Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 155. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Januar 2012 18661
(A) )
)(B)
Claudia DIE GRÜNEN
Anlagen
zeitig der Ausstieg aus einer verantwortlichen multilate-
vilgesellschaft aus Afghanistan deutlich, die eindringlich
vor einem überstürzten Abzug der internationalen Trup-
pen warnen.
Ein einseitiger Abzug der Bundeswehr wäre gleich-
Poß, Joachim SPD 26.01.2012
Roth (Augsburg), BÜNDNIS 90/ 26.01.2012
Anlage 1
Liste der entschuldigte
*
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Abgeordnete(r)
entschuldigt bis
einschließlich
Bär, Dorothee CDU/CSU 26.01.2012
Beck (Bremen),
Marieluise
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
26.01.2012*
Bellmann, Veronika CDU/CSU 26.01.2012
Birkwald, Matthias W. DIE LINKE 26.01.2012
Dağdelen, Sevim DIE LINKE 26.01.2012
Dreibus, Werner DIE LINKE 26.01.2012
Fischer (Göttingen),
Hartwig
CDU/CSU 26.01.2012
Fischer (Karlsruhe-
Land), Axel E.
CDU/CSU 26.01.2012*
Friedhoff, Paul K. FDP 26.01.2012
Dr. Friedrich (Hof),
Hans-Peter
CDU/CSU 26.01.2012
Göring-Eckardt, Katrin BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
26.01.2012
Hübinger, Anette CDU/CSU 26.01.2012*
Kipping, Katja DIE LINKE 26.01.2012
Dr. Koschorrek, Rolf CDU/CSU 26.01.2012
Krumwiede, Agnes BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
26.01.2012
Künast, Renate BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
26.01.2012
Lanfermann, Heinz FDP 26.01.2012
Lühmann, Kirsten SPD 26.01.2012
Luksic, Oliver FDP 26.01.2012
Nešković, Wolfgang DIE LINKE 26.01.2012
Poland, Christoph CDU/CSU 26.01.2012
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Anlagen zum Stenografischen Bericht
n Abgeordneten
für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver-
sammlung des Europarates
nlage 2
Erklärungen nach § 31 GO
zur namentlichen Abstimmung über die Be-
schlussempfehlung und den Bericht zu dem An-
trag: Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter
deutscher Streitkräfte an dem Einsatz der In-
ternationalen Sicherheitsunterstützungstruppe
in Afghanistan (International Security Assis-
tance Force, ISAF) unter Führung der NATO
auf Grundlage der Resolutionen 1386 (2001)
und folgender Resolutionen, zuletzt Resolution
2011 (2011) vom 12. Oktober 2011 des Sicher-
heitsrates der Vereinten Nationen (Tagesord-
nungspunkt 7)
Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE
RÜNEN): Mit dem Engagement der internationalen
emeinschaft haben wir eine Schutzverantwortung für
ie Menschen in Afghanistan übernommen. Wir sind
eiter verpflichtet, sie nicht alleine zu lassen. Zustim-
ung bedeutet für uns auch, Mitverantwortung zu über-
ehmen für den schwierigen, teilweise lebensgefährli-
hen Einsatz der Soldatinnen und Soldaten sowie der
ivilen Aufbauhelferinnen und Aufbauhelfer.
Ein sofortiger militärischer Abzug würde die Men-
chen in Afghanistan in einem zu befürchtenden Bürger-
rieg alleine zurücklassen und die gesamte Region de-
tabilisieren. Dies machen immer wieder Expertinnen
nd Experten sowie Vertreterinnen und Vertreter der Zi-
oth (Esslingen), Karin SPD 26.01.2012*
upprecht (Tuchen-
bach), Marlene
SPD 26.01.2012*
torjohann, Gero CDU/CSU 26.01.2012
einberg, Harald DIE LINKE 26.01.2012
erner, Katrin DIE LINKE 26.01.2012*
bgeordnete(r)
entschuldigt bis
einschließlich
18662 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 155. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Januar 2012
(A) )
)(B)
ralen Politik. Das weitere Vorgehen in Afghanistan muss
innerhalb der internationalen Gemeinschaft abgestimmt
werden. Es darf keinen deutschen Sonderweg beim Ab-
schluss des militärischen Engagements geben.
Deshalb stimme ich dem Mandat zur Verlängerung
des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr bis zum
31. Januar 2013 zu.
Karin Binder (DIE LINKE): Ich lehne die Fortset-
zung des ISAF-Mandats im Wesentlichen aus folgenden
Gründen ab:
Während in Afghanistan der Mohnanbau unter den
Augen der internationalen Streitkräfte immer weiter aus-
gebaut wird, wird der Getreideanbau zurückgedrängt.
Die Getreideernte reicht bei weitem nicht aus, um die
Bevölkerung mit dem Nötigsten zu versorgen. Von 2010
auf 2011 erhöhte sich deshalb der Bedarf an Getreideim-
porten um 600 000 Tonnen, von 1,1 Millionen Tonnen
auf ungefähr 1,7 Millionen Tonnen. Das Überleben von
3 Millionen Menschen hängt von ausländischen Hilfslie-
ferungen ab. Laut Oxfam ist ein Drittel der afghanischen
Kinder unterernährt.
Die afghanische Gesellschaft verfällt zusehends. „Die
Zahl der Drogensüchtigen in Afghanistan nimmt weiter
zu, und mit ihr die Ausbreitung von HIV und anderer
Krankheiten“, so die Bundesregierung in ihrem Fort-
schrittsbericht.
2007 hatten lediglich 5 Prozent der Afghanen „Zu-
gang zu gesundheitlich akzeptabler Sanitärversorgung“;
innerhalb der letzten vier Jahre stieg der Anteil auf ganze
7,5 Prozent, Zahlen der Bundesregierung, 2011!
Festzustellen ist: Nach zehn Jahren Krieg und Besat-
zung in Afghanistan ist die soziale Situation der afghani-
schen Bevölkerung katastrophal. Die durchschnittliche
Lebenserwartung liegt bei 43 Jahren. In Bezug auf die
Gesundheitsversorgung liegt Afghanistan beim Human
Development Index an letzter Stelle. Darüber hinaus
sind noch immer die Hälfte der Männer und über 90 Pro-
zent der Frauen Analphabeten. Kinder und Jugendliche
besuchen durchschnittlich 3,3 Jahre lang die Schule.
Eine Verbesserung der Situation für die afghanische Be-
völkerung ist während einer andauernden Besatzung
nicht zu erwarten.
Ralph Brinkhaus (CDU/CSU): Vieles ist immer
noch nicht gut in Afghanistan – trotz zehn Jahren ISAF-
Mandat, trotz vieler Opfer, auch auf afghanischer Seite.
Vor diesem Hintergrund fällt es schwer, einer weiteren
Verlängerung des Mandates zuzustimmen. Es fällt auch
deswegen schwer, weil Krieg – und wir haben in Afgha-
nistan Krieg – niemals normales politisches Mittel sein
darf.
Die Bundesregierung hat zusammen mit den interna-
tionalen Partnern Anfang 2010 eine neue Strategie be-
schlossen. Ziel ist eine vollständige Übergabe der Si-
cherheitsverantwortung an afghanische Kräfte im Jahr
2014. Parallel dazu soll die Zahl der ausländischen Trup-
pen massiv abgebaut werden. Es ist gut, dass man sich
nun einig ist, dass der Afghanistan-Konflikt letztlich zi-
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il bzw. politisch gelöst werden muss. Diesen Paradig-
enwechsel begrüße ich ausdrücklich. Er zeigt einen
eg auf, wie man dieses Engagement geordnet beenden
nd zumindest einiges von den Aufbauleistungen erhal-
n kann. Unter diesen Voraussetzungen und in Erwar-
ng signifikanter Fortschritte habe ich bisher einer
andatsverlängerung zugestimmt.
Vor einem Jahr habe ich die Erwartung geäußert, dass
ie Erfolge der neuen Strategie deutlicher sichtbar wer-
en müssen. Das ist nur bedingt geschehen. Die Sicher-
eitslage hat sich im vergangenen Jahr zwar leicht ver-
essert. Es gibt aber immer noch zu viele Gefechte mit
u vielen Opfern. Es wurden mehr Polizisten und Solda-
n ausgebildet, aber es muss sich noch herausstellen,
ie nachhaltig deren Loyalität zu der afghanischen Ad-
inistration sein wird. Die Übergabe der Sicherheitsver-
ntwortung geht nur langsam voran und ist an vielen
tellen problematisch.
