Rede:
ID1717600100

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 9
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. die: 1
    5. Kollegin: 1
    6. Daniela: 1
    7. Kolbe: 1
    8. von: 1
    9. derSPD-Fraktion.\n: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 17/176 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 176. Sitzung Berlin, Freitag, den 27. April 2012 I n h a l t : Absetzung des Zusatztagesordnungspunktes 7 Tagesordnungspunkt 34: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Hochqualifizierten-Richtlinie der Euro- päischen Union (Drucksachen 17/8682, 17/9436) . . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des In- nenausschusses – zu dem Antrag der Abgeordneten Daniela Kolbe (Leipzig), Rüdiger Veit, Petra Ernstberger, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der SPD: Pro- gramm zur Unterstützung der Si- cherung des Fachkräftebedarfs mit Mitteln des Aufenthaltsrechts – zu dem Antrag der Abgeordneten Memet Kilic, Tabea Rößner, Brigitte Pothmer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Fachkräfteeinwanderung durch ein Punktesystem regeln (Drucksachen 17/9029, 17/3862, 17/9436) Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD) . . . . . . . . . . . Volker Kauder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD) . . . . . . . . . . . Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP) . . . . . . . . Jörn Wunderlich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Memet Kilic (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reinhard Grindel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Memet Kilic (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Swen Schulz (Spandau) (SPD) . . . . . . . . . . . Johannes Vogel (Lüdenscheid) (FDP) . . . . . . Jutta Krellmann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU) . . . . Gabriele Lösekrug-Möller (SPD) . . . . . . . . . Tankred Schipanski (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Dr. Matthias Zimmer (CDU/CSU) . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 35: a) Antrag der Abgeordneten Dr. Karl Lauterbach, Elke Ferner, Bärbel Bas, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Praxisgebühr abschaffen – Haus- ärztinnen und Hausärzte stärken (Drucksache 17/9189) . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Harald Weinberg, Dr. Martina Bunge, Diana Golze, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Zuzahlungen für Patientinnen und Patienten jetzt abschaffen (Drucksache 17/9067) . . . . . . . . . . . . . . . . c) Antrag der Abgeordneten Birgitt Bender, Maria Klein-Schmeink, Elisabeth Scharfenberg, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- 20879 A 20879 B 20879 B 20879 D 20881 C 20883 C 20884 A 20884 B 20886 A 20887 A 20888 B 20889 C 20890 C 20891 D 20893 A 20894 A 20895 C 20897 C 20898 C 20900 A 20901 B 20901 B Inhaltsverzeichnis II Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 176. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. April 2012 NEN: Zusatzbeiträge aufheben, Über- schüsse für Abschaffung der Praxisge- bühr nutzen (Drucksache 17/9408) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Karl Lauterbach (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Jens Spahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus Ernst (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . Christine Aschenberg-Dugnus (FDP) . . . . . . Dr. Karl Lauterbach (SPD) . . . . . . . . . . . . Harald Weinberg (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Christine Aschenberg-Dugnus (FDP) . . . . . . Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stephan Stracke (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Klaus Ernst (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . Stephan Stracke (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Jens Spahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . Steffen-Claudio Lemme (SPD) . . . . . . . . . . . Heinz Lanfermann (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Harald Weinberg (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Heinz Lanfermann (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Dietrich Monstadt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Dr. Edgar Franke (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Kathrin Vogler (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Erwin Rüddel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Karin Maag (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 6: Zweite und dritte Beratung des von den Frak- tionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Änderung des Stabilisierungsmechanismusgesetzes (Drucksachen 17/9145, 17/9435) . . . . . . . . . . Norbert Barthle (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Rolf Schwanitz (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus-Peter Willsch (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Otto Fricke (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Steffen Bockhahn (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bartholomäus Kalb (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Klaus Riegert (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Erklärung nach § 31GO) Tagesordnungspunkt 37: Antrag der Abgeordneten Jutta Krellmann, Sabine Zimmermann, Diana Golze, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Kampfkraft der Gewerkschaften stärken – Anti-Streik-Paragraphen abschaffen (Drucksache 17/9062 (neu)) . . . . . . . . . . . . . Jutta Krellmann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) . . . Klaus Ernst (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Ottmar Schreiner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Klaus Ernst (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Paul Lehrieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 36: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Erweiterung der jugend- gerichtlichen Handlungsmöglichkeiten (Drucksache 17/9389) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jörg van Essen (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Burkhard Lischka (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Siegfried Kauder (Villingen-Schwen- ningen) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Ansgar Heveling (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Jörn Wunderlich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Norbert Geis (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Jörn Wunderlich (DIE LINKE) . . . . . . . . . Dr. Edgar Franke (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 39: Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung gemäß § 62 Abs. 2 der Ge- schäftsordnung des Deutschen Bundestages – zu dem Antrag der Abgeordneten Gustav Herzog, Uwe Beckmeyer, Doris Barnett, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Für einen neuen Infrastruk- turkonsens – Schutz der Menschen vor Straßen- und Schienenlärm nachdrück- lich verbessern 20901 B 20901 C 20903 A 20904 D 20906 A 20906 D 20908 B 20908 D 20909 B 20911 B 20913 A 20913 C 20914 A 20914 C 20915 D 20917 B 20917 D 20918 B 20919 B 20920 C 20921 A 20922 C 20923 C 20925 C 20925 D 20927 A 20928 C 20928 D 20930 A 20931 A 20932 A 20932 C 20933 C 20934 D 20934 D 20935 D 20936 D 20937 D 20939 A 20939 C 20940 D 20941 D 20942 D 20942 D 20944 A 20945 B 20945 C 20947 A 20947 D 20949 A 20949 C 20950 D Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 176. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. April 2012 III – zu dem Antrag der Abgeordneten Gustav Herzog, Uwe Beckmeyer, Doris Barnett, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Bürgerinnen und Bürger dau- erhaft vom Bahnlärm entlasten – Alter- native Güterverkehrsstrecke zum Mit- telrheintal angehen – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter, Winfried Hermann, Kerstin Andreae, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Schutz vor Bahnlärm verbessern – Ver- altetes Lärmprivileg „Schienenbonus“ abschaffen (Drucksachen 17/5461, 17/6452, 17/4652, 17/9257) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Steffen Bilger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Gustav Herzog (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Werner Simmling (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sabine Leidig (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Karl Holmeier (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Klaus-Peter Willsch (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Karl Holmeier (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 38: Antrag der Abgeordneten Dorothee Bär, Markus Grübel, Thomas Jarzombek, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Miriam Gruß, Florian Bernschneider, Nicole Bracht-Bendt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Eigenständige Jugendpolitik – Mehr Chancen für junge Menschen in Deutsch- land (Drucksache 17/9397) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Eigenständige Jugendpolitik – Mehr Chancen für junge Menschen in Deutschland (Tagesordnungspunkt 38) Ingrid Fischbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Dr. Peter Tauber (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Stefan Schwartze (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Sönke Rix (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Florian Bernschneider (FDP) . . . . . . . . . . . . Diana Golze (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 3 Neuabdruck einer zu Protokoll gegebenen Rede zur Beratung des Entwurfs eines Zwei- ten Gesetzes zur Änderung arzneimittelrecht- licher und anderer Vorschriften (175. Sitzung, Tagesordnungspunkt 15) Michael Hennrich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Anlage 4 Neuabdruck einer zu Protokoll gegebenen Rede zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts zu den Anträgen: – Umsetzung von Basel III: Finanzmärkte stabilisieren – Realwirtschaft stärken – Kommunalfinanzierung sichern – Besonderheiten der nationalen Finanz- märkte bei Umsetzung von Basel III be- rücksichtigen (175. Sitzung, Tagesordnungspunkt 27) Manfred Zöllmer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 5 Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20951 C 20951 D 20952 C 20954 A 20955 D 20957 A 20957 C 20958 B 20958 D 20960 A 20960 B 20960 C 20960 D 20961 A 20962 A 20963 A 20964 A 20964 D 20965 C 20966 B 20966 D 20967 D 20969 B 20970 B Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 176. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. April 2012 20879 (A) (C) (D)(B) 176. Sitzung Berlin, Freitag, den 27. April 2012 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 176. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. April 2012 20961 (A) (C) (D)(B) Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten * für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver- sammlung des Europarates Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Aigner, Ilse CDU/CSU 27.04.2012 Bär, Dorothee CDU/CSU 27.04.2012 Bareiß, Thomas CDU/CSU 27.04.2012 Becker, Dirk SPD 27.04.2012 Bender, Birgitt BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 27.04.2012 Brandner, Klaus SPD 27.04.2012 Dr. Braun, Helge CDU/CSU 27.04.2012 Brinkmann (Hildes- heim), Bernhard SPD 27.04.2012 Burkert, Martin SPD 27.04.2012 Crone, Petra SPD 27.04.2012 Ebner, Harald BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 27.04.2012 Fischer (Karlsruhe- Land), Axel E. CDU/CSU 27.04.2012* Freitag, Dagmar SPD 27.04.2012 Friedhoff, Paul K. FDP 27.04.2012 Dr. Fuchs, Michael CDU/CSU 27.04.2012 Gabriel, Sigmar SPD 27.04.2012 Gerdes, Michael SPD 27.04.2012 Groschek, Michael SPD 27.04.2012 Grund, Manfred CDU/CSU 27.04.2012 Herlitzius, Bettina BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 27.04.2012 Hoppe, Thilo BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 27.04.2012 Jelpke, Ulla DIE LINKE 27.04.2012 Dr. Jüttner, Egon CDU/CSU 27.04.2012 Kolbe, Manfred CDU/CSU 27.04.2012 Korte, Jan DIE LINKE 27.04.2012 Kuhn, Fritz BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 27.04.2012 Kurth (Quedlinburg), Undine BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 27.04.2012 Dr. Lötzsch, Gesine DIE LINKE 27.04.2012 Dr. Luther, Michael CDU/CSU 27.04.2012 Dr. de Maizière, Thomas CDU/CSU 27.04.2012 Möller, Kornelia DIE LINKE 27.04.2012 Müller (Aachen), Petra FDP 27.04.2012 Dr. Neumann (Lausitz), Martin FDP 27.04.2012 Nord, Thomas DIE LINKE 27.04.2012 Pflug, Johannes SPD 27.04.2012 Röspel, René SPD 27.04.2012 Dr. Röttgen, Norbert CDU/CSU 27.04.2012 Roth, Michael SPD 27.04.2012 Rupprecht (Tuchen- bach), Marlene SPD 27.04.2012* Schäffler, Frank FDP 27.04.2012 Dr. Schavan, Annette CDU/CSU 27.04.2012 Schlecht, Michael DIE LINKE 27.04.2012 Schneider, Ulrich BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 27.04.2012 Dr. Schockenhoff, Andreas CDU/CSU 27.04.2012 Dr. Schwanholz, Martin SPD 27.04.2012 Süßmair, Alexander DIE LINKE 27.04.2012 Wellenreuther, Ingo CDU/CSU 27.04.2012 Werner, Katrin DIE LINKE 27.04.2012 Dr. Westerwelle, Guido FDP 27.04.2012 Zimmermann, Sabine DIE LINKE 27.04.2012 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Anlagen 20962 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 176. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. April 2012 (A) (C) (D)(B) Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Eigenständige Ju- gendpolitik – Mehr Chancen für junge Men- schen in Deutschland (Tagesordnungspunkt 38) Ingrid Fischbach (CDU/CSU): Als letzten Tages- ordnungspunkt debattieren wir heute den Antrag von CDU, CSU und FDP zur eigenständigen Jugendpolitik. Der christlich-liberalen Koalition geht es dabei um mehr Chancen für junge Menschen in Deutschland. Wir werden gemäß dem Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und FDP eine eigenständige Jugendpolitik, eine starke Jugendhilfe und eine starke Jugendarbeit eta- blieren, die junge Menschen teilhaben lässt und ihre Potenziale fördert und ausbaut. Eine eigenständige Ju- gendpolitik, für die wir uns mit diesem Antrag einsetzen, ist gesellschaftlich relevante Zukunftspolitik. Sie ver- langt eine unverzweckte Betrachtung der Jugendphase. Wichtig war uns in diesem Zusammenhang, mit Ju- gendlichen ins Gespräch zu kommen. Wie wollen Ju- gendliche heute partizipieren? Bewusst haben wir uns mit dieser Frage an die Jugendlichen selbst gewandt – und weniger an die „Berufsjugendlichen“, auch wenn diese in den Jugendverbänden sehr wertvolle Arbeit leis- ten. Unser Ziel ist es, dass sich Jugendliche entsprechend ihren eigenen Interessen und Stärken weiterentwickeln können, dass sie bei aller Frühförderung, den stetig an- steigenden Anforderungen an Wissen und Kompetenz, der Beschleunigung und Verdichtung von Bildungsbio- grafien Raum für sich selber haben, dass sie Kompeten- zen für eine soziale, kulturelle und politische Teilhabe erlernen können, dass sie selbstbestimmt und demokra- tisch handeln können, dass sie in Freiheit und Verant- wortung nachhaltige Entscheidungen für die Zukunft treffen können. Diese Fähigkeiten werden vor allem in nichtformalen und informellen Zusammenhängen, jenseits formaler Leistungsanforderungen, gelernt: in der Gruppe mit Gleichaltrigen und in der Auseinandersetzung mit den eigenen Interessen und Bedürfnissen. Daher kommt neben der formalen Bildung der nonformalen und kultu- rellen Bildung eine immens wichtige Bedeutung zu. Ins- besondere die Jugend(verbands)arbeit ist ein Ort nonfor- malen Lernens, den CDU, CSU und FDP stärken wollen. Unser Ziel ist es auch, dass sich Jugendliche gesell- schaftlich engagieren können. Dies ist uns mit dem Er- folgsmodell des Bundesfreiwilligendienstes und der Stärkung der Jugendfreiwilligendienste gelungen. Im neuen Bundesfreiwilligendienst engagieren sich auch nach der Aussetzung des Zivildienstes sehr viele Jugend- liche; hier sind seit dem Start im Juli 2011 inklusive Ab- brechern – die Quote liegt bei zwölf Prozent – über 40 000 Verträge zustande gekommen. Aktuell leisten über 33 000 Frauen und Männer einen Bundesfreiwilli- gendienst. Bei 35 000 verfügbaren Plätzen ist dieser Be- werberandrang enorm – und Beleg für die erstklassige Arbeit der christlich-liberalen Koalition. Um die eigenständige Jugendpolitik auch gesell- schaftlich zu verankern, wollen wir unter Federführung des BMFSFJ eine „Allianz für die Jugend“ gründen. Ein solches breites Bündnis mit Vertretern der Kinder- und Jugendhilfe und Akteuren, die in der Lebensphase Ju- gend relevant sind, ist Voraussetzung für die Entwick- lung weiterer konkreter Beiträge. All diese Maßnahmen zeugen von einer modernen Ju- gendpolitik. Dafür steht die Union, dafür steht die christ- lich-liberale Koalition. Alles andere als eine moderne Jugendpolitik haben wir unter Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen erlebt – nämlich gar keine! Zwar hat die Minderheitsregierung, wie es ihre Masche war, munter nach Übernahme der Regierungsgeschäfte Geld verteilt – für den Jugendför- derplan gab es da mal eben 20 Millionen Euro mehr –, aber das Geld wurde, wie üblich, ohne Sinn und Ver- stand verteilt. Kein Konzept! Keine Idee! Keine Innova- tion! Nichts! Nur verantwortungsloses Schuldenmachen. Das ist die Politik, die Nordrhein-Westfalen seit 2010 beglückt. Kein Konzept in der Jugendpolitik! Nichts passiert in fast zwei Jahren. Jugendpolitik in Nordrhein-Westfalen unter Rot-Grün findet unterhalb der Wahrnehmungs- grenze statt. Jugendministerin Ute Schäfer ist gleichzeitig auch zu- ständig für die Bereiche Kunst und Kultur. Die FAZ schreibt am 16. März 2012: „Es war die Regierung mit der kürzesten Amtszeit in der Geschichte Nordrhein- Westfalens, sie hat den Haushalt mit der höchsten Neu- verschuldung belastet und wie keine vor ihr die Kultur- politik vernachlässigt.“ Immerhin hat Schäfer sich be- müht, gegen diese Wahrnehmung anzukämpfen. Sie hat in ihrer Amtszeit über 150 Pressemitteilungen zu Kunst und Kultur veröffentlicht. Trotzdem kommt die Presse zu dem fatalen Ergebnis, dass nichts passiert ist. Aber in der Jugendpolitik hat sie noch nicht einmal das versucht. Die gerade 45 Pressemitteilungen des Ju- gendministeriums – ganze 70 Prozent weniger als im nicht wahrnehmbaren Kulturbereich – in 21 Monaten dokumentieren diese Taten- und Hilflosigkeit in der Ju- gendpolitik in Nordrhein-Westfalen: Kein neues Kon- zept. Keine zündende Idee. Keine Innovation. Nichts! Weder in der Jugendpolitik noch in der politischen Bil- dung oder im Medienschutz. Der angekündigte Jugend- medienschutz-Staatsvertrag ist gescheitert. Nichts ist passiert. Und dort, wo die rot-grüne Minderheitsregierung ver- sucht, Prioritäten zu setzen, bleibt sie hinter ihren An- kündigungen zurück. Man versucht den Eltern in NRW ein ums andere Mal zu erklären, warum man immer noch Schlusslicht beim Ausbau von U-3-Plätzen ist, und freut sich über den angeblich so großen Zuwachs von 16 000 neuen Plätzen im laufenden Jahr. Gleichzeitig sagt man, dass bis zum 1. August 2013 – also bis zur Umsetzung des Rechtsanspruchs – noch 27 000 Plätze fehlen. Wenn 16 000 Plätze schon Anlass zur Freude Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 176. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. April 2012 20963 (A) (C) (D)(B) sind, wie will Rot-Grün 27 000 Plätze in einem Jahr schaffen? Zumal jetzt schon klar ist, dass auch diese nicht reichen werden, um den tatsächlichen Bedarf zu decken. Das ist nichts, und das wird auch nichts mehr. Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen macht keine Ju- gendpolitik, zu wenig für unsere Kleinsten und hinter- lässt der Jugend stattdessen einen immer größeren Schuldenberg. Das ist die Jugendpolitik in Nordrhein- Westfalen, das ist die verantwortungslose Regierungs- bilanz, die wir nach den Wahlen ändern werden. Einen erfreulichen Vorgeschmack hierauf gibt Norbert Röttgen: Er hat als Bundesumweltminister er- reicht, dass Kinderlärm kein Grund mehr zur Klage sein kann. Wir gehen als sehr gutes Beispiel im Bund voran – für die Kinder und Jugendlichen in Deutschland. Dr. Peter Tauber (CDU/CSU): Mit dem vorliegen- den Antrag der christlich-liberalen Koalition betreten wir ein gutes Stück jugendpolitisches Neuland. Über viele Jahre haben wir Politik für Jugendliche hauptsäch- lich aus einer Perspektive heraus betrachtet, bei der ein problemzentrierter Ansatz vorherrschte. Jugendpolitik wurde hauptsächlich als Instrument genutzt, um im Um- gang mit „problematischen“ Jugendlichen Antworten zu liefern. Dies hat vielfach sicherlich seine Berechtigung. Aber dieser Ansatz zeichnet ein sehr unvollständiges Bild von Jugendlichen mit ihren individuellen Interessen und Problemlagen. Was antworten wir der großen An- zahl von Jugendlichen, die nicht durch Gewalt, Extre- mismus, Suchterfahrungen oder Armut in unseren Fokus rücken, sondern sich ganz unauffällig auf den Weg bege- ben, ihr zukünftiges Leben zu gestalten? Welche Per- spektiven geben wir, um sie auf ihrem Weg zu unterstüt- zen? Es ist der christlich-liberalen Koalition ein großes Anliegen, genau diese Gruppe in den Blick zu nehmen und ihnen Angebote machen zu können. Wir sind der Meinung: Auch die „ganz normalen“ Jugendlichen ha- ben Anspruch auf einen Politikansatz, der auch sie ein- bezieht. Wir sind dem Ministerium in diesem Zusammenhang sehr dankbar, dass viele Punkte unseres Antrags auf sehr fruchtbaren Boden gefallen sind. Eine Reihe bereits lau- fender Initiativen wie die Allianz für die Jugend zeigen ja bereits, dass dieser Ansatz geteilt wird. Ein ganz zentraler Punkt ist dabei aus meiner Sicht die Beteiligung der jungen Menschen an der Gestaltung des für sie relevanten Umfelds. Wir sind der Meinung, dass Partizipation, das heißt die Beteiligung, der Jugend- lichen an für sie wichtigen Entscheidungen größer ge- schrieben werden muss als bislang. Klar ist, dass kon- krete Partizipation häufig vor Ort gestaltet wird. Zentral sind dabei immer auch die örtlich handelnden Personen. Wir müssen darauf achten, dass Partizipation keine Flos- kel in Sonntagsreden ist, sondern durch gelebtes Han- deln unterlegt wird. Wir müssen den Jugendlichen zei- gen: Wir nehmen euch ernst, es ist uns wichtig, was ihr denkt, wir entscheiden nicht über eure Köpfe hinweg. Dies ist ein Querschnittsprozess auf allen Ebenen. Umso wichtiger ist es, dass auch der Rahmen, den der Bund dafür schaffen kann, eindeutig ist. Der vorliegende An- trag leistet dazu einen wichtigen Beitrag. Ein wichtiger Ansatzpunkt für die Einbeziehung von Jugendlichen ist der Kinder- und Jugendplan des Bundes als das zentrale Förderinstrument für Kinder und Ju- gendliche. Wir wollen, dass junge Menschen zukünftig besser in die entsprechenden Planungen eingebunden sind. Dazu ist es notwendig, den Kinder- und Jugendplan gerade für seine Adressaten transparenter zu gestalten, um eine Grundlage für Partizipation zu schaffen. Manch eine bestehende Struktur im KJP muss dabei sicherlich auch hinterfragt werden. Ich bin dem Familienministe- rium in diesem Zusammenhang sehr dankbar, dass die zuständigen Mitarbeiter sehr behutsam und vertrauens- voll mit den Trägern zusammenarbeiten und ein sehr sachbezogener Dialog gerade im Zusammenhang mit der Evaluation des bestehenden Plans auf den Weg gebracht werden konnte. Ich bin mir sicher, dass die daraus resul- tierenden Ergebnisse sehr positive Auswirkungen auf unseren Ansatz haben werden. Aus meiner Sicht gibt es keinerlei Zweifel daran, dass junge Menschen heute die Bereitschaft mitbringen, ihr Umfeld mit Engagement und viel individuellem Einsatz zu gestalten. Einen Hinweis darauf gibt bereits der fan- tastische Erfolg, den wir mit dem Bundesfreiwilligen- dienst auf den Weg bringen konnten. In großer Zahl be- teiligen sich junge Menschen an der Gestaltung der sozialen Wirklichkeit und übernehmen ganz individuell Verantwortung für ihr Umfeld. Dass die vom Bund ge- förderten Plätze nicht ausreichen, um die komplette Engagementbereitschaft der jungen Generation aufgrei- fen zu können, zeigt nicht nur, dass die Opposition mit ihrer Schwarzmalerei völlig danebenlag. Es zeigt vor al- len Dingen, dass junge Menschen ihr Umfeld gestalten wollen, wenn sie die Gelegenheit dazu erhalten. Ein wichtiger Aspekt, mit dem wir uns auseinander- gesetzt haben, ist die Frage, welche Antworten Jugend- politik auf die Frage der Digitalisierung unserer Gesell- schaft geben muss. Ein nicht zu unterschätzender Teil der Lebenswelt junger Menschen spielt sich heute in sozialen Netzwerken ab. Längst ist das Internet keine Spielerei von einer kleinen Gruppe mehr, sondern kon- stituierender Bestandteil des Aufwachsens einer ganzen Generation. Dies darf nicht spurlos an unseren jugend- politischen Vorstellungen vorbeigehen. Uns ist aufgetra- gen, die Digitalisierung in unseren Sätzen mit zu beden- ken. Mit einer ganzen Reihe von Vorschlägen tun wir dies in diesem Antrag. Ein Vorschlag, der mir in diesem Zusammenhang be- sonders wichtig ist, ist die Forderung, zukünftig für jede Schülerin und jeden Schüler ein Laptop bereitzustellen, damit die jungen Menschen gleichberechtigt und auf Au- genhöhe Erfahrungen mit der multimedialen Welt sam- meln und Medienkompetenz in der Schule erlangen können. Wir dürfen nicht den Fehler begehen, Schule als eine analoge Welt zu betrachten und uns mit ein paar Stunden Informatikunterricht zufriedenzugeben. Denn Medienkompetenz darf nicht zu einer zufälligen Frage oder gar zu einer Frage der Generationen werden. 20964 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 176. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. April 2012 (A) (C) (D)(B) Wichtig ist mir an dieser Stelle, darauf hinzuweisen, dass erfolgreiche Jugendpolitik individuell gestaltet sein muss. Wer dem Glauben unterliegt, man könne mit stan- dardisierten Strategien und Angeboten die Lebenswirk- lichkeit von jungen Menschen treffen, wird scheitern. Dies gilt sowohl auf das Alter als auch auf die einzelnen Interessenslagen innerhalb einer Altersgruppe bezogen. Hier liegt im Kinder- und Jugendplan, der die Flexibili- tät bietet, auf die heterogenen Lebenswirklichkeiten jun- ger Menschen Antworten zu geben, eine erhebliche Strahlkraft. Wichtig ist aber auch: Wir brauchen Men- schen, die in den Strukturen Verantwortung haben und Beteiligung leben. Die Beteiligung von Jugendlichen kann man nicht staatlich verordnen; da braucht es auf den einzelnen Ebenen eine Sensibilität, nach dem Motto: Lasst die jungen Leute machen. Wir müssen also Ju- gendlichen die Chance geben, Verantwortung zu über- nehmen. Und ich bin der festen Überzeugung, dass diese junge Generation es schafft, sich selbst etwas aufzu- bauen und etwas zu erreichen. Wir müssen ihnen dafür nur die Gelegenheit geben. Auch das will eigenständige Jugendpolitik erreichen. Das ist aus meiner Sicht die große Herausforderung. Und das ist ein langer Prozess. Wir haben noch ein paar Schritte vor uns, doch wir sind zum Glück auch schon einige gegangen. Der vorliegende Antrag, für den ich Sie um Ihre Zustimmung bitte, ist dabei ein wichtiger An- satz. Stefan Schwartze (SPD): Die SPD begrüßt aus- drücklich die Absicht, eine eigenständige Jugendpolitik zu entwickeln. Im Sommer 2011 hatte die Bundesregierung Eck- punkte dafür vorgelegt. Seither war nicht mehr viel zu hören. Wir haben daher in dieser Woche eine Kleine An- frage auf den Weg gebracht, um zu erfahren, wie es um die Umsetzung steht. Schwarz-Gelb legt nun einen Antrag zur eigenständi- gen Jugendpolitik vor. Er greift Punkte auf, die die SPD begrüßt. Gegen einen Preis „Jugendfreundlichste Ge- meinde Deutschlands“ ist nichts einzuwenden. Auch das Ziel, das Projekt „U18-Wahl“ im Haushalt 2013 finan- ziell abzusichern, ist gut. Das hatte die SPD schließlich schon für den Haushalt 2012 gefordert. Bei unseren Anträgen ist Kopieren ausdrücklich er- laubt. Das Wichtigste ist aber, das wir endlich gemeinsam über eine eigenständige Jugendpolitik diskutieren. Leider nimmt Ihr Antrag nur einen Teil der Jugend- politik in den Blick. Er beschränkt sich auf Partizipation, Zusammenarbeit mit den Ländern und Kommunen, kul- turelle Bildung und Medien. Auch die Forderungen zu den einzelnen Teilbereichen sind nicht der große Wurf. So soll zum Beispiel die kulturelle Bildung verbessert werden, in dem als einzige Maßnahme ein „Praxishand- buch Kulturelle Bildung“ erstellt wird. Die SPD will eine eigenständige Jugendpolitik the- matisch breiter aufstellen. Entscheidend ist, dass Jugend- politik sich als Interessenvertretung für junge Menschen versteht. Sie muss ressortübergreifend gedacht werden. Die SPD will weder eine defizitorientierte noch eine elitefixierte Politik. Unsere Leitbilder sind Chancen- gleichheit und Inklusion. Wir wollen alle befähigen, ihre Talente zu entdecken und ihre Persönlichkeit zu entwi- ckeln. Wir wollen allen jungen Menschen Aufstieg durch gleiche Chancen und echte Teilhabe ermöglichen. Im Bildungssystem brauchen junge Menschen auch zweite und dritte Chancen. Es muss möglich sein, sich auszuprobieren und auch mal Fehler zu machen. Jugend braucht Freiräume. Junge Menschen brauchen Unterstüt- zung beim Übergang von Schule in den Beruf. Sie brau- chen einen Rechtsanspruch auf einen Schulabschluss und eine Berufsausbildung. Wir dürfen keinen jungen Menschen zurücklassen. Zur Jugendbildung gehören neben der kulturellen Bil- dung auch die politische Bildung, die sportliche Bildung und die informelle und nonformale Bildung. Hier darf nicht gekürzt werden, wie Sie es zum Beispiel bei der politischen Bildung tun. Diese Bereiche müssen vom Bund gefördert und weiterentwickelt werden. Dazu in Ihrem Antrag kein Wort! Eine eigenständige Jugendpolitik ist mehr als das, was hier auf dem Tisch liegt. Sie braucht das notwendige Geld, das in Ihren An- trägen bislang gar keine Rolle spielt. Nehmen Sie unsere Vorschläge ernst, und lassen Sie uns diskutieren. Sönke Rix (SPD): Die Koalitionsfraktionen haben die Kritik von Organisationen, Verbänden, Wissenschaft und nicht zuletzt der Opposition ernst genommen. Unter dem Titel „Eigenständige Jugendpolitik – Mehr Chancen für junge Menschen in Deutschland“ soll die Phase der Jugend in den Fokus gerückt werden und eine eigenstän- dige Jugendpolitik formuliert werden. In dem Antrag wird angekündigt, politisch nicht nur auf sogenannte Problemgruppen eingehen zu wollen, sondern alle Ju- gendlichen zu berücksichtigen. Diese Herangehensweise begrüßen wir. Es ist heute wichtiger denn je, junge Men- schen zwischen 14 und 25 im Blick zu haben, ihnen gute Rahmenbedingungen zu bieten, ihnen ein sicheres und gerechtes Aufwachsen zu ermöglichen; denn der Druck auf diese Gruppe wächst, wie wir alle wissen, stetig. Allerdings habe ich noch Zweifel daran, dass Union und FDP tatsächlich ihr Bild von der Jugend gerade- rücken wollen. Ich erinnere an dieser Stelle an den soge- nannten Warnschussarrest, den der Koalitionsausschuss Anfang März beschlossen hat. Wieder einmal ging es da um kriminelle Jugendliche. Für eine populistische For- derung sind Jugendliche und ihr Fehlverhalten anschei- nend nach wie vor immer mal wieder gut. Ihr Antrag ist meiner Ansicht nach kein großer Wurf. Zwar werden wichtige Elemente einer guten, eigenstän- digen Jugendpolitik genannt, wie beispielsweise Partizi- pation, Medienkompetenz und kulturelle Bildung. Aber: Wichtige Bereiche fehlen oder tauchen nur in schwam- migen oder nebulösen Ankündigungen auf. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 176. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. April 2012 20965 (A) (C) (D)(B) Als zuständiger Berichterstatter kann ich nicht umhin, Ihren Beitrag zum Bundesfreiwilligendienst zu kom- mentieren. Sie schreiben: Der von CDU/CSU und FDP beschlossene qualita- tive wie quantitative Ausbau der Jugendfreiwilli- gendienste und der Aufbau des neuen Bundes- freiwilligendienstes haben in diesem Sinne die Bildungsfähigkeit junger Menschen gestärkt und zusätzliche Angebote zur persönlichen Entwick- lung geschaffen. Wenn man sich aber nun genauer mit der Schaffung des Bundesfreiwilligendienstes befasst – und das ist ja alles noch nicht allzu lange her –, ging es Ihnen doch im Kern nicht darum, eine neue Engagementmöglichkeit für Ju- gendliche zu schaffen. Vielmehr sollte ein Ersatz für den Zivildienst geschaffen werden, der Ihnen relativ überra- schend abhandengekommen ist. Dabei ging es Ihnen in erster Linie um die Arbeit, die die Zivildienstleistenden übernommen haben, und nicht um die Jugendlichen selbst. Deshalb: Verdrehen Sie hier bitte nicht die Tatsa- chen! Wäre es Ihnen um die Jugendlichen und ihre hohe Engagementbereitschaft gegangen, hätten Sie unseren Vorschlag zu einer massiven Ausweitung der Jugendfrei- willigendienste aufnehmen können. Klar: Diese haben Sie auch gestärkt, weil die Träger ansonsten den BFD nicht akzeptiert hätten. Aber tun Sie doch bitte nicht so, als ob die Einführung des BFD eine jugendpolitische Maßnahme gewesen wäre! Sie widmen in Ihrem Antrag ein Kapitel auch der Ju- gendpolitik im nationalen und europäischen Kontext. Das ist ein wichtiges Thema. Ich gebe Ihnen recht, wenn Sie schreiben: „Eine moderne Jugendpolitik kann an na- tionalen Grenzen keinen Halt machen. Der Erhalt eines eigenständigen Jugendprogramms der Europäischen Union ist deswegen von zentraler Bedeutung.“ Beim Le- sen des Antrags habe ich mir aber immer wieder die Frage gestellt, welchen Stellenwert eine andere wichtige politische Ebene von Ihnen erfährt: Die Kommune. Im Forderungsteil wird zwar kurz erwähnt, dass die Kom- munen darin bestärkt werden müssten, die Verantwor- tung für die Koordinierung und Vernetzung zwischen al- len Beteiligten und Angeboten vor Ort wahrzunehmen. Aber was bedeutet das konkret? Wir haben in den letzten Jahren erlebt, mit welchen Schwierigkeiten die Kommunen zu kämpfen haben. Da- bei sind sie für eine gute, eigenständige Jugendpolitik essenziell: Die Kommune spielt bei der Gestaltung von Jugendpolitik eine entscheidende Rolle: Hier wachsen die Jugendlichen auf, hier werden Entscheidungen ge- troffen, die Jugendliche sofort und unmittelbar spüren und die sie – sofern es ausreichend Partizipationsmög- lichkeiten gibt – beeinflussen können. Insofern ist die Auszeichnung einer in diesem Feld vorbildlichen Kommune, wie Sie es vorschlagen, ein sinnvoller Baustein. Jedoch muss dafür gesorgt sein, dass die Kommunen ihren Aufgaben auch gerecht wer- den können. Kürzungen, wie sie Schwarz-Gelb in den letzten Jahren vorgenommen hat, zum Beispiel beim Programm „Soziale Stadt“, sind da ganz und gar nicht hilfreich gewesen. Dort, wo soziale Infrastruktur weg- bricht, werden antidemokratische Strukturen gestärkt. Wir meinen: Kommunen müssen als Lebensorte wei- ter gestärkt werden. Die öffentliche Daseinsvorsorge muss mit Leben erfüllt werden. Städte und Gemeinden müssen mit soliden finanziellen Mitteln ausgestattet werden. Dazu verlieren Sie in Ihrem Antrag kein Wort. Florian Bernschneider (FDP): Dass wir heute die Gelegenheit haben, mit dem vorliegenden Antrag über Jugendpolitik zu diskutieren, ist – im Rückblick auf die letzten Legislaturperioden – leider keine Selbstverständ- lichkeit. Dass das so ist, hat zweifelsohne auch gesell- schaftliche Gründe: Wir alle wissen, dass in den letzten Jahren in der Familienpolitik vor allem Kinder im Fokus standen. Zum Beispiel bei Diskussionen um den Ausbau von Kita- und Krippenplätzen, schrecklichen Fällen von Kindesvernachlässigungen oder der frühkindlichen Bil- dung. All diese Diskussionen, sie waren und sind richtig und wichtig. Und trotzdem darf das nicht dazu führen, dass wir die Belange Jugendlicher aus dem Blick verlie- ren. Und wenn in den letzten Legislaturperioden mal über Jugendliche diskutiert wurde, dann ging es in der Regel um Verbote: Beispielsweise um Flatratepartyver- bote, weil Jugendliche angeblich zu viel trinken, oder um Killerspielverbote, weil sie angeblich zu viele und die falschen Computerspiele spielen. Und so muss man selbstkritisch festhalten, dass auch solche Diskussionen leider zu dem in den Medien häufig gezeichneten Zerrbild Jugendlicher beigetragen haben, einem Zerrbild, wonach die Jugendlichen nicht in der Lage wären, die nötige Verantwortung für sich und un- sere Gesellschaft zu tragen. Den Gegenbeweis haben wir bereits mit der Reform der Freiwilligendienste angetreten: Denn hier beweisen Jugendliche tagtäglich, von Flensburg bis Konstanz, dass sie ohne jeden staatlichen Zwang bereit sind, Ver- antwortung für sich und andere zu übernehmen, und das in einem Ausmaß, das selbst die optimistischste Progno- sen von uns allen übertrifft. Dass CDU, CSU und FDP auch hier die klassische Verantwortung der Jugendpolitik, nämlich die Unterstüt- zung und Förderung Schwächerer, nicht aus dem Blick verloren haben, beweist die zusätzliche Förderung bei besonderem pädagogischen Bedarf. Trotzdem muss es unser Anspruch sein, mit einer eigenständigen Jugend- politik alle junge Menschen in den Blick zu nehmen und diese mehr als früher als Querschnittaufgabe zu verste- hen. Dass wir diesen Weg verfolgen, sehen Sie zum Bei- spiel daran, dass wir die Mobilitätsherausforderungen, vor denen Jugendliche stehen, nicht nur mit dem Pro- gramm „Auswärts zuhause“ ernst nehmen, sondern auch in der Verkehrspolitik mit dem Führerschein ab 17. Mit dem vorliegenden Antrag nehmen wir uns aber weiterer Herausforderungen an. Zum Beispiel im Be- 20966 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 176. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. April 2012 (A) (C) (D)(B) reich der Partizipation. Das Lieblingswort eines jeden Jugendpolitikers, das in keiner Sonntagsrede fehlen darf. Überall wird mehr Partizipation gefordert. Aber wenn es dann konkret wird, ziehen wir uns als Bundespolitiker gerne aus der Verantwortung und erklären, dass die poli- tische Beteiligung Jugendlicher ja primär in den Kom- munen gelebt und umgesetzt werden müsse. Das ist un- befriedigend, und hier wollen wir ansetzen. Deshalb streben wir in diesem Antrag ein ganzes Bündel an Maß- nahmen an, wie der Bund in Kooperation mit Ländern und Kommunen mehr Partizipation und Beteiligung jun- ger Menschen gewährleisten kann. Diese Vorschläge er- strecken sich über die Erarbeitung von Beteiligungs- instrumenten in Zusammenarbeit mit den kommunalen Spitzenverbänden bis hin zur Reform des zentralen mo- netären Instruments des Bundes in der Kinder- und Ju- gendpolitik, des Kinder- und Jugendplans. Wer die Jugendpolitik voranbringen will, muss sich aber auch an der Lebensrealität junger Menschen in un- serem Land orientieren. Ein wesentlicher Bestandteil dieser Lebensrealität sind die neuen Medien, deren Chancen, zum Beispiel zur Partizipation, wir mit einer stärkeren Förderung der Medienkompetenz nutzen wol- len. Zugleich dürfen wir die Augen vor den Herausforde- rungen, die die neuen Medien mit sich bringen, aber nicht verschließen. Deswegen unterbreiten wir mit dem vorliegenden Antrag Vorschläge, wie auf eben diese He- rausforderungen vonseiten des Bundes und in Koopera- tion mit den Ländern – Stichwort Lehreraus- und -fort- bildung – adäquat reagiert werden kann. In diesem Sinne freue mich auf Ihre Anregungen und auf eine hoffentlich konstruktive Antragsberatung. Diana Golze (DIE LINKE): Nun endlich liegt er vor, der lange angekündigte Antrag der Regierungsfraktionen zur eigenständigen Jugendpolitik. Im Koalitionsvertrag von 2009 hatte man sich auf Aktivitäten dazu verstän- digt, inzwischen schreiben wir das Jahr 2012. Bislang widmete sich die Bundesregierung, wenn überhaupt, nur den Problemen, die Jugendliche machen, und nicht den Problemen, die Jugendliche haben. Schauen wir uns also Ihre Vorhaben mal genauer an. Ich zitiere aus dem Antrag: „Eigenständige Jugend- politik bedeutet auch, gleiche Chancen am Start zu schaffen, ohne Ergebnisgleichheit am Ziel zu verordnen. Sie unterstützt Jugendliche, wo es nötig ist, und befähigt sie, ohne zu bevormunden.