Plenarprotokoll 17/165
Deutscher Bundestag
Stenografischer Bericht
165. Sitzung
Berlin, Donnerstag, den 8. März 2012
I n h a l t :
Wahl des Abgeordneten Stefan Liebich als
ordentliches Mitglied in das Kuratorium der
„Stiftung Archiv der Parteien und Massen-
organisationen der DDR“ . . . . . . . . . . . . . .
Erweiterung und Abwicklung der Tagesord-
nung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Nachträgliche Ausschussüberweisung . . . . . .
Tagesordnungspunkt 3:
a) Antrag der Abgeordneten Dorothee Bär,
Markus Grübel, Nadine Schön, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der CDU/
CSU
sowie der Abgeordneten Miriam Gruß,
Nicole Bracht-Bendt, Florian
Bernschneider, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion der FDP: Geschlechterge-
rechtigkeit im Lebensverlauf
(Drucksache 17/8879) . . . . . . . . . . . . . . . .
b) Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD,
FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
Gleichberechtigung in Entwicklungs-
ländern voranbringen
(Drucksache 17/8903) . . . . . . . . . . . . . . . .
c) Antrag der Abgeordneten Angelika Graf
(Rosenheim), Wolfgang Gunkel, Dr. h. c.
Gernot Erler, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion der SPD: Anerkennung und
Wiedergutmachung des Leids der
„Trostfrauen“
(Drucksache 17/8789) . . . . . . . . . . . . . . . .
d) Antrag der Abgeordneten Renate Künast,
Beate Müller-Gemmeke, Ekin Deligöz,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Frauen
verdienen mehr – Entgeltdiskriminie-
rung von Frauen verhindern
(Drucksache 17/8897) . . . . . . . . . . . . . . .
e) Unterrichtung durch die Bundesregierung:
Erster Gleichstellungsbericht
Neue Wege – Gleiche Chancen
Gleichstellung von Frauen und Män-
nern im Lebensverlauf
(Drucksache 17/6240) . . . . . . . . . . . . . . .
f) Beschlussempfehlung und Bericht des
Rechtsausschusses zu dem Antrag der Ab-
geordneten Cornelia Möhring, Diana Golze,
Agnes Alpers, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion DIE LINKE: Geschlechter-
gerechte Besetzung von Führungsposi-
tionen der Wirtschaft
(Drucksachen 17/4842, 17/8830) . . . . . . .
Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin
BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dagmar Ziegler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Nicole Bracht-Bendt (FDP) . . . . . . . . . . . . . .
Yvonne Ploetz (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . .
Renate Künast (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Ingrid Fischbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . .
Christel Humme (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . .
Patrick Döring (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Cornelia Möhring (DIE LINKE) . . . . . . . . . .
Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dorothee Bär (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . .
19517 B
19517 B
19517 C
19517 D
19517 D
19518 A
19518 A
19518 A
19518 B
19518 C
19519 C
19521 B
19522 C
19524 A
19526 A
19527 C
19529 A
19529 B
19530 B
19531 B
19532 A
Inhaltsverzeichnis
II Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 165. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. März 2012
Karin Roth (Esslingen) (SPD) . . . . . . . . . . . .
Dr. Christiane Ratjen-Damerau (FDP) . . . . . .
Nadine Schön (St. Wendel) (CDU/CSU) . . . .
Angelika Graf (Rosenheim) (SPD) . . . . . . . .
Sabine Weiss (Wesel I) (CDU/CSU) . . . . . . .
Erika Steinbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 4:
Antrag der Abgeordneten Bärbel Höhn,
Sylvia Kotting-Uhl, Hans-Josef Fell, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN: Ein Jahr Fuku-
shima – Die Energiewende muss weiterge-
hen
(Drucksache 17/8898) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Michael Paul (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . .
Ute Vogt (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . .
Dr. Matthias Miersch (SPD) . . . . . . . . . . . . . .
Michael Kauch (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . . .
Jens Koeppen (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . .
Marco Bülow (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Klaus Breil (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dorothée Menzner (DIE LINKE) . . . . . . . . . .
Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Josef Göppel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . .
Michael Gerdes (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Angelika Brunkhorst (FDP) . . . . . . . . . . . . . .
Dieter Jasper (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 31:
a) Erste Beratung des von der Bundesregie-
rung eingebrachten Entwurfs eines Geset-
zes zu dem Abkommen vom 12. Okto-
ber 2011 zwischen der Bundesrepublik
Deutschland und der Republik Indien
über Soziale Sicherheit
(Drucksache 17/8727) . . . . . . . . . . . . . . . .
b) Erste Beratung des von der Bundesregie-
rung eingebrachten Entwurfs eines Geset-
zes zur Änderung des Eurojust-Geset-
zes
(Drucksache 17/8728) . . . . . . . . . . . . . . . .
c) Erste Beratung des von der Bundesregie-
rung eingebrachten Entwurfs eines Geset-
zes zu der Siebten Änderung des Über-
einkommens über den Internationalen
Währungsfonds (IWF)
(Drucksache 17/8839) . . . . . . . . . . . . . . .
d) Erste Beratung des von der Bundesregie-
rung eingebrachten Entwurfs eines Geset-
zes zu den Änderungen vom 30. Sep-
tember 2011 des Übereinkommens vom
29. Mai 1990 zur Errichtung der Euro-
päischen Bank für Wiederaufbau und
Entwicklung
(Drucksache 17/8840) . . . . . . . . . . . . . . .
e) Erste Beratung des von der Bundesregie-
rung eingebrachten Entwurfs eines Geset-
zes zu dem Abkommen vom 19. Septem-
ber 2011 zwischen der Bundesrepublik
Deutschland und der Republik Türkei
zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
und der Steuerverkürzung auf dem Ge-
biet der Steuern vom Einkommen
(Drucksache 17/8841) . . . . . . . . . . . . . . .
f) Erste Beratung des von der Bundesregie-
rung eingebrachten Entwurfs eines Geset-
zes zu dem Vertrag vom 30. November
2011 zwischen der Bundesrepublik
Deutschland und dem Zentralrat der
Juden in Deutschland – Körperschaft
des öffentlichen Rechts – zur Änderung
des Vertrages vom 27. Januar 2003 zwi-
schen der Bundesrepublik Deutschland
und dem Zentralrat der Juden in
Deutschland – Körperschaft des öffent-
lichen Rechts – zuletzt geändert durch
den Vertrag vom 3. März 2008
(Drucksache 17/8842) . . . . . . . . . . . . . . .
g) Antrag der Abgeordneten Dr. Ernst Dieter
Rossmann, Willi Brase, Ulla Burchardt,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der SPD: Förderung der Bildungsfor-
schung weiter vorantreiben
(Drucksache 17/8604) . . . . . . . . . . . . . . .
h) Antrag der Abgeordneten Paul Schäfer
(Köln), Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion
DIE LINKE: Kein Zugang von Kindern
und Jugendlichen zu Kriegswaffen bei
Bundeswehr-Veranstaltungen
(Drucksache 17/8609) . . . . . . . . . . . . . . .
i) Antrag der Abgeordneten Harald Koch,
Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE: Für eine kostenfreie und um-
fassende Betreuungskommunikation im
Einsatz
(Drucksache 17/8795) . . . . . . . . . . . . . . .
j) Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD,
FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
19533 C
19534 C
1953 D
19537 A
19537 D
19538 D
19539 D
19539 D
19541 B
19542 B
19543 C
19544 A
19545 C
19547 B
19547 D
19549 AC
19551 B
19552 A
19553 C
19554 A
19555 B
19556 C
19557 C
19559 B
19559 C
19559 C
19559 C
19559 D
19559 D
19560 A
19560 A
19560 A
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 165. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. März 2012 III
Für eine moderne und umfassende Be-
treuungskommunikation im Einsatz
(Drucksache 17/8895) . . . . . . . . . . . . . . . .
k) Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD,
FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
Schweinepest tierschonend bekämp-
fen – Notimpfung ersetzt grundloses
Keulen
(Drucksache 17/8893) . . . . . . . . . . . . . . . .
l) Antrag der Abgeordneten Kerstin Tack,
Elvira Drobinski-Weiß, Willi Brase, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion der
SPD: Verbraucherschutz stärken – Fi-
nanzmarktwächter einführen
(Drucksache 17/8894) . . . . . . . . . . . . . . . .
m) Antrag der Abgeordneten Martin Gerster,
Dagmar Freitag, Sabine Bätzing-
Lichtenthäler, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion der SPD: Doping an Olym-
piastützpunkten, Bundesleistungszen-
tren und Bundesstützpunkten konse-
quent bekämpfen
(Drucksache 17/8896) . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 32:
a) Zweite und dritte Beratung des von der Bun-
desregierung eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur Neuordnung des Energie-
verbrauchskennzeichnungsrechts
(Drucksachen 17/8427, 17/8803, 17/8900)
b) Beschlussempfehlung und Bericht des
Ausschusses für Kultur und Medien zu
dem Antrag der Abgeordneten Thomas
Silberhorn, Monika Grütters, Michael
Kretschmer, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion der CDU/CSU sowie der Ab-
geordneten Reiner Deutschmann, Burkhardt
Müller-Sönksen, Patrick Döring, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der FDP:
UNESCO-Welterbestätten in Deutsch-
land stärken
(Drucksachen 17/7357, 17/8858) . . . . . . .
c) – i)
Beschlussempfehlungen des Petitionsaus-
schusses: Sammelübersichten 397, 398,
399, 400, 401, 402 und 403 zu Petitionen
(Drucksachen 17/8779, 17/8780, 17/8781,
17/8782, 17/8783, 17/8784, 17/8785) . . . .
Zusatztagesordnungspunkt 2:
Wahlvorschläge der Fraktionen CDU/CSU,
SPD, FDP, DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN: Wahl der vom Deutschen Bun-
destag zu benennenden Mitglieder des
Deutschen Ethikrats gemäß den §§ 4 und 5
des Ethikratgesetzes
(Drucksache 17/8881) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Zusatztagesordnungspunkt 3:
Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion
DIE LINKE: Zivilcourage gegen Nazis stär-
ken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Ingrid Remmers (DIE LINKE) . . . . . . . . . . .
Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU) . . . . . . . . .
Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD) . . . . . . . . . . .
Dr. Stefan Ruppert (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . .
Monika Lazar (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU) . . . .
Sönke Rix (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Patrick Kurth (Kyffhäuser) (FDP) . . . . . . . . .
Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . .
Ruprecht Polenz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . .
Sonja Steffen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Eckhard Pols (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . .
Ingrid Remmers (DIE LINKE)
(Erklärung nach § 32 GO) . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 5:
Erste Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur
Änderung des Kraft-Wärme-Kopplungsge-
setzes
(Drucksache 17/8801) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär
BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Rolf Hempelmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . .
Thomas Bareiß (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . .
Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . .
Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Klaus Breil (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dirk Becker (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Franz Obermeier (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 6:
Große Anfrage der Abgeordneten Siegmund
Ehrmann, Martin Dörmann, Petra Ernstberger,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der
SPD: Musikförderung durch den Bund
(Drucksachen 17/4901, 17/7222) . . . . . . . . . .
19560 B
19560 B
19560 C
19560 C
19560 D
19561 A
19561 B
19562 A
19562 A
19562 A
19563 B
19564 C
19566 A
19567 A
19567 C
19569 D
19571 A
19572 B
19573 D
19575 A
19576 A
19577 A
19577 D
19578 A
19578 D
19580 A
19582 B
19583 C
19585 B
19586 B
19588 A
19589 A
IV Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 165. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. März 2012
Siegmund Ehrmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . .
Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU) . .
Dr. Lukrezia Jochimsen (DIE LINKE) . . . . . .
Reiner Deutschmann (FDP) . . . . . . . . . . . . . .
Agnes Krumwiede (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Christoph Poland (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . .
Paul Lehrieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 7:
Antrag der Abgeordneten Klaus-Peter Flosbach,
Dr. Michael Meister, Peter Altmaier, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Dr. Daniel Volk,
Holger Krestel, Dr. Birgit Reinemund, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion der FDP:
Rohstoffderivatemärkte gezielt regulieren
(Drucksache 17/8882) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Ralph Brinkhaus (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . .
Dr. Carsten Sieling (SPD) . . . . . . . . . . . . . . .
Helmut Heiderich (CDU/CSU) . . . . . . . . .
Björn Sänger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Ulla Lötzer (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Peter Aumer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . .
Lothar Binding (Heidelberg) (SPD) . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 8:
Antrag der Abgeordneten Sabine Zimmermann,
Jutta Krellmann, Ulla Lötzer, weiterer Abge-
ordneter und der Fraktion DIE LINKE: Schle-
cker-Verkäuferinnen unterstützen – Arbeits-
plätze und Tarifverträge erhalten – Einfluss
der Beschäftigten stärken
(Drucksache 17/8880) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Sabine Zimmermann (DIE LINKE) . . . . . . . .
Paul Lehrieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . .
Sabine Zimmermann (DIE LINKE) . . . . .
Gabriele Hiller-Ohm (SPD) . . . . . . . . . . . . . .
Gabriele Molitor (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . .
Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Gitta Connemann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . .
Sabine Zimmermann (DIE LINKE) . . . . .
Tagesordnungspunkt 9:
Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
schusses für Umwelt, Naturschutz und Reak-
torsicherheit zu dem Antrag der Abgeordne-
ten Dr. Thomas Gebhart, Marie-Luise Dött,
Peter Altmaier, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abge-
ordneten Horst Meierhofer, Michael Kauch,
Angelika Brunkhorst, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion der FDP: Deutsches Res-
sourceneffizienzprogramm – Ein Baustein
für nachhaltiges Wirtschaften
(Drucksachen 17/8575, 17/8875) . . . . . . . . . .
Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin
BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Gerd Bollmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Horst Meierhofer (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . .
Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . .
Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Thomas Gebhart (CDU/CSU) . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 10:
Antrag der Abgeordneten Ulla Burchardt, Swen
Schulz (Spandau), Dr. Ernst Dieter Rossmann,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der
SPD: Steuerungsfehler bei der Hochschul-
zulassung untersuchen und Zulassungsre-
form besser unterstützen
(Drucksache 17/8884) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Swen Schulz (Spandau) (SPD) . . . . . . . . . . .
Monika Grütters (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . .
Nicole Gohlke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . .
Dr. Martin Neumann (Lausitz) (FDP) . . . . . .
Kai Gehring (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Florian Hahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . .
Klaus Hagemann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 11:
Zweite und dritte Beratung des von der Bun-
desregierung eingebrachten Entwurfs eines
Neunten Gesetzes zur Änderung des Ge-
meindefinanzreformgesetzes
(Drucksachen 17/8235, 17/8867) . . . . . . . . . .
Antje Tillmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . .
Bernd Scheelen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Birgit Reinemund (FDP) . . . . . . . . . . . . .
Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . . .
19589 B
19591 C
19593 A
19594 A
19595 C
19596 D
19597 D
19599 A
19599 A
19601 A
19602 A
19602 D
19604 A
19605 A
19606 A
19607 C
19608 B
19608 C
19609 C
19610 B
19611 A
19612 C
19613 C
19614 B
19615 C
19616 C
19616 C
19618 A
19619 C
19621 B
19622 B
19623 B
19624 C
19624 D
19625 D
19627 B
19628 B
19629 C
19630 C
19631 C
19632 D
19633 A
19635 B
19637 A
19638 A
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 165. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. März 2012 V
Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 12:
a) Antrag der Fraktion der SPD: Neurege-
lung des Rechts der Sicherungsverwah-
rung
(Drucksache 17/8760) . . . . . . . . . . . . . . . .
b) Antrag der Abgeordneten Halina Wawzyniak,
Jan Korte, Ulla Jelpke, weiterer Abgeord-
neter und der Fraktion DIE LINKE: Ein-
setzung einer Expertenkommission zur
Sicherungsverwahrung
(Drucksache 17/7843) . . . . . . . . . . . . . . . .
Burkhard Lischka (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . .
Ansgar Heveling (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . .
Halina Wawzyniak (DIE LINKE) . . . . . . . . .
Christian Ahrendt (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . .
Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Norbert Geis (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 13:
Erste Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur
Reform des Kapitalanleger-Musterverfah-
rensgesetzes
(Drucksache 17/8799) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 14:
Antrag der Abgeordneten Dr. Barbara Höll,
Eva Bulling-Schröter, Sabine Leidig, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE:
Wirksame Anreize für klimafreundlichere
Firmenwagen
(Drucksache 17/8883) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 15:
a) Antrag der Abgeordneten Anette Hübinger,
Albert Rupprecht (Weiden), Michael
Kretschmer, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Dr. Peter
Röhlinger, Dr. Martin Neumann (Lausitz),
Patrick Meinhardt, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion der FDP: Forschung und
Produktentwicklung für vernachlässigte
und armutsassoziierte Erkrankungen
stärken
(Drucksache 17/8788) . . . . . . . . . . . . . . . .
b) Antrag der Abgeordneten Uwe Kekeritz,
Krista Sager, Birgitt Bender, weiterer Ab-
geordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN: Das Menschen-
recht auf Gesundheit umsetzen – Zu-
gang zu Medikamenten weltweit ver-
wirklichen
(Drucksache 17/8493) . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 16:
Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
wärtigen Ausschusses zu dem Antrag der
Abgeordneten Marieluise Beck (Bremen),
Manuel Sarrazin, Dr. Frithjof Schmidt, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN: Für eine Strategie
zur europäischen Integration der Länder
des westlichen Balkans
(Drucksachen 17/7774, 17/8396) . . . . . . . . . .
Dr. Rainer Stinner (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . .
Josip Juratovic (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Roderich Kiesewetter (CDU/CSU) . . . . . . . .
Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Thomas Silberhorn (CDU/CSU) . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 17:
Zweite und dritte Beratung des von der Bun-
desregierung eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes über die Vereinfachung des Aus-
tauschs von Informationen und Erkenntnis-
sen zwischen den Strafverfolgungsbehör-
den der Mitgliedstaaten der Europäischen
Union
(Drucksachen 17/5096, 17/8870) . . . . . . . . . .
Armin Schuster (Weil am Rhein) (CDU/CSU)
Frank Hofmann (Volkach) (SPD) . . . . . . . . . .
Gisela Piltz (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 18:
– Zweite Beratung und Schlussabstimmung
des von der Bundesregierung eingebrach-
ten Entwurfs eines Gesetzes zu dem
Abkommen vom 13. Februar 2007 zwi-
schen der Regierung der Bundesrepu-
blik Deutschland und der Regierung
des Staates Kuwait über die Zusam-
menarbeit im Sicherheitsbereich
(Drucksachen 17/7601, 17/8820) . . . . . . .