Ich denke trotzdem, dass es noch zu früh ist, den Er-
lg der neuen Strategie abschließend zu bewerten. Da-
er stimme ich trotz meiner kritischen Haltung zum
AF-Einsatz für eine Verlängerung des Mandates.
Mein Dank und mein Respekt gilt den Soldaten, Poli-
isten und Aufbauhelfern für ihren schwierigen Einsatz.
Christine Buchholz (DIE LINKE): Ich lehne den
ntrag der Bundesregierung auf Verlängerung des Man-
ates für den Bundeswehreinsatz in Afghanistan ab.
Seit meinem Besuch in Kunduz im Januar 2010 gehen
ir die Gesichter der Männer und Frauen nicht mehr aus
em Kopf, die ihre Ehemänner, Söhne und Neffen durch
as von einem deutschen Oberst befehligte Bombarde-
ent verloren haben, genauso ihre Trauer, ihre Ohn-
acht und ihre Wut, Wut auch gegenüber der deutschen
egierung, die sich gegenüber den Opfern aus der Ver-
nstaltung stiehlt.
Ich sehe die hektischen Blicke der Soldaten vor mir,
ie angespannt und nervös, in Angst vor Anschlägen die
trecke vom Feldlager in die Stadt Kunduz zurücklegen,
ren Argwohn und ihr Misstrauen gegenüber den einfa-
hen afghanischen Männern, Frauen und Kindern am
traßenrand.
Weil die überwältigende Mehrheit in Deutschland
einen Sinn mehr in dem Krieg sieht, redet die Regie-
ng von Abzug. Doch das heute abzustimmende Man-
at sieht für 2012 praktisch überhaupt keine Verände-
ng vor. Es ist ein Mandat zur ungehemmten
ortsetzung des Krieges.
Selbst der angeblich endgültige Abzug in drei Jahren
t unsicher. Verteidigungsminister de Maiziére wird am
tzten Montag in der Südwest-Presse auf die Frage nach
em Abzugsdatum 2014 mit den Worten zitiert: „Wenn
ich die Dinge grundlegend ändern, könnte eine neue
age entstehen … Natürlich ist die Strategie immer ab-
ängig von den obwaltenden Umständen.“ Der Regie-
ngssprecher redet von Abzug, doch der zuständige
inister hält sich alle Türen offen.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 155. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Januar 2012 18663
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Solange die Bundeswehr und die NATO in Afghanis-
tan sind, wird es Widerstand und Anschläge geben. Die-
ser Widerstand und diese Anschläge werden dann als
neue Begründung für den Verbleib am Hindukusch he-
rangezogen werden.
Dieser Teufelskreis muss jetzt unterbrochen werden.
Der Abzug der Bundeswehr aus diesem sinnlosen Krieg
muss unverzüglich beginnen.
Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE): Ich stimme ge-
gen das Mandat, weil Krieg immer ein falscher Weg ist.
Krieg tötet und verletzt. Er verletzt nicht nur körperlich,
sondern auch psychisch.
Studien haben festgestellt, dass der Jugoslawien-
Krieg beinahe die gesamte Bevölkerung traumatisiert hat
und dass auch viele Menschen in anderen ehemaligen
Kriegsgebieten massiv an Traumata leiden. Dies wird
noch Generationen nachwirken und wirkt sich auch auf
die jeweiligen Gesellschaften aus – mit allen fatalen Fol-
gen.
Darüber wird nicht viel gesprochen, das Thema wird
meist ausgeblendet. Aber diese Probleme müssen end-
lich ins Licht gerückt werden. Aber vielleicht sehen Sie,
meine Damen und Herren von der Koalition, das ange-
sprochene Thema auch als Teil der sogenannten Kollate-
ralschäden?
Ich stimme auch gegen den Einsatz, weil ich aus per-
sönlicher Erfahrung weiß, dass etliche Soldatinnen und
Soldaten hier in dieses Land mit psychischen Verletzun-
gen und traumatisiert aus dem Auslandseinsatz zurück-
kommen. Und offensichtlich wird für sie viel zu wenig
getan. Nach einigen Behandlungen werden sie letztlich
mit ihren Familien alleingelassen. Auch hier wird Ver-
antwortung abgewälzt auf Menschen, die weder die
Kriege verursacht haben noch davon profitieren. Effek-
tive Hilfe fehlt, und das obwohl die Zahlen der Betroffe-
nen von Jahr zu Jahr steigen. Zwischen Januar und Sep-
tember 2011 wurden im Zusammenhang mit dem ISAF-
Einsatz 587 Fälle Posttraumatischer Belastungsstörung
bei Rückkehrerinnen und Rückkehrern bekannt. Und das
ist nur die Spitze des Eisberges. Die Dunkelziffer dürfte
noch um einiges höher liegen. Zahlen aus den USA be-
sagen, dass bis zu 22 Prozent der Soldaten, die im Irak
oder in Afghanistan eingesetzt waren, früher oder später
an einer PTBS erkrankten. Der Kriegseinsatz brutalisiert
die Menschen. Das zeigen die Gewaltexzesse des 2011
in den USA verurteilten Kill Teams, das aus Spaß Jagd
auf afghanische Zivilistinnen und Zivilisten machte, um
sie zu ermorden und zu verstümmeln. Die Brutalisierung
macht auch vor den Bundeswehrsoldaten nicht Halt. Die
ungewisse Verlängerung des Einsatzes und die Sinnlo-
sigkeit des Krieges verschlimmern dies noch.
Ich stimme dagegen, weil es für mich keine Alterna-
tive gibt, als Nein zu sagen.
Dr. Diether Dehm (DIE LINKE): Es ist nicht nur
nichts gut in Afghanistan – dort ist noch nicht einmal
etwas besser!
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Es gibt genau zwei Möglichkeiten, mittels derer sich
der der hier abstimmenden Abgeordneten seines
otums vergewissern und dieses vor sich selbst rechtfer-
gen kann: Da ist zum einen das Gewissen als mora-
sche Instanz, von dem man nicht immer ganz klar und
indeutig sagen kann, seine Forderung sei richtig oder
lsch. Und zum anderen kann und muss sich jeder, der
er heute zur Entscheidung anstehenden Verlängerung
es Einsatzes der Bundeswehr in Afghanistan zustim-
en will, die Frage beantworten: Hat sich etwas verbes-
ert in diesem Land, wurde der afghanischen Bevölke-
ng geholfen?
Freiheit, Demokratie, Bildung, Gesundheit und Frau-
nrechte waren die von den Befürwortern des Einsatzes
mer wieder benannten Ziele, die es rechtfertigen soll-
n, diesem Kriegseinsatz zuzustimmen. Nach zehn Jah-
n Krieg und Milliarden von Hilfsgeldern ist aber kei-
es, nicht ein einziges dieser Ziele erreicht worden! Und
h bin davon überzeugt, dass auch das neue Minimalziel
er NATO für Afghanistan, die Etablierung effektiver
taatlichkeit, nicht realistisch ist.
Realistisch ist allenfalls ein reaktionäres Bündnis aus
em Clan um Hamid Karzai, den Taliban und der Nord-
llianz. Dafür braucht man aber keinen Krieg.
Deswegen ist jeder Tag, an dem Krieg ist in Afghanis-
n, ein Tag zu viel, ist jedes Todesopfer ein sinnloses
ewaltopfer – und damit meine ich ausdrücklich auch
ie gefallenen deutschen Soldaten, die Verletzten, die
raumatisierten.
Ich kann nicht sehen, wie ich – weder aus Gewissens-
ründen noch aus pragmatischen Erwägungen – dieser
insatzverlängerung zustimmen können sollte.
Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): Ich möchte zu
einem Abstimmungsverhalten zum Antrag der Bun-
esregierung, das Mandat der Bundeswehr im Rahmen
es ISAF-Einsatzes erneut zu verlängern, und zum An-
ag der Fraktion Die Linke, der Bundesregierung jegli-
he weitere Mitwirkung an gezielten Tötungen zu unter-
agen, eine Erklärung abgeben.
Ich habe zum Antrag der Bundesregierung mit Nein
estimmt. Alle meine Erfahrungen nach mehr als zehn
ahren Krieg in Afghanistan besagen, dass die Anwesen-
eit ausländischer Truppen in Afghanistan den Wider-
tand der Bevölkerung herausfordert. Es gibt eine
nheilvolle Kette: mehr ausländische Truppen – mehr
iderstand – mehr Truppen … Die Herabsenkung der
bergrenze der Anzahl eingesetzter Bundeswehrsolda-
n trägt in diesem Zusammenhang nur kosmetischen
harakter. Nur ein Abzug der Bundeswehr kann diese
ette aufsprengen. Der Abzug der Bundeswehr ist der
chlüssel zu einer anderen Politik in Afghanistan.