“ Und weiter: „Junge Men- schen mit sozialen Benachteiligungen oder individuellen Beeinträchtigungen haben oftmals einen besonderen Un- terstützungsbedarf, dem durch passgenaue Maßnahmen Rechnung getragen werden muss, um gerechtere Start- chancen für diese jungen Menschen zu schaffen.“ Zitat Ende. Doch was tun Sie stattdessen? Sie kürzen beim Pro- gramm „Jugend stärken“. Sie kürzen im Bereich der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt. Gerade ges- tern haben Sie unseren Antrag abgelehnt, die diskrimi- nierenden Regelungen bei jungen Erwachsenen unter 25 Jahren im SGB II zurückzunehmen. Dort steht: Ein Erwachsener muss ein Amt um Erlaubnis bitten, wenn er bei seinen Eltern ausziehen und eigenständig leben möchte. Der Regelsatz für Jugendliche in Bedarfsge- meinschaften beträgt nur 80 Prozent von dem eines al- leinstehenden Erwachsenen. Sind Jugendliche keine ganzen Menschen? Ist das etwa Ihre eigenständige Ju- gendpolitik? Auch in anderen Politikbereichen setzt sich die Gän- gelung der Jugendlichen fort. So müssen zum Beispiel Jugendvereine ausgerechnet beim Bundesprogramm für Toleranz und Vielfalt eine sogenannte Extremismusklau- sel unterzeichnen, wenn sie Fördermittel bekommen wollen. Sie werden damit unter einen Generalverdacht gestellt, und eigenständige Entscheidungen werden ih- nen abgesprochen. Immer wieder sind Gerichtsentscheidungen notwen- dig, um die Bundesregierung an die Rechtsstaatlichkeit ihrer Politik zu erinnern. Gerade in dieser Woche über- gab das Sozialgericht Berlin die Frage der Höhe der Re- gelsätze im SGB II an das Bundesverfassungsgericht. Das Verwaltungsgericht Dresden beanstandete die Extre- mismusklausel. Ist das Ihre Art der Demokratiebildung, die Sie in Ihrem Antrag fordern? Heute Nachmittag haben hier im Plenum die Regie- rungsfraktionen dem Bundestag begründet, warum sie das Jugendstrafrecht verschärfen wollen, indem Sie den Warnschussarrest für jugendliche Straftäter ermöglichen. Von Förderung und Prävention war dabei keine Rede. Ist das der ganzheitliche Ansatz für diesen Lebensabschnitt, von dem im Antrag die Rede ist? Das Wort „Jugendarmut“ fehlt in Ihrem Antrag kom- plett. Wenn man dieses zunehmende Problem junger Menschen jedoch ausblendet, hilft auch eine „Allianz für Jugend“ nicht, denn wer das Problem nicht zur Kenntnis nehmen will, wird auch keine Lösungsansätze dafür ent- wickeln. Zusammenfassend lässt sich also feststellen: Nach der langen Phase der Ankündigung dieses Antrags hätte ich mir wahrlich mehr Interesse für die Lebenswirklichkeit junger Menschen in unserem Land gewünscht und, da- raus abgeleitet, mehr und qualifiziertere Initiativen der Bundesregierung. Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es ist gut, die Jugendpolitik als eigenständigen Politikbereich hier im Deutschen Bundestag zu debattieren. Das ge- schieht viel zu selten. Es ist aber auch kein Wunder: denn die Impulse und Maßnahmen der Bundesregierung und der Koalition waren und sind wirklich bescheiden. Im vorgelegten Antrag geht es um einen eigenen Quer- schnittbereich Jugend. Das ist ein richtiger, notwendiger Ansatz. Das ist auch deshalb wichtig, weil jugendpoliti- sche Anliegen zu oft eben nur im Kontext eines anderen, dann übergeordneten Sachverhalts, wie etwa Bildungs- oder Arbeitsmarktpolitik, behandelt werden. Allerdings wird nach Lektüre des Antrags klar, dass es nach wie vor keine schwarz-gelbe Konzeption gibt, das Ziel einer ei- genständigen Jugendpolitik praktisch zu erreichen. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 176. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. April 2012 20967 (A) (C) (D)(B) Im Antrag werden einige Facetten der Jugendpolitik zunächst völlig unsystematisch nebeneinandergestellt. Dann folgen eine Reihe von Absichtserklärungen. Die lesen sich zunächst ganz nett. Aber sie bleiben inhaltlich weitgehend unbestimmt. Sie fügen sich nicht in eine Ge- samtkonzeption, sondern sind eher wahllos aneinander- gereiht. In der Sache selber sind sie außerordentlich un- ambitioniert. Und bei fast allen dieser Punkte muss man fragen: Wieso schafft die Koalition diesen Aufschlag erst nach zweieinhalb Jahren Amtszeit? Und warum kommt dann nur so etwas Zaghaftes und Unfertiges dabei heraus? Ein schönes Beispiel, wie lange der jugendpolitische Schlaf der Koalition schon andauert: Im Antrag wird als erstes: „Die Festlegung im Koalitionsvertrag…eine eigenstän- dige Jugendpolitik…zu etablieren…“ begrüßt. Klartext: Wir nehmen jetzt in 2012 der Vertrag von 2009 zur Kenntnis. Na wunderbar! Wenn es im Antrag mal konkret wird, werden die Dinge beschönigt: Entgegen der Feststellung im Antrag hat die Bundesregierung eben noch nicht dafür gesorgt, „dass Kinderlärm kein Grund mehr zur Klage sein kann“. Da ist zwar ein Verfahren im Gange. Aber das ist eben noch nicht abgeschlossen. Und es ist derzeit wohl leider auf einem schlechten Weg, wenn man sich den Re- ferentenentwurf zum Baugesetz anschaut! Oder um ein anderes Beispiel zu nennen: Das Deutschlandstipendium – 10. – ist ein totaler Flop und keine jugendpolitische Er- rungenschaft. Auch der Forderungsteil stimmt unzufrieden. Irgend- wann soll wohl eine „Allianz für Jugend“ initiiert wer- den. „Wenn’s nützt“ möchte man sagen. Natürlich kann so eine Maßnahme nicht schaden; der üblicherweise le- diglich anregende, appellative Charakter solcher Allian- zen ist aber bei Weitem nicht ausreichend. Diesem Punkt schließt sich die Forderung an, es sollten dazu bisherige Erfahrungen aus der EU-Jugendstrategie genutzt wer- den. Die Koalition hat offenbar so wenig auf der Pfanne, dass sie absolute Selbstverständlichkeiten zu eigenen Forderungspunkten aufbauscht. Natürlich wird man jed- wede fundierte Erfahrung sinnvoll zu nutzen versuchen. Ähnlich substanzarm wird es an der Stelle, an der die Koalition empfiehlt, eine „querschnittliche Jugendpoli- tik“ zu entwickeln. Das ist doch klar, dass das nur als Querschnittsaufgabe funktionieren kann. Gespannt darf man auf die Umsetzung einer solchen Querschnittpolitik durch die Bundesregierung sein. Wir haben ja jüngst beim dringlichen Kinderschutz gesehen, dass BMFSFJ und BMG schlichtweg nicht kooperationsfähig waren. Da möchte ich mal sehen, wie Frau Schröder demnächst mit Herrn Bahr und Frau von der Leyen einvernehmlich Jugendpolitik macht. Es geht im Antrag dann weiter mit Forderungen nach Impulsen, Erprobungen und vielem mehr, was Zeit braucht und unverbindlich ist. Hinsichtlich der Partizipa- tion wird man jedoch ein wenig „konkreter“: Es soll eine Studie her. Und mit den Kommunen sollen mal Beteili- gungsinstrumente überlegt werden. Das, was die Koali- tion hier auftischt, ist doch reine Augenwischerei. Die Instrumente gibt es, sie funktionieren, sie müssen nur endlich umgesetzt werden. Dazu muss ein glaubhaftes Konzept her. Und es fehlen wichtige Punkte, die ich hier nur kurz anreißen kann. Ganz wichtig ist dabei die Stärkung der Rechte von Kindern und Jugendlichen im Grundgesetz. Wir brauchen klar geregelte, verbindliche Beteili- gungsrechte in Jugendinstitutionen. Wir brauchen die verbriefte Berücksichtigung von Ju- gendbelangen in den Gemeindeordnungen. Wir müssen die Diskussion über Ombudschaften in der Jugendhilfe führen. Und die Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahren wäre zeitgemäß und überfällig. Das wäre die wirksame Alternative zu Ihrem Alibi-Projekt „U18-Wahl“, Forde- rung 20. Aber all diese Bereiche bleiben eine Leerstelle der Koalition. Deswegen muss man abschließend festhalten: Mit diesem Antrag und der Debatte hakt Schwarz-Gelb mut- und kraftlos ein Thema ab, mit dem es sich noch nie richtig anfreunden konnte. Das ist mehr als bedauer- lich. Anlage 3 Neuabdruck einer zu Protokoll gegebenen Rede zur Beratung des Entwurfs eines Zweiten Ge- setzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften (175. Sitzung, Tages- ordnungspunkt 15) Michael Hennrich (CDU/CSU): Wir haben uns heute zur ersten Lesung des Entwurfs eines Zweiten Ge- setzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften versammelt. Es ist ein Gesetz, das nach dem AMNOG das zweite große gesetzgeberische Vorha- ben auf dem Arzneimittelsektor ist. Alles in allem lässt sich feststellen, dass es im Arzneimittelbereich gut und ruhig verläuft. Im Gegensatz zu den vergangenen Jahren sind bisher auch keine Entschließungsanträge der Oppo- sition eingegangen. Ich verstehe das so, dass Sie, werte Damen und Herren von der SPD, den Grünen und der Linken, mit unserer Arzneimittelpolitik durchaus zufrie- den sind. Anders, ich erinnere mich lebhaft, war das noch beim AMNOG vor gut eineinhalb Jahren. Bei der Verabschie- dung des AMNOG waren Sie noch nicht ganz so weit, und Sie haben damals bei der namentlichen Abstimmung – die übrigens bezeichnenderweise am 11.11. stattfand – geschlossen mit Nein gestimmt. Heute haben sich die Zeichen gewendet, wie ich erst neulich auf einer Veran- staltung des BPI feststellen konnte. Frau Bender von den Grünen ist im Hinblick auf das AMNOG so etwas wie der Lordsiegelbewahrer, der bereit ist, in die Bresche zu springen, wenn es Überlegungen gibt, das Gesetz zu ver- ändern. Aber in der Tat, wir können mit der Arzneimittelpoli- tik der Koalition zufrieden sein. Die mit dem GKV- 20968 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 176. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. April 2012 (A) (C) (D)(B) Finanzierungsgesetz verabschiedete Erhöhung des Her- stellerabschlags zeigt Wirkung. In der Folge konnten die Arzneimittelausgaben – übrigens als einziger Teilbereich des öffentlichen Gesundheitssystems – deutlich reduziert werden. Auch mit dem AMNOG haben wir Maßnahmen auf den Weg gebracht, die zu einer Stabilisierung der Arzneimittelausgaben führen. Einen wesentlichen Bei- trag hierzu leisten zweifelsohne der Apothekenabschlag und die Großhandelsvergütung. Die frühe Nutzenbewer- tung stellt in Bezug auf die Effektivität der Arzneimittel- versorgung einen wahren Quantensprung dar, und zwar ohne dass den Menschen in Deutschland der Zugang zu Innovationen verkürzt wurde. Heute wird das AMNOG im Ausland selbst von denje- nigen gepriesen, die es vor eineinhalb Jahren noch vehe- ment bekämpft haben. Auch den Vertretern des GKV- Spitzenverbands, die das Gesetz ursprünglich als „Pharma- beglückungsgesetz“ bezeichneten, konnte – wenn auch mühsam – die Wirkungsweise der Vorgaben verständlich gemacht werden. Selbst die Industrie hat das neue Sys- tem zwischenzeitlich anerkannt, sodass wir uns in erster Linie auf die Umsetzung der AMG-Novelle konzentrie- ren können. Mit dem Gesetz sollen zwei Richtlinien der Europäi- schen Union umgesetzt werden, zum einen die Richtlinie zur Pharmakovigilanz, zum anderen die Richtlinie zum Schutz vor Arzneimittelfälschungen. Beide Richtlinien verbindet das Ziel, den Schutz der Patienten und Versi- cherten im Bereich der Arzneimittelversorgung verbes- sern zu wollen. Vor diesem Hintergrund greifen sie in viele Bereiche des Arzneimittelgesetzes ein. Wir haben dadurch die Chance, einige Vorschriften ganz grundsätz- lich zu überdenken und auf den Prüfstand zu stellen. Einen großen Teil der Neuerungen halte ich für durchaus begrüßenswert. So werden etwa die Risiko- managementsysteme der Zulassungsinhaber optimiert. Und auch die Zusammenarbeit der Gesundheitsbehörden wird verbessert, indem die europäische Vernetzung end- lich forciert wird. Dem Schutz der Versicherten dient, dass etwa der Begriff der Nebenwirkung erweitert wird. § 4 Nr. 13 AMG erfasst dann auch Überdosierungen, Medikationsfehler und Missbrauch. Zugute kommt ihm auch, dass die Meldewege bei Verdachtsfällen verkürzt werden. Hier werden bereits in den Patienteninformatio- nen Hinweise zu finden sein, wohin man sich bei Ver- dachtsfällen wenden soll. Für die Fachinformation