19639 A
19640 A
19640 B
19640 B
19641 B
19643 A
19644 A
19645 A
19645 D
19647 A
19647 A
19647 B
19647 C
19647 D
19648 A
19649 B
19650 D
19652 A
19652 D
19654 A
19654 A
19655 B
19656 A
19656 D
19657 C
19659 B
VI Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 165. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. März 2012
– Zweite Beratung und Schlussabstimmung
des von der Bundesregierung eingebrach-
ten Entwurfs eines Gesetzes zu dem
Abkommen vom 22. Februar 2009 zwi-
schen der Regierung der Bundesrepu-
blik Deutschland und der Regierung
des Staates Katar über die Zusammen-
arbeit im Sicherheitsbereich
(Drucksachen 17/7602, 17/8820) . . . . . . .
– Zweite Beratung und Schlussabstimmung
des von der Bundesregierung eingebrach-
ten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Ab-
kommen vom 10. März 2009 zwischen
der Regierung der Bundesrepublik
Deutschland und der Regierung der Re-
publik Kroatien über die Zusammenar-
beit bei der Bekämpfung der Organi-
sierten und der schweren Kriminalität
(Drucksachen 17/7603, 17/8820) . . . . . . .
– Zweite Beratung und Schlussabstimmung
des von der Bundesregierung eingebrach-
ten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Ab-
kommen vom 27. Mai 2009 zwischen
der Regierung der Bundesrepublik
Deutschland und der Regierung des Kö-
nigreichs Saudi-Arabien über die Zu-
sammenarbeit im Sicherheitsbereich
(Drucksachen 17/7604, 17/8820) . . . . . . .
– Zweite Beratung und Schlussabstimmung
des von der Bundesregierung eingebrach-
ten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Ab-
kommen vom 14. April 2010 zwischen
der Regierung der Bundesrepublik
Deutschland und der Regierung der Re-
publik Kosovo über die Zusammenar-
beit im Sicherheitsbereich
(Drucksachen 17/7605, 17/8820) . . . . . . .
– Zweite Beratung und Schlussabstimmung
des von der Bundesregierung eingebrach-
ten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Ab-
kommen vom 30. August 2010 zwischen
der Regierung der Bundesrepublik
Deutschland und dem Ministerkabinett
der Ukraine über die Zusammenarbeit
im Bereich der Bekämpfung der Orga-
nisierten Kriminalität, des Terrorismus
und anderer Straftaten von erheblicher
Bedeutung
(Drucksachen 17/7606, 17/8820) . . . . . . .
Clemens Binninger (CDU/CSU) . . . . . . . . . .
Wolfgang Gunkel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . .
Gisela Piltz (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . .
Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 19:
Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
schusses für Bildung, Forschung und Tech-
nikfolgenabschätzung
– zu dem Antrag der Abgeordneten René
Röspel, Dr. Ernst Dieter Rossmann,
Dr. Hans-Peter Bartels, weiterer Abgeord-
neter und der Fraktion der SPD: Bioban-
ken als Instrument von Wissenschaft
und Forschung ausbauen, Biobanken-
Gesetz prüfen und Missbrauch geneti-
scher Daten und Proben wirksam ver-
hindern
– zu dem Antrag der Abgeordneten Priska
Hinz (Herborn), Birgitt Bender, Markus
Kurth, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
Schutz von Patientinnen und Patienten
bei der genetischen Forschung in einem
Biobanken-Gesetz sicherstellen
(Drucksachen 17/3868, 17/3790, 17/8873) . .
Dr. Thomas Feist (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . .
René Röspel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Peter Röhlinger (FDP) . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Petra Sitte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . .
Krista Sager (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 20:
Antrag der Abgeordneten Wolfgang Gehrcke,
Jan van Aken, Christine Buchholz, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE:
Diplomatische Beziehungen zu Palästina
aufwerten
(Drucksache 17/8375) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Joachim Hörster (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . .
Dr. Wolfgang Götzer (CDU/CSU) . . . . . . . . .
Günter Gloser (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Birgit Homburger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . .
Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . .
Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 21:
Antrag der Abgeordneten Kai Gehring, Krista
Sager, Ekin Deligöz, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN: Kooperation ermöglichen – Gemein-
sam Verantwortung für die großen Heraus-
forderungen in Bildung und Wissenschaft
übernehmen
(Drucksache 17/8902) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
19659 C
19659 C
19659 C
19659 D
19659 D
19660 A
19660 D
19661 D
19663 A
19663 C
19665 A
19665 B
19668 A
19669 A
19669 D
19670 C
19671 C
19671 C
19672 D
19673 C
19674 B
19674 C
19675 B
19676 B
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 165. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. März 2012 VII
Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU) . .
Tankred Schipanski (CDU/CSU) . . . . . . . . . .
Swen Schulz (Spandau) (SPD) . . . . . . . . . . . .
Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) . . . . . . . . .
Heiner Kamp (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Rosemarie Hein (DIE LINKE) . . . . . . . . .
Kai Gehring (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 22:
Zweite und dritte Beratung des von den Abge-
ordneten Sabine Zimmermann, Dr. Ilja Seifert,
Dr. Martina Bunge, weiteren Abgeordneten
und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten
Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des
Neunten Buches Sozialgesetzbuch – Ge-
setzliche Fristen für die Feststellung der
Behinderung und die Erteilung des Aus-
weises
(Drucksachen 17/6586, 17/8445) . . . . . . . . . .
Maria Michalk (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . .
Ulrich Lange (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . .
Silvia Schmidt (Eisleben) (SPD) . . . . . . . . . . .
Gabriele Molitor (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . .
Sabine Zimmermann (DIE LINKE) . . . . . . . .
Markus Kurth (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 23:
Antrag der Abgeordneten Volker Beck (Köln),
Hans-Christian Ströbele, Wolfgang Wieland,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Beobachtung
und Überwachung von Mitgliedern des
Deutschen Bundestages durch deutsche
Geheimdienste
(Drucksache 17/8797) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Bernhard Kaster (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . .
Manfred Grund (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . .
Sonja Steffen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP) . . . . . . . .
Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) . . . . . .
Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 24:
Erste Beratung des von den Abgeordneten
Dr. Petra Sitte, Halina Wawzyniak, Jan Korte,
weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE
LINKE eingebrachten Entwurfs eines Geset-
zes zur Ermöglichung der privaten Weiter-
veräußerung unkörperlicher Werkexem-
plare
(Drucksache 17/8377) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Ansgar Heveling (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . .
Burkhard Lischka (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . .
Stephan Thomae (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Petra Sitte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . .
Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 25:
Antrag der Abgeordneten Dorothea Steiner,
Oliver Krischer, Tabea Rößner, weiterer Ab-
geordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN: Sammlung und Recycling
von Elektronikschrott verbessern
(Drucksache 17/8899) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Michael Brand (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . .
Gerd Bollmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Horst Meierhofer (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . .
Dorothée Menzner (DIE LINKE) . . . . . . . . . .
Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Berichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Anlage 1
Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . .
Anlage 2
Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung
des Entwurfs eines Gesetzes zur Reform des
Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes
(Tagesordnungspunkt 13)
Dr. Jan-Marco Luczak (CDU/CSU) . . . . . . . .
Thomas Silberhorn (CDU/CSU) . . . . . . . . . .
Ingo Egloff (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . . .
19676 B
19677 B
19678 C
19679 A
19681 A
19682 B
19683 B
19684 D
19685 A
19685 D
19686 B
19686 D
19687 C
19688 A
19688 C
19688 D
19689 C
19690 C
19691 A
19691 D
19692 B
19693 A
19693 A
19694 B
19695 A
19696 A
19696 C
19698 A
19698 A
19699 B
19700 C
19701 C
19702 A
19703 C
19703 C
19705 A
19705 C
19706 D
19707 D
19708 D
VIII Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 165. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. März 2012
Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär
BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Anlage 3
Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung
des Antrags: Wirksame Anreize für kli-
mafreundlichere Firmenwagen
(Tagesordnungspunkt 14)
Olav Gutting (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . .
Nicolette Kressl (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Daniel Volk (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . . .
Lisa Paus (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Anlage 4
Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung
der Anträge:
– Forschung und Produktentwicklung für
vernachlässigte und armutsassoziierte
Erkrankungen stärken
– Das Menschenrecht auf Gesundheit
umsetzen – Zugang zu Medikamenten
weltweit verwirklichen
(Tagesordnungspunkt 15 a und b)
Anette Hübinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . .
René Röspel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Peter Röhlinger (FDP) . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Petra Sitte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . .
Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär
BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Anlage 5
Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung der
Beschlussempfehlung und des Berichts zu
dem Antrag: Für eine Strategie zur europäi-
schen Integration der Länder des westli-
chen Balkans
(Tagesordnungspunkt 16)
Sevim Dağdelen (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . .
19709 C
19710 D
19711 B
19712 C
19713 B
19713 D
19714 B
19715 B
19716 C
19717 D
19718 C
19719 B
19719 D
19721 A
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 165. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. März 2012 19517
(A) (C)
(D)(B)
165. Sitzung
Berlin, Donnerstag, den 8. März 2012
Beginn: 9.00 Uhr
Berichtigung
163. Sitzung, Seite 19409 A, der zweite Absatz ist wie
folgt zu lesen: Man kann es nicht schöner sagen als der
Bundesgerichtshof, 5. Senat, in einer Entscheidung vom
9. Mai 2006, Randziffer 28, wo es heißt: „Amtsausübung
ist etwas anderes als Mandatsausübung.“
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 165. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. März 2012 19705
(A) (C)
(D)(B)
Anlagen zum Stenografischen Bericht
Anlage 1
Liste der entschuldigten Abgeordneten
Anlage 2
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur
Reform des Kapitalanleger-Musterverfahrens-
gesetzes (Tagesordnungspunkt 13)
Dr. Jan-Marco Luczak (CDU/CSU): Der Deutsche
Bundestag hat das Kapitalanleger-Musterverfahrensge-
setz – oder kurz KapMuG – im Jahr 2005 beschlossen.
Auslöser für die Gesetzesinitiative war eine Prozessla-
wine im Jahr 2000 von knapp 15 000 Anlegern, die sich
durch einen falschen Verkaufsprospekt der Deutschen
Telekom AG zum Aktienkauf bewegt sahen. Bei den
Klägern handelte es sich zu einem großen Teil um Men-
schen, die erstmals Aktien gekauft hatten, weil sie der
„Volksaktie“ der Telekom vertraut hatten.
Damals zeigte sich, dass das deutsche Verfahrensrecht
für solche Massenverfahren kein geeignetes Instrumen-
tarium zur Verfügung stellte – die tatsächlich wie recht-
lich außerordentlich komplexen Verfahren zogen sich
über Jahre hin. Einige Kläger riefen daraufhin das Bun-
desverfassungsgericht an. Dieses sah zwar im Ergebnis
das Recht der Kläger auf einen wirkungsvollen, nämlich
in angemessener Zeit erfolgenden gerichtlichen Rechts-
schutz nicht als verletzt an. Das Bundesverfassungsge-
richt machte aber deutlich, dass ein besonderes verfah-
rensrechtliches Instrument bei Massenverfahren zur
Vermeidung überlanger Verfahrensdauern notwendig
sein könnte.
Das KapMuG war die Reaktion des Gesetzgebers auf
diese Umstände. Es berücksichtigte vor allem die Er-
kenntnis, dass falsche Kapitalmarktinformationen oder
unrichtige Börsenprospekte keineswegs nur wenige
Großinvestoren schädigen können. Auch viele Kleinan-
leger mit vergleichsweise geringen finanziellen, soge-
nannten Streuschäden können betroffen sein. Aufgrund
der Vielzahl der Geschädigten kann die Schadenssumme
hier jedoch schnell im mehrstelligen Millionenbereich
liegen. Das KapMuG wollte hier ein effektives kollekti-
ves Rechtsschutzinstrument zur Verfolgung individueller
Schadensersatzansprüche zur Verfügung stellen. Die
Kosten für den einzelnen Anleger sollten möglichst klein
gehalten und die Gerichte von den massenhaften Klagen
entlastet werden.
Um das zu erreichen, stellt das KapMuG ein Muster-
verfahren zur Verfügung, in dem bestimmte tatsächliche
und rechtliche Fragen einheitlich und verbindlich für
eine Vielzahl gleichgelagerter Fälle entschieden werden
können. Dieses Musterverfahren war ein Novum im
deutschen Prozessrecht – der Gesetzgeber hat den An-
wendungsbereich daher auf das Kapitalmarktrecht be-
schränkt und auch die Geltungsdauer des Gesetzes auf
zunächst fünf Jahre befristet. In dieser Zeit sollte das Ge-
setz evaluiert werden. Nach einer Verlängerung der Gel-
tungsdauer um weitere zwei Jahre tritt das Gesetz nun-
mehr am 31. Oktober 2012 außer Kraft.
Abgeordnete(r)
entschuldigt bis
einschließlich
Bosbach, Wolfgang CDU/CSU 08.03.2012
Burchardt, Ulla SPD 08.03.2012
Dreibus, Werner DIE LINKE 08.03.2012
Fischer (Karlsruhe-
Land), Axel E.
CDU/CSU 08.03.2012
Friedhoff, Paul K. FDP 08.03.2012
Dr. Friedrich (Hof),
Hans-Peter
CDU/CSU 08.03.2012
Gerster, Martin SPD 08.03.2012
Granold, Ute CDU/CSU 08.03.2012
Gruß, Miriam FDP 08.03.2012
Hinz (Essen), Petra SPD 08.03.2012
Kelber, Ulrich SPD 08.03.2012
Koch, Harald DIE LINKE 08.03.2012
Dr. Kofler, Bärbel SPD 08.03.2012
Lenkert, Ralph DIE LINKE 08.03.2012
Luksic, Oliver FDP 08.03.2012
Müller (Erlangen),
Stefan
CDU/CSU 08.03.2012
Nord, Thomas DIE LINKE 08.03.2012
Pflug, Johannes SPD 08.03.2012
Roth (Augsburg),
Claudia
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
08.03.2012
Schlecht, Michael DIE LINKE 08.03.2012
Dr. Schmidt, Frithjof BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
08.03.2012
Süßmair, Alexander DIE LINKE 08.03.2012
Dr. Troost, Axel DIE LINKE 08.03.2012
Weinberg, Harald DIE LINKE 08.03.2012
Werner, Katrin DIE LINKE 08.03.2012
Dr. Winterstein, Claudia FDP 08.03.2012
Wunderlich, Jörn DIE LINKE 08.03.2012
Anlagen
19706 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 165. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. März 2012
(A) (C)
(D)(B)
Wie sind nun die Erfahrungen mit dem KapMuG?
Unter dem Strich können wir sagen: Das Gesetz hat sich
bewährt. Die Evaluation hat ergeben, dass das Muster-
feststellungsverfahren nach dem KapMuG ein taugliches
Instrument zur Bewältigung von Massenklagen im Be-
reich des Kapitalmarktrechts ist. Kleinanleger können
Schadensersatzansprüche damit besser bündeln, und die
Gerichte sind entlastet worden. Die bisher recht geringe
Anzahl der Verfahren zeigt aber auch, dass das Gesetz an
einigen Stellen verbessert werden kann und muss.
Der vorgelegte Gesetzentwurf der Bundesregierung
verbindet die positiven Erfahrungen mit den notwendi-
gen Änderungen: Die Grundstruktur und die Prinzipien
des bisherigen KapMuG werden beibehalten. Die zahl-
reichen Änderungen werden in einem neuen Stammge-
setz zusammengeführt, das KapMuG also von Grund auf
neu gefasst.
Worum geht es im Einzelnen? Zunächst wird der An-
wendungsbereich des KapMuG moderat ausgeweitet. Es
bleibt zwar bei der Beschränkung auf kapitalmarktrecht-
liche Ansprüche; denn für ein allgemeines Instrument
des kollektiven Rechtsschutzes für alle zivilrechtlichen
Ansprüche ist es noch zu früh, es besteht auch nicht in
gleicher Weise ein Bedarf. Das Gesetz soll zukünftig
aber solche Schadensersatzansprüche erfassen, die aus
einer fehlerhaften Anlageberatung und Anlagevermitt-
lung resultieren. Es sollen also nicht nur diejenigen Fälle
erfasst werden, in denen der Schadensersatz unmittelbar
durch eine fehlerhafte Kapitalmarktinformation verur-
sacht wird, sondern auch solche Fälle, in denen ein nur
mittelbarer Zusammenhang besteht. Das ist sachgerecht.
Die Unterscheidung von unmittelbarer und mittelbarer
Verursachung eines Schadens ist in der Praxis häufig
schwierig und in der Sache auch nicht angemessen.
Des Weiteren wird der Vergleichsabschluss im Mus-
terverfahren erleichtert. Nach dem bisherigen KapMuG
ist ein Vergleich nur dann möglich, wenn alle Beteiligten
– Musterkläger, Musterbeklagte und alle Beigeladenen –
diesem zustimmen. Das hat sich in der Praxis als kaum
erfüllbar erwiesen. Der Gesetzentwurf führt daher nun-
mehr einen gerichtlich gebilligten Vergleich zwischen
Musterkläger und Musterbeklagten mit Austrittsmög-
lichkeit ein. Dabei hört das Gericht die Beigeladenen le-
diglich an, ob der Vergleich eine angemessene Lösung
darstellt. Zustimmen müssen sie hingegen nicht mehr.
Billigt das Gericht den Vergleich, wird er grundsätzlich
für alle Beteiligten verbindlich. Die Beigeladenen kön-
nen allerdings innerhalb eines Monats ihren Austritt aus
dem Vergleich erklären. Für die Ausgetretenen wird der
Vergleich dann nicht verbindlich. Ich begrüße grundsätz-
lich, dass der Abschluss eines Vergleiches durch die Ab-
kehr vom Zustimmungserfordernis erleichtert wird. Im
parlamentarischen Verfahren prüfen müssen wir aller-
dings die Frage, ob ein bestimmtes Quorum als Voraus-
setzung für die Wirksamkeit des Vergleichs gesetzlich
festgelegt werden muss oder ob es ausreicht, dass die
Parteien ein solches vereinbaren können.
Ziel der Reform ist schließlich, das Musterverfahren
zu beschleunigen. Bislang konnten bis zum Beginn des
Musterverfahrens viele Monate vergehen. Zukünftig sol-
len zulässige Musterverfahrensanträge von den Gerich-
ten innerhalb von drei Monaten im Klageregister be-
kannt gemacht werden. Das soll für eine stärkere
Entlastungswirkung der Gerichte und für einen effekti-
veren Rechtsschutz sorgen.