Zu einer anderen Politik in Afghanistan kommt man
uch nur dann, wenn alle völkerrechtswidrigen Handlun-
en eingestellt werden. Ich will nicht mitschuldig wer-
en, dass auch deutsche Stellen afghanische Personen
r Listen nominieren, die zur „Ausschaltung“ dieser
ersonen führen können. Ich behaupte nicht, dass die
undeswehr direkt an gezielten Tötungen beteiligt ist.
18664 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 155. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Januar 2012
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Ich kann aber nicht ausschließen, dass Spezialkomman-
dos anderer Länder, insbesondere der USA, Personen,
die von deutschen Stellen benannt wurden, gezielt töten.
Deshalb habe ich für den Antrag der Linken gestimmt,
der Bundesregierung jegliche Mitwirkung an gezielten
Tötungen zu untersagen.
Annette Groth (DIE LINKE): Ich stimme dem An-
trag auf Verlängerung des Einsatzes der Bundeswehr in
Afghanistan nicht zu, da ich den Krieg der NATO in Af-
ghanistan ablehne. Dieser Krieg hat den meisten Afgha-
ninnen und Afghanen nur Schrecken, Armut und Tod ge-
bracht.
Das Ergebnis nach über zehn Jahren Krieg in Afgha-
nistan ist verheerend. Jeden Tag steigt die Zahl der Opfer
an. Die Armut der Bevölkerung wächst. Nach Schätzun-
gen von Hilfsorganisationen hat etwa ein Drittel der af-
ghanischen Bevölkerung nicht genug zu essen. Der Be-
darf an Getreideimporten erhöhte sich von 2010 auf
2011 von 1,1 Millionen Tonnen auf geschätzte 1,7 Mil-
lionen Tonnen. Laut Oxfam sind in dem Land ein Drittel
der Kinder unterernährt. Das Überleben von 3 Millionen
Menschen hängt von ausländischen Hilfslieferungen ab.
Laut einem Bericht des UN-Sicherheitsrats sterben in
Afghanistan jedes Jahr 40 000 Personen an den Folgen
unzureichender Ernährung.
Es sind gerade Frauen und Kinder, die am stärksten
unter diesem Krieg leiden. Deutschland steckt jedes Jahr
mehr als 530 Millionen Euro in den Krieg in Afghanis-
tan. Lediglich ein Viertel dieser Summe wird für zivile
Hilfsprojekte zur Verfügung gestellt. Gemeinsam mit der
Friedensbewegung, aber auch mit der Mehrheit der Be-
völkerung in Deutschland fordere ich: Truppen raus aus
Afghanistan – und zwar sofort.
Die USA gibt jährlich mehr als 173 Milliarden Dollar
für diesen Krieg aus. Mit einem Bruchteil dieses Geldes
könnten die Armut in Afghanistan bekämpft und die so-
ziale Situation der Bevölkerung nachhaltig verbessert
werden.
Nach zehn Jahren NATO-Krieg ist Afghanistan eines
der ärmsten Länder der Welt. Die heutige NATO-Strate-
gie treibt die verarmte und verbitterte Bevölkerung gera-
dezu in die Arme der Talibankämpfer, die ihnen aus ihrer
Sicht wenigstens ein geregeltes Einkommen bieten.
Ich stimme auch gegen die Verlängerung des Mandats
für den Bundeswehreinsatz in Afghanistan, weil die
Kriegsökonomie des NATO-Krieges dazu geführt hat,
dass sich Afghanistan zum weltweit größten Produzen-
ten von Opium entwickelt hat. 80 bis 90 Prozent des
weltweit angebauten Opiums kommen aus Afghanistan.
Im Jahr 2010 ist die Menge des angebauten Schlafmohns
von 3 600 Tonnen um 61 Prozent auf 5 800 Tonnen ge-
stiegen. Nach UN-Angaben liegt der Wert des in Afgha-
nistan produzierten Opiums bei etwa 1,4 Milliarden US-
Dollar. Allein im Jahr 2011 hat sich die Opiumanbauflä-
che um 61 Prozent vergrößert. Das ist eine direkte Folge
der NATO-Intervention.
Viele Bauern haben nur durch den Opiumanbau und
die Drogenökonomie eine reale Überlebenschance. All
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ie schönen Worte vom Aufbau Afghanistans sind
chall und Rauch. Durch den zunehmenden Drogenkon-
um verfällt die afghanische Gesellschaft immer mehr.
elbst im „Fortschrittsbericht“ der Bundesregierung
ird zugegeben: „Die Zahl der Drogensüchtigen in Af-
hanistan nimmt weiter zu, und mit ihr die Ausbreitung
on HIV und anderer Krankheiten.“
In Afghanistan ist die gesamte Politik und Wirtschaft
on einer korrupten Drogenökonomie durchsetzt. Diese
afiösen Zustände verhindern die politische und soziale
ntwicklung des Landes. Brutale Warlords finanzieren
it dem Drogengeld den Kauf von Waffen und Privatar-
een, die ihre Vormachtstellung absichern. Die NATO
nd ihre Verbündeten sind mit ihrer derzeitigen Politik
icht in der Lage, den Menschen in Afghanistan eine
erspektive jenseits dieser Drogenökonomie zu bieten.
ielmehr werden durch die bisherige Politik die Drogen-
lans gefördert, die sich verbal als Gegner der Taliban
rklären.
Die Afghanistan-Politik der Bundesregierung und der
AF ist gescheitert. Kriege und Waffengewalt schaffen
Afghanistan keine Demokratie; vom Schutz der Men-
chenrechte möchte ich gar nicht reden. Deshalb werde
h heute mit Nein stimmen. Mit diesem Nein möchte
h dazu beitragen, die Möglichkeit für einen zivilen
ufbau in Afghanistan zu eröffnen und die Logik des
rieges, der Gewalt und des täglichen Sterbens zu been-
en.
Frank Heinrich (CDU/CSU): Die Umfragen spre-
hen eine deutliche Sprache: Die Menschen sind müde,
enn sie an Afghanistan denken. Die damalige Ratsvor-
itzende der EKD, Bischöfin Margot Käßmann, formu-
erte bereits vor zwei Jahren sehr deutlich: „Nichts ist
ut in Afghanistan!“ Das Medienecho war groß, der
ückhalt in der Bevölkerung für die Einsätze schwand
usehends. Doch kann man das einfach so stehen lassen?
Die Gründe gegen eine Verlängerung des Mandats
egen auf der Hand:
Generell dürfen Militäreinsätze immer nur die Ultima
atio der Politik sein. Alle anderen Wege wie etwa dip-
matische Verhandlungen, der Aufbau der Zivilgesell-
chaft, die Stärkung regionaler Institutionen haben Vor-
ng.
Die Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert ver-
flichtet uns, jeden Auslandseinsatz der Bundeswehr
oppelt kritisch zu beleuchten.
Deutsche Soldaten sind in Afghanistan ums Leben
ekommen; viele kehren traumatisiert in die Heimat zu-
ck. Leib und Leben dieser Menschen dürfen nicht
ichtfertig gefährdet werden.
Die Befriedung der Region und der Aufbau einer
agfähigen Zivilgesellschaft sind bei weitem nicht so
orangekommen, wie es erwartet wurde. Viele interna-
onale Partner ziehen sich aus Afghanistan zurück. Die
osten für den Einsatz sind immens.
Ausdrücklich schließe ich mich dieser Argumentation
n. Sie wird dazu getragen von meiner persönlichen Ge-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 155. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Januar 2012 18665
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wissensüberzeugung als Christ, die geprägt ist von der
Bergpredigt, in der Jesus Christus sagt: „Selig sind, die
Frieden stiften.“
Dennoch werde ich heute der Verlängerung des Man-
dates zustimmen. Wenn ich mich frage, wodurch in Af-
ghanistan Frieden „gestiftet“ werden kann, dann bewe-
gen mich in der derzeitigen Situation folgende
Gedanken:
Ein „Ad-hoc-Abzug“ hat nach Aussagen aller Exper-
ten aus der Politik, dem Militär und den Nichtregie-
rungsorganisationen für die menschenrechtliche und zi-
vilgesellschaftliche Lage sowie den Aufbau der
politischen und ökonomischen Infrastruktur in Afghanis-
tan katastrophale Folgen. Noch sind die Strukturen nicht
tragfähig.
