Plenarprotokoll 17/165
            Deutscher Bundestag
            Stenografischer Bericht
            165. Sitzung
            Berlin, Donnerstag, den 8. März 2012
            I n h a l t :
            Wahl des Abgeordneten Stefan Liebich als
            ordentliches Mitglied in das Kuratorium der
            „Stiftung Archiv der Parteien und Massen-
            organisationen der DDR“ . . . . . . . . . . . . . .
            Erweiterung und Abwicklung der Tagesord-
            nung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Nachträgliche Ausschussüberweisung . . . . . .
            Tagesordnungspunkt 3:
            a) Antrag der Abgeordneten Dorothee Bär,
            Markus Grübel, Nadine Schön, weiterer
            Abgeordneter und der Fraktion der CDU/
            CSU
            sowie der Abgeordneten Miriam Gruß,
            Nicole Bracht-Bendt, Florian
            Bernschneider, weiterer Abgeordneter und
            der Fraktion der FDP: Geschlechterge-
            rechtigkeit im Lebensverlauf
            (Drucksache 17/8879) . . . . . . . . . . . . . . . .
            b) Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD,
            FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
            Gleichberechtigung in Entwicklungs-
            ländern voranbringen
            (Drucksache 17/8903) . . . . . . . . . . . . . . . .
            c) Antrag der Abgeordneten Angelika Graf
            (Rosenheim), Wolfgang Gunkel, Dr. h. c.
            Gernot Erler, weiterer Abgeordneter und
            der Fraktion der SPD: Anerkennung und
            Wiedergutmachung des Leids der
            „Trostfrauen“
            (Drucksache 17/8789) . . . . . . . . . . . . . . . .
            d) Antrag der Abgeordneten Renate Künast,
            Beate Müller-Gemmeke, Ekin Deligöz,
            weiterer Abgeordneter und der Fraktion
            BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Frauen
            verdienen mehr – Entgeltdiskriminie-
            rung von Frauen verhindern
            (Drucksache 17/8897) . . . . . . . . . . . . . . .
            e) Unterrichtung durch die Bundesregierung:
            Erster Gleichstellungsbericht
            Neue Wege – Gleiche Chancen
            Gleichstellung von Frauen und Män-
            nern im Lebensverlauf
            (Drucksache 17/6240) . . . . . . . . . . . . . . .
            f) Beschlussempfehlung und Bericht des
            Rechtsausschusses zu dem Antrag der Ab-
            geordneten Cornelia Möhring, Diana Golze,
            Agnes Alpers, weiterer Abgeordneter und
            der Fraktion DIE LINKE: Geschlechter-
            gerechte Besetzung von Führungsposi-
            tionen der Wirtschaft
            (Drucksachen 17/4842, 17/8830) . . . . . . .
            Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin
            BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Dagmar Ziegler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Nicole Bracht-Bendt (FDP) . . . . . . . . . . . . . .
            Yvonne Ploetz (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . .
            Renate Künast (BÜNDNIS 90/
            DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Ingrid Fischbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . .
            Christel Humme (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Patrick Döring (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/
            DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Cornelia Möhring (DIE LINKE) . . . . . . . . . .
            Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/
            DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Dorothee Bär (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . .
            19517 B
            19517 B
            19517 C
            19517 D
            19517 D
            19518 A
            19518 A
            19518 A
            19518 B
            19518 C
            19519 C
            19521 B
            19522 C
            19524 A
            19526 A
            19527 C
            19529 A
            19529 B
            19530 B
            19531 B
            19532 A
            Inhaltsverzeichnis
            II Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 165. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. März 2012
            Karin Roth (Esslingen) (SPD) . . . . . . . . . . . .
            Dr. Christiane Ratjen-Damerau (FDP) . . . . . .
            Nadine Schön (St. Wendel) (CDU/CSU) . . . .
            Angelika Graf (Rosenheim) (SPD) . . . . . . . .
            Sabine Weiss (Wesel I) (CDU/CSU) . . . . . . .
            Erika Steinbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . .
            Tagesordnungspunkt 4:
            Antrag der Abgeordneten Bärbel Höhn,
            Sylvia Kotting-Uhl, Hans-Josef Fell, weiterer
            Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
            NIS 90/DIE GRÜNEN: Ein Jahr Fuku-
            shima – Die Energiewende muss weiterge-
            hen
            (Drucksache 17/8898) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/
            DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Dr. Michael Paul (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . .
            Ute Vogt (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . .
            Dr. Matthias Miersch (SPD) . . . . . . . . . . . . . .
            Michael Kauch (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . . .
            Jens Koeppen (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . .
            Marco Bülow (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Klaus Breil (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Dorothée Menzner (DIE LINKE) . . . . . . . . . .
            Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/
            DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Josef Göppel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . .
            Michael Gerdes (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Angelika Brunkhorst (FDP) . . . . . . . . . . . . . .
            Dieter Jasper (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . .
            Tagesordnungspunkt 31:
            a) Erste Beratung des von der Bundesregie-
            rung eingebrachten Entwurfs eines Geset-
            zes zu dem Abkommen vom 12. Okto-
            ber 2011 zwischen der Bundesrepublik
            Deutschland und der Republik Indien
            über Soziale Sicherheit
            (Drucksache 17/8727) . . . . . . . . . . . . . . . .
            b) Erste Beratung des von der Bundesregie-
            rung eingebrachten Entwurfs eines Geset-
            zes zur Änderung des Eurojust-Geset-
            zes
            (Drucksache 17/8728) . . . . . . . . . . . . . . . .
            c) Erste Beratung des von der Bundesregie-
            rung eingebrachten Entwurfs eines Geset-
            zes zu der Siebten Änderung des Über-
            einkommens über den Internationalen
            Währungsfonds (IWF)
            (Drucksache 17/8839) . . . . . . . . . . . . . . .
            d) Erste Beratung des von der Bundesregie-
            rung eingebrachten Entwurfs eines Geset-
            zes zu den Änderungen vom 30. Sep-
            tember 2011 des Übereinkommens vom
            29. Mai 1990 zur Errichtung der Euro-
            päischen Bank für Wiederaufbau und
            Entwicklung
            (Drucksache 17/8840) . . . . . . . . . . . . . . .
            e) Erste Beratung des von der Bundesregie-
            rung eingebrachten Entwurfs eines Geset-
            zes zu dem Abkommen vom 19. Septem-
            ber 2011 zwischen der Bundesrepublik
            Deutschland und der Republik Türkei
            zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
            und der Steuerverkürzung auf dem Ge-
            biet der Steuern vom Einkommen
            (Drucksache 17/8841) . . . . . . . . . . . . . . .
            f) Erste Beratung des von der Bundesregie-
            rung eingebrachten Entwurfs eines Geset-
            zes zu dem Vertrag vom 30. November
            2011 zwischen der Bundesrepublik
            Deutschland und dem Zentralrat der
            Juden in Deutschland – Körperschaft
            des öffentlichen Rechts – zur Änderung
            des Vertrages vom 27. Januar 2003 zwi-
            schen der Bundesrepublik Deutschland
            und dem Zentralrat der Juden in
            Deutschland – Körperschaft des öffent-
            lichen Rechts – zuletzt geändert durch
            den Vertrag vom 3. März 2008
            (Drucksache 17/8842) . . . . . . . . . . . . . . .
            g) Antrag der Abgeordneten Dr. Ernst Dieter
            Rossmann, Willi Brase, Ulla Burchardt,
            weiterer Abgeordneter und der Fraktion
            der SPD: Förderung der Bildungsfor-
            schung weiter vorantreiben
            (Drucksache 17/8604) . . . . . . . . . . . . . . .
            h) Antrag der Abgeordneten Paul Schäfer
            (Köln), Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken,
            weiterer Abgeordneter und der Fraktion
            DIE LINKE: Kein Zugang von Kindern
            und Jugendlichen zu Kriegswaffen bei
            Bundeswehr-Veranstaltungen
            (Drucksache 17/8609) . . . . . . . . . . . . . . .
            i) Antrag der Abgeordneten Harald Koch,
            Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, weite-
            rer Abgeordneter und der Fraktion DIE
            LINKE: Für eine kostenfreie und um-
            fassende Betreuungskommunikation im
            Einsatz
            (Drucksache 17/8795) . . . . . . . . . . . . . . .
            j) Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD,
            FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
            19533 C
            19534 C
            1953 D
            19537 A
            19537 D
            19538 D
            19539 D
            19539 D
            19541 B
            19542 B
            19543 C
            19544 A
            19545 C
            19547 B
            19547 D
            19549 AC
            19551 B
            19552 A
            19553 C
            19554 A
            19555 B
            19556 C
            19557 C
            19559 B
            19559 C
            19559 C
            19559 C
            19559 D
            19559 D
            19560 A
            19560 A
            19560 A
            Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 165. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. März 2012 III
            Für eine moderne und umfassende Be-
            treuungskommunikation im Einsatz
            (Drucksache 17/8895) . . . . . . . . . . . . . . . .
            k) Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD,
            FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
            Schweinepest tierschonend bekämp-
            fen – Notimpfung ersetzt grundloses
            Keulen
            (Drucksache 17/8893) . . . . . . . . . . . . . . . .
            l) Antrag der Abgeordneten Kerstin Tack,
            Elvira Drobinski-Weiß, Willi Brase, wei-
            terer Abgeordneter und der Fraktion der
            SPD: Verbraucherschutz stärken – Fi-
            nanzmarktwächter einführen
            (Drucksache 17/8894) . . . . . . . . . . . . . . . .
            m) Antrag der Abgeordneten Martin Gerster,
            Dagmar Freitag, Sabine Bätzing-
            Lichtenthäler, weiterer Abgeordneter und
            der Fraktion der SPD: Doping an Olym-
            piastützpunkten, Bundesleistungszen-
            tren und Bundesstützpunkten konse-
            quent bekämpfen
            (Drucksache 17/8896) . . . . . . . . . . . . . . . .
            Tagesordnungspunkt 32:
            a) Zweite und dritte Beratung des von der Bun-
            desregierung eingebrachten Entwurfs eines
            Gesetzes zur Neuordnung des Energie-
            verbrauchskennzeichnungsrechts
            (Drucksachen 17/8427, 17/8803, 17/8900)
            b) Beschlussempfehlung und Bericht des
            Ausschusses für Kultur und Medien zu
            dem Antrag der Abgeordneten Thomas
            Silberhorn, Monika Grütters, Michael
            Kretschmer, weiterer Abgeordneter und
            der Fraktion der CDU/CSU sowie der Ab-
            geordneten Reiner Deutschmann, Burkhardt
            Müller-Sönksen, Patrick Döring, weiterer
            Abgeordneter und der Fraktion der FDP:
            UNESCO-Welterbestätten in Deutsch-
            land stärken
            (Drucksachen 17/7357, 17/8858) . . . . . . .
            c) – i)
            Beschlussempfehlungen des Petitionsaus-
            schusses: Sammelübersichten 397, 398,
            399, 400, 401, 402 und 403 zu Petitionen
            (Drucksachen 17/8779, 17/8780, 17/8781,
            17/8782, 17/8783, 17/8784, 17/8785) . . . .
            Zusatztagesordnungspunkt 2:
            Wahlvorschläge der Fraktionen CDU/CSU,
            SPD, FDP, DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE
            GRÜNEN: Wahl der vom Deutschen Bun-
            destag zu benennenden Mitglieder des
            Deutschen Ethikrats gemäß den §§ 4 und 5
            des Ethikratgesetzes
            (Drucksache 17/8881) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Zusatztagesordnungspunkt 3:
            Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion
            DIE LINKE: Zivilcourage gegen Nazis stär-
            ken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Ingrid Remmers (DIE LINKE) . . . . . . . . . . .
            Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU) . . . . . . . . .
            Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD) . . . . . . . . . . .
            Dr. Stefan Ruppert (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . .
            Monika Lazar (BÜNDNIS 90/
            DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU) . . . .
            Sönke Rix (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Patrick Kurth (Kyffhäuser) (FDP) . . . . . . . . .
            Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . .
            Ruprecht Polenz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . .
            Sonja Steffen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Eckhard Pols (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . .
            Ingrid Remmers (DIE LINKE)
            (Erklärung nach § 32 GO) . . . . . . . . . . . . .
            Tagesordnungspunkt 5:
            Erste Beratung des von der Bundesregierung
            eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur
            Änderung des Kraft-Wärme-Kopplungsge-
            setzes
            (Drucksache 17/8801) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär
            BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Rolf Hempelmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . .
            Thomas Bareiß (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . .
            Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . .
            Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/
            DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Klaus Breil (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Dirk Becker (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Franz Obermeier (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . .
            Tagesordnungspunkt 6:
            Große Anfrage der Abgeordneten Siegmund
            Ehrmann, Martin Dörmann, Petra Ernstberger,
            weiterer Abgeordneter und der Fraktion der
            SPD: Musikförderung durch den Bund
            (Drucksachen 17/4901, 17/7222) . . . . . . . . . .
            19560 B
            19560 B
            19560 C
            19560 C
            19560 D
            19561 A
            19561 B
            19562 A
            19562 A
            19562 A
            19563 B
            19564 C
            19566 A
            19567 A
            19567 C
            19569 D
            19571 A
            19572 B
            19573 D
            19575 A
            19576 A
            19577 A
            19577 D
            19578 A
            19578 D
            19580 A
            19582 B
            19583 C
            19585 B
            19586 B
            19588 A
            19589 A
            IV Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 165. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. März 2012
            Siegmund Ehrmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . .
            Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU) . .
            Dr. Lukrezia Jochimsen (DIE LINKE) . . . . . .
            Reiner Deutschmann (FDP) . . . . . . . . . . . . . .
            Agnes Krumwiede (BÜNDNIS 90/
            DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Christoph Poland (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . .
            Paul Lehrieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . .
            Tagesordnungspunkt 7:
            Antrag der Abgeordneten Klaus-Peter Flosbach,
            Dr. Michael Meister, Peter Altmaier, weiterer
            Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU
            sowie der Abgeordneten Dr. Daniel Volk,
            Holger Krestel, Dr. Birgit Reinemund, weite-
            rer Abgeordneter und der Fraktion der FDP:
            Rohstoffderivatemärkte gezielt regulieren
            (Drucksache 17/8882) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Ralph Brinkhaus (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . .
            Dr. Carsten Sieling (SPD) . . . . . . . . . . . . . . .
            Helmut Heiderich (CDU/CSU) . . . . . . . . .
            Björn Sänger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Ulla Lötzer (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . .
            Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/
            DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Peter Aumer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . .
            Lothar Binding (Heidelberg) (SPD) . . . . . . . .
            Tagesordnungspunkt 8:
            Antrag der Abgeordneten Sabine Zimmermann,
            Jutta Krellmann, Ulla Lötzer, weiterer Abge-
            ordneter und der Fraktion DIE LINKE: Schle-
            cker-Verkäuferinnen unterstützen – Arbeits-
            plätze und Tarifverträge erhalten – Einfluss
            der Beschäftigten stärken
            (Drucksache 17/8880) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Sabine Zimmermann (DIE LINKE) . . . . . . . .
            Paul Lehrieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . .
            Sabine Zimmermann (DIE LINKE) . . . . .
            Gabriele Hiller-Ohm (SPD) . . . . . . . . . . . . . .
            Gabriele Molitor (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/
            DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Gitta Connemann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . .
            Sabine Zimmermann (DIE LINKE) . . . . .
            Tagesordnungspunkt 9:
            Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
            schusses für Umwelt, Naturschutz und Reak-
            torsicherheit zu dem Antrag der Abgeordne-
            ten Dr. Thomas Gebhart, Marie-Luise Dött,
            Peter Altmaier, weiterer Abgeordneter und
            der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abge-
            ordneten Horst Meierhofer, Michael Kauch,
            Angelika Brunkhorst, weiterer Abgeordneter
            und der Fraktion der FDP: Deutsches Res-
            sourceneffizienzprogramm – Ein Baustein
            für nachhaltiges Wirtschaften
            (Drucksachen 17/8575, 17/8875) . . . . . . . . . .
            Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin
            BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Gerd Bollmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Horst Meierhofer (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . .
            Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/
            DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Dr. Thomas Gebhart (CDU/CSU) . . . . . . . . .
            Tagesordnungspunkt 10:
            Antrag der Abgeordneten Ulla Burchardt, Swen
            Schulz (Spandau), Dr. Ernst Dieter Rossmann,
            weiterer Abgeordneter und der Fraktion der
            SPD: Steuerungsfehler bei der Hochschul-
            zulassung untersuchen und Zulassungsre-
            form besser unterstützen
            (Drucksache 17/8884) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Swen Schulz (Spandau) (SPD) . . . . . . . . . . .
            Monika Grütters (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . .
            Nicole Gohlke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . .
            Dr. Martin Neumann (Lausitz) (FDP) . . . . . .
            Kai Gehring (BÜNDNIS 90/
            DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Florian Hahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . .
            Klaus Hagemann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Tagesordnungspunkt 11:
            Zweite und dritte Beratung des von der Bun-
            desregierung eingebrachten Entwurfs eines
            Neunten Gesetzes zur Änderung des Ge-
            meindefinanzreformgesetzes
            (Drucksachen 17/8235, 17/8867) . . . . . . . . . .
            Antje Tillmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . .
            Bernd Scheelen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Dr. Birgit Reinemund (FDP) . . . . . . . . . . . . .
            Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . . .
            19589 B
            19591 C
            19593 A
            19594 A
            19595 C
            19596 D
            19597 D
            19599 A
            19599 A
            19601 A
            19602 A
            19602 D
            19604 A
            19605 A
            19606 A
            19607 C
            19608 B
            19608 C
            19609 C
            19610 B
            19611 A
            19612 C
            19613 C
            19614 B
            19615 C
            19616 C
            19616 C
            19618 A
            19619 C
            19621 B
            19622 B
            19623 B
            19624 C
            19624 D
            19625 D
            19627 B
            19628 B
            19629 C
            19630 C
            19631 C
            19632 D
            19633 A
            19635 B
            19637 A
            19638 A
            Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 165. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. März 2012 V
            Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/
            DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Tagesordnungspunkt 12:
            a) Antrag der Fraktion der SPD: Neurege-
            lung des Rechts der Sicherungsverwah-
            rung
            (Drucksache 17/8760) . . . . . . . . . . . . . . . .
            b) Antrag der Abgeordneten Halina Wawzyniak,
            Jan Korte, Ulla Jelpke, weiterer Abgeord-
            neter und der Fraktion DIE LINKE: Ein-
            setzung einer Expertenkommission zur
            Sicherungsverwahrung
            (Drucksache 17/7843) . . . . . . . . . . . . . . . .
            Burkhard Lischka (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . .
            Ansgar Heveling (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . .
            Halina Wawzyniak (DIE LINKE) . . . . . . . . .
            Christian Ahrendt (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . .
            Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/
            DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Norbert Geis (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . .
            Tagesordnungspunkt 13:
            Erste Beratung des von der Bundesregierung
            eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur
            Reform des Kapitalanleger-Musterverfah-
            rensgesetzes
            (Drucksache 17/8799) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Tagesordnungspunkt 14:
            Antrag der Abgeordneten Dr. Barbara Höll,
            Eva Bulling-Schröter, Sabine Leidig, weiterer
            Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE:
            Wirksame Anreize für klimafreundlichere
            Firmenwagen
            (Drucksache 17/8883) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Tagesordnungspunkt 15:
            a) Antrag der Abgeordneten Anette Hübinger,
            Albert Rupprecht (Weiden), Michael
            Kretschmer, weiterer Abgeordneter und
            der Fraktion der CDU/CSU
            sowie der Abgeordneten Dr. Peter
            Röhlinger, Dr. Martin Neumann (Lausitz),
            Patrick Meinhardt, weiterer Abgeordneter
            und der Fraktion der FDP: Forschung und
            Produktentwicklung für vernachlässigte
            und armutsassoziierte Erkrankungen
            stärken
            (Drucksache 17/8788) . . . . . . . . . . . . . . . .
            b) Antrag der Abgeordneten Uwe Kekeritz,
            Krista Sager, Birgitt Bender, weiterer Ab-
            geordneter und der Fraktion BÜND-
            NIS 90/DIE GRÜNEN: Das Menschen-
            recht auf Gesundheit umsetzen – Zu-
            gang zu Medikamenten weltweit ver-
            wirklichen
            (Drucksache 17/8493) . . . . . . . . . . . . . . .