wird eine gleichlautende Regel erlassen werden. Gleichzeitig werden die Informationsmöglichkeiten der Verbraucher verbessert. Ein nationales Internetportal wird aufgebaut und mit europäischen Datenbanken vernetzt werden, um Transparenz für den Versicherten zu schaffen und ihm eine umfassende Aufklärung zu ermöglichen. Für begrüßenswert halte ich auch den Schritt, zum Schutz der legalen Vertriebswege die Anforderungen an Hersteller und Vertreiber zu konkretisieren und auf diese Weise transparenter zu gestalten. Besonders fälschungs- gefährdete Arzneimittel etwa erhalten in diesem Rahmen zusätzliche Sicherheitsmerkmale zur Identifizierung ein- zelner Arzneimittelpackungen. Die Richtlinien bringen überdies Veränderungen im Bereich Betäubungsmittel- recht sowie die Anpassung des Heilmittelwerbegesetzes an die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Ich möchte nicht verschweigen, dass diese Neurege- lungen teilweise zu erheblichen finanziellen Belastungen für die Industrie führen. Allerdings halte ich – unabhän- gig davon, dass uns sowieso nur ein geringfügiger Um- setzungsspielraum verbleibt – die Vorgaben mit Blick auf Schutz und Sicherheit der Patientinnen und Patienten für notwendig. Natürlich werden wir uns im Zuge der AMG-Novelle noch einmal mit dem AMNOG beschäftigen. Allerdings muss nicht immer der Gesetzgeber Probleme lösen, manchmal obliegt diese Aufgabe allein der Selbstver- waltung. Teilkomplexe hat die Selbstverwaltung bereits guten Lösungen zugeführt; ich denke an dieser Stelle zum Beispiel an die Orphan Drugs. Trotzdem müssen die Beteiligten zukünftig weiter miteinander arbeiten und sich auf praxisgerechte Lösungen einigen. Aufmerksam beobachten wir in diesem Zusammen- hang etwa das Thema Vergleichstherapie. Hier muss bei der Auswahl der Vergleichstherapie die Frage im Mittel- punkt stehen, ob ein tatsächlicher Zusatznutzen für das neue Arzneimittel im Vergleich zum bisherigen Thera- piestandard besteht. Erst bei den Preisverhandlungen steht dann die Kostenfrage im Mittelpunkt. Es ist zudem sicherzustellen, dass keine Studien mit einer Vergleichs- therapie verlangt werden dürfen, die aus ethischen Grün- den nicht genehmigt würden. Beim Thema Beratungsgespräche hat sich vieles posi- tiv gewendet. Aber in Bezug auf die Verbindlichkeit des Beratungsgesprächs beim GBA findet sich durchaus noch etwas Sand im Getriebe. Möglich wäre es etwa, dass die Vergleichstherapien vor Studien der Phase III gemeinsam verbindlich vereinbart werden. Hier wäre dann zum Beispiel die Frage zu klären, welche Ver- gleichstherapie für ein Solitärmedikament zu wählen ist. Der vom GBA durchgeführte Workshop am 22. März zeigt aber, dass man hier auf einem guten Weg ist. Die Preisfindung ist sicherlich ein Komplex, bei dem wir erst einmal abwarten sollen, wie verhandelt wird. Entspannt sehe ich übrigens der Forderung der Indus- trie nach der Vertraulichkeit des Erstattungsbetrags entge- gen. Hier sollten wir uns überlegen, ob uns das nicht sogar entgegenkommt, weil in vertraulichen Verhandlungen mehr Spielraum für eine Rabattgewährung verbleibt. Überprüft werden muss aber die Möglichkeit zur Aus- schreibung von Zytostatika; denn es droht zu einem Oli- gopol in der Versorgung der Krebspatienten zu kommen. Zudem drohen Qualitätseinbußen und Probleme in der Flächendeckung, wenn die Krankenkassen mit einzelnen Apothekern Selektivverträge über die Zytostatikaversor- gung abschließen. Dabei will ich die Wirkweise der Ra- battverträge nicht infrage stellen. Sie tragen maßgeblich zu Einspareffekten bei Arzneimittelversorgung bei. Allerdings ist auch Teil unserer Aufgabe, die Versor- gungssicherheit zu gewährleisten; Lieferengpässe müs- sen vermieden werden. Gleiches gilt übrigens für die Oligopolbildung. Was passiert mit den sogenannten Portfolioverträgen? Seit dem Jahr 2009 wird hier vergeblich nach einer ein- vernehmlichen Lösung gesucht. Dabei behindern die Er- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 176. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. April 2012 20969 (A) (C) (D)(B) weiterungs- und Aufnahmeklauseln unstreitig den Wett- bewerb. Ohne gesetzgeberische Maßgaben scheint sich hier aber nichts zu tun. Dieses Fazit gilt leider auch für den Umgang mit der personalisierten Medizin. Die be- sondere Diagnostik, die hier notwendig wird, wird letzt- lich wegen einer fehlenden Abrechnungsziffer im EBM nicht ausreichend erbracht. Das kann und darf nicht sein. Abschließend möchte ich noch auf die Rahmenbedin- gungen für Apotheker eingehen. Am Pick-up-Verbot halten wir fest. Nachdem auch der Bundesrat ein Verbot des Versandhandels anstrebt, liegt es in den Händen der Bundesregierung hier die richtigen Entscheidungen zu treffen. Nach Auslaufen der Sparmaßnahmen Ende die- ses Jahres ist der Apothekenabschlag erneut zu vereinba- ren. Um hier eine faire Verhandlungsbasis zu schaffen, soll der für 2009 und 2010 geltende Abschlag als Grund- lage dienen. Wie ich eingangs ankündigte, nutzen wir die AMG- Novelle auch, um die bestehende Regelung kritisch zu hinterfragen. Unsere Pläne in diese Richtung habe ich Ihnen gerade vorgelegt. Ich möchte die Gelegenheit aber auch nutzen, an alle Beteiligten zu appellieren: Lassen Sie uns konstruktiv miteinander tätig werden und nicht in allgemeines Wehgeschrei ausbrechen, wie es beim AMNOG der Fall war. Diese Worte richte ich auch noch einmal explizit an die Industrie, die immer wieder ge- droht hat, bestimmte Produkte nicht auf den deutschen Markt zu bringen. Damit schneidet man sich ins eigene Fleisch. Ich gebe zu bedenken, dass unsere europäischen Nachbarländer über keine rosige Finanzlage verfügen. Das gilt auch für Frankreich, wo Sarkozy gerade ange- kündigt hat, 4,5 Milliarden Euro Einsparungen allein bei der Arzneimittelversorgung erzielen zu wollen. Spanien geht in eine ähnliche Richtung, und Griechenland will ich hier gar nicht erwähnen. Zu denken, dies wäre ein europäisches Problem, ist naiv. Indien ist ja nicht einmal mehr bereit, Patente und Eigentumsrechte anzuerkennen. Insofern wünsche ich keine weitere Drohungen, sondern den konstruktiven Dialog aller Beteiligten, auf den ich mich freue. Anlage 4 Neuabdruck einer zu Protokoll gegebenen Rede zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts zu den Anträgen: – Umsetzung von Basel III: Finanzmärkte sta- bilisieren – Realwirtschaft stärken – Kom- munalfinanzierung sichern – Besonderheiten der nationalen Finanz- märkte bei Umsetzung von Basel III berück- sichtigen (175. Sitzung, Tagesordnungspunkt 27) Manfred Zöllmer (SPD): Basel III ist ein notwendi- ges, aber nicht hinreichendes Regelwerk zur Stabilisie- rung des Finanzsystems. Es ist notwendig, weil der Verlauf der Finanzmarktkrise gezeigt hat, dass eine verbesserte Ausstattung der Banken mit Eigenkapital dringend erforderlich ist, um die Stabilität des Finanz- systems zu verbessern. Im Vordergrund steht das Eigen- kapital, aber es gibt natürlich eine Vielzahl von Regelun- gen, die in Zukunft implementiert werden sollen. Ich nenne die Stichworte Leverage Ratio, Kapitalerhaltungs- puffer, antizyklischer Kapitalpuffer, Vergütungsregeln usw. Die vorliegenden Regelungen gehen in die richtige Richtung. Sie reichen aber nicht. Sie müssen weiterent- wickelt werden. Deshalb haben wir einen Antrag einge- bracht, der fordert, einen Teil der Basel-III-Regeln nicht als Verordnung, sondern als Richtlinie umzusetzen. Da- mit wollen wir der Situation Rechnung tragen, dass na- tionale Besonderheiten auch bei der Umsetzung von Ba- sel III berücksichtigt werden. Deutschland verfügt über ein differenziertes dreigliedriges Bankensystem. Beson- ders die Sparkassen und Genossenschaftsbanken haben sich als systemstabilisierend in der Krise gezeigt. Die Vorschläge, die in Basel erarbeitet wurden, sind ein Re- gelungswerk für international agierende Großbanken. Deshalb sehen wir die Notwendigkeit einer Anpassung der Vorschriften an nationale Besonderheiten. Diesen Überlegungen wollen sich die Koalitionsfraktionen lei- der nicht anschließen. Damit wird eine Chance vertan, deutsche Interessen besser zu berücksichtigen. Wir unterstützen nachdrücklich den Grundsatz „same risks, same rules“. Wir wollen keine Aufweichung der Regulierung, im Gegenteil, wir wollen einen angemesse- nen regulatorischen Umgang auch mit kleinen Instituten, eine vernünftige Regulierung mit Biss. Mit unserem Antrag „Umsetzung von Basel III: Finanzmärkte stabilisieren – Realwirtschaft stärken – Kommunalfinanzierung sichern“ wollen wir diese Ziel- setzung konkretisieren. Wir bedauern sehr, dass die Ko- alitionsfraktionen nicht bereit waren, in dieser Situation einen gemeinsamen Antrag mit der Opposition auf den Weg zu bringen. Damit hätte man die Bundesregierung bei den Verhandlungen in Brüssel unterstützen können. Offenkundig sind die Koalitionsfraktionen nicht in der Lage, einheitliche Positionen bei den anstehenden Fra- gen zu finden. Wir fordern deshalb die Bundesregierung auf, bei den Verhandlungen über Basel III folgende Punkte umzuset- zen: die Eigenkapital- und Liquiditätsregeln nach Ge- schäftsmodell und Größe der Institute differenzieren, die Risikogwichte von Mittelstandskrediten an ihr tatsächli- ches Risiko anpassen, die besonderen Bedingungen der Finanzverbünde bei Sparkassen und Genossenschafts- banken berücksichtigen, bei der Bankenaufsicht zu einer Arbeitsteilung zwischen europäischer und nationaler Bankenaufsicht kommen, die die Unterschiede zwischen systemrelevanten internationalen Großbanken und den Sparkassen und Genossenschaftsbanken berücksichtigt, bei der risikounabhängigen Verschuldungsobergrenze – der sogenannten Leverage-Ratio – differenzieren. Wir begrüßen, dass diese Punkte bei den laufenden Verhandlungen in Brüssel eine große Rolle spielen. Die Bundesregierung hat unsere Initiative dankenswerter- weise weitgehend aufgegriffen. 20970 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 176. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. April 2012 (A) (C) (D)(B) Es wird zurzeit intensiv über einen Kompromiss auf der Basis von Vorschlägen der dänischen Präsidentschaft verhandelt. Bei diesen Verhandlungen dürfen bereits ge- fundene Kompromisse, etwa bei der Definition des har- ten Kernkapitals, nicht infrage gestellt werden. Die neuen Regeln sollten Probleme minimieren, nicht neue schaffen. Deshalb bleibt es wichtig, zum Beispiel dafür zu sorgen, dass für unsere Kommunen auch in Zu- kunft eine ausreichende Kreditversorgung sichergestellt ist. Wir erwarten, dass diese Verhandlungen bald abge- schlossen werden, damit die neuen Regeln baldmög- lichst in Kraft treten können. Die neuen Regeln sind notwendig, aber nicht hinrei- chend. Banken müssen wieder dahin gebracht werden, ihre volkswirtschaftliche Funktion als Kreditgeber bes- ser zu erfüllen, und sie sollten weniger Anreize haben, übermäßige Risiken einzugehen. Die neuen Regeln kön- nen ein Schritt in diese Richtung sein, sie müssen aber kontinuierlich weiterentwickelt werden. Ein Update auf Basel III bleibt notwendig. Darüber hinaus muss sicher- gestellt werden, dass die vereinbarten Regeln auch inter- national umgesetzt und eingehalten werden. Dies muss überwacht und kontrolliert werden. Da die Risiken glo- bal sind, müssen auch die Regeln global sein. Wenn die Bundesregierung in diesem Sinne aktiv wird, hat sie unsere volle Unterstützung. Anlage 5 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner 895. Sitzung am 30. März 2012 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzu- stimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen: – Gesetz zur Änderung des Gemeindefinanzreform- gesetzes und von steuerlichen Vorschriften Der Bundesrat hat ferner die nachstehende Entschlie- ßung gefasst: Zu Artikel 3 Nummer 2 (§ 50d Absatz 11 EStG) Durch das verabschiedete Gesetz soll die Inan- spruchnahme abkommensrechtlicher Schachtelprivi- legien, die inländischen Kapitalgesellschaften beim Bezug von Dividenden ausländischer Kapitalgesell- schaften zustehen, verhindert werden, soweit durch eine hybride Rechtsform der inländischen Gesell- schaft eine Inanspruchnahme durch natürliche Perso- nen möglich ist. Dies betrifft insbesondere die Kom- manditgesellschaft auf Aktien (KGaA) und atypisch stille Gesellschaften. Das Gesetz ist geeignet, dieses Ziel zu erreichen, und angesichts bekannt gewordener Steuermindereinnah- men und entsprechender Gestaltungsmodelle auch erforderlich. Die Einführung des § 50d Absatz 11 EStG ist lediglich eine Zwischenlösung auf dem Weg zur grundlegenden Klärung der Besteuerung hybrider Rechtsformen. Sie bedeutet insbesondere keine Vorabfestlegung eines intransparenten oder teiltransparenten Besteuerungs- systems bezüglich der KGaA. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, die Problemanalyse bei der Besteuerung hybrider Ge- sellschaften zügig abzuschließen und notwendige ge- setzgeberische Maßnahmen zu ergreifen. – Gesetz über die geodätischen Referenzsysteme, -netze und geotopographischen Referenzdaten des Bundes (Bundesgeoreferenzdatengesetz – BgeoRG) – Gesetz zur Änderung des Bürgerlichen Gesetz- buchs zum besseren Schutz der Verbraucherin- nen und Verbraucher vor Kostenfallen im elek- tronischen Geschäftsverkehr und zur Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes – Gesetz über die Vereinfachung des Austauschs von Informationen und Erkenntnissen zwischen den Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaa- ten der Europäischen Union – Siebtes Gesetz zur Änderung eisenbahnrechtli- cher Vorschriften – Gesetz zur Neuordnung des Energieverbrauchs- kennzeichnungsrechts – Gesetz zu dem Abkommen vom 13. Februar 2007 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung des Staates Kuwait über die Zusammenarbeit im Sicherheits- bereich – Gesetz zu dem Abkommen vom 22. Februar 2009 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung des Staates Katar über die Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich – Gesetz zu dem Abkommen vom 10. März 2009 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Kroatien über die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Orga- nisierten und der schweren Kriminalität – Gesetz zu dem Abkommen vom 27. Mai 2009 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung des Königreichs Saudi-Arabien über die Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich – Gesetz zu dem Abkommen vom 14. April 2010 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Republik Kosovo über die Zusammenarbeit im Sicherheits- bereich – Gesetz zu dem Abkommen vom 30. August 2010 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und dem Ministerkabinett der Ukraine über die Zusammenarbeit im Bereich der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität, des Terrorismus und anderer Straftaten von er- heblicher Bedeutung Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 176. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. April 2012 20971 (A) (C) (D)(B) Zudem hat der Bundesrat in seiner 895. Sitzung am 30. März 2012 nachfolgende Entschließung zum Refe- rentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz für ein Zweites Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts (2. KostRMoG) gefasst: Der Bundesrat begrüßt die Absicht der Bundesregie- rung, noch in der laufenden Legislaturperiode die bereits 2001 begonnene Modernisierung des Justiz- kostenrechts weiter zu führen. Der Bundesrat nimmt jedoch den Referentenentwurf des Bundesministe- riums der Justiz für ein Zweites Gesetz zur Moderni- sierung des Kostenrechts wegen der zu erwartenden Auswirkungen auf die Länderhaushalte mit großer Sorge zur Kenntnis. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung dringend auf, bei ihrem Gesetzesvorhaben mit Blick auf die auch für die Länder geltende Schuldenbremse den berechtigten Anliegen der Länder nach einer deutli- chen Verbesserung des Kostendeckungsgrades in der Justiz gerecht zu werden. Seit dem Inkrafttreten des ersten Kostenrechtsmoder- nisierungsgesetzes im Jahr 2004 hat sich der Kosten- deckungsgrad der Justiz in den Ländern weiter verschlechtert. Dieser Entwicklung muss Einhalt ge- boten werden. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung deshalb auf, die finanziellen Auswirkungen des vorgesehe- nen Gesetzes auf die Länderhaushalte nochmals ein- gehend zu überprüfen, auf der Ausgabenseite die Mehrbelastungen in vollem Umfang zu berücksichti- gen und deutlich höhere Einnahmen für die Länder zu ermöglichen. Nur dadurch können die Länder ge- währleisten, dass die Justiz ihre Aufgabe, Rechts- schutz auf hohem Niveau innerhalb angemessener Zeit zu gewähren, auf Dauer erfüllen kann. Der Bundesrat spricht sich nachdrücklich dafür aus, im weiteren Gesetzgebungsverfahren die Vorschläge der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Kostendeckungs- grad in der Justiz“, wie sie Eingang in den Beschluss der Konferenz der Justizministerinnen und Justiz- minister am18. und 19. Mai 2011 in Halle gefunden haben, umfassend zu berücksichtigen. Dies gilt besonders für die Kernforderungen nach einer Anhe- bung der Wertgebühren nach § 34 des Gerichtskosten- gesetzes entsprechend der Preis- und Einkommensent- wicklung seit ihrer letzten linearen Anpassung im Jahr 1994 sowie für eine Anhebung der Gebührensätze in der Berufungs- und Beschwerdeinstanz. Der Bundesrat hält es außerdem für unabdingbar notwendig, das Gesetzgebungsverfahren zur Kos- tenbegrenzung im Prozesskostenhilfe- und Bera- tungshilferecht im zeitlichen Gleichlauf mit dem Gesetzgebungsverfahren für das Zweite Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts durchzuführen. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung und den Deutschen Bundestag auf, entweder den bereits wie- derholt eingebrachten Bundesratsinitiativen Fortgang zu geben oder unverzüglich einen Gesetzentwurf auf der Grundlage des Eckpunktepapiers des Bundes- ministeriums der Justiz zur Kostenbegrenzung im Pro- zesskostenhilfe- und Beratungshilferecht vorzulegen. Der Bundesrat verweist in diesem Zusammenhang auch auf den Beschluss der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder zur Entwicklung der Auslagen in Rechtssachen, der auf dem Jahrestreffen vom 26. bis 28. Oktober 2011 in Lübeck gefasst wurde. Der Bundesrat mahnt des Weiteren dringend eine Be- grenzung und einen Ausgleich der Mehrbelastungen beiden Ausgaben für Sachverständige, Dolmetscher und Übersetzer an. Insbesondere in Betreuungs- sachen, Strafsachen und in der Sozialgerichtsbarkeit ist bei niedrigen Rückflussquoten mit einem steilen Ausgabenanstieg zu rechnen. Begründung: Das Bundesministerium der Justiz hat im November 2011 den schon seit Längerem angekündigten Refe- rentenentwurf für das Zweite Gesetz zur Modernisie- rung des Kostenrechts vorgelegt. Der Bundesrat un- terstützt die Bestrebungen der Bundesregierung nach einer grundlegenden Überarbeitung der Kostenord- nung und der Justizverwaltungskostenordnung ebenso wie die mit dem Entwurf verfolgte Anpas- sung der zuletzt im Jahr 2004 novellierten Gesetze und der darin enthaltenen Gebühren. Viele der in dem Referentenentwurf vorgeschlagenen strukturel- len Änderungen gehen in die richtige Richtung. Nach den Ergebnissen eines Treffens der Amtsche- finnen und Amtschefs der Justizministerien der Län- der im Januar 2012 besteht indes Einigkeit, dass der Referentenentwurf vor dem Hintergrund der zu er- wartenden Auswirkungen auf die Landesjustizhaus- halte ohne wesentliche Korrekturen nicht akzeptiert werden kann. Die vom Bundesministerium der Justiz vorgeschla- genen Anpassungen bei den Gerichtsgebühren, und hier insbesondere die lineare Erhöhung der Wertge- bühren nach dem Gerichtskostengesetz und dem Ge- setz über Gerichtskosten in Familiensachen um lediglich 3,8 Prozent, sind nicht geeignet, den Kos- tendeckungsgrad in der Justiz nachhaltig zu verbes- sern. Es steht vielmehr zu besorgen, dass die ge- plante Novelle den Kostendeckungsgrad in der Justiz weiter verschlechtern wird. Die in dem Referentenentwurf vorgesehenen Anpas- sungen der Rechtsanwaltsgebühren, der Vergütungen für Sachverständige, Dolmetscher und Übersetzer und der Entschädigungen für Zeugen, ehrenamtliche Richterinnen und Richter und ehrenamtlich tätige Vormünder und Betreuer führen zu erheblichen Mehrbelastungen für die Länder bei den Auslagen in Rechtssachen, die ohne einen gleichzeitigen spürba- 20972 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 176. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. April 2012 (A) (C) (D)(B) ren Ausgleich auf der Einnahmeseite nicht zu schul- tern sein werden. Die Vorschläge der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Kostendeckungsgrad in der Justiz“, deren Ab- schlussbericht Grundlage des Beschlusses der Kon- ferenz der Justizministerinnen und Justizminister im Mai 2011 war, haben zwar in einigen wenigen Punk- ten Eingang in den Referentenentwurf gefunden. Die Kernforderung der Länder nach einer Gebührenerhö- hung um gut 20 Prozent bei den Wertgebühren nach dem Gerichtskostengesetz und dem Gesetz über Ge- richtskosten in Familiensachen wird allerdings nicht aufgegriffen. Auch die vorgeschlagene Anhebung der Gebühren für die zweite Instanz bleibt unberück- sichtigt. Der Referentenentwurf lässt darüber hinaus einen finanziellen Ausgleich für bereits heute absehbare kostenintensive Bundesgesetze vermissen. Der Zu- schussbedarf der Länder kann nur dann spürbar und nachhaltig zurückgeführt werden, wenn die weitere Entwicklung bis zum vorgeschlagenen Inkrafttreten des Gesetzes und für die Folgejahre hochgerechnet wird. Mit dieser Entschließung soll vor dem seitens des Bundesministeriums der Justiz anberaumten Arbeits- treffen im April 2012 und vor einer Beschlussfas- sung der Bundesregierung über einen Gesetzentwurf der Bundesregierung die Position der Länder ver- deutlicht werden. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat mitgeteilt, dass sie die folgenden Anträge zurückzieht: – Haushalt zukunftsfest machen – Nachhaltig sanie- ren – Ökologisch und sozial investieren auf Druck- sache 17/2327 – Den Deutschen Bundestag bei der Reform der Umsatzsteuer beteiligen auf Drucksache 17/2333 – Den Rüstungsexportbericht 2010 unverzüglich vorlegen und künftig ausführlicher gestalten auf Drucksache 17/7355 Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Absatz 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Auswärtiger Ausschuss – Unterrichtung durch die Bundesregierung Fortschrittsbericht der Bundesregierung zur Lage in Afghanistan 2010 – Drucksachen 17/4250, 17/4499 Nr. 1.7 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung zur Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik 2010/2011 – Drucksachen 17/8326, 17/8641 Nr. 1.5 – Finanzausschuss – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht über die Höhe des steuerfrei zu stellenden Exis- tenzminimums von Erwachsenen und Kindern für das Jahr 2012 (Achter Existenzminimumbericht) – Drucksache 17/5550 – Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung – Unterrichtung durch die Bundesregierung Rahmenprogramm Gesundheitsforschung der Bundes- regierung – Drucksache 17/4243 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Berufsbildungsbericht 2011 – Drucksache 17/5400 – – Bericht gemäß § 56a GO-BT des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Technikfolgenabschätzung (TA) Forschung zur Lösung des Welternährungsproblems – Ansatzpunkte, Strategien, Umsetzung – Drucksache 17/6026 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Forschungsagenda der Bundesregierung für den demo- grafischen Wandel – Das Alter hat Zukunft – Drucksache 17/8103 – Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden Unionsdokumente zur Kenntnis genommen oder von ei- ner Beratung abgesehen hat. Auswärtiger Ausschuss Drucksache 17/6985 Nr. A.7 Ratsdokument 10170/11 Drucksache 17/8967 Nr. A.1 EuB-BReg 12/2012 Drucksache 17/9130 Nr. A.1 EuB-BReg 13/2012 Drucksache 17/9130 Nr. A.2 EP P7_TA-PROV(2012)0057 Drucksache 17/9130 Nr. A.3 Ratsdokument 6696/12 Innenausschuss Drucksache 17/8227 Nr. A.11 Ratsdokument 17254/11 Drucksache 17/8426 Nr. A.2 Ratsdokument 17284/11 Drucksache 17/8515 Nr. A.17 Ratsdokument 18523/11 Drucksache 17/8515 Nr. A.19 Ratsdokument 18666/11 Haushaltsausschuss Drucksache 17/8856 Nr. A.8 Ratsdokument 5826/12 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 176. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. April 2012 20973 (A) (C) (D)(B) Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Drucksache 17/8426 Nr. A.41 Ratsdokument 17072/11 Drucksache 17/8856 Nr. A.15 Ratsdokument 5922/12 Drucksache 17/8856 Nr. A.16 Ratsdokument 5935/12 Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Drucksache 17/6985 Nr. A.68 Ratsdokument 11947/11 Drucksache 17/8515 Nr. A.44 EP P7_TA-PROV(2011)0585 Drucksache 17/8515 Nr. A.45 EP P7_TA-PROV(2011)0591 Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Drucksache 17/6985 Nr. A.69 Ratsdokument 12959/11 Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Drucksache 17/8515 Nr. A.49 Ratsdokument 18429/11 Drucksache 17/8515 Nr. A.50 Ratsdokument 18431/11 Drucksache 17/8515 Nr. A.51 Ratsdokument 18480/11 Drucksache 17/8856 Nr. A.20 Ratsdokument 5887/12 Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Drucksache 17/2994 Nr. A.61 Ratsdokument 10912/10 Drucksache 17/4598 Nr. A.22 Ratsdokument 18055/10 Drucksache 17/6407 Nr. A.33 Ratsdokument 11772/11 176. Sitzung Inhaltsverzeichnis TOP 34Umsetzung der EU-Hochqualifizierten-Richtlinie TOP 35Praxisgebühr, Zuzahlungen und Zusatzbeiträge ZP 6Stabilisierungsmechanismusgesetz TOP 37Stärkung der Gewerkschaften TOP 36Jugendgerichtliche Handlungsmöglichkeiten TOP 39Schutz vor Schienen- und Straßenlärm TOP 38Jugendpolitik Anlagen
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hermann Otto Solms