Die humanitäre Lage bleibt höchst unbefriedigend.
Um nur zwei Zahlen zu nennen, die das Auswärtige Amt
im Januar ermittelt hat: Circa 9 Millionen Menschen
sind infolge einer Dürrekatastrophe auf Nahrungsmittel-
hilfe angewiesen, 500 000 Menschen sind Binnenflücht-
linge. Die Zahl wird voraussichtlich im Laufe des Jahres
auf 700 000 steigen, Afghanistan kann diese Not alleine
nicht bewältigen.
Es gibt viele Berichte über signifikante Unterschiede
der menschenrechtlichen Lage in den Gebieten, die von
NATO-Truppen geschützt werden, und anderen. Einige
extreme Beispiele schilderte die Mitarbeiterin einer
NGO, die sich in Gesundheitsfragen engagiert, den Mit-
gliedern der AG Menschenrechte in meiner Fraktion. Sie
berichtete von Dörfern, in denen Mädchen, die einen
Gynäkologen bzw. eine Gynäkologin besuchen wollen,
von Heckenschützen hinterrücks vom Fahrrad geschos-
sen werden, von Mädchen, die gesteinigt wurden, weil
sie die Schule besuchten. Deutsche Soldaten stiften Frie-
den, indem sie solche Geschehnisse verhindern. Es ist
kein westlicher Krieg, auch wenn hier häufig der – fal-
sche! – Eindruck erweckt wird, dass die westlichen
Mächte den Krieg nach Afghanistan tragen würden.
Bei einem Besuch in Afghanistan konnte ich mir ein
eigenes Bild der Lage machen und viele Gespräche mit
Soldaten führen. Die einhellige Meinung: Wir dürfen
nicht überstürzt abbrechen, was wir begonnen haben –
das würde im Nachhinein den Kameraden spotten, die
für diesen Einsatz gestorben sind.
Die Vertreter Afghanistans haben ausdrücklich um
unsere Unterstützung nachgesucht.
Die instabile politische Gesamtlage am Hindukusch
mit der Nachbarschaft zu Pakistan ist eine Gefahr weit
über die Region hinaus.
Meine Zustimmung verbinde ich dabei mit folgenden
Forderungen:
Der geplante Abzug der NATO-Truppen im kommen-
den Jahr muss sofort mit einer nachvollziehbaren Exit-
Strategie verbunden werden; die bisherigen Aussagen
dazu sind nicht befriedigend.
Die Strategie muss mit internationalen NGOs abge-
stimmt werden.
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Die internationale Staatengemeinschaft muss die not-
endigen Ressourcen zu einem Aufbau der zivilgesell-
chaftlichen Strukturen zur Verfügung stellen und ein
erlässlicher Partner Afghanistans bleiben.
Es muss eine politische Gesamtstrategie für die Re-
ion Afghanistan/Pakistan geben.
Verwundete und traumatisierte Soldaten müssen noch
ichteren Zugang zu therapeutischen Angeboten erhal-
n und darüber hinaus eine Würdigung ihres Einsatzes
rfahren, die von einer breiten Mehrheit unserer Gesell-
chaft getragen ist.
Ich möchte daher zum Schluss noch einmal Bezug auf
ein Eingangszitat nehmen und es etwas umformulie-
n: Nicht alles ist schlecht in Afghanistan – aber es ist
och nicht gut genug für einen sofortigen Abzug deut-
cher Soldaten.
Inge Höger (DIE LINKE): Ich stimme gegen die
ortsetzung des Krieges in Afghanistan, weil die Bun-
esregierung die Öffentlichkeit und auch uns Parlamen-
rierinnen und Parlamentarier von Anfang an nicht voll-
tändig informiert hat über den Charakter und das
usmaß der deutschen Beteiligung am Krieg in Afgha-
istan. Das erste Opfer des Krieges ist immer die Wahr-
eit.
Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee, so sieht es
nser Grundgesetz vor. Doch Kontrolle setzt Informa-
on voraus.
Wichtige Berichte haben wir aber in den letzten Jah-
n häufig aus den Medien und nicht vom Verteidigungs-
inisterium bekommen. Zwei Untersuchungsausschüsse
ussten sich mit dem Verhalten von Bundeswehrange-
örigen in Afghanistan beschäftigen. Dies illustriert die
nkontrollierbarkeit einer „Armee im Einsatz“ über-
eutlich. Bundeswehr und Bundesregierung betonen
erne die Konzepte des „Staatsbürgers in Uniform“ und
er „Inneren Führung“. Doch all das kann nicht darüber
inwegtäuschen: Krieg und Demokratie passen schlecht
usammen. Auch deshalb stimme ich gegen die Fortset-
ung des Krieges in Afghanistan.
Besonders deutlich wird der Widerspruch von demo-
ratischer Kontrolle und militärischer Eigendynamik
eim Kommando Spezialkräfte – dem KSK. Diese ver-
chworene Eliteeinheit war seit Beginn des Afghanistan-
rieges in offensive und aggressive Kampfführung ver-
ickelt. Das KSK war damit Teil der Eskalationsspirale
Afghanistan. Dennoch haben wir als Abgeordnete da-
on jahrelang nichts erfahren. Ausnahme waren sporadi-
che Medienberichte, deren Richtigkeit wir nicht über-
rüfen können. In einer Demokratie darf es keine
eheimarmeen geben!
Im Magazin des Reservistenverbandes Loyal war in
er Januarausgabe das Folgende zu lesen: „Das KSK
ürfte noch geraume Zeit in Afghanistan bleiben, selbst
enn die übrigen Truppen weg sind“. Als Aufgabe für
as KSK wird genannt „Führer und Drahtzieher aus dem
erkehr zu ziehen“. Das klingt wie eine Lizenz zum Tö-
n. Ein Verdacht wird dabei schnell zum Todesurteil.
18666 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 155. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Januar 2012
(A) )
)(B)
Wie wollen Sie solche Barbarei mit den angeblich hohen
Ansprüchen deutscher Außenpolitik in Einklang brin-
gen?
Ich stimme gegen das Mandat zur Fortsetzung des Af-
ghanistan-Krieges, weil die bisherige verfehlte Politik
und die bisherigen Kriegslügen fortgesetzt werden.
Lange haben Sie sich geweigert, zuzugeben, dass in
Afghanistan Krieg herrscht. Nun reden Sie vom Abzug
2014, und auch das ist ein Betrug. Was heute beschlos-
sen wird, ist eine Intensivierung des Krieges in der va-
gen Hoffnung, doch noch zu siegen. Zudem sollen deut-
sche Soldatinnen und Soldaten noch lange nach 2014 vor
Ort bleiben. Der Beschluss bedeutet die Fortsetzung von
Leid und Blutvergießen. Dem kann und werde ich nicht
zustimmen. Beenden Sie das Lügen, geben Sie zu, dass
der Afghanistan-Krieg falsch war und ist. Beenden Sie
den Einsatz. Holen Sie die Truppen zurück! Jetzt! Und
nicht erst in drei, vier, fünf oder zehn Jahren.
Memet Kilic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Im
Jahre 2001 habe ich in Rostock bei der Bundesdelegier-
tenkonferenz von Bündnis 90/Die Grünen mit einer
Rede den Einsatz in Afghanistan voller Überzeugung
befürwortet. Das schien mir damals notwendig und ge-
eignet, um den Terror der Taliban gegenüber der afgha-
nischen Bevölkerung und dem Rest der Welt zu beenden.
Leider wurde ich durch die Entwicklungen in den Jahren
danach eines Besseren belehrt: Die US-Regierung for-
derte von Deutschland immer mehr militärischen Ein-
satz. Die Bundesrepublik Deutschland wurde langsam,
aber sicher immer stärker in eine kriegerische Auseinan-
dersetzung hineingezogen. Regelmäßig beteiligt sich die
Bundeswehr seitdem mit schweren Waffen an den
Kämpfen. Unser Land hat dadurch an diplomatischer
Stärke und Glaubwürdigkeit in der zivilen Bevölkerung
verloren.
Angesichts der getöteten Soldaten und Zivilisten ist
die Aussage, die Bundeswehr würde nur Sozialarbeit
leisten, seit langem überholt. Die militärische Strategie
geht viel eher in die Richtung, die Taliban militärisch
noch so weit wie möglich zu schwächen, um die eigene
Verhandlungsposition zu verbessern, bevor man ihnen
wieder die Kontrolle über Afghanistan überlässt.