            Tagesordnungspunkt 16:
            Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
            wärtigen Ausschusses zu dem Antrag der
            Abgeordneten Marieluise Beck (Bremen),
            Manuel Sarrazin, Dr. Frithjof Schmidt, weite-
            rer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
            NIS 90/DIE GRÜNEN: Für eine Strategie
            zur europäischen Integration der Länder
            des westlichen Balkans
            (Drucksachen 17/7774, 17/8396) . . . . . . . . . .
            Dr. Rainer Stinner (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . .
            Josip Juratovic (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Roderich Kiesewetter (CDU/CSU) . . . . . . . .
            Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/
            DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Thomas Silberhorn (CDU/CSU) . . . . . . . . . .
            Tagesordnungspunkt 17:
            Zweite und dritte Beratung des von der Bun-
            desregierung eingebrachten Entwurfs eines
            Gesetzes über die Vereinfachung des Aus-
            tauschs von Informationen und Erkenntnis-
            sen zwischen den Strafverfolgungsbehör-
            den der Mitgliedstaaten der Europäischen
            Union
            (Drucksachen 17/5096, 17/8870) . . . . . . . . . .
            Armin Schuster (Weil am Rhein) (CDU/CSU)
            Frank Hofmann (Volkach) (SPD) . . . . . . . . . .
            Gisela Piltz (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . .
            Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/
            DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Tagesordnungspunkt 18:
            – Zweite Beratung und Schlussabstimmung
            des von der Bundesregierung eingebrach-
            ten Entwurfs eines Gesetzes zu dem
            Abkommen vom 13. Februar 2007 zwi-
            schen der Regierung der Bundesrepu-
            blik Deutschland und der Regierung
            des Staates Kuwait über die Zusam-
            menarbeit im Sicherheitsbereich
            (Drucksachen 17/7601, 17/8820) . . . . . . .
            19639 A
            19640 A
            19640 B
            19640 B
            19641 B
            19643 A
            19644 A
            19645 A
            19645 D
            19647 A
            19647 A
            19647 B
            19647 C
            19647 D
            19648 A
            19649 B
            19650 D
            19652 A
            19652 D
            19654 A
            19654 A
            19655 B
            19656 A
            19656 D
            19657 C
            19659 B
            VI Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 165. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. März 2012
            – Zweite Beratung und Schlussabstimmung
            des von der Bundesregierung eingebrach-
            ten Entwurfs eines Gesetzes zu dem
            Abkommen vom 22. Februar 2009 zwi-
            schen der Regierung der Bundesrepu-
            blik Deutschland und der Regierung
            des Staates Katar über die Zusammen-
            arbeit im Sicherheitsbereich
            (Drucksachen 17/7602, 17/8820) . . . . . . .
            – Zweite Beratung und Schlussabstimmung
            des von der Bundesregierung eingebrach-
            ten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Ab-
            kommen vom 10. März 2009 zwischen
            der Regierung der Bundesrepublik
            Deutschland und der Regierung der Re-
            publik Kroatien über die Zusammenar-
            beit bei der Bekämpfung der Organi-
            sierten und der schweren Kriminalität
            (Drucksachen 17/7603, 17/8820) . . . . . . .
            – Zweite Beratung und Schlussabstimmung
            des von der Bundesregierung eingebrach-
            ten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Ab-
            kommen vom 27. Mai 2009 zwischen
            der Regierung der Bundesrepublik
            Deutschland und der Regierung des Kö-
            nigreichs Saudi-Arabien über die Zu-
            sammenarbeit im Sicherheitsbereich
            (Drucksachen 17/7604, 17/8820) . . . . . . .
            – Zweite Beratung und Schlussabstimmung
            des von der Bundesregierung eingebrach-
            ten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Ab-
            kommen vom 14. April 2010 zwischen
            der Regierung der Bundesrepublik
            Deutschland und der Regierung der Re-
            publik Kosovo über die Zusammenar-
            beit im Sicherheitsbereich
            (Drucksachen 17/7605, 17/8820) . . . . . . .
            – Zweite Beratung und Schlussabstimmung
            des von der Bundesregierung eingebrach-
            ten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Ab-
            kommen vom 30. August 2010 zwischen
            der Regierung der Bundesrepublik
            Deutschland und dem Ministerkabinett
            der Ukraine über die Zusammenarbeit
            im Bereich der Bekämpfung der Orga-
            nisierten Kriminalität, des Terrorismus
            und anderer Straftaten von erheblicher
            Bedeutung
            (Drucksachen 17/7606, 17/8820) . . . . . . .
            Clemens Binninger (CDU/CSU) . . . . . . . . . .
            Wolfgang Gunkel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Gisela Piltz (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . .
            Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/
            DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Tagesordnungspunkt 19:
            Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
            schusses für Bildung, Forschung und Tech-
            nikfolgenabschätzung
            – zu dem Antrag der Abgeordneten René
            Röspel, Dr. Ernst Dieter Rossmann,
            Dr. Hans-Peter Bartels, weiterer Abgeord-
            neter und der Fraktion der SPD: Bioban-
            ken als Instrument von Wissenschaft
            und Forschung ausbauen, Biobanken-
            Gesetz prüfen und Missbrauch geneti-
            scher Daten und Proben wirksam ver-
            hindern
            – zu dem Antrag der Abgeordneten Priska
            Hinz (Herborn), Birgitt Bender, Markus
            Kurth, weiterer Abgeordneter und der
            Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
            Schutz von Patientinnen und Patienten
            bei der genetischen Forschung in einem
            Biobanken-Gesetz sicherstellen
            (Drucksachen 17/3868, 17/3790, 17/8873) . .
            Dr. Thomas Feist (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . .
            René Röspel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Dr. Peter Röhlinger (FDP) . . . . . . . . . . . . . .
            Dr. Petra Sitte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . .
            Krista Sager (BÜNDNIS 90/
            DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Tagesordnungspunkt 20:
            Antrag der Abgeordneten Wolfgang Gehrcke,
            Jan van Aken, Christine Buchholz, weiterer
            Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE:
            Diplomatische Beziehungen zu Palästina
            aufwerten
            (Drucksache 17/8375) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Joachim Hörster (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . .
            Dr. Wolfgang Götzer (CDU/CSU) . . . . . . . . .
            Günter Gloser (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Birgit Homburger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . .
            Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . .
            Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/
            DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Tagesordnungspunkt 21:
            Antrag der Abgeordneten Kai Gehring, Krista
            Sager, Ekin Deligöz, weiterer Abgeordneter
            und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
            NEN: Kooperation ermöglichen – Gemein-
            sam Verantwortung für die großen Heraus-
            forderungen in Bildung und Wissenschaft
            übernehmen
            (Drucksache 17/8902) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            19659 C
            19659 C
            19659 C
            19659 D
            19659 D
            19660 A
            19660 D
            19661 D
            19663 A
            19663 C
            19665 A
            19665 B
            19668 A
            19669 A
            19669 D
            19670 C
            19671 C
            19671 C
            19672 D
            19673 C
            19674 B
            19674 C
            19675 B
            19676 B
            Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 165. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. März 2012 VII
            Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU) . .
            Tankred Schipanski (CDU/CSU) . . . . . . . . . .
            Swen Schulz (Spandau) (SPD) . . . . . . . . . . . .
            Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) . . . . . . . . .
            Heiner Kamp (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Dr. Rosemarie Hein (DIE LINKE) . . . . . . . . .
            Kai Gehring (BÜNDNIS 90/
            DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Tagesordnungspunkt 22:
            Zweite und dritte Beratung des von den Abge-
            ordneten Sabine Zimmermann, Dr. Ilja Seifert,
            Dr. Martina Bunge, weiteren Abgeordneten
            und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten
            Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des
            Neunten Buches Sozialgesetzbuch – Ge-
            setzliche Fristen für die Feststellung der
            Behinderung und die Erteilung des Aus-
            weises
            (Drucksachen 17/6586, 17/8445) . . . . . . . . . .
            Maria Michalk (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . .
            Ulrich Lange (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . .
            Silvia Schmidt (Eisleben) (SPD) . . . . . . . . . . .
            Gabriele Molitor (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Sabine Zimmermann (DIE LINKE) . . . . . . . .
            Markus Kurth (BÜNDNIS 90/
            DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Tagesordnungspunkt 23:
            Antrag der Abgeordneten Volker Beck (Köln),
            Hans-Christian Ströbele, Wolfgang Wieland,
            weiterer Abgeordneter und der Fraktion
            BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Beobachtung
            und Überwachung von Mitgliedern des
            Deutschen Bundestages durch deutsche
            Geheimdienste
            (Drucksache 17/8797) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Bernhard Kaster (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . .
            Manfred Grund (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . .
            Sonja Steffen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP) . . . . . . . .
            Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) . . . . . .
            Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/
            DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Tagesordnungspunkt 24:
            Erste Beratung des von den Abgeordneten
            Dr. Petra Sitte, Halina Wawzyniak, Jan Korte,
            weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE
            LINKE eingebrachten Entwurfs eines Geset-
            zes zur Ermöglichung der privaten Weiter-
            veräußerung unkörperlicher Werkexem-
            plare
            (Drucksache 17/8377) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Ansgar Heveling (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . .
            Burkhard Lischka (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . .
            Stephan Thomae (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Dr. Petra Sitte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . .
            Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/
            DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Tagesordnungspunkt 25:
            Antrag der Abgeordneten Dorothea Steiner,
            Oliver Krischer, Tabea Rößner, weiterer Ab-
            geordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
            DIE GRÜNEN: Sammlung und Recycling
            von Elektronikschrott verbessern
            (Drucksache 17/8899) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Michael Brand (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . .
            Gerd Bollmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Horst Meierhofer (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . .
            Dorothée Menzner (DIE LINKE) . . . . . . . . . .
            Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/
            DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Berichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Anlage 1
            Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . .
            Anlage 2
            Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung
            des Entwurfs eines Gesetzes zur Reform des
            Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes
            (Tagesordnungspunkt 13)
            Dr. Jan-Marco Luczak (CDU/CSU) . . . . . . . .
            Thomas Silberhorn (CDU/CSU) . . . . . . . . . .
            Ingo Egloff (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . . .
            19676 B
            19677 B
            19678 C
            19679 A
            19681 A
            19682 B
            19683 B
            19684 D
            19685 A
            19685 D
            19686 B
            19686 D
            19687 C
            19688 A
            19688 C
            19688 D
            19689 C
            19690 C
            19691 A
            19691 D
            19692 B
            19693 A
            19693 A
            19694 B
            19695 A
            19696 A
            19696 C
            19698 A
            19698 A
            19699 B
            19700 C
            19701 C
            19702 A
            19703 C
            19703 C
            19705 A
            19705 C
            19706 D
            19707 D
            19708 D
            VIII Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 165. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. März 2012
            Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/
            DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär
            BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Anlage 3
            Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung
            des Antrags: Wirksame Anreize für kli-
            mafreundlichere Firmenwagen
            (Tagesordnungspunkt 14)
            Olav Gutting (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . .
            Nicolette Kressl (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Dr. Daniel Volk (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . . .
            Lisa Paus (BÜNDNIS 90/
            DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Anlage 4
            Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung
            der Anträge:
            – Forschung und Produktentwicklung für
            vernachlässigte und armutsassoziierte
            Erkrankungen stärken
            – Das Menschenrecht auf Gesundheit
            umsetzen – Zugang zu Medikamenten
            weltweit verwirklichen
            (Tagesordnungspunkt 15 a und b)
            Anette Hübinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . .
            René Röspel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Dr. Peter Röhlinger (FDP) . . . . . . . . . . . . . .
            Dr. Petra Sitte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . .
            Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/
            DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär
            BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Anlage 5
            Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung der
            Beschlussempfehlung und des Berichts zu
            dem Antrag: Für eine Strategie zur europäi-
            schen Integration der Länder des westli-
            chen Balkans
            (Tagesordnungspunkt 16)
            Sevim Dağdelen (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . .
            19709 C
            19710 D
            19711 B
            19712 C
            19713 B
            19713 D
            19714 B
            19715 B
            19716 C
            19717 D
            19718 C
            19719 B
            19719 D
            19721 A
            Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 165. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. März 2012 19517
            (A) (C)
            (D)(B)
            165. Sitzung
            Berlin, Donnerstag, den 8. März 2012
            Beginn: 9.00 Uhr
        
        
        
        
          
          
        Berichtigung
        163. Sitzung, Seite 19409 A, der zweite Absatz ist wie
        folgt zu lesen: Man kann es nicht schöner sagen als der
        Bundesgerichtshof, 5. Senat, in einer Entscheidung vom
        9. Mai 2006, Randziffer 28, wo es heißt: „Amtsausübung
        ist etwas anderes als Mandatsausübung.“
        Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 165. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. März 2012 19705
        (A) (C)
        (D)(B)
        Anlagen zum Stenografischen Bericht
        Anlage 1
        Liste der entschuldigten Abgeordneten
        Anlage 2
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur
        Reform des Kapitalanleger-Musterverfahrens-
        gesetzes (Tagesordnungspunkt 13)
        Dr. Jan-Marco Luczak (CDU/CSU): Der Deutsche
        Bundestag hat das Kapitalanleger-Musterverfahrensge-
        setz – oder kurz KapMuG – im Jahr 2005 beschlossen.
        Auslöser für die Gesetzesinitiative war eine Prozessla-
        wine im Jahr 2000 von knapp 15 000 Anlegern, die sich
        durch einen falschen Verkaufsprospekt der Deutschen
        Telekom AG zum Aktienkauf bewegt sahen. Bei den
        Klägern handelte es sich zu einem großen Teil um Men-
        schen, die erstmals Aktien gekauft hatten, weil sie der
        „Volksaktie“ der Telekom vertraut hatten.
        Damals zeigte sich, dass das deutsche Verfahrensrecht
        für solche Massenverfahren kein geeignetes Instrumen-
        tarium zur Verfügung stellte – die tatsächlich wie recht-
        lich außerordentlich komplexen Verfahren zogen sich
        über Jahre hin. Einige Kläger riefen daraufhin das Bun-
        desverfassungsgericht an. Dieses sah zwar im Ergebnis
        das Recht der Kläger auf einen wirkungsvollen, nämlich
        in angemessener Zeit erfolgenden gerichtlichen Rechts-
        schutz nicht als verletzt an. Das Bundesverfassungsge-
        richt machte aber deutlich, dass ein besonderes verfah-
        rensrechtliches Instrument bei Massenverfahren zur
        Vermeidung überlanger Verfahrensdauern notwendig
        sein könnte.
        Das KapMuG war die Reaktion des Gesetzgebers auf
        diese Umstände. Es berücksichtigte vor allem die Er-
        kenntnis, dass falsche Kapitalmarktinformationen oder
        unrichtige Börsenprospekte keineswegs nur wenige
        Großinvestoren schädigen können. Auch viele Kleinan-
        leger mit vergleichsweise geringen finanziellen, soge-
        nannten Streuschäden können betroffen sein. Aufgrund
        der Vielzahl der Geschädigten kann die Schadenssumme
        hier jedoch schnell im mehrstelligen Millionenbereich
        liegen. Das KapMuG wollte hier ein effektives kollekti-
        ves Rechtsschutzinstrument zur Verfolgung individueller
        Schadensersatzansprüche zur Verfügung stellen. Die
        Kosten für den einzelnen Anleger sollten möglichst klein
        gehalten und die Gerichte von den massenhaften Klagen
        entlastet werden.
        Um das zu erreichen, stellt das KapMuG ein Muster-
        verfahren zur Verfügung, in dem bestimmte tatsächliche
        und rechtliche Fragen einheitlich und verbindlich für
        eine Vielzahl gleichgelagerter Fälle entschieden werden
        können. Dieses Musterverfahren war ein Novum im
        deutschen Prozessrecht – der Gesetzgeber hat den An-
        wendungsbereich daher auf das Kapitalmarktrecht be-
        schränkt und auch die Geltungsdauer des Gesetzes auf
        zunächst fünf Jahre befristet. In dieser Zeit sollte das Ge-
        setz evaluiert werden. Nach einer Verlängerung der Gel-
        tungsdauer um weitere zwei Jahre tritt das Gesetz nun-
        mehr am 31. Oktober 2012 außer Kraft.
        Abgeordnete(r)
        entschuldigt bis
        einschließlich
        Bosbach, Wolfgang CDU/CSU 08.03.2012
        Burchardt, Ulla SPD 08.03.2012
        Dreibus, Werner DIE LINKE 08.03.2012
        Fischer (Karlsruhe-
        Land), Axel E.
        CDU/CSU 08.03.2012
        Friedhoff, Paul K. FDP 08.03.2012
        Dr. Friedrich (Hof),
        Hans-Peter
        CDU/CSU 08.03.2012
        Gerster, Martin SPD 08.03.2012
        Granold, Ute CDU/CSU 08.03.2012
        Gruß, Miriam FDP 08.03.2012
        Hinz (Essen), Petra SPD 08.03.2012
        Kelber, Ulrich SPD 08.03.2012
        Koch, Harald DIE LINKE 08.03.2012
        Dr. Kofler, Bärbel SPD 08.03.2012
        Lenkert, Ralph DIE LINKE 08.03.2012
        Luksic, Oliver FDP 08.03.2012
        Müller (Erlangen),
        Stefan
        CDU/CSU 08.03.2012
        Nord, Thomas DIE LINKE 08.03.2012
        Pflug, Johannes SPD 08.03.2012
        Roth (Augsburg),
        Claudia
        BÜNDNIS 90/
        DIE GRÜNEN
        08.03.2012
        Schlecht, Michael DIE LINKE 08.03.2012
        Dr. Schmidt, Frithjof BÜNDNIS 90/
        DIE GRÜNEN
        08.03.2012
        Süßmair, Alexander DIE LINKE 08.03.2012
        Dr. Troost, Axel DIE LINKE 08.03.2012
        Weinberg, Harald DIE LINKE 08.03.2012
        Werner, Katrin DIE LINKE 08.03.2012
        Dr. Winterstein, Claudia FDP 08.03.2012
        Wunderlich, Jörn DIE LINKE 08.03.2012
        Anlagen
        19706 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 165. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. März 2012
        (A) (C)
        (D)(B)
        Wie sind nun die Erfahrungen mit dem KapMuG?
        Unter dem Strich können wir sagen: Das Gesetz hat sich
        bewährt. Die Evaluation hat ergeben, dass das Muster-
        feststellungsverfahren nach dem KapMuG ein taugliches
        Instrument zur Bewältigung von Massenklagen im Be-
        reich des Kapitalmarktrechts ist. Kleinanleger können
        Schadensersatzansprüche damit besser bündeln, und die
        Gerichte sind entlastet worden. Die bisher recht geringe
        Anzahl der Verfahren zeigt aber auch, dass das Gesetz an
        einigen Stellen verbessert werden kann und muss.
        Der vorgelegte Gesetzentwurf der Bundesregierung
        verbindet die positiven Erfahrungen mit den notwendi-
        gen Änderungen: Die Grundstruktur und die Prinzipien
        des bisherigen KapMuG werden beibehalten. Die zahl-
        reichen Änderungen werden in einem neuen Stammge-
        setz zusammengeführt, das KapMuG also von Grund auf
        neu gefasst.
