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    Plenarprotokoll 17/165 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 165. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 8. März 2012 I n h a l t : Wahl des Abgeordneten Stefan Liebich als ordentliches Mitglied in das Kuratorium der „Stiftung Archiv der Parteien und Massen- organisationen der DDR“ . . . . . . . . . . . . . . Erweiterung und Abwicklung der Tagesord- nung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachträgliche Ausschussüberweisung . . . . . . Tagesordnungspunkt 3: a) Antrag der Abgeordneten Dorothee Bär, Markus Grübel, Nadine Schön, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/ CSU sowie der Abgeordneten Miriam Gruß, Nicole Bracht-Bendt, Florian Bernschneider, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Geschlechterge- rechtigkeit im Lebensverlauf (Drucksache 17/8879) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Gleichberechtigung in Entwicklungs- ländern voranbringen (Drucksache 17/8903) . . . . . . . . . . . . . . . . c) Antrag der Abgeordneten Angelika Graf (Rosenheim), Wolfgang Gunkel, Dr. h. c. Gernot Erler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Anerkennung und Wiedergutmachung des Leids der „Trostfrauen“ (Drucksache 17/8789) . . . . . . . . . . . . . . . . d) Antrag der Abgeordneten Renate Künast, Beate Müller-Gemmeke, Ekin Deligöz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Frauen verdienen mehr – Entgeltdiskriminie- rung von Frauen verhindern (Drucksache 17/8897) . . . . . . . . . . . . . . . e) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Erster Gleichstellungsbericht Neue Wege – Gleiche Chancen Gleichstellung von Frauen und Män- nern im Lebensverlauf (Drucksache 17/6240) . . . . . . . . . . . . . . . f) Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu dem Antrag der Ab- geordneten Cornelia Möhring, Diana Golze, Agnes Alpers, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Geschlechter- gerechte Besetzung von Führungsposi- tionen der Wirtschaft (Drucksachen 17/4842, 17/8830) . . . . . . . Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dagmar Ziegler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nicole Bracht-Bendt (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Yvonne Ploetz (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Renate Künast (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ingrid Fischbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Christel Humme (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Patrick Döring (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Cornelia Möhring (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dorothee Bär (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 19517 B 19517 B 19517 C 19517 D 19517 D 19518 A 19518 A 19518 A 19518 B 19518 C 19519 C 19521 B 19522 C 19524 A 19526 A 19527 C 19529 A 19529 B 19530 B 19531 B 19532 A Inhaltsverzeichnis II Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 165. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. März 2012 Karin Roth (Esslingen) (SPD) . . . . . . . . . . . . Dr. Christiane Ratjen-Damerau (FDP) . . . . . . Nadine Schön (St. Wendel) (CDU/CSU) . . . . Angelika Graf (Rosenheim) (SPD) . . . . . . . . Sabine Weiss (Wesel I) (CDU/CSU) . . . . . . . Erika Steinbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 4: Antrag der Abgeordneten Bärbel Höhn, Sylvia Kotting-Uhl, Hans-Josef Fell, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Ein Jahr Fuku- shima – Die Energiewende muss weiterge- hen (Drucksache 17/8898) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Michael Paul (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Ute Vogt (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . Dr. Matthias Miersch (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Michael Kauch (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Jens Koeppen (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Marco Bülow (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus Breil (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dorothée Menzner (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Josef Göppel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Michael Gerdes (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Angelika Brunkhorst (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Dieter Jasper (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 31: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Abkommen vom 12. Okto- ber 2011 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Indien über Soziale Sicherheit (Drucksache 17/8727) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Änderung des Eurojust-Geset- zes (Drucksache 17/8728) . . . . . . . . . . . . . . . . c) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu der Siebten Änderung des Über- einkommens über den Internationalen Währungsfonds (IWF) (Drucksache 17/8839) . . . . . . . . . . . . . . . d) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu den Änderungen vom 30. Sep- tember 2011 des Übereinkommens vom 29. Mai 1990 zur Errichtung der Euro- päischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (Drucksache 17/8840) . . . . . . . . . . . . . . . e) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Abkommen vom 19. Septem- ber 2011 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Türkei zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und der Steuerverkürzung auf dem Ge- biet der Steuern vom Einkommen (Drucksache 17/8841) . . . . . . . . . . . . . . . f) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Vertrag vom 30. November 2011 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Zentralrat der Juden in Deutschland – Körperschaft des öffentlichen Rechts – zur Änderung des Vertrages vom 27. Januar 2003 zwi- schen der Bundesrepublik Deutschland und dem Zentralrat der Juden in Deutschland – Körperschaft des öffent- lichen Rechts – zuletzt geändert durch den Vertrag vom 3. März 2008 (Drucksache 17/8842) . . . . . . . . . . . . . . . g) Antrag der Abgeordneten Dr. Ernst Dieter Rossmann, Willi Brase, Ulla Burchardt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Förderung der Bildungsfor- schung weiter vorantreiben (Drucksache 17/8604) . . . . . . . . . . . . . . . h) Antrag der Abgeordneten Paul Schäfer (Köln), Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Kein Zugang von Kindern und Jugendlichen zu Kriegswaffen bei Bundeswehr-Veranstaltungen (Drucksache 17/8609) . . . . . . . . . . . . . . . i) Antrag der Abgeordneten Harald Koch, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Für eine kostenfreie und um- fassende Betreuungskommunikation im Einsatz (Drucksache 17/8795) . . . . . . . . . . . . . . . j) Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: 19533 C 19534 C 1953 D 19537 A 19537 D 19538 D 19539 D 19539 D 19541 B 19542 B 19543 C 19544 A 19545 C 19547 B 19547 D 19549 AC 19551 B 19552 A 19553 C 19554 A 19555 B 19556 C 19557 C 19559 B 19559 C 19559 C 19559 C 19559 D 19559 D 19560 A 19560 A 19560 A Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 165. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. März 2012 III Für eine moderne und umfassende Be- treuungskommunikation im Einsatz (Drucksache 17/8895) . . . . . . . . . . . . . . . . k) Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Schweinepest tierschonend bekämp- fen – Notimpfung ersetzt grundloses Keulen (Drucksache 17/8893) . . . . . . . . . . . . . . . . l) Antrag der Abgeordneten Kerstin Tack, Elvira Drobinski-Weiß, Willi Brase, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Verbraucherschutz stärken – Fi- nanzmarktwächter einführen (Drucksache 17/8894) . . . . . . . . . . . . . . . . m) Antrag der Abgeordneten Martin Gerster, Dagmar Freitag, Sabine Bätzing- Lichtenthäler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Doping an Olym- piastützpunkten, Bundesleistungszen- tren und Bundesstützpunkten konse- quent bekämpfen (Drucksache 17/8896) . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 32: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung des Energie- verbrauchskennzeichnungsrechts (Drucksachen 17/8427, 17/8803, 17/8900) b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Kultur und Medien zu dem Antrag der Abgeordneten Thomas Silberhorn, Monika Grütters, Michael Kretschmer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Ab- geordneten Reiner Deutschmann, Burkhardt Müller-Sönksen, Patrick Döring, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: UNESCO-Welterbestätten in Deutsch- land stärken (Drucksachen 17/7357, 17/8858) . . . . . . . c) – i) Beschlussempfehlungen des Petitionsaus- schusses: Sammelübersichten 397, 398, 399, 400, 401, 402 und 403 zu Petitionen (Drucksachen 17/8779, 17/8780, 17/8781, 17/8782, 17/8783, 17/8784, 17/8785) . . . . Zusatztagesordnungspunkt 2: Wahlvorschläge der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP, DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wahl der vom Deutschen Bun- destag zu benennenden Mitglieder des Deutschen Ethikrats gemäß den §§ 4 und 5 des Ethikratgesetzes (Drucksache 17/8881) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 3: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion DIE LINKE: Zivilcourage gegen Nazis stär- ken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ingrid Remmers (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU) . . . . . . . . . Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD) . . . . . . . . . . . Dr. Stefan Ruppert (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Monika Lazar (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU) . . . . Sönke Rix (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Patrick Kurth (Kyffhäuser) (FDP) . . . . . . . . . Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . Ruprecht Polenz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Sonja Steffen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eckhard Pols (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Ingrid Remmers (DIE LINKE) (Erklärung nach § 32 GO) . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 5: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Kraft-Wärme-Kopplungsge- setzes (Drucksache 17/8801) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rolf Hempelmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Thomas Bareiß (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus Breil (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dirk Becker (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Franz Obermeier (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 6: Große Anfrage der Abgeordneten Siegmund Ehrmann, Martin Dörmann, Petra Ernstberger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Musikförderung durch den Bund (Drucksachen 17/4901, 17/7222) . . . . . . . . . . 19560 B 19560 B 19560 C 19560 C 19560 D 19561 A 19561 B 19562 A 19562 A 19562 A 19563 B 19564 C 19566 A 19567 A 19567 C 19569 D 19571 A 19572 B 19573 D 19575 A 19576 A 19577 A 19577 D 19578 A 19578 D 19580 A 19582 B 19583 C 19585 B 19586 B 19588 A 19589 A IV Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 165. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. März 2012 Siegmund Ehrmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU) . . Dr. Lukrezia Jochimsen (DIE LINKE) . . . . . . Reiner Deutschmann (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Agnes Krumwiede (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Christoph Poland (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Paul Lehrieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 7: Antrag der Abgeordneten Klaus-Peter Flosbach, Dr. Michael Meister, Peter Altmaier, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Dr. Daniel Volk, Holger Krestel, Dr. Birgit Reinemund, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Rohstoffderivatemärkte gezielt regulieren (Drucksache 17/8882) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ralph Brinkhaus (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Dr. Carsten Sieling (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Helmut Heiderich (CDU/CSU) . . . . . . . . . Björn Sänger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulla Lötzer (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peter Aumer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . Lothar Binding (Heidelberg) (SPD) . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 8: Antrag der Abgeordneten Sabine Zimmermann, Jutta Krellmann, Ulla Lötzer, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion DIE LINKE: Schle- cker-Verkäuferinnen unterstützen – Arbeits- plätze und Tarifverträge erhalten – Einfluss der Beschäftigten stärken (Drucksache 17/8880) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sabine Zimmermann (DIE LINKE) . . . . . . . . Paul Lehrieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Sabine Zimmermann (DIE LINKE) . . . . . Gabriele Hiller-Ohm (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Gabriele Molitor (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gitta Connemann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Sabine Zimmermann (DIE LINKE) . . . . . Tagesordnungspunkt 9: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Umwelt, Naturschutz und Reak- torsicherheit zu dem Antrag der Abgeordne- ten Dr. Thomas Gebhart, Marie-Luise Dött, Peter Altmaier, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abge- ordneten Horst Meierhofer, Michael Kauch, Angelika Brunkhorst, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Deutsches Res- sourceneffizienzprogramm – Ein Baustein für nachhaltiges Wirtschaften (Drucksachen 17/8575, 17/8875) . . . . . . . . . . Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gerd Bollmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Horst Meierhofer (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Thomas Gebhart (CDU/CSU) . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 10: Antrag der Abgeordneten Ulla Burchardt, Swen Schulz (Spandau), Dr. Ernst Dieter Rossmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Steuerungsfehler bei der Hochschul- zulassung untersuchen und Zulassungsre- form besser unterstützen (Drucksache 17/8884) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Swen Schulz (Spandau) (SPD) . . . . . . . . . . . Monika Grütters (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Nicole Gohlke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Dr. Martin Neumann (Lausitz) (FDP) . . . . . . Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Florian Hahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Klaus Hagemann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 11: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Ge- meindefinanzreformgesetzes (Drucksachen 17/8235, 17/8867) . . . . . . . . . . Antje Tillmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Bernd Scheelen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Birgit Reinemund (FDP) . . . . . . . . . . . . . Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 19589 B 19591 C 19593 A 19594 A 19595 C 19596 D 19597 D 19599 A 19599 A 19601 A 19602 A 19602 D 19604 A 19605 A 19606 A 19607 C 19608 B 19608 C 19609 C 19610 B 19611 A 19612 C 19613 C 19614 B 19615 C 19616 C 19616 C 19618 A 19619 C 19621 B 19622 B 19623 B 19624 C 19624 D 19625 D 19627 B 19628 B 19629 C 19630 C 19631 C 19632 D 19633 A 19635 B 19637 A 19638 A Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 165. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. März 2012 V Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 12: a) Antrag der Fraktion der SPD: Neurege- lung des Rechts der Sicherungsverwah- rung (Drucksache 17/8760) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Halina Wawzyniak, Jan Korte, Ulla Jelpke, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion DIE LINKE: Ein- setzung einer Expertenkommission zur Sicherungsverwahrung (Drucksache 17/7843) . . . . . . . . . . . . . . . . Burkhard Lischka (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Ansgar Heveling (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Halina Wawzyniak (DIE LINKE) . . . . . . . . . Christian Ahrendt (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Norbert Geis (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 13: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Reform des Kapitalanleger-Musterverfah- rensgesetzes (Drucksache 17/8799) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 14: Antrag der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Eva Bulling-Schröter, Sabine Leidig, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Wirksame Anreize für klimafreundlichere Firmenwagen (Drucksache 17/8883) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 15: a) Antrag der Abgeordneten Anette Hübinger, Albert Rupprecht (Weiden), Michael Kretschmer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Dr. Peter Röhlinger, Dr. Martin Neumann (Lausitz), Patrick Meinhardt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Forschung und Produktentwicklung für vernachlässigte und armutsassoziierte Erkrankungen stärken (Drucksache 17/8788) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Uwe Kekeritz, Krista Sager, Birgitt Bender, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Das Menschen- recht auf Gesundheit umsetzen – Zu- gang zu Medikamenten weltweit ver- wirklichen (Drucksache 17/8493) . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 16: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- wärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Marieluise Beck (Bremen), Manuel Sarrazin, Dr. Frithjof Schmidt, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Für eine Strategie zur europäischen Integration der Länder des westlichen Balkans (Drucksachen 17/7774, 17/8396) . . . . . . . . . . Dr. Rainer Stinner (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Josip Juratovic (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Roderich Kiesewetter (CDU/CSU) . . . . . . . . Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thomas Silberhorn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 17: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Vereinfachung des Aus- tauschs von Informationen und Erkenntnis- sen zwischen den Strafverfolgungsbehör- den der Mitgliedstaaten der Europäischen Union (Drucksachen 17/5096, 17/8870) . . . . . . . . . . Armin Schuster (Weil am Rhein) (CDU/CSU) Frank Hofmann (Volkach) (SPD) . . . . . . . . . . Gisela Piltz (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 18: – Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 13. Februar 2007 zwi- schen der Regierung der Bundesrepu- blik Deutschland und der Regierung des Staates Kuwait über die Zusam- menarbeit im Sicherheitsbereich (Drucksachen 17/7601, 17/8820) . . . . . . . 