1) Anlage 2
        (Cgierung diktieren Griechenland eine fatale Politik und
        umgehen dabei grundlegende demokratische Verfahrens-
        weisen. Der Verlust von Souveränitätsrechten, die Ein-
        richtung eines Sperrkontos zur Schuldenbedienung und
        das Verbot von Tarifverhandlungen sind Ausdruck die-
        ses Angriffs.
        Mit meiner Gegenstimme zum Griechenland-II-Pa-
        von gut 100 Milliarden Euro abzusichern und umzuset-
        zen. Das heißt: Die griechischen Staatsschulden werden
        dadurch nicht sinken. Gleichzeitig wird erzwungen, dass
        die wachstumsfeindliche Kürzungspolitik weitergeht. So
        ist die Insolvenz Griechenlands nicht aufzuhalten.
        (Beifall bei der LINKEN)
        Ich habe heute gegen das Griechenland-II-Paket ge-
        Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Montag, den 27. Februar 2012 19113
        (A) )
        )(B)
        Anlagen
        Veronika Bellmann (CDU/CSU): Ich werde den
        oben genannten Antrag ablehnen und mit Nein stimmen.
        Ulrich, Alexander DIE LINKE 27.02.2012
        Einkommensmillionären entsandt, so die Antwort der
        Bundesregierung auf die schriftliche Frage 76 für den
        Monat Februar 2012.
        Claudia DIE GRÜNEN
        Senger-Schäfer,
        Kathrin
        DIE LINKE 27.02.2012
        (C
        (D
        Anlagen zum Stenografischen Bericht
        Anlage 1
        Liste der entschuldigten Abgeordneten
        Anlage 2
        Erklärungen nach § 31 GO
        zur namentlichen Abstimmung über den An-
        trag: Finanzhilfen zugunsten der Hellenischen
        Republik; Einholung eines zustimmenden Be-
        schlusses des Deutschen Bundestages nach § 3
        Absatz 1 des Stabilisierungsmechanismusge-
        setzes (StabMechG) für Notmaßnahmen der
        Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität zu-
        gunsten der Hellenischen Republik (Tagesord-
        nungspunkt 1 b)
        Ingrid Arndt-Brauer (SPD): Ich stimme dem oben
        genannten Antrag nicht zu, weil ich das zweite Rettungs-
        paket für nicht zielführend halte, um die wirtschaftliche
        Situation in Griechenland langfristig zu verbessern. Mit
        den vorgesehenen Maßnahmen ist eine Stabilisierung
        der Finanzwirtschaft möglich. Im Gegenzug muten wir
        der griechischen Bevölkerung jedoch Einschnitte zu, die
        wir der deutschen Bevölkerung kaum abverlangen wür-
        den.
        Die Stabilisierung der Finanzwirtschaft allein ist zur
        Erzeugung von wirtschaftlichem Wachstum nicht ausrei-
        chend. Notwendig sind zeitgleich zum Rettungspaket
        einsetzende umfangreiche Fördermaßnahmen zum Auf-
        bau einer leistungsfähigen Wirtschaft und (Steuer-)Ver-
        waltung.
        Mit dem zweiten Rettungsschirm erkauft sich die
        Bundesregierung – wie bereits beim ersten Rettungs-
        schirm – erneut ausschließlich Zeit zur Stabilisierung der
        griechischen Haushaltslage. Diese Zeit wurde bisher
        nicht oder nur in völlig unzureichendem Maße genutzt,
        um die strukturellen Defizite in Wirtschaft und Verwal-
        tung in Griechenland gezielt zu beheben. So wurden bei-
        spielsweise von der Bundesregierung bislang lediglich
        fünf deutsche Finanzbeamte zur Verbesserung der Steu-
        ererhebung, bei der Außenprüfung und bei der Besteue-
        rung von Selbstständigen mit großen Einkommen und
        Abgeordnete(r)
        entschuldigt bis
        einschließlich
        Bär, Dorothee CDU/CSU 27.02.2012
        Beck (Reutlingen),
        Ernst-Reinhard
        CDU/CSU 27.02.2012
        Bluhm, Heidrun DIE LINKE 27.02.2012
        Bracht-Bendt, Nicole FDP 27.02.2012
        Brinkmann (Hildesheim),
        Bernhard
        SPD 27.02.2012
        Burchardt, Ulla SPD 27.02.2012
        Dreibus, Werner DIE LINKE 27.02.2012
        Friedhoff, Paul K. FDP 27.02.2012
        Haustein, Heinz-Peter FDP 27.02.2012
        Hörster, Joachim CDU/CSU 27.02.2012
        Dr. Hofreiter, Anton BÜNDNIS 90/
        DIE GRÜNEN
        27.02.2012
        Humme, Christel SPD 27.02.2012
        Kaczmarek, Oliver SPD 27.02.2012
        Kipping, Katja DIE LINKE 27.02.2012
        Körper, Fritz Rudolf SPD 27.02.2012
        Dr. h.c. Koppelin,
        Jürgen
        FDP 27.02.2012
        Kramme, Anette SPD 27.02.2012
        Leidig, Sabine DIE LINKE 27.02.2012
        Leutert, Michael DIE LINKE 27.02.2012
        Marks, Caren SPD 27.02.2012
        Pronold, Florian SPD 27.02.2012
        Roth (Augsburg), BÜNDNIS 90/ 27.02.2012
        Werner, Katrin DIE LINKE 27.02.2012
        Abgeordnete(r)
        entschuldigt bis
        einschließlich
        19114 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Montag, den 27. Februar 2012
        (A) )
        )(B)
        (C
        (D
        Dem ersten Griechenland-Paket habe ich noch zuge-
        stimmt, weil ich hoffte, in der „gekauften“ Zeit könnte
        anhand des Sonderfalls Griechenland eine Staatsinsol-
        venzverordnung für den Euro-Raum mit einem Insol-
        venzplanverfahren, das auf den Weg der Wettbewerbsfä-
        higkeit zurückführt, erarbeitet werden. Ein Ende mit
        Schrecken, das weder einen Schulden- noch einen Wäh-
        rungsschnitt zum Tabu erklärt hätte, wäre allemal heilsa-
        mer gewesen als die bisherige Entwicklung des Schre-
        ckens ohne Ende.
        Nun ist festzustellen, dass Griechenland kein Sonder-
        fall, sondern ein Sündenfall geworden ist, der für den
        Euro-Raum zu einer fragwürdigen Rettungspolitik ge-
        führt hat. Insofern ist ein Punkt erreicht, der kaum noch
        eine Umkehr zulässt.
        In dem Moment, in dem Staatsinsolvenz und Wäh-
        rungsaustritt immer wieder zum Tabu erklärt werden,
        besteht keinerlei Anreiz für Griechenland, seine Verhält-
        nisse im Sinne von funktionierender staatlicher Verwal-
        tung, Strukturreform, Steuerpolitik, Wirtschaftswachs-
        tum in absehbarer Zeit zu ordnen. Stattdessen stoßen wir
        auf ein ziemlich hohes Erpressungspotenzial, das bei fast
        unerreichbarer Zusage von Auflagenerfüllung eine Ali-
        mentationsspirale in Gang setzt. Das heißt, nach dieser
        Logik sind weitere Hilfsprogramme nicht nur nicht aus-
        zuschließen, sondern geradezu notwendig. Das aber wie-
        derum ist zum einen der unabwendbare Gang in die Haf-
        tungs- und Transferunion, der weder dem Europa der
        Vaterländer noch dem europäischen Steuerzahler zuzu-
        muten ist.
        Zum anderen kommen die Notmaßnahmen, die auf
        728 Seiten des vorliegenden Antrages zusammengefasst
        sind, einem vollkommen neuen Staatsaufbau gleich. Das
        mag 1990 zwischen Ost- und Westdeutschland funktio-
        niert haben, weil die Bürger der ehemaligen DDR diesen
        neuen Staatsaufbau auf der Straße förmlich herbeide-
        monstriert haben. Das funktioniert aber nicht gegenüber
        einem souveränen Staat, dessen politische, wirtschaftli-
        che und gesellschaftliche Elite kaum Interesse an einem
        hausgemachten Staatsaufbau und einer effizienten
        Staatsverwaltung hat. In einem Land, wo diese Men-
        schen für ihren Schlendrian die Instrumentalisierung der
        einfachen Bevölkerung in Kauf nehmen und sie damit
        auf die Straße treiben, um nicht für, sondern gegen not-
        wendige Strukturreformen zu demonstrieren, funktio-
        niert das aber nicht. Der bevorstehende Wahlkampf wirft
        diesbezüglich ebenfalls seine Schatten voraus. Für so ein
        Land nun aber Programme aufzulegen, die auf der Er-
        wartung eines jährlichen Wirtschaftswachstums höher
        als in Deutschland und auf der Erwartung, in drei Jahren
        könne es wieder an den Kapitalmarkt zurückkehren, auf-
        bauen, halte ich nicht nur für illusorisch, sondern gera-
        dezu für fahrlässig.
        Es wäre dennoch jetzt die Chance gegeben, auch im
        Euro-Raum für eine Strategie nach der Verhandlungsme-
        chanik früherer Umschuldungen vorzugehen. Diese
        könnten für die staatlichen Gläubiger nach den Vorgaben
        des Pariser Clubs und für die privaten Gläubiger nach
        denen des Londoner Clubs ablaufen. Griechenland
        würde die Verhandlungen wieder in die eigenen Hände
        nehmen. Europäische Regierungen müssten keine unzu-
        mutbaren Bedingungen mehr stellen. Sie können die für
        Griechenland vorgesehenen Gelder für die Zeit nach der
        Umschuldung zusagen, um den Prozess zu erleichtern,
        bis das Land wieder Zugang zum Kapitalmarkt hat. Eine
        gleichzeitige Genehmigung, parallel zum Euro eine ei-
        gene nationale Währung einzuführen, um innere Abwer-
        tungen vornehmen zu können, würde den Weg zur Wett-
        bewerbsfähigkeit erleichtern.
        Karin Binder (DIE LINKE): Ich habe heute gegen
        den Antrag „Finanzhilfen zugunsten der Hellenischen
        Republik“ des Bundesministeriums für Finanzen (BMF)
        gestimmt, weil mit dieser vermeintlichen Hilfe die
        schärfsten Lohn-, Renten- und Sozialkürzungen von
        Griechenland erzwungen werden. Dies ist nicht nur un-
        sozial und unmenschlich, sondern wird das Land noch
        viel tiefer in die bestehende Krise treiben.
        Das den Griechinnen und Griechen insbesondere von
        der deutschen Bundesregierung aufgezwungene Spar-
        diktat lehne ich entschieden ab. So soll etwa der Min-
        destlohn in Griechenland von derzeit 4,38 Euro weiter
        auf lediglich noch 3,48 Euro pro Stunde abgesenkt wer-
        den. Das Arbeitslosengeld soll um 30 Prozent auf gerade
        noch 322 Euro monatlich gekürzt werden. Das bedeutet
        blanke Armut im reichen Europa. Und es sind noch wei-
        tere unsoziale Sparorgien in Planung. Dies geht zulasten
        einer Mehrheit der Griechinnen und Griechen, die in den
        vergangenen zwei Jahren bereits sozial deklassiert wur-
        den.
        Meine Solidarität gilt den Menschen in Griechenland,
        den Arbeiterinnen und Arbeitern, den Schülerinnen und
        Schülern, den Studentinnen und Studenten, den Rentne-
        rinnen und Rentnern und all denjenigen Menschen, die
        von Armut und sozialer Unsicherheit betroffen sind.
        Was heutzutage anlässlich der Finanz- und Wirt-
        schaftskrise notwendig wäre, wäre ein Schutzschirm für
        die Bürgerinnen und Bürger, die wir im Regen stehen
        lassen. Die Banken und Konzerne haben ihre Schäfchen
        bereits ins Trockene gebracht. Deshalb habe ich heute
        gegen den Antrag „Finanzhilfen zugunsten der Helleni-
        schen Republik“ gestimmt.
        Lothar Binding (Heidelberg) (SPD): Am Freitag
        dem 24. Februar 2012, erhalte ich den Antrag des BMF
        „Finanzhilfen zugunsten der Hellenischen Republik;
        Einholung eines zustimmenden Beschlusses des Deut-
        schen Bundestages nach § 3 Absatz 1 des Stabilisie-
        rungsmechanismusgesetzes (StabMechG) für Notmaß-
        nahmen der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität
        zugunsten der Hellenischen Republik“. Dieser ist auch
        im Intranet des Bundestages als Drucksache 17/8730
        verfügbar.
        Die dem Antrag zugrunde liegenden Anlagen von
        circa 750 Seiten waren als Drucksache 17/8731 im Intra-
        net des Bundestages verfügbar und lagen dem Haus-
        haltsausschuss am Freitag, dem 24. Februar 2012, als
        Tischvorlage vor.
        Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Montag, den 27. Februar 2012 19115
        (A) )
        )(B)
        (C
        (D
        Die Entscheidung im Bundestag fällt heute, am
        27. Februar 2012.
        Diese Beratungsfolge zur Vorbereitung einer Ent-
        scheidung über 130 Milliarden Euro, also einem Volu-
        men, das etwa der Hälfte des Bundeshaushalts ent-
        spricht, kann dem Anspruch einer demokratischen
        Beteiligung des Parlaments bzw. der Entscheidungskom-
        petenz des Parlaments nicht genügen.
        Damit macht die Bundesregierung das Parlament zum
        Getriebenen der Finanzmärkte. Ursache für diese Ent-
        wicklung ist auch die extreme Wankelmütigkeit von
        Bundeskanzlerin Merkel, die mit ihrem Zickzackkurs
        – zunächst die „Eiserne Kanzlerin“, die keinen Cent für
        die Griechen geben will, dann die große Europäerin und
        Wahlkämpferin für den französischen Präsidenten, die
        nun doch die Notwendigkeit der Hilfen für Griechenland
        entdeckt – die Spekulation mit Staatsanleihen und Kre-
        ditausfallversicherungen angetrieben hat. Durch diese
        Zickzackbewegung der CDU/CSU-FDP-Regierung ist
        nicht nur wichtige Zeit für die parlamentarische Be-
        ratung verloren gegangen – viel dramatischer ist es, dass
        nun viele Maßnahmen sehr spät kommen, die wir zu
        einer Zeit, in der die Kanzlerin so eisern war, vermisst
        haben. Schon dies allein wäre Grund genug, die Regie-
        rungsvorlage abzulehnen.
        Gleichwohl habe ich meine Zustimmung zum Ab-
        schluss einer Vereinbarung über Notmaßnahmen der
        EFSF zugunsten Griechenlands in Form von Darlehen
        – zweites Hilfspaket für Griechenland – erteilt, weil ein
        Staatsbankrott Griechenlands und alle mir bekannten Al-
        ternativen, Griechenland nicht zu helfen, Deutschland
        und Europa nicht nur finanziell unberechenbar hohe
        Kosten aufbürden würden, darüber hinaus wäre auch ein
        politisch unverantwortlich hoher Preis zu zahlen. Das
        Risiko einer Zustimmung ist abschätzbar, eine Ableh-
        nung ist unkalkulierbar.