        Worum geht es im Einzelnen? Zunächst wird der An-
        wendungsbereich des KapMuG moderat ausgeweitet. Es
        bleibt zwar bei der Beschränkung auf kapitalmarktrecht-
        liche Ansprüche; denn für ein allgemeines Instrument
        des kollektiven Rechtsschutzes für alle zivilrechtlichen
        Ansprüche ist es noch zu früh, es besteht auch nicht in
        gleicher Weise ein Bedarf. Das Gesetz soll zukünftig
        aber solche Schadensersatzansprüche erfassen, die aus
        einer fehlerhaften Anlageberatung und Anlagevermitt-
        lung resultieren. Es sollen also nicht nur diejenigen Fälle
        erfasst werden, in denen der Schadensersatz unmittelbar
        durch eine fehlerhafte Kapitalmarktinformation verur-
        sacht wird, sondern auch solche Fälle, in denen ein nur
        mittelbarer Zusammenhang besteht. Das ist sachgerecht.
        Die Unterscheidung von unmittelbarer und mittelbarer
        Verursachung eines Schadens ist in der Praxis häufig
        schwierig und in der Sache auch nicht angemessen.
        Des Weiteren wird der Vergleichsabschluss im Mus-
        terverfahren erleichtert. Nach dem bisherigen KapMuG
        ist ein Vergleich nur dann möglich, wenn alle Beteiligten
        – Musterkläger, Musterbeklagte und alle Beigeladenen –
        diesem zustimmen. Das hat sich in der Praxis als kaum
        erfüllbar erwiesen. Der Gesetzentwurf führt daher nun-
        mehr einen gerichtlich gebilligten Vergleich zwischen
        Musterkläger und Musterbeklagten mit Austrittsmög-
        lichkeit ein. Dabei hört das Gericht die Beigeladenen le-
        diglich an, ob der Vergleich eine angemessene Lösung
        darstellt. Zustimmen müssen sie hingegen nicht mehr.
        Billigt das Gericht den Vergleich, wird er grundsätzlich
        für alle Beteiligten verbindlich. Die Beigeladenen kön-
        nen allerdings innerhalb eines Monats ihren Austritt aus
        dem Vergleich erklären. Für die Ausgetretenen wird der
        Vergleich dann nicht verbindlich. Ich begrüße grundsätz-
        lich, dass der Abschluss eines Vergleiches durch die Ab-
        kehr vom Zustimmungserfordernis erleichtert wird. Im
        parlamentarischen Verfahren prüfen müssen wir aller-
        dings die Frage, ob ein bestimmtes Quorum als Voraus-
        setzung für die Wirksamkeit des Vergleichs gesetzlich
        festgelegt werden muss oder ob es ausreicht, dass die
        Parteien ein solches vereinbaren können.
        Ziel der Reform ist schließlich, das Musterverfahren
        zu beschleunigen. Bislang konnten bis zum Beginn des
        Musterverfahrens viele Monate vergehen. Zukünftig sol-
        len zulässige Musterverfahrensanträge von den Gerich-
        ten innerhalb von drei Monaten im Klageregister be-
        kannt gemacht werden. Das soll für eine stärkere
        Entlastungswirkung der Gerichte und für einen effekti-
        veren Rechtsschutz sorgen.
        Der vorgelegte Gesetzentwurf geht in die richtige
        Richtung. Das KapMuG kann, wie ich meine, mit den
        vorgesehenen Änderungen entfristet werden. Einige we-
        nige Kritikpunkte gibt es dennoch, die im parlamentari-
        schen Verfahren genau zu prüfen sind:
        Das gilt zunächst für die Frage, ob eine sogenannte
        einfache Teilnahme am Musterverfahren ermöglicht wer-
        den kann. Dabei geht es darum, dass geschädigte Anle-
        ger unterhalb der Schwelle der förmlichen Klageerhe-
        bung am Musterverfahren beteiligt und insbesondere in
        die Wirkungen des Musterbescheids bzw. gegebenen-
        falls Vergleichs einbezogen werden können. Das könnte
        die Effizienz und die Breitenwirkung des Verfahrens
        möglicherweise verbessern.
        Möglicherweise muss auch dem OLG, das für die Ent-
        scheidung über die Feststellungsziele inhaltlich zustän-
        dig ist, mehr Entscheidungsfreiheit eingeräumt werden.
        Die jetzt vorgesehene Bindung des OLG an den Vorlage-
        beschluss führt dazu, dass es unter Umständen die im
        Vorlagebeschluss aufgeführten Feststellungsziele prüfen
        muss, obwohl es diese nicht für entscheidungserheblich
        hält. Die Zulassung einer Modifizierung der Vorlageziele
        muss man daher prüfen.
        Schließlich sehe ich hinsichtlich der vorgesehenen
        Verschärfung der Voraussetzungen, unter denen ein Ge-
        richt nach § 145 ZPO mehrere in einer Klage erhobene
        Ansprüche trennen und gesondert verhandeln kann, noch
        Prüfbedarf. Bei dieser Änderung geht es nicht nur um
        eine Klarstellung im Rahmen des KapMuG, sondern um
        eine grundlegende Veränderung der zivilprozessualen
        Rechtslage. Das darf nicht leichtfertig geschehen. Das
        muss sorgfältig erwogen werden.
        Insgesamt – und hiermit komme ich zum Ende meiner
        Rede – hat die Bundesregierung einen durchaus gelunge-
        nen Gesetzentwurf vorgelegt. Ich bin zuversichtlich,
        dass wir im parlamentarischen Verfahren eine Lösung
        für die aufgezeigten Kritikpunkte finden werden und das
        Gesetz schnell – vielleicht sogar wie das KapMuG im
        Jahre 2005 – einstimmig beschließen können.
        Thomas Silberhorn (CDU/CSU): Das Kapitalanle-
        ger-Musterverfahrensgesetz, KapMuG, ist ein juristi-
        scher Testballon, der 2005 losgeschickt wurde und dem
        zum 31. Oktober 2012 die Luft auszugehen droht. Mit
        der angestrebten Reform des KapMuG wollen wir nun
        einige zusätzliche Instrumente an dieser Versuchsanord-
        nung anbringen und sie wieder aufsteigen lassen, um
        weitere wertvolle Messwerte zu gewinnen und daraus
        Erkenntnisse für die zukünftige Gestaltung des deut-
        schen Rechts zu ziehen.
        Nach Ablauf der Geltungsdauer des von Anfang an
        befristeten KapMuG bestünde zunächst die Möglichkeit,
        das Gesetz auslaufen zu lassen. Dann würde allerdings
        Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 165. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. März 2012 19707
        (A) (C)
        (D)(B)
        ein im Kern funktionsfähiges Modell der kollektiven
        Rechtsdurchsetzung aufgegeben.
        Eine bloße Verlängerung der Geltungsdauer des Ge-
        setzes ohne inhaltliche Änderungen erschiene jedoch
        ebenfalls nicht angemessen. Vielmehr sollten die Erfah-
        rungen der vergangenen sieben Jahre zu einer Überarbei-
        tung des Gesetzestextes genutzt werden, um im Interesse
        der Kapitalanleger einen noch effektiveren Rechtsschutz
        zu ermöglichen und die Durchsetzung des objektiven
        Kapitalmarktrechts weiter zu befördern. Die Befristung
        des KapMuG kann dabei aufgehoben werden.
        Die Überführung des Musterverfahrens in die allge-
        meine Zivilprozessordnung und damit seine Ausdehnung
        auf alle zivilrechtlichen Ansprüche streben wir hingegen
        nicht an. Eine Entwicklung hin zu allgemeinen Sammel-
        klagen wie im US-amerikanischen Recht lehnen wir ab.
        Dies hat nicht nur den Grund, dass derartige Instrumente
        der Rechtsdurchsetzung dem deutschen Recht bisher
        fremd sind. Vor allem können uns diese Verfahren mit
        ihren Begleitumständen und ihren Ergebnissen nicht
        überzeugen.
        Das bestehende KapMuG soll so nachjustiert werden,
        dass die Schlagkraft des Gesetzes erhöht und seine Wir-
        kungsweise verbessert wird. Dazu soll der Anwendungs-
        bereich präzisiert und moderat erweitert werden. Künftig
        werden durch das KapMuG alle Prozesse erfasst, in de-
        nen eine falsche, irreführende oder unterlassene öffentli-
        che Kapitalmarktinformation eine der entscheidungser-
        heblichen Tatsachen ist. Damit können auch Ansprüche
        gegen Anlageberater oder Anlagevermittler wegen soge-
        nannter uneigentlicher Prospekthaftung geltend gemacht
        werden, die nach ständiger Rechtsprechung des BGH
        bisher ausgeschlossen sind.
        Eine weitere wesentliche Änderung des KapMuG be-
        trifft die Beschleunigung des Verfahrens, denn besonders
        hier hat sich gezeigt, dass Optimierungsbedarf besteht.
        Mit der Verfahrensbeschleunigung soll bereits vor Be-
        ginn des Musterverfahrens angesetzt werden. Die mitun-
        ter sehr lange Wartezeit bis zum Beginn eines Muster-
        verfahrens wird durch Einführung einer Dreimonatsfrist
        zur Entscheidung über den Musterantrag gestrafft. Unsi-
        cherheiten über den Beginn eines Musterverfahrens sol-
        len auch dadurch minimiert werden, dass Beschlüsse des
        Prozessgerichts, in denen Musterverfahrensanträge als
        unzulässig verworfen oder wegen Nichterreichen des
        Quorums zurückgewiesen werden, unanfechtbar werden.
        Darüber hinaus werden die Vorlagevoraussetzungen
        an das Oberlandesgericht modifiziert, wobei künftig ein
        Zeitraum von sechs Monaten für das Erreichen des Quo-
        rums eröffnet wird. Damit muss nicht mehr wie bisher
        zunächst abgewartet werden, ob eventuell bereits ge-
        stellte Musterverfahrensanträge vorliegen, die noch nicht
        bekannt gemacht wurden. Schließlich ist das Oberlan-
        desgericht künftig anstelle des Landgerichts für die Er-
        weiterung des Gegenstands des Musterverfahrens zu-
        ständig, um eine Befassung verschiedener Gerichte
        während eines Musterverfahrens und damit drohende zu-
        sätzliche Verfahrensverzögerungen zu vermeiden.
        Gerade in Verfahren mit vielen Beteiligten ist auf-
        grund der Vielschichtigkeit und Komplexität der Einzel-
        fälle eine rechtlich abschließende Bewertung oft zeit-
        und kostenintensiv. Die Möglichkeiten zur gütlichen
        Streitbeilegung sollen daher gestärkt werden. Der Ver-
        gleichsabschluss bietet sich als effizientes Mittel hierzu
        an, auch um die erhoffte Entlastung der Justiz zu errei-
        chen.
        Bisher scheitern Vergleichsabschlüsse im Musterver-
        fahren regelmäßig am Erfordernis der Zustimmung aller
        Beteiligten. Diese wird in der Praxis kaum zu erreichen
        sein. Zur Überwindung dieses Hindernisses sieht der Ge-
        setzentwurf die Möglichkeit eines gerichtlich gebilligten
        Vergleichs zwischen Musterkläger und Musterbeklagtem
        mit der Besonderheit vor, dass eine Austrittsmöglichkeit
        geschaffen wird. Hat das Gericht nach Anhörung aller
        Beteiligten den Vergleichsvorschlag umfassend geprüft
        und ist der Vergleich geschlossen worden, dann haben
        die Beteiligten – mit Ausnahme von Musterkläger und
        Musterbeklagtem – die Möglichkeit, innerhalb einer be-
        stimmten Frist aus dem Vergleich auszutreten. Damit
        wird die Wahrung der Interessen aller Beteiligten sicher-
        gestellt. Jenseits all dieser begrüßenswerten Vorschläge
        für die Reform des KapMuG dürfen wir jedoch auch die
        deutlich vernehmbaren kritischen Stimmen aus Literatur
        und Praxis nicht überhören. Wir müssen beispielsweise
        genauestens beobachten und sicherstellen, dass das Mus-
        terverfahren aufgrund seiner schieren Komplexität nicht
        zu einem „Monstrum“ mutiert und erwünschte Effektivi-
        täts- und Synergieeffekte untergraben werden. Auch
        sollten wir zumindest kritisch hinterfragen, warum in
        den vergangenen sieben Jahren nur eine so geringe Zahl
        an Musterverfahren durchgeführt worden ist, wobei nach
        meiner Kenntnis bisher noch keine einzige rechtskräftige
        Sachentscheidung in einem Musterverfahren ergangen
        ist.
        Nicht zuletzt gilt es, sprachliche Unschärfen auszu-
        räumen und durch präzisere Formulierungen zu ersetzen.
        Zudem müssen wir uns Gedanken darüber machen, wie
        dem Umstand zu begegnen ist, dass das Kostenrisiko
        insbesondere dadurch immer weiter ansteigt, dass mitt-
        lerweile viele Rechtsschutzversicherer kapitalmarktrecht-
        liche Ansprüche vom Leistungsumfang ihrer Versiche-
        rungen ausschließen oder jedenfalls begrenzen.
        Im Rahmen der geplanten Sachverständigenanhö-
        rung werden wir uns mit derartigen Kritikpunkten und
        Fragestellungen noch einmal intensiv auseinandersetzen.
        Festzuhalten bleibt, dass die Kapitalanleger weiterhin
        besonderen Schutz erfahren werden und ihre Rechtsposi-
        tion durch die Reform des KapMuG gestärkt werden
        wird.
        Ingo Egloff (SPD): Heute diskutieren wir ein Gesetz,
        bei dem schon der Titel sperrig ist, das aber gleichwohl
        in mehrerer Hinsicht von großer Bedeutung für den
        Finanzplatz Deutschland ist. Einerseits soll es dem Anle-
        gerschutz dienen und hat damit auch verbraucherschüt-
        zende Wirkung, andererseits soll es die Attraktivität des
        Finanzplatzes und des Rechtsstandortes Deutschland
        stärken.
        19708 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 165. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. März 2012
        (A) (C)
        (D)(B)
        Gerade angesichts der Unsicherheit der Anleger auf-
        grund der Finanzkrise im Zuge der Lehman-Pleite ist es
        daher von großer Bedeutung, diese im Jahre 2005 ge-
        schaffene Regelung weiterzuführen und gleichzeitig aus
        der seit der Verabschiedung gewonnenen Rechtspraxis
        die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen. Deshalb
        begrüßt die SPD-Fraktion grundsätzlich die Vorlage die-
        ses Gesetzentwurfs.
        Wir begrüßen auch, dass der Gesetzgeber hier zumin-
        dest teilweise die Konsequenzen aus der inzwischen er-
        folgten Evaluierung des Gesetzes und seines Vollzuges
        in der Praxis gezogen hat. Dieses Beispiel einer meiner
        Meinung nach gelungenen Evaluierung sollte uns im
        Hinblick auf zukünftige Vorhaben veranlassen, öfter eine
        derartige Überprüfung zu beschließen. Aus der Anwen-
        dung in der Praxis und der Entwicklung der Recht-
        sprechung Schlüsse zu ziehen, die in den zukünftigen
        Gesetzgebungsprozess einfließen, macht Sinn.
        In der Sache selbst ist es richtig, bestimmte Irritatio-
        nen zu beseitigen, die durch neue unbestimmte Rechts-
        begriffe und deren Auslegung durch die Rechtsprechung
        entstanden sind. So ist die durch unterschiedliche Urteile
        aufgeworfene Frage, ob ein Musterverfahren mehrere
        Streitziele haben kann oder nur ein Generalziel, dem
        sich verschiedene Teilziele oder Streitpunkte unterzu-
        ordnen haben, jetzt durch den Gesetzgeber entschieden
        worden. Der Begriff Streitpunkt, der keine Wirkung in
        der Praxis entfalten konnte, ist durch die Feststellung,
        dass es mehrere Feststellungsziele im Verfahren geben
        kann, überflüssig und verschwindet. Es ist auch klar-
        gestellt worden, dass der Musterverfahrensantrag bereits
        mit der Anhängigkeit der Klage und nicht erst mit Recht-
        shängigkeit gestellt werden kann.
        Auch der Kritik, dass Verfahren zu lange dauern, ist
        Rechnung getragen worden. Eine Verwerfung des Fest-
        stellungsziels oder eine Teilverwerfung bei mehreren
        Teilzielen ist endgültig und kann nicht angefochten wer-
        den. Dies dient der Beschleunigung, weil Streitigkeiten
        in Zwischenverfahren abgeschnitten werden und Rechts-
        klarheit hergestellt wird. Der Rechtsschutz der Anleger
        wird auch nicht unverhältnismäßig eingeschränkt. Es
        bleibt der Individualprozess, in dem um Rechtsschutz
        nachgesucht werden kann.
        Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch die Re-
        gelung in § 3 Satz 1, die für die Bekanntmachung zuläs-
        siger Musterverfahrensanträge und damit auch für die
        Entscheidung über die Zulässigkeit des Musterverfah-
        rensantrages eine Frist von drei Monaten als Sollvor-
        schrift bestimmt. Damit ist ausdrücklich klargestellt,
        dass ein Gericht nicht mehr den konkreten Fall fortfüh-
        ren kann, um zusammen mit dem späteren Urteil den
        Musterverfahrensantrag für unzulässig zu erklären, weil
        es der Entscheidung ausweichen will. Eine Fristüber-
        schreitung ist im Übrigen gemäß § 3 Abs. 2 zu begrün-
        den. In Ausnahmefällen kann das Gericht bei schwieri-
        ger Materie allerdings die Frist überschreiten, daher die
        Sollvorschrift, aber das ist auch sachgerecht.
        Am wichtigsten ist aber die Frage der Ausdehnung
        des Musterverfahrens gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 auf solche
        Tatbestände, in denen der Schadenersatzanspruch nicht
        nur auf die Verwendung von falschen öffentlichen Kapi-
        talmarktinformationen gestützt wird, sondern in denen
        vertragliche Ansprüche wegen fehlerhafter Anlagebera-
        tung und Vermittlung erfolgt sind. Das ist angesichts der
        vom BGH getroffenen Entscheidung, dass der Anspruch
        nicht auf vertragliche Ansprüche gestützt werden kann,
        eine Klarstellung und Erweiterung, die im Verbraucher-
        schutzinteresse notwendig ist.
        Zurecht war kritisiert worden, dass diese BGH-Recht-
        sprechung, mag sie dogmatisch aus der 2005 gefundenen
        Gesetzesformulierung so ableitbar gewesen sein, jeden-
        falls dazu führt, dass das KapMuG in der bisherigen
        Form dazu führt, dass Falschberatungen in Zusammen-
        hang mit fehlerhaften Prospektangaben nicht abgedeckt
        waren und insoweit nicht musterverfahrensfähig waren.
        Die Kritik des Bundesrates an der neuen Regelung geht
        meines Erachtens an der Sache vorbei. Damit sind nun-
        mehr auch die Fragen der erweiterten Prospekthaftung,
        in denen sich die Haftung aus der Verwendung eines
        fehlerhaften Prospektes in Zusammenhang mit einer
        Falschberatung ergibt, in den Bereich der Musterklage-
        verfahren einbezogen.
        Die im alten Gesetz enthaltene Vergleichsvorschrift
        hat sich in der Praxis nicht bewährt. Die Zustimmung al-
        ler Beteiligter hat sich als nicht realisierbar herausge-
        stellt. Deshalb ist die gefundene Lösung, dass gemäß
        § 17 sich Musterkläger und Musterbeklagter vergleichs-
        weise selbst einigen oder auf Vorschlag des Gerichts
        einigen, die Beigeladenen die Möglichkeit der Äußerung
        haben, der Vergleich erst nach Genehmigung des Ge-
        richts, § 18, geschlossen werden kann, dann unwiderruf-
        lich ist und den Beigeladenen ein Austrittsrecht, § 19,
        eingeräumt wird, eine Lösung, die interessengerecht ist.
        Damit wird die Möglichkeit verbaut, dass sich Muster-
        kläger und Musterbeklagter zulasten Dritter einigen, und
        die individuellen Rechte der Prozessbeteiligten bleiben
        gewahrt.