Der vorgelegte Gesetzentwurf geht in die richtige
Richtung. Das KapMuG kann, wie ich meine, mit den
vorgesehenen Änderungen entfristet werden. Einige we-
nige Kritikpunkte gibt es dennoch, die im parlamentari-
schen Verfahren genau zu prüfen sind:
Das gilt zunächst für die Frage, ob eine sogenannte
einfache Teilnahme am Musterverfahren ermöglicht wer-
den kann. Dabei geht es darum, dass geschädigte Anle-
ger unterhalb der Schwelle der förmlichen Klageerhe-
bung am Musterverfahren beteiligt und insbesondere in
die Wirkungen des Musterbescheids bzw. gegebenen-
falls Vergleichs einbezogen werden können. Das könnte
die Effizienz und die Breitenwirkung des Verfahrens
möglicherweise verbessern.
Möglicherweise muss auch dem OLG, das für die Ent-
scheidung über die Feststellungsziele inhaltlich zustän-
dig ist, mehr Entscheidungsfreiheit eingeräumt werden.
Die jetzt vorgesehene Bindung des OLG an den Vorlage-
beschluss führt dazu, dass es unter Umständen die im
Vorlagebeschluss aufgeführten Feststellungsziele prüfen
muss, obwohl es diese nicht für entscheidungserheblich
hält. Die Zulassung einer Modifizierung der Vorlageziele
muss man daher prüfen.
Schließlich sehe ich hinsichtlich der vorgesehenen
Verschärfung der Voraussetzungen, unter denen ein Ge-
richt nach § 145 ZPO mehrere in einer Klage erhobene
Ansprüche trennen und gesondert verhandeln kann, noch
Prüfbedarf. Bei dieser Änderung geht es nicht nur um
eine Klarstellung im Rahmen des KapMuG, sondern um
eine grundlegende Veränderung der zivilprozessualen
Rechtslage. Das darf nicht leichtfertig geschehen. Das
muss sorgfältig erwogen werden.
Insgesamt – und hiermit komme ich zum Ende meiner
Rede – hat die Bundesregierung einen durchaus gelunge-
nen Gesetzentwurf vorgelegt. Ich bin zuversichtlich,
dass wir im parlamentarischen Verfahren eine Lösung
für die aufgezeigten Kritikpunkte finden werden und das
Gesetz schnell – vielleicht sogar wie das KapMuG im
Jahre 2005 – einstimmig beschließen können.
Thomas Silberhorn (CDU/CSU): Das Kapitalanle-
ger-Musterverfahrensgesetz, KapMuG, ist ein juristi-
scher Testballon, der 2005 losgeschickt wurde und dem
zum 31. Oktober 2012 die Luft auszugehen droht. Mit
der angestrebten Reform des KapMuG wollen wir nun
einige zusätzliche Instrumente an dieser Versuchsanord-
nung anbringen und sie wieder aufsteigen lassen, um
weitere wertvolle Messwerte zu gewinnen und daraus
Erkenntnisse für die zukünftige Gestaltung des deut-
schen Rechts zu ziehen.
Nach Ablauf der Geltungsdauer des von Anfang an
befristeten KapMuG bestünde zunächst die Möglichkeit,
das Gesetz auslaufen zu lassen. Dann würde allerdings
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 165. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. März 2012 19707
(A) (C)
(D)(B)
ein im Kern funktionsfähiges Modell der kollektiven
Rechtsdurchsetzung aufgegeben.
Eine bloße Verlängerung der Geltungsdauer des Ge-
setzes ohne inhaltliche Änderungen erschiene jedoch
ebenfalls nicht angemessen. Vielmehr sollten die Erfah-
rungen der vergangenen sieben Jahre zu einer Überarbei-
tung des Gesetzestextes genutzt werden, um im Interesse
der Kapitalanleger einen noch effektiveren Rechtsschutz
zu ermöglichen und die Durchsetzung des objektiven
Kapitalmarktrechts weiter zu befördern. Die Befristung
des KapMuG kann dabei aufgehoben werden.
Die Überführung des Musterverfahrens in die allge-
meine Zivilprozessordnung und damit seine Ausdehnung
auf alle zivilrechtlichen Ansprüche streben wir hingegen
nicht an. Eine Entwicklung hin zu allgemeinen Sammel-
klagen wie im US-amerikanischen Recht lehnen wir ab.
Dies hat nicht nur den Grund, dass derartige Instrumente
der Rechtsdurchsetzung dem deutschen Recht bisher
fremd sind. Vor allem können uns diese Verfahren mit
ihren Begleitumständen und ihren Ergebnissen nicht
überzeugen.
Das bestehende KapMuG soll so nachjustiert werden,
dass die Schlagkraft des Gesetzes erhöht und seine Wir-
kungsweise verbessert wird. Dazu soll der Anwendungs-
bereich präzisiert und moderat erweitert werden. Künftig
werden durch das KapMuG alle Prozesse erfasst, in de-
nen eine falsche, irreführende oder unterlassene öffentli-
che Kapitalmarktinformation eine der entscheidungser-
heblichen Tatsachen ist. Damit können auch Ansprüche
gegen Anlageberater oder Anlagevermittler wegen soge-
nannter uneigentlicher Prospekthaftung geltend gemacht
werden, die nach ständiger Rechtsprechung des BGH
bisher ausgeschlossen sind.
Eine weitere wesentliche Änderung des KapMuG be-
trifft die Beschleunigung des Verfahrens, denn besonders
hier hat sich gezeigt, dass Optimierungsbedarf besteht.
Mit der Verfahrensbeschleunigung soll bereits vor Be-
ginn des Musterverfahrens angesetzt werden. Die mitun-
ter sehr lange Wartezeit bis zum Beginn eines Muster-
verfahrens wird durch Einführung einer Dreimonatsfrist
zur Entscheidung über den Musterantrag gestrafft. Unsi-
cherheiten über den Beginn eines Musterverfahrens sol-
len auch dadurch minimiert werden, dass Beschlüsse des
Prozessgerichts, in denen Musterverfahrensanträge als
unzulässig verworfen oder wegen Nichterreichen des
Quorums zurückgewiesen werden, unanfechtbar werden.
Darüber hinaus werden die Vorlagevoraussetzungen
an das Oberlandesgericht modifiziert, wobei künftig ein
Zeitraum von sechs Monaten für das Erreichen des Quo-
rums eröffnet wird. Damit muss nicht mehr wie bisher
zunächst abgewartet werden, ob eventuell bereits ge-
stellte Musterverfahrensanträge vorliegen, die noch nicht
bekannt gemacht wurden. Schließlich ist das Oberlan-
desgericht künftig anstelle des Landgerichts für die Er-
weiterung des Gegenstands des Musterverfahrens zu-
ständig, um eine Befassung verschiedener Gerichte
während eines Musterverfahrens und damit drohende zu-
sätzliche Verfahrensverzögerungen zu vermeiden.
Gerade in Verfahren mit vielen Beteiligten ist auf-
grund der Vielschichtigkeit und Komplexität der Einzel-
fälle eine rechtlich abschließende Bewertung oft zeit-
und kostenintensiv. Die Möglichkeiten zur gütlichen
Streitbeilegung sollen daher gestärkt werden. Der Ver-
gleichsabschluss bietet sich als effizientes Mittel hierzu
an, auch um die erhoffte Entlastung der Justiz zu errei-
chen.
Bisher scheitern Vergleichsabschlüsse im Musterver-
fahren regelmäßig am Erfordernis der Zustimmung aller
Beteiligten. Diese wird in der Praxis kaum zu erreichen
sein. Zur Überwindung dieses Hindernisses sieht der Ge-
setzentwurf die Möglichkeit eines gerichtlich gebilligten
Vergleichs zwischen Musterkläger und Musterbeklagtem
mit der Besonderheit vor, dass eine Austrittsmöglichkeit
geschaffen wird. Hat das Gericht nach Anhörung aller
Beteiligten den Vergleichsvorschlag umfassend geprüft
und ist der Vergleich geschlossen worden, dann haben
die Beteiligten – mit Ausnahme von Musterkläger und
Musterbeklagtem – die Möglichkeit, innerhalb einer be-
stimmten Frist aus dem Vergleich auszutreten. Damit
wird die Wahrung der Interessen aller Beteiligten sicher-
gestellt. Jenseits all dieser begrüßenswerten Vorschläge
für die Reform des KapMuG dürfen wir jedoch auch die
deutlich vernehmbaren kritischen Stimmen aus Literatur
und Praxis nicht überhören. Wir müssen beispielsweise
genauestens beobachten und sicherstellen, dass das Mus-
terverfahren aufgrund seiner schieren Komplexität nicht
zu einem „Monstrum“ mutiert und erwünschte Effektivi-
täts- und Synergieeffekte untergraben werden. Auch
sollten wir zumindest kritisch hinterfragen, warum in
den vergangenen sieben Jahren nur eine so geringe Zahl
an Musterverfahren durchgeführt worden ist, wobei nach
meiner Kenntnis bisher noch keine einzige rechtskräftige
Sachentscheidung in einem Musterverfahren ergangen
ist.
Nicht zuletzt gilt es, sprachliche Unschärfen auszu-
räumen und durch präzisere Formulierungen zu ersetzen.
Zudem müssen wir uns Gedanken darüber machen, wie
dem Umstand zu begegnen ist, dass das Kostenrisiko
insbesondere dadurch immer weiter ansteigt, dass mitt-
lerweile viele Rechtsschutzversicherer kapitalmarktrecht-
liche Ansprüche vom Leistungsumfang ihrer Versiche-
rungen ausschließen oder jedenfalls begrenzen.
Im Rahmen der geplanten Sachverständigenanhö-
rung werden wir uns mit derartigen Kritikpunkten und
Fragestellungen noch einmal intensiv auseinandersetzen.
Festzuhalten bleibt, dass die Kapitalanleger weiterhin
besonderen Schutz erfahren werden und ihre Rechtsposi-
tion durch die Reform des KapMuG gestärkt werden
wird.
Ingo Egloff (SPD): Heute diskutieren wir ein Gesetz,
bei dem schon der Titel sperrig ist, das aber gleichwohl
in mehrerer Hinsicht von großer Bedeutung für den
Finanzplatz Deutschland ist. Einerseits soll es dem Anle-
gerschutz dienen und hat damit auch verbraucherschüt-
zende Wirkung, andererseits soll es die Attraktivität des
Finanzplatzes und des Rechtsstandortes Deutschland
stärken.
19708 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 165. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. März 2012
(A) (C)
(D)(B)
Gerade angesichts der Unsicherheit der Anleger auf-
grund der Finanzkrise im Zuge der Lehman-Pleite ist es
daher von großer Bedeutung, diese im Jahre 2005 ge-
schaffene Regelung weiterzuführen und gleichzeitig aus
der seit der Verabschiedung gewonnenen Rechtspraxis
die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen. Deshalb
begrüßt die SPD-Fraktion grundsätzlich die Vorlage die-
ses Gesetzentwurfs.
Wir begrüßen auch, dass der Gesetzgeber hier zumin-
dest teilweise die Konsequenzen aus der inzwischen er-
folgten Evaluierung des Gesetzes und seines Vollzuges
in der Praxis gezogen hat. Dieses Beispiel einer meiner
Meinung nach gelungenen Evaluierung sollte uns im
Hinblick auf zukünftige Vorhaben veranlassen, öfter eine
derartige Überprüfung zu beschließen. Aus der Anwen-
dung in der Praxis und der Entwicklung der Recht-
sprechung Schlüsse zu ziehen, die in den zukünftigen
Gesetzgebungsprozess einfließen, macht Sinn.
In der Sache selbst ist es richtig, bestimmte Irritatio-
nen zu beseitigen, die durch neue unbestimmte Rechts-
begriffe und deren Auslegung durch die Rechtsprechung
entstanden sind. So ist die durch unterschiedliche Urteile
aufgeworfene Frage, ob ein Musterverfahren mehrere
Streitziele haben kann oder nur ein Generalziel, dem
sich verschiedene Teilziele oder Streitpunkte unterzu-
ordnen haben, jetzt durch den Gesetzgeber entschieden
worden. Der Begriff Streitpunkt, der keine Wirkung in
der Praxis entfalten konnte, ist durch die Feststellung,
dass es mehrere Feststellungsziele im Verfahren geben
kann, überflüssig und verschwindet. Es ist auch klar-
gestellt worden, dass der Musterverfahrensantrag bereits
mit der Anhängigkeit der Klage und nicht erst mit Recht-
shängigkeit gestellt werden kann.
Auch der Kritik, dass Verfahren zu lange dauern, ist
Rechnung getragen worden. Eine Verwerfung des Fest-
stellungsziels oder eine Teilverwerfung bei mehreren
Teilzielen ist endgültig und kann nicht angefochten wer-
den. Dies dient der Beschleunigung, weil Streitigkeiten
in Zwischenverfahren abgeschnitten werden und Rechts-
klarheit hergestellt wird. Der Rechtsschutz der Anleger
wird auch nicht unverhältnismäßig eingeschränkt. Es
bleibt der Individualprozess, in dem um Rechtsschutz
nachgesucht werden kann.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch die Re-
gelung in § 3 Satz 1, die für die Bekanntmachung zuläs-
siger Musterverfahrensanträge und damit auch für die
Entscheidung über die Zulässigkeit des Musterverfah-
rensantrages eine Frist von drei Monaten als Sollvor-
schrift bestimmt. Damit ist ausdrücklich klargestellt,
dass ein Gericht nicht mehr den konkreten Fall fortfüh-
ren kann, um zusammen mit dem späteren Urteil den
Musterverfahrensantrag für unzulässig zu erklären, weil
es der Entscheidung ausweichen will. Eine Fristüber-
schreitung ist im Übrigen gemäß § 3 Abs. 2 zu begrün-
den. In Ausnahmefällen kann das Gericht bei schwieri-
ger Materie allerdings die Frist überschreiten, daher die
Sollvorschrift, aber das ist auch sachgerecht.
Am wichtigsten ist aber die Frage der Ausdehnung
des Musterverfahrens gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 auf solche
Tatbestände, in denen der Schadenersatzanspruch nicht
nur auf die Verwendung von falschen öffentlichen Kapi-
talmarktinformationen gestützt wird, sondern in denen
vertragliche Ansprüche wegen fehlerhafter Anlagebera-
tung und Vermittlung erfolgt sind. Das ist angesichts der
vom BGH getroffenen Entscheidung, dass der Anspruch
nicht auf vertragliche Ansprüche gestützt werden kann,
eine Klarstellung und Erweiterung, die im Verbraucher-
schutzinteresse notwendig ist.
Zurecht war kritisiert worden, dass diese BGH-Recht-
sprechung, mag sie dogmatisch aus der 2005 gefundenen
Gesetzesformulierung so ableitbar gewesen sein, jeden-
falls dazu führt, dass das KapMuG in der bisherigen
Form dazu führt, dass Falschberatungen in Zusammen-
hang mit fehlerhaften Prospektangaben nicht abgedeckt
waren und insoweit nicht musterverfahrensfähig waren.
Die Kritik des Bundesrates an der neuen Regelung geht
meines Erachtens an der Sache vorbei. Damit sind nun-
mehr auch die Fragen der erweiterten Prospekthaftung,
in denen sich die Haftung aus der Verwendung eines
fehlerhaften Prospektes in Zusammenhang mit einer
Falschberatung ergibt, in den Bereich der Musterklage-
verfahren einbezogen.
Die im alten Gesetz enthaltene Vergleichsvorschrift
hat sich in der Praxis nicht bewährt. Die Zustimmung al-
ler Beteiligter hat sich als nicht realisierbar herausge-
stellt. Deshalb ist die gefundene Lösung, dass gemäß
§ 17 sich Musterkläger und Musterbeklagter vergleichs-
weise selbst einigen oder auf Vorschlag des Gerichts
einigen, die Beigeladenen die Möglichkeit der Äußerung
haben, der Vergleich erst nach Genehmigung des Ge-
richts, § 18, geschlossen werden kann, dann unwiderruf-
lich ist und den Beigeladenen ein Austrittsrecht, § 19,
eingeräumt wird, eine Lösung, die interessengerecht ist.
Damit wird die Möglichkeit verbaut, dass sich Muster-
kläger und Musterbeklagter zulasten Dritter einigen, und
die individuellen Rechte der Prozessbeteiligten bleiben
gewahrt.
Auf den ersten Blick sind hier seitens der Bundes-
regierung notwendige und sinnvolle Änderungen an dem
bestehenden Gesetz vorgenommen worden. Wir werden
sicherlich im Zuge der Ausschussberatung uns noch aus-
führlicher mit dem Evaluationsbericht befassen und auch
noch über die weiteren Vorschläge der Sachverständigen
diskutieren, die von der Regierung jetzt nicht berück-
sichtigt worden sind.
Im Interesse der Verbraucher und des Anlegerschut-
zes sollten wir zügig über dieses Gesetz beraten. Denn in
Zeiten krisenhafter Zuspitzung in der Euro-Zone, wo wir
nach Ausführungen von Wirtschaftsforschern feststellen
müssen, dass das Vertrauen in die Kapitalmärkte nicht
vorhanden ist, müssen wir als Gesetzgeber dafür sorgen,
dass ein Höchstmaß an Anlegerschutz realisiert wird und
unlauteren Geschäftspraktiken auf allen Ebenen ein Rie-
gel vorgeschoben wird.
Dr. Barbara Höll (DIE LINKE): Schon vor der Fi-
nanzkrise haben viele Anlegerinnen und Anleger durch
unzureichende Beratung und windige Finanzprodukte
auf dem Kapitalmarkt viel Geld verloren. Verantwortli-
che wurden selten zur Verantwortung gezogen, da oft-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 165. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. März 2012 19709
(A) (C)
(D)(B)
mals Zeit- und Geldaufwand für eine gerichtliche Klage
unverhältnismäßig hoch waren und zu den Verlusten der
einzelnen Anlegerinnen und Anleger in keinem Verhält-
nis standen.
Das Kapitalanleger-Musterverfahren, eingeführt im
Jahr 2005, sollte ein schlagkräftiges kollektives Rechts-
verfolgungsinstrument sein und dafür sorgen, dass kapi-
talmarktrechtliche Vorschriften eingehalten werden.
Diese abschreckende Wirkung hat es wohl verfehlt. Fal-
sche Informationen und Fehlberatung sind auch heute
noch zu oft anzutreffen. Eine wesentliche Ursache für
fehlerhafte und unzureichende Beratung liegt in den Fi-
nanzprodukten selbst begründet. Deshalb hatte die Linke
bereits vor vier Jahren, Anfang 2008, einen Finanz-TÜV
vorgeschlagen. Statt „alles ist erlaubt, was nicht verbo-
ten ist“ fordern wir, dass in den Finanzmärkten nur das
erlaubt sein soll, was auch zugelassen ist. Daher sollen,
wie beim Fahrzeug-TÜV, auch beim Finanz-TÜV nur
die Produkte auf den Märkten gehandelt werden dürfen,
die ausdrücklich eine Zulassung erhalten haben. Diesen
Paradigmenwechsel gilt es zu vollziehen. Doch was tut
die Koalition? Sie vereinnahmt den Namen Finanz-TÜV
und verunstaltet das Konzept bis zur Unkenntlichkeit.