        Viele Bürgerinnen und Bürger, Populärwissenschaft-
        ler und Lobbyisten haben mich aufgefordert, diesem
        Hilfspaket nicht zuzustimmen – in keiner einzigen Zu-
        schrift gab es konkrete realistische, also realisierbare an-
        dere Lösungsvorschläge, in keiner Zuschrift wurden die
        Kosten bzw. der Preis der Ablehnung beziffert oder be-
        schrieben. Außerdem bin ich der festen Überzeugung,
        dass die finanzielle und gesellschaftliche Stabilisierung
        Griechenlands und damit Europas nur mit der solidari-
        schen Hilfe der Euro-Länder und nur innerhalb der Euro-
        päischen Union gelingen kann.
        Durch die oben genannten Verzögerungen infolge der
        Wankelmütigkeit der Kanzlerin war es möglich, dass rei-
        che Griechen ihr Vermögen außer Landes brachten. Nun
        Griechenland in die Staatsinsolvenz zu schicken, würde
        die Beteiligung der Vermögenden an der Sanierung Grie-
        chenlands endgültig vereiteln, aber die Sparguthaben der
        Griechen mit geringerem Einkommen vernichten.
        Leider ist die Regierung Merkel noch immer nicht auf
        dem Pfad, Griechenland mit einer neuen Sozialpolitik,
        mit Wachstumsimpulsen und einer Stärkung der Verwal-
        tung zu helfen. Wahrscheinlich müssen diese Aufgaben
        andere, spätere Regierungen lösen. Im Gegenteil werden
        gegenwärtig den Griechen Auflagen diktiert – als Vo-
        raussetzung zur finanziellen Hilfe –, von denen ich mir
        nicht vorstellen kann, dass sie in den geforderten Fristen
        erfüllbar sind. Ich denke dabei an Einschnitte in die Ta-
        rifautonomie, an Lohnkürzungen, an die Privatisierung
        des Gesundheitswesens, an ein neues Steuersystem, an
        Entlassungen aus dem öffentlichen Dienst etc. etc. Diese
        Strangulierungsbedingungen werden Investoren ab-
        schrecken und Griechenland weder sozial- noch wirt-
        schaftspolitisch auf die Beine helfen.
        Deshalb darf es nicht bei den jetzigen Beschlüssen
        bleiben – die Maßnahmen im Entschließungsantrag der
        SPD-Fraktion müssen dringend folgen. Andernfalls
        dient die Hilfe vornehmlich der Befriedigung der Gläu-
        biger Griechenlands.
        Mit teilweise gleichlautenden Formulierungen wie in
        der Erklärung von Rolf Schwanitz kritisiere ich das bis-
        herige Handeln der Bundesregierung, die in ihrem Kri-
        senmanagement stets zu spät und unterkomplex agierte,
        insbesondere,
        – dass die Notmaßnahmen im ersten und zweiten Hilfs-
        paket zu einseitig auf die Stabilisierung der Staatsaus-
        gaben orientieren – diese Orientierung hat die griechi-
        sche Wirtschaft zusätzlich belastet und das Land in
        eine mehrjährige Rezession getrieben –,
        – dass die Maßnahmen in ihrer Unausgewogenheit ei-
        nen sozialen Sprengstoff beinhalten, der geeignet ist,
        die Demokratie in Griechenland nachhaltig zu er-
        schüttern,
        – dass der finanzielle Nutzen der Maßnahmen überhöht
        und die Probleme bei deren Realisierung nur unzurei-
        chend beschrieben werden – insbesondere die Zeit-
        korridore für die Umsetzung der gesetzgeberischen
        Maßnahmen, die der Regierung Griechenlands einge-
        räumt werden, sind zu kurz und erkennbar unrealis-
        tisch –,
        – dass eine Beteiligung privater Gläubiger zu spät er-
        wogen und umgesetzt worden ist – dadurch ist die
        Wirkung des Schuldenschnitts im Sinne einer nach-
        haltigen Entlastung Griechenlands erheblich reduziert
        worden –,
        – dass die Notmaßnahmen bisher nicht durch einen
        hinreichenden Wachstumsimpuls für Griechenland
        – Marshallplan – ergänzt worden sind – allein durch
        Fiskalpolitik kann eine nachhaltige Stabilisierung des
        griechischen Staatshaushaltes nicht gelingen –,
        – dass die Notwendigkeit, die Dimension, aber auch die
        Dauer der erforderlichen Hilfen für Griechenland ge-
        genüber der deutschen Bevölkerung nur unzureichend
        beschrieben werden – tatsächlich handelt es sich bei
        der finanziellen und gesellschaftlichen Stabilisierung
        Griechenlands um eine Generationenaufgabe; sie
        erfordert aber die Bereitschaft der Griechen zu
        schmerzlichen Veränderungen ebenso wie die Bereit-
        schaft der Deutschen zur solidarischen Unterstüt-
        zung –,
        – dass flankierende Maßnahmen in Deutschland – der
        Exportüberschuss Deutschlands hat seine Entspre-
        19116 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Montag, den 27. Februar 2012
        (A) )
        )(B)
        (C
        (D
        chung in der Schuldenlage Griechenlands – bisher
        sträflich vernachlässigt, ja sogar abgelehnt wurden.
        Als einziges Beispiel sei hier nur der von CDU/CSU
        und FDP abgelehnte Mindestlohn genannt.
        Heute auf den Tag genau vor 59 Jahren hat die damals
        junge Bundesrepublik Deutschland das Londoner Schul-
        denabkommen unterzeichnet. Nach der moralischen
        Katastrophe und dem unermesslichen Leid zweier Welt-
        kriege haben damals 70 Staaten, darunter auch Griechen-
        land, einem 50-prozentigen Erlass der deutschen Vor-
        und Nachkriegsschulden zugestimmt. Dieser Schulden-
        schnitt war zusammen mit dem Marshallplan die Grund-
        lage für den raschen wirtschaftlichen Aufstieg der Bun-
        desrepublik. Wir haben allen Grund, uns bei unseren
        heutigen Entscheidungen an die eigene Geschichte zu er-
        innern.
        Christine Buchholz (DIE LINKE): Mein Nein im
        Bundestag ist ein Ja zum Widerstand.
        Ich stimme heute gegen den Antrag der Bundesregie-
        rung, den sie als „Finanzhilfen zugunsten der Helleni-
        schen Republik“ bezeichnet. Sie will uns damit weisma-
        chen, es ginge ihr darum, den Griechen zu helfen. Das ist
        eine Lüge. Kein einziger Cent der bereitgestellten
        130 Milliarden Euro wird der griechischen Bevölkerung
        zugutekommen. Der griechische Staat erhält das Geld,
        um seine Schulden bei deutschen, französischen und
        griechischen Banken abzutragen. Der Rettungsschirm
        wird nicht für die griechische Bevölkerung aufgespannt,
        sondern für die europäischen Banken.
        Ich stimme heute mit Nein, weil nicht die belohnt
        werden dürfen, die die Krise selbst mit zu verantworten
        haben. Und ich stimme mit Nein, weil es die griechi-
        schen Lohnabhängigen und Armen sind, die dafür am
        Ende zahlen sollen. Jeder Euro, der bereitgestellt wird,
        soll zu überhöhten Zinsen zurückgezahlt werden. Bezah-
        len sollen die griechischen Beschäftigten, deren Löhne
        auf Hungerniveau gestutzt werden, die ihren Arbeits-
        platz verlieren, deren Renteneinlagen gestohlen werden.
        Ich stimme mit Nein, weil diese Politik nur mit einem
        Diktat von außen erzwungen werden kann. Der soge-
        nannte Rettungsschirm ist in Wirklichkeit eine Waffe,
        mit der Griechenland die Souveränität über seinen eige-
        nen Haushalt verliert. Die Troika aus EZB, Europäischer
        Kommission und IWF hebelt die Demokratie aus, um ei-
        nen Wirtschaftskrieg gegen die griechische Arbeiter-
        klasse führen zu können.
        Auch die Beschäftigten in Deutschland zahlen für
        diese Politik. Es sind ihre Steuergelder, die in die Ban-
        kenrettungsschirme fließen. Um uns irrezuführen, wer-
        den uns die griechischen Arbeiter als Schuldige präsen-
        tiert. Nein, die griechischen Arbeiter sind nicht „faul“.
        Sie haben auch nicht „über ihre Verhältnisse“ gelebt. Ich
        stimme mit Nein, weil ich dagegen bin, dass die Be-
        schäftigten von den Herrschenden in Europa gegenei-
        nander ausgespielt werden. Was wir brauchen, sind euro-
        paweite Mindestlöhne. Was wir brauchen, ist die
        Verstaatlichung der Banken. Die Finanzmärkte müssen
        an die Kette gelegt werden. Nur so kann verhindert wer-
        den, dass ganze Staaten in den Bankrott spekuliert wer-
        den.
        Mein Nein im Bundestag ist ein Ja zum Widerstand.
        Ich unterstütze die Streiks der griechischen Gewerk-
        schaften gegen das Spardiktat der Troika. Und ich unter-
        stütze die geplanten Proteste des Frankfurter Banken-
        viertels gegen die Macht der Finanzmärkte im
        kommenden Mai. Die Solidarität im Widerstand ist es,
        die das Spardiktat der herrschenden Klasse brechen
        kann.
        Dr. Peter Danckert (SPD): Ich habe meine Zustim-
        mung zum Abschluss einer Vereinbarung über Notmaß-
        nahmen der EFSF zugunsten Griechenlands in Form von
        Darlehen – zweites Hilfspaket für Griechenland – erteilt,
        weil ein Staatsbankrott Griechenlands abgewendet wer-
        den muss und weil ich der festen Überzeugung bin, dass
        die finanzielle und gesellschaftliche Stabilisierung Grie-
        chenlands nur mit der solidarischen Hilfe der Euro-Län-
        der und nur innerhalb der Europäischen Union gelingen
        kann.
        Dennoch kritisiere ich am bisherigen Handeln der
        Bundesregierung insbesondere:
        – dass die Notmaßnahmen im ersten und zweiten Hilfs-
        paket sich zu einseitig auf die Stabilisierung der
        Staatsausgaben orientieren – diese Orientierung hat
        die griechische Wirtschaft zusätzlich belastet und das
        Land in eine mehrjährige Rezession getrieben –,
        – dass die Maßnahmen in ihrer Unausgewogenheit ei-
        nen sozialen Sprengstoff beinhalten, der geeignet ist,
        die Demokratie in Griechenland nachhaltig zu er-
        schüttern,
        – dass der finanzielle Nutzen der Maßnahmen überhöht
        und die Probleme bei deren Realisierung nur unzurei-
        chend beschrieben werden – insbesondere die Zeit-
        korridore für die Umsetzung der gesetzgeberischen
        Maßnahmen, die der Regierung Griechenlands einge-
        räumt werden, sind zu kurz und erkennbar unrealis-
        tisch –,
        – dass eine Beteiligung privater Gläubiger zu spät er-
        wogen und umgesetzt worden ist – dadurch ist die
        Wirkung des Schuldenschnitts im Sinne einer nach-
        haltigen Entlastung Griechenlands erheblich reduziert
        worden –,
        – dass die Notmaßnahmen bisher nicht durch einen
        hinreichenden Wachstumsimpuls für Griechenland
        – Marshallplan – ergänzt worden sind – allein durch
        Fiskalpolitik kann eine nachhaltige Stabilisierung des
        griechischen Staatshaushaltes nicht gelingen – und
        – dass die Notwendigkeit, die Dimension, aber auch die
        Dauer der erforderlichen Hilfen für Griechenland ge-
        genüber der deutschen Bevölkerung nur unzureichend
        beschrieben werden – tatsächlich handelt es sich bei
        der finanziellen und gesellschaftlichen Stabilisierung
        Griechenlands um eine Generationenaufgabe; sie
        erfordert aber die Bereitschaft der Griechen zu
        schmerzlichen Veränderungen ebenso wie die Bereit-
        schaft der Deutschen zur solidarischen Unterstützung.
        Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Montag, den 27. Februar 2012 19117
        (A) )
        )(B)
        (C
        (D
        Heute auf den Tag genau vor 59 Jahren hat die damals
        junge Bundesrepublik Deutschland das Londoner Schul-
        denabkommen unterzeichnet. Nach der moralischen
        Katastrophe und dem unermesslichen Leid zweier Welt-
        kriege haben damals 70 Staaten, darunter auch Griechen-
        land, einem 50-prozentigen Erlass der deutschen Vor-
        und Nachkriegsschulden zugestimmt. Dieser Schulden-
        schnitt war zusammen mit dem Marshallplan die Grund-
        lage für den raschen wirtschaftlichen Aufstieg der Bun-
        desrepublik. Wir haben allen Grund, uns bei unseren
        heutigen Entscheidungen an die eigene Geschichte zu er-
        innern.
        Darüber hinaus erkläre ich, dass dies das letzte Mal
        sein wird, dass ich meine Zustimmung zu einem weite-
        ren Hilfspaket für Griechenland gebe. Ich habe schwere
        Bedenken insbesondere aufgrund der fehlenden und un-
        zureichend vorliegenden Dokumente in deutscher Spra-
        che. Das Fehlen einer ausführlichen Schuldentragfähig-
        keitsanalyse – Debt Sustainability Analysis – ist vor dem
        Hintergrund der Gewährung von weiteren Darlehen ent-
        scheidend. Bei der am heutigen Tage versandten Aus-
        schussdrucksache 17/4326 handelt es sich um eine vor-
        läufige Einschätzung der Troika. Diese ist als
        Entscheidungsgrundlage aus meiner Sicht daher keines-
        wegs ausreichend.
        Werner Dreibus (DIE LINKE): Ich habe gegen den
        Antrag der Bundesregierung „Finanzhilfen zugunsten
        der hellenischen Republik“ gestimmt, weil diese nur den
        Banken und Finanzakteuren helfen und die mit ihnen
        verbundenen Spardiktate die griechische Wirtschaft end-
        gültig ruinieren, den Sozialstaat zerstören und die De-
        mokratie aushöhlen.
        Kein einziger Euro der 165 Milliarden Euro dieses
        zweiten sogenannten Hilfspaketes für Griechenland wird
        der griechischen Bevölkerung zugutekommen. Die soge-
        nannten Hilfspakete retten allein die Banken und pri-
        vaten Gläubiger. Seit Mai 2010 wurden aus dem ersten
        110 Milliarden Euro schweren „Hilfspaket“ 73 Milliar-
        den Euro an Krediten ausgezahlt. 70 Milliarden Euro
        flossen direkt zurück an die Gläubiger – an griechische
        und internationale Banken, Versicherungen und Finanz-
        investoren.