        Auf den ersten Blick sind hier seitens der Bundes-
        regierung notwendige und sinnvolle Änderungen an dem
        bestehenden Gesetz vorgenommen worden. Wir werden
        sicherlich im Zuge der Ausschussberatung uns noch aus-
        führlicher mit dem Evaluationsbericht befassen und auch
        noch über die weiteren Vorschläge der Sachverständigen
        diskutieren, die von der Regierung jetzt nicht berück-
        sichtigt worden sind.
        Im Interesse der Verbraucher und des Anlegerschut-
        zes sollten wir zügig über dieses Gesetz beraten. Denn in
        Zeiten krisenhafter Zuspitzung in der Euro-Zone, wo wir
        nach Ausführungen von Wirtschaftsforschern feststellen
        müssen, dass das Vertrauen in die Kapitalmärkte nicht
        vorhanden ist, müssen wir als Gesetzgeber dafür sorgen,
        dass ein Höchstmaß an Anlegerschutz realisiert wird und
        unlauteren Geschäftspraktiken auf allen Ebenen ein Rie-
        gel vorgeschoben wird.
        Dr. Barbara Höll (DIE LINKE): Schon vor der Fi-
        nanzkrise haben viele Anlegerinnen und Anleger durch
        unzureichende Beratung und windige Finanzprodukte
        auf dem Kapitalmarkt viel Geld verloren. Verantwortli-
        che wurden selten zur Verantwortung gezogen, da oft-
        Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 165. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. März 2012 19709
        (A) (C)
        (D)(B)
        mals Zeit- und Geldaufwand für eine gerichtliche Klage
        unverhältnismäßig hoch waren und zu den Verlusten der
        einzelnen Anlegerinnen und Anleger in keinem Verhält-
        nis standen.
        Das Kapitalanleger-Musterverfahren, eingeführt im
        Jahr 2005, sollte ein schlagkräftiges kollektives Rechts-
        verfolgungsinstrument sein und dafür sorgen, dass kapi-
        talmarktrechtliche Vorschriften eingehalten werden.
        Diese abschreckende Wirkung hat es wohl verfehlt. Fal-
        sche Informationen und Fehlberatung sind auch heute
        noch zu oft anzutreffen. Eine wesentliche Ursache für
        fehlerhafte und unzureichende Beratung liegt in den Fi-
        nanzprodukten selbst begründet. Deshalb hatte die Linke
        bereits vor vier Jahren, Anfang 2008, einen Finanz-TÜV
        vorgeschlagen. Statt „alles ist erlaubt, was nicht verbo-
        ten ist“ fordern wir, dass in den Finanzmärkten nur das
        erlaubt sein soll, was auch zugelassen ist. Daher sollen,
        wie beim Fahrzeug-TÜV, auch beim Finanz-TÜV nur
        die Produkte auf den Märkten gehandelt werden dürfen,
        die ausdrücklich eine Zulassung erhalten haben. Diesen
        Paradigmenwechsel gilt es zu vollziehen. Doch was tut
        die Koalition? Sie vereinnahmt den Namen Finanz-TÜV
        und verunstaltet das Konzept bis zur Unkenntlichkeit.
        Ihr Finanz-TÜV soll künftig Geldanlagen in Produktka-
        tegorien einordnen und überprüfen, wie Anbieter den
        neuen Informationspflichten nachkommen. Keine Spur
        von Zulassungsbeschränkungen für volkswirtschaftlich
        schädliche Finanzprodukte. Zudem ist die dafür veran-
        schlagte Summe von 1,5 Millionen Euro völlig unzurei-
        chend, selbst für ihren Mini-TÜV.
        Aber der Finanz-TÜV löst nicht das Problem, wie
        Anlegerinnen und Anleger zu ihrem Recht kommen,
        wenn sie geschädigt wurden. Die Einführung des Mus-
        terverfahrens für das Kapitalmarktrecht und die Absicht,
        es dauerhaft beizubehalten, begrüßen wir. Aber die vor-
        liegenden Änderungen zum Musterverfahren sind noch
        nicht ausreichend.
        Mit diesem Verfahren sollte das Kostenrisiko für die
        Einzelnen gesenkt werden, was sich in der Praxis als
        Schuss in den Ofen gezeigt hat. Zwar wird in dem vor-
        liegenden Gesetzentwurf der zusätzliche Aufwand des
        Musterklägervertreters entlohnt und diese Entlohnung
        auf alle Kläger verteilt, aber das ändert nichts an der Tat-
        sache, dass viele Rechtsschutzversicherer dazu überge-
        gangen sind, kapitalmarktrechtliche Ansprüche vom
        Leistungsumfang auszunehmen oder diesen zu begren-
        zen. Somit bleibt das Kostenrisiko bei den Geschädigten.
        Auch wenn wir die Ausweitung des Musterverfahrens
        auf weitere Bereiche der Zivilprozessordnung begrüßen
        würden, fordern wir letztendlich die Umkehr der Be-
        weislast und die Einführung einer Sammelklage. Diese
        hätte den Vorteil, dass das Kostenrisiko für alle beteilig-
        ten Kläger geringer wäre. Für die Zukunft wäre es be-
        sonders zielführend, wenn Schwarz-Gelb einen wirkli-
        chen Finanz-TÜV einführt, der die Finanzprodukte
        überprüft und zulässt. So wäre sichergestellt, dass viele
        Klagegründe erst gar nicht entstünden. Dann wären die
        Gerichte wirklich entlastet.
        Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): I. Als
        im Jahre 2005 die damalige rot-grüne Koalition das Ka-
        pitalanleger-Musterverfahrensgesetz (Bundestagsdruck-
        sache 15/5091) einführte, betrat sie zivilprozessuales
        Neuland. Vier Hauptziele sollten damit erreicht werden:
        die Effektivierung des individuellen Rechtsschutzes für
        Kapitalanleger durch Erleichterung der Geltendmachung
        ihrer Ansprüche, die Verbesserung der Durchsetzung ob-
        jektiver kapitalmarktrechtlicher Vorschriften durch Ein-
        führung eines schlagkräftigen kollektiven Rechtsverfol-
        gungsinstruments, die Entlastung der Justiz sowie die
        Stärkung des Justizstandorts Deutschland.
        Erstens. So bot vor dem Inkrafttreten des KapMuG
        die Zivilprozessordnung mit der Streitgenossenschaft in
        Fällen von Streuschäden mit vielen Geschädigten nur
        sehr eingeschränkt die Möglichkeit einer Bündelung von
        Klagen. Insbesondere in diesen Fällen kommt es aber zu
        vergleichsweise geringen Schadensersatzsummen beim
        einzelnen Geschädigten, während der angerichtete Ge-
        samtschaden im mehrstelligen Millionenbereich liegen
        kann. Ein Musterverfahren nach dem KapMuG erlaubt
        es, das Prozesskostenrisiko der geschädigten Kapitalan-
        leger in den Fällen zu senken; in denen sich eine aufwen-
        dige Beweisaufnahme mit hohen Sachverständigenkos-
        ten zur Klärung komplizierter kapitalmarktrechtlicher
        Fragen für den Kläger im Einzelverfahren nicht lohnen
        würde.
        Zweitens. Darüber hinaus sollte das KapMuG durch
        Bündelung einer Vielzahl von gleichgelagerten Gerichts-
        verfahren die Gerichte merklich entlasten. Komplexe
        Tatsachen und Rechtsfragen sollten so nur noch einmal
        mit Bindungswirkung für alle geschädigten Anleger ge-
        klärt werden müssen, das heißt, es sollte nur einer Be-
        weisaufnahme bedürfen.
        Drittens. Schließlich sollte durch die Ermöglichung
        eines Musterklageverfahrens auch der Justizstandort
        Deutschland gestärkt werden. Das deutsche Prozessrecht
        sollte mit dem Musterverfahren modernisiert werden, um
        Anleger zu veranlassen, vor deutschen Gerichten zu kla-
        gen und nicht im Wege des sogenannten Forum Shopping
        auf andere Staaten in Europa oder Amerika auszuwei-
        chen. Damit sollte dem staatlichen Interesse Rechnung
        getragen werden, deutsche Kapitalmärkte durch die in-
        ländische Justiz zu kontrollieren und eine extraterritorial
        ausgreifende Gesetzgebung anderer Staaten zu verhin-
        dern (vergleiche Gesetzesbegründung zum KapMuG,
        Bundestagsdrucksache 15/5091, Seite 17).
        II. Um zunächst Erfahrungen mit dem Musterver-
        fahren sammeln und die Auswirkungen genau beobach-
        ten zu können, trat das KapMuG am 1. November 2005
        zunächst befristet auf fünf Jahre in Kraft. Im Juli 2010
        wurde die Geltung des Gesetzes bereits einmal für zwei
        Jahre, bis zum 31. Oktober 2012, verlängert. Wie von
        Beginn an vorgesehen, wurde die Wirkung des Gesetzes
        im Jahr 2009 im Auftrag des Bundesjustizministeriums
        evaluiert. Mit der Studie beauftragt waren Professor
        Dr. Axel Halfmeier, Professor Dr. Eberhard Feess (beide
        Frankfurt School of Finance & Management) und Pro-
        fessor Dr. Peter Rott (Universität Bremen).
        19710 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 165. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. März 2012
        (A) (C)
        (D)(B)
        Der Abschlussbericht der Evaluation wurde am
        14. Oktober 2009 vorgelegt. Fazit der Studie ist, dass
        sich das KapMuG bereits nach wenigen Jahren der Test-
        phase im Grundsatz bewährt hat. Das KapMuG, so das
        wichtigste Ergebnis, stelle „ein neuartiges, aber insge-
        samt funktionsfähiges Modell der kollektiven Rechts-
        durchsetzung im Kapitalmarktrecht“ dar und solle „min-
        destens verlängert“ werden.
        Erstens. So konnten tatsächlich Anreize zur Geltend-
        machung von Ansprüchen von Kapitalanlegern geschaf-
        fen werden. Dennoch betrachtet hier die Evaluation die
        Fortschritte noch als zu gering; das Ziel einer breiten
        Geltendmachung von Streuschäden im Kapitalanlage-
        recht würde bei weitem verfehlt. Der Grund dafür wird
        darin gesehen, dass zwar eine Verbesserung im Prozess-
        kostenrisiko des Einzelnen eingetreten ist, das verblei-
        bende Risiko aber weiterhin zu hoch sei und die Erleich-
        terungen des KapMuG nicht weit genug gingen. Sicher
        lässt sich allerdings sagen, dass die bei Einführung der
        Musterverfahrensregelung befürchtete untragbare Belas-
        tung potenzieller Beklagter nicht ersichtlich ist.
        Zweitens. Nur eingeschränkt erreicht wurde eine Ent-
        lastung der Justiz. Laut Evaluationsbericht (Seite 87)
        könne eine wirklich spürbare Entlastung nur erreicht
        werden, wenn man von dem Erfordernis Abstand neh-
        men würde, dass jeder Anspruchsteller auch eine Klage
        im Sinne der §§ 253 ff. ZPO erheben muss. Auch bei den
        Möglichkeiten, ein Musterverfahren durch Vergleich ab-
        zuschließen und somit unter anderem die Gerichte zu
        entlasten, sieht der Evaluationsbericht Verbesserungsbe-
        darf (Seite 104 f.).
        Drittens. Bezüglich der Attraktivität des Justizstand-
        orts Deutschlands käme es zukünftig stärker auf eine
        Kooperation der beteiligten Justizsysteme an als auf ein
        „Abblocken“ ausländischer Verfahren, so der Bericht
        (Seite 88). Ein wirksameres und in seinen Zugangsmög-
        lichkeiten verbessertes KapMuG könne hier aber einen
        wichtigen Beitrag leisten.
        Insgesamt verweist der Evaluationsbericht immer
        wieder auf das Ergebnis der durchgeführten qualitativen
        Untersuchung, nach der Einigkeit darüber bestand, dass
        das KapMuG eine Verbesserung zum vorherigen Rechts-
        zustand darstelle (zum Beispiel Seite 88).
        Für uns Grüne bedeutet dieses Ergebnis, dass wir an
        dem Instrument des Musterklageverfahrens festhalten
        und es ausbauen wollen. Essenziell ist für uns dabei aber
        eine Fortentwicklung des Instruments unter Berücksich-
        tigung der Vorschläge des Evaluationsberichts.
        III. Der vorliegende Gesetzentwurf der Regierung
        geht diesbezüglich in die richtige Richtung. Doch reicht
        es, nach all den positiven Erfahrungen, die wir mit dem
        Gesetz in den letzten Jahren gemacht haben, nicht aus,
        einfach am alten Gesetz Nachbesserungen anzubringen.
        Hier ist mehr Mut und progressives Vorgehen gefragt.
        Erstens. So ist zu bezweifeln, dass der nun vorlie-
        gende Gesetzentwurf tatsächlich die notwendigen Er-
        leichterungen bei Eintritt in das Musterverfahren schafft,
        da eine Möglichkeit der einfachen Teilnahme am Mus-
        terverfahren vorerst nicht geschaffen wird. Hier müssen
        Nachbesserungen folgen.
        Nach wie vor muss auch jeder Anspruchssteller für
        sich Klage erheben, was keine weitere Entlastung der
        Justiz herbeiführt. Lobenswert ist, dass die Koalition mit
        verbesserten Vergleichsmöglichkeiten in Verbindung mit
        der Möglichkeit eines Ausstiegs aus dem Verfahren für
        Beteiligte, die sich einer getroffenen Vergleichsvereinba-
        rung nicht anschließen wollen, eine wichtige Verbesse-
        rung einführen will. Ob diese aber ausreichen wird, wer-
        den wir abwarten und kritisch begleiten müssen.
        Zweitens. Ganz generell empfiehlt der Evaluationsbe-
        richt eine Ausweitung des Anwendungsbereichs von
        Musterklagen auf sonstige zivilrechtliche Ansprüche und
        befürwortet ausdrücklich eine Aufnahme des Gesetzes in
        die ZPO (Seite 109). Eine solche Ausweitung – ob in der
        ZPO oder in einem eigenen Gesetz des kollektiven
        Rechtsschutzes – wird schon länger nicht mehr nur von
        uns Grünen gefordert. Bereits im Jahr 2005 hatte sich der
        Bundesrat dafür ausgesprochen (Bundestagsdrucksache
        15/5091, Seite 40), und auch die Bundesrechtsanwalts-
        kammer hält es in ihrer „Stellungnahme zum Referenten-
        entwurf eines Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes“
        vom September 2011 (BRAK-Stellungnahme-Nr. 55/2011)
        für „überdenkenswürdig“, dass der Anwendungsbereich
        des KapMuG nicht auch auf andere Fälle, etwa Fälle der
        Produkthaftung oder die Haftung für Kartellverstöße,
        ausgedehnt würde, da auch hier Bedarf bestünde. Warum
        ist die Koalition hier so zaghaft? Es gäbe nichts zu verlie-
        ren.
        Drittens. Schließlich verweist der Evaluationsbericht
        darauf, dass die defizitäre Rechtsdurchsetzung im Kapi-
        talmarktrecht nicht allein mit verfahrensrechtlichen Mit-
        teln zu ändern sein wird. Insbesondere die Beweislast-
        verteilung bei den im Anwendungsbereich des KapMuG
        stehenden Anspruchsgrundlagen sei problematisch. Mit
        dieser essenziellen Frage beschäftigt sich der vorgelegte
        Gesetzentwurf bedauerlicherweise nicht. Hier müssen
        weitere Taten folgen.
        Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
        desministerin der Justiz: Das Kapitalanleger-Musterver-
        fahren ist im Jahre 2005 unter dem Eindruck des Tele-
        kom-Verfahrens als Instrument zur Bewältigung von
        Massenklagen eingeführt worden. Der Gesetzgeber hat
        die Geltung dieses Gesetzes zunächst auf fünf, dann auf
        sieben Jahre befristet. Zugleich wurde der Bundesregie-
        rung aufgegeben, die Wirkung des Gesetzes zu eva-
        luieren, um eine fundierte Entscheidung über eine unbe-
        fristete Geltung treffen zu können. Das Ergebnis ist
        eindeutig: Wir schlagen dem Deutschen Bundestag vor,
        die bisherige Befristung aufzuheben. Denn die Evalua-
        tion ist zu dem Ergebnis gekommen, dass das KapMuG
        grundsätzlich praxistauglich ist. Allerdings ist das Ge-
        setz an einigen Stellen verbesserungsbedürftig. Wissen-
        schaft und gerichtliche Praxis sehen dies ähnlich.
        Daher wird der Anwendungsbereich gegenüber dem
        bisherigen Recht moderat erweitert und auf Rechts-
        streitigkeiten mit mittelbarem Bezug zu einer öffent-
        lichen Kapitalmarktinformation ausgedehnt. Dadurch
        Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 165. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. März 2012 19711
        (A) (C)
        (D)(B)
        können zukünftig auch Prozesse gegen Anlagevermittler
        und -berater, in denen die Richtigkeit eines Anlagepro-
        spekts streitig ist, in einem Musterverfahren gebündelt
        und einheitlich entschieden werden. Die Einbeziehung
        dieser Verfahren wird die Entlastungswirkung des
        KapMuG stärken und für eine einheitliche Entschei-
        dungspraxis der Gerichte in Kapitalanlagesachen sorgen.
        Die Justiz bedarf hier in Zeiten permanenter Finanz- und
        Bankenkrise unserer besonderen Unterstützung.
        Darüber hinaus wird der Vergleichsabschluss im
        Musterverfahren vereinfacht, um eine gebündelte gütli-
        che Beilegung von Anlegerstreitigkeiten zu fördern. Mit
        einem Vergleichsschluss können Hunderte von Aus-
        gangsverfahren erledigt werden. Dadurch wird das Mus-
        terverfahren für die Beteiligten attraktiver. Zugleich
        wird die Justiz entlastet.
        Aber auch im Vorfeld eines Musterverfahrens müssen
        wir den Zugang zum Recht für Kapitalanleger gewähr-
        leisten. Die meisten Kapitalanleger können weder auf
        eine Rechtsschutzversicherung noch auf Prozesskosten-
        hilfe zurückgreifen; sie sind daher darauf angewiesen,
        ihr Prozesskostenrisiko durch einen Zusammenschluss
        mit anderen Anlegern zu einer Streitgenossenschaft zu
        senken. Die Zivilprozessordnung gestattet es den
        Gerichten aber bisher ohne besondere Voraussetzungen,
        die gemeinsame Klage in Einzelprozesse aufzuteilen.
        Den Klägern wird damit ihr Kostenvorteil genommen.
        Der Gesetzentwurf sieht daher eine Präzisierung des
        § 145 ZPO vor, damit zukünftig eine Verfahrenstren-
        nung nur zulässig ist, wenn es dafür einen gewichtigen
        Grund gibt.
        Die einfache Teilnahme am Musterverfahren wird im
        Verlauf der parlamentarischen Beratungen sicherlich er-
        neut thematisiert werden, nachdem der Bundesrat hier
        Prüfungsbedarf angemeldet hat. Zusätzlich hat der
        Bundesrat weitere Vorschläge sowie zwei Prüfbitten for-
        muliert. Darüber werden wir in den Ausschussberatun-
        gen diskutieren. Ich begrüße aber ausdrücklich, dass der
        Bundesrat das neue KapMuG mit unbefristeter
        Geltungsdauer im Grundsatz unterstützt. In die weitere
        Debatte sollten wir im Übrigen europarechtliche As-
        pekte einbeziehen.
        Die Bundesregierung ist überzeugt, dass am Ende der
        Beratungen das neue Kapitalanleger-Musterverfahrens-
        gesetz den Kapitalanlegern einen effizienteren Rechts-
        schutz gewähren wird. Es wird daher dazu beitragen, die
        Wirksamkeit der kapitalen marktrechtlichen Regeln
        sicherzustellen. Damit wird das Vertrauen der Anleger in
        den Finanzmarktstandort Deutschland erhöht werden.