Ihr Finanz-TÜV soll künftig Geldanlagen in Produktka-
tegorien einordnen und überprüfen, wie Anbieter den
neuen Informationspflichten nachkommen. Keine Spur
von Zulassungsbeschränkungen für volkswirtschaftlich
schädliche Finanzprodukte. Zudem ist die dafür veran-
schlagte Summe von 1,5 Millionen Euro völlig unzurei-
chend, selbst für ihren Mini-TÜV.
Aber der Finanz-TÜV löst nicht das Problem, wie
Anlegerinnen und Anleger zu ihrem Recht kommen,
wenn sie geschädigt wurden. Die Einführung des Mus-
terverfahrens für das Kapitalmarktrecht und die Absicht,
es dauerhaft beizubehalten, begrüßen wir. Aber die vor-
liegenden Änderungen zum Musterverfahren sind noch
nicht ausreichend.
Mit diesem Verfahren sollte das Kostenrisiko für die
Einzelnen gesenkt werden, was sich in der Praxis als
Schuss in den Ofen gezeigt hat. Zwar wird in dem vor-
liegenden Gesetzentwurf der zusätzliche Aufwand des
Musterklägervertreters entlohnt und diese Entlohnung
auf alle Kläger verteilt, aber das ändert nichts an der Tat-
sache, dass viele Rechtsschutzversicherer dazu überge-
gangen sind, kapitalmarktrechtliche Ansprüche vom
Leistungsumfang auszunehmen oder diesen zu begren-
zen. Somit bleibt das Kostenrisiko bei den Geschädigten.
Auch wenn wir die Ausweitung des Musterverfahrens
auf weitere Bereiche der Zivilprozessordnung begrüßen
würden, fordern wir letztendlich die Umkehr der Be-
weislast und die Einführung einer Sammelklage. Diese
hätte den Vorteil, dass das Kostenrisiko für alle beteilig-
ten Kläger geringer wäre. Für die Zukunft wäre es be-
sonders zielführend, wenn Schwarz-Gelb einen wirkli-
chen Finanz-TÜV einführt, der die Finanzprodukte
überprüft und zulässt. So wäre sichergestellt, dass viele
Klagegründe erst gar nicht entstünden. Dann wären die
Gerichte wirklich entlastet.
Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): I. Als
im Jahre 2005 die damalige rot-grüne Koalition das Ka-
pitalanleger-Musterverfahrensgesetz (Bundestagsdruck-
sache 15/5091) einführte, betrat sie zivilprozessuales
Neuland. Vier Hauptziele sollten damit erreicht werden:
die Effektivierung des individuellen Rechtsschutzes für
Kapitalanleger durch Erleichterung der Geltendmachung
ihrer Ansprüche, die Verbesserung der Durchsetzung ob-
jektiver kapitalmarktrechtlicher Vorschriften durch Ein-
führung eines schlagkräftigen kollektiven Rechtsverfol-
gungsinstruments, die Entlastung der Justiz sowie die
Stärkung des Justizstandorts Deutschland.
Erstens. So bot vor dem Inkrafttreten des KapMuG
die Zivilprozessordnung mit der Streitgenossenschaft in
Fällen von Streuschäden mit vielen Geschädigten nur
sehr eingeschränkt die Möglichkeit einer Bündelung von
Klagen. Insbesondere in diesen Fällen kommt es aber zu
vergleichsweise geringen Schadensersatzsummen beim
einzelnen Geschädigten, während der angerichtete Ge-
samtschaden im mehrstelligen Millionenbereich liegen
kann. Ein Musterverfahren nach dem KapMuG erlaubt
es, das Prozesskostenrisiko der geschädigten Kapitalan-
leger in den Fällen zu senken; in denen sich eine aufwen-
dige Beweisaufnahme mit hohen Sachverständigenkos-
ten zur Klärung komplizierter kapitalmarktrechtlicher
Fragen für den Kläger im Einzelverfahren nicht lohnen
würde.
Zweitens. Darüber hinaus sollte das KapMuG durch
Bündelung einer Vielzahl von gleichgelagerten Gerichts-
verfahren die Gerichte merklich entlasten. Komplexe
Tatsachen und Rechtsfragen sollten so nur noch einmal
mit Bindungswirkung für alle geschädigten Anleger ge-
klärt werden müssen, das heißt, es sollte nur einer Be-
weisaufnahme bedürfen.
Drittens. Schließlich sollte durch die Ermöglichung
eines Musterklageverfahrens auch der Justizstandort
Deutschland gestärkt werden. Das deutsche Prozessrecht
sollte mit dem Musterverfahren modernisiert werden, um
Anleger zu veranlassen, vor deutschen Gerichten zu kla-
gen und nicht im Wege des sogenannten Forum Shopping
auf andere Staaten in Europa oder Amerika auszuwei-
chen. Damit sollte dem staatlichen Interesse Rechnung
getragen werden, deutsche Kapitalmärkte durch die in-
ländische Justiz zu kontrollieren und eine extraterritorial
ausgreifende Gesetzgebung anderer Staaten zu verhin-
dern (vergleiche Gesetzesbegründung zum KapMuG,
Bundestagsdrucksache 15/5091, Seite 17).
II. Um zunächst Erfahrungen mit dem Musterver-
fahren sammeln und die Auswirkungen genau beobach-
ten zu können, trat das KapMuG am 1. November 2005
zunächst befristet auf fünf Jahre in Kraft. Im Juli 2010
wurde die Geltung des Gesetzes bereits einmal für zwei
Jahre, bis zum 31. Oktober 2012, verlängert. Wie von
Beginn an vorgesehen, wurde die Wirkung des Gesetzes
im Jahr 2009 im Auftrag des Bundesjustizministeriums
evaluiert. Mit der Studie beauftragt waren Professor
Dr. Axel Halfmeier, Professor Dr. Eberhard Feess (beide
Frankfurt School of Finance & Management) und Pro-
fessor Dr. Peter Rott (Universität Bremen).
19710 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 165. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. März 2012
(A) (C)
(D)(B)
Der Abschlussbericht der Evaluation wurde am
14. Oktober 2009 vorgelegt. Fazit der Studie ist, dass
sich das KapMuG bereits nach wenigen Jahren der Test-
phase im Grundsatz bewährt hat. Das KapMuG, so das
wichtigste Ergebnis, stelle „ein neuartiges, aber insge-
samt funktionsfähiges Modell der kollektiven Rechts-
durchsetzung im Kapitalmarktrecht“ dar und solle „min-
destens verlängert“ werden.
Erstens. So konnten tatsächlich Anreize zur Geltend-
machung von Ansprüchen von Kapitalanlegern geschaf-
fen werden. Dennoch betrachtet hier die Evaluation die
Fortschritte noch als zu gering; das Ziel einer breiten
Geltendmachung von Streuschäden im Kapitalanlage-
recht würde bei weitem verfehlt. Der Grund dafür wird
darin gesehen, dass zwar eine Verbesserung im Prozess-
kostenrisiko des Einzelnen eingetreten ist, das verblei-
bende Risiko aber weiterhin zu hoch sei und die Erleich-
terungen des KapMuG nicht weit genug gingen. Sicher
lässt sich allerdings sagen, dass die bei Einführung der
Musterverfahrensregelung befürchtete untragbare Belas-
tung potenzieller Beklagter nicht ersichtlich ist.
Zweitens. Nur eingeschränkt erreicht wurde eine Ent-
lastung der Justiz. Laut Evaluationsbericht (Seite 87)
könne eine wirklich spürbare Entlastung nur erreicht
werden, wenn man von dem Erfordernis Abstand neh-
men würde, dass jeder Anspruchsteller auch eine Klage
im Sinne der §§ 253 ff. ZPO erheben muss. Auch bei den
Möglichkeiten, ein Musterverfahren durch Vergleich ab-
zuschließen und somit unter anderem die Gerichte zu
entlasten, sieht der Evaluationsbericht Verbesserungsbe-
darf (Seite 104 f.).
Drittens. Bezüglich der Attraktivität des Justizstand-
orts Deutschlands käme es zukünftig stärker auf eine
Kooperation der beteiligten Justizsysteme an als auf ein
„Abblocken“ ausländischer Verfahren, so der Bericht
(Seite 88). Ein wirksameres und in seinen Zugangsmög-
lichkeiten verbessertes KapMuG könne hier aber einen
wichtigen Beitrag leisten.
Insgesamt verweist der Evaluationsbericht immer
wieder auf das Ergebnis der durchgeführten qualitativen
Untersuchung, nach der Einigkeit darüber bestand, dass
das KapMuG eine Verbesserung zum vorherigen Rechts-
zustand darstelle (zum Beispiel Seite 88).
Für uns Grüne bedeutet dieses Ergebnis, dass wir an
dem Instrument des Musterklageverfahrens festhalten
und es ausbauen wollen. Essenziell ist für uns dabei aber
eine Fortentwicklung des Instruments unter Berücksich-
tigung der Vorschläge des Evaluationsberichts.
III. Der vorliegende Gesetzentwurf der Regierung
geht diesbezüglich in die richtige Richtung. Doch reicht
es, nach all den positiven Erfahrungen, die wir mit dem
Gesetz in den letzten Jahren gemacht haben, nicht aus,
einfach am alten Gesetz Nachbesserungen anzubringen.
Hier ist mehr Mut und progressives Vorgehen gefragt.
Erstens. So ist zu bezweifeln, dass der nun vorlie-
gende Gesetzentwurf tatsächlich die notwendigen Er-
leichterungen bei Eintritt in das Musterverfahren schafft,
da eine Möglichkeit der einfachen Teilnahme am Mus-
terverfahren vorerst nicht geschaffen wird. Hier müssen
Nachbesserungen folgen.
Nach wie vor muss auch jeder Anspruchssteller für
sich Klage erheben, was keine weitere Entlastung der
Justiz herbeiführt. Lobenswert ist, dass die Koalition mit
verbesserten Vergleichsmöglichkeiten in Verbindung mit
der Möglichkeit eines Ausstiegs aus dem Verfahren für
Beteiligte, die sich einer getroffenen Vergleichsvereinba-
rung nicht anschließen wollen, eine wichtige Verbesse-
rung einführen will. Ob diese aber ausreichen wird, wer-
den wir abwarten und kritisch begleiten müssen.
Zweitens. Ganz generell empfiehlt der Evaluationsbe-
richt eine Ausweitung des Anwendungsbereichs von
Musterklagen auf sonstige zivilrechtliche Ansprüche und
befürwortet ausdrücklich eine Aufnahme des Gesetzes in
die ZPO (Seite 109). Eine solche Ausweitung – ob in der
ZPO oder in einem eigenen Gesetz des kollektiven
Rechtsschutzes – wird schon länger nicht mehr nur von
uns Grünen gefordert. Bereits im Jahr 2005 hatte sich der
Bundesrat dafür ausgesprochen (Bundestagsdrucksache
15/5091, Seite 40), und auch die Bundesrechtsanwalts-
kammer hält es in ihrer „Stellungnahme zum Referenten-
entwurf eines Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes“
vom September 2011 (BRAK-Stellungnahme-Nr. 55/2011)
für „überdenkenswürdig“, dass der Anwendungsbereich
des KapMuG nicht auch auf andere Fälle, etwa Fälle der
Produkthaftung oder die Haftung für Kartellverstöße,
ausgedehnt würde, da auch hier Bedarf bestünde. Warum
ist die Koalition hier so zaghaft? Es gäbe nichts zu verlie-
ren.
Drittens. Schließlich verweist der Evaluationsbericht
darauf, dass die defizitäre Rechtsdurchsetzung im Kapi-
talmarktrecht nicht allein mit verfahrensrechtlichen Mit-
teln zu ändern sein wird. Insbesondere die Beweislast-
verteilung bei den im Anwendungsbereich des KapMuG
stehenden Anspruchsgrundlagen sei problematisch. Mit
dieser essenziellen Frage beschäftigt sich der vorgelegte
Gesetzentwurf bedauerlicherweise nicht. Hier müssen
weitere Taten folgen.
Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
desministerin der Justiz: Das Kapitalanleger-Musterver-
fahren ist im Jahre 2005 unter dem Eindruck des Tele-
kom-Verfahrens als Instrument zur Bewältigung von
Massenklagen eingeführt worden. Der Gesetzgeber hat
die Geltung dieses Gesetzes zunächst auf fünf, dann auf
sieben Jahre befristet. Zugleich wurde der Bundesregie-
rung aufgegeben, die Wirkung des Gesetzes zu eva-
luieren, um eine fundierte Entscheidung über eine unbe-
fristete Geltung treffen zu können. Das Ergebnis ist
eindeutig: Wir schlagen dem Deutschen Bundestag vor,
die bisherige Befristung aufzuheben. Denn die Evalua-
tion ist zu dem Ergebnis gekommen, dass das KapMuG
grundsätzlich praxistauglich ist. Allerdings ist das Ge-
setz an einigen Stellen verbesserungsbedürftig. Wissen-
schaft und gerichtliche Praxis sehen dies ähnlich.
Daher wird der Anwendungsbereich gegenüber dem
bisherigen Recht moderat erweitert und auf Rechts-
streitigkeiten mit mittelbarem Bezug zu einer öffent-
lichen Kapitalmarktinformation ausgedehnt. Dadurch
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 165. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. März 2012 19711
(A) (C)
(D)(B)
können zukünftig auch Prozesse gegen Anlagevermittler
und -berater, in denen die Richtigkeit eines Anlagepro-
spekts streitig ist, in einem Musterverfahren gebündelt
und einheitlich entschieden werden. Die Einbeziehung
dieser Verfahren wird die Entlastungswirkung des
KapMuG stärken und für eine einheitliche Entschei-
dungspraxis der Gerichte in Kapitalanlagesachen sorgen.
Die Justiz bedarf hier in Zeiten permanenter Finanz- und
Bankenkrise unserer besonderen Unterstützung.
Darüber hinaus wird der Vergleichsabschluss im
Musterverfahren vereinfacht, um eine gebündelte gütli-
che Beilegung von Anlegerstreitigkeiten zu fördern. Mit
einem Vergleichsschluss können Hunderte von Aus-
gangsverfahren erledigt werden. Dadurch wird das Mus-
terverfahren für die Beteiligten attraktiver. Zugleich
wird die Justiz entlastet.
Aber auch im Vorfeld eines Musterverfahrens müssen
wir den Zugang zum Recht für Kapitalanleger gewähr-
leisten. Die meisten Kapitalanleger können weder auf
eine Rechtsschutzversicherung noch auf Prozesskosten-
hilfe zurückgreifen; sie sind daher darauf angewiesen,
ihr Prozesskostenrisiko durch einen Zusammenschluss
mit anderen Anlegern zu einer Streitgenossenschaft zu
senken. Die Zivilprozessordnung gestattet es den
Gerichten aber bisher ohne besondere Voraussetzungen,
die gemeinsame Klage in Einzelprozesse aufzuteilen.
Den Klägern wird damit ihr Kostenvorteil genommen.
Der Gesetzentwurf sieht daher eine Präzisierung des
§ 145 ZPO vor, damit zukünftig eine Verfahrenstren-
nung nur zulässig ist, wenn es dafür einen gewichtigen
Grund gibt.
Die einfache Teilnahme am Musterverfahren wird im
Verlauf der parlamentarischen Beratungen sicherlich er-
neut thematisiert werden, nachdem der Bundesrat hier
Prüfungsbedarf angemeldet hat. Zusätzlich hat der
Bundesrat weitere Vorschläge sowie zwei Prüfbitten for-
muliert. Darüber werden wir in den Ausschussberatun-
gen diskutieren. Ich begrüße aber ausdrücklich, dass der
Bundesrat das neue KapMuG mit unbefristeter
Geltungsdauer im Grundsatz unterstützt. In die weitere
Debatte sollten wir im Übrigen europarechtliche As-
pekte einbeziehen.
Die Bundesregierung ist überzeugt, dass am Ende der
Beratungen das neue Kapitalanleger-Musterverfahrens-
gesetz den Kapitalanlegern einen effizienteren Rechts-
schutz gewähren wird. Es wird daher dazu beitragen, die
Wirksamkeit der kapitalen marktrechtlichen Regeln
sicherzustellen. Damit wird das Vertrauen der Anleger in
den Finanzmarktstandort Deutschland erhöht werden.
Anlage 3
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Antrags: Wirksame Anreize
für klimafreundlichere Firmenwagen (Tages-
ordnungspunkt 14)
Olav Gutting (CDU/CSU): Wir beraten heute einen
Antrag der Linken, welcher in ähnlicher Ausrichtung
jüngst von den Grünen vorgelegt wurde. Ein rotgefärbter
Antrag der Grünen. Zwar gibt rot und grün zusammen
gelb, aber liberal ist der Antrag dann trotzdem nicht. Im
Gegenteil – er ist ein weiterer Beleg dafür, dass die linke
Seite dieses Hauses offenbar nur die Gängelung der
Menschen im Kopf hat.
Sie wollen die steuerliche Absetzbarkeit des Aufwan-
des für Personenkraftwagen über einem CO2-Ausstoß
von 125 Gramm reduzieren. Zusätzlich wollen Sie die
Besteuerung der privaten Nutzung von Firmenwagen
– die bewährte und anerkannte 1-Prozent-Regelung – für
Neufahrzeuge ab 2013 abändern und an der Kohlen-
dioxidemission ausrichten. Die Fraktion Die Linke im
grünen Gewand.
Aber ich muss Ihnen bei aller noch folgenden Kritik
zugutehalten, dass Ihr Antrag überraschenderweise auf
den ersten Blick nicht ganz so populistisch geprägt ist,
wie die bekannten Anträge der Grünen, die das gleiche
Ziel verfolgen.
Auf den zweiten Blick jedoch und nach genauer
Durchsicht entpuppt sich Ihr Antrag als Trojanisches
Pferd. Letztendlich läuft es wieder auf eine höhere Be-
steuerung von Unternehmen und Selbständigen hinaus,
welche hochpreisige, vor allem deutsche Firmenwagen
anschaffen und nutzen wollen. Sie sagen es ja selber,
wenn auch verklausuliert, in Ihrem Antrag, dass die Be-
zieher höherer Einkommen abkassiert werden sollen.