        Die griechische Bevölkerung muss für diese Banken-
        rettungspakete teuer bezahlen. Unter der Knute von
        Kanzlerin Merkel unterwerfen Europäische Union,
        Europäische Zentralbank und Internationaler Währungs-
        fonds Griechenland gnadenlosen Spardiktaten. Für das
        erste Bankenrettungspaket wurde Griechenland zu Kür-
        zungen in Höhe von 35 Milliarden Euro bzw. 15 Prozent
        der gesamten Wirtschaftsleistung gezwungen. Die schar-
        fen Lohn-, Renten- und Sozialkürzungen sind beispiel-
        los. Und der Erfolg? Die griechische Wirtschaft ist in
        den letzten zwei Jahren um mehr als 11 Prozent einge-
        brochen. Die offizielle Arbeitslosenrate liegt bei 21 Pro-
        zent. Von den Jugendlichen ist sogar jeder Zweite ohne
        Job. Und die Schulden des Landes sind um über 50 Mil-
        liarden Euro bzw. von 130 auf 170 Prozent des BIP ge-
        stiegen.
        Das zweite Bankenrettungspaket, das heute vom Bun-
        destag beschlossen werden soll, setzt diese katastrophal
        falsche Politik Angela Merkels fort. So sollen unter an-
        derem der Mindestlohn und das Arbeitslosengeld drama-
        tisch gesenkt, Renten nochmals drastisch gekürzt und
        weitere 150 000 Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst
        vernichtet werden.
        Doch die Bankenrettungspakete sind nicht nur ein
        Angriff auf den Sozialstaat, sie sind auch ein Anschlag
        auf die Demokratie. Durch detaillierte Politikvorgaben,
        Überwachungsmechanismen und die Einrichtung eines
        Sperrkontos wird Griechenland die Souveränität entzo-
        gen.
        Zu diesem Angriff auf die sozialen und demokrati-
        schen Rechte der griechischen Bevölkerung sage ich
        Nein. Den sich wehrenden Menschen in Griechenland
        gehört meine volle Solidarität.
        Ich fordere ein sofortiges Ende der Spardiktate, statt-
        dessen muss ein europäisches Investitionsprogramm
        aufgelegt werden, das durch die Einführung einer Mil-
        lionärsteuer finanziert wird. Die Finanzierung der öffent-
        lichen Haushalte in der Euro-Zone muss über eine
        öffentliche europäische Bank sichergestellt und so der
        Spekulation entzogen werden. Griechenland ist von
        75 Prozent seiner gesamten Schulden zu befreien und
        die damit verbundenen Kosten für die öffentliche Hand
        sind durch eine EU-weite Vermögensabgabe zu finanzie-
        ren. Alle privaten Großbanken sind in die öffentliche
        Hand zu überführen und strikt zu regulieren. Zu einer
        grundlegenden Lösung der Euro-Krise gehört auch die
        Steigerung der deutschen Binnennachfrage, weil nur so
        die Handelsungleichgewichte zwischen den europäi-
        schen Staaten reduziert werden können. Auch aus die-
        sem Grund haben die Forderungen der Gewerkschaften
        nach hohen Tarifabschlüssen meine volle Unterstützung.
        Annette Groth (DIE LINKE): Ich habe heute gegen
        den Antrag des BMF zu den Finanzhilfen zugunsten der
        hellenischen Republik gestimmt, weil der Antrag die
        Verarmung großer Teile der griechischen Bevölkerung
        mit sich bringen wird. Der heute abgestimmte Antrag
        wird in den Medien häufig als „Hilfspaket“ für Grie-
        chenland bezeichnet. Das ist falsch. In Wahrheit haben
        die EU-Mitgliedstaaten und die Bundesregierung dem
        griechischen Staat ein Hilfspaket für die Sicherung der
        Gewinne von Banken und Investoren diktiert. Viele
        Menschen in Griechenland werden durch die Zwangs-
        maßnahmen in die Armut getrieben. Die griechische
        Wirtschaft wird zerstört.
        Mit den Zwangsmaßnahmen gegenüber Griechenland
        wird die Demokratie und die Tarifautonomie quasi außer
        Kraft gesetzt. Der griechische Staat wird gezwungen,
        dass alle bisher geltenden Tarifverträge nach Annahme
        der Spargesetze nur noch ein Jahr gelten und danach un-
        gültig werden. Gleichzeitig wird den griechischen Ge-
        werkschaften und Unternehmensverbänden gegen ihren
        erbitterten Widerstand vorgeschrieben, dass alle neu ab-
        geschlossenen Tarifverträge eine Mindestlaufzeit von
        drei Jahren haben müssen. Demokratischen Errungen-
        schaften, die in vielen Jahrzenten erkämpft wurden, wie
        19118 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Montag, den 27. Februar 2012
        (A) )
        )(B)
        (C
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        die Freiheit der Gewerkschaften und die Rechte der Ar-
        beitnehmerinnen und Arbeitnehmer, werden für die Inte-
        ressen der internationalen Finanzmärkte in Griechenland
        einfach ausgehebelt.
        Mit der Senkung der im „Nationalen Allgemeinen Ta-
        rifvertrag“ und der in sektoralen und Branchenvereinba-
        rungen festgelegten Basislöhne um 22 Prozent wird der
        Lohn eines neu eingestellten verheirateten Beschäftigten
        ohne Berufserfahrung von 826,54 Euro auf 644,70 Euro
        sinken. Für alleinstehende Beschäftigte mit sechs Be-
        rufsjahren wird der Bruttolohn von 887,99 Euro auf
        692,63 Euro gesenkt. Da in vielen Städten die Mieten für
        kleine Wohnungen über 500 Euro im Monat kosten, kön-
        nen sich viele Menschen durch Arbeit nicht mehr alleine
        ernähren.
        Für junge Berufsanfängerinnen und Berufsanfänger
        wird zu diesen massiven Kürzungsdiktaten zusätzlich ihr
        Lohn um weitere 10 Prozent auf knapp über 510 Euro
        abgesenkt. Alle diese Kürzungen werden zu sozialen
        Verwerfungen und zu einer weiteren deutlichen Ein-
        schränkung der Kaufkraft führen. Hierdurch wird sich
        der griechische Kurs noch mehr auf rezessive Tendenzen
        begeben.
        Mit der vorgeschriebenen Höchstvergütung von Ar-
        beitslosen von 313 Euro werden Arbeitslose automatisch
        zur Armut verdammt.
        Mit den vorgeschriebenen Entlassungen von 15 000
        Beschäftigten aus dem öffentlichen Sektor und der dik-
        tierten Reduzierung der Zahl der Beschäftigten in die-
        sem Bereich bis 2015 um 150 000 wird sich die Massen-
        arbeitslosigkeit in Griechenland weiter drastisch
        erhöhen. Schon heute sind in Griechenland mehr als
        20 Prozent arbeitslos und etwa 50 Prozent der Jugendli-
        chen.
        Die Spardiktate werden Griechenland nicht helfen,
        sondern zu einer massiven Zerstörung der griechischen
        Wirtschaft und Gesellschaft beitragen.
        Deshalb stimme ich dem Antrag des Bundesministe-
        riums der Finanzen „Finanzhilfen zugunsten der Helleni-
        schen Republik; Einholung eines zustimmenden Be-
        schlusses des Deutschen Bundestages nach § 3 Absatz 1
        des Stabilisierungsmechanismusgesetzes (StabMechG)
        für Notmaßnahmen der Europäischen Finanzstabilisie-
        rungsfazilität zugunsten der Hellenischen Republik“
        nicht zu.
        Dr. Stephan Harbarth (CDU/CSU): Ich stimme den
        beiden Anträgen zu. Mit meinem Votum verbinde ich
        folgende Erwägung:
        Eine wirtschaftliche und finanzielle Genesung der
        Hellenischen Republik erfordert nach meiner Überzeu-
        gung neben einer Vielzahl weiterer Maßnahmen einen
        – vorübergehenden – Austritt des Landes aus der Euro-
        Zone. Es ist für mich nicht erkennbar, dass die heute ge-
        fassten Beschlüsse einen derartigen Schritt mittel- und
        längerfristig entbehrlich machen könnten.
        Den vorliegenden Anträgen stimme ich in der Erwar-
        tung zu, dass die kommenden Monate genutzt werden,
        um etwaige Ansteckungsgefahren gegenüber anderen
        Mitgliedstaaten der Euro-Zone im Fall eines Euro-Aus-
        tritts der Hellenischen Republik zu minimieren und da-
        durch die Handlungsoptionen zu erhöhen.
        Petra Hinz (Essen) (SPD): Ich habe meine Zustim-
        mung zum Abschluss einer Vereinbarung über Notmaß-
        nahmen der EFSF zugunsten Griechenlands in Form
        eines zweiten Hilfspaketes erteilt, weil ein Staatsbank-
        rott Griechenlands abgewendet werden muss und weil
        ich der festen Überzeugung bin, dass die finanzielle,
        wirtschaftliche und gesellschaftliche Stabilisierung Grie-
        chenlands nur mit der solidarischen Hilfe der Euro-Län-
        der und nur innerhalb der Europäischen Union gelingen
        kann.
        Ich kritisiere am bisherigen Handeln der Bundes-
        kanzlerin Dr. Angela Merkel und der Bundesregierung
        insbesondere, dass sich die Notmaßnahmen im ersten
        und zweiten Hilfspaket zu einseitig auf die Stabilisie-
        rung der Staatsausgaben orientieren. Diese Orientierung
        belastet die griechische Wirtschaft zusätzlich und hat das
        Land in eine mehrjährige Rezession getrieben.
        Ich kritisiere, dass die Maßnahmen in ihrer Einseitig-
        keit und sozialen Unausgewogenheit einen sozialen
        Sprengstoff beinhalten, der geeignet ist, die Demokratie
        in Griechenland nachhaltig zu erschüttern. Die stärkere
        Heranziehung von wirtschaftlich starken Bevölkerungs-
        gruppen und privaten Vermögen ist unzureichend.
        Ich kritisiere, dass der finanzielle Nutzen der Maßnah-
        men überhöht und die Probleme bei deren Realisierung
        nur unzureichend beschrieben werden. Insbesondere die
        Zeitkorridore für die Umsetzung der gesetzgeberischen
        Maßnahmen, die der Regierung Griechenlands einge-
        räumt werden, sind zu kurz, willkürlich und erkennbar
        unrealistisch.
        Ich kritisiere, dass eine stärkere Beteiligung privater
        Gläubiger, insbesondere Banken, zu spät erwogen und
        umgesetzt worden ist. Dadurch ist die Wirkung des
        Schuldenschnitts, insbesondere durch freiwillige Privat-
        sektorbeteiligung, im Sinne einer nachhaltigen Entlas-
        tung Griechenlands erheblich reduziert worden.
        Ich kritisiere die Förderung der Kapitalflucht durch
        Gerede und Vielstimmigkeit von Koalitions- und Kabi-
        nettsmitgliedern.
        Ich kritisiere, dass die Notmaßnahmen bisher nicht
        durch einen hinreichenden und nachhaltigen Wachs-
        tumsimpuls für Griechenland, Marshallplan, ergänzt
        worden sind. Allein durch Fiskalpolitik kann eine nach-
        haltige Stabilisierung des griechischen Staatshaushaltes
        nicht gelingen.
        Ich kritisiere, dass die Notwendigkeit, die Dimension,
        aber auch die Dauer der erforderlichen Hilfen für Grie-
        chenland gegenüber der deutschen Bevölkerung nur un-
        zureichend beschrieben werden.
        Tatsächlich handelt es sich bei der finanziellen, wirt-
        schaftlichen und gesellschaftlichen Stabilisierung Grie-
        chenlands um eine Generationenaufgabe. Sie erfordert
        aber die Bereitschaft der Griechen zu schmerzlichen
        Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Montag, den 27. Februar 2012 19119
        (A) )
        )(B)
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        Veränderungen ebenso wie die Bereitschaft der Deut-
        schen und des gesamten Euro-Raums zur solidarischen
        Unterstützung.
        Vor genau 59 Jahren hat die Bundesrepublik Deutsch-
        land das Londoner Schuldenabkommen unterzeichnet.
        Nach der moralischen Katastrophe und dem unermessli-
        chen Leid zweier Weltkriege haben damals 70 Staaten,
        darunter auch Griechenland, einem 50-prozentigen Er-
        lass der deutschen Vor- und Nachkriegsschulden zuge-
        stimmt. Dieser Schuldenschnitt war zusammen mit dem
        Marshallplan die Grundlage für den raschen wirtschaftli-
        chen Aufstieg der Bundesrepublik Deutschland. Wir ha-
        ben allen Grund, uns bei unseren heutigen Entscheidun-
        gen an die eigene Geschichte zu erinnern.
        Christian Hirte (CDU/CSU): Dem Antrag, der wei-
        tere Kredite für Griechenland vorsieht, stimme ich nicht
        zu.
        Seit zwei Jahren ist die Schuldenkrise einiger euro-
        päischer Länder das zentrale Thema und die große He-
        rausforderung. In keinem anderen Land ist die Krise da-
        bei so scharf wie in Griechenland. Ich bin der festen
        Überzeugung, dass an dieser Schuldenkrise die europäi-
        sche Idee nicht zerbrechen darf. Europa, der Frieden, die
        Freiheit sind mehr wert, als wir in Haushaltszahlen aus-
        drücken können.
        Die großen Sparanstrengungen in Griechenland ver-
        langen der Bevölkerung viel ab. All diese Maßnahmen
        haben aber in den zurückliegenden Monaten nicht dazu
        geführt, dass sich für das Land und die Menschen eine
        Aufschwungperspektive entwickeln konnte. Die Kredite
        haben in der Regel lediglich private Gläubiger bedient.
        Der Vollzug und die Umsetzung zahlreicher Beschlüsse
        sind trotz großer Einschnitte aus meiner Sicht nicht aus-
        reichend. Als europäische Partner müssen wir ein Inte-
        resse daran haben, dass die Lage in Griechenland wieder
        besser wird. Daher müssen wir bei unseren politischen
        Entscheidungen abwägen, wie ein solcher Pfad für Grie-
        chenland wieder beschritten werden kann.
        Dabei erkenne ich besonders die Anstrengungen von
        Bundeskanzlerin und Bundesfinanzminister an. Beide
        haben immer wieder in den Verhandlungen auf europäi-
        scher Ebene für Veränderungen und Reformen in Grie-
        chenland geworben. Sie haben sich dabei sowohl für den
        europäischen Gedanken der Solidarität als auch für die
        Verantwortung der einzelnen Staaten stark gemacht. Bei-
        des zusammen sind tragende Säulen des Hauses Europa.
        Ich bin der Überzeugung, dass der Aufschwungpfad
        im Rahmen immer weiterer Hilfskredite für Griechen-
        land jedoch nicht erreichbar ist. Die Hilfen der vergan-
        genen Monate haben aber im Nachhinein einen wichti-
        gen psychologischen und ökonomischen Beitrag
        geleistet. In der Situation von vorübergehender Panik an
        den Finanzmärkten verhinderten diese ein Überspringen
        auf die Realwirtschaft. Eine solche Situation hätte allen
        Ländern und Volkswirtschaften Europas sehr geschadet.