        Anlage 3
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung des Antrags: Wirksame Anreize
        für klimafreundlichere Firmenwagen (Tages-
        ordnungspunkt 14)
        Olav Gutting (CDU/CSU): Wir beraten heute einen
        Antrag der Linken, welcher in ähnlicher Ausrichtung
        jüngst von den Grünen vorgelegt wurde. Ein rotgefärbter
        Antrag der Grünen. Zwar gibt rot und grün zusammen
        gelb, aber liberal ist der Antrag dann trotzdem nicht. Im
        Gegenteil – er ist ein weiterer Beleg dafür, dass die linke
        Seite dieses Hauses offenbar nur die Gängelung der
        Menschen im Kopf hat.
        Sie wollen die steuerliche Absetzbarkeit des Aufwan-
        des für Personenkraftwagen über einem CO2-Ausstoß
        von 125 Gramm reduzieren. Zusätzlich wollen Sie die
        Besteuerung der privaten Nutzung von Firmenwagen
        – die bewährte und anerkannte 1-Prozent-Regelung – für
        Neufahrzeuge ab 2013 abändern und an der Kohlen-
        dioxidemission ausrichten. Die Fraktion Die Linke im
        grünen Gewand.
        Aber ich muss Ihnen bei aller noch folgenden Kritik
        zugutehalten, dass Ihr Antrag überraschenderweise auf
        den ersten Blick nicht ganz so populistisch geprägt ist,
        wie die bekannten Anträge der Grünen, die das gleiche
        Ziel verfolgen.
        Auf den zweiten Blick jedoch und nach genauer
        Durchsicht entpuppt sich Ihr Antrag als Trojanisches
        Pferd. Letztendlich läuft es wieder auf eine höhere Be-
        steuerung von Unternehmen und Selbständigen hinaus,
        welche hochpreisige, vor allem deutsche Firmenwagen
        anschaffen und nutzen wollen. Sie sagen es ja selber,
        wenn auch verklausuliert, in Ihrem Antrag, dass die Be-
        zieher höherer Einkommen abkassiert werden sollen.
        Dabei müssten Sie doch eigentlich wissen, dass vor
        allem die von Ihnen angeführten mobilen Pflegedienste
        zwar oft Kleinst- und Kleinwagen, aber eben häufig
        auch ältere und daher verbrauchs- und emissionsinten-
        sive Fahrzeuge fahren. Diese kleinen Unternehmen kön-
        nen sich keine neue – meist teure und spritsparende –
        Fahrzeugflotte leisten. Sie belasten also neben den klei-
        nen und mittleren Unternehmen auch deren meist nicht
        zu den Großverdienern zählenden Arbeitnehmer, welche
        aufgrund ihrer Tätigkeit das Firmenfahrzeug auch privat
        nutzen dürfen.
        Auch die Abkehr vom anerkannten Bruttolistenpreis
        als Bemessungsgrundlage ist nicht durchdacht. Große
        Unternehmen mit Massenbestellungen können viel nied-
        rigere Anschaffungskosten beim Firmenwagen aushan-
        deln als die vielen kleinen Handwerksbetriebe oder die
        kleinen mobilen Pflegedienste. Es wäre schlicht unge-
        recht, wenn diese Arbeitnehmer beim gleichen Fahrzeug
        nicht den gleichen vermögenswerten Vorteil zu versteu-
        ern hätten.
        Das System der Absetzbarkeit von Betriebsausgaben
        beim Firmenwagen mit einer ökologischen Ausrichtung
        zu versehen, widerspricht nicht nur den Grundprinzipien
        unseres Steuerrechts, sondern führt auch noch zu einer
        immensen Komplizierung. Wir aber wollen eine Verein-
        fachung des deutschen Steuerrechts und keine Verkom-
        plizierung und haben hierzu bereits mit dem Steuerver-
        einfachungsgesetz erste Schritte unternommen. Weitere
        werden folgen.
        Wir wollen nicht zwei in Anschaffungspreis und Nut-
        zungsdauer gleiche Wirtschaftsgüter nur deshalb unter-
        schiedlich behandeln, weil sie sich im CO2-Ausstoß un-
        19712 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 165. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. März 2012
        (A) (C)
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        terscheiden. Wir wollen keine ideologisch geprägte
        Ungleichbehandlung der steuerlichen Abzugsfähigkeit
        des Aufwandes zu anderen abnutzbaren Wirtschafts-
        gütern. Ungleichbehandlungen im Steuersystem führen
        meist zu Fehllenkungen und Fehlanreizen, die letztend-
        lich weder ökologisch noch wirtschaftlich sinnvoll sind.
        Kompliziert haben wir bereits, wir brauchen einfach.
        Auch bei der Abschreibung. Die Abschreibung zeichnet
        den jährlichen Wertverlust von Firmenvermögen nach.
        Dies gilt natürlich nach den jetzigen Regelungen auch
        für Firmenwagen. Das muss auch zukünftig so bleiben.
        Das System der Absetzbarkeit von Betriebsausgaben
        kann deshalb auch nicht mit einer ökologischen Ausrich-
        tung einfach abgeändert werden.
        Würde man diesem Vorschlag folgen, müsste man in
        letzter Konsequenz sämtliche Maschinen, Heizungsanla-
        gen etc. mit einem erhöhten CO2-Ausstoß und auch bei
        Gebäuden, die geltende Wärmedämmrichtwerte nicht
        einhalten, unterschiedlich bei der AfA behandeln. Eine
        vernünftige Grenze kann der Gesetzgeber hier nicht zie-
        hen. Das Einkommensteuerrecht sollten wir von solchen
        Überlegungen verschonen.
        Sie gehen auch von falschen Annahmen bzw. veralte-
        ten Zahlen aus. Die neu zugelassenen Firmenwagen kön-
        nen nicht für den von Ihnen behaupteten erhöhten durch-
        schnittlichen CO2-Ausstoß bei den neu zugelassenen
        Pkw verantwortlich sein. Das Gegenteil ist der Fall. Die
        durchschnittlichen CO2-Emissionen von Firmenwagen
        haben sich im Jahr 2011 im Vergleich zum Jahr 2010 um
        5 Prozent und damit wesentlich stärker als bei den priva-
        ten Neuzulassungen mit 2,8 Prozent reduziert.
        Die ständige Erneuerung der Firmenfahrzeugflotte
        durch die Unternehmen trägt erheblich zur Reduzierung
        der Emissionen bei. Neue Fahrzeuge sind im Vergleich
        zu ihren Vorgängern meist sparsamer und auch klima-
        freundlicher. Im Zeitraum von 2008 bis Ende 2011 konn-
        ten die CO2-Emissionen von Firmenwagen um 25,1 Gramm
        CO2 pro Kilometer gesenkt werden. Bei den Privatfahr-
        zeugen ist der CO2-Ausstoß lediglich um 17,3 Gramm
        CO2 pro Kilometer zurückgegangen.
        Es gibt im Übrigen bereits jetzt bestehende Len-
        kungselemente hin zu einem verbrauchs- und emissions-
        ärmeren Fahrzeug. Größere Kraftfahrzeuge sind in der
        Regel aufgrund des höheren Kraftstoffverbrauchs bereits
        mit einer höheren Energiesteuer, bestehend aus der Mi-
        neralöl- und Ökosteuer, belastet. Aufgrund des größeren
        Hubraums werden auch regelmäßig höhere Kfz-Steuern
        fällig. Diese Anreize wurden mit der Umstellung der
        Kfz-Steuer in eine am CO2- und Schadstoffausstoß
        orientierte Kfz-Steuer nochmal deutlich erhöht.
        Die am CO2- und Schadstoffausstoß orientierte Kfz-
        Steuer und die Energiesteuer sind die sachnäheren und
        steuersystematisch besseren Lenkungselemente als die
        von der Fraktion Die Linke gewollte CO2-basierende
        Firmenwagenbesteuerung.
        Ich warne auch davor, den Kfz-Markt mit steuerli-
        chen Verkomplizierungen und letztendlich Steuererhö-
        hungen zu verunsichern. Denn Ihr Antrag ist nichts an-
        deres als eine versteckte Steuererhöhung mit Sanktions-
        charakter.
        Sie dürfen auch nicht nur an den Fahrer des Fahrzeu-
        ges denken, sondern müssen auch die 15 bis 20 Arbeit-
        nehmer berücksichtigen, die mit dem Bau dieses Fahr-
        zeuges ihre Familien ernähren.
        Die ständigen Angriffe auf die derzeit bestehende
        Firmenwagenbesteuerung ist nichts anderes als ein An-
        griff auf die deutsche Automobilindustrie mit über
        750 000 Beschäftigten. Die Deutsche Automobilindus-
        trie investiert bereits zig Milliarden in verbrauchsarme
        und effizientere Fahrzeuge und im Übrigen auch in eine
        umweltfreundlichere Produktion. Die Fortschritte sind
        bemer-kenswert und weltweit anerkannt.
        Hören wir auf, unser Steuerrecht zu missbrauchen,
        und überlassen wir die Entscheidung über die Wahl des
        Fahrzeuges bitte den Menschen selbst. Der indirekten
        Verunglimpfung der deutschen Autobauer und der Gän-
        gelei der Autofahrer werden wir jedenfalls nicht die
        Hand reichen.
        Nicolette Kressl (SPD): In ihrem Antrag fordert die
        Fraktion Die Linke eine Ausrichtung der Firmen- und
        Dienstwagenbesteuerung an ökologischen Kriterien. Die
        Firmen- und Dienstwagenbesteuerung ist immer wieder
        Gegenstand parlamentarischer Debatten. Reformbedarf
        wird bei allen Parteien ausgemacht.
        Es kann keinen Zweifel darüber geben, dass die vom
        Verkehrssektor und insbesondere von den Personenkraft-
        wagen verursachten Emissionen reduziert werden müs-
        sen. Die in der EU-Flottenverbrauchsverordnung vorge-
        gebene schrittweise Reduzierung der Emissionswerte für
        Personenkraftwagen muss unbedingt umgesetzt werden.
        Nach Auffassung der SPD müssen dazu auch steuer-
        rechtliche Anreize zur Anschaffung verbrauchsärmerer
        Fahrzeuge geschaffen werden. Die Firmen- und Dienst-
        wagenbesteuerung muss deshalb ökologisch ausgerichtet
        werden.
        Wir dürfen es uns aber auch nicht zu einfach machen.
        Zunächst muss bei der Neuausrichtung der Firmenwa-
        genbesteuerung das im Steuerrecht geltende objektive
        Nettoprinzip beachtet werden. Betrieblich bzw. beruflich
        veranlasste Aufwendungen sind danach grundsätzlich
        von den Einnahmen abziehbar. Der Betriebs- bzw. Wer-
        bungskostenabzug kann allerdings auf die angemessenen
        Ausgaben beschränkt werden. Nach der Rechtsprechung
        des Bundesverfassungsgerichts kann der Betriebsausga-
        benabzug außerdem aufgrund von Lenkungszwecken,
        wie der Reduzierung klimaschädlicher Emissionen, ein-
        geschränkt werden. Die steuerlichen Grundprinzipien
        stehen somit einer ökologischen Ausrichtung der Fir-
        menwagenbesteuerung nicht entgegen. Die Abzugsbe-
        schränkung muss aber immer durch eine zielgenaue
        Lenkungswirkung, das heißt eine effektive Emissions-
        reduzierung, gerechtfertigt sein.
        Bei der Firmen- und Dienstwagenbesteuerung müs-
        sen über die ökologischen Gesichtspunkte hinaus auch
        noch wirtschaftliche und soziale Belange berücksichtigt
        werden.
        Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 165. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. März 2012 19713
        (A) (C)
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        Die Begrenzung des steuerlichen Betriebsausgaben-
        abzugs für Firmenwagen mit höherem Spritverbrauch
        muss so ausgestaltet werden, dass sie auch kleine Unter-
        nehmen, beispielsweise Handwerksbetriebe, nicht über-
        fordert. Die Einführung der emissionsbezogenen Be-
        schränkung des Betriebsausgabenabzugs für erstmals
        zugelassene Fahrzeuge erscheint mir ein gangbarer Weg
        zu sein. Dies würde es den Betrieben erlauben, sich bei
        ihren Neuanschaffungen an den strengeren Emissions-
        grenzen zu orientieren, und würde es ihn somit ermögli-
        chen, höhere Steuerbelastungen zu vermeiden.
        Auch bei der Dienstwagenbesteuerung müssen wir
        mit Augenmaß vorgehen und die Auswirkungen einer
        Reform auf die Dienstwagennutzer in den Blick nehmen.
        Fahrzeuge der Luxusklasse, die von Spitzenverdienern
        zum Vergnügen gefahren werden, sind die Ausnahme.
        Die Mehrheit der Dienstwagennutzer verfügt über ein
        mittleres Einkommen ist bei seiner täglichen Arbeit auf
        den Dienstwagen angewiesen. Eine emissionsabhängige
        Anhebung der Dienstwagenbesteuerung würde viele Ar-
        beitnehmerinnen und Arbeitnehmer empfindlich belas-
        ten. Diesen Aspekt berücksichtigt der Antrag der Linken
        immerhin.
        Schließlich muss die Neuausrichtung auch adminis-
        trierbar sein und darf zu keinen unverhältnismäßigen
        Bürokratiekosten führen. Durch die schrittweise Anhe-
        bung der Emissionsgrenzwerte entsteht bereits ein höhe-
        rer Verwaltungsaufwand. Im Interesse der Unternehmen,
        der Dienstwagennutzer und der Finanzämter müssen wir
        die Besteuerungsverfahren möglichst einfach ausgestal-
        ten.
        Bei der Reform der Firmen- und Dienstwagenbesteu-
        erung handelt es sich also um ein anspruchsvolles Unter-
        fangen. Wir dürfen uns dabei weder hinter den Prinzi-
        pien des Einkommensteuerrechts verstecken noch
        einseitige Interessen verfolgen. Es kommt vielmehr auf
        eine umfassende Abwägung der ökologischen Zielset-
        zung mit den wirtschaftlichen und sozialen Belangen an.
        Dr. Daniel Volk (FDP): Die FDP-Bundestagsfrak-
        tion steht für eine Umweltpolitik der Generationenge-
        rechtigkeit und der Innovation. Beim Klimaschutz ste-
        hen wir zum Ziel, die CO2-Emissionen bis 2020 um
        40 Prozent zu senken. Im Koalitionsvertrag haben wir
        uns in vielen Bereichen damit durchgesetzt, marktwirt-
        schaftliche Elemente in der Gestaltung der Umweltpoli-
        tik verstärkt anzuwenden und den Unternehmen Pla-
        nungssicherheit durch eine verlässliche Politikgestaltung
        zu geben. Wir stehen für eine vernünftige Umweltpolitik
        ohne ideologisch verblendete Flickschusterei und einsei-
        tige Belastung, wie Sie es vorschlagen.
        Ihr Antrag ist damit nicht in Einklang zu bringen, da
        er das bestehende Steuerrecht nur verkompliziert und für
        die Menschen noch unverständlicher macht. Ebenso
        durchbrechen Sie mit Ihrem Antrag eine Vielzahl von
        steuerrechtlichen Grundprinzipien, indem Sie den Be-
        schäftigten vorschreiben, welche Autos sie fahren dürfen
        und welche nicht. Sie wollen das steuerliche Nettoprin-
        zip ebenso beerdigen wie jegliche steuerpolitische Ver-
        nunft, und dabei schaffen Sie neue bürokratische Belas-
        tungen sowohl für die Unternehmen als auch für die
        Steuerzahler.
        So pluralistisch unsere Gesellschaft ist, so unter-
        schiedlich sind auch die Bedürfnisse der Menschen. Ein
        Singlehaushalt kommt sicher mit einem kleinen Auto zu-
        recht. Eine Großfamilie hingegen benötigt schon eher
        ein größeres Auto oder gar einen Kleinbus. Dass diese
        Autos dann erheblich teurer werden und so vor allem Fa-
        milien belastet werden, nehmen Sie wieder einmal billi-
        gend in Kauf. Mit uns ist eine solche Politik aber nicht
        zu machen.
        Sie verteufeln jeden Dienstwagenfahrer als Umwelt-
        sünder und vergessen dabei völlig, dass der Dienstwagen
        mittlerweile auch im normalen Arbeitnehmermittelfeld
        angekommen ist. Diese Menschen denken eher praktisch
        und bevorzugen Modelle der Mittelklasse, die sie sich
        auch leisten können und die ihren familiären Bedürfnis-
        sen entsprechen; denn die private Nutzung müssen sie
        aus eigener Tasche bezahlen.
        Zudem verkennen Sie die Leistungen einer Branche
        mit mehr als 700 000 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen
        und unzähligen Auszubildenden. Die Automobilbran-
        che hat damit einen wichtigen Anteil am deutschen Job-
        wunder.
        Im Jahr 2010 hat die deutsche Automobilindustrie
        circa 20 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung
        investiert, um das Fahren sicherer und umweltschonen-
        der zu machen. Das Ende der Entwicklung umweltscho-
        nender Fortbewegungsmöglichkeiten ist längst noch
        nicht erreicht, aber die deutsche Automobilindustrie ist
        auf einem guten Weg und weltweit in vielen Bereichen
        als Innovationsführer geschätzt. Ihr Antrag würde nicht
        nur dem Wirtschafts- und Innovationsstandort Deutsch-
        land erheblich schaden, er würde auch den Unternehmen
        dringend benötigte Liquidität entziehen.
        Für die CO2-Reduzierung gehen wir Liberale einen
        anderen Weg, zum Beispiel mit der von uns eingeleiteten
        Liberalisierung des Busfernverkehrs. Wir werden damit
        insbesondere mittelständischen Unternehmern neue
        Chancen und Wettbewerbsmöglichkeiten eröffnen. Das
        wird außerdem zu vielfältigeren Angeboten und günsti-
        geren Alternativen für die Kunden führen. Sie können
        sich künftig – ohne staatliche Bevormundung – frei zwi-
        schen Bahn und Bus entscheiden.
        Diese Öffnung im Fernbusverkehr haben wir Liberale
        angestoßen, und wir haben lange dafür gekämpft. Wir
        unterstützen mit dem Gesetz den Umstieg vom Auto
        zum Bus. Der Bus wird damit zu einer echten Alterna-
        tive zum Auto. Positive Effekte auf die vollen Autobah-
        nen und den CO2-Ausstoß sollten nur einige Folgen da-
        von sein.
        Dr. Barbara Höll (DIE LINKE): Wenn es uns in
        Deutschland gelingen soll, bis zum Jahre 2020 den CO2-
        Ausstoß um 40 Prozent gegenüber 1990 zu senken, so
        sind vielfältige Maßnahmen nötig. Die Veränderung der
        steuerlichen Behandlung der Firmenwagen ist dafür ein
        wichtiger Baustein. Gerade im Verkehrssektor steigt der
        absolute Ausstoß von Emissionen an. Firmenwagen ha-
        19714 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 165. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. März 2012
        (A) (C)
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        ben daran einen großen Anteil. Während noch 1995 der
        Anteil der Firmenwagen 38 Prozent betrug, waren es
        2008 bereits 60 Prozent, Tendenz weiter steigend.
        Somit ist es entscheidend, welche Pkw von den Fir-
        men eingekauft und gefahren werden. Bei 77 Prozent al-
        ler im Jahre 2008 neu zugelassenen Fahrzeuge lag der
        durchschnittliche Emissionswert über 200 Gramm CO2
        pro Kilometer. Diese Entwicklung ist eindeutig das Er-
        gebnis fehlerhafter steuerlicher Anreize, und diese gilt es
        zu beseitigen. Aktuell existieren keine verbindlichen Li-
        mits für den abzugsfähigen Aufwand von Firmenwagen.
        Die Kosten für diese Fehlentwicklung zahlen letztlich
        die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. So darf das nicht
        weitergehen, hier müssen wir umsteuern.