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)


    Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die

    Sitzung ist eröffnet.

    Der Zusatzpunkt 7, die von den Fraktionen der CDU/
    CSU und FDP verlangte Aktuelle Stunde mit dem Titel
    „Konjunkturprognose bestätigt: Deutschland weiterhin
    im Aufschwung“, wird heute abgesetzt. Sind Sie damit
    einverstanden? – Das scheint der Fall zu sein. Dann ist
    das so beschlossen.

    Ich rufe den Tagesordnungspunkt 34 a und b auf:

    a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre-
    gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
    zur Umsetzung der Hochqualifizierten-Richt-
    linie der Europäischen Union

    – Drucksache 17/8682 –

    Beschlussempfehlung und Bericht des Innenaus-
    schusses (4. Ausschuss)


    – Drucksache 17/9436 –

    Berichterstattung:
    Abgeordnete Reinhard Grindel
    Rüdiger Veit
    Hartfrid Wolff (Rems-Murr)

    Petra Pau
    Memet Kilic

    b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
    richts des Innenausschusses (4. Ausschuss)


    – zu dem Antrag der Abgeordneten Daniela
    Kolbe (Leipzig), Rüdiger Veit, Petra
    Ernstberger, weiterer Abgeordneter und der
    Fraktion der SPD

    Programm zur Unterstützung der Sicherung
    des Fachkräftebedarfs mit Mitteln des Auf-
    enthaltsrechts

    – zu dem Antrag der Abgeordneten Memet Kilic,
    Tabea Rößner, Brigitte Pothmer, weiterer Ab-

    geordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
    GRÜNEN

    Fachkräfteeinwanderung durch ein Punkte-
    system regeln

    – Drucksachen 17/9029, 17/3862, 17/9436 –

    Berichterstattung:
    Abgeordnete Reinhard Grindel
    Rüdiger Veit
    Hartfrid Wolff (Rems-Murr)

    Petra Pau
    Memet Kilic

    Zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung liegt ein
    Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grü-
    nen vor.

    Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
    die Aussprache anderthalb Stunden vorgesehen. Gibt es
    Widerspruch dagegen? – Das ist nicht der Fall. Dann ist
    auch das beschlossen.

    Dann eröffne ich jetzt die Aussprache und erteile als
    erstem Redner dem Bundesinnenminister Dr. Hans-Peter
    Friedrich das Wort.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


    Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister des In-
    nern:

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
    Herren! Noch niemals zuvor waren so viele Menschen in
    Deutschland in sozialversicherungspflichtigen Arbeits-
    verhältnissen beschäftigt. Die Wirtschaft in unserem
    Lande ist – trotz des schwierigen konjunkturellen und
    gesamtwirtschaftlichen Umfelds in der Welt und in Eu-
    ropa – leistungs- und wettbewerbsfähig. Wir müssen ge-
    meinsam dafür sorgen, dass das so bleibt.

    Da gibt es eine Reihe von Herausforderungen. Eine
    davon hat in dieser Woche eine besondere Rolle gespielt,
    auch bei der Kabinettssitzung: die demografische Ent-
    wicklung. Die Menschen in Deutschland werden weni-
    ger, vor allem die jungen Menschen werden weniger. Ein
    Rückgang der Zahl der Auszubildenden und Studenten





    Bundesminister Dr. Hans-Peter Friedrich


    (A) (C)



    (D)(B)


    heute bedeutet weniger Fachkräfte morgen. Wir brau-
    chen Fachkräfte: Schon heute haben wir in einigen Be-
    reichen die Situation, dass sich der Fachkräftemangel
    wachstumshemmend auswirkt.

    Deswegen hat sich die in dieser Woche vorgestellte
    Demografiestrategie auch mit der Frage beschäftigt: Wie
    können wir unter diesen Bedingungen die Wettbewerbs-
    fähigkeit und Leistungsfähigkeit der deutschen Wirt-
    schaft aufrechterhalten? Wichtigste Antwort: indem wir
    dafür sorgen, dass sich die Menschen entfalten können,
    dass das Potenzial, das wir im Lande haben, ausge-
    schöpft wird. Ich glaube, da sind wir alle in diesem Haus
    uns einig: Die Bildung unserer jungen Menschen, die
    Fort- und Weiterbildung, die Gestaltung einer Arbeits-
    welt, in der sich jeder optimal nach seinen persönlichen
    Möglichkeiten einbringen kann, das ist die wichtigste
    Antwort überhaupt.


    (Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Dann machen Sie doch mal was!)


    Wir müssen dafür sorgen, dass sich die Menschen in die-
    sem Lande einbringen können, auch in die Gestaltung
    der Zukunftsfähigkeit unserer Wirtschaft.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


    Zweitens. Deutschland ist attraktiv, als Land, als Le-
    bensstandort, als Arbeitsmarkt, attraktiv für viele junge
    Menschen in Europa. Wir haben in Europa eine durchaus
    heterogene Situation: Die Jugendarbeitslosigkeit in Spa-
    nien liegt über 45 Prozent, in Italien liegt sie über
    35 Prozent. In anderen Ländern, zum Beispiel Portugal,
    gibt es viele Hochschulabsolventen, die nach Arbeits-
    stellen, nach angemessener Beschäftigung suchen. De-
    nen sagen wir: Wir müssen Europa als eine gemeinsame
    Einheit sehen. Es muss innerhalb Europas selbstver-
    ständlich sein, von einem Land zum anderen zu ziehen,
    so wie es heute selbstverständlich ist, in Deutschland
    von einem Bundesland zum nächsten zu ziehen. Diese
    Möglichkeit müssen wir schaffen und attraktiv halten.

    Ich bin sehr froh, dass sich sowohl die Bundesanstalt
    für Arbeit, Frau Kollegin von der Leyen, als auch die Ar-
    beitgeberverbände sehr bemühen, insbesondere den jun-
    gen, qualifizierten Menschen überall in Europa zu sagen:
    Ihr werdet gebraucht. Wir müssen gemeinsam dafür sor-
    gen, dass unser Euro, dass das Euro-Land wettbewerbs-
    fähig bleibt. Jeder junge Mann und jede junge Frau, der
    oder die sich in Deutschland in den Arbeitsmarkt ein-
    bringen kann, statt in Italien arbeitslos zu sein, ist eine
    Entlastung für den Euro, ist ein Beitrag zur Wettbe-
    werbsfähigkeit Euro-Lands.

    Drittens. Deutschland ist immer schon ein weltoffe-
    nes Land gewesen. Wir sind Exportweltmeister, keine
    Frage. Handel und Wandel rund um den Globus, das ist
    schon immer – man kann fast sagen: seit Jahrhunderten –
    deutsches Prinzip gewesen. Es ist normal, dass junge,
    qualifizierte Menschen aus Deutschland ihr Glück in der
    Welt suchen. Von Kanada bis Australien gibt es deutsche
    Männer und Frauen, die ihr Glück suchen, und sie finden
    es auch. Umgekehrt wird es immer junge und auch alte
    Menschen geben, die ihr Glück in Europa, in Deutsch-
    land suchen wollen. Deswegen ist es notwendig und

    richtig, dass wir uns um das Thema Bevölkerungswan-
    derung in der Welt kümmern.

    Heute geht es um die Frage: Wie gewinnen wir für
    unser Land die Hochqualifizierten, die wir brauchen?
    Was können wir dafür tun, damit sie zu uns kommen?
    Erstens. Wir müssen sicherstellen, dass sie qualifiziert
    sind, also leistungsfähig, und dass sie auch Leistung
    bringen wollen. Zweitens. Wir müssen für attraktive Be-
    dingungen für ihre Lebensgestaltung sorgen, damit sie
    zu uns kommen wollen. Deswegen kommt in der Umset-
    zung der Bluecard-Richtlinie der Europäischen Union,
    die wir heute beraten, deutlich zum Ausdruck: Wenn je-
    mand 45 000 Euro Gehalt geboten bekommt, dann ist
    das zum einen ein klares Zeichen dafür, dass er von ei-
    nem Arbeitgeber gebraucht wird, und zum anderen, dass
    er leistungsfähig ist; denn sonst würde man ihm ein sol-
    ches Angebot nicht machen. Bei Mangelberufen geht
    man sogar von einem geringeren Mindestlohn von
    35 000 Euro aus, wobei das nicht heißt, dass dieser Min-
    destlohn der Preis ist, zu dem Ingenieure und Ärzte zu
    uns kommen, sondern es ist eine in der Richtlinie festge-
    legte Untergrenze; ich glaube, das muss man dazusagen.

    Was bieten wir den jungen Menschen, die zu uns
    kommen? Wir bieten ihnen nach drei Jahren – bei guter
    Integration nach zwei Jahren – eine unbefristete Nieder-
    lassungserlaubnis in Deutschland. Wir bieten ihnen – das
    ist in der Richtlinie ausdrücklich vorgesehen –, dass sie
    ihre Familien, ihre Frauen, ihre Männer, ihre Kinder,
    mitbringen können. Ich glaube, das ist ein wichtiges Kri-
    terium.


    (Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist nur die halbe Wahrheit!)


    Ein Ingenieur aus Indien hat keine Lust, seine Kinder zu-
    rückzulassen und alleine nach Deutschland zu kommen.
    Deshalb müssen wir ihm eine entsprechende Perspektive
    bieten. Auch das ist im Gesetz vorgesehen.

    Wir haben im Gesetz also folgenden Dreiklang für
    Deutschland vorgesehen: Geringqualifizierte erhalten
    eine befristete Aufenthaltsgenehmigung. Hochqualifi-
    zierte erhalten nach drei Jahren, manche nach zwei Jah-
    ren, ein Aufenthaltsrecht und Niederlassungsrecht.
    Höchstqualifizierte – also Nobelpreisträger – unterliegen
    keinen Einschränkungen; sie erhalten sofort die unbe-
    fristete Niederlassungserlaubnis.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


    Ich komme zu Ihren Anträgen, die sich mit dem
    Punktesystem auseinandersetzen. Welche Systematik hat
    das Gesetz, welche Systematik hat unser Ansatz? Wir sa-
    gen: Du kannst kommen, wenn du einen konkreten Ar-
    beitsplatz in Aussicht hast. – Mit dem Punktesystem, das
    viele Experten diskutieren und loben und das in vielen
    Ländern funktioniert, verfolgt man einen anderen An-
    satz: Wir holen Menschen, die bestimmte Eigenschaften
    haben, und geben ihnen für diese Eigenschaften Punkte.
    Die Frage ist, nach welchen Kriterien das geschieht. Ich
    habe gelernt: Es gibt eine zentrale Planungskommission,
    die diese Kriterien festlegen soll. Wenn die Menschen
    die Punkte haben, dann kommen sie. Die in dieser Wo-
    che behandelte Demografiestrategie zeigt aber, dass das





    Bundesminister Dr. Hans-Peter Friedrich


    (A) (C)



    (D)(B)


    nicht bedeutet, dass die Menschen da hingehen, wo wir
    sie zwingend brauchen. Sie steigen erst einmal in Mün-
    chen, Stuttgart oder Frankfurt aus dem Flugzeug, und
    dann ist noch lange nicht gesichert, dass sie im Erzge-
    birge, im Bayerischen Wald oder im Harz, wo sie in den
    mittelständischen Unternehmen gebraucht werden, an-
    kommen.

    Deswegen ist für uns der entscheidende Ansatz: Für
    die Möglichkeit, hierherzukommen, muss ein konkreter
    Arbeitsplatz mit einem bestimmten Mindesteinkommen
    nachgewiesen werden. Wir steuern die Zuwanderung
    nach Deutschland also nicht durch eine zentrale Pla-
    nungskommission, sondern jeder Arbeitgeber, jeder, der
    einen Betrieb unterhält und Fachkräfte braucht, hat die
    Möglichkeit, diese Leute zu holen.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


    Das bedeutet natürlich nicht, dass der Mittelständler
    nur in der Welt herumfährt, zum Beispiel nach Ägypten
    oder Indien, und nach Ingenieuren sucht, sondern das
    muss durch die Wirtschaft, die über ihre Verbände viele
    internationale Kontakte hat, organisiert werden. Zudem
    wollen wir die Möglichkeit schaffen, dass junge Männer
    und Frauen – damit sie nicht mit einem Drei-Monats-
    Touristenvisum hier herumfahren und nach einem Ar-
    beitsplatz suchen müssen – ein halbes Jahr Zeit haben,
    zu schauen, ob sie in diesem Land gebraucht werden
    bzw. ob ihnen jemand ein Angebot macht und bereit ist,
    für das, was sie bieten und leisten können, 45 000 Euro
    zu zahlen. Es ist also ein sechsmonatiges Visum zur Ar-
    beitsuche vorgesehen. Auch das ist, glaube ich, ein
    wichtiger Punkt in diesem Gesetz.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


    Ich komme zum letzten Punkt: Hochschulabsolven-
    ten. Wenn jemand in Deutschland mit deutschen Steuer-
    geldern eine Universität besucht hat, dort ausgebildet
    wurde, gut integriert ist, Deutsch kann und einen Hoch-
    schulabschluss hat, müssten wir verrückt sein, wenn wir
    dem sagen würden: Jetzt gehst du aber bitte wieder dahin
    zurück, wo du hergekommen bist. Vielmehr brauchen
    wir diese Leute. Wir wollen sie für unseren Arbeitsmarkt
    auch haben. Deswegen ist es gut und richtig, dass wir in
    diesem Gesetz auch Erleichterungen für diejenigen vor-
    sehen, die hier studiert und ihren Abschluss gemacht ha-
    ben.