        An der konkreten Situation in Griechenland selbst haben
        die Hilfen aber nichts ändern können. Das zentrale Pro-
        blem, das einem Aufschwung und neuen Perspektiven
        des Landes im Weg steht, ist die mangelnde Wettbe-
        werbsfähigkeit des Landes. Dies macht Produkte und
        Dienstleistungen in einem Maße unattraktiv, das die
        Wirtschaft dauerhaft lähmt.
        Diese Wettbewerbsfähigkeit kann Griechenland nur
        dann wieder erlangen, wenn es Instrumente zur Verfü-
        gung hat, die dem Land als Euro-Mitglied praktisch
        nicht zur Verfügung stehen. Im Euro müssten Entschei-
        dungen und Änderungen im Lohngefüge durchgesetzt
        werden, die praktisch nicht zu stemmen sind. Wir haben
        Griechenland gemeinsam in die Familie der Euro-Län-
        der aufgenommen, daher sollten wir es nicht ausschlie-
        ßen – dieser Schritt kann nur von Griechenland selbst
        gegangen werden. Gerade als Abgeordneter eines ost-
        deutschen Bundeslandes weiß ich um den großen Wert
        europäischer Solidarität. Ohne die Unterstützung und die
        Hilfe unserer Partner und Freunde in Europa wäre vieles
        nicht möglich gewesen. Gerade deshalb bin ich auch im
        Fall Griechenlands für absolute Solidarität. Wir müssen
        einen – auch finanziellen – Beitrag dazu leisten, dass das
        Land wieder Tritt fasst. Entscheidend dafür sind jedoch
        die Strukturen, innerhalb derer dies passieren kann. Kre-
        ditpakete, bei denen schon jetzt absehbar ist, dass sie in
        einigen Monaten durch neue Pakete ergänzt werden
        müssen, können diesen Beitrag nach meiner Überzeu-
        gung nicht leisten.
        Harald Koch (DIE LINKE): Ich habe heute gegen
        den Antrag des Bundesministeriums der Finanzen zu den
        „Finanzhilfen zugunsten der Hellenischen Republik“ ge-
        stimmt, weil ich nicht hinnehmen kann, dass in Grie-
        chenland Sozialstaat und Demokratie vernichtet werden,
        indem man die griechische Wirtschaft kaputtspart und
        die Bevölkerung mit immer neuen Sozial-, Renten-,
        Lohn- und Mindestlohnkürzungen drangsaliert. Spardik-
        tate vergrößern nur die Schuldenfalle, sodass sich Grie-
        chenland wie viele deutsche Kommunen in einer Art
        Vergeblichkeitsfalle befindet. Die unsozialen Kürzungs-
        und Sparorgien werden gegen den Willen der griechi-
        schen Bevölkerung durchgezogen, mannigfaltige Kon-
        troll- und Sanktionsmechanismen gefährden Griechen-
        lands politische Unabhängigkeit in wichtigen Bereichen –
        und damit gefährden sie auch die Demokratie. So wird
        Griechenland – und Europa – immer tiefer in eine Krise
        gestürzt, stattdessen wäre ein strukturierter Aufbauplan
        vonnöten. Um Haushalte zu sanieren, müssen vor allem
        Einnahmen erhöht, nicht immer nur Ausgaben gesenkt
        werden. Es ist aber geradezu grotesk, dass auf der Aus-
        gabenseite niemand die enormen Rüstungsausgaben
        Griechenlands beschneiden will. Öffentliche Haushalte
        sind auf der Einnahmeseite meiner Meinung nach durch
        eine höhere Besteuerung von Reichen, Vermögenden
        und Großkonzernen auf eine zukunftsfähige Grundlage
        zu stellen. EU-weit muss es eine koordinierte und ko-
        operative Wirtschaftspolitik geben. In erster Linie müs-
        sen die außenwirtschaftlichen Ungleichgewichte abge-
        baut werden. Ich fordere deshalb eine europäische
        Ausgleichsunion, die die Euro-Staaten zum Ausgleich
        ihrer Leistungsbilanzen zwingt. Um das Diktat der Fi-
        nanzmärkte zu brechen, sollten gemeinsame europäische
        Anleihen aufgelegt werden. Bedeutsam wäre in diesem
        19120 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Montag, den 27. Februar 2012
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        Zusammenhang auch die Gründung einer Europäischen
        Bank für öffentliche Anleihen. Deutschland hingegen
        befeuert durch seine hohen Exportüberschüsse die Krise.
        Stattdessen muss Deutschland endlich die Binnennach-
        frage stärken, zum Beispiel durch einen gesetzlichen
        Mindestlohn von 10 Euro, die Aufstockung des Hartz-IV-
        Regelsatzes auf mindestens 500 Euro und öffentliche In-
        vestitionen in einen sozial-ökologischen Umbau.
        Das neue Hilfspaket hat die falschen Adressaten: Die
        griechische Bevölkerung wird noch mehr als zuletzt lei-
        den müssen, und schließlich tragen auch deutsche Steu-
        erzahlerinnen und Steuerzahler ein Milliardenrisiko.
        Weil ich für eine Politik der Solidarität stehe und das eu-
        ropäische Demokratie- und Sozialstaatsmodell vertei-
        dige, habe ich heute gegen den Antrag „Finanzhilfen zu-
        gunsten der Hellenischen Republik“ gestimmt.
        Manfred Kolbe (CDU/CSU): Den heutigen Antrag
        „Finanzhilfen zugunsten der Hellenischen Republik“
        werde ich ablehnen, ich werde mit Nein stimmen.
        Erstens. Die bisherige Rettungsschirmpolitik ist ge-
        scheitert, was schon durch die Notwendigkeit eines
        zweiten oder gar dritten Rettungspaketes bewiesen wird.
        Griechenland ist nicht nur illiquide, sondern insolvent
        und braucht statt weiterer Konkursverschleppung einen
        vollständigen Neuanfang innerhalb oder außerhalb der
        Euro-Zone. Dies liegt im Interesse Europas, Deutsch-
        lands und auch Griechenlands, das durch die bisherige
        Politik immer tiefer in den Abgrund geraten ist.
        Zweitens. Griechenland ist innerhalb des Euro-
        Raumes nicht mehr wettbewerbsfähig. Der Aufbau staat-
        licher Strukturen, insbesondere einer funktionierenden
        Finanzverwaltung oder einer international konkurrenzfä-
        higen Industrie, ist aber nicht in Monaten oder Jahren zu
        bewerkstelligen, sondern braucht – wie der Aufbau Ost
        in Deutschland zeigt – Jahrzehnte, wenn überhaupt. Ins-
        besondere müssen die Griechen selber diesen Weg wol-
        len, der zunächst sicherlich mit großen Opfern verbun-
        den ist. Auf all diese Fragen gibt die Bundesregierung
        keine Antwort.
        Drittens. Die Fortsetzung der bisherigen Politik über-
        fordert aber auch die Bundesrepublik Deutschland. Be-
        reits jetzt haften wir für die gesamten Euro-Rettungs-
        maßnahmen mit rund 500 Milliarden Euro, einer halben
        Billion. Neben dem zweiten Griechenland-Rettungs-
        paket wird bereits ein drittes diskutiert sowie eine
        Aufstockung des Europäischen Stabilitätsmechanismus,
        ESM. Dieses im Ernstfall nicht zu bewältigende Haf-
        tungsrisiko kann ich mit meinem Gewissen nicht mehr
        vereinbaren.
        Patrick Kurth (Kyffhäuser) (FDP): Die Stabilisie-
        rung des Euro hat oberste Priorität. Deutschland wird
        dieser Verantwortung gerecht. Andere Lösungswege aus
        der Verschuldungskrise in Griechenland, die ein „An-
        werfen der Notenpresse“ bedeuten, sind mit uns nicht
        durchsetzbar. Vielmehr müssen wir jetzt mehr denn je
        eine Kultur der Stabilität im Euro-Raum mit Nachdruck
        durchsetzen. Der beschlossene Fiskalpakt ist ein wichti-
        ger Schritt.
        Trotz der massiven und teilweise beschämenden Pro-
        teste und ärgerlichen Vorwürfe aus Griechenland dürfen
        wir nicht nachlassen, von Griechenland größte Anstren-
        gungen und das nachhaltige Angehen der Strukturpro-
        bleme weiterhin mit Nachdruck einzufordern. Insbeson-
        dere was die Probleme des griechischen Steuersystems
        und vor allem bei der Steuervereinnahmung, Überbüro-
        kratie und einer völlig aufgeblähten Verwaltung, den
        erheblichen Pensionslasten, aber auch bei der Ausgaben-
        politik in anderen Bereichen angeht, sind die Anstren-
        gungen noch nicht zufriedenstellend. Hier sind noch grö-
        ßere Anstrengungen notwendig.
        Die Entwicklung Griechenlands zeigt sehr eindrück-
        lich, wie wichtig solide Finanzen, ein effizientes und
        durchschaubares Steuersystem sowie Wachstum und
        Produktivität sind. Die Politik der Opposition steht für
        genau das Gegenteil: für Ausgabenwahn, eine hohe Ab-
        gabenlast, die den Binnenkonsum abwürgt, eine hohe
        Staatsquote, Mindestlohn sowie unbezahlbare sozialro-
        mantische Versprechen. Genau dies waren auch die ent-
        scheidenden Zutaten, die in Griechenland und anderen
        Ländern das Chaos erst heraufbeschworen haben. Wären
        wir den Forderungen von Rot-Grün seit 2010 gefolgt,
        hätte sich die deutsche Verschuldung dem südeuropäi-
        schen Niveau angenähert und nicht umgekehrt. Unser
        Land wäre mit den rot-grünen Forderungen ebenso
        pleite. Außerdem war es das historische Versagen von
        Rot-Grün, den Beitritt Griechenlands zur Euro-Zone zu-
        gelassen und die Stabilitätskriterien aufgeweicht zu ha-
        ben. Damit sind sie für das jetzige Desaster mitverant-
        wortlich.
        Deutschland muss vielmehr weiter für solide Haus-
        haltsführung, Einsparmaßnahmen, die Reformierung des
        Steuersystems und die Bekämpfung der Bürokratie ein-
        stehen. Diese Notwendigkeiten sind auch im Lichte der
        griechischen Verhältnisse nicht relativierbar und müssen
        weiterhin mit Nachdruck verfolgt werden. Diese Bun-
        desregierung steht ausdrücklich dafür.
        Meine Entscheidung habe ich unter Berücksichtigung
        all dieser Aspekte abgewogen und mich entschieden,
        dem Kurs der schwarz-gelben Bundesregierung zu fol-
        gen.
        Dr. Carsten Linnemann (CDU/CSU): Seit rund
        zwei Jahren bemüht sich die europäische Staatengemein-
        schaft, Griechenland vor dem drohenden Staatsbankrott
        zu bewahren. Doch die bisherige Rettungsstrategie
        brachte keinen Erfolg.
        Im Gegenteil, die Situation Griechenlands hat sich
        dramatisch verschlechtert. Die Schuldenquote steigt, und
        die Wirtschaft schrumpft im fünften Jahr in Folge. Leis-
        tungsbilanzdefizite gehen einher mit Verwaltungsineffi-
        zienz. Eine zu hohe Konsumquote trifft auf mangelnde
        Wettbewerbsfähigkeit. Der Investitionsstau wird beglei-
        tet von Kapitalflucht. Alles deutet darauf hin, dass die
        bisherigen Maßnahmen eine Insolvenz Griechenlands
        zwar hinauszögern, nicht aber verhindern können.
        Nach meiner festen Überzeugung wird auch das neue
        Rettungspaket weder Griechenlands Schuldentragfähig-
        Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Montag, den 27. Februar 2012 19121
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        keit wiederherstellen, noch kann es dazu beitragen, dass
        Griechenland seine Wettbewerbsfähigkeit zurückerlangt.
        Ebenso wird der geplante freiwillige Schuldenschnitt
        nicht ausreichen, um Griechenland wieder auf einen
        nachhaltigen Pfad zu bringen. Es wird vielmehr höchste
        Zeit, eine Insolvenzordnung für Staaten zu etablieren, an
        deren Ende eine erfolgreiche Sanierung oder ein Austritt
        steht.
        Mit den jetzigen Hilfen erkaufen wir uns lediglich
        Zeit. Aber dieser Kauf könnte uns teuer zu stehen kom-
        men, denn auf lange Sicht gefährden wir politisch den
        Zusammenhalt Europas und ökonomisch die Währungs-
        union. Ich kann aus den genannten Gründen dem Hilfs-
        paket nicht zustimmen.
        Dr. Erwin Lotter (FDP): Wenn sich kurz vor der Be-
        schlussfassung des Deutschen Bundestages – auch – der
        in der Ressortverantwortung stehende Bundesminister
        gezwungen sieht, über das Wochenende Fragen von für
        die heute anstehende Entscheidung elementarer Bedeu-
        tung presseöffentlich zu behandeln, begründet dies mei-
        nes Erachtens zusätzlichen parlamentarischen Bera-
        tungsbedarf. Zeitlich zwingende Abläufe sollen dem
        entgegenstehen. Damit aber ist mir ein Pro- oder Contra-
        votum nicht möglich.
        Aus der Tatsache, den bisher sechs Beschlüssen zur
        „Rettung des Euro“ aus jeweils überzeugenden Gründen
        und damit begründeter Überzeugung zugestimmt zu ha-
        ben, resultiert jedenfalls kein mich bindender Zustim-
        mungsautomatismus. Im Gegenteil: Meine Verantwor-
        tung gegenüber unseren deutschen Interessen – wie auch
        meine persönlich-freundschaftliche Verbundenheit zu
        Griechenland – gebietet mir vielmehr, mich jeweils neu
        zu vergewissern, um sodann einen weiterhin als richtig
        erkannten Weg fortsetzen zu können oder einen sich auf-
        grund neuer Erkenntnisse bzw. zwischenzeitlicher Ent-
        wicklungen als falsch abzeichnenden Weg korrigieren zu
        müssen.
        Eine über ein Wochenende initiierte Debatte einer Di-
        mension von drittes Rettungspaket bis Austritt Griechen-
        lands aus der Euro-Zone kann zwangsläufig nur ein in
        den Medien ausgetragener Austausch von Schlagworten
        sein, also alles andere als eine solide Grundlage der be-
        schriebenen Vergewisserung. Mich heute der Stimme zu
        enthalten, ist die daraus notwendigerweise folgende
        Konsequenz.
        Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU): Zwar
        wurde die Vertrauenskrise im Euro-Raum, die durch die
        Schuldenkrise in Griechenland entstanden ist, noch nicht
        vollständig überwunden. Jedoch konnten mehrere ziel-
        führende und maßgebliche Erfolge errungen werden.
        Die Vorgaben des notwendigen Eigenkapitals systemre-
        levanter Banken wurden deutlich verschärft, die Instru-
        mente der EFSF konnten deutlich erweitert werden, und
        die Forderung Deutschlands, den Privatsektor deutlich
        und nachhaltig zu beteiligen, konnte umgesetzt werden.