        Von uns und den Grünen liegen ja bereits Vorschläge
        auf dem Tisch, wie die Firmenwagenbesteuerung ausse-
        hen könnte. In einigen Punkten, wie zum Beispiel der
        Wirkung der Heranziehung der Anschaffungskosten
        bzw. des Listenpreises, steckt aber noch Diskussionsbe-
        darf. Offene Fragen sollten wir ausführlich und unter
        Umwelt- sowie Anreizgesichtspunkten in der Anhörung
        mit Experten und Expertinnen diskutieren und gegebe-
        nenfalls Änderungen vornehmen.
        Notwendig ist daher erstens, die Ansetzung der Kos-
        ten für einen Firmenwagen CO2-abhängig zu gestalten.
        Zweitens ist die sogenannte 1-Prozent-Regelung neu
        auszugestalten und ebenfalls vom CO2-Ausstoß abhän-
        gig zu machen. Hier müsste unserer Meinung nach eine
        Differenzierung bei der Besteuerung des geldwerten
        Vorteils stattfinden. Im Vergleich mit dem Antrag der
        Grünen haben wir bei der 1-Prozent-Regelung eine so-
        ziale Komponente eingefügt, indem wir Kleinwagen mit
        geringem CO2-Ausstoß besserstellen wollen. Denn
        Kleinwagen werden insbesondere in der mobilen Alten-
        pflege genutzt. Die Grenzwerte im Grünen-Antrag fin-
        den wir daher zu ambitioniert, denn nahezu alle derzeit
        vorhandenen Firmenwagen erfüllen nicht den zum 1. Ja-
        nuar 2013 geforderten Grenzwert. Wir müssen aufpas-
        sen, dass wir die Unternehmen nicht überfordern. Ge-
        rade im Beruf der Altenpflege, den ich ansprach, wird
        man nicht einfach so eine Erneuerung der Firmenwagen-
        flotte vornehmen können. Der dortige Firmenwagen ist
        unserer Meinung auch nicht als Privileg anzusehen, son-
        dern eher als Ausgleich für die schlechte Entlohnung.
        Meine Damen und Herren von der Koalition, geben
        Sie endlich Ihre Blockadehaltung gegenüber einer Neu-
        regelung der steuerlichen Behandlung der Firmenwagen
        auf.
        Unsere Vorschläge sind letztlich auch eine Chance für
        den Autostandort Deutschland, weil durch ihre Umset-
        zung die Nachfrage nach ökologisch verträglichen Per-
        sonenkraftwagen mit geringerem CO2-Ausstoß massiv
        steigen würde. Somit dürfte es sich auch für die Auto-
        mobilindustrie lohnen, konsequenter und schneller ge-
        nau solche Autos zu produzieren. Innovationen sind stets
        wachstumsfördernd. Schauen Sie sich nur an, wie viele
        Arbeitsplätze in den letzten Jahren in diesem Bereich
        entstanden sind.
        Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): „Dienst-
        wagenprivileg abbauen und Besteuerung CO2-effizient
        ausrichten“, so lautet der Titel des Antrags, den ich vor
        sechs Wochen für meine Fraktion eingebracht habe.
        „Wirksame Anreize für klimafreundliche Firmenwagen“ –
        so lautet der Titel Ihres Antrags. Das klingt erst mal gut.
        Ich freue mich, dass damit zumindest die Überschrift
        Ihres Antrags unserem Anliegen entspricht. Da hören die
        Gemeinsamkeiten dann allerdings auch schon auf. Denn
        wenn man sich Ihre Forderungen genau anguckt, dann
        kann man eigentlich nicht glauben, dass Sie diesen Vor-
        schlag ernst meinen. Sollte die Regierung Ihren Antrag
        tatsächlich umsetzen, dann wäre es eine Katastrophe für
        die Klimapolitik im Verkehrsbereich und dazu eine völ-
        lig absurde und unfaire Ausweitung des Dienstwagenpri-
        vilegs.
        Das Verwirrende ist: In der Begründung Ihres Antrags
        treffen Sie durchaus den Kern des Problems. Sie schrei-
        ben: „In der Europäischen Union darf der neu zugelas-
        sene Fuhrpark ab 2020 im Durchschnitt nicht mehr als
        95 Gramm CO2 pro Kilometer verbrauchen.“ Zum Ver-
        gleich: Die deutsche Neuwagenflotte ist heute mit
        151 Gramm CO2 je Kilometer noch weit von diesem
        Zielwert entfernt. Sie schreiben weiter, dass dieses Ziel
        eigentlich nicht ausreicht, und dass die Umweltverbände
        sogar einen Flottenwert von 80 Gramm im Jahr 2020
        befürworten. Auch hier sage ich: Ja, genau. Das ist auch
        unsere Position. Darauf aufbauend haben wir auch unse-
        ren Antrag geschrieben, weil wir überzeugt sind, dass
        man mit unserem Vorschlag für die Änderung der
        Dienstwagenbesteuerung das Ziel erreicht.
        Doch das, was Sie hier vorlegen, das passt vorne und
        hinten nicht zusammen. Wenn ich mir Ihren Vorschlag
        genauer anschaue, bekomme ich den Eindruck, dass Sie
        sich beim Antragschreiben auf dem Taschenrechner ver-
        tippt haben.
        Sie wollen, dass der geldwerte Vorteil, also der Pau-
        schalbetrag, den ein Angestellter versteuern muss, weil
        er von seiner Arbeitgeberin einen Dienstwagen gestellt
        bekommt, nicht mehr nach dem Listenpreis des Autos
        berechnet werden soll, sondern nach den tatsächlichen
        Anschaffungskosten. Darüber kann man reden, da durch
        die heute gültige Regelung die Anschaffung von
        Gebrauchtwagen als Dienstwagen benachteiligt wird.
        Doch dazu muss Ihnen auch klar sein: Kein Neu-
        wagen wird zum Listenpreis des Herstellers verkauft.
        Experten gehen davon aus, dass der tatsächliche Ver-
        kaufspreis von Neuwagen ungefähr 20 Prozent unter
        dem Listenpreis liegt, den der Hersteller empfiehlt. Um
        die Besteuerung des geldwerten Vorteils auf dem glei-
        chen Niveau wie heute zu halten, muss dieser Schritt
        also unbedingt mit einer Anhebung des Prozentsatzes
        bei der sogenannten 1-Prozent-Regel verbunden wer-
        den. Wenn also der tatsächliche Anschaffungspreis
        20 Prozent unter dem Listenpreis liegt, müsste man aus
        der 1-Prozent-Regel eine 1,25-Prozent-Regel machen,
        um die private Nutzung von Neuwagen genauso zu
        besteuern, wie es heute der Fall ist.
        Sie aber schlagen genau das Gegenteil vor: Sie wollen
        die 1-Prozent-Regel zu einer 0,9-Prozent-Regel machen.
        Rechnet man Ihren Vorschlag sauber zu Ende, so führt
        das zu einem absurden Ergebnis: Wer von seiner Arbeit-
        Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 165. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. März 2012 19715
        (A) (C)
        (D)(B)
        geberin einen Dienstwagen gestellt bekommt, der
        151 Gramm CO2 pro Kilometer ausstößt, der muss bis
        2020 Jahr für Jahr weniger Steuern für die Nutzung des
        Dienstwagens bezahlen als heute. 151 Gramm CO2 pro
        Kilometer, wir erinnern uns, entspricht den Durch-
        schnittsemissionen der heutigen Dienstwagenflotte. Ein
        Audi A6 etwa pustet heute so viel CO2 in die Luft.
        Meine Damen und Herren von der Linken, das ist
        ganz klarer umweltpolitischer Unsinn. Wie wollen Sie
        mit solchen Regeln erreichen, dass der durchschnittliche
        Emissionswert in acht Jahren, also 2020, bei 80 Gramm
        pro Kilometer liegt?
        Dazu ist Ihr Vorschlag natürlich auch völlig unfair.
        Schon heute genießen Dienstwagenfahrer große Privile-
        gien gegenüber ihren Kollegen, die ihren Autokauf und
        die Kosten für Sprit, Versicherung und Reparaturen von
        ihrem Nettogehalt bezahlen müssen. Denn das Mehr an
        Steuern für den geldwerten Vorteil wiegt die realen Kos-
        ten, die ein Auto verursacht, nie auf. Ihr Vorschlag führt
        also dazu, dass das Fahren eines spritfressenden Audi
        A6 dauerhaft noch stärker subventioniert würde als bis-
        her.
        Die Obleute des Finanzausschusses haben in der letz-
        ten Woche vereinbart, noch vor der Sommerpause ein
        Fachgespräch zur Besteuerung von Dienst- und Firmen-
        wagen zu veranstalten. Ich glaube, dass dieser Ent-
        schluss sehr sinnvoll war.
        Denn „Wirksame Anreize für klimafreundliche Fir-
        menwagen“ – das wollen wir auch. Ob man das mit
        Ihrem Antrag erreichen kann, darüber sollten wir uns
        dann nochmal genau unterhalten. Zur Vorbereitung emp-
        fehle ich Ihnen die Lektüre unseres Antrags zur Reform
        der Dienstwagenbesteuerung. Denn im Gegensatz zu
        Ihrem Antrag hält bei uns der Titel das, was er ver-
        spricht.
        Anlage 4
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung der Anträge:
        – Forschung und Produktentwicklung für ver-
        nachlässigte und armutsassoziierte Erkran-
        kungen stärken
        – Das Menschenrecht auf Gesundheit umset-
        zen – Zugang zu Medikamenten weltweit
        verwirklichen
        (Tagesordnungspunkt 15 a und b)
        Anette Hübinger (CDU/CSU): Wir stellen heute ein
        Thema in den Mittelpunkt unserer Debatte, dessen Aus-
        wirkungen auf die Weltbevölkerung noch immer in wei-
        ten Teilen – innerhalb und außerhalb Deutschlands – un-
        terschätzt werden. Ich spreche von den sogenannten
        tropischen und armutsassoziierten Krankheiten.
        Auf den ersten Blick haben die Schlagworte „tropisch“
        und „armutsassoziiert“ nichts mit uns zu tun. Schaut man
        aber über den eigenen – deutschen – Tellerrand hinaus,
        wird schnell deutlich: Es handelt sich um ein internatio-
        nal drängendes Problem! Mehr als 1 Milliarde Men-
        schen weltweit leiden oder sterben an Krankheiten wie
        der afrikanischen Schlafkrankheit, an Chagas, an Leish-
        maniose oder dem Dengue-Fieber, um nur vier zu nen-
        nen. In die Begrifflichkeit müssen aber auch HIV/Aids,
        Malaria und Tuberkulose mit aufgenommen werden, da
        die Forschung zum großen Teil nicht den besonderen
        Herausforderungen und Anforderungen an die Behand-
        lung der Erkrankten in Entwicklungs- und Schwellenlän-
        dern Rechnung trägt.
        Diese Krankheiten werden aber noch mit einem wei-
        teren Adjektiv in Verbindung gebracht. Man bezeichnet
        sie als vernachlässigte Krankheiten. Vernachlässigt des-
        halb, weil sich die Forschung diesen Krankheiten wenig
        widmet und weil demzufolge gar keine Medikamente,
        keine tropengeeigneten Medikamente oder keine Medi-
        kamente zu einem erschwinglichen Preis auf dem Markt
        sind. Der Grund hierfür ist die Armut der Betroffenen!
        Wo kein Geld zu verdienen ist, da halten sich die For-
        schungsanstrengungen von privaten Pharmaherstellern
        sehr in Grenzen.
        Dieser Umstand kann und darf uns nicht gleichgültig
        sein! Vielmehr sind wir aufgefordert, unser Wissen und
        unsere Fähigkeiten in den Dienst dieser Menschen zu
        stellen. Wir müssen dies aus humanitärer Verantwortung
        tun, aber auch damit diese Krankheiten und ihre Folgen
        nicht zum Entwicklungshemmnis für die Menschen und
        für die Länder, in denen sie leben, werden. Staatliches
        Engagement ist gefragt. Dieser Herausforderung stellen
        wir uns heute erneut mit unserem Antrag. Wir betreten
        damit nicht gänzliches Neuland, sondern wollen unsere
        Anstrengungen forcieren, um unserer Verantwortung für
        die globale Gesundheit auch gerecht zu werden.
        Klar ist angesichts einer solch großen Herausforde-
        rung, dass das deutsche Engagement nicht alle Probleme
        allein wird schultern können. Wir brauchen Partner. Das
        heißt, wir müssen mit anderen Ländern zusammenarbei-
        ten, wir müssen die Pharmafirmen mit ins Boot holen
        und wir müssen private Initiativen – ein prominentes
        Beispiel ist auf diesem Gebiet die Bill & Melinda Gates
        Stiftung – einbinden.
        Eine sehr interessante Kooperationsform sind die so-
        genannten Produktentwicklungspartnerschaften, abge-
        kürzt PDP. PDP sind nichtprofitorientierte Organisatio-
        nen, die Diagnostika, Impfstoffe oder Medikamente zur
        Bekämpfung von vernachlässigten und armutsassoziier-
        ten Krankheiten entwickeln und – ganz wichtig – kosten-
        günstig in Entwicklungs- und Schwellenländern zum
        Einsatz bringen. In PDP fließen privates, staatliches und
        unternehmerisches Engagement zusammen, und genau
        das wollen wir.
        Die Bundesregierung hat schon früh erkannt, dass
        dies ein sehr erfolgversprechender Weg zur Eindäm-
        mung von vernachlässigten, tropischen und armutsasso-
        ziierten Krankheiten ist und unterstützt diesen innovati-
        ven Forschungs- und Produktentwicklungsansatz. Die
        christlich-liberale Koalition begrüßt daher, dass für den
        Zeitraum von 2011 bis 2015 eine Summe in Höhe von
        20 Millionen Euro zur Verfügung gestellt wird. Um die-
        19716 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 165. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. März 2012
        (A) (C)
        (D)(B)
        sem Anliegen Nachdruck zu verleihen, haben wir den
        Titelansatz für das Jahr 2011 um weitere 2 Millionen
        Euro erhöht.
        Das Engagement der Bundesregierung zielt dabei auf
        die Medikamentenentwicklungen gegen die Afrikani-
        sche Schlafkrankheit, gegen Viszerale Leishmaniose, die
        Chagas-Krankheit und Wurmerkrankungen sowie auf
        die Entwicklung einer Diagnostikplattform für vier para-
        sitäre Erkrankungen – Afrikanische Schlafkrankheit,
        Chagas, Leishmaniose und Malaria – und auf die Ent-
        wicklung eines Malariaimpfstoffes für Schwangere.
        Ich bin mir der Tatsache bewusst, dass 22 Millionen
        Euro finanzielle Unterstützung von PDP im internationa-
        len Vergleich keine riesige Hausnummer darstellen und
        das nur ein Anfang sein kann. Aber genau das ist der
        springende Punkt. Wir befinden uns am Anfang eines
        – hoffentlich gemeinsamen – Weges.
        Deshalb war es vonseiten der Bundesregierung genau
        die richtige Entscheidung, einen abgrenzbaren und somit
        besser sichtbaren Bereich auszuwählen und dort gezielt
        Forschung zu unterstützen. Den Fokus auf die Errei-
        chung der Millenniumsentwicklungsziele 4 – Verringe-
        rung der Kindersterblichkeit – und 5 – Verringerung der
        Müttersterblichkeit – zu legen, ist somit ein guter wie
        auch wichtiger Anfang.
        Für uns als christlich-liberale Koalition ist klar: Wenn
        sich die finanzielle Unterstützung der ausgewählten
        PDPs bewährt, wollen wir den jetzigen Ansatz weiter-
        entwickeln. Für eine neue Förderrunde nach 2015 darf es
        dann auch keine Denkverbote hinsichtlich der Einbezie-
        hung von HIV/Aids und Tuberkulose geben.
        Mit unserem Antrag streben wir für die zweite För-
        derrunde, die nach meiner Meinung kommen muss, eine
        höhere Förderung an. Dafür werde ich mich einsetzen.
        Im Gegensatz zu allen Oppositionsparteien hier im
        Hause tragen wir als christlich-liberale Koalition eine
        große Verantwortung für den Bundeshaushalt. So sehr
        wir für die Bekämpfung vernachlässigter und armuts-
        assoziierter Krankheiten „brennen“, können wir dennoch
        keine Fantasiesummen fordern. Das sagen wir ehrlich.
        Aber wir sagen auch, dass auf das einmal Zugesagte
        auch Verlass sein muss.
        Das deutsche Engagement im Bereich vernachlässigte
        Krankheiten geht über PDP hinaus. Es reicht von der
        Grundlagenforschung an deutschen Universitäten über
        die deutsche Beteiligung an der europäisch-afrikani-
        schen Initiative EDCTP, European and Developing
        Countries Clinical Trials Partnership, bis hin zur Verbes-
        serung der medizinischen Versorgung vor Ort durch
        Maßnahmen unserer Entwicklungszusammenarbeit.
        Unser Antrag zielt darauf, dieses Engagement der
        Bundesregierung zu verstetigen und das deutsche Enga-
        gement im Bereich der globalen Gesundheit auszubauen.
        Dabei kommt es darauf an, ein ausgewogenes Verhältnis
        von Grundlagenforschung zu der Unterstützung von pro-
        duktorientierter Forschung sicherzustellen, wobei auch
        Forschungspartnerschaften mit Entwicklungsländern zu
        forcieren sind.
        Wir wollen, dass Förderstrategien künftig so ausge-
        richtet sind, dass erfolgversprechende Produkte konse-
        quent bis zur breiten Anwendung in der Krankenversor-
        gung entwickelt werden; denn wir wollen, dass den
        Menschen in den Entwicklungs- und Schwellenländern
        geholfen wird. Ihr Schicksal und ihre Chancen auf Ent-
        wicklung sind eng mit unserem eigenen Schicksal ver-
        bunden.
        Ich freue mich auf den politischen Diskurs über das
        Thema im Laufe des anstehenden parlamentarischen Be-
        ratungsverfahrens. Ich denke, in dem verfolgten Ziel ha-
        ben wir eine breite Übereinstimmung. Diese brauchen
        wir auch, um das Thema zukünftig noch mehr voranzu-
        bringen.
        René Röspel (SPD): Rückblickend kann festgestellt
        werden, dass die sogenannten vernachlässigten Krank-
        heiten – bzw. die Erforschung von Behandlungsmöglich-
        keiten derselben – nicht nur in der Industrie, sondern
        auch in der Politik in der Vergangenheit nur wenig Be-
        achtung gefunden haben. Umso erfreulicher ist es, dass
        sich nach vielen Jahren der Untätigkeit nun endlich die
        Politik des Themas angenommen und es im parlamenta-
        rischen Raum Berücksichtigung gefunden hat. Aller-
        dings wäre es wünschenswert, wenn das Thema auch im
        Plenum seine angemessene Wertschätzung finden
        würde: Mit Bedauern ist festzustellen, dass nicht nur am
        heutigen Tag, sondern zum wiederholten Mal die De-
        batte zu diesem Thema nicht im Plenum geführt wird,
        sondern zu Protokoll geht. Es sei an dieser Stelle die
        Frage erlaubt, ob eine echte parlamentarische Wertschät-
        zung dieses Themas – und letztlich der Respekt für die
        Menschen, die von diesen Krankheiten betroffen sind –
        nicht einen angemesseneren Umgang im Plenumsbetrieb
        erfordert?
        Der vorliegende, von den Koalitionsfraktionen einge-
        brachte Antrag verweist auf die Potenziale von Produkt-
        partnerschaften – sogenannte PDP – bei der Bekämp-
        fung der vernachlässigten Krankheiten. Leider muss mit
        Bedauern festgestellt werden, dass sich der Antrag im
        Wesentlichen auf Tatsachenbeschreibungen bzw. die
        Wiedergabe der derzeitigen Situation beschränkt. Der
        Appell nach einer Ausweitung der Förderung bzw. einer
        künftigen Fortführung derselben wird leider nicht mit
        der Forderung nach der Bereitstellung von konkreten
        Haushaltsmitteln für dieses Vorhaben unterfüttert. Zwar
        wird ein Mittelaufwuchs in den „kommenden Jahren“
        angestrebt. Allerdings wird weder der Zeithorizont noch
        die notwendige Höhe dieses Mittelaufwuchses spezifi-
        ziert. Dies ist enttäuschend, zumal man von einem An-
        trag der Legislative doch erwarten könnte, dass er an die
        Exekutive konkrete Forderungen stellt.