Dabei müssten Sie doch eigentlich wissen, dass vor
allem die von Ihnen angeführten mobilen Pflegedienste
zwar oft Kleinst- und Kleinwagen, aber eben häufig
auch ältere und daher verbrauchs- und emissionsinten-
sive Fahrzeuge fahren. Diese kleinen Unternehmen kön-
nen sich keine neue – meist teure und spritsparende –
Fahrzeugflotte leisten. Sie belasten also neben den klei-
nen und mittleren Unternehmen auch deren meist nicht
zu den Großverdienern zählenden Arbeitnehmer, welche
aufgrund ihrer Tätigkeit das Firmenfahrzeug auch privat
nutzen dürfen.
Auch die Abkehr vom anerkannten Bruttolistenpreis
als Bemessungsgrundlage ist nicht durchdacht. Große
Unternehmen mit Massenbestellungen können viel nied-
rigere Anschaffungskosten beim Firmenwagen aushan-
deln als die vielen kleinen Handwerksbetriebe oder die
kleinen mobilen Pflegedienste. Es wäre schlicht unge-
recht, wenn diese Arbeitnehmer beim gleichen Fahrzeug
nicht den gleichen vermögenswerten Vorteil zu versteu-
ern hätten.
Das System der Absetzbarkeit von Betriebsausgaben
beim Firmenwagen mit einer ökologischen Ausrichtung
zu versehen, widerspricht nicht nur den Grundprinzipien
unseres Steuerrechts, sondern führt auch noch zu einer
immensen Komplizierung. Wir aber wollen eine Verein-
fachung des deutschen Steuerrechts und keine Verkom-
plizierung und haben hierzu bereits mit dem Steuerver-
einfachungsgesetz erste Schritte unternommen. Weitere
werden folgen.
Wir wollen nicht zwei in Anschaffungspreis und Nut-
zungsdauer gleiche Wirtschaftsgüter nur deshalb unter-
schiedlich behandeln, weil sie sich im CO2-Ausstoß un-
19712 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 165. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. März 2012
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terscheiden. Wir wollen keine ideologisch geprägte
Ungleichbehandlung der steuerlichen Abzugsfähigkeit
des Aufwandes zu anderen abnutzbaren Wirtschafts-
gütern. Ungleichbehandlungen im Steuersystem führen
meist zu Fehllenkungen und Fehlanreizen, die letztend-
lich weder ökologisch noch wirtschaftlich sinnvoll sind.
Kompliziert haben wir bereits, wir brauchen einfach.
Auch bei der Abschreibung. Die Abschreibung zeichnet
den jährlichen Wertverlust von Firmenvermögen nach.
Dies gilt natürlich nach den jetzigen Regelungen auch
für Firmenwagen. Das muss auch zukünftig so bleiben.
Das System der Absetzbarkeit von Betriebsausgaben
kann deshalb auch nicht mit einer ökologischen Ausrich-
tung einfach abgeändert werden.
Würde man diesem Vorschlag folgen, müsste man in
letzter Konsequenz sämtliche Maschinen, Heizungsanla-
gen etc. mit einem erhöhten CO2-Ausstoß und auch bei
Gebäuden, die geltende Wärmedämmrichtwerte nicht
einhalten, unterschiedlich bei der AfA behandeln. Eine
vernünftige Grenze kann der Gesetzgeber hier nicht zie-
hen. Das Einkommensteuerrecht sollten wir von solchen
Überlegungen verschonen.
Sie gehen auch von falschen Annahmen bzw. veralte-
ten Zahlen aus. Die neu zugelassenen Firmenwagen kön-
nen nicht für den von Ihnen behaupteten erhöhten durch-
schnittlichen CO2-Ausstoß bei den neu zugelassenen
Pkw verantwortlich sein. Das Gegenteil ist der Fall. Die
durchschnittlichen CO2-Emissionen von Firmenwagen
haben sich im Jahr 2011 im Vergleich zum Jahr 2010 um
5 Prozent und damit wesentlich stärker als bei den priva-
ten Neuzulassungen mit 2,8 Prozent reduziert.
Die ständige Erneuerung der Firmenfahrzeugflotte
durch die Unternehmen trägt erheblich zur Reduzierung
der Emissionen bei. Neue Fahrzeuge sind im Vergleich
zu ihren Vorgängern meist sparsamer und auch klima-
freundlicher. Im Zeitraum von 2008 bis Ende 2011 konn-
ten die CO2-Emissionen von Firmenwagen um 25,1 Gramm
CO2 pro Kilometer gesenkt werden. Bei den Privatfahr-
zeugen ist der CO2-Ausstoß lediglich um 17,3 Gramm
CO2 pro Kilometer zurückgegangen.
Es gibt im Übrigen bereits jetzt bestehende Len-
kungselemente hin zu einem verbrauchs- und emissions-
ärmeren Fahrzeug. Größere Kraftfahrzeuge sind in der
Regel aufgrund des höheren Kraftstoffverbrauchs bereits
mit einer höheren Energiesteuer, bestehend aus der Mi-
neralöl- und Ökosteuer, belastet. Aufgrund des größeren
Hubraums werden auch regelmäßig höhere Kfz-Steuern
fällig. Diese Anreize wurden mit der Umstellung der
Kfz-Steuer in eine am CO2- und Schadstoffausstoß
orientierte Kfz-Steuer nochmal deutlich erhöht.
Die am CO2- und Schadstoffausstoß orientierte Kfz-
Steuer und die Energiesteuer sind die sachnäheren und
steuersystematisch besseren Lenkungselemente als die
von der Fraktion Die Linke gewollte CO2-basierende
Firmenwagenbesteuerung.
Ich warne auch davor, den Kfz-Markt mit steuerli-
chen Verkomplizierungen und letztendlich Steuererhö-
hungen zu verunsichern. Denn Ihr Antrag ist nichts an-
deres als eine versteckte Steuererhöhung mit Sanktions-
charakter.
Sie dürfen auch nicht nur an den Fahrer des Fahrzeu-
ges denken, sondern müssen auch die 15 bis 20 Arbeit-
nehmer berücksichtigen, die mit dem Bau dieses Fahr-
zeuges ihre Familien ernähren.
Die ständigen Angriffe auf die derzeit bestehende
Firmenwagenbesteuerung ist nichts anderes als ein An-
griff auf die deutsche Automobilindustrie mit über
750 000 Beschäftigten. Die Deutsche Automobilindus-
trie investiert bereits zig Milliarden in verbrauchsarme
und effizientere Fahrzeuge und im Übrigen auch in eine
umweltfreundlichere Produktion. Die Fortschritte sind
bemer-kenswert und weltweit anerkannt.
Hören wir auf, unser Steuerrecht zu missbrauchen,
und überlassen wir die Entscheidung über die Wahl des
Fahrzeuges bitte den Menschen selbst. Der indirekten
Verunglimpfung der deutschen Autobauer und der Gän-
gelei der Autofahrer werden wir jedenfalls nicht die
Hand reichen.
Nicolette Kressl (SPD): In ihrem Antrag fordert die
Fraktion Die Linke eine Ausrichtung der Firmen- und
Dienstwagenbesteuerung an ökologischen Kriterien. Die
Firmen- und Dienstwagenbesteuerung ist immer wieder
Gegenstand parlamentarischer Debatten. Reformbedarf
wird bei allen Parteien ausgemacht.
Es kann keinen Zweifel darüber geben, dass die vom
Verkehrssektor und insbesondere von den Personenkraft-
wagen verursachten Emissionen reduziert werden müs-
sen. Die in der EU-Flottenverbrauchsverordnung vorge-
gebene schrittweise Reduzierung der Emissionswerte für
Personenkraftwagen muss unbedingt umgesetzt werden.
Nach Auffassung der SPD müssen dazu auch steuer-
rechtliche Anreize zur Anschaffung verbrauchsärmerer
Fahrzeuge geschaffen werden. Die Firmen- und Dienst-
wagenbesteuerung muss deshalb ökologisch ausgerichtet
werden.
Wir dürfen es uns aber auch nicht zu einfach machen.
Zunächst muss bei der Neuausrichtung der Firmenwa-
genbesteuerung das im Steuerrecht geltende objektive
Nettoprinzip beachtet werden. Betrieblich bzw. beruflich
veranlasste Aufwendungen sind danach grundsätzlich
von den Einnahmen abziehbar. Der Betriebs- bzw. Wer-
bungskostenabzug kann allerdings auf die angemessenen
Ausgaben beschränkt werden. Nach der Rechtsprechung
des Bundesverfassungsgerichts kann der Betriebsausga-
benabzug außerdem aufgrund von Lenkungszwecken,
wie der Reduzierung klimaschädlicher Emissionen, ein-
geschränkt werden. Die steuerlichen Grundprinzipien
stehen somit einer ökologischen Ausrichtung der Fir-
menwagenbesteuerung nicht entgegen. Die Abzugsbe-
schränkung muss aber immer durch eine zielgenaue
Lenkungswirkung, das heißt eine effektive Emissions-
reduzierung, gerechtfertigt sein.
Bei der Firmen- und Dienstwagenbesteuerung müs-
sen über die ökologischen Gesichtspunkte hinaus auch
noch wirtschaftliche und soziale Belange berücksichtigt
werden.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 165. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. März 2012 19713
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Die Begrenzung des steuerlichen Betriebsausgaben-
abzugs für Firmenwagen mit höherem Spritverbrauch
muss so ausgestaltet werden, dass sie auch kleine Unter-
nehmen, beispielsweise Handwerksbetriebe, nicht über-
fordert. Die Einführung der emissionsbezogenen Be-
schränkung des Betriebsausgabenabzugs für erstmals
zugelassene Fahrzeuge erscheint mir ein gangbarer Weg
zu sein. Dies würde es den Betrieben erlauben, sich bei
ihren Neuanschaffungen an den strengeren Emissions-
grenzen zu orientieren, und würde es ihn somit ermögli-
chen, höhere Steuerbelastungen zu vermeiden.
Auch bei der Dienstwagenbesteuerung müssen wir
mit Augenmaß vorgehen und die Auswirkungen einer
Reform auf die Dienstwagennutzer in den Blick nehmen.
Fahrzeuge der Luxusklasse, die von Spitzenverdienern
zum Vergnügen gefahren werden, sind die Ausnahme.
Die Mehrheit der Dienstwagennutzer verfügt über ein
mittleres Einkommen ist bei seiner täglichen Arbeit auf
den Dienstwagen angewiesen. Eine emissionsabhängige
Anhebung der Dienstwagenbesteuerung würde viele Ar-
beitnehmerinnen und Arbeitnehmer empfindlich belas-
ten. Diesen Aspekt berücksichtigt der Antrag der Linken
immerhin.
Schließlich muss die Neuausrichtung auch adminis-
trierbar sein und darf zu keinen unverhältnismäßigen
Bürokratiekosten führen. Durch die schrittweise Anhe-
bung der Emissionsgrenzwerte entsteht bereits ein höhe-
rer Verwaltungsaufwand. Im Interesse der Unternehmen,
der Dienstwagennutzer und der Finanzämter müssen wir
die Besteuerungsverfahren möglichst einfach ausgestal-
ten.
Bei der Reform der Firmen- und Dienstwagenbesteu-
erung handelt es sich also um ein anspruchsvolles Unter-
fangen. Wir dürfen uns dabei weder hinter den Prinzi-
pien des Einkommensteuerrechts verstecken noch
einseitige Interessen verfolgen. Es kommt vielmehr auf
eine umfassende Abwägung der ökologischen Zielset-
zung mit den wirtschaftlichen und sozialen Belangen an.
Dr. Daniel Volk (FDP): Die FDP-Bundestagsfrak-
tion steht für eine Umweltpolitik der Generationenge-
rechtigkeit und der Innovation. Beim Klimaschutz ste-
hen wir zum Ziel, die CO2-Emissionen bis 2020 um
40 Prozent zu senken. Im Koalitionsvertrag haben wir
uns in vielen Bereichen damit durchgesetzt, marktwirt-
schaftliche Elemente in der Gestaltung der Umweltpoli-
tik verstärkt anzuwenden und den Unternehmen Pla-
nungssicherheit durch eine verlässliche Politikgestaltung
zu geben. Wir stehen für eine vernünftige Umweltpolitik
ohne ideologisch verblendete Flickschusterei und einsei-
tige Belastung, wie Sie es vorschlagen.
Ihr Antrag ist damit nicht in Einklang zu bringen, da
er das bestehende Steuerrecht nur verkompliziert und für
die Menschen noch unverständlicher macht. Ebenso
durchbrechen Sie mit Ihrem Antrag eine Vielzahl von
steuerrechtlichen Grundprinzipien, indem Sie den Be-
schäftigten vorschreiben, welche Autos sie fahren dürfen
und welche nicht. Sie wollen das steuerliche Nettoprin-
zip ebenso beerdigen wie jegliche steuerpolitische Ver-
nunft, und dabei schaffen Sie neue bürokratische Belas-
tungen sowohl für die Unternehmen als auch für die
Steuerzahler.
So pluralistisch unsere Gesellschaft ist, so unter-
schiedlich sind auch die Bedürfnisse der Menschen. Ein
Singlehaushalt kommt sicher mit einem kleinen Auto zu-
recht. Eine Großfamilie hingegen benötigt schon eher
ein größeres Auto oder gar einen Kleinbus. Dass diese
Autos dann erheblich teurer werden und so vor allem Fa-
milien belastet werden, nehmen Sie wieder einmal billi-
gend in Kauf. Mit uns ist eine solche Politik aber nicht
zu machen.
Sie verteufeln jeden Dienstwagenfahrer als Umwelt-
sünder und vergessen dabei völlig, dass der Dienstwagen
mittlerweile auch im normalen Arbeitnehmermittelfeld
angekommen ist. Diese Menschen denken eher praktisch
und bevorzugen Modelle der Mittelklasse, die sie sich
auch leisten können und die ihren familiären Bedürfnis-
sen entsprechen; denn die private Nutzung müssen sie
aus eigener Tasche bezahlen.
Zudem verkennen Sie die Leistungen einer Branche
mit mehr als 700 000 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen
und unzähligen Auszubildenden. Die Automobilbran-
che hat damit einen wichtigen Anteil am deutschen Job-
wunder.
Im Jahr 2010 hat die deutsche Automobilindustrie
circa 20 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung
investiert, um das Fahren sicherer und umweltschonen-
der zu machen. Das Ende der Entwicklung umweltscho-
nender Fortbewegungsmöglichkeiten ist längst noch
nicht erreicht, aber die deutsche Automobilindustrie ist
auf einem guten Weg und weltweit in vielen Bereichen
als Innovationsführer geschätzt. Ihr Antrag würde nicht
nur dem Wirtschafts- und Innovationsstandort Deutsch-
land erheblich schaden, er würde auch den Unternehmen
dringend benötigte Liquidität entziehen.
Für die CO2-Reduzierung gehen wir Liberale einen
anderen Weg, zum Beispiel mit der von uns eingeleiteten
Liberalisierung des Busfernverkehrs. Wir werden damit
insbesondere mittelständischen Unternehmern neue
Chancen und Wettbewerbsmöglichkeiten eröffnen. Das
wird außerdem zu vielfältigeren Angeboten und günsti-
geren Alternativen für die Kunden führen. Sie können
sich künftig – ohne staatliche Bevormundung – frei zwi-
schen Bahn und Bus entscheiden.
Diese Öffnung im Fernbusverkehr haben wir Liberale
angestoßen, und wir haben lange dafür gekämpft. Wir
unterstützen mit dem Gesetz den Umstieg vom Auto
zum Bus. Der Bus wird damit zu einer echten Alterna-
tive zum Auto. Positive Effekte auf die vollen Autobah-
nen und den CO2-Ausstoß sollten nur einige Folgen da-
von sein.
Dr. Barbara Höll (DIE LINKE): Wenn es uns in
Deutschland gelingen soll, bis zum Jahre 2020 den CO2-
Ausstoß um 40 Prozent gegenüber 1990 zu senken, so
sind vielfältige Maßnahmen nötig. Die Veränderung der
steuerlichen Behandlung der Firmenwagen ist dafür ein
wichtiger Baustein. Gerade im Verkehrssektor steigt der
absolute Ausstoß von Emissionen an. Firmenwagen ha-
19714 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 165. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. März 2012
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ben daran einen großen Anteil. Während noch 1995 der
Anteil der Firmenwagen 38 Prozent betrug, waren es
2008 bereits 60 Prozent, Tendenz weiter steigend.
Somit ist es entscheidend, welche Pkw von den Fir-
men eingekauft und gefahren werden. Bei 77 Prozent al-
ler im Jahre 2008 neu zugelassenen Fahrzeuge lag der
durchschnittliche Emissionswert über 200 Gramm CO2
pro Kilometer. Diese Entwicklung ist eindeutig das Er-
gebnis fehlerhafter steuerlicher Anreize, und diese gilt es
zu beseitigen. Aktuell existieren keine verbindlichen Li-
mits für den abzugsfähigen Aufwand von Firmenwagen.
Die Kosten für diese Fehlentwicklung zahlen letztlich
die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. So darf das nicht
weitergehen, hier müssen wir umsteuern.
Von uns und den Grünen liegen ja bereits Vorschläge
auf dem Tisch, wie die Firmenwagenbesteuerung ausse-
hen könnte. In einigen Punkten, wie zum Beispiel der
Wirkung der Heranziehung der Anschaffungskosten
bzw. des Listenpreises, steckt aber noch Diskussionsbe-
darf. Offene Fragen sollten wir ausführlich und unter
Umwelt- sowie Anreizgesichtspunkten in der Anhörung
mit Experten und Expertinnen diskutieren und gegebe-
nenfalls Änderungen vornehmen.
Notwendig ist daher erstens, die Ansetzung der Kos-
ten für einen Firmenwagen CO2-abhängig zu gestalten.
Zweitens ist die sogenannte 1-Prozent-Regelung neu
auszugestalten und ebenfalls vom CO2-Ausstoß abhän-
gig zu machen. Hier müsste unserer Meinung nach eine
Differenzierung bei der Besteuerung des geldwerten
Vorteils stattfinden. Im Vergleich mit dem Antrag der
Grünen haben wir bei der 1-Prozent-Regelung eine so-
ziale Komponente eingefügt, indem wir Kleinwagen mit
geringem CO2-Ausstoß besserstellen wollen. Denn
Kleinwagen werden insbesondere in der mobilen Alten-
pflege genutzt. Die Grenzwerte im Grünen-Antrag fin-
den wir daher zu ambitioniert, denn nahezu alle derzeit
vorhandenen Firmenwagen erfüllen nicht den zum 1. Ja-
nuar 2013 geforderten Grenzwert. Wir müssen aufpas-
sen, dass wir die Unternehmen nicht überfordern. Ge-
rade im Beruf der Altenpflege, den ich ansprach, wird
man nicht einfach so eine Erneuerung der Firmenwagen-
flotte vornehmen können. Der dortige Firmenwagen ist
unserer Meinung auch nicht als Privileg anzusehen, son-
dern eher als Ausgleich für die schlechte Entlohnung.
