberale Koalition die Arbeit der Verbraucherzentralen gerne auch weiterhin entsprechend fördern werden. Denn die Verbraucherzentralen zahlen dies mit sehr guter Verbraucheraufklärung und -beratung auch zurück. Gerade beim unlauteren Inkasso hat der Verbraucherzentrale Bundesverband äußerst wertvolle Arbeit bei der Aufdeckung schwarzer Schafe geleistet. Dafür nochmals auch mein expliziter Dank. Lassen Sie mich abschließend noch kurz darauf hin- weisen, dass wir nicht nur das Thema Inkasso angehen, sondern auch das zu Beginn genannte unheilvolle Zu- sammenspiel von Internetabzockern und unlauterem In- kasso. Es ist diese schwarz-gelbe Bundesregierung ge- wesen, die bereits zahlreiche Maßnahmen ergriffen hat, um die Bestellsituation im Internet eindeutiger und nach- vollziehbarer zu gestalten. Mit dem verpflichtenden Be- stätigungsfeld bei kostenpflichtigen Vertragsabschlüssen im Internet sind wir vor allem denen zu Leibe gerückt, die bisher die Kostenpflichtigkeit von Angeboten be- wusst verschleiert haben, um die Verbraucher dann spä- ter mit Forderungen zu überziehen. Dieses Unterjubeln von Kosten wird künftig nicht mehr funktionieren, und damit haben wir auch schon vielen Inkassoabzockern ihre Geschäftsmodelle entzogen. Und all jenen, die auf andere Weise auf die Abzocke der Verbraucher als Ge- schäftsmodell setzen, werden wir dieses durch oben be- schriebene Maßnahmen ebenfalls zerschlagen. Caren Lay (DIE LINKE): Unseriöses Inkasso ist ein Riesenproblem. Häufig stehen die Forderungen unseriö- ser Unternehmen im Zusammenhang mit unerlaubter Te- lefonwerbung oder mit Kostenfallen im Internet und bil- den damit den unrühmlichen Abschluss einer langen Betrugskette. Häufig führen auch völlig überzogene und nicht nachvollziehbare Phantasiegebühren aus kleinen Beträgen zu großen Schulden. Mit Ihrem Klick auf das Feld „Jetzt anmelden“ schließen Sie dann ein Abo ab. Kosten: 96 Euro pro Jahr. Da sind Sie schnell 200 Euro los, ehe Sie sich versehen haben. Das Abo gilt gleich für zwei Jahre. Windige Geschäftemacher haben das Geschäft mit den echten oder mit vermeintlichen Schulden schon seit langem entdeckt. Und wie so oft lässt die Bundesregie- rung die Verbraucherinnen und Verbraucher im Regen stehen: Ein Gesetzentwurf war für diesen Juni verspro- chen. Aber weil die Koalition einmal wieder zerstritten ist, wird daraus nichts. Die Leidtragenden dieser Koali- tionsquerelen sind wieder einmal die Verbraucherinnen und Verbraucher. Seit Jahren gehen bei den Verbraucherzentralen Un- mengen von Beschwerden gegen Inkassobescheide ein. In mühsamer Kleinarbeit versuchen die Verbraucher- schützer, auf das Problem „Inkasso“ aufmerksam zu ma- chen. Sie warnen vor unseriösen Machenschaften, sie reichen Klagen ein und machen sogar auf eigene Rech- nung Studien. Denn Tatsache ist, dass es eine riesige Grauzone gibt, in der windige Geschäftemacher mehr oder weniger nach Lust und Laune agieren können. Es wird Zeit, dass auch die Bundesregierung endlich han- delt! Uns geht es nicht darum, Inkasso zu verbieten. Wir sagen aber als Linke: Inkasso braucht Regeln! Weil die Koalition das offenbar nicht so wichtig findet, legen wir als Linke heute einen Antrag vor, damit endlich etwas passiert. Erstens. Inkassounternehmen müssen verpflichtet werden, Verbraucherinnen und Verbraucher gut zu infor- mieren. Die Verbraucherinnen und Verbraucher müssen nachvollziehen können, aus welchem Vertrag eine For- derung stammt, wie hoch die eigentliche Forderung ist und wofür welche Gebühr erhoben wird. Diese Gebüh- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 22163 (A) (C) (D)(B) ren wollen wir verbindlich regeln und nach oben de- ckeln, damit Gebührenwucher und Phantasieabgaben endlich ein Ende haben. Zweitens. Wir brauchen dringend eine Aufsicht, die die Inkassounternehmen kontrolliert. Es kann doch nicht sein, dass nach der gerichtlichen Registrierung und Zu- lassung eines Unternehmens keinerlei Kontrolle mehr stattfindet. Das einzige, was die Gerichte und die Auf- sichtsbehörden tun können, ist, die Registrierung eines solchen Unternehmens zu widerrufen. Ein solcher Wi- derruf ist allerdings an äußerst strenge Voraussetzungen geknüpft. Deshalb laufen Klagen der Verbraucherzentra- len ja leider so oft ins Leere. So geht es also nicht. Wir sagen deshalb: Die Geschäftspraktiken unseriöser Anbieter müssen zentral kontrolliert werden. Es macht keinen Sinn, wenn über das Bundesgebiet verteilt knapp 80 Behörden zuständig sind. Die Linke fordert deshalb erneut eine Verbraucherschutzbehörde, die zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher Inkassounterneh- men und verbraucherschädigende Geschäftspraktiken überwacht und, wo nötig, auch sanktioniert. Und damit komme ich zum dritten Punkt: Die bisher möglichen Sanktionen sind absolut unzureichend und verdammen jede Aufsicht, egal ob Landgericht oder Ver- braucherschutzbehörde, zu einem Dasein als zahnloser Tiger. Die Erhöhung der Bußgelder ist überfällig, aber nicht ausreichend. Wir fordern für unseriöse Machen- schaften einen abgestuften Sanktionskatalog von Geld- strafen bis zum Entzug der Zulassung. „Die Vorstellung, der Wettbewerb könne den Markt regeln, ist ein Irrglaube.“ Das sagt Die Linke ja schon lange, aber diesmal ist es ein Zitat vom Branchenver- band der Inkassounternehmen, der dringend staatliche Regulierung einfordert. Die Inkasso-Branche muss gesetzlich geregelt wer- den, sonst hört es nie auf mit der Prellerei und der Be- drohung der Verbraucherinnen und Verbraucher. Die schwarz-gelbe Koalition soll ihre Streitereien nicht wei- ter auf dem Rücken der Verbraucherinnen und Verbrau- cher austragen. Die unseriösen Inkassomachenschaften müssen endlich gestoppt werden. Wie gut, dass die Linke als erste Partei dieses Thema aufgreift – auch im Interesse der seriösen Inkassounternehmen und der Ver- braucherinnen und Verbraucher. Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Un- seriöse Geschäftspraktiken von Inkassodiensten sind ein großes Ärgernis. Eine Studie der Verbraucherzentralen Ende 2011 sieht 99 Prozent der 4 000 erhobenen Be- schwerden als berechtigt an. Drei Viertel der Betroffenen fühlten sich durch die Briefe der Inkassounternehmen bedroht oder eingeschüchtert, und viele haben gezahlt, obwohl die Forderungen unberechtigt waren. Die Bundesregierung hat die Forderungen des Bun- desrates vom 27. Mai 2011 zur Bekämpfung unseriöser Inkassodienste sowie der Verbraucherschutzminister- konferenz vom 16. September 2011 ignoriert. Ein Refe- rentenentwurf des BMJ vom 12. März sieht Informa- tionspflichten, Gebührenordnung und Bußgelder bei Verstoß gegen Registrierungspflichten vor, ist aber im schwarz-gelben Koalitionskrach stecken geblieben. Auf- sicht und Selbstregulierung der Branche versagen, zu viele Unternehmen am Markt können frei agieren, weil es an effektiven Kontrollen mangelt. Die Untätigkeit der Bundesregierung beim Thema un- seriöses Inkasso zeigt den desolaten Zustand der schwarz-gelben Koalition. Wir fordern Sie auf: Legen Sie den schwarzen Schafen endlich das Handwerk. Die Handlungsaufträge liegen auf der Hand: Erstens. Einfüh- rung einer Inkassokostenordnung mit angemessenem Verhältnis zwischen Haupt- und Nebenforderung. Die arbeitsteilige Durchsetzung von Zahlungsforderungen nimmt immer mehr zu. Der neue Dienstleistungsmarkt führt bisher nicht zu einem angemessenen Kostenrah- men, sondern macht mit Fantasiegebühren, von der Hauptforderung entkoppelten Zahlungsforderungen, auch ohne berechtigten Grund, von sich reden. Hier braucht es einen ordnenden Eingriff in das Marktgesche- hen, damit das bereits „erhebliche gestörte Rechtsemp- finden“, BMJ, wieder geheilt wird. Dem Beispiel Öster- reichs folgend ist die Verhältnismäßigkeit zwischen Haupt- und Nebenforderungen rechtlich festzuschreiben. Zweitens. Darlegungs- und Infopflichten: Auftragge- ber, Forderungsgrund und -höhe, ladungsfähige An- schrift, Verzugsdatum, Adresse Beschwerdestelle. Um betroffene Verbraucher und Verbraucherinnen in die Lage zu versetzen, Inkassoforderungen prüfen und re- klamieren zu können, müssen diese Informationen min- destens vorliegen. Drittens. Landesweiter behördlicher Kontrollplan mit einem jährlichen Bericht der Bundesregierung. Statt auf 80 Gerichte soll die Aufsicht auf 16 Behörden (eine zu- ständige Aufsichtsbehörde pro Bundesland) konzentriert werden, um Synergieeffekte in der Verwaltung zu nutzen und Bürokratie abzubauen. Die Bundesregierung soll die Koordination für die jährliche Auswertung der Kontrol- len übernehmen und einen Jahresbericht vorlegen. Viertens. Bußgelder auf bis zu 100 000 Euro erhöhen. Das Fehlverhalten von Inkassodiensten muss effektiver sanktioniert werden. Die Geldbußen sind auf bis zu 100 000 Euro anzuheben. Die Höhe des Bußgeldrah- mens leitet sich aus dem erheblichen Einfluss auf das Rechtsempfinden der Bürgerinnen und Bürger und die Akzeptanz der Rechtsordnung ab. Der Entzug der Regis- trierung ist strenger zu prüfen. Unseriöse Geschäftspraktiken zu erkennen und publik zu machen, bedarf einer starken unabhängigen Marktbe- obachtung, daher fordern wir die Einführung eines Marktwächters bei den Verbraucherzentralen. Der An- trag der Fraktion Die Linke greift viele unserer Forde- rungen auf, lediglich drei lehnen wir ab. Unseriöses Inkasso ist zu einer Plage geworden. Las- sen Sie Ihren kleinlichen schwarz-gelben Streit hinter sich und handeln Sie im Sinne der Verbraucher und Ver- braucherinnen. 22164 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 (A) (C) (D)(B) Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Auskunftspflichten der Europäischen Zentralbank einfordern und für eine ausreichende Eigenkapitalbasis der Kreditwirtschaft sorgen (Tagesordnungspunkt 18) Ralph Brinkhaus (CDU/CSU): Wir befassen uns heute mit einem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Auskunftspflichten der Europäi- schen Zentralbank einfordern und für eine ausreichende Eigenkapitalbasis der Kreditwirtschaft sorgen“. Darin fordern die Grünen, die Informations- und Auskunfts- pflichten der Europäischen Zentralbank, EZB, gegen- über den Bürgerinnen und Bürgern zu erhöhen. Begrün- det wird diese Forderung damit, dass die von der EZB Ende 2011 bzw. Anfang 2012 durchgeführten 3-Jahres- Tender (Refinanzierungsgeschäfte) unüblich gewesen seien und diese Maßnahmen die Ausfallwahrscheinlich- keiten bei der EZB – sowohl aufgrund der Höhe der aus- gegebenen Kredite als auch aufgrund der gesunkenen er- forderlichen Sicherheiten und der langen Laufzeiten – erhöhten. Darüber hinaus wird gefordert, dass Banken, die bestimmte Eigenkapitalanforderungen nicht erfüllen, eine Gehaltsobergrenze von 500 000 Euro einzuhalten hätten und keine Dividenden ausschütten sollten, so- lange sie über Liquidität aus den oben genannten Ten- dern verfügen. Der Antrag ist zwar interessant, aber weder ausrei- chend durchdacht noch scheint er ernsthaft gewollt. Sollte er ernsthaft gewollt gewesen sein, hätte man sich um eine Mehrheit bemüht, sich zumindest aber ins Be- nehmen mit den anderen Oppositionsfraktionen gesetzt. Selbst Letzteres ist offensichtlich nicht erfolgt; denn die Grünen stellen diesen Antrag alleine. Ich möchte aber trotzdem gerne auf einige Punkte hinweisen: Die von den Grünen in ihrem Antrag angesprochenen Maßnahmen der EZB, also die Refinanzierungsge- schäfte mit einer Laufzeit von bis zu 36 Monaten, hatten vor allen Dingen den Sinn und Zweck, die Kreditver- gabe an die Realwirtschaft zu unterstützen und die Li- quiditätssituation am Euro-Geldmarkt zu verbessern. Die Tender haben zu einer temporären Stabilisierung des Bankensektors in der Euro-Zone geführt und die Anste- ckungsrisiken im Dreieck zwischen Bankenstabilität, Staatsfinanzierung und konjunktureller Entwicklung (Kreditversorgung) reduziert. Trotzdem sehen wir diese EZB-Politik mit großer Sorge. Letztlich handelt es sich bei den Tendern um relativ unkonditionierte Maßnah- men. Gerade die Konditionalität war bislang immer Grundbedingung für politisch organisierte Stützungspa- kete wie die EFSF oder zukünftig den ESM. Insofern kann es sich bei der Art und Weise, wie diese Tender he- rausgelegt worden sind, nur um eine Ausnahme handeln, die der Tatsache geschuldet ist, dass andere tragfähige Stabilisierungskonzepte noch nicht zur Verfügung ste- hen. Auf weitere kritische Punkte der Vorgehensweise der EZB wird im Antrag hingewiesen. Rein rechtlich gesehen hat sich die EZB mit den bei- den 3-Jahres-Tendern nach überwiegender Einschät- zung zwar im Grenzbereich, aber noch innerhalb ihres Mandats bewegt. Das vorrangige Mandat der EZB ist und bleibt die Wahrung der Preisstabilität. Daneben un- terstützt die EZB auch die allgemeine Wirtschaftspolitik, wozu auch Maßnahmen zur Förderung der Liquidität und Vermeidung von Kreditklemmen gehören. Um die Liquidität am Markt zu steuern, kann die EZB durchaus längerfristige Refinanzierungsgeschäfte durchführen. Auch wenn diese normalerweise kürzer ausfallen als 36 Monate, so sind längerfristige Kredite nicht ausge- schlossen. Die Europäische Zentralbank ist im Übrigen politisch unabhängig. Diese Unabhängigkeit ist im institutionel- len Rahmen für die einheitliche Geldpolitik festgelegt. Das heißt, dass die EZB ihr Mandat und ihre Aufgaben unabhängig von anderen Stellen – also unabhängig von Weisungen beispielsweise von Organen und Einrichtun- gen der Europäischen Union oder den Regierungen der Mitgliedstaaten – erfüllt. Diese Unabhängigkeit ist enorm wichtig, und wir sollten der Versuchung widerste- hen, daran zu rütteln – auch bzw. gerade in Situationen, in denen wir das Handeln der EZB kritisch betrachten und uns an der einen oder anderen Stelle mehr Einfluss- möglichkeiten wünschen. Es ist allerdings auch ein Grundprinzip demokrati- scher Gesellschaften, dass sich unabhängige Institutio- nen gegenüber den Bürgern und deren gewählten Vertretern für die Durchführung ihrer Maßnahmen verantworten müssen. Es ist falsch, den Eindruck zu erwecken, dass die EZB dieser Rechenschaftspflicht nicht nachkommt. Die EZB muss beispielsweise vor dem Europäischen Parlament Rechenschaft für ihre geldpolitischen Ent- scheidungen ablegen. Der Präsident der EZB spricht vierteljährlich vor dem zuständigen Ausschuss des Euro- päischen Parlaments, dem Ausschuss für Wirtschaft und Währung. Diese Rechenschaftspflicht gegenüber der Be- völkerung Europas sowie den von ihr gewählten Vertre- tern stellt also ein wichtiges Gegengewicht zur Zentral- bankunabhängigkeit dar. Das ist zwar nicht das von den Grünen unter II.1 im Antrag geforderte Format, aber auch über dieses Format lässt sich trefflich streiten. Im Zuge der Finanzkrise ist die Geldpolitik der EZB aber – wie schon erwähnt – eindeutig in den Grenzbe- reich ihres Mandats vorgestoßen, was für sich genom- men durchaus eine erhöhte Transparenz rechtfertigen würde. Dies findet seine Grenzen jedoch eindeutig da, wo es um eine Information über einzelne Geschäftspart- ner geht. Die Grünen fordern in Punkt II.2 ihres Antrags, dass „die EZB nach einer angemessenen Frist die Öf- fentlichkeit darüber informiert, welche Institute in wel- cher Höhe Mittel über die längerfristige Refinanzie- rungsfazilität mit einer Laufzeit über sechs Monate erhalten haben“. Dies würde Angaben über einzelne, in Deutschland im Rahmen des Zivilrechts durchgeführte Refinanzierungsgeschäfte erforderlich machen. Das ist allerdings mit den Geheimhaltungsregelungen des Bun- desbankgesetzes und der Satzung des Europäischen Sys- tems der Zentralbanken und der EZB nicht vereinbar. Insbesondere Angaben zu den im Rahmen geldpoliti- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 22165 (A) (C) (D)(B) scher Operationen aufgenommenen Krediten oder den eingereichten Sicherheiten könnten Hinweise auf das Liquiditätsmanagement und die Geschäftsmodelle der Institute geben. Unter bestimmten Umständen könnte die Veröffentlichung der Teilnehmer an geldpolitischen Operationen des Euro-Systems auch Zweifel der Märkte an der finanziellen Solidität der betroffenen Institute för- dern und so deren Zugang zu Liquidität im Markt behin- dern. Dies wäre nun genau ein Effekt, den wir nicht wol- len – sozusagen eine „self-fulfilling prophecy“. So weit zu den Informationen. Es wäre im Übrigen sehr aufschlussreich gewesen zu hören, was die Grünen mit den von ihnen geforderten Informationen angefan- gen hätten; denn Informationen an sich sind nur bedingt ein Wert. Erst die Verarbeitung der Informationen zu konkreten Maßnahmen führt weiter. Hierzu schweigen die Grünen aber leider in ihrem Antrag. Bei der in Nr. II.3 des Antrags geforderten Begren- zung von Gehaltszahlungen und dem Verbot der Auszah- lungen von Dividenden, falls bestimmte Eigenkapital- kennziffern nicht eingehalten werden, handelt es sich um einen bankaufsichtsrechtlichen Eingriff, der nur von den dafür berufenen Bankaufsichtsbehörden auf Grundlage entsprechender rechtlicher Regelungen umgesetzt wer- den kann. Es wäre des Weiteren sehr interessant gewe- sen, zu untersuchen, inwieweit die oben erwähnten posi- tiven ökonomischen Effekte der Tender unter den Bedingungen Gehaltsbegrenzung und Ausschüttungs- verbot tatsächlich eingetreten wären. Ich halte den Ge- danken dennoch für durchaus interessant, auch wenn er in keinerlei Verhältnis zu der etwas marktschreierischen Ankündigung in der Überschrift des Antrags „… und für eine ausreichende Eigenkapitalbasis der Kreditwirtschaft sorgen“ steht. Ich denke, dazu bedarf es anderer Instru- mente, wie beispielsweise einer zügigen Umsetzung von CRD IV. Insgesamt gesehen befassen wir uns mal wieder mit einem typischen Antrag der Grünen – einige interessante Gedanken, viel problematisiert, einige partikulare Lö- sungsversuche und die latente Unterstellung, dass Dinge mit Absicht verborgen werden. Manchmal hat man bei diesem immer wiederkehrenden Muster das Gefühl, dass es auch und gerade darum geht, hinterher sagen zu kön- nen, „Ich habe es ja schon damals gesagt“ bzw. „Hätte ich die Informationen gehabt, dann hätte ich es schon da- mals gesagt“. Sonderlich zielführend ist das nicht, kon- struktive Politik sieht anders aus. Wir werden den An- trag daher ablehnen. Manfred Zöllmer (SPD): Die Finanz- und Schulden- krise beschäftigt uns mit all ihren Facetten seit 2008 tag- täglich. Im Moment stehen die Banken Spaniens mit ih- ren Liquiditätsproblemen im Fokus. Insgesamt sind die Probleme im Bankensektor in Europa weiterhin sehr groß und wir müssen hier dringend zu Lösungen kom- men. Die europäischen Banken leiden auch darunter, dass amerikanische Geldmarktfonds und auch US-Banken ihre Engagements in Europa drastisch reduzieren. Diese Scheu vor dem europäischen Markt wurde uns Finanz- politikern auf unserer aktuellen Ausschussreise nach Ka- nada und in die USA besonders deutlich. Diese Zurück- haltung amerikanischer Investoren und Banken ist langfristig gefährlich für das europäische Finanzsystem. Durch die falsche Krisenpolitik der Bundesregierung wurde die Europäische Zentralbank zum Handeln ge- zwungen. EZB-Chef Draghi griff – um, wie er sagte, ei- nen Crash zu verhindern – im Dezember zu einer drasti- schen Maßnahme: Die EZB machte den europäischen Banken das Angebot, sie praktisch unbegrenzt mit No- tenbankkrediten mit einer ungewöhnlich langen Laufzeit von drei Jahren zu versorgen. Von diesem Angebot, das die EZB den Banken im Dezember und im Februar die- ses Jahres unterbreitet hatte, machten die Banken inzwi- schen in einem Umfang von fast 1 Billion Euro Ge- brauch. Mit Zinsen von einem Prozent lassen sich durch den Kauf von Staatsanleihen bei dem derzeitigen Zinslevel hohe Gewinne für die Banken erzielen. Damit konnten die Banken, wie von Draghi vorgesehen, den Staatsan- leihenmarkt etwas beruhigen. Ein Resultat ist aber zum Beispiel eine drastische Erhöhung der Bilanzsumme der Zentralbank auf über 3 Billionen Euro. Es stellt sich die Frage, wohin die Kredite der EZB geflossen sind. Mit ihrem Antrag fordern die Grünen de- taillierte Auskunftspflichten der EZB zu dieser Kredit- vergabe. Gleichzeitig soll nach Auffassung der Grünen für eine ausreichende Kapitalbasis der Banken gesorgt werden. Schließlich soll die EBA koordinierend darauf hinwirken, dass unterkapitalisierte Banken keine Gehäl- ter über 500 000 Euro inklusive Bonuszahlungen aus- zahlen und Dividenden ausschütten. Die EZB wehrt sich gegen die Forderung, die Namen der Banken preiszugeben, die sich zwischen Dezember und Februar mit dem Notenbankgeld versorgt haben. Sie begründet ihre Ablehnung mit geldpolitischen Pflichten, der Wahrung der Finanzstabilität und dem kommer- ziellen Interesse der Kreditinstitute. Die EZB will die Geheimhaltung individueller Transaktionen mit Gegen- parteien wahren. Dieser Schutz privater Unternehmens- interessen und der gesamten Finanzmarktstabilität wiege schwerer als das öffentliche Interesse an den Daten. Mit Ihrem Antrag wollen die Kolleginnen und Kolle- gen von den Grünen nunmehr quasi Schützenhilfe durch die Bundesregierung, die sich im Rat der europäischen Finanzminister für eine Veröffentlichungspflicht einset- zen soll. Im Grunde geht es – wie so oft – auch hier um den Grundkonflikt zwischen dem Bedürfnis nach Trans- parenz und öffentlichem Informationsinteresse und pri- vatem Betriebsgeheimnis. Eine Verhältnismäßigkeitsab- wägung, wie wir sie auch unter anderem aus Art. 14 Grundgesetz kennen: das Eigentumsrecht mit seiner Ausgestaltung des Rechts am eingerichteten und ausge- übten Gewerbebetrieb. Ich halte die Argumente der EZB für durchaus nach- vollziehbar – nicht, weil ich gegen Transparenz bin oder dem öffentlichen Interesse entgegenstehen will. Aber wir wissen doch alle, wie hochsensibel im Moment die Lage der Banken ist und wie irrational die Märkte häufig re- 22166 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 (A) (C) (D)(B) agieren. Es braucht nicht viel Fantasie, um sich vorzustel- len, wie die Reputation eines Finanzinstituts beschädigt werden könnte, wenn solche detaillierten Informationen öffentlich werden. Die Märkte würden zweifelsohne da- rauf reagieren. Gleichzeitig sind die Aktivitäten der EZB öffentlich, und Transparenz dient der sachlichen Bewertung der Geldpolitik der Zentralbank. Dies ist notwendig für eine vernünftige Abstimmung zwischen Geld- und Fiskal- politik und damit ein wichtiger Bestandteil einer erfolg- reichen Krisenpolitik. Es bleibt die Frage: Wie detailliert müssen die Infor- mationen sein? Einzelne Notenbanken wie zum Beispiel die Banca d’Italia haben im Nachgang veröffentlicht, wie viel Geld ihre Banken insgesamt abgerufen hatten. Deutsche Banken haben sich laut Reuters-Berechnungen beim zweiten Tender im Februar mit rund 42 Milliarden Euro eingedeckt, also etwa 8 Prozent der Gesamtsumme. Das verteilt sich wohl auf 460 Banken, darunter gut 430 kleinere Sparkassen und Volksbanken. Transparenz ist ein wichtiges Element der Demokra- tie. Aber es muss immer mit anderen Rechtsgütern abge- wogen werden. Diese Abwägung fehlt bei dem vorlie- genden Antrag. Was in Ihren Antrag nicht passt und zu unspezifisch ist, sind Ihre Forderungen nach Gehalts- reglementierung. Es ist auch ein wichtiges Thema. Aber was hat die Transparenz der EZB mit der Bonizahlung zu tun? Wie für eine ausreichende Eigenkapitalausstattung der Banken gesorgt werden soll, wird nicht weiter the- matisiert. Der Antrag ist offensichtlich mit sehr heißer Nadel gestrickt worden. Holger Krestel (FDP): Liebe grüne Antragsteller hier im Hause, Sie präsentieren sich gerne als Partei der Vielfalt, aber wenn Sie die Möglichkeit haben, werden bei Ihnen alle gleichgemacht. Sie präsentieren sich gerne als Partei, die den Datenschutz verteidigt, aber sobald es um etwas geht, was Sie selbst gerne wissen würden, wer- den so wie hier ganz schnell die Fühler ausgestreckt. Sie präsentieren sich gerne als Partei der Freiheit, die sich für den Schutz der Rechte des Individuums einsetzt, aber wenn es darauf ankommt, zeigen Sie Ihr wahres Gesicht und wollen jedem knallhart vorschreiben, was er zu tun oder zu lassen hat, weil der Staat doch vorgeblich am besten weiß, was der Einzelne wirklich will. Dass Sie ihn genau damit seiner Freiheit berauben, ist Ihnen egal. Dass Sie den Managern in den Krisenbanken die Gehäl- ter kürzen wollen, mag ja schön und gut sein, aber mir ist schleierhaft, weshalb hier die EBA als Aufsichtsbe- hörde auftreten soll. Das ist eine Aufgabe für den Ge- setzgeber, denn nur der hat auch die Möglichkeit, mit ei- nem Gesetz regulierend in die Personalpolitik der Banken einzugreifen. Im Rahmen des Finanzmarktstabi- lisierungsfondsgesetzes und des Restrukturierungsgeset- zes haben wir dies auf nationaler Ebene ja bereits getan. Aber wenn Sie fordern, dass eine europäische Behörde, deren elementare Aufgabe es ist, die nationalen Behör- den zu koordinieren, jetzt die Gesetzgeber koordinieren soll, geht das nicht nur weit über die Kompetenzen die- ser Behörde hinaus, sondern zeigt, dass Ihre Kompetenz in diesem Bereich doch sehr zu wünschen übrig lässt. Und jetzt, wo die Politamateure von den Piraten plötzlich mit dem diffus transportierten Thema Transpa- renz in der Öffentlichkeit punkten, ohne dabei konkrete Forderungen zu präsentieren, sehen Sie schon Ihre Felle davonschwimmen, und Ihre schon vorher leeren Wort- hülsen sind Ihnen nun absolut gar nichts mehr wert. Sie springen blind auf einen Zug auf, ohne sich darum zu kümmern, was die Maßnahmen im Einzelfall bedeuten. Sie wollen Stabilität schaffen, erreichen aber nur das Ge- genteil. Gerade bei der FDP weiß man, dass die Wertpa- piermärkte nicht immer perfekt rational funktionieren und bisweilen in Krisenzeiten wie den jetzigen sogar sehr emotional auf kleinste Signale reagieren. Das stän- dige Bombardement der Marktteilnehmer mit den von Ihnen geforderten Insiderdetails würde zu hochvolatilen und selbstverstärkenden Marktbewegungen führen, da ein solcher Informationsstrom zu enormen Spekulatio- nen einlädt. Scheinbar schwache Institute oder gar Staa- ten könnten dann leichter durch Leerverkäufe attackiert oder gar zu Fall gebracht werden, obwohl sie in Ihrer langfristigen Planung überlebensfähig waren. Mindestens genauso problematisch ist es, dass viele Verantwortliche unter den von Ihnen geforderten Bedin- gungen wider besseres Wissen nicht mehr zwingend die ihrer Erkenntnis nach langfristig besten Entscheidungen treffen, sondern die erwarteten kurzfristigen Reaktionen der Märkte antizipieren und ihre Aktionen daran ausrich- ten würden, aus Angst, die bis dahin erarbeitete Stabilität zu gefährden. Die Unabhängigkeit der EZB ist ein hohes Gut, und dieses gilt es zu bewahren. Ein politisch moti- viertes, ständiges Nachkorrigieren in Einzelfällen, den Blick stets nur auf den nächsten Tag gerichtet, aber trotz- dem immer noch einen Schritt hinterher, würde doch nur maßgeblich dazu beitragen, dass die Krise sich noch weiter hinzieht und wir lediglich später die wahre Rech- nung präsentiert bekommen würden, die dann um ein Vielfaches höher wäre, als sie es jetzt schon ist. Dieses Spiel, in dem der Schwarze Peter stets in die Zukunft weitergereicht wird, werden wir in keinem Fall mitspielen, sondern stattdessen für stabile Verhältnisse in Europa sorgen. Darum werden wir Ihren Antrag ab- lehnen. Dr. Axel Troost (DIE LINKE): Der Antrag der Frak- tion Bündnis 90/Die Grünen auf Ausweitung der Aus- kunftspflichten der Europäischen Zentralbank zielt zwei- fellos in die richtige Richtung – deswegen werden wir ihn auch unterstützen. Er bleibt aber zugleich weit hinter den Notwendigkeiten zurück. Die Auskunftspflichten der EZB müssen natürlich er- weitert werden, aber nicht nur, weil Ihr letzter Mega- Tender den Banken über 1 Billion Euro mit dreijähriger Laufzeit zur Verfügung gestellt hat. Eine Zentralbank ist die Spinne im Netz eines moder- nen Finanzsystems. Es ist einer Demokratie unwürdig, wenn eine derart zentrale und machtvolle Institution von den Spielregeln der demokratischen Kontrolle und Re- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 22167 (A) (C) (D)(B) chenschaftspflicht gegenüber der Öffentlichkeit bzw. dem demokratisch gewählten Parlament ausgenommen ist. Es sind aber nicht in erster Linie die heutigen Zen- tralbanker der EZB, denen man das vorwerfen muss. Es sind vielmehr die Hardliner in den deutschen Bundesre- gierungen und in der Deutschen Bundesbank in den 1990er-Jahren, die bei der Ausgestaltung der Europäi- schen Währungsunion die EZB nach dem Vorbild der vermeintlich unabhängigen und unbestechlichen Bun- desbank konzipiert haben. Ich kann mich sehr gut an die regelmäßigen Auf- schreie in Bundesbank und EZB erinnern, wenn seitens der Politik im Interesse von mehr Beschäftigung eine konstruktive Rolle der Zentralbank gewünscht wurde. Die Zentralbanker gerieren sich dann regelmäßig, als würde man sich in ihre intimsten Privatangelegenheiten mischen. Ein solches Verhalten ist völlig inakzeptabel: Zentralbanker sind Staatsbedienstete und haben sich an die gesetzlichen Rahmenbedingen zu halten. Es ist allerdings sehr wohl das Recht der EZB und der Bundesbank, der Politik den Spiegel vorzuhalten – im Sinne von: Wenn ihr von uns eine andere Geldpolitik wollt, dann müsst ihr das politisch beschließen und die geldpolitischen Ziele der EZB in den europäischen Ver- trägen ändern. Ich will mich im Übrigen von dieser Stelle aus bei all denjenigen in der EZB und den europäischen Zentral- banken bedanken, die zum Glück schon seit längerer Zeit in der EZB darauf dringen, auch trotz des engen Korsetts der europäischen Verträge als EZB eine stabili- sierende Rolle zu spielen, zum Beispiel durch Interven- tionen an den Märkten für Staatsanleihen. Es ist nun höchste Zeit, dass das geldpolitische Kor- sett der EZB anders zugeschnitten wird. Wohlgemerkt: Ich bin auch nicht für eine Geldpolitik der Zentralbank, bei der der Finanzminister dem Zentralbankchef jeden Montag die Umdrehungsgeschwindigkeit der Noten- presse diktiert. Aber es gibt noch eine ganze Reihe von sinnvollen Möglichkeiten, was die Zentralbank zur Ent- schärfung der Krise beitragen kann. Dazu gehört insbe- sondere, dass Krisenländer zu denselben Konditionen EZB-Kredite bekommen sollten, wie sie Geschäftsban- ken bekommen. Es ist pervers, dass Geschäftsbanken das von einer öffentlichen Institution bereitgestellte Geld für 1 Prozent Zinsen ausleihen können, während die öf- fentliche Hand in kriselnden Euro-Staaten 6, 8 oder 10 Prozent Zinsen dafür bezahlen muss. Daher, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen: Fordern Sie nicht nur mehr In- formationen über die Geldpolitik der EZB, fordern Sie mit uns auch gleich eine andere Geldpolitik. Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ende des Jahres 2011 stand das europäische Finanzsys- tem vor dem Kollaps: Die Banken, insbesondere im Sü- den unseres Kontinents, gerieten in teils existenzielle Refinanzierungsschwierigkeiten. Sogar in Frankreich begannen Geldmarktfonds, ihre Mittel aus den Banken abzuziehen. Vor diesem Hintergrund beschloss die Euro- päische Zentralbank zuvor nie dagewesene Rettungs- maßnahmen: Sie schuf ein neues Angebot an dreijähri- gen Liquiditätsmitteln bei gleichzeitig deutlicher Reduktion der Sicherheitsanforderungen. Insgesamt ha- ben die Institute über 1 Billion Euro an diesen Mitteln abgerufen. Den Banken gelang es auf diese Weise, hohe Gewinne zu erwirtschaften, zum Beispiel durch den Rückkauf eigener Verbindlichkeiten oder die Investition in höher verzinste Staatsanleihen. Einen großen Bankencrash quer über den Kontinent konnte die EZB mit diesem neuen Rettungskurs abwen- den. Aber letztlich handelt es sich bei dieser Operation um eine äußerst fragwürdige Art der Bankenrettung: Erstens. Anders als sonst bei Bankenrettungen zu Recht üblich, erfolgen die Stabilisierungen ohne Aufla- gen und Bedingungen. So ist nicht sichergestellt, dass die Banken die EZB-bedingten Zinsgewinne tatsächlich zur Reparatur ihrer Bilanzen und Stärkung ihres Eigen- kapitals einsetzen, sondern es ist durchaus denkbar, dass diese Gewinne als Dividenden oder Boni gleich wieder ausgeschüttet werden. Der letztlich hilflose Appell von EZB-Präsident Draghi im März an die Banken, ihre zu- sätzlichen Erträge nicht auszuschütten, sondern die ei- gene Solidität zu stärken, illustriert die Berechtigung meiner Kritik sehr deutlich. Zweitens. Für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler der Euro-Zone, die letztlich hinter der EZB stehen, ha- ben die Risiken stark zugenommen. Ausfälle bei der EZB sind aufgrund der gestiegenen Höhe ausgereichter Mittel, der schlechteren Sicherheiten und der deutlich gestiegenen Laufzeit der Kredite wahrscheinlicher ge- worden. Ein erstes Anzeichen dafür gab der aufgrund der Risikovorsorge gesunkene Bundesbankgewinn. Doch der Steuerzahler erhält – anders als normalerweise bei Bankenrettungen – keine Gegenleistung, zum Bei- spiel in Form einer Beteiligung am gestützten Unterneh- men. Damit tragen die Steuerzahler die Risiken, ohne dafür angemessen entlohnt zu werden. Drittens. Parlamentarische Kontrolle, Information und Transparenz sind faktisch nicht vorhanden. So gibt es keine offiziellen Informationen zu der Frage, welche Banken die Mittel in welcher Höhe abgerufen haben und was sie genau mit diesen Mitteln gemacht haben. Damit wird eine öffentliche Debatte auf Basis gesicherter Fak- ten über den neuen Kurs der EZB nahezu unmöglich. Viertens. Wir sehen erhebliche Mitnahmeeffekte bei der EZB-Bankenrettung. So haben auch viele eigentlich gesunde Banken die Hilfen abgerufen, obwohl sie gar nicht hilfsbedürftig sind. Niemand weiß, wie hoch diese Mitnahmeeffekte ausfallen, die ebenfalls vom Steuer- zahler zu bezahlen sind. Aber eines ist klar: Wir reden hier nicht über Peanuts, sondern über Milliardensum- men. Wenn diese Form der Bankenrettung, die in den letz- ten Monaten über die EZB erfolgt, hier im Bundestag zur Abstimmung gestanden hätte, hätte es einen Auf- schrei der Empörung in Deutschland gegeben. Die Ko- 22168 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 (A) (C) (D)(B) alitionsabgeordneten hätten sich lautstark eine Verge- meinschaftung der Haftung und gegen Geschenke an Bankaktionäre beklagt. Doch dieser Protest blieb aus, weil das alles völlig intransparent ist. Unser Antrag zielt nun darauf ab, in Bezug auf die Bankenrettung durch die EZB Transparenz zu schaffen. Wir sind der Auffassung, dass die Steuerzahler in der Euro-Zone ein Anrecht darauf haben, zu wissen, was hier geschieht. Die zusätzlichen Risiken auf der EZB-Bi- lanz dürfen nicht verschwiegen werden. Die Bürgerin- nen und Bürger sollten – zumindest nach einer gewissen Schonfrist der Vertraulichkeit – auch die Möglichkeit er- halten, nachzuvollziehen, welche Banken in welcher Höhe die Hilfen in Anspruch genommen haben. Außerdem wollen wir sicherstellen, dass die EZB-ge- nerierten Gewinne tatsächlich zur Stärkung der Stabilität des europäischen Bankensystems, also vor allem zur Stärkung der Eigenkapitalausstattung der Banken, ge- nutzt werden. Wir fordern deshalb Gehaltsdeckelungen und Ausschüttungsverbote für unterkapitalisierte Ban- ken, die die Hilfen in Anspruch genommen haben. Die EBA könnte das in Kooperation mit der EZB sicherstel- len. Damit kein falscher Eindruck entsteht: Meine Kritik an den Vorgängen der letzten Monate gilt nicht der EZB. Die EZB wurde in die Rolle des wichtigsten Krisenma- nagers der Eurozone gezwungen, weil keine andere In- stitution handlungsfähig war und das Krisenmanagement der Staats- und Regierungschefs der Euro-Zone unter Führung der deutschen Bundesregierung keine Entspan- nung, sondern eine permanente Verschärfung der Euro- Krise generiert hat. Und wir Grünen sind auch davon überzeugt, dass eine Stabilisierung des europäischen Finanzsystems notwen- dig ist. Doch was wir nicht akzeptieren, ist, dass Bürge- rinnen und Bürgern ständig die Wahrheit über die Rettungsmaßnahmen vorenthalten wird und die Intrans- parenz genutzt wird, um der Öffentlichkeit etwas vorzu- machen. Wenn die Daten offenliegen würden, würde schnell auch deutlich, dass wir die Währungsunion dringend um eine Bankenunion ergänzen müssen: Dann könnte der europäische Finanzsektor nämlich stabilisiert werden, ohne Milliarden weitgehend kontrollfrei an Bankaktio- näre und Bankmanager zu verteilen. Dann gäbe es, finanziert durch eine europäische Bankenabgabe, eine Institution, die bei einer Schieflage von grenzüberschrei- tend tätigen Banken in Europa eingreifen könnte, sodass die EZB sich wieder auf ihre eigentliche geldpolitische Aufgabe der Liquiditätsversorgung konzentrieren könnte. Wir mögen bei dieser letzten Frage im Bundestag der- zeit noch unterschiedlicher Auffassung sein. Worin es aber eigentlich keinen Dissens geben sollte, ist der An- spruch in Bezug auf Transparenz. Deshalb bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag. Anlage 12 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Entwurf eines Gesetzes zur Einführung eines pauschalierenden Entgeltsystems für psych- iatrische und psychosomatische Einrichtun- gen (Psych-Entgeltgesetz – PsychEntgG) – Beschlussempfehlung und Bericht zu den Anträgen: – Ergebnisoffene Prüfung der Fallpau- schalen in Krankenhäusern – Einführung eines pauschalierenden psych- iatrischen Entgeltsystems zur qualitati- ven Weiterentwicklung der Versorgung nutzen (Tagesordnungspunkt 19 a und b) Lothar Riebsamen (CDU/CSU): Wir wollen heute ein Gesetz verabschieden, das unser Gesundheitssystem wieder ein Stück voranbringt auf dem Weg zu mehr Transparenz, zu mehr Wirtschaftlichkeit und damit auch zu mehr Patientenorientierung. Das Entgelt, das für einen stationären Aufenthalt in der Psychiatrie zu bezahlen ist, orientiert sich zukünftig nicht mehr an den Kosten, die dividiert durch die Be- rechnungstage zu einem Pflegesatz führen, sondern an den Angeboten, die den Patienten gemacht werden, an der Leistung. Dies führt zu einer nachvollziehbaren und transparenten Methode der Bezahlung. Damit werden nicht alle Probleme eines angemessenen Entgelts für eine bestimmte Behandlung gelöst sein. Man wird ein Auge darauf haben müssen, dass es nicht zu Fehlsteue- rungen und zum Setzen von falschen Anreizen für be- stimmte Indikationen kommt. Gerade deshalb ist das neue System als lernendes System angelegt, mit langen Übergangszeiten – mit vier budgetneutralen Jahren, da- von zwei Jahre freiwillig, und mit weiteren fünf Jahren der Konvergenz –, um den Übergang von den bisherigen Budgets zur zukünftigen Systematik abzufedern. Um bessere Anreize für die Optionsphase zu schaffen, wur- den die Bedingungen für die Teilnahme noch einmal nachgebessert. Eine entscheidende Weichenstellung findet auch an der Schnittstelle stationär und ambulant statt. Gerade in der Psychiatrie und Psychotherapie ist es falsch, sich einseitig auf den stationären Bereich auszurichten. Es ist nicht nur unwirtschaftlich, sondern dient auch nicht dem Wohl der Patienten. Deshalb fördern wir durch dieses Gesetz Modellvorhaben, die helfen, diese Sektoren zu überwinden. Auch an dieser Stelle schaffen wir mehr Qualität für die Patientinnen und Patienten. Einhergehend mit diesem Gesetz ist auch eine deutli- che Hilfe für die Krankenhäuser insgesamt verbunden. Die Krankenhäuser haben eine Tariferhöhung von 3 Pro- zent für das Jahr 2012 zu tragen. Dies führt bei einer Steigerung der Grundlohnsumme von 1,45 Prozent zu einem Defizit von circa 1,5 Prozent. Allerdings liegt die Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 22169 (A) (C) (D)(B) tatsächliche Steigerung aufgrund der Mehrleistungen, die Krankenhäuser erbringen und zum Teil auch erbrin- gen müssen, deutlich über dieser gekürzten Grundlohn- summensteigerung. Deswegen ist es uns wichtig, genau diese drei Knackpunkte zu adressieren: Erstens einen teilweisen Tarifausgleich für das Jahr 2012 in Höhe von insgesamt 280 Millionen Euro. Zweitens die Umsetzung des Orientierungswerts für das Jahr 2013. Die Steigerung der Krankenhausbudgets wird dann nicht mehr ausschließlich an die Einnahme- entwicklung der Krankenkassen gebunden sein – somit entfällt die stringente Grundlohnsummenanbindung. Da- rüber hinaus werden die Selbstverwaltungspartner in die Lage versetzt, in einem bestimmten Korridor die Verän- derungsrate für das jeweilige Jahr zu verhandeln. Drittens werden die Selbstverwaltungspartner beauf- tragt, bis spätestens zum Juni 2013 über eine Studie die Mehrleistungsproblematik, auch mit Blick auf die Quali- tät der Leistungen, zu untersuchen, um dadurch zu einem sinnvolleren und gerechteren Mehrleistungsausgleich zu kommen. Die jetzige Regelung wird außerdem auf zwei Jahre befristet, um für die Selbstverwaltungspartner die Notwendigkeit zu schaffen, auch zu einem Ergebnis hin- sichtlich der Studie zu kommen. Auch die von den Kran- kenhäusern oft kritisierte Regelung der sogenannten doppelten Degression kann in die Studie einbezogen werden. Wenn zu Recht von den Krankenhäusern eine latente Unterfinanzierung reklamiert wird, dann müssen bei die- ser Betrachtung insbesondere die Bundesländer einbezo- gen werden. Die Bundesländer machen es sich zu leicht, wenn sie sich auf den Standpunkt stellen, mit der Ein- führung der DRG werde der Markt schon alles richten. Eine konkrete Krankenhausbedarfsplanung werde da- durch überflüssig. Das Gegenteil ist der Fall. Gleichzei- tig sind die Bundesländer seit vielen Jahren nicht bereit, die Investitionskosten im notwendigen Umfang zur Ver- fügung zu stellen. Und wenn man Qualitätssteuerung nicht den Krankenkassen überlassen will, sind die Län- der über ihre Krankenhausbedarfsplanung umso mehr gefordert. Es dient aber nicht der Qualität, wenn alle Leistungen überall angeboten werden, sondern es dient der Qualität und damit den Patienten, wenn arbeitsteilig durch eine entsprechende Krankenhausbedarfsplanung vorgegangen wird. So werden Krankenhäuser im ländli- chen Raum gestärkt. Es ist kurzsichtig, zu glauben, dass Krankenhausstandorte dann gesichert werden, wenn je- des Haus alles macht. Dies führt zu einer Qualitätsver- schlechterung und damit im schlimmsten Fall zur Kran- kenhausschließung. Und genau das wollen wir nicht. Mit diesem Gesetz leisten wir einen hervorragenden Beitrag zur Qualitätssicherung und mittelfristig zu einer gerech- teren Krankenhausfinanzierung. Hilde Mattheis (SPD): In einem Punkt sind wir uns wahrscheinlich alle einig: Wir alle wollen die Versor- gungsstrukturen für psychisch kranke Menschen verbes- sern. Wir wissen, dass die Versorgung von psychisch kranken Menschen hohe Anforderungen an unsere Ver- sorgungsstrukturen stellt und dass in diesem Bereich viele Verbesserungen notwendig sind. Und wir wissen, dass gerade hier Vergütungsstrukturen, gerade in einem personalintensiven Bereich wie der Psychiatrie, einen entscheidenden Einfluss auf die Versorgungsqualität ha- ben. Die entscheidende Frage, die wir uns aber stellen müssen, ist: Schafft es das hier vorgelegte Entgeltgesetz der Bundesregierung, diesem Anspruch gerecht zu wer- den? Wird die Versorgungssituation von psychisch kran- ken Menschen durch das Gesetz verbessert? Werden durch das Gesetz integrierte Versorgungsansätze ge- stärkt? Werden die psychiatrischen und psychosomati- schen Krankenhäuser in Zukunft mit ausreichend Perso- nal ausgestattet sein? Werden die richtigen Weichen gestellt, um der wachsenden Zahl von psychisch Kran- ken in der Gesellschaft gerecht zu werden? Leider mussten wir als SPD-Fraktion feststellen: Mit diesem Gesetz stellt die Regierung die falschen Wei- chen. Ein modernes, am Bedarf der Betroffenen ausgerich- tetes Entgeltsystem für die Psychiatrie erfordert, dass den Bedürfnissen von psychisch Kranken ausreichend Rechnung getragen wird. Flexible Behandlungsformen müssen gefördert werden. Es müssen Anreize geschaffen werden, den Grundsatz „ambulant vor stationär“ zu stär- ken und die starren Sektorengrenzen zu überwinden. Das alles leistet das von der Regierung vorgelegte Gesetz nicht. Aus diesem Grund lehnen wir als SPD den Ge- setzentwurf ab. Die Entwicklung eines Entgeltsystems für die psych- iatrische und psychosomatische Versorgung ist ein Auf- trag aus der letzten Legislaturperiode. Damals wurden bewusst im Krankenhausfinanzierungsreformgesetz die psychiatrischen und psychosomatischen Krankenhäuser von dem DRG-System für die somatischen Krankenhäu- ser ausgenommen. Im § 17 d des KHG wurde verankert, dass ein pauschalisierendes, tagesbezogenes Entgeltsys- tem zu entwickeln sei. Dabei sollte „insbesondere von Leistungskomplexen“ ausgegangen werden, die der „Psychiatrie-Personalverordnung zu Grunde liegen“. Das neue Entgeltsystem erfüllt nach Ansicht der SPD diese im § 17 d KHG verankerten Ansprüche nicht. Insbe- sondere durch den Wegfall der Psych-PV und den Diagno- sebezug bei der Kalkulation werden finanzielle Anreize zur „Rosinenpickerei“ gesetzt. Diese grundsätzliche Kri- tik der SPD-Fraktion möchte ich an drei Punkten deut- lich machen: Als Erstes möchte ich auf die Psychiatrie-Personal- verordnung eingehen. Sie soll ab 2017 komplett ausge- setzt werden. Dies wird von der Mehrheit der Verbände und Krankenhäuser zu Recht stark kritisiert. Die Psych- PV setzt den Rahmen für eine adäquate Personalausstat- tung der Krankenhäuser und gibt damit auch den Rah- men für die Versorgungsqualität vor. Bisher ist sie je- doch in den Krankenhäusern leider nicht vollständig umgesetzt worden. Dies liegt vor allem daran, dass keine wirksamen Kontrollen stattfinden. Ohne eine vollstän- dige Erfüllung der Psych-PV in allen Krankenhäusern ist jedoch zu befürchten, dass das neue Entgeltsystem zu ei- 22170 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 (A) (C) (D)(B) ner dauerhaften Unterfinanzierung in der psychiatri- schen Versorgung führt. Insbesondere Kinder und Jugendliche sowie schwer psychisch Kranke brauchen ein Versorgungssystem, das eine ausreichende Zuwendung durch Fachpersonal er- möglicht. Die Personalsituation darf nicht zu einer expe- rimentellen Spielwiese werden, sondern muss hinrei- chend gesichert und kontrolliert werden, damit die Qualität der Versorgung sichergestellt werden kann. Im § 17 d KHG wurde festgelegt, dass die Psychia- trie-Personalverordnung die Grundlage des neuen Ent- geltsystems sein soll. Diesen wichtigen Grundsatz hat die Bundesregierung nicht erfüllt. Richtig wäre es gewe- sen, eine verbindliche Personalbemessung nach der Psych-PV umzusetzen und später auf dieser Grundlage Mindestpersonalstandards für die Tagesentgelte festzule- gen. Dies ist nicht geschehen. Die Abschaffung der Psych-PV lehnen wir als SPD ganz klar ab. Zweitens. Das Psych-Entgeltsystem, so wie es im Ge- setzentwurf konzipiert ist, überträgt die Strukturen der somatischen Medizin auf die Versorgung von psychisch Kranken. Das halten wir als SPD für einen großen Feh- ler. Insbesondere der Diagnosebezug bei der Vergütung von Leistungen wird mit großer Wahrscheinlichkeit Fehlanreize setzen, Menschen mit schweren psychischen Krankheiten nur unzureichend zu behandeln. Diese Menschen brauchen eine sehr individuelle, therapeuti- sche und kontinuierliche Behandlung unter Einbezie- hung des eigenen Lebensumfeldes. Dies kann nicht mit einer Struktur gelingen, die sich an der Vergütung von Krankheiten auf der Grundlage der DRG orientiert. Eine psychische Krankheit ist eben nicht mit einem Bein- bruch oder einem Herzinfarkt vergleichbar. Im Bereich der psychiatrischen und psychosomatischen Versorgung kann nicht automatisch ausgehend von der Diagnose auf den entsprechenden Behandlungsumfang geschlossen werden. Krankheitsverläufe in diesem Bereich sind indi- vidueller und komplexer. Der daraus entstehende Versor- gungsbedarf muss sich auch im Entgeltsystem wider- spiegeln. Es finden sich jedoch im Gesetzentwurf der Bundesregierung keine Ansätze, diesem Bedarf gerecht zu werden. Für sehr gefährlich halten wir aus diesem Grund auch die im Gesetzentwurf vorgesehenen Zu- und Abschläge bei Abweichung von behandlungstypischen Behand- lungszeiten. Auch hier werden ganz klar Anreize in Richtung einer nicht auf den individuellen Behandlungs- bedarf abgestimmten Versorgung gesetzt. Auch dies werden wir als SPD-Fraktion nicht mittragen. Mein dritter zentraler Kritikpunkt: Das neue Entgelt- system ist nicht sektorenübergreifend ausgerichtet. Es werden keine Anreize gesetzt, stationäre Behandlungen zu vermeiden. Psychisch Kranke werden auch in Zu- kunft keine Alternative zu stationären Aufenthalten ha- ben. Dies entspricht jedoch nicht ihrem tatsächlichen Versorgungsbedarf. Die im Gesetz festgelegten Pauschalen, die nur auf den stationären Bereich beschränkt sind, hemmen die Entwicklung hin zu einem integrierten Versorgungssys- tem, wie es schon seit Jahren von der Fachwelt gefordert wird. Die von der Regierung formulierten Prüfaufträge und die Weiterentwicklung der Vorgaben für Modellvorha- ben für eine sektorenübergreifende Versorgung sind uns zu wenig. Gute Versorgung darf es nicht nur in Modell- projekten geben. Bei den im Gesetz vorgeschlagenen Modellprojekten handelt es sich zudem vor allem um eine Bestandswahrung. Bereits bestehende Modellpro- jekte sollen weitergeführt werden. Das ist keine beson- ders große Innovation. Eine Innovation wäre es, erfolg- reiche Modellprojekte in die Regelversorgung zu überführen. Die Modellprojekte funktionieren zudem nicht in al- len Bereichen. In der Kinder- und Jugendpsychiatrie gibt es beispielsweise bundesweit nur ein einziges Modell- projekt. Das liegt vor allem daran, dass die Patientenzahl in teilweise größeren Versorgungsgebieten sehr gering ist und es sich daher nicht lohnt, Verträge für Modell- projekte auszuhandeln. Der Gesetzentwurf der Bundes- regierung sieht jetzt vor, für Modellprojekte kassenspe- zifische Verträge zuzulassen. Das bedeutet nach Einschätzung der Kolleginnen und Kollegen aus dem Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie, dass in die- sem Bereich erst recht keine Modellprojekte mehr umge- setzt werden. An diesem Beispiel können wir sehr klar sehen: Ein paar Modellprojekte sind für eine Förderung der sektorenübergreifenden Versorgung viel zu wenig. Das Gesetz der Bundesregierung folgt nicht dem Grundsatz, dass das Vergütungssystem der Versorgung dient. Als SPD-Fraktion fordern wir eine regionale, sekto- renübergreifende und bedarfsgerechte Versorgung. Wir fordern ein Vergütungssystem auf Grundlage der Psych- iatrie-Personalverordnung. Wir wollen eine integrierte Versorgung. Psychiatrische Krankenhäuser brauchen An- reize für den Ausbau personenzentrierter Behandlungs- und Hilfesettings im außerklinischen Bereich. Und wir wollen, dass auch die besonderen Bedarfe von Schwerst- kranken sowie Kindern und Jugendlichen im Versor- gungssystem Berücksichtigung finden. All dies finden wir im Gesetzentwurf der Bundesre- gierung nicht wieder. Auch in der weiteren Beratung wurde unseren bereits in der ersten Lesung vorgetrage- nen Argumenten nicht begegnet. Als SPD werden wir deshalb diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen. Dr. Erwin Lotter (FDP): Erneut beraten wir das Psych-Entgeltgesetz, welches meiner festen Überzeu- gung nach zu einer echten Erfolgsgeschichte werden wird. Schon in der ersten Beratung im März wurde deut- lich, dass der vorliegende Entwurf zu besserem Wettbe- werb und mehr Transparenz führen wird. Gleichzeitig wird eine leistungsgerechte Honorierung ermöglicht, die eine differenziertere Behandlung psychisch kranker Menschen zum Ziel hat. Auch haben wir dafür Sorge getragen, dass durch die lange Einführungsphase bis 2022 die Krankenhäuser Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 22171 (A) (C) (D)(B) nicht überfordert werden. Es ist uns gelungen, zwei An- forderungen zu vereinen: die Besonderheiten eines „ler- nenden Systems“ zu berücksichtigen und finanzielle So- lidität für die teilnehmenden Krankenhäuser zu sichern. Besonders wichtig war es den Liberalen, dass alle Be- troffenen in den Prozess der Entwicklung des Psych- Entgeltgesetzes eingebunden worden sind. Zahlreiche Stellungnahmen von Fachverbänden, Experten und Krankenhäusern wurden eingearbeitet. Nicht zuletzt als Konsequenz der öffentlichen Anhörung am 23. April hat die Koalition eine Reihe von Änderungsanträgen entwi- ckelt. Diese greifen die Ideen und Bedenken der Betrof- fenen auf. Für mich ist das ein Musterbeispiel fairer und demokratischer Gesetzgebung. Dass die Regierung mit dem Gesetz nicht falsch lie- gen kann, beweist schon der Umstand, dass bei der Sit- zung des Gesundheitsausschusses am gestrigen Mitt- woch die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen trotz einiger Kritik an Details den Entwurf nicht abgelehnt hat. Viel- mehr haben die Kolleginnen und Kollegen die Grund- linien des Gesetzes gelobt und sich bei der Abstimmung enthalten. Ich finde, das zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind und auch für das Vorbringen der Opposition durchaus ein offenes Ohr hatten. Gerne möchte ich die wichtigsten Punkte aus den ak- tuellen Änderungsanträgen erläutern: Es ist uns wichtig, dass in der Optionsphase ab 2013 möglichst viele psychiatrische Einrichtungen teilneh- men. Daher werden wir für die Optionshäuser die Mindererlösausgleiche für die Jahre 2013 und 2014 verbessern. Der Ausgleichssatz für Mindererlöse wird 95 Prozent betragen. Die ursprünglich vorgesehene Begrenzung der Nachverhandlungsmöglichkeit von Per- sonalstellen entfällt. Diese von der Psychiatrie-Personal- verordnung eingeräumte Möglichkeit wird vorerst auf- rechterhalten. Für Mehrerlöse gilt: Sie werden 2013 und 2014 zu 65 Prozent ausgeglichen. Ab 2015 sind 85 bzw. 90 Pro- zent Ausgleich möglich. Bereits für 2012 ist in der Somatik eine anteilige Be- rücksichtigung von Tariflohnsteigerungen vorgesehen. Ab 2013 werden im somatischen und im Psych-Be- reich die Selbstverwaltungspartner auf Bundesebene ei- nen anteiligen Orientierungswert vereinbaren, der die allgemeine Preisentwicklung ebenso spiegelt wie die be- sonderen finanziellen Notwendigkeiten dieser Bereiche. In der Konvergenzphase werden zusätzliche Leistun- gen mit sukzessive ansteigenden Vergütungsquoten be- rücksichtigt. Wie Sie sehen, haben wir mit diesen Änderungen die Sorgen der Krankenhäuser bezüglich einer finanziellen Schlechterstellung aufgegriffen und Verbesserungen be- schlossen. Niemand soll vor vollendete Tatsachen ge- stellt werden. Dem dient auch die neue Verpflichtung, vor Beginn der Konvergenzphase im Jahre 2017 eine gemeinsame Zwischenbilanz über die bis dahin erfolgte Einführung des neuen Entgeltsystems zu ziehen. Auf diese Weise tragen wir dem berechtigten Bedürfnis Rechnung, Erfah- rungen aus der Praxis in die Ausgestaltung der Konver- genzphase einfließen zu lassen. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Stärkung sektor- übergreifender Modellvorhaben. So werden neben Psych- iatrie und Psychosomatik weitere Fachdisziplinen einbe- zogen. Home Treatment wird in die Liste möglicher Modellvorhaben aufgenommen. Um weiße Flecken auf der Landkarte zu vermeiden, soll in jedem Bundesland mindestens ein Modellvorhaben durchgeführt werden. Schließlich tragen wir den Besonderheiten der Kin- der- und Jugendpsychiatrie Rechnung. Der Gemeinsame Bundesausschuss muss diese bei seinen Festlegungen zur Qualitätssicherung in der Versorgung berücksichti- gen. Dies gilt insbesondere für einen möglichen erhöh- ten Personalbedarf. Durch technische Neuerungen werden die Abläufe in der Psychiatrie und Psychosomatik vereinfacht. Kodie- rungen werden bundeseinheitlich geregelt. Ein elektroni- scher Datenaustausch zwischen Krankenhäusern und privaten Krankenversicherungsunternehmen ermöglicht den Verzicht auf manuelle Aufarbeitung. Nicht zuletzt verpflichten wir die Selbstverwaltungs- partner, einen gemeinsamen Forschungsauftrag zu ver- geben. Dieser soll die Ursachen für den Anstieg der Leistungsausgaben analysieren und Lösungsansätze für eine Entwicklung der Leistungen im medizinisch not- wendigen Umfang erarbeiten. Ziel ist es, die Effektivität im Krankenhausbetrieb zu verbessern und dadurch die Qualität der Versorgung unserer Patientinnen und Pa- tienten zu steigern. Ich bin zuversichtlich, dass der nunmehr verbesserte Entwurf in der praktischen Umsetzung auf große Zu- stimmung bei allen Beteiligten aus der Psychiatrie und Psychosomatik stoßen wird. Jeder, der in diesen Berei- chen arbeitet, ist aufgerufen, mitzumachen und persön- liche Erfahrungen einzubringen, um das System in den folgenden Jahren zu optimieren und noch besser an die Bedürfnisse von Ärzten, Krankenhäusern und Patienten anzupassen. Die Verabschiedung des neuen Psych-Ent- geltgesetzes liefert hierzu den Anstoß. Als Liberaler wie als Psychotherapeut freue ich mich darauf, diese längst überfällige Neuregelung mit auf den Weg zu bringen. Harald Weinberg (DIE LINKE): Heute wird hier ein Systemwechsel in der Finanzierung von psychiatrischen Krankenhäusern beschlossen. Bisher gibt es kranken- hausindividuell verhandelte Budgets. Hier spielen die Kosten, die in dem jeweiligen Krankenhaus entstehen, natürlich eine Rolle. Zum größten Teil geht es hier natür- lich – gerade im psychiatrischen Bereich – um Personal- kosten. Nach der geltenden Psychiatrie-Personalverord- nung ist der Personalbedarf verschiedener Abteilungen festgelegt und soll entsprechend finanziert werden. Nun soll dieses System – mit Übergangsfristen bis 2022 – umgestellt werden. Dann soll nicht mehr der Bedarf, sondern im Grundsatz die Leistung honoriert werden – allerdings nicht mehr einzeln für jede Klinik, sondern 22172 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 (A) (C) (D)(B) landesweit pauschaliert. Eine Klinik in München soll also für die gleiche Abteilung den gleichen Tagessatz be- kommen wie eine Klinik im Bayerischen Wald, obwohl die Kostenstrukturen andere sein dürften. Die Kranken- häuser, die derzeit noch relativ hohe Kosten geltend ma- chen können, werden massiv sparen müssen – das geht fast nur beim Personal – oder werden Defizite erwirt- schaften und verschwinden. Das ist Folge dieses Geset- zes. Es gibt für dieses Vorgehen ein Vorbild. So wurde ab 2003 ja bereits das Fallpauschalensystem in den nicht- psychiatrischen, den somatischen, Krankenhäusern ein- geführt. Für eine bestimmte Diagnose erhält das Kran- kenhaus nun einen Betrag X, während zuvor die Liegezeit entscheidend war. Ist es nun sinnvoll, dieses Prinzip auch auf die psychiatrischen Kliniken zu übertra- gen? Ich meine, nein, weil wir mit diesem neuen System, bei dem auch eine Personalbemessung aufgegeben wurde, eher schlechte als gute Erfahrungen gemacht ha- ben. Viele Zielsetzungen sind nicht erreicht worden; es sind negative Effekte aufgetreten. Bei vielen Punkten können wir aber auch gar nicht wirklich sagen, welche Erfahrungen vorliegen, weil die gesetzlich vorgeschrie- bene Begleitforschung größtenteils gescheitert ist. Das Scheitern hatte seine Ursache darin, dass sich die im Gesetz bestimmten Auftraggeber, Kassen und Klini- ken, gegenseitig blockiert haben. Deshalb haben wir auch beantragt, dass die Bundesregierung einen Sach- verständigenrat einrichten soll, der eine Evaluation vor- nehmen soll; so könnten wir zu einer neutralen For- schung und politisch brauchbaren Ergebnissen kommen. Die wären wichtig, denn immerhin geht es hier um 17 Millionen Patientinnen und Patienten und über 50 Milliarden Euro jährlich. Schade, dass die Koalition und die SPD das ablehnen. Soweit man das auch ohne Begleitforschung abschät- zen kann, passierte Folgendes: Die Fallpauschalen er- zeugten wirtschaftlichen Druck auf die Krankenhäuser, möglichst viele Fälle abzurechnen – mit möglichst kur- zer Liegedauer. Die Krankenhäuser haben infolgedessen einen immer größeren Bedarf, Ärztinnen und Ärzte ein- zustellen, um diese Fallzahlen zu generieren und – nicht zuletzt – um die Kodierung für die Abrechnung vorzu- nehmen. Die Pflege hingegen wurde nun weniger ge- braucht, und hier bestanden neben dem technischen Dienst auch die größten Einsparpotenziale für die Kran- kenhäuser. Für die Beschäftigten bedeutet dies eine enorme Arbeitsverdichtung, für die Patientinnen und Pa- tienten trotz allem Einsatz der Pflegenden ganz klar eine Verschlechterung der Pflege. Es gibt massive Probleme bei den Reha-Kliniken, die durch die früheren Entlas- sungen teilweise Patientinnen und Patienten zugewiesen bekommen, die noch gar nicht rehabilitationsfähig sind. Die Fallpauschalen erzeugen einen hohen Bürokratieauf- wand. Der Anreiz, möglichst viele Fälle zu machen, könnte von den Krankenhäusern als Anreiz verstanden werden, auch unnötige Operationen durchzuführen. Und nun kann man sich fragen, welcher Fehlanreiz besser ist: Früher ließen die Krankenhäuser die Patientinnen und Patienten gerne einmal zwei oder drei Tage zu lange lie- gen, wenn nicht alle Betten ausgelastet waren; heute muss man sich fragen, ob die Operation tatsächlich not- wendig ist oder ob einfach der Operationssaal mehr Aus- lastung braucht. Trotz dieser Probleme kann man nicht feststellen, dass Krankenhäuser durch die Umstellung auf Fallpau- schalen wirtschaftlicher geworden sind. Kurz gesagt, gibt es Hinweise auf Verschlechterungen im Kranken- haus, aber ohne dass das System wenigstens günstiger geworden wäre. Wenn das so ist, dann muss man über Alternativen im somatischen Bereich nachdenken, aber nicht dieses System im Grundsatz als Vorbild für die psychiatrischen Kliniken nehmen. Denn nichts wird dort besser werden. Wenn man tat- sächlich die Versorgung in der stationären Psychiatrie verbessern will, dann muss man dafür sorgen, dass ge- nug gut qualifiziertes Personal dort zur Verfügung steht, wo es gebraucht wird. Man muss im ersten Schritt dafür sorgen, dass die Psychiatrie-Personalverordnung tatsäch- lich überall umgesetzt wird. Außerdem muss man für eine bessere sektorenübergreifende Zusammenarbeit sorgen. Nichts davon passiert hier. Im Gegenteil: Die Sektorengrenze zwischen Ambulant und Stationär wird noch weiter zementiert, weil ein neues stationäres Finan- zierungssystem bis weit in die 2020er-Jahre festge- schrieben wird. Die Koalition nutzt dieses Gesetz aber auch als Omni- bus, um andere Regelungen noch mitzunehmen, oder, wie Herr Lindemann von der FDP heute in der Welt zi- tiert wird: „Wir müssen aufsammeln, was in den vergan- genen Monaten gesetzgeberisch liegen geblieben ist oder unzureichend gelöst wurde“. Und da gibt es einiges! So gab es ja im März einen Tarifabschluss für die öffentli- chen Krankenhäuser. Bisher war völlig unklar, wann wie viel auf welche Art und Weise davon refinanziert wird. Die Koalition hat jetzt gewürfelt, und herausgekommen sind 30 Prozent. Einen Ratschlag, wie die Krankenhäu- ser die übrigen 70 Prozent finanzieren sollen, hat die Ko- alition nicht. Dazu kommt, dass diese 30 Prozent auch noch über die Landesbasisfallwerte auf alle Krankenhäu- ser verteilt werden, also auch auf die zum Teil privaten Häuser, für die die Tarifsteigerung gar nicht gilt, und auch auf die Krankenhäuser, die Personal entlassen. Für diejenigen, die ihre Beschäftigten ordentlich entlohnen, bleibt also unterm Strich sogar weniger als 30 Prozent ihrer individuellen Mehrkosten übrig. Die Koalition un- terstützt weiter den Wettbewerb über Lohndumping und schlechte Arbeitsbedingungen. Wir brauchen hier Ab- schläge für Krankenhäuser, die untertariflich zahlen, so- wie eine klare Mindestpersonalbemessung. Damit wäre den Beschäftigten geholfen. Bereits 2008 wurde ein Gesetz mit dem Ziel verab- schiedet, nicht mehr die Steigerungen der Löhne und Gehälter der Versicherten, sondern die Kostensteigerun- gen der Krankenhäuser als Maßstab für die Erhöhung der Krankenhausbudgets zu nutzen. Schon seit Mitte 2010 sollte dieser berechnet sein. Die Bundesregierung hat aber dieses Gesetz seitdem nicht umgesetzt und zu- dem noch solche Angst vor der Öffentlichkeit gehabt, dass sie das Statistische Bundesamt zur Verschwiegen- heit verpflichtet hat. Nun soll der Orientierungswert im Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 22173 (A) (C) (D)(B) Jahr 2013 kommen. Immerhin, aber tosenden Beifall können Sie für diese Leistung von uns nicht erwarten. Alles in allem haben Sie mit den Änderungsanträgen das Gesetz zwar ein wenig verbessert. Aber durch die Umstellung der Finanzierung der Psychiatrieentgelte ist da doch deutlich mehr Schatten als Licht, und deshalb lehnen wir dieses Gesetz ab und bedauern, dass Koali- tion und SPD unseren Antrag zur Fallpauschalenfor- schung ablehnen. Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Der Bundestag bringt heute eine neue Vergü- tungsregelung für die stationäre Versorgung von psy- chisch kranken Erwachsenen und Kindern und Jugendlichen auf den Weg. Diese Regelung soll gemäß der Begründung vonseiten der Bundesregierung zu mehr Transparenz und Leistungsgerechtigkeit bei der Finan- zierung psychiatrischer Krankenhausleistungen führen. In den letzten Jahren sind die Behandlungsfälle und die Kosten aufgrund einer psychischen Erkrankung kontinu- ierlich gestiegen, gleichzeitig sank die Verweildauer in den letzten zwei Jahrzehnten von durchschnittlich 45 auf 31 Behandlungstage. Die hohe Rate von stationären Wiedereinweisungen lässt Versorgungsbrüche zwischen den Krankenhäusern und der ambulanten vertragsärztli- chen und psychotherapeutischen Versorgung erahnen. Wir haben deshalb schon bei der Einbringung des Ge- setzentwurfs und mit einem eigenen Antrag deutlich ge- macht: Es muss um mehr gehen als ein neues Entgeltsys- tem; vielmehr muss der lange Übergangszeitraum für die Weiterentwicklung der Versorgung genutzt werden. Der Gesetzentwurf wurde dem nicht gerecht. Es drohte mit der Umstellung auf Tagespauschalen ein Ab- bau von Personalstandards in der Erwachsenen- und noch extremer in der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Gleichzeitig war kein ernstzunehmender Anreiz für sek- torübergreifende und stationsersetzende Behandlungsan- sätze vorgesehen. Eine Woche vor der abschließenden Beratung haben Sie vonseiten der schwarz-gelben Koalition ein großes Paket mit Änderungsanträgen vorgelegt. Wir begrüßen den Mut zu deutlichen Veränderungen; Sie nehmen da- mit in Teilen die Vorschläge der Fachverbände, des Bun- desrates und aus unserem Antrag auf. Vor allen Dingen wurde der Versuch der Bundesregierung zurückgewie- sen, die Umstellung zu einem Spargesetz zulasten der Versorgung von psychisch Kranken zu machen. Die Möglichkeit für alle psychiatrischen Krankenhäuser, bis Ende 2016 ihr Personal analog der Psychiatrie-Personal- verordnung mit den Krankenkassen nachzubesetzen, ist im Interesse der Behandlungsqualität. Ich habe bereits seit längerem die fehlende Transparenz über die tatsäch- liche Personalbesetzung thematisiert. Bisher war das Ministerium nicht bereit, durch gesetzgeberische Maß- nahmen die Umsetzung der Psych-PV überprüfbar zu machen. Das soll nun geschehen; das ist gut. Wir begrüßen auch die Nachbesserungen bei den Mo- dellvorhaben. Sie müssen konsequent zur Weiterent- wicklung der Regelversorgung genutzt werden. Deshalb war es wichtig, wie von uns gefordert, in die Modellvor- haben ausdrücklich die komplexe psychiatrische Be- handlung im häuslichen Umfeld einzubeziehen und in jedem Bundesland ein solches Vorhaben zu realisieren. Ebenso wichtig wie eigentlich auch selbstverständlich: Die Ergebnisse der Modellvorhaben müssen bei der Be- gleitforschung genauso wie die Angebote der Regelver- sorgung miterfasst werden. Nur so ist ein qualitativer Vergleich überhaupt möglich. Trotz der Nachbesserungen hat sich unser grüner An- trag nicht erledigt. Völlig unverständlich ist es zum Bei- spiel, dass es keine Bereitschaft gab, die Umstellung durch eine interessensneutrale Expertenkommission un- ter Beteiligung von Patienten- und Angehörigenvertre- tern zu begleiten. Wir anerkennen im Teil der psychiatri- schen Krankenhäuser also die heutigen Beschlüsse als Schritte in die richtige Richtung. Kommen wir nun zum allgemeinen Krankenhausteil. Die Koalition hat angesichts der Wahlkämpfe reagiert und ist den Krankenhäusern bei der Bewältigung der Ta- rifkostensteigerungen scheinbar entgegengekommen. Eine solche Feuerwehrmaßnahme wäre jedoch nicht nö- tig gewesen, hätte die Koalition den Krankenhäusern die willkürliche Sparvorgabe im GKV-FinG nicht aufge- drückt und hätte sie sich früher dem Thema einer trans- parenten und verlässlichen Krankenhausfinanzierung ge- widmet. Es ist schon ein Husarenstück, uns eine so grundlegende und methodisch nicht unproblematische Frage quasi über Nacht auf den Tisch zu legen. Nachhal- tige Lösungen für eine belastbare Krankenhausfinanzie- rung, die endlich auch die Pflege wertschätzt, werden anders gefunden. Insgesamt können wir dem Gesetz heute nicht zustim- men und werden uns enthalten. Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Mit dem Gesetz zur Einführung eines pauschalierenden Entgeltsystems für psychiatrische und psychosomatische Einrichtungen wird die Finanzierung der Krankenhäuser in Deutsch- land verbessert. Die Leistungsorientierung und Transpa- renz über die stationäre psychiatrische und psychosoma- tische Versorgung wird gestärkt. Wir sorgen für eine Verbesserung der Rahmenbedin- gungen der Krankenhausfinanzierung, indem wir ab 2013 den anteiligen Kostenorientierungswert einführen und im Vorgriff darauf noch in diesem Jahr die Tariflas- ten der Krankenhäuser erleichtern. Von einem Sparge- setz, wie von Krankenhausverbänden behauptet, kann deshalb bei dem vorliegenden Gesetzentwurf keine Rede sein. Mit dem Gesetz wird die Grundlohnrate als Ober- grenze für den Preisanstieg von Krankenhausleistungen durch den anteiligen Kostenorientierungswert abgelöst. Liegt der Orientierungswert über der Grundlohnrate, er- folgt im Rahmen eines vorgegebenen Verhandlungskor- ridors eine Erhöhung der Preisobergrenze. Damit werden unter Berücksichtigung der Kostensituation der Kran- kenhäuser erhöhte Verhandlungsspielräume für Preiszu- wächse eröffnet. 22174 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 (A) (C) (D)(B) Der Vorwurf von Krankenhausverbänden, mit dem anteiligen Orientierungswert werde die Grundlohnrate lediglich fortgeschrieben, geht komplett ins Leere. Viel- mehr werden den Krankenhäusern gute Argumente an die Hand gegeben, den eröffneten Verhandlungskorridor auch auszuschöpfen. Zudem müssen diese Krankenhausverbände zur Kenntnis nehmen, dass bereits die von der Großen Ko- alition geschaffene Rechtsgrundlage einen anteiligen Orientierungswert, nicht aber den geforderten vollen Orientierungswert vorsieht. Etwas anderes wäre im Sinne einer nachhaltig tragfähigen Finanzierbarkeit von Krankenhausleistungen auch nicht verantwortbar. Durch die Anwendung des anteiligen Orientierungswerts wird einerseits ein Beitrag zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser geleistet, andererseits werden mit Blick auf sozial tragbare Entgelte die zusätzlich entstehenden Belastungen der Kostenträger in Grenzen gehalten. Auch mit den aktuellen Tarifsteigerungen des Jahres 2012 lassen wir die Krankenhäuser nicht allein. Im Vor- griff auf den anteiligen Orientierungswert 2013 ist noch in diesem Jahr eine anteilige Finanzierung der vereinbar- ten linearen Tarifsteigerungen für das Jahr 2012 vorgese- hen. Damit werden die Kosten der Tarifsteigerungen, die die Grundlohnrate überschreiten, zu 50 Prozent finan- ziert. Allein durch diese Maßnahme erhalten die Kran- kenhäuser jährlich dauerhaft 280 Millionen Euro zusätz- lich. Es darf nicht übersehen werden, dass allein in den Jahren 2010 und 2011 die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung für Krankenhausleistungen um na- hezu 5 Milliarden Euro gestiegen sind. Das ist ein Zu- wachs von über 8,5 Prozent – trotz der ausgabenbegren- zenden Maßnahmen des GKV-Finanzierungsgesetzes im Jahr 2011. Im Vergleich dazu wuchsen die GKV-Ausga- ben für die vertragsärztliche Behandlung um 4,5 Prozent an. Maßgeblich für den dynamischen Ausgabenanstieg ist weniger die Preisentwicklung, sondern insbesondere die Mengenentwicklung. Die Leistungsdynamik wird nicht mehr durch gedeckelte Budgets begrenzt. Die Mor- bidität wird von den Kostenträgern übernommen. Aber die DRG-Begleitforschung der Selbstverwaltungspartner auf Bundesebene hat ebenso wie eine kürzlich vorge- legte Studie des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung gezeigt, dass die Entwicklung der stationären Leistungen dynamischer verläuft, als durch die demografische Entwicklung und den medizinischen Fortschritt erklärbar. Vor diesem Hintergrund hat die Regierungskoalition immer wieder deutlich zum Ausdruck gebracht, dass eine verbesserte Refinanzierung der den Krankenhäu- sern entstehenden Kosten nur im Zusammenhang mit Maßnahmen zur Beeinflussung der Mengendynamik er- folgen kann. Um mittelfristig geeignete Lösungsansätze für eine Leistungsentwicklung im medizinisch notwen- digen Umfang zu entwickeln, werden die Selbstverwal- tungspartner auf Bundesebene mit der Vergabe eines ge- meinsamen Forschungsauftrags zur Mengendynamik beauftragt. Übergangsweise werden die derzeit noch unbefriste- ten Mehrleistungsabschläge weiter erhoben. Sie werden aber mit dem Psych-Entgeltgesetz auf die Jahre 2013 und 2014 begrenzt, wobei die Mehrheitsleistungen für das Jahr 2013 auch für das Jahr 2014 gelten. Zudem wer- den die Ausnahmetatbestände erweitert. Im Jahr 2015 entfällt der Mehrleistungsabschlag vollständig. Die Mengensteuerung soll unter Berücksichtigung der Er- gebnisse des Forschungsauftrags sowie der darauf basie- renden gemeinsamen Vorschläge der Selbstverwaltung erfolgen. Es wird nicht genug sein, für die jeweils be- kannte Position von SpiBu bzw. DKG ein wissenschaft- liches Gutachten in Auftrag zu geben. Wir nehmen die Selbstverwaltung in die Pflicht und erwarten, dass die je- weiligen Interessensgegensätze in der Form eines ge- meinsamen tragfähigen Vorschlags zur Mengenentwick- lung überwunden werden. Mit dem Psych-Entgeltgesetz werden auch die Rah- menbedingungen für ein modernes, Qualität, Transpa- renz und Wirtschaftlichkeit förderndes Vergütungssys- tem geschaffen. Die Vergütungsgerechtigkeit zwischen den Einrichtungen wird verbessert. Das neue Entgeltsystem wird im Rahmen eines lernen- den Systems mit einer vierjährigen budgetneutrale Phase und einer fünfjährigen Konvergenzphase eingeführt. In den Jahren 2013 und 2014 können die Einrichtungen das neue Entgeltsystem auf freiwilliger Grundlage anwenden. Der Anspruch zur Nachverhandlungsmöglichkeit von Stellen nach der Psychiatrie-Personalverordnung steht weiterhin allen Einrichtungen offen, für die diese Ver- ordnung Anwendung findet. Als Anreiz für eine frühzei- tige Anwendung des neuen Entgeltsystems werden in den Jahren 2013 und 2014 die Erlösausgleiche zeitlich befristet nachhaltig verbessert. Insgesamt wird den Einrichtungen durch den gesetzli- chen Rahmen ausreichend Zeit gegeben, sich auf die neuen Rahmenbedingungen einzustellen. Zudem werden die Selbstverwaltungspartner auf der Bundesebene ver- pflichtet, vor Beginn der Konvergenzphase eine gemein- same Zwischenbilanz über die bis dahin erfolgte Einfüh- rung des neuen Entgeltsystems zu ziehen. Vor Beginn der Konvergenzphase wollen wir wissen, wie das neue leistungsgerechte Entgeltsystem wirkt und insbesondere ob und welche Auswirkungen das Entgeltsystem auf die Versorgung in den Häusern hat. Begleitend werden ferner die Grundlagen für eine systematische Qualitätssicherung in der psychiatrischen und psychosomatischen Versorgung gelegt. Die Möglichkeiten für eine sektorenübergreifende Versorgung werden verbessert. Dies geschieht insbeson- dere durch die Weiterentwicklung der Vorgaben zur Durchführung von Modellvorhaben. Mit der Einführung des neuen Entgeltsystems wird nunmehr auch im Bereich der Psychiatrie und Psychoso- matik der Weg von der Finanzierung kostenorientierter Budgets hin zu einer leistungsorientierten Krankenhaus- vergütung konsequent fortgesetzt. Mit den Maßnahmen zur Krankenhausfinanzierung nimmt die Gesundheitspolitik die Herausforderung an, Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 22175 (A) (C) (D)(B) sowohl flächendeckende Defizite der Krankenhäuser zu verhindern, als auch unvertretbaren Mehrbelastungen der Kostenträger zu begegnen. In diesem Sinne formt das Gesetz einen Kompromiss, der das Notwendige und das finanziell Verantwortbare zum Ausgleich bringt. Anlage 13 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: Beschlussempfehlung und Bericht zu dem Antrag: Übersetzungserforder- nisse der nationalen Parlamente in der mehrjährigen EU-Finanzplanung 2014–2020 berücksichtigen – Übersetzungen auch im inter- gouvernementalen Rahmen sicherstellen (Ta- gesordnungspunkt 20) Thomas Dörflinger (CDU/CSU): Wenn es noch ei- nes Beweises bedurft hätte, wie berechtigt und dringend der Antrag ist, den die Koalitionsfraktionen dem Deut- schen Bundestag heute vorlegen, dann waren es die letz- ten Wochen und Monate, wo wir uns fast wöchentlich im Zusammenhang mit der europäischen Staatsschulden- krise mit Problemen und Sachverhalten auseinanderzu- setzen hatten, denen eines gemein war: Sie waren und sind allesamt von hoher Komplexität und beinhalten gleichzeitig schwierige juristische und finanztechnische Themen. Vorlagen dieser Art nicht in seiner Mutterspra- che bearbeiten zu können, ist für Parlamentarier schlicht und ergreifend unzumutbar. Darüber sind wir uns sicher über Fraktionsgrenzen hinweg einig. Ich bin in diesem Zusammenhang dankbar, dass der Vorsitzende des Europaausschusses im Deutschen Bundestag, Gunther Krichbaum, dies vor wenigen Tagen auch in einem Zei- tungsinterview nochmals klar und deutlich zum Aus- druck gebracht hat. Das Problem, dass wichtige europäische Dokumente allenfalls in englischer oder französischer Sprache vor- liegen, ist für den Deutschen Bundestag alles andere als neu. Ich erinnere daran, dass wir dies schon in der letzten Legislaturperiode zum Ausdruck gebracht haben, dass wir dies in einem Gespräch mit der EU-Kommission im Europaausschuss kritisiert haben und dass wir in diesem Ansinnen auch durch den Präsidenten des Deutschen Bundestages unterstützt worden sind. Ungeachtet dieser und bereits längere Zeit zurückliegender Initiativen dür- fen wir heute feststellen: Getan hat sich in dieser Frage nicht nur nichts, sondern das Problem ist im Gegenteil noch größer geworden. In der laufenden Legislaturpe- riode des Hohen Hauses sind es fast 100 Dokumente, die aufgrund der fehlenden Übersetzung ins Deutsche nicht beraten werden konnten. Dies ist ein unhaltbarer Zu- stand. Die Koalitionsfraktionen aus CDU/CSU und FDP fordern die Bundesregierung daher auf, ihren bereits un- ternommenen Bemühungen zur Problemlösung im Zusammenhang mit der Beratung des mehrjährigen EU- Finanzrahmens für 2014 bis 2020 nochmals neuen Nach- druck zu verleihen. Dafür muss nicht notwendigerweise mehr Geld in die Hand genommen werden. Wir sind der Auffassung, die benötigten Haushaltsmittel können auf der europäischen Ebene durch Umschichtungen erwirt- schaftet werden; denn wir wollen gleichzeitig an unserer Position festhalten, dass die Bemessungsgrenze für die Mittel, die aus den Nationalstaaten zur Finanzierung der Europäischen Union nach Brüssel abgeführt werden müssen, bei 1 Prozent des Bruttonationaleinkommens liegt. Wenn wir in den letzten Monaten über Ausgaben- begrenzung und die Notwendigkeit einer Schulden- bremse in den Nationalstaaten gesprochen haben, dann gilt auch für die Europäische Union, dass man mit dem Geld auskommen muss, das zur Verfügung steht. Ich habe davon gesprochen, dass wir das Thema Übersetzungsregime schon einmal in der vergangenen Legislaturperiode und damals mit einem fraktionsüber- greifenden Antrag aufgegriffen haben. Dies war heuer leider nicht möglich, und ich bedauere dies ausdrücklich. Die Bereitschaft der Koalitionsfraktionen hierzu war da; das stelle ich mit Blick auf die gestrigen Ausschussbera- tungen noch einmal fest. Es hat unsererseits weder am guten Willen noch an der zur Verfügung gestellten Bera- tungszeit gefehlt. Wir sind aber an einigen zentralen Punkten ganz of- fenkundig unterschiedlicher Auffassung: Erstens. Ein Wort zuerst zu dem Änderungsantrag, den uns die Fraktion Die Linke vorgelegt hat. Auch wenn wir einen Ergänzungsbedarf in unserem Forde- rungskatalog nicht wirklich sehen, will ich durchaus konzedieren, dass der Ansatz im Änderungsantrag in die richtige Richtung weist. Aber: Welchen Sinn soll es ma- chen, die Frage des Übersetzungsregimes zu einer Art Guillotineklausel zu machen, was dann bedeuten würde, die Bundesregierung müsste den europäischen mehrjäh- rigen Finanzrahmen in Gänze ablehnen, wenn die Forde- rung in puncto Übersetzungsregime nicht erfüllt sind? So kann man weder auf der europäischen Ebene noch auf der nationalen Ebene Politik machen. Der Ansatz „alles oder nichts“ hat noch in den seltensten Fällen zu einem politischen Erfolg geführt. Zweitens zu den Argumenten, die SPD und Bündnis 90/ Die Grünen vorgetragen haben: Es gibt durchaus Gründe, einen Prozess kritisch zu hinterfragen, in dem Entscheidungsabläufe in Europa zunehmend auf der in- tergouvernementalen Ebene stattfinden, wodurch das Parlament entweder nicht oder nur indirekt beteiligt ist. Dabei sollten wir jedoch so fair sein und feststellen, dass gerade im Zusammenhang mit der europäischen Staats- schuldenkrise oft die Zeit und der Druck der Märkte das Prozedere diktiert haben. Aber: Wenn wir daneben den beschriebenen, bisweilen schleichenden Prozess als überzeugte Parlamentarier gemeinsam kritisch beleuch- ten, dann muss doch der Schluss aus dieser Überlegung gezogen werden, dass uns im Parlament gerade die wichtigen Dokumente aus dem intergouvernementalen Bereich in deutscher Sprache zur Verfügung stehen. Ich habe mich in der Ausschussberatung schon gefragt, wes- halb SPD und Bündnis 90/Die Grünen gerade dies als Argument anführten, unseren Antrag nicht mittragen zu können oder zu wollen. 22176 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 (A) (C) (D)(B) Drittens. Es hat sich mir genauso wenig erschlossen, wieso für den intergouvernementalen Bereich die Mit- gliedstaaten ins finanzielle Obligo für die Übersetzung gehen sollten. Auch wenn die Vertreter der Mitgliedstaa- ten im Europäischen Rat und den einzelnen Räten agie- ren, so bleiben die Räte doch zweifelsfrei ein europäi- sches Gremium. Damit ist für die Infrastruktur dieser Räte auch die Europäische Union zuständig. Ich betone dies deshalb, weil ich mich an ein Ge- spräch im EU-Ausschuss mit dem seinerzeit für Überset- zungsfragen zuständigen Kommissar erinnere, der die Lösung des von uns benannten Problems ganz einfach skizzierte: Wo ein nationales Parlament zusätzlichen Be- darf an Übersetzungen sehe, solle es diese im eigenen Interesse doch selbst finanzieren. Genau das wollen wir aber nicht. Wo die Zuständigkeiten klar gegeben sind, muss auch für die finanziellen Konsequenzen dieser Zu- ständigkeit Sorge getragen werden. Zurück zur Gemeinsamkeit in der Sache. Ich bin dankbar, dass wir in dieser Gelegenheit auch weiterhin auf die Unterstützung des Präsidenten des Deutschen Bundestages zählen können. Die Bemühungen des Parlamentspräsidenten etwa in der Konferenz der euro- päischen Parlamentspräsidenten sind sicher umso erfolg- reicher und nachdrücklicher, wenn er sich in seinem von uns über alle Fraktionsgrenzen hinweg getragenen Ansinnen auch einer breiten Unterstützung in diesem Hohen Hause sicher weiß. Alois Karl (CDU/CSU): Ich bin den Koalitionsfrak- tionen, den Fraktionen der CDU/CSU und der FDP, au- ßerordentlich dankbar dafür, dass sie den hier in Rede stehenden Antrag in den Deutschen Bundestag einbrin- gen, wonach Übersetzungserfordernisse der nationalen Parlamente in die mehrjährige EU-Finanzplanung 2014 bis 2020 aufgenommen werden sollen und berücksich- tigt werden soll, dass dem Antrag gemäß auch die Über- setzung im intergouvernementalen Rahmen sicherge- stellt werden muss. Wir befassen uns mit dieser Materie nicht zum ersten Mal. Wir haben uns sowohl im Juni 2007 als auch im Oktober 2008 mit der Praxis der EU-Übersetzungsme- thoden befasst. Wir haben verschiedene Forderungen aufgestellt, die in der Tat an das Selbstverständnis des Deutschen Bundestages gehen. Die Problematik ist jedem klar: Der Deutsche Bun- destag wirkt mit den europäischen Institutionen am euro- päischen Recht mit. Wir haben gerade nach dem Vertrag von Lissabon weitreichende Mitwirkungsrechte und ha- ben das Recht – und aus dem Recht erwächst auch eine Pflicht –, alle für unsere Entscheidungen notwendigen Vorlagen und Unterlagen nicht nur rechtzeitig, sondern auch in einer autorisierten Übersetzung zu bekommen. In diesem Zusammenhang ist es ja geradezu ein Skan- dal, dass in dieser seit 2009 laufenden Wahlperiode des Deutschen Bundestages bereits mehr als 50 Vorlagen der Europäischen Union im Deutschen Bundestag nicht ab- schließend behandelt werden konnten oder sogar zurück- gewiesen werden mussten, weil sie aufgrund fehlender oder nicht vollständiger deutscher Übersetzungen im Ausschuss nicht behandelt werden konnten. Diese Praxis nagt am Selbstverständnis der frei ge- wählten deutschen Abgeordneten! Die Sache verschärft sich noch, wenn man weiß, dass die EU-Kommission in der Vergangenheit es sogar abgelehnt hat, auch auf Rü- gen hin Nachübersetzungen zu liefern. Auch unsere Auf- forderungen an die deutsche Bundesregierung vom 20. Juni 2007, „sich bei der EU um eine angemessene Stellung der deutschen Sprache zu bemühen“, hat dort nicht allzu viel Positives bewirkt. Auch einer weiteren Aufforderung von uns vom 17. Oktober 2008 war nicht mehr Erfolg beschieden. Wir sind an einer Stelle angelangt, wo man nicht mehr einfach zur Tagesordnung übergehen kann. Ich sehe die Situation durchaus dramatisch. Unsere Ministerien sind nicht dafür da, entsprechende Übersetzungsarbeiten zu leisten. Nachdem wir bereits die Brüsseler Bürokratie durch unsere Beiträge finanziell ausgestattet haben, ist es unverantwortlich, ein zweites Mal für die Überset- zungsdienste – jetzt im nationalen Bereich – hohe Kos- ten aufzuwenden. Es ist dem Deutschen Bundestag auch nicht zuzumuten, dann über zwar übersetzte, aber nicht autorisierte Texte zu beraten. Hinzu kommt, dass wir damit die EU-Institutionen von ihren eigenen Übersetzungsleistungen entpflichten würden. Mit der Eigenübersetzung kämen wir auch in Zeitverzug, insbesondere dann, wenn es um die Frage von Subsidiaritätsprüfungen geht. Diese müssen, wie Sie wissen, innerhalb von acht Wochen abgeschlossen wer- den. Dies kann keine Lösung sein! Die Sache wird noch gravierender: Die EU-Kommission hat die überhaupt nicht überzogenen, geradezu denknotwendigen deut- schen Forderungen nicht nur nicht aufgegriffen, sondern die Sache wird geradezu auf die Spitze getrieben. Nach unserer Information soll die EU-Kommission noch in diesem Sommer beschließen, die Generaldirektion für Übersetzungen um 250 Stellen zu verkleinern. Mit der Verminderung soll 2013 begonnen werden; 2017 soll das „Massaker bei den Übersetzungsstellen“ abgeschlossen sein. Mit dem Wegfall dieser Stellen ist natürlich eine weitergehende Minderleistung bei den Übersetzungen verbunden. Noch weniger Dokumente können übersetzt werden; die Übersetzungsarbeit wird noch länger dauern als jetzt schon. Die Sache wird aber noch mehr auf die Spitze getrie- ben: Es soll insbesondere die deutsche Abteilung sein, die unter dem personellen Aderlass zu leiden hat. Gerade die Mitarbeiter der deutschen Abteilung zeichnen sich durch ein hohes Durchschnittsalter aus. Bei Pensionie- rung sollen sie großenteils nicht mehr ersetzt werden. Von den sechs Referaten der deutschen Abteilung sollen zwei geschlossen werden; es sollen nur noch vier übrig bleiben. Es kommt noch schlimmer: Die deutsche Abteilung soll von Brüssel wegverlegt und nach Luxemburg trans- feriert werden. Gerade dies sehe ich als skandalös an. Die deutsche Sektion soll damit augenscheinlich aufs Nebengleis, aufs Abstellgleis gestellt werden. Die Be- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 22177 (A) (C) (D)(B) handlung der deutschen Sprache durch die Bediensteten der EU-Kommission ist geradezu skandalös! Den Mitarbeitern der Kommission sei ins Stammbuch geschrieben und zugerufen, dass Deutsch die mit Ab- stand am weitesten verbreitete Sprache im EU-Raum ist. Mehr als 90 Millionen EU-Bürger haben Deutsch als erste Muttersprache; auf den Plätzen zwei und drei fol- gen Italienisch und Englisch mit jeweils circa 65 Millio- nen; Französisch ist für circa 60 Millionen die Mutter- sprache. Wir verlangen ausdrücklich, dass die Bestimmungen, wie sie schon 1958 bei der Begründung der EWG festge- setzt worden sind, eingehalten werden. Die Europäer der ersten Stunde haben bereits 1958 festgelegt, dass Ver- ordnungen und andere Schriftstücke von allgemeiner Geltung in den Amtssprachen abgefasst werden müssen. Amtssprache ist neben Englisch und Französisch auch Deutsch. Wir dulden hier keine Kompromisse; wir möchten, dass dies respektiert wird! Die ganze Misere kann meines Erachtens nur dadurch gelöst werden, dass wir bei den anstehenden Beratungen zum nächsten mehrjährigen Finanzrahmen 2014 bis 2020 eine deutliche Sprache sprechen. Es kann nicht an- gehen, dass wir mit unserem Geld die EU-Kommission „auf ganz hohem Niveau füttern“ und zum Dank dafür nicht einmal die EU-Dokumente übersetzt zum Lesen bekommen. Die EU-Kommission ist offensichtlich auch nicht wil- lens, zu sparen. Der Finanzrahmen der letzten sieben Jahre belief sich auf 1,12 Prozent des Bruttonationalein- kommens der Europäischen Union; die jetzigen Forde- rungen der EU-Kommission für den neuen Finanzrah- men 2014 bis 2020 belaufen sich auf 1,11 Prozent des Bruttonationaleinkommens der EU-Staaten. Wir spre- chen dabei immerhin von der Kleinigkeit von circa 1,1 Billionen Euro. Wir wissen, Europa ist uns viel wert. Europa ist uns auch teuer! Wir wollen ausdrücklich, dass die Bundesre- gierung bei den Beratungen über den nächsten Finanz- rahmen darauf hinwirkt, dass unsere Zustimmung nur dann gegeben wird, wenn unsere jetzt zum wiederholten Male formulierten Anforderungen an die Übersetzungs- erfordernisse auch in der Europäischen Kommission auf fruchtbaren Boden fallen. Es geht nicht um Oberflächlichkeiten; es geht um viel. Es geht um die Kontrollmitwirkungsrechte des Deutschen Bundestages in Angelegenheiten der Euro- päischen Union. Wir möchten unseren Aufgaben und Pflichten nachkommen. Die Europäische Kommission hat deswegen Vorleistungen zu bringen, eine Bring- schuld, aus der wir sie nicht entlassen. Wenn die Kom- mission ihre Aufgaben nicht erfüllt, wird sie bei uns auf Granit beißen, wenn es um eine Haushaltsausstattung geht, wie sie den Damen und Herren in der Brüsseler Kommission vorschwebt. Nicht mit uns! Michael Roth (Heringen) (SPD): Für die Arbeits- fähigkeit des Deutschen Bundestages und anderer natio- naler Parlamente ist die zügige Vorlage übersetzter EU- Dokumente von zentraler Bedeutung. Es ist nicht hin- nehmbar, wenn EU-Vorlagen wegen der fehlenden Über- setzung nicht in den Fachausschüssen des Bundestages beraten werden können. Wir fordern daher seit Jahren eine grundlegende Reform des EU-Übersetzungsre- gimes. Auch für die SPD-Fraktion steht außer Frage, dass alle EU-Vorlagen in den 23 Amtssprachen der EU vorliegen müssen, damit die nationalen Parlamente ihre Mitwirkungs- und Kontrollaufgaben angemessen wahr- nehmen können. Das gilt für Dokumente, die im Rah- men der Gemeinschaftsmethode erarbeitet wurden, ebenso wie für Vorlagen aus dem Bereich des intergou- vernementalen Handelns der Mitgliedstaaten, also für Vorlagen der GASP/ESVP, zu den Rettungsschirmen EFSF und ESM, zum Fiskalpakt und zum Euro-Plus- Pakt. Im Grundsatz sind wir uns in dieser Frage fraktions- übergreifend einig. Umso ärgerlicher, dass die Koali- tionsfraktionen nicht bereit waren, sich mit der Oppo- sition noch einmal zusammenzusetzen, um einen akzeptablen Kompromiss zu schmieden. Der Dissens be- steht nämlich in der nicht unerheblichen Frage, aus wel- chem Topf das Geld für diese Übersetzungsleistungen genommen werden soll. Die Argumente von CDU/CSU und FDP zur Finanzierung des neuen Übersetzungsre- gimes sind mehr als abenteuerlich: Wenn es um die Zu- stimmungsvoraussetzungen für den ESM-Vertrag geht, erklärt uns die Bundesregierung seit Wochen, der dau- erhafte Rettungsschirm stehe „bewusst außerhalb des europäischen Rechtsrahmens“ und sei damit nicht als Angelegenheit der Europäischen Union nach Art. 23 Grundgesetz zu behandeln. Wenn es aber um Überset- zungsleistungen für Dokumente geht, die im Kontext des ESM-Vertrags erarbeitet werden, fordern die Koalitions- fraktionen wiederum, dass diese aus Mitteln des EU- Haushalts finanziert werden sollen. Diese Logik er- schließt sich mir nicht. Das passt doch vorne und hinten nicht zusammen. Des Weiteren fordern CDU/CSU und FDP in ihrem Antrag, die deutlich gestiegenen Übersetzungserforder- nisse der nationalen Parlamente „in gebührender Weise“ bei den laufenden Verhandlungen über den Mehrjährigen Finanzrahmen der EU für den Zeitraum 2014 bis 2020 zu berücksichtigen. Das verwundert mich; denn eigent- lich spricht sich die Bundesregierung doch hartnäckig für eine Kürzung des Gesamtvolumens des MFR auf 1 Prozent des Bruttonationaleinkommens aus. In Brüssel vertritt die Bundesregierung gerne das Motto Better Spending, während sie in Berlin dafür eintritt, mehr Geld auszugeben. Diese Milchmädchenrechnung kann in der Praxis nicht aufgehen. Für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ist klar: Für Dokumente, die nicht im Rahmen der klassi- schen Gemeinschaftsmethode, sondern im Bereich des intergouvernementalen Handelns der Mitgliedstaaten er- arbeitet worden sind, müssen zusätzliche finanzielle Ressourcen bereitgestellt werden. Diese Mittel dürfen aus unserer Sicht jedoch nicht aus dem EU-Haushalt stammen, sondern sie müssen aus den nationalen Haus- halten der teilnehmenden Mitgliedstaaten finanziert wer- den. Es kann doch nicht angehen, dass die Europäische 22178 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 (A) (C) (D)(B) Union die Rechnung für die Merkel’sche Unionsme- thode zahlen soll! Aus den genannten Gründen kann meine Fraktion den Antrag von CDU/CSU und FDP nicht mittragen. Dr. Stefan Ruppert (FDP): Der deutsche Dichter Julius Wilhelm Zinkgref hat einmal gesagt: „Zum Be- fehlen oder Gebieten brauche ich gern die deutsche, im Frauenzimmer die französische, im Rat die italienische Sprache.“ Zinkgref, ein Zeitgenosse des 17. Jahrhun- derts, hätte sicher auch im Europa des 21. Jahrhunderts noch seine Freude an der Schönheit und Vielfalt der Sprachen. Denn die europäische Idee der Einheit in Viel- falt gilt gerade mit Blick auf die vielen Amtssprachen in- nerhalb der Union. Sprachen ermöglichen Verständnis, Sprachen ermöglichen Teilhabe. Ein wesentlicher Pfeiler der EU baut darauf, dass alle Mitgliedstaaten trotz der Vielfalt an Sprachen am politischen Prozess partizipie- ren können. Voraussetzung dafür ist ein effektives Über- setzungsregime auf europäischer Ebene. Leider ist die Übersetzungsordnung in den vergange- nen Jahren etwas in Schieflage geraten. Vielfach werden Übersetzungen bestimmter Dokumente nicht oder nur unvollständig angefertigt. So musste der Deutsche Bun- destag in dieser Legislaturperiode schon über 50 EU- Vorlagen wegen fehlender oder nicht vollständiger deut- scher Sprachfassung zurückweisen oder konnte die Vor- lagen nicht abschließend beraten. Diese Tatsache steht daher im Widerspruch zur Verordnung Nr. 1 aus dem Jahr 1958, in der es heißt, dass „Verordnungen und an- dere Schriftstücke von allgemeiner Geltung … in den … Amtssprachen abgefasst“ werden. Dass das EU-Überset- zungsregime überarbeitet werden muss, hat der Bundes- tag bereits 2008 in einem interfraktionellen Beschluss festgestellt. Seitdem ist leider wenig passiert. Die Kom- mission hat zwar mehrfach eine Reform der Überset- zungsordnung angekündigt, allerdings folgten den Worten leider keine Taten. Seit dem letzten Bundestagsbeschluss vor vier Jahren haben sich zwei Entwicklungen ergeben, die eine Re- form der Übersetzungsordnung umso dringlicher machen. Erstens hat der Vertrag von Lissabon die Mitbe- stimmungsrechte der nationalen Parlamente deutlich ausgeweitet. Die Volksvertretungen können ihre Rechte im europäischen System aber nur effektiv wahrnehmen, wenn die entsprechenden Vorlagen und Dokumente auch in ihrer jeweiligen Sprache vorliegen. Es geht hier nicht darum, ob ein Parlament der englischen oder französi- schen Sprache der Vorlagen mächtig ist oder nicht. Viel- mehr geht es darum, dass bei detaillierten Entwürfen aus Brüssel gerade in komplexen Politikfeldern alle Parla- mente auf der gleichen Grundlage in ihren jeweiligen Landessprachen arbeiten sollten. Die europäische Inte- gration kann nur gelingen, wenn die nationalen Gesetz- geber auch weiterhin in den europäischen Willensbil- dungsprozess mit eingebunden werden. Die Bedingung hierfür ist ein leistungsstarkes Übersetzungsregime auf europäischer Ebene. Zweitens hat auch die intergouvernementale, das heißt zwischenstaatliche, Ebene in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Trotzdem werden beispielsweise Dokumente und Vorlagen im Rahmen der Gemeinsamen Außen- bzw. Sicherheits- und Verteidigungspolitik so- wie der Euro-Gruppe nur sehr punktuell oder unvollstän- dig übersetzt. Für den intergouvernementalen Rahmen gibt es bisher noch keine einheitlichen Übersetzungs- richtlinien. Gerade aber im Bereich der Euro-Zone und der Stabilisierungsmaßnahmen ist das Vorhandensein von Übersetzungen essenziell. Deswegen ist es auch hier wichtig, dass die nationalen Parlamente mit den EU-In- stitutionen in einen Dialog treten und ihren spezifischen Übersetzungsbedarf ausloten. Zur Frage der Finanzierung von Übersetzungen ist Folgendes zu sagen: Wir sind uns der Tatsache bewusst, dass man bei einer Reform der Übersetzungsstrategien auch über das Finanzielle reden muss. Hierzu ist es aber notwendig, dass EU-Kommission und der Rat transpa- rent klarstellen, wie viel Mittel sie für die Übersetzungs- aufgaben jeweils benötigen. Nur so kann festgestellt werden, welcher finanzielle Mehraufwand bei einem überarbeiteten Übersetzungsregime notwendig ist. Als Finanzierungsalternative haben wir im Antrag auch das sogenannte Marktmodell angesprochen. Es kann ein nützliches Instrument für die Übersetzung von Doku- menten sein, die nicht für alle Mitgliedstaaten gleicher- maßen relevant sind. Es steht also fest: Wir haben konstruktive Vorschläge in der Übersetzungsfrage gemacht. Wir wollen damit einen offenen und ergebnisorientierten Dialog mit den europäischen Institutionen anstoßen. Allerdings müssen sich nun auch die Kommission und der Rat bewegen und dem gestiegenen Übersetzungsbedarf entsprechend nachkommen. Abschließend bedauere ich, dass sich die Opposi- tionsfraktionen dem Koalitionsantrag nicht angeschlos- sen haben. Mehrfach haben wir ein Angebot hierzu unterbreitet. Die Beratungen im EU-Ausschuss haben gezeigt, dass wir in der Sache keinen Dissens haben und es lediglich um Nuancen in der Formulierung geht. Inso- fern hätten sie ruhig über ihren Schatten springen und sich diesem wichtigen Anliegen anschließen können. Andrej Hunko (DIE LINKE): Anscheinend sind wir uns alle einig, dass die Übersetzung aller relevanten EU- Texte eine notwendige Voraussetzung für die effektive parlamentarische Kontrolle der europäischen Politik ist. Das Problem ist doch Folgendes: Während sich manche hier im Hause damit brüsten, in Europa würde wieder „deutsch gesprochen“, liegen relevante EU-Dokumente, über die wir entscheiden sollen, oft nicht oder nicht rechtzeitig in deutscher Übersetzung vor. Ich bin der Meinung, dass jede und jeder Abgeordnete in der Lage sein sollte, diese EU-Dokumente in seiner oder ihrer Muttersprache zu prüfen, um dann entscheiden zu kön- nen. Es geht hier also nicht um Deutschtümelei, sondern darum, dass gute Fremdsprachenkenntnisse keine Vo- raussetzung sein dürfen, gewissenhaft ein Bundestags- mandat auszuüben. Der Antrag von CDU/CSU und FDP geht zunächst auf die drei entscheidenden Ebenen dieses Problems ein: Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 22179 (A) (C) (D)(B) Erstens auf die Kommission, die zahlreiche Anhänge und Arbeitspapiere nicht übersetzt. Die Antragsteller be- gründen ihre Kritik mit einer Verordnung von 1958, ver- kennen dabei aber, dass nach dieser nur „Verordnungen und andere Schriftstücke von allgemeiner Geltung“, also mit legislativem Charakter, übersetzt werden müssen. Der reale institutionelle Hintergrund des Problems, vor allem die Verkleinerung der deutschen Sprachabteilung durch Stellenabbau, wird nicht angesprochen. Nun soll ein Marktmodell geprüft werden, das nichts anderes be- deutet, als ein Outsourcen öffentlicher Stellen auf den prekären und unregulierten Markt. Stattdessen müsste hier politisch entschieden werden, dass weitaus mehr Übersetzungen erforderlich sind, folglich die Stellenkür- zungen zurückgenommen, entsprechend neue Stellen ge- schaffen werden müssen und die Finanzierung dafür klar geregelt werden muss. Diese Konsequenz umgehen Sie. Ihre Forderung, das durch Umschichtungen im EU- Haushalt zu bewerkstelligen, dürfte die Durchsetzbarkeit nicht gerade erleichtern. Zweitens werden die Probleme im Rat der EU ange- sprochen, auf dessen Entscheidungen die deutsche Bun- desregierung ja erheblichen Einfluss hat. Hier hätte die Kritik nach meinem Geschmack deutlicher ausfallen müssen. Drittens werden die Probleme der in der Euro-Ban- kenkrise neugeschaffenen Systeme wie ESM und Fiskal- pakt aufgeworfen, die außerhalb der EU-Institutionen stehen. Für diese wurde jedoch keine Übersetzungsrege- lung vereinbart, was die ohnehin geschwächte parlamen- tarische Kontrolle weiter untergräbt. Der Antrag der Koalition hat also auf den ersten Blick ein durchaus unterstützenswertes Anliegen, nämlich die demokratischen Mitwirkungsrechte des Parlaments in EU-Fragen durch gute und zeitnahe Übersetzungen zu stärken, denn auf all diesen Ebenen bestehen tatsächlich gravierende Probleme. Nur sind die Regierungsfraktio- nen offenbar nicht bereit, diese Probleme ernsthaft und konsequent anzugehen. Es spricht jedoch für sich, dass Sie die Erfüllung der Bundestagsforderungen nicht mit der Zustimmung der Bundesregierung zum Mehrjähri- gen Finanzrahmen der EU verknüpfen wollten, wie die Linke es in einem Änderungsantrag im EU-Ausschuss vorgeschlagen hat. Aber ein Antrag nach § 9 EUZBBG wäre doch das mindeste Druckmittel gewesen, um hier zu einer befriedigenden Lösung zu kommen. Denn dann hätte die Bundesregierung begründen müssen, warum welche Belange der Stellungnahme nicht berücksichtigt wurden, und hätte sich gegebenenfalls auch einer Plenar- debatte stellen müssen. So bleibt der Antrag jedoch nur wirkungsloses Bekenntnis, das verschleiert, welches Desinteresse die deutsche wie auch andere Regierungen an einer notwendigen parlamentarischen Kontrolle ha- ben. Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Seit dem Vertrag von Lissabon spielen die nationalen Parlamente in der Europäischen Union eine deutlich stärkere Rolle als zuvor. Mit dem Lissabon-Urteil des Bundesverfassungsgerichts sind die Kontroll- und Mit- wirkungsrechte des Deutschen Bundestages in Angele- genheiten der Europäischen Union deutlich gestärkt worden. Es ist unser gemeinsames Anliegen, dass wir diesen Kontroll- und Mitwirkungsrechten auch gerecht werden können. Dazu gehört auch, dass uns die EU-Do- kumente, mit denen wir arbeiten, in einer übersetzten Version vorliegen, und das möglichst zeitnah. Ich glaube, dass es bei diesem Anliegen grundsätzlich keine unterschiedlichen Auffassungen in diesem Haus gibt. Wir haben ja bereits im Jahr 2007 dieses Anliegen in einem gemeinsamen Antrag unterstützt. Dass sich bis heute nichts geändert hat, dass die Kommission zahlrei- che Dokumente als Anhänge oder Arbeitspapiere klassi- fiziert und damit die Übersetzung in die 23 Amtsspra- chen umgeht, ärgert uns genauso wie sie. Dieser fraktionsübergreifende Konsens ist auch in der Aus- schusssitzung des Europaausschusses deutlich gewor- den. Es ist schade, dass wir heute nicht über einen gemein- samen Antrag aller Fraktionen abstimmen können. Die Bereitschaft zu einem gemeinsamen Papier haben wir von Beginn an signalisiert. Wir haben Ihnen auch Ände- rungsvorschläge gemacht, die jedoch nicht erwidert wur- den. Ich hatte den Eindruck, dass es vonseiten der Koali- tionsfraktionen keine wirkliche Bereitschaft oder nicht den Willen gab, einen gemeinsamen Antrag zu erarbei- ten. Das wird auch dadurch unterstrichen, dass uns die erste Version der Koalition erst drei Tage vor Einbrin- gung zugeleitet wurde. Warum können wir den vorliegenden Antrag nicht mittragen, obwohl wir das Grundanliegen unterstützen? In dem Antrag geht es um die Berücksichtigung der er- forderlichen Übersetzungsleistungen im künftigen mehr- jährigen Finanzrahmen. Kurz: Die für die erforderlichen Übersetzungsleistungen notwendigen finanziellen Mittel müssen ab 2014 im EU-Haushalt auch vorgesehen wer- den. Übersetzt werden kann nur, wenn es dafür auch eine adäquate Ausstattung gibt. Wir sprechen hier also über den mehrjährigen Finanz- rahmen, also den gemeinsamen Haushalt der 27 EU-Mit- gliedstaaten. Unter Punkt II.6 des Antrags versuchen sie jetzt aber, die Kosten der Übersetzungen für die inter- gouvernementalen Gebilde der jüngsten Vergangenheit – ich spreche von EFSF, ESM und Fiskalpakt – dem EU-Haushalt unterzujubeln. Um das zu erklären: Der EU-Haushalt ist der gemeinsame und gemeinschaftliche Haushalt der 27 EU-Mitgliedstaaten. Er wird unter ande- rem vom Europäischen Parlament demokratisch kontrol- liert. EFSF, ESM und Fiskalpakt sind intergouvernemen- tale Gebilde. Die deutsche Regierung hat alles dafür getan, die europäischen Institutionen und vor allem das europäische Parlament aus diesen Gebilden herauszuhal- ten. In Bezug auf die Informationsrechte des Bundesta- ges vertritt sie sogar die Auffassung, dass es sich bei ESM und Fiskalpakt nicht um eine Angelegenheit der Europäischen Union handelt. Jetzt sprechen Sie aber in einem Antrag zum Haushalt der Europäischen Union über Angelegenheiten, die aus ihrer Sicht nichts mit der Europäischen Union zu tun haben. 22180 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 (A) (C) (D)(B) Damit wir uns nicht falsch verstehen: Wir sind auch schwer dafür, dass wir in diesen Bereichen so schnell wie möglich alle relevanten Dokumente übersetzt be- kommen. Aber wenn sie es nicht europäisch, sondern ex- tra machen wollen, dann müssen sie die Kosten für die Übersetzungen extra regeln. Wir haben uns übrigens im- mer dafür eingesetzt, dass in diesen Gebilden, die teil- weise mit Grund intergouvernemental geregelt sind, so viel Europa steckt wie möglich. Wir vertreten auch die Auffassung, dass es sich bei der Euro-Rettung, also bei ESM und Fiskalpakt, um eine Angelegenheit der Euro- päischen Union handelt. Deswegen sind wir auch nach Karlsruhe gegangen. Das Bundesverfassungsgericht wird nächste Woche darüber entscheiden, ob es sich beim ESM um eine Angelegenheit der Europäischen Union handelt und uns die Bundesregierung entspre- chend unserer Informationsrechte gemäß EUZBBG fort- laufend und frühzeitig unterrichten muss. Sie sehen: Wir wollen Dokumente zum ESM und zum Fiskalpakt nicht nur übersetzt haben, wir wollen sie erst einmal über- haupt bekommen. Das ist der Grund, warum wir diesen Antrag heute nicht mittragen können. Wir haben Ihnen vorgeschlagen, die Passagen zu den intergouvernementalen Fragen zu streichen. Sie sind leider nicht drauf eingegangen. Abschließend möchte ich noch auf ein zweites Pro- blem hinweisen: Die Übersetzung von wirklich allen re- levanten Dokumenten in die 23 Amtssprachen der Euro- päischen Union wird Geld kosten, Geld, das gut angelegt ist, aber auch Geld, das im EU-Haushalt noch nicht aus- reichend vorhanden ist. Kurz: Die Europäische Union muss in der Finanzperiode 2014 bis 2020 mehr Geld für Übersetzungsleistungen in die Hand nehmen. Die Bundesregierung fordert aber schon seit Mona- ten, den künftigen Finanzrahmen auf maximal 1 Prozent des Bruttonationaleinkommens zu begrenzen. Das be- deutet ganz konkret, dass der Vorschlag der EU-Kom- mission um insgesamt 111 Milliarden Euro gekürzt wer- den müsste, um unter 1 Prozent zu kommen. Dieser Vorschlag sieht übrigens noch keine zusätzlichen Ausga- ben für zusätzliche Übersetzungsleistungen vor. Die Re- gierungskoalition fordert hier also Ausgabensteigerun- gen, obwohl in der Bundesregierung noch keiner einen blassen Schimmer hat, in welchen Bereichen man denn streichen könnte, um auf 1 Prozent zu kommen. Ich erkläre Ihnen mal, wie das laufen wird: Die ge- samte erste Säule der GAP soll unangetastet bleiben. Di- rektzahlungen sollen weiter und in gleicher Höhe flie- ßen. Das ist reiner Konsum; damit schaffen wir keine Innovationen, geschweige denn neue Arbeitsplätze. Dann müssen die 111 Milliarden Euro halt woanders herunter. Sie wissen selbst, was das bedeutet: Einsparun- gen bei den Strukturfonds, der vielversprechenden Con- necting-Europe-Strategie, vielleicht auch noch bei For- schung und Bildung. Anstatt die Chance zu nutzen und den EU-Haushalt zu einem echten Wachstumsprogramm in der Krise umzubauen, werden sie am Ende alle wachstums- und innovationsrelevanten Bereiche zusam- menkürzen müssen. Ich kann daher nur eindringlich an meine Kolleginnen und Kollegen appellieren: Setzen Sie dieser Irrfahrt der Regierung ein Ende. Anlage 14 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Für eine zukunftsfä- hige Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes und ein modernes Wasserstraßenmana- gement (Tagesordnungspunkt 21) Matthias Lietz (CDU/CSU): Der Antrag mit dem wir uns heute im Plenum auseinandersetzen, behandelt im Wesentlichen die Zukunft der Wasser- und Schifffahrts- verwaltung des Bundes. Grundsätzlich stimme ich der SPD dahin gehend zu, dass es sich hier um ein äußerst wichtiges und aktuelles Thema handelt, dem man beson- dere Aufmerksamkeit zollen sollte. Das hat die CDU/ CSU in der Vergangenheit getan, und das wird sie auch weiterhin tun! Wie schon in vorherigen Debatten zu diesem Sach- verhalt ausgeführt wurde, soll unter der Maßgabe des Beschlusses des Haushaltsauschusses vom 25. Mai 2011 eine Analyse der Aufgaben der Wasser- und Schiff- fahrtsverwaltung sowie des Netzes erfolgen. Das hiermit beauftragte Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung soll dazu die vorhandenen Strukturen der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung untersuchen, um dann auf der Basis der Ergebnisse eine leistungsfähigere und vor allem für den Steuerzahler kostengünstigere Wasser- und Schifffahrtsverwaltung ausgestalten zu kön- nen. Und während Sie, meine lieben Kollegen der SPD- Bundestagsfraktion, mal wieder polemische Anträge stellen, und das im Übrigen auch noch zu Sachverhalten, die SPD-Regierungen uns eingebrockt- bzw. lange Jahre nicht behoben haben, haben wir uns doch schon längst auf den Weg gemacht, die Wasser- und Schifffahrtsver- waltungen tatsächlich zukunftsfähig zu gestalten. Man muss schon sehr mutig sein, hier etwas als Herzensange- legenheit darzustellen, das man selbst jahrelang – als die Möglichkeit dazu bestand – nicht angerührt hat, wobei dies ist nicht ganz korrekt: 1999 rief die SPD-Regierung eine Projektgruppe „Entwicklungskonzepte für eine zu- kunftsorientierte WSV – Konzentration der WSV auf Kernaufgaben“ ins Leben. Vor dem Hintergrund von künftigen Personaleinsparungen und knapper werdenden Haushaltsmitteln wurde eine Möglichkeit zur weiteren Ausgestaltung der WSV untersucht. Soweit so gut. Aber nachdem die Endergebnisse 2001 vorlagen, passierte nichts mehr. Diesbezüglich sollte man sich das eine oder andere Ergebnis nochmal näher anschauen. So stellt die Projektgruppe beispielsweise fest, dass für Aufgaben, die der Gewährleistungsverantwortung zugeordnet werden, auch Dritte herangezogen werden könnten. Dies würde ein theoretisches Einsparpotenzial von 6 200 Dienstpos- ten bei damals rund 15 000 Mitarbeitern bedeuten, und das ist nur eine interessante Schlussfolgerung der dama- ligen Projektgruppe. Anstatt diese Schlussfolgerungen Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 22181 (A) (C) (D)(B) für Reformen zu nutzen, entschied sich die SPD damals allerdings lieber für die einfachere Variante: Nichtstun! Alles blieb bestehen, und die vorhandenen Strukturen wurden teilweise sogar noch weiter gefestigt. Zeit für Reformen zumindest hätte die SPD zur Genüge gehabt, immerhin führte sie das BMVBS bis in das Jahr 2009 selbst an! Wahrscheinlich erkannten die Sozialdemokra- ten aber einfach, dass diese Aufgabe ihnen eine Nummer zu groß war. Oder warum hagelte es erst nach dem Wechsel der Hausführung 2009 plötzlich oppositionelle Anträge von Ihnen zur Zukunft der WSV? Wir reden hier über eine wichtige Reform, die sehr viele Menschen betreffen wird und die vor allem die flei- ßigen Mitarbeiter der Wasser- und Schifffahrtsverwal- tungen vor neue Herausforderungen stellen wird. Das sage ich gegenüber den Behauptungen, mit dieser Re- form blindlings sozialen Kahlschlag zu betreiben. Im Gegenteil! Ich weiß als Abgeordneter mit einem Küsten-, Flüssen- und Seenwahlkreis sehr gut, wie wich- tig diese Menschen für den Betrieb und Erhalt eben die- ser Gewässer sind. Dennoch müssen wir die alten beste- henden Strukturen diskutieren und hinterfragen. Würden wir das nicht tun und uns vor Veränderungen so vehe- ment sträuben wie die SPD, wo würden wir dann heute leben? Man muss neuen Gedanken auch konstruktiven Raum lassen und Strukturen dem Wandel der Zeit anpas- sen dürfen! Wir von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion wollen jedenfalls Platz für eine sichere und leistungsfähigere Wasser- und Schifffahrtsverwaltung schaffen, und daher begrüße ich die dazu durchgeführten und beauftragten Untersuchungen, denn sie waren längst überfällig! Aber um nochmal auf den Antrag zu kommen: Ich weiß gar nicht, wo ich zuerst anfangen soll, um die von Ihnen behaupteten Dinge richtigzustellen. Da schreiben Sie beispielsweise eingangs, dass es unser Ziel sei, „radi- kal umzustrukturieren“. Wie ich vorab bereits erklärte, erfolgte die Reform im Auftrag des Haushaltsauschus- ses. Mir ist nicht bekannt, dass eben dieser das BMVBS damit beauftragte, „radikal umzustrukturieren“ oder gar, wie im zweiten Absatz des Antrags nachzulesen ist, „Personal und Investition drastisch zu reduzieren“. Sie können dies auch gern in den Beschlussempfehlungen des Ausschusses nachlesen, dort werden Sie dann sehen, dass es um die Veranlassung einer ergebnisoffenen Orga- nisationsuntersuchung ging. Widersprüchlich daran ist aber vor allem, dass Sie im Satz zuvor noch beklagen, nicht zu wissen, wie die Reform nun schließlich ausse- hen wird. Zusätzlich stellen Sie noch richtig fest, dass uns diesbezüglich noch keine abschließenden Ergebnisse vorliegen. Mit Verlaub, liebe SPD-Bundestagsfraktion, aber Sie verursachen mit diesem widersprüchlichen Antrag doch Ihre eigene Unglaubwürdigkeit. Während meine Kolle- gen und Kolleginnen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion auf den bald erscheinenden endgültigen 5. Bericht zur WSV-Reform warten, jammern Sie schon einmal vor- weg und plustern sich über noch ungelegte Eier auf. Was heute schon klar ist, ist, dass wir die Fachkompe- tenz der WSV erhalten werden und die geringeren Ver- waltungskosten den Wasserstraßen durch Investitionen in diesem Bereich zugutekommen lassen wollen. Uns ist die wirtschaftliche Bedeutung der Wasserstraßen, der Häfen und der Hinterlandanbindungen sowie der mariti- men Infrastruktur wichtig und genau aus diesem Grund müssen wir auch bereit sein, neue Wege zu gehen. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der SPD-Fraktion, noch bevor der abschließende Bericht aus dem Verkehrsministerium überhaupt vorliegt, und somit derzeit also noch gar nicht klar ist, welche konkreten Schritte die Regierung genau ergreifen wird, kritisieren Sie uns ohne Punkt und Komma wegen der Reformie- rung der WSV-Strukturen; dabei ist diese bereits vom Bundesrechnungshof angemahnte Organisationsreform notwendig, und das wissen Sie auch! Wie diese letztlich konkret aussehen wird, werden wir sicher bald wissen und dann dementsprechend diskutie- ren können. Solange und vor allem mit Blick auf meine Ausführungen zu Ihren Versäumnissen kann ich nur da- für werben, den vorliegenden Antrag abzulehnen. Hans-Werner Kammer (CDU/CSU): Die Wasser- straßen in unserem Land sind ein leistungsfähiges und umweltfreundliches Verkehrsnetz, auf das wir weder verzichten können noch verzichten wollen. Es ist ein Herzensanliegen dieser Koalition, im Rahmen des Mög- lichen und des Machbaren die Folgen von elf Jahren so- zialdemokratischer Misswirtschaft auf diesem Gebiet so schnell wie möglich zu korrigieren. Ich höre keinen Beifall von meinen sozialdemokrati- schen Kollegen. Warum eigentlich nicht? Wenn Sie ernst meinten, was Sie in Ihrem Antrag geschrieben haben, müssten Sie hier eigentlich in CDU-Trikots und CSU- Schals mit FDP-Mützen sitzen und donnernd applaudie- ren. Schließlich sind leistungsfähige Wasserstraßen und eine zukunftsfähige Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes nur durch diese bürgerliche Koalition ge- währleistet. Das sieht man daran, dass wir 2011 mehr als 1,8 Milliarden Euro für die Wasserstraßen ausgegeben haben. Der SPD waren die hier so hochgelobten Wasser- straßen 2005 nur rund ein Drittel davon wert. Wenn die jetzt so tun, als wollten wir die Wasserstraßen kaputtspa- ren, ist dies eine dreiste Heuchelei. Worum geht es wirklich? Wir müssen das Geld der Steuerzahler so wirtschaftlich wie irgend möglich zur Unterhaltung unserer Wasserstraßen einsetzen. Dazu ge- hört auch eine möglichst sinnvolle Organisation der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes. Matthias Wissmann hatte diesen Missstand schon in den 90er-Jah- ren erkannt und leitete die Umsetzung entsprechender Reformen 1997 ein – das war vor 15 Jahren! Wenn so- zialdemokratische Verkehrsminister seine Vorschläge konsequent umgesetzt hätten, würden wir heute nicht diesen Antrag diskutieren, sondern die Früchte seiner Arbeit bewundern. Diese Koalition zögert nicht, sie han- delt: Wir brauchen keine Reform der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes, die nur wegen einer Ideologie gemacht wird. Wir brauchen eine maßge- 22182 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 (A) (C) (D)(B) schneiderte Reform, die wegen besserer Ergebnisse ge- macht wird. Dieses Ziel kann man nur dadurch erreichen, dass man im ständigen Dialog mit denen steht, die etwas von der Sache verstehen und ihren Job engagiert machen: den Mitarbeitern der Wasser- und Schifffahrtsverwal- tung des Bundes. Ich kenne die Situation vor Ort und stehe schon seit langem im ständigen Kontakt mit dem Gesamtpersonalrat. Wir können und wollen nicht auf die Kompetenz dieser Menschen verzichten. Das können wir uns gar nicht leisten. Wir können es uns aber auch nicht leisten, alles beim Alten zu lassen. Wir werden sehr genau hinschauen, welche Aufgaben mit eigenen Mitteln aus eigener Kom- petenz vor Ort erledigt werden können. Wir werden aber auch gucken, was besser zentral bearbeitet wird, damit unnütze Doppelstrukturen endlich verschwinden. Die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes ist kein Verwaltungsdenkmal mit unbegrenztem Bestandsschutz, sondern ein flexibler Organismus, der sich neuen He- rausforderungen stellt und entsprechend anpasst. Anpassungen kann man nicht mit der Brechstange vornehmen. Sie müssen mit der Feile des Uhrmachers fein und vorsichtig herausgearbeitet werden. Sonst ent- stehen Missverständnisse. Ich möchte dies am Beispiel der Vergaben verdeutlichen: Wenn man den Antrag liest, gewinnt man den Eindruck, dass diese Regierung alle Aufgaben, die nicht niet- und nagelfest sind, auf Teufel komm raus privatisieren will. Das ist ein typisches Bei- spiel dafür, wie die SPD mit Unwahrheiten Menschen verunsichert. Selbstverständlich werden wir niemals Aufgaben hoheitlicher Natur oder solche, die die Kern- kompetenz der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes betreffen, an Dritte vergeben. Das wäre nicht nur verfassungswidrig, sondern auch noch ziemlich dumm. Wir können und wollen nur andere Aufgaben vergeben, die Dritte preiswerter als die Wasser- und Schifffahrts- verwaltung des Bundes erledigen können. Dabei werden wir sehr darauf achten, dass wir ein ausreichendes Know-how beim Bund belassen. Wir dürfen uns nicht in eine Abhängigkeit von einem Oligopol einiger Markt- teilnehmer begeben. Das käme die Bundesrepublik Deutschland am Ende des Tages noch teurer. Ich möchte aber auch klarstellen, dass die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes dort sein muss, wo sie gebraucht wird. Dies wird auch zu Versetzungen führen – allerdings nur in Einzelfällen. Das sind wir den Steuerzahlern schuldig. Niemand würde in der Wüste Gobi eine Wasser- und Schifffahrtsverwaltung unterhal- ten – außer Gewerkschaftern und Sozialdemokraten. Sie sehen an diesen wenigen Beispielen, wie wichtig hier Augenmaß und Souveränität sind. Für diese Reform gilt nämlich: Maßanfertigung statt Konzeption von der Stange. Uwe Beckmeyer (SPD): Die Regierungskoalition will der WSV das Wasser abgraben. Nach mehreren gescheiterten Anläufen sieht das in dieser Woche erstmals von Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer in größerem Kreis vorgestellte Konzept einen Komplettumbau der Wasser- und Schifffahrtsver- waltung vor, mit massiven Auswirkungen auf die Ämter und die Direktionen vor Ort. Zwar sollen, so heißt es, alle Standorte „zunächst er- halten“ bleiben – über den Umfang der Dienststellen und also die künftige Zahl der Beschäftigten ist damit aber noch nichts gesagt. Hier ist mit dem Schlimmsten zu rechnen. Denn die Vorgabe des Ministers ist eindeutig: Weite Teile der WSV sollen zusammengelegt werden. In den Ohren der Beschäftigten dürfte die offizielle Sprachregelung denn auch wie Hohn klingen, wird doch mit der Umstrukturierung ab 2013 ein drastischer Ar- beitsplatzabbau einhergehen. Kein Wunder, dass die Per- sonalvertretungen in die Pläne vorab nicht eingeweiht und auch die Präsidenten der Direktionen überrumpelt wurden. Denn auch ihnen dürften die Pläne kaum schmecken: Während auf der einen Seite Personal gestri- chen wird, baut Ramsauer auf der anderen Seite neue Bürokratie auf. Die Direktionen – ob nun in Aurich, Mainz oder Mag- deburg – sollen zu bloßen Außenstellen einer neuen Zen- tralstelle degradiert werden, und die Ämter verlieren ihre regionale Zuständigkeit. Grundlage für die neue Verwal- tungsstruktur ist die überarbeitete Kategorisierung der Bundeswasserstraßen nach ihrer Transportfunktion – mit der Bundesminister Peter Ramsauer im Haushaltsaus- schuss des Deutschen Bundestages in den vergangenen zwölf Monaten mehrfach grandios gescheitert ist. Durch die Hintertür will der Bundesminister die Neu- ordnung des Wasserstraßennetzes nun doch noch umset- zen, indem er mit dem Umbau der Verwaltung Fakten schafft – nur um am Ende die Netzstruktur entsprechend anpassen zu können. Auf diese Weise versucht der Bun- desminister – angetrieben von der FDP, die seit Monaten eine Privatisierungskampagne gegen die WSV führt –, Bundestag und Bundesrat gezielt zu umgehen. Die Debatte um die künftige Struktur und Ausrich- tung der größten Verwaltung des Bundes wirft ein Licht auf das Demokratieverständnis dieser Regierungskoali- tion. Die Mitglieder des Deutschen Bundestages wurden in den vergangenen Monaten mit immer neuen inhaltslee- ren Berichten, Zeitplänen, Untersuchungen und Ankün- digungen abgespeist. Vorbei an Bundestag und Bundes- rat wurden dabei hinter den Kulissen bereits die Weichen für den Kahlschlag gestellt. Wir als SPD fordern von der Bundesregierung, ihre Pläne endlich dem Parlament vorzulegen – als Basis für alle weitergehenden Entscheidungen über die Zukunft der WSV und den Verkehrsträger Wasserstraße und ein transparentes, parlamentarisches Verfahren, das alle Be- troffenen und Beteiligten einbezieht. Ziel muss es sein, die besonderen Stärken der Wasserwege optimal zu nutzen und die vorhandenen Kapazitätsreserven zu er- schließen. Die jetzigen Pläne der Bundesregierung gefährden nicht nur massiv Arbeitsplätze, sie sind auch eine Kata- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 22183 (A) (C) (D)(B) strophe für die Schifffahrt und die von leistungsfähigen Transportwegen abhängige regionale Wirtschaft. Der Vorgang zeigt aber auch einmal mehr das derzei- tige Kräfteverhältnis und die Gemengelage in der Regie- rungskoalition. Denn die jetzigen Umbaupläne werden entschieden von dem kleinen Koalitionspartner vorange- trieben. Die FDP hält unbeirrt am Totalumbau der WSV fest, ungeachtet aller verkehrspolitischen und wirtschaft- lichen Notwendigkeiten. Nach Auffassung der FDP könnten rund 80 Prozent der jetzigen Aufgaben der Behörde privatisiert werden. Hierzu gehören unter anderem sämtliche Ingenieursleis- tungen, der Stahl- und Wasserbau, aber auch die Unter- haltung von Wasserfahrzeugen. Die Liberalen folgen damit auch im Bereich der Ver- kehrspolitik – wie zuvor schon in anderen Feldern – er- neut einer Privatisierungsphilosophie, die sich letztlich jedoch als nichts anderes als bloße Klientelpolitik ent- puppt. Erst im Mai drohte die FDP dem Bundesverkehrs- minister unverhohlen mit einem eigenen Gesetzentwurf, sollte das Ressort nicht bald konkrete Ergebnisse liefern – und hat jetzt gar einen Universitätsprofessor zu prüfen beauftragt, wie der Bundestag mit einem eigenen Re- formgesetz den Umbau der Verwaltung erzwingen könnte. Das Gutachten liegt inzwischen vor – und dürfte von den Liberalen als Bestätigung ihrer Linie empfun- den werden, die Verwaltungsreform notfalls selbst auf den Weg bringen zu können. Bundesverkehrsminister Ramsauer folgt in voraus- eilendem Gehorsam der Privatisierungsstrategie der Li- beralen – ungeachtet massiver Kritik aus den eigenen Abgeordnetenreihen und ohne zu prüfen, welche Aufga- ben auf die WSV in der Zukunft zukommen und mit welcher Struktur und welchem Personal diese gelöst werden können. Die jetzigen Pläne der Regierungskoalition würden die Entwicklung des Wasserstraßennetzes in Deutsch- land behindern, die Verkehrssicherheit in Deutschland gefährden und die Nutzung der Wasserwege teurer ma- chen – zum Schaden unserer Umwelt, zulasten der Wett- bewerbsfähigkeit des Verkehrsträgers Wasserstraße und auf Kosten Tausender von Arbeitsplätzen. Gustav Herzog (SPD): Seit dem „Herbst der Ent- scheidungen“ im Oktober 2010 hält die Bundesregierung mit der Reform der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes die Politik, über 12 000 Beschäftigte und ei- nen ganzen Wirtschaftszweig auf Trab. Vier Berichte wurden vorgelegt, die zunehmend weniger Substanz und Inhalt aufwiesen. Wir wurden vertröstet mit Studien und Untersuchungen, die stets ergebnisoffen sein sollten – auch wenn Parlamentarische Staatssekretäre ihren CDU- Freunden etwas anderes schreiben – und die uns noch immer nicht vorliegen. Was uns aber nun erreicht, ist die Gewissheit darüber, was wir seit Monaten befürchten. Hinter den Kulissen werden seit langem Fakten geschaf- fen; Berichte und Untersuchungen sollten nur Zeit schin- den. Der Umbau ist längst beschlossene Sache, und eine anständige Beteiligung des Parlaments war niemals vor- gesehen. 