        Griechenland hat es geschafft, das Primärdefizit von
        10,4 auf 2,4 Prozent deutlich zu verringern. Es geht im
        Falle Griechenlands um die Gewährleistung der Wettbe-
        werbsfähigkeit und nicht um die Vorgabe, um jeden
        Preis Einsparungen vorzunehmen. Die Vorgaben und
        Beschlüsse der EU müssen nun weiterhin umgesetzt
        werden, um Wettbewerbsfähigkeit sicherzustellen und
        Wachstum zu generieren.
        Ich kann aber dennoch nur unter Zurückstellung per-
        sönlicher Bedenken und in Anerkennung des Bestrebens
        der Regierungskoalition und der Bundesregierung, einen
        klaren und deutlichen Beitrag zur Überwindung der
        Schuldenkrise im Interesse Deutschlands und des ge-
        samten Euro-Raums zu leisten, dem Antrag des Bundes-
        ministeriums der Finanzen zustimmen. Auch sehe ich
        die Abstimmung als letztes Angebot an Griechenland,
        unter klaren Bedingungen eine Schuldentragfähigkeit zu
        erreichen. Einem Griechenland-III-Programm werde ich
        nicht zustimmen. Es ist ein Aufzeigen von Grenzen not-
        wendig, und Griechenland muss klar sein, dass es das
        letzte Mal ist, dass Deutschland Hilfe leisten kann.
        Dieses und weitere mögliche Hilfspakete werden die
        Situation in Griechenland nicht entschärfen, solange die
        griechische Administration nicht deutliche Erfolge in der
        Restrukturierung des Haushalts und der Wettbewerbsfä-
        higkeit in Europa erzielen kann. Solange keine funktio-
        nierende Steuerverwaltung und eine sinnvolle Neujustie-
        rung des Lohnniveaus und der Sozialleistungen
        stattfinden, kann der sich der Staat nicht von den Folgen
        der noch anhaltenden Krise erholen.
        Die Chancen beim neuen Griechenland-Paket über-
        wiegen die Risiken einer solchen Unterstützung. Wir
        müssen diese Chancen nutzen, anstatt zukünftigen Gene-
        rationen Schulden zu vererben. Ferner muss sicherge-
        stellt werden, dass alle Vorgaben, Maßnahmen und Ziele
        auch dann weiterhin Bestand haben, wenn in Griechen-
        land eine neue Regierung gewählt wird.
        Burkhardt Müller-Sönksen (FDP): Meiner Zustim-
        mung zum vorliegenden Antrag des Bundesministeriums
        der Finanzen über die Übernahme weiterer Gewährleis-
        tungen für Griechenland im Rahmen des Stabilisierungs-
        mechanismusgesetzes liegt eine Abwägung der Auswir-
        kungen möglicher Alternativen zugrunde.
        Ein unkontrollierter Prozesses, wie beispielsweise ein
        kurzfristiges Ausscheiden Griechenlands aus der Euro-
        Zone oder eine nicht geordnete Staatsinsolvenz, hätte
        nicht nur verheerende innenpolitische Folgen für Grie-
        chenland und seine Nachbarländer, sondern würde auch
        zu einer Instabilität der internationalen Finanzmärkte
        führen.
        Um nachhaltige Veränderungen in Griechenland auf
        der einen Seite zu ermöglichen und verantwort- und
        planbare Auswirkungen auf den Bundeshaushalt auf der
        anderen Seite zu schaffen, halte ich es für meine Zustim-
        mung für konstitutiv, dass die im Antrag des Bundes-
        ministeriums der Finanzen vorgeschlagenen Bedingun-
        gen für die Auszahlung der Hilfen vollumfänglich erfüllt
        werden. Hierbei ist aus meiner Sicht zentral, dass vor der
        Auszahlung einer ersten Tranche der erfolgreiche Ab-
        schluss der Umschuldung erfolgt und die Troika bestä-
        tigt, dass Griechenland durch Umsetzung des Maßnah-
        19122 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Montag, den 27. Februar 2012
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        menpaketes im Jahr 2020 einen Schuldenstand von nahe
        120 Prozent des BIP erreichen kann.
        Der heutige Beschluss des Bundestages ist nicht aus-
        schließlich eine haushälterische oder finanzpolitische
        Entscheidung. Die Übernahme weiterer Gewährleistun-
        gen für Griechenland im Rahmen der EFSF ist eine
        Richtungsentscheidung über die weitere Perspektive des
        europäischen Projekts.
        Der von der Bundesregierung vorgeschlagene Weg
        enthält hohe finanzielle Risiken für den Bundeshalt. Die
        Risiken sind jedoch gegenüber jedem anderen in der
        Diskussion befindlichen Modell in ihrer maximalen
        Höhe bezifferbar. Eine solche Sicherheit konnte mir kei-
        ner der Kritiker der heutigen Entscheidung für sein je-
        weils präferiertes Modell geben. Im Gegenteil ist unbe-
        stritten, dass die vielseitigen Interdependenzen im
        europäischen Wirtschafts- und Währungsraum eine ver-
        lässliche Analyse des volkswirtschaftlichen Risikos für
        Deutschland unmöglich macht.
        Jens Petermann (DIE LINKE): Ich stimme gemein-
        sam mit meiner Fraktion gegen den Antrag des Bundes-
        ministers der Finanzen, weil er mit den unsozialsten
        Lohn-, Renten- und Gehaltskürzungen in der Geschichte
        Griechenlands verbunden ist.
        Ich bedaure es, dass CDU/CSU, FDP, Grüne und SPD
        mit den für die Bewilligung der „Hilfen“ verbundenen
        Auflagen Griechenland und dessen Bevölkerung noch
        weiter in die Krise stürzen werden. Mit dem ersten Ret-
        tungspaket im Mai 2010 waren Kürzungen in Höhe von
        35 Milliarden Euro verbunden. Dies umfasst 15 Prozent
        der gesamten Wirtschaftsleistung. Aufgrund dessen
        sackte die Wirtschaft seither jährlich um weitere 10 Pro-
        zent ab. Die griechischen Kolleginnen und Kollegen, die
        heute auf einen Mindestlohn von 4,38 Euro angewiesen
        sind, müssen in Zukunft mit einem Euro weniger aus-
        kommen. Es ist ein Skandal, wenn das Bundesministe-
        rium der Finanzen dies auf Nachfrage als angemessen
        erachtet. Nach dortiger Ansicht – und der der gesamten
        Koalition – sind die Mindestlöhne in Griechenland zu
        hoch, ebenso wie der Anteil des Staates an der Wirt-
        schaftsleistung Griechenlands. Deshalb sei auch die Ent-
        lassung von 150 000 Beschäftigten aus dem öffentlichen
        Dienst notwendig. Privatisierung gilt als Allheilmittel.
        Die Entlassenen sollen sich in der privaten Wirtschaft
        engagieren und für wirtschaftlichen Aufschwung sorgen.
        Die Wirtschaft aber wird durch die Sanktionen des Stabi-
        litätsmechanismus ebenso in die Knie gezwungen wie
        der gesamte Staat. Die Entlassenen haben keine Mög-
        lichkeit, eine neue Beschäftigung zu finden. Vielmehr
        sind sie auf das um 30 Prozent heruntergekürzte Arbeits-
        losengeld in Höhe von 322 Euro im Monat angewiesen.
        Nach einem Jahr Arbeitslosengeld fallen sie dann durch
        das soziale Netz und sind der Obdachlosigkeit preis-
        gegeben, wenn sie nicht bei Familienmitgliedern auf-
        genommen werden können. Hier wird sehenden Auges
        eine soziale Katastrophe herbeigeführt.
        Ich stimme gegen den Antrag, weil mit den verbunde-
        nen Auflagen tiefe Einschnitte im sozialen Bereich ein-
        hergehen, während der riesige Militäretat des griechi-
        schen Staates lediglich um 300 Millionen Euro gekürzt
        werden soll. Begründet wird das damit, dass sich die
        Bundesregierung in diesem Bereich nicht gegenüber der
        griechischen Regierung durchsetzen konnte. Ein vorge-
        schobenes Argument! Vielmehr verdienen deutsche Un-
        ternehmen durch Rüstungsexporte nach Griechenland
        Milliarden.
        Ich stimme gegen den Antrag, weil mit den verbunde-
        nen Auflagen tiefe Einschnitte im sozialen Bereich ein-
        hergehen, während in Griechenland ein gerechtes Steu-
        ersystem fehlt. Die Reichen zahlen nahezu keine
        Steuern, während den Armen und mittlerweile auch
        schon den ehemaligen Normalverdienern die finanzielle
        Grundlage für ein würdiges Leben genommen wird.
        Auch hier ist es der Bundesregierung angeblich nicht ge-
        lungen, vom griechischen Staat ein gerechtes Steuersys-
        tem inklusive Vermögensteuer und Beitreibungskonzept
        zu fordern. Entlassungen und Sozialkürzungen sind da
        wesentlich einfacher durchzusetzen und werden als nor-
        mal angesehen.
        Ich stimme gegen den Antrag, weil die Euro-Krise
        nur durch Schließung des Spekulationskasinos gelöst
        werden kann. Laut Aussage der Regierung wurde der
        größte Teil der bisher bewilligten Hilfen zur Erfüllung
        von Verbindlichkeiten gegenüber Gläubigern verwendet.
        Wo der restliche Teil geblieben ist, bleibt unklar. Diese
        Gläubiger sind Großbanken, Kreditausfallversicherun-
        gen und Spekulanten. Das führt dazu, dass die, die Grie-
        chenland über Jahrzehnte gemolken haben, immer noch
        weiter melken können, und das bei einem Minimum an
        Kapitaleinsatz. Durch Zins und Zinseszins hat Griechen-
        land seine Kredite schon mehr als einmal zurückgezahlt.
        Doch den armen Großbanken und Kreditausfallversiche-
        rungen droht nach Ansicht der Koalition die sichere In-
        solvenz, wenn sie nun auf ihre weiteren Forderungen
        verzichten müssten. Und solche Insolvenzen würden die
        Wirtschaft ganz Europas mit in den Abgrund reißen.
        Diesem unseriösen Gebaren muss der Boden entzogen
        werden. Die Staaten müssen sich unabhängig von den
        Kapitalmärkten finanzieren können, über eine Bank für
        öffentliche Anleihen. Die Finanzmärkte müssen endlich
        streng reguliert werden, die Verursacher und Profiteure
        der Krise müssen zur Kasse gebeten werden: Dies kann
        man durch eine EU-weite Vermögensabgabe für Super-
        reiche, durch eine Finanztransaktionsteuer und durch
        eine Beteiligung großer privater Gläubiger realisieren.
        Mein Nein zum Antrag des Bundesministers der Fi-
        nanzen ist ein Nein zu einer antisozialen Politik, die dem
        griechischen Staat aufoktroyiert werden soll, und ein Ja
        für die griechische Bevölkerung.
        Richard Pitterle (DIE LINKE): Bei der heutigen Ab-
        stimmung über den Antrag auf erneute Finanzhilfen für
        Griechenland habe ich mit Nein gestimmt. Nicht weil
        ich der Meinung bin, dass Griechenland nicht geholfen
        werden soll. Ganz im Gegenteil. Ich habe mit Nein ge-
        stimmt, weil ich der Meinung bin, dass die Bedingun-
        gen, die an die Finanzhilfen geknüpft worden sind, Grie-
        chenland weiter in den Ruin treiben werden.
        Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Montag, den 27. Februar 2012 19123
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        Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit
        und Entwicklung, kurz OECD, hat festgestellt, dass
        Griechenland im Jahr 2010 sein Strukturdefizit von
        7,5 Prozent auf 6,5 Prozent senken konnte. Das hat laut
        der OECD kein einziges Industrieland in den vergange-
        nen 25 Jahren geschafft. In Deutschland stieg das Struk-
        turdefizit im Jahr 2010 sogar um 1,1 Prozentpunkte an.
        Aber die Finanzmärkte haben dies kein bisschen hono-
        riert. Die Zinsen, die Griechenland an den Finanzmärk-
        ten zur Refinanzierung zahlen musste und muss, waren
        weiterhin horrende, sodass es die EU-Länder wieder und
        wieder um Finanzhilfen bitten musste.
        Da die Finanzhilfen der EU an unsoziale Kürzungs-
        programme geknüpft sind, verringern sie die Schulden-
        lasten der betroffenen Staaten nicht, sondern erhöhen sie
        noch. Dass sich ein Land aus einer Krise hinaussparen
        kann, funktioniert nämlich nicht. Die Kürzungsmaßnah-
        men, die Griechenland durchführen muss, zerstören die
        Substanz für die Steuereinnahmen, die das Land drin-
        gend braucht. Durch die Kürzung von Löhnen, Renten
        und Sozialleistungen bricht die Binnennachfrage ein,
        also auch die Einnahmen aus zum Beispiel der Mehr-
        wertsteuer. In den letzten zwei Jahren ist die griechische
        Wirtschaft wegen der Kürzungspolitik um 9 Prozent-
        punkte geschrumpft und die Verschuldung um weitere
        50 Milliarden Euro angestiegen. Zudem gab es keine In-
        vestitionen, die dringend nötig wären. Dass dies der fal-
        sche Weg ist, sagen auch Experten aus der Wissenschaft.
        Selbst Bundeskanzlerin Merkel hat im Zuge der Finanz-
        krise gesagt, Deutschland dürfe sich nicht kaputtsparen,
        sondern brauche jetzt Investitionen. Sie hat damals zum
        Beispiel die Abwrackprämie eingeführt. Aber für Grie-
        chenland fordert sie das Gegenteil.
        Ich bin der festen Überzeugung, dass Griechenland
        eine wachstumsfördernde Politik braucht mit Investitio-
        nen und keine Kürzungsprogramme, die das Steuer-
        substrat zerstören. Weil die heute beschlossenen Finanz-
        hilfen aber wieder den falschen Weg weiter verfolgen,
        habe ich mit Nein gestimmt.
        Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
        NEN): Dem Antrag stimme ich nicht zu, sondern ich
        stimme mit Enthaltung.
        Wie schon bei der Abstimmung über das erste Hilfs-
        paket für Griechenland halte ich auch jetzt Hilfe für die
        griechische Bevölkerung in der Finanzkrise für richtig
        und notwendig. Einen Rauswurf Griechenlands aus der
        Euro-Zone halte ich für falsch, genauso wie die Auffor-
        derung zum „freiwilligen“ Austritt.
        Die EU und auch Deutschland müssen dem Land mit
        Krediten und weiterer Unterstützung wiederum zur Hilfe
        kommen. Aber nicht so, wie in dem Antrag vorgeschla-
        gen. Die finanzielle Hilfe darf nicht wie bisher nur oder
        ganz überwiegend den Banken zufließen.