Meine Damen und Herren von der Koalition, geben
Sie endlich Ihre Blockadehaltung gegenüber einer Neu-
regelung der steuerlichen Behandlung der Firmenwagen
auf.
Unsere Vorschläge sind letztlich auch eine Chance für
den Autostandort Deutschland, weil durch ihre Umset-
zung die Nachfrage nach ökologisch verträglichen Per-
sonenkraftwagen mit geringerem CO2-Ausstoß massiv
steigen würde. Somit dürfte es sich auch für die Auto-
mobilindustrie lohnen, konsequenter und schneller ge-
nau solche Autos zu produzieren. Innovationen sind stets
wachstumsfördernd. Schauen Sie sich nur an, wie viele
Arbeitsplätze in den letzten Jahren in diesem Bereich
entstanden sind.
Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): „Dienst-
wagenprivileg abbauen und Besteuerung CO2-effizient
ausrichten“, so lautet der Titel des Antrags, den ich vor
sechs Wochen für meine Fraktion eingebracht habe.
„Wirksame Anreize für klimafreundliche Firmenwagen“ –
so lautet der Titel Ihres Antrags. Das klingt erst mal gut.
Ich freue mich, dass damit zumindest die Überschrift
Ihres Antrags unserem Anliegen entspricht. Da hören die
Gemeinsamkeiten dann allerdings auch schon auf. Denn
wenn man sich Ihre Forderungen genau anguckt, dann
kann man eigentlich nicht glauben, dass Sie diesen Vor-
schlag ernst meinen. Sollte die Regierung Ihren Antrag
tatsächlich umsetzen, dann wäre es eine Katastrophe für
die Klimapolitik im Verkehrsbereich und dazu eine völ-
lig absurde und unfaire Ausweitung des Dienstwagenpri-
vilegs.
Das Verwirrende ist: In der Begründung Ihres Antrags
treffen Sie durchaus den Kern des Problems. Sie schrei-
ben: „In der Europäischen Union darf der neu zugelas-
sene Fuhrpark ab 2020 im Durchschnitt nicht mehr als
95 Gramm CO2 pro Kilometer verbrauchen.“ Zum Ver-
gleich: Die deutsche Neuwagenflotte ist heute mit
151 Gramm CO2 je Kilometer noch weit von diesem
Zielwert entfernt. Sie schreiben weiter, dass dieses Ziel
eigentlich nicht ausreicht, und dass die Umweltverbände
sogar einen Flottenwert von 80 Gramm im Jahr 2020
befürworten. Auch hier sage ich: Ja, genau. Das ist auch
unsere Position. Darauf aufbauend haben wir auch unse-
ren Antrag geschrieben, weil wir überzeugt sind, dass
man mit unserem Vorschlag für die Änderung der
Dienstwagenbesteuerung das Ziel erreicht.
Doch das, was Sie hier vorlegen, das passt vorne und
hinten nicht zusammen. Wenn ich mir Ihren Vorschlag
genauer anschaue, bekomme ich den Eindruck, dass Sie
sich beim Antragschreiben auf dem Taschenrechner ver-
tippt haben.
Sie wollen, dass der geldwerte Vorteil, also der Pau-
schalbetrag, den ein Angestellter versteuern muss, weil
er von seiner Arbeitgeberin einen Dienstwagen gestellt
bekommt, nicht mehr nach dem Listenpreis des Autos
berechnet werden soll, sondern nach den tatsächlichen
Anschaffungskosten. Darüber kann man reden, da durch
die heute gültige Regelung die Anschaffung von
Gebrauchtwagen als Dienstwagen benachteiligt wird.
Doch dazu muss Ihnen auch klar sein: Kein Neu-
wagen wird zum Listenpreis des Herstellers verkauft.
Experten gehen davon aus, dass der tatsächliche Ver-
kaufspreis von Neuwagen ungefähr 20 Prozent unter
dem Listenpreis liegt, den der Hersteller empfiehlt. Um
die Besteuerung des geldwerten Vorteils auf dem glei-
chen Niveau wie heute zu halten, muss dieser Schritt
also unbedingt mit einer Anhebung des Prozentsatzes
bei der sogenannten 1-Prozent-Regel verbunden wer-
den. Wenn also der tatsächliche Anschaffungspreis
20 Prozent unter dem Listenpreis liegt, müsste man aus
der 1-Prozent-Regel eine 1,25-Prozent-Regel machen,
um die private Nutzung von Neuwagen genauso zu
besteuern, wie es heute der Fall ist.
Sie aber schlagen genau das Gegenteil vor: Sie wollen
die 1-Prozent-Regel zu einer 0,9-Prozent-Regel machen.
Rechnet man Ihren Vorschlag sauber zu Ende, so führt
das zu einem absurden Ergebnis: Wer von seiner Arbeit-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 165. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. März 2012 19715
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geberin einen Dienstwagen gestellt bekommt, der
151 Gramm CO2 pro Kilometer ausstößt, der muss bis
2020 Jahr für Jahr weniger Steuern für die Nutzung des
Dienstwagens bezahlen als heute. 151 Gramm CO2 pro
Kilometer, wir erinnern uns, entspricht den Durch-
schnittsemissionen der heutigen Dienstwagenflotte. Ein
Audi A6 etwa pustet heute so viel CO2 in die Luft.
Meine Damen und Herren von der Linken, das ist
ganz klarer umweltpolitischer Unsinn. Wie wollen Sie
mit solchen Regeln erreichen, dass der durchschnittliche
Emissionswert in acht Jahren, also 2020, bei 80 Gramm
pro Kilometer liegt?
Dazu ist Ihr Vorschlag natürlich auch völlig unfair.
Schon heute genießen Dienstwagenfahrer große Privile-
gien gegenüber ihren Kollegen, die ihren Autokauf und
die Kosten für Sprit, Versicherung und Reparaturen von
ihrem Nettogehalt bezahlen müssen. Denn das Mehr an
Steuern für den geldwerten Vorteil wiegt die realen Kos-
ten, die ein Auto verursacht, nie auf. Ihr Vorschlag führt
also dazu, dass das Fahren eines spritfressenden Audi
A6 dauerhaft noch stärker subventioniert würde als bis-
her.
Die Obleute des Finanzausschusses haben in der letz-
ten Woche vereinbart, noch vor der Sommerpause ein
Fachgespräch zur Besteuerung von Dienst- und Firmen-
wagen zu veranstalten. Ich glaube, dass dieser Ent-
schluss sehr sinnvoll war.
Denn „Wirksame Anreize für klimafreundliche Fir-
menwagen“ – das wollen wir auch. Ob man das mit
Ihrem Antrag erreichen kann, darüber sollten wir uns
dann nochmal genau unterhalten. Zur Vorbereitung emp-
fehle ich Ihnen die Lektüre unseres Antrags zur Reform
der Dienstwagenbesteuerung. Denn im Gegensatz zu
Ihrem Antrag hält bei uns der Titel das, was er ver-
spricht.
Anlage 4
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung der Anträge:
– Forschung und Produktentwicklung für ver-
nachlässigte und armutsassoziierte Erkran-
kungen stärken
– Das Menschenrecht auf Gesundheit umset-
zen – Zugang zu Medikamenten weltweit
verwirklichen
(Tagesordnungspunkt 15 a und b)
Anette Hübinger (CDU/CSU): Wir stellen heute ein
Thema in den Mittelpunkt unserer Debatte, dessen Aus-
wirkungen auf die Weltbevölkerung noch immer in wei-
ten Teilen – innerhalb und außerhalb Deutschlands – un-
terschätzt werden. Ich spreche von den sogenannten
tropischen und armutsassoziierten Krankheiten.
Auf den ersten Blick haben die Schlagworte „tropisch“
und „armutsassoziiert“ nichts mit uns zu tun. Schaut man
aber über den eigenen – deutschen – Tellerrand hinaus,
wird schnell deutlich: Es handelt sich um ein internatio-
nal drängendes Problem! Mehr als 1 Milliarde Men-
schen weltweit leiden oder sterben an Krankheiten wie
der afrikanischen Schlafkrankheit, an Chagas, an Leish-
maniose oder dem Dengue-Fieber, um nur vier zu nen-
nen. In die Begrifflichkeit müssen aber auch HIV/Aids,
Malaria und Tuberkulose mit aufgenommen werden, da
die Forschung zum großen Teil nicht den besonderen
Herausforderungen und Anforderungen an die Behand-
lung der Erkrankten in Entwicklungs- und Schwellenlän-
dern Rechnung trägt.
Diese Krankheiten werden aber noch mit einem wei-
teren Adjektiv in Verbindung gebracht. Man bezeichnet
sie als vernachlässigte Krankheiten. Vernachlässigt des-
halb, weil sich die Forschung diesen Krankheiten wenig
widmet und weil demzufolge gar keine Medikamente,
keine tropengeeigneten Medikamente oder keine Medi-
kamente zu einem erschwinglichen Preis auf dem Markt
sind. Der Grund hierfür ist die Armut der Betroffenen!
Wo kein Geld zu verdienen ist, da halten sich die For-
schungsanstrengungen von privaten Pharmaherstellern
sehr in Grenzen.
Dieser Umstand kann und darf uns nicht gleichgültig
sein! Vielmehr sind wir aufgefordert, unser Wissen und
unsere Fähigkeiten in den Dienst dieser Menschen zu
stellen. Wir müssen dies aus humanitärer Verantwortung
tun, aber auch damit diese Krankheiten und ihre Folgen
nicht zum Entwicklungshemmnis für die Menschen und
für die Länder, in denen sie leben, werden. Staatliches
Engagement ist gefragt. Dieser Herausforderung stellen
wir uns heute erneut mit unserem Antrag. Wir betreten
damit nicht gänzliches Neuland, sondern wollen unsere
Anstrengungen forcieren, um unserer Verantwortung für
die globale Gesundheit auch gerecht zu werden.
Klar ist angesichts einer solch großen Herausforde-
rung, dass das deutsche Engagement nicht alle Probleme
allein wird schultern können. Wir brauchen Partner. Das
heißt, wir müssen mit anderen Ländern zusammenarbei-
ten, wir müssen die Pharmafirmen mit ins Boot holen
und wir müssen private Initiativen – ein prominentes
Beispiel ist auf diesem Gebiet die Bill & Melinda Gates
Stiftung – einbinden.
Eine sehr interessante Kooperationsform sind die so-
genannten Produktentwicklungspartnerschaften, abge-
kürzt PDP. PDP sind nichtprofitorientierte Organisatio-
nen, die Diagnostika, Impfstoffe oder Medikamente zur
Bekämpfung von vernachlässigten und armutsassoziier-
ten Krankheiten entwickeln und – ganz wichtig – kosten-
günstig in Entwicklungs- und Schwellenländern zum
Einsatz bringen. In PDP fließen privates, staatliches und
unternehmerisches Engagement zusammen, und genau
das wollen wir.
Die Bundesregierung hat schon früh erkannt, dass
dies ein sehr erfolgversprechender Weg zur Eindäm-
mung von vernachlässigten, tropischen und armutsasso-
ziierten Krankheiten ist und unterstützt diesen innovati-
ven Forschungs- und Produktentwicklungsansatz. Die
christlich-liberale Koalition begrüßt daher, dass für den
Zeitraum von 2011 bis 2015 eine Summe in Höhe von
20 Millionen Euro zur Verfügung gestellt wird. Um die-
19716 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 165. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. März 2012
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(D)(B)
sem Anliegen Nachdruck zu verleihen, haben wir den
Titelansatz für das Jahr 2011 um weitere 2 Millionen
Euro erhöht.
Das Engagement der Bundesregierung zielt dabei auf
die Medikamentenentwicklungen gegen die Afrikani-
sche Schlafkrankheit, gegen Viszerale Leishmaniose, die
Chagas-Krankheit und Wurmerkrankungen sowie auf
die Entwicklung einer Diagnostikplattform für vier para-
sitäre Erkrankungen – Afrikanische Schlafkrankheit,
Chagas, Leishmaniose und Malaria – und auf die Ent-
wicklung eines Malariaimpfstoffes für Schwangere.
Ich bin mir der Tatsache bewusst, dass 22 Millionen
Euro finanzielle Unterstützung von PDP im internationa-
len Vergleich keine riesige Hausnummer darstellen und
das nur ein Anfang sein kann. Aber genau das ist der
springende Punkt. Wir befinden uns am Anfang eines
– hoffentlich gemeinsamen – Weges.
Deshalb war es vonseiten der Bundesregierung genau
die richtige Entscheidung, einen abgrenzbaren und somit
besser sichtbaren Bereich auszuwählen und dort gezielt
Forschung zu unterstützen. Den Fokus auf die Errei-
chung der Millenniumsentwicklungsziele 4 – Verringe-
rung der Kindersterblichkeit – und 5 – Verringerung der
Müttersterblichkeit – zu legen, ist somit ein guter wie
auch wichtiger Anfang.
Für uns als christlich-liberale Koalition ist klar: Wenn
sich die finanzielle Unterstützung der ausgewählten
PDPs bewährt, wollen wir den jetzigen Ansatz weiter-
entwickeln. Für eine neue Förderrunde nach 2015 darf es
dann auch keine Denkverbote hinsichtlich der Einbezie-
hung von HIV/Aids und Tuberkulose geben.
Mit unserem Antrag streben wir für die zweite För-
derrunde, die nach meiner Meinung kommen muss, eine
höhere Förderung an. Dafür werde ich mich einsetzen.
Im Gegensatz zu allen Oppositionsparteien hier im
Hause tragen wir als christlich-liberale Koalition eine
große Verantwortung für den Bundeshaushalt. So sehr
wir für die Bekämpfung vernachlässigter und armuts-
assoziierter Krankheiten „brennen“, können wir dennoch
keine Fantasiesummen fordern. Das sagen wir ehrlich.
Aber wir sagen auch, dass auf das einmal Zugesagte
auch Verlass sein muss.
Das deutsche Engagement im Bereich vernachlässigte
Krankheiten geht über PDP hinaus. Es reicht von der
Grundlagenforschung an deutschen Universitäten über
die deutsche Beteiligung an der europäisch-afrikani-
schen Initiative EDCTP, European and Developing
Countries Clinical Trials Partnership, bis hin zur Verbes-
serung der medizinischen Versorgung vor Ort durch
Maßnahmen unserer Entwicklungszusammenarbeit.
Unser Antrag zielt darauf, dieses Engagement der
Bundesregierung zu verstetigen und das deutsche Enga-
gement im Bereich der globalen Gesundheit auszubauen.
Dabei kommt es darauf an, ein ausgewogenes Verhältnis
von Grundlagenforschung zu der Unterstützung von pro-
duktorientierter Forschung sicherzustellen, wobei auch
Forschungspartnerschaften mit Entwicklungsländern zu
forcieren sind.
Wir wollen, dass Förderstrategien künftig so ausge-
richtet sind, dass erfolgversprechende Produkte konse-
quent bis zur breiten Anwendung in der Krankenversor-
gung entwickelt werden; denn wir wollen, dass den
Menschen in den Entwicklungs- und Schwellenländern
geholfen wird. Ihr Schicksal und ihre Chancen auf Ent-
wicklung sind eng mit unserem eigenen Schicksal ver-
bunden.
Ich freue mich auf den politischen Diskurs über das
Thema im Laufe des anstehenden parlamentarischen Be-
ratungsverfahrens. Ich denke, in dem verfolgten Ziel ha-
ben wir eine breite Übereinstimmung. Diese brauchen
wir auch, um das Thema zukünftig noch mehr voranzu-
bringen.
René Röspel (SPD): Rückblickend kann festgestellt
werden, dass die sogenannten vernachlässigten Krank-
heiten – bzw. die Erforschung von Behandlungsmöglich-
keiten derselben – nicht nur in der Industrie, sondern
auch in der Politik in der Vergangenheit nur wenig Be-
achtung gefunden haben. Umso erfreulicher ist es, dass
sich nach vielen Jahren der Untätigkeit nun endlich die
Politik des Themas angenommen und es im parlamenta-
rischen Raum Berücksichtigung gefunden hat. Aller-
dings wäre es wünschenswert, wenn das Thema auch im
Plenum seine angemessene Wertschätzung finden
würde: Mit Bedauern ist festzustellen, dass nicht nur am
heutigen Tag, sondern zum wiederholten Mal die De-
batte zu diesem Thema nicht im Plenum geführt wird,
sondern zu Protokoll geht. Es sei an dieser Stelle die
Frage erlaubt, ob eine echte parlamentarische Wertschät-
zung dieses Themas – und letztlich der Respekt für die
Menschen, die von diesen Krankheiten betroffen sind –
nicht einen angemesseneren Umgang im Plenumsbetrieb
erfordert?
Der vorliegende, von den Koalitionsfraktionen einge-
brachte Antrag verweist auf die Potenziale von Produkt-
partnerschaften – sogenannte PDP – bei der Bekämp-
fung der vernachlässigten Krankheiten. Leider muss mit
Bedauern festgestellt werden, dass sich der Antrag im
Wesentlichen auf Tatsachenbeschreibungen bzw. die
Wiedergabe der derzeitigen Situation beschränkt. Der
Appell nach einer Ausweitung der Förderung bzw. einer
künftigen Fortführung derselben wird leider nicht mit
der Forderung nach der Bereitstellung von konkreten
Haushaltsmitteln für dieses Vorhaben unterfüttert. Zwar
wird ein Mittelaufwuchs in den „kommenden Jahren“
angestrebt. Allerdings wird weder der Zeithorizont noch
die notwendige Höhe dieses Mittelaufwuchses spezifi-
ziert. Dies ist enttäuschend, zumal man von einem An-
trag der Legislative doch erwarten könnte, dass er an die
Exekutive konkrete Forderungen stellt.
Ebenfalls merkwürdig ist die Forderung, dass PDP im
Bereich der „Diagnose oder Behandlung“ der vernach-
lässigten Krankheiten gefördert werden sollen. Ist dies
nicht per se Sinn und Zweck dieses Förderprogramms?
Aber nicht nur das: Der Antrag weist noch weitere
Forderungen auf, deren Sinnhaftigkeit sich dem geneig-
ten Leser nur schwer erschließt. So wird etwa unter
Punkt 10 gefordert, dass „die nationale Förderung im
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 165. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. März 2012 19717
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Bereich der Grundlagenforschung, präklinischen For-
schung und der klinischen Forschung fortzusetzen“ sei.