        Ebenfalls merkwürdig ist die Forderung, dass PDP im
        Bereich der „Diagnose oder Behandlung“ der vernach-
        lässigten Krankheiten gefördert werden sollen. Ist dies
        nicht per se Sinn und Zweck dieses Förderprogramms?
        Aber nicht nur das: Der Antrag weist noch weitere
        Forderungen auf, deren Sinnhaftigkeit sich dem geneig-
        ten Leser nur schwer erschließt. So wird etwa unter
        Punkt 10 gefordert, dass „die nationale Förderung im
        Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 165. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. März 2012 19717
        (A) (C)
        (D)(B)
        Bereich der Grundlagenforschung, präklinischen For-
        schung und der klinischen Forschung fortzusetzen“ sei.
        Droht diesen Formen der Forschung in Deutschland ein
        Ende? Und wenn ja, dann sei an dieser Stelle die (diabo-
        lische) Frage erlaubt, was denn die Alternative zu diesen
        Formen der Forschung im Gesundheitsbereich sein soll.
        Nach meinem Kenntnisstand hat es die moderne Medi-
        zin und Gesundheitsforschung bisher nicht geschafft, auf
        einem anderen Wege Behandlungsmöglichkeiten für er-
        krankte Patienten bereitzustellen.
        Weiterhin muss darauf hingewiesen werden, dass ein
        Teil des Forderungskatalogs nicht konsistent ist: So wird
        in Forderung Nr. 5 explizit darauf verwiesen, dass bei
        der Förderung von PDP ein „ausgewogenes Verhältnis
        von Grundlagenforschung“ und „produktorientierter For-
        schung“ anzustreben ist. Doch schon in Forderung Nr. 6
        findet sich der Verweis, dass bei der Unterstützung von
        PDP die „bedarfsorientierte […] Entwicklung […] von
        Medikamenten im Vordergrund“ stehen soll. Da fragt
        sich selbst der wohlgesonnene Leser „Was denn nun?“.
        Ausgewogene Grundlagenforschung oder doch eine
        schnelle und output- bzw. bedarfsorientierte Anwen-
        dungsforschung?
        Wie eine leere Hülse wirkt der in Nr. 11 gestellte Ap-
        pell, die „Wissensbasis für die Verbesserung der medizi-
        nischen Versorgung in den Schwellen- und Entwick-
        lungsländern zu verbreitern“. Stellt sich nur die Frage,
        wessen Wissensbasis verbreitert werden soll. Die uns-
        rige zu den Verhältnissen vor Ort, oder die in den Ziel-
        ländern?
        Lobend sei an dieser Stelle der Tatendrang der Forde-
        rungen Nr. 12 und 13 erwähnt. Hier wird vollmundig zu
        Capacity-Building-Maßnahmen aufgerufen. Eine solche
        Forderung lässt sich stets leicht aufstellen. Wenn man es
        jedoch ernst meint, dann muss dafür auch zusätzliches
        Geld bereitgestellt werden. Es ist fraglich, wie nachhal-
        tige und substanzielle Maßnahmen zur Steigerung der
        Forschungskapazitäten in den betroffenen Zielländern
        geschaffen werden sollen, wenn für das jährliche Ge-
        samtbudget der PDP-Förderung nur 5 Millionen Euro
        veranschlagt sind. Zudem bleibt offen, wie viel von die-
        sem Geld tatsächlich in den Zielländern ankommen soll.
        Weiterhin wäre es wünschenswert, wenn geplante Maß-
        nahmen im Bereich des Capacity Building – deren
        Wichtigkeit hier nicht infrage gestellt wird – nicht auf
        Kosten des PDP-Forschungsbudgets gehen würden. Bei-
        des, gute Forschung und nachhaltige Strukturen in den
        betroffenen Zielländern, sind nur durch adäquate Finanz-
        mittel erreichbar. Inhaltliche Qualität beruht auch in die-
        sem Fall maßgeblich auf finanzieller Quantität.
        Der Appell, die klinische Forschung der „Großen
        Drei“, also HIV/Aids, Malaria und Tuberkulose über die
        EDCTP-Initiative weiter voranzutreiben, ist redlich. Wa-
        rum setzt man sich aber vonseiten der Regierung nicht
        auf europäischer Ebene dafür ein, dass künftig auch die
        klinische Forschung für andere vernachlässigte Krank-
        heiten über dieses Finanzierungsinstrument gefördert
        wird? Es wäre doch wünschenswert, wenn die Bekämp-
        fung der vernachlässigten Krankheiten in den Entwick-
        lungsländern nicht nur eine nationale, sondern auch eine
        europäische Aufgabe wird, zumal es auf europäischer
        Ebene bereits erfolgversprechende Finanzierungsinstru-
        mente gibt.
        Unter Nr. 16 wird die Forderung nach einer künftigen
        Fortführung der PDP-Förderung von einer positiven
        Evaluation der ersten Förderrunde abhängig gemacht.
        Zwar ist es grundsätzlich zu begrüßen, dass förderpoliti-
        sches Handeln sich einer kritischen Prüfung zu stellen
        hat. Allerdings sollte man doch erwarten können, dass
        diejenigen, die die Forderung nach einer „positiven Eva-
        luation“ stellen, auch spezifizieren können, was über-
        haupt Gegenstand einer solchen Evaluation sein soll.
        Soll bei einem solchen Begutachtungsverfahren die
        Grundlagenforschung oder die anwendungsorientierte
        Entwicklung von Medikamenten im Fokus stehen? Oder
        etwa das Vergabeverfahren des BMBF selbst? In letzte-
        rem Fall wäre es zu begrüßen, wenn das Schicksal der
        PDP nicht von der Leistungsfähigkeit des Ministeriums
        und seinen Projektträgern abhängig gemacht wird. Denn
        dies wäre eine unsachgemäße Bewertung eines an sich
        positiven Ansatzes.
        In der Gesamtschau wird deutlich, dass der vorlie-
        gende Antrag einer grundlegenden Überarbeitung be-
        darf. Eine vernünftige und nachhaltige Förderpolitik für
        PDP braucht ein klares Bekenntnis der Politik, welches
        sich auch in der Bereitstellung adäquater Haushaltsmittel
        widerspiegelt. Wenn die Exekutive es nicht vermag,
        diese Mittel in angemessenem Maße bereitzustellen,
        dann muss es die Aufgabe des Parlamentes mit seiner
        Haushaltshoheit sein, dies mit Nachdruck einzufordern.
        Leider vermag der vorliegende Antrag der Koalitions-
        fraktionen dies nicht. Deshalb werden wir nicht zustim-
        men.
        Dr. Peter Röhlinger (FDP): Wir sprechen heute
        über zwei Anträge, bei denen ich viel Übereinstimmung
        erkenne. Das ist gerade bei diesem Thema außerordent-
        lich erfreulich. Es gibt Übereinstimmung bei den Zie-
        len: In beiden Anträgen geht es darum, die Millen-
        niumsentwicklungsziele im Auge zu behalten und sich
        ihnen anzunähern. Es gibt Übereinstimmung in der
        Beurteilung des Istzustandes: Beide Anträge konstatie-
        ren, dass die Krankheiten, um die es hier geht, durch
        Armut verursacht werden und ihrerseits wiederum die
        Ursache für Armut sind. Die Krankheiten sind teilweise
        behandelbar und wären in vielen Fällen vermeidbar,
        wenn, ja wenn die Lebensumstände der betroffenen
        Menschen andere wären. Beide Anträge beleuchten
        auch das Problem der sogenannten Großen Drei, HIV/
        Aids, Malaria und Tuberkulose, die von der Welt-
        gesundheitsorganisation nicht zu den 17 vernachlässig-
        ten Tropenkrankheiten gezählt werden, die aber ohne
        Zweifel armutsassoziiert sind und gerade in Schwellen-
        und Entwicklungsländern sehr oft tödlich verlaufen.
        Selbst bei den vorgeschlagenen Maßnahmen gibt es viel
        Übereinstimmung: Es gilt, Forschungs- und Versor-
        gungslücken zu schließen, und dazu können Produktent-
        wicklungspartnerschaften, PDP, beitragen.
        Ich freue mich sehr darüber, dass auch im Antrag der
        Opposition die Förderung von Produktentwicklungspart-
        19718 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 165. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. März 2012
        (A) (C)
        (D)(B)
        nerschaften eine große Rolle spielt und dass dieses neue
        Instrument bei den Forderungen der Grünen gleich an
        erster Stelle platziert ist. Wir Koalitionsfraktionen stel-
        len für den ersten Förderzeitraum 20 Millionen Euro für
        PDP zur Verfügung. Die Grünen fordern 100 Millionen
        Euro – aber dafür sind sie ja auch in der Opposition und
        müssen nicht sagen, woher das Geld kommen soll.
        Umso erfreulicher ist, finde ich, dass die Bundes-
        regierung sich bereits für drei Organisationen entschie-
        den hat, die PDP organisieren und dafür Förderung
        erhalten sollen, nämlich für die Drugs for Neglected
        Diseases, DNDi – diese Organisation entwickelt Medi-
        kamente gegen die Afrikanische Schlafkrankheit, Vis-
        zerale Leishmaniose, die Chagas-Krankheit und gegen
        Wurmerkrankungen –, die Foundation for Innovative
        New Diagnostics, FIND – hier wird eine Diagnoseplatt-
        form für die vier parasitären Erkrankungen Afrikanische
        Schlafkrankheit, Chagas, Leishmaniose und Malaria ent-
        wickelt – und die European Vaccine Initiative, EVI –
        diese Initiative entwickelt einen Malariaimpfstoff für
        Schwangere. Wenn diese Ansätze erfolgreich sind, wer-
        den in absehbarer Zeit Medikamente und Impfstoffe für
        die Betroffenen nicht nur zur Verfügung stehen, sondern
        auch erreichbar und zugänglich sein. Das wäre ein gro-
        ßer Schritt in die richtige Richtung.
        Es soll nicht verschwiegen werden, dass es natürlich
        auch ein paar Unterschiede zwischen dem Antrag der
        Koalitionsfraktionen und dem Antrag der Grünen gibt. Das
        zeigt sich schon in den Überschriften. Bei den Grünen geht
        es um die ganz großen Ziele, das Menschenrecht auf
        Gesundheit und den weltweiten Zugang zu Medikamen-
        ten. Da kommt unser Anliegen sehr viel bescheidener
        daher: Wir fangen klein an und wollen – nur – Forschung
        und Produktentwicklung für vernachlässigte und armuts-
        assoziierte Erkrankungen stärken. Damit haben wir aber
        bereits angefangen, und wir haben für verschiedene
        Maßnahmen die Mittel auch bereitgestellt. Es könnte
        sein, dass das für die betroffenen Menschen in den Ent-
        wicklungs- und Schwellenländern ein nicht unerheb-
        licher Unterschied, ja sogar der entscheidende Vorteil ist.
        Es stimmt, dass die Armen dieser Welt nur über
        geringe Kaufkraft verfügen und deshalb für die Pharma-
        industrie keinen besonders interessanten Markt darstel-
        len. Die Grünen meinen, da müssten Zwangsmaßnah-
        men ergriffen werden, die allerdings – das sehen sie
        durchaus realistisch – schwer durchsetzbar seien. Wir
        Liberalen sind da pragmatisch. Wir sind der Meinung:
        Wenn die Pharmaindustrie sich auf Medikamente kon-
        zentriert, mit denen sich Gewinne erzielen lassen, ist das
        nicht irgendwie verwerflich, sondern das ist marktwirt-
        schaftlich erfolgreiches Handeln.
        Wenn wir Politiker erreichen wollen, dass auch ver-
        nachlässigte Krankheiten erforscht und Behandlungen
        ermöglicht werden, wo keine Gewinne zu erwarten sind,
        dann müssen wir Anreize schaffen. Das BMBF schafft
        solche Anreize, indem es die Entwicklung von Produk-
        ten zur Prävention, Diagnose und Behandlung von ver-
        nachlässigten und armutsassoziierten Krankheiten för-
        dert und unterstützt – mit bis zu 28 Millionen Euro in
        den Jahren 2011 bis 2014.
        Wenn Sie meinen, dass das viel zu wenig ist, haben
        Sie sicher recht. Aber wir haben leider nicht die Mög-
        lichkeit, alles zu finanzieren, was erforderlich und wün-
        schenswert wäre. Dass die Bundesregierung in diesen
        Zeiten dennoch so viel Geld lockermacht, um kranken
        Menschen in armen Ländern zu helfen, verdient Aner-
        kennung.
        Wir glauben nicht, dass Zwangsmaßnahmen zum
        Erfolg führen. Die Politik ist für die politischen Ziele
        zuständig. Und wenn die Bundesregierung ein Förder-
        programm startet, um ihre politischen Ziele zu verfolgen
        und in diesem Fall die Bekämpfung von vernachlässig-
        ten und armutsassoziierten Krankheiten zu unterstützen,
        dann finden wir das richtig und leisten als Abgeordnete
        unseren Beitrag dazu, dass die ergriffenen Maßnahmen
        zum Erfolg führen. Deshalb möchte ich bis in die Reihen
        der Grünen hinein dafür werben, den Antrag der Koali-
        tionsfraktionen zu unterstützen.
        Dr. Petra Sitte (DIE LINKE): Die Koalition hat ge-
        kreißt und einen Zwerg geboren. Den „Forschungszwerg
        Deutschland“ nämlich. So bezeichnet die Organisation
        „Ärzte ohne Grenzen“ unser Land nach einer Analyse
        der deutschen Forschungsförderung zu vernachlässigten
        und armutsbedingten Krankheiten.
        Die Bundesregierung hat sich in den vergangenen
        Jahren zaghaft diesem Thema genähert und eine erste
        Initiative etwa zur Förderung von Produktentwicklungs-
        partnerschaften mit NGOs und Industrie gestartet. Lang
        hat es gedauert, und ohne den Druck von uns und den
        anderen Oppositionsfraktionen wäre wohl gar nichts
        passiert. Diese begonnenen Maßnahmen sollen nun, so
        der Koalitionsantrag, verstetigt werden. Das ist gut und
        unterstützenswert, reicht aber angesichts der Problemdi-
        mension längst nicht aus.
        Der Forschungsreport von „Ärzte ohne Grenzen“
        kommt denn auch in seiner Analyse zu einem ernüch-
        ternden Ergebnis, ich zitiere:
        Die Steigerung der Mittel ist zunächst einmal
        durchaus erfreulich, jedoch belegt sie leider keinen
        Politikwechsel. Sie liegen lediglich im Rahmen der
        derzeitigen Wachstumsraten der Forschungsaus-
        gaben in Deutschland.
        Diese Einschätzung lässt sich an Beispielen verdeutli-
        chen.
        Die neue Förderung für die Produktentwicklungspart-
        nerschaften etwa haben wir Linke immer unterstützt.
        „Ärzte ohne Grenzen“ lobt sie ebenfalls, stellt die
        22 Millionen Euro für vier Jahre bis 2014 aber auch ins
        Verhältnis zu den 70 Millionen Euro, die etwa die Nie-
        derlande für diesen Zeitraum zur Verfügung stellen.
        Für die Tuberkuloseforschung gab Deutschland 2009
        inklusive der EU-Mittel etwa 15 Millionen Euro aus, die
        USA hingegen 181 Millionen, Großbritannien immer
        noch 33,2 Millionen.
        Der deutsche Beitrag zur Bekämpfung vernachlässig-
        ter Krankheiten steht in keinem Verhältnis zu unserer
        Wirtschaftskraft. Selbst das Niedrigsteuerland USA
        Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 165. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. März 2012 19719
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        wendet gemessen am Bruttoinlandsprodukt zehnmal
        mehr auf! Vom europäischen Ziel, bis 2015 0,7 Prozent
        des BIP zur Förderung der Entwicklungszusammenar-
        beit auszugeben, ist unser Land weit entfernt.
        Auch bei den nichtmonetären Maßnahmen bleibt die
        Koalition hinter dem Notwendigen zurück. Zum Um-
        gang mit Patenten und anderen Wissensgütern, die in der
        Forschung erarbeitet werden, finden wir keine Aussage
        im Koalitionsantrag. Meine Fraktion hat vorgeschlagen,
        internationale Patentpools zu unterstützen sowie eine
        gerechte Lizenzpolitik zur verbindlichen Voraussetzung
        einer öffentlichen Förderung zu machen. Wir haben Sie
        aufgefordert, EU-Handelsabkommen wie etwa ACTA
        oder das EU-Indien-Abkommen nicht zu unterzeichnen,
        wenn der Zugang zu Medikamenten dadurch beeinträch-
        tigt werden könnte. Leider steht diese Regierung weiter
        zu ACTA.
        Wir wollen ärmere Länder beim Aufbau einer eigenen
        Generikaproduktion unterstützen. Auch zu dieser Frage
        haben Sie leider keine Antwort gegeben.
        So sehr ich das Engagement einzelner Kolleginnen,
        etwa von Frau Hübinger, auch schätze: diese Koalition
        tut nicht genug, um ihren Anteil zur Bekämpfung ver-
        nachlässigter und armutsbedingter Krankheiten beizutra-
        gen. Wir werden Ihren Antrag nicht ablehnen, aber um
        vom Forschungszwerg zum Forschungsriesen zu wer-
        den, müssen Sie nicht nur Schwerpünktchen, sondern ei-
        nen echten Schwerpunkt setzen.
        Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das
        Recht auf Gesundheit ist ein Menschenrecht. Dennoch
        haben etwa 1,7 Milliarden Menschen keinen Zugang zu
        essenziellen Medikamenten.
        Krankheiten haben ernstzunehmende sozioökonomische
        Auswirkungen und blockieren eine positive gesellschaftli-
        che Transformation. Einerseits sind viele Krankheiten in
        Entwicklungs- und Schwellenländern armutsbedingt, an-
        dererseits fördern Krankheiten Armut, die nicht nur die
        Erkrankten und deren Familien trifft, sondern gesamtge-
        sellschaftliche negative Auswirkungen hat.
        Diese Erkenntnis ist zwar ziemlich banal – es hat aber
        in der Entwicklungspolitik sehr lange Zeit gebraucht, bis
        diese so erkannt und konkret verankert wurde. Erst im
        Jahr 2000 wurde das Gesundheitsproblem durch die
        Millenniumsentwicklungsziele als eine zentrale Größe
        der Entwicklungszusammenarbeit definiert. Jetzt stellt
        sich die Frage, ob wir auch wirklich das Mögliche in
        unserem Wirkungskreis tun, um dem berechtigten Ge-
        sundheitsbedürfnis der Menschen in Entwicklungslän-
        dern gerecht zu werden. Bei der Versorgung mit medizi-
        nischen Produkten gibt es mehrere Problembereiche, die
        wir in unserem Verantwortungsbereich hier in Deutsch-
        land und Europa lösen müssen. Ich möchte an dieser
        Stelle vor allem zwei Aspekte herausgreifen.
        Um den Zugang zu den notwendigen Präventions-
        mitteln, Impfstoffen, Diagnostika und Medikamenten
        wesentlich zu verbessern, muss sowohl die Forschungs-
        als auch die Versorgungslücke weitgehend geschlossen
        werden. Das heißt, dass wir einerseits die Forschungs-
        agenda an den Bedürfnissen der Menschen in Ländern
        des Südens ausrichten müssen und die öffentliche For-
        schungsförderung für vernachlässigte und armutsbe-
        dingte Krankheiten auf nationaler wie auf europäischer
        Ebene deutlich ausbauen und neue Forschungsförde-
        rungsmechanismen prüfen und implementieren müssen.