        Das mit der Hilfe verbundene Sparpaket ist zutiefst
        unsozial und treibt weitere Kreise der griechischen Be-
        völkerung in die Armut und Perspektivlosigkeit. Die Ar-
        beitslosigkeit in Griechenland ist seit dem letzten Ret-
        tungspaket 2010 fast auf das Doppelte – über
        20 Prozent – gestiegen. Die Staatseinnahmen sind ge-
        sunken. Die Verschuldung des Landes hat wiederum zu-
        genommen. Ich hatte schon 2010 nicht für das Hilfspa-
        ket gestimmt, sondern mich enthalten. Ich sehe meine
        damaligen Befürchtungen bestätigt.
        Das Sparpaket bewirkt einen weiteren drastischen
        Anstieg der Arbeitslosigkeit und reduziert weiter die
        Wachstumschancen. Es wirkt sich kontraproduktiv für
        die wirtschaftliche Erholung aus.
        Statt der strangulierenden Sparmaßnahmen, wie er-
        neute Rentenkürzungen, Massenentlassungen im öffent-
        lichen Dienst, Kürzungen der Ausgaben für Gesundheit,
        drastische Kürzung des Mindestlohnes und des Arbeits-
        losengeldes, halte ich das drastische Zusammenstreichen
        der Militärausgaben und ein nachhaltiges Investitions-
        programm in Milliardenhöhe für richtig. Aus der Bun-
        desregierung waren zwar auch solche Forderungen zu
        hören, aber bis heute fehlen dazu konkrete Vorschläge
        und Vereinbarungen. Die Bundesregierung hat noch am
        letzten Donnerstag auf eine Parlamentarische Anfrage
        von mir nach „konkreter materieller Unterstützung bei
        Sanierung und Aufbau der Wirtschaft Griechenlands“
        geantwortet, „die Staaten der Euro-Zone haben bisher
        noch keine verbindliche Zusage zur Bereitstellung zu-
        sätzlicher Mittel gemacht“.
        Ohne ein Investitionsprogramm sehe ich eine wirt-
        schaftliche Gesundung Griechenlands in weiter Ferne.
        Ohne dass auch die großen Vermögen und die Einkom-
        men der Reichen in Griechenland zur Finanzierung he-
        rangezogen werden, werden die notwendigen Reformen
        nicht akzeptiert.
        Auch der Schuldenschnitt der privaten Gläubiger ist
        keineswegs in trockenen Tüchern. Bis heute gibt es eine
        rechtlich bindende Zusage vonseiten der Gläubiger
        nicht. Auch das hat die Bundesregierung mir am letzten
        Donnerstag bestätigt. Es soll allgemeine Zusagen von ei-
        nigen europäischen Großbanken geben. Aber nichts Ge-
        naues steht fest und andere Privatgläubiger und etwa
        Hedgefonds halten sich bisher ganz zurück. Schon dem
        ersten Hilfspaket für Griechenland hatte ich 2010 nicht
        zugestimmt, weil der Schuldenschnitt für private Gläubi-
        ger in Höhe von damals 21 Prozent zu vage und zu ge-
        ring vereinbart war. Bis heute ist es zu keinerlei Schul-
        denschnitt gekommen.
        Selbst wenn es diesmal zu einem Schuldenschnitt von
        53 Prozent bei einem Teil der privaten Gläubiger kom-
        men sollte, wird die Restschuld von 47 Prozent für die
        Zukunft von den europäischen Staaten garantiert. Das
        heißt, dass ein späterer weiterer Schuldenschnitt nicht
        möglich bleibt oder zulasten der europäischen Garantie-
        staaten geht.
        Es gibt eine Alternative zum Antrag der Bundesregie-
        rung. Das ist nicht ein ungeregelter Staatsbankrott, son-
        dern eine Griechenland-Hilfe, die das Sparpaket sozialer
        gestaltet und ein Investitionsprogramm in Milliarden-
        höhe enthält, das der Wirtschaft wirklich hilft, sowie ei-
        nen echten Schuldenschnitt für alle privaten Gläubiger,
        so wie es im heutigen Entschließungsantrag der grünen
        Fraktion enthalten ist.
        19124 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Montag, den 27. Februar 2012
        (A) )
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        Sabine Stüber (DIE LINKE): Ich habe heute gegen
        den Antrag des BMF zu den „Finanzhilfen zugunsten der
        Hellenischen Republik“ gestimmt, weil die Kredithilfen
        von 130 Milliarden Euro eine Staatspleite längerfristig
        nicht abwenden. Die griechische Wirtschaft wird kaputt-
        gespart, der Sozialstaat zerstört, die Demokratie ausge-
        hebelt und das Land so immer tiefer in die Schuldenfalle
        getrieben.
        Ich stimme gegen den Antrag des BMF, weil die
        „Griechenland-Hilfen“ seit 2010 immer nur den Finanz-
        akteuren helfen. Rund 81 Prozent dieser „Hilfen“ fließen
        direkt zurück an die Gläubiger – an griechische und in-
        ternationale Banken, Versicherungen und Finanzinvesto-
        ren. So trägt der deutsche Steuerzahler allein ein drei-
        stelliges Milliardenrisiko, während Banken und private
        Gläubiger mithilfe der Bundesregierung ihr Geld in Si-
        cherheit bringen.
        Die „Hilfspakete“ für Griechenland waren und sind
        ein Anschlag auf die Demokratie. Die harten Kürzungs-
        maßnahmen werden gegen den Willen und Widerstand
        der griechischen Bevölkerung durchgepeitscht. Durch
        detaillierte Politikvorgaben, Überwachungsmechanis-
        men und die Einrichtung eines Sperrkontos wird Grie-
        chenland die Souveränität in zentralen Bereichen entzo-
        gen. Deshalb habe ich heute gegen den Antrag des BMF
        zu den „Finanzhilfen zugunsten der Hellenischen Repu-
        blik“ gestimmt.
        Johanna Voß (DIE LINKE): Ich habe heute gegen
        den Antrag „Finanzhilfen zugunsten der Hellenischen
        Republik“ gestimmt, weil er ungeeignet ist, die Staats-
        pleite Griechenlands abzuwenden. Im Gegenteil: Er be-
        wirkt, dass die Wirtschaft weiter kaputtgespart wird und
        die Not der griechischen Bevölkerung verschärft wird.
        Die Gläubiger und damit die Verursacher der Euro-Krise
        werden hingegen geschont.
        Die bewilligten Summen erreichen Höhen, unter de-
        nen sich niemand mehr etwas Konkretes vorstellen kann.
        Erst die Aufstockung des europäischen Rettungsfonds,
        EFSF, auf 440 Milliarden Euro. Dann 110 Milliarden
        Euro für das erste Hilfspaket an Griechenland. Und nun
        weitere 130 Milliarden Kredithilfen für ein zweites.
        Doch für die Griechen ist die Krise längst keine ab-
        strakte Größe mehr. Fast jede griechische Familie ist von
        Arbeitslosigkeit betroffen. Mehr als jeder fünfte Grieche
        ist bereits ohne Job, unter den Jugendlichen sogar jeder
        zweite. Ein Jahr lang hilft nach dem Verlust des Arbeits-
        platzes der Staat, dann muss die Familie einspringen.
        Doch bei vielen neigen sich die Ersparnisse dem Ende
        zu. Die Not hat längst breite Bevölkerungsschichten er-
        reicht. Jeder fünfte Grieche lebt unterhalb der Armuts-
        grenze. Die Zahl der Obdachlosen steigt, und die Schlan-
        gen an den Suppenküchen werden länger. Machen wir
        uns nichts vor: Die Zeche für die Krise zahlt das Volk.
        Die Banken maximieren hingegen weiter ihre Ge-
        winne – ohne Rücksicht auf Verluste, denn die über-
        nimmt ja sowieso der Staat. So wird mit allem gezockt,
        was Rendite verspricht. Auch vor Nahrungsmittelspeku-
        lation auf Kosten der Ärmsten machen die Finanzakteure
        nicht Halt. Viele europäische Staaten sprangen 2009 be-
        reits einmal für die Verluste ein – die Verschuldung stieg
        sprunghaft an. Davon profitierten die Banken aufgrund
        des gestiegenen Risikoaufschlages auf Staatsanleihen in
        Verbindung mit kostengünstiger Refinanzierung durch
        billiges Zentralbankgeld. Und ist es nicht blanker Hohn,
        dass jetzt wieder die Steuerzahler ran sollen, um die An-
        leger vor einem Zahlungsausfall zu bewahren?
        Es ist unerträglich, dass seit dem Krisenjahr 2008
        nichts unternommen wurde, um die Banken auf ihre ei-
        gentliche Aufgabe zurückzustutzen: die Versorgung der
        Wirtschaft mit den nötigen Krediten. Noch unerträgli-
        cher ist die bisherige Krisenstrategie der Bundesregie-
        rung. Die infolge der Hilfen aufgezwungenen Sozial-,
        Renten-, Lohn- und Mindestlohnkürzungen treffen die
        Falschen – und mindern nicht die Verschuldung! Seit
        Verabschiedung des ersten „Hilfspakets“ für Griechen-
        land im Mai 2010 sind die Schulden des Landes um über
        50 Milliarden Euro gestiegen, die Schuldenquote ist von
        130 auf 170 Prozent des BIP hochgeschnellt.
        Die Griechen müssen einen völlig anderen Weg ein-
        schlagen, hin zu einer sozialen und gerechten Gesell-
        schaft. Denn so sehr die neuen Armen unter den Spar-
        maßnahmen leiden, so sehr haben sich die Reichen
        geschützt. Sie bringen ihr Geld ins sichere Ausland, kau-
        fen in Berlin und Paris Immobilien oder verlegen ihre
        Firmensitze nach London. Deshalb ist es Zeit für einen
        konsequenten Steuervollzug in Griechenland und eine
        Reichensteuer, bei der die 2 000 griechischen Familien,
        die 80 Prozent des Reichtums besitzen, herangezogen
        werden.
        Auch Europa muss endlich sozial werden, oder es
        wird nicht fortbestehen. Dafür müssen die öffentlichen
        Haushalte von den Finanzmärkten abgeschirmt werden
        und direkt über die EZB finanziert werden. Dafür muss
        die krisenverschärfende Kürzungspolitik sofort gestoppt
        werden und eine europaweite Millionärsteuer eingeführt
        werden. Und dafür muss ein sozial-ökologisches Investi-
        tionsprogramm in Europa her. Nichts davon findet sich
        hier.
        Europa darf nicht länger vom Finanzsektor in Geisel-
        haft genommen werden. Alternativen bieten sich an.
        Neue Wege sind möglich.
        Und deshalb habe ich heute gegen das zweite Ret-
        tungspaket für Griechenland gestimmt.
        Sahra Wagenknecht (DIE LINKE): Gemeinsam mit
        meiner Fraktion Die Linke habe ich heute gegen das
        Griechenland-II-Paket gestimmt, weil es sich hierbei um
        einen weiteren Rettungsring aus Blei handelt. Statt Grie-
        chenland zu helfen, wird die griechische Wirtschaft ka-
        puttgespart und die Bevölkerung in die Armut getrieben.
        Zum Beispiel soll der Mindestlohn in der Privatwirt-
        schaft um 22 bis 32 Prozent gekürzt werden, bis 2015
        sollen 150 000 Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst
        vernichtet und in großem Stil öffentliches Eigentum ver-
        scherbelt werden. Dabei wird kein Cent aus dem soge-
        nannten Rettungspaket bei der griechischen Bevölke-
        rung ankommen, da die Kredite über ein Sperrkonto
        Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Montag, den 27. Februar 2012 19125
        (A) )
        )(B)
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        direkt an die Gläubiger weitergereicht werden. Statt die
        Euro-Krise politisch zu lösen, wird die Zukunft Europas
        in die Hände großer Finanzkonzerne gelegt und die De-
        mokratie ausgehebelt.
        An einen Erfolg des angeblichen Rettungspakets
        glauben nicht einmal die Retter selbst. So geht die
        Troika aus Europäischer Zentralbank, Internationalem
        Währungsfonds und EU-Kommission davon aus, dass
        das Ziel, die griechischen Staatsschulden bis 2020 auf
        einen Anteil von 120 Prozent des BIP zu reduzieren, vo-
        raussichtlich nicht erreicht wird. Auch Finanzminister
        Schäuble hält es für möglich, dass auf das zweite Ret-
        tungspaket für Griechenland noch weitere folgen wer-
        den.
        Schon das erste Rettungspaket für Griechenland war
        nur ein Rettungspaket für die Banken. Von den 73 Mil-
        liarden Euro, die seit Mai 2010 aus dem ersten Hilfs-
        paket an Griechenland ausgezahlt worden sind, flossen
        2010 und 2011 rund 70 Milliarden durch Zins- und Til-
        gungszahlungen direkt in die Hände von Banken und an-
        deren privaten Gläubigern. Zusätzlich kauften die Euro-
        päische Zentralbank und einige nationale Notenbanken
        den Banken und privaten Gläubigern Anleihen im Wert
        von circa 70 Milliarden Euro ab. Auf diese Weise konn-
        ten sich Banken, Versicherungen, Hedgefonds und Be-
        sitzer großer Vermögen bereits zu einem großen Teil aus
        der Verantwortung ziehen. Gleichzeitig wurden den
        Steuerzahlern in der Euro-Zone immer höhere Risiken
        aufgebürdet. Da der geplante Schuldenschnitt von
        53,5 Prozent völlig unzureichend ist und die wachstums-
        feindliche Kürzungspolitik weitergeht, wird Griechen-
        land früher oder später einen noch größeren Schulden-
        schnitt brauchen, der fast ausschließlich die Steuerzahler
        treffen wird.
        Statt die Misere immer weiter zu verschärfen, fordern
        wir, dass die öffentlichen Haushalte der Euro-Zone von
        den Finanzmärkten abgeschirmt werden. Eine öffentli-
        che Bank sollte den Staaten zu denselben Konditionen
        Kredit einräumen, zu denen auch die Banken bei der
        EZB Kredite erhalten. Dies würde der Spekulation ge-
        gen einzelne Euro-Staaten ein Ende bereiten und die
        Zinsen für die öffentliche Hand deutlich senken, da die
        Zinsmarge für die privaten Banken entfallen würde. Eine
        solche Abkopplung der Staatsfinanzierung von den Fi-
        nanzmärkten macht auch einen harten Schuldenschnitt
        möglich, ohne dass die Euro-Krise eskaliert und Staaten
        wie Portugal, Irland oder Spanien unter Druck geraten.
        Im Fall Griechenlands muss der Staat von 75 Prozent
        seiner Schulden befreit werden. Ein solch harter Schul-
        denschnitt für Griechenland hätte zwar die Folge, dass
        einige europäische Banken rekapitalisiert werden müss-
        ten. Diese Rekapitalisierung könnte man aber dazu nut-
        zen, um die privaten Großbanken dauerhaft in öffentli-
        che Hand zu überführen und streng zu regulieren. Um zu
        vermeiden, dass durch die Kosten für die Rekapitalisie-
        rung und Verstaatlichung der Banken die Bevölkerung
        belastet wird, müsste eine europäische Vermögens-
        abgabe für Millionäre eingeführt werden. Neben der
        einmaligen Abgabe sind eine Millionärsteuer, eine Fi-
        nanztransaktionsteuer sowie eine sozial gerechte Steuer-
        reform notwendig, um ein europaweites Investitionspro-
        gramm zu finanzieren. Dieses sollte in erster Linie dazu
        dienen, strauchelnde Wirtschaften wie die griechische zu
        unterstützen. Schließlich muss Deutschland geeignete
        Maßnahmen zur Stärkung der eigenen Binnennachfrage
        ergreifen. Nur so lässt sich die Exportfokussierung über-
        winden, die eine Ursache dafür ist, dass die Wirtschaft
        Griechenlands niederkonkurriert worden ist.