19639 A 19640 A 19640 B 19640 B 19641 B 19643 A 19644 A 19645 A 19645 D 19647 A 19647 A 19647 B 19647 C 19647 D 19648 A 19649 B 19650 D 19652 A 19652 D 19654 A 19654 A 19655 B 19656 A 19656 D 19657 C 19659 B VI Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 165. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. März 2012 – Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 22. Februar 2009 zwi- schen der Regierung der Bundesrepu- blik Deutschland und der Regierung des Staates Katar über die Zusammen- arbeit im Sicherheitsbereich (Drucksachen 17/7602, 17/8820) . . . . . . . – Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Ab- kommen vom 10. März 2009 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Re- publik Kroatien über die Zusammenar- beit bei der Bekämpfung der Organi- sierten und der schweren Kriminalität (Drucksachen 17/7603, 17/8820) . . . . . . . – Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Ab- kommen vom 27. Mai 2009 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung des Kö- nigreichs Saudi-Arabien über die Zu- sammenarbeit im Sicherheitsbereich (Drucksachen 17/7604, 17/8820) . . . . . . . – Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Ab- kommen vom 14. April 2010 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Re- publik Kosovo über die Zusammenar- beit im Sicherheitsbereich (Drucksachen 17/7605, 17/8820) . . . . . . . – Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Ab- kommen vom 30. August 2010 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und dem Ministerkabinett der Ukraine über die Zusammenarbeit im Bereich der Bekämpfung der Orga- nisierten Kriminalität, des Terrorismus und anderer Straftaten von erheblicher Bedeutung (Drucksachen 17/7606, 17/8820) . . . . . . . Clemens Binninger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Wolfgang Gunkel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Gisela Piltz (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 19: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Bildung, Forschung und Tech- nikfolgenabschätzung – zu dem Antrag der Abgeordneten René Röspel, Dr. Ernst Dieter Rossmann, Dr. Hans-Peter Bartels, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der SPD: Bioban- ken als Instrument von Wissenschaft und Forschung ausbauen, Biobanken- Gesetz prüfen und Missbrauch geneti- scher Daten und Proben wirksam ver- hindern – zu dem Antrag der Abgeordneten Priska Hinz (Herborn), Birgitt Bender, Markus Kurth, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Schutz von Patientinnen und Patienten bei der genetischen Forschung in einem Biobanken-Gesetz sicherstellen (Drucksachen 17/3868, 17/3790, 17/8873) . . Dr. Thomas Feist (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . René Röspel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Peter Röhlinger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Petra Sitte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Krista Sager (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 20: Antrag der Abgeordneten Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, Christine Buchholz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Diplomatische Beziehungen zu Palästina aufwerten (Drucksache 17/8375) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Joachim Hörster (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Dr. Wolfgang Götzer (CDU/CSU) . . . . . . . . . Günter Gloser (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Birgit Homburger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 21: Antrag der Abgeordneten Kai Gehring, Krista Sager, Ekin Deligöz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Kooperation ermöglichen – Gemein- sam Verantwortung für die großen Heraus- forderungen in Bildung und Wissenschaft übernehmen (Drucksache 17/8902) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19659 C 19659 C 19659 C 19659 D 19659 D 19660 A 19660 D 19661 D 19663 A 19663 C 19665 A 19665 B 19668 A 19669 A 19669 D 19670 C 19671 C 19671 C 19672 D 19673 C 19674 B 19674 C 19675 B 19676 B Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 165. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. März 2012 VII Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU) . . Tankred Schipanski (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Swen Schulz (Spandau) (SPD) . . . . . . . . . . . . Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) . . . . . . . . . Heiner Kamp (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Rosemarie Hein (DIE LINKE) . . . . . . . . . Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 22: Zweite und dritte Beratung des von den Abge- ordneten Sabine Zimmermann, Dr. Ilja Seifert, Dr. Martina Bunge, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Neunten Buches Sozialgesetzbuch – Ge- setzliche Fristen für die Feststellung der Behinderung und die Erteilung des Aus- weises (Drucksachen 17/6586, 17/8445) . . . . . . . . . . Maria Michalk (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Ulrich Lange (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Silvia Schmidt (Eisleben) (SPD) . . . . . . . . . . . Gabriele Molitor (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Sabine Zimmermann (DIE LINKE) . . . . . . . . Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 23: Antrag der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Hans-Christian Ströbele, Wolfgang Wieland, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Beobachtung und Überwachung von Mitgliedern des Deutschen Bundestages durch deutsche Geheimdienste (Drucksache 17/8797) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bernhard Kaster (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Manfred Grund (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Sonja Steffen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP) . . . . . . . . Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) . . . . . . Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 24: Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Petra Sitte, Halina Wawzyniak, Jan Korte, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Ermöglichung der privaten Weiter- veräußerung unkörperlicher Werkexem- plare (Drucksache 17/8377) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ansgar Heveling (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Burkhard Lischka (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Stephan Thomae (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Petra Sitte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 25: Antrag der Abgeordneten Dorothea Steiner, Oliver Krischer, Tabea Rößner, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Sammlung und Recycling von Elektronikschrott verbessern (Drucksache 17/8899) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Brand (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Gerd Bollmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Horst Meierhofer (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Dorothée Menzner (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Berichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Reform des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes (Tagesordnungspunkt 13) Dr. Jan-Marco Luczak (CDU/CSU) . . . . . . . . Thomas Silberhorn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Ingo Egloff (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 19676 B 19677 B 19678 C 19679 A 19681 A 19682 B 19683 B 19684 D 19685 A 19685 D 19686 B 19686 D 19687 C 19688 A 19688 C 19688 D 19689 C 19690 C 19691 A 19691 D 19692 B 19693 A 19693 A 19694 B 19695 A 19696 A 19696 C 19698 A 19698 A 19699 B 19700 C 19701 C 19702 A 19703 C 19703 C 19705 A 19705 C 19706 D 19707 D 19708 D VIII Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 165. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. März 2012 Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Wirksame Anreize für kli- mafreundlichere Firmenwagen (Tagesordnungspunkt 14) Olav Gutting (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Nicolette Kressl (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Daniel Volk (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Lisa Paus (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Anträge: – Forschung und Produktentwicklung für vernachlässigte und armutsassoziierte Erkrankungen stärken – Das Menschenrecht auf Gesundheit umsetzen – Zugang zu Medikamenten weltweit verwirklichen (Tagesordnungspunkt 15 a und b) Anette Hübinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . René Röspel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Peter Röhlinger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Petra Sitte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts zu dem Antrag: Für eine Strategie zur europäi- schen Integration der Länder des westli- chen Balkans (Tagesordnungspunkt 16) Sevim Dağdelen (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 19709 C 19710 D 19711 B 19712 C 19713 B 19713 D 19714 B 19715 B 19716 C 19717 D 19718 C 19719 B 19719 D 19721 A Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 165. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. März 2012 19517 (A) (C) (D)(B) 165. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 8. März 2012 Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung 163. Sitzung, Seite 19409 A, der zweite Absatz ist wie folgt zu lesen: Man kann es nicht schöner sagen als der Bundesgerichtshof, 5. Senat, in einer Entscheidung vom 9. Mai 2006, Randziffer 28, wo es heißt: „Amtsausübung ist etwas anderes als Mandatsausübung.“ Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 165. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. März 2012 19705 (A) (C) (D)(B) Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Reform des Kapitalanleger-Musterverfahrens- gesetzes (Tagesordnungspunkt 13) Dr. Jan-Marco Luczak (CDU/CSU): Der Deutsche Bundestag hat das Kapitalanleger-Musterverfahrensge- setz – oder kurz KapMuG – im Jahr 2005 beschlossen. Auslöser für die Gesetzesinitiative war eine Prozessla- wine im Jahr 2000 von knapp 15 000 Anlegern, die sich durch einen falschen Verkaufsprospekt der Deutschen Telekom AG zum Aktienkauf bewegt sahen. Bei den Klägern handelte es sich zu einem großen Teil um Men- schen, die erstmals Aktien gekauft hatten, weil sie der „Volksaktie“ der Telekom vertraut hatten. Damals zeigte sich, dass das deutsche Verfahrensrecht für solche Massenverfahren kein geeignetes Instrumen- tarium zur Verfügung stellte – die tatsächlich wie recht- lich außerordentlich komplexen Verfahren zogen sich über Jahre hin. Einige Kläger riefen daraufhin das Bun- desverfassungsgericht an. Dieses sah zwar im Ergebnis das Recht der Kläger auf einen wirkungsvollen, nämlich in angemessener Zeit erfolgenden gerichtlichen Rechts- schutz nicht als verletzt an. Das Bundesverfassungsge- richt machte aber deutlich, dass ein besonderes verfah- rensrechtliches Instrument bei Massenverfahren zur Vermeidung überlanger Verfahrensdauern notwendig sein könnte. Das KapMuG war die Reaktion des Gesetzgebers auf diese Umstände. Es berücksichtigte vor allem die Er- kenntnis, dass falsche Kapitalmarktinformationen oder unrichtige Börsenprospekte keineswegs nur wenige Großinvestoren schädigen können. Auch viele Kleinan- leger mit vergleichsweise geringen finanziellen, soge- nannten Streuschäden können betroffen sein. Aufgrund der Vielzahl der Geschädigten kann die Schadenssumme hier jedoch schnell im mehrstelligen Millionenbereich liegen. Das KapMuG wollte hier ein effektives kollekti- ves Rechtsschutzinstrument zur Verfolgung individueller Schadensersatzansprüche zur Verfügung stellen. Die Kosten für den einzelnen Anleger sollten möglichst klein gehalten und die Gerichte von den massenhaften Klagen entlastet werden. Um das zu erreichen, stellt das KapMuG ein Muster- verfahren zur Verfügung, in dem bestimmte tatsächliche und rechtliche Fragen einheitlich und verbindlich für eine Vielzahl gleichgelagerter Fälle entschieden werden können. Dieses Musterverfahren war ein Novum im deutschen Prozessrecht – der Gesetzgeber hat den An- wendungsbereich daher auf das Kapitalmarktrecht be- schränkt und auch die Geltungsdauer des Gesetzes auf zunächst fünf Jahre befristet. In dieser Zeit sollte das Ge- setz evaluiert werden. Nach einer Verlängerung der Gel- tungsdauer um weitere zwei Jahre tritt das Gesetz nun- mehr am 31. Oktober 2012 außer Kraft. Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Bosbach, Wolfgang CDU/CSU 08.03.2012 Burchardt, Ulla SPD 08.03.2012 Dreibus, Werner DIE LINKE 08.03.2012 Fischer (Karlsruhe- Land), Axel E. CDU/CSU 08.03.2012 Friedhoff, Paul K. FDP 08.03.2012 Dr. Friedrich (Hof), Hans-Peter CDU/CSU 08.03.2012 Gerster, Martin SPD 08.03.2012 Granold, Ute CDU/CSU 08.03.2012 Gruß, Miriam FDP 08.03.2012 Hinz (Essen), Petra SPD 08.03.2012 Kelber, Ulrich SPD 08.03.2012 Koch, Harald DIE LINKE 08.03.2012 Dr. Kofler, Bärbel SPD 08.03.2012 Lenkert, Ralph DIE LINKE 08.03.2012 Luksic, Oliver FDP 08.03.2012 Müller (Erlangen), Stefan CDU/CSU 08.03.2012 Nord, Thomas DIE LINKE 08.03.2012 Pflug, Johannes SPD 08.03.2012 Roth (Augsburg), Claudia BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 08.03.2012 Schlecht, Michael DIE LINKE 08.03.2012 Dr. Schmidt, Frithjof BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 08.03.2012 Süßmair, Alexander DIE LINKE 08.03.2012 Dr. Troost, Axel DIE LINKE 08.03.2012 Weinberg, Harald DIE LINKE 08.03.2012 Werner, Katrin DIE LINKE 08.03.2012 Dr. Winterstein, Claudia FDP 08.03.2012 Wunderlich, Jörn DIE LINKE 08.03.2012 Anlagen 19706 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 165. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. März 2012 (A) (C) (D)(B) Wie sind nun die Erfahrungen mit dem KapMuG? Unter dem Strich können wir sagen: Das Gesetz hat sich bewährt. Die Evaluation hat ergeben, dass das Muster- feststellungsverfahren nach dem KapMuG ein taugliches Instrument zur Bewältigung von Massenklagen im Be- reich des Kapitalmarktrechts ist. Kleinanleger können Schadensersatzansprüche damit besser bündeln, und die Gerichte sind entlastet worden. Die bisher recht geringe Anzahl der Verfahren zeigt aber auch, dass das Gesetz an einigen Stellen verbessert werden kann und muss. Der vorgelegte Gesetzentwurf der Bundesregierung verbindet die positiven Erfahrungen mit den notwendi- gen Änderungen: Die Grundstruktur und die Prinzipien des bisherigen KapMuG werden beibehalten. Die zahl- reichen Änderungen werden in einem neuen Stammge- setz zusammengeführt, das KapMuG also von Grund auf neu gefasst. Worum geht es im Einzelnen? Zunächst wird der An- wendungsbereich des KapMuG moderat ausgeweitet. Es bleibt zwar bei der Beschränkung auf kapitalmarktrecht- liche Ansprüche; denn für ein allgemeines Instrument des kollektiven Rechtsschutzes für alle zivilrechtlichen Ansprüche ist es noch zu früh, es besteht auch nicht in gleicher Weise ein Bedarf. Das Gesetz soll zukünftig aber solche Schadensersatzansprüche erfassen, die aus einer fehlerhaften Anlageberatung und Anlagevermitt- lung resultieren. Es sollen also nicht nur diejenigen Fälle erfasst werden, in denen der Schadensersatz unmittelbar durch eine fehlerhafte Kapitalmarktinformation verur- sacht wird, sondern auch solche Fälle, in denen ein nur mittelbarer Zusammenhang besteht. Das ist sachgerecht. Die Unterscheidung von unmittelbarer und mittelbarer Verursachung eines Schadens ist in der Praxis häufig schwierig und in der Sache auch nicht angemessen. Des Weiteren wird der Vergleichsabschluss im Mus- terverfahren erleichtert. Nach dem bisherigen KapMuG ist ein Vergleich nur dann möglich, wenn alle Beteiligten – Musterkläger, Musterbeklagte und alle Beigeladenen – diesem zustimmen. Das hat sich in der Praxis als kaum erfüllbar erwiesen. Der Gesetzentwurf führt daher nun- mehr einen gerichtlich gebilligten Vergleich zwischen Musterkläger und Musterbeklagten mit Austrittsmög- lichkeit ein. Dabei hört das Gericht die Beigeladenen le- diglich an, ob der Vergleich eine angemessene Lösung darstellt. Zustimmen müssen sie hingegen nicht mehr. Billigt das Gericht den Vergleich, wird er grundsätzlich für alle Beteiligten verbindlich. Die Beigeladenen kön- nen allerdings innerhalb eines Monats ihren Austritt aus dem Vergleich erklären. Für die Ausgetretenen wird der Vergleich dann nicht verbindlich. Ich begrüße grundsätz- lich, dass der Abschluss eines Vergleiches durch die Ab- kehr vom Zustimmungserfordernis erleichtert wird. Im parlamentarischen Verfahren prüfen müssen wir aller- dings die Frage, ob ein bestimmtes Quorum als Voraus- setzung für die Wirksamkeit des Vergleichs gesetzlich festgelegt werden muss oder ob es ausreicht, dass die Parteien ein solches vereinbaren können. Ziel der Reform ist schließlich, das Musterverfahren zu beschleunigen. Bislang konnten bis zum Beginn des Musterverfahrens viele Monate vergehen. Zukünftig sol- len zulässige Musterverfahrensanträge von den Gerich- ten innerhalb von drei Monaten im Klageregister be- kannt gemacht werden. Das soll für eine stärkere Entlastungswirkung der Gerichte und für einen effekti- veren Rechtsschutz sorgen. Der vorgelegte Gesetzentwurf geht in die richtige Richtung. Das KapMuG kann, wie ich meine, mit den vorgesehenen Änderungen entfristet werden. Einige we- nige Kritikpunkte gibt es dennoch, die im parlamentari- schen Verfahren genau zu prüfen sind: Das gilt zunächst für die Frage, ob eine sogenannte einfache Teilnahme am Musterverfahren ermöglicht wer- den kann. Dabei geht es darum, dass geschädigte Anle- ger unterhalb der Schwelle der förmlichen Klageerhe- bung am Musterverfahren beteiligt und insbesondere in die Wirkungen des Musterbescheids bzw. gegebenen- falls Vergleichs einbezogen werden können. Das könnte die Effizienz und die Breitenwirkung des Verfahrens möglicherweise verbessern. Möglicherweise muss auch dem OLG, das für die Ent- scheidung über die Feststellungsziele inhaltlich zustän- dig ist, mehr Entscheidungsfreiheit eingeräumt werden. Die jetzt vorgesehene Bindung des OLG an den Vorlage- beschluss führt dazu, dass es unter Umständen die im Vorlagebeschluss aufgeführten Feststellungsziele prüfen muss, obwohl es diese nicht für entscheidungserheblich hält. Die Zulassung einer Modifizierung der Vorlageziele muss man daher prüfen. Schließlich sehe ich hinsichtlich der vorgesehenen Verschärfung der Voraussetzungen, unter denen ein Ge- richt nach § 145 ZPO mehrere in einer Klage erhobene Ansprüche trennen und gesondert verhandeln kann, noch Prüfbedarf. Bei dieser Änderung geht es nicht nur um eine Klarstellung im Rahmen des KapMuG, sondern um eine grundlegende Veränderung der zivilprozessualen Rechtslage. Das darf nicht leichtfertig geschehen. Das muss sorgfältig erwogen werden. Insgesamt – und hiermit komme ich zum Ende meiner Rede – hat die Bundesregierung einen durchaus gelunge- nen Gesetzentwurf vorgelegt. Ich bin zuversichtlich, dass wir im parlamentarischen Verfahren eine Lösung für die aufgezeigten Kritikpunkte finden werden und das Gesetz schnell – vielleicht sogar wie das KapMuG im Jahre 2005 – einstimmig beschließen können. Thomas Silberhorn (CDU/CSU): Das Kapitalanle- ger-Musterverfahrensgesetz, KapMuG, ist ein juristi- scher Testballon, der 2005 losgeschickt wurde und dem zum 31. Oktober 2012 die Luft auszugehen droht. Mit der angestrebten Reform des KapMuG wollen wir nun einige zusätzliche Instrumente an dieser Versuchsanord- nung anbringen und sie wieder aufsteigen lassen, um weitere wertvolle Messwerte zu gewinnen und daraus Erkenntnisse für die zukünftige Gestaltung des deut- schen Rechts zu ziehen. Nach Ablauf der Geltungsdauer des von Anfang an befristeten KapMuG bestünde zunächst die Möglichkeit, das Gesetz auslaufen zu lassen. Dann würde allerdings Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 165. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. März 2012 19707 (A) (C) (D)(B) ein im Kern funktionsfähiges Modell der kollektiven Rechtsdurchsetzung aufgegeben. Eine bloße Verlängerung der Geltungsdauer des Ge- setzes ohne inhaltliche Änderungen erschiene jedoch ebenfalls nicht angemessen. Vielmehr sollten die Erfah- rungen der vergangenen sieben Jahre zu einer Überarbei- tung des Gesetzestextes genutzt werden, um im Interesse der Kapitalanleger einen noch effektiveren Rechtsschutz zu ermöglichen und die Durchsetzung des objektiven Kapitalmarktrechts weiter zu befördern. Die Befristung des KapMuG kann dabei aufgehoben werden. Die Überführung des Musterverfahrens in die allge- meine Zivilprozessordnung und damit seine Ausdehnung auf alle zivilrechtlichen Ansprüche streben wir hingegen nicht an. Eine Entwicklung hin zu allgemeinen Sammel- klagen wie im US-amerikanischen Recht lehnen wir ab. Dies hat nicht nur den Grund, dass derartige Instrumente der Rechtsdurchsetzung dem deutschen Recht bisher fremd sind. Vor allem können uns diese Verfahren mit ihren Begleitumständen und ihren Ergebnissen nicht überzeugen. Das bestehende KapMuG soll so nachjustiert werden, dass die Schlagkraft des Gesetzes erhöht und seine Wir- kungsweise verbessert wird. Dazu soll der Anwendungs- bereich präzisiert und moderat erweitert werden. Künftig werden durch das KapMuG alle Prozesse erfasst, in de- nen eine falsche, irreführende oder unterlassene öffentli- che Kapitalmarktinformation eine der entscheidungser- heblichen Tatsachen ist. Damit können auch Ansprüche gegen Anlageberater oder Anlagevermittler wegen soge- nannter uneigentlicher Prospekthaftung geltend gemacht werden, die nach ständiger Rechtsprechung des BGH bisher ausgeschlossen sind. Eine weitere wesentliche Änderung des KapMuG be- trifft die Beschleunigung des Verfahrens, denn besonders hier hat sich gezeigt, dass Optimierungsbedarf besteht. Mit der Verfahrensbeschleunigung soll bereits vor Be- ginn des Musterverfahrens angesetzt werden. Die mitun- ter sehr lange Wartezeit bis zum Beginn eines Muster- verfahrens wird durch Einführung einer Dreimonatsfrist zur Entscheidung über den Musterantrag gestrafft. Unsi- cherheiten über den Beginn eines Musterverfahrens sol- len auch dadurch minimiert werden, dass Beschlüsse des Prozessgerichts, in denen Musterverfahrensanträge als unzulässig verworfen oder wegen Nichterreichen des Quorums zurückgewiesen werden, unanfechtbar werden. Darüber hinaus werden die Vorlagevoraussetzungen an das Oberlandesgericht modifiziert, wobei künftig ein Zeitraum von sechs Monaten für das Erreichen des Quo- rums eröffnet wird. Damit muss nicht mehr wie bisher zunächst abgewartet werden, ob eventuell bereits ge- stellte Musterverfahrensanträge vorliegen, die noch nicht bekannt gemacht wurden. Schließlich ist das Oberlan- desgericht künftig anstelle des Landgerichts für die Er- weiterung des Gegenstands des Musterverfahrens zu- ständig, um eine Befassung verschiedener Gerichte während eines Musterverfahrens und damit drohende zu- sätzliche Verfahrensverzögerungen zu vermeiden. Gerade in Verfahren mit vielen Beteiligten ist auf- grund der Vielschichtigkeit und Komplexität der Einzel- fälle eine rechtlich abschließende Bewertung oft zeit- und kostenintensiv. Die Möglichkeiten zur gütlichen Streitbeilegung sollen daher gestärkt werden. Der Ver- gleichsabschluss bietet sich als effizientes Mittel hierzu an, auch um die erhoffte Entlastung der Justiz zu errei- chen. Bisher scheitern Vergleichsabschlüsse im Musterver- fahren regelmäßig am Erfordernis der Zustimmung aller Beteiligten. Diese wird in der Praxis kaum zu erreichen sein. Zur Überwindung dieses Hindernisses sieht der Ge- setzentwurf die Möglichkeit eines gerichtlich gebilligten Vergleichs zwischen Musterkläger und Musterbeklagtem mit der Besonderheit vor, dass eine Austrittsmöglichkeit geschaffen wird. Hat das Gericht nach Anhörung aller Beteiligten den Vergleichsvorschlag umfassend geprüft und ist der Vergleich geschlossen worden, dann haben die Beteiligten – mit Ausnahme von Musterkläger und Musterbeklagtem – die Möglichkeit, innerhalb einer be- stimmten Frist aus dem Vergleich auszutreten. Damit wird die Wahrung der Interessen aller Beteiligten sicher- gestellt. Jenseits all dieser begrüßenswerten Vorschläge für die Reform des KapMuG dürfen wir jedoch auch die deutlich vernehmbaren kritischen Stimmen aus Literatur und Praxis nicht überhören. Wir müssen beispielsweise genauestens beobachten und sicherstellen, dass das Mus- terverfahren aufgrund seiner schieren Komplexität nicht zu einem „Monstrum“ mutiert und erwünschte Effektivi- täts- und Synergieeffekte untergraben werden. Auch sollten wir zumindest kritisch hinterfragen, warum in den vergangenen sieben Jahren nur eine so geringe Zahl an Musterverfahren durchgeführt worden ist, wobei nach meiner Kenntnis bisher noch keine einzige rechtskräftige Sachentscheidung in einem Musterverfahren ergangen ist. Nicht zuletzt gilt es, sprachliche Unschärfen auszu- räumen und durch präzisere Formulierungen zu ersetzen. Zudem müssen wir uns Gedanken darüber machen, wie dem Umstand zu begegnen ist, dass das Kostenrisiko insbesondere dadurch immer weiter ansteigt, dass mitt- lerweile viele Rechtsschutzversicherer kapitalmarktrecht- liche Ansprüche vom Leistungsumfang ihrer Versiche- rungen ausschließen oder jedenfalls begrenzen. Im Rahmen der geplanten Sachverständigenanhö- rung werden wir uns mit derartigen Kritikpunkten und Fragestellungen noch einmal intensiv auseinandersetzen. Festzuhalten bleibt, dass die Kapitalanleger weiterhin besonderen Schutz erfahren werden und ihre Rechtsposi- tion durch die Reform des KapMuG gestärkt werden wird. Ingo Egloff (SPD): Heute diskutieren wir ein Gesetz, bei dem schon der Titel sperrig ist, das aber gleichwohl in mehrerer Hinsicht von großer Bedeutung für den Finanzplatz Deutschland ist. Einerseits soll es dem Anle- gerschutz dienen und hat damit auch verbraucherschüt- zende Wirkung, andererseits soll es die Attraktivität des Finanzplatzes und des Rechtsstandortes Deutschland stärken. 19708 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 165. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. März 2012 (A) (C) (D)(B) Gerade angesichts der Unsicherheit der Anleger auf- grund der Finanzkrise im Zuge der Lehman-Pleite ist es daher von großer Bedeutung, diese im Jahre 2005 ge- schaffene Regelung weiterzuführen und gleichzeitig aus der seit der Verabschiedung gewonnenen Rechtspraxis die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen. Deshalb begrüßt die SPD-Fraktion grundsätzlich die Vorlage die- ses Gesetzentwurfs. Wir begrüßen auch, dass der Gesetzgeber hier zumin- dest teilweise die Konsequenzen aus der inzwischen er- folgten Evaluierung des Gesetzes und seines Vollzuges in der Praxis gezogen hat. Dieses Beispiel einer meiner Meinung nach gelungenen Evaluierung sollte uns im Hinblick auf zukünftige Vorhaben veranlassen, öfter eine derartige Überprüfung zu beschließen. Aus der Anwen- dung in der Praxis und der Entwicklung der Recht- sprechung Schlüsse zu ziehen, die in den zukünftigen Gesetzgebungsprozess einfließen, macht Sinn. In der Sache selbst ist es richtig, bestimmte Irritatio- nen zu beseitigen, die durch neue unbestimmte Rechts- begriffe und deren Auslegung durch die Rechtsprechung entstanden sind. So ist die durch unterschiedliche Urteile aufgeworfene Frage, ob ein Musterverfahren mehrere Streitziele haben kann oder nur ein Generalziel, dem sich verschiedene Teilziele oder Streitpunkte unterzu- ordnen haben, jetzt durch den Gesetzgeber entschieden worden. Der Begriff Streitpunkt, der keine Wirkung in der Praxis entfalten konnte, ist durch die Feststellung, dass es mehrere Feststellungsziele im Verfahren geben kann, überflüssig und verschwindet. Es ist auch klar- gestellt worden, dass der Musterverfahrensantrag bereits mit der Anhängigkeit der Klage und nicht erst mit Recht- shängigkeit gestellt werden kann. Auch der Kritik, dass Verfahren zu lange dauern, ist Rechnung getragen worden. Eine Verwerfung des Fest- stellungsziels oder eine Teilverwerfung bei mehreren Teilzielen ist endgültig und kann nicht angefochten wer- den. Dies dient der Beschleunigung, weil Streitigkeiten in Zwischenverfahren abgeschnitten werden und Rechts- klarheit hergestellt wird. Der Rechtsschutz der Anleger wird auch nicht unverhältnismäßig eingeschränkt. Es bleibt der Individualprozess, in dem um Rechtsschutz nachgesucht werden kann. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch die Re- gelung in § 3 Satz 1, die für die Bekanntmachung zuläs- siger Musterverfahrensanträge und damit auch für die Entscheidung über die Zulässigkeit des Musterverfah- rensantrages eine Frist von drei Monaten als Sollvor- schrift bestimmt. Damit ist ausdrücklich klargestellt, dass ein Gericht nicht mehr den konkreten Fall fortfüh- ren kann, um zusammen mit dem späteren Urteil den Musterverfahrensantrag für unzulässig zu erklären, weil es der Entscheidung ausweichen will. Eine Fristüber- schreitung ist im Übrigen gemäß § 3 Abs. 2 zu begrün- den. In Ausnahmefällen kann das Gericht bei schwieri- ger Materie allerdings die Frist überschreiten, daher die Sollvorschrift, aber das ist auch sachgerecht. Am wichtigsten ist aber die Frage der Ausdehnung des Musterverfahrens gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 auf solche Tatbestände, in denen der Schadenersatzanspruch nicht nur auf die Verwendung von falschen öffentlichen Kapi- talmarktinformationen gestützt wird, sondern in denen vertragliche Ansprüche wegen fehlerhafter Anlagebera- tung und Vermittlung erfolgt sind. Das ist angesichts der vom BGH getroffenen Entscheidung, dass der Anspruch nicht auf vertragliche Ansprüche gestützt werden kann, eine Klarstellung und Erweiterung, die im Verbraucher- schutzinteresse notwendig ist. Zurecht war kritisiert worden, dass diese BGH-Recht- sprechung, mag sie dogmatisch aus der 2005 gefundenen Gesetzesformulierung so ableitbar gewesen sein, jeden- falls dazu führt, dass das KapMuG in der bisherigen Form dazu führt, dass Falschberatungen in Zusammen- hang mit fehlerhaften Prospektangaben nicht abgedeckt waren und insoweit nicht musterverfahrensfähig waren. Die Kritik des Bundesrates an der neuen Regelung geht meines Erachtens an der Sache vorbei. Damit sind nun- mehr auch die Fragen der erweiterten Prospekthaftung, in denen sich die Haftung aus der Verwendung eines fehlerhaften Prospektes in Zusammenhang mit einer Falschberatung ergibt, in den Bereich der Musterklage- verfahren einbezogen. Die im alten Gesetz enthaltene Vergleichsvorschrift hat sich in der Praxis nicht bewährt. Die Zustimmung al- ler Beteiligter hat sich als nicht realisierbar herausge- stellt. Deshalb ist die gefundene Lösung, dass gemäß § 17 sich Musterkläger und Musterbeklagter vergleichs- weise selbst einigen oder auf Vorschlag des Gerichts einigen, die Beigeladenen die Möglichkeit der Äußerung haben, der Vergleich erst nach Genehmigung des Ge- richts, § 18, geschlossen werden kann, dann unwiderruf- lich ist und den Beigeladenen ein Austrittsrecht, § 19, eingeräumt wird, eine Lösung, die interessengerecht ist. Damit wird die Möglichkeit verbaut, dass sich Muster- kläger und Musterbeklagter zulasten Dritter einigen, und die individuellen Rechte der Prozessbeteiligten bleiben gewahrt. Auf den ersten Blick sind hier seitens der Bundes- regierung notwendige und sinnvolle Änderungen an dem bestehenden Gesetz vorgenommen worden. Wir werden sicherlich im Zuge der Ausschussberatung uns noch aus- führlicher mit dem Evaluationsbericht befassen und auch noch über die weiteren Vorschläge der Sachverständigen diskutieren, die von der Regierung jetzt nicht berück- sichtigt worden sind. Im Interesse der Verbraucher und des Anlegerschut- zes sollten wir zügig über dieses Gesetz beraten. Denn in Zeiten krisenhafter Zuspitzung in der Euro-Zone, wo wir nach Ausführungen von Wirtschaftsforschern feststellen müssen, dass das Vertrauen in die Kapitalmärkte nicht vorhanden ist, müssen wir als Gesetzgeber dafür sorgen, dass ein Höchstmaß an Anlegerschutz realisiert wird und unlauteren Geschäftspraktiken auf allen Ebenen ein Rie- gel vorgeschoben wird. Dr. Barbara Höll (DIE LINKE): Schon vor der Fi- nanzkrise haben viele Anlegerinnen und Anleger durch unzureichende Beratung und windige Finanzprodukte auf dem Kapitalmarkt viel Geld verloren. Verantwortli- che wurden selten zur Verantwortung gezogen, da oft- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 165. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. März 2012 19709 (A) (C) (D)(B) mals Zeit- und Geldaufwand für eine gerichtliche Klage unverhältnismäßig hoch waren und zu den Verlusten der einzelnen Anlegerinnen und Anleger in keinem Verhält- nis standen. Das Kapitalanleger-Musterverfahren, eingeführt im Jahr 2005, sollte ein schlagkräftiges kollektives Rechts- verfolgungsinstrument sein und dafür sorgen, dass kapi- talmarktrechtliche Vorschriften eingehalten werden. Diese abschreckende Wirkung hat es wohl verfehlt. Fal- sche Informationen und Fehlberatung sind auch heute noch zu oft anzutreffen. Eine wesentliche Ursache für fehlerhafte und unzureichende Beratung liegt in den Fi- nanzprodukten selbst begründet. Deshalb hatte die Linke bereits vor vier Jahren, Anfang 2008, einen Finanz-TÜV vorgeschlagen. Statt „alles ist erlaubt, was nicht verbo- ten ist“ fordern wir, dass in den Finanzmärkten nur das erlaubt sein soll, was auch zugelassen ist. Daher sollen, wie beim Fahrzeug-TÜV, auch beim Finanz-TÜV nur die Produkte auf den Märkten gehandelt werden dürfen, die ausdrücklich eine Zulassung erhalten haben. Diesen Paradigmenwechsel gilt es zu vollziehen. Doch was tut die Koalition? Sie vereinnahmt den Namen Finanz-TÜV und verunstaltet das Konzept bis zur Unkenntlichkeit. Ihr Finanz-TÜV soll künftig Geldanlagen in Produktka- tegorien einordnen und überprüfen, wie Anbieter den neuen Informationspflichten nachkommen. Keine Spur von Zulassungsbeschränkungen für volkswirtschaftlich schädliche Finanzprodukte. Zudem ist die dafür veran- schlagte Summe von 1,5 Millionen Euro völlig unzurei- chend, selbst für ihren Mini-TÜV. Aber der Finanz-TÜV löst nicht das Problem, wie Anlegerinnen und Anleger zu ihrem Recht kommen, wenn sie geschädigt wurden. Die Einführung des Mus- terverfahrens für das Kapitalmarktrecht und die Absicht, es dauerhaft beizubehalten, begrüßen wir. Aber die vor- liegenden Änderungen zum Musterverfahren sind noch nicht ausreichend. Mit diesem Verfahren sollte das Kostenrisiko für die Einzelnen gesenkt werden, was sich in der Praxis als Schuss in den Ofen gezeigt hat. Zwar wird in dem vor- liegenden Gesetzentwurf der zusätzliche Aufwand des Musterklägervertreters entlohnt und diese Entlohnung auf alle Kläger verteilt, aber das ändert nichts an der Tat- sache, dass viele Rechtsschutzversicherer dazu überge- gangen sind, kapitalmarktrechtliche Ansprüche vom Leistungsumfang auszunehmen oder diesen zu begren- zen. Somit bleibt das Kostenrisiko bei den Geschädigten. Auch wenn wir die Ausweitung des Musterverfahrens auf weitere Bereiche der Zivilprozessordnung begrüßen würden, fordern wir letztendlich die Umkehr der Be- weislast und die Einführung einer Sammelklage. Diese hätte den Vorteil, dass das Kostenrisiko für alle beteilig- ten Kläger geringer wäre. Für die Zukunft wäre es be- sonders zielführend, wenn Schwarz-Gelb einen wirkli- chen Finanz-TÜV einführt, der die Finanzprodukte überprüft und zulässt. So wäre sichergestellt, dass viele Klagegründe erst gar nicht entstünden. Dann wären die Gerichte wirklich entlastet. Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): I. Als im Jahre 2005 die damalige rot-grüne Koalition das Ka- pitalanleger-Musterverfahrensgesetz (Bundestagsdruck- sache 15/5091) einführte, betrat sie zivilprozessuales Neuland. Vier Hauptziele sollten damit erreicht werden: die Effektivierung des individuellen Rechtsschutzes für Kapitalanleger durch Erleichterung der Geltendmachung ihrer Ansprüche, die Verbesserung der Durchsetzung ob- jektiver kapitalmarktrechtlicher Vorschriften durch Ein- führung eines schlagkräftigen kollektiven Rechtsverfol- gungsinstruments, die Entlastung der Justiz sowie die Stärkung des Justizstandorts Deutschland. Erstens. So bot vor dem Inkrafttreten des KapMuG die Zivilprozessordnung mit der Streitgenossenschaft in Fällen von Streuschäden mit vielen Geschädigten nur sehr eingeschränkt die Möglichkeit einer Bündelung von Klagen. Insbesondere in diesen Fällen kommt es aber zu vergleichsweise geringen Schadensersatzsummen beim einzelnen Geschädigten, während der angerichtete Ge- samtschaden im mehrstelligen Millionenbereich liegen kann. Ein Musterverfahren nach dem KapMuG erlaubt es, das Prozesskostenrisiko der geschädigten Kapitalan- leger in den Fällen zu senken; in denen sich eine aufwen- dige Beweisaufnahme mit hohen Sachverständigenkos- ten zur Klärung komplizierter kapitalmarktrechtlicher Fragen für den Kläger im Einzelverfahren nicht lohnen würde. Zweitens. Darüber hinaus sollte das KapMuG durch Bündelung einer Vielzahl von gleichgelagerten Gerichts- verfahren die Gerichte merklich entlasten. Komplexe Tatsachen und Rechtsfragen sollten so nur noch einmal mit Bindungswirkung für alle geschädigten Anleger ge- klärt werden müssen, das heißt, es sollte nur einer Be- weisaufnahme bedürfen. Drittens. Schließlich sollte durch die Ermöglichung eines Musterklageverfahrens auch der Justizstandort Deutschland gestärkt werden. Das deutsche Prozessrecht sollte mit dem Musterverfahren modernisiert werden, um Anleger zu veranlassen, vor deutschen Gerichten zu kla- gen und nicht im Wege des sogenannten Forum Shopping auf andere Staaten in Europa oder Amerika auszuwei- chen. Damit sollte dem staatlichen Interesse Rechnung getragen werden, deutsche Kapitalmärkte durch die in- ländische Justiz zu kontrollieren und eine extraterritorial ausgreifende Gesetzgebung anderer Staaten zu verhin- dern (vergleiche Gesetzesbegründung zum KapMuG, Bundestagsdrucksache 15/5091, Seite 17). II. Um zunächst Erfahrungen mit dem Musterver- fahren sammeln und die Auswirkungen genau beobach- ten zu können, trat das KapMuG am 1. November 2005 zunächst befristet auf fünf Jahre in Kraft. Im Juli 2010 wurde die Geltung des Gesetzes bereits einmal für zwei Jahre, bis zum 31. Oktober 2012, verlängert. Wie von Beginn an vorgesehen, wurde die Wirkung des Gesetzes im Jahr 2009 im Auftrag des Bundesjustizministeriums evaluiert. Mit der Studie beauftragt waren Professor Dr. Axel Halfmeier, Professor Dr. Eberhard Feess (beide Frankfurt School of Finance & Management) und Pro- fessor Dr. Peter Rott (Universität Bremen). 