Diese falsche Strategie hat unser Land in eine kriege-
rische Auseinandersetzung hineingezogen, und diese
Politik wird von der aktuellen Regierung fortgesetzt.
Diese Fortsetzung der militärischen Eskalation ist aber
keine Lösung für die afghanische Bevölkerung und trägt
auch nicht zur Sicherheit Deutschlands und der Welt bei.
Die Bundesrepublik wird nicht am Hindukusch vertei-
digt, unsere Sicherheit geht dort verloren.
Wir Grünen fordern seit langem einen erheblichen
Strategiewechsel. Wir müssen raus aus der Spirale der
Gewalt! Wir gehen mit Frieden, Sicherheit und Men-
schenleben nicht leichtfertig und populistisch um.
Die grüne Bundestagsfraktion hat einen Entschlie-
ßungsantrag vorgelegt, mit dem sie einen konkreten Ab-
zugsplan fordert. Dieser hat meine volle Unterstützung.
Das vorgelegte Mandat der Bundesregierung hat keine
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erspektive und erfüllt keinen sinnvollen Zweck, daher
erde ich es ablehnen.
Sabine Leidig (DIE LINKE): Ich habe – wie alle
bgeordneten der Partei Die Linke – gegen diesen
riegseinsatz und seine Verlängerung gestimmt, weil die
aurige Wirklichkeit zeigt, dass der Krieg die zivile und
oziale Entwicklung der Gesellschaft in Afghanistan
lockiert und – wie alle Kriege – Grausamkeit, Tod und
eid in den Alltag der Bevölkerung bringt.
Mein zweiter wesentlicher Grund ist, dass unsere
igene Gesellschaft verändert wird. Die historische
ehre, dass von deutschem Boden nie wieder Krieg aus-
ehen darf, wird in die Vergessenheit gedrängt. Ich
itiere den Präsidenten von Pax Christi Deutschland,
einz Josef Algermissen, Bischof von Fulda, der in sei-
er Erklärung zur heutigen Abstimmung schreibt:
Die Bundeswehr wird zur Armee im Einsatz um-
funktioniert. Die Verteidigungsrestriktion des
Grundgesetzes verliert faktisch ihre Bedeutung. Der
Afghanistankrieg als vorläufiger Höhepunkt dieser
Entwicklung hat die Änderung der Verteidigungs-
hin zur Einsatzarmee gefördert. Die junge Genera-
tion in Deutschland wächst in einer Gesellschaft
auf, die zwar Krieg führt, es aber zugleich leugnet.
Was für die Trümmerfrauen und für viele Kriegs-
rückkehrer des Zweiten Weltkrieges undenkbar
schien, ist heute wieder möglich. Gleichzeitig fehlt
der politische Diskurs über diese Entwicklung. Die
deutsche Gesellschaft akzeptiert seit Jahren eine be-
schönigende Darstellung, die den Blick auf die
Grausamkeit des Krieges vernebelt.
Die Unmenschlichkeit und die Gewalt des Krieges
etreffen vor allem diejenigen, in deren Land die Waffen
um Einsatz kommen, und jene, die die Waffen zum Ein-
atz bringen. Darüber hinaus entsteht eine Rohheit im
mgang der Völker, und die deutsche Bevölkerung ver-
ert zusehends an Integrität, an Glaubwürdigkeit, an
otenzial für Frieden und Gerechtigkeit – sich selbst und
nderen gegenüber.
Gabriele Lösekrug-Möller (SPD): Ich stimme dem
ntrag der Bundesregierung aus folgendem Grund zu:
In ihrem Antrag zur Fortsetzung der Beteiligung be-
affneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz in Af-
hanistan hat die Bundesregierung zahlreiche Forderun-
en der SPD übernommen. Das Mandat leitet den von
er SPD seit langem geforderten Abzug der deutschen
ruppen in Afghanistan ein. Die Reduzierung des Bun-
eswehrkontingents auf 4 900 entspricht den Forderun-
en der SPD, unsere Truppenstärke kontinuierlich zu
duzieren mit dem Ziel der vollständigen Verantwor-
ngsübergabe in die Hände der afghanischen Sicher-
eitskräfte bis 2014.
Ich habe allerdings folgende Bedenken:
Der Antrag beschreibt die zivil-militärische Zusam-
enarbeit als einen wichtigen Teil des Engagements der
eutschen Seite. Gleichwohl hindert das Kooperations-
ebot des Entwicklungsministeriums viele NGOs daran,
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 155. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Januar 2012 18667
(A) )
)(B)
sich in Afghanistan zu engagieren, denn sie lehnen eine
Zusammenarbeit mit der Bundeswehr ab. Da sie dadurch
ohne deutsche Finanzmittel arbeiten müssen, geht den
Afghanen schon seit zwei Jahren wichtige Unterstützung
verloren.
Leider geht der Antrag zu wenig auf die Menschen-
rechtslage in Afghanistan ein, die sich in den letzten Jah-
ren leider deutlich verschlechtert hat. Dies gilt auch für
die Sicherheitslage. Unter diesen erschwerten Bedingun-
gen soll ziviler Aufbau stattfinden und ziviles Engage-
ment verstärkt werden. Dafür ist kein Konzept erkenn-
bar, das jetzt umgesetzt wird und nach 2013/2014 tragen
kann. Denn die bisherige militärische Strategie – eine of-
fensive Aufstandsbekämpfung sowie das Partnering –
erachte ich nicht für die richtige Vorgehensweise für die
verbleibenden zwei Jahre.
Ich erwarte von der derzeitigen und zukünftigen Bun-
desregierung ein transparentes Konzept für den Abzug
deutscher Soldaten und Soldatinnen aus Afghanistan,
das den schnellstmöglichen Rückzug unter Wahrung un-
serer internationalen Verpflichtungen und in Respekt vor
den Menschen in Afghanistan ermöglicht und dessen
Umsetzung sichergestellt wird.
Kirsten Lühmann (SPD): Der Antrag „Fortsetzung
der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem
Einsatz einer Internationalen Sicherheitsunterstützungs-
truppe in Afghanistan, International Security Assistance
Force, ISAF, unter Führung der NATO“ – Drucksache
17/8166 – der Bundesregierung hat meine Unterstüt-
zung. Die SPD-Bundestagsfraktion hat sich schon länger
für einen Strategiewechsel ausgesprochen, der auf eine
politische Lösung der Konflikte in Afghanistan setzt.
Voraussetzung für eine politische Lösung muss ein Ver-
söhnungsprozess innerhalb des Landes sein. Hierfür ist
es zwingend erforderlich, mit allen Beteiligten Gesprä-
che zu führen. Dies schließt also auch die Taliban ein.
Obgleich die Bundesregierung diesen Ansatz zunächst
abgelehnt hat, entspricht der Antrag der Bundesregie-
rung nun weitgehend den Vorstellungen der SPD-Bun-
destagsfraktion.
Ferner befürworte ich das Konzept der schrittweisen
Übergabe der Sicherheitsverantwortung an Afghanistan.
Anzumerken ist, dass dieses jedoch eine verstärkte Aus-
bildung afghanischer Sicherheitskräfte erfordert.
Niema Movassat (DIE LINKE): Seit einem Jahr-
zehnt führt die NATO in Afghanistan unter dem Vor-
wand der „humanitären Intervention“ und des „Krieges
gegen den Terror“ einen Feldzug für wirtschaftliche und
geostrategische Interessen. Was ist das Ergebnis dieses
modernen Feldzuges? Jahr für Jahr steigen die Opferzah-
len – 2011 war das blutigste Jahr seit Beginn des Krie-
ges. Die Infrastruktur des Landes wurde zugrunde
gerichtet; die Bevölkerung leidet an massiver Unterer-
nährung und unbehandelten Krankheiten, sodass die Le-
benserwartung rapide gesunken ist.
Ein weiteres Mal hatten heute die Abgeordneten des
Deutschen Bundestages die Möglichkeit, zu entscheiden,
ob deutsche Soldaten in Afghanistan sich weiterhin an
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em Morden beteiligen müssen oder abgezogen werden.
ie weitere Kriegsführung entscheidet sich hier im Bun-
estag. Die Frontlinie der modernen Kriege hat sich ver-
choben: Die heutigen Feldherren entscheiden nicht
ehr auf dem Schlachtfeld, sondern in Parlamenten über
eben und Tod.