        Anlage 3
        Erklärung nach § 31 GO
        der Abgeordneten Alexander Funk und Klaus-
        Peter Willsch (beide CDU/CSU) zur nament-
        lichen Abstimmung über den Antrag: Finanz-
        hilfen zugunsten der Hellenischen Republik;
        Einholung eines zustimmenden Beschlusses des
        Deutschen Bundestages nach § 3 Absatz 1 des
        Stabilisierungsmechanismusgesetzes (StabMechG)
        für Notmaßnahmen der Europäischen Finanz-
        stabilisierungsfazilität zugunsten der Helleni-
        schen Republik (Tagesordnungspunkt 1 b)
        Mit dem neuen „Hilfsprogramm“ in Höhe von
        130 Milliarden Euro für den insolventen Staat Griechen-
        land setzt die Bundesregierung ihre seit Mai 2010 umge-
        setzte Strategie fort, durch Bürgschaften und Schulden-
        aufkäufe vom Kapitalmarkt abgeschnittene Staaten über
        gemeinschaftliche Haftung weiter zu finanzieren. Zu-
        sammen mit den noch nicht abgerufenen Mitteln des ers-
        ten Paketes und einer Absicherung der EZB summieren
        sich die nun beabsichtigten Garantien auf 189,4 Milliar-
        den Euro.
        Weder die bisherigen Umsetzungen der zugesagten
        Reformmaßnahmen in Griechenland noch die durch eine
        tiefe und sich verstetigende Rezession geprägte wirt-
        schaftliche Realität in Griechenland rechtfertigen nach
        unserer festen Überzeugung die Fortsetzung dieses We-
        ges und eine noch höhere Risikoübernahme durch den
        deutschen Steuerzahler. Das offensichtliche Scheitern
        der als einmalig und alternativlos bezeichneten Maßnah-
        men vom Mai 2010 muss spätestens jetzt eingestanden
        werden und die Schuldenspirale mit Mut und Entschlos-
        senheit beendet werden. Den Antrag des Bundesministe-
        riums der Finanzen lehnen wir daher ab.
        Unsere Ablehnung beruht dabei auf unserer festen
        Überzeugung, dass prinzipiell die einschlägigen Euro-
        päischen Vertragsbestimmungen zum Verbot von Schul-
        denfinanzierung anderer Länder – AEUV § 125 – sowie
        das Verbot der Staatsfinanzierung über Kapitalflüsse der
        EZB wesentliche und unerlässliche Pfeiler der Wäh-
        rungsunion sind und jede weitere Missachtung dieser
        Bestimmungen für einen weiteren Vertrauensverlust in
        die Stabilität der Euro-Zone und damit auch ihrer leis-
        tungsstarken Länder sorgen.
        Bereits seit den Beschlüssen zur Erweiterung des
        Ausleihvolumens der EFSF wird deutlich, dass durch die
        Übernahme immer weiterer Risiken und Verpflichtungen
        auch die Zweifel in die Bonität der soliden Schuldner er-
        heblich steigen. Darüber können auch die zurzeit noch
        niedrigen Refinanzierungskosten für die deutschen
        19126 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Montag, den 27. Februar 2012
        (A) )
        )(B)
        (C
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        Staatsschulden nicht hinwegtäuschen. Vor dem Hinter-
        grund dieser absehbaren Folgen warnen wir mit Nach-
        druck davor, durch weitere Hilfsleistungen das Vertrauen
        in die Bonität unseres Landes weiter zu schwächen.
        Selbst wenn man diese prinzipiellen Erwägungen
        nicht teilen sollte, macht die spezielle ökonomische und
        politische Situation in Griechenland nicht nur deutlich,
        dass vorgeblich einmalige und unter besonderen Um-
        ständen gewährte Hilfen und Bürgschaften gerade nicht
        zur Bewältigung der Staatsschuldenkrise führen, sondern
        vielmehr zur Fortsetzung des Bail Out mit immer weite-
        ren Mitteln einladen. Diese Anreize zur weiteren Ver-
        schuldung sollten nach unserer festen Überzeugung jetzt
        unterbunden werden.
        Alle bisherigen und alle weiteren Maßnahmenpakete
        fußen darüber hinaus auf überaus optimistischen ökono-
        mischen Basisannahmen von Schuldentilgung, Privati-
        sierungserlösen, Reformumsetzungen und Wirtschafts-
        wachstum, die an der harten Realität der griechischen
        Verhältnisse scheitern bzw. unzureichend in Rechnung
        stellen, dass die massiven Budgeteinschnitte rezessiv
        wirken und dies noch viele Jahre weiter tun werden.
        Wir würdigen nichtsdestoweniger die Leistungen der
        Bundesregierung beim Bestehen auf der Umsetzung ver-
        traglich festgelegter Reformen in Griechenland und
        nicht zuletzt die erhebliche Opferbereitschaft der leidge-
        prüften griechischen Bevölkerung.
        Unabhängig davon bezweifeln wir aber entschieden,
        dass die bisherige Strategie den Bürgen, dem insolventen
        griechischen Staat und seiner nicht wettbewerbsfähigen
        Wirtschaft sowie nicht zuletzt den Griechinnen und
        Griechen eine realistische Perspektive für eine bessere
        und erfolgreichere Zukunft bieten kann.
        Anlage 4
        Erklärung nach § 31 GO
        der Abgeordneten Gerold Reichenbach und
        Rüdiger Veit (beide SPD) zur namentlichen Ab-
        stimmung über den Antrag: Finanzhilfen zu-
        gunsten der Hellenischen Republik; Einholung
        eines zustimmenden Beschlusses des Deutschen
        Bundestages nach § 3 Absatz 1 des Stabilisie-
        rungsmechanismusgesetzes (StabMechG) für
        Notmaßnahmen der Europäischen Finanzstabi-
        lisierungsfazilität zugunsten der Hellenischen
        Republik (Tagesordnungspunkt 1 b)
        Wir halten es im gesamteuropäischen und deutschen
        Interesse für geboten, den drohenden Staatsbankrott
        Griechenlands abzuwenden und das Land gesellschaft-
        lich, wirtschaftlich und finanziell wieder zu stabilisieren,
        um unkalkulierbare Risiken für die Euro-Zone, die euro-
        päische Stabilität und damit auch die Bürger unseres
        Landes abzuwenden. Diese Stabilisierung kann nur in-
        nerhalb der Europäischen Union und mit der solidari-
        schen Hilfe der Euro-Länder gelingen.
        Gleichwohl konnten wir dem Antrag der Bundes-
        regierung aus folgenden Gründen nicht zustimmen:
        Die Notmaßnahmen im ersten und zweiten Hilfspaket
        haben zu sehr eine rigide Sparpolitik Griechenlands im
        Blick und sind zu einseitig auf die Stabilisierung der
        Staatsausgaben orientiert. Diese Orientierung hat die
        griechische Wirtschaft zusätzlich belastet und das Land
        in eine mehrjährige Rezession getrieben.
        Diese Maßnahmen bedeuten in ihrer Unausgewogen-
        heit einen sozialen Sprengstoff, der geeignet ist, die De-
        mokratie in Griechenland nachhaltig zu erschüttern.
        Der finanzielle Nutzen der Maßnahmen ist überhöht.
        Insbesondere die Zeitkorridore für die Umsetzung der
        gesetzgeberischen Maßnahmen, die der Regierung Grie-
        chenlands eingeräumt werden, sind zu kurz und erkenn-
        bar unrealistisch.
        Eine Beteiligung privater Gläubiger ist zu spät erwo-
        gen und umgesetzt worden. Dadurch ist die Wirkung des
        Schuldenschnitts im Sinne einer nachhaltigen Entlastung
        Griechenlands erheblich reduziert worden.
        Wir kritisieren, dass die Notmaßnahmen bisher nicht
        durch einen hinreichenden Wachstumsimpuls für Grie-
        chenland – Marshallplan – ergänzt worden sind. Allein
        durch Fiskalpolitik kann eine nachhaltige Stabilisierung
        des griechischen Staatshaushaltes nicht gelingen. Im Ge-
        genteil, sie treibt das Land immer tiefer in die Krise.
        Die Bundesregierung ist nicht bereit, über Ankündi-
        gungen hinaus Maßnahmen gegen die tieferen Ursachen
        der Krise zu ergreifen. Besonders deutlich wird dies bei
        der Einführung einer Finanztransaktionsteuer. Selbst
        Frankreich will diese Steuer jetzt mit einer nationalen
        Initiative einführen. Durch eine solche Steuer können
        bestimmte Formen der Finanzspekulation begrenzt wer-
        den. Wer hohes Risiko eingeht, muss auch dafür haften.
        Zudem kann durch die Steuer eine Beteiligung der Fi-
        nanzmärkte an den Folgen der von ihnen verursachten
        Krise erreicht werden.
        Sowohl in der Bundesrepublik wie auch in Griechen-
        land und in anderen Ländern der Europäischen Union
        werden die Risiken und Lasten der Krise einseitig auf
        die breite Bevölkerung verlagert, während die großen
        Vermögen und die Profiteure der Spekulation weitge-
        hend geschont werden.
        Die Bundesregierung beschreibt die Notwendigkeit,
        die Dimension, aber auch die Dauer der erforderlichen
        Hilfen für Griechenland gegenüber der deutschen Bevöl-
        kerung viel zu unzureichend. Tatsächlich handelt es sich
        bei der finanziellen und gesellschaftlichen Stabilisierung
        Griechenlands um eine Generationenaufgabe. Sie erfor-
        dert neben der Bereitschaft der Griechen zu schmerzli-
        chen Veränderungen ebenso die Bereitschaft der Deut-
        schen zur solidarischen Unterstützung.
        Anlage 5
        Erklärung nach § 31 GO
        der Abgeordneten Andrej Hunko, Ulla Jelpke
        und Niema Movassat (alle DIE LINKE) zur
        namentlichen Abstimmung über den Antrag:
        Finanzhilfen zugunsten der Hellenischen Repu-
        Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Montag, den 27. Februar 2012 19127
        (A) )
        )(B)
        (C
        (D
        blik; Einholung eines zustimmenden Beschlus-
        ses des Deutschen Bundestages nach § 3 Ab-
        satz 1 des Stabilisierungsmechanismusgesetzes
        (StabMechG) für Notmaßnahmen der Europäi-
        schen Finanzstabilisierungsfazilität zugunsten
        der Hellenischen Republik (Tagesordnungs-
        punkt 1 b)
        Die Bundesregierung fordert die Zustimmung des
        Bundestages zum sogenannten zweiten Rettungspaket
        für Griechenland. Es beinhaltet die Gewährung von Fi-
        nanzhilfen der EFSF an Griechenland in Form von Dar-
        lehen von bis zu 189,4 Milliarden Euro – 130 Milliarden
        Euro neue Hilfen, 24,4 Milliarden Euro nicht ausge-
        schöpfte Gelder aus dem ersten Griechenland-Paket und
        eine Absicherung der Europäischen Zentralbank in Höhe
        von 35 Milliarden Euro. Deutschland übernimmt die
        Haftung für bis zu 38 Milliarden Euro als Sicherheit für
        die EFSF. Wir haben aus den folgenden Gründen gegen
        diese Maßnahme gestimmt:
        Erstens. Die „Finanzhilfen zugunsten der Helleni-
        schen Republik“ sind in Wirklichkeit ein weiteres Ban-
        kenrettungspaket. Ziel ist die Rettung der Gläubiger und
        nicht der griechischen Bevölkerung. Das Geld der Steu-
        erzahlerinnen und Steuerzahler wird durch diese Maß-
        nahmen ein weiteres Mal von unten nach oben umver-
        teilt werden.
        Zweitens. Das „Rettungspaket“ wird die Krise nicht
        lösen, sondern verschärfen. Schon die bisherigen Maß-
        nahmen haben deutlich gezeigt, dass die europäische
        Krisenpolitik unter Führung der deutschen Bundesregie-
        rung auf dem Holzweg ist. Anstatt Auswege aus der
        Krise zu bieten, treibt diese falsche Politik die griechi-
        sche Wirtschaft immer weiter in eine Abwärtsspirale.
        Drittens. Die neuen Maßnahmen sind ein offener An-
        griff auf die Demokratie. Die EU und allen voran die
        Merkel-Regierung diktieren eine fatale Politik und um-
        gehen dabei grundlegende demokratische Verfahrens-
        weisen. Der Verlust von Souveränitätsrechten, die Ein-
        richtung eines Sperrkontos zur Schuldenbedienung und
        das Verbot von Tarifverhandlungen sind Ausdruck die-
        ses Angriffs.
        Viertens. Für die griechische Bevölkerung bedeuten
        die mit den Finanzhilfen für die Banken verknüpften Be-
        dingungen eine historisch beispiellose soziale Verelen-
        dung. In Zeiten wirtschaftlicher Rezession wird eine nie
        da gewesene Kürzungspolitik im Sozialbereich kombi-
        niert mit massiven Lohnkürzungen, Entlassungen und
        Privatisierungen.
        Fünftens. Verantwortlich für die Krise ist nicht die
        griechische Bevölkerung, sondern die neoliberale Wirt-
        schaftspolitik, die faktische Enteignung großer Teile der
        Bevölkerung in Europa und die wiederholte „Rettung“
        von Gläubigern. Anstatt die Profiteure der Krise sowohl
        in Griechenland als auch in Deutschland zur Kasse zu
        bitten, werden die Krisenlasten der Bevölkerung in Grie-
        chenland, Deutschland und ganz Europa aufgeladen.
        Anlage 6
        Erklärung nach § 31 GO
        der Abgeordneten Beate Müller-Gemmeke,
        Thilo Hoppe, Maria Klein-Schmeink, Memet
        Kilic, Monika Lazar und Dr. Wolfgang
        Strengmann-Kuhn (alle BÜNDNIS 90/DIE
        GRÜNEN) zur namentlichen Abstimmung über
        den Antrag: Finanzhilfen zugunsten der Helle-
        nischen Republik; Einholung eines zustimmen-
        den Beschlusses des Deutschen Bundestages
        nach § 3 Absatz 1 des Stabilisierungsmechanis-
        musgesetzes (StabMechG) für Notmaßnahmen
        der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität
        zugunsten der Hellenischen Republik (Tages-
        ordnungspunkt 1 b)
        Wir stehen heute vor der Frage, ob wir als Mitglieder
        des Deutschen Bundestages das zweite Hilfspaket für
        Griechenland parlamentarisch legitimieren oder nicht.