19710 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 165. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. März 2012 (A) (C) (D)(B) Der Abschlussbericht der Evaluation wurde am 14. Oktober 2009 vorgelegt. Fazit der Studie ist, dass sich das KapMuG bereits nach wenigen Jahren der Test- phase im Grundsatz bewährt hat. Das KapMuG, so das wichtigste Ergebnis, stelle „ein neuartiges, aber insge- samt funktionsfähiges Modell der kollektiven Rechts- durchsetzung im Kapitalmarktrecht“ dar und solle „min- destens verlängert“ werden. Erstens. So konnten tatsächlich Anreize zur Geltend- machung von Ansprüchen von Kapitalanlegern geschaf- fen werden. Dennoch betrachtet hier die Evaluation die Fortschritte noch als zu gering; das Ziel einer breiten Geltendmachung von Streuschäden im Kapitalanlage- recht würde bei weitem verfehlt. Der Grund dafür wird darin gesehen, dass zwar eine Verbesserung im Prozess- kostenrisiko des Einzelnen eingetreten ist, das verblei- bende Risiko aber weiterhin zu hoch sei und die Erleich- terungen des KapMuG nicht weit genug gingen. Sicher lässt sich allerdings sagen, dass die bei Einführung der Musterverfahrensregelung befürchtete untragbare Belas- tung potenzieller Beklagter nicht ersichtlich ist. Zweitens. Nur eingeschränkt erreicht wurde eine Ent- lastung der Justiz. Laut Evaluationsbericht (Seite 87) könne eine wirklich spürbare Entlastung nur erreicht werden, wenn man von dem Erfordernis Abstand neh- men würde, dass jeder Anspruchsteller auch eine Klage im Sinne der §§ 253 ff. ZPO erheben muss. Auch bei den Möglichkeiten, ein Musterverfahren durch Vergleich ab- zuschließen und somit unter anderem die Gerichte zu entlasten, sieht der Evaluationsbericht Verbesserungsbe- darf (Seite 104 f.). Drittens. Bezüglich der Attraktivität des Justizstand- orts Deutschlands käme es zukünftig stärker auf eine Kooperation der beteiligten Justizsysteme an als auf ein „Abblocken“ ausländischer Verfahren, so der Bericht (Seite 88). Ein wirksameres und in seinen Zugangsmög- lichkeiten verbessertes KapMuG könne hier aber einen wichtigen Beitrag leisten. Insgesamt verweist der Evaluationsbericht immer wieder auf das Ergebnis der durchgeführten qualitativen Untersuchung, nach der Einigkeit darüber bestand, dass das KapMuG eine Verbesserung zum vorherigen Rechts- zustand darstelle (zum Beispiel Seite 88). Für uns Grüne bedeutet dieses Ergebnis, dass wir an dem Instrument des Musterklageverfahrens festhalten und es ausbauen wollen. Essenziell ist für uns dabei aber eine Fortentwicklung des Instruments unter Berücksich- tigung der Vorschläge des Evaluationsberichts. III. Der vorliegende Gesetzentwurf der Regierung geht diesbezüglich in die richtige Richtung. Doch reicht es, nach all den positiven Erfahrungen, die wir mit dem Gesetz in den letzten Jahren gemacht haben, nicht aus, einfach am alten Gesetz Nachbesserungen anzubringen. Hier ist mehr Mut und progressives Vorgehen gefragt. Erstens. So ist zu bezweifeln, dass der nun vorlie- gende Gesetzentwurf tatsächlich die notwendigen Er- leichterungen bei Eintritt in das Musterverfahren schafft, da eine Möglichkeit der einfachen Teilnahme am Mus- terverfahren vorerst nicht geschaffen wird. Hier müssen Nachbesserungen folgen. Nach wie vor muss auch jeder Anspruchssteller für sich Klage erheben, was keine weitere Entlastung der Justiz herbeiführt. Lobenswert ist, dass die Koalition mit verbesserten Vergleichsmöglichkeiten in Verbindung mit der Möglichkeit eines Ausstiegs aus dem Verfahren für Beteiligte, die sich einer getroffenen Vergleichsvereinba- rung nicht anschließen wollen, eine wichtige Verbesse- rung einführen will. Ob diese aber ausreichen wird, wer- den wir abwarten und kritisch begleiten müssen. Zweitens. Ganz generell empfiehlt der Evaluationsbe- richt eine Ausweitung des Anwendungsbereichs von Musterklagen auf sonstige zivilrechtliche Ansprüche und befürwortet ausdrücklich eine Aufnahme des Gesetzes in die ZPO (Seite 109). Eine solche Ausweitung – ob in der ZPO oder in einem eigenen Gesetz des kollektiven Rechtsschutzes – wird schon länger nicht mehr nur von uns Grünen gefordert. Bereits im Jahr 2005 hatte sich der Bundesrat dafür ausgesprochen (Bundestagsdrucksache 15/5091, Seite 40), und auch die Bundesrechtsanwalts- kammer hält es in ihrer „Stellungnahme zum Referenten- entwurf eines Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes“ vom September 2011 (BRAK-Stellungnahme-Nr. 55/2011) für „überdenkenswürdig“, dass der Anwendungsbereich des KapMuG nicht auch auf andere Fälle, etwa Fälle der Produkthaftung oder die Haftung für Kartellverstöße, ausgedehnt würde, da auch hier Bedarf bestünde. Warum ist die Koalition hier so zaghaft? Es gäbe nichts zu verlie- ren. Drittens. Schließlich verweist der Evaluationsbericht darauf, dass die defizitäre Rechtsdurchsetzung im Kapi- talmarktrecht nicht allein mit verfahrensrechtlichen Mit- teln zu ändern sein wird. Insbesondere die Beweislast- verteilung bei den im Anwendungsbereich des KapMuG stehenden Anspruchsgrundlagen sei problematisch. Mit dieser essenziellen Frage beschäftigt sich der vorgelegte Gesetzentwurf bedauerlicherweise nicht. Hier müssen weitere Taten folgen. Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bun- desministerin der Justiz: Das Kapitalanleger-Musterver- fahren ist im Jahre 2005 unter dem Eindruck des Tele- kom-Verfahrens als Instrument zur Bewältigung von Massenklagen eingeführt worden. Der Gesetzgeber hat die Geltung dieses Gesetzes zunächst auf fünf, dann auf sieben Jahre befristet. Zugleich wurde der Bundesregie- rung aufgegeben, die Wirkung des Gesetzes zu eva- luieren, um eine fundierte Entscheidung über eine unbe- fristete Geltung treffen zu können. Das Ergebnis ist eindeutig: Wir schlagen dem Deutschen Bundestag vor, die bisherige Befristung aufzuheben. Denn die Evalua- tion ist zu dem Ergebnis gekommen, dass das KapMuG grundsätzlich praxistauglich ist. Allerdings ist das Ge- setz an einigen Stellen verbesserungsbedürftig. Wissen- schaft und gerichtliche Praxis sehen dies ähnlich. Daher wird der Anwendungsbereich gegenüber dem bisherigen Recht moderat erweitert und auf Rechts- streitigkeiten mit mittelbarem Bezug zu einer öffent- lichen Kapitalmarktinformation ausgedehnt. Dadurch Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 165. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. März 2012 19711 (A) (C) (D)(B) können zukünftig auch Prozesse gegen Anlagevermittler und -berater, in denen die Richtigkeit eines Anlagepro- spekts streitig ist, in einem Musterverfahren gebündelt und einheitlich entschieden werden. Die Einbeziehung dieser Verfahren wird die Entlastungswirkung des KapMuG stärken und für eine einheitliche Entschei- dungspraxis der Gerichte in Kapitalanlagesachen sorgen. Die Justiz bedarf hier in Zeiten permanenter Finanz- und Bankenkrise unserer besonderen Unterstützung. Darüber hinaus wird der Vergleichsabschluss im Musterverfahren vereinfacht, um eine gebündelte gütli- che Beilegung von Anlegerstreitigkeiten zu fördern. Mit einem Vergleichsschluss können Hunderte von Aus- gangsverfahren erledigt werden. Dadurch wird das Mus- terverfahren für die Beteiligten attraktiver. Zugleich wird die Justiz entlastet. Aber auch im Vorfeld eines Musterverfahrens müssen wir den Zugang zum Recht für Kapitalanleger gewähr- leisten. Die meisten Kapitalanleger können weder auf eine Rechtsschutzversicherung noch auf Prozesskosten- hilfe zurückgreifen; sie sind daher darauf angewiesen, ihr Prozesskostenrisiko durch einen Zusammenschluss mit anderen Anlegern zu einer Streitgenossenschaft zu senken. Die Zivilprozessordnung gestattet es den Gerichten aber bisher ohne besondere Voraussetzungen, die gemeinsame Klage in Einzelprozesse aufzuteilen. Den Klägern wird damit ihr Kostenvorteil genommen. Der Gesetzentwurf sieht daher eine Präzisierung des § 145 ZPO vor, damit zukünftig eine Verfahrenstren- nung nur zulässig ist, wenn es dafür einen gewichtigen Grund gibt. Die einfache Teilnahme am Musterverfahren wird im Verlauf der parlamentarischen Beratungen sicherlich er- neut thematisiert werden, nachdem der Bundesrat hier Prüfungsbedarf angemeldet hat. Zusätzlich hat der Bundesrat weitere Vorschläge sowie zwei Prüfbitten for- muliert. Darüber werden wir in den Ausschussberatun- gen diskutieren. Ich begrüße aber ausdrücklich, dass der Bundesrat das neue KapMuG mit unbefristeter Geltungsdauer im Grundsatz unterstützt. In die weitere Debatte sollten wir im Übrigen europarechtliche As- pekte einbeziehen. Die Bundesregierung ist überzeugt, dass am Ende der Beratungen das neue Kapitalanleger-Musterverfahrens- gesetz den Kapitalanlegern einen effizienteren Rechts- schutz gewähren wird. Es wird daher dazu beitragen, die Wirksamkeit der kapitalen marktrechtlichen Regeln sicherzustellen. Damit wird das Vertrauen der Anleger in den Finanzmarktstandort Deutschland erhöht werden. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Wirksame Anreize für klimafreundlichere Firmenwagen (Tages- ordnungspunkt 14) Olav Gutting (CDU/CSU): Wir beraten heute einen Antrag der Linken, welcher in ähnlicher Ausrichtung jüngst von den Grünen vorgelegt wurde. Ein rotgefärbter Antrag der Grünen. Zwar gibt rot und grün zusammen gelb, aber liberal ist der Antrag dann trotzdem nicht. Im Gegenteil – er ist ein weiterer Beleg dafür, dass die linke Seite dieses Hauses offenbar nur die Gängelung der Menschen im Kopf hat. Sie wollen die steuerliche Absetzbarkeit des Aufwan- des für Personenkraftwagen über einem CO2-Ausstoß von 125 Gramm reduzieren. Zusätzlich wollen Sie die Besteuerung der privaten Nutzung von Firmenwagen – die bewährte und anerkannte 1-Prozent-Regelung – für Neufahrzeuge ab 2013 abändern und an der Kohlen- dioxidemission ausrichten. Die Fraktion Die Linke im grünen Gewand. Aber ich muss Ihnen bei aller noch folgenden Kritik zugutehalten, dass Ihr Antrag überraschenderweise auf den ersten Blick nicht ganz so populistisch geprägt ist, wie die bekannten Anträge der Grünen, die das gleiche Ziel verfolgen. Auf den zweiten Blick jedoch und nach genauer Durchsicht entpuppt sich Ihr Antrag als Trojanisches Pferd. Letztendlich läuft es wieder auf eine höhere Be- steuerung von Unternehmen und Selbständigen hinaus, welche hochpreisige, vor allem deutsche Firmenwagen anschaffen und nutzen wollen. Sie sagen es ja selber, wenn auch verklausuliert, in Ihrem Antrag, dass die Be- zieher höherer Einkommen abkassiert werden sollen. Dabei müssten Sie doch eigentlich wissen, dass vor allem die von Ihnen angeführten mobilen Pflegedienste zwar oft Kleinst- und Kleinwagen, aber eben häufig auch ältere und daher verbrauchs- und emissionsinten- sive Fahrzeuge fahren. Diese kleinen Unternehmen kön- nen sich keine neue – meist teure und spritsparende – Fahrzeugflotte leisten. Sie belasten also neben den klei- nen und mittleren Unternehmen auch deren meist nicht zu den Großverdienern zählenden Arbeitnehmer, welche aufgrund ihrer Tätigkeit das Firmenfahrzeug auch privat nutzen dürfen. Auch die Abkehr vom anerkannten Bruttolistenpreis als Bemessungsgrundlage ist nicht durchdacht. Große Unternehmen mit Massenbestellungen können viel nied- rigere Anschaffungskosten beim Firmenwagen aushan- deln als die vielen kleinen Handwerksbetriebe oder die kleinen mobilen Pflegedienste. Es wäre schlicht unge- recht, wenn diese Arbeitnehmer beim gleichen Fahrzeug nicht den gleichen vermögenswerten Vorteil zu versteu- ern hätten. Das System der Absetzbarkeit von Betriebsausgaben beim Firmenwagen mit einer ökologischen Ausrichtung zu versehen, widerspricht nicht nur den Grundprinzipien unseres Steuerrechts, sondern führt auch noch zu einer immensen Komplizierung. Wir aber wollen eine Verein- fachung des deutschen Steuerrechts und keine Verkom- plizierung und haben hierzu bereits mit dem Steuerver- einfachungsgesetz erste Schritte unternommen. Weitere werden folgen. Wir wollen nicht zwei in Anschaffungspreis und Nut- zungsdauer gleiche Wirtschaftsgüter nur deshalb unter- schiedlich behandeln, weil sie sich im CO2-Ausstoß un- 19712 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 165. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. März 2012 (A) (C) (D)(B) terscheiden. Wir wollen keine ideologisch geprägte Ungleichbehandlung der steuerlichen Abzugsfähigkeit des Aufwandes zu anderen abnutzbaren Wirtschafts- gütern. Ungleichbehandlungen im Steuersystem führen meist zu Fehllenkungen und Fehlanreizen, die letztend- lich weder ökologisch noch wirtschaftlich sinnvoll sind. Kompliziert haben wir bereits, wir brauchen einfach. Auch bei der Abschreibung. Die Abschreibung zeichnet den jährlichen Wertverlust von Firmenvermögen nach. Dies gilt natürlich nach den jetzigen Regelungen auch für Firmenwagen. Das muss auch zukünftig so bleiben. Das System der Absetzbarkeit von Betriebsausgaben kann deshalb auch nicht mit einer ökologischen Ausrich- tung einfach abgeändert werden. Würde man diesem Vorschlag folgen, müsste man in letzter Konsequenz sämtliche Maschinen, Heizungsanla- gen etc. mit einem erhöhten CO2-Ausstoß und auch bei Gebäuden, die geltende Wärmedämmrichtwerte nicht einhalten, unterschiedlich bei der AfA behandeln. Eine vernünftige Grenze kann der Gesetzgeber hier nicht zie- hen. Das Einkommensteuerrecht sollten wir von solchen Überlegungen verschonen. Sie gehen auch von falschen Annahmen bzw. veralte- ten Zahlen aus. Die neu zugelassenen Firmenwagen kön- nen nicht für den von Ihnen behaupteten erhöhten durch- schnittlichen CO2-Ausstoß bei den neu zugelassenen Pkw verantwortlich sein. Das Gegenteil ist der Fall. Die durchschnittlichen CO2-Emissionen von Firmenwagen haben sich im Jahr 2011 im Vergleich zum Jahr 2010 um 5 Prozent und damit wesentlich stärker als bei den priva- ten Neuzulassungen mit 2,8 Prozent reduziert. Die ständige Erneuerung der Firmenfahrzeugflotte durch die Unternehmen trägt erheblich zur Reduzierung der Emissionen bei. Neue Fahrzeuge sind im Vergleich zu ihren Vorgängern meist sparsamer und auch klima- freundlicher. Im Zeitraum von 2008 bis Ende 2011 konn- ten die CO2-Emissionen von Firmenwagen um 25,1 Gramm CO2 pro Kilometer gesenkt werden. Bei den Privatfahr- zeugen ist der CO2-Ausstoß lediglich um 17,3 Gramm CO2 pro Kilometer zurückgegangen. Es gibt im Übrigen bereits jetzt bestehende Len- kungselemente hin zu einem verbrauchs- und emissions- ärmeren Fahrzeug. Größere Kraftfahrzeuge sind in der Regel aufgrund des höheren Kraftstoffverbrauchs bereits mit einer höheren Energiesteuer, bestehend aus der Mi- neralöl- und Ökosteuer, belastet. Aufgrund des größeren Hubraums werden auch regelmäßig höhere Kfz-Steuern fällig. Diese Anreize wurden mit der Umstellung der Kfz-Steuer in eine am CO2- und Schadstoffausstoß orientierte Kfz-Steuer nochmal deutlich erhöht. Die am CO2- und Schadstoffausstoß orientierte Kfz- Steuer und die Energiesteuer sind die sachnäheren und steuersystematisch besseren Lenkungselemente als die von der Fraktion Die Linke gewollte CO2-basierende Firmenwagenbesteuerung. Ich warne auch davor, den Kfz-Markt mit steuerli- chen Verkomplizierungen und letztendlich Steuererhö- hungen zu verunsichern. Denn Ihr Antrag ist nichts an- deres als eine versteckte Steuererhöhung mit Sanktions- charakter. Sie dürfen auch nicht nur an den Fahrer des Fahrzeu- ges denken, sondern müssen auch die 15 bis 20 Arbeit- nehmer berücksichtigen, die mit dem Bau dieses Fahr- zeuges ihre Familien ernähren. Die ständigen Angriffe auf die derzeit bestehende Firmenwagenbesteuerung ist nichts anderes als ein An- griff auf die deutsche Automobilindustrie mit über 750 000 Beschäftigten. Die Deutsche Automobilindus- trie investiert bereits zig Milliarden in verbrauchsarme und effizientere Fahrzeuge und im Übrigen auch in eine umweltfreundlichere Produktion. Die Fortschritte sind bemer-kenswert und weltweit anerkannt. Hören wir auf, unser Steuerrecht zu missbrauchen, und überlassen wir die Entscheidung über die Wahl des Fahrzeuges bitte den Menschen selbst. Der indirekten Verunglimpfung der deutschen Autobauer und der Gän- gelei der Autofahrer werden wir jedenfalls nicht die Hand reichen. Nicolette Kressl (SPD): In ihrem Antrag fordert die Fraktion Die Linke eine Ausrichtung der Firmen- und Dienstwagenbesteuerung an ökologischen Kriterien. Die Firmen- und Dienstwagenbesteuerung ist immer wieder Gegenstand parlamentarischer Debatten. Reformbedarf wird bei allen Parteien ausgemacht. Es kann keinen Zweifel darüber geben, dass die vom Verkehrssektor und insbesondere von den Personenkraft- wagen verursachten Emissionen reduziert werden müs- sen. Die in der EU-Flottenverbrauchsverordnung vorge- gebene schrittweise Reduzierung der Emissionswerte für Personenkraftwagen muss unbedingt umgesetzt werden. Nach Auffassung der SPD müssen dazu auch steuer- rechtliche Anreize zur Anschaffung verbrauchsärmerer Fahrzeuge geschaffen werden. Die Firmen- und Dienst- wagenbesteuerung muss deshalb ökologisch ausgerichtet werden. Wir dürfen es uns aber auch nicht zu einfach machen. Zunächst muss bei der Neuausrichtung der Firmenwa- genbesteuerung das im Steuerrecht geltende objektive Nettoprinzip beachtet werden. Betrieblich bzw. beruflich veranlasste Aufwendungen sind danach grundsätzlich von den Einnahmen abziehbar. Der Betriebs- bzw. Wer- bungskostenabzug kann allerdings auf die angemessenen Ausgaben beschränkt werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann der Betriebsausga- benabzug außerdem aufgrund von Lenkungszwecken, wie der Reduzierung klimaschädlicher Emissionen, ein- geschränkt werden. Die steuerlichen Grundprinzipien stehen somit einer ökologischen Ausrichtung der Fir- menwagenbesteuerung nicht entgegen. Die Abzugsbe- schränkung muss aber immer durch eine zielgenaue Lenkungswirkung, das heißt eine effektive Emissions- reduzierung, gerechtfertigt sein. Bei der Firmen- und Dienstwagenbesteuerung müs- sen über die ökologischen Gesichtspunkte hinaus auch noch wirtschaftliche und soziale Belange berücksichtigt werden. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 165. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. März 2012 19713 (A) (C) (D)(B) Die Begrenzung des steuerlichen Betriebsausgaben- abzugs für Firmenwagen mit höherem Spritverbrauch muss so ausgestaltet werden, dass sie auch kleine Unter- nehmen, beispielsweise Handwerksbetriebe, nicht über- fordert. Die Einführung der emissionsbezogenen Be- schränkung des Betriebsausgabenabzugs für erstmals zugelassene Fahrzeuge erscheint mir ein gangbarer Weg zu sein. Dies würde es den Betrieben erlauben, sich bei ihren Neuanschaffungen an den strengeren Emissions- grenzen zu orientieren, und würde es ihn somit ermögli- chen, höhere Steuerbelastungen zu vermeiden. Auch bei der Dienstwagenbesteuerung müssen wir mit Augenmaß vorgehen und die Auswirkungen einer Reform auf die Dienstwagennutzer in den Blick nehmen. Fahrzeuge der Luxusklasse, die von Spitzenverdienern zum Vergnügen gefahren werden, sind die Ausnahme. Die Mehrheit der Dienstwagennutzer verfügt über ein mittleres Einkommen ist bei seiner täglichen Arbeit auf den Dienstwagen angewiesen. Eine emissionsabhängige Anhebung der Dienstwagenbesteuerung würde viele Ar- beitnehmerinnen und Arbeitnehmer empfindlich belas- ten. Diesen Aspekt berücksichtigt der Antrag der Linken immerhin. Schließlich muss die Neuausrichtung auch adminis- trierbar sein und darf zu keinen unverhältnismäßigen Bürokratiekosten führen. Durch die schrittweise Anhe- bung der Emissionsgrenzwerte entsteht bereits ein höhe- rer Verwaltungsaufwand. Im Interesse der Unternehmen, der Dienstwagennutzer und der Finanzämter müssen wir die Besteuerungsverfahren möglichst einfach ausgestal- ten. Bei der Reform der Firmen- und Dienstwagenbesteu- erung handelt es sich also um ein anspruchsvolles Unter- fangen. Wir dürfen uns dabei weder hinter den Prinzi- pien des Einkommensteuerrechts verstecken noch einseitige Interessen verfolgen. Es kommt vielmehr auf eine umfassende Abwägung der ökologischen Zielset- zung mit den wirtschaftlichen und sozialen Belangen an. Dr. Daniel Volk (FDP): Die FDP-Bundestagsfrak- tion steht für eine Umweltpolitik der Generationenge- rechtigkeit und der Innovation. Beim Klimaschutz ste- hen wir zum Ziel, die CO2-Emissionen bis 2020 um 40 Prozent zu senken. Im Koalitionsvertrag haben wir uns in vielen Bereichen damit durchgesetzt, marktwirt- schaftliche Elemente in der Gestaltung der Umweltpoli- tik verstärkt anzuwenden und den Unternehmen Pla- nungssicherheit durch eine verlässliche Politikgestaltung zu geben. Wir stehen für eine vernünftige Umweltpolitik ohne ideologisch verblendete Flickschusterei und einsei- tige Belastung, wie Sie es vorschlagen. Ihr Antrag ist damit nicht in Einklang zu bringen, da er das bestehende Steuerrecht nur verkompliziert und für die Menschen noch unverständlicher macht. Ebenso durchbrechen Sie mit Ihrem Antrag eine Vielzahl von steuerrechtlichen Grundprinzipien, indem Sie den Be- schäftigten vorschreiben, welche Autos sie fahren dürfen und welche nicht. Sie wollen das steuerliche Nettoprin- zip ebenso beerdigen wie jegliche steuerpolitische Ver- nunft, und dabei schaffen Sie neue bürokratische Belas- tungen sowohl für die Unternehmen als auch für die Steuerzahler. So pluralistisch unsere Gesellschaft ist, so unter- schiedlich sind auch die Bedürfnisse der Menschen. Ein Singlehaushalt kommt sicher mit einem kleinen Auto zu- recht. Eine Großfamilie hingegen benötigt schon eher ein größeres Auto oder gar einen Kleinbus. Dass diese Autos dann erheblich teurer werden und so vor allem Fa- milien belastet werden, nehmen Sie wieder einmal billi- gend in Kauf. Mit uns ist eine solche Politik aber nicht zu machen. Sie verteufeln jeden Dienstwagenfahrer als Umwelt- sünder und vergessen dabei völlig, dass der Dienstwagen mittlerweile auch im normalen Arbeitnehmermittelfeld angekommen ist. Diese Menschen denken eher praktisch und bevorzugen Modelle der Mittelklasse, die sie sich auch leisten können und die ihren familiären Bedürfnis- sen entsprechen; denn die private Nutzung müssen sie aus eigener Tasche bezahlen. Zudem verkennen Sie die Leistungen einer Branche mit mehr als 700 000 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen und unzähligen Auszubildenden. Die Automobilbran- che hat damit einen wichtigen Anteil am deutschen Job- wunder. Im Jahr 2010 hat die deutsche Automobilindustrie circa 20 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung investiert, um das Fahren sicherer und umweltschonen- der zu machen. Das Ende der Entwicklung umweltscho- nender Fortbewegungsmöglichkeiten ist längst noch nicht erreicht, aber die deutsche Automobilindustrie ist auf einem guten Weg und weltweit in vielen Bereichen als Innovationsführer geschätzt. Ihr Antrag würde nicht nur dem Wirtschafts- und Innovationsstandort Deutsch- land erheblich schaden, er würde auch den Unternehmen dringend benötigte Liquidität entziehen. Für die CO2-Reduzierung gehen wir Liberale einen anderen Weg, zum Beispiel mit der von uns eingeleiteten Liberalisierung des Busfernverkehrs. Wir werden damit insbesondere mittelständischen Unternehmern neue Chancen und Wettbewerbsmöglichkeiten eröffnen. Das wird außerdem zu vielfältigeren Angeboten und günsti- geren Alternativen für die Kunden führen. Sie können sich künftig – ohne staatliche Bevormundung – frei zwi- schen Bahn und Bus entscheiden. Diese Öffnung im Fernbusverkehr haben wir Liberale angestoßen, und wir haben lange dafür gekämpft. Wir unterstützen mit dem Gesetz den Umstieg vom Auto zum Bus. Der Bus wird damit zu einer echten Alterna- tive zum Auto. Positive Effekte auf die vollen Autobah- nen und den CO2-Ausstoß sollten nur einige Folgen da- von sein. Dr. Barbara Höll (DIE LINKE): Wenn es uns in Deutschland gelingen soll, bis zum Jahre 2020 den CO2- Ausstoß um 40 Prozent gegenüber 1990 zu senken, so sind vielfältige Maßnahmen nötig. Die Veränderung der steuerlichen Behandlung der Firmenwagen ist dafür ein wichtiger Baustein. Gerade im Verkehrssektor steigt der absolute Ausstoß von Emissionen an. Firmenwagen ha- 19714 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 165. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. März 2012 (A) (C) (D)(B) ben daran einen großen Anteil. Während noch 1995 der Anteil der Firmenwagen 38 Prozent betrug, waren es 2008 bereits 60 Prozent, Tendenz weiter steigend. Somit ist es entscheidend, welche Pkw von den Fir- men eingekauft und gefahren werden. Bei 77 Prozent al- ler im Jahre 2008 neu zugelassenen Fahrzeuge lag der durchschnittliche Emissionswert über 200 Gramm CO2 pro Kilometer. Diese Entwicklung ist eindeutig das Er- gebnis fehlerhafter steuerlicher Anreize, und diese gilt es zu beseitigen. Aktuell existieren keine verbindlichen Li- mits für den abzugsfähigen Aufwand von Firmenwagen. Die Kosten für diese Fehlentwicklung zahlen letztlich die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. So darf das nicht weitergehen, hier müssen wir umsteuern. Von uns und den Grünen liegen ja bereits Vorschläge auf dem Tisch, wie die Firmenwagenbesteuerung ausse- hen könnte. In einigen Punkten, wie zum Beispiel der Wirkung der Heranziehung der Anschaffungskosten bzw. des Listenpreises, steckt aber noch Diskussionsbe- darf. Offene Fragen sollten wir ausführlich und unter Umwelt- sowie Anreizgesichtspunkten in der Anhörung mit Experten und Expertinnen diskutieren und gegebe- nenfalls Änderungen vornehmen. Notwendig ist daher erstens, die Ansetzung der Kos- ten für einen Firmenwagen CO2-abhängig zu gestalten. Zweitens ist die sogenannte 1-Prozent-Regelung neu auszugestalten und ebenfalls vom CO2-Ausstoß abhän- gig zu machen. Hier müsste unserer Meinung nach eine Differenzierung bei der Besteuerung des geldwerten Vorteils stattfinden. Im Vergleich mit dem Antrag der Grünen haben wir bei der 1-Prozent-Regelung eine so- ziale Komponente eingefügt, indem wir Kleinwagen mit geringem CO2-Ausstoß besserstellen wollen. Denn Kleinwagen werden insbesondere in der mobilen Alten- pflege genutzt. Die Grenzwerte im Grünen-Antrag fin- den wir daher zu ambitioniert, denn nahezu alle derzeit vorhandenen Firmenwagen erfüllen nicht den zum 1. Ja- nuar 2013 geforderten Grenzwert. Wir müssen aufpas- sen, dass wir die Unternehmen nicht überfordern. Ge- rade im Beruf der Altenpflege, den ich ansprach, wird man nicht einfach so eine Erneuerung der Firmenwagen- flotte vornehmen können. Der dortige Firmenwagen ist unserer Meinung auch nicht als Privileg anzusehen, son- dern eher als Ausgleich für die schlechte Entlohnung. Meine Damen und Herren von der Koalition, geben Sie endlich Ihre Blockadehaltung gegenüber einer Neu- regelung der steuerlichen Behandlung der Firmenwagen auf. Unsere Vorschläge sind letztlich auch eine Chance für den Autostandort Deutschland, weil durch ihre Umset- zung die Nachfrage nach ökologisch verträglichen Per- sonenkraftwagen mit geringerem CO2-Ausstoß massiv steigen würde. Somit dürfte es sich auch für die Auto- mobilindustrie lohnen, konsequenter und schneller ge- nau solche Autos zu produzieren. Innovationen sind stets wachstumsfördernd. Schauen Sie sich nur an, wie viele Arbeitsplätze in den letzten Jahren in diesem Bereich entstanden sind. Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): „Dienst- wagenprivileg abbauen und Besteuerung CO2-effizient ausrichten“, so lautet der Titel des Antrags, den ich vor sechs Wochen für meine Fraktion eingebracht habe. „Wirksame Anreize für klimafreundliche Firmenwagen“ – so lautet der Titel Ihres Antrags. Das klingt erst mal gut. Ich freue mich, dass damit zumindest die Überschrift Ihres Antrags unserem Anliegen entspricht. Da hören die Gemeinsamkeiten dann allerdings auch schon auf. Denn wenn man sich Ihre Forderungen genau anguckt, dann kann man eigentlich nicht glauben, dass Sie diesen Vor- schlag ernst meinen. Sollte die Regierung Ihren Antrag tatsächlich umsetzen, dann wäre es eine Katastrophe für die Klimapolitik im Verkehrsbereich und dazu eine völ- lig absurde und unfaire Ausweitung des Dienstwagenpri- vilegs. Das Verwirrende ist: In der Begründung Ihres Antrags treffen Sie durchaus den Kern des Problems. Sie schrei- ben: „In der Europäischen Union darf der neu zugelas- sene Fuhrpark ab 2020 im Durchschnitt nicht mehr als 95 Gramm CO2 pro Kilometer verbrauchen.“ Zum Ver- gleich: Die deutsche Neuwagenflotte ist heute mit 151 Gramm CO2 je Kilometer noch weit von diesem Zielwert entfernt. Sie schreiben weiter, dass dieses Ziel eigentlich nicht ausreicht, und dass die Umweltverbände sogar einen Flottenwert von 80 Gramm im Jahr 2020 befürworten. Auch hier sage ich: Ja, genau. Das ist auch unsere Position. Darauf aufbauend haben wir auch unse- ren Antrag geschrieben, weil wir überzeugt sind, dass man mit unserem Vorschlag für die Änderung der Dienstwagenbesteuerung das Ziel erreicht. Doch das, was Sie hier vorlegen, das passt vorne und hinten nicht zusammen. Wenn ich mir Ihren Vorschlag genauer anschaue, bekomme ich den Eindruck, dass Sie sich beim Antragschreiben auf dem Taschenrechner ver- tippt haben. Sie wollen, dass der geldwerte Vorteil, also der Pau- schalbetrag, den ein Angestellter versteuern muss, weil er von seiner Arbeitgeberin einen Dienstwagen gestellt bekommt, nicht mehr nach dem Listenpreis des Autos berechnet werden soll, sondern nach den tatsächlichen Anschaffungskosten. Darüber kann man reden, da durch die heute gültige Regelung die Anschaffung von Gebrauchtwagen als Dienstwagen benachteiligt wird. Doch dazu muss Ihnen auch klar sein: Kein Neu- wagen wird zum Listenpreis des Herstellers verkauft. Experten gehen davon aus, dass der tatsächliche Ver- kaufspreis von Neuwagen ungefähr 20 Prozent unter dem Listenpreis liegt, den der Hersteller empfiehlt. Um die Besteuerung des geldwerten Vorteils auf dem glei- chen Niveau wie heute zu halten, muss dieser Schritt also unbedingt mit einer Anhebung des Prozentsatzes bei der sogenannten 1-Prozent-Regel verbunden wer- den. Wenn also der tatsächliche Anschaffungspreis 20 Prozent unter dem Listenpreis liegt, müsste man aus der 1-Prozent-Regel eine 1,25-Prozent-Regel machen, um die private Nutzung von Neuwagen genauso zu besteuern, wie es heute der Fall ist. Sie aber schlagen genau das Gegenteil vor: Sie wollen die 1-Prozent-Regel zu einer 0,9-Prozent-Regel machen. Rechnet man Ihren Vorschlag sauber zu Ende, so führt das zu einem absurden Ergebnis: Wer von seiner Arbeit- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 165. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. März 2012 19715 (A) (C) (D)(B) geberin einen Dienstwagen gestellt bekommt, der 151 Gramm CO2 pro Kilometer ausstößt, der muss bis 2020 Jahr für Jahr weniger Steuern für die Nutzung des Dienstwagens bezahlen als heute. 151 Gramm CO2 pro Kilometer, wir erinnern uns, entspricht den Durch- schnittsemissionen der heutigen Dienstwagenflotte. Ein Audi A6 etwa pustet heute so viel CO2 in die Luft. Meine Damen und Herren von der Linken, das ist ganz klarer umweltpolitischer Unsinn. Wie wollen Sie mit solchen Regeln erreichen, dass der durchschnittliche Emissionswert in acht Jahren, also 2020, bei 80 Gramm pro Kilometer liegt? Dazu ist Ihr Vorschlag natürlich auch völlig unfair. Schon heute genießen Dienstwagenfahrer große Privile- gien gegenüber ihren Kollegen, die ihren Autokauf und die Kosten für Sprit, Versicherung und Reparaturen von ihrem Nettogehalt bezahlen müssen. Denn das Mehr an Steuern für den geldwerten Vorteil wiegt die realen Kos- ten, die ein Auto verursacht, nie auf. Ihr Vorschlag führt also dazu, dass das Fahren eines spritfressenden Audi A6 dauerhaft noch stärker subventioniert würde als bis- her. Die Obleute des Finanzausschusses haben in der letz- ten Woche vereinbart, noch vor der Sommerpause ein Fachgespräch zur Besteuerung von Dienst- und Firmen- wagen zu veranstalten. Ich glaube, dass dieser Ent- schluss sehr sinnvoll war. Denn „Wirksame Anreize für klimafreundliche Fir- menwagen“ – das wollen wir auch. Ob man das mit Ihrem Antrag erreichen kann, darüber sollten wir uns dann nochmal genau unterhalten. Zur Vorbereitung emp- fehle ich Ihnen die Lektüre unseres Antrags zur Reform der Dienstwagenbesteuerung. Denn im Gegensatz zu Ihrem Antrag hält bei uns der Titel das, was er ver- spricht. Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Anträge: – Forschung und Produktentwicklung für ver- nachlässigte und armutsassoziierte Erkran- kungen stärken – Das Menschenrecht auf Gesundheit umset- zen – Zugang zu Medikamenten weltweit verwirklichen (Tagesordnungspunkt 15 a und b) Anette Hübinger (CDU/CSU): Wir stellen heute ein Thema in den Mittelpunkt unserer Debatte, dessen Aus- wirkungen auf die Weltbevölkerung noch immer in wei- ten Teilen – innerhalb und außerhalb Deutschlands – un- terschätzt werden. Ich spreche von den sogenannten tropischen und armutsassoziierten Krankheiten. Auf den ersten Blick haben die Schlagworte „tropisch“ und „armutsassoziiert“ nichts mit uns zu tun. Schaut man aber über den eigenen – deutschen – Tellerrand hinaus, wird schnell deutlich: Es handelt sich um ein internatio- nal drängendes Problem! Mehr als 1 Milliarde Men- schen weltweit leiden oder sterben an Krankheiten wie der afrikanischen Schlafkrankheit, an Chagas, an Leish- maniose oder dem Dengue-Fieber, um nur vier zu nen- nen. In die Begrifflichkeit müssen aber auch HIV/Aids, Malaria und Tuberkulose mit aufgenommen werden, da die Forschung zum großen Teil nicht den besonderen Herausforderungen und Anforderungen an die Behand- lung der Erkrankten in Entwicklungs- und Schwellenlän- dern Rechnung trägt. Diese Krankheiten werden aber noch mit einem wei- teren Adjektiv in Verbindung gebracht. Man bezeichnet sie als vernachlässigte Krankheiten. Vernachlässigt des- halb, weil sich die Forschung diesen Krankheiten wenig widmet und weil demzufolge gar keine Medikamente, keine tropengeeigneten Medikamente oder keine Medi- kamente zu einem erschwinglichen Preis auf dem Markt sind. Der Grund hierfür ist die Armut der Betroffenen! Wo kein Geld zu verdienen ist, da halten sich die For- schungsanstrengungen von privaten Pharmaherstellern sehr in Grenzen. Dieser Umstand kann und darf uns nicht gleichgültig sein! Vielmehr sind wir aufgefordert, unser Wissen und unsere Fähigkeiten in den Dienst dieser Menschen zu stellen. Wir müssen dies aus humanitärer Verantwortung tun, aber auch damit diese Krankheiten und ihre Folgen nicht zum Entwicklungshemmnis für die Menschen und für die Länder, in denen sie leben, werden. Staatliches Engagement ist gefragt. Dieser Herausforderung stellen wir uns heute erneut mit unserem Antrag. Wir betreten damit nicht gänzliches Neuland, sondern wollen unsere Anstrengungen forcieren, um unserer Verantwortung für die globale Gesundheit auch gerecht zu werden. Klar ist angesichts einer solch großen Herausforde- rung, dass das deutsche Engagement nicht alle Probleme allein wird schultern können. Wir brauchen Partner. Das heißt, wir müssen mit anderen Ländern zusammenarbei- ten, wir müssen die Pharmafirmen mit ins Boot holen und wir müssen private Initiativen – ein prominentes Beispiel ist auf diesem Gebiet die Bill & Melinda Gates Stiftung – einbinden. Eine sehr interessante Kooperationsform sind die so- genannten Produktentwicklungspartnerschaften, abge- kürzt PDP. PDP sind nichtprofitorientierte Organisatio- nen, die Diagnostika, Impfstoffe oder Medikamente zur Bekämpfung von vernachlässigten und armutsassoziier- ten Krankheiten entwickeln und – ganz wichtig – kosten- günstig in Entwicklungs- und Schwellenländern zum Einsatz bringen. In PDP fließen privates, staatliches und unternehmerisches Engagement zusammen, und genau das wollen wir. Die Bundesregierung hat schon früh erkannt, dass dies ein sehr erfolgversprechender Weg zur Eindäm- mung von vernachlässigten, tropischen und armutsasso- ziierten Krankheiten ist und unterstützt diesen innovati- ven Forschungs- und Produktentwicklungsansatz. Die christlich-liberale Koalition begrüßt daher, dass für den Zeitraum von 2011 bis 2015 eine Summe in Höhe von 20 Millionen Euro zur Verfügung gestellt wird. Um die- 19716 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 165. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. März 2012 (A) (C) (D)(B) sem Anliegen Nachdruck zu verleihen, haben wir den Titelansatz für das Jahr 2011 um weitere 2 Millionen Euro erhöht. Das Engagement der Bundesregierung zielt dabei auf die Medikamentenentwicklungen gegen die Afrikani- sche Schlafkrankheit, gegen Viszerale Leishmaniose, die Chagas-Krankheit und Wurmerkrankungen sowie auf die Entwicklung einer Diagnostikplattform für vier para- sitäre Erkrankungen – Afrikanische Schlafkrankheit, Chagas, Leishmaniose und Malaria – und auf die Ent- wicklung eines Malariaimpfstoffes für Schwangere. Ich bin mir der Tatsache bewusst, dass 22 Millionen Euro finanzielle Unterstützung von PDP im internationa- len Vergleich keine riesige Hausnummer darstellen und das nur ein Anfang sein kann. Aber genau das ist der springende Punkt. Wir befinden uns am Anfang eines – hoffentlich gemeinsamen – Weges. Deshalb war es vonseiten der Bundesregierung genau die richtige Entscheidung, einen abgrenzbaren und somit besser sichtbaren Bereich auszuwählen und dort gezielt Forschung zu unterstützen. Den Fokus auf die Errei- chung der Millenniumsentwicklungsziele 4 – Verringe- rung der Kindersterblichkeit – und 5 – Verringerung der Müttersterblichkeit – zu legen, ist somit ein guter wie auch wichtiger Anfang. Für uns als christlich-liberale Koalition ist klar: Wenn sich die finanzielle Unterstützung der ausgewählten PDPs bewährt, wollen wir den jetzigen Ansatz weiter- entwickeln. Für eine neue Förderrunde nach 2015 darf es dann auch keine Denkverbote hinsichtlich der Einbezie- hung von HIV/Aids und Tuberkulose geben. Mit unserem Antrag streben wir für die zweite För- derrunde, die nach meiner Meinung kommen muss, eine höhere Förderung an. Dafür werde ich mich einsetzen. Im Gegensatz zu allen Oppositionsparteien hier im Hause tragen wir als christlich-liberale Koalition eine große Verantwortung für den Bundeshaushalt. So sehr wir für die Bekämpfung vernachlässigter und armuts- assoziierter Krankheiten „brennen“, können wir dennoch keine Fantasiesummen fordern. Das sagen wir ehrlich. Aber wir sagen auch, dass auf das einmal Zugesagte auch Verlass sein muss. Das deutsche Engagement im Bereich vernachlässigte Krankheiten geht über PDP hinaus. Es reicht von der Grundlagenforschung an deutschen Universitäten über die deutsche Beteiligung an der europäisch-afrikani- schen Initiative EDCTP, European and Developing Countries Clinical Trials Partnership, bis hin zur Verbes- serung der medizinischen Versorgung vor Ort durch Maßnahmen unserer Entwicklungszusammenarbeit. Unser Antrag zielt darauf, dieses Engagement der Bundesregierung zu verstetigen und das deutsche Enga- gement im Bereich der globalen Gesundheit auszubauen. Dabei kommt es darauf an, ein ausgewogenes Verhältnis von Grundlagenforschung zu der Unterstützung von pro- duktorientierter Forschung sicherzustellen, wobei auch Forschungspartnerschaften mit Entwicklungsländern zu forcieren sind. Wir wollen, dass Förderstrategien künftig so ausge- richtet sind, dass erfolgversprechende Produkte konse- quent bis zur breiten Anwendung in der Krankenversor- gung entwickelt werden; denn wir wollen, dass den Menschen in den Entwicklungs- und Schwellenländern geholfen wird. Ihr Schicksal und ihre Chancen auf Ent- wicklung sind eng mit unserem eigenen Schicksal ver- bunden. Ich freue mich auf den politischen Diskurs über das Thema im Laufe des anstehenden parlamentarischen Be- ratungsverfahrens. Ich denke, in dem verfolgten Ziel ha- ben wir eine breite Übereinstimmung. Diese brauchen wir auch, um das Thema zukünftig noch mehr voranzu- bringen. René Röspel (SPD): Rückblickend kann festgestellt werden, dass die sogenannten vernachlässigten Krank- heiten – bzw. die Erforschung von Behandlungsmöglich- keiten derselben – nicht nur in der Industrie, sondern auch in der Politik in der Vergangenheit nur wenig Be- achtung gefunden haben. Umso erfreulicher ist es, dass sich nach vielen Jahren der Untätigkeit nun endlich die Politik des Themas angenommen und es im parlamenta- rischen Raum Berücksichtigung gefunden hat. Aller- dings wäre es wünschenswert, wenn das Thema auch im Plenum seine angemessene Wertschätzung finden würde: Mit Bedauern ist festzustellen, dass nicht nur am heutigen Tag, sondern zum wiederholten Mal die De- batte zu diesem Thema nicht im Plenum geführt wird, sondern zu Protokoll geht. Es sei an dieser Stelle die Frage erlaubt, ob eine echte parlamentarische Wertschät- zung dieses Themas – und letztlich der Respekt für die Menschen, die von diesen Krankheiten betroffen sind – nicht einen angemesseneren Umgang im Plenumsbetrieb erfordert? Der vorliegende, von den Koalitionsfraktionen einge- brachte Antrag verweist auf die Potenziale von Produkt- partnerschaften – sogenannte PDP – bei der Bekämp- fung der vernachlässigten Krankheiten. Leider muss mit Bedauern festgestellt werden, dass sich der Antrag im Wesentlichen auf Tatsachenbeschreibungen bzw. die Wiedergabe der derzeitigen Situation beschränkt. Der Appell nach einer Ausweitung der Förderung bzw. einer künftigen Fortführung derselben wird leider nicht mit der Forderung nach der Bereitstellung von konkreten Haushaltsmitteln für dieses Vorhaben unterfüttert. Zwar wird ein Mittelaufwuchs in den „kommenden Jahren“ angestrebt. Allerdings wird weder der Zeithorizont noch die notwendige Höhe dieses Mittelaufwuchses spezifi- ziert. Dies ist enttäuschend, zumal man von einem An- trag der Legislative doch erwarten könnte, dass er an die Exekutive konkrete Forderungen stellt. Ebenfalls merkwürdig ist die Forderung, dass PDP im Bereich der „Diagnose oder Behandlung“ der vernach- lässigten Krankheiten gefördert werden sollen. Ist dies nicht per se Sinn und Zweck dieses Förderprogramms? Aber nicht nur das: Der Antrag weist noch weitere Forderungen auf, deren Sinnhaftigkeit sich dem geneig- ten Leser nur schwer erschließt. So wird etwa unter Punkt 10 gefordert, dass „die nationale Förderung im Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 165. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. März 2012 19717 (A) (C) (D)(B) Bereich der Grundlagenforschung, präklinischen For- schung und der klinischen Forschung fortzusetzen“ sei. Droht diesen Formen der Forschung in Deutschland ein Ende? Und wenn ja, dann sei an dieser Stelle die (diabo- lische) Frage erlaubt, was denn die Alternative zu diesen Formen der Forschung im Gesundheitsbereich sein soll. Nach meinem Kenntnisstand hat es die moderne Medi- zin und Gesundheitsforschung bisher nicht geschafft, auf einem anderen Wege Behandlungsmöglichkeiten für er- krankte Patienten bereitzustellen. Weiterhin muss darauf hingewiesen werden, dass ein Teil des Forderungskatalogs nicht konsistent ist: So wird in Forderung Nr. 5 explizit darauf verwiesen, dass bei der Förderung von PDP ein „ausgewogenes Verhältnis von Grundlagenforschung“ und „produktorientierter For- schung“ anzustreben ist. Doch schon in Forderung Nr. 6 findet sich der Verweis, dass bei der Unterstützung von PDP die „bedarfsorientierte […] Entwicklung […] von Medikamenten im Vordergrund“ stehen soll. Da fragt sich selbst der wohlgesonnene Leser „Was denn nun?“. Ausgewogene Grundlagenforschung oder doch eine schnelle und output- bzw. bedarfsorientierte Anwen- dungsforschung? Wie eine leere Hülse wirkt der in Nr. 11 gestellte Ap- pell, die „Wissensbasis für die Verbesserung der medizi- nischen Versorgung in den Schwellen- und Entwick- lungsländern zu verbreitern“. Stellt sich nur die Frage, wessen Wissensbasis verbreitert werden soll. Die uns- rige zu den Verhältnissen vor Ort, oder die in den Ziel- ländern? Lobend sei an dieser Stelle der Tatendrang der Forde- rungen Nr. 12 und 13 erwähnt. Hier wird vollmundig zu Capacity-Building-Maßnahmen aufgerufen. Eine solche Forderung lässt sich stets leicht aufstellen. Wenn man es jedoch ernst meint, dann muss dafür auch zusätzliches Geld bereitgestellt werden. Es ist fraglich, wie nachhal- tige und substanzielle Maßnahmen zur Steigerung der Forschungskapazitäten in den betroffenen Zielländern geschaffen werden sollen, wenn für das jährliche Ge- samtbudget der PDP-Förderung nur 5 Millionen Euro veranschlagt sind. Zudem bleibt offen, wie viel von die- sem Geld tatsächlich in den Zielländern ankommen soll. Weiterhin wäre es wünschenswert, wenn geplante Maß- nahmen im Bereich des Capacity Building – deren Wichtigkeit hier nicht infrage gestellt wird – nicht auf Kosten des PDP-Forschungsbudgets gehen würden. Bei- des, gute Forschung und nachhaltige Strukturen in den betroffenen Zielländern, sind nur durch adäquate Finanz- mittel erreichbar. Inhaltliche Qualität beruht auch in die- sem Fall maßgeblich auf finanzieller Quantität. Der Appell, die klinische Forschung der „Großen Drei“, also HIV/Aids, Malaria und Tuberkulose über die EDCTP-Initiative weiter voranzutreiben, ist redlich. Wa- rum setzt man sich aber vonseiten der Regierung nicht auf europäischer Ebene dafür ein, dass künftig auch die klinische Forschung für andere vernachlässigte Krank- heiten über dieses Finanzierungsinstrument gefördert wird? Es wäre doch wünschenswert, wenn die Bekämp- fung der vernachlässigten Krankheiten in den Entwick- lungsländern nicht nur eine nationale, sondern auch eine europäische Aufgabe wird, zumal es auf europäischer Ebene bereits erfolgversprechende Finanzierungsinstru- mente gibt. Unter Nr. 16 wird die Forderung nach einer künftigen Fortführung der PDP-Förderung von einer positiven Evaluation der ersten Förderrunde abhängig gemacht. Zwar ist es grundsätzlich zu begrüßen, dass förderpoliti- sches Handeln sich einer kritischen Prüfung zu stellen hat. Allerdings sollte man doch erwarten können, dass diejenigen, die die Forderung nach einer „positiven Eva- luation“ stellen, auch spezifizieren können, was über- haupt Gegenstand einer solchen Evaluation sein soll. Soll bei einem solchen Begutachtungsverfahren die Grundlagenforschung oder die anwendungsorientierte Entwicklung von Medikamenten im Fokus stehen? Oder etwa das Vergabeverfahren des BMBF selbst? In letzte- rem Fall wäre es zu begrüßen, wenn das Schicksal der PDP nicht von der Leistungsfähigkeit des Ministeriums und seinen Projektträgern abhängig gemacht wird. Denn dies wäre eine unsachgemäße Bewertung eines an sich positiven Ansatzes. In der Gesamtschau wird deutlich, dass der vorlie- gende Antrag einer grundlegenden Überarbeitung be- darf. Eine vernünftige und nachhaltige Förderpolitik für PDP braucht ein klares Bekenntnis der Politik, welches sich auch in der Bereitstellung adäquater Haushaltsmittel widerspiegelt. Wenn die Exekutive es nicht vermag, diese Mittel in angemessenem Maße bereitzustellen, dann muss es die Aufgabe des Parlamentes mit seiner Haushaltshoheit sein, dies mit Nachdruck einzufordern. Leider vermag der vorliegende Antrag der Koalitions- fraktionen dies nicht. Deshalb werden wir nicht zustim- men. Dr. Peter Röhlinger (FDP): Wir sprechen heute über zwei Anträge, bei denen ich viel Übereinstimmung erkenne. Das ist gerade bei diesem Thema außerordent- lich erfreulich. Es gibt Übereinstimmung bei den Zie- len: In beiden Anträgen geht es darum, die Millen- niumsentwicklungsziele im Auge zu behalten und sich ihnen anzunähern. Es gibt Übereinstimmung in der Beurteilung des Istzustandes: Beide Anträge konstatie- ren, dass die Krankheiten, um die es hier geht, durch Armut verursacht werden und ihrerseits wiederum die Ursache für Armut sind. Die Krankheiten sind teilweise behandelbar und wären in vielen Fällen vermeidbar, wenn, ja wenn die Lebensumstände der betroffenen Menschen andere wären. Beide Anträge beleuchten auch das Problem der sogenannten Großen Drei, HIV/ Aids, Malaria und Tuberkulose, die von der Welt- gesundheitsorganisation nicht zu den 17 vernachlässig- ten Tropenkrankheiten gezählt werden, die aber ohne Zweifel armutsassoziiert sind und gerade in Schwellen- und Entwicklungsländern sehr oft tödlich verlaufen. Selbst bei den vorgeschlagenen Maßnahmen gibt es viel Übereinstimmung: Es gilt, Forschungs- und Versor- gungslücken zu schließen, und dazu können Produktent- wicklungspartnerschaften, PDP, beitragen. Ich freue mich sehr darüber, dass auch im Antrag der Opposition die Förderung von Produktentwicklungspart- 19718 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 165. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. März 2012 (A) (C) (D)(B) nerschaften eine große Rolle spielt und dass dieses neue Instrument bei den Forderungen der Grünen gleich an erster Stelle platziert ist. Wir Koalitionsfraktionen stel- len für den ersten Förderzeitraum 20 Millionen Euro für PDP zur Verfügung. Die Grünen fordern 100 Millionen Euro – aber dafür sind sie ja auch in der Opposition und müssen nicht sagen, woher das Geld kommen soll. Umso erfreulicher ist, finde ich, dass die Bundes- regierung sich bereits für drei Organisationen entschie- den hat, die PDP organisieren und dafür Förderung erhalten sollen, nämlich für die Drugs for Neglected Diseases, DNDi – diese Organisation entwickelt Medi- kamente gegen die Afrikanische Schlafkrankheit, Vis- zerale Leishmaniose, die Chagas-Krankheit und gegen Wurmerkrankungen –, die Foundation for Innovative New Diagnostics, FIND – hier wird eine Diagnoseplatt- form für die vier parasitären Erkrankungen Afrikanische Schlafkrankheit, Chagas, Leishmaniose und Malaria ent- wickelt – und die European Vaccine Initiative, EVI – diese Initiative entwickelt einen Malariaimpfstoff für Schwangere. Wenn diese Ansätze erfolgreich sind, wer- den in absehbarer Zeit Medikamente und Impfstoffe für die Betroffenen nicht nur zur Verfügung stehen, sondern auch erreichbar und zugänglich sein. Das wäre ein gro- ßer Schritt in die richtige Richtung. Es soll nicht verschwiegen werden, dass es natürlich auch ein paar Unterschiede zwischen dem Antrag der Koalitionsfraktionen und dem Antrag der Grünen gibt. Das zeigt sich schon in den Überschriften. Bei den Grünen geht es um die ganz großen Ziele, das Menschenrecht auf Gesundheit und den weltweiten Zugang zu Medikamen- ten. Da kommt unser Anliegen sehr viel bescheidener daher: Wir fangen klein an und wollen – nur – Forschung und Produktentwicklung für vernachlässigte und armuts- assoziierte Erkrankungen stärken. Damit haben wir aber bereits angefangen, und wir haben für verschiedene Maßnahmen die Mittel auch bereitgestellt. Es könnte sein, dass das für die betroffenen Menschen in den Ent- wicklungs- und Schwellenländern ein nicht unerheb- licher Unterschied, ja sogar der entscheidende Vorteil ist. Es stimmt, dass die Armen dieser Welt nur über geringe Kaufkraft verfügen und deshalb für die Pharma- industrie keinen besonders interessanten Markt darstel- len. Die Grünen meinen, da müssten Zwangsmaßnah- men ergriffen werden, die allerdings – das sehen sie durchaus realistisch – schwer durchsetzbar seien. Wir Liberalen sind da pragmatisch. Wir sind der Meinung: Wenn die Pharmaindustrie sich auf Medikamente kon- zentriert, mit denen sich Gewinne erzielen lassen, ist das nicht irgendwie verwerflich, sondern das ist marktwirt- schaftlich erfolgreiches Handeln. Wenn wir Politiker erreichen wollen, dass auch ver- nachlässigte Krankheiten erforscht und Behandlungen ermöglicht werden, wo keine Gewinne zu erwarten sind, dann müssen wir Anreize schaffen. Das BMBF schafft solche Anreize, indem es die Entwicklung von Produk- ten zur Prävention, Diagnose und Behandlung von ver- nachlässigten und armutsassoziierten Krankheiten för- dert und unterstützt – mit bis zu 28 Millionen Euro in den Jahren 2011 bis 2014. Wenn Sie meinen, dass das viel zu wenig ist, haben Sie sicher recht. Aber wir haben leider nicht die Mög- lichkeit, alles zu finanzieren, was erforderlich und wün- schenswert wäre. Dass die Bundesregierung in diesen Zeiten dennoch so viel Geld lockermacht, um kranken Menschen in armen Ländern zu helfen, verdient Aner- kennung. Wir glauben nicht, dass Zwangsmaßnahmen zum Erfolg führen. Die Politik ist für die politischen Ziele zuständig. Und wenn die Bundesregierung ein Förder- programm startet, um ihre politischen Ziele zu verfolgen und in diesem Fall die Bekämpfung von vernachlässig- ten und armutsassoziierten Krankheiten zu unterstützen, dann finden wir das richtig und leisten als Abgeordnete unseren Beitrag dazu, dass die ergriffenen Maßnahmen zum Erfolg führen. Deshalb möchte ich bis in die Reihen der Grünen hinein dafür werben, den Antrag der Koali- tionsfraktionen zu unterstützen. Dr. Petra Sitte (DIE LINKE): Die Koalition hat ge- kreißt und einen Zwerg geboren. Den „Forschungszwerg Deutschland“ nämlich. So bezeichnet die Organisation „Ärzte ohne Grenzen“ unser Land nach einer Analyse der deutschen Forschungsförderung zu vernachlässigten und armutsbedingten Krankheiten. Die Bundesregierung hat sich in den vergangenen Jahren zaghaft diesem Thema genähert und eine erste Initiative etwa zur Förderung von Produktentwicklungs- partnerschaften mit NGOs und Industrie gestartet. Lang hat es gedauert, und ohne den Druck von uns und den anderen Oppositionsfraktionen wäre wohl gar nichts passiert. Diese begonnenen Maßnahmen sollen nun, so der Koalitionsantrag, verstetigt werden. Das ist gut und unterstützenswert, reicht aber angesichts der Problemdi- mension längst nicht aus. Der Forschungsreport von „Ärzte ohne Grenzen“ kommt denn auch in seiner Analyse zu einem ernüch- ternden Ergebnis, ich zitiere: Die Steigerung der Mittel ist zunächst einmal durchaus erfreulich, jedoch belegt sie leider keinen Politikwechsel. Sie liegen lediglich im Rahmen der derzeitigen Wachstumsraten der Forschungsaus- gaben in Deutschland. Diese Einschätzung lässt sich an Beispielen verdeutli- chen. Die neue Förderung für die Produktentwicklungspart- nerschaften etwa haben wir Linke immer unterstützt. „Ärzte ohne Grenzen“ lobt sie ebenfalls, stellt die 22 Millionen Euro für vier Jahre bis 2014 aber auch ins Verhältnis zu den 70 Millionen Euro, die etwa die Nie- derlande für diesen Zeitraum zur Verfügung stellen. Für die Tuberkuloseforschung gab Deutschland 2009 inklusive der EU-Mittel etwa 15 Millionen Euro aus, die USA hingegen 181 Millionen, Großbritannien immer noch 33,2 Millionen. Der deutsche Beitrag zur Bekämpfung vernachlässig- ter Krankheiten steht in keinem Verhältnis zu unserer Wirtschaftskraft. Selbst das Niedrigsteuerland USA Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 165. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. März 2012 19719 (A) (C) (D)(B) wendet gemessen am Bruttoinlandsprodukt zehnmal mehr auf! Vom europäischen Ziel, bis 2015 0,7 Prozent des BIP zur Förderung der Entwicklungszusammenar- beit auszugeben, ist unser Land weit entfernt. Auch bei den nichtmonetären Maßnahmen bleibt die Koalition hinter dem Notwendigen zurück. Zum Um- gang mit Patenten und anderen Wissensgütern, die in der Forschung erarbeitet werden, finden wir keine Aussage im Koalitionsantrag. Meine Fraktion hat vorgeschlagen, internationale Patentpools zu unterstützen sowie eine gerechte Lizenzpolitik zur verbindlichen Voraussetzung einer öffentlichen Förderung zu machen. Wir haben Sie aufgefordert, EU-Handelsabkommen wie etwa ACTA oder das EU-Indien-Abkommen nicht zu unterzeichnen, wenn der Zugang zu Medikamenten dadurch beeinträch- tigt werden könnte. Leider steht diese Regierung weiter zu ACTA. Wir wollen ärmere Länder beim Aufbau einer eigenen Generikaproduktion unterstützen. Auch zu dieser Frage haben Sie leider keine Antwort gegeben. So sehr ich das Engagement einzelner Kolleginnen, etwa von Frau Hübinger, auch schätze: diese Koalition tut nicht genug, um ihren Anteil zur Bekämpfung ver- nachlässigter und armutsbedingter Krankheiten beizutra- gen. Wir werden Ihren Antrag nicht ablehnen, aber um vom Forschungszwerg zum Forschungsriesen zu wer- den, müssen Sie nicht nur Schwerpünktchen, sondern ei- nen echten Schwerpunkt setzen. Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das Recht auf Gesundheit ist ein Menschenrecht. Dennoch haben etwa 1,7 Milliarden Menschen keinen Zugang zu essenziellen Medikamenten. Krankheiten haben ernstzunehmende sozioökonomische Auswirkungen und blockieren eine positive gesellschaftli- che Transformation. Einerseits sind viele Krankheiten in Entwicklungs- und Schwellenländern armutsbedingt, an- dererseits fördern Krankheiten Armut, die nicht nur die Erkrankten und deren Familien trifft, sondern gesamtge- sellschaftliche negative Auswirkungen hat. Diese Erkenntnis ist zwar ziemlich banal – es hat aber in der Entwicklungspolitik sehr lange Zeit gebraucht, bis diese so erkannt und konkret verankert wurde. Erst im Jahr 2000 wurde das Gesundheitsproblem durch die Millenniumsentwicklungsziele als eine zentrale Größe der Entwicklungszusammenarbeit definiert. Jetzt stellt sich die Frage, ob wir auch wirklich das Mögliche in unserem Wirkungskreis tun, um dem berechtigten Ge- sundheitsbedürfnis der Menschen in Entwicklungslän- dern gerecht zu werden. Bei der Versorgung mit medizi- nischen Produkten gibt es mehrere Problembereiche, die wir in unserem Verantwortungsbereich hier in Deutsch- land und Europa lösen müssen. Ich möchte an dieser Stelle vor allem zwei Aspekte herausgreifen. Um den Zugang zu den notwendigen Präventions- mitteln, Impfstoffen, Diagnostika und Medikamenten wesentlich zu verbessern, muss sowohl die Forschungs- als auch die Versorgungslücke weitgehend geschlossen werden. Das heißt, dass wir einerseits die Forschungs- agenda an den Bedürfnissen der Menschen in Ländern des Südens ausrichten müssen und die öffentliche For- schungsförderung für vernachlässigte und armutsbe- dingte Krankheiten auf nationaler wie auf europäischer Ebene deutlich ausbauen und neue Forschungsförde- rungsmechanismen prüfen und implementieren müssen. Andererseits müssen wir die Versorgung der armen Bevölkerung mit bereits existierenden medizinischen Produkten ermöglichen. Der Gesundheitsbereich ist aber ein von Gewinnstreben dominierter Billionenmarkt. Hohe Medikamentenpreise schließen viele Menschen in Entwicklungsländern vom Zugang aus. Besonders im Umgang mit geistigem Eigentum brauchen wir ein Umdenken und eine faire Lizenzpolitik. Die Hälfte der Gelder im Bereich der medizinischen Forschung kommt weltweit aus staatlichen Mitteln. Hieraus ergibt sich eine klare gesellschaftliche Verantwortung, die wir nicht weiter ignorieren dürfen. Öffentlich finanzierte For- schungsförderung muss zukünftig mit sozialen Kriterien verknüpft werden, um im Sinne einer gerechten Lizenz- politik auch Menschen in ärmeren Ländern erleichterten Zugang zu Medikamenten, Impfstoffen und anderen medizinischen Produkten zu ermöglichen. Wir müssen auch endlich zu einer kohärenten Politik im Gesundheitsbereich kommen. Es ist aber völlig inko- härent, wenn wir einerseits versuchen, vor allem in der Entwicklungszusammenarbeit das Menschenrecht auf Gesundheit zu verwirklichen, und gleichzeitig über bila- terale Freihandelsverträge alles getan wird, die Privile- gien der Pharmaindustrie nicht nur zu erhalten, sondern sogar mit den sogenannten TRIPS-Plus-Bestimmungen auszuweiten. Diese gehen über die international verein- barten Standards zu geistigem Eigentum hinaus und schränken gravierend die Schutzklauseln ein. Dies ist nicht nur inkohärent, sondern eine Missachtung des Menschenrechts auf Gesundheit. In unserem Antrag versuchen wir, gerade diese Punkte aufzuzeigen, und stellen entsprechende Forde- rungen. Der Antrag der Koalition enthält zwar viele gute Forderungen, die wir selbstverständlich auch unterstüt- zen. Aber ein Problem gibt es mit Ihrem Antrag: Er ist nicht ganz glaubwürdig. Wenn Sie es aber ernst mit den 17 Forderungen meinten, dann würden Sie auch klar sa- gen, dass diese nicht umsonst zu erhalten sind. Ich sehe keine einzige konkrete finanzielle Forderung in Ihrem Papier. Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit sind in der Entwicklungspolitik aber nun mal zentrale Elemente. Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bun- desministerin für Bildung und Forschung: Wir beraten heute zwei Anträge, die sich demselben Ziel widmen: dem Kampf gegen armutsassoziierte und vernachlässigte Erkrankungen. Ich freue mich besonders, dass beide Anträge anerkennen, dass unsere Politik eine Basis ge- schaffen hat, auf der aufgebaut werden kann und die es weiterzuentwickeln gilt. Mit dem Förderkonzept für vernachlässigte und ar- mutsassoziierte Erkrankungen und der Verankerung im Gesundheitsforschungsprogramm hat diese Bundesre- gierung zum ersten Mal Forschung für die Gesundheit 19720 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 165. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. März 2012 (A) (C) (D)(B) der Ärmsten in der Welt zum Regierungsziel erhoben. Die Elemente des Forschungskonzepts sind erstens Stär- kung der relevanten nationalen Forschung, zweitens ein substanzieller Beitrag zur Entwicklung dringend benö- tigter Diagnostika, Impfstoffe und Medikamente und drittens Unterstützung von qualitativ hochwertiger und wettbewerbsfähiger Gesundheitsforschung in den Ent- wicklungsländern selbst. Armutsassoziierte und vernachlässigte Erkrankungen – das sind zwei Kategorien, die immer im selben Atemzug genannt werden, aber doch Unterschiede aufweisen. Armut schränkt den Zugang zu Gesundheitsleistungen dramatisch ein. Das gilt weltweit, nicht nur in Entwick- lungsländern. Deshalb sind die „Großen Drei“ – HIV/ Aids, Tuberkulose und Malaria – immer noch tödliche Seuchen und bleiben große Herausforderungen, trotz ih- rer relativen Behandelbarkeit und trotz beträchtlicher Forschungsmittel, die zu ihrer Bekämpfung aufgewandt werden. Dagegen sind Krankheiten wie viele Wurm- erkrankungen, Dengue-Fieber oder die Chagas-Krank- heit tatsächlich vernachlässigt. Für ihre Behandlung feh- len häufig adäquate Behandlungsmöglichkeiten, und Forschung findet wegen mangelnder Relevanz für die entwickelten Länder nicht oder kaum statt. In unserem Förderkonzept differenzieren wir deshalb auch zwischen den „Großen Drei“ und den „vernachläs- sigten“ Krankheiten. Forschung zu den „Großen Drei“, vor allem zu HIV und TB, unterstützt die Bundesregie- rung seit langem. Mit dem geplanten Deutschen Zen- trum für Infektionskrankheiten werden wir hier ein neues Kapitel aufschlagen. Das Zentrum wird voraus- sichtlich Ende des Monats seine letzte Evaluation durch- laufen haben. Es setzt seinen Schwerpunkt gerade in die Erforschung von HIV, TB und Malaria im Armutskon- text. Wir vereinen hier die namhaftesten deutschen uni- versitären und außeruniversitären Forschungsstandorte. So sorgen wir dafür, dass der Transfer von Forschungs- ergebnissen zum Nutzen für die Patienten beschleunigt wird. Partnerinstitutionen des Deutschen Zentrums für Infektionskrankheiten, zum Beispiel in Tansania, Bur- kina Faso oder Gabun, garantieren, dass auch die Ent- wicklungsländer unmittelbar an der Forschung partizi- pieren können. Der Kampf gegen HIV, TB und Malaria steht im Fo- kus eines weiteren wichtigen Elementes unseres Förder- konzepts. Das ist der deutsche Beitrag zur EDCTP, der European and Developing Countries Clinical Trials Part- nership. EDCTP ist ein Erfolgsmodell für die klinische Forschung in und mit Entwicklungsländern. Vor allem ist es ein Erfolgsmodell für eine wirkliche partnerschaft- liche Zusammenarbeit von Forschern aus armen mit For- schern aus reichen Ländern. Deutschland war maßgeblich an der Gründung von EDCTP im Jahre 2003 beteiligt. Unser stetes Bekenntnis zu EDCTP hat dieser wertvollen Initiative über die ers- ten schweren Jahre geholfen. Wir werden uns mit aller Kraft dafür einsetzen, dass EDCTP im neuen europäi- schen Programm für Forschung und Innovation eine wichtige Rolle spielt. EDCTP II wird – so sieht es nach heutigem Planungsstand aus – mit deutlich mehr Geld die klinische Entwicklung von Medikamenten und Impf- stoffen gegen die „Großen Drei“ weiter vorantreiben. EDCTP II wird aber auch seine Erfahrung und seine Ka- pazitäten zukünftig dem Kampf gegen andere vernach- lässigte Erkrankungen zur Verfügung stellen. Eine Ihrer Forderungen, liebe Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen, haben wir also bereits erfüllen können. Zum ersten Mal geht eine Bundesregierung auch den Kampf gegen die „echten“ vernachlässigten Erkrankun- gen, wie etwa Flussblindheit, Afrikanische Schlafkrank- heit oder Leishmaniose, programmatisch und gezielt an. Wir haben hier die nationale Forschungsförderung er- heblich intensiviert. Vor allem haben wir mit der ersten großvolumigen Unterstützung von Produktentwick- lungspartnerschaften oder PDP klare Zeichen gesetzt. In einem qualitätsgesicherten Verfahren wurden zunächst 20 Millionen Euro für vier Jahre zur Verfügung gestellt. Wenn jetzt Forderungen erhoben werden, sofort erheb- lich mehr Mittel bereitzustellen, dann sage ich: Gemach! Erst einmal müssen wir Erfahrungen mit dieser für uns neuen Förderlinie sammeln. Dann werden wir entschei- den, wie viele zusätzliche Mittel für welche PDP inves- tiert werden müssen. Wir beraten uns mit anderen wich- tigen Förderern, wie der Bill & Melinda Gates Stiftung oder anderen Geberländern, im Rahmen der multilatera- len PDP-Funders Group oder bilateral mit den Gebern, die eine ähnliche Förderpolitik wie wir verfolgen, wie zum Beispiel den Niederlanden. Eins aber ist jetzt schon sicher: Auch mit den von Bündnis 90/Die Grünen gefor- derten 100 Millionen Euro würden wir nicht großflächig alle Produktentwicklungspartnerschaften unterstützten können. Wir müssen gezielt dort ansetzen, wo wir mit unserer Unterstützung den größtmöglichen Nutzen erzie- len können. Eine Vorfestlegung schon jetzt auf Krank- heiten oder bestimmte Produkte hilft nicht weiter. Investitionen in Forschung in den Entwicklungslän- dern sind der Schlüssel für eine nachhaltige Hilfe zur Selbsthilfe. Wenn wir dabei helfen, in den armen Län- dern wettbewerbsfähige Forschungsstrukturen der Bio- medizin aufzubauen, wenn wir weiter dabei helfen, For- schung besser in die Ausbildung von Ärzten und medizinischen Fachberufen zu integrieren, wenn wir uns dafür einsetzen, die Forschung direkt und schnell nutz- bar für die Versorgung vor Ort zu machen, erst dann ver- folgen wir einen ganzheitlichen Ansatz. Genau dies wer- den wir mit der geplanten Förderung von sogenannten Gesundheitsforschungsnetzen in Subsahara-Afrika tun. Wir haben dieses neue Element unseres Förderkonzepts mit internationalen Stakeholdern beraten. Alle deutschen Förderorganisationen sind eingeladen, hier mitzuma- chen. In Kürze werden wir mit afrikanischen Organisa- tionen und Institutionen die wichtigsten Bedürfnisse vor Ort herausarbeiten. Unsere Förderung wird 2013 begin- nen. Wir planen, ab 2014 hierzu bis zu 10 Millionen Euro jährlich zur Verfügung zu stellen. Die Bundesregierung hat in recht kurzer Zeit viel be- wirkt. Forschung für armutsbedingte und vernachläs- sigte Erkrankungen ist – im Gegensatz zu früher – kein unbeschriebenes Blatt mehr in der deutschen For- schungspolitik. Wir können uns, auch international, mit Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 165. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. März 2012 19721 (A) (C) (D)(B) dem sehen lassen, was wir bewirkt haben. Auf diesem Weg werden wir weitergehen, und zwar gemeinsam und auf Augenhöhe mit unseren Partnern in den betroffenen Ländern. Deutschland ist im Hinblick auf seine Gesundheits- versorgung eines der privilegiertesten Länder der Welt. Deshalb ist es uns Verpflichtung, einen substanziellen und nachhaltigen Beitrag für diejenigen zu leisten, für deren Krankheiten aufgrund von Armut bis heute oft we- der Diagnostika noch Therapieverfahren zur Verfügung stehen. Forschung ist dafür der beste Weg. Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts zu dem Antrag: Für eine Strategie zur europäischen Integration der Länder des westli- chen Balkans (Tagesordnungspunkt 16) Sevim Dağdelen (DIE LINKE): Vor fast genau 13 Jahren haben Sie dem völkerrechtswidrigen Angriffs- krieg auf Jugoslawien ihre Zustimmung gegeben. Da- mals haben Sie Ihre Zustimmung zum Krieg sogar perfi- derweise mit der Gefahr eines „neuen Auschwitz“ begründet. Das war unerträglich und widerlich. In Ihrem nun zur europäischen Integration der daraus hervorge- gangenen Länder und Entitäten vorgelegten Antrag for- dern Sie – nur von Serbien, wohlgemerkt – eine weitere „Auseinandersetzung mit dem Zerfall Jugoslawiens“. Vielleicht sollten Sie sich selbst einmal damit auseinan- dersetzen, was Sie mit Ihrer Zustimmung zum NATO- Bombardement auf Jugoslawien zu diesem „Zerfall“ bei- getragen haben. Und vielleicht sollten Sie sich auch ein- mal damit auseinandersetzen, was Ihre Politik der Unter- stützung von Rebellen- und Separatistenbewegungen je nach Interessenlage für Folgen hat. Sie von den Grünen, besonders Frau Beck, sehen keine deutsche Verantwor- tung, keine Schuld. Sie sehen keinen Zusammenhang zwischen der deutschen Anerkennungspolitik gegenüber Kroatien und Slowenien, dem NATO-Überfall auf Jugo- slawien und der Herauslösung des Kosovo und den an- schließenden Konflikten in Mazedonien, Bosnien und Herzegowina, dem Georgien-Krieg 2008 und den Kon- flikten im Südkaukasus, die kurz vor der Explosion ste- hen. In Ihrem Antrag fordern Sie, meine Damen und Herren der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, auf dem Balkan noch genau eine Grenze zu ziehen. Dieser Grenzposten zwischen Serbien und dem Kosovo wird gerade alltäglich von deutschen Soldaten und Polizisten gegen den Widerstand der im Norden des Kosovo ansäs- sigen Bevölkerung durchgesetzt. Es kommt Tränengas zum Einsatz, und manchmal wird scharf geschossen. Sie fordern in Ihrem Antrag, dass diese Grenze völkerrechts- widrig auch von den Staaten der EU anerkannt wird, die aufgrund eigener sezessionistischer Bestrebungen wis- sen, was das bedeutet. Das ist eine im wahren Sinne des Wortes imperialistische Politik. Diese Art des Rechtsni- hilismus in der internationalen Politik legt die Axt an die Wurzel des friedlichen Zusammenlebens weltweit. Das müssen Sie endlich einmal einsehen. Ich fordere Sie auf: Kehren Sie endlich um auf diesem Weg! Kehren Sie zu- rück zum Völkerrecht! Es ist beinahe traurig, dass nur noch die Linke im Bundestag als einzige Fraktion für eine völkerrechtskonforme Außenpolitik steht. Diese Politik der neuen Grenzziehungen setzt sich bei Ihnen gerade so in Afrika fort – und hat auch dort schreckliche Folgen. Sie erkennen keinen Zusammen- hang zwischen der Zerschlagung Jugoslawiens und den zunehmend sezessionistischen Bestrebungen der SPLM/A im Sudan. Ihre Kollegin im EP, Franziska Brantner, ließ sich vor diesem Hintergrund zu der Aussage hinreißen, man solle doch einmal die alten Kolonialgrenzen in Afrika „überdenken“. Sehen Sie denn nicht die Folgen dieser Politik? Afrika erlebt eine neue Welle gewaltsa- mer Sezessionsbestrebungen, in Somalia wurde ein neuer Staat Khatumo ausgerufen; infolge des Libyen- Krieges wollen Tuareg-Kämpfer das Azawad von Mali abtrennen. Die Rebellen in Libyen selbst, die Sie unter- stützt und anerkannt haben wollten, haben vor wenigen Tagen die Unabhängigkeit der Cyrenaika erklärt, und ge- genwärtig eskalieren auch wieder die Kämpfe zwischen der senegalesischen Armee und den Casamance-Rebel- len. Die EU-Außenpolitik nutzt diese Instabilität, indem sie wahlweise mit Rebellen, Sezessionisten oder Dikta- toren zusammenarbeitet, um möglichst billig an Roh- stoffe heranzukommen. Sie, meine Damen und Herren von den Grünen, laufen ihr dabei applaudierend und von Menschenrechten faselnd hinterher. Entsprechend stili- sieren Sie in Ihrem Antrag auch die EU zur „historischen Errungenschaft“ und fordern deren weiteren Umbau nach den Prinzipien des Imperialismus: Die Beitrittsstaa- ten – allen voran wird immer Serbien genannt – sollen Kriterien erfüllen, die innerhalb der EU längst für obso- let erklärt worden sind. Sie fordern „erhebliche Anstren- gungen“ zur „wirtschaftlichen Transformation“ und schweigen zu den gesellschaftlichen Zerwürfnissen, die diese neoliberalen Reformprogramme mit sich bringen. Selbst wenn die Staaten des westlichen Balkans eines Tages in die EU aufgenommen werden sollten, sollen sie nicht dieselben Rechte haben wie die alten, „zentralen“ Staaten der EU. Sie sollen weitere Beitritte nicht „blo- ckieren“ dürfen. Die Linke lehnt eine solche Politik der doppelten Standards ab. In Wirklichkeit zielt Ihr Antrag darauf ab, diese mili- tärisch herbeigebombten Kleinstaaten dauerhaft als voll- wertige Mitglieder aus der EU herauszuhalten. Die vor- geschlagenen Maßnahmen zur Verhinderung von „Un- gleichzeitigkeiten der Länder bei der Annäherung“, ge- meinsame „Übergangsregelungen“, werden ein willkom- menes Werkzeug sein, diese Staaten – auch bei Erfüllung aller Kriterien – in einer peripheren Partnerschaft außen vor zu lassen. Auch aus diesem Grund lehnt die Linke den vorgelegten Antrag ab. Eine friedliche und solidarische Außenpolitik ist in Deutschland möglich. 165. Sitzung Inhaltsverzeichnis TOP 3Gleichstellungspolitik TOP 4Energiewende TOP 31Überweisungen im vereinfachten Verfahren TOP 32Abschließende Beratungen ohne Aussprache ZP 2Wahl zum Deutschen Ethikrat ZP 3Aktuelle Stunde zu Zivilcourage gegen Nazis TOP 5Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz TOP 6Musikförderung durch den Bund TOP 7Rohstoffderivatemärkte TOP 8Erhalt der Arbeitsplätze bei Schlecker TOP 9Deutsches Ressourceneffizienzprogramm TOP 10Hochschulzulassung TOP 11Gemeindefinanzreformgesetz TOP 12Sicherungsverwahrung TOP 13Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz TOP 14Klimafreundlichere Firmenwagen TOP 15Bekämpfung armutsassoziierter Erkrankungen TOP 16Integration der Länder des westlichen Balkans TOP 17Strafverfolgungsinformationsaustauch in der EU TOP 18Vertragsgesetze über die Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich TOP 19Patientenschutz bei der genetischen Forschung TOP 20Diplomatische Beziehungen zu Palästina TOP 21Kooperation in Bildung und Forschung TOP 22Sozialgesetzbuch IX –Fristenregelungen– TOP 23Überwachung von Mitgliedern des Bundestages TOP 24Private Weiterveräußerung unkörperlicher Werkexemplare TOP 25Recycling von Elektroschrott Anlagen
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Halina Wawzyniak