2013 soll es losgehen. Nicht nur, dass seit 20 Monaten Verunsicherung in die Verwaltung getragen wird und ein wichtiger Teil unserer Logistikbranche noch immer nicht weiß, was kommt. Was nun häppchenweise aus den Geheimgesprächen durchsickert, ist ein Anschlag auf die Schlagkraft der WSV. Zentralisierung der Strukturen bedeutet Rückzug aus der Fläche. Sieben Direktionen werden in einer zen- tralen Stelle gebündelt; die Direktionen werden in Au- ßenstellen umbenannt, verlieren ihre regionalen Kompe- tenzen, um dann über die Jahre hinweg ausgehungert und anschließend aufgelöst zu werden. Damit ver- schwinden kompetente Stellen vor Ort. Länder, Kommu- nen und Wirtschaft sind aber angewiesen auf schnelle und mit örtlichen Kompetenzen ausgestattete Ansprech- partner. Stattdessen soll – wie man hört – zentralistisch in Bonn darüber entschieden werden, was im Norden oder im Süden der Republik gebraucht wird. Neubaupro- jekte werden nicht vor Ort geplant, sondern weit weg. Ich bin sehr gespannt auf die Reisekostenabrechnungen der Zukunft. Und was soll noch kommen? Ämter sollen komplett umstrukturiert und zusammengelegt werden, Personal soll massiv abgebaut werden. Das wird innerhalb der Verwaltung zu erdrutschartigen Verlusten an Know-how führen und das System Schifffahrt nachhaltig beschädi- gen. Als SPD-Bundestagsfraktion haben wir mit dem An- trag „Für eine zukunftsfähige Wasser- und Schifffahrts- verwaltung des Bundes und ein modernes Wasserstra- ßenmanagement“ klar Position bezogen. Wir fordern die Koalition auf, mit uns den offenen Dialog zu suchen, die WSV im Einklang mit den Beschäftigten und anhand von ökonomischen und strukturellen Leitbildern zu re- formieren. Dazu brauchen wir die Vorlage der Untersu- chungsergebnisse der KoM-WSV. Wir brauchen einen Netzzustandsbericht, Dringlichkeitsszenarien für unsere Investitionsentscheidungen, seriöse Personalbedarfser- mittlungen und eine umfassende Aufgabenkritik, um un- sere Verwaltung noch besser an den Bedürfnissen unse- rer Wasserstraßen und vor allem an den Interessen der Nutzer, insbesondere der Binnenschifffahrt, auszurich- ten. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der Koalition, wenn das, was heute ans Tageslicht durchgesickert ist, Realität wird, werden wir nicht nur unsere Verwaltung schwächen und die Beschäftigten beschädigen; es wird durch die Privatisierung über das gesunde Maß hinaus unter dem Strich noch deutlich teurer. Das können Sie auch im ersten Bericht des Verkehrsministeriums auf Seite 15 nachlesen: „Vergleichsberechnungen auf der Basis von Effektivkosten in Einzelfällen haben aber ge- zeigt, dass Vergaben gegenüber der Eigenerledigung bestenfalls kostenneutral, zum Teil sogar deutlich teurer sind“. Das kann es doch nicht sein. Lenken Sie ein, und lassen Sie uns gemeinsam an einem Strang ziehen, für den Erhalt einer guten und leistungsfähigen Verwaltung und für den nachhaltigen Verkehrsträger Schifffahrt. 22184 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 (A) (C) (D)(B) Torsten Staffeldt (FDP): Erneut beglücken uns die Sozialdemokraten mit einem Antrag zur Reform der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung. Und ich muss mich schon über Sie wundern: Durch permanente Wiederho- lung werden Ihre Feststellungen und Forderungen nicht besser. Ganz im Gegenteil: Es zeigt, dass Sie sich offen- kundig mit der Materie, über die Sie hier reden, nie ernsthaft auseinandergesetzt haben. Unwissenheit ist zwar nicht verboten, aber was mich inzwischen ärgerlich macht, ist, dass Sie weiterhin mit falschen Behauptungen durchs Land ziehen und dadurch sowohl die geneigte Öffentlichkeit desinformieren als auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung Angst machen und sie nach- haltig verunsichern. Das hätte ich ausgerechnet von So- zialdemokraten nicht erwartet. Der Kollege Herzog hat im Dezember 2010 an dieser Stelle gesagt, die Mitarbei- terinnen und Mitarbeiter der Wasser- und Schifffahrts- verwaltung hätten keine schöne Weihnacht. Ich sage Ih- nen: Die Verantwortung dafür trägt die SPD ganz alleine. Sie unterstellen, dass der Umfang von Personal und Investitionen drastisch gesenkt werden solle und dass Stellenstreichungen und Privatisierung aus Prinzip statt- fänden. Verehrte Kolleginnen und Kollegen der SPD, das ist von niemandem, zu keiner Zeit, nirgendwo gefor- dert worden. Aber vielleicht wünschen Sie sich das ja, damit sich Ihre eigene Prophezeiung erfüllt. Das Gegenteil ist doch der Fall: Es muss ergebnisof- fen die Frage beantwortet werden, welche Kernaufgaben hoheitlich sind, mit eigenem Personal ausgeführt werden müssen, bzw. wo Erfüllungsgehilfen beauftragt werden können. Wir haben lediglich die Forderung erhoben, dass nach dem Vorbild der Ausschreibungen der Notfall- schlepper bei planbaren Aufgaben abzufragen ist, ob ein Markt vorhanden ist und ob eine Wirtschaftlichkeitsbe- rechnung zum Ergebnis kommt, dass die Dienstleistung privat billiger durchzuführen ist – ein Vorhaben, das so- zialdemokratische Verkehrsminister sich selber auch schon vor zehn Jahren auf die Fahnen geschrieben ha- ben. Warum soll das, was damals richtig war, jetzt falsch sein? Das müssen Sie mir erst einmal erklären. Als uns die Kategorisierung vorgestellt wurde, war auch ich überrascht; das muss ich ganz ehrlich bekun- den. Diese hatten wir nie eingefordert. Dennoch ist es si- cherlich sinnvoll, anhand einer solchen Priorisierung die knappen Haushaltsmittel zielgerichtet einzusetzen, wo sie am meisten Sinn stiften. Es ist allerdings eine Frech- heit von Ihnen, zu behaupten, dass die Überarbeitung der Kategorisierung aufgrund des massiven politischen Drucks der SPD-Fraktion geschehen sei. Da erzählen Sie eindeutig die Unwahrheit. Diese Koalition war es, die im Verkehrsausschuss einen entsprechenden Entschlie- ßungsantrag eingebracht und beschlossen hat. Sie haben dagegen gestimmt. Im Übrigen frage ich Sie, was eigentlich aus Ihrem letzten Antrag zur WSV aus dem Dezember 2010 ge- worden ist. Haben Sie überhaupt noch vor, diesen zur zweiten und dritten Lesung ins Plenum einzubringen? Sie beweisen doch wieder nur, nichts zu Ende bringen zu können. Und dann wollen Sie uns erklären, wie man eine Verwaltungsreform durchführen muss? Ich glaube es nicht. In dieses gesamte Sammelsurium von Gerüchten, Be- hauptungen und Unwahrheiten platzt heute noch die Pressemitteilung des Kollegen Beckmeyer. Herr Kollege Beckmeyer, hören Sie endlich auf, die Öffentlichkeit so unverschämt an der Nase herumzuführen. Es wird keine Kündigungen bei der WSV geben, und es wird auch in Zukunft zu einem reibungslosen Ablauf der Verkehre kommen. Sie kennen den Reformbericht nicht, haben aber schon eine Meinung dazu. Ich bin mir sicher, der Bericht wird Ihre Äußerungen widerlegen. Herbert Behrens (DIE LINKE): Beteiligung ist für diese Bundesregierung ein Fremdwort. Das zeigt sie ak- tuell bei der Reform der Wasser- und Schifffahrtsverwal- tung. Weder Beschäftigte noch Personalrat noch die Mit- glieder des Bundestages werden ausreichend informiert – bis heute nicht. Der Minister lässt Berichte und Gut- achten anfertigen, aber nichts davon konnte ordentlich beraten werden. Jetzt kennen wir auch den Grund. Der Bundesminister will gar keine Mitberatung. Er will gar keine Vorschläge für eine zukunftsfähige WSV. Das, Herr Minister, ist eine Missachtung des Parlaments. Das akzeptieren wir nicht und fordern Sie auf: Stoppen Sie die Umbaupläne sofort, reden Sie endlich mit allen, die sich für eine gute Zukunft der WSV einsetzen. Gestern informierte der Hauptpersonalrat der WSV, dass ihre Behörde an der Basis geschwächt und in der Zentrale gestärkt werden soll. Ein Zentralamt in Bonn, das so nicht heißen darf, nimmt den dezentralen Behör- den die Aufgaben weg, und die Beschäftigten in den Ämtern werden darüber informiert, dass ihre bestehen- den Organisationseinheiten reduziert und neu organisiert werden. Nicht mehr die konkrete Situation vor Ort soll die Arbeit der Wasser- und Schifffahrtsämter bestimmen. Sie sollen künftig Fachaufgaben für mehrere Standorte übernehmen. Das widerspricht allen Aussagen der Fach- leute, mit denen ich gesprochen habe. Sie können nach- weisen, wie wichtig die Kenntnisse von Flüssen, von Kanälen, Schleusen und anderen Bauwerken vor Ort sind, um schnell und fachkundig arbeiten zu können. Be- währtes darf nicht zerschlagen werden, bevor nicht ein neues funktionierendes Konzept vorliegt. Eine neue Struktur der Behörde muss nicht falsch sein. Aber es ist zu befürchten, dass ohne Beteiligung der Beschäftigten und ohne parlamentarische Mitarbeit nur das dabei rauskommen wird, was von vornherein ge- wollt war: eine Behörde, die Arbeiten an Wasserstraßen weitgehend an private Anbieter vergibt und nur noch de- ren Kontrolle übernehmen soll. Eine Privatisierung öf- fentlicher Aufgaben nach dem Prinzip „Privat vor Staat“ lehnt die Linke ab. Aus guten Gründen. Wir wollen keine WSV, die den dezentralen Wasser- und Schifffahrts- direktionen die Steuerung wegnimmt und von Bonn aus erledigt. Wir wollen eine WSV, bei der die Wasser- und Schifffahrtsämter und die Außenbezirke nah dranbleiben können an ihrer Arbeit. Niemand kennt die Gewässer vor Ort besser als die Menschen, die damit tagtäglich zu Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 22185 (A) (C) (D)(B) tun haben. Und wir brauchen diesen Sachverstand vor Ort dringend, wenn sich die WSV künftig noch stärker um die Flussökologie und die Umsetzung europäischer Vorgaben kümmern soll. Statt einer Orientierung an den Aufgaben geht es jetzt darum, den ganzen Betrieb erst mal zu zerlegen und ihn anschließend neu zusammenzu- setzen, berichtet der Hauptpersonalrat. Das Wie bleibt unklar. Sicher ist, dass dazu ein „Aufbaustab“ nötig sein wird. Das wird die Wasserbauer, die Ingenieure und die anderen Fachleute sicher freuen. Aber ihnen wird nicht nur ein Aufbaustab versprochen. Es wird eine Umset- zung der Beschäftigten geben – sozialverträglich organi- siert, wie es heißt, und betriebsbedingte Kündigungen solle es auch nicht geben. Das ist gut zu wissen. Aber wo sie künftig welche Aufgaben erledigen sollen, das wis- sen die Beschäftigten nicht. Wer eine Reform so angeht wie Minister Ramsauer, der hat ihr Scheitern bereits ein- geplant. Und noch eine Leerstelle in der Reform: Nach dem, was wir jetzt wissen, soll es eine „überarbeitete Katego- risierung der Bundeswasserstraßen nach ihrer Transport- funktion“ geben. Das ist für Unternehmen, die auf den Flüssen und Kanälen fahren, keine beruhigende Ansage. Im Gegenteil: Bereits vor einem Jahr kritisierte der Bun- desverband der Selbstständigen, Abteilung Binnen- schifffahrt den Zustand an den Binnenwasserstraßen. Die Probleme seien marode Schleusen, an denen ständig reparaturbedingte Sperrungen auftreten; Schleusen, an denen von zwei Kammern zeitweise oder sogar dauer- haft nur eine in Betrieb ist, weil entweder ein Schaden vorliegt oder nicht genügend Schleusenpersonal vorhan- den ist; unzureichend ausgestattete oder schlecht erreich- bare Liegestellen, die für die Menschen an Bord unzu- mutbar und unsozial sind, usw. usf. Das Problem sei nicht eine falsche Gewichtung der finanziellen Mittel an vermeintlich schwach frequentierten Wasserstraßen, sondern gravierende Defizite im Bestanderhalt des ge- samten Netzes. Die vom Minister vorangetriebene vermeintliche Re- form der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung ist unver- antwortlich. Es droht die Verschlechterung der Leistung, die Zerschlagung bewährter Strukturen und die Verunsi- cherung von Beschäftigten und Kunden der WSV. Schluss damit, jetzt, sofort! Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Warum beschäftigt die Reform der Wasser- und Schiff- fahrtsverwaltung den Deutschen Bundestag nun bereits schon so lange und immer wieder? Die schiffbaren Flüsse in Deutschland werden von der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes, WSV, seit dem vor- letzten Jahrhundert in ein und derselben Struktur verwal- tet: durch sieben selbstständige Direktionen, die parallel arbeiten und dazu noch alle sieben mit eigenen Füh- rungsebenen ausgestattet sind; und das in einer Zeit, in der von Verwaltungmodernisierung gesprochen wird. Das ist nicht mehr zeitgemäß! Die Bundesregierung hat in ihren schwarz-gelben Ko- alitionsvertrag geschrieben: „Wir werden (…) ein Ge- setz zur Wasser- und Schifffahrtsreform vorlegen“. Wann und mit welchem Inhalt dies genau sein wird, das steht noch in den Sternen. Vor allem kommt es darauf an, ob mit dem Gesetz auch eine Reform der Verwaltung umgesetzt wird. Das lief bisher mehr als schleppend. Mit Beschluss des Haushaltsausschusses berichtet nun das Bundesverkehrsministerium regelmäßig über den aktuel- len Sachstand. Vier Berichte haben wir Abgeordnete be- reits erhalten – davon half nur der erste etwas weiter. Jetzt soll der fünfte folgen, er wird der wohl brisanteste werden. Mit ihm – so die Ankündigungen der Koalition – würde eine strukturelle Veränderung der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung erfolgen. Man muss dazu sagen: Der Bundesrechnungshof hat bereits durch mehrmaligen Hinweis auf die Probleme bei der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung sehr deutlich aufmerksam gemacht. Mit dem harten Beschluss des Haushaltsausschusses des Bundestages einschließlich ei- ner Beförderungssperre ist endlich auch im Bundesver- kehrsministerium etwas in Bewegung gekommen. Die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung vereinigt in ihrer schon seit der Kaiserzeit bestehenden Struktur Oberbehörde, Mittelbehörde und Ausführungsebene in einer einzigen Verwaltung. Die Ämter mit ihren Außen- bezirken, die die eigentlichen Arbeiten zum Erhalt des Systems Wasserstraße leisten, entsprechen praktisch den kommunalen Bauhöfen der Verwaltung. Dort ist die Kompetenz für die Instandhaltung der Wasserstraßen ge- ballt vorhanden, aufgrund des mehrstufigen Verwal- tungsaufbaus aber nicht die Verfügungsmöglichkeit über die Ressourcen. Hier ist dringend Handlungsbedarf er- forderlich, um dieses Manko zu beseitigen. Die Kommu- nen haben uns vorgemacht, wie so etwas gehen kann: mit einer werteorientierten Haushaltsführung und einem modernen Steuerungsmodell auf der Basis von Zielver- einbarungen. Es lohnt sich, einen derartigen Weg auch in dieser Bundesverwaltung endlich einzuschlagen. Die Steuerungsaufgaben müssen dann aber auch end- lich zusammengefasst werden. Es kann doch nicht ange- hen, dass Standardisierung bislang ein ziemliches Fremdwort in der WSV ist. So gibt es immer wieder un- terschiedliche Lösungen für gleiche Aufgaben, nur weil jeweils eine andere Direktion zuständig ist. Es ist mir ab- solut unverständlich, dass im Süden und im Norden der Republik jeweils eigene Konzepte für die Fernsteuerung der Schleusen entwickelt worden sind. Sind die Direk- tionsgrenzen etwa so undurchlässig wie damals der Ei- serne Vorhang? Da muss jetzt dringend eine Lösung her, und das geht nur über ein Zentralamt, das die Prozesse im gesamten Bundesgebiet einheitlich steuert. Die Einteilung des Netzes in verschiedene Ausbau- und Erhaltungskategorien entsprechend der Nutzung der Wasserstraßen hatten wir Grüne der Bundesregierung ja schon 2010 vorgeschlagen. Nur so bekommen wir Ehr- lichkeit in die Planungen für Wasserstraßen hinein. Wir begrüßen es ausdrücklich, dass die Bundesregierung so ein Priorisierungskonzept weiter verfolgt, trotz teils hef- tiger Kritik von Interessenverbänden. Ich möchte jedoch 22186 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 (A) (C) (D)(B) noch nicht zu schnell urteilen: Gemessen werden sollte die Bundesregierung an Ihren Taten und nicht an Ihren Ankündigungen! Von dem nun vorliegenden Antrag der SPD bin ich ehrlich enttäuscht. Hier fehlt das Bewusstsein, was ei- gentlich mit einer Verwaltungsreform erreicht werden kann – vor allem in einer Behörde wie der Schifffahrts- verwaltung. Seit den Umwandlungen von Bundespost und Bundesbahn hin zu betriebswirtschaftlich orientier- ten und leistungsfähigen Betrieben gibt es kaum einen anderen Bereich der öffentlichen Verwaltung mehr, der vor ähnlichen Veränderungen steht: Rund 12 500 Mitar- beiterinnen und Mitarbeiter sind in den Verwaltungsstel- len der WSV beschäftigt. Sie kümmern sich um den Er- halt des Systems Wasserstraße und erledigen einen sehr guten Job. Davon habe ich mich bei meinen Besuchen vor Ort in den Ämtern und Außenbezirken immer wieder überzeugen können. Aber dort baut sich auch immer mehr Frustpotenzial auf. Unsere – und das sage ich ganz bewusst – Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dort vor Ort unmittelbar am Geschehen engagieren sich und wollen das System Wasserstraße weiterentwickeln. Sie verzwei- feln aber immer mehr auch an uns Politikern, weil wir einfache betriebswirtschaftliche Zusammenhänge schein- bar nicht erkennen wollen. Wir als Parlamentarier tragen auch einen Teil Arbeitgeberverantwortung. Nehmen wir sie endlich wahr und trauen wir uns, einen großen Wurf zu wagen. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter möchten nicht weiter in Ungewissheit leben, wie es für sie weitergeht. Eine Verwaltungsreform kann also nur zusammen mit den Beamten und Angestellten erfolgen. Die SPD scheint den Ernst der Lage noch nicht er- kannt zu haben: Lassen wir alles beim Alten, wird die WSV langsam aber sicher ausgezehrt. Ohne die Verwal- tungsreform führen die jedes Jahr pauschal einzusparen- den etwa 2 Prozent der Stellen dazu, dass vor allem die Ämter und Außenbezirke ausbluten. Dort wird aber mit ihrer Objektveranwortung die Sicherheit des Systems Wasserstraße gewährleistet. Soweit möchten wir Grünen es nicht kommen lassen. Wenn die SPD sagt, das System Binnenwasserstraße sei unterfinanziert, dann muss sie dies auch begründen. Es kann nicht richtig sein, dass in der Vergangenheit Millionen in sinnlose Ausbauprojekte geflossen sind, auf denen dann kaum ein Schiff fährt. Mit einer bedarfs- orientierten Planung der Projekte hätte man das vermei- den können. Der Antrag ist eine große Wunschliste. Er suggeriert – ganz platt gesagt –, dass es immer so weitergehen könnte wie bisher. Wir brauchen aber viel mehr Mut und müssen uns trauen, auch neue Wege zu gehen, gerade in der Verkehrspolitik. Der vorliegende Antrag der SPD ist leider nicht nur ein Antrag, der zur falschen Zeit gestellt worden ist. Er ist auch ein Antrag, der in die falsche Richtung geht – und ein Antrag, den man leider nur ablehnen kann! Anlage 15 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Antrag: Tagespflegepersonen stärken – Qualifikation steigern – Unterrichtung: Bericht der Bundesregie- rung über den Stand des Ausbaus für ein be- darfsgerechtes Angebot an Kindertagesbe- treuung für Kinder unter drei Jahren für das Berichtsjahr 2011 (Dritter Zwischenbe- richt zur Evaluation des Kinderförderungs- gesetzes) (Tagesordnungspunkt 22 a und b) Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU): Wir wollen die bestmögliche Betreuung für unsere Kinder gewährleisten, ob diese in der Kindertagesstätte stattfin- det oder bei den Eltern zu Hause. Dabei nehmen wir keine Wertung darüber vor, welche Form der Betreuung mehr Anerkennung verdient als eine andere. Es geht in erster Linie darum, bestmögliche Betreuung für die Kin- der sicherzustellen, Eltern Wahlfreiheit zu eröffnen und ihnen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu er- leichtern. Im Jahr 2007 ist der Ausbau der Kindertagesbetreu- ung vereinbart worden. Bis zum nächsten Jahr sollen insgesamt mit dem Abschluss zwischen 750 000 und 790 000 Plätze entstanden sein. Damit werden 39 Pro- zent der unter Dreijährigen ein staatlich finanziertes Be- treuungsangebot in Anspruch nehmen können. Darauf wird es einen Rechtsanspruch geben. Der aktuelle dritte KiföG-Bericht belegt, dass die Be- treuungsquote im Jahr 2011 in allen Bundesländern um 2,3 Prozent zum Vorjahr gestiegen ist. Die ostdeutschen Bundesländer wiesen im März 2011 eine Betreuungs- quote von 49 Prozent auf: Fast jedes zweite Kind unter drei Jahren wurde in einer Kita oder von einer Tagespfle- geperson betreut, in Westdeutschland jedes fünfte Kind. Das sind erfreuliche Zahlen, die uns Erfolge im Kitaaus- bau bescheinigen. Sicherlich ist stellenweise – von Bun- desland zu Bundesland unterschiedlich – noch Luft nach oben. Vor allem wäre es wünschenswert, dass die Länder und Kommunen ihren Beitrag ebenso leisten wie der Bund. Immer noch rufen einige der Länder nicht alle Gelder ab. Von den insgesamt vom Bund bereitgestellten finanziellen Mitteln zum Ausbau der Kindertagesbetreu- ung in Höhe von 4 Milliarden Euro stehen noch 700 Mil- lionen Euro zur Verfügung. Das ist umso mehr be- dauerlich, als dieses Vorgehen der Länder direkte Auswirkungen auf die Kinderbetreuung vor Ort hat. Wir haben viel über die Anzahl von Betreuungsplät- zen diskutiert und auch darüber, dass die Qualität in den Einrichtungen oder in der Tagespflege gesichert sein muss. Was bedeutet in diesem Zusammenhang Qualität in der Kindertagespflege? Qualität in der Kinderbetreuung wird in erster Linie durch die Qualifikation sowie die so- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 22187 (A) (C) (D)(B) zialen und fachlichen Kompetenzen der Erzieherinnen und Erzieher bestimmt, ebenso aber auch durch ein gutes Verhältnis von Fachpersonal zur Anzahl der betreuten Kinder. Allein 30 Prozent der neu zu schaffenden Be- treuungsplätze sollen bis zum Jahr 2013 in der Tages- pflege entstehen. Trotz Werbemaßnahmen in Bund und Ländern ist bisher jedoch nicht absehbar, ob bis dahin die ausreichende Anzahl von Tagespflegepersonen für die Kinderbetreuung zur Verfügung steht. Ein Hindernis stellen die oft schwierigen Rahmenbe- dingungen für Tagesmütter und Tagesväter dar. Über- wiegend sind Tagespflegepersonen als selbstständige Unternehmerinnen und Unternehmer mit steuerlichen und versicherungsrechtlichen Erschwernissen tätig. Zu- dem sind vor allem die Verdienstmöglichkeiten be- schränkt. Laut Befragungen liegt das Einkommen bei ei- nem Drittel der im Bereich der Tagespflege tätigen Personen nur bei 365 Euro im Monat. Diese Umstände tragen leider dazu bei, dass sich Frauen und Männer ge- gen eine Erwerbstätigkeit als Tagesmutter oder Tagesva- ter entscheiden. Unser Ziel ist es daher, die rechtlichen und finanziel- len Rahmenbedingungen für Tagesmütter und Tagesväter zu verbessern; das betrifft vor allem eine angemessene Vergütung sowie die Kranken- und Sozialversicherung. Ein weiteres Anliegen ist es, Festanstellungsverhältnisse zu fördern, damit die Tagespflegepersonen gegenüber dem Personal in Einrichtungen gestärkt werden. Ergän- zend dazu fordern wir, dass der Bund, gemeinsam mit Ländern und Kommunen, eine Initiative zur fairen Be- zahlung von Tagesmüttern und -vätern startet, mit der wir ebenso Tagespflegepersonen stärken. Diese Stärkung schließt übrigens auch die angemessene und unbürokra- tische Auslegung der EU-Hygienevorschriften ein, um mit einer pragmatischen Lösung Spielräume im Sinne der besonderen Situation der Tagespflegepersonen zu nutzen. Aber es ist nicht nur Aufgabe des Bundes allein, für eine ausreichend Zahl qualifizierter Tagespflegeperso- nen Sorge zu tragen. Auch die Länder müssen dazu bei- tragen. Wir fordern die Länder in unserem Antrag daher nochmals ausdrücklich dazu auf, ihre Verpflichtungen zum Kitaausbau einzuhalten. Und wir als Bund werden dabei auch weiterhin diesen Ausbau fördern und flankie- ren: Beispielsweise sollen zinsgünstige KfW-Kredite in Höhe von 350 Millionen Euro für die Kommunen und Träger zur Verfügung gestellt werden, die der Bund durch einen Zuschuss zu den Zinsen unterstützt. Darüber hinaus wird der Bund die Länder ab dem Jahr 2014 mit zusätzlichen 770 Millionen Euro jährlich für die Be- triebskosten der Kitas unterstützen. Sie sehen, wir als Regierungsfraktionen handeln und stärken die hochwertige Betreuung durch Tagesmütter und Tagesväter in unserem Land. Eine breite Unterstüt- zung durch alle Fraktionen hier im Hause für unseren Antrag wäre nicht nur für die jetzigen und zukünftigen Tagespflegepersonen ein sehr positives Signal, sondern auch für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. „Deutschland – Kinderland“ soll noch mehr Realität werden. Norbert Geis (CDU/CSU): Heute geht es nicht di- rekt um das Betreuungsgeld. Die heutigen Themen, der Ausbau der Kitas und die Kindertagesbetreuung, hängen jedoch eng mit der Diskussion um das Betreuungsgeld zusammen. Es geht um das Generalthema Familie. Je nach dem Wert der Familie lassen sich auch die Bedeu- tung von Kita und Kindertagesbetreuung beurteilen. Deshalb ist es richtig, sich zunächst zu verdeutlichen, von welchem Ansatz her diese einzelnen Themen zu denken und anzugehen sind. In dieser Diskussion zeigen sich verschiedene Auffas- sungen vom Zusammenleben der Menschen und damit der Familien. Diese Auffassungen lassen sich auf zwei Grundeinstellungen reduzieren: einerseits die radikal- materialistische Auffassung vom Menschen und ande- rerseits jenes Menschenbild, das aus der jüdisch-christli- chen Tradition kommend, am tiefgreifendsten unsere Kultur geprägt hat. Aus unserer Kultur entspringt unser traditionelles Familienbild, wie es auch in unserer Ver- fassung seinen Niederschlag gefunden hat. Nach unserer Verfassung sind die Eltern die ersten Erzieher ihrer Kin- der. Sowohl die Erfahrung des Alltags als auch wissen- schaftliche Forschungen zeigen, dass die Erziehung in der Familie für die Kinder das Beste ist. Die Politik der Kinderkrippen, wie sie in den kommunistischen Ländern üblich gewesen ist, war ein großer Fehler. Dies stellte der Staatsmann, der die Perestroika durchgesetzt hat, Michail Gorbatschow, in verschiedenen Reden und Schriften fest. Gorbatschow sagte, sie hätten erkannt, dass die vielen Mängel der Moral, der Kultur und der Produktion in seinem kommunistischen Land auch daher gekommen sind, weil man die wichtige Bedeutung der Familie für die Erziehung der Kinder missachtet habe. Natürlich ist mit dieser Feststellung kein Pauschalurteil über Kinderkrippen gefällt. Selbstverständlich kann die Kinderkrippe eine wichtige Hilfe sein. Dies gilt natürlich ebenso für die Tagespflege, die eine wichtige Ergänzung für die familiäre Erziehung sein kann. Um es aber nochmals zu betonen: Bei der Diskussion um die Kinderkrippen und auch um die Tagesbetreuung darf nicht übersehen werden, dass es erste Aufgabe der Politik sein muss, die Familien zu stärken, damit sie ihre einzigartige Aufgabe, die Erziehung der Kinder, erfüllen können. Die Förderung der Familie ist das Beste für das Kind, aber auch für die Mütter und Väter. Nur wenn sich dieses herumspricht, kann vielleicht bei den Eltern wie- der eher die Bereitschaft für das Kind wachsen und die Zahl der dringend benötigten Geburten steigen. Auch wirtschaftlich wäre dies der vernünftigere Weg, weil die direkte Familienförderung finanziell günstiger ist als die Finanzierung von Kinderkrippen und auch von Tages- müttern. Ich betone dies auch deshalb, weil wir uns im Westen inzwischen von der kommunistisch geprägten Vorstel- lung inspirieren lassen, die Familie sei ein überholtes Modell. Mit dieser Begründung haben die Machthaber im Reich des Kommunismus die Kindererziehung sozia- lisiert. Damals wollte man nicht die Lage der Menschen verändern, sondern den Menschen selbst. Man hatte sich vorgenommen, durch veränderte Strukturen und gesell- schaftliche nicht familiäre Erziehungssysteme einen 22188 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 (A) (C) (D)(B) neuen Menschen zu schaffen. Von der traditionellen Fa- milie haben die Kommunisten mit dem Ton der Verach- tung geredet. Sie wollten diese zum Verschwinden brin- gen. Deshalb setzten sie bei der Kindererziehung an. Nach ihren Vorstellungen gehören die Kinder nicht zu den Eltern, sondern zum Staat bzw. zur Gesellschaft. Deshalb griff man nach den Kindern und steckte sie frühzeitig in die Krippe. Ziel war, die Mütter möglichst wieder rasch an ihren Arbeitsplatz zurückzuschicken. Das eigentliche Ziel aber war, alle Hemmnisse für die fa- tale Herrschaft der Partei niederzureißen. Deshalb hat Stalin die Kleinbauern beseitigt und die Kolchosen ge- schaffen, und er hat versucht, die Familien zu zerstören. Gorbatschow hat recht: Dies war einer der Gründe für den Untergang des Sowjetreiches. Die Kommunisten hatten nämlich vergessen, dass es die Mutter ist, die dem Kind am nächsten ist, noch bevor es geboren ist. Diese Grunderfahrung des Kindes stiftet das Urvertrauen – das Wichtigste, was Erziehung in den ersten drei Jahren überhaupt leisten kann. Wir im Westen laufen nun Gefahr, dass wir dieses da- mals durch die kommunistische Diktatur dem Menschen aufgezwungene Familienbild übernehmen. Diese Grund- überlegungen sind zu berücksichtigen, wenn es um den Ausbau der Kita und die Kindertagespflege geht. Diese Grundüberlegung darf nicht dazu führen, die Kinder- krippe und auch die Tagespflege in Bausch und Bogen zu verurteilen. Wir müssen einfach feststellen, dass viele Frauen aus eigenem Antrieb – und nicht weil sie wirt- schaftliche Not dazu treibt – berufstätig sind und dies auch sein wollen. Wir haben zu respektieren, dass die Zeiten vorbei sind, da die Rollenverteilung klar definiert war, der Mann muss einen Beruf haben und seine Fami- lie ernähren, die Frau bleibt daheim und erzieht die Kin- der. Die Frauen sind heute selbst hochqualifiziert und wollen natürlich ihre Qualifizierung auch im Beruf um- setzen. Der Staat muss dieser Möglichkeit gerecht wer- den. Von daher ist es eine richtige Politik, Kitas einzu- richten, in die die Kleinkinder aufgenommen werden. Der Beschluss der Großen Koalition, bis zum 1. August 2013 ausreichend Kitaplätze zur Verfügung zu stellen, war richtig. Er muss jetzt umgesetzt werden. Der Bund hat dabei seine Pflicht erfüllt. Er hat das Geld bereitge- stellt und ist bereit, für die Betriebskosten jährlich eine knappe Milliarde bereitzustellen. Es kommt nun ent- scheidend auf die Länder und Gemeinden an. Dort hat man es ganz offensichtlich versäumt, diesen Beschluss der Großen Koalition aus dem Jahre 2008 ernst zu neh- men. Deswegen gelingt der Ausbau nicht in dem Maß, wie dies notwendig wäre. Es kommt aber nicht nur auf die Kita an, auch die Ta- gesbetreuung durch Tagesmütter oder Tagesväter ist weiterzuentwickeln. Dabei geht es nicht um die privat organisierten Tagesmütter, sondern um die vom Staat ausgebildeten und zur Pflege von Kindern eigens befä- higten Tagesmütter. Diese Tagespflegepersonen können einen wichtigen Beitrag für den Ausbau der Kinder- tagesbetreuung leisten. Diese Pflegepersonen – Tages- mütter und Tagesväter – haben den Vorteil, dass sie nur wenige Kinder betreuen und so eine engere Bindung zu den jeweiligen Kleinkindern aufbauen können. Dies ist den Erzieherinnen in einer Kita nicht so leicht möglich, weil es in den Kitas meist deutlich mehr Kinder zu be- treuen gibt. Diese Tagespflegepersonen arbeiten überwiegend – zu 94 Prozent – als selbstständige Unternehmerinnen und Unternehmer. Ihre Tätigkeit geschieht aber oft unter schlechten Rahmenbedingungen. Deshalb ist es zunächst einmal erforderlich, das Berufsbild der Kindertages- pflege attraktiver zu gestalten. Hinzu kommt, dass der Verdienst zu gering ist. Das durchschnittliche Einkommen beträgt knapp 600 Euro im Monat. Fast ein Drittel der Befragten liegt bei einem Einkommen unter 365 Euro. Wenn wir die Tagespflege attraktiver gestalten wollen, muss das Einkommen ver- bessert werden. Hinzu kommt, dass die Tagespflege- person eine sichere Anstellung braucht. Dies wäre im Rahmen der Jugendhilfe möglich. Außerdem müssen wir für eine berufsbegleitende Weiterbildung an staatlich anerkannten Fachschulen oder Berufsfachschulen für Er- zieherinnen sorgen. Die Ausbildung dieser Tagespflege- personen muss Vorrang haben. Der Antrag der CDU/CSU „Tagespflegepersonen stärken – Qualifikation steigern“ bietet für diese Aus- richtung der Tagespflege einen guten Ansatz. Caren Marks (SPD): Auf der einen Seite bringen die Koalitionsfraktionen ein Betreuungsgeld auf den Weg, das Kinder von frühkindlicher Bildung fernhalten soll, auf der anderen Seite betonen sie die Steigerung der Qualität in Kitas und in der Kindertagespflege, wie der heute zu debattierende Antrag „Tagespflegepersonen stärken – Qualifikation steigern“ zeigt. Auf der einen Seite will die Koalition gezielt Eltern, die ihre Kinder nicht in einer staatlich geförderten Einrichtung betreuen und erziehen lassen, mit einer neuen Leistung honorie- ren, auf der anderen Seite will sie uns heute mit diesem Antrag weismachen, dass sie für eine weitere Professio- nalisierung der Kindertagespflege eintritt. Was denn nun, meine Damen und Herren von der CDU/CSU und FDP? Haben Sie eigentlich einmal über- legt, welche fatalen Signale eine derart widersprüchliche Familienpolitik aussendet? Alle bisher unternommenen Anstrengungen, die frühkindliche Bildung auszubauen und die Qualität zu verbessern, werden mit dem Betreu- ungsgeld konterkariert. Ihre Politik verunsichert nicht nur zahlreiche Familien, sondern ebnet auch den Weg für eine der größten Fehlinvestitionen der letzten Jahre. Da- bei ermahnt uns die OECD in regelmäßigen Abständen, dass Deutschland mehr und schneller in die frühkindli- che Bildung investieren muss. Die Kampagne „Nein zum Betreuungsgeld“, die tag- täglich neue Unterstützerinnen und Unterstützer ge- winnt, spricht für sich. Sozialverbände, Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände, Fachorganisationen, der Frauen- rat, der Deutsche Landfrauenverband und die evangeli- sche Kirche erteilen dem Betreuungsgeld ebenfalls eine klare Absage und fordern, stattdessen mehr in den Kita- ausbau zu investieren. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 22189 (A) (C) (D)(B) Ich möchte exemplarisch einen Absatz aus der aktuel- len Stellungnahme des Landeselternbeirats Nordrhein- Westfalen zitieren. Solche Stellungnahmen und Briefe erreichen uns derzeit übrigens waschkörbeweise. „Bevor all diese Mängel [damit ist das Fehlen der noch dringend benötigten Kitaplätze gemeint] nicht be- seitigt sind und wir Eltern keine echte Wahlfreiheit ha- ben, um zwischen Kita und Betreuung zu Hause zu wäh- len, lehnen wir dieses Betreuungsgeld ab. Wir fordern die Bundesregierung auf, das Betreuungsgeld abzuleh- nen und dafür in den qualitativ hochwertigen Ausbau von Kindertageseinrichtungen mit dem entsprechenden Personal zu investieren.“ Auch der neu vorgelegte Dritte Zwischenbericht zur Evaluation des Kinderförderungsgesetzes zeigt deutlich, wo die Reise hingehen muss: Bund, Länder und Kom- munen müssen sich in den nächsten Jahren darauf konzentrieren, Kitaplätze weiter auszubauen, mehr Er- zieherinnen und Erzieher zu gewinnen und die Kinderta- gespflege, wie die Regierungskoalition es ja in ihrem ei- genen Antrag fordert, weiter zu qualifizieren. Ich sage Ihnen aber: Ein Betreuungsgeld wirkt hier völlig kontra- produktiv. Es geht um echte Wahlfreiheit und um die Verbesse- rung der Zukunftschancen unserer Kinder. Denn Eltern haben derzeit keine echte Wahlfreiheit, für Kinder steht kein bedarfsdeckendes Angebot an Krippenplätzen be- reit. In gut 14 Monaten tritt der Rechtsanspruch für Kinder ab dem ersten Geburtstag auf einen Krippenplatz in Kraft. Deshalb müsste es Ihnen, meinen Damen und Herren von der CDU/CSU und FDP, Sorge bereiten, dass die neue Zwischenevaluation des Bundesfamilienminis- teriums auf bestehende Ausbauhürden hinweist. Beispielsweise fehlt es an qualifizierten Fachkräften. Hier sage ich klar: Soziale Berufe müssen aufgewertet werden. Erzieherinnen und Erzieher müssen besser ver- dienen und brauchen bessere Aufstiegschancen, damit dieses Berufsbild für Nachwuchs attraktiver wird. Wenn wir wollen, dass die Tagespflege weiter qualifiziert und aufgewertet wird, brauchen wir auch in diesem Bereich eine bessere Bezahlung. In dem Antrag von CDU/CSU und FDP ist hierzu übrigens keine einzige Forderung enthalten. Immerhin setzen Sie sich für eine Bund-Län- der-Arbeitsgruppe ein, die bis Ende des Jahres Vor- schläge zur Verbesserung der Situation von Tagespflege- personen erarbeiten soll. Aber warum Sie erst jetzt auf eine solche Idee kommen, ist rätselhaft. Die Zwischenevaluation geht auch vertiefend auf die Herausforderungen im Bereich der Qualität von Einrich- tungen der frühkindlichen Bildung ein. Wir haben hier in den vergangenen Jahren Enormes geschafft: Der Perso- nalschlüssel hat sich weiter verbessert, die Gruppen- größe ist kleiner geworden, die frühkindliche Sprachför- derung hat an Bedeutung gewonnen, die Ausstattung von Kitas ist überwiegend gut. Aber es bleibt noch viel zu tun, zumal es von Stadt zu Stadt und von Landkreis zu Landkreis oftmals große Unterschiede gibt. Die SPD-Bundestagsfraktion fordert schon seit Jah- ren, dass sich die Bundesregierung endlich mit Ländern und Kommunen an einen Tisch setzt, eine neue Be- darfsanalyse erstellt und konkrete Schritte zur Forcie- rung des Krippenausbaus verabredet. Das SPD-geführte Bundesland Nordrhein-Westfalen beispielsweise hat mit der Einberufung des Krippengipfels vorgemacht, wie man hier vorgehen muss. Die zuständige Landesministe- rin Ute Schäfer hat unmittelbar nach dem Krippengipfel eine Task Force U-3-Ausbau eingerichtet. Aktuell hat die SPD einen Aktionsplan zum Kitaaus- bau und zur Sicherung des Rechtsanspruchs vorgelegt. Der Verzicht auf die Einführung eines Betreuungsgelds ist dabei ein wichtiger Baustein. Wir werden nicht müde, deutlich zu machen: Gute Angebote der frühkindlichen Bildung, Erziehung und Betreuung sind das Fundament für eine bestmögliche Förderung von Kindern und ihre Inklusion in die Gesell- schaft. Der Staat muss mehr dafür tun, um den Ausbau dieser Angebote voranzubringen. Versäumnisse im Be- reich der frühkindlichen Bildung können nicht zu einem späteren Zeitpunkt aufgeholt werden. Daher reicht Ihr Antrag, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, nicht aus, so gut gemeint auch die eine oder andere Forderung ist. Ihre Ministerin ist aufgefordert, ihren Worten endlich Taten folgen zu lassen und vor allem für den Verzicht auf das Betreu- ungsgeld einzutreten. Miriam Gruß (FDP): Auf diesen Tag haben wir lange hingearbeitet. Denn mit dem Antrag „Tagespflege- personen stärken – Qualifikation steigern“ schließen wir eine zentrale Lücke auf dem Weg zum Rechtsanspruch U 3, der im nächsten August in Kraft tritt: Tagesmütter und Tagesväter müssen dringend bessere Rahmenbedin- gungen und mehr Anerkennung bekommen. Nur dann werden sich mehr Männer und Frauen dazu entschlie- ßen, diesen Beruf mittel- und langfristig auszuüben. Uns liegt heute der dritte Zwischenbericht zur Eva- luation des Kinderförderungsgesetzes vor. Auch er un- terstreicht, wie wichtig die Kindertagespflege in Deutschland mittlerweile ist – aber auch, wie viel hier noch passieren muss. Der Bedarf ist enorm. Wer die Wahlfreiheit in der Kinderbetreuung hat, der entscheidet sich immer häufi- ger für eine Tagesmutter – oder einen Tagesvater. Jedes sechste Kind unter drei Jahren wird mittlerweile so be- treut, Tendenz steigend. Die Gründe dafür sind vielfältig. Viele Eltern suchen sich gezielt eine Tagesmutter oder einen Tagesvater. Denn diese sind flexibel und können auch einmal spon- tan zu „Randzeiten“ zur Verfügung stehen; eine junge Anwältin oder eine Krankenschwester kann ihr Kind schließlich nicht täglich um 16 Uhr aus der Kita abholen. Keine andere Betreuungsform lässt sich so flexibel an den Bedarf anpassen – und der ist nach wie vor in Ost und West unterschiedlich, wie der KiföG-Bericht zeigt. Im Westen wird diese Betreuungsform häufig drei Tage 22190 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 (A) (C) (D)(B) in der Woche in Anspruch genommen, im Osten dagegen meist vier bis fünf Tage. Ein weiterer Vorteil dieser Betreuungsform: Das Ver- hältnis zwischen Eltern und Tagespflegeperson ist häufig besonders eng, die Absprachen funktionieren gut – und das ist gut für das Kind. Das ist ein entscheidender Punkt, denn für uns Fami- lienpolitiker steht das Kindeswohl im Mittelpunkt. Ge- rade der Kinder wegen setze ich mich für die Kinderta- gespflege als eine Alternative zur Kita ein. Denn nicht jedes Kind wird in der Kita glücklich. Schüchterne oder sehr anhängliche Kinder fühlen sich bei einer Tagesmut- ter häufig geborgener als in der Kita. Die Forschung be- legt, dass die Bindungsqualität bei einer Tagesmutter häufig höher ist als in der Kita. Sicherheitsbedürftige Kinder finden hier die Stabilität, die sie brauchen. Wir brauchen deshalb mehr und gut qualifizierte Kin- dertagespflegepersonen. Solange diese allerdings keine guten Rahmenbedingungen haben, ist die Motivation ge- ring und die Fluktuation hoch. Wir wissen aus einem Fachgespräch, das wir als FDP- Bundestagsfraktion organisiert haben, wie sehr die Kindertagespflege unter dem kommunalen Flickentep- pich leidet: Überall herrschen andere Bedingungen. Das fängt bei der Bezahlung an. Zwischen 1,97 Euro und 7,50 Euro variiert der Stundenlohn. Zwar glauben viele Eltern, sie könnten sich eine Tagesmutter nicht leisten; aber der Lohn ist teilweise geradezu lächerlich. Neben dem geringen Lohn leidet diese Berufsgruppe auch an anderen Stellen: Die Urlaubszeiten sind häufig über- haupt nicht geregelt. Die Fachberatungen sind überlastet. Und seit Anfang des Jahres sorgt auch noch eine neue EU-Hygiene-Verordnung für Aufregung. All das war Anlass für uns, dringend Verbesserungen einzufordern. Wir fordern in unserem Antrag, dass die Länder die Investitionsmittel des Bundes mehr als bis- lang geschehen für die Tagesmütter ausgeben. Denn in den letzten Jahren wurde diese Betreuungsform häufig stiefmütterlich behandelt. Die Förderung lief vor allem zugunsten der Kindergärten und Kindertagesstätten. Damit muss nun Schluss sein. Wir fordern eine Initiative „Tagesmütter und Tages- väter fair bezahlen“. Und wir fordern, die EU-Lebens- mittelhygiene-Verordnung unbürokratisch umzusetzen. Außerdem ist mir wichtig, dass wir die Tagesväter mehr in den Fokus stellen. Bislang sind lediglich 2,5 Prozent aller Kindertagespflegepersonen männlich. Aber wenn wir bis August 2013 den Rechtsanspruch er- füllen wollen, dann wird das nicht ohne diese „stille Re- serve“ funktionieren. Wir brauchen mehr Männer in der Kinderbetreuung. Das ist ein Gebot der Gleichberechti- gung und der Wahlfreiheit. In den Kitas haben wir mit einem vergleichbaren Förderprogramm bereits viel er- reicht. Daher fordere ich jetzt auch: „Mehr Männer für Tagespflege“. Jetzt ist die Zeit, um den Tagesmüttern und -vätern in diesem Land bessere Bedingungen zu geben. Die Fami- lienministerin hat in der Zwischenzeit viele unserer For- derungen aufgegriffen und die Tagesmütter an die Spitze Ihres Zehn-Punkte-Plans gestellt. Das kann ich nur aus- drücklich begrüßen. Denn machen wir uns nichts vor: Es war von Anfang an klar, dass wir den Rechtsanspruch 2013 nur erfolgreich umsetzen können, wenn wir die Kindertagespflege stärken. Viele Tagespflegepersonen sehen ihre Arbeit als Berufung. Aber gerade weil sie eine so wichtige Funktion einnehmen, müssen wir sie auch als Berufsgruppe stärken. Das ist gut für die Kin- der, gut für die Eltern und gut für die Infrastruktur in die- sem Land. Diana Golze (DIE LINKE): Es ist schon sehr be- zeichnend, dass der Deutsche Bundestag über die Frage der Sicherung und Gewährleistung eines von ihm selbst geschaffenen Rechtsanspruchs – dem auf Kindertages- betreuung für jedes Kind unter drei Jahren – zu nacht- schlafender Zeit „debattieren soll“, während die Einbrin- gung des Betreuungsgeldes einen etwas prominenteren Platz in der Tagesordnung gefunden hat. Es ist auch exemplarisch, dass der vorliegende Antrag einmal mehr nur ein Schlaglicht auf eines der großen Probleme im Ausbau der Kindertagesbetreuungsangebote wirft. Und es ist exemplarisch für die Debatten in den letzten Mona- ten, dass in diesem Antrag der Koalitionsfraktionen vor allem Aufgaben an die Länder und Kommunen verteilt werden, während der Bund vor allem Prüfaufträge und die Verteilung von Mitteln aus dem Europäischen So- zialfonds oder der Bundesagentur für Arbeit überneh- men will. All das ist ein Spiegelbild dessen, was an poli- tischem Versagen in den letzten Jahren zu dem geführt hat, was wir heute als Kitaplatzmangel, fehlendem quali- fizierten Personal und mangelnden Qualitätsstandards konstatieren müssen. Statt dass die Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen endlich so viel Verantwortung übernehmen, wie man es mit der machtvollen Ankündigung durch die Kanzlerin in Sachen Kitaausbau hätte annehmen müssen und dürfen, feiern sie jeden noch so kleinen Erfolg auf dem verlorenen Feld. Offen gestanden hatte ich ein wenig erwartet, dass Ihr Antrag, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der Ko- alitionsfraktionen, sich mit dem 10-Punkte-Programm der Ministerin zur Beschleunigung des Kitaausbaus be- fasst und dieser dadurch etwas an Konkretisierung er- fährt. Doch auch Sie bleiben sich treu, wenn es um das Schönreden von Entwicklungen und um das Drumhe- rumreden bei Problemen geht. Statt sich mit den vielen Fragen auseinanderzusetzen, die der Ausbau der öffentli- chen Kindertagesbetreuung noch immer aufwirft, haben Sie sich auf das Feld zurückgezogen, wo Sie die Verant- wortung völlig abwälzen können, ohne dabei den Kom- munen zu sehr auf die geschundenen Füße zu treten – die Kindertagespflege. Seit Jahren leisten in diesem Bereich Männer, vor al- lem aber Frauen schwere Arbeit und dies zu denkbar schlechten Bedingungen. Unzureichende Unterstützung, selbstausbeuterische Arbeitsverhältnisse und eine schlechte Entlohnung gehören zu den Alltagsproblemen dieser Frauen und Männer genauso wie mangelnde fachliche Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 22191 (A) (C) (D)(B) Begleitung und existenzielle Sorgen. Seit Jahren warnen Fachverbände, Experten, Gewerkschaften und auch meine Fraktion davor, den Tagespflegepersonen die Last des schleppenden Ausbaus und damit auch die Folgen der Unfähigkeit der politisch Agierenden aufzubürden. Nach dem letzten Bericht zum Kinderförderungsgesetz ist nun klar: Auch in diesem Bereich wird der Zuwachs nicht reichen, um als Notnagel für fehlende Kitaplätze zu fungieren. Doch statt sich nun endlich auf Notwendi- ges zu besinnen, liest sich Ihr Antrag wie der einer völlig unbeteiligten Gruppe. Ihr Forderungsteil enthält Aufforderungen, die Bun- desländer zu den verschiedensten Aktivitäten anzuhal- ten – ein Prozedere, das wir zur Genüge kennen und von dem jeder weiß, dass es ohne eine stärkere finanzielle Verantwortung nichts als eine Worthülse ist. Er enthält Umschichtungen innerhalb des Familien- haushaltes, bei denen ich mir nur verwundert die Augen reiben kann. War denn die Offensive „Frühe Chancen“ nicht erst in der vergangenen Haushaltsdebatte das Aus- hängeprojekt der Familienministerin zur Rettung des Großvorhabens Kitaausbau? Und nun sind dort noch Mittel übrig? Ich kann Ihnen nur sagen: Ihre Politik der kleine Projekte ist gescheitert! Es braucht mehr als nur Anschubfinanzierungen, um eine zukunftsträchtige und qualitativ hochwertige Kin- derbetreuung zu gewährleisten – egal ob sie in einer Kita oder in der Tagespflege stattfindet. ESF-Mittel und um- geschichtete Projektmittel aber sprechen alles andere als eine Sprache der kontinuierlichen Absicherung und Ge- staltung. Die Linke fordert darum die Bundesregierung auf, endlich selbst tätig zu werden. Es reicht nicht, Ar- beitsaufträge an die Länder und Kommunen abzugeben, Tagespflegepersonen für einen begrenzten Zeitraum über ESF-Mittel zu finanzieren und deren Qualifizierung und Beratung weiterhin unter Prüfungsvorbehalt zu stel- len. Die Gelder, die dafür nötig sind, wären vorhanden, wenn endlich von einem unsinnigen Vorhaben wie dem Betreuungsgeld Abschied genommen würde. Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der aktuelle, dritte KiföG-Zwischenbericht macht es erneut deutlich: Die Zeit wird knapp. Im August 2013 tritt der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für unter Dreijährige in Kraft. Eltern, deren Kinder jetzt geboren werden, werden sich bereits auf diesen Anspruch beru- fen können. Aber noch immer fehlen zur Erfüllung des Rechtsanspruchs fast eine Viertelmillion Plätze. Den- noch gewinnt der Ausbau nicht an Fahrt. Bereits das dritte Jahr in Folge müssen wir im Zwischenbericht le- sen, dass die Ausbauziele nur erreicht werden können, wenn die Geschwindigkeit im Ausbau deutlich zunimmt. Immer wieder dieselbe Platte – aber es passiert nichts. Statt jetzt alle Anstrengungen auf den zielgerichteten U-3-Ausbau zu fokussieren, wirft die Bundesfamilien- ministerin Nebelkerzen und täuscht Aktivismus vor. Eine dieser Nebelkerzen trägt den hochtrabenden Namen Zehnpunkteprogramm. Wenn man beide Augen zu- drückt, könnte man wohlwollend von einem Einpunkt- programm sprechen: denn außer dem Bundesprogramm zur Festanstellung von Tagespflegepersonen enthält die- ses mickrige Progrämmchen nichts substanziell Neues. Zudem hat der Bund für die Umsetzung der Vorschläge gar keine Zuständigkeit. Machen wir uns nichts vor: Noch schleppender als der Kitaausbau verläuft der Ausbau der Kindertages- pflege. So ist der Anteil von Tagespflegeplätzen der öf- fentlich geförderten Kindertagesbetreuung in den ver- gangenen Jahren nur geringfügig gestiegen. Er liegt aktuell bei lediglich 15 Prozent. Hier liegt noch unge- nutztes Potenzial. Von daher sind auch alle Bemühungen der Regierungsfraktionen zu begrüßen, dieses Potenzial auszuschöpfen. Es ist allerdings mehr als durchsichtig, dass Ihnen dieser wichtige und richtige Ausbau der Kin- dertagespflege nichts wert ist. Alle in Ihrem Antrag for- mulierten Vorschläge soll die Bundesregierung nur „im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel“ umsetzen. Liebe Kolleginnen und Kollegen von Union und FDP, haben Sie immer noch nicht verstanden, dass es beim U-3-Ausbau fünf vor zwölf ist? Sie sind bereit, 1,2 Milliarden Euro jährlich für das unsinnige Betreu- ungsgeld aus dem Fenster zu werfen, haben aber kein Geld für den Ausbau von Kitas und Tagespflege übrig? Das ist unverantwortlich. Ein riesiges Problem ist der Mangel an Tagespflege- personen. Wir stehen vor der Mammutaufgabe, inner- halb eines Jahres rund 30 000 Tagespflegepersonen zu gewinnen, wohl gemerkt: gut ausgebildete Tagesmütter und Tagesväter. Auch wenn der Anteil der Tagespflege- personen, die über gar keine oder nur eine rudimentäre Qualifizierung verfügen, in den vergangenen Jahren ge- sunken ist, ist dieser Anteil mit 21 Prozent immer noch erschreckend hoch. Wir Grüne sind der Ansicht, dass Ta- gespflegepersonen mindestens einen zertifizierten Quali- fizierungskurs nach dem DJI-Curriculum mit 160 Unter- richtsstunden abgeschlossen haben bzw. solch einen Kurs berufsbegleitend besuchen sollten. Wenn die Kindertagespflege ihrem gesetzlichen Auf- trag gerecht werden soll, müssen wir bei der Qualität dringend nachlegen: denn nur eine qualitativ hochwer- tige Kindertagespflege kann einen echten Beitrag bei der Realisierung des Rechtsanspruchs leisten. Daher fordere ich Sie, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der Regierungskoalition auf, es nicht nur bei wohlmeinen- den Absichtsbekundungen zu belassen. Machen Sie end- lich Nägel mit Köpfen, und investieren Sie das Geld in den U-3-Ausbau statt in das unsinnige Betreuungsgeld! Anlage 16 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung: – Beschlussempfehlung zu den Anträgen: – Kinder- und Jugendtourismus unterstüt- zen und weiter fördern – Reisen für Kinder und Jugendliche er- möglichen – Förderung sicherstellen und „Aktionsplan Kinder- und Jugendtouris- mus in Deutschland“ weiterentwickeln 22192 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 (A) (C) (D)(B) – Beschlussempfehlung zu dem Antrag: – Mitgliedschaft in der International Orga- nisation of Social Tourism (Tagesordnungspunkt 28 a und b) Markus Tressel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der im Jahr 2002 vom Deutschen Bundestag beschlossene rot-grüne Aktionsplan zum Kinder- und Jugendtouris- mus in Deutschland hat die Grundlage für die heutige politische Ausrichtung geschaffen. Es wurden jedoch nur unzureichende Veränderungen auf den Weg ge- bracht. Die intensive Auseinandersetzung mit dem Thema lässt schnell erkennen, dass der Kinder- und Ju- gendtourismus erst am Anfang einer notwendigen (Wei- ter-)Entwicklung steht. Die verbesserte Datenlage besagt, dass im Jahr 2008 mehr als 30 Millionen Reisen mit einer Dauer von min- destens zwei Tagen von deutschen Staatsbürgern und Staatsbürgerinnen im Alter bis einschließlich 26 Jahre unternommen wurden. Hierbei wurden 12 Milliarden Euro von Deutschen für Kinder- und Jugendreisen aus- gegeben. Jugendliche und junge Erwachsene unterneh- men circa 20 Prozent der Urlaubsreisen in Deutschland. Nicht nur innerhalb des Landes spielt das Tourismus- segment eine bedeutende Rolle. Mehr als 11 Millionen junge Europäer zwischen 15 und 35 Jahren besuchen mittlerweile Deutschland während ihrer Freizeit. Die Welttourismusorganisation UNWTO geht davon aus, dass der Marktanteil von Kindern und Jugendlichen im Tourismus in Zukunft bei rund 25 Prozent liegen wird. Wir reden heute über zwei Anträge. Auf der einen Seite haben wir einen Antrag von der Koalition. Der Feststellungsteil ist wie schon beim Thema „Tourismus und Landschaftspflege verknüpfen“ gut und lässt hoffen. Leider sind viele wichtige und auch kritische Punkte nicht aufgegriffen, die nicht unerwähnt bleiben sollten. Es fehlt an Ansätzen zur sozialen Teilhabe. Der Präven- tionsgedanke kommt nicht vor. Auch eine Unterschei- dung von kommerziellen und nichtkommerziellen An- bietern kommt nicht vor. Was allerdings in den Forderungen kommt, ist größtenteils äußerst dürftig. Denn es folgen fast ausschließlich Prüfaufträge. Erstaun- lich ist auch, dass im Feststellungsteil noch völlig richti- gerweise auf die Bedeutung von energetischer Sanierung hingewiesen wird, eine Forderung dazu findet sich aber nicht. Wir Grüne haben daher in verschiedenen Gesprä- chen versucht, mit einigen Forderungen etwas Fleisch an den Knochen zu bekommen. Das ist leider nicht möglich gewesen. Der Antrag besitzt auch einige handwerkliche Schwächen, die man ebenfalls hätte ausräumen können – wenn es denn gewollt gewesen wäre. Wir wären hier gerne zu einem interfraktionellen Ergebnis gekommen, um den Kinder- und Jugendtourismus, wo wir im Ziel alle übereinstimmen, voranzutreiben. Mit diesem Antrag wird das sicher nicht passieren. Deshalb ist er so leider nicht zustimmungsfähig. Es ist bedauerlich, dass es nicht möglich gewesen ist, auf der Basis des SPD-Antrags interfraktionelle Ver- handlungen zu führen. Denn der Antrag der SPD wäre eine solide Basis in seinen Forderungen gewesen, hätte den Koalitionsantrag damit sinnvoll ergänzt. Der Antrag geht mit seinen Forderungen sehr viel weiter und ist da- mit schon sehr viel zielführender. Doch Kinder- und Ju- gendunterkünfte sind nicht nur Jugendherbergen. Diese machen lediglich 10 Prozent aus. Zudem fehlt es auch hier an einigen Punkten, wie beispielsweise einer konsis- tenten Datenlage, einer gezielten Ausrichtung auf Nach- haltigkeit und konzertierten Aktionen zur Verbesserung der Qualifizierung und Qualität. Wir Grüne wollen die im Aktionsplan aus dem Jahre 2002 aufgestellten acht Ziele, die innerhalb der Branche weiterhin begrüßt werden, mit neuen Kriterien und Zwi- schenzielen versehen. Der novellierte Aktionsplan sollte in Zusammenarbeit von Bund und Ländern erarbeitet und fortgeführt werden sowie gemeinsame Ziele festlegen. Die Qualität und Teilhabe bei Kinder- und Jugendrei- sen muss weiter entwickelt werden, indem unter ande- rem Sanierungen von Unterkünften mit dem Ziel der Energieeffizienz, der Umstellung auf erneuerbare Ener- gien sowie der Inklusion unterstützt werden. Für die ver- schiedenen Gütesiegel im Kinder- und Jugendtourismus wäre ein Dachlabel hilfreich, und weitere Zertifizierun- gen über QMJ sollten auch für Kleinst- und Kleinbe- triebe ermöglicht oder erleichtert werden. Das zielgerichtete Aus- und Fortbilden von Personal vor dem Hintergrund der nachhaltigen Bildung, Gesund- heit, Sicherheit, Inklusion oder Ähnlichem in Kinder- und Jugendreiseunterkünften muss unterstützt werden, wie es beispielsweise bei Jugendherbergen über die ei- gene Akademie gewährleistet wird. Leider ist das nur für DJH-Werke möglich. Bei den Ländern sollte auch darauf hingewirkt wer- den, dass Kinder- und Jugendmobilität sowie nachhal- tige Mobilität in die Lehrerausbildung aufgenommen werden. Neben Klassenfahrten sollten auch außerschuli- sche Urlaubsangebote, die dem pädagogischen Ziel der nachhaltigen Bildung dienen, im SGB III verankert wer- den, und auch die Vielfalt außerschulischer Lernorte und die Vielfalt der Anbieter muss anerkannt werden. Wir Grüne wollen insbesondere Projekte zum sozia- len Lernen und zur Gesundheitsprävention, wie bei- spielsweise gesunde Ernährung, Bewegung und Stressre- gulation für Kinder und Jugendliche, unterstützen. Die Jugendaktion GUT DRAUF der Bundeszentrale für ge- sundheitliche Aufklärung ist hier als ein sehr schönes Beispiel zu nennen. Wir Grüne wollen zudem die Datenlage im Kinder- und Jugendreisesegment dauerhaft erfassen, sichern und gezielt verbessern, um entsprechend der demografischen Entwicklung notwendige Planungsschritte beachten zu können, indem erstens mit einer konzertierten Aktion alle bekannten Kinder- und Jugendunterkünfte zur Mel- dung unter einer einheitlichen Kategorie „Jugendher- berge oder ähnliche Einrichtung, Hütte“ aufgefordert werden. Zweitens sollten alle fünf Jahre regelmäßige Kennzahlen und Daten in verschiedenen Altersgruppen Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. Juni 2012 22193 (A) (C) (D)(B) zum Kinder- und Jugendtourismus, wie beispielsweise Reisehäufigkeit und -intensität, ehrenamtliche und nichtehrenamtliche Betreuer sowie Betreuerschlüssel, Größe der Reisegruppe, familiärer Hintergrund, Kennt- nisstand über nachhaltige Mobilität beziehungsweise nachhaltigen Tourismus, erhoben werden. Die Daten- erhebung sollte weiterhin über die Jugendhilfestatistik ermöglicht werden. Nur wenn es uns gelingt, die Datenlage sauber zu erfassen, werden wir auch zukünf- tig über dieses wichtige Segment debattieren und an- schließend politische Forderungen ableiten können. Des- halb ist hier Sorgfalt gefragt. Diese fehlt leider bei beiden Anträgen. Anlage 17 Erklärung der Abgeordneten Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über die Be- schlussempfehlung zu dem Antrag: Potenziale der Einrichtungen des Bundes mit Ressort- forschungsaufgaben stärken (Tagesordnungs- punkt 24) Ich erkläre im Namen der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, dass unser Votum „Nein“ lautet. 184. Sitzung Inhaltsverzeichnis TOP 3 Regierungserklärung zum G20-Gipfel in Mexiko TOP 4 Entgeltgleichheitsgesetz TOP 52, ZP 2 Überweisungen im vereinfachten Verfahren TOP 53, ZP 3 Abschließende Beratungen ohne Aussprache TOP 6 Wahl eines Mitglieds in das PKGr TOP 7 Wahl der Mitglieder des StabMechG-Gremiums ZP 4 Aktuelle Stunde zum Netzentwicklungsplan TOP 9 Abstandsgebot im Recht der Sicherungsverwahrung TOP 8 Risiken der Riester-Rente TOP 5 Nachtragshaushaltsgesetz TOP 10 Diskriminierungsschutz für Hinweisgeber TOP 11 Bundeswehrreform TOP 12 Ausbeuterische Kinderarbeit TOP 13 Kloster Mor Gabriel TOP 14 UN-Nachhaltigkeitskonferenz in Rio TOP 15 Tokio-Konferenz zur Entwicklungspolitik TOP 16 Maßnahmen gegen unseriöses Inkasso TOP 17 Bundeswehreinsatz (UNIFIL) TOP 18 Auskunftspflichten der Europäischen Zentralbank TOP 19 Pauschal-Entgelte in der Gesundheitsversorgung TOP 20 Übersetzungserfordernis von EU-Dokumenten TOP 21 Wasser- und Schifffahrtsverwaltung TOP 22 Kindertagesbetreuung TOP 23 Barrierefreier Tourismus TOP 24 Bundeseinrichtungenmit Ressortforschungsaufgaben TOP 25 Schutz für Flüchtlinge TOP 26 Exzellenzinitiative in der Lehrerausbildung TOP 27 Schienenverkehr zwischen Deutschland und Polen TOP 28 Kinder- und Jugendtourismus TOP 31 Menschenrechte in Zentralasien TOP 30 Regionale Wirtschaftsstruktur TOP 36 Europäische Förderung der Atomenergie TOP 32 Vereinfachung des Elterngeldvollzugs TOP 33 Drogenpolitik TOP 34 Strafrechtsänderungsgesetz (Kronzeugenregelung) TOP 35 Wohnungsrechtliche Vorschriften TOP 38 Freiwilligendienst TOP 37 Wertpapierhandel TOP 40 UN-Waffenhandelsvertrag TOP 39 EU-Klimaziel TOP 41 Sicherheitskonzepte für Offshore-Windparkanlagen TOP 43 Bundesanstalt für Immobilienaufgaben TOP 42 Situation der Roma in der EU TOP 44 Europäische Grundwerte in Ungarn TOP 45 Arbeitslosenversicherung Anlagen
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Katja Dörner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Diejenigen, die derzeit die Republik überzeugen wol-