Die Beschlussvorlage der Bundesregierung ist eine
arce: Der Öffentlichkeit wird vorgegaukelt, Deutsch-
nd würde Kampftruppen abziehen. Tatsächlich werden
ur Reserveeinheiten zurückgeholt, die nicht mehr benö-
gt werden. Die Bundesregierung will uns weißmachen,
ie Bundeswehr leiste in Afghanistan humanitäre Auf-
auarbeit. Das Gegenteil ist der Fall: Deutschland führt
eiterhin im Rahmen der ISAF Krieg.
Für ein friedliches und freies Afghanistan, das der Be-
ölkerung eine Zukunft bietet, muss der Kriegseinsatz
eendet und die rein zivile Entwicklungshilfe aufgebaut
erden. Stattdessen baut die NATO die Zivil-Militäri-
che-Zusammenarbeit, ZMZ, aus. Im Klartext bedeutet
as eine enge Verzahnung politischer, militärischer, wirt-
chaftlicher, humanitärer und polizeilicher Instrumente.
o wird dann auch „Entwicklungshilfe“ zum Bestandteil
er NATO-Kriegsstrategie. An ein und demselben Tag
ann dieselbe Einheit im Rahmen der ZMZ eine neue
traße befestigen, ein Dorf dem Erdboden gleichmachen
nd danach den Ausbildungsdienst der afghanischen
olizei übernehmen.
So kann kein Frieden geschaffen werden. Der Bun-
eshaushalt sieht rund 1,1 Milliarde Euro für den Krieg
or. Diese müssen ab sofort für den Wiederaufbau und
ie Verbesserung der Lebensbedingungen der afghani-
chen Bevölkerung nach deren Bedürfnissen eingesetzt
erden. Die ausländischen Truppen – allen voran die
eutschen – müssen Afghanistan verlassen.
Jens Petermann (DIE LINKE): Ich stimme der Be-
chlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu
em Antrag der Bundesregierung unter anderem deswe-
en nicht zu, weil Krieg das falsche Mittel ist, um Hun-
er und Elend von Millionen Afghaninnen und Afgha-
en zu verhindern, sondern im Gegenteil diese weiter
efördert. Das Überleben von über drei Millionen Men-
chen hängt auch weiterhin von ausländischen Nah-
ngsmittelhilfslieferungen ab. Die Getreideernte im
and reicht nicht aus, die Bevölkerung zu ernähren. Es
ird auf immer mehr landwirtschaftlichen Flächen
ohnanbau betrieben, die somit für den Getreideanbau
hlen. Ein Großteil der Bevölkerung hungert. Laut
xfam sind in dem Land ein Drittel der Kinder unterer-
ährt.
Darüber hinaus ist nach zehn Jahren Krieg und Besat-
ung in Afghanistan die soziale Situation der Bevölke-
ng fatal: In Bezug auf die Gesundheitsversorgung liegt
fghanistan beim Human Development Index weit ab-
eschlagen an letzter Stelle. Seit 2005 konstatieren in re-
räsentativen Umfragen die Afghaninnen und Afghanen
ine kontinuierliche Degradierung ihrer sozialen Situa-
on. 2007 hatten nur 5 Prozent der Afghanen „Zugang
u gesundheitlich akzeptabler Sanitärversorgung“; 2011
egt diese Zahl bei ganzen 7,5 Prozent – Zahlen der
18668 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 155. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Januar 2012
(A) )
)(B)
Bundesregierung, 2011. Die durchschnittliche Lebens-
erwartung stagniert seit Jahren bei 43 Jahren. Die Hälfte
der Männer und über 90 Prozent der Frauen sind An-
alphabeten. Kinder und Jugendliche besuchen durch-
schnittlich 3,3 Jahre lang die Schule.
Die afghanische Gesellschaft verfällt weiter: „Die
Zahl der Drogensüchtigen in Afghanistan nimmt weiter
zu, und mit ihr die Ausbreitung von HIV und anderer
Krankheiten“, so die Bundesregierung in ihrem Fort-
schrittsbericht.
Der Einsatz deutscher Soldaten in Afghanistan trägt
nach alledem nicht zu einer Verbesserung der Lage der
afghanischen Bevölkerung bei und ist deshalb abzuleh-
nen.
Mechthild Rawert (SPD): Der Einsatz der Bundes-
wehr in Afghanistan auf Grundlage der Beschlüsse des
UN-Sicherheitsrates dauert mittlerweile zehn Jahre an.
Ich habe den Einsätzen der Bundeswehr in der Regel
meine Zustimmung im Deutschen Bundestag gegeben.
Bei der Entscheidung im Jahr 2011 waren allerdings
meine Zweifel über die Ernsthaftigkeit der Beibehaltung
des Strategiewechsels durch die Bundesregierung so
groß, dass ich dem Antrag nicht zustimmen konnte.
Doch im Unterschied zur Situation der Entscheidung
über den Bundeswehreinsatz im letzten Jahr lässt sich im
Januar 2012 konstatieren, dass der Abzug der Bundes-
wehrtruppen bereits begonnen hat. Im Regierungsantrag
ist der Truppenrückzug im Jahr 2012 von 5 350 Soldaten
auf zunächst 4900 und im weiteren Jahresverlauf auf
4 400 festgelegt. Während Ende November noch 5 329
Bundeswehrsoldaten in Afghanistan stationiert gewesen
waren, betrug die Truppenstärke am 7. Dezember 2011
noch 4 991. Damit sind meine ernsthaften Zweifel, ob
die Bundesregierung ihr Wort für eine Abzugsperspek-
tive hält, vorerst ausgeräumt.
Für problematisch halte ich, dass der Antrag der Bun-
desregierung die Hintertür offen lässt, den Truppenab-
zug aufzuweichen. Die Formulierung „soweit die Lage
dies erlaubt und dadurch die eingesetzten Truppen oder
die Nachhaltigkeit des Übergabeprozesses nicht gefähr-
det werden“ lässt diese Interpretation zu.
Insgesamt entspricht der vorliegende Mandatstext
weitgehend der SPD-Position für einen Strategiewech-
sel, der auf eine politische Lösung der Konflikte in Af-
ghanistan setzt und als Voraussetzung einen Versöh-
nungsprozess innerhalb des Landes auch mit den Taliban
vorsieht.
Der Transitionsprozess sieht vor, dass die Sicherheits-
verantwortung Schritt für Schritt an Afghanistan überge-
ben wird. Das erfordert eine verstärkte Ausbildung af-
ghanischer Sicherheitskräfte. Seit Juli 2011 findet diese
Transition in Gebieten mit eher ruhiger Lage statt. Mitt-
lerweile sind 305 600 Soldaten und Polizisten in Afgha-
nistan ausgebildet worden, und bis Oktober 2012 sollen
es 352 000 sein. Der Härtetest für die Übertragung der
Sicherheitsverantwortung steht erst noch bevor.
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Ich erwarte, dass ein tragfähiges Konzept zur nach-
altigen Ausbildung, Ausstattung und vor allem bezüg-
ch der Finanzierung der afghanischen Sicherheitskräfte
ntwickelt wird, wie es im Antrag der Bundesregierung
ersprochen wird. Denn ein Rückfall Afghanistans in
ine erneute Bürgerkriegssituation, wie nach dem Abzug
er sowjetischen Truppen, muss verhindert werden. Das
t aus meiner Sicht eine Verantwortung, die sich aus den
ehn Jahren des Einsatzes der Bundeswehr in Afghanis-
n ergibt.
Die mehrdimensionalen Konflikte in Afghanistan und
einen Anrainerstaaten lassen sich nur auf politischem
nd nicht auf militärischem Wege lösen. Dem trägt der
trategiewechsel insofern Rechnung, indem auch die Ta-
ban als Verhandlungspartner akzeptiert und in einen
ersöhnungsprozess eingebunden werden.
Eine politische, nicht militärische Lösung bedeutet
ugleich auch die Aufwertung ziviler Konfliktlösungen
owie Aufbauhilfe im Rahmen der Entwicklungszusam-
enarbeit. Insofern war die Aufstockung der jährlichen
nterstützung für Wiederaufbau und Entwicklung in Af-
hanistan auf bis zu 430 Millionen Euro notwendig. Um
en Aufbau einer stabilen Wirtschaft und Gesellschaft
u gewährleisten, müssen die Mittel für Entwicklungs-
usammenarbeit über den von der Bundesregierung zu-
esagten Zeitraum bis 2013 hinaus beibehalten werden.