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DIE LINKE.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)


    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

    ren! Der Kollege Heveling hat schon darauf hingewie-
    sen: Wir haben keine konkreten Wünsche in Bezug auf
    den Referentenentwurf. Wir fordern die Einsetzung einer
    Expertenkommission.

    Diese Expertenkommission ist auch angebracht; denn
    die Bundesregierung hat für das im Dezember 2010 ver-
    abschiedete Gesetz zur Sicherungsverwahrung vom
    Bundesverfassungsgericht eine fette Klatsche bekom-
    men. Sämtliche Vorschriften des Strafgesetzbuches und
    des Jugendstrafrechts über die Anordnung und Dauer der
    Sicherungsverwahrung wurden für nicht mit dem Grund-
    gesetz vereinbar erklärt. Deshalb ist es aus unserer Sicht
    sinnvoll, im Rahmen einer Expertenkommission auch
    über den Referentenentwurf – seit gestern gibt es wohl
    auch schon einen Gesetzentwurf – zu reden.

    Ich frage Sie: Was spricht eigentlich gegen eine
    Expertenkommission? Was spricht dagegen, mit Justiz-
    praktikerinnen und Justizpraktikern, Gesellschaftswis-
    senschaftlerinnen und Gesellschaftswissenschaftlern,
    Straf-, Polizei- und Verfassungsrechtlerinnen und -recht-
    lern, psychiatrischen und psychologischen Sachverstän-
    digen, Kriminologen und Vertretern von Opferverbän-
    den das Thema Sicherungsverwahrung zu erörtern?


    (Beifall bei der LINKEN)


    Was spricht dagegen, den Handlungsbedarf zum Thema
    Sicherungsverwahrung auszuloten? Das muss doch auch
    im Interesse der Bundesregierung sein; denn ansonsten
    – das garantiere ich Ihnen – droht die nächste Klatsche.

    Die Linke hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass sie
    das Institut der Sicherungsverwahrung für höchst be-
    denklich hält.

    In einer menschlichen Gesellschaft gibt es keine voll-
    kommene Sicherheit; darauf hat Herr Heveling hinge-
    wiesen. Das weiß jeder und wird in jeder Debatte von je-
    dem Redner wiederholt.


    (Beifall bei der LINKEN)


    Die Hintergründe und die Zusammenhänge der Ent-
    stehung von Kriminalität sind so vielfältig, dass es ein-
    fach nicht möglich ist, eine sichere – ich betone das Wort
    „sichere“ – Prognose darüber zu treffen, ob jemand ge-
    fährlich ist oder nicht. Damit bleibt Sicherungsverwah-
    rung Strafe, auch wenn man es anders nennt. Die Strafe
    wird nach der Strafe, nachdem die Schuld verbüßt ist,
    angeordnet. Damit handelt es sich bei der Sicherungs-
    verwahrung um eine vorbeugende Entziehung der Frei-
    heit, um eine präventive Sicherungshaft, und das auf-
    grund einer unsicheren Prognose. Wir alle wissen, wie es
    mit den Prognosen ist – es gibt diverse Studien –: Von

    als gefährlich eingestuften Rückfalltätern sind maximal
    20 Prozent gefährlich. Wir sagen: Die restlichen 80 Pro-
    zent sperren wir sicherheitshalber ein.

    Nun liegt der Referentenentwurf vor. Natürlich hätten
    wir uns gewünscht, dass das Justizministerium grund-
    sätzlich über das Institut der Sicherungsverwahrung
    nachdenkt. Da hat ein wenig der Mut gefehlt. Ansonsten
    nehmen wir zur Kenntnis, dass Anstrengungen unter-
    nommen worden sind, den Prinzipien des Urteils gerecht
    zu werden. Das betrifft den Anspruch, dass die Unter-
    bringung einer individuellen und intensiven Betreuung
    bedarf, den Sachverhalt, dass ein Rechtsanspruch auf
    Therapie zumindest angedeutet wird und dass eine Ent-
    lassung durch die Gerichte ansteht, wenn keine ange-
    messene Betreuung stattfindet. Das finden wir gut.

    Was wir schlecht finden, ist die Beibehaltung der
    nachträglichen Sicherungsverwahrung im Anschluss an
    die für erledigt erklärte Unterbringung in einem psychia-
    trischen Krankenhaus, der vorhandene breite Kreis der
    Anlassstraftaten und die Ausweitung der Sicherungsver-
    wahrung im Jugendstrafrecht.

    Lassen Sie mich am Ende noch kurz etwas zum An-
    trag der SPD sagen. Liebe Genossinnen und Genossen,


    (Ingo Egloff [SPD]: Sind wir nicht! Wir nicht!)


    da kommen wir nicht zusammen. Sie wollen die Anlass-
    straftaten auf schwerste Gewalt- und Sexualdelikte be-
    schränken. Das ist richtig. Dann erklären Sie mir aber
    einmal, warum Sie im Dezember 2010 noch gesagt ha-
    ben, dass Sie das in dem Gesetzentwurf wunderbar gere-
    gelt finden. Wenn Sie eine nachträgliche Therapieunter-
    bringung machen wollen – da hat Herr Heveling recht –,
    dann machen Sie sich zum Vorreiter für die Wiederein-
    führung der nachträglichen Sicherungsverwahrung. Das
    ist absurd.


    (Beifall bei der LINKEN)


    Sie ignorieren offensichtlich die kompetenzrechtli-
    chen Bedenken, was das Therapieunterbringungsgesetz
    angeht – hier geht es um Gefahrenabwehr, und damit ist
    es Ländersache –, und die Unbestimmtheit des Begriffs
    „psychische Störung“.

    Ich komme zum Schluss. Der Einsetzung einer Exper-
    tenkommission zuzustimmen, tut nicht weh. Ich finde,
    das ist der angemessene Umgang mit dem Thema. Des-
    wegen geben Sie sich einen Ruck, und stimmen Sie un-
    serem Antrag zu!


    (Beifall bei der LINKEN)




Rede von Eduard Oswald
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Wawzyniak. – Nächster

Redner in unserer Debatte ist für die Fraktion der FDP
unser Kollege Christian Ahrendt. Bitte schön, Kollege
Ahrendt.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)







(A) (C)



(D)(B)



  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Christian Ahrendt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)


    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und

    Kollegen! Der Rechtsstaat stellt uns nicht nur vor He-
    rausforderungen, sondern er ist auch eine Herausforde-
    rung, insbesondere dann, wenn es um die Ränder geht,
    um die schwierigen Abgrenzungsfragen, die wir uns zu
    stellen haben, und um die Fragen, die zu beantworten
    sind, wenn wir über ein Thema wie die Sicherungsver-
    wahrung debattieren. Hier geht es um die Frage, ob je-
    mand, der schwere und schwerste Straftaten begangen
    hat, die Möglichkeit haben soll, noch einmal in Freiheit
    zu kommen. Diese Frage muss man sich stellen. Wenn
    man diese Frage falsch beantwortet, dann kommt man
    auf eine schiefe Bahn. Wie schief die Bahn in Deutsch-
    land war, hat uns als Erstes die Entscheidung des Euro-
    päischen Gerichtshofs für Menschenrechte 2009 gezeigt,
    und es hat uns auch die Entscheidung des Bundesverfas-
    sungsgerichtes im Mai 2011 gezeigt. Die Folgen – des-
    wegen wundert mich auch Ihr Antrag, Herr Lischka –
    sind verheerend. Eine Folge ist nämlich, dass aufgrund
    des Rechtes, das bei uns auf einer schiefen Bahn war,
    eine nicht unerhebliche Anzahl von Schwerstkriminellen
    freigelassen werden musste, dass wir plötzlich vor der
    Situation standen, dass die Polizei diese Menschen rund
    um die Uhr überwachen muss, weil wir im Bundestag
    aus Populismus – das eine oder andere, was ich eben zu
    dem Thema gehört habe, ist nichts anderes als Populis-
    mus – Gesetze gemacht haben, die nicht auf dem Funda-
    ment unserer Verfassung standen. Wenn wir jetzt wieder
    anfangen, über nachträgliche Sicherungsverwahrung zu
    diskutieren, dann sind wir ein Stück weit genau auf dem
    unsicheren Terrain, das zu einer nicht unerheblichen
    Zahl von Straftätern geführt hat, die sich derzeit in einer
    Übergangsregelung befinden, die aber teilweise auch auf
    freien Fuß gesetzt werden mussten. Das ist das eine.

    Das andere ist: Um aus diesem unsicheren Gelände
    herauszukommen, haben wir im Dezember 2010 mit
    Zustimmung der SPD eine Reform der Sicherungsver-
    wahrung beschlossen, mit der die nachträgliche Siche-
    rungsverwahrung abgeschafft und die vorbehaltene Si-
    cherungsverwahrung ausgeweitet wird. Damit soll klar
    im Sinne des Bundesverfassungsgerichtsurteils gesagt
    werden können: Bei dem Täter liegt eine Gefährlichkeit
    vor, die das Gericht erkennt. Kommen dann in der Haft
    noch weitere Aspekte hinzu, kann überdies eine Siche-
    rungsverwahrung angeordnet werden, aber eben nur
    dann, wenn sie im Urteil vorbehalten ist; denn hierauf
    sollen sich alle Beteiligten einstellen können.

    Das war das Konzept, mit dem die Justizministerin
    und der Bundestag das Recht der Sicherungsverwahrung
    auf neue Füße gestellt haben. Wir sollten uns jetzt tun-
    lichst davor hüten, an diesem sicheren Fundament zu
    rütteln, das wir gelegt haben und das auch in der Ent-
    scheidung des Bundesverfassungsgerichts vom Mai letz-
    ten Jahres nicht weiter kritisiert worden ist.

    Nun liegt ein Kabinettsbeschluss zu dem Gesetzent-
    wurf der Justizministerin vor. Mit diesem Entwurf wird
    exakt anhand der Linie der Entscheidung des Bundesver-
    fassungsgerichts vom Mai letzten Jahres gearbeitet; da-
    bei wird das Abstandsgebot eingehalten. Das bedeutet:
    Haft ist etwas anderes als Sicherungsverwahrung. Ein

    Täter kommt nach der Verbüßung seiner Strafhaft, wenn
    er in Sicherungsverwahrung gehört und entsprechend
    verurteilt ist, auch in eine andere Einrichtung. Das ist in
    diesem Gesetzentwurf in wesentlichen Grundzügen ge-
    regelt.

    An dieser Stelle muss man auch die Länder in die
    Pflicht nehmen. Bereits im Jahr 2005 hat es eine Unter-
    suchung der Europäischen Kommission zu den Haftbe-
    dingungen der Sicherungsverwahrten in Deutschland ge-
    geben. Dabei wurde festgestellt, dass das Abstandsgebot
    nicht eingehalten wird, dass die Sicherungsverwahrten
    falsch behandelt werden und dass man sich das Leben
    nicht einfach leicht machen kann, indem man an der Zel-
    lentür lediglich das Schild „Haft“ gegen das Schild „Si-
    cherungsverwahrung“ auswechselt.

    Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entschei-
    dung gesagt: In diesem Fall hat auch der Bund die Ge-
    setzgebungskompetenz, weil die Länder an dieser Stelle
    versagt haben. Deswegen muss man jetzt nicht – so wie
    Sie in Ihrem Antrag – unbedingt dazu kommen, jeden
    Ratschlag der Länder mitzumachen, der wieder in eine
    falsche Richtung geht, nämlich eine nachträgliche Siche-
    rungsverwahrung im Bereich der Therapieunterbringung
    zuzulassen.

    Damit bin ich bei meinem letzten Punkt. Sie stellen in
    Ihrem Antrag die Forderung nach einer „nachträglichen
    Therapieunterbringung“; das ist Ihre Formulierung. Da-
    mit sind wir aber aus dem Bereich des Strafrechts he-
    raus.


    (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig!)


    Dann stellt sich die Frage: Sind wir überhaupt zustän-
    dig? Denn die Länder haben eigene Gesetze und eine ei-
    gene Zuständigkeit für den Umgang mit psychisch Kran-
    ken. Damit befinden wir uns schon in der ersten
    Fragestellung: Haben wir eine eigene Gesetzgebungs-
    kompetenz?


    (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!)


    Die zweite Fragestellung lautet: Wollen wir es uns in
    Deutschland wirklich erlauben, mit dem Begriff des
    „psychisch Kranken“ zu arbeiten? Das ist ein in seinen
    Rändern und in seiner Bestimmtheit sehr schwierig zu
    fassender Begriff. Wollen wir es zulassen, dass jemand
    auf der Basis des unbestimmten Begriffs „psychisch
    Kranker“ nachträglich in eine Therapieunterbringung
    geschickt wird, womöglich für eine psychische Erkran-
    kung, die wiederum gar nicht im Zusammenhang mit der
    Straftat steht, für die er verurteilt worden ist?

    Wer so etwas will – und schon beim ersten Blick auf
    Ihren Antrag zeigen sich diese Probleme – und tatsäch-
    lich meint, man müsse jetzt wieder etwas schaffen, das
    der nachträglichen Sicherungsverwahrung gleichkommt,
    der zerstört das Fundament, das die Bundesjustizminis-
    terin und dieses Haus im Dezember 2010 gelegt haben,
    und schafft damit eine Rechtsunsicherheit. Wir wollen
    aber keine Rechtsunsicherheit, sondern Rechtssicherheit.
    Deswegen sollten wir Ihren Antrag zwar diskutieren,





    Christian Ahrendt


    (A) (C)



    (D)(B)


    aber in keinem Fall positiv begleiten. Ich bin gespannt
    auf die Debatte und insbesondere auf den Gesetzent-
    wurf, der dieses Haus bald erreichen wird. Ich glaube,
    mit dem, was die Ministerin vorgelegt hat, sind wir auf
    dem richtigen Weg.

    Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)