    len, dass ein Betreuungsgeld notwendig und sinnvoll ist,
    mögen unterschiedliche Motive haben. Doch eines ha-
    ben sie nicht: die Wünsche der Familien im Blick.

    Zu Protokoll gegebene Reden





    Katja Dörner


    (A) (C)



    (D)(B)


    1,2 Milliarden Euro jährlich sind für das Betreuungs-
    geld vorgesehen. Eine unsinnige und immens kostspie-
    lige Maßnahme, gegen die es zu Recht ein breites Bünd-
    nis von Verbänden und Wissenschaftlern gibt, die die
    Mehrzahl der Deutschen ablehnt und die trotzdem jetzt
    wider alle Vernunft im Schweinsgalopp durch das Parla-
    ment gepeitscht werden soll.

    Diese 1,2 Milliarden Euro könnten wir in der Fami-
    lienpolitik an anderer Stelle sehr viel besser einsetzen.
    Und das würde auch den Wünschen vieler Mütter und
    Väter entsprechen. Doch dafür hat die Bundesregierung
    kein Geld. Beispielsweise liegen die seit 2009 angekün-
    digten Weiterentwicklungen beim Elterngeld, also das
    Teilelterngeld und der Ausbau der Vätermonate, auf Eis,
    weil sie unter Finanzierungsvorbehalt stehen.

    Bei der kürzlich durchgeführten Anhörung zum El-
    terngeld waren sich die Expertinnen und Experten völlig
    einig, dass wir das Teilelterngeld ausbauen sollten. Die
    jetzige Regelung hat den großen Nachteil, dass die El-
    tern, die sich die Kindererziehung partnerschaftlich tei-
    len, benachteiligt und diskriminiert werden. Das können
    wir alle eigentlich nicht wollen. Alle Expertinnen und
    Experten waren sich auch einig: Die Partnermonate
    beim Elterngeld müssen ausgebaut werden. Auch das
    finden wir eigentlich alle richtig. Beide Vorschläge sind
    auch im Koalitionsvertrag so vorgesehen. Es liegen
    auch bereits Vorschläge vor, das Teilelterngeld mit nur
    geringen Kosten oder gar kostenneutral zu ermöglichen
    oder die Partnermonate auszuweiten. Doch die Regie-
    rung lässt sich lieber von der bayerischen Landespartei
    ein antiquiertes Familienbild diktieren und propagiert
    ein Betreuungsgeld, als tatsächlich bessere Rahmenbe-
    dingungen für ein Leben mit Kindern zu schaffen. Die
    Weiterentwicklung des Elterngeldes wäre die richtige
    Maßnahme zum richtigen Zeitpunkt, flankiert durch eine
    gute, verlässliche Kinderbetreuung.

    Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf zum Vollzug des
    Elterngelds hat die Bundesregierung leider nicht die
    Chance genutzt, Familienpolitik entlang der Bedürfnisse
    von Familien zu machen und das Elterngeld substanziell
    weiterzuentwickeln. Neben richtigen verwaltungstechni-
    schen Veränderungen, die zu einer Verkürzung der Bear-
    beitungszeiten und zu einem Abbau von Bürokratie füh-
    ren sollen, drohen durch die Gesetzesänderung jedoch
    auch Verschlechterungen für bestimmte Personengrup-
    pen. Ich spreche hier von Eltern und Kindern mit Behin-
    derungen. Durch die Reform werden behinderungsbe-
    dingte Freibeträge bei der Berechnung des Elterngelds
    ausgeklammert. Das führt zu einer Absenkung des aus-
    gezahlten Elterngelds. Eltern mit Behinderungen oder
    Eltern, deren Kinder mit Behinderungen aufwachsen,
    sind jedoch ohnehin oft in ihrer Erwerbstätigkeit einge-
    schränkt. Daher wäre es ungerecht und nicht im Sinne
    der Zielsetzung des Elterngelds, wenn die wirtschaftli-
    che Situation dieser Familien durch ein geringeres El-
    terngeld weiter verschlechtert wird. Hier muss die Bun-
    desregierung dringend eine Lösung finden. Statt sich
    wegen des Betreuungsgeldes in immer neuen Krisenge-
    sprächen aufzureiben, sollte sie endlich die richtigen
    Prioritäten in der Familienpolitik setzen.



Rede von Katrin Dagmar Göring-Eckardt
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuss für

Familie, Senioren, Frauen und Jugend empfiehlt in sei-
ner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/9841, den
Gesetzentwurf des Bundesrates auf Drucksache 17/1221
in der Ausschussfassung anzunehmen.

Wir stimmen zunächst über den Änderungsantrag der
Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/9996 ab. Wer
stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? –
Der Änderungsantrag ist abgelehnt bei Zustimmung
durch die einbringende Fraktion, Bündnis 90/Die Grü-
nen und SPD. CDU/CSU und FDP waren dagegen.

Ich bitte jetzt diejenigen, die dem Gesetzentwurf in
der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Hand-
zeichen. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? –
Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist angenommen bei
Zustimmung durch die Koalitionsfraktionen. Die SPD
war dagegen. Bündnis 90/Die Grünen und die Linke ha-
ben sich enthalten.

Dritte Beratung

und Schlussabstimmung. Wer möchte zustimmen und er-
hebt sich deswegen? – Die Gegenstimmen! – Die Ent-
haltungen! – Mit dem gleichen Stimmenverhältnis wie
vorher ist der Gesetzentwurf in dritter Beratung ange-
nommen.

Wir kommen zum Entschließungsantrag der Fraktion
der SPD auf Drucksache 17/9997. Wer stimmt für den
Entschließungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Enthal-
tungen? – Der Entschließungsantrag ist abgelehnt bei
Zustimmung durch die einbringende Fraktion, Bünd-
nis 90/Die Grünen und die Linke. Die Koalitionsfraktio-
nen waren allerdings dagegen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 33 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Harald Terpe, Tom Koenigs, Hans-Christian
Ströbele, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Eigengebrauch von Cannabis wirksam entkri-
minalisieren – Nationale und internationale
Drogenpolitik evaluieren

– Drucksache 17/9948 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Gesundheit (f)

Innenausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung

Auch hierzu sind die Reden zu Protokoll gegeben
und genommen.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Karin Maag


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)


    In Ihrem Antrag sprechen Sie davon, dass Cannabis

    eine Alltagsdroge sei. Aber die aktuelle Repräsentativ-
    erhebung „Die Drogenaffinität Jugendlicher in der Bun-
    desrepublik Deutschland 2011“ der Bundeszentrale für
    gesundheitliche Aufklärung zeigt, dass der Konsum von





    Karin Maag


    (A) (C)



    (D)(B)


    Alkohol, Tabak und Cannabis unter Jugendlichen im
    Alter von 12 bis 17 Jahren in den letzten zehn Jahren
    kontinuierlich zurückgegangen ist. Im Jahr 2011 gaben
    6,7 Prozent der 12- bis 17-jährigen Jugendlichen an,
    schon einmal Cannabis konsumiert zu haben. Damit hat
    sich der Prozentsatz im Vergleich zum Spitzenwert aus
    dem Jahr 2004 – 15,1 Prozent – mehr als halbiert.

    Im Gegensatz zum insgesamt positiven Trend bei den
    Jugendlichen ist bei den jungen Erwachsenen zwischen
    18 bis 25 Jahren der Alkoholkonsum unverändert hoch
    und der Cannabiskonsum stabil.

    Wenn wir aber wenigstens solche Erfolge zumindest
    bei den Jugendlichen vorweisen können, gäben wir doch
    ein völlig falsches Signal, wäre es geradezu kontrapro-
    duktiv, wenn man wie Sie die Legalisierung der Droge
    fordert.

    Zusätzlich ist auch die Anzahl der Personen, die sich
    in Behandlung begibt, weiterhin hoch. Im Jahr 2010 wa-
    ren es 23 349 Personen, die wegen einer cannabisbezo-
    genen Störung eine ambulante oder stationäre Therapie
    gemacht haben.

    Es ist meines Erachtens außerordentlich wichtig und
    muss doch hoffnungsvoll stimmen, wenn deutlich weni-
    ger Kinder und Jugendliche Cannabis konsumieren. Un-
    sere Prävention wirkt offensichtlich. Eine derart unver-
    antwortliche Haltung Ihrerseits in der Drogenpolitik
    kann ich nicht nachvollziehen.

    Eine Änderung des Betäubungsmittelgesetzes, wo-
    durch die Strafbarkeit bei Personen entfällt, die Canna-
    bis in geringen Mengen zum Eigenverbrauch konsumie-
    ren, wird es mit uns nicht geben.

    Eine sinnvolle Suchtpolitik stellt den Menschen in den
    Mittelpunkt mit seinen spezifischen, meist suchtstoff-
    übergreifenden Problemen. Es geht um die Fragen der
    Entstehung von Sucht, der meist ein komplexes Geflecht
    aus Erfahrung im Umgang mit anderen Menschen, Stö-
    rungen im emotionalen Gleichgewicht oder Misshand-
    lung zugrunde liegt.

    Wir stellen mit unserem Verständnis von Drogen und
    Suchtpolitik deshalb Prävention, Therapie, Hilfe zum
    Ausstieg und die Bekämpfung der Drogenkriminalität in
    den Mittelpunkt. Unser christliches Menschenbild geht
    vor allem vom freien unabhängigen Menschen aus.
    Denn wer abhängig ist, kann nicht frei über sein Leben
    entscheiden. Genau deshalb stehen wir zuerst für Prä-
    vention und im zweiten Schritt für Hilfe zum Ausstieg.

    Staatliche Strafverfolgung ist und bleibt notwendig,
    um den Schutz der Gesundheit Dritter, aber vor allem
    auch von Kindern und Jugendlichen, zu sichern. Der
    Bund fördert mit diesem Verständnis von Sucht zahlrei-
    che Initiativen und Projekte, die sich insbesondere an ju-
    gendliche Konsumenten wenden. Ich verweise hier zum
    Beispiel auf das Internetangebot der BZgAw „drug-
    com.de“.

    Wir wollen die Menschen mit riskantem Cannabis-
    konsum so früh wie möglich mit unterschiedlichsten An-
    geboten erreichen, um so den Ausstieg zu ermöglichen

    oder zumindest den Konsum zu reduzieren. Das ist für
    mich der richtige Weg.

    Konkret zu Ihrem Antrag stelle ich fest: Illegale Dro-
    gen wie Cannabis stellen nachgewiesenermaßen und
    entgegen Ihrer Darstellung für die Gesundheit der Men-
    schen eine erhebliche Gefahr dar. Während in anderen
    europäischen Staaten, allen voran den Niederlanden,
    der Konsum von Cannabis – Haschisch, Marihuana –
    immer weiter eingeschränkt wird, wollen Sie mit Ihrem
    Antrag Cannabis in Deutschland künftig erlauben.
    Nochmals: Cannabis ist kein harmloses Betäubungsmit-
    tel. Der Cannabiskonsum birgt nach neueren medizini-
    schen Erkenntnissen erhebliche physische und psychi-
    sche Risiken. Chronischer Konsum kann nicht nur zur
    psychischen, sondern auch zur körperlichen Abhängig-
    keit führen. Genau davor will das BtmG schützen.

    Ein wissenschaftliches Gutachten aus den Niederlan-
    den aus dem Jahr 2008 bestätigt überdies, dass die Ein-
    führung von Cannabisclubs, ein Thema, das Ihnen auch
    am Herzen liegt, der organisierten Kriminalität erhebli-
    chen Vorschub leistet, weil die Trennung der Märkte, das
    ursprüngliche Ziel der niederländischen Drogenpolitik,
    nicht funktioniert.

    Nicht zuletzt gehen wir sehr differenziert vor: Mit der
    25. Verordnung zur Änderung betäubungsmittelrechtli-
    cher Vorschriften haben wir neben wichtigen anderen
    Regelungen zur Verbesserung der betäubungsmittel-
    rechtlichen Rahmenbedingungen auf dem Gebiet der
    Palliativmedizin auch die betäubungsmittelrechtlichen
    Voraussetzungen für die Zulassungs- und Verschrei-
    bungsfähigkeit cannabishaltiger Fertigarzneimittel ge-
    schaffen. Eine Legalisierung des Cannabiskonsums
    – egal in welcher Menge – lehnen wir aber weiterhin ab.

    Nur nochmal zur Erinnerung: Die von mehr als
    180 Staaten unterzeichneten Suchtstoffkonventionen der
    Vereinten Nationen verpflichten die Bundesrepublik
    Deutschland überdies, die Verwendung von Cannabis
    und anderen Suchtstoffen auf ausschließlich medizini-
    sche oder wissenschaftliche Zwecke zu beschränken so-
    wie den Besitz, Kauf und Anbau für den persönlichen
    Verbrauch mit Strafe zu bewehren. Deshalb ist in
    Deutschland wie auch in anderen europäischen Staaten,
    die allesamt Vertragsstaaten der Suchtstoffkonventionen
    sind, der Verkehr mit Cannabis, dazu zählen insbeson-
    dere Anbau, Herstellung, Handel, Einfuhr, Abgabe, Ver-
    äußerung, Erwerb und Besitz von Pflanzen oder Pflan-
    zenteilen, nach dem BtMG grundsätzlich strafbar.