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, insgesamt
    geht es jetzt darum, dass auch die Arbeitgeber aktiv wer-
    den. Die Zeiten sind vorbei, in denen man alles auf dem
    Silbertablett geliefert bekam. Vielmehr muss man etwas
    tun. Man muss sich darum kümmern, dass man die Men-
    schen, die man für seinen Betrieb, für sein Unternehmen
    braucht, auch bekommt. Wir schaffen die rechtlichen
    Voraussetzungen bzw. den Rahmen dafür. Ich denke,
    dass das ein guter Ansatz ist, und ich hoffe, dass dieses
    Gesetz hier mit großer Mehrheit angenommen wird.

    Vielen Dank.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)




Rede von Dr. Hermann Otto Solms
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

Das Wort hat die Kollegin Daniela Kolbe von der

SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Daniela Kolbe


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)


    Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und

    Kollegen! Fachkräftesicherung auch durch Zuwande-
    rung, das ist ein immer wichtiger werdendes Thema für
    unsere Volkswirtschaft. Das hat auch die Koalition er-
    kannt. Dazu erst einmal herzlichen Glückwunsch – und
    fast noch mehr dazu, dass Sie sich bei diesem Thema tat-
    sächlich zusammengerauft haben.

    Zur Ehrlichkeit gehört aber dazu, dass Sie erst durch
    die Bluecard-Richtlinie der Europäischen Union zum
    Handeln gezwungen worden sind. Sie haben Anfang
    März mit einem Jahr Verspätung ein Gesetz zur Umset-
    zung vorgelegt. Man kann sagen: Die Europäische
    Union hat hier ein gutes Werk getan und Schwarz-Gelb
    zum Jagen getragen.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Ein Teil des Lobes geht also an die Europäische Union.

    Wenn man den Gesetzentwurf, der hier am 1. März
    beraten worden ist, mit dem heute hier vorgelegten Ge-
    setzentwurf vergleicht, kann man sagen: Glücklicher-
    weise hat das Struck’sche Gesetz Wirkung gezeigt. Das
    Struck’sche Gesetz – für die, die es nicht kennen – lau-
    tet: Kein Gesetz verlässt den Bundestag so, wie es in ihn
    hineingekommen ist. Das hat dem Entwurf wirklich gut-
    getan. Der Gesetzentwurf, den wir heute beraten, ist ein
    anderer und besserer als der vom 1. März.


    (Rüdiger Veit [SPD]: Erstaunlich, aber gut!)


    Bevor ich zum Gesetz selber komme, erwähne ich ei-
    nen mindestens genauso wichtigen, wenn nicht sogar
    noch wichtigeren Aspekt: Es lohnt sich, die Wirkmäch-
    tigkeit dieses Gesetzes anzuschauen und sie einzuschät-
    zen. Was kann ein solches Gesetz beitragen, um den
    Fachkräftemangel in unserem Land wirklich abzumil-
    dern? Wenn man Herrn Friedrich zuhört, hat man den
    Eindruck, dass die gutqualifizierten Fachkräfte draußen
    vor dem Tor stehen und nur warten, dass die Bundesre-
    gierung endlich ein Gesetz einbringt, damit sie alle zu
    uns kommen können. Ich meine, dass die Erwartungen,
    die die Bundesregierung weckt, deutlich überzogen sind.

    Die Änderungen des bestehenden Zuwanderungsge-
    setzes sind moderat. Sie sind zum Großteil wirklich be-
    grüßenswert, aber eine Revolution ist das beileibe nicht.
    Um einem Fachkräftemangel vorzubeugen, wäre es
    wichtig, die Potenziale, die wir im Lande haben, zu he-
    ben, zum Beispiel im Bereich des Bildungssystems. Herr
    Friedrich, Sie haben dieses Thema zwar angesprochen,
    aber auf Aktivitäten, die dazu beitragen, dass in diesem
    Land wirklich jeder einen Schulabschluss macht, gege-
    benenfalls im zweiten oder dritten Anlauf, müssen wir
    lange warten. Im Gegenteil: Sie marschieren in die an-
    dere Richtung.





    Daniela Kolbe (Leipzig)



    (A) (C)



    (D)(B)


    Zur Vorbeugung eines Fachkräftemangels gehört
    auch, die Potenziale der hier lebenden Migrantinnen und
    Migranten in den Blick zu nehmen. Man darf nicht im-
    mer nur auf die gut Ausgebildeten im Ausland schielen.


    (Zuruf von der LINKEN: Sehr richtig!)


    Auch in dieser Hinsicht gilt bei Ihnen bisher: komplette
    Fehlanzeige.


    (Beifall bei der SPD – Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Lesen Sie das Gesetz einmal richtig, Frau Kolbe!)


    Noch wichtiger ist Folgendes: Wenn das Gesetz Wir-
    kung entfalten soll, wenn Hochqualifizierte wirklich
    nach Deutschland zuwandern sollen, dann brauchen wir
    eine lebendige Willkommenskultur. Das wird auch von
    Ihnen häufig angesprochen.


    (Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Der Begriff kommt von uns!)


    Zu einer Willkommenskultur gehört aber mehr als ein
    Sektempfang für die neue Kollegin aus Kanada. Auf-
    grund dieses Gesetzes sollen Menschen aus der ganzen
    Welt zu uns kommen. Eine Willkommenskultur wäre
    eine Kultur, die Vielfalt als Bereicherung begreift, eine
    Kultur, die Einwanderung als Bereicherung begreift, und
    zwar unabhängig von der ökonomischen Verwertbarkeit
    der Menschen, die zu uns kommen. Dabei geht es zum
    Beispiel auch um die Familienangehörigen. Es bedarf ei-
    ner Kultur, die Andersartigkeit als gleichwertig begreift.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Es bedarf einer Kultur weit ab von jeder Leitkultur-
    debatte.

    „Willkommenskultur“, das ist ein Wort, das gerade
    Sie sehr häufig im Munde führen.


    (Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Ja!)


    Wir werden das in der heutigen Debatte von Ihrer Seite
    noch häufig zu hören bekommen.


    (Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Selbstverständlich! Der Begriff kommt von uns, Frau Kolbe!)


    Ehrlich gesagt, liebe Kolleginnen und Kollegen von der
    Koalition: Damit geben Sie wirklich ein reichlich schrä-
    ges Bild ab. Hier hören wir Willkommenskulturforde-
    rungen en masse. Auf der anderen Seite haben wir einen
    Herrn Kauder, der über den Islam dampfplaudert, dass
    man vor lauter Kopfschütteln ein Schleudertrauma be-
    kommt,


    (Zurufe von der CDU/CSU: Oh! – Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Daran haben Sie aber lange gearbeitet!)


    und einen Innenminister, der uns jenseits aller Fakten er-
    klärt, wie schlimm die muslimische Jugend sei, und als
    Wahlkampfhilfe für Sarkozy gleich die europäischen
    Grenzen innen und außen dichtmachen will. Hinzu kom-
    men unsägliche Debatten über die doppelte Staatsange-
    hörigkeit.


    (Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Reden Sie doch mal zum Thema, Frau Kolbe!)


    Das ist absurdes Theater, das hier zur Aufführung
    kommt.


    (Beifall bei der SPD)


    Das Klima, das die Bundesregierung produziert, scha-
    det der Sache viel mehr, als drei solcher Gesetze wieder-
    gutmachen können. Ich finde, Herr Friedrich alleine
    schadet der Sache mehr, als es dieses Gesetz gutmachen
    kann. Zuwanderung von qualifizierten Fachkräften nach
    Deutschland ist längst kein Selbstläufer mehr. Die gut-
    qualifizierten Menschen entscheiden selbst, ob sie nach
    Deutschland kommen wollen.

    Max Frisch sagte einst, als wir schon einmal Fach-
    kräfte nach Deutschland gerufen haben, den wunderba-
    ren und emotionalen Satz: Wir riefen Arbeitskräfte, und
    es kamen Menschen. – Wenn aus diesem Satz nicht wer-
    den soll: „Wir riefen Arbeitskräfte, und es kam nie-
    mand“, dann haben gerade Ihre Parteien noch ein ganz
    schön großes Stück Arbeit vor sich.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Wir beraten heute einen Gesetzentwurf, der sich seit
    der ersten Lesung verbessert hat. Es freut uns, dass der
    Gesetzentwurf sich ein ganzes Stück dem SPD-Antrag
    genähert hat.


    (Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Stephan Mayer [Altötting] [CDU/ CSU]: Das ist eine kühne Behauptung!)


    Der Gesetzentwurf sieht vor, die Situation für Bildungs-
    ausländer, gerade für Studierende aus Drittstaaten und
    Azubis, zu verbessern


    (Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Das kommt aber nicht von der SPD, Frau Kolbe! Seien Sie einmal ein bisschen ehrlich!)


    – natürlich; lesen Sie unseren Antrag – und ihre Arbeit-
    suche in Deutschland zu erleichtern. Grundsätzlich posi-
    tiv ist, dass eine Aufenthaltserlaubnis zur Arbeitsplatzsu-
    che eingeführt wird. Wir hätten gerne ein Punktesystem
    zur Zuwanderung eingeführt bzw. ein entsprechendes
    Modellprojekt aufgelegt, weil ein solches Modell aus an-
    deren Ländern bekannt


    (Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]: Aber nicht bewährt!)


    und potenziellen Zuwanderern daher leichter zu vermit-
    teln ist. Ein solches Modell sendet das ganz klare Signal
    aus, dass wir Einwanderung wollen. Die von Ihnen vor-
    gesehene Erlaubnis zur Arbeitsuche ist aber ein Schritt
    in die richtige Richtung.

    Ausdrücklich loben möchte ich, dass Sie einen ganz
    pragmatischen Vorschlag aus unserem Antrag übernom-
    men haben, nämlich dass ein Antrag auf Vorrangprüfung
    für einen Arbeitnehmer, der bereits einen Arbeitsplatz in
    Deutschland gefunden hat, nach einer gewissen Zeit als
    genehmigt gilt,





    Daniela Kolbe (Leipzig)



    (A) (C)



    (D)(B)



    (Hartfrid Wolff [Rems-Murr] [FDP]: Das haben Sie erfunden?)


    auch wenn die zuständige Behörde noch nicht beschie-
    den hat. Genau diese Prüfung ist in der Tat für viele
    Unternehmen und viele Arbeitnehmerinnen und Arbeit-
    nehmer ein ganz langwieriges Prozedere, das sie nicht
    einschätzen können. Daher stellt sie ein großes Hinder-
    nis bei der Zuwanderung dar. Diese Entscheidungs-
    fiktion ist richtig. Sie setzen dafür einen Zeitraum von
    zwei Wochen an. Das ist aus unserer Sicht allerdings ein
    wenig zu kurz. Insgesamt haben wir also relativ viel
    Übereinstimmung hinsichtlich des Gesetzentwurfs.

    In einem Punkt widersprechen wir aber, und dieser
    betrifft das Herz Ihres Gesetzentwurfs: die Umsetzung
    der Bluecard-Richtlinie. Es geht um die Frage, wie viel
    ein Zuwanderer mindestens verdienen muss, um eine
    Bluecard zu erhalten. Für Mangelberufe schlägt die Bun-
    desregierung eine Schwelle von etwa 34 000 Euro Jah-
    resverdienst vor. Da können wir aus zwei Gründen nicht
    mitgehen:

    Erstens ist dies europarechtswidrig niedrig. Ich habe
    das in der ersten Lesung hier vorgetragen, und in der An-
    hörung wurde dem wenig Stichhaltiges entgegengesetzt.
    Ich möchte uns warnen, ein Gesetz, das möglicherweise
    europarechtswidrig ist, zu verabschieden.

    Zweitens ist diese Schwelle arbeitsmarktpolitisch zu
    niedrig. Wir sprechen über Fachkräfte, über Ingenieure,
    über Physikerinnen und Physiker, über Mathematikerin-
    nen und Mathematiker. 34 000 Euro Jahresgehalt bedeu-
    tet in diesen Branchen auch für Berufseinsteiger
    Lohndumping. Zum Vergleich: Das Einstiegsjahresge-
    halt im öffentlichen Dienst beträgt in TVöD 13 etwa
    40 000 Euro. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Die
    SPD will qualifizierte Zuwanderung, aber wir wollen
    kein Lohndumping.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Ich fasse zusammen: Der Gesetzentwurf geht in die
    richtige Richtung. Er enthält viele positive Aspekte. Die
    angesetzte Mindestverdienstgrenze halten wir jedoch
    politisch und rechtlich für zu niedrig angesetzt. Deshalb
    werden wir uns in der Abstimmung über den Gesetzent-
    wurf enthalten. Damit dieses Gesetz, dem wir in der
    Grundintention zustimmen, wirklich wirkt, damit also
    qualifizierte Menschen nach Deutschland kommen,
    muss sich an ganz anderer Stelle etwas ändern. Zuge-
    wanderte müssen wissen, dass sie – das muss gelebte
    Realität sein – in deutschen Unternehmen, Behörden und
    auf der Straße erwünscht und willkommen sind und
    wertgeschätzt werden. Bis wir diese Haltung durchge-
    setzt haben, ist es noch ein weiter Weg, gerade für diese
    Koalition.

    Vielen Dank.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)