Droht diesen Formen der Forschung in Deutschland ein
Ende? Und wenn ja, dann sei an dieser Stelle die (diabo-
lische) Frage erlaubt, was denn die Alternative zu diesen
Formen der Forschung im Gesundheitsbereich sein soll.
Nach meinem Kenntnisstand hat es die moderne Medi-
zin und Gesundheitsforschung bisher nicht geschafft, auf
einem anderen Wege Behandlungsmöglichkeiten für er-
krankte Patienten bereitzustellen.
Weiterhin muss darauf hingewiesen werden, dass ein
Teil des Forderungskatalogs nicht konsistent ist: So wird
in Forderung Nr. 5 explizit darauf verwiesen, dass bei
der Förderung von PDP ein „ausgewogenes Verhältnis
von Grundlagenforschung“ und „produktorientierter For-
schung“ anzustreben ist. Doch schon in Forderung Nr. 6
findet sich der Verweis, dass bei der Unterstützung von
PDP die „bedarfsorientierte […] Entwicklung […] von
Medikamenten im Vordergrund“ stehen soll. Da fragt
sich selbst der wohlgesonnene Leser „Was denn nun?“.
Ausgewogene Grundlagenforschung oder doch eine
schnelle und output- bzw. bedarfsorientierte Anwen-
dungsforschung?
Wie eine leere Hülse wirkt der in Nr. 11 gestellte Ap-
pell, die „Wissensbasis für die Verbesserung der medizi-
nischen Versorgung in den Schwellen- und Entwick-
lungsländern zu verbreitern“. Stellt sich nur die Frage,
wessen Wissensbasis verbreitert werden soll. Die uns-
rige zu den Verhältnissen vor Ort, oder die in den Ziel-
ländern?
Lobend sei an dieser Stelle der Tatendrang der Forde-
rungen Nr. 12 und 13 erwähnt. Hier wird vollmundig zu
Capacity-Building-Maßnahmen aufgerufen. Eine solche
Forderung lässt sich stets leicht aufstellen. Wenn man es
jedoch ernst meint, dann muss dafür auch zusätzliches
Geld bereitgestellt werden. Es ist fraglich, wie nachhal-
tige und substanzielle Maßnahmen zur Steigerung der
Forschungskapazitäten in den betroffenen Zielländern
geschaffen werden sollen, wenn für das jährliche Ge-
samtbudget der PDP-Förderung nur 5 Millionen Euro
veranschlagt sind. Zudem bleibt offen, wie viel von die-
sem Geld tatsächlich in den Zielländern ankommen soll.
Weiterhin wäre es wünschenswert, wenn geplante Maß-
nahmen im Bereich des Capacity Building – deren
Wichtigkeit hier nicht infrage gestellt wird – nicht auf
Kosten des PDP-Forschungsbudgets gehen würden. Bei-
des, gute Forschung und nachhaltige Strukturen in den
betroffenen Zielländern, sind nur durch adäquate Finanz-
mittel erreichbar. Inhaltliche Qualität beruht auch in die-
sem Fall maßgeblich auf finanzieller Quantität.
Der Appell, die klinische Forschung der „Großen
Drei“, also HIV/Aids, Malaria und Tuberkulose über die
EDCTP-Initiative weiter voranzutreiben, ist redlich. Wa-
rum setzt man sich aber vonseiten der Regierung nicht
auf europäischer Ebene dafür ein, dass künftig auch die
klinische Forschung für andere vernachlässigte Krank-
heiten über dieses Finanzierungsinstrument gefördert
wird? Es wäre doch wünschenswert, wenn die Bekämp-
fung der vernachlässigten Krankheiten in den Entwick-
lungsländern nicht nur eine nationale, sondern auch eine
europäische Aufgabe wird, zumal es auf europäischer
Ebene bereits erfolgversprechende Finanzierungsinstru-
mente gibt.
Unter Nr. 16 wird die Forderung nach einer künftigen
Fortführung der PDP-Förderung von einer positiven
Evaluation der ersten Förderrunde abhängig gemacht.
Zwar ist es grundsätzlich zu begrüßen, dass förderpoliti-
sches Handeln sich einer kritischen Prüfung zu stellen
hat. Allerdings sollte man doch erwarten können, dass
diejenigen, die die Forderung nach einer „positiven Eva-
luation“ stellen, auch spezifizieren können, was über-
haupt Gegenstand einer solchen Evaluation sein soll.
Soll bei einem solchen Begutachtungsverfahren die
Grundlagenforschung oder die anwendungsorientierte
Entwicklung von Medikamenten im Fokus stehen? Oder
etwa das Vergabeverfahren des BMBF selbst? In letzte-
rem Fall wäre es zu begrüßen, wenn das Schicksal der
PDP nicht von der Leistungsfähigkeit des Ministeriums
und seinen Projektträgern abhängig gemacht wird. Denn
dies wäre eine unsachgemäße Bewertung eines an sich
positiven Ansatzes.
In der Gesamtschau wird deutlich, dass der vorlie-
gende Antrag einer grundlegenden Überarbeitung be-
darf. Eine vernünftige und nachhaltige Förderpolitik für
PDP braucht ein klares Bekenntnis der Politik, welches
sich auch in der Bereitstellung adäquater Haushaltsmittel
widerspiegelt. Wenn die Exekutive es nicht vermag,
diese Mittel in angemessenem Maße bereitzustellen,
dann muss es die Aufgabe des Parlamentes mit seiner
Haushaltshoheit sein, dies mit Nachdruck einzufordern.
Leider vermag der vorliegende Antrag der Koalitions-
fraktionen dies nicht. Deshalb werden wir nicht zustim-
men.
Dr. Peter Röhlinger (FDP): Wir sprechen heute
über zwei Anträge, bei denen ich viel Übereinstimmung
erkenne. Das ist gerade bei diesem Thema außerordent-
lich erfreulich. Es gibt Übereinstimmung bei den Zie-
len: In beiden Anträgen geht es darum, die Millen-
niumsentwicklungsziele im Auge zu behalten und sich
ihnen anzunähern. Es gibt Übereinstimmung in der
Beurteilung des Istzustandes: Beide Anträge konstatie-
ren, dass die Krankheiten, um die es hier geht, durch
Armut verursacht werden und ihrerseits wiederum die
Ursache für Armut sind. Die Krankheiten sind teilweise
behandelbar und wären in vielen Fällen vermeidbar,
wenn, ja wenn die Lebensumstände der betroffenen
Menschen andere wären. Beide Anträge beleuchten
auch das Problem der sogenannten Großen Drei, HIV/
Aids, Malaria und Tuberkulose, die von der Welt-
gesundheitsorganisation nicht zu den 17 vernachlässig-
ten Tropenkrankheiten gezählt werden, die aber ohne
Zweifel armutsassoziiert sind und gerade in Schwellen-
und Entwicklungsländern sehr oft tödlich verlaufen.
Selbst bei den vorgeschlagenen Maßnahmen gibt es viel
Übereinstimmung: Es gilt, Forschungs- und Versor-
gungslücken zu schließen, und dazu können Produktent-
wicklungspartnerschaften, PDP, beitragen.
Ich freue mich sehr darüber, dass auch im Antrag der
Opposition die Förderung von Produktentwicklungspart-
19718 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 165. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. März 2012
(A) (C)
(D)(B)
nerschaften eine große Rolle spielt und dass dieses neue
Instrument bei den Forderungen der Grünen gleich an
erster Stelle platziert ist. Wir Koalitionsfraktionen stel-
len für den ersten Förderzeitraum 20 Millionen Euro für
PDP zur Verfügung. Die Grünen fordern 100 Millionen
Euro – aber dafür sind sie ja auch in der Opposition und
müssen nicht sagen, woher das Geld kommen soll.
Umso erfreulicher ist, finde ich, dass die Bundes-
regierung sich bereits für drei Organisationen entschie-
den hat, die PDP organisieren und dafür Förderung
erhalten sollen, nämlich für die Drugs for Neglected
Diseases, DNDi – diese Organisation entwickelt Medi-
kamente gegen die Afrikanische Schlafkrankheit, Vis-
zerale Leishmaniose, die Chagas-Krankheit und gegen
Wurmerkrankungen –, die Foundation for Innovative
New Diagnostics, FIND – hier wird eine Diagnoseplatt-
form für die vier parasitären Erkrankungen Afrikanische
Schlafkrankheit, Chagas, Leishmaniose und Malaria ent-
wickelt – und die European Vaccine Initiative, EVI –
diese Initiative entwickelt einen Malariaimpfstoff für
Schwangere. Wenn diese Ansätze erfolgreich sind, wer-
den in absehbarer Zeit Medikamente und Impfstoffe für
die Betroffenen nicht nur zur Verfügung stehen, sondern
auch erreichbar und zugänglich sein. Das wäre ein gro-
ßer Schritt in die richtige Richtung.
Es soll nicht verschwiegen werden, dass es natürlich
auch ein paar Unterschiede zwischen dem Antrag der
Koalitionsfraktionen und dem Antrag der Grünen gibt. Das
zeigt sich schon in den Überschriften. Bei den Grünen geht
es um die ganz großen Ziele, das Menschenrecht auf
Gesundheit und den weltweiten Zugang zu Medikamen-
ten. Da kommt unser Anliegen sehr viel bescheidener
daher: Wir fangen klein an und wollen – nur – Forschung
und Produktentwicklung für vernachlässigte und armuts-
assoziierte Erkrankungen stärken. Damit haben wir aber
bereits angefangen, und wir haben für verschiedene
Maßnahmen die Mittel auch bereitgestellt. Es könnte
sein, dass das für die betroffenen Menschen in den Ent-
wicklungs- und Schwellenländern ein nicht unerheb-
licher Unterschied, ja sogar der entscheidende Vorteil ist.
Es stimmt, dass die Armen dieser Welt nur über
geringe Kaufkraft verfügen und deshalb für die Pharma-
industrie keinen besonders interessanten Markt darstel-
len. Die Grünen meinen, da müssten Zwangsmaßnah-
men ergriffen werden, die allerdings – das sehen sie
durchaus realistisch – schwer durchsetzbar seien. Wir
Liberalen sind da pragmatisch. Wir sind der Meinung:
Wenn die Pharmaindustrie sich auf Medikamente kon-
zentriert, mit denen sich Gewinne erzielen lassen, ist das
nicht irgendwie verwerflich, sondern das ist marktwirt-
schaftlich erfolgreiches Handeln.
Wenn wir Politiker erreichen wollen, dass auch ver-
nachlässigte Krankheiten erforscht und Behandlungen
ermöglicht werden, wo keine Gewinne zu erwarten sind,
dann müssen wir Anreize schaffen. Das BMBF schafft
solche Anreize, indem es die Entwicklung von Produk-
ten zur Prävention, Diagnose und Behandlung von ver-
nachlässigten und armutsassoziierten Krankheiten för-
dert und unterstützt – mit bis zu 28 Millionen Euro in
den Jahren 2011 bis 2014.
Wenn Sie meinen, dass das viel zu wenig ist, haben
Sie sicher recht. Aber wir haben leider nicht die Mög-
lichkeit, alles zu finanzieren, was erforderlich und wün-
schenswert wäre. Dass die Bundesregierung in diesen
Zeiten dennoch so viel Geld lockermacht, um kranken
Menschen in armen Ländern zu helfen, verdient Aner-
kennung.
Wir glauben nicht, dass Zwangsmaßnahmen zum
Erfolg führen. Die Politik ist für die politischen Ziele
zuständig. Und wenn die Bundesregierung ein Förder-
programm startet, um ihre politischen Ziele zu verfolgen
und in diesem Fall die Bekämpfung von vernachlässig-
ten und armutsassoziierten Krankheiten zu unterstützen,
dann finden wir das richtig und leisten als Abgeordnete
unseren Beitrag dazu, dass die ergriffenen Maßnahmen
zum Erfolg führen. Deshalb möchte ich bis in die Reihen
der Grünen hinein dafür werben, den Antrag der Koali-
tionsfraktionen zu unterstützen.
Dr. Petra Sitte (DIE LINKE): Die Koalition hat ge-
kreißt und einen Zwerg geboren. Den „Forschungszwerg
Deutschland“ nämlich. So bezeichnet die Organisation
„Ärzte ohne Grenzen“ unser Land nach einer Analyse
der deutschen Forschungsförderung zu vernachlässigten
und armutsbedingten Krankheiten.
Die Bundesregierung hat sich in den vergangenen
Jahren zaghaft diesem Thema genähert und eine erste
Initiative etwa zur Förderung von Produktentwicklungs-
partnerschaften mit NGOs und Industrie gestartet. Lang
hat es gedauert, und ohne den Druck von uns und den
anderen Oppositionsfraktionen wäre wohl gar nichts
passiert. Diese begonnenen Maßnahmen sollen nun, so
der Koalitionsantrag, verstetigt werden. Das ist gut und
unterstützenswert, reicht aber angesichts der Problemdi-
mension längst nicht aus.
Der Forschungsreport von „Ärzte ohne Grenzen“
kommt denn auch in seiner Analyse zu einem ernüch-
ternden Ergebnis, ich zitiere:
Die Steigerung der Mittel ist zunächst einmal
durchaus erfreulich, jedoch belegt sie leider keinen
Politikwechsel. Sie liegen lediglich im Rahmen der
derzeitigen Wachstumsraten der Forschungsaus-
gaben in Deutschland.
Diese Einschätzung lässt sich an Beispielen verdeutli-
chen.
Die neue Förderung für die Produktentwicklungspart-
nerschaften etwa haben wir Linke immer unterstützt.
„Ärzte ohne Grenzen“ lobt sie ebenfalls, stellt die
22 Millionen Euro für vier Jahre bis 2014 aber auch ins
Verhältnis zu den 70 Millionen Euro, die etwa die Nie-
derlande für diesen Zeitraum zur Verfügung stellen.
Für die Tuberkuloseforschung gab Deutschland 2009
inklusive der EU-Mittel etwa 15 Millionen Euro aus, die
USA hingegen 181 Millionen, Großbritannien immer
noch 33,2 Millionen.
Der deutsche Beitrag zur Bekämpfung vernachlässig-
ter Krankheiten steht in keinem Verhältnis zu unserer
Wirtschaftskraft. Selbst das Niedrigsteuerland USA
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 165. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. März 2012 19719
(A) (C)
(D)(B)
wendet gemessen am Bruttoinlandsprodukt zehnmal
mehr auf! Vom europäischen Ziel, bis 2015 0,7 Prozent
des BIP zur Förderung der Entwicklungszusammenar-
beit auszugeben, ist unser Land weit entfernt.
Auch bei den nichtmonetären Maßnahmen bleibt die
Koalition hinter dem Notwendigen zurück. Zum Um-
gang mit Patenten und anderen Wissensgütern, die in der
Forschung erarbeitet werden, finden wir keine Aussage
im Koalitionsantrag. Meine Fraktion hat vorgeschlagen,
internationale Patentpools zu unterstützen sowie eine
gerechte Lizenzpolitik zur verbindlichen Voraussetzung
einer öffentlichen Förderung zu machen. Wir haben Sie
aufgefordert, EU-Handelsabkommen wie etwa ACTA
oder das EU-Indien-Abkommen nicht zu unterzeichnen,
wenn der Zugang zu Medikamenten dadurch beeinträch-
tigt werden könnte. Leider steht diese Regierung weiter
zu ACTA.
Wir wollen ärmere Länder beim Aufbau einer eigenen
Generikaproduktion unterstützen. Auch zu dieser Frage
haben Sie leider keine Antwort gegeben.
So sehr ich das Engagement einzelner Kolleginnen,
etwa von Frau Hübinger, auch schätze: diese Koalition
tut nicht genug, um ihren Anteil zur Bekämpfung ver-
nachlässigter und armutsbedingter Krankheiten beizutra-
gen. Wir werden Ihren Antrag nicht ablehnen, aber um
vom Forschungszwerg zum Forschungsriesen zu wer-
den, müssen Sie nicht nur Schwerpünktchen, sondern ei-
nen echten Schwerpunkt setzen.
Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das
Recht auf Gesundheit ist ein Menschenrecht. Dennoch
haben etwa 1,7 Milliarden Menschen keinen Zugang zu
essenziellen Medikamenten.
Krankheiten haben ernstzunehmende sozioökonomische
Auswirkungen und blockieren eine positive gesellschaftli-
che Transformation. Einerseits sind viele Krankheiten in
Entwicklungs- und Schwellenländern armutsbedingt, an-
dererseits fördern Krankheiten Armut, die nicht nur die
Erkrankten und deren Familien trifft, sondern gesamtge-
sellschaftliche negative Auswirkungen hat.
Diese Erkenntnis ist zwar ziemlich banal – es hat aber
in der Entwicklungspolitik sehr lange Zeit gebraucht, bis
diese so erkannt und konkret verankert wurde. Erst im
Jahr 2000 wurde das Gesundheitsproblem durch die
Millenniumsentwicklungsziele als eine zentrale Größe
der Entwicklungszusammenarbeit definiert. Jetzt stellt
sich die Frage, ob wir auch wirklich das Mögliche in
unserem Wirkungskreis tun, um dem berechtigten Ge-
sundheitsbedürfnis der Menschen in Entwicklungslän-
dern gerecht zu werden. Bei der Versorgung mit medizi-
nischen Produkten gibt es mehrere Problembereiche, die
wir in unserem Verantwortungsbereich hier in Deutsch-
land und Europa lösen müssen. Ich möchte an dieser
Stelle vor allem zwei Aspekte herausgreifen.
Um den Zugang zu den notwendigen Präventions-
mitteln, Impfstoffen, Diagnostika und Medikamenten
wesentlich zu verbessern, muss sowohl die Forschungs-
als auch die Versorgungslücke weitgehend geschlossen
werden. Das heißt, dass wir einerseits die Forschungs-
agenda an den Bedürfnissen der Menschen in Ländern
des Südens ausrichten müssen und die öffentliche For-
schungsförderung für vernachlässigte und armutsbe-
dingte Krankheiten auf nationaler wie auf europäischer
Ebene deutlich ausbauen und neue Forschungsförde-
rungsmechanismen prüfen und implementieren müssen.
Andererseits müssen wir die Versorgung der armen
Bevölkerung mit bereits existierenden medizinischen
Produkten ermöglichen. Der Gesundheitsbereich ist aber
ein von Gewinnstreben dominierter Billionenmarkt.
Hohe Medikamentenpreise schließen viele Menschen in
Entwicklungsländern vom Zugang aus. Besonders im
Umgang mit geistigem Eigentum brauchen wir ein
Umdenken und eine faire Lizenzpolitik. Die Hälfte der
Gelder im Bereich der medizinischen Forschung kommt
weltweit aus staatlichen Mitteln. Hieraus ergibt sich eine
klare gesellschaftliche Verantwortung, die wir nicht
weiter ignorieren dürfen. Öffentlich finanzierte For-
schungsförderung muss zukünftig mit sozialen Kriterien
verknüpft werden, um im Sinne einer gerechten Lizenz-
politik auch Menschen in ärmeren Ländern erleichterten
Zugang zu Medikamenten, Impfstoffen und anderen
medizinischen Produkten zu ermöglichen.