        Andererseits müssen wir die Versorgung der armen
        Bevölkerung mit bereits existierenden medizinischen
        Produkten ermöglichen. Der Gesundheitsbereich ist aber
        ein von Gewinnstreben dominierter Billionenmarkt.
        Hohe Medikamentenpreise schließen viele Menschen in
        Entwicklungsländern vom Zugang aus. Besonders im
        Umgang mit geistigem Eigentum brauchen wir ein
        Umdenken und eine faire Lizenzpolitik. Die Hälfte der
        Gelder im Bereich der medizinischen Forschung kommt
        weltweit aus staatlichen Mitteln. Hieraus ergibt sich eine
        klare gesellschaftliche Verantwortung, die wir nicht
        weiter ignorieren dürfen. Öffentlich finanzierte For-
        schungsförderung muss zukünftig mit sozialen Kriterien
        verknüpft werden, um im Sinne einer gerechten Lizenz-
        politik auch Menschen in ärmeren Ländern erleichterten
        Zugang zu Medikamenten, Impfstoffen und anderen
        medizinischen Produkten zu ermöglichen.
        Wir müssen auch endlich zu einer kohärenten Politik
        im Gesundheitsbereich kommen. Es ist aber völlig inko-
        härent, wenn wir einerseits versuchen, vor allem in der
        Entwicklungszusammenarbeit das Menschenrecht auf
        Gesundheit zu verwirklichen, und gleichzeitig über bila-
        terale Freihandelsverträge alles getan wird, die Privile-
        gien der Pharmaindustrie nicht nur zu erhalten, sondern
        sogar mit den sogenannten TRIPS-Plus-Bestimmungen
        auszuweiten. Diese gehen über die international verein-
        barten Standards zu geistigem Eigentum hinaus und
        schränken gravierend die Schutzklauseln ein. Dies ist
        nicht nur inkohärent, sondern eine Missachtung des
        Menschenrechts auf Gesundheit.
        In unserem Antrag versuchen wir, gerade diese
        Punkte aufzuzeigen, und stellen entsprechende Forde-
        rungen. Der Antrag der Koalition enthält zwar viele gute
        Forderungen, die wir selbstverständlich auch unterstüt-
        zen. Aber ein Problem gibt es mit Ihrem Antrag: Er ist
        nicht ganz glaubwürdig. Wenn Sie es aber ernst mit den
        17 Forderungen meinten, dann würden Sie auch klar sa-
        gen, dass diese nicht umsonst zu erhalten sind. Ich sehe
        keine einzige konkrete finanzielle Forderung in Ihrem
        Papier. Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit sind in der
        Entwicklungspolitik aber nun mal zentrale Elemente.
        Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
        desministerin für Bildung und Forschung: Wir beraten
        heute zwei Anträge, die sich demselben Ziel widmen:
        dem Kampf gegen armutsassoziierte und vernachlässigte
        Erkrankungen. Ich freue mich besonders, dass beide
        Anträge anerkennen, dass unsere Politik eine Basis ge-
        schaffen hat, auf der aufgebaut werden kann und die es
        weiterzuentwickeln gilt.
        Mit dem Förderkonzept für vernachlässigte und ar-
        mutsassoziierte Erkrankungen und der Verankerung im
        Gesundheitsforschungsprogramm hat diese Bundesre-
        gierung zum ersten Mal Forschung für die Gesundheit
        19720 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 165. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. März 2012
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        der Ärmsten in der Welt zum Regierungsziel erhoben.
        Die Elemente des Forschungskonzepts sind erstens Stär-
        kung der relevanten nationalen Forschung, zweitens ein
        substanzieller Beitrag zur Entwicklung dringend benö-
        tigter Diagnostika, Impfstoffe und Medikamente und
        drittens Unterstützung von qualitativ hochwertiger und
        wettbewerbsfähiger Gesundheitsforschung in den Ent-
        wicklungsländern selbst.
        Armutsassoziierte und vernachlässigte Erkrankungen –
        das sind zwei Kategorien, die immer im selben Atemzug
        genannt werden, aber doch Unterschiede aufweisen.
        Armut schränkt den Zugang zu Gesundheitsleistungen
        dramatisch ein. Das gilt weltweit, nicht nur in Entwick-
        lungsländern. Deshalb sind die „Großen Drei“ – HIV/
        Aids, Tuberkulose und Malaria – immer noch tödliche
        Seuchen und bleiben große Herausforderungen, trotz ih-
        rer relativen Behandelbarkeit und trotz beträchtlicher
        Forschungsmittel, die zu ihrer Bekämpfung aufgewandt
        werden. Dagegen sind Krankheiten wie viele Wurm-
        erkrankungen, Dengue-Fieber oder die Chagas-Krank-
        heit tatsächlich vernachlässigt. Für ihre Behandlung feh-
        len häufig adäquate Behandlungsmöglichkeiten, und
        Forschung findet wegen mangelnder Relevanz für die
        entwickelten Länder nicht oder kaum statt.
        In unserem Förderkonzept differenzieren wir deshalb
        auch zwischen den „Großen Drei“ und den „vernachläs-
        sigten“ Krankheiten. Forschung zu den „Großen Drei“,
        vor allem zu HIV und TB, unterstützt die Bundesregie-
        rung seit langem. Mit dem geplanten Deutschen Zen-
        trum für Infektionskrankheiten werden wir hier ein
        neues Kapitel aufschlagen. Das Zentrum wird voraus-
        sichtlich Ende des Monats seine letzte Evaluation durch-
        laufen haben. Es setzt seinen Schwerpunkt gerade in die
        Erforschung von HIV, TB und Malaria im Armutskon-
        text. Wir vereinen hier die namhaftesten deutschen uni-
        versitären und außeruniversitären Forschungsstandorte.
        So sorgen wir dafür, dass der Transfer von Forschungs-
        ergebnissen zum Nutzen für die Patienten beschleunigt
        wird. Partnerinstitutionen des Deutschen Zentrums für
        Infektionskrankheiten, zum Beispiel in Tansania, Bur-
        kina Faso oder Gabun, garantieren, dass auch die Ent-
        wicklungsländer unmittelbar an der Forschung partizi-
        pieren können.
        Der Kampf gegen HIV, TB und Malaria steht im Fo-
        kus eines weiteren wichtigen Elementes unseres Förder-
        konzepts. Das ist der deutsche Beitrag zur EDCTP, der
        European and Developing Countries Clinical Trials Part-
        nership. EDCTP ist ein Erfolgsmodell für die klinische
        Forschung in und mit Entwicklungsländern. Vor allem
        ist es ein Erfolgsmodell für eine wirkliche partnerschaft-
        liche Zusammenarbeit von Forschern aus armen mit For-
        schern aus reichen Ländern.
        Deutschland war maßgeblich an der Gründung von
        EDCTP im Jahre 2003 beteiligt. Unser stetes Bekenntnis
        zu EDCTP hat dieser wertvollen Initiative über die ers-
        ten schweren Jahre geholfen. Wir werden uns mit aller
        Kraft dafür einsetzen, dass EDCTP im neuen europäi-
        schen Programm für Forschung und Innovation eine
        wichtige Rolle spielt. EDCTP II wird – so sieht es nach
        heutigem Planungsstand aus – mit deutlich mehr Geld
        die klinische Entwicklung von Medikamenten und Impf-
        stoffen gegen die „Großen Drei“ weiter vorantreiben.
        EDCTP II wird aber auch seine Erfahrung und seine Ka-
        pazitäten zukünftig dem Kampf gegen andere vernach-
        lässigte Erkrankungen zur Verfügung stellen. Eine Ihrer
        Forderungen, liebe Kolleginnen und Kollegen von
        Bündnis 90/Die Grünen, haben wir also bereits erfüllen
        können.
        Zum ersten Mal geht eine Bundesregierung auch den
        Kampf gegen die „echten“ vernachlässigten Erkrankun-
        gen, wie etwa Flussblindheit, Afrikanische Schlafkrank-
        heit oder Leishmaniose, programmatisch und gezielt an.
        Wir haben hier die nationale Forschungsförderung er-
        heblich intensiviert. Vor allem haben wir mit der ersten
        großvolumigen Unterstützung von Produktentwick-
        lungspartnerschaften oder PDP klare Zeichen gesetzt. In
        einem qualitätsgesicherten Verfahren wurden zunächst
        20 Millionen Euro für vier Jahre zur Verfügung gestellt.
        Wenn jetzt Forderungen erhoben werden, sofort erheb-
        lich mehr Mittel bereitzustellen, dann sage ich: Gemach!
        Erst einmal müssen wir Erfahrungen mit dieser für uns
        neuen Förderlinie sammeln. Dann werden wir entschei-
        den, wie viele zusätzliche Mittel für welche PDP inves-
        tiert werden müssen. Wir beraten uns mit anderen wich-
        tigen Förderern, wie der Bill & Melinda Gates Stiftung
        oder anderen Geberländern, im Rahmen der multilatera-
        len PDP-Funders Group oder bilateral mit den Gebern,
        die eine ähnliche Förderpolitik wie wir verfolgen, wie
        zum Beispiel den Niederlanden. Eins aber ist jetzt schon
        sicher: Auch mit den von Bündnis 90/Die Grünen gefor-
        derten 100 Millionen Euro würden wir nicht großflächig
        alle Produktentwicklungspartnerschaften unterstützten
        können. Wir müssen gezielt dort ansetzen, wo wir mit
        unserer Unterstützung den größtmöglichen Nutzen erzie-
        len können. Eine Vorfestlegung schon jetzt auf Krank-
        heiten oder bestimmte Produkte hilft nicht weiter.
        Investitionen in Forschung in den Entwicklungslän-
        dern sind der Schlüssel für eine nachhaltige Hilfe zur
        Selbsthilfe. Wenn wir dabei helfen, in den armen Län-
        dern wettbewerbsfähige Forschungsstrukturen der Bio-
        medizin aufzubauen, wenn wir weiter dabei helfen, For-
        schung besser in die Ausbildung von Ärzten und
        medizinischen Fachberufen zu integrieren, wenn wir uns
        dafür einsetzen, die Forschung direkt und schnell nutz-
        bar für die Versorgung vor Ort zu machen, erst dann ver-
        folgen wir einen ganzheitlichen Ansatz. Genau dies wer-
        den wir mit der geplanten Förderung von sogenannten
        Gesundheitsforschungsnetzen in Subsahara-Afrika tun.
        Wir haben dieses neue Element unseres Förderkonzepts
        mit internationalen Stakeholdern beraten. Alle deutschen
        Förderorganisationen sind eingeladen, hier mitzuma-
        chen. In Kürze werden wir mit afrikanischen Organisa-
        tionen und Institutionen die wichtigsten Bedürfnisse vor
        Ort herausarbeiten. Unsere Förderung wird 2013 begin-
        nen. Wir planen, ab 2014 hierzu bis zu 10 Millionen
        Euro jährlich zur Verfügung zu stellen.
        Die Bundesregierung hat in recht kurzer Zeit viel be-
        wirkt. Forschung für armutsbedingte und vernachläs-
        sigte Erkrankungen ist – im Gegensatz zu früher – kein
        unbeschriebenes Blatt mehr in der deutschen For-
        schungspolitik. Wir können uns, auch international, mit
        Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 165. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. März 2012 19721
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        dem sehen lassen, was wir bewirkt haben. Auf diesem
        Weg werden wir weitergehen, und zwar gemeinsam und
        auf Augenhöhe mit unseren Partnern in den betroffenen
        Ländern.
        Deutschland ist im Hinblick auf seine Gesundheits-
        versorgung eines der privilegiertesten Länder der Welt.
        Deshalb ist es uns Verpflichtung, einen substanziellen
        und nachhaltigen Beitrag für diejenigen zu leisten, für
        deren Krankheiten aufgrund von Armut bis heute oft we-
        der Diagnostika noch Therapieverfahren zur Verfügung
        stehen. Forschung ist dafür der beste Weg.
        Anlage 5
        Zu Protokoll gegebene Rede
        zur Beratung der Beschlussempfehlung und des
        Berichts zu dem Antrag: Für eine Strategie zur
        europäischen Integration der Länder des westli-
        chen Balkans (Tagesordnungspunkt 16)
        Sevim Dağdelen (DIE LINKE): Vor fast genau
        13 Jahren haben Sie dem völkerrechtswidrigen Angriffs-
        krieg auf Jugoslawien ihre Zustimmung gegeben. Da-
        mals haben Sie Ihre Zustimmung zum Krieg sogar perfi-
        derweise mit der Gefahr eines „neuen Auschwitz“
        begründet. Das war unerträglich und widerlich. In Ihrem
        nun zur europäischen Integration der daraus hervorge-
        gangenen Länder und Entitäten vorgelegten Antrag for-
        dern Sie – nur von Serbien, wohlgemerkt – eine weitere
        „Auseinandersetzung mit dem Zerfall Jugoslawiens“.
        Vielleicht sollten Sie sich selbst einmal damit auseinan-
        dersetzen, was Sie mit Ihrer Zustimmung zum NATO-
        Bombardement auf Jugoslawien zu diesem „Zerfall“ bei-
        getragen haben. Und vielleicht sollten Sie sich auch ein-
        mal damit auseinandersetzen, was Ihre Politik der Unter-
        stützung von Rebellen- und Separatistenbewegungen je
        nach Interessenlage für Folgen hat. Sie von den Grünen,
        besonders Frau Beck, sehen keine deutsche Verantwor-
        tung, keine Schuld. Sie sehen keinen Zusammenhang
        zwischen der deutschen Anerkennungspolitik gegenüber
        Kroatien und Slowenien, dem NATO-Überfall auf Jugo-
        slawien und der Herauslösung des Kosovo und den an-
        schließenden Konflikten in Mazedonien, Bosnien und
        Herzegowina, dem Georgien-Krieg 2008 und den Kon-
        flikten im Südkaukasus, die kurz vor der Explosion ste-
        hen. In Ihrem Antrag fordern Sie, meine Damen und
        Herren der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, auf dem
        Balkan noch genau eine Grenze zu ziehen. Dieser
        Grenzposten zwischen Serbien und dem Kosovo wird
        gerade alltäglich von deutschen Soldaten und Polizisten
        gegen den Widerstand der im Norden des Kosovo ansäs-
        sigen Bevölkerung durchgesetzt. Es kommt Tränengas
        zum Einsatz, und manchmal wird scharf geschossen. Sie
        fordern in Ihrem Antrag, dass diese Grenze völkerrechts-
        widrig auch von den Staaten der EU anerkannt wird, die
        aufgrund eigener sezessionistischer Bestrebungen wis-
        sen, was das bedeutet. Das ist eine im wahren Sinne des
        Wortes imperialistische Politik. Diese Art des Rechtsni-
        hilismus in der internationalen Politik legt die Axt an die
        Wurzel des friedlichen Zusammenlebens weltweit. Das
        müssen Sie endlich einmal einsehen. Ich fordere Sie auf:
        Kehren Sie endlich um auf diesem Weg! Kehren Sie zu-
        rück zum Völkerrecht! Es ist beinahe traurig, dass nur
        noch die Linke im Bundestag als einzige Fraktion für
        eine völkerrechtskonforme Außenpolitik steht.
        Diese Politik der neuen Grenzziehungen setzt sich bei
        Ihnen gerade so in Afrika fort – und hat auch dort
        schreckliche Folgen. Sie erkennen keinen Zusammen-
        hang zwischen der Zerschlagung Jugoslawiens und den
        zunehmend sezessionistischen Bestrebungen der SPLM/A
        im Sudan. Ihre Kollegin im EP, Franziska Brantner, ließ
        sich vor diesem Hintergrund zu der Aussage hinreißen,
        man solle doch einmal die alten Kolonialgrenzen in
        Afrika „überdenken“. Sehen Sie denn nicht die Folgen
        dieser Politik? Afrika erlebt eine neue Welle gewaltsa-
        mer Sezessionsbestrebungen, in Somalia wurde ein
        neuer Staat Khatumo ausgerufen; infolge des Libyen-
        Krieges wollen Tuareg-Kämpfer das Azawad von Mali
        abtrennen. Die Rebellen in Libyen selbst, die Sie unter-
        stützt und anerkannt haben wollten, haben vor wenigen
        Tagen die Unabhängigkeit der Cyrenaika erklärt, und ge-
        genwärtig eskalieren auch wieder die Kämpfe zwischen
        der senegalesischen Armee und den Casamance-Rebel-
        len.
        Die EU-Außenpolitik nutzt diese Instabilität, indem
        sie wahlweise mit Rebellen, Sezessionisten oder Dikta-
        toren zusammenarbeitet, um möglichst billig an Roh-
        stoffe heranzukommen. Sie, meine Damen und Herren
        von den Grünen, laufen ihr dabei applaudierend und von
        Menschenrechten faselnd hinterher. Entsprechend stili-
        sieren Sie in Ihrem Antrag auch die EU zur „historischen
        Errungenschaft“ und fordern deren weiteren Umbau
        nach den Prinzipien des Imperialismus: Die Beitrittsstaa-
        ten – allen voran wird immer Serbien genannt – sollen
        Kriterien erfüllen, die innerhalb der EU längst für obso-
        let erklärt worden sind. Sie fordern „erhebliche Anstren-
        gungen“ zur „wirtschaftlichen Transformation“ und
        schweigen zu den gesellschaftlichen Zerwürfnissen, die
        diese neoliberalen Reformprogramme mit sich bringen.
        Selbst wenn die Staaten des westlichen Balkans eines
        Tages in die EU aufgenommen werden sollten, sollen sie
        nicht dieselben Rechte haben wie die alten, „zentralen“
        Staaten der EU. Sie sollen weitere Beitritte nicht „blo-
        ckieren“ dürfen. Die Linke lehnt eine solche Politik der
        doppelten Standards ab.
        In Wirklichkeit zielt Ihr Antrag darauf ab, diese mili-
        tärisch herbeigebombten Kleinstaaten dauerhaft als voll-
        wertige Mitglieder aus der EU herauszuhalten. Die vor-
        geschlagenen Maßnahmen zur Verhinderung von „Un-
        gleichzeitigkeiten der Länder bei der Annäherung“, ge-
        meinsame „Übergangsregelungen“, werden ein willkom-
        menes Werkzeug sein, diese Staaten – auch bei Erfüllung
        aller Kriterien – in einer peripheren Partnerschaft außen
        vor zu lassen. Auch aus diesem Grund lehnt die Linke
        den vorgelegten Antrag ab.
        Eine friedliche und solidarische Außenpolitik ist in
        Deutschland möglich.
        165. Sitzung
        Inhaltsverzeichnis
        TOP 3Gleichstellungspolitik
        TOP 4Energiewende
        TOP 31Überweisungen im vereinfachten Verfahren
        TOP 32Abschließende Beratungen ohne Aussprache
        ZP 2Wahl zum Deutschen Ethikrat
        ZP 3Aktuelle Stunde zu Zivilcourage gegen Nazis
        TOP 5Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz
        TOP 6Musikförderung durch den Bund
        TOP 7Rohstoffderivatemärkte
        TOP 8Erhalt der Arbeitsplätze bei Schlecker
        TOP 9Deutsches Ressourceneffizienzprogramm
        TOP 10Hochschulzulassung
        TOP 11Gemeindefinanzreformgesetz
        TOP 12Sicherungsverwahrung
        TOP 13Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz
        TOP 14Klimafreundlichere Firmenwagen
        TOP 15Bekämpfung armutsassoziierter Erkrankungen
        TOP 16Integration der Länder des westlichen Balkans
        TOP 17Strafverfolgungsinformationsaustauch in der EU
        TOP 18Vertragsgesetze über die Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich
        TOP 19Patientenschutz bei der genetischen Forschung
        TOP 20Diplomatische Beziehungen zu Palästina
        TOP 21Kooperation in Bildung und Forschung
        TOP 22Sozialgesetzbuch IX –Fristenregelungen–
        TOP 23Überwachung von Mitgliedern des Bundestages
        TOP 24Private Weiterveräußerung unkörperlicher Werkexemplare
        TOP 25Recycling von Elektroschrott
        Anlagen