Die deutsche Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee.
ede Soldatin, jeder Soldat braucht insbesondere bei
uslandseinsätzen politische, moralische und auch fi-
anziell ausreichende Unterstützung zur Gewährung
estmöglicher Sicherheit. Ich bin nach wie vor bereit,
iese zu geben. Frieden ist aber mehr als die Abwesen-
eit von Krieg. Eine Mehrheit der Bürgerinnen und Bür-
er ist nach wie vor für den Abzug der Bundeswehr aus
fghanistan. Ich stimme dem Antrag zu, weil er eine fest
rminierte Abzugsperspektive bietet.
Claudia Roth (Augsburg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
EN): Vor knapp zehn Jahren hat Deutschland unter
em Mandat der Vereinten Nationen, im Rahmen der
ternational Security Assistance Force, ISAF, auf
unsch der afghanischen Regierung und unter Beteili-
ung zahlreicher Partner Verantwortung in Afghanistan
bernommen. Trotz der erheblichen Schwierigkeiten
nd Rückschläge, die man in Afghanistan in den vergan-
enen zehn Jahren beobachten konnte, stehe ich zu unse-
r Verantwortung gegenüber den afghanischen Frauen
nd Männern, den zivilen Helferinnen und Helfern, den
oldatinnen und Soldaten und den Vereinten Nationen.
iel aller deutschen Beiträge muss die Stabilisierung ei-
es afghanischen Staates sein, der nach gängigen rechts-
taatlichen Normen operiert und die Menschenrechte
einer Bürgerinnen und Bürger schützt, fördert und
arantiert. Dabei muss sich die Unterstützung Deutsch-
nds und der internationalen Gemeinschaft an der Kern-
rderung der Vertreterinnen und Vertreter der afghani-
chen Zivilgesellschaft orientieren.
Parallel zum Stabilisierungseinsatz mit UN-Mandat,
AF, wurde im Rahmen der „Operation Enduring Free-
om“, OEF, der sogenannte Krieg gegen den Terror mit
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 155. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Januar 2012 18669
(A) )
)(B)
vielen zivilen Opfern betrieben. Diese Politik hat sich als
Irrtum erwiesen. Die Dominanz des Militärischen wurde
begleitet vom weitgehenden Fehlen einer am tatsächli-
chen Bedarf orientierten zivilen und entwicklungspoliti-
schen Aufbaustrategie und einer Unterordnung von zivi-
len gegenüber militärischen Zielsetzungen. All dies
bedarf einer fundierten, selbstkritischen Aufarbeitung,
der sich die Bundesregierung bisher verweigert. Die
Bundesregierung blockiert nicht nur eine solche Evaluie-
rung, sondern sie legt Fortschrittsberichte vor, die nicht
überzeugen. Die Behauptung, die offensive Aufstands-
bekämpfung hätte die Aufständischen entscheidend und
dauerhaft geschwächt, wird von vielen Expertinnen und
Experten bezweifelt. Gleichzeitig schwindet das Ver-
trauen in die ISAF-Truppen. Auch die Bundeswehr ist
seit 2010 intensiver an solchen offensiven Operationen
beteiligt.
Die internationalen Kampftruppen sollen bis 2014 aus
Afghanistan abgezogen werden. Das haben wir mit un-
serem Entschließungsantrag (Drucksache 17/8466) im
vollen Verantwortungsbewusstsein und ausführlich be-
gründet. Nur so entsteht der notwendige politische
Druck auf die afghanische Seite, eine politische Lösung
entschieden anzugehen. Der begonnene Prozess der
Übergabe in Verantwortung muss aber entschieden und
mit konkreten Zwischenschritten weiter fortgeführt und
auf die Dynamik der Situation in den jeweiligen Provin-
zen sowie die zivile Aufbauarbeit angepasst werden.
Hierfür ist allerdings ein klarer Zeitplan unerlässlich.
Die Bundesregierung will mit dem vorliegenden Mandat
real nur 200 Soldatinnen und Soldaten abziehen. Das ist
viel zu wenig. Wenn ein Abzug 2014 erfolgen soll, dann
müsste das Bundeswehrkontingent in 2012 und 2013
substanziell reduziert werden. Zudem beendet die Bun-
deswehr auch nicht die offensive Aufstandsbekämpfung.
Diese geht einher mit einer hohen Zahl an zivilen Op-
fern, und sie blockiert die Versuche zu einer politischen
Lösung.
Da ich an den heutigen Sitzungen und Abstimmungen
des Bundestages nicht teilnehmen kann, möchte ich mit
dieser persönlichen Erklärung klarstellen, dass ich den
vorliegenden Anträgen der Bundesregierung aus den
oben genannten Gründen nicht zustimme.
Ein überstürzter und ungeordneter Abzug der interna-
tionalen Truppen, den manche bis Ende 2012 fordern, ist
nicht verantwortbar. Das könnte das Land erneut in ei-
nen Bürgerkrieg stürzen, die zivilen Helferinnen und
Helfer gefährden und die in den letzten Jahren erzielten
Erfolge infrage stellen.
Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN): Den Antrag der Bundesregierung lehne ich ab.
Ich bin dagegen, dass die Bundeswehr sich ein weiteres
Jahr an diesem grausamen Krieg in Afghanistan betei-
ligt.
Das neue Mandat gilt formal nur für ein Jahr, enthält
aber faktisch eine Verlängerung des Bundeswehreinsat-
zes um mindestens drei Jahre. Bis Ende 2014 soll der
Krieg so weitergeführt werden wie bisher, nur mit weni-
ger Soldaten. Es werden Tausende weitere Menschen ge-
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tet und noch viele mehr verwundet durch Anschläge
nd Angriffe der Aufständischen und durch offensive
perationen der Interventionsstreitkräfte. Das „Partne-
ng“ der Bundeswehr wird fortgesetzt wie bisher. Das
eißt, auch Spezialkommandos aus afghanischen und
eutschen Streitkräften führen weiter unter deutscher
ührung gezielte Operationen gegen tatsächliche oder
ermeintliche Aufständische durch. Gezielte Tötungen
on Taliban, die aufgrund oft dubioser und unüberprüf-
arer Informationen auf Todeslisten gelistet wurden,
erden unvermindert von Spezialeinheiten und mittels
ewaffneter Drohnen fortgesetzt. Allein in drei Monaten
u Beginn des letzten Jahres fanden über 1 400 solcher
xtralegaler Hinrichtungen statt. Dabei wurden viele
undert Menschen getötet, darunter auch viele an dem
rieg Unbeteiligte und zu Unrecht Denunzierte. Wenn
ie Bundesregierung auch behauptet, die Bundeswehr
eteilige sich nicht an solchen Tötungen, dann konnte
ie doch nicht ausschließen, dass Personen, die sie für
capture or kilI“-Listen benennt, dann doch von Droh-
en oder Spezialkommandos alliierter Streitkräfte gejagt
nd getötet werden. Durch diese Kriegsführung wird
mer neuer Hass und neue Gewalt geschürt. Es wird
eiter vermehrt Sprengstoffanschläge und Angriffe auf
ie Bundeswehr und die Verbündeten geben.
Vor allem aber werden sämtliche Bemühungen um
erhandlungen und Waffenstillstand erheblich erschwert
nd gar unmöglich gemacht. Wenn man die, mit denen
erhandelt werden soll, auf Todeslisten setzt, jagt und
tet, werden ernsthafte Gespräche hintertrieben. Vier
it Raketen bewaffnete Killerdrohnen werden in diesem
onat neu in Masar-i-Scharif im Verantwortungsbereich
er Bundeswehr stationiert.
Es heißt, die Verlängerung des Krieges sei notwendig
nd richtig, weil bis Ende 2014 so viel Sicherheit in
fghanistan geschaffen werden könne, dass die afghani-
chen Sicherheitskräfte ohne Hilfe die Bürgerinnen und
ürger schützen und eine friedliche Entwicklung garan-
eren können. Solche Hoffnungen und Erwartungen sind
nbegründet. Die Entwicklung der Sicherheit im Land in
en letzten fünf Jahren spricht eher dagegen. Jahr für
ahr wurde die Sicherheitslage dramatisch schlechter
otz des Einsatzes von immer mehr Soldaten und immer
chwererer Waffen. Afghanistan war für die Bevölke-
ng seit Beginn des Einsatzes internationaler Streit-
räfte noch nie so unsicher wie heute. Alles spricht
afür, dass die Lage sich in den nächsten Jahren eher
eiter verschlechtert, als dass sie besser oder gar gut
ird.