Wir müssen auch endlich zu einer kohärenten Politik
im Gesundheitsbereich kommen. Es ist aber völlig inko-
härent, wenn wir einerseits versuchen, vor allem in der
Entwicklungszusammenarbeit das Menschenrecht auf
Gesundheit zu verwirklichen, und gleichzeitig über bila-
terale Freihandelsverträge alles getan wird, die Privile-
gien der Pharmaindustrie nicht nur zu erhalten, sondern
sogar mit den sogenannten TRIPS-Plus-Bestimmungen
auszuweiten. Diese gehen über die international verein-
barten Standards zu geistigem Eigentum hinaus und
schränken gravierend die Schutzklauseln ein. Dies ist
nicht nur inkohärent, sondern eine Missachtung des
Menschenrechts auf Gesundheit.
In unserem Antrag versuchen wir, gerade diese
Punkte aufzuzeigen, und stellen entsprechende Forde-
rungen. Der Antrag der Koalition enthält zwar viele gute
Forderungen, die wir selbstverständlich auch unterstüt-
zen. Aber ein Problem gibt es mit Ihrem Antrag: Er ist
nicht ganz glaubwürdig. Wenn Sie es aber ernst mit den
17 Forderungen meinten, dann würden Sie auch klar sa-
gen, dass diese nicht umsonst zu erhalten sind. Ich sehe
keine einzige konkrete finanzielle Forderung in Ihrem
Papier. Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit sind in der
Entwicklungspolitik aber nun mal zentrale Elemente.
Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
desministerin für Bildung und Forschung: Wir beraten
heute zwei Anträge, die sich demselben Ziel widmen:
dem Kampf gegen armutsassoziierte und vernachlässigte
Erkrankungen. Ich freue mich besonders, dass beide
Anträge anerkennen, dass unsere Politik eine Basis ge-
schaffen hat, auf der aufgebaut werden kann und die es
weiterzuentwickeln gilt.
Mit dem Förderkonzept für vernachlässigte und ar-
mutsassoziierte Erkrankungen und der Verankerung im
Gesundheitsforschungsprogramm hat diese Bundesre-
gierung zum ersten Mal Forschung für die Gesundheit
19720 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 165. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. März 2012
(A) (C)
(D)(B)
der Ärmsten in der Welt zum Regierungsziel erhoben.
Die Elemente des Forschungskonzepts sind erstens Stär-
kung der relevanten nationalen Forschung, zweitens ein
substanzieller Beitrag zur Entwicklung dringend benö-
tigter Diagnostika, Impfstoffe und Medikamente und
drittens Unterstützung von qualitativ hochwertiger und
wettbewerbsfähiger Gesundheitsforschung in den Ent-
wicklungsländern selbst.
Armutsassoziierte und vernachlässigte Erkrankungen –
das sind zwei Kategorien, die immer im selben Atemzug
genannt werden, aber doch Unterschiede aufweisen.
Armut schränkt den Zugang zu Gesundheitsleistungen
dramatisch ein. Das gilt weltweit, nicht nur in Entwick-
lungsländern. Deshalb sind die „Großen Drei“ – HIV/
Aids, Tuberkulose und Malaria – immer noch tödliche
Seuchen und bleiben große Herausforderungen, trotz ih-
rer relativen Behandelbarkeit und trotz beträchtlicher
Forschungsmittel, die zu ihrer Bekämpfung aufgewandt
werden. Dagegen sind Krankheiten wie viele Wurm-
erkrankungen, Dengue-Fieber oder die Chagas-Krank-
heit tatsächlich vernachlässigt. Für ihre Behandlung feh-
len häufig adäquate Behandlungsmöglichkeiten, und
Forschung findet wegen mangelnder Relevanz für die
entwickelten Länder nicht oder kaum statt.
In unserem Förderkonzept differenzieren wir deshalb
auch zwischen den „Großen Drei“ und den „vernachläs-
sigten“ Krankheiten. Forschung zu den „Großen Drei“,
vor allem zu HIV und TB, unterstützt die Bundesregie-
rung seit langem. Mit dem geplanten Deutschen Zen-
trum für Infektionskrankheiten werden wir hier ein
neues Kapitel aufschlagen. Das Zentrum wird voraus-
sichtlich Ende des Monats seine letzte Evaluation durch-
laufen haben. Es setzt seinen Schwerpunkt gerade in die
Erforschung von HIV, TB und Malaria im Armutskon-
text. Wir vereinen hier die namhaftesten deutschen uni-
versitären und außeruniversitären Forschungsstandorte.
So sorgen wir dafür, dass der Transfer von Forschungs-
ergebnissen zum Nutzen für die Patienten beschleunigt
wird. Partnerinstitutionen des Deutschen Zentrums für
Infektionskrankheiten, zum Beispiel in Tansania, Bur-
kina Faso oder Gabun, garantieren, dass auch die Ent-
wicklungsländer unmittelbar an der Forschung partizi-
pieren können.
Der Kampf gegen HIV, TB und Malaria steht im Fo-
kus eines weiteren wichtigen Elementes unseres Förder-
konzepts. Das ist der deutsche Beitrag zur EDCTP, der
European and Developing Countries Clinical Trials Part-
nership. EDCTP ist ein Erfolgsmodell für die klinische
Forschung in und mit Entwicklungsländern. Vor allem
ist es ein Erfolgsmodell für eine wirkliche partnerschaft-
liche Zusammenarbeit von Forschern aus armen mit For-
schern aus reichen Ländern.
Deutschland war maßgeblich an der Gründung von
EDCTP im Jahre 2003 beteiligt. Unser stetes Bekenntnis
zu EDCTP hat dieser wertvollen Initiative über die ers-
ten schweren Jahre geholfen. Wir werden uns mit aller
Kraft dafür einsetzen, dass EDCTP im neuen europäi-
schen Programm für Forschung und Innovation eine
wichtige Rolle spielt. EDCTP II wird – so sieht es nach
heutigem Planungsstand aus – mit deutlich mehr Geld
die klinische Entwicklung von Medikamenten und Impf-
stoffen gegen die „Großen Drei“ weiter vorantreiben.
EDCTP II wird aber auch seine Erfahrung und seine Ka-
pazitäten zukünftig dem Kampf gegen andere vernach-
lässigte Erkrankungen zur Verfügung stellen. Eine Ihrer
Forderungen, liebe Kolleginnen und Kollegen von
Bündnis 90/Die Grünen, haben wir also bereits erfüllen
können.
Zum ersten Mal geht eine Bundesregierung auch den
Kampf gegen die „echten“ vernachlässigten Erkrankun-
gen, wie etwa Flussblindheit, Afrikanische Schlafkrank-
heit oder Leishmaniose, programmatisch und gezielt an.
Wir haben hier die nationale Forschungsförderung er-
heblich intensiviert. Vor allem haben wir mit der ersten
großvolumigen Unterstützung von Produktentwick-
lungspartnerschaften oder PDP klare Zeichen gesetzt. In
einem qualitätsgesicherten Verfahren wurden zunächst
20 Millionen Euro für vier Jahre zur Verfügung gestellt.
Wenn jetzt Forderungen erhoben werden, sofort erheb-
lich mehr Mittel bereitzustellen, dann sage ich: Gemach!
Erst einmal müssen wir Erfahrungen mit dieser für uns
neuen Förderlinie sammeln. Dann werden wir entschei-
den, wie viele zusätzliche Mittel für welche PDP inves-
tiert werden müssen. Wir beraten uns mit anderen wich-
tigen Förderern, wie der Bill & Melinda Gates Stiftung
oder anderen Geberländern, im Rahmen der multilatera-
len PDP-Funders Group oder bilateral mit den Gebern,
die eine ähnliche Förderpolitik wie wir verfolgen, wie
zum Beispiel den Niederlanden. Eins aber ist jetzt schon
sicher: Auch mit den von Bündnis 90/Die Grünen gefor-
derten 100 Millionen Euro würden wir nicht großflächig
alle Produktentwicklungspartnerschaften unterstützten
können. Wir müssen gezielt dort ansetzen, wo wir mit
unserer Unterstützung den größtmöglichen Nutzen erzie-
len können. Eine Vorfestlegung schon jetzt auf Krank-
heiten oder bestimmte Produkte hilft nicht weiter.
Investitionen in Forschung in den Entwicklungslän-
dern sind der Schlüssel für eine nachhaltige Hilfe zur
Selbsthilfe. Wenn wir dabei helfen, in den armen Län-
dern wettbewerbsfähige Forschungsstrukturen der Bio-
medizin aufzubauen, wenn wir weiter dabei helfen, For-
schung besser in die Ausbildung von Ärzten und
medizinischen Fachberufen zu integrieren, wenn wir uns
dafür einsetzen, die Forschung direkt und schnell nutz-
bar für die Versorgung vor Ort zu machen, erst dann ver-
folgen wir einen ganzheitlichen Ansatz. Genau dies wer-
den wir mit der geplanten Förderung von sogenannten
Gesundheitsforschungsnetzen in Subsahara-Afrika tun.
Wir haben dieses neue Element unseres Förderkonzepts
mit internationalen Stakeholdern beraten. Alle deutschen
Förderorganisationen sind eingeladen, hier mitzuma-
chen. In Kürze werden wir mit afrikanischen Organisa-
tionen und Institutionen die wichtigsten Bedürfnisse vor
Ort herausarbeiten. Unsere Förderung wird 2013 begin-
nen. Wir planen, ab 2014 hierzu bis zu 10 Millionen
Euro jährlich zur Verfügung zu stellen.
Die Bundesregierung hat in recht kurzer Zeit viel be-
wirkt. Forschung für armutsbedingte und vernachläs-
sigte Erkrankungen ist – im Gegensatz zu früher – kein
unbeschriebenes Blatt mehr in der deutschen For-
schungspolitik. Wir können uns, auch international, mit
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 165. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. März 2012 19721
(A) (C)
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dem sehen lassen, was wir bewirkt haben. Auf diesem
Weg werden wir weitergehen, und zwar gemeinsam und
auf Augenhöhe mit unseren Partnern in den betroffenen
Ländern.
Deutschland ist im Hinblick auf seine Gesundheits-
versorgung eines der privilegiertesten Länder der Welt.
Deshalb ist es uns Verpflichtung, einen substanziellen
und nachhaltigen Beitrag für diejenigen zu leisten, für
deren Krankheiten aufgrund von Armut bis heute oft we-
der Diagnostika noch Therapieverfahren zur Verfügung
stehen. Forschung ist dafür der beste Weg.
Anlage 5
Zu Protokoll gegebene Rede
zur Beratung der Beschlussempfehlung und des
Berichts zu dem Antrag: Für eine Strategie zur
europäischen Integration der Länder des westli-
chen Balkans (Tagesordnungspunkt 16)
Sevim Dağdelen (DIE LINKE): Vor fast genau
13 Jahren haben Sie dem völkerrechtswidrigen Angriffs-
krieg auf Jugoslawien ihre Zustimmung gegeben. Da-
mals haben Sie Ihre Zustimmung zum Krieg sogar perfi-
derweise mit der Gefahr eines „neuen Auschwitz“
begründet. Das war unerträglich und widerlich. In Ihrem
nun zur europäischen Integration der daraus hervorge-
gangenen Länder und Entitäten vorgelegten Antrag for-
dern Sie – nur von Serbien, wohlgemerkt – eine weitere
„Auseinandersetzung mit dem Zerfall Jugoslawiens“.
Vielleicht sollten Sie sich selbst einmal damit auseinan-
dersetzen, was Sie mit Ihrer Zustimmung zum NATO-
Bombardement auf Jugoslawien zu diesem „Zerfall“ bei-
getragen haben. Und vielleicht sollten Sie sich auch ein-
mal damit auseinandersetzen, was Ihre Politik der Unter-
stützung von Rebellen- und Separatistenbewegungen je
nach Interessenlage für Folgen hat. Sie von den Grünen,
besonders Frau Beck, sehen keine deutsche Verantwor-
tung, keine Schuld. Sie sehen keinen Zusammenhang
zwischen der deutschen Anerkennungspolitik gegenüber
Kroatien und Slowenien, dem NATO-Überfall auf Jugo-
slawien und der Herauslösung des Kosovo und den an-
schließenden Konflikten in Mazedonien, Bosnien und
Herzegowina, dem Georgien-Krieg 2008 und den Kon-
flikten im Südkaukasus, die kurz vor der Explosion ste-
hen. In Ihrem Antrag fordern Sie, meine Damen und
Herren der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, auf dem
Balkan noch genau eine Grenze zu ziehen. Dieser
Grenzposten zwischen Serbien und dem Kosovo wird
gerade alltäglich von deutschen Soldaten und Polizisten
gegen den Widerstand der im Norden des Kosovo ansäs-
sigen Bevölkerung durchgesetzt. Es kommt Tränengas
zum Einsatz, und manchmal wird scharf geschossen. Sie
fordern in Ihrem Antrag, dass diese Grenze völkerrechts-
widrig auch von den Staaten der EU anerkannt wird, die
aufgrund eigener sezessionistischer Bestrebungen wis-
sen, was das bedeutet. Das ist eine im wahren Sinne des
Wortes imperialistische Politik. Diese Art des Rechtsni-
hilismus in der internationalen Politik legt die Axt an die
Wurzel des friedlichen Zusammenlebens weltweit. Das
müssen Sie endlich einmal einsehen. Ich fordere Sie auf:
Kehren Sie endlich um auf diesem Weg! Kehren Sie zu-
rück zum Völkerrecht! Es ist beinahe traurig, dass nur
noch die Linke im Bundestag als einzige Fraktion für
eine völkerrechtskonforme Außenpolitik steht.
Diese Politik der neuen Grenzziehungen setzt sich bei
Ihnen gerade so in Afrika fort – und hat auch dort
schreckliche Folgen. Sie erkennen keinen Zusammen-
hang zwischen der Zerschlagung Jugoslawiens und den
zunehmend sezessionistischen Bestrebungen der SPLM/A
im Sudan. Ihre Kollegin im EP, Franziska Brantner, ließ
sich vor diesem Hintergrund zu der Aussage hinreißen,
man solle doch einmal die alten Kolonialgrenzen in
Afrika „überdenken“. Sehen Sie denn nicht die Folgen
dieser Politik? Afrika erlebt eine neue Welle gewaltsa-
mer Sezessionsbestrebungen, in Somalia wurde ein
neuer Staat Khatumo ausgerufen; infolge des Libyen-
Krieges wollen Tuareg-Kämpfer das Azawad von Mali
abtrennen. Die Rebellen in Libyen selbst, die Sie unter-
stützt und anerkannt haben wollten, haben vor wenigen
Tagen die Unabhängigkeit der Cyrenaika erklärt, und ge-
genwärtig eskalieren auch wieder die Kämpfe zwischen
der senegalesischen Armee und den Casamance-Rebel-
len.
Die EU-Außenpolitik nutzt diese Instabilität, indem
sie wahlweise mit Rebellen, Sezessionisten oder Dikta-
toren zusammenarbeitet, um möglichst billig an Roh-
stoffe heranzukommen. Sie, meine Damen und Herren
von den Grünen, laufen ihr dabei applaudierend und von
Menschenrechten faselnd hinterher. Entsprechend stili-
sieren Sie in Ihrem Antrag auch die EU zur „historischen
Errungenschaft“ und fordern deren weiteren Umbau
nach den Prinzipien des Imperialismus: Die Beitrittsstaa-
ten – allen voran wird immer Serbien genannt – sollen
Kriterien erfüllen, die innerhalb der EU längst für obso-
let erklärt worden sind. Sie fordern „erhebliche Anstren-
gungen“ zur „wirtschaftlichen Transformation“ und
schweigen zu den gesellschaftlichen Zerwürfnissen, die
diese neoliberalen Reformprogramme mit sich bringen.
Selbst wenn die Staaten des westlichen Balkans eines
Tages in die EU aufgenommen werden sollten, sollen sie
nicht dieselben Rechte haben wie die alten, „zentralen“
Staaten der EU. Sie sollen weitere Beitritte nicht „blo-
ckieren“ dürfen. Die Linke lehnt eine solche Politik der
doppelten Standards ab.
In Wirklichkeit zielt Ihr Antrag darauf ab, diese mili-
tärisch herbeigebombten Kleinstaaten dauerhaft als voll-
wertige Mitglieder aus der EU herauszuhalten. Die vor-
geschlagenen Maßnahmen zur Verhinderung von „Un-
gleichzeitigkeiten der Länder bei der Annäherung“, ge-
meinsame „Übergangsregelungen“, werden ein willkom-
menes Werkzeug sein, diese Staaten – auch bei Erfüllung
aller Kriterien – in einer peripheren Partnerschaft außen
vor zu lassen. Auch aus diesem Grund lehnt die Linke
den vorgelegten Antrag ab.
Eine friedliche und solidarische Außenpolitik ist in
Deutschland möglich.
165. Sitzung
Inhaltsverzeichnis
TOP 3Gleichstellungspolitik
TOP 4Energiewende
TOP 31Überweisungen im vereinfachten Verfahren
TOP 32Abschließende Beratungen ohne Aussprache
ZP 2Wahl zum Deutschen Ethikrat
ZP 3Aktuelle Stunde zu Zivilcourage gegen Nazis
TOP 5Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz
TOP 6Musikförderung durch den Bund
TOP 7Rohstoffderivatemärkte
TOP 8Erhalt der Arbeitsplätze bei Schlecker
TOP 9Deutsches Ressourceneffizienzprogramm
TOP 10Hochschulzulassung
TOP 11Gemeindefinanzreformgesetz
TOP 12Sicherungsverwahrung
TOP 13Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz
TOP 14Klimafreundlichere Firmenwagen
TOP 15Bekämpfung armutsassoziierter Erkrankungen
TOP 16Integration der Länder des westlichen Balkans
TOP 17Strafverfolgungsinformationsaustauch in der EU
TOP 18Vertragsgesetze über die Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich
TOP 19Patientenschutz bei der genetischen Forschung
TOP 20Diplomatische Beziehungen zu Palästina
TOP 21Kooperation in Bildung und Forschung
TOP 22Sozialgesetzbuch IX –Fristenregelungen–
TOP 23Überwachung von Mitgliedern des Bundestages
TOP 24Private Weiterveräußerung unkörperlicher Werkexemplare
TOP 25Recycling von Elektroschrott
Anlagen