        Wie bereits bei früheren Entscheidungen können wir die
        Details des Hilfspakets, die von den Regierungen der
        Mitgliedstaaten der Euro-Gruppe ausgehandelt wurden,
        nicht mehr mit aus unserer Sicht notwendigen Verbesse-
        rungen versehen. Aber: Die Alternative, nämlich ein
        Staatsbankrott Griechenlands, wäre sowohl für die grie-
        chische Bevölkerung als auch für die Europäische Union
        insgesamt wesentlich schlimmer. Obwohl das zweite
        Rettungspaket einmal mehr sozial unverträglich ausge-
        staltet ist und zudem seine Ziele zu verfehlen droht,
        stimmen wir also dennoch zu. Denn Griechenland
        braucht Hilfe und unsere europäische Solidarität.
        Am 7. Mai 2010 haben wir in einer persönlichen Er-
        klärung geschrieben: „Profitiert von Miss- und Günst-
        lingswirtschaft und Spekulationen haben nur wenige.
        Weniger Investitionen, weniger Nachfrage, geschweige
        denn ein ökologischer Umbau von Wirtschaft und Tou-
        rismus: Griechenland steht vor einer jahrelangen Rezes-
        sion, die sich natürlich auch auf den Arbeitsmarkt nie-
        derschlagen wird. Auch hier werden die Verlierer
        bestimmt nicht jene sein, die die Misere mit zu verant-
        worten haben.“
        Unsere damaligen Befürchtungen haben sich bewahr-
        heitet. Griechenland hat beispiellos gespart und ist dafür
        in eine tiefe Rezession gefallen. Aber dennoch wurde
        auch beim zweiten Rettungspaket dieser Weg mit bei-
        spiellosem und teilweise unwürdigem Druck auf Grie-
        chenland weiter verfolgt. Im Mittelpunkt steht ein Spar-
        programm bei den Sozialsystemen, Löhnen und
        Mindestlöhnen. Sparen allein ist aber der falsche Weg.
        Griechenland muss vielmehr konsolidieren, denn Grie-
        chenland hat vor allem auch ein Einnahmeproblem. Mil-
        liarden von Euro wurden durch Steuerhinterziehung dem
        Zugriff des griechischen Staates entzogen. Das Land be-
        nötigt Hilfe, seine Vermögen zur Finanzierung der Krise
        heranzuziehen. Dabei müssen ihm die EU-Partner zur
        Seite stehen. In der Schweiz allein werden an die
        286 Milliarden griechisches Vermögen vermutet. Steuer-
        flucht können die Europäischen Nationen aber nur ge-
        meinsam bekämpfen.
        19128 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Montag, den 27. Februar 2012
        (A) )
        )(B)
        (C
        (D
        Konsolidieren heißt aber auch investieren. Das neue
        Sparpaket wird Griechenland aber lediglich tiefer in die
        Rezession treiben und realwirtschaftlich weiter bremsen.
        Griechenland braucht nicht nur Kredite, sondern auch
        Investitionen und ein Programm, das die Wirtschaft an-
        kurbelt und Perspektiven ermöglicht. Nur ein Green
        New Deal eröffnet Chancen für Griechenland. Nur wenn
        in eine zukunftsfähige und nachhaltige Wirtschaft inves-
        tiert wird, können Wertschöpfung und Arbeitsplätze ge-
        sichert und Schulden abgetragen werden. Eine reine
        Sparpolitik schwächt hingegen das wirtschaftliche und
        soziale System in Griechenland. Die Hilfen bleiben ohne
        Wirkung.
        Der überdimensionierte Militärhaushalt wurde zu spät
        und jetzt zu wenig in die Strukturreform einbezogen.
        Dafür führt aber der unerträgliche Sparkurs Griechen-
        land in eine unverantwortliche soziale Schieflage. Das
        ist nicht akzeptabel. Es trifft die Arbeitnehmerinnen und
        Arbeitnehmer, Studentinnen und Studenten, Pensionä-
        rinnen und Pensionäre. Ihnen gilt unsere Solidarität.
        Denn der strikte Sparkurs führt zu Arbeitslosigkeit, Ar-
        mut und Obdachlosigkeit und nimmt vor allem den jun-
        gen Menschen jegliche Perspektiven. Die Kürzung bei-
        spielsweise des Mindestlohns trifft die Ärmsten und
        führt gleichermaßen zu einem gleich hohen Nachfrage-
        rückgang zulasten der griechischen Gewerbetreibenden.
        Das ist nicht nur unsozial, sondern auch ökonomisch
        schädlich. Vor allem aber kritisieren wir scharf die Ein-
        griffe in die Tarifautonomie. Wenn der durch einen na-
        tionalen Tarifvertrag festgelegte Mindestlohn gesetzlich
        gekürzt wird und die Tarifpartner nicht mehr frei verhan-
        deln können, dann greift das tief in das Recht auf freie
        Tarifverhandlungen ein. Das widerspricht grundlegend
        der europäischen Grundrechtecharta. Damit erreichen
        die Sparmaßnahmen ein Ausmaß, das mit dem europäi-
        schen Sozialmodell nicht vereinbar ist. Nur mit Mindest-
        standards, Arbeitnehmerrechten und Solidarität ist
        Europa ein soziales und demokratisches Konstrukt.
        Natürlich ist ein Konsolidierungskurs notwendig. Mit
        diesen Bedingungen für das zweite Rettungspaket ist je-
        doch wieder zu befürchten, dass der griechische Schul-
        denberg nicht kleiner, sondern größer werden wird. Aus
        europäischer Solidarität und politischer Verantwortung
        stimmen wir dennoch dem Rettungspaket zu, denn ein
        Staatsbankrott Griechenlands wäre noch schlimmer für
        die Menschen.
        Anlage 7
        Erklärung nach § 31 GO
        der Abgeordneten Martin Burkert, Günter
        Gloser und Ute Kumpf (alle SPD) zur namentli-
        chen Abstimmung über den Antrag: Finanzhil-
        fen zugunsten der Hellenischen Republik; Ein-
        holung eines zustimmenden Beschlusses des
        Deutschen Bundestages nach § 3 Absatz 1 des
        Stabilisierungsmechanismusgesetzes (StabMechG)
        für Notmaßnahmen der Europäischen Finanz-
        stabilisierungsfazilität zugunsten der Helleni-
        schen Republik (Tagesordnungspunkt 1 b)
        Wir haben unsere Zustimmung zum Abschluss einer
        Vereinbarung über Notmaßnahmen der EFSF zugunsten
        Griechenlands in Form von Darlehen – zweites Hilfspa-
        ket für Griechenland – erteilt, weil ein Staatsbankrott
        Griechenlands abgewendet werden muss und weil wir
        der festen Überzeugung sind, dass die finanzielle und
        gesellschaftliche Stabilisierung Griechenlands nur mit
        der solidarischen Hilfe der Euro-Länder und nur inner-
        halb der Europäischen Union gelingen kann.
        Wir kritisieren am bisherigen Handeln der Bundesre-
        gierung insbesondere,
        – dass sich die Notmaßnahmen im ersten und zweiten
        Hilfspaket zu einseitig auf die Stabilisierung der
        Staatsausgaben orientieren – diese Orientierung hat
        die griechische Wirtschaft zusätzlich belastet und das
        Land in eine mehrjährige Rezession getrieben –,
        – dass die Maßnahmen in ihrer Unausgewogenheit ei-
        nen sozialen Sprengstoff beinhalten, der geeignet ist,
        die Demokratie in Griechenland nachhaltig zu er-
        schüttern,
        – dass der finanzielle Nutzen der Maßnahmen überhöht
        und die Probleme bei deren Realisierung nur unzurei-
        chend beschrieben werden – insbesondere die Zeit-
        korridore für die Umsetzung der gesetzgeberischen
        Maßnahmen, die der Regierung Griechenlands einge-
        räumt werden, sind zu kurz und erkennbar unrealis-
        tisch –,
        – dass eine Beteiligung privater Gläubiger zu spät er-
        wogen und umgesetzt worden ist – dadurch ist die
        Wirkung des Schuldenschnitts im Sinne einer nach-
        haltigen Entlastung Griechenlands erheblich reduziert
        worden –,
        – dass die Notmaßnahmen bisher nicht durch einen hin-
        reichenden Wachstumsimpuls für Griechenland
        – Marshallplan – ergänzt worden sind – allein durch
        Fiskalpolitik kann eine nachhaltige Stabilisierung des
        griechischen Staatshaushaltes nicht gelingen – und
        – dass die Notwendigkeit, die Dimension, aber auch die
        Dauer der erforderlichen Hilfen für Griechenland ge-
        genüber der deutschen Bevölkerung nur unzureichend
        beschrieben werden – tatsächlich handelt es sich bei
        der finanziellen und gesellschaftlichen Stabilisierung
        Griechenlands um eine Generationenaufgabe; sie er-
        fordert aber die Bereitschaft der Griechen zu
        schmerzlichen Veränderungen ebenso wie die Bereit-
        schaft der Deutschen zur solidarischen Unterstützung.
        Heute auf den Tag genau vor 59 Jahren hat die damals
        junge Bundesrepublik Deutschland das Londoner Schul-
        denabkommen unterzeichnet. Nach der moralischen
        Katastrophe und dem unermesslichen Leid zweier
        Weltkriege haben damals 70 Staaten, darunter auch Grie-
        chenland, einem 50-prozentigen Erlass der deutschen
        Vor- und Nachkriegsschulden zugestimmt. Dieser Schul-
        denschnitt war zusammen mit dem Marshallplan die
        Grundlage für den raschen wirtschaftlichen Aufstieg der
        Bundesrepublik. Wir haben allen Grund, uns bei unseren
        Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 160. Sitzung. Berlin, Montag, den 27. Februar 2012 19129
        (A) )
        )(B)
        (D
        Gabriele Lösekrug-Möller, Katja Mast,
        Manfred Nink, Mechthild Rawert, Stefan
        Rebmann, Dr. Carola Reimann, Sönke Rix,
        Karin Roth (Esslingen), Ewald Schurer, Frank
        Schwabe, Rolf Schwanitz, Dr. Carsten Sieling,
        Christoph Strässer und Franz Thönnes (alle
        SPD) zur namentlichen Abstimmung über den
        Antrag: Finanzhilfen zugunsten der Helleni-
        schen Republik; Einholung eines zustimmen-
        den Beschlusses des Deutschen Bundestages
        nach § 3 Absatz 1 des Stabilisierungsmechanis-
        musgesetzes (StabMechG) für Notmaßnahmen
        der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität
        zugunsten der Hellenischen Republik (Tages-
        ordnungspunkt 1 b)
        Wir haben unsere Zustimmung zum Abschluss einer
        Vereinbarung über Notmaßnahmen der EFSF zugunsten
        Griechenlands in Form von Darlehen – zweites Hilfspa-
        ket für Griechenland – erteilt, weil ein Staatsbankrott
        Griechenlands abgewendet werden muss und weil wir
        der festen Überzeugung sind, dass die finanzielle und
        gesellschaftliche Stabilisierung Griechenlands nur mit
        der solidarischen Hilfe der Euro-Länder und nur inner-
        halb der Europäischen Union gelingen kann.
        Wir kritisieren am bisherigen Handeln der Bundes-
        regierung insbesondere,
        – dass sich die Notmaßnahmen im ersten und zweiten
        Hilfspaket zu einseitig auf die Stabilisierung der
        Staatsausgaben orientieren. Diese Orientierung hat
        Wirkung des Schuldenschnitts im Sinne einer nach-
        haltigen Entlastung Griechenlands erheblich reduziert
        worden.
        – dass die Notmaßnahmen bisher nicht durch einen hin-
        reichenden Wachstumsimpuls für Griechenland
        – Marshallplan – ergänzt worden sind. Allein durch
        Fiskalpolitik kann eine nachhaltige Stabilisierung des
        griechischen Staatshaushaltes nicht gelingen.
        – dass die Notwendigkeit, die Dimension, aber auch die
        Dauer der erforderlichen Hilfen für Griechenland ge-
        genüber der deutschen Bevölkerung nur unzureichend
        beschrieben werden. Tatsächlich handelt es sich bei
        der finanziellen und gesellschaftlichen Stabilisierung
        Griechenlands um eine Generationenaufgabe. Sie er-
        fordert aber die Bereitschaft der Griechen zu schmerz-
        lichen Veränderungen ebenso wie die Bereitschaft der
        Deutschen zur solidarischen Unterstützung.
        Heute auf den Tag genau vor 59 Jahren hat die damals
        junge Bundesrepublik Deutschland das Londoner Schul-
        denabkommen unterzeichnet. Nach der moralischen
        Katastrophe und dem unermesslichen Leid zweier Welt-
        kriege haben damals 70 Staaten, darunter auch Griechen-
        land, einem 50-prozentigen Erlass der deutschen Vor-
        und Nachkriegsschulden zugestimmt. Dieser Schulden-
        schnitt war zusammen mit dem Marshallplan die Grund-
        lage für den raschen wirtschaftlichen Aufstieg der Bun-
        desrepublik. Wir haben allen Grund, uns bei unseren
        heutigen Entscheidungen an die eigene Geschichte zu er-
        innern.
        (Cheutigen Entscheidungen an die eigene Geschichte zu er-
        innern.
        Anlage 8
        Erklärung nach § 31 GO
        der Abgeordneten Sabine Bätzing-
        Lichtenthäler, Doris Barnett, Uwe Beckmeyer,
        Gerd Bollmann, Edelgard Bulmahn, Elvira
        Drobinski-Weiß, Petra Ernstberger, Karin
        Evers-Meyer, Elke Ferner, Iris Gleicke, Martin
        Gerster, Angelika Graf (Rosenheim), Michael
        Groß, Hans-Joachim Hacker, Klaus Hagemann,
        Gustav Herzog, Frank Hofmann (Volkach),
        Dr. h. c. Susanne Kastner, Ulrich Kelber,
        die griechische Wirtschaft zusätzlich belastet und das
        Land in eine mehrjährige Rezession getrieben.
        – dass die Maßnahmen in ihrer Unausgewogenheit ei-
        nen sozialen Sprengstoff beinhalten, der geeignet ist,
        die Demokratie in Griechenland nachhaltig zu er-
        schüttern.
        – dass der finanzielle Nutzen der Maßnahmen überhöht
        und die Probleme bei deren Realisierung nur unzurei-
        chend beschrieben werden. Insbesondere die Zeitkor-
        ridore für die Umsetzung der gesetzgeberischen Maß-
        nahmen, die der Regierung Griechenlands eingeräumt
        werden, sind zu kurz und erkennbar unrealistisch.
        – dass eine Beteiligung privater Gläubiger zu spät er-
        wogen und umgesetzt worden ist. Dadurch ist die
        160. Sitzung
        Inhaltsverzeichnis
        TOP 1 Regierungserklärung Finanzhilfen für Griechenland
        Anlagen