Weiter Krieg zu führen, ist der falsche Weg. Es gibt
lternativen. Auf meiner Afghanistan-Reise vor vier
onaten habe ich erfahren, Verhandlungen und Waffen-
tillstand mit den Aufständischen – auch den Taliban –
ind möglich. Es gab schon Angebote für Waffenstill-
tand in einzelnen Regionen, auch für den Verantwor-
ngsbereich der Bundeswehr im Norden. Anstatt weiter
uf Krieg zu setzen, muss jede Chance für Verhandlun-
en genutzt werden. Solche Chancen werden aber durch
as Weiter-so und die Verlängerung des Kriegsmandats
r die Bundeswehr nicht genutzt, sondern zunichtege-
acht.
18670 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 155. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Januar 2012
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Sabine Stüber (DIE LINKE): Ich stimme gegen die
Fortsetzung des Mandats, weil Krieg nicht Mittel der
Politik sein darf. Deutsche Soldatinnen und Soldaten
müssen sofort aus Afghanistan abgezogen werden. Der
Bundeswehreinsatz schafft keinen Frieden und sorgt kei-
neswegs für eine bessere Lebenssituation der Afghanin-
nen und Afghanen.
Ich stimme der Mandatsverlängerung nicht zu, weil
laut UNAMA, United Nations Assistance Mission in
Afghanistan, 87 Prozent der afghanischen Frauen schon
einmal Opfer von Gewalt waren. Die Bundesregierung
stellt Ende 2011 fest: „Eine strafrechtliche Verfolgung
findet so gut wie nicht statt“ (aus dem Fortschrittsbericht
der Bundesregierung zu Afghanistan). Des Weiteren hat-
ten 2007 nur 5 Prozent der Afghaninnen und Afghanen
„Zugang zu gesundheitlich akzeptabler Sanitärversor-
gung“; 2011 liegt diese Zahl bei ganzen 7,5 Prozent
– Zahlen der Bundesregierung, 2011.
Ich stimme der Mandatsverlängerung nicht zu, weil
auch nach zehn Jahren Krieg und Besatzung in Afgha-
nistan die soziale Situation der afghanischen Bevölke-
rung fatal ist: In Bezug auf die Gesundheitsversorgung
liegt Afghanistan beim Human Development Index weit
abgeschlagen an letzter Stelle. Seit 2005 zeigen re-
präsentative Umfragen, dass die Afghaninnen und
Afghanen einen kontinuierlichen Rückgang ihrer sozia-
len Situation feststellen. Die durchschnittliche Lebens-
erwartung stagniert seit Jahren bei 43 Jahren. Die Hälfte
der Männer und über 90 Prozent der Frauen sind An-
alphabeten. Kinder und Jugendliche besuchen durch-
schnittlich nur 3,3 Jahre lang die Schule.
Ich stimme der Mandatsverlängerung nicht zu, weil
der Krieg in Afghanistan gescheitert ist und die Fortset-
zung dieses Einsatzes mit deutscher Beteiligung keinen
Sinn hat. Es müssen alle finanziellen Mittel in den zivi-
len Aufbau des Landes fließen und die Bundeswehr un-
verzüglich abgezogen werden. Nur dann ist eine Verbes-
serung der Lage in Afghanistan möglich.
Alexander Ulrich (DIE LINKE): Spätestens seit
Kunduz wissen nicht nur wir, sondern auch die Kriegs-
befürworter von CDU, CSU, FDP, SPD und Grünen,
dass die Bundeswehr nicht Teil der Lösung, sondern Teil
des Problems in Afghanistan ist.
Dennoch äußerte ausgerechnet Verteidigungsminister
de Maizière zuletzt am 23. Januar wiederholt seine
Zweifel daran, dass bis 2014 tatsächlich alle Bundes-
wehrsoldaten abgezogen werden. Auf die Frage, ob bis
Ende 2014 tatsächlich mit dem kompletten Abzug von
Soldaten aus Deutschland und den anderen Staaten zu
rechnen ist, antwortete er: „Natürlich ist die Strategie
immer abhängig von den obwaltenden Umständen.
Wenn sich die Dinge grundlegend ändern, könnte eine
neue Lage entstehen“.
Faktisch sieht das neue Mandat für 2012 überhaupt
keine wirkliche Reduzierung des Truppenkerns vor, die
Zahl verringert sich lediglich um eine nicht genutzte Re-
serve. Die Rede von dem vermeintlichen Abzug ver-
sucht, vor allem die hiesige Bevölkerung zu täuschen,
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on der die große Mehrheit einen wirklichen Abzug aus
fghanistan befürwortet, wie Umfragen zeigen.
Terrorismus lässt sich nicht mit Krieg bekämpfen.
m Waffenruhe und einen anschließenden Friedenspro-
ess zu erreichen, ist nicht die Aufstockung, sondern der
bzug aller Truppen sowie eine zivile Aufbauhilfe eine
olitische Notwendigkeit. Das Töten unschuldiger Men-
chen muss beendet werden. Als einzige Antikriegspartei
Deutschen Bundestag begrüßen wir die Entscheidung
er niederländischen Sozialdemokraten. Diese haben
re Forderung eines kompletten Abzugs der Truppen
onsequent vertreten – bis zum Ausstieg aus der Regie-
ng. Die SPD im Bundestag sollte sich ein Beispiel da-
n nehmen.
Kathrin Vogler (DIE LINKE): Ich stimme gegen die
ortsetzung des Mandats, weil ich gerade auch als Ge-
undheitspolitikerin den Einsatz der Bundeswehr in
fghanistan für gescheitert halte.
Ich habe an der Afghanistan-Konferenz im Dezember
Bonn teilgenommen und dort die Berichte über die an-
eblichen Erfolge auch im Gesundheitsbereich gehört.
uch hier im Parlament hat uns Minister Westerwelle
och am 15. Dezember 2011 erklärt: Über 80 Prozent
er afghanischen Bevölkerung habe Zugang zu Gesund-
eitsleistungen.
Ganz anderes hingegen berichtet uns etwa die
ilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen, die in Afghanis-
n tätig ist. In den dortigen Behandlungsstationen gibt
s regelmäßig Schwerverletzte, die mehrere Tagesreisen
inter sich haben, um behandelt werden zu können. Ins-
esondere Frauen haben kaum Zugang zum Gesund-
eitswesen; die Quote der Mütter- und Säuglingssterb-
chkeit ist nach UN-Angaben heute nicht geringer als
001.
Die ehemalige afghanische Parlamentarierin Malalai
oya hat mir berichtet, dass die verbreitete Korruption in
fghanistan auch vor dem Gesundheitssystem nicht
altmacht. So verlangen viele Ärztinnen und Ärzte von
ren Patientinnen und Patienten 80 bis 120 Dollar, be-
or sie überhaupt mit ihnen sprechen. Das können sich
einem der ärmsten Länder der Welt ganz sicher nicht
0 Prozent der Menschen leisten.
Die Ärzte ohne Grenzen berichten ebenfalls, dass die
ilitärische Intervention für ihre Arbeit überhaupt nicht
ilfreich ist. Im Gegenteil fühlen sich ihre Mitarbeiter
nd Mitarbeiterinnen, wie die vieler anderer NGOs auch,
ort am sichersten, wo das Militär am weitesten entfernt
t.
Die unwürdigen Zustände in der Gesundheitsversor-
ung sprechen allen Erfolgsberichten des Bundeswehr-
insatzes Hohn. Gerade auch als Gesundheitspolitikerin
age ich: Die Beendigung des Krieges wird eine bedarfs-
erechte Gesundheitsversorgung erst möglich machen.
enn nur ein Bruchteil des Geldes, das bisher für den
rieg verpulvert wird, in die medizinische Versorgung
er Bevölkerung fließen würde, würde es den Menschen
Afghanistan besser gehen. Deshalb kann ich einer er-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 155. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Januar 2012 18671
(A) )
)(B)
neuten Verlängerung dieser falschen Politik nicht zu-
stimmen.
Johanna Voß (DIE LINKE): Ich stimme gegen die
Fortsetzung des Mandats, weil sich bis heute an der
Situation am Hindukusch nichts verändert hat. Die
Region ist Opiumlieferant Nummer eins, der Bildungs-
stand weiterhin katastrophal. Das Volk wendet sich sei-
nen jeweiligen Stammesfürsten zu und die wiederum
paktieren mit den Taliban. Der Einsatz