    (Eigen Zudem ist in der von Ihnen zitierten „Cannabisentscheidung“ des Bundesverfassungsgerichts vom 9. März 1994 gerade ausdrücklich die Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Cannabisverbote anerkannt. Mit seinen Beschlüssen vom 29. Juni 2004 und 30. Juni 2005 hat das Bundesverfassungsgericht sogar seine früheren Entscheidungen zur Strafbarkeit in aller Deutlichkeit bestätigt und unsere Haltung ausdrücklich gestärkt. Das Gericht hat lediglich die Strafverfolgungsorgane aufgefordert, von der Verfolgung der in § 31 a des Betäubungsmittelgesetzes – einer damals noch sehr jungen Zu Protokoll gegebene Reden Karin Maag Vorschrift – bezeichneten Straftaten unter den dort genannten Voraussetzungen nach dem Übermaßverbot abzusehen bzw. die Strafverfahren einzustellen. Die Länder wurden aufgefordert, für eine einheitliche Einstellungspraxis bei Strafverfahren wegen Cannabisbesitz – zum Beispiel hinsichtlich der „geringen Menge“ – zu sorgen. Dieser Verpflichtung sind die Länder nachgekommen. In der Regel findet eine Verurteilung wegen des Besitzes kleiner Mengen Cannabis bis zu 6 Gramm unter den übrigen Voraussetzungen nicht statt. Wenn Sie dann von unterschiedlichen Einstellungspraktiken sprechen, so kann ich nur auf den Föderalismus verweisen. Auch bezüglich des Anbaus, Handels und Besitzes von Cannabis bleibt die Rechtslage mit uns unverändert. Denn die grundsätzliche Strafbarkeit beruht auf der Gefahr der Weitergabe an Dritte und dem Ziel des Gesundheitsschutzes des Einzelnen und der Bevölkerung. Auch neuere Studien haben Cannabis nicht als unbedenklich bewertet, vielmehr wird auf eine Reihe akuter und langfristiger Risiken des Cannabiskonsums hingewiesen. Die Gefährlichkeit des Cannabiskonsums wird in den letzten Jahren sogar eher höher eingeschätzt als früher, zumal eine stetige Steigerung des THC-Gehalts bei Cannabisprodukten zu beobachten ist. Die Gesundheitsgefahren des Cannabismissbrauchs gerade bei Jugendlichen und Heranwachsenden sind medizinisch erwiesen. Ich bin auch dankbar, dass sich in jüngster Zeit grundsätzlich ein Rückgang im Konsum und in der Verbreitung von Cannabis zeigt. Dies zeigt doch vor allem, dass unsere zahlreichen Initiativen und Projekte Wirkung zeigen. Dies gilt es fortzusetzen. Dafür stehen dem Bund in diesem Jahr rund 12,6 Millionen Euro und insbesondere rund 7 Millionen Euro für Aufklärungsmaßnahmen zur Verfügung. Um letztlich noch auf Ihren zweiten Antrag einzugehen: Richtig ist, dass Deutschland weiterhin die internationale Zusammenarbeit im Bereich des Betäubungsmittelrechts aktiv mitgestaltet. Die Drogenbeauftragte hat zuletzt in der Sitzung des Gesundheitsausschusses vom 13. Juni 2012 dazu berichtet. Selbstverständlich fließen auch diese internationalen Erkenntnisse in die Drogenpolitik der christlich-liberalen Koalition ein. Aber Evaluierung heißt erfassen und bewerten, nicht 1:1-Umsetzung. Die christlich-liberale Fraktion wird die Bundesregierung dort in ihren Reformbemühungen unterstützen, wo dies aus ihrer Sicht notwendig ist. Auf das differenzierte Vorgehen im Hinblick auf cannabishaltige Fertigarzneimittel habe ich bereits beispielhaft verwiesen. Dazu bedarf es keiner weiteren Kommission. Schlussendlich bleibt festzuhalten: Mit dem Willen unserer Fraktion werden auch künftig der Handel und die Verwendung von Cannabis zu Rauschzwecken verboten bleiben. Durch die präventive Wirkung der Strafdrohung soll die Verfügbarkeit und Verbreitung der Substanz weiterhin eingeschränkt bleiben. Ein Wegfall der Strafbarkeit und, damit gleichgesetzt, eine Freigabe der Droge ist ein gesundheitliches und innenpolitisches Armutszeugnis. Eine weitere Freigabe von Rauschmitteln ist angesichts der enormen Anstrengungen, den Missbrauch von Alkohol zu verhindern und Jugendliche zu schützen, nicht vertretbar. Eine Öffnung würde zu einem deutlich höheren Konsum und einer größeren Zahl von Abhängigen führen. In der Folge kämen auch Kinder und Jugendliche einfacher und häufiger mit diesem Rauschund Suchtmittel in Kontakt. Dies könnte insbesondere von dieser Personengruppe als Aufmunterung zum Drogenkonsum verstanden werden. Wir lehnen daher alle Maßnahmen mit dem Potenzial zur unmittelbaren und aktiven Förderung des Konsums von illegalen Drogen ab. Der effektivste Schutz vor illegalen Substanzen besteht vielmehr darin, den Konsum dieser Substanzen konsequent zu unterlassen. Das erfordert unsere Anstrengungen in der Prävention und vor allem auch dahin gehend, die Lebensbedingungen für junge Menschen in Deutschland so zu gestalten, dass eine Flucht aus der Realität in die Sucht erst gar nicht als Ausweg in Betracht gezogen wird. Genau in diesem Bereich ist die christlich-liberale Koalition mit ihren Anstrengungen zum Beispiel für Arbeitsplatzsicherheit und daraus resultierend zum Beispiel einer der besten Quoten für Jugendarbeitslosigkeit in Europa auf dem richtigen Weg. Die Rechtspraxis bezüglich des § 31 a des Betäu bungsmittelgesetzes ist in den jeweiligen Bundesländern und Gerichtsbezirken in der Tat nicht einheitlich und damit aus rechtsstaatlichen und demokratiepolitischen Gründen durchaus problematisch. Zu Recht kritisieren dies die Grünen in ihrem Antrag. Und die Debatte ist nicht neu. Die damalige SPD-geführte Bundesregierung hatte schon als Reaktion auf die sogenannte HaschischEntscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 1994 bei den zuständigen Landesjustizministerien insbesondere die Festlegung einer „geringen Menge“ für den Eigenkonsum angeregt. Vor allem die starre Haltung der unionsgeführten Bundesländer in dieser Problematik hat dazu geführt, dass es bis heute keine einheitliche Regelung zur Festlegung der Kriterien für die Einstellungspraxis nach § 31 a BtMG gibt und wir uns immer wieder mit unterschiedlichen Gerichtsurteilen in den einzelnen Gerichtsbezirken und Bundesländern auseinandersetzen müssen. Ich erinnere Sie an die letzte Anhörung des Gesundheitsausschusses zum Thema Cannabis als Arzneimittel, in der dieses Thema auch zur Sprache kam. Dies kann der Gesetzgeber nicht hinnehmen. Dies untermauern auch die im Antrag angeführten Studien zur Rechtsanwendung. Der heute eingebrachte Antrag der Grünen fordert also aus meiner Sicht zu Recht eine einheitliche Strafverfolgung, doch schießt er meines Erachtens in anderen Teilen ein Stück weit über das Ziel hinaus. Ist die Forderung nach einer Kommission zur Evaluierung des Betäubungsmittelgesetzes noch verständlich und unterstützenswert, so ist die Forderung nach einem Gesetzentwurf, der den Anbau von Cannabis ohne transparente und exakte Grenze straffrei stellen soll, unrealistisch und naiv. Ich kann es Ihnen nicht ersparen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Grünen-Fraktion: Die Anhörun Zu Protokoll gegebene Reden Angelika Graf gen des Deutschen Bundestages zum Konsum von Cannabis scheinen Sie leider nur sehr selektiv wahrzunehmen. Sowohl die Frage, inwiefern Cannabiskonsum die Wahrscheinlichkeit für einen späteren Konsum härterer Drogen erhöht, als auch die Frage nach der Gesundheitsgefährdung durch gelegentlichen oder regelmäßigen Konsum von Cannabis sind in den Anhörungen mitnichten so eindeutig widerlegt worden, wie die Grünen in ihrem Antrag behaupten. Zudem geben die Grünen weder auf die Frage, wie der Anbau zum Eigenverbrauch definiert bzw. kontrolliert werden soll, eine glaubhafte Begründung noch für Folgeprobleme, die mit so einer Regelung entstehen würden, wie zum Beispiel die Kontrolle des THC-Grenzwerts von Konsumenten im Straßenverkehr. Dabei ist beim Cannabis die Dosis/Konzentration-Wirkung-Beziehung immer noch weitgehend unbekannt, und sie kann nicht so zuverlässig wie beim Alkoholkonsum kontrolliert werden. Bei Cannabis handelt es sich um eine Vielzahl von Mitteln und Substanzen mit unterschiedlichen Auswirkungen auf die Fahrleistungen. Ich habe das Gefühl, im Gegensatz zu anderen Problematiken und Sachverhalten erscheinen Ihnen solche Detailfragen erstaunlich lästig und unwillkommen. Das macht einen dann schnell skeptisch. Die Liberalisierung des Eigengebrauchs beim Cannabiskonsum scheint für Sie ein überfälliges Zeichen an Ihre Wählerinnen und Wähler zu sein. So liest sich zumindest der Antrag spätestens bei den Begründungen. Diese wirken auf mich wie Teile eines Strategiepapiers des Hanfverbands. Was für die FDP die Unterstützung der privaten Krankenversicherung ist, ist für die Grünen vermutlich die regelmäßige Forderung nach der Freiheit des Kiffens. Mich sorgt dabei vor allem die sichtbare Bagatellisierung der Gesundheitsgefährdungen durch den regelmäßigen Konsum von Cannabis sowie vor allem die Gedankenlosigkeit der Grünen bei zu definierenden Grenzen des Eigengebrauchs. Warum legen Sie sich nicht auf eine feste Grenze für eine mögliche Geringe-Mengen-Regelung für § 31 a in Verbindung mit § 29 BtMG fest? Weil dem Hanfverband 10 oder 15 Gramm nicht reichen, oder weil Sie fürchten, in den Verhandlungen mit unionsgeführten Ländern unter diesen Grenzen zu landen? Sie schreiben selbst in der Begründung des Antrags – übrigens fast im Stil einer Gebrauchsanweisung –, dass der Ertrag allein einer Cannabispflanze bereits über 10 Gramm liegen könnte. Und Sie schlussfolgern daraus, dass man neue Regelungen für den Anbau von Pflanzen und für den Erwerb von Samen brauche. Sie beantworten die Fragen aber nicht, wer denn für die Kontrolle dieses Anbaus zuständig sein soll, wer ihn überwachen soll etc. In den weiteren Beratungen dieses Antrags werden Sie deutlich machen müssen, wie viele Pflanzen es Ihrer Meinung nach sein sollen, inwiefern wir uns auf die angeblich etwas kleinere Psychosewahrscheinlichkeit durch Cannabis verlassen können, ob es anderslautende Studien gibt und wie die Folgeprobleme eines straffreien Eigenanbaus gelöst oder vermieden werden können. Welches Signal ein straffreier Eigenanbau für die Suchtprävention ist und wie die Grenze des Eigenanbaus definiert und kontrolliert werden soll, wären weitere Fragen der praktischen Politik und Rechtsanwendung, die Sie – ähnlich der daueroppositionellen Linksfraktion – bei diesem Thema stets unbeantwortet lassen. An der FDP können Sie sehen, wie schief es gehen kann, wenn man sich auf Geschenke an die eigene Klientel konzentriert. Auf die 4,8 Prozent der Cannabiskonsumenten, die Sie in Ihrem Antrag als Begründung für eine Legalisierung angeben, würde ich mich dabei nicht verlassen; denn auch diese Bürgerinnen und Bürger schätzen eine verantwortungsvolle Politik, die beispielsweise den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Drogen und Sucht ernst nimmt. Und davon ist in Ihrem Antrag leider keine Silbe zu lesen. Sehr schade. Ziel des vorliegenden Antrags ist der komplette Weg fall der Strafbarkeit von Konsum, Anbau, Herstellung, Einführung, Erwerb, Besitz und Handel von Cannabis. Das ist unhaltbar. Ich halte den Weg, den Gelegenheitskonsum von Cannabis ein Stück weit zu entkriminalisieren, durchaus für richtig. Es gilt, angemessen und verhältnismäßig auf die Tatsache zu reagieren, dass das gelegentliche Rauchen eines Joints ein gesellschaftliches Phänomen ist, das nicht mit aller Staatsmacht angegangen werden muss. Deshalb halte ich eine Entkriminalisierung über den Weg geringer Eigenbedarfsmengen für praktikabel. Dabei muss zunächst festgehalten werden: Der bloße Konsum von Cannabisprodukten war schon immer straffrei, nur der Besitz und Handel etc. nicht. Es gilt weiterhin: Wer Cannabisprodukte „anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in Verkehr bringt, erwirbt oder sich in sonstiger Weise verschafft“ – so hält der § 29 des Betäubungsmittelgesetzes es fest – macht sich strafbar. Allerdings gab es durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts bereits eine gewisse Entkriminalisierung des Eigengebrauchs von Cannabis. Das Bundesverfassungsgericht hat sich jedoch nicht genau festgelegt, was eine geringfügige Menge denn nun tatsächlich ist. Das Gesetz unterscheidet nur zwischen der „geringen Menge“, der „Normalmenge“ und der „nicht geringen Menge“, gibt dafür jedoch Anhaltspunkte. Es liegt im Ermessen der jeweiligen Bundesländer, inwieweit der Besitz gewisser Mengen straffrei bleibt. Die Länder haben da jeweils unterschiedliche Regelungen. Das erwähnte Urteil sollte vor allem dazu beitragen, Erstoder Geringkonsumenten zu entkriminalisieren, sodass von einer Strafverfolgung abgesehen werden kann, begründet unter anderem durch das verfassungsmäßige Verbot übermäßiger Bestrafung. Eine praktikable Entkriminalisierung des Eigenbedarfs würde durch eine Anhebung oder gar Aufhebung der Mengengrenze konterkariert. Eine praktikable Entkriminalisierung kann meines Erachtens nur über eine möglichst niedrige Menge gewährleistet werden. Denn nur dadurch, durch die möglichst niedrige Menge, wird deutlich, dass mit dem mitgeführten Betäubungsmittel kein Handel betrieben werden soll und ausschließlich Zu Protokoll gegebene Reden Christine Aschenberg-Dugnus der Eigenbedarf bzw. der tatsächliche eigene Konsum im Vordergrund steht. Je höher die Grammzahl jedoch ist, desto mehr kann man aus der mitgeführten Menge ableiten, dass vielleicht doch andere Konsumenten an dem Stoff teilhaben sollen und mit ihm gedealt werden könnte. Deshalb wäre eine Anhebung der Mengengrenze kontraproduktiv. Denn es kann nicht ausgeschlossen werden, dass der von den Grünen skizzierte „gemeinsame Konsum“ tatsächlich unentgeltlich stattfindet. Das ist grüne Träumerei. In Wahrheit wird doch gedealt, bis sich die Balken biegen. Bei allem gemeinsamen Bestreben, Erstoder Geringkonsumenten entgegenzukommen, muss festgehalten werden: Cannabis ist illegal, sein Konsum ist gefährlich und kann den Einstieg in eine Suchtspirale hin zu härteren Drogen bedeuten. Die in der Öffentlichkeit oft geäußerte völlige Unbedenklichkeit des Cannabiskonsums entspricht nicht den vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnissen. Experten warnen insbesondere, dass Cannabis immer stärker und immer giftiger wird. Der THC-Gehalt ist im Laufe der Jahre stetig gestiegen. Beispielsweise weisen Experten auf die Gefahr von schizophrenen Psychosen hin. So heißt schon es im Drogenund Suchtbericht der Bundesregierung vom Mai 2009, dass manche neue, synthetische Substanzen aus der Arzneimittelforschung stammen und daher eine vielfach stärkere Wirkung als das THC der Cannabispflanze haben. Dies bedeutet ein hohes gesundheitliches Risiko. Es sind Erkenntnisse wie diese, die mich ermutigen, weiterhin vor der Verharmlosung von Cannabis zu warnen – und eine weitergehende Entkriminalisierung würde genau diese Verharmlosung bewirken. Im Übrigen halte ich diesen Ansatz der Grünen für schizophren. Denn wo immer sie können, wollen sie den Konsum „normaler“ Tabakprodukte einschränken, verbieten oder sanktionieren. Aber wenn dem Tabak ein bisschen Harz oder Gras beigemischt ist, verfolgen sie eine ganz andere Linie. Das ist nur schwer nachvollziehbar. Ich freue mich darüber, dass nun auch die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen einen Antrag zur vollständigen Entkriminalisierung des Cannabiskonsums vorgelegt hat. Wir haben bereits mit unserem Antrag zur Einführung von Cannabisclubs – Drucksache 17/7196 – Ende des letzten Jahres einen konkreten Vorschlag für eine Legalisierung auf den Weg gebracht, der in einer öffentlichen Anhörung zum Antrag am 25. Januar 2012 mündete. Unser Ziel war es, einen Wettbewerb der Parteien zu initiieren, in welchem die besten Lösungen für eine moderne Drogenpolitik im Mittelpunkt stehen. Das haben wir erreicht. Der vorliegende Antrag geht in die richtige Richtung, auch wenn klar gesagt werden muss, dass unser Antrag zur Einführung von Cannabisclubs den weitergehenden Antrag darstellt. Leider beantwortet der Antrag der Grünen nämlich nicht die Frage nach dem Vertrieb von Cannabis. Nach dem vorliegenden Antrag sollen die Konsumierenden die Möglichkeit zum Eigenanbau erhalten. Ist das jedoch nicht möglich, müssen sie weiter hin auf den Schwarzmarkt zurückgreifen oder das Glück besitzen, jemanden zu kennen, der Eigenanbau betreibt und bereit ist, zu teilen. Außerdem muss betont werden, dass zur Ermöglichung des Eigenanbaus auch der Vertrieb von Samen erlaubt werden müsste. Das wird im Antrag – wenn überhaupt – nur implizit gefordert. Trotzdem ist der Antrag auf dem Weg zu einer modernen Drogenpolitik ein richtiger Schritt. Die Kriminalisierung der Cannabiskonsumierenden muss endlich ein Ende haben. Sie ist unverhältnismäßig der Bürgerin und dem Bürger gegenüber und steht dem Jugendund Verbraucherschutz vollkommen entgegen. Sie grenzt Cannabiskonsumierende aus der Gesellschaft aus. Diese werden gezwungen, sich an den Schwarzmarkt zu binden; im schlimmsten Fall entstehen dadurch Kriminalitätskarrieren. Die Kriminalisierung bedeutet zudem eine konkrete Verschlechterung des Gesundheitszustandes von Personen, die auf den Konsum von Cannabis aus medizinischen Gründen angewiesen sind. So berichtet Herr Dr. med. Grotenhermen, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin, in seiner Stellungnahme zur Anhörung des Gesundheitsausschusses am 9. Mai 2012 zur medizinischen Verwendung von Cannabis von einem erblindeten Multiple-Sklerose-Patienten, der vor etwa 15 Jahren festgestellt hat, dass Cannabis bei seiner Symptomatik hilfreich ist. Er wurde im Frühjahr dieses Jahres in einem Zug aus den Niederlanden mit 150 Gramm Cannabis aufgegriffen und muss sich nun strafrechtlich verantworten. Herr Grotenhermen berichtet ebenso von einem weiteren ihm bekannten Patienten aus Würzburg, der eine ähnliche Situation erlebte und daraufhin nach Spanien ausgewandert ist, da er die Bewährungsauflagen in Deutschland aus gesundheitlichen Gründen nicht einhalten konnte. Dass Cannabis unter das Betäubungsmittelgesetz fällt, stellt einen erheblichen Eingriff in die Bürgerrechte dar. Gerade deshalb müssen die Folgen dieses Eingriffs im Gleichgewicht zum Zweck der Maßnahme stehen, um legitim zu sein. Das ist bei der aktuellen Drogenpolitik nicht der Fall. Der Antrag der Grünen fordert richtigerweise eine einheitliche Rechtslage in Deutschland zum Eigenverbrauch von Cannabis. Aber wie bereits erwähnt, kann dies nur ein Zwischenschritt auf dem Weg zu einer vollkommenen Legalisierung von Cannabis sein. Wie im Antrag erwähnt, greift dieser ähnliche Initiativen der SPD-Bundestagsfraktion aus der 12. und 13. Legislaturperiode auf. Ich hoffe daher, dass die SPD endlich über ihren Schatten springt und dazu beiträgt, die Kriminalisierung endlich zu beenden. Es sollte aber nicht unerwähnt bleiben, dass SPD und Grüne in ihrer Regierungszeit 1998 bis 2005 keinerlei Verbesserungen im Bereich der Entkriminalisierung der Konsumierenden eingeführt und sich nicht für die Legalisierung von Cannabis und Cannabisprodukten eingesetzt haben. Auch unter der Federführung eines grünen Ministerpräsidenten in Baden-Württemberg sind bis heute noch keinerlei Verbesserungen für Cannabiskonsumierende eingetreten. Zu Protokoll gegebene Reden Frank Tempel Aber weiter zum Antrag: Die Forderung nach Einrichtung einer Kommission, die das Betäubungsmittelrecht im Hinblick auf unerwünschte Wirkungen formulieren soll, ist ein ebenso richtiger Schritt. Diese Kommission soll rechtliche, soziale und gesundheitliche Folgen evaluieren und Empfehlungen für Reformen in der Drogenpolitik abgeben. Hierbei sollten wir auf die Erfahrungen aus Portugal zurückgreifen: Dort ist man mit der Einrichtung einer solchen Kommission den ersten von vielen nötigen Schritten hin zu einer modernen Drogenpolitik gegangen. Die Anzahl der Konsumierenden oder Abhängigen von bis dato illegalisierten Drogen hat sich in Portugal nicht erhöht; dafür hat sich die Gesundheitslage der Abhängigen verbessert, die HIV-Infektionsrate ist zurückgegangen und die Kriminalisierung der Konsumierenden wurde beendet. Eine Evaluierung des gesamten Drogenstrafrechts ist daher auch in Deutschland dringend erforderlich. Kriminalisierung von Konsumentinnen und Konsu menten, Verhinderung der letzten medizinischen Behandlungsmöglichkeiten für chronisch kranke Menschen: Cannabis und der Umgang damit ist das Symbol dafür, was grundsätzlich falsch läuft in der nationalen und internationalen Drogenpolitik. Obwohl mittlerweile wissenschaftlich belegt ist, dass es für die Tatsache und die Höhe des Konsums von Cannabis keine Rolle spielt, ob diese Substanz verboten ist, hält die Bundesregierung nach wie vor daran fest. Gleichfalls wissenschaftlich belegt ist, dass die gesundheitlichen Risiken des Cannabiskonsums unter denen von Alkohol oder Tabak liegen. Trotzdem hält die Bundesregierung an dem Verbot fest und verbreitet weiter die unhaltbare These, dass der Cannabiskonsum per se gefährlich sei. Und obwohl inzwischen klar ist, dass es vor allem die Kriminalisierung der Konsumentinnen und Konsumenten ist, die durch den Schwarzmarkt zu erheblichen gesundheitlichen Risiken führt, hält die Bundesregierung an dem Verbot fest und nimmt damit erhebliche Gesundheitsschäden der vielfach jungen Menschen in Kauf. Diese Erkenntnisse sind nicht neu. Schon 2004 hat die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen angemerkt, dass die strafrechtliche Verfolgung der Konsumentinnen und Konsumenten kontraproduktiv ist. Die Europäische Drogenbeobachtungsstelle hat ebenfalls darauf hingewiesen, dass es keinen Zusammenhang zwischen gesetzlichen Regelungen und dem Konsum gibt. 2009 hat eine Studie im Auftrag der Bundesregierung ergeben, dass etwa zwei Drittel des finanziellen Engagements des Staates in Bezug auf Drogen in repressive Maßnahmen fließen. 10 Prozent der gesamten öffentlichen Ausgaben für die öffentliche Sicherheit und Ordnung haben einen Bezug zu illegalen Drogen. Nur ein geringer Teil der Mittel fließt hingegen in Prävention, Therapieund Hilfsangebote. Und schon vor fast 20 Jahren hat eine Studie im Auftrag des Bundeskriminalamts die These von Cannabis als Einstiegsdroge verworfen. Ich frage mich nun ernsthaft, warum wir uns eigentlich auf nationaler und europäischer Ebene all die Studien und Beratungsinstitutionen in der Drogenpolitik leisten, wenn deren Erkenntnisse insbesondere durch die Bundesregierung überhaupt nicht berücksichtigt werden. Oder um grundsätzlich zu fragen: Warum verzichten wir in der Drogenpolitik auf Evidenz? Warum werden Forschungsergebnisse ignoriert und weiter Mythen verbreitet? Warum macht die Bundesregierung drogenpolitische Strategien und evaluiert nicht einmal, ob und wie ihre repressiven Maßnahmen in der Drogenpolitik wirken? Warum behaupten Sie nach wie vor, Cannabis sei eine Einstiegsdroge oder habe eine Schrittmacherfunktion, obwohl seit 20 Jahren das Gegenteil belegt ist? Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Frau Dyckmans, behauptet, sie würde für eine moderne, am Menschen orientierte Drogenpolitik stehen. Am 26. März dieses Jahres hat sich nun diese Drogenbeauftragte zusammen mit dem Präsidenten des Bundeskriminalamts vor die Presse gestellt und gefordert, den Kampf gegen die Betäubungsmittelkriminalität weiterhin mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln – präventiv wie repressiv – zu betreiben. Und so frage ich die Bundesregierung weiter: Warum spielt es keine Rolle für Sie, dass der von ihr propagierte „War on drugs“ viele Staaten an den Abgrund geführt und allein in Mexiko seit 2007 fast 50 000 Menschenleben gekostet hat? 1994 hat das Bundesverfassungsgericht in seinem damaligen Urteil darauf hingewiesen, dass auch bei Cannabiskonsumenten das verfassungsrechtliche Übermaßverbot zu gelten hat. „Die Verhängung von Kriminalstrafe gegen Probierer und Gelegenheitskonsumenten kleiner Mengen von Cannabis kann in ihren Auswirkungen auf den einzelnen Täter zu unangemessenen und spezialpräventiv eher nachteiligen Ergebnissen führen, wie etwa einer unerwünschten Abdrängung in die Drogenszene“, urteilte das Bundesverfassungsgericht seinerzeit. Allerdings hat die herrschende Drogenpolitik hieraus kaum Schlüsse gezogen. Nach wie vor wird das Märchen erzählt, der Eigengebrauch von Cannabis sei entkriminalisiert. Die Bundesregierung behauptet in der gewohnten Spitzfindigkeit, ihr lägen keine Erkenntnisse vor über die Zahl konsumnaher Delikte. Dann gebe ich Ihnen eine Hilfestellung: Schauen Sie einfach in die sogenannten Lagebilder Rauschgiftkriminalität des Bundeskriminalamts und dort unter Allgemeine Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz. Da werden Sie entsprechende Zahlen finden: Gegen fast 100 000 Menschen werden Jahr für Jahr Strafverfahren eröffnet, weil sie Cannabis zum Eigenverbauch besitzen oder anbauen. Schauen Sie sich an, bei wie vielen Cannabiskonsumentinnen und -konsumenten Jahr für Jahr die Fahreignung überprüft wird oder wie viele gar ihre Fahrerlaubnis verlieren, obwohl sie gar nicht unter Einfluss dieser Droge gefahren sind. Diesen Menschen mag die Behauptung, der Eigengebrauch von Cannabis sei bei uns entkriminalisiert, wie Hohn in den Ohren klingen. Zu Protokoll gegebene Reden Dr. Harald Terpe Wir erleben in Berlin gerade, wie ohne Not eine Absenkung der sogenannten geringen Menge für Cannabis erwogen wird. Dabei zeigen uns Studien, dass es keinerlei Rolle für den Cannabiskonsum spielt, ob die geringe Menge bei 15 Gramm oder 6 Gramm liegt. In Berlin wird eine rein ideologische Diskussion geführt, die niemandem nutzt, aber am Ende viel Schaden anrichtet. Da sind unsere Kolleginnen und Kollegen von der SPD hier im Bundestag offensichtlich deutlich weiter. Deren drogenpolitische Sprecherin, Frau Graf, befürwortete immerhin kürzlich eine Entkriminalisierung von „Süchtigen“ und sprach sich für eine bundeseinheitliche geringe Menge aus. Wir wollen vor diesem Hintergrund mit unserem Antrag nun einen neuen Anlauf nehmen, um eine Entkriminalisierung des Eigengebrauchs von Cannabis zu erreichen. Unser Vorschlag ist eine Regelung, durch welche die Strafbarkeit des Eigengebrauchs von Cannabis entfällt. Das ist zwar noch keine Legalisierung, wie wir sie uns vorstellen, aber es ist ein erster Schritt, um die Konsumentinnen und Konsumenten endlich wirksam vor Kriminalisierung zu schützen. Es wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 17/9948 an die Ausschüsse vorgeschlagen, die Sie in der Tagesordnung finden. – Sie sind damit einverstanden. Dann haben wir das so beschlossen. Tagesordnungspunkt 34: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines … Strafrechtsänderungsgesetzes – Beschränkung der Möglichkeit zur Strafmilderung bei Aufklärungsund Präventionshilfe – Drucksache 17/9695 – Überweisungsvorschlag: Rechtsausschuss Innenausschuss Die Reden wurden zu Protokoll genommen. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Ände rung des Strafgesetzbuchs, mit der offiziellen Bezeichnung „Beschränkung der Möglichkeit zur Strafmilderung bei Aufklärungsund Präventionshilfe“ hat zum Gegenstand, den Anwendungsbereich der Kronzeugenregelung einzuschränken. Die erst 2009 eingeführte Änderung der Kronzeugenregelung hat sich als sehr weitgehend erwiesen. Daher ist eine Korrektur angebracht, zumal es unserem Rechtssystem ohnehin eher wesensfremd ist, über Strafen zu verhandeln. Unser Strafrecht beruht auf dem Schuldprinzip. Das Schuldprinzip bedeutet, dass eine gerechte, schuldangemessene und vor allem gleichmäßige, also in vergleichbaren Fällen ähnliche Strafe zu finden ist. Wir reden hier von schweren Straftaten und schwerkriminellen Tätern und Strukturen. Ein „strafrechtlicher Deal“, und einen solchen stellt die Kronzeugenregelung dar, kann damit nur in den Fällen gerechtfertigt sein, in denen der Staat, weil er ansonsten an die bedeutsamen Hintermänner schwerer Straftaten nicht herankommen kann, sie weder aufklären noch verhindern könnte, kapitulieren müsste. Dies betrifft damit nur Bereiche, in denen der Staat in „Aufklärungsnotständen“ ist. Die Kronzeugenregelung sollte also nicht inflationär, sondern nur restriktiv in geeigneten Fällen angewandt werden. Dies ist angezeigt bei organisierter Banden-, Milieuund Wirtschaftskriminalität, bei terroristischen Vereinigungen und bei Serientaten, Korruption, sowie Betäubungsmittelkriminalität also Straftaten, bei Verbrechen Hand in Hand gehen die feste Strukturen aufweisen, bei denen das Schweigen Voraussetzung für den Verbrechenserfolg ist und wo der Verräter sich selbst erheblicher, gar einer Lebensgefahr aussetzen würde. Das ist also dort, wo wir derartig straffen Strukturen gegenüberstehen, dass nur die Offenbarung von Insiderwissen eine Strafverfolgung oder Verhinderung ermöglicht. Das sind Taten, bei denen der übliche Instrumentenkasten der normalen Ermittlungen nicht mehr ausreicht. Will der Staat nicht vor diesen Verbrechen kapitulieren, muss er andere Methoden anwenden, wie das Einschleusen von verdeckten Ermittlern oder die Belohnung für das Offenbaren von Insiderwissen. Das Insiderwissen gibt es aber nicht umsonst. Der Preis, den wir dafür bezahlen müssen, ist, dem Straftäter, der zur Offenbarung seines Wissens bereit ist, mit einer Strafmilderung entgegenzukommen. Die Kronzeugenregelung ist also eine Strafrahmenverschiebung, die auf einem Deal beruht. Die durch die Aussage des Kronzeugen mögliche Verurteilung oder Prävention von Straftaten fordert jedoch rechtspolitisch einen durchaus hohen Preis: Durch die verhandelte Strafmilderung wird das Prinzip einer gleichmäßigen, berechenbaren und der Schuld angemessenen Bestrafung verwischt. So kann sich ein Täter mit besonders großer Schuld möglicherweise einen Vorteil bei der Strafzumessung erhandeln, den sogenannte kleine Straftäter nicht erlangen können. Wir wenden das Strafrecht also ungleich an. Es besteht auch immer die Gefahr, dass sich Täter durch falsche Beschuldigungen versuchen, einen Vorteil zu erkaufen. Anders als ein unbelasteter Zeuge ist es ein Straftäter, dem es freisteht, sich zu äußern und ob und wie sehr er sich selbst belasten will. Der Kronzeuge ist eben nicht der unbelastete und objektive Zeuge im Strafprozess. Er kann seinen Tatbeitrag verharmlosen und den anderer Täter preisgeben, um für sich und unter Umständen mit einem „faulen Deal“ einen erheblichen Vorteil bei der Strafzumessung zu erzielen. Er kann seinen Tatbeitrag ungestraft verharmlosen, obwohl er Schlimmeres begangen hat, um so Strafklageverbrauch in eigener Sache zu erreichen. Letztlich bleibt daher immer auch ein Zweifel an dem Wert und der Qualität der Aussage vom Kronzeugen. Ansgar Heveling Diese schwere Einschätzung fällt allerdings erheblich leichter, wenn das Offenbarte im Zusammenhang mit der eigenen Tat steht. Gleichzeitig lässt der Kronzeuge damit erkennen, wie sehr er sich von der Tat und der Gruppe distanziert. Dies macht auch seine Aussage wertvoller und damit gewichtiger für seine Schuldfrage. Nur aus diesem Gesichtspunkt kann es gerechtfertigt sein, das Maß des Schuldvorwurfs und damit das Maß der Strafe zu reduzieren. Soweit er andere Straftaten, die nicht im inhaltlichen Zusammenhang mit seiner eigenen Straftat stehen, aufklären oder verhindern hilft, findet dies ausreichend Berücksichtigung durch eine Milderung der Strafe durch die Anwendung der allgemeinen Strafzumessungsregelung des § 46 StGB. Es geht bei der Beurteilung einer Kronzeugenregelung also im Ergebnis immer darum, die Möglichkeit der Aufklärung einer Straftat dort, wo der Staat im Ermittlungsnotstand ist, auf der einen Seite gegenüber dem Preis einer erkauften Strafmilderung auf der anderen Seite abzuwägen. Ich meine, dass der aktuelle Gesetzentwurf einen ausgewogenen Kompromiss anbietet. Die Offenbarung von Insiderwissen zur Aufklärung oder der Verhinderung von Straftaten sollte in einem Zusammenhang zu der eigenen Straftat stehen. Nur in diesem Kontext ist der rechtstreuen Bevölkerung die Vergünstigung bei der Milderung des Schuldvorwurfs und der Strafe durch die Kronzeugenregelung zu vermitteln: nämlich eine Strafmilderung für die eigene Tat, wo die Offenbarung von Insiderwissen im Zusammenhang mit der eigenen Tat steht und zu eine Aufklärung oder Verhinderung von gravierenden Taten anderer erst ermöglicht wird. Nur so lässt sich der strafrechtliche Handel, der der Kronzeugenregelung zugrunde liegt, vor der rechtstreuen Bevölkerung glaubhaft und nachvollziehbar rechtfertigen. Im Jahre 2009 haben die Koalitionsfraktionen nach langem Ringen und vielen Diskussionen die Neuauflage der sogenannten Kronzeugenregelung verabschiedet. Diese Regelung dient der effizienteren Aufklärung und Verhinderung von Straftaten, insbesondere in den Bereichen organisierte Kriminalität und terroristische Vereinigungen. Unter der Voraussetzung, dass die Aussage des Kronzeugen tatsächlich zu einem Aufdeckungserfolg führt oder die Begehung bestimmter Straftaten verhindert, soll dessen Strafe gemildert werden können. Der nun von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf will den Anwendungsbereich der Kronzeugenregelung einschränken. Kann bisher dem Täter die Vergünstigung für eine Kooperation unabhängig davon gewährt werden, ob zwischen seiner Tat und der Tat, zu der er Aufklärungsoder Präventionshilfe leistet, ein Zusammenhang besteht, soll diese Verknüpfung zukünftig erforderlich sein. Die Taten müssen nach dem Willen der Bundesregierung zwar nicht aus dem gleichen Deliktsbereich stammen, es muss jedoch ein innerer oder inhaltlicher Bezug zwischen den Taten bestehen. Dies soll, so die Begründung, der Fall sein, wenn die eigene und die offenbarte Tat Teil eines kriminellen Gesamtgeschehens sind. In der Großen Koalition haben wir uns vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlichen Verpflichtung des Staats zur Verbrechensaufklärung und mit Blick auf die abgeschotteten Täterstrukturen der organisierten Kriminalität bewusst für eine weit gefasste Regelung entschieden. Was hat sich geändert? Die Bundesregierung argumentiert, der weite Anwendungsbereich ermögliche Strafmilderungen, die aus Sicht des Tatopfers nicht mehr schuldangemessen seien und die das Vertrauen der Bevölkerung in die Rechtsordnung beeinträchtigen könnten. Zudem werde man dem Zweck der Norm, geschlossene Täterkreise aufzubrechen, mit der Eingrenzung besser gerecht, da es speziell der Hinweise von Personen aus dem Täterkreis bedarf. Diese Argumente sind nicht neu. In der letzten Legislaturperiode haben wir dem entgegengehalten, dass § 46 b StGB keine zwingende Strafmilderung vorsehe und das Gericht in der Abwägung den Wert der Aufklärungsoder Präventionshilfe zur Schwere der Straftat und Schuld des Kronzeugen ins Verhältnis zu setzen habe. Mittlerweile sind jedoch zweieinhalb Jahre vergangen, sodass wir den Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Anlass nehmen sollten, die damals von der Opposition und heute von der Bundesregierung vorgetragenen Argumente auf ihre Stichhaltigkeit zu überprüfen. Daher werden wir eine Anhörung fordern, in der wir insbesondere den Umgang der Rechtsprechung mit der Kronzeugenregelung beleuchten wollen. Zudem sollte in der Anhörung geklärt werden, ob und inwieweit Aussagen von Kronzeugen, deren Tat nicht im Zusammenhang mit der offenbarten Tat stehen, wesentlich zur Aufdeckung oder Verhinderung beigetragen haben oder beitragen können. Wir reden heute über die Veränderung der sogenann ten Kronzeugenregelung, also die Veränderung des § 46 b StGB. Die Kronzeugenregelung ist nicht neu, sie hat im Gegenteil eine sehr wechselvolle Geschichte. Noch unter Helmut Kohl wurde sie 1989 eingeführt und zunächst auf zwei Jahre beschränkt. Danach wurde sie gegen den Willen der damaligen Bundesjustizministerin LeutheusserSchnarrenberger verlängert, und erst unter Rot-Grün lief die Kronzeugenregelung aus. Es war die Koalition aus SPD und CDU, die die Kronzeugenregelung 2009 wieder einführte. Ich gehe davon aus, dass die heutige Bundesjustizministerin Frau Leutheusser-Schnarrenberger im Hinblick auf die Kronzeugenregelung immer noch die gleiche Position vertritt wie die Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger in den Neunzigerjahren. Deshalb ist es für mich nicht nachvollziehbar, warum aus dem Haus der Bundesjustizministerin nicht ein Ge Zu Protokoll gegebene Reden Halina Wawzyniak setzentwurf kommt, der die Kronzeugenregelung wieder abschafft, sondern lediglich ein Gesetzentwurf, der die Kronzeugenregelung einschränkt. Dabei liegen noch nicht einmal empirische Erkenntnisse vor, ob diese Regelung zur Aufklärung von Straftaten überhaupt benötigt wird. Hinzu kommt, dass Kronzeugen häufig dazu neigen, falsche Angaben zu machen, um einer Verurteilung zu einer langjährigen Haftstrafe zu entgehen. Sie sind aufgrund dessen häufig unglaubwürdig und ihre Aussagen sind daher untaugliche Beweismittel. Zudem können Richter und Richterinnen bereits jetzt im Rahmen des § 46 StGB etwaige Aufklärungshilfe berücksichtigen. Worum geht es bei der Kronzeugenregelung? Ein Täter bzw. eine Täterin wird mit einer geringeren Strafe oder gar mit Absehen von Strafe für eine begangene Straftat belohnt, wenn er bzw. sie Aufklärungsoder Präventionshilfe im Hinblick auf zukünftige Straftaten vorwiegend abgeschotteter Strukturen leistet. Bislang musste zwischen der eigenen Tat und der zukünftigen Tat, zu der Informationen gegeben werden, kein Zusammenhang bestehen. Das soll durch den Gesetzentwurf geändert werden. Will man sich überhaupt auf das System Kronzeugenregelung einlassen, ist dies sicherlich richtig. Aber angesichts der Diskussionen in der Vergangenheit um die Kronzeugenregelung und angesichts der Tatsache, dass die Kronzeugenregelung nichts anderes ist als ein Deal des Staates mit Straftätern zur Aushöhlung der im Strafgesetzbuch festgehaltenen Schuldstrafe, ist das nicht überzeugend. Eine geringere Strafe als die der Schuld des Täters bzw. der Täterin aufgrund ihrer bzw. seiner Taten entsprechende, unter Umständen sogar das Absehen von Strafe ist unserem streng rechtsstaatlichen Verfahren vom Grunde her fremd. Ein solcher Deal mit der Strafe hat auch nichts mit dem Prinzip der schuldangemessenen Strafe zu tun. Rechtssystematisch ist eine solche Weitergabe eben auch kein Schuldmilderungsgrund, denn die Tat ist abgeschlossen, die Tatschuld ist vollendet. Es ist schon ein wenig absurd, wenn die Sicherheitsfanatiker, insbesondere bei der Union, nach immer härteren Strafen für jede kleine Straftat rufen, aber in Kauf nehmen, dass unter Umständen bei schwersten Straftaten die Täter straffrei ausgehen, wenn sie entsprechende Informationen über Strukturen und geplante Straftaten weitergeben. Die Verhinderung und Aufklärung von zukünftigen Straftaten, zum Beispiel durch Informationsweitergabe über abgeschottete Strukturen, ist nichts, was es extra zu belohnen gilt, sondern sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Schließlich will ich noch auf einen Aspekt hinweisen: Mit der Kronzeugenregelung findet ein Deal mit der Gerechtigkeit zugunsten der „großen Fische“ und zulasten der „kleinen Fische“ statt. Täter und Täterinnen, die tief ins kriminelle Milieu verstrickt sind, können aufgrund ihrer Kenntnisse besser aufklären helfen als Täter und Täterinnen, die vielleicht erstmalig straffällig geworden sind. Kurz und gut: Der Gesetzentwurf hält an der Kronzeugenregelung fest, und genau das können wir nicht akzeptieren. Hier hätte von einer liberalen Ministerin ein größerer Wurf erfolgen können und auch müssen: ein Gesetzentwurf, der mit der Kronzeugenregelung aufräumt und diese abschafft. 1989 hat die damalige schwarz-gelbe Koalition eine Kronzeugenregelung befristet eingeführt. Sie lief 1999 aus, weil wir Grüne und die SPD sie wieder abgeschafft haben, wir haben sie auslaufen lassen. 2009 hat die Koalition von SPD und CDU/CSU sie wieder eingeführt, und das in einem so erschreckend weiten Ausmaß, dass die jetzige schwarz-gelbe Koalition sie wieder einschränken will. In den 10 Jahren von 1989 bis 1999 ist die Kronzeugenregelung im Bereich des Terrorismus weniger als 25-mal und in ungefähr genauso vielen Fälle im Bereich der organisierten Kriminalität eingesetzt worden. In den folgenden 10 Jahren ohne Kronzeugenregelung ist die Kriminalität in Deutschland kontinuierlich zurückgegangen, die Ausklärungsquoten sind gleich hoch geblieben oder sie sind gestiegen, und besonders im Bereich des Terrorismus hatten die Ermittlungsbehörden alle Möglichkeiten, Terroranschläge zu verhindern, und die Justiz alle Beweismöglichkeiten zur Aburteilung terroristischer Straftäter. Und das alles ohne eine Kronzeugenregelung! Damit ist eines völlig klar: Die Justiz braucht die Kronzeugenregelung nicht. Sie setzt sie so gut wie nie ein, und sie gewährleistet hohe Sicherheit vor Straftaten ohne sie. Umso größer ist der Schaden für den Rechtsstaat. Die Kronzeugenregelung ist ein Geschäft mit Straftätern: Um vermeintlicher oder tatsächlicher Aufklärungserfolge willen machen Polizei und Staatsanwaltschaft Straftätern – natürlich informell – Zusagen, sie vor schuldangemessener Strafe zu schützen, wenn sie „auspacken“. Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit bleiben dabei auf der Strecke. Wir Grünen lehnen die Kronzeugenregelung nach wie vor ab: Die Kronzeugenregelung ermöglicht einen schmutzigen Handel mit Straftätern. Dies ist eines Rechtsstaats nicht würdig. Einsicht, Reue und Mitleid braucht ein Kronzeuge nicht zu zeigen. Bei dem Handel um die Höhe seines Strafrabatts dienen ihm als Kapital seine Verstrickung und sein Insiderwissen. Je mehr er hiervon einbringt, um so günstiger kommt er weg. Die Kronzeugenregelung verletzt den Grundsatz schuldangemessenen Strafens und den Gleichheitsgrundsatz. Denn der angemessene Strafrahmen darf unterschritten werden. Es ist nicht erträglich, dass bei einem Mord, der nach jahrelangem Martyrium an dem Peiniger begangen wird, eine Milderung der lebenslangen Freiheitsstrafe nach dem Gesetzeswortlaut nicht möglich sein soll, bei einem Mörder, der sich aus rein egoistischen Gründen als Kronzeuge zur Verfügung Zu Protokoll gegebene Reden Jerzy Montag stellt, dagegen schon. Besonders infrage gestellt wird der Schuldgrundsatz, wenn sogar ganz von Strafe abgesehen werden kann, obwohl an sich drei Jahre Freiheitsstrafe angemessen wären. Die Kronzeugenregelung schafft Anreize für falsche Anschuldigungen: Je umfangreicher die Belastungen anderer, umso größer kann der „Strafrabatt“ für den Kronzeugen ausfallen. Für eine Kronzeugenregelung gibt es kein praktisches Bedürfnis. Schon nach der Strafzumessungsregel des § 46 StGB kann das Gericht – außer bei Mördern – Strafrabatt gewähren, wenn der Angeklagte hilft, andere Delikte aufzuklären. Ein angebliches „Bedürfnis der Praxis“ nach einer Kronzeugenregelung ist nicht ersichtlich: Vom Deutschen Anwaltverein bis zum Deutschen Richterbund lehnen große Teile der Praxis eine Kronzeugenregelung mit großer Einigkeit ab. Nicht zuletzt ist die Präklusionsregelung zu kritisieren, wonach eine Kronzeugenaussage noch vor Eröffnung der Hauptverhandlung gemacht werden muss. Damit wird die Hauptverhandlung zur Farce. Denn das Gericht kann so nur noch prüfen, was im Vorverfahren geschehen ist, wäre jedoch gehindert, vor Gericht gemachte Aussagen in gleicher Weise zu berücksichtigen wie vor dem Staatsanwalt gemachte „Kronzeugenaussagen“. Nunmehr hat sich die FDP mit einer Minireparatur an der Kronzeugenregelung durchgesetzt, die die SPD und CDU/CSU beschlossen haben. So konnte sich in den letzten Jahren – genauer seit dem 29. Juli 2009 – ein Straftäter einen Strafrabatt schon allein dadurch erkaufen, dass er Dritte einer Straftat bezichtigte, mit der er selbst nichts zu tun hatte. Diese Regelung war doppelt unerträglich. Zum einen ermuntert sie zu Falschbelastungen und honoriert mit Strafrabatt ohne Reue und Schuldeinsicht, zum anderen bevorzugt sie diejenigen, die mehr im kriminellen Umfeld verstrickt sind und an der Spitze krimineller Strukturen stehen. Wer mehr weiß, kann mit mehr auspacken. Der Vorschlag der Bundesregierung geht dahin, dass die Tat, die vom Kronzeugen offenbart wird, im Zusammenhang mit seiner eigenen Tat stehen muss. Entsprechende Änderungen werden auch für das Betäubungsmittelrecht vorgelegt. Das engt den Anwendungsbereich der Kronzeugenregelung ein wenig ein und soll der Uferlosigkeit von Drittbelastungen vorbeugen. Deshalb ist, bei aller fortbestehenden Kritik an der Kronzeugenregelung, der jetzt vorgelegte Gesetzentwurf ein kleines Stück in die richtige Richtung. Wir werden uns ihm nicht verweigern, aber wir werden uns weiterhin für eine Wiederabschaffung der Kronzeugenregelung einsetzen. D Sie alle wissen, dass eine allgemeine Kronzeugenregelung, so wie sie heute in § 46 b StGB verankert ist, seit vielen Jahren rechtspolitisch umstritten ist. Der Deutsche Anwaltverein, die Bundesrechtsanwaltskammer sowie der Deutsche Richterbund, aber auch der Bundesrat kritisierten bei ihrer Einführung im Jahr 2009 vor allem einen Punkt. Kritisiert wurde, dass § 46 b StGB auch dann eine Strafmilderung ermögliche, wenn die offenbarte Tat überhaupt nichts mit der eigenen Tat des Kronzeugen zu tun hat und daher seine unmittelbare Tatschuld gar nicht beeinflussen könne. Dadurch könne es zu Strafmilderungen kommen, die nicht nur für das Tatopfer als nicht mehr angemessen angesehen werden, sondern die auch das Vertrauen der Bevölkerung in die Unverbrüchlichkeit des Rechts beeinträchtigen könnten. Mit diesem Gesetzentwurf will die Bundesregierung diese Kritik aufgreifen. In Zukunft soll die Kronzeugenregelung daher nur noch gelten, wenn ein Zusammenhang zwischen begangener und aufgeklärter bzw. verhinderter Tat besteht. So haben wir das im Koalitionsvertrag vereinbart, und das setzen wir mit dem Gesetzentwurf jetzt eins zu eins um. Wir erreichen damit, dass eine etwaige Strafmilderung stärker vom Verhältnis der geleisteten Aufklärungsoder Präventionshilfe zur eigenen Tatschuld des Täters abhängt und die Regelung somit noch deutlicher den allgemeinen Strafzumessungsgrundsatz der schuldangemessenen Strafe betont. Mit der von uns angestrebten Neuregelung erreichen wir zudem einen Gleichklang zu der „kleinen Kronzeugenregelung“ des § 31 BtMG, bei dem das Erfordernis des Zusammenhangs nach der Rechtsprechung ohnehin schon seit vielen Jahren gilt. Vor diesem Hintergrund freue ich mich, dass der Bundesrat gegenüber dem Gesetzentwurf keinerlei Einwendungen erhoben hat, also dem Entwurf unverändert zugestimmt hat. Ich möchte dennoch kurz auf gelegentlich vorgetragene Bedenken gegen unseren Vorschlag eingehen.Vereinzelt wird befürchtet, durch die vorgeschlagene Änderung könne die Regelung für die Bekämpfung der organisierten Kriminalität und des Terrorismus ihre Wirkung einbüßen, da in diesen Bereichen häufig ein hohes Maß an Abschottung anzutreffen sei. Diese Bedenken halte ich für unbegründet. In der Tat werden gerade bei organisierten bzw. terroristischen Täterkreisen oftmals stark abgeschottete Strukturen vorherrschen. Die für das Aufbrechen dieser Strukturen notwendigen „internen“ Kronzeugen, also Personen, die deshalb über detailliertes Wissen verfügen, weil sie Teil dieser Strukturen sind, werden durch die Neuregelung aber keineswegs ausgeschlossen. Vielmehr werden zukünftig gerade sie von der Neufassung erfasst. Denn gerade weil sie Teil der jeweiligen kriminellen Struktur sind, werden ihre eigenen Taten in der Regel den notwendigen Zusammenhang zu den anderen Taten dieser Struktur aufweisen. Insgesamt kann daher der Gesetzentwurf der Hauptkritik, die aus rechtsstaatlicher Sicht an der Regelung von 2009 erhoben wurde, Rechnung tragen, ohne die mit ihr angestrebten Erleichterungen bei der Tataufdeckung und -verhinderung wesentlich zu beinträchtigen. Ich Zu Protokoll gegebene Reden Parl. Staatssekretär Dr. Max Stadler hoffe deshalb, dass er auch in diesem Haus eine breite Unterstützung finden wird. Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzent wurfs auf Drucksache 17/9695 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. – Andere Vorschläge gibt es nicht. Dann ist es so beschlossen. Ich rufe Tagesordnungspunkt 35 auf: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung wohnungsrechtlicher Vorschriften – Drucksache 17/9851 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Rechtsausschuss Ausschuss für Arbeit und Soziales Haushaltsausschuss Die Reden haben wir zu Protokoll genommen. Wir beraten heute in erster Lesung den Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung wohnungsrechtlicher Vorschriften. Die christlich-liberale Bundesregierung hat diesen Gesetzentwurf eingebracht, weil die Veränderungen im Wohngeldverfahren einige Rechtskonkretisierungen notwendig gemacht haben. Im Zuge der Föderalismusreform I im Jahre 2006 hat die damalige Große Koalition aus CDU/CSU und SPD das Wohngeldverfahren erheblich verändert. Das Wohnraumförderungsund Wohnungsbindungsrecht ist von der Kompetenz des Bundes in die Kompetenz der Länder übertragen worden. Gemäß Wohngeldgesetz soll zudem ein automatisierter Datenabgleich im Wohngeldverfahren stattfinden. Durch dieses transparente Verfahren wird der rechtswidrigen Inanspruchnahme von Wohngeld vorgebeugt. Dies ist im Sinne der Haushaltskonsolidierungen und im Sinne der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, die ein Interesse daran haben, dass Sozialleistungen sachgerecht eingesetzt werden. Die Kosten, die bei der Datenstelle der Träger der Rentenversicherung für die Durchführung und Vermittlung des automatisierten Datenabgleichs entstehen, sollen die Länder tragen. Der vorliegende Gesetzentwurf präzisiert dieses Verfahren des automatisierten Datenabgleichs, damit dieses Verfahren auch effizient eingesetzt werden kann. So schaffen wir mit dem Gesetz eine Rechtsgrundlage für die Kostenerstattung der Länder an die Datenstelle für den Datenabgleich. Wie hoch sind diese Kosten? Den Ländern entstehen Kosten in Form der jährlichen Erstattung der Verwaltungskosten, die bei der Datenstelle anfallen. Das macht im ersten Kalenderjahr nach Einführung 2 700 Euro zuzüglich 950 Euro je Kalendervierteljahr. In den nachfolgenden Jahren beläuft sich die Summe auf bis zu 3 800 Euro. Angenommen, die Länder würden den automatisierten Datenabgleich ohne die Hilfe der Datenstelle vollziehen, so wären die Kosten um ein Vielfaches höher. Kosten und Nutzen stehen in einem sehr gewinnbringenden Verhältnis. Darüber hinaus erwartet die christlich-liberale Koalition von diesem neuen Verfahren erhebliche Einsparungen an Wohngeldausgaben. Der automatisierte Datenabgleich deckt Fälle rechtswidrigen Wohngeldbezugs auf, die daraufhin zurückgezahlt werden müssen. Dass hier erhebliche Einsparungspotenziale liegen, beweisen diejenigen Länder, die den automatisierten Datenabgleich bereits eingeführt haben. Denn durch die Föderalismusreform I wurde den Bundesländern die Kompetenz eingeräumt, eigene landesrechtliche Wohnraumförderungsund Wohnungsbindungsgesetze einzuführen. Nur in denjenigen Ländern, die darauf bislang verzichtet haben, gilt weiterhin das Bundesrecht. Für diese Fälle schaffen wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf eine Rechtsgrundlage für den automatisierten Datenabgleich. Bislang haben vier Bundesländer bereits eigene Landesgesetze eingeführt: Baden-Württemberg, Berlin, Hamburg und Nordrhein-Westfalen. Diese Länder haben mit dem automatisierten Datenabgleich sehr gute Erfahrungen gemacht. Mit seiner Hilfe konnten insbesondere bei der Antragstellung zum Wohngeld verschwiegene Kapitalerträge aufgedeckt werden. Auf diese Weise wurde ein überhöhter Leistungsbezug verhindert. So wurde in Nordrhein-Westfalen allein beim ersten Datenabgleich ein Rückforderungspotenzial von 9 Millionen Euro ermittelt. Gleichwohl ist davon auszugehen, dass diese Summen tendenziell abnehmen, wenn sich herausstellt, dass zukünftig strikter kontrolliert wird. In NRW wurde beim vierten Datenabgleich immerhin noch 1 Million Euro Rückforderungspotenzial ermittelt. Die Ausweitung dieses effizienten Verfahrens auf die gesamte Bundesebene ist insofern sehr lohnenswert. Es ist eindeutig: Gemessen an diesen Kostenersparnissen fallen die einmalig entstehenden Kosten zur Einführung des technischen Verfahrens nicht ins Gewicht. Dieses neue Verfahren macht den Wohngeldbezug hingegen wesentlich gerechter und bedürfnisbezogener. Die Bundesregierung schafft mit diesem Gesetzentwurf somit ein effizientes System zur Aufdeckung nicht gerechtfertigter Wohngeldbezüge. Darüber hinaus stellt der Gesetzentwurf klar, dass Kreditinstitute für Auskünfte über Kapitalerträge nach Wohngeldgesetz eine Entschädigung durch die Länder erhalten. Dies ist in anderen Sozialleistungsbereichen ohnehin gängige Praxis. Pro Auskunftsersuchen werden hierdurch Kosten in Höhe von 50 Euro entstehen. Diese Kosten werden durch die zu erwartenden Einsparungen jedoch ebenfalls deutlich überkompensiert werden. Der Gesetzentwurf nimmt weitere Konkretisierungen vor. Die Wohngeldstatistik wird zukünftig bei der Erhebung der Merkmale Erwerbsstatus und Geschlecht auf alle zu berücksichtigenden Haushaltsmitglieder ausgeweitet. Die Erhebung von Kindern und Jugendlichen wird vereinfacht. Hierdurch entsteht ein vollständigeres statistisches Bild des Wohngeldbezugs in Deutschland. Durch die statistische Erhebung dieser zusätzlichen Merkmale entstehen keine nennenswerten Mehrkosten. Es ist lediglich eine einmalige Anpassung des Datensatzes notwendig – sprich, einmalige Umstellungskosten des Statistischen Bundesamts von rund 20 000 Euro. Für Gero Storjohann die Länder entstehen Umstellungskosten von jeweils 5 000 Euro und laufende Mehrkosten von rund 7 000 Euro jährlich, wohlgemerkt: für alle Länder zusammen. Diese 7 000 Euro, die die Länder jährlich insgesamt mehr aufbringen müssen, sind absolut vertretbar in Hinblick auf die Einsparungen im Millionenbereich, die dieses Gesetz bewirken wird. Ein weiteres – sehr spezifisches – Problem, das wir mit diesem Gesetz lösen wollen, liegt bei der abweichenden Bundeskompetenz des Bergarbeiterwohnungsbaus. Denn auch in Bundesländern mit eigenen Wohnraumförderungsund Wohnungsbindungsgesetzen gelten für die Belegung von Wohnungen, die von der Zweckbindung für Wohnungsberechtigte im Kohlenbergbau freigestellt sind, die Vorgaben des Bundesrechts. Diese unübersichtliche Lage in den Ländern mit eigenen Landeswohnraumförderungsund Landeswohnungsbindungsgesetzen wird durch den vorliegenden Gesetzentwurf aufgelöst. Auch für die von der Zweckbindung freigestellten Bergarbeiterwohnungen gelten zukünftig – sofern vorhanden – die Landesgesetze. Durch den neuen Gesetzentwurf wird eine weitestgehend lückenlose Aufdeckung von Missbrauchsfällen beim Wohngeldbezug gewährleistet. Das Gesetz nimmt umsichtige und notwendige Anpassungen vor. Auch der Bundesverband Freier Immobilienund Wohnungsunternehmen e. V. unterstützt unsere Pläne deshalb ausdrücklich. Das Gesetz dient aber nicht nur der Aufdeckung rechtswidriger Inanspruchnahme des Wohngelds, sondern auch der umfassenden Prävention. Denn der Datenabgleich findet bereits während der Wohngeldbeantragung statt. Würden die Länder den neuen automatisierten Datenabgleich nicht durchführen, so würden Bund und Ländern Millionenbeträge verloren gehen, Millionenbeträge wohlgemerkt, die sonst rechtswidrig als Wohngeld ausgezahlt wurden. Ich bin deshalb zuversichtlich, dass wir die anstehenden Ausschussberatungen zu diesem Gesetzentwurf zügig abschließen können, um diese notwendigen Verbesserungen im Wohngeldverfahren schnell einzuführen. Heute findet die erste Lesung des Dritten Gesetzes zur Änderung wohnungsrechtlicher Vorschriften statt. Wir werden uns also in den Ausschüssen in den kommenden Wochen mit den Details dieses Gesetzentwurfs befassen. Der Bundesrat hat dazu bereits eine Stellungnahme abgegeben und war eigentlich recht zufrieden. Lediglich ein paar kleinere Änderungen werden gewünscht. Es macht den Eindruck, als sei es ein gelungener Entwurf, über den wir hoffentlich nicht viel streiten werden. Nachdem wir im Zuge der Föderalismusreform I im Jahr 2006, an der ich mitarbeiten durfte, die Zuständigkeit für das Wohnraumförderungsund Wohnraumbindungsrecht auf die Länder übertragen haben, wurde über die Jahre offensichtlich, dass einige Nachbesserungen erforderlich sind. Nun hat die Bundesregierung vor, die Regelungen zum wohngeldrechtlichen Datenabgleich zu präzisieren und zu verbessern. Auch soll eine Ermächtigungsgrundlage für die Kostenerstattung der Länder an die Datenstelle im Rahmen des automatisierten Datenabgleichs geschaffen sowie die Vorschrift zur Berücksichtigung vom weitergeleiteten Pflegegeld präzisiert werden. Ferner wird mit dem Gesetz klargestellt, dass Kreditinstitute für Auskünfte über Kapitalerträge eine Entschädigung erhalten. Aber auch die Erfassung statistischer Werte soll erweitert werden, indem bei der Erhebung der Wohngeldstatistik die Merkmale Erwerbsstatus und Geschlecht auf alle zu berücksichtigenden Haushaltsmitglieder ausgeweitet und die im Haushalt lebenden Kinder und junge Erwachsene mit aufgenommen werden sollen. Ein besonderer Punkt, der zudem geregelt werden soll, ist die Änderung des Wohnungsbindungsgesetzes. Es sollen zukünftig für die von der Zweckbindung freigestellten Bergarbeiterwohnungen und alle öffentlich geförderten Sozialwohnungen jeweils landeseinheitliche Vorschriften für die Ermittlung des Einkommens und der Einkommensgrenzen gelten. Doch nun zu den Plänen im Einzelnen: Der automatisierte Datenabgleich im Wohngeldverfahren nach § 33 Abs. 5 Wohngeldgesetz, WoGG, ist unerlässlich, um eine rechtswidrige Inanspruchnahme zu verhindern. Es kommt zu Rückzahlungen und Einsparungen von Geldern, auf die es keinen Anspruch gab. Dies führt dazu, dass Bund und Länder Haushaltsmittel einsparen, die an anderen Stellen viel besser eingesetzt werden könnten. Die Erfahrungen in den Bundesländern, die bereits den automatischen Datenabgleich eingeführt haben, wie zum Beispiel NRW oder Baden-Württemberg, waren sehr positiv. Schon bei der Antragstellung konnten viele Anträge abgewiesen werden, weil die Antragsteller sich nach einer Prüfung als nicht berechtigt herausstellten. Gut, NRW muss ja auch zuzusehen, dass es an Geld kommt, denn man hat ja bekanntlich extreme haushalterische Defizite und plant, sich noch weiter zu verschulden. Da kann man jeden Euro gebrauchen. Aber zurück zum Thema: Im Rahmen des Datenabgleichs nehmen also die Länder die Hilfe der Datenstelle in Anspruch; denn würden sie den Datenabgleich selber vornehmen, würden die Kosten noch viel höher ausfallen. Die einmalig aufzubringenden Kosten zur Einrichtung der Technik sind daher auch im Vergleich zu den zu erwartenden Summen, die zurückfließen, als eher untergeordnet zu betrachten. Die entstandenen Einsparungen stehen entsprechend den Finanzierungsanteilen jeweils hälftig dem Bund und dem jeweiligen Land zu. Um mögliche, nicht angegebene Kapitalrücklagen zu erfahren, werden Auskünfte bei Banken eingeholt. Diese sollen künftig für ihre Informationen bzw. ihren Aufwand entschädigt werden. Es wird mit einer Summe von etwa 50 Euro pro Anfrage gerechnet. Zu Protokoll gegebene Reden Daniela Ludwig Bei diesem Punkt gibt es allerdings wahrscheinlich noch Diskussionsbedarf, denn es ist nicht vorhersagbar, wie oft diese Auskünfte künftig eingeholt werden müssen. So schlägt der Bundesrat in seiner Stellungnahme vor, dass diese Kosten durch die betroffenen Bürger übernommen werden sollten, da die betreffende Person durch das Verschweigen von Angaben letztendlich für diese Prüfung selbst verantwortlich ist. Darüber werden wir also nochmal sprechen müssen. Die Ausweitung der Erhebung statistischer Daten ist ebenfalls sinnvoll und nur mit geringen Kosten und geringem Aufwand verbunden. Es muss dazu eine Umstellung der Technik vorgenommen werden. Das sind für das Statistische Bundesamt einmalig 20 000 Euro, die dieses übernimmt, und für die Statistischen Landesämter jeweils einmalig 5 000 Euro. Die jährlichen Mehrkosten für die Länder belaufen sich voraussichtlich auf insgesamt 7 000 Euro; also alles Summen, die gut zu verkraften sind. Diese liefern wertvolle Daten für die Statistiken. Das bedeutet konkret, dass an die bisher schon bestehende Informationspflicht beim Wohngeldantrag noch die Information über im Haushalt lebende Kinder und junge Erwachsene hinzugefügt wird. Damit kann die Informationspflicht über einen möglichen Kindergeldbezug für den Antragsteller entfallen. Außerdem gibt es bekanntlich immer mehr Mehrverdienerhaushalte, sodass es wichtig wird, in diesem Rahmen einzelne Erwerbsquellen statistisch zu erfassen. Jetzt komme ich nochmal kurz auf die Föderalismusreform I zu sprechen. Damals verblieb die Kompetenz für das Recht des Bergarbeiterwohnungsbaus beim Bund. Es wurde durch das Inkrafttreten länderspezifischer Wohnraumförderungsgesetze, das Wohnraumförderungsgesetz und das Wohnraumbindungsgesetz des Bundes ersetzt – auch bei mir in Bayern. Aber die Bergbauwohnungen wurden weiterhin ausschließlich aus dem bundeseigenen Bundestreuhandvermögen für den Bergarbeiterwohnungsbau im Kohlenbergbau gefördert. Da es sowohl unpraktisch, ineffizient und schon gar nicht bürgernah und transparent ist, gleich zwei Regelungen zu haben, soll § 22 Abs. 3 WoBindG dahingehend ergänzt werden, dass landesrechtliche Regelungen in der jeweiligen Fassung nun auch für von der Zweckbindung freigestellte Bergarbeiterwohnungen gelten können. Ich stimme mit der Schlussfolgerung der Bundesregierung überein, dass es eindeutig besser und im Sinne aller Beteiligten ist, wenn für die Erteilung eines Wohnberechtigungsscheins in solchen Fällen der Freistellung von der Zweckbindung öffentlich geförderter Wohnungen landeseinheitliches Recht gilt. Wohnen ist für alle Menschen ein zentrales Grund bedürfnis, ist persönlicher Rückzugsraum. Wohnraum macht nicht nur seine Quantität, sondern gerade die individuelle Qualität lebenswert. Haushalte mit Kindern, älteren Menschen, Menschen mit Behinderungen, Singles, Paaren usw. haben hier oft sehr unterschiedliche spezielle Wohnbedürfnisse. Unterhalb bestimmter Einkommensgrenzen greift hier die soziale Wohnraumförderung, um Härten abzufedern und einen Grundlebensstandard zu sichern. Bezahlbare Wohnungen werden vielerorts immer knapper, gerade wenn noch bestimmte bauliche Voraussetzungen wie beispielsweise Barrierefreiheit erforderlich sind. Zusammen mit den steigenden Energiekosten bei gleichbleibenden Gehältern und Löhnen, der Zunahme der Zahl von Geringverdienern am Arbeitsmarkt, niedrigeren Renten aufgrund niedriger Einkommen im Erwerbsleben und Brüchen in den Erwerbsbiografien werden zukünftig mehr Menschen Unterstützung brauchen. Wohngeld wird zur wirtschaftlichen Sicherung angemessenen und familiengerechten Wohnens als Mietzuschuss für Mieter von Wohnraum oder als Lastenzuschuss für Eigentümer gewährt. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf möchte die Bundesregierung die gesetzlichen Regelungen zum wohngeldrechtlichen Datenabgleich im Wohngeldverfahren automatisieren und verbessern. Gleichzeitig ist eine Harmonisierung von Gesetzen der Länder und des Bundes vorgesehen. Darüber hinaus soll mit dem vorliegenden Gesetzentwurf auch mittels des automatisierten Datenabgleichs die rechtswidrige Inanspruchnahme von Wohngeld vermieden und der Gesetzesvollzug erleichtert werden. Nach dem Entwurf der Bundesregierung wäre nun ein Abgleich der Meldedaten bereits bei der Antragsbearbeitung möglich und kann auch hinsichtlich einer versicherungspflichtigen oder geringfügigen Beschäftigung unter Nennung des Arbeitgebers vorgenommen werden. Der automatisierte Datenabgleich wird bundesweit eingeführt. Dies soll der Prävention von rechtswidriger Inanspruchnahme von Wohngeld dienen und somit ein Schlupfloch zum Leistungsmissbrauch schließen, aber auch Fehler in den Antragstellungen vermeiden und somit die Zahl nachträglicher Aufhebungsbescheide und entsprechender Rückforderungsansprüche verringern. Allerdings ist dafür Sorge zu tragen, dass der Datenschutz sichergestellt ist. Es ist wichtig, dass Wohngeld denjenigen zugutekommt, die wirklich darauf angewiesen sind. Deswegen darf sich die Bundesregierung nicht nur darauf ausruhen, Leistungsmissbrauch zu verhindern, sondern muss auch dafür Sorge tragen, dass die Mittel für diese Leistungen in ausreichender und zeitgemäßer Form zur Verfügung stehen, um laut § 1 WoGG angemessenes und familiengerechtes Wohnen zu ermöglichen. Hierzu gehört auch ein Monitoring und die Überprüfung, ob die vorhandene Gesetzeslage und Regelstruktur tatsächlich ausreichend ist. Auch eine Mittelaufstockung und zeitgemäße Anpassung sollte regelmäßig überprüft werden. Im Zusammenhang mit steigenden Heizkosten und zukünftig nicht absehbar sinkenden Energiepreisen sollte ebenfalls überprüft werden, ob der pauschale Zuschlag für Heizkosten, den die schwarz-gelbe Bundesregierung 2011 gestrichen hat, nicht dringend wieder eingeführt werden müsste. Zu Protokoll gegebene Reden Michael Groß Der Aspekt der einseitigen Entschädigung für Kreditinstitute für Bankauskünfte zur Ermittlung des wohngeldrechtlichen Einkommens wird von außen insofern kritisiert, dass natürlich auch Immobilienverwalter, aber auch Vermieter Bestätigungen und Bescheinigungen für Mieter im Antragverfahren ohne Vergütung ausstellen. Hier ist klar zu prüfen, ob dies nicht zu einer Ungleichbehandlung führt. Wichtig wird sein, Wohnraum jetzt und zukünftig bezahlbar, angemessen, barrierearm und familienfreundlich zu ermöglichen. Das Wohngeld ist eine wesentliche und wichtige Säule unseres Sozialstaats. Es gewährt Bürgerinnen und Bürgern mit geringem Einkommen einen Mietzuschuss oder einen Lastenzuschuss für selbst genutztes Wohneigentum. Es unterstützt damit alle, die sich bemühen, ihr Leben zu gestalten, auf eigenen Beinen zu stehen, für sich und ihre Nächsten zu sorgen und zu arbeiten, denen es aber trotzdem nicht gelingt, dies ganz aus eigener Kraft zu leisten. Es entspricht unserer zutiefst liberalen Grundüberzeugung, den Menschen einerseits für diese Lebensgestaltung allen möglichen und notwendigen gesellschaftlichen Freiraum zu schaffen. Andererseits ist es Aufgabe unseres sozialen Gemeinwesens, überall dort einzuspringen, wo die elementaren Lebensrechte unverschuldet nicht gesichert sind. Allein für Wohngeld sind im laufenden Haushaltsjahr 650 Millionen Euro vorgesehen. Zu jedem Euro Wohngeld steht die FDP. Wir haben uns in der Vergangenheit dagegen eingesetzt – ich erinnere an die Debatte im Jahre 2010 –, und wir werden das auch in Zukunft tun, wenn Haushaltskonsolidierung auf dem Rücken der sozial Schwächsten betrieben werden sollte, zum Beispiel zulasten der Wohngeldbezieher. Jeder, der arbeitet, jeder der sich mit täglicher Anstrengung und Einsatzbereitschaft den eigenen Unterhalt versucht zu erwirtschaften, hat ein Recht auf unsere Hilfe und muss unterstützt werden. Nur so ist es möglich, sich letztlich selbstständig und unabhängig zu machen von staatlicher Versorgung. Verbunden mit diesem finanziellen Einsatz des Bundes und der Länder ist die Pflicht, sparsam, sorgsam und bedacht mit dem Geld der Steuerzahler umzugehen. Im heute diskutierten Dritten Gesetz zur Änderung wohnungsrechtlicher Vorschriften führt die christlichliberale Koalition unter anderem den automatischen Datenabgleich im Wohngeldverfahren ein. Das dient erstens der Vermeidung einer rechtswidrigen Inanspruchnahme von Wohngeld. Es führt damit zur Einsparung von Haushaltsmitteln im Bund und in den Ländern – und das in nicht unerheblicher Größenordnung. Dort, wo dieser Datenabgleich bereits eingeführt worden ist, in Nordrhein-Westfalen, in Hamburg, in Berlin und in Baden-Württemberg, überall dort konnten zum Beispiel verborgene Kapitalerträge aufgedeckt und überhöhte Leistungsbezüge verhindert werden. Allein in Nordrhein-Westfalen lag das Rückforderungspotenzial im ersten Datenabgleich bei 9 Millionen Euro. Damit spart der Staat nicht nur Geld, das Verfahren trägt da rüber hinaus, zweitens, in erheblichem Maße zu Rechtssicherheit und Verfahrensgerechtigkeit bei. Hier geht es weder um den Schnüffelstaat noch soll irgendwem ein Anspruch auf Sozialleistungen streitig gemacht werden. Für die betroffenen Bürgerinnen und Bürger entsteht weder eine neue Informationspflicht noch werden berechtigte Leistungen gekürzt oder eingeschränkt. Recht soll und muss hier Recht bleiben. Auch der Wohnungswirtschaft und insbesondere den vielen Mittelständlern in diesem Bereich erwachsen keine zusätzlichen Kosten durch das Gesetz. Keine bisher bestehende Informationspflicht wird geändert oder abgeschafft oder ergänzt. Lediglich der Verwaltung entstehen für die statistische Erhebung der Daten und die Umstellung der Datenerhebungsund Statistiksoftwarekosten. Diese aber sind marginal im Vergleich zu den erwartbaren Einspareffekten. Einen dritten positiven Aspekt möchte ich zum Abschluss noch ansprechen: Mit der Gesetzesänderung soll die Wohngeldstatistik insbesondere bei der Berücksichtigung von Haushaltsmitgliedern und bei der Erfassung von Kindern und Jugendlichen vereinheitlicht und vereinfacht werden. Vereinfachung und Vereinheitlichung struktureller und administrativer Abläufe und Regelungen ist seit langem eine politische Forderung der FDP nach Entbürokratisierung. Hier gehen wir einen kleinen, doch weiteren Schritt. Auch das wird perspektivisch Steuergelder sparen und den Verwaltungsaufwand senken. Solide statistische Daten sind die Grundvoraussetzung für einen effektiven und passgenauen Einsatz öffentlicher Mittel. Auch dazu werden wir mit dieser Gesetzesänderung beitragen. Einsparungen, wo möglich, Anspruchsgerechtigkeit, wo nötig, Bürokratieabbau, wo er sinnvoll ist: Das ist liberale Politik, in diesem Fall christlich-liberale Politik. Es hat ganz den Anschein, dass die Bundesregierung in voller Breite und mit preußischer Gründlichkeit gegen die Mieterinnen und Mieter in diesem Land vorgehen will. Erst dieser unsägliche und völlig überflüssige Entwurf eines „Gesetzes über die energetische Modernisierung von vermietetem Wohnraum und über die vereinfachte Durchsetzung von Räumungstiteln“, dann die permanenten Fluchtversuche aus den Verpflichtungen zur sozialen Wohnraumförderung mit ungewissem Ausgang und nun dieses „Dritte Gesetz zur Änderung wohnungsrechtlicher Vorschriften“. Das alles passt zusammen und wirft erneut ein grelles Licht auf das Denken und Handeln dieser Bundesregierung. Der politische Anspruch des eingebrachten Entwurfes ist nicht: Wie kann den rund 900 000 Menschen in diesem Land geholfen werden, die auf Wohngeld angewiesen sind, weil sie sowieso schon nicht wissen, wie sie sonst ihr alltägliches Leben fristen sollen? Nein, es geht darum, wie die von diesen schreienden sozialen Missständen betroffenen Menschen noch effizienter verwaltet, überwacht und ausgepresst werden können. Zu Protokoll gegebene Reden Heidrun Bluhm Bis zur letzten Briefmarke soll geregelt werden, welche Behörde, welches Kreditinstitut wem gegenüber welche Kosten in Rechnung stellen darf und wem gegenüber ein Erstattungsanspruch in welcher Höhe besteht. Zuletzt immer gegen diejenigen, die ohnehin schon nichts haben: Kein Geld, keine Rechte und keine Lobby – außer uns. Dieser Gesetzentwurf zeugt von einem tiefen Misstrauen eines Obrigkeitsstaats seinen Untertanen gegenüber, eines Staats, der sich längst von den Grundsätzen des Sozialstaats verabschiedet hat, der dabei ist, sich über die Phase des Verwaltungsstaats immer mehr zu einem Überwachungsstaat zu entwickeln. Ein solches Gesetz brauchen die Menschen in diesem Land nicht – vielleicht mit Ausnahme einiger Regierungsbeamter, die mit der Erarbeitung solcher Vorlagen ihr Geld verdienen. Was die Menschen – besonders die von diesem Gesetzentwurf Betroffenen; es handelt sich dabei zu einem ganz überwiegenden Teil um Rentnerhaushalte – stattdessen brauchen, ist zunächst die Wiederberücksichtigung der Heizkosten bei der Wohngeldberechnung, die ja auch von dieser Koalition zum 1. Januar 2011 gestrichen worden war, und zwar mit der völlig weltfremden Begründung, die Heizkosten seien gesunken. Angesichts der tatsächlich steigenden Mieten und der geradezu explodierenden Heiz-, Energieund Wasserkosten sowie anderer wohnnaher Kosten und Gebühren ist eine Erhöhung des Wohngelds nötig, weil immer mehr Mieterhaushalte einen immer größeren Teil ihres Einkommens für Wohnkosten auszugeben gezwungen sind. Mehr als 40 Prozent der deutschen Mieterhaushalte müssen heute schon die Hälfte ihres monatlichen Nettoeinkommens für Wohnkosten aufwenden. Da diese Haushalte schon jetzt keine Einkommensund schon gar keine Vermögensreserven – wie der vorliegende Ge-setzentwurf unterstellt – mehr haben, müssen sie bei anderen lebensnotwendigen Ausgaben sparen und verzichten. Es droht in diesem Land eine neue, flächendeckende, durch Wohnkosten verursachte Armut. Das ist der eigentliche Skandal. Dagegen muss der Gesetzgeber dringend aktiv werden. Angesichts der tatsächlichen, für immer mehr Menschen spürbaren und für einen wachsenden Teil der Bevölkerung existenzbedrohenden Wohnprobleme brauchen wir ein klares Bekenntnis der Politik zum Wohnen als sozialem Grundbedürfnis und ein daran orientiertes Regierungshandeln. Wir brauchen eine verlässliche Zusage zur Fortführung einer bedarfsgerechten sozialen Wohnraumförderung, und wir brauchen ein soziales Mietrecht, das Mieterinnen und Mieter ihren Vermietern nicht ausliefert, sondern sie ihnen rechtlich gleichstellt. Was wir absolut nicht brauchen, ist ein Gesetz für einen automatisierten Datenabgleich zur Vermeidung rechtswidriger Inanspruchnahme des Wohngelds zur Einsparung von Haushaltsmitteln des Bundes. Das ist absurd und menschenverachtend und muss von jedem verantwortungsbewussten Volksvertreter sofort zurückgewiesen werden. Der von der Bunderegierung eingebrachte Gesetzent wurf ist in seiner inhaltlichen Ausrichtung weitestgehend unproblematisch, da es sich um die Umsetzung des bereits in der Wohngeldnovelle 2009 angelegten Datenabgleichs handelt. Seine finanziellen Auswirkungen sind insbesondere für die Kommunen allerdings kritisch zu hinterfragen. Deswegen habe ich gemeinsam mit meiner Fraktion im März diesen Jahres eine Kleine Anfrage parlamentarische Fragerecht im Deutschen Bundestag gibt, war ich mit den Antworten der Bundesregierung Der Datenabgleich hat zum Ziel, die rechtswidrige Inanspruchnahme des Wohngelds zu verhindern. Er wird zur Folge haben, dass Bund und Länder mittelfristig weniger Wohngeldkosten zu tragen haben. Umgesetzt wird der Datenabgleich allerdings in den Kommunen, die diesen wahrscheinlich mit höherem Personalaufwand umsetzen werden. Zusätzlich entstehen für die Kommunen nach Art. 1 Abs. 3 des Gesetzentwurfs weitere Kosten durch die Entschädigung der Kreditinstitute für die Auskunftserteilung. Auf diese Problematik habe ich unter anderem in meiner Kleinen Anfrage hingewiesen. Auf meine Frage „Wie hoch werden die Kosten für die Kommunen, entstehend aus der neuen Erstattungspflicht für die auskunftgebenden Kreditinstitute, sein?“, hat die Bundesregierung geantwortet, dass sie „… nicht von nennenswerten Mehrkosten für die Kommunen aus[geht].“ Dem widerspricht sie allerdings in ihrer Gegenäußerung auf die Einwände des Bundesrates, siehe Seite 17 des vorliegen „Da die Anzahl der Bescheinigungen nicht absehbar ist, kann der gesamte Erfüllungsaufwand für die Wohngeldbehörden nicht beziffert werden.“ Angesichts der weit verbreiteten schlechten finanziellen Lage vieler Kommunen sollten wir im weiteren Gesetzgebungsverfahren eine Lösung finden. Bund und Länder zahlen die Wohngeldkosten hälftig. Maßnahmen, die zu finanziellen Einsparungen führen, sollten die Kommunen nicht zusätzlich belasten. Es wird Überweisung des Gesetzentwurfs auf Druck sache 17/9851 an die Ausschüsse vorgeschlagen, die in der Tagesordnung stehen. – Das sehen Sie auch so. Dann ist das so beschlossen. Tagesordnungspunkt 38: Beratung des Antrags der Abgeordneten Sönke Rix, Ute Kumpf, Petra Crone, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Ulrich Schneider, Ekin Deligöz, Katja Dörner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Freiwilligendienste in zivilgesellschaftlicher Verantwortung stärken – Drucksache 17/9926 – Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Innenausschuss Sportausschuss Rechtsausschuss Finanzausschuss Ausschuss für Arbeit und Soziales Ausschuss für Gesundheit Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Ausschuss für Kultur und Medien Haushaltsausschuss Wie in der Tagesordnung ausgewiesen, werden die Reden zu Protokoll genommen. Ich habe mir in Vorbereitung auf diese Rede noch ein mal die Mühe gemacht, die Plenarprotokolle der zurückliegenden Reden zum Thema Freiwilligendienste und Bundesfreiwilligendienst zur Hand zu nehmen und die Aussagen von damals mit den Realitäten zu vergleichen. Um es vorwegzunehmen: Ihre Aussagen von damals müssen Ihnen – und dabei meine ich von den antragstellenden Fraktionen insbesondere die Grünen – ziemlich peinlich sein. Aus Zeitgründen ist es gar nicht möglich, alle Fehleinschätzungen aufzulisten, deshalb beschränke ich mich auf einige wenige Aussagen in der Debatte vom 24. März 2011. „Der Bundesfreiwilligendienst wird als Lückenbüßer für den Zivildienst nicht funktionieren und kein Erfolgsmodell sein.“ Das war die Aussage des Grünen-Redners von damals. Fest steht heute: Sie haben unrecht gehabt. Genau das Gegenteil ist eingetreten. Wir haben es geschafft, die Wehrpflicht auszusetzen, einen anerkannten Bundesfreiwilligendienst zu etablieren und das bürgerschaftliche Engagement in einer bisher nie dagewesenen Weise zu verstärken. Der Systemwechsel mit all seinen Begleiterscheinungen ist geglückt. Die Freiwilligendienste sind mit einem gestärkten Rücken aus dem gesamten Prozess hervorgegangen. Wie froh können wir alle sein, dass wir nicht auf Ihre Kassandrarufe gehört haben und uns von Ihrer sehr oft parteipolitisch und negativ vorgetragenen Kritik nicht aus der Ruhe haben bringen lassen. Sie haben von geringer Nachfrage schwadroniert und von fehlender Akzeptanz. In der Realität ist genau das Gegenteil eingetreten. Jeder einzelne Platz im BFD wurde besetzt – wir sehen uns sogar mit dem Problem konfrontiert, dass nicht genügend freie Plätze für alle Bewerberinnen und Bewerber zur Verfügung stehen. Dies zeigt: Der Bundesfreiwilligendienst ist bei den engagementbereiten Menschen längst angekommen. Was hat es alles für Ratschläge von Ihnen gegeben, was zu tun wäre. Wir können im Sinne der Freiwilligen gemeinsam froh und dankbar sein, diese Vorschläge nicht aufgegriffen zu haben. Wenn Sie heute in Ihrem Antrag schreiben:„Die große Engagementbereitschaft Jugendlicher zeigt, dass die Warnungen und Verwerfungen im Sozialbereich infolge der Zivildienstaussetzung unbegründet und übertrieben waren“, ist dies insofern zuallererst als Selbst kritik an Ihren eigenen Fehleinschätzungen zu sehen. Ich finde es gut und richtig, dass Sie das heute eingesehen haben. Ich danke meinen Kolleginnen und Kollegen aus der christlich-liberalen Koalition, der Bundesregierung und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bundesamts für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben sowie insbesondere auch Herrn Dr. Kreuter für ihre Leistungen in den zurückliegenden Monaten. Es war gut und richtig, dass wir den Bundesfreiwilligendienst eingeführt und die Jugendfreiwilligendienste deutlich gestärkt haben. Es ist zudem ein großartiger Ausweis jugendlichen Verantwortungsbewusstseins, wenn man betrachtet, wie viel Interesse in diesen Generationen besteht, sich für die Gesellschaft einzusetzen. Es kann uns alle mit Freude erfüllen, dass gerade die junge Generation so viel Verantwortungsbewusstsein zeigt. Eine weitere Aussage der Grünen, die Ihnen heute bitter aufstoßen müsste, ist: „Es ist ein Kardinalfehler, dass Schwarz-Gelb Freiwilligendienste erster und zweiter Klasse schaffen will.“ Mittlerweile müsste auch den Grünen deutlich geworden sein, dass diese Unterstellung jeglicher Grundlage entbehrt. Unser Ziel war es, dass die Teilnehmer an den Jugendfreiwilligendiensten und dem Bundesfreiwilligendienst auf gleichem Niveau betreut und unterstützt werden – sowohl finanziell als auch organisatorisch. Genau das ist gelungen – und ich denke, das bestreitet heute auch niemand mehr. Wir sind angetreten mit dem Ziel, dass die Teilnehmer an beiden Formaten keinen Unterschied in ihren Diensten merken. Unterschiede sind heute nur sehr gering. Das war uns wichtig, und deshalb haben wir bei der Umstellung beide Komponenten immer auch parallel mitgedacht. Das hat sich ausgezahlt, und es freut uns, dass wir heute auch von vielen Trägern nach anfänglicher Skepsis viel Anerkennung und Zustimmung erfahren haben. Diese Koalition hat sich schon im Koalitionsvertrag vorgenommen, die Jugendfreiwilligendienste zu stärken. Genau das haben wir auch getan. Wir haben die Förderpauschalen erhöht, und zwar schon vor der Aussetzung der Wehrpflicht. Inzwischen werden die Förderpauschalen im Jugendfreiwilligendienst dreimal so hoch sein wie noch zu Beginn der Legislaturperiode. Wir haben eine Sonderregelung eingeführt, um Jugendliche mit besonderem Förderungsbedarf besser zu unterstützen. Wir haben die Einsatzbereiche über das Freiwillige Soziale Jahr und das Freiwillige Ökologische Jahr hinaus deutlich ausgedehnt und ausgebaut. Heute können Jugendliche sich auch in der Politik, im Sport, in der Kultur, in der Bildung und in der Integration mit ihren jeweiligen Fähigkeiten und ihren Ideen einbringen. Die Freiwilligendienste haben in dieser Legislaturperiode eine Aufwertung und eine Unterstützung erfahren, wie es sie noch nie vorher gab. Es ist die große gesellschaftspolitische Entscheidung, das große gesellschaftspolitische Projekt dieser Legislaturperiode. Wenn die antragstellenden Fraktionen dann an den verschiedenen Details herumkritteln, dann muss man sich vor Augen führen, woher wir kommen und was angesichts von Haushaltskonsolidierungsdruck und Schuldenbremse Dr. Peter Tauber alles auf dem Spiel stand. Wir haben insofern allen Grund, auf das Gesamtergebnis stolz zu sein. Wenn Sie angesichts dieser Entwicklungen und der damals zu lösenden Mammutaufgaben dann von „handwerklichen Mängeln“ und dergleichen schwadronieren, muss man sich schon fragen, ob die Komplexität der Aufgabe Ihrerseits erfasst wurde. Es ist an dieser Stelle noch einmal wichtig, zu betonen, dass Sie es sich mit Ihren Aussagen zu den Doppelstrukturen beim BFD und den Jugendfreiwilligendiensten ziemlich einfach machen. Sie wissen um die verfassungsmäßige Problematik, die sich rund um die Frage dreht, inwieweit der Bund sich an den Jugendfreiwilligendiensten der Länder beteiligen darf. Mit der erheblichen Aufstockung der Mittel für die Jugendfreiwilligendienste ist die Bundesregierung bereits weit gegangen. Sie hat dies ganz im Sinne der Stärkung der Jugendfreiwilligendienste getan. Die zivilgesellschaftliche Komponente hat alleine durch diesen Aufwuchs eine Stärkung erfahren, wie es sie bislang nicht gab. Dies müssen Sie bei Ihrer Forderung nach Stärkung der Freiwilligendienste in zivilgesellschaftlicher Verantwortung zur Kenntnis nehmen, und ich denke, dass es daran fraktionsübergreifend keinen Zweifel gibt. Ich finde es auch sehr interessant, wie ambivalent Sie immer wieder mit der Frage der Zivilgesellschaft umgehen. Das hat sich ja bei den Beratungen rund um den Bundesfreiwilligendienst deutlich gezeigt. Auf der einen Seite haben Sie sich darüber aufgeregt, dass der staatliche Einfluss auf den Bundesfreiwilligendienst zu groß sei und der Staat nun einen zu großen Einfluss auf die Zivilgesellschaft nimmt. Andererseits sind Sie nicht müde geworden, immer neue Forderungen zu stellen, was alles noch gesetzlich geregelt werden muss, um es nicht der Zivilgesellschaft selbst zu überlassen. Unter diesem Blick muss auch Ihre Forderung nach neuen gesetzlichen Regelungen oder – wie Sie es nennen – „einem einheitlichen Rechtsrahmen“ gesehen werden. Umstellungsprozesse brauchen immer ein wenig Zeit – und es gibt tatsächlich das eine oder andere, das aus meiner Sicht noch geschärft werden muss. Ich habe keinen Zweifel, dass wir diese Änderungen im Sinne der Freiwilligen in beiden Säulen angehen werden. Ein knappes Jahr nach der Einführung des Bundes freiwilligendienstes ist es Zeit für eine Bestandsaufnahme. Wo steht der BFD? Nach wie vor ist deutlich spürbar, dass das Gesetz zum Bundesfreiwilligendienst unter einem hohen Zeitdruck durch die Gremien gebracht werden musste. Es gibt weiterhin grundsätzliche Schwachstellen, die sich aus der „Pflichtdienstlogik“ ergeben – schließlich sollte der BFD die Lücke schließen, die der Zivildienst vermeintlich hinterlassen hat –; aber es gibt auch massive Probleme bei der Umsetzung, der Verzahnung zwischen BFD und FSJ/FÖJ und der Arbeitsmarktneutralität. Anfang des Jahres hat meine Fraktion gemeinsam mit Freiwilligen, Trägern und Einsatzstellen versucht, syste matisch die Schwächen des BFD aufzuzeigen. Gemeinsam mit den Grünen bringen wir nun einen Antrag ein, der unsere Vorstellung von klugen Rahmenbedingungen für Freiwilligendienste deutlich macht. Diesen Rahmenbedingungen liegt unserer Meinung nach ein grundsätzlich anderes Verständnis von Freiwilligendiensten zugrunde als das, das die Bundesregierung im letzten Jahr vermittelt hat. Wir nämlich sind der Überzeugung, dass Freiwilligendienste in zivilgesellschaftliche Verantwortung gehören und nicht in staatliche. Man kann es aufgrund der aktuellen Entwicklungen nicht oft genug sagen: Freiwilligendienste sind weder Ausfallbürgen noch Lückenbüßer für sozialstaatliche Aufgaben. Engagement im Rahmen eines Freiwilligendienstes ist für die Gesellschaft, aber eben auch für den einzelnen Freiwilligen ein großer Gewinn. Freiwilligendienste sind Bildungsdienste. Das muss auch für den BFD gelten. In diesem Sinne muss er sich in seiner Struktur stärker an den Jugendfreiwilligendiensten orientieren. Dazu gehört – und damit komme ich zum harten Kern unseres Antrags – die Verankerung des Trägerprinzips im Bundesfreiwilligendienstgesetz. Denn es kann nicht sein, dass die Träger, die wichtige Ansprechpartner für ihre Freiwilligen sind, die eine koordinierende Funktion wahrnehmen und für die Qualitätssicherung zuständig sind, im BFD kein Vertragspartner sind. Neben dem Grundsatz der Subsidiarität, den es hier zu wahren gilt, stellt die momentane Situation die Träger allein schon verwaltungstechnisch vor unlösbare Aufgaben – müssen sie doch auch hinsichtlich ihres Kontingents einen Überblick über die Anzahl und die Daten „ihrer“ Freiwilligen erhalten. Wir wollen, dass auch der BFD – genau wie die Jugendfreiwilligendienste – seinen Anspruch als Bildungsdienst ernst nimmt. Noch ist dies nicht der Fall: Beispielsweise ist die pädagogische Begleitung in den Einsatzstellen nicht festgeschrieben; für mein Dafürhalten ist sie aber essenziell. Zum anderen gibt es organisatorische Schwierigkeiten beim Umgang mit den Bildungsgutscheinen für die ehemaligen Zivildienstschulen. FSJund FÖJ-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer können häufig nicht an den Seminaren teilnehmen, weil es vonseiten der Bildungszentren keine Flexibilität gibt. So verfallen die Bildungsgutscheine und damit ein Teil der aufgestockten Mittel. Hier fordern wir in unserem Antrag ein neues System und eine grundlegende Reform des Bildungskonzeptes. Neben vielen anderen Punkten, die wir in unserem Antrag aufführen, ist mir ein Thema besonders wichtig: Die Doppelrolle des BAFzA sehen wir mehr als kritisch. Einerseits ist es steuernde, koordinierende und kontrollierende Behörde und verwaltet die Zuschüsse an die zivilgesellschaftlichen Zentralstellen. Andererseits ist es insbesondere für kleine und kommunale Träger Zentralstelle und Dienstleister. Somit tritt das BAFzA in Konkurrenz zu den Zentralstellen aus dem dritten Sektor. Das widerspricht unter anderem dem Subsidiaritätsgebot. Wir fordern, dass diese zweite Rolle des BAFzA aufgegeben wird. Zu Protokoll gegebene Reden Sönke Rix Grundsätzlich müssen wir uns die Frage stellen, wie wir uns die Freiwilligendienstlandschaft in Zukunft vorstellen. Ich begrüße, dass es mit dem BFD nun auch eine Möglichkeit für Menschen über 27 gibt, einen Freiwilligendienst zu leisten. Gleichzeitig wirft dies aber Fragen auf, die wir klar beantworten müssen. Die Abgrenzung zum Arbeitsmarkt und zu anderen Formen des bürgerschaftlichen Engagements muss gewährleistet sein. Tätigkeitsfelder müssen neu definiert und stets kontrolliert werden. Die Möglichkeiten, die die Abschaffung des Wehrund Zivildienstes nun bieten, müssen wir nutzen, und zwar besser, als es die Bundesregierung momentan tut. Wir brauchen ein kluges, durchdachtes und zivilgesellschaftlich orientiertes Konzept für eine Zukunft der Freiwilligendienste. Unser Antrag stellt eine gute Grundlage dafür dar. Das große Interesse am Bundesfreiwilligendienst hat die Bundesregierung überrascht, sie feiert das als ihren Erfolg. Wir, die SPD, waren nicht überrascht. Das Interesse am freiwilligen Engagement ist in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. Die Engagementquote ist in den letzten zehn Jahren um 2 Prozent gestiegen, bei den über 60-Jährigen sogar um mehr als 5 Prozent. Auf einen Platz im Freiwilligen Sozialen bzw. im Freiwilligen Ökologischen Jahr kamen drei Bewerbungen. Die SPD hat in ihrer Regierungsverantwortung, in der 14. und 15. Wahlperiode, die klassischen Jugendfreiwilligendienste kontinuierlich ausgebaut, quantitativ wie qualitativ. Diesen Ausbau wollten wir fortsetzen, die Bundesregierung nicht. Stattdessen hat sie mit dem Bundesfreiwilligendienst einen neuen Dienst eingeführt. Danken müssen wir den Freiwilligen wie den Trägern. Trotz der widrigen Bedingungen haben sie aus den neuen Vorgaben das Beste gemacht und den neuen Dienst erfolgreich umgesetzt. Freiwillige, die bereits als junge Erwachsene erfahren, welchen Wert und welche Bedeutung ihr Engagement für die Gesellschaft hat, werden sich auch im weiteren Verlauf ihres Lebens engagieren, davon bin ich überzeugt. Wir, die SPD, fordern daher auch in unserem Antrag, dass wir eine Kultur der Anerkennung und Wertschätzung entwickeln müssen. Das darf sich nicht auf schöne Worte und Schulterklopfen beschränken. Anerkennung muss schon bei der Bundesregierung anfangen. Während das Familienministerium für den neuen Dienst wirbt, beschäftigt sich das Finanzministerium lieber damit, wie man Freiwilligen in die Tasche greifen kann. Das Finanzministerium erarbeitete Pläne für eine Engagementsteuer! Das ohnehin schon geringe Taschengeld der Freiwilligen sollte besteuert werden. Solche Gedankenspiele sind ein vollkommen falsches Signal, sie sind das Gegenteil einer Anerkennungskultur. Solche Stolpersteine dämpfen Engagement, anstatt es zu befördern. Eine Kultur der Wertschätzung und Anerkennung müssen auch die Einsatzstellen und Träger entwickeln. Der Zivildienst war ein Pflichtdienst. Viele Einsatzstellen müssen erst noch realisieren, dass sie es mit Freiwil ligen und nicht mit Dienstverpflichteten zu tun haben, denn Freiwillige können ihren Dienst jederzeit quittieren. Die Abbrecherquote von rund 10 Prozent im Bundesfreiwilligendienst muss daher näher untersucht werden. Was sind die Gründe, dass Freiwillige ihren Dienst abbrechen? Welche Konsequenzen müssen daraus gezogen werden? In Gesprächen mit Freiwilligen äußerten viele, dass sie als Freiwillige gesehen werden wollen, und nicht als Verpflichtete. Sie wollen ihre Qualifikationen im Freiwilligendienst einbringen, auch Veränderungen anstoßen, Freiwillige erwarten, dass sie auf Augenhöhe behandelt werden. Unklarheiten gibt es auch nach wie vor bei der Anrechnung eines Freiwilligendienstes als Wartesemester oder Praktikum für eine spätere Ausbildung oder ein Studium. FSJ und FÖJ sind eingeführt und werden angerechnet. Für die Freiwilligen im BFD muss dies auch gelten. Die Bundesregierung ist hier noch nicht aktiv geworden. Die ersten Bundesfreiwilligen sind schon fertig mit ihrem Dienst, und es gibt – nach einem Jahr – noch nicht einmal einen Bundesfreiwilligendienstausweis. Die Bundesregierung versichert immer wieder, man arbeite an dem Problem. Wie lange noch? Dabei ist ein einheitlicher und breit akzeptierter Freiwilligendienstausweis, der zu Ermäßigungen berechtigt, ein wichtiger Baustein für mehr Anerkennung. Auch Arbeitgeber sind in Sachen Anerkennung gefordert. Ehemalige Freiwilligendienstleistende sind ein Gewinn für Arbeitgeber. Wer einen Freiwilligendienst geleistet hat, bringt außergewöhnliche Kompetenzen, Fertigkeiten und Erfahrungen mit, Qualifikationen, die auch im Job gefragt sind. Davon profitieren sowohl Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber als auch Kolleginnen und Kollegen. Umgekehrt müssen Arbeitgeber auch jungen Auszubildenden die Teilnahme an einem Freiwilligendienst ermöglichen, ohne dass sie ihren sicheren Job aufgeben müssen. Denn bisher werden Freiwilligendienste von jungen Leuten meistens zwischen Schule und Studium oder vor dem Berufseinstieg absolviert. Auszubildende, die von ihrem Betrieb übernommen werden wollen, können sich einen Freiwilligendienst gar nicht leisten, weil sie damit die Übernahme aufs Spiel setzen. Wir brauchen daher eine „Allianz für Freiwilligendienste“. Die Arbeitgeber verpflichten sich, einen Freiwilligendienst mit gleichzeitiger Rückkehr in den Job zu ermöglichen. Zivis hatten ein Rückkehrrecht. Eine Selbstverpflichtung wäre ein Baustein für eine reale Anerkennung. Und sie erspart uns gesetzliche Regelungen. Der Bundesfreiwilligendienst richtet sich nicht nur an Junge, sondern auch an Ältere. Eine erste Studie zum BFD, verfasst von der Hertie School of Governance und des CSI, „Ein Jahr Bundesfreiwilligendienst“, zeigt: Über 30 Prozent der Bundesfreiwilligen sind über 27. Auf den ersten Blick sieht das toll aus. Schaut man sich die Verteilung auf die Bundesländer an, fällt auf, dass es in den östlichen Bundesländern überproportional viele ältere Teilnehmer am BFD sind. Während in BadenWürttemberg 16 Prozent der BFDler älter als 27 sind, sind es in Thüringen 79 Prozent. Ist die Arbeitsmarkt Zu Protokoll gegebene Reden Ute Kumpf neutralität im Osten nicht gegeben? Mir wurden Fälle geschildert, in denen die Arbeitsagentur Arbeitsuchende zur Aufnahme eines Bundesfreiwilligendienstes aufgefordert hat. Aus der persönlichen Sicht der Arbeitslosen kann ein Bundesfreiwilligendienst vielleicht ganz schön sein. Bei einem Besuch bei der Diakonie habe ich mit älteren Freiwilligen gesprochen. Oft sind es Brüche im Lebenslauf, die der Aufnahme eines BFD vorausgegangen sind. Es kann aber nicht sein, dass aktive arbeitsmarktpolitische Instrumente gekürzt werden und Arbeitslose mit dem Bundesfreiwilligendienst abgespeist werden. Der Bundesfreiwilligendienst ist keine AB-Maßnahme und darf nicht zu weiteren prekären Beschäftigungsverhältnissen führen. Die Altersöffnung ist aber mit noch mehr Fragezeichen verbunden. Mitnahmeeffekte sind möglich: Durch geringe Stundenzahl im BFD und einem Teilzeitjob im selben Bereich kann Missbrauch betrieben werden. Hier ist die Bundesregierung in der Pflicht. Möglicher Missbrauch muss untersucht und konsequent unterbunden werden. Alle die aufgeworfenen Themen sind in unserem Antrag aufgeführt. Wir fordern einen klaren Rechtsrahmen. Wir brauchen eine Abgrenzung zum Arbeitsmarkt. Freiwilligendienste dürfen nicht als Ersatz für soziale Arbeit, arbeitsmarktpolitische oder Wiedereingliederungsmaßnahmen missbraucht werden. Ein Freiwilligendienstestatusgesetz schafft Abhilfe. Es kann dazu beitragen, dass das Angebot für Interessierte übersichtlich ist, gesellschaftliche Anerkennung gewährleistet ist, Zuständigkeiten klar und transparent geregelt sind, und die Qualität der Einsatzstellen gesichert ist. Die Vielfalt und die zivilgesellschaftliche Verankerung der Freiwilligendienste muss darin gewährleistet sein. Ein letzter Punkt, der uns als SPD wichtig ist, ist die Frage der Partizipation. Wer sich für einen Freiwilligendienst entscheidet, will mitreden, mitgestalten und teilhaben. Gerade in den Freiwilligendiensten geht es nicht um das Ableisten einer Dienstpflicht. Dazu benötigt es eine Interessenvertretung der Freiwilligen, sowohl bei den Einsatzstellen, als auch bei den Trägern. Das ist bisher nicht gewährleistet. Es muss eine Plattform geschaffen werden, auf der sich BFDler organisieren und austauschen können. Die SPD steht zum Ausbau der Freiwilligendienste, dazu bekennt sich unser Antrag. Wir wollen die Vielfalt und die Verlässlichkeit in der Finanzierung gewährleisten. Unser Ziel bleibt es, jedem und jeder Interessierten einen qualitativ guten Freiwilligendienstplatz anbieten zu können, und dazu braucht es die entsprechenden Haushaltsmittel. Man soll den Tag bekanntlich nicht vor dem Abend loben. Aber in diesem Falle möchte ich das Wagnis eingehen. Schließlich stellt dieser Antrag fast eine 180Grad-Wendung von SPD und Grünen dar. Man erlebt es nicht alle Tage, dass die Opposition in einem Antrag so offen und unumwunden einräumt, dass die mutige Entscheidung der Koalition, die Wehrpflicht auszusetzen, richtig war. Da gab es in der Vergangenheit ja durchaus unterschiedliche Signale von der linken Seite des Hauses. Die SPD war mal für die Wehrpflicht, dann dagegen, dann für eine „freiwillige Wehrpflicht“; unklarer ging es kaum. Für uns Liberale war die Sache hingegen eindeutig: Anstatt babylonische Sprachverwirrung zu betreiben, haben wir uns seit über einem Jahrzehnt konsequent für die Aussetzung der Wehrpflicht und damit aller Zwangsdienste eingesetzt, weil wir die Wehrpflicht aus bekannten sicherheitspolitischen Erwägungen nicht mehr für zeitgemäß hielten. Als Nächstes hieß es dann, die Aussetzung sei übereilt, komme zum falschen Zeitpunkt oder sei in der aktuellen Lage fehl am Platze. Ich freue mich, dass Sie all diese vorschnellen Urteile mit diesem Antrag öffentlich eingestehen. Ferner räumen Sie Ihren Irrtum ein, dass der BFD ein Rohrkrepierer werden würde. Sie haben uns dies stets prophezeit – und ganz offensichtlich die Engagementbereitschaft der Menschen in unserem Lande massiv unterschätzt. Aber aus Fehlern kann man bekanntlich lernen. Ich wünschte, dass ich es dabei schon belassen könnte. Aber wo Licht ist, da ist auch Schatten, und der ist in diesem Fall leider ziemlich lang. Wenn Sie feststellen, dass mit der Einführung des Bundesfreiwilligendienstes die Chance verpasst wurde, die Jugendfreiwilligendienste weiterzuentwickeln und auszubauen, dann haben Sie Ihre Hausaufgaben nicht gemacht. Sie ignorieren wieder einmal geflissentlich die Hinweise des Bundesrechnungshofs, der bereits die heutige Förderung der Jugendfreiwilligendienste wiederholt gerügt hat. An anderer Stelle, liebe Mitglieder der Opposition, argumentieren Sie doch gerne mit dem Bundesrechnungshof. Warum weigern Sie sich in diesem Fall so beharrlich, dessen Hinweise zur Kenntnis zu nehmen? Außerdem unterschlagen Sie schlicht die enormen Anstrengungen, die diese Koalition im Bereich des zivilgesellschaftlichen Engagements unternommen hat. Wir haben die Unterstützung für die Freiwilligendienste, die pädagogische Förderung, um das beinahe Vierfache erhöht. Nichts annähernd Vergleichbares ist unter Ihrer Ägide geschehen. Daher können wir, CDU, CSU und FDP, mit Fug und Recht sagen, dass wir die Koalition des bürgerschaftlichen Engagements sind. Und es ist kein Geheimnis, dass sich insbesondere die Liberalen für den Ausbau der Jugendfreiwilligendienste von Beginn dieser Legislatur an eingesetzt haben. In Ihrem Antrag stellen Sie nun eine Reihe von Forderungen. Teilweise werden diese schon erfüllt. So läuft die Evaluation des BFD bereits, und natürlich wird dabei dezidiert auf die Arbeitsmarktneutralität geachtet. Und es steht doch völlig außer Frage, dass die Freiwilligendienste nicht als arbeitsmarktpolitisches Instrument missverstanden werden dürfen. Da sind wir fachpolitisch völlig einer Meinung. Zu Protokoll gegebene Reden Florian Bernschneider Für einige andere Punkte, die Sie fordern, habe ich allerdings kein Verständnis. Nicht etwa, weil ich sie inhaltlich nicht teilen würde, sondern weil Sie sich schlicht und ergreifend wieder einmal den falschen Adressaten für Ihre Forderungen ausgesucht haben. Für die Anerkennung von bürgerschaftlichem Engagement in Form von Wartesemestern durch die Universitäten beispielsweise ist der Bund überhaupt nicht zuständig. Und das trifft auch auf eine Reihe anderer Punkte zu. Das sollten Sie eigentlich wissen. Es steht Ihnen aber selbstverständlich frei, sich bei Ihren Landeskollegen für eine größere Wertschätzung des bürgerschaftlichen Engagements einzusetzen. Es wäre höchste Zeit, und ich würde das ausdrücklich begrüßen. Sicherlich gibt es auch Punkte, wie zum Beispiel die Zukunft der Bildungszentren, die Sie selbst ansprechen, über die wir uns im Ausschuss austauschen sollten. Das gesetzliche „Feintuning“ beim BFD ist ohne Frage noch nicht abgeschlossen; wie sollte es auch. Die Freiwilligendienste haben sich über 40 Jahre entwickelt. Der BFD wurde in weniger als einem Jahr von uns sprichwörtlich aus dem Boden gestampft. Rom wurde bekanntlich auch nicht an einem Tag erbaut. Da wartet noch Arbeit auf uns. Ob aber dieser Antrag dazu beiträgt, die wichtigsten Baustellen erfolgreich abzuschließen, habe ich doch erhebliche Zweifel. Es ist interessant, wie stark sich die anderen Fraktio nen – trotz gegenteiliger Beteuerungen – regelmäßig an den Positionen der Linken orientieren, so wie in diesem Fall SPD und Bündnisgrüne, die in ihrem gemeinsamen Antrag zu den Freiwilligendiensten viele Forderungen und Bedenken der Linken aufnehmen. Unsere Forderungen, die von Ihren alles andere als weit entfernt sind, stellten wir schon im Februar 2011 im Bundestagsplenum zur Abstimmung. Unserem Antrag „Jugendfreiwilligendienste weiter ausbauen, statt Bundesfreiwilligendienst einführen“ stimmten Sie damals aber leider nicht zu. Im Mai 2012 wurde meine umfassende Kleine Anfrage zur „Weiterentwicklung des Bundesfreiwilligendienstes“ von der Bundesregierung beantwortet. Diese Anfrage haben Sie, wie Ihr Antrag zeigt, zu Recht genau studiert. Doch ob hier im Plenum oder im Unterausschuss „Bürgerschaftliches Engagement“. Nicht nur die Regierungskoalition, auch Sie von SPD und Grünen untermalten regelmäßig unsere Anmerkungen – ob zur vermeintlichen Arbeitsmarktneutralität oder zur Altersöffnung – mit genervtem Desinteresse. Dies macht Sie nicht unbedingt glaubwürdiger! Wenn Sie jetzt schon einiges von der Linken guttenbergen, ist es umso bedauerlicher, dass wir nicht einen oppositionsübergreifenden Antrag vorlegen. Dies hätte erstens Ihrem jetzigen Antrag noch mehr Nachdruck und Glaubwürdigkeit verliehen, gerade in die soziale Bewegungsund Engagementszene hinein. Und zweitens hätte dies Ihrem Antrag gewiss zu noch mehr Qualität verholfen. Rot-Grün fordert nun im Antrag, dass alle Freiwilligendienste vollständig zivilgesellschaftlich organisiert sein sollen. Dies ist richtig. Doch wären Sie nur immer schon so konsequent gewesen! Die Linke lehnte den staatlich organisierten Bundesfreiwilligendienst von vornherein und – das ist der Unterschied zu Ihnen – mit Nachdruck ab. Wir wollten rechtliche Voraussetzungen schaffen, um die bestehenden Jugendfreiwilligendienste mithilfe erfahrener zivilgesellschaftlicher Akteure weiter auszubauen und zu stärken. Sie eierten dagegen rum! Aber in Ihrem Antrag wird vieles Richtige und Wichtige angesprochen: Der Linken liegt das Thema Arbeitsmarktneutralität ganz besonders am Herzen. Da lassen wir auch nicht locker. Schön, dass Sie sich dieses Themas zumindest in Ihrem Antrag ein bisschen ausführlicher annehmen. In Debatten schoben Sie es bisher allzu oft schnell beiseite. Uns ist wichtig, dass alle Freiwilligendienste noch klarer von Erwerbsarbeit und arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen abgegrenzt werden. Gerade in Ostdeutschland wurden und werden viele Erwerbslose von den Arbeitsagenturen in den Bundesfreiwilligendienst geschickt. Es ist doch offensichtlich, warum: Erwerbslose stellen eine Armada an günstigen Arbeitskräften da – nun auch noch unter dem Deckmantel des staatlichen Freiwilligendienstes. In der Altersgruppe von 27 bis 65 Jahren leisten mehr Frauen als Männer einen Bundesfreiwilligendienst, weil ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt geringer sind als die von Männern. Kommunen schielen aufgrund ihrer Finanznöte immer öfter auf Freiwillige jeglicher Couleur. Und dann gab es noch den absurden Vorschlag, Bundesfreiwilligendienstler vermehrt in Kitas zu schicken. Hieran sehen wir doch deutlich: Freiwillige sollen immer häufiger für fehlende Fachkräfte und Arbeitsplätze sowie als Ausgleich für zu geringe Finanzmittel in die Bresche springen. Sie müssen es oftmals sogar tun, um zum Beispiel als Erwerbslose überhaupt über die Runden zu kommen. Auch Seniorinnen und Senioren sind in ihrer berechtigten Furcht vor Altersarmut davon besonders betroffen. Mit einem Bundesfreiwilligendienst können sie ihr Einkommen bzw. ihre Rente wenigstens ein kleines Stück aufstocken. Gerade die geringere Stundenzahl für über 27-Jährige im Bundesfreiwilligendienst verführt dazu. Generell sehen wir im Gegensatz zu SPD und Grünen die Altersöffnung sehr kritisch. Zudem kommt es immer öfter vor, dass mehrere derartig niedrig entlohnte Beschäftigungen kombiniert werden. Die Zuverdienstmöglichkeiten für Beziehende von Arbeitslosengeld II verstärken dieses „Getriebenwerden in den Bundesfreiwilligendienst“ ebenso wie die vom Gesetzgeber angestrebten Anreize, mit einem Bundesfreiwilligendienst wieder Ansprüche auf Arbeitslosengeld I zu erhalten. Doch das ist der völlig falsche Weg! Die Linke ist der Meinung, dass Freiwilligendienste nicht als Ausfallbürgen und Freiwillige nicht als Lückenbüßer in einem bewusst ausgetrockneten Sozialsystem herhalten dürfen! Bürgerschaftliches Engagement als Ganzes darf und kann nicht all das übernehmen und auffangen, was die Zu Protokoll gegebene Reden Harald Koch öffentliche Hand nicht mehr finanzieren kann oder will. Es darf nicht länger Notnagel im Zuge des Sozialstaatsabbaus sein und auch nicht reguläre, qualifizierte Beschäftigung verdrängen! Die Linke will nicht, dass der Bundesfreiwilligendienst eine weitere Niedriglohnoase zwischen klassischem Engagement und regulärer Erwerbsarbeit wird. Was wir an erster Stelle brauchen, sind mehr sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze mit qualifizierten Beschäftigten bei tariflichem Lohn oder wenigstens 10 Euro Mindestlohn und mehr betriebliche Ausbildungsplätze. Statt prekärer Beschäftigung und Leiharbeit will die Linke existenzsichernde Arbeitsplätze und gute Arbeit für Jung und Alt. Erwerbslose brauchen eine sank-tionsfreie, Teilhabe ermöglichende Grundsicherung. Und wir fordern eine armutsfeste und lebensstandardsichernde Rente. Die Kommunen wiederum haben stabilere und höhere Einnahmen nötig, um wieder handlungsfähig zu werden und umfassende kommunale Daseinsvorsorge zu garantieren. Deshalb muss unter anderem die Gewerbesteuer zur Gemeindewirtschaftsteuer weiterentwickelt werden. Dies alles muss dringend angegangen werden! Ein Bundesfreiwilligendienst wird kein Heilsbringer sein! Kommen wir zu anderen Punkten Ihres Antrags: Die Linke sieht Freiwilligendienste ebenfalls primär als Lernund Bildungsdienste, aber eher für junge Menschen. Deren zielgruppengerechte pädagogische Begleitung in der jeweiligen Einsatzstelle muss gesichert sein! Da stimmen wir mit Ihnen überein. Jedoch zeigen sich auch hier Probleme aufgrund der Altersöffnung: Sinnvolle Regelungen aus dem Bereich Bildung lassen sich nicht so einfach von Jugendfreiwilligendiensten auf Bundesfreiwilligendienstler jedes Alters übertragen. Die Verschiedenartigkeit dieser Gruppe macht Bildungsbegleitung und das Entwickeln konsistenter Bildungskonzepte sehr schwer. Auch befürwortete die Linke schon immer eine breite Anerkennungskultur für Engagement in Freiwilligendiensten, was beispielsweise in unserem Antrag aus dem letzten Jahr nachzulesen ist. Ergänzend zu den rot-grünen Forderungen unter anderem nach einem Freiwilligendienstausweis, ÖPNV-Vergünstigungen und Anerkennung eines Dienstes als Wartesemester oder Praktikum möchte ich noch Vergünstigungen beim BAföG oder Möglichkeiten zur gebührenfreien Weiterbildung in die Debatte einbringen. Dass Arbeitgeber Beschäftigte, die einen Freiwilligendienst geleistet haben oder leisten wollen, mehr wertschätzen bzw. besser unterstützen sollen, ist eine sinnvolle Forderung. An dieser Stelle gilt es aber, sich für konkrete Freistellungsregelungen und vor allem für einen starken Kündigungsschutz einzusetzen. Im Unterschied zu SPD und Grünen fordern wir die ausdrückliche Beachtung von Gleichstellungsund Antidiskriminierungsprinzipien in Freiwilligendiensten. Im Bereich Mitgestaltung der Teilnehmenden an einem Freiwilligendienst bleiben Sie außerdem zu schwammig: Die Linke möchte nicht nur eine vage Mitgestaltung, sondern Mitbestimmung nach dem Betriebsverfassungsgesetz. Ebenso wichtig ist die demokratische Mitbestimmung an Zielen, Inhalten und Ausrichtung der Jugendfreiwilligendienste selbst. Gremien der Mitbestimmung sind aus unserer Sicht bei jedem Träger von Freiwilligendiensten notwendig. In Ihrem Antrag hätten Sie zudem deutlicher hervorheben müssen, dass Freiwilligendienste niedrigschwelligere Zugangsmöglichkeiten bieten müssen, um unterrepräsentierte Gruppen vermehrt zu gewinnen. Die Linke fordert, dass sich Freiwilligendienste stärker für neue Zielgruppen öffnen, wobei besonders Migrantinnen und Migranten und Menschen mit Behinderung in den Blick genommen werden müssen. Freiwilligendienste dürfen aber auch hier nicht Platzhalter für umfassende Integration und Inklusion sein. Was insgesamt an diesem in weiten Teilen gelungenen Antrag auffällt, ist, dass Sie wie die Bundesregierung Freiwilligendienste als Hauptinstrument zur Engagementförderung ansehen. Damit agieren Sie jedoch zu einseitig. Sie verstärken die Sicht auf freiwilliges Engagement als bloße Dienstleistung für die Bewältigung sozialer Probleme. Der Staat greift auf Freiwillige zu, an der Zivilgesellschaft vorbei. Engagement soll geradezu planwirtschaftlich gesteuert werden. Freiwillige werden dem Bereich zugeteilt, in dem sie gerade gebraucht werden: heute Pflege, morgen Kita, je nachdem, wo aktuell durch Sozialabbau die Strukturen geschliffen wurden. Der engagierte Mensch wird damit zur bloßen Ressource, zur Ware. Das lehnt die Linke entschieden ab! Bund, Länder und Kommunen – nicht Freiwillige – sind gefordert, eine breite öffentliche Daseinsvorsorge zu gewährleisten. Am Bundesfreiwilligendienst wird hingegen berechtigterweise die zu große Staatsnähe und das Kleben an der Logik der Pflichtdienste kritisiert. Der vermoderte, altertümliche Dienst-Begriff stellt in den Schatten, dass sich bürgerschaftliches Engagement an dem freien und freiwilligen, solidarischen Miteinander aller Menschen in einer vitalen und sozialen Demokratie orientieren sollte. Dies alles wird seit geraumer Zeit unter dem Stichwort „Verdienstlichung der Engagementpolitik“ diskutiert. Dem sollten wir uns in den entsprechenden Ausschüssen vertiefend annehmen. Bürgerschaftliches Engagement hat noch mehr Facetten als nur die Freiwilligendienstseite. Dies müsste mal dem Familienministerium bewusst werden! Die Linke fordert nach dem „Gesetz zur weiteren Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements“ aus der letzten Wahlperiode daher eine weitreichende Strukturförderung von bürgerschaftlichem Engagement auch jenseits der Freiwilligendienste. Kommunen, Vereine, Verbände und Initiativen müssen in die Lage versetzt werden, zielgenaue Infrastrukturen zur Engagementförderung aufzubauen. Denn nur dann kann freiwilliges Engagement als das gestärkt werden, was es sein sollte: als wichtiges sozia Zu Protokoll gegebene Reden Harald Koch les Plus in einer demokratischen und gerechten Gesellschaft. Knapp ein Jahr ist die Aussetzung der Wehrpflicht und des damit verbundenen Zivildiensts her. Und knapp ein Jahr besteht der Bundesfreiwilligendienst. Allen Unkenrufen zum Trotz ist mit dem Ende des Zivildienstes das soziale System in Deutschland nicht zusammengebrochen. Im Gegenteil: Es gibt eine große Nachfrage nach allen Freiwilligendiensten. Aktuell leisten circa 85 000 vorwiegend junge Menschen in Deutschland ein freiwilliges Jahr. Circa 35 000 von ihnen haben einen Platz im Bundesfreiwilligendienst – in einem Dienst, den Union und FDP im Hauruckverfahren im vergangenen Jahr eingeführt haben und der das bewährte System der Jugendfreiwilligendienste in eine Schieflage gebracht hat, weil die Qualität der Angebote hinter der Quantität weit zurücksteht. Vor diesem Hintergrund haben wir gemeinsam mit der SPD den vorliegenden Antrag eingebracht, um wenigstens die groben Probleme kurzfristig anzugehen. Mit der Einführung des Bundesfreiwilligendiensts durch die Bundesregierung am 1. Juli 2011 entstanden Risse in der Erfolgsgeschichte der Freiwilligendienste und eine große Verunsicherung für alle Beteiligten. Wäre die jahrelange Erfahrung der Träger bei Einführung des neuen Bundesfreiwilligendiensts nicht vorhanden gewesen, hätten sie nicht die Freiwilligen und Einsatzstellen unterstützt und wären sie darüber hinaus nicht in finanzielle Vorleistung gegangen, dann gäbe es den Bundesfreiwilligendienst ein Jahr nach seiner Einführung so nicht mehr. An dieser Stelle also ein großes Lob an die Träger und Einsatzstellen, die die Einführung des Bundesfreiwilligendiensts zu einem Erfolg gemacht haben! Und ein Lob an die Freiwilligen, die sich nicht haben verunsichern lassen! „Freiwilligendienste in zivilgesellschaftlicher Verantwortung stärken“ ist Titel und Ziel unseres Antrags. Das bedeutet für uns Grüne, dass das Subsidiaritätsprinzip flächendeckend für alle Freiwilligendienste gelten muss. Traditionell sind unsere Inlandsfreiwilligendienste FÖJ und FSJ und ihre vielen Facetten in den Bereichen Kultur, Sport, Politik, Denkmalschutz usw. zivilgesellschaftlich organisiert. Der Bundesfreiwilligendienst untergräbt dieses Prinzip, indem der Staat – mittels des „neuen“ Bundesamts für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben, kurz BAFzA, und seiner Bildungszentren – die zentrale Steuerungsfunktion übernimmt und gleichzeitig als Zentralstelle fungiert. Diese Doppelrolle muss beendet werden. Die Träger haben ausreichend Erfahrung im Umgang mit Freiwilligen. Die Verwaltungsstruktur des BAFzA dagegen ist überdimensioniert, schwerfällig und teuer. Außerdem muss die Rolle der Bildungszentren entsprechend angepasst werden. Die Qualität von Bildung und pädagogischer Begleitung der bewährten Jugendfreiwilligendienste muss wieder unbedingter Maßstab werden. Die staatlich geführten Bildungszentren bereiten den Trägern in ihrer Ausrichtung als „Nachfolgeeinrichtung“ der Zivildienstschulen Probleme in der pädagogischen Begleitung und Passgenauigkeit. Die Träger haben momentan keine Möglichkeit der Einflussnahme auf das Curriculum der staatlichen Bildungszentren. Die Vielfalt der unterschiedlichen Akteure in den Freiwilligendiensten geht dadurch verloren und weicht einem Zentralangebot, das nur erhalten werden muss, um den Fortbestand der Zivildienstschulen zu sichern. Hier sollten sich BAfzA und Familienministerium einmal beim Verteidigungsminister erkundigen, der überflüssige Strukturen nach der Aussetzung der Wehrpflicht abschafft und Kasernen schließt. Schließlich wollen wir die Teilhabe der Freiwilligen im Rahmen ihres Freiwilligendiensts gewährleisten. Denn es kann nicht nur darum gehen, die Freiwilligen in die Pflicht zu nehmen. Engagement braucht Raum für Kreativität, Selbstbestimmung und Eigenverantwortung. Hierfür ist eine fundierte Evaluation für die Weiterentwicklung der Freiwilligendienste dringend nötig. Kurzfristig müssen Zwischenergebnisse der Evaluation die Weiterentwicklung begleiten, um unter anderem die Arbeitsmarktneutralität sicherzustellen und den steigenden Abbrecherquoten entgegenzuwirken. Es gibt noch viel zu tun, bis die Struktur der Freiwilligendienste insgesamt aus einem Guss ist. Es gibt noch viel zu tun, bis der Bundesfreiwilligendienst ein echter Freiwilligendienst ohne staatliche Fernsteuerung ist und bis sich der Dschungel der Freiwilligendienste für junge engagierte Menschen gelichtet hat. Die Bundesregierung muss endlich handeln und das lange angekündigte Freiwilligendienstestatusgesetz vorlegen. Auch dazu fordern wir sie mit unserem Antrag auf. Es wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 17/9926 an die in der Tagesordnung vorgesehenen Ausschüsse vorgeschlagen. – Sie sind einverstanden. Dann ist das so beschlossen. Tagesordnungspunkt 37: Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/ CSU und FDP Für effektive EU-Regeln zur Beteiligungstransparenz an börsennotierten Unternehmen und die Möglichkeit des Stimmrechtsverlustes von Aktionären bei Verstößen gegen Meldepflichten aus den §§ 25, 25 a des Wertpapierhandelsgesetzes in der Fassung des Anlegerschutzund Funktionsverbesserungsgesetzes – Drucksache 17/9940 – Die Reden sind zu Protokoll genommen. Einige spektakuläre Übernahmefälle in der Vergan genheit haben gezeigt, wie wichtig die Beteiligungstransparenz für die betroffenen Unternehmen, Anteils Ralph Brinkhaus eigner und Arbeitnehmer ist. Gleichzeitig wurde deutlich, dass die bestehenden Regelungen nicht ausreichten, da sie durch die Nutzung von Finanzinstrumenten, die der Meldepflicht nicht unterlagen, umgangen werden konnten. So konnten unerkannt Stimmrechtspositionen an Unternehmen aufgebaut werden. Man spricht diesbezüglich auch von „Anschleichen“. Mit dem Gesetz zur Stärkung des Anlegerschutzes und Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts, das zu Beginn des vergangenen Jahres verabschiedet wurde, haben wir die Meldepflichten daher deutlich ausgeweitet. Mit dem neuen § 25 a WpHG wurde ein Auffangtatbestand geschaffen, um alle bekannten, aber auch alle noch nicht angewendeten Strategien zur Verschleierung des Aufbaus von Beteiligungen zu erfassen. Es werden alle Instrumente erfasst, die es ihrem Inhaber faktisch oder wirtschaftlich ermöglichen, mit Stimmrechten verbundene und bereits ausgegebene Aktien eines Emittenten zu erwerben. Der neue § 25 a WpHG ist daher ein geeignetes Mittel, um – der Kreativität der Finanzbranche trotzend – in zukünftigen Fällen ein Anschleichen wirksam zu verhindern. Wir haben dies national festgelegt, haben aber großes Interesse daran, dass diese Regelung auch europaweit gilt. Wir fordern die Bundesregierung daher auf, dieses Anliegen im Rahmen der Verhandlungen über den Vorschlag der Europäischen Kommission zur Novellierung der Transparenzrichtlinie einzubringen. Zu einem wirksamen Verbot gehört aber auch eine wirksame Sanktionierung bei Verstößen gegen dieses Verbot. Ein Verstoß gegen die Transparenzvorschriften des WpHG ist eine Ordnungswidrigkeit, die bisher mit einem Bußgeld bis zu 1 Million Euro geahndet werden kann. Das Bußgeld ist im Vergleich zu Bußgeldandrohungen in anderen Rechtsgebieten sehr hoch. Bei den immensen Werten, um die es beim versuchten Anschleichen geht, steht aber zu befürchten, dass auch diese hohe Bußgeldandrohung keine ausreichend abschreckende Wirkung hat. Daher haben wir bei der Verabschiedung des Gesetzes zur Stärkung des Anlegerschutzes und Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts zugesagt, zu prüfen, ob die bestehenden Sanktionen ausreichen. Zwar sind weitere negative Folgen mit einem Melderechtsverstoß verbunden. So gibt es beispielsweise die Möglichkeit der Vorteilsabschöpfung, unter bestimmten Umständen auch strafrechtliche Konsequenzen und in jedem Fall einen erheblichen Reputationsschaden. Insgesamt erscheint es uns aber dennoch notwendig, im Falle einer vorsätzlichen Zuwiderhandlung gegen die Transparenzvorschriften der §§ 25, 25 a WpHG auch die Möglichkeit eines vorübergehenden Stimmrechtsverlustes vorzusehen. Denn mit einem Stimmrechtsverlust verliert derjenige, der verdeckt eine Position aufbaut, die Möglichkeit, die erworbenen Stimmrechte und Mehrheiten einzusetzen. Mit dieser Sanktionsandrohung wird jedem Erwerber der Anreiz genommen, verdeckt vorzugehen; denn sie trifft ihn in seinem Grundanliegen. Die Sanktion des Stimmrechtsverlustes trägt daher dazu bei, das Anschleichen effektiv zu verhindern. Die bereits erwähnte Novellierung der Transparenzrichtlinie ist eine gute Gelegenheit, die bestehenden deutschen Regelungen um die Möglichkeit zur Stimmrechtsaussetzung zu ergänzen. Denn wir legen großen Wert darauf, dass wir bei diesem doch sehr weitgehenden Eingriffsinstrument europaweit abgestimmt handeln. Auch wenn ein nationaler Alleingang in anderen Fällen von Vorteil sein kann, würde er in diesem Fall mehr schaden als nützen. Zum einen ginge es nicht um die Einführung der Meldepflicht – diese haben wir bereits eingeführt. Es ginge lediglich um die Verschärfung der Sanktionen bei einem Verstoß gegen diese Meldepflichten. Zum anderen rechnen wir mit einem baldigen Abschluss der Verhandlungen. Das grundsätzlich mögliche nationale Vorangehen wäre nur von kurzer Dauer. Dies würde unter den Marktteilnehmern wahrscheinlich mehr Verwirrung als Respekt für die neuen Meldetatbestände schaffen. Es ist uns daher wichtig, dass sich der Deutsche Bundestag entsprechend positioniert und die Bundesregierung bei den Verhandlungen auf europäischer Ebene aktiv begleitet. Konkret geht es dabei um folgende drei Punkte: Erstens wollen wir erreichen, dass die harmonisierten Regeln zur Beteiligungstransparenz nicht hinter dem in Deutschland durch die §§ 25, 25 a WpHG erreichten Standard zurückbleiben. Wir haben uns bewusst dafür entschieden, für Meldepflichten einen Auffangtatbestand zu schaffen, auch wenn wir dadurch nicht heute schon alle Instrumente konkret benennen können, die unter die Meldepflicht fallen. Mit dieser gewissen Unsicherheit zu leben, ist besser, als immer neuen Gestaltungen mit angepassten Regelungen hinterherzulaufen. Daher wäre es wichtig, dass auch die Transparenzrichtlinie einen Auffangtatbestand nach deutschem Vorbild enthält. Zweitens wollen wir erreichen, dass als mögliche Sanktion bei vorsätzlichen Verstößen gegen Meldepflichten, die auf der Transparenzrichtlinie beruhen und der Beteiligungstransparenz dienen, die Möglichkeit eines vorübergehenden Stimmrechtsverlusts eingeführt wird. Diese Sanktionsandrohung soll die Erfüllung der Meldepflichten beim Aufbau einer Beteiligung sicherstellen. So können wir Fälle, in denen ein Anschleichen zur Vorbereitung einer Übernahme versucht wird, wirkungsvoll verhindern, da es im Falle einer geplanten Übernahme gerade auf die Ausübung der Stimmrechte ankommt. Drittens erwarten wir eine zügige Verabschiedung der Transparenzrichtlinie. Wir streben an, die Richtlinie nach Inkrafttreten schnell – möglichst noch in dieser Legislaturperiode – in deutsches Recht umzusetzen. Dabei wollen wir darauf achten, gleiche Wettbewerbsbedingungen für börsennotierte Unternehmen in Deutschland und den anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union sicherzustellen. Die Ergebnisse der bisherigen Verhandlungen im Rat zeigen, dass die Bundesregierung erfolgreich im Sinne des vorliegenden Antrages tätig ist. Vor den anstehenden abschließenden Beratungen im Rat und dem sich an Zu Protokoll gegebene Reden Ralph Brinkhaus schließenden Trilogverfahren wollen wir mit diesem Antrag die Verhandlungsposition der Bundesregierung noch einmal gezielt stärken. Ich bitte Sie daher um Zustimmung zu unserem Antrag. „Creeping in“, das unbemerkte Anschleichen von In vestoren an große Aktiengesellschaften, verfolgt das Ziel der Übernahme einer kontrollierenden Beteiligung. Diese Praxis soll europaweit durch Beteiligungstransparenz im Aktienrecht verhindert werden. Deshalb gibt es bei börsennotierten Aktiengesellschaften Meldeund Offenlegungspflichten ab einem Paketanteil von 3 Prozent. Auch Optionsgeschäfte, mit denen nur das Recht erworben wird, Aktien in diesem Umfang erwerben zu können, müssen nach dem Wertpapierhandelsgesetz offengelegt und veröffentlicht werden, § 25 a WpHG. Verstöße sind bußgeldund unter Umständen auch strafbewehrt. Außerdem droht nach dem deutschen Wertpapierhandelsgesetz bei einem Verstoß gegen die Mitteilungspflichten ein vorübergehender, sechsmonatiger Stimmrechtsverlust aus den Aktien, wenn sie selbst gehalten oder zugerechnet werden, zum Beispiel bei Sicherungsübertragung an einen Dritten, § 28 WPHG. Die Europäische Kommission hat einen Vorschlag für eine Änderung der Transparenzrichtlinie, 2007/14/ EC (COM Maximalharmonisierung der Beteiligungsmeldungen anstrebt. Die Sanktionen für Verstöße gegen Meldepflichten sollen drastisch bis zu einer Höhe von 10 Prozent des Konzernumsatzes angehoben werden, so Art. 28 a Nr. 2 d, und Meldepflichten soll es künftig – wie im deutschen Recht – auch für Optionsgeschäfte geben, steht in Art. 13 des Richtlinienvorschlags. Der Koalitionsantrag fordert die Bundesregierung auf, die Kommission bei diesem Vorschlag zu unterstützen. Die europäisch vorgegebenen Mitteilungspflichten dürften nicht hinter dem nationalen Recht, insbesondere hinter § 25 a Wertpapierhandelsgesetz, zurückbleiben. § 25 a Wertpapierhandelsgesetz regelt die Mitteilungspflichten auch bei Optionsgeschäften. Die SPD-Bundestagsfraktion begrüßt die Forderung, den Richtlinienvorschlag der Kommission betreffend Mitteilungspflichten für Optionsgeschäfte zu unterstützen. Die Schutzmechanismen sollten nach unserer Auffassung aber nicht nur börsennotierte Unternehmen im Auge haben. Die Forderung nach weiteren gesetzlichen Maßnahmen bezüglich des Umfangs der Beteiligungstransparenz – trotz Änderungen durch das Anlegerschutzund Funktionsverbesserungsgesetz – wird insbesondere von Vertretern der Unternehmen und Gewerkschaften, aber auch mehrheitlich von Investmentbankern befürwortet, während die Rechtsberater und Wissenschaftler mehrheitlich das Transparenzniveau für ausreichend halten. Außerdem soll nach Art. 28 Nr. 2 c des Richtlinienänderungsvorschlags die zuständige Behörde die Befugnis zur vorübergehenden Aussetzung von Stimmrechten bei Verstoß gegen die Meldepflichten erhalten. Der Koalitionsantrag fordert die Bundesregierung deshalb auf, darauf hinzuwirken, dass die Mitgliedstaaten als Sanktion die Aussetzung von Stimmrechten vorsehen müssen. Diese Verschärfung des Richtlinienvorschlags unterstützen wir, weil der Stimmrechtsverlust die wichtigste Sanktion gegen unbemerktes Anschleichen darstellt. Er ist wirksamer als Ordnungswidrigkeitentatbestände. Vor Einführung der Sechsmonatsfrist im deutschen Wertpapierhandelsgesetz war es gängige Praxis, zwischen zwei Hauptversammlungen unerkannt ein relevantes Paket aufzubauen und erst kurz vor der Hauptversammlung die Meldepflicht zu erfüllen, um dann das Stimmrecht auszuüben. Das muss auch auf europäischer Ebene unterbunden werden. Denkbar wäre über den vorliegenden Antrag hinaus, die in Folge einer nicht korrekten Meldung einem Aktionär nach § 28 WpHG nicht zustehenden Dividendenzahlungen als Sanktion – gegebenenfalls auch nur teilweise – verfallen zu lassen bzw. sie zugunsten der Staatskasse einzuziehen. Die SPD-Bundestagsfraktion unterstützt den Antrag. Gestatten Sie mir allerdings noch eine Bemerkung zur Art und Weise, wie der Antrag von CDU/CSU und FDP eingebracht wurde. Wie Sie wissen, haben wir mehrfach unseren Wunsch bekräftigt, Aufforderungen an die Bundesregierung bezüglich europäischer Verfahren im Einvernehmen zwischen Koalition und Opposition zu verfassen. Leider ist hier erneut versäumt worden, sich an diese Gepflogenheit zu halten, was wir sehr bedauern. Mit unserem Antrag führen wir der Bundesregierung bei den Verhandlungen über den Vorschlag der Europäischen Kommission zur Transparenzrichtlinie in einer Detailfrage die Feder. Es geht um die Transparenz von Beteiligungsverhältnissen an börsennotierten Aktiengesellschaften. Wer eine Beteiligung an einer börsennotierten Aktiengesellschaft erwirbt oder ausbaut, muss dies offenlegen. Das ist schon lange so. Problematisch sind Verstöße gegen diese Transparenzpflicht. Wir müssen uns mit der Frage befassen, was passieren soll, wenn jemand eine Beteiligung nicht meldet, die er melden muss. Ganz einfach ist dies nicht zu beantworten. Das liegt an dem Spannungsfeld, in dem wir uns hier bewegen. Zunächst ist da die Frage der Sanktionierung eines Verstoßes. Im Grunde stehen uns hier nur Bußgelder zur Verfügung. Doch diese haben keine ausreichende abschreckende Wirkung. Wer eine Milliardenübernahme stemmt, der stört sich nicht an einem Millionenbußgeld. Das ist der Grund, warum wir schon seit längerem über eine Aussetzung des Stimmrechts nachdenken. Damit könnten wir das nötige Abschreckungsniveau erreichen. Es stört den Übernehmer empfindlich, wenn er die Stimmrechte aus unter Verstoß gegen die Transparenzvorschriften erworbenen Anteilen nicht ausüben darf. Dann aber laufen wir in ein Problem der Rechtssicherheit. Ein Verstoß gegen Transparenzvorschriften kommt üblicherweise erst später ans Licht. Er kommt häufig sogar erst so spät ans Licht, dass eine Hauptversammlung bereits durchgeführt wurde und die Stimmrechte ausgeübt worden sind, die eigentlich ausgesetzt Zu Protokoll gegebene Reden Frank Schäffler sein sollten. Nun stehen wir vor einem erneuten Dilemma, wenn wir die so gefassten Hauptversammlungsbeschlüsse als unwirksam behandeln. Denn dann verlagert sich das Risiko der Rechtsverletzung vom Übernehmer auf die Gesellschaft und die anderen Aktionäre. Diese wissen nicht, welche Beschlüsse gültig sind. Dabei sollen die Konsequenzen des Verstoßes doch bei dem liegen, der die Transparenzregeln verletzt. Wenn wir die Beschlüsse der Hauptversammlung dagegen als gültig betrachten, dann ist die Stimmrechtsaussetzung folgenlos, weil die für den Übernehmer wichtigen Beschlüsse schon gefasst worden sind. Schließlich ist zu beachten, dass die nationalen Gesellschaftsrechtstatute noch sehr verschieden sind. Sie sind – und so muss es auch sein – nicht harmonisiert. Wir wollen einen Wettbewerb der Rechtsformen in Europa. Wegen der Niederlassungsfreiheit kann jeder deutsche Gründer unter vielen europäischen Rechtsformen wählen und die passende aussuchen. Das Gleiche gilt für erfolgreiche gestandene Unternehmen. Die Vielfalt der Angebote führt zu einem race to the top zum Nutzen aller, wie wir es aus dem weltweit führenden amerikanischen Gesellschaftsrecht kennen. Diesen tatsächlichen, rechtspolitisch auch gewollten Befund galt es hier zu berücksichtigen. Daher fordern wir die Bundesregierung auf, einen großen nationalen Umsetzungsspielraum zu verhandeln. Je weniger die Richtlinie vorschreibt, desto mehr nationalen Umsetzungsspielraum haben wir, um den Interessen der Gesellschaften und Anteilseigner gerecht werden zu können. Deshalb ist es gut, dass wir die Möglichkeit der Stimmrechtsaussetzung auf vorsätzliche Verstöße beschränken. Deshalb ist es auch gut, dass die Stimmrechtsaussetzung nicht zwingend ist, sondern nur eine mögliche und vorübergehende Folge ist. Wenn die Richtlinie schließlich verhandelt ist, dann haben wir den nötigen Raum zum Manövrieren auf nationaler Ebene, den wir dann später eigenständig und in Übereinstimmung mit den europäischen Vorgaben füllen werden. Anschleichen und bereit machen zum Entern! Nein, wir reden heute nicht über die Piratenpartei, aber gewissermaßen über Freibeuter des Kapitalmarkts. Ob Hochtief, Continental oder Porsche, das Anschleichen, das überfallartige Aufkaufen bzw. die Übernahme börsennotierter Unternehmen standen in den vergangenen Jahren öfters im Blickpunkt. Die modernen Freibeuter sicherten sich beispielsweise große Aktienpakete und betrieben einen verdeckten Ausbau ihrer Beteiligung an einem börsennotierten Unternehmen. Durch Anschleichen sollen Übernahmekosten verringert werden, denn bei Bekanntwerden eines Übernahmeinteresses steigt der Börsenkurs des angegriffenen Unternehmens. Um diesem heimlichen, verdeckten Agieren teilweise vorzubeugen, wurde auf europäischer Ebene die Transparenzrichtlinie entwickelt. Die Richtlinie will die Unterrichtung der Anleger über die Ergebnisse und Finanzlage börsennotierter Unternehmen sowie über Änderungen größerer Beteiligungen verbessern. In Deutschland sollte das Anlegerschutzund Funktionsverbesserungsgesetz, das im Februar dieses Jahres in Kraft trat, den Freibeutern das Handwerk legen. Zusätzliche Meldeund Veröffentlichungspflichten bei der feindlichen Übernahme von Unternehmen wurden darin beschlossen und ins Wertpapierhandelsgesetz, WpHG, übernommen. Wer Instrumente hält, die ihm den Erwerb börsennotierter Aktien ermöglichen, muss dies bei Überschreiten bestimmter Beteiligungsschwellen der Gesellschaft mitteilen. Die Gesellschaft bzw. das Unternehmen muss diese Mitteilungen veröffentlichen. So soll Beteiligungstransparenz erreicht werden. Die Linke unterstützt Regeln, die ein unbemerktes Anschleichen an Unternehmen verhindern. Höhere Transparenzund Offenlegungspflichten sind für mögliche Zielgesellschaften und ihre Beschäftigten vorteilhaft. Die bisherigen Regeln sehen wir aber nicht als ausreichend an. Denn die erweiterten Mitteilungspflichten der §§ 25 und 25 a WpHG ändern kaum etwas daran, dass das deutsche Aktienund Kapitalmarktrecht börsennotierte Unternehmen grundsätzlich dazu zwingt, übernahmeoffen zu sein. Unternehmen und ihre Beschäftigten bleiben der Gefahr ausgesetzt, dass sich Finanzinvestoren oder Großkonzerne an sie heranschleichen und sie gegen den ausdrücklichen Willen von Vorständen und Betriebsräten übernehmen, mit Schulden überhäufen und der Gefahr des Zugrundewirtschaftens sowie des Arbeitsplatzverlusts aussetzen können. Werden gemäß dem Anlegerschutzund Funktionsverbesserungsgesetz Mitteilungspflichten verletzt, gilt dies als Ordnungswidrigkeit und zieht eine Geldbuße nach sich. Ein Verstoß gegen die Mitteilungspflichten für Finanzinstrumente nach § 25 a WpHG löst jedoch keinen Stimmrechtsverlust aus. In dem heute zur Debatte stehenden Antrag von Union und FDP wird gefordert, dass die EU-Mitgliedstaaten als Sanktion für vorsätzliche Verstöße gegen Mitteilungspflichten, die auf der Transparenzrichtlinie beruhen und der Beteiligungstransparenz dienen, die Möglichkeit einer Stimmrechtsaussetzung vorsehen müssen. Das heißt, ein Freibeuterinvestor, der Geschäfte nach §§ 25 und 25 a WpHG nicht meldet, muss befürchten, dass ihm die Stimmrechte aus den Aktien, wenn er sie denn später erwirbt, streitig gemacht werden. Union und FDP betonen dabei stets nur den „vorübergehenden“ Verlust der Stimmrechte eines meldepflichtigen Aktionärs. Im Ganzen stellt diese weitere Sanktionsmöglichkeit sicherlich einen Fortschritt dar. Dieser ist aber immer noch nicht ausreichend. Ob das angekündigte „scharfe Schwert“ wirklich so scharf ist, ist zu bezweifeln. Es bleibt fraglich, ob und in welchem Umfang die Sanktionsmöglichkeiten überhaupt greifen und abschrecken. Zudem bleibt das Grundproblem, dass Unternehmen grundsätzlich übernahmeoffen sein müssen, wenn sie sich über die Börse rekapitalisieren wollen, was auch Monopolisierungstendenzen vergrößert. Dies alles wird durch das deutsche Aktienrecht verstärkt, welches Marktfreiheit in der Regel höher als Vertragsfreiheit bewertet. So ist es nicht möglich, dass offen agierende Aktionäre eines Unternehmens selbst erweiterte Offenlegungspflichten oder Stimmrechtsregelun Zu Protokoll gegebene Reden Harald Koch gen in ihrer Satzung festlegen. In der Folge scheiden im deutschen Aktienrecht sinnvolle Regelungen aus, zum Beispiel Erwerbsbegrenzungen von Aktien, wie in der Schweiz üblich, oder Mehrfachstimmrechte für langfristig investierende Aktionäre bzw. Mehrstimmrechtsaktien wie in Frankreich oder Schweden. Die Linke fordert, den Zielunternehmen und ihren Belegschaften das Recht einzuräumen, selbst zu bestimmen, wer und in welchem Umfang Unternehmensanteile erwerben kann. Im Grunde sollten Investoren gezwungen werden, ihre Beteiligungen an Unternehmen wieder langfristiger auszurichten, um nicht in Versuchung zu geraten, das eigene Geschäftsmodell auf dem Rücken der Beschäftigten und zulasten des nachhaltigen Wachstums eines Unternehmens durchzudrücken. Deshalb ist es aus meiner Sicht nötig, das Stimmrecht an die Haltedauer der Aktien zu koppeln. Wenn es dann doch zur Übernahme oder Fusion kommt, will die Linke vor allem die Beschäftigtenrechte stärken. Die Auskunftsund Mitbestimmungsrechte der Belegschaften, Aufsichtsratsvertreter und Gewerkschaften müssen erweitert werden. Gewerkschaften brauchen einen gesetzlichen Anspruch auf Abschluss eines Fusionstarifvertrags zum Erhalt sozialer und tariflicher Standards. Ein Vetorecht für den Betriebsrat des betroffenen Unternehmens gegen Übernahmen ist nötig. Beschäftigte müssen ferner im Übernahmerat der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht paritätisch vertreten sein. Der öffentlichen Hand muss schließlich ein Vetorecht bei Übernahmen mit großem öffentlichem Interesse, zur Verhinderung von Unternehmenskonzentration und zur Beschäftigungssicherung eingeräumt werden. Mit ihrem Antrag werden Sie das Anschleichen an Unternehmen und die „feindliche Übernahme“ nicht verhindern können. Zielunternehmen und ihre Beschäftigten brauchen hier mehr Rechte. Die Linke nimmt im Gegensatz zu Ihnen Existenzängste von Beschäftigten eines betroffenen Unternehmens sehr ernst. Den Freibeutern des Kapitalmarkts ist das Handwerk zu legen, damit niemand mehr auf hoher See und auf dem Kapitalmarkt hilflos ausgeliefert ist. Wir beraten heute über den Antrag der Koalitions fraktionen für effektive EU-Regeln zur Beteiligungstransparenz an börsennotierten Unternehmen und die Möglichkeit des Stimmrechtsverlusts von Aktionären bei Verstößen gegen Meldepflichten aus den §§ 25, 25 a Wertpapierhandelsgesetz in der Fassung des Anlegerschutzund Funktionsverbesserungsgesetzes. Die Tatsache, dass wir einen solchen Antrag hier in diesem Hause debattieren, ist begrüßenswert. Hintergrund ist, dass auf EU-Ebene derzeit im Rahmen der Revision der Transparenzrichtlinie die Kommissionsvorschläge für eine verbesserte Durchsetzung der Mitteilungspflichten diskutiert werden. Ich bin jedoch einigermaßen verwundert und auch enttäuscht, warum wir diesen Antrag ohne inhaltliche Ausschussberatung heute sofort abstimmen müssen. Seit langem ist die Überarbeitung der Transparenzrichtlinie auf europäischer Ebene bekannt. Warum der Antrag nun so eilig beschlossen werden muss, ist mir unverständlich und offenbart eine mangelnde Abstimmung und auch Versäumnisse in den Reihen der Koalition. Im November letzten Jahres haben wir im Finanzausschuss in einvernehmlichem Rahmen ein inhaltlich aufschlussreiches Fachgespräch zur Überprüfung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Übernahmerechts und der möglichen Benachteiligung deutscher Unternehmen durchgeführt. Dort spielten die neuen Meldepflichten aus den §§ 25, 25 a Wertpapierhandelsgesetz und insbesondere die Frage der Rechtsfolgen bei Verstößen eine entscheidende Rolle. Warum die Koalitionsfraktionen nun ein halbes Jahr später nicht einmal versuchen, zu einem fraktionsübergreifenden gemeinsamen Antrag mit der Opposition zu gelangen, ist mir schleierhaft. Ich hatte bereits im Mai 2011, als wir den Antrag der Koalitionsfraktionen zum Europäischen Zahlungsverkehr, SEPA, in einem ähnlichen Hauruckverfahren durch das Plenum brachten, meine Bedenken über das parlamentarische Verständnis dieser Koalition zum Ausdruck gebracht. Ich möchte noch einmal betonen, dass den Stellungnahmen des Bundestages ein weitaus größeres Gewicht zukommt, wenn wir gemeinsam vorgehen und mit einer interfraktionellen Stimme zu europäischen Themen und Vorhaben sprechen. Diese Chance hat die schwarz-gelbe Koalition heute wieder einmal verpasst. So viel zum Verfahren – ich komme zum Inhaltlichen. Wir begrüßen, dass die Koalitionsfraktionen im vorliegenden Antrag die Bundesregierung auffordern, sich bei den Verhandlungen über den Kommissionsvorschlag dafür einzusetzen, dass die der Beteiligungstransparenz dienenden Mitteilungspflichten in ihrer durch die revidierte Transparenzrichtlinie harmonisierten Form in ihrem Tatbestand nicht hinter den §§ 25 und 25 a Wertpapierhandelsgesetz zurückbleiben. Erst mit dem im April 2011 verkündeten Anlegerschutzund Funktionsverbesserungsgesetz wurde national die Pflicht zur Meldung sogenannter Erwerbsrechte im Sinne des § 25 Wertpapierhandelsgesetz um „sonstige Instrumente“ ergänzt und eine Meldepflicht für Instrumente mit wirtschaftlicher Zugriffsmöglichkeit auf Aktien nach § 25 a Wertpapierhandelsgesetz eingeführt. Damit sollte der heimliche Aufbau größerer Beteiligungen verhindert werden. Damals war – unabhängig von der Kritik aus der Wissenschaft, dass die neuen Meldepflichten bestimmte Strategien zur Umgehung der Beteiligungstransparenz und Instrumente nicht erfassen – bereits klar, dass es zur Absicherung der neuen Meldepflichten jedenfalls geeigneter Sanktionen bei Meldepflichtverstößen bedarf. Klar war auch, dass die dafür vorgesehene Erhöhung des Bußgeldrahmens von zuvor 200 000 Euro auf zunächst 500 000 Euro – Diskussionsentwurf – und sodann auf 1 Million Euro nicht mehr als ein stumpfes Schwert sein kann. Der Grund dafür, dass selbst ein Bußgeld in Höhe von 1 Million Euro nicht in der Lage ist, die Einhaltung der neuen Meldepflichten sicherzustellen, liegt in den immensen Vorteilen und Erträgen von größeren Übernahmetransaktionen. Inwieweit diese das maximale Bußgeld übersteigen, zeigt exemplarisch der Fall Conti Zu Protokoll gegebene Reden Dr. Gerhard Schick nental/Schaeffler, wo von Einsparungen durch Optionsgeschäfte von 145 Millionen Euro die Rede ist. Bei der Beschlussfassung zum Anlegerschutzund Funktionsverbesserungsgesetz verständigte man sich sodann auf ein Fachgespräch, um der Frage nachzugehen, ob „abschreckendere Sanktionen für Verstöße gegen die neuen Meldepflichten nach § 25 a Wertpapierhandelsgesetz ergriffen werden sollten und wie diese auszugestalten sind“. Der heute diskutierte Antrag stellt fest, dass vorsätzliche Verstöße gegen die Pflichten aus den §§ 25, 25 a Wertpapierhandelsgesetz die Möglichkeit eines vorübergehenden Verlusts der Stimmrechte des meldepflichtigen Aktionärs nach sich ziehen sollten. Da die Absicherung der neuen Meldepflichten auf der Rechtsfolgenseite nur mit einem scharfen Schwert gelingen kann, ist dieses Ansinnen zu begrüßen. Leider bleibt die Ausgestaltung eines solchen Stimmrechtsverlusts jedoch ziemlich vage. Entscheidend ist gerade die Beantwortung der Frage, ob es einen Stimmrechtsverlust ipso iure, eine Anordnung der Aufsicht oder ein Antragsrecht der Aufsicht mit einer gerichtlichen Entscheidung geben soll. Leider schweigt der Antrag zu diesem Punkt. Gleichfalls gibt der Antrag keinerlei Antwort darauf, dass zusätzliche Sanktionen in Form des Stimmrechtsverlusts auch das Anfechtungspotenzial von Beschlüssen in Hauptversammlungen erhöhen, was unter Umständen die Falschen trifft. Darauf hatten die Sachverständigen im Rahmen des Fachgesprächs einvernehmlich hingewiesen. Festzuhalten bleibt damit, dass der Antrag kaum Aufschluss gibt zu konkreten Punkten einer möglichen Ausgestaltung eines auf Verstöße gegen die neuen Meldepflichten erweiterten Stimmrechtsentzugs. Wir werden uns daher enthalten. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP auf Drucksache 17/9940. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Antrag ist angenommen bei Zustimmung durch die Koalitionsfraktionen und SPD. Enthalten haben sich Bündnis 90/Die Grünen und Linke. Tagesordnungspunkt 40: Beratung des Antrags der Abgeordneten Michael Groschek, Uta Zapf, Rainer Arnold, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Katja Keul, Volker Beck geordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Für einen wirkungsvollen UN-Waffenhandelsvertrag – Drucksache 17/9927 – In der Tagesordnung lesen Sie, dass die Reden zu Protokoll genommen worden sind. Der weltweite Handel mit konventionellen Waffen fin det seit langer Zeit in besonderem Maße das Interesse der Öffentlichkeit und der Zivilgesellschaft. Bislang werden jedoch nur Teile des internationalen Waffenhandels durch einzelne Verträge reguliert. Zu nennen ist hier beispielsweise das „Ottawa-Protokoll“ von 1997 zum Handel mit Landminen oder auch die „Konvention über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes bestimmter konventioneller Waffen“ von 1980, die Waffen verbietet, welche unterschiedslos wirken oder besonderes Leiden verursachen, zum Beispiel Brandwaffen oder blindmachende Laserwaffen. Ein rechtlich verbindliches Dokument, das den globalen Handel mit konventionellen Waffen, zum Beispiel Kampfpanzern und -flugzeugen oder Kleinwaffen, umfassend reguliert, fehlt jedoch bislang. Das nicht vorhandene Exportkontrollsystem im Bereich Rüstungsgüter hat ausufernde illegale Waffenmärkte und Waffenmissbrauch in Konflikten zur Folge. Insbesondere kleine und leichte Waffen werden weltweit in großer Zahl für schwere Menschenrechtsverletzungen benutzt. Keine andere Waffenart fordert in Kriegen und Bürgerkriegen mehr Opfer. Kleine und leichte Waffen sind die Waffen der Warlords, des Terrorismus, des organisierten Verbrechens. Es sind die Waffen, mit denen heute weltweit über 300 000 Kinder als Soldaten in den Krieg geschickt werden. Gerade in vielen Staaten der MENA-Region, also die Staaten von Marokko bis Iran, sind kleine und leichte Waffen eine Gefahr für das Individuum und die Gesellschaften. Schätzungen zufolge zirkulieren 50 bis 90 Millionen Kleinwaffen in der Region, von denen 80 Prozent in den Händen der Zivilbevölkerung sind. In der MENARegion gibt es verschiedenste offene Konflikte, was die Proliferationsgefahr noch verstärkt. Hier müssen wir als internationale Gemeinschaft dringend aktiv werden. Schon seit den 1990er-Jahren verhandeln wir über einen Handelsvertrag für konventionelle Waffen. Dabei geht es nicht um ein generelles Verbot des Handels mit Rüstungsgütern, sondern um die Sicherstellung eines verantwortungsvollen Umgangs mit ihnen. Von Anfang an hat die Bundesregierung diesen Prozess aktiv begleitet und den Abschluss eines internationalen Abkommens zur Regulierung des legalen Handels mit konventionellen Rüstungsgütern vorangetrieben. Im Juli dieses Jahres haben wir nun erstmals die Chance, ein solches Abkommen – den ATT – zu verabschieden. Von Anfang an wurde der Verhandlungsprozess von Nichtregierungsorganisationen und der Zivilgesellschaft unterstützt. Ohne sie und ihre tatkräftige Lobbyarbeit und Unterstützung wäre der Prozess nicht so weit fortgeschritten. Dafür möchte ich der Zivilgesellschaft ein großes Kompliment aussprechen. Der ATT ist für uns vor allem wichtig, weil er ein wirksames Instrument vernetzter Sicherheit sein kann und als Mittel der zivilen Krisenprävention bereits bei der Konfliktvermeidung ansetzt – und nicht erst, wenn es zu spät ist. Damit werden wir auch der ersten Säule der Responsibility to Protect, R2P, der Responsibility to Prevent, gerecht. Mir kommt es in der Sicherheitspolitik auf die Vernetzung vorhandener Strukturen und Fähigkeiten an, um wirkungsvolle Krisenprävention, Frühwarnfä Roderich Kiesewetter higkeit und rasches Handeln besser zu verknüpfen. Das reduziert auch den Aufwand in der Krisennachsorge und verzahnt bisher parallel, aber nicht synergetisch wirkende Handlungsfelder. Wie bereits ausgeführt ist die Gefahr illegalen Waffenhandels in der MENA-Region besonders virulent. Hier – nur als ein Beispiel – käme der ATT mustergültig zur Anwendung und wird dringend gebraucht. Wie es der Antrag von SPD und Grünen fordert, will Deutschland mit dem ATT international rechtlich verbindliche Standards für den Handel mit konventionellen Rüstungsgütern auf hohem Niveau etablieren. Uns geht es um die Wahrung von Frieden, Sicherheit und Stabilität, um die Prävention von bewaffneten Konflikten im Sinne einer zivilen Krisenprävention und um die Abwehr von Terrorismus und Kriminalität. In diesem Sinne vertreten wir, vertritt unser Land, eine der positivsten und aufgeschlossensten nationalen Positionen gegenüber dem ATT. Nach unserer Vorstellung sollte sich der ATT auf sämtliche konventionellen Rüstungsgüter erstrecken, insbesondere auf kleine und leichte Waffen sowie Munition. Ein ATT sollte zudem einen klaren Kriterienkatalog für Waffenausfuhren beinhalten – mit höchstmöglichen Mindeststandards bei der Genehmigung von Rüstungstransfers. Insbesondere die Beachtung von Menschenrechten und humanitärem Völkerrecht, die Bewahrung der regionalen Stabilität und die Berücksichtigung der inneren Lage im Empfängerland sollten dabei eine Rolle spielen. Weitere Priorität beim ATT ist für uns ein wirksames System zur Endverbleibssicherung sowie ein nach Transferarten differenziertes nationales Kontrollsystem. Bei den Verhandlungen im Juli dieses Jahres in New York muss die Bundesregierung deshalb darauf achten, erstens auf einen möglichst umfassenden Regulierungsbereich hinzuwirken und zweitens ein möglichst starkes Abkommen zu erzielen. Drittens muss auch die Anwendbarkeit des ATT gewährleistet sein, und das Abkommen muss viertens eine Chance auf Verabschiedung haben. Die Verhandlungen werden schwierig werden. Deshalb sollten wir uns für eine Überprüfungskonferenz bezüglich des ATT zwei bis drei Jahre nach Abschluss des Vertrags einsetzen, um gegebenenfalls Nachverhandlungen zu ermöglichen. Denn leider stehen nicht alle Staaten dem ATT so aufgeschlossen gegenüber wie wir. Gerade die großen Exporteure China, Russland oder auch die USA wollen sich nur ungern weitreichenden Beschränkungen unterwerfen. Dennoch ist es bemerkenswert, dass es überhaupt eine Basis für gemeinsame Verhandlungen gibt. Wir werden uns jetzt nicht mit jeder weitreichenden Forderung durchsetzen können. Eine umfassende Kontrolle in allen Einzelheiten werden wir im Juli wohl nicht erreichen. Den privaten Waffenbesitz und illegale Märkte wird man mit dem ATT nicht direkt beeinflussen können. Trotz allem gilt für mich: Lieber im Juli Abschluss eines Vertrags, bei dem wir nachverhandeln, als gar kein Abschluss! Der gemeinsame Antrag von SPD und Bündnis 90/ Die Grünen „Für einen wirkungsvollen UN-Waffenhandelsvertrag Parlament einbringen, sollte ursprünglich ein gemeinsamer Antrag mit den Regierungsfraktionen werden. Nachdem mir die Kollegen Schnurr und Kiesewetter ihr grundsätzliches Einverständnis signalisiert hatten, ging es um die konkrete Umsetzung. In Anbetracht des Themas wäre ein gemeinsamer Antrag auch angebracht gewesen. Die Bundesregierung war von den mitbeteiligten Nichtregierungsorganisationen in der Vergangenheit für ihr Auftreten und ihre Positionen ausdrücklich gelobt worden. Ein gemeinsamer Antrag des deutschen Parlaments hätte die Regierung bei den abschließenden Verhandlungen im Juli dieses Jahres bei den Vereinten Nationen gestärkt. Doch es kam anders: Sobald es konkret werden sollte, wurden die Kollegen Kiesewetter und Schnurr wieder in die Büsche zurückgepfiffen. Der Kollege Kiesewetter entschuldigte sich mit Verweis auf den FDP-Kollegen Dr. Stinner, dass ein gemeinsamer Antrag nicht möglich sei. Der FDP-Kollege Schnurr wusste von all dem nichts und sein Büro wurde von dem meinen erstmalig über den Sachverhalt aufgeklärt. Aus dem zu diesem Zeitpunkt noch vorliegenden Einverständnis wurde so sehr schnell eine Ablehnung. Nun haben Bündnis 90/Die Grünen und die SPD einen Oppositionsantrag eingebracht, der die Schaffung einer sogenannten Implementation Support Unit, ISU, zum zentralen Gegenstand macht. Denn was auch immer bei den Verhandlungen im Sommer diesen Jahres bei den Vereinten Nationen herauskommt – die Überwachung des Handels mit konventionellen Rüstungsgütern und die damit einhergehende Auswertung der Berichte ist finanziell und personell zu gewährleisten. Des Weiteren macht sich der Antrag dafür stark, dass die Beachtung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit eines Staats beim Handel mit Rüstungsgütern berücksichtigt werden soll, sowie, neben der Exportkontrolle, auch der Import, der Transit, die Lizenzherstellung und der Technologietransfer. Wenn es gelingt, endlich auch den Handel mit Kleinwaffen und deren Munition weltweit zu kontrollieren, wären wir einen guten Schritt weiter. Es existieren auf europäischer Ebene bereits einige gut funktionierende Kontrollregime der weiteren konventionellen Rüstungsgüter. Auch die europäische Rüstungsindustrie gibt bei den jetzigen Verhandlungen Rückendeckung. Dies machen sie natürlich nicht uneigennützig. Bisher hatten sie im Zweifel beim weltweiten Handel mitunter das Nachsehen, wenn ihr die bereits bestehenden Kontrollregime einen Strich durch die Rechnung gemacht haben. Wenn es jetzt durch den ATT eine weltweit geltende Regelung geben soll, dann kann dies einigen Händlern nur gefallen. Und daher komme ich erneut auf den Rückpfiff der von mir geschätzten Kollegen Kiesewetter und Schnurr zu sprechen. Welche Strategie verfolgen die Kräfte in Union und FDP, wenn sie diesen Antrag von vorneher Zu Protokoll gegebene Reden Michael Groschek ein ablehnen, ohne inhaltliche Bewertung? Ist dies schon der Vorbote für einen beginnenden Lagerwahlkampf kurz vor Ende der Legislaturperiode? Werden gemeinsame Werte im internationalen Kampf gegen kriegsentscheidende Waffenlieferungen über Bord geworfen, nur weil ein gemeinsamer Antrag mit der Opposition nicht ins Schema passt? Diese Antwort erscheint mir als die wahrscheinlichste. Denn um ein Ringen um Inhalte ging es ja gar nicht. Schließlich wäre eine sachliche Begründung schwieriger zu führen. Da nicht einmal erste Formulierungen Gegenstand der Betrachtung waren, ließe dies dann die Schlussfolgerung zu, dass die Bundesregierung in der Vergangenheit lediglich gute Miene zum bösen Spiel gemacht hat und von vorneherein auf ein Scheitern der Verhandlungen bei den Vereinten Nationen gesetzt haben müsste. Demzufolge bräuchten sich die Regierungsfraktionen gar nicht erst mit einem solchen Antrag herumzuschlagen. Um die Inhalte geht es den Regierungsfraktionen scheinbar nicht. Ich glaube, einigen in den Reihen der Regierungsfraktion ist es egal, ob bei den Vereinten Nationen ein starker oder schwacher Waffenhandelsvertrag herumkommt. Die Menschenrechte, die im Übrigen ein Kriterium bei diesem Vertrag sein sollen, sind diesen Leuten egal, und die Tatsache, dass allein mit Kleinwaffen jährlich bis zu 500 000 Menschen getötet werden, was sie zu den „Massenvernichtungswaffen der Gegenwart“ macht, wie der Stern titelt, geht an dieser Stelle lediglich zu Protokoll. Für die Verhandlungen bei den Vereinten Nationen ist es wünschenswert, dass ein möglichst starker ATT zustande kommt. Ein Scheitern würde bedeuten, dass es analog zu den Verhandlungen der Ächtung von Streumunition in den 90er-Jahren zu einem Ottawa-Abkommen kommen müsste. Damals hat sich die Staatengemeinschaft bei den Vereinten Nationen nicht einigen können, und durch die Initiative einiger Staaten haben sich mittlerweile circa 160 Staaten auf das Ottawa-Abkommen einigen können. Auch die Bunderepublik hat bereits 1998 frühzeitig dieses Abkommen ratifiziert. Die anstehende Staatenkonferenz zum Arms Trade Treaty ist nicht der erste Versuch der Weltgemeinschaft, gemeinsame Regeln für den internationalen Waffenhandel zu finden. Fast 90 Jahre ist es her, dass die Staaten des damaligen Völkerbunds Verhandlungen zum gleichen Thema geführt haben. Damals waren die Erfahrungen des Ersten Weltkriegs allgegenwärtig. Heute ist es der arabische Frühling und es sind die Bürgerkriege der 1990erund der 2000er-Jahre, die uns die Notwendigkeit der Regulierung des Waffenhandels vor Augen führen. Es waren aber nicht die Staaten, die diese Notwendigkeit zuerst erkannt haben. Der ATT-Prozess wurde vor fast zehn Jahren von einer Gruppe von Nobelpreisträgern, unterstützt von Nichtregierungsorganisationen, angestoßen. Es war also die Zivilgesellschaft, die all das möglich gemacht hat, die immer wieder die treibende Kraft war und die weiter Impulse gibt. Als Liberaler ist es mir besonders wichtig, darauf hinzuweisen und allen Beteiligten für ihren oft jahrelangen Einsatz zu danken. Dieser Einsatz hat Wirkung gezeigt. In der Bundesrepublik gibt es heute einen breiten Konsens – zwischen Regierung und Parlament, zwischen den Parteien und Fraktionen. Selbst Nichtregierungsorganisationen und Industrie finden einhellig lobende Worte für die Anstrengungen der Regierung. Ein solch breiter Konsens ist nicht selbstverständlich. Woher kommt er also? Vor allem von der gemeinsamen Erkenntnis, dass die gegenwärtige Situation ein Problem darstellt. Entgegen den Hoffnungen nach Ende des kalten Krieges sind die weltweiten Ausgaben für Rüstungsgüter im letzten Jahrzehnt stark gestiegen. Gleichzeitig hat die Globalisierung den Handel in allen Bereichen befördert. Beides hat dazu geführt, dass sich auch der internationale Handel mit Waffen und anderen militärischen Gütern intensiviert hat. Während die Staaten Europas, der NATO und einige wenige andere aber Exportkontrollen eingeführt haben und damit Waffenlieferungen an diktatorische Regime weitestgehend verhindern konnten, ist dies in den meisten Ländern der Welt noch nicht der Fall. Das ist bereits heute ein Problem, wird sich in Zukunft aber noch verschärfen, da immer mehr Staaten eigene Kapazitäten für die Produktion von Rüstungsgütern aufbauen und damit zu potenziellen Exporteuren werden. In den falschen Händen können Waffen aber Konflikte anheizen, intensivieren und verlängern. Die Kontrolle des Waffenhandels ist daher ein wichtiges Element präventiver Sicherheitspolitik. Der breite Konsens in Deutschland, auch in Europa, sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Verhandlungen im Juli sehr schwierig werden. Ein Erfolg ist keineswegs sicher. Zu weit gehen die Auffassungen der beteiligten Staaten auseinander. Das betrifft den Regelungsgehalt ebenso wie den Regelungsumfang. Wenige Wochen vor Beginn der Verhandlungen ist beispielsweise völlig offen, welche Waffenkategorien ein ATT beinhalten soll, ob auch Munition erfasst wird und welche Kriterien für Exportentscheidungen maßgeblich sein sollen. Einige, wenn auch wenige Staaten, stehen gar dem ganzen Vorhaben skeptisch gegenüber. Das im Vorfeld für die Konferenz vereinbarte Konsensprinzip ist eine zusätzliche Hürde, die die Verhandlungen erschweren wird. Das gilt auch für die kurze Dauer der Verhandlungen. In lediglich vier Wochen soll der Vertrag stehen. Andere Rüstungskontrollfragen wurden und werden zum Teil über viele Jahre hinweg debattiert. Es ist also völlig offen, ob es überhaupt zu einem Vertragsabschluss kommt. Im Moment sieht es so aus, als stünden sich der Anspruch auf Robustheit, auf einen starken und wirkungsvollen Vertrag, und der Wunsch nach Universalität konträr gegenüber. Wir werden vermutlich nicht beides haben können. Die Kunst der Verhandlung wird darin liegen, das eine nicht gänzlich für das andere aufzugeben. Ich blicke daher mit vorsichtiger Hoffnung nach New York und hoffe darauf, dass sich die Zögerer noch über Zu Protokoll gegebene Reden Christoph Schnurr zeugen lassen und am Ende ein Vertrag steht, der tatsächlich Einfluss auf die Staatenpraxis nimmt. Allerdings mahne ich auch zur Vorsicht und warne vor überhöhten Erwartungen. Die Gefahr ist real, dass solche Erwartungen enttäuscht werden. Denn selbst wenn sich die Staatengemeinschaft auf einen Vertrag einigen sollte, wäre das erst der Auftakt. Mindestens ebenso wichtig wird die anschließende Phase der Implementierung. Erst dann entscheidet sich, welche Bedeutung die Buchstaben des Vertrags haben, ob und wie der Vertrag die Exportpraxis der Staaten beeinflusst. Von großer Bedeutung wird es dann sein, dass es zu regelmäßigen Überprüfungskonferenzen kommt, auf denen der Vertrag weiterentwickelt werden kann und eine Diskussion über die getätigten Exportentscheidungen möglich ist. Immer im Hinterkopf sollten wir auch behalten, dass der ATT nur ein Teil einer größeren Strategie der Sicherheitsvorsorge sein kann. Er löst nicht alle Probleme, noch nicht einmal im eng begrenzten Bereich des Waffenhandels: So kann er sich im besten Fall indirekt auf den illegalen Waffenhandel auswirken. Komplementär bietet sich hier immer noch das VN-Kleinwaffenaktionsprogramm an, das weiter gestärkt werden muss. Vor allem aber kann der ATT das Problem der Entstehung von Konflikten nicht lösen. Konfliktprävention und -bewältigung müssen noch stärker in den Fokus der Weltgemeinschaft rücken, damit die Nachfrage nach Militärgütern gar nicht erst entsteht. Trotz alldem bin ich der festen Überzeugung, dass wir einen Arms Trade Treaty brauchen und dass ein solcher ein wichtiges Element einer umfassenden Sicherheitspolitik sein kann. Ebenso sicher bin ich mir, dass sich die Bundesregierung nach Kräften und im Sinne des Hohen Hauses für den Abschluss eines starken Vertrags einsetzen wird. Der vorgelegte Antrag ist daher nicht nötig. Hoffen wir lieber gemeinsam darauf, dass die Konferenz im Juli erfolgreicher verläuft als vor 90 Jahren, als sich ein weltweites Abkommen nicht durchsetzen ließ. Keine Minute vergeht, in der nicht irgendwo auf die ser Welt ein Mensch mit Waffen, insbesondere Kleinwaffen, getötet wird. Mit dem UN-Waffenhandelsvertrag soll ein wichtiger Schritt unternommen werden, dem einen Riegel vorzuschieben. Die Vertragsverhandlungen im Juli werden entscheidend dafür sein, ob der Waffenhandelsvertrag als Papiertiger daherkommen oder ein ernsthaftes Instrument zur Eindämmung und Kontrolle des internationalen Geschäfts mit dem Tod sein wird. SPD und Grüne stellen in ihrem Antrag richtige Forderungen auf, und die Bundesregierung wäre gut beraten, diese Forderungen energisch bei den Verhandlungen in New York zu vertreten. Eine Ausweitung der Erfassung von Waffengeschäften auf Kleinwaffen, auf Munition und vor allem auf Rüstungskomponenten ist unabdinglich. Ansonsten würde die Mehrzahl der Rüstungsexporte gar nicht unter den Vertrag fallen. Auch die Forderung nach einem handlungsfähigen Gremium zur Umsetzung des Waffenhandelsvertrages ist sinnvoll. Das Mandat des Gremiums darf sich nicht nur auf die Erfassung und Verwaltung der Waffengeschäfte beschränken, sondern muss auch einen Mechanismus für den Informationsaustausch zu den jeweiligen Genehmigungsentscheidungen umfassen. Nur so entsteht eine politische Rechenschaftspflicht, die Regierungen davon abhalten kann, Waffen an problematische Empfänger zu liefern. Genauso wichtig ist es, auf die Beibehaltung der bislang in der Diskussionsvorlage für die Vereinten Nationen enthaltenen Mindeststandards für erlaubte Rüstungsexportgeschäfte hinzuwirken – allen voran die Einhaltung der Menschenrechte. Allein die Erfahrungen des Arabischen Frühlings haben gezeigt, welche schrecklichen Konsequenzen es für die Menschen haben kann, wenn man Waffen und Gerät an repressive Regime liefert. Hier hätten SPD und Grüne allerdings besser noch die Forderungen von Nichtregierungsorganisationen übernommen. Diese fordern zu Recht, dass Rüstungstransfers bereits zu untersagen sind, wenn ein erhebliches Risiko besteht, dass die Rüstungsgüter zu schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen benutzt werden, und nicht erst, wenn dies nachweislich der Fall ist. Die Linke gibt sich allerdings keiner Illusion über die positiven Auswirkungen des Waffenhandelsabkommens auf die deutsche Genehmigungspraxis hin. Hier sieht es Jahr für Jahr düster aus. Trotz aller vermeintlich hohen Standards gehört Deutschland regelmäßig zu den größten Rüstungsexportnationen. Diktaturen wie SaudiArabien erhalten Waffen aller Art; deutsche Unternehmen – zum Teil sogar mit Unterstützung der Bundeswehr – bauen in diesen Ländern Rüstungskapazitäten auf. Deutschland liefert gerne auch in Spannungsgebiete; Stichwort: U-Boot-Lieferungen an Israel. Derzeit wird über Kampfpanzer nach Saudi-Arabien und Indonesien spekuliert; Algerien soll Know-how für den Bau von Panzern und einige Kriegsschiffe bekommen. Nach wie vor bemüht man sich um den Verkauf von Kampfflugzeugen nach Indien. Und wenn man sich die Liste der Waffensysteme ansieht, die aufgrund der Bundeswehrreform ausgemustert werden sollen und für die Käufer gesucht werden – neben den Kampfpanzern auch Tornado-Kampfflugzeuge und Panzerhaubitzen –, kann einem nur angst und bange werden. Daher bleiben wir bei unserer grundsätzlichen Forderung nach einem Stopp aller deutschen Rüstungsexporte. Trotzdem: Der Waffenhandelsvertrag ist wichtig, um weltweit Standards zu setzen und langfristig ein Umdenken zu erreichen. Je mehr Länder mitziehen, umso besser. Deswegen sollte so lange wie möglich an einem Konsens gearbeitet werden. Wenn allerdings die Standards heruntergeschraubt werden, dann darf die Bundesregierung dem nicht zustimmen. Dann muss als Alternative eben der gleiche Weg beschritten werden wie bei den Kontrollregimen für Landminen und Streumunition: In beiden Fällen hat sich eine Gruppe gleichgesinnter Staaten auf höhere Standards verpflichtet, andere sind daraufhin nachgezogen. Zu Protokoll gegebene Reden Paul Schäfer Darüber hinaus wäre es gefährlich, wenn die Diskussion um einen UN-Waffenhandelsvertrag den Blick auf die anderen großen Herausforderungen verstellt. Nur zur Erinnerung: Die EU-Staaten haben sich bereits 1998 einen Verhaltenskodex für Waffenausfuhren gegeben, der 2009 zu einem Gemeinsamen Standpunkt aufgewertet worden ist. Das hat nichts daran geändert, dass die EU-Staaten mit Exportgenehmigungen im Wert von sage und schreibe 31 Milliarden Euro nach wie vor mehr als 170 Staaten außerhalb der EU mit Rüstungsgütern versorgen. Das zeigt deutlich: Wenn man ernsthaft an einer Verbesserung der Kontrollen und Standards für Rüstungsexporte interessiert ist, darf das Bemühen nicht beim UN-Waffenhandelsvertrag aufhören. Man sollte vor allem vor der eigenen Haustür anfangen. Das bleibt für die Linke auf der Tagesordnung. Am 2. Juli beginnen in New York die Verhandlun gen über einen weltweiten Waffenhandelsvertrag auf UN-Ebene. Deutschland kommt als einem der sechs großen Rüstungsgüter exportierenden Staaten eine besondere Verantwortung im Rahmen der Verhandlungen zu. Nur wenn die Bundesregierung sich für einen umfassenden und verbindlichen Vertrag einsetzt und positiv Einfluss auf die übrigen Staaten nimmt, besteht die Chance, dass am Ende ein erfolgreiches Abkommen verhandelt wird. Erfolgreich bedeutet, sowohl einen weiten Geltungsbereich als auch einen hohen Kontrollstandard im Vertrag zu verankern. Es müssen Waffen, die in zwischenstaatlichen Konflikten oder für Repressionen gegen die eigene Bevölkerung genutzt werden können, vor allem Kleinwaffen und leichte Waffen, einbezogen werden. Die meisten Menschen, die weltweit Opfer militärischer Gewalt werden, sterben nicht durch Panzer oder andere Großwaffensysteme, sondern durch Handfeuerwaffen. Alle abseits der medialen Aufmerksamkeit geführten Konflikte in Afrika, Asien und Amerika sind auf die stete Zufuhr mit ebendiesen leicht verbringbaren Waffen angewiesen. Wenn wir es schaffen können, den unkontrollierten Handel mit diesen Waffen zu regulieren, haben wir eine Chance, die Gewalt in diesen Konflikten wirksam einzudämmen. Kleinwaffen sind die Massenvernichtungswaffen der heutigen Zeit. Einmal produziert, sind Handfeuerwaffen leicht von einem Konflikt in den nächsten zu transportieren; sie sind pflegeleicht in der Lagerung und können ohne nennenswerte Ausbildung bedient werden. Eine AK-47 kann Jahrzehnte genutzt werden und ein Elfjähriger ohne größere Probleme damit schießen. Geschmuggelt, entzieht es sich allen legalen Kontrollwegen. Auch Munition muss ein Teil des Abkommens werden. Eine Handfeuerwaffe kann Jahrzehnte eingesetzt, eine Gewehrkugel hingegen lediglich einmal verschossen werden. Um wirksam Einfluss auf schwelende Konflikte nehmen zu können, ist es wichtig, den Nachschub mit Munition zu unterbinden. Ohne die notwendige Munition können auf Dauer keine Konflikte geführt werden, und deshalb ist es so wichtig, die Munition in den Waffenhandelsvertrag einzubeziehen. Hier muss die Bundesregierung gegenüber unserem größten Bündnispartner, den USA, standhaft bleiben. Der Vertrag muss außerdem menschenrechtliche und humanitäre Gesichtspunkte enthalten. Staaten, die systematisch die Rechte ihrer Bürger missachten und in kriegerischen Auseinandersetzungen immer wieder gegen das humanitäre Völkerrecht verstoßen, sollen sich auf dem weltweiten Waffenmarkt nicht mehr legal mit den Mitteln für dieses Unrecht eindecken können. Diese – von den Nichtregierungsorganisationen – als „goldene Regeln“ bezeichneten Kriterien müssen für die Bundesregierung die roten Linien in den anstehenden Verhandlungen darstellen. Die Bundesregierung muss sich aber auch für sozioökonomische Kriterien einsetzen. Diese sollen bewirken, dass Staaten durch Rüstungsausgaben nicht in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung gefährdet werden. Das Rüstungsstreben eines Staats muss im Verhältnis zu seinen sozialen und wirtschaftlichen Verpflichtungen gegenüber seinen Bürgern stehen. Wenn dies nicht gegeben ist, dürfen keine Waffen exportiert werden. Bestes Beispiel dafür sind die deutschen Exporte nach Griechenland in den letzten Jahren vor dem Zusammenbruch der Staatfinanzen. Entscheidend ist aber, dass der Vertrag am Ende mehr wert ist als das Papier, auf dem er geschrieben steht. Ein Abkommen mit vielen leeren Versprechungen ist vertane Zeit. Dies gilt besonders in Anbetracht des Umstands, dass ein Waffenhandelsvertrag nur der Beginn eines Prozesses sein kann, an dessen Ende eine spürbare Verringerung der globalen Rüstungsausgaben stehen muss. Daher fordern wir die Bundesregierung auf, sich für eine starke „Implementation Support Unit“ einzusetzen, die den Vertragsstaaten bei der Anpassung ihrer Strukturen an die neuen Regelungen hilft und die gewonnenen Daten auswertet und veröffentlicht. Dies wäre ein Schritt auf dem Weg zu mehr Transparenz, der zumindest zu ein wenig mehr Ehrlichkeit in diesem für Korruption und Bestechung sehr anfälligen Wirtschaftsbereich führen könnte. Unverständlich ist mir, dass es nicht möglich war, die Abgeordneten der Koalition für einen gemeinsamen Antrag zu gewinnen. Es hätte der Bundesregierung sicher bei den anstehenden Verhandlungen geholfen, wenn sie mit einem starken Verhandlungsmandat des Deutschen Bundestages in New York hätte auftrumpfen können. Ihr FDP-Staatsminister im Auswärtigen Amt Michael Georg Link hat vor einigen Tagen bei einer Veranstaltung im Auswärtigen Amt selbst gesagt, dass eine parteiübergreifende Behandlung des Themas jetzt notwendig und geboten sei. Deshalb ist es geradezu grotesk, dass ein gemeinsamer Antrag an seiner eignen Fraktion im Bundestag scheiterte. Liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU: Lassen Sie sich nicht immer von der FDP vorführen, und stimmen Sie unserem Antrag für einen starken VN-Waffenhandelsvertrag zu! Zu Protokoll gegebene Reden Wir kommen zur Abstimmung. Wer stimmt für den Antrag der beiden Fraktionen auf Drucksache 17/9927? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Antrag ist abgelehnt bei Zustimmung durch die Oppositionsfraktionen. Dagegen waren die Koalitionsfraktionen. Tagesordnungspunkt 39: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit – zu dem Antrag der Abgeordneten Frank Schwabe, Dirk Becker, Gerd Bollmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Klimaziel der EU auf 30 Prozent anheben – zu dem Antrag der Abgeordneten Eva BullingSchröter, Dorothée Menzner, Ralph Lenkert, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Europäisches Klimaschutzziel für 2020 auf 30 Prozent Treibhausgasminderung erhöhen – Überschüssige Emissionsrechte stilllegen – zu dem Antrag der Abgeordneten Bärbel Höhn, Dr. Hermann E. Ott, Hans-Josef Fell, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN EU-Klimaziel anheben – 30 Prozent Emissionsminderung bis 2020 – Drucksachen 17/9561, 17/9562, 17/9175, 17/9993 – Berichterstattung: Abgeordnete Andreas Jung Frank Schwabe Michael Kauch Eva Bulling-Schröter Bärbel Höhn Die Reden wurden zu Protokoll genommen. Der Gipfel in Rio de Janeiro setzte 1992 Maßstäbe für eine weltweite Politik zum Schutz von Klima und Umwelt in einer gerechteren Welt. Exakt 20 Jahre danach werden wir uns besonders an den Erfolgen oder Misserfolgen messen lassen müssen. In diesem Kontext gilt es, die bereits international und national aufgestellten Wegmarkierungen noch einmal unter die Lupe zu nehmen. Der Weg und das Ziel sind dabei mehr oder minder klar umrissen. Die auf der Weltklimakonferenz in Cancun 2010 festgelegte 2-Grad-Grenze gilt es auf jeden Fall zu erreichen, um die schlimmsten Auswirkungen auf das Klima und die Umwelt zu verhindern. Das 2007/ 2008 von der EU beschlossene 20-20-20-Programm war hierbei bereits ein erster Aufschlag. Die Beschlüsse von Durban vom Dezember 2011 legten dann die rechtlichen Grundlagen für die Klimaschutzanstrengungen der Industriestaaten unter dem Kioto-Protokoll, voraussicht lich bis 2020. Mittlerweile ist es allgemein anerkannt, dass die bisher verbindlich vorgelegten Minderungsangebote allerdings wohl nicht ausreichen werden, um die international vereinbarte 2-Grad-Grenze für den globalen Temperaturanstieg einhalten zu können. Es ist – wieder einmal – an der Zeit, zu handeln. Wir dürfen uns auf den für einen langen Zeitraum festgelegten Zielen nicht ausruhen, sondern sollten technische Innovationen und gesellschaftliche Lernprozesse aufgreifen und nutzen, um auf der Höhe der Zeit zu bleiben, Machbares umzusetzen, die vorhandenen Instrumente und Vorgaben anzupassen. Tatsache ist, dass wir in der Europäischen Union das 20-Prozent-Ziel an CO2-Einsparung bis 2020 schaffen werden, ohne uns anstrengen zu müssen, da die bisher geleisteten technischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Anstrengungen ausreichen werden. Doch wenn wir die kommenden acht Jahre ungenutzt verstreichen lassen, dann verschaffen wir uns ohne Not eine schlechtere Ausgangsposition für eine kosteneffiziente Erfüllung der Langstreckenziele bis 2050. Aktuelle Prognosen machen deutlich, dass eine Erhöhung des EUKlimaziels auf 30 Prozent bis 2020 hier den Druck herausnehmen kann und darüber hinaus machbar ist. Wir brauchen hierfür klare Signale der europäischen Politik, dass sich Investitionen in die Dekarbonisierung der Wirtschaft in Europa lohnen. Blieben wir auf Dauer beim derzeitigen Ziel von 20 Prozent bis 2020, laufen wir darüber hinaus Gefahr, dass die Europäische Union international als anspruchslos und träge wahrgenommen wird. Dies gilt es zu vermeiden, um auch die Schwellenund Entwicklungsländer zu einem konsequenteren Handeln zu animieren. Das gegenwärtige 20Prozent-Ziel der EU liegt noch unterhalb der unteren in Cancun beschlossenen Spannbreite der Emissionsminderung für die Industrieländer von 25 bis 40 Prozent bis 2020 gegenüber 1990. Diese Spannbreite wurde auch vom Weltklimarat IPCC 2007 als notwendig angesehen, um zumindest mit 50-prozentiger Wahrscheinlichkeit zu verhindern, dass die globale Erwärmung um mehr als 2 Grad Celsius Temperaturerhöhung steigt. Als Vorreiter wird international von uns erwartet, dass wir gangbare Schritte machen und unsere gesteckten Ziele regelmäßig überprüfen, Vorbild geben und Nachahmung initiieren. Gleichzeitig demonstrieren wir durch eine Erhöhung den innovativen Vorsprung, den wir anderen vermitteln können. Ich bin fest überzeugt, dass ein verbindliches Klimaziel von 30 Prozent Reduktionen der europäischen Emissionen bis 2020 eine wirtschaftliche Dynamik auslösen kann, die zusätzliche Arbeitsplätze schafft und Wirtschaftswachstum ermöglicht. Von dem bestehenden 20-Prozent-Ziel sind kaum neue Investitionsanreize zu erwarten, da schon 2009 die Emissionen bereits 17,3 Prozent unter dem Niveau von 1990 lagen. Die EU-Mitgliedstaaten müssen unter den geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen nur noch eine zusätzliche Minderung von 285 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent in dem Zeitraum von 2009 bis 2020 erbringen. Bei einem 30-Prozent-Ziel müsste die Europäische Andreas Jung Union bis 2020 eine Minderung von insgesamt 1,22 Milliarden Tonnen leisten, hiervon hat sie aber mit 535 Millionen Tonnen bereits fast die Hälfte erreicht. Im März 2011 legte die Europäische Kommission eine Analyse vor, aus der hervorgeht, dass die europäischen Emissionen bis 2020 um 25 Prozent unter das Niveau von 1990 sinken, wenn die Europäische Union allein ihre längst verabschiedeten Ziele erreicht, insbesondere im Bereich Energieeffizienz. Das schafft keine Anreize. Die Europäische Union hat in einer Zeit großer Umbrüche und Transformationen schon heute einen strategischen Vorsprung – mit der verbindlichen Einführung eines CO2-Preises, ihrer Klimaschutzgesetzgebung und den damit einhergehenden Innovationsimpulsen im Bereich der Umwelttechnologien. Diesen Vorsprung gilt es jetzt konsequent zu verteidigen und auszubauen, Wenn wir uns vor diesem Hintergrund das EU-Klimaund -Energiepaket aus dem Jahr 2008 anschauen, wird allerdings schnell klar, dass wir hier unbedingt nachbessern müssen. Die Erhöhung des EU-Klimaziels ist hierbei ein wesentlicher Schritt. Europa muss nun sein Ambitionsniveau im Klimaschutz erhöhen. Dies kommt auch den Forderungen der Wirtschaft nach einer langfristigen Investitionssicherheit nach und bietet eine Chance, auf einen Wachstumspfad für Europa zu kommen, ohne auf ein verbindliches internationales Klimaschutzabkommen warten zu müssen. Zudem ist es die angemessene strategische Antwort der Europäischen Union auf steigende Ölpreise und eine Positionierung im Wettbewerb mit China und den USA, Es geht um die Führerschaft bei den Technologieleitmärkten von morgen. Bereits in ihrer Nachhaltigkeitsstrategie hat die Bundesregierung 2011 die ambitionierten nationalen Minderungsziele für die Treibhausgase fixiert. Sie sollen bis 2020 um 40 Prozent, bis 2030 um 55 Prozent, bis 2040 um 70 Prozent und bis 2050 um 80 bis 95 Prozent – jeweils gegenüber 1990 – sinken. Diesen Weg geht die Bundesregierung mit der Unterstützung des Bundestages konsequent weiter. So konnte Deutschland im Jahr 2010 seine Verpflichtungen aus dem Kioto-Protokoll erfüllen, Gegenüber dem Basisjahr 1990 sind die Treibhausgasemissionen Deutschlands 2010 um fast 25 Prozent zurückgegangen. Das entspricht einer Verminderung von mehr als 295 Millionen Tonnen Kohlendioxid pro Jahr und zeigt: Ein großes Stück des Wegs haben wir bereits geschafft. Wir können feststellen, dass von unserer Klimaschutzpolitik gleichzeitig kräftige Impulse für Wirtschaftswachstum, Innovation und Beschäftigung ausgehen. Europa muss nach meinem Dafürhalten den positiven Nachweis erbringen, dass Klimaschutzpolitik eine leistbare Zukunftsvorsorge darstellt, dass sie kein Gegensatz zu wirtschaftlicher Entwicklung ist, sondern dass die Integration von modernen Technologien natürliche Ressourcen schonen und klimaschädliche Emissionen nachhaltig reduzieren kann. Denn eine technologische Modernisierung ist es, die uns wettbewerbsfähiger, produktiver, wirtschaftlich erfolgreicher macht und darum auch ökonomisch zu empfehlen ist. Dafür reicht es nicht, dass die Europäische Union bei ihrem 20-Prozent-Reduzierungsziel bleibt. Wenn wir uns nur das vornehmen, was wir ohne zusätzliche Maßnahmen erreichen, dann ist das definitiv zu wenig und würgt Innovationen für die Zukunft ab. Dann ist es auch kein Anreiz für Technologieentwicklung, dann senden wir keine positiven Signale an andere Länder, die es ungleich schwerer haben, ihren CO2-Ausstoß zu reduzieren. Vorreiter heißt, immer einen Schritt voraus zu gehen, um gangbares Terrain aufzuzeigen. Die vom Umweltausschuss am 23. Mai 2012 abgehaltene Anhörung der Sachverständigen zur Erhöhung des EU-Klimaziels auf 30 Prozent hat unmissverständlich klargemacht, dass dieser Schritt jetzt gemacht werden muss. Die entwickelten europäischen Industriestaaten müssen ihrer Vorreiterrolle, aber auch den Erwartungshaltungen gerecht werden, um andere zum Mitmachen zu bewegen. Wer kein Zeichen setzt, kann keine mutigen Schritte von anderen erwarten. Wollen wir an der internationalen Spitze bei den erneuerbaren Energien und den dafür nötigen Technologien bleiben, dann müssen wir jetzt handeln. Eine Initiative der dänischen Ratspräsidentschaft, das EU-Klimaschutzziel auf 30 Prozent bis 2020 zu erhöhen, wurde auf der Sitzung des Umweltministerrats vom 9. März 2012 von Deutschland und 25 anderen Mitgliedstaaten unterstützt. Am 11. Juni 2012 stand es erneut auf der Tagesordnung des Umweltministerrats. Auch bei dieser Sitzung unterstützte Deutschland die Erhöhung des Klimaziels. Gescheitert ist eine Erhöhung bislang an dem Widerstand von Polen. Die Bundesregierung ist mit Polen in intensiven Gesprächen und Verhandlungen, um es von der Erhöhung zu überzeugen. Die Position der Bundesregierung, die als Grundlage für diese Verhandlungen dient, ist auch schwarz auf weiss nachzulesen. Auf Seite 144 des Fortschrittberichts zur Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung wird ausgeführt: „Eine Anhebung des EU-Klimaziels auf 30 Prozent trägt die Bundesregierung auf Basis des nationalen 40-Prozent-Ziels dann mit, wenn keine darüber hinausgehenden Emissionsminderungen von Deutschland verlangt werden und alle Mitgliedstaaten einen fairen Beitrag leisten.“ Damit macht die Bundesregierung die Erhöhung des Klimaziels nicht vom – weiter mit Nachdruck angestrebten – Zustandekommens eines internationalen Klimaschutzabkommens und von vergleichbaren Anstrengungen aller Industriestaaten abhängig. Die Betonung des Festhaltens am deutschen 40-Prozent-Ziel und der Notwendigkeit, dass alle Mitgliedstaaten einen fairen Beitrag leisten, sind logisch und notwendig. Die Arbeitsgruppe Umwelt der CDU/CSU-Bundestagsfraktion unterstützt diesen Ansatz nachhaltig. Wir müssen heute die Bundesregierung nicht erst dazu auffordern, sich auf europäischer Ebene für die Erhöhung des Klimaziels einzusetzen, wir können dieses Bemühen begrüßen und das Signal geben, dass wir dieses Engagement ausdrücklich unterstützen. Ich persönlich halte die Erhöhung des Klimaziels für dringend geboten und werde in meiner Funktion als Be Zu Protokoll gegebene Reden Andreas Jung richterstatter für Klimaschutz der CDU/CSU-Bundestagsfraktion weiterhin für eine ambitionierte Klimapolitik eintreten. Die Anhörung zum europäischen Klimaziel, die wir in der letzten Sitzungswoche hatten, hat eindeutig gezeigt: Es gibt keine vernünftigen Argumente gegen eine Verschärfung des europäischen Klimaziels. Unternehmen sprechen sich offen für diese Erhöhung aus. Die Sachverständigen, die die Union benannt hat, haben sich sehr deutlich und mit guten Argumenten für das 30-Prozent-Ziel ausgesprochen. Nur eine politische Mehrheit hier im Bundestag für dieses Ziel zu finden, das scheint unmöglich, was ich für ein ziemliches Trauerspiel halte, denn neben dem Umweltminister spricht sich nun die gesamte Bundesregierung für ein 30-Prozent-Ziel aus, wenn auch nicht laut und klar, sondern versteckt auf Seite 144 des Fortschrittsberichts zur nationalen Nachhaltigkeitsstrategie. Kennt eigentlich in Brüssel jemand die Haltung der Bundesregierung? Oder denken dort noch alle, dass sich BMU und BMWi immer noch nicht geeinigt haben? Hier wäre eine klare Stellungnahme des Bundestages oder eine Zustimmung zu unserem Antrag hilfreich gewesen. Zustimmen alleine reicht jedoch nicht. Die anderen Staaten Europas warten auf ein starkes Signal aus Deutschland für mehr Klimaschutz. Nach jahrelangem Herumlavieren muss die Bundesregierung anderen Staaten erklären, dass für sie ein höheres Klimaziel von vitalem Interesse ist. Wenn sie weiterhin nur stumm am Rande steht, macht sie sich mitschuldig, den Klimaschutz zu verhindern. Angesichts der Opfer, die der Klimaschutz heute schon fordert, kann das niemand wollen. Wenn wir das 2-Grad-Ziel erreichen wollen, müssen wir die Treibhausgasemissionen um 80 bis 95 Prozent bis 2050 reduzieren. Wir dürfen in der Debatte um das 30-Prozent-Ziel dieses Langfristziel nicht unbeachtet lassen. Auf dem Weg zu diesem Langfristziel brauchen wir sinnvolle Zwischenschritte. In den nächsten acht Jahren praktisch keinen Klimaschutz zu machen – das würde das Festhalten am 20-Prozent-Ziel bedeuten – aber ab dem Jahr 2020 plötzlich sehr große Anstrengungen von Industrie und Bevölkerung zu verlangen, ist kein sinnvolles Zwischenziel. In diesen acht Jahren würden wir den Vorsprung, den wir in vielen Bereichen haben, verlieren. Welcher Investor würde unter solch unsicheren Bedingungen investieren? Wir sollten heute schon unsere Anstrengungen erhöhen und das Langfristziel auf einem gleichbleibenden und verlässlichen Pfad erreichen. Für das Jahr 2020 ist das 30-Prozent-Ziel konsistent mit dem Langfristziel. Wichtig ist daneben die Debatte um das Klimaziel für das Jahr 2030 und eine schnelle Festlegung dieses Ziels. Auch um das nationale Klimaziel von 40 Prozent zu erreichen, brauchen wir das europäische 30-ProzentZiel. Ansonsten müssten die Bereiche, die nicht im Emissionshandel sind, eine Minderungsleistung erbringen, die jenseits des praktisch Machbaren ist. Somit gilt: Ohne höheres Klimaziel der EU kein Erreichen des deutschen Klimaziels. Die Diskussionen um die Klimaziele sind jedoch äußerst zäh und schwierig. Bereits zweimal war die Klimaroadmap und damit das Klimaziel auf der Tagesordnung des Umweltrates der EU gewesen. Zweimal gab es keinen Konsens. Nachdem die Minister sich nicht einigen konnten, kommt es nun auf die Staatsund Regierungschefs an. Diese treffen sich am 28. und 29. Juni in Brüssel zum Europäischen Rat. Auf diesem Ratstreffen muss der gordische Knoten gelöst werden und endlich eine Einigung auf ein höheres Klimaziel erreicht werden. Die Sorgen von Ländern wie Polen, die sehr von Kohle abhängig sind, müssen angehört werden. Wie kein anderes Land behindert Polen gerade die europäische Klimapolitik. Deutschland muss die polnische Regierung mehr bei Vorhaben unterstützen, die in Polen einen Übergang hin zu erneuerbaren Energien und Energieeffizienz attraktiver machen. Polen wird verschärfte Klimaziele nur akzeptieren, wenn es Klimapolitik nicht nur als Bedrohung, sondern auch als Chance wahrnehmen kann. Auch muss die Abhängigkeit Polens von Energieimporten diskutiert werden. Diese Abhängigkeit von Energieimporten nimmt zu, trotz der gegenwärtigen polnischen Kohlepolitik. Die Einfuhren von Kohle sind zwischen 2006 und 2010 nach Angaben von Eurostat um 169 Prozent gestiegen. 2008 wurde Polen Nettoimporteur von Kohle. 2009 machten Kohleimporte aus Russland rund 70 Prozent der polnischen Kohleimporte aus. Unabhängigkeit ist mit erneuerbaren Energien zu erreichen, nicht mit weiteren Kohlekraftwerken. Sonne und Wind kann niemand abschalten. Aber nicht nur ein stärkeres Werben für erneuerbare Energien ist wichtig. Im Mittelpunkt muss auch die Energieeffizienz stehen. Polen verbraucht doppelt so viel Energie, um eine Einheit seines Bruttosozialprodukts zu erzeugen, wie der europäische Durchschnitt. Nach der gegenwärtigen polnischen Energiestrategie will Polen das Energieniveau, das die EU-15-Staaten im Jahr 2005 erreicht hatten, erst im Jahr 2030 erreichen, 25 Jahre später. Hier können wir Wege zeigen, wie man Energie und Geld sparen kann und dabei auch noch neue Arbeitsplätze schaffen kann. Nachdem nun auch der Umweltrat am Montag gescheitert ist, ist nun der Europäische Rat Ende Juni entscheidend. Aber hat die Bundesregierung die Zeit seit dem letzten polnischen Veto im März mit Hochdruck genutzt? Hat die Bundesregierung alles getan, damit Polen nicht auch beim nächsten Treffen eine Einigung blockiert? Jetzt kommt es auf die Staatsund Regierungschefs an. Zu diesem Thema habe ich in meiner letzten Rede der Bundesregierung einige Fragen gestellt. Antworten habe ich leider nicht erhalten. Deswegen möchte ich diese Fragen erneut stellen: Wie möchte die Bundesregierung die polnische Blockade bis Ende Juni auflösen? Wie zeigt die Bundesregierung, dass sie die polnischen Sorgen ernst nimmt? Welche Angebote möchte die Bundesregierung Polen machen? Kann sich die Bundesregierung zum Beispiel vorstellen, die bilateralen Umweltprojekte zwischen Deutschland und Polen auszubauen? Sind vor dem Juni Zu Protokoll gegebene Reden Frank Schwabe Rat Gespräche zwischen Merkel und Tusk geplant? Umweltverbände fordern die Schaffung eines Sonderbotschafters, der Pendeldiplomatie zwischen den Hauptstädten der EU betreibt. Unterstützt die Bundesregierung diese Forderung nach einem Sonderbotschafter? Gibt es in der deutschen Botschaft in Warschau überhaupt jemanden, der zu Klimapolitik arbeitet? Wenn nein, warum nicht? Ich habe meine Zweifel, dass mir die Bundesregierung ausreichend auf diese Fragen antworten kann. Aber wenigstens war der Minister höchstpersönlich auf dem Treffen der Umweltminister und hat sich nicht vertreten lassen, wie sein Vorgänger. Herr Altmaier sagte, dass Klimaschutz für ihn ein Herzensthema sei. Nun kann er zeigen, ob er dies auch ernst meint, und sich dafür einsetzen, dass die Bundesregierung eine klare Position vertritt. Allerdings kann man dann nicht mit dem Wirtschaftsminister kuscheln; denn dieser verhindert Klimaschutz, wo er nur kann. Ich hoffe, dass der neue Minister nicht nur ein Mann der schönen Worte, sondern ein Mann der Durchsetzungskraft ist; denn ohne Durchsetzungskraft ist Klimaschutz nicht möglich. Die Opposition stellt heute erneut Schaufensteran träge zur Abstimmung. Man suggeriert, nur mit einem Beschluss des Parlaments werde eine Verhandlungsstrategie der Bundesregierung in Richtung des 30-ProzentKlimaziels in der EU möglich. Offenkundig sind Sie aber nicht mehr auf der Höhe der Entwicklungen. Denn die Bundesregierung hat bereits eine gemeinsame Strategie zum EU-Klimaziel beschlossen. Das Bundeskabinett hat im Fortschrittsbericht 2012 zur Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie folgende Verhandlungsposition in Europa beschlossen: „Eine Anhebung des EU-Klimaziels auf 30 Prozent im Jahre 2020 gegenüber 1990 trägt die Bundesregierung auf Basis des nationalen 40-Prozent-Ziels dann mit, wenn keine darüber hinausgehenden Emissionsminderungen von Deutschland verlangt werden und alle EU-Mitgliedstaaten einen fairen Beitrag leisten.“ Dies ist die Position der Bundesregierung, die das Wirtschaftsministerium und das Umweltministerium gemeinsam tragen. Ein Entschließungsantrag ist deshalb nicht notwendig. Die Erhöhung auf 30 Prozent wird bereits als Verhandlungslinie der Bundesrepublik Deutschland vertreten. Allerdings mit einer entscheidenden Einschränkung, die die Opposition weglässt: Was immer auf europäischer Ebene passiert, das deutsche 40-Prozent-Ziel darf im Rahmen der Lastenverteilung nicht noch weiter erhöht werden. Denn die deutschen 40 Prozent sind bereits äußerst ambitioniert. Die Formulierung der Bundesregierung ist daher besser als alle Anträge der Opposition, die wir deshalb ablehnen. Zudem sollten wir bei der Diskussion über das EUKlimaziel immer mit diskutieren, wie Produktionsverlagerungen bei energieintensiven Branchen vermieden werden können. Es ist wichtig, hier einen für alle gangbaren Weg zu finden. Denn Produktionsverlagerungen in Länder, die es mit Klimaschutz nicht ernst meinen, helfen niemandem: der Umwelt nicht und schon gar nicht den Arbeitsplätzen in Deutschland. Deshalb sind bei ambitionierteren Klimaschutzzielen im Emissionshandel Kompensationen im Rahmen der begrenzten finanziellen Möglichkeiten für diejenigen energieintensiven Unternehmen zu prüfen, die im internationalen Wettbewerb stehen. Peinlich ist es im Übrigen, dass die Oppositionsfraktionen von SPD und Grünen sich ständig überbieten, mehr Engagement für den Klimaschutz auf Bundesebene und in Europa zu fordern; denn dort, wo sie gemeinsam regieren, geht es mit den Klimaschutzzielen bergab. Sowohl Grün-Rot in Baden-Württemberg als auch RotGrün in NRW haben die Klimaschutzziele gegenüber ihren schwarz-gelben Vorgängern abgesenkt. Gerade erst wurde im rot-grünen Koalitionsvertrag in NRW bestätigt, dass trotz einer gewünschten Anhebung des EUZiels auf 30 Prozent und trotz des deutschen Ziels von 40 Prozent das Land NRW nur 25 Prozent Einsparung erbringen soll. Wer die Grundrechenarten beherrscht, der sieht, dass bei 25 Prozent im größten Bundesland national 40 Prozent kaum zu erreichen sein dürften. Das einzige, was der grüne Umweltminister in NRW mit seinem sogenannten Klimaschutzgesetz erreicht, ist ein Ausufern von Bürokratie und Ordnungsrecht. Das macht Klimaschutz teurer, aber nicht besser. Die Krönung des Ganzen ist die Begründung für das Versagen in Baden-Württemberg. Der grüne Umweltminister erklärt, man müsse die Klimaschutzziele senken, da Baden-Württemberg vom Atomausstieg besonders betroffen sei. Weniger Klimaschutz wegen Atomausstieg, das hatten die Grünen den Wählern vor der Landtagswahl nicht erklärt. Das aber ist offenbar die bittere Realität rot-grüner Umweltpolitik. Die Opposition ist sich einig, und auch große Teile der Koalition, jedenfalls im Umweltausschuss, sind für eine Anhebung des bedingungslosen EU-Klimaschutzziels auf 30 Prozent Minderung bis 2020 gegenüber 1990. Ich hoffe, die Bundesregierung wird sich im EU-Rat so positionieren, wie sie sich im Fortschrittsbericht zur Nachhaltigkeitsstrategie festgelegt hat, und zwar dass Deutschland minus 30 Prozent EU-weit mitträgt, wenn auf die Bundesrepublik keine zusätzlichen Emissionsminderungen über die Selbstverpflichtung von national minus 40 Prozent hinzukommen und alle EU-Staaten einen fairen Beitrag leisten. Sie werden verstehen, dass wir etwas misstrauisch sind, ob die Bundesregierung das Bekenntnis zu 30 Prozent in Brüssel auch wirklich klar kommuniziert. Denn die Koalitionsfraktionen waren im Ausschuss nicht bereit, bei einem entsprechenden fraktionsübergreifenden Antrag mitzumachen. Ich darf allerdings einschränken, dass die Position der Bundesregierung, selbst wenn sie denn ehrlich gemeint ist, klimapolitisch kein allzu großer Wurf ist. Schließlich sind minus 25 bis minus 40 Prozent bei den Industriestaaten das Mindeste, was aus Sicht der Wissenschaft erforderlich ist, um den Klimawandel – mit Zu Protokoll gegebene Reden Eva Bulling-Schröter nur Zweidrittel Wahrscheinlichkeit – auf zwei Grad Erwärmung begrenzen zu können. In dem Zusammenhang wundert mich übrigens die Enthaltung der Grünen und der SPD im Ausschuss zu unserem Antrag. Dem Vernehmen nach war zumindest bei den Grünen das Argument gegen eine Zustimmung, dass die LINKE die Bundesregierung auffordert, in Brüssel für eine weiter Verschärfung des EU-Klimaschutzziels bis 2020 über 30 Prozent hinaus einzutreten. Ich frage mich, was wäre denn so furchtbar schlimm daran? Was ist das politische Problem für die Grünen, wenn sich die EU zu minus 40 Prozent bis 2020 verpflichten würde? Darf man so etwas als Oppositionspartei nicht mehr fordern angesichts der Dramatik des Klimawandels? Werden wir nicht sogar gezwungen sein, noch eine Schippe drauf zu packen, weil Schwellenländer und USA viel mehr Treibhausgase ausstoßen, als in der Zeit vorauszusehen war, in der der Minderungspfad von den Wissenschaftlern des IPCC errechnet wurde? In diesem Zusammenhang möchte ich anmerken, dass das Klimaschutzgesetz von SPD und Grünen in NRW eher wenig ambitioniert ist. Die Treibhausgasemissionen des Bundeslandes sollen bis zum Jahr 2020 um nur 25 Prozent im Vergleich zu den Gesamtemissionen des Jahres 1990 verringert werden. Die 25 Prozent sind für das Braunkohleland NRW aber viel zu niedrig. Damit wird das 40-Prozent-Minderungsziel der Bundesregierung für Deutschland praktisch unerfüllbar: Da Bayern oder Baden-Württemberg historisch bedingt einen Brennstoffwechsel von Atom zu erneuerbaren Energien und Gas zu bewältigen hat, können diese ehemaligen Atom-Länder realistisch bis 2020 nur CO2-Minderungsziele deutlich unter 40 Prozent erreichen. In der Verantwortung stehen hier darum am stärksten die Bundesländer mit einem hohen Anteil an Braunkohleverstromung. Schließlich bringt hier der Wechsel zu erneuerbaren Energien und Gas automatisch enorme CO2-Einsparungen mit sich. An der Spitze – weil auch mit 72 Prozent mit dem höchsten Anteil Braunkohlestrom am Erzeugungsstrommix – müsste hier NRW stehen. Gefragt wäre also ein signifikant schärferes Klimaschutzziel von deutlich über minus 40 Prozent Minderung, anstatt deutlich darunter. Brandenburg hat hier immerhin minus 40 Prozent abgeliefert, was auch noch zu schlapp ist. Rot-Grün in NRW entzieht sich mit 25 Prozent jedoch weitgehend der Verantwortung. Aber zurück zu Europa. Schärfere Klimaschutzziele sind in der EU natürlich sehr schwer umzusetzen. Wir sehen beispielsweise die Probleme Polens, eines Landes, welches 89 Prozent seiner Stromerzeugung mit Braunoder Steinkohle realisiert. Doch genau darum fordern wir in unserem Antrag, ähnlich wie die Grünen, entsprechende Hilfestellungen für unseren kohlegeplagten Nachbarstaat. Was die Stillegung von Emissionsrechten angeht, die wir als Einzige in unserem Antrag fordern, so decken sich unsere Vorstellungen hier weitgehend mit jenen Forderungen, die das Ökoinstitut diese Woche in einer Studie aufgemacht hat, die im Auftrag von WWF und Greenpeace erstellt wurde. Gemäß der Studie sollten an gesichts des Überschusses von 2 Milliarden Euro durch den Verkauf von Verschmutzungsrechten 1,4 Milliarden Zertifikate für mindestens zehn Jahre stillgelegt werden. Zudem seien die Anrechenbarkeit von CDM-Gutschriften für die Unternehmen aus Klimaprojekten in der Dritten Welt zu begrenzen. Schließlich müsse die jährliche Emissions-Minderungsvorgabe der EU und damit das zu schwache europäische Klimaziel „deutlich verschärft“ werden. Unsere Worte, kann ich da nur sagen, natürlich wissenschaftlich besser unterfüttert. Ich denke, unter dem Strich hat die Linke einen runden Antrag hingelegt, die Zustimmung sollte diesem Haus – auch nach den eindeutigen Ergebnissen der Anhörung am 23. Mai – nicht schwerfallen. Die Linke stimmt im Übrigen den Anträgen der SPD und der Grünen zum Thema zu. Wir hätten heute etwas grundlegend Richtiges tun können: Wir hätten einen gemeinsamen Beschluss aller Fraktionen im Bundestag fassen können, der die Anhebung des europäischen Klimaziels unterstreicht. Wir hätten es tun können – und sogar gemusst! Doch obwohl der Umweltausschuss sich prinzipiell einig darin war, dass die Bundesregierung in Brüssel weiterhin ein 30prozentiges CO2-Reduktionsziel für die EU verfolgen soll, konnten wir keinen gemeinsamen Antrag hier einbringen. Die Blockade innerhalb der Koalition beschädigt aber nicht nur weiter ihr eigenes Ansehen, sondern den Klimaschutz weltweit und die Pläne zur Energiewende der Kanzlerin. Unsere gemeinsame Anhörung in der vergangenen Sitzungswoche hat eindrucksvoll bewiesen, wie breit der Konsens für eine Erhöhung der Klimaziele ist, nicht aus ideologischem Kalkül, sondern aus wirtschaftlichen und diplomatischen Gründen. Das haben uns übrigens auch die von der Union geladenen Experten bestätigt. Wenn die EU jetzt nicht ihre Ziele ohne Wenn und Aber von 20 Prozent auf 30 Prozent erhöht, dann droht über kurz oder lang ein Stillstand im Klimaschutz. Denn Europaweit wurden bereits 17 Prozent eingespart. Was wollen wir alle gemeinsam in den nächsten acht Jahren tun? Uns zurücklehnen, während die globalen Emissionen immer weiter steigen? Nein. Wir müssen die Ambition beim Klimaschutz konstant und gemeinschaftlich erhöhen. Wir dürfen uns nicht auf bisher Erreichtem ausruhen. Wenn jetzt Angst und Mutlosigkeit gewinnen, dann hat das verheerende Auswirkungen. Wer gegen das 30-Prozent-Ziel ist, der verzichtet auf zusätzliche 0,6 Prozent Wirtschaftswachstum, der verzichtet auf Millionen zusätzlicher Arbeitsplätze, der verzichtet auf einen Anstieg der EU-weiten BIPs um über 600 Milliarden Euro und auf einen erheblichen Anstieg der europäischen Investitionsrate. All das hatte die Kanzlerin doch auch schon erkannt, als sie das 40-Prozent-Ziel, also minus 40-Prozent CO2-Emissionen in Deutschland bis 2020, ausgegeben hat. Das wird nun von den Blockierern in der Union untergraben. Denn wenn es keine EU-weite Deckelung von 30 Prozent im Emissonshandel gibt, dann müssen Zu Protokoll gegebene Reden Bärbel Höhn die anderen Sektoren – Verkehr und Gebäude – umso mehr Reduktionen erbringen. Haben Sie für die einen Masterplan? Nein, Sie haben hier nichts als Aufschub vorzuweisen. Statt einer Steigerung der Sanierungsrate gibt es einen Sanierungsstau. In Brüssel verhindern Sie eine ohnehin halbwegs wirksame Energieeffizienzrichtlinie, und im Verkehr haben Sie bis auf altbackene Vorschläge für eine Pkw-Maut auch nichts zustande gebracht. Deutschland muss international mehr Gewicht auf das 30-Prozent-Ziel legen. Nur dann ist es möglich, unseren Nachbarn Polen noch rechtzeitig von den Chancen ambitionierter Klimapolitik zu überzeugen. Denn wer heute weniger für den Klimaschutz tut, der zahlt morgen mehr für importiertes Öl und Gas. Konkret: Bis zu 14 Milliarden Euro mehr kostet diese Blockade die ohnehin von teuren Energieimporten gebeutelten europäischen Staaten. Anstatt mehr zu zahlen, können wir sogar mehr einnehmen. Der Emissionshandel hat das Potenzial, viel Geld für den Klimaschutz und die Energiewende abzuwerfen. Denn die Einnahmen daraus fließen in den von der Regierung eingerichteten Energieund Klimafonds. So ist es jedenfalls gedacht. Doch der Zertifikatspreis dümpelt bei 6,50 Euro herum, statt bei den vom Finanzminister anvisierten 17 Euro. Während die Ansprüche an die Energiewende steigen, werden die Mittel dafür also immer geringer. Das liegt an einem Überangebot an Zertifikaten. Ich hätte den Kolleginnen und Kollegen der FDP-Fraktion ein besseres Verständnis von Angebot und Nachfrage zugetraut. Wir Grüne fordern ein höheres EU-Klimaziel auch deswegen, weil dadurch die Menge der Zertifikate verknappt wird. Das führt zu einem höheren CO2-Preis und bringt auch mehr Planungssicherheit für die Unternehmen. Außerdem bringt es den EU-Staaten auch Mehreinnahmen, die sie für den Ausbau der erneuerbaren Energien und der Energieeffizienz nehmen können, und sorgt damit für ein grünes Wachstum mit Tausenden von Arbeitsplätzen. Sie fahren die Energiewende gerade an die Wand und entziehen ihr dann noch das Geld, indem Sie die einzige Einnahmequelle abwürgen. Diese Politik passt zu den Äußerungen von Minister Rösler, der die Solarbranche in Deutschland plattmachen will. Sie meinen es eben nicht ernst mit der Energiewende, und das wird jetzt immer deutlicher. Nächste Woche beginnt in Rio de Janeiro die UNNachhaltigkeitskonferenz. Wir alle wissen, dass den Zeiten von großen Worten nun große Taten folgen müssen. Unsere nationale Energiewende wäre, wenn sie richtig angegangen worden wäre, solch eine Großtat. Denn sie hat Strahlkraft; die ganze Welt schaut auf uns. Aber Misstrauen zwischen Norden, Süden und den Schwellenländern droht gerade die Klimaverhandlungen zu zerstören. Jetzt endlich den Worten von Kopenhagen Taten folgen zu lassen und als EU auf minus 30 Prozent zu gehen, das wäre ein Signal. Die von Ex-Minister Röttgen in Durban gebaute Allianz mit einigen Entwicklungsländern kann nur tragfähig sein, wenn die EU sich selbst an ihre hohen Ansprüche hält. Unsere CO2-Emissionen müssen bis 2050 fast vollständig reduziert sein. Wenn wir uns nicht kurz vor der Jahrhundertwende auf dem Scherbenhaufen der Geschichte wiederfinden wollen, dann müssen wir uns an einen konsequenten und sinnvollen Reduktionspfad halten. Dieser sieht 2020 für Europa eine Emissionsminderung von sogar über 30 Prozent vor. Je später wir anfangen, uns diesem Pfad anzunähern, desto teurer wird es für uns. Wir Grüne wollen ein starkes Signal initiieren; aus Gründen der Kosteneffizienz, der Glaubwürdigkeit Deutschlands und des Klimaschutzes. Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss empfehlung auf Drucksache 17/9993. Unter Buchstabe a wird die Ablehnung des Antrags der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/9561 mit dem Titel „Klimaziel der EU auf 30 Prozent anheben“ vorgeschlagen. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist angenommen bei Zustimmung durch die Koalition und Ablehnung durch die Opposition. Buchstabe b. Hier wird die Ablehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/9562 mit dem Titel „Europäisches Klimaschutzziel für 2020 auf 30 Prozent Treibhausgasminderung erhöhen – Überschüssige Emissionsrechte stilllegen“ empfohlen. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist angenommen bei Enthaltungen von Bündnis 90/Die Grünen und SPD, bei Gegenstimmen durch die Linke. Die Koalitionsfraktionen waren dafür. Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Buchstabe c seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/9175 mit dem Titel „EU-Klimaziel anheben – 30 Prozent Emissionsminderung bis 2020“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Beschlussempfehlung ist angenommen. CDU/CSU und FDP waren dafür, SPD, Linke und Bündnis 90/Die Grünen dagegen. Ich rufe Tagesordnungspunkt 41 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Uwe Beckmeyer, Sören Bartol, Martin Burkert, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Schutzund Sicherheitskonzepte für den Bau und Betrieb von Offshore-Windparkanlagen weiterentwickeln – Drucksache 17/9928 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Innenausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Arbeit und Soziales Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Laut Tagesordnung werden die Reden zu Protokoll genommen. Die Offshorebranche ist ein relativ junger Wirt schaftszweig, der insbesondere im Zusammenhang mit der deutschen Energiewende eine große Rolle spielt. Erst im Juni letzten Jahres haben wir deshalb ein 5 Milliarden Euro schweres Kfw-Sonderprogramm aufgelegt, um die Potenziale der Offshoreenergie voranzutreiben. Während das Programm erste Erfolge zeitigt und immer mehr Windparks in Nordund Ostsee genehmigt und gebaut werden, kristallisiert sich sehr deutlich heraus, wie bedeutend die Windindustrie ist. Wir haben den Ausstieg aus der Atomenergie bis Ende 2020 beschlossen und benötigen zum Gelingen dieser Energiewende zweifelsohne einen großen Anteil Offshoreenergie. Für dieses ehrgeizige Vorhaben benötigt der Offshoresektor politische Unterstützung, die er durch uns erhält. Doch neben der Betrachtung der Windkraftindustrie als signifikanten Zweig der maritimen Wirtschaft müssen wir uns ebenso mit den begleitenden Problemen und Risiken befassen. Mit der grundsätzlichen Thematik der Sicherheitsvorkehrungen im Offshorebereich befasst sich auch der vorliegende Antrag der SPD-Bundestagsfraktion. Leider könnte man beim Lesen des Antrags schnell den Eindruck gewinnen, dass die Arbeitsund Sicherheitsbedingungen bei den Offshorebetreibern katastrophale Ausmaße hätten und wir keinerlei Regelung für Seenotfälle in der Bundesrepublik hätten. Aber dem ist nicht so. Wir haben bei der Reglementierung dieser jungen Technik im Seebereich einiges getan, um schwere Seenotfälle zu verhindern oder im schlimmsten Fall dementsprechend reagieren zu können. Vorkommnisse mit tödlichem Ausgang und die besonderen Bedingungen bei der Montage und Wartung der Parks auf hoher See erfordern ein besonderes Management. Daher gibt es bereits viele vereinzelte Projekte, die zusammen mit den Offshorebetreibern – und diese sehe ich hier zwingend in der Pflicht – versuchen, Rettungsund Sicherheitskonzepte an diese hohen Anforderungen anzupassen. So wurde – um nur ein Beispiel zu nennen – am 19. April 2012 im Berufsgenossenschaftlichen Unfallkrankenhaus Hamburg, BUKH, das Forschungsprojekt „Rettungskette Offshore Wind“ gestartet. Dessen Zielsetzung ist es, über die nächsten drei Jahre Erkenntnisse dahin gehend zu erhalten, wie die Rettungslogistik und die Rettungsmedizin ausgestaltet werden müssen. Doch was gibt es aktuell für Vorkehrungen zur Sicherheit in diesem Bereich? Im Notfall sieht die derzeit festgeschriebene Meldekette vor, dass die Betreuung von Seenotfällen der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffsbrüchiger, DGzRS, obliegt. Je nach Sachlage erfolgt von dort aus die weitere Koordination an staatliche Stellen oder an das Havariekommando. Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung hat dieses Havariekommando gemeinsam mit den Ländern in Cuxhaven eingerichtet. Während früher Schadensfälle vom örtlich zuständigen WSA erledigt werden mussten, fällt die Bewältigung komplexer Aufgaben seit dem 1. Januar 2003 – seit der Havarie des Holzfrachters „Pallas“ – in die Zuständigkeit des Havariekom mandos. Diese Stelle ermöglicht das gemeinsame Vorgehen auf See von Bund und Küstenländern. Derzeit arbeitet das Havariekommando außerdem an einem zusätzlichen Strategiekonzept zur Verletztenversorgung und -rettung bei Offshoreunfällen. Wie Sie sehen, läuft hier also im Falle des Falles alles nach Plan. Sicherlich wird es zukünftig noch vereinzelte Punkte im Sicherheitsbereich geben, derer man sich annehmen werden muss. Da die Offshorebranche in Deutschland zu den jüngeren Wirtschaftszweigen zählt, werden noch viele dynamische Entwicklungen folgen. Und dies meine ich angefangen von der Ausbildung der Fachkräfte, der Sicherheit auf See bis hin zur Zusammenarbeit von Bund und Bundesländern. Fachkräfte im Offshorebereich werden immer gefragter. Hier bietet sich sehr viel Potenzial für den Arbeitsmarkt im Norden der Bundesrepublik. Die Gewinnung von Arbeitskräften sowie die Stärkung der Ausund Weiterbildungsmaßnahmen haben wir deshalb schon im Nationalen Masterplan Maritime Technologien anberaumt. Insbesondere die Stiftung der Offshorewindenergie und die dort eingerichtete Fachgruppe „Ausund Weiterbildung“ sowie der ständige Arbeitskreis „Vernetzung der maritimen Wirtschaft mit der Offshore-Windenergie“ sind mit diesen Themengebieten intensiv befasst. Da die Offshoretechnik zu den neuen Technologiebereichen zählt, gibt es derzeit aber noch keine einheitlichen Ausund Fortbildungen. Hier liegt es allerdings auch an den Unternehmen für ihre Fachkräfte und deren Ausund Weiterbildung zu sorgen. Auf diesem Gebiet planen bereits etliche Ausbilder und Institutionen, wie die Universität Rostock, spezielle Bildungsprogramme. Und diese Entwicklung begrüßen wir, denn mit dem verstärkten und durch uns geförderten Zubau an Offshoreenergie wird die Nachfrage in den nächsten Jahren ansteigen. Sie sehen, dass wir nicht tatenlos zusehen, sondern schon vieles auf den Weg gebracht haben. Die Offshorebranche verfügt über dynamische Potenziale. Es ist auch an uns, zukünftig konkrete Bedarfe und Defizite zu definieren und diese Entwicklung konstruktiv zu begleiten. Aber, meine liebe Kollegen und Kolleginnen der SPD-Bundestagfraktion, dazu benötigen wir Ihren Antrag nicht. Er ist überflüssig und das Thema längst auf unserer Agenda! Den vorliegenden Antrag lehne ich daher ab. Die deutsche Sozialdemokratie kümmert sich mit Hingabe um die Offshorewindenergie. Das ist auch verständlich: Die Offshorewindenergie ist nämlich ein so neuer Wirtschaftszweig, dass er bisher noch nicht von sozialdemokratischer Regulierungswut erstickt werden konnte. Das will die SPD jetzt ändern. Aber nicht mit uns! Als ich diesen Antrag zum ersten Mal las, musste ich immer an Ilse Aigner und ihren Kampf für gute Lebensmittel denken. So wie zwielichtige Gestalten verdorbene Lebensmittel in attraktiven Verpackungen anbieten, so servieren die Sozialdemokraten in diesem Antrag angefaulte Politikreste unter einer zugegebenermaßen Zu Protokoll gegebene Reden Hans-Werner Kammer chicen Überschrift als Delikatesse. Doch das ändert natürlich nichts: ungenießbar bleibt ungenießbar. Es ist schon erstaunlich, dass der Glaube an staatliche Intervention, die seligmachend sein soll, noch immer so verbreitet ist. Die Kollegen von der SPD glauben zu sehen, dass ein angeblich bereits heute erkennbarer Engpass an Fachkräften die Wachstumsdynamik dieser Branche zu bremsen droht. Einerseits vermag ich dies nicht zu glauben, andererseits frage ich mich, was der Staat dagegen tun sollte. Sollen wir die Unternehmen dazu zwingen, nach Maßgabe sozialdemokratischer Vorstellungen Leute auszubilden? Was sollen die armen Unternehmen mit den ganzen Mitarbeitern machen, die sie nach Ansicht von praxisfernen Sozialpädagogen in der SPD brauchen? Sollen die den ganzen Tag aus alten Zeitungen Papierschiffchen bauen? Es ist klar, dass ein Unternehmen nur dann wachsen und gedeihen kann, wenn es qualifizierte und motivierte Mitarbeiter hat. Gute Unternehmer wissen das. Schlechte Unternehmer sollten sowieso vom Markt verschwinden. Warum soll sich da der Staat einmischen? Sollen wir Unternehmen, die nicht dazu in der Lage sind, Personal zu gewinnen, qualifizierte Leute zuteilen? Nein, meine Damen und Herren, das muss und wird der Markt schon regeln. Unternehmen, die eine Zukunft haben wollen, bilden aus, Unternehmen, die keine Zukunft haben wollen, bilden nicht aus. Das ist so ähnlich wie mit den Dinosauriern – wer sich nicht weiterentwickelt, muss dem Neuen weichen. Als nächste Zutat taucht der unvermeidliche Leiharbeiter auf. Da unsere sozialdemokratischen Kollegen keine Zahlen für die Offshorewindenergie haben, ziehen Sie Ergebnisse irgendeiner fünf Jahre alten Studie für den gesamten Bereich der erneuerbaren Energien heran. Vor fünf Jahren, meine Damen und Herren, befand sich die Offshorewindenergie noch in einem embryonalen Stadium. Doch das interessiert keinen aufrechten Sozialdemokraten, wenn es um den Kampf gegen die böse Zeitarbeit geht. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, warum haben Sie eigentlich die Zeitarbeit eingeführt, wenn diese Form der Flexibilisierung des Arbeitsmarktes angeblich die Mutter alles Bösen sein soll? Da heute Abend auch Parteifreunde und geschätzte Koalitionspartner, die ich nicht mit schon lange und immer wieder gescheiterten sozialdemokratischen Rezepten langweilen möchte, anwesend sind, lassen Sie mich bitte noch einige Gedanken zu dem eigentlichen Thema ausführen. Im Bereich Sicherheit ist es Aufgabe der öffentlichen Hand, Suchund Rettungsdienste, SAR, bereitzustellen, Notfallpläne und Bereitschaftsdienste zum Schutz vor Umweltverschmutzung vorzuhalten sowie die Einhaltung der Gesundheitsund Sicherheitsbestimmungen am Arbeitsplatz zu kontrollieren. Wer sich schon einmal ernster mit den Aufgaben des Havariekommandos, das im Gebäude des Wasserund Schifffahrtamtes in Cuxhaven untergebracht ist, auseinandergesetzt hat, muss zu dem Schluss kommen, dass es bei Unfällen im Bereich der Nordund Ostsee ein koordiniertes und gemeinsames Unfallmanagement gewährleistet. Das gilt selbstverständlich auch für Offshorewindener gieanlagen. Das kann und soll aber nicht alles sein. Die Bundesregierung hat hier schon lange einen Optimierungsbedarf identifiziert und arbeitet daran, dass die Unternehmen der Offshorewindenergiebranche ergänzend zur staatlichen Daseinsvorsorge ausreichende Schutzund Sicherheitskonzepte sowie Notfallpläne entwickeln und fortschreiben. Sicherheit ist nämlich nicht allein Sache des Bundes. Schon auf der Offshorekonferenz „Partner der Energiewende – Maritime Wirtschaft und Offshore-Windenergie“ hat Verkehrsstaatssekretär Enak Ferlemann konkrete Ziele formuliert. Er sah unter anderem verschiedene Möglichkeiten zur Optimierung: intensive Schulung und Fortentwicklung der Notfallpläne der Betreiber, Standardisierung und Zertifizierung der Ausund Weiterbildung der Beschäftigten, Aufbau eines Ausbildungszentrums an der Küste. Sie sehen, diese Koalition handelt schon, bevor die Opposition einen Antrag geschrieben hat! Sie müssen uns nicht zum Jagen tragen. Schauen Sie genau hin, Kolleginnen und Kollegen von der SPD – so sieht nämlich gute Regierungsführung aus. Offshore ist mehr als Onshore auf dem Wasser. Denn ob kirchturmhohe Anlagen im stürmischen Meer, kilometerlange Unterwasserkabel oder ein „wetterfestes“ Umspannwerk – Wind, Wetter und Gezeiten machen jede Offshoreaktivität zur echten Herausforderung für Mensch und Maschine. Die Arbeit auf hoher See und in großen Höhen ist nicht ungefährlich, und sie erfordert gut trainierte Spezialisten. Rund 600 bis 1 000 Menschen werden nach bisherigen Schätzungen künftig direkt auf den Offshorewindanlagen tätig sein, in Spitzenzeiten sogar vierbis fünfmal so viele. Mit der Größe der Bauvorhaben auf See und zunehmenden Beschäftigtenzahlen steigt auch das Unfallrisiko. Der Offshorebereich erfordert eine komplett neue Herangehensweise an die Windenergie: technologisch, logistisch und vor allem mit Blick auf Arbeitsschutz und Sicherheit für die Beschäftigten. Doch weil die Offshorewindkraft eine sehr junge Branche ist, fehlen bisher Standards für Ausund Fortbildung sowie umfassende Qualifizierungsangebote. Derzeit obliegt die Verantwortung für Schutzund Sicherheitskonzepte ausschließlich den Betreibern der Offshorewindenergieanlagen. Angesichts der dynamischen Entwicklung des Offshorebereiches besteht hier ein dringender Handlungsbedarf. Die Bundesregierung muss dafür Sorge tragen, dass ein klarer Rahmen für die Offshoreaktivitäten geschaffen wird. Notwendig ist eine Ausbildung, die technisch auf dem neuesten Stand ist und die Arbeitsrealität auf den Windparkanlagen möglichst genau abbildet. Ein hohes Qualifikationsniveau der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kann dazu beitragen, die Gefahren bei den Arbeiten auf See deutlich zu senken. Dabei sind auch die besonderen Bedingungen der Zeitarbeitskräfte in den Blick zu nehmen. Zu Protokoll gegebene Reden Uwe Beckmeyer Wichtig sind aber auch klare Handlungsempfehlungen für die Offshorewindenergieunternehmen, um einheitliche Standards sicherzustellen. Dies betrifft Arbeitsschutz und Notfallvorsorge, aber auch Meldeketten und Rettungsverfahren der im Bereich der Offshoresicherheit beteiligten Institutionen. Hier ist eine enge Abstimmung etwa mit dem Havariekommando, der gemeinsamen Einrichtung von Bund und Küstenländern, aber auch mit der DGzRS, der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger, erforderlich. Die Bundesregierung ist daher aufgefordert, ein umfassendes Konzept vorzulegen, mit dem das vorhandene Instrumentarium der Rettung auf See für Einsätze in Offshorewindparks gezielt erweitert wird. Bei den meisten Offshoreunfällen dürfte es sich nicht um Seenotfälle im klassischen Sinne handeln. Notwendig ist daher ein allgemeiner Rettungsdienst, der über eine entsprechende technische Ausrüstung verfügt und speziell geschult ist – etwa mit Hubschraubern für den Einsatz auf See, mit denen Verletzte geborgen werden können. Zu berücksichtigen ist aber auch der Fall, dass Schiffe havarieren und in Windparkanlagen zu geraten drohen. Bisher ist nicht eindeutig geregelt, welche Sicherheitsbehörde im Notfall für die Bergung von Unfallopfern zuständig ist. Es ist zu klären, ob dem Havariekommando die Gesamtkoordination für die Offshorerettung übertragen werden sollte. Insbesondere die geplante neue Rettungsleitstelle ist in das bestehende „Sicherheitskonzept Deutsche Küste“ einzupassen. Was wir brauchen, ist ein verantwortungsvoller Umgang mit dem jungen Segment Offshore – damit die Zukunftsbranche auch dort die richtige Richtung weist, wo es um die wichtigen Themen Arbeitsschutz und Sicherheit geht. Der Antrag der SPD spricht zwei für die Offshore branche wichtige Themen an: Ausbildung und Sicherheit. Offshoreanlagen werden in Zukunft einen Großteil unserer Energie bereitstellen. Damit die Energiewende gelingt, müssen nicht nur das Stromnetz und die Häfen ausgebaut werden. Wir brauchen auch gut ausgebildetes Fachpersonal. In punkto Ausund Weiterbildung gibt es noch viel zu tun. Ganz so schwarz wie die SPD die Situation darstellt, ist sie aber nicht. Die Windenergieagentur WAB und das Zentrum für Windenergieforschung ForWind, an dem auch die Universität Bremen beteiligt ist, bieten ein weiterbildendes Studium „Offshore-Windenergie“ an, an der Universität Rostock wurde eine Stiftungsprofessur Windenergie eingerichtet, und in Bremerhaven gibt es das Offshoretrainingszentrum für Monteure – um nur ein paar Beispiele zu nennen. Es tut sich also etwas. Die norddeutschen Küstenländer haben erkannt, dass ihre Zukunft auf dem Meer und im Offshorebereich liegt. Aber es kann und muss noch mehr getan werden. Ein unkoordinierter Flickenteppich an Einzelmaßnahmen nützt uns wenig. Die Sozialdemokraten fordern daher eine Bestandsaufnahme der Istsituation. Diese ist be reits in Arbeit. Die Stiftung Offshore-Windenergie wird bis Ende des Jahres 2012 den Qualifikationsbedarf und die Ausbildungsangebote im Bereich Offshore für Norddeutschland analysieren. Darauf aufbauend können und müssen umfassende Ausund Weiterbildungskonzepte erarbeitet werden. Beim Thema Schutzund Sicherheitskonzepte ist die Rechtslage eindeutig. Der Gesetzgeber hat festgelegt, dass das deutsche Arbeitsschutzgesetz auch in der Ausschließlichen Wirtschaftszone, AWZ, Anwendung findet. Die Betreiber von Offshorewindanlagen sind verpflichtet, Sicherheitskonzepte für ihre Anlagen zu erstellen und Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Dazu gehört auch die Unfallnachsorge. Es steht ihnen frei, diese Aufgaben selbst zu übernehmen oder sie an Dienstleister zu übertragen. Die Bundesregierung steht ihrerseits in der Pflicht, einen Rahmen für ein Schutzund Sicherheitskonzept der Offshorewindparkbetreiber zu schaffen. Das hat der Bundestag im letzten Jahr mit dem Koalitionsantrag zur Zukunftsfähigkeit der maritimen Wirtschaft beschlossen. Das Bundesverkehrsministerium wird diese Forderung erfüllen. Nachdem uns die SPD kurzfristig einen Antrag zu Problemen der Offshorewindenergie bei der Hafeninfrastruktur vorlegte, hat sie gestern einen zweiten eingereicht, weil sie entscheidende Punkte vergessen hat. Aber Sie liefern keine eigenen Ideen, sondern rezitieren bekannte Herausforderungen und Fragen, von denen Sie selber sagen, dass diese hinlänglich bekannt seien und auch bereits bearbeitet würden. Selbstverständlich muss zum Beispiel die Zuständigkeit zwischen Bund und Ländern für das Rettungswesen in Offshorewindparks geklärt werden. Ja, auch wir sehen dies als Teil der staatlichen Daseinsvorsorge an. Dennoch müssen die Konzernmultis an den Kosten für die schwierige Versorgung mitten in der Nordund Ostsee beteiligt werden. Auf Schiffen unter deutscher Flagge – so es denn noch welche gibt – stellt die öffentliche Hand ja auch keine Schiffsärzte und Sicherheitskräfte, obwohl es sich um deutsches Hoheitsgebiet handelt. Wir legen Wert darauf, dass die Energiekonzerne diese Kosten nicht der Allgemeinheit überlassen. Warum jetzt ausgerechnet die SPD eine Lockerung der Offshorearbeitszeitregelungen fordert, um der „dynamischen“ Branchenentwicklung Rechnung zu tragen, leuchtet mir allerdings nicht ein. In Ihrem Antrag finden sich viele kleinteilige Forderungen, die Selbstverständlichkeiten des Betriebsablaufs und zur Ausbildung und regelmäßigen Schulung der dort Beschäftigten beinhalten. Dass Sie zum Beispiel einen umfassenden Branchenaustausch fordern, ist ja nett, doch ich bin mir sicher, dass es den auch ohne Forderungen des Deutschen Bundestages geben wird. Es ist vernünftig, konkrete Konzepte für Ausbildung, Arbeitsschutz, Unfallund Notfallkonzepte einzufordern, insbesondere zum Schutz der Beschäftigten, wenn noch niemand daran gedacht hätte. Aber es gibt doch Zu Protokoll gegebene Reden Herbert Behrens schon die guten Empfehlungen aus der 7. Nationalen Maritimen Konferenz 2010 zu dem Thema. Es gibt weitere vom Deutschen Verkehrsgerichtstag und ein „Strategiekonzept zur Verletztenversorgung und -rettung auf Offshore Windkraftanlagen“ vom Havariekommando. Sie kennen sicher die Tätigkeit des Arbeitskreises „Vernetzung der Maritimen Wirtschaft mit der OffshoreWindenergiebranche“ und „Ausund Weiterbildung“ der Stiftung „Offshore-Windenergie“ sowie den Arbeitskreis der Gesellschaft für Maritime Technik, die Arbeit des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie und der Gesellschaft zur Rettung Schiffsbrüchiger. Wozu also Ihr Antrag? Er würde mehr Sinn ergeben, wenn Sie in Ihrem Antrag neben den Sicherheitsfragen auch die Grenzen der Offshorewindparks aufgreifen würden. Sie machen den gleichen Fehler wie die Bundesregierung, die sich allein auf die heilsbringende Wirkung der Offshoreanlagen konzentriert. Wir haben bereits in der letzten Sitzungswoche darüber gesprochen, dass es sich bei dem Offshoreboom im Wesentlichen um einen Planungsboom handelt. Von 6 500 beantragten und über 2 000 genehmigten Anlagen befinden sich gerade einmal 160 Anlagen im Bau. 2004 hieß es noch in einer Studie von drei der vier großen Netzbetreiber in Deutschland, dass 2010 insgesamt 5,4 Gigawatt Offshoreenergie produziert werden würde, tatsächlich haben wir dort heute 0,2 Gigawatt installierte Leistung. Offshorewindparks leisten einen wichtigen Beitrag zur Energiewende. Aber an Land wird heute bereits die 135-fache Menge Windenergie erzeugt – 27 Gigawatt. Sie lässt sich leichter ans Stromnetz anbinden, und die Probleme des schwierigen Notfallmanagements entfallen hier ebenfalls. Wir setzen zur Umsetzung der Energiewende nicht auf die Energiekonzerne, die lediglich von der Atomkraft auf Windkraft umstellen und bei Großprojekten bleiben. Wir wollen einen Mix aller regenerativen Energieformen und dezentrale Strukturen. Die Kommunen müssen bei der Rekommunalisierung ihrer Stadtwerke unterstützt und Genossenschaftsmodelle geschaffen werden. Milliardeninvestitionen zum Ausbau großer Übertragungsnetze quer durch die Republik lassen sich reduzieren, wenn mehr Strom dort erzeugt wird, wo er auch verbraucht wird. Auch im Süden der Republik entstehen neue und mehr Windparks, Biogasoder Photovoltaikanlagen. Mittelfristig ist der geplante gigantische Ausbau der Übertragungsnetze also überdimensioniert und allenfalls in der Offshoreplanung begründet. Ja, wir brauchen ein Konzept, mit dem das vorhandene Instrumentarium zur Rettung auf See für Einsätze in Offshorewindparks erweitert wird. Aber viel dringender brauchen wir eine sichere und umweltfreundliche Energieerzeugung, die nicht ausschließlich auf Großtechnologie setzt. Nur so gelingt uns die Energiewende. Welchen großen Stellenwert die Offshorewindenergie weltweit haben wird, habe ich schon letzte Sitzungswoche betont, als wir den Ausbau der Infrastruktur für die Offshorewindenergie debattiert haben. Besonders die Bewohner von Küsten und an Küsten gelegene Megacitys können durch die Offshorewindenergie und andere Meerestechnologien mit sauberem Strom versorgt werden. Es ist nicht nur der Strom, der diesen Menschen zugutekommt. Das große Potenzial der Energiegewinnung im Meer und durch das Meer ermöglicht einen rascheren Ausstieg aus der atomaren und fossilen Energiegewinnung. So können genau diese Bewohner der Küsten auch vor dem Klimawandel und den daraus resultierenden katastrophalen Folgen des Anstiegs des Meeresspiegels geschützt werden. In Deutschland sollen nach den Plänen der Bundesregierung bis zum Jahr 2020 Offshorewindenergieanlagen mit 10 Gigawatt Leistung installiert sein. Wir sind schon heute im Verzug mit dem Ausbau. Damit der Ausbau zügig vorangehen kann, muss aber nicht nur endlich die schnelle Netzanbindung gewährleistet und die Hafeninfrastruktur ausgebaut werden. Auch weitere Faktoren sind für den reibungslosen Ablauf des Ausbaus der Offshorewindenergie unabdingbar. Der Bau von Windenergieanlagen auf See ist eine technisch anspruchsvolle Aufgabe. Natürlich kann es dabei zu gefährlichen Situationen und Unfällen kommen. In solchen Fällen müssen klare Strukturen und Konzepte greifen. Rettungskräfte müssen personell gut ausgestattet und auf ihre Aufgaben vorbereitet sein. Natürlich muss auch das passende Rettungsgerät zur Verfügung stehen. Aber es geht nicht nur um Rettungsmaßnahmen nach Unfällen. Es muss vor allem auch um vorsorgende Unfallund Arbeitsschutzmaßnahmen gehen. Schließlich ist die Offshorewindenergie eine noch junge Technologie, weshalb Erfahrungen noch gesammelt werden müssen. Diese sollten dann möglichst zeitnah in die Konzepte eingearbeitet werden. Der Antrag der SPD-Fraktion enthält viele wichtige Vorschläge zur Sicherheit für Offshorewindparks. Worauf die SPD in ihrem Antrag jedoch nicht eingegangen ist, sind Schutzkonzepte für das Meer und seine Bewohner. Der Ausbau der Offshorewindenergie muss natürlich auch den Schutz von Meereslebewesen berücksichtigen und darf nicht einseitig zulasten der Fauna gehen. Insbesondere die Lärmvermeidung zum Schutz von zum Beispiel Delphinen und Schweinswalen muss hier eine Rolle spielen, aber auch die Vermeidung von Leckagen, um etwa Chemikalienoder Ölverschmutzungen des Meeres zu vermeiden. Der zügige Ausbau der Offshorewindenergie ist ein wichtiger Pfeiler der Energiewende in Deutschland, hinter dem wir Grünen stehen. Auch international können die Technologien zur Energiegewinnung im Meer einen sehr wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Dabei dürfen Sicherheitsaspekte und der Meeresschutz nicht zurückstehen. Nur wenn wir in Zukunft gute Schutzund Sicherheitskonzepte sowie einen Interessenausgleich zwischen Energiegewinnung und Naturschutz, ein gutes Risikomanagement und ein gutes Küstenzonenmanagement haben, wird sich der Ausbau der Offshorewindenergie nicht noch weiter verzögern. So können wir nicht nur technologischer Vorreiter, sondern auch ein Zu Protokoll gegebene Reden Hans-Josef Fell weltweites Vorbild bei den Sicherheitsstandards für die Offshorewindenergie werden. Es wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 17/9928 an die Ausschüsse vorgeschlagen, die in der Tagesordnung stehen. – Sie sind einverstanden. Das ist so beschlossen. Ich rufe Tagesordnungspunkt 43 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten HansJoachim Hacker, Sören Bartol, Uwe Beckmeyer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Neuausrichtung der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben – Drucksache 17/9930 – Überweisungsvorschlag: Haushaltsausschuss Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Finanzausschuss Verteidigungsausschuss Federführung strittig Die Reden wurden ebenfalls zu Protokoll genommen. Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben hat die ihr gesetzlich zugewiesene Aufgabe, Immobilien des Bundes wirtschaftlich zu verwalten und für die Bundeszwecke entbehrliche Liegenschaften nach dem geltenden Haushaltsrecht zum vollen Verkehrswert zu veräußern. Die Verkaufserlöse fließen nach Abzug der Verwaltungskosten in den Bundeshaushalt – die Einnahmen kommen also allen Bürgerinnen und Bürgern im gesamten Bundesgebiet zugute. Bei einem Grundstücksverkauf geht die Bundesanstalt aber nicht mit der Holzhammermethode vor, sondern wendet vielmehr die Salamitaktik an, Stück für Stück zum Erfolg – ein Gewinn für beide Seiten: den Bürger und den Staat. Liegen zum Beispiel vergleichbare Kaufangebote für ein zu veräußerndes Grundstück vor, so berücksichtigt die Bundesanstalt im Rahmen der Käuferauswahl die strukturpolitischen Ziele der Länder und Kommunen – ohne dass es hierzu einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung bedarf. Mit Ihrem Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, wollen sie also gesetzlich etwas regeln, was von der Bundesanstalt bereits praktisch so gehandhabt wird. Wie Sie sehen, gibt es hierfür keine Notwendigkeit. Oder versteckt die Bundes-SPD in ihrem Antrag ein anderes Ziel? Ja, das tut sie! Mit ihrer Forderung, eine gesetzliche Öffnungsklausel zur Berücksichtigung städtebaulicher und regionalpolitischer Belange der Länder und Kommunen einzuführen, verfolgt die SPD vielmehr und primär das Ziel, die verbilligte Abgabe von Grundstücken des Bundes wieder einzuführen. Die BundesSPD verschleiert dies noch in ihrem Antrag, während die SPD im Bundesland Nordrhein-Westfalen mit ihrem Gesetzentwurf zur Änderung des Gesetzes über die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben „das Kind beim Namen nennt“. In der Gesetzesbegründung zur Einführung einer Öffnungsklausel wird aufgeführt, dass die Bundesanstalt eine den kommunalen und regionalen Zielvorstellungen entsprechende Nachnutzung auch dann ermöglichen muss, wenn der volle Wert nicht realisiert werden kann, das heißt also: „Gebt uns das Grundstück verbilligt.“ Die Verschleierungsspielchen der Bundes-SPD sind mit uns nicht zu machen. Eine Partei, die sich für Transparenz einsetzt, sollte dies nicht nur fordern, sondern auch und vor allem selbst umsetzen. Dann legt die Bundes-SPD in ihrem Antrag noch einen Zacken drauf. Ihr eigentliches Ziel ist nicht nur, wie die SPD im Land NRW fordert, die verbilligte Abgabe von ehemals militärischen Liegenschaften, sondern die verbilligte Abgabe von allen nicht mehr benötigten Bundesliegenschaften. Wenn wir dies zuließen, wäre das Nächste, was wir von der SPD zu hören bekämen: Die christlich-liberale Koalition verschleudert Haushaltsmittel, veräußert Grundstücke zu Dumpingpreisen und schadet somit allen Bürgerinnen und Bürgern in der gesamten Bundesrepublik. Es geht nicht, auf der einen Seite der Regierung vorzuwerfen, man mache zu viele Schulden und spare zu wenig, und auf der anderen Seite zu fordern, das Tafelsilber als Plastikbesteck in die Regale zu legen. So etwas ist mit uns nicht zu machen – wir haben unseren Haushalt im Blick, und wir haben Verantwortung gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern in der gesamten Bundesrepublik. Man sollte sich auch hier die Frage stellen: Würden die Kommunen ihre nicht mehr benötigten Grundstück auch verbilligt abgeben? Wohl kaum! Die federführende Arbeitsgruppe Haushalt der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion lehnt gemeinsam mit der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben und dem Bundesministerium der Finanzen eine – vor 2005 praktizierte – Wiedereinführung einer verbilligten Abgabe von Grundstücken ab. Abgesehen von Präjudizwirkungen und Abgrenzungsschwierigkeiten käme es als Folge einer Öffnung des Bundesimmobilienanstaltsgesetzes unter Annahme einer derzeit geschätzten Flächengröße von circa 80 000 Hektar Konversionsflächen zu erheblichen Einnahmeverlusten für den Bund. Zählt man die Flächen noch dazu, die nicht als Konversionsflächen verbilligt veräußert werden sollen, so wären die Einnahmeausfälle noch viel größer. Somit würde Geld im Haushalt des Bundes fehlen, welches an anderer Stelle, zum Beispiel für Ausgaben im Sozialbereich – Rente, Arbeitslosengeld – dringend gebraucht würde. Verschleuderung von Grundstücken zu billigen Preisen wäre dann keine Wohltat, sondern eine Schandtat. Darüber hinaus würde „armen“ Kommunen eine Verbilligung nicht helfen, da sich auch einen verbilligten Ankauf lediglich finanziell gesunde Kommunen leisten könnten. Zudem hat die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben die Erfahrungen gemacht, dass in der Regel Norbert Brackmann nicht die Kommunen als Körperschaft selbst ein Erwerbsinteresse haben, sondern deren Primärinteresse auf die Anwerbung von Investoren gerichtet ist. Die Verwertungsund Investitionschancen setzen voraus, dass die Kommunen als Planungsträger attraktives Planungsrecht schaffen. Hierfür ist jedoch ein Eigentumserwerb durch die Kommunen nicht erforderlich, es sei denn die Kommune hat neben der Förderung der städtebaulichen Entwicklung mit Blick auf den Grundstückserwerb auch ein eigenes „Gewinnerzielungsinteresse“, welches durch einen verbilligten Kaufpreis entsprechend erhöht würde. Die Bundesanstalt hat verschiedene Verwertungsmodelle, die sowohl eine Beteiligung an den Entwicklungskosten, den Abschluss von städtebaulichen Verträgen wie auch Erleichterungen der Zahlungsmodalitäten für den Grundstückserwerber vorsehen. Diese stellen eine ergänzende wirksame und effektive Hilfestellung für die Entwicklung in den betroffenen Kommunen dar. Eine verbilligte Abgabe wäre zudem auf ihre Vereinbarkeit mit den Vorgaben des europäischen Beihilferechts zu überprüfen. Nach ersten Einschätzungen wäre zumindest eine Notifizierung erforderlich. Gemeinsames Ziel ist und bleibt es im Konversionsprozess, die strukturpolitischen und städtebaulichen Entwicklungsziele der Kommune einerseits und die wirtschaftlichen Verwertungsinteressen der Bundesanstalt andererseits zu einem für beide Seiten annehmbaren Interessenausgleich zu führen. Das vom Haushaltsauschuss am 21. März 2012 beschlossene Erstzugriffsrecht der Kommunen ist der geeignete Weg, um diese Ziele zu erreichen. Kaufangebote Dritter bleiben in diesem Fall unberücksichtigt. Damit erhalten die Kommunen zusätzlich zu ihrer Planungshoheit ein weiteres wichtiges Instrument, weil sie den kompletten Konversionsprozess von der Planung bis zur Vermarktung in einer Hand gestalten können. Man kann es nicht oft genug betonen: Die Flankierung des durch die Schließung von Bundeswehrstandorten eintretenden Strukturwandels ist vorrangig Aufgabe der Länder. Der Bund wirkt im Rahmen bestehender Förderprogramme daran mit. Das ist ausreichend, das ist sinnvoll und das ist haushalterisch vertretbar. So unterstützen wir Haushälter den Weg der Bundesregierung, in den Eckwerten zum Bundeshaushalt 2013 eine Anhebung der Ausgabemittel für die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ in Höhe von jährlich 33 Millionen Euro vorzusehen, die gerade für Konversionsprojekte eingesetzt werden können. Die Fraktion der Sozialdemokraten will mit ihrem Antrag „Neuausrichtung der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben“ neue Akzente setzen. Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben ist in ihren Zielen klar definiert: Eine unendliche Vielzahl von Liegenschaften, Grundstücken, Gewerbeflächen und Wohneinheiten sollen nicht nach althergebrachter, gut bürgerlicher Art von verschiedensten Behörden verwaltet werden; vielmehr hatte die damalige rot-grüne Bunderegierung eine andere Intention: Sie begründete die neue Bundesanstalt zum 1. Januar 2005 und hat ihr als Hauptaufgabe maßgeblich ins Stammbuch geschrieben, dass die mehr als 28 000 bundeseigenen Immobilien, Grundstücke, Staatsforsten usw. möglichst wirtschaftlich verwaltet werden sollen. Gerade durch die Zusammenführung in eine Bundesanstalt statt Aufsplitterung in Bundesvermögensämter, Bundesforstämter oder Bundesvermögensabteilungen in den Oberforstdirektionen wollte der Bund wirtschaftlich an die Verwaltung seiner Grundstücke herangehen. Dies ist in den vergangenen Jahren durchaus mit großem Einsatz geschehen. Die Mitarbeiter der BImA bis hin zu ihrem jetzigen Präsidenten Dr. Jürgen Gehb haben außerordentlich gute Arbeit geleistet. Sie müssen die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit, insbesondere die des Sparsamkeitsprinzips, einhalten. Gerade in einer Zeit, in der wir an oberster Stelle die Haushaltskonsolidierung als Staatsziel haben, sind diese Oberziele, die Wirtschaftlichkeit genauso wie die Sparsamkeit, auch von der BImA zu verlangen. Der Antrag der Sozialdemokraten läuft diesen Grundprinzipien geradezu diametral entgegen. Der Antrag möchte, dass entgegen Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit andere Belange ins Feld geführt werden. Insbesondere soll die BImA städtebauliche und regionalpolitische Belange stärker als bisher berücksichtigen. Zwar nicht ausgesprochen, aber dennoch als Hintergrund des Antrages ist für jeden erkennbar: Die BImA soll durch verbilligten Verkauf, durch „Unterwertverkauf“, teilweise klamme und teilweise marode Kommunen subventionieren. Dies widerspricht den Grundsätzen, die seinerzeit die rot-grüne Regierung der BImA mit auf den Weg gegeben hat. Unsere Zustimmung wird solch ein Antrag aus diesem Grunde in gar keiner Weise finden können. Gerade im Augenblick, wo viele Bundeswehrliegenschaften frei werden, wo die Bundeswehr aufgrund ihrer Strukturreform mit viel weniger Kasernen, viel weniger Übungsplätzen usw. auskommen wird, hat die BImA die Möglichkeit, das nicht betriebsnotwendige Bundesvermögen verantwortlich zu veräußern und sich wirtschaftlich zu gerieren. Die BImA macht das mit Augenmaß und mit großem Geschick, insbesondere aber – und das müssen wir von ihr verlangen – unter Einhaltung der gesetzlichen Regeln, unter Einhaltung der ihr vorgegebenen Grundlinien. Die BImA hat sich zwar wirtschaftlich und sparsam zu verhalten; sie hat aber nicht die Notwendigkeit, den letzten Cent herauszuschlagen. Die BImA hat durchaus ein kommunalfreundliches Verhalten. Das zeigt sich schon darin, dass wir als Koalitionsfraktionen der CDU/CSU und der FDP einen anderen Weg gegangen sind. Wir haben beschlossen, dass die interessierten Städte und Gemeinden ein Erstzugriffsrecht haben. Dies bedeutet, dass Gebietskörperschaften, aber auch Stiftungen und Anstalten, an denen die Kommunen mehrheit Zu Protokoll gegebene Reden Alois Karl lich beteiligt sind, billige Grundstücke des Bundes zu günstigen Preisen erlangen können. Sie kennen doch unseren Beschluss! Interessierte Gemeinden können zu einem gutachterlich ermittelten Verkehrswert Konversionsflächen ohne Bieterverfahren erwerben. Dies ist ein großer Vorteil. Die Gemeinden müssen nur ihr Interesse bekunden. Der Verkehrswert der interessierenden Grundstücke wird ermittelt, und die Gemeinden können im Erstzugriffsverfahren diese Grundstücke erwerben, ohne dass sie sich auf Konkurrenten einlassen müssten. In diesem Fall gibt es kein sich gegenseitiges Hochschaukeln von sich überbietenden Angeboten. Die interessierte Gemeinde gelangt in ein außerordentlich komfortables „Alleinstellungskriterium“. Die Gemeinden können von vornherein mit gutachterlich festgesetzten Werten kalkulieren und brauchen sich nicht auf ein oft monatelanges Bieterverfahren einzulassen. Dies nenne ich kommunalfreundlich. Solch ein Verfahren ist nicht nur überschaubar und berechenbar, es schützt Gemeinden auch vor Spekulantentum. Der SPD-Antrag dagegen geht in die Irre. Sie möchten Verbilligungen für Gemeinden erreichen, würden aber gerade das Gegenteil erzielen. Gerade finanzstarke Kommunen würden viel stärker profitieren als finanzschwache Gemeinden. Bedenken Sie nur, dass sich der Bereich von Übungsplätzen usw. über verschiedene Gemeinden erstreckt, dass bei Bundeswehrübungsgeländen mehrere Gemeinden Anlieger sind. Nicht diejenige Gemeinde, die das beste Konzept vorzulegen hat, nicht die Gemeinde, die am dringendsten Erweiterungsflächen braucht, nicht die Gemeinde, die Gewerbeund Industrieausweitung am sinnvollsten darstellen kann, wäre nach Ihrem Konzept zum Schluss Eigentümer der jetzt zur Konversion anstehenden Grundstücke, sondern die wirtschaftlich stärkste Gemeinde. Gerade unser System vom Erstzugriff vermeidet das. Unter Einschränkung des Prinzips der Wirtschaftlichkeit wird der betroffenen Gemeinde das von der BImA verwaltete Grundstück zugesprochen. Die Sozialdemokraten verwechseln in ihrem Antrag grundlegende Dinge. Es geht ihnen eigentlich um ein kommunalfreundliches Verfahren; dieses aber wird gerade durch die Mittel der Strukturförderung bei uns befördert. Strukturförderung geschieht durch andere Instrumente. Die Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur, GRW, die Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes bauförderung, die Möglichkeiten der Kreditanstalt für Wiederaufbau usw., aber auch die entsprechenden EUProgramme, das sind bei uns die Möglichkeiten, die die Strukturförderung im Fokus haben. Die Aufgaben der BImA sind anders beschrieben; die BImA kann nicht die Strukturförderung betreiben. Wir verhalten uns auf der einen Seite sparsam und wirtschaftlich; wir haben auf der anderen Seite aber gerade durch das Erstzugriffsrecht das Interesse der Gemeinden sehr wohl im Auge. Gerade aus diesem Grunde ist eine Ergänzung oder Neufassung der Ziele und Regelungen des Gesetzes über die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben nicht notwendig. Aus diesem Grunde lehnen wir den Antrag der SPD ab. Nach wie vor verfügt der Bund als Eigentümer über erhebliche Immobilienwerte. Nicht alle Immobilien des Bundes müssen dauerhaft im Bundesbesitz bleiben. Am Ende muss über den Fortbestand des Bundeseigentums die Frage entscheiden, ob und wie eine effektive Nutzung dieser Liegenschaften im gesamtgesellschaftlichen Sinne erfolgen kann. Die SPD-Bundestagsfraktion greift mit ihrem Antrag „Neuausrichtung der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben“, über den wir heute diskutieren, ein Problem auf, bei dem aus Sicht der Sozialdemokraten dringender Handlungsbedarf besteht – Handlungsbedarf in mehrfacher Hinsicht und in mehreren Bereichen. Zentrales Ziel ist es hierbei, dass die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, BImA, nicht mehr reiner Immobilienmakler des Bundesfinanzministers sein soll, sondern in ihr Aufgabenspektrum städtebauliche und regionalpolitische Belange einfließen müssen und dass dementsprechend der Aufbau und die Organisation der BImA strukturell und personell optimiert wird. Daraus ergibt sich im Übrigen auch die Notwendigkeit einer stärkeren Zusammenarbeit der BImA mit dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung sowie mit weiteren fachlich zuständigen Bundesbehörden. Vor wenigen Wochen haben wir im Deutschen Bundestag über den Stopp beim Verkauf von TLG-Wohnungen diskutiert. Die BImA hat den Auftrag, circa 11 500 Wohnungen zu privatisieren. Bisher hat die schwarz-gelbe Koalition keine Einsicht gezeigt, dass, wie im SPD-Antrag gefordert, diese Wohnungen vorrangig kommunalen Wohnungsgesellschaften und Genossenschaften zum Kauf angeboten werden. Die SPD-Bundestagsfraktion sieht hier ein dringendes Handlungserfordernis, damit der Einfluss der öffentlichen Hand auf den angespannten Wohnungsmarkt in Deutschland erhalten bleibt. Warum verehrte Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, sollte der Erwerb von TLG-Wohnungen durch Genossenschaften nicht gefördert werden? Auf der kürzlich durchgeführten Veranstaltung zum Internationalen Jahr der Genossenschaften ist die gesellschaftspolitische Rolle der Genossenschaften ausdrücklich positiv bewertet worden. Ich zitiere einige Aussagen: „Der Gedanke der Genossenschaft überzeugt zum Beispiel in Singapur genauso wie in Finnland“, „Genossenschaften sind Vorbilder, wie man ökonomische, soziale und ökologische Ziele verbindet“. Noch ein weiteres Zitat: „Ich denke zum Beispiel an den Bereich des Wohnungsbaus. Viele Wohnungsbaugenossenschaften haben ja die Frage ‚Wie sieht der Mieter, der Wohnungsbesitzer der Zukunft aus?‘ im Blick …“ „Ich glaube, hier können wir auch politisch von interessanten Beispielen aus Ihrem Bereich lernen und aus dem Reservoir Ihrer Erfahrungen schöpfen.“ Recht hat die Gastrednerin mit ihren Ausführungen. Den Appell von Frau Bundeskanzlerin Merkel bei Hans-Joachim Hacker der Festveranstaltung der Genossenschaften sollten Sie, meine Damen und Herren in der Koalition, ernst nehmen. Mit dem am 26. Oktober 2011 von der Bundesregierung verkündeten Stationierungskonzept der Bundeswehr werden 31 Standorte komplett geschlossen und 90 Standorte zum Teil drastisch reduziert. Hieraus erwachsen nicht nur für die Soldatinnen und Soldaten, sondern auch für die betroffenen Standortkommunen erhebliche Konsequenzen. Mit dem Antrag „Konversion gestalten – Kommunen stärken“ hat die SPD-Bundestagsfraktion diese Problematik aufgegriffen und konkrete Vorschläge vorgelegt, wie der Bund diesen Prozess mit den Ländern und den betroffenen Kommunen gestalten soll. In beiden Fällen, sowohl bei der Problematik TLGWohnungen als auch im Rahmen der Standortveränderungen der Bundeswehr, ist offensichtlich, dass es einer gestaltenden Hand des Bundes bedarf, damit nicht kurzzeitige Geldnahmen des Bundesfinanzministers das Kriterium sind, sondern eine weitreichende gestaltende Planung die Grundlage für das staatliche Handeln darstellt. Die derzeitige Rechtslage, auf der die BImA als zuständige Bundesbehörde für die Verwertung der vom Bund nicht mehr benötigten Bundesliegenschaften agiert, wird diesen Erfordernissen nicht gerecht. Bei der Verwaltung und Verwertung der Liegenschaften spielt bislang lediglich die Orientierung an kaufmännischen Grundsätzen eine Rolle, nach denen nicht betriebsnotwendiges Vermögen wirtschaftlich zu veräußern ist. Die Aspekte aus kommunalen und regionalen Zielvorstellungen finden hierbei nicht die notwendige Beachtung. Die Bereiche Landschaftsund Naturschutz und regenerative Energiegewinnung bzw. Ausgleichsmaßnahmen stehen nicht im Fokus der Betrachtung und des Handelns der BImA. Diese kritische Bewertung der derzeitigen Rechtslage bezüglich der Aufgabenstellung der BImA bei Vermögensveräußerungen des Bundes wird auch vom Bundesrat geteilt. Ich verweise darauf, dass das Land Nordrhein-Westfalen einen Gesetzentwurf zur Änderung des BImA-Gesetzes vorgelegt hat, dem mittlerweile die Länder Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz beigetreten sind. Dieser Antrag ist am 31. Mai 2012 im Ausschuss für Städtebau, Wohnungswesen und Raumordnung behandelt worden und wurde mit 14 Ja-Stimmen bei 2 Enthaltungen angenommen. Das ist doch eine ganz klare Botschaft an den Deutschen Bundestag, eine Präzisierung des Auftrags der BImA vorzunehmen. Der Gesetzentwurf des Landes Nordrhein-Westfalen beinhaltet eine Ergänzung des § 1 Abs. 1 BImA-Gesetz. Danach soll nach dem Satz 5 ein weiterer Satz eingefügt werden, mit dem klar definiert wird, dass die BImA bei der Verwaltung und Verwertung ehemals militärisch genutzter Liegenschaften sicherzustellen hat, dass die strukturpolitischen Ziele des Bundes, der Länder und der Kommunen im Sinne einer nachhaltigen Regionalentwicklung zu berücksichtigen hat. Der SPD-Antrag, über den wir heute diskutieren, geht über diese Forderung hinaus und beinhaltet auch eine Berücksichtigung städtebaulicher Belange, und zwar nicht nur bei Konversionsmaß nahmen. Wir stimmen hierbei mit der Forderung der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder überein, die auf ihrer Sitzung am 15. Dezember 2011 gefordert haben, dass strukturpolitische Ziele des Bundes, der Länder und der Kommunen ausdrücklich berücksichtigt werden sollen und hierzu eine Öffnungsklausel ins BImA-Gesetz eingefügt werden soll. Da sind wir wieder beim Thema TLG-Wohnungen. Wir sehen – das kommt in Ziffer 2 unseres Antrages zum Ausdruck – darüber hinaus das Erfordernis, dass die Regelung im § 4 des BImA-Gesetzes zum Aufbau und zur Organisation der BImA präzisiert werden muss. Eine stärkere fachliche Gewichtung städtebaulicher und regionalpolitischer Aspekte bei Veräußerungsund Verwaltungsprozessen muss strukturelle und personelle Folgen nach sich ziehen. Nochmals, die BImA muss mehr sein als nur der Immobilienmakler für den Bundesfinanzminister. Die Ergänzung des Handlungsauftrags für die BImA ist offenkundig notwendig. Das zeigen die dargestellten Beispiele, und darüber gibt es einen Konsens mit dem Bundesrat. Die Diskussion über die künftige Verwertung der TLG-Wohnungen und die Herausforderungen beim Konversionsprozess belegen, dass hier der Bund seiner strukturpolitischen Verantwortung gerecht werden muss. Darauf zielt der Antrag der SPD-Bundestagsfraktion ab, für dessen Unterstützung ich um Ihre Zustimmung werbe. Der Antrag fordert, das Gesetz über die Bundesan stalt für Immobilienaufgaben, BImAG, in zwei wesentlichen Punkten zu ändern. Erstens sollen die in § 1 formulierten Ziele um die Aspekte der städtebaulichen und regionalpolitischen Belange ergänzt werden, und zweitens sollen die in § 4 enthaltenen Regelungen betreffend den Aufbau und die Organisation der BImA strukturell und personell optimiert werden. Begründet werden diese Forderungen unter anderem damit, dass es zu „Konflikten zwischen städtebaulich gebotenen und haushaltsrechtlich erforderlichen Überlegungen kommen kann“. Als Lösung wird vorgeschlagen, „dass die Tätigkeit der BImA stärker als bislang an strukturpolitischen Zielen ausgerichtet werden muss“. Dazu ist „eine bessere Verzahnung der unter der Rechtsund Fachaufsicht des Bundesministeriums der Finanzen stehenden BImA mit den städtebaulichen und strukturpolitischen Zielvorstellungen der Länder, der Kommunen und des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung erforderlich“. Die Richtung ist eindeutig: Die geltende Rechtslage, dass die BImA sich unter haushaltsrechtlichen Verpflichtungen an kaufmännischen Grundsätzen orientieren muss, soll einseitig zulasten des Bundes aufgegeben werden. Gleichzeitig sollen die Entscheidungsgremien der BImA durch Beteiligung der Länder und Kommunen erweitert werden. Beide Forderungen haben, würden sie umgesetzt, weitreichende Konsequenzen. Denn sollten zukünftig Länderinteressen oder kommunale Interessen höher als die Verpflichtung zur Wirtschaftlichkeit bewertet werden, dann ist jede Haushaltskonsolidierungspolitik beliebig: andere Interessen – andere Wertigkeit. Zu Protokoll gegebene Reden Heinz-Peter Haustein Und die Erweiterung des Entscheiderkreises um interessengeleitete Betroffene erinnert fatal an die vielen Runden Tische, korporatistische Bündnisse, die es in Deutschland gab und gibt. Wer so etwas fordert, fördert ein parternalistisches Demokratieverständnis: Wir setzen uns alle zusammen, und dann verkünde ich, was die Mehrheit für gut befunden hat. Orientierung an übergeordneten Grundsätzen, Haushaltsrecht wird dann ebenso zur Farce wie persönliche Verantwortungsübernahme. Wir Liberale lehnen diese sozialdemokratische Betroffenheitspolitik entschieden ab. Interessant ist, dass die Gesetzesnovellierung 2009 vorsah, den Konversionsprozess ohne ein gesondertes Konversionsprogramm des Bundes weiter durchzuführen. Ziel war und ist weiterhin die effiziente Verwaltung der Liegenschaften nach kaufmännischen Grundsätzen und nicht, betriebsnotwendiges Vermögen wirtschaftlich zu veräußern. Und das ist nach wie vor der richtige Weg. Städtebauliche und regionalpolitische Belange sind im wahrsten Sinne des Wortes zuerst regionalpolitische Aufgaben. Dazu benötigen die Kommunen nicht weniger, sondern eher mehr Autonomie und stehen in der Verantwortung, als Planungsträger ein attraktives, wettbewerbsfähiges Planungsrecht zu schaffen. Auf dieser Grundlage können die Kommunen dann entscheiden, ob sie überhaupt Eigentumserwerb an die durch die Konversion freiwerdenden Gebäuden und Flächen favorisieren oder Private zum Zuge kommen lassen wollen. In jedem Fall legen die Kommunen aber fest, was mit den durch die Konversion freiwerdenden Gebäuden und Flächen geschehen soll: zusätzliche Gewerbestandorte ausweisen, neue Wohngebiete erschließen oder Grünflächen anlegen. Das alles sind kommunalpolitische und keine bundespolitischen Aufgaben. Die FDP fördert den Gedanken des kommunalen Wettbewerbs, um durch Entwicklung regionaler Besonderheiten den Menschen in den unterschiedlichsten Regionen immer wieder neue Perspektiven zu eröffnen. Städtebauliche oder regionalpolitische Belange auf Bundesebene mit entscheiden zu wollen, widerspricht zudem dem Subsidiaritätsprinzip, dem sich selbst die EU verpflichtet hat: Nur dann, wenn eine Entscheidungsebene nicht in der Lage ist, Entscheidungen zu treffen, kann die nächsthöhere Ebene Entscheidungshilfen anbieten. Das Primat der Entscheidungsfindung bleibt auf der lokalen Ebene. Der Bund hat nicht das Recht, die städtebauliche oder regionale Entwicklung zu bestimmen. Das war und bleibt originäres Planungsrecht der Kommunen. Die BImA durch eine strukturelle und personelle Veränderung optimieren zu wollen, um städtebauliche und regionalpolitische Aspekte stärker zu gewichten, heißt zum einen, mit der geleisteten Arbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht zufrieden zu sein, und zum anderen, ihnen nicht zuzutrauen, weitere Aspekte zusätzlich berücksichtigen zu können. Übersetzt bedeutet das, zusätzliche Stellen in der BImA – im öffentlichen Dienst – schaffen zu wollen. Die schwarz-gelbe Koalition stellt sich hinter die Leistung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der BImA und lehnt strukturelle wie personelle Veränderungen im Sinne der Antragsteller klar ab. Die Ablehnung der Umsetzungsforderungen dieser Vorschläge heißt aber nicht, dass die schwarz-gelbe Koalition jegliche Mitverantwortung bei der Konversion zur städtebaulichen und regionalen Entwicklung ablehnt. Im Gegenteil: Bereits im Februar 2012 hatte auf Vorschlag der schwarz-gelben Koalition die BImA für ein kooperatives Zusammenwirken aller Beteiligten zu einer Konversionskonferenz eingeladen. Diese neue Form einer kooperativen Zusammenarbeit aller Beteiligten gilt es zu intensivieren und fortzusetzen. Am 21. März 2012 hat der Haushaltsausschuss mit Mehrheit der schwarz-gelben Koalition beschlossen, dass bei Veräußerungen von Konversionsliegenschaften an Gebietskörperschaft bzw. juristischen Personen des Privatrechts, die im Mehrheitsbesitz einer Gebietskörperschaft sind, eine Veräußerung einer Liegenschaft mit einem durch ein Sachverständigengutachten ermittelten Verkehrswert ohne Bieterverfahren möglich ist. Den Kommunen wurde dadurch ein Erstzugriffsrecht eingeräumt. Weitergehende Preiszugeständnisse kämen tendenziell finanzstarken Kommunen zugute und würden diese ohne Bedarf subventionieren. Finanzschwache Kommunen hätten einen eklatanten Wettbewerbsnachteil. Ob durch weitere Preisnachlässe überhaupt positive kommunale Effekte erzielt werden könnten, ist anzuzweifeln. Denn die unter Wert durchgeführte Abgabe von Bundesliegenschaften in den 90er-Jahren hat den Bund zwar 2,27 Milliarden Euro gekostet; deren Wirksamkeit konnte nicht nachgewiesen werden. Deshalb und aus Gründen der Haushaltskonsolidierung lehnt die schwarz-gelbe Koalition solche effekthascherischen Forderungen strikt ab. Des Weiteren fördert die schwarz-gelbe Koalition den Strukturwandel durch die Zurverfügungstellung von Mitteln im Rahmen der bestehenden Förderprogramme, wie zum Beispiel der Städteförderung und der Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur, GRW. Daneben kommen zur Flankierung auch Fördermittel des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, EFRE, oder des Europäischen Sozialfonds, EFS, in Betracht. Ziele der Konversion sind nach wie vor, in einem fairen Umgang miteinander den Kommunen neue Chancen für ihre weitere Entwicklung zu bieten und den berechtigten Interessen des Bundes durch einen klaren Gesetzesauftrag für die BImA nachzukommen. Der Antrag entspricht nicht diesen Zielintentionen und wird deshalb von der FDP abgelehnt. Der Abzug der Bundeswehr ist kein Grund für Welt untergangsstimmung. Es ist im Gegenteil begrüßenswert, dass nun ehemals militärisch genutzte Gebäude und Flächen für eine zivile Nutzung zur Verfügung stehen. Am 12. Juni hat die Bundeswehr ihre Realisierungsplanung für den Abzug und leider auch den Ausbau einiger Standorte bekannt geben. Aus 32 Standorten wird die Bundeswehr komplett abziehen und etwa 90 Zu Protokoll gegebene Reden Inge Höger werden deutlich verkleinert. Für die betroffenen Regionen wird dies teils grundlegende Veränderungen in Gang setzen. Da in den letzten 20 Jahren im Osten und Westen des Landes bereits Hunderte von ehemaligen Militärstandorten aufgelöst wurden, existiert zwischenzeitlich ein großer Erfahrungsschatz über Chancen und Risiken der zivilen Konversion. Insgesamt waren jedoch die bisherigen Erfahrungen sowohl in städtischen Ballungsräumen als auch in strukturschwachen ländlichen Gebieten so gut, dass auch die nächste Welle der Konversion mit Optimismus in Angriff genommen werden kann. Mittelfristig und teils sogar bereits kurzfristig entstanden mehr und besser qualifizierte Arbeitsplätze in der Region und die Steuereinnahmen stiegen. Dieser Prozess des zivilen Neuanfangs lief dort besonders gut, wo er unter Beteiligung der Bevölkerung und nicht durch einzelne Investoren durchgeführt wurde. Der positive Effekt der Bundeswehr auf die regionale Ökonomie wird regelmäßig überschätzt, denn die Bundeswehr zahlt im Gegensatz zu Gewerbebetrieben keine Steuern und ist im Gegensatz zu früher kaum noch mit der regionalen Wirtschaft verflochten. Die Verpflegung der Soldatinnen und Soldaten wird größtenteils zentral über das Verpflegungsamt in Oldenburg organisiert, und größere Infrastrukturarbeiten und Reparaturen werden ebenfalls seit einigen Jahren zentral durch die „Territoriale Wehrverwaltung“ organisiert, sodass für das lokale Handwerk kaum positive Impulse gesetzt werden. Für die Linke ist es klar, dass wir die Motivation der Bundeswehr für diese Neuordnung ihrer Liegenschaften ablehnen. Der Bundeswehr geht es allein darum, ihre gesamte Struktur an kriegerischen Auslandseinsätzen auszurichten. Deswegen baut die Bundeswehr jetzt das Personal und die Infrastruktur ab, die für weltweite Kriege und Besatzungen nicht mehr nötig sind. Doch auch wenn wir diese Ziele klar ablehnen, sehen wir doch eine Chance darin, frühere Militärliegenschaften zukünftig zivil zu nutzen und so zu zeigen, dass eine zivile Zukunft definitiv attraktiver ist als Militär. Besonders wichtig wird es sein, dass über die bisher bekannten Orte hinaus, militärische Übungsund Schießplätze in großem Umfang dem Militär entzogen werden. Die Linke setzt sich dafür ein, dass die Gewinne aus dem Verkauf der Liegenschaften zukünftig nicht mehr in den Militärhaushalt fließen. Stattdessen brauchen Kommunen auch aus Bundesmitteln Startkapital, um solide und demokratische Planungsprozesse durchführen zu können und gegebenenfalls dringend benötigte öffentliche Infrastruktur, wie Sportstätten oder Pflegeeinrichtungen, finanzieren oder auch die Renaturierung von Flächen in Angriff nehmen zu können. Die Linke unterstützt deswegen die Forderung des Deutschen Städteund Gemeindebunds nach Einrichtung beziehungsweise Aufstockung von Förderprogrammen für die Kommunen. Der Bund darf sich dabei nicht aus der Verantwortung stehlen. Zudem teilen wir die Auffassung der kommunalen Spitzenverbände, dass es volkswirtschaftlich sinnvoll sein kann, bei dem Verkauf der Bundeswehrliegenschaften nicht auf kurzfristige Gewinnmaximierung zu setzen. Schließlich handelt es sich bei den Bundeswehrstandorten um öffentliches Eigen tum. Die zukünftige Nutzung darf, so sie sich an den Bedürfnissen der Menschen in der Region orientiert, nicht daran scheitern, dass sich die Kommunen den Kauf dieser Flächen nicht leisten können. Wir haben bereits am 26. April 2012 über die Konver sion militärisch genutzter Liegenschaften in Deutschland debattiert. Der Auslöser für die Anträge und Debatte war, dass am 26. Oktober 2011 das Bundesministerium für Verteidigung die Schließung von 31 Standorten der Bundeswehr angekündigt hatte. Aufgrund der vorherigen Stationierungsentscheidung stehen immer noch 13 weitere Standorte zur Schließung an. Hinzu kommen der Abzug und die Verkleinerung von britischen und US-amerikanischen Streitkräften und deren Standorten in Deutschland. Die britischen Streitkräfte sind derzeit noch an circa 17 und die der USA an 23 Standorten in Deutschland vertreten. Nun hat die SPD erneut einen Antrag zu dem Themenkomplex Konversion und Bundesanstalt für Immobilienaufgaben mit dem Titel „Neuausrichtung der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben“ eingebracht. Gefordert werden richtigerweise Änderungen in den §§ 1 und 4 des BImA-Gesetzes. Richtig ist diese Forderung, da die Konversion dieser Liegenschaften die betroffenen Kommunen in den nächsten 10 bis 15 Jahren vor große Zukunftsaufgaben stellt. Erschwerend kommt hinzu, dass die Veräußerung dieser Liegenschaften durch die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben als Eigentümerin ausschließlich zum vollen Wert erfolgt und die Gewinne folglich in Form von Verwaltungseinnahmen in den Bundeshaushalt fließen. Seit 2008 lagen diese Einnahmen bei 600 000 Euro in 2008, 1,3 Milliarden Euro in 2011, und für 2012 wird mit Einnahmen in Höhe von 2,2 Milliarden Euro gerechnet. Obwohl die Zuführung einer neuen Nutzung der Liegenschaften die betroffenen Bundesländer und Kommunen vor sehr unterschiedliche Herausforderungen stellt, hat der Bund bis heute kein zukunftsweisendes Konzept zur Nachnutzung der militärischen Liegenschaften von Bundeswehr und alliierten Streitkräften vorgelegt. Aus mehr und mehr betroffenen Bundesländern wird – parteiübergreifend – die Forderung laut, der BImA mehr Freiräume bei der Preisgestaltung zu geben. Die BImA verfügt über eine große Bandbreite und eine große Anzahl von Bundesliegenschaften. Die Art ihrer Nutzung ist schon wegen ihres Umfangs und der Zugriffsmöglichkeit der öffentlichen Hand von erheblicher Bedeutung für Städtebau und Regionalentwicklung, insbesondere in vom Strukturwandel stark betroffenen Gebieten. Wir haben bereits in unserem Antrag gefordert, dass die öffentliche Hand bezüglich ihrer Liegenschaftspolitik, der Verwertung ihrer Grundstücke und Gebäude eine Vorbildfunktion einnehmen sollte. Besonders die Zielsetzungen des Städtebaus, der Regionalentwicklung, des Umweltund Klimaschutzes sollten hier stärker be Zu Protokoll gegebene Reden Daniela Wagner rücksichtigt werden. Wir waren daher von Anfang der Debatte der Auffassung, dass § 1 des BImA-Gesetzes durch eine Öffnungsklausel ergänzt werden muss. Dies sollte dahin gehend erfolgen, dass eine Berücksichtigung strukturpolitischer, darunter auch städtebaulicher und wohnungspolitischer Ziele des Bundes, der Länder und der Kommunen möglich sein muss. Weiterhin haben wir in unserem Antrag gefordert, das Know-how in den Bereichen energetische Gebäudesanierung, warmmietenneutrale Sanierung, Einsatz ökologischer Baustoffe, Energieeffizienz und erneuerbare Energien innerhalb der Abteilung Facility Management der BImA auszubauen und eine bessere Vernetzung mit den Bundesämtern wie dem Bundesinstitut für Bau-, Stadtund Raumforschung und dem Umweltbundesamt zu prüfen. In ihrem Antrag greift die SPD-Bundestagsfraktion nun unsere Forderungen auf. Dies begrüßen meine Fraktion und ich ausdrücklich, besonders da alle Oppositionsfraktionen unserem Antrag im Ausschuss für Verkehr, Bau, Stadtentwicklung gefolgt sind. Es wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 17/9930 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Die Federführung ist allerdings strittig. CDU/CSU und FDP wünschen Federführung beim Haushaltsausschuss, die Fraktion der SPD beim Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Ich lasse zunächst über den SPD-Vorschlag abstimmen. Wer stimmt für diesen Überweisungsvorschlag: Verkehr, Bau und Stadtentwicklung? – Wer stimmt dagegen? – Die Enthaltungen? – Der Überweisungsvorschlag ist abgelehnt bei Zustimmung durch SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Die übrigen Fraktionen waren dagegen. Ich lasse abstimmen über den Überweisungsvorschlag der CDU/CSU und FDP: Haushaltsausschuss. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Die Enthaltungen? – Der Überweisungsvorschlag ist angenommen bei Zustimmung durch die Koalitionsfraktionen und Linke. SPD und Bündnis 90/Die Grünen waren dagegen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 42 a und b auf: a)





    (A) (C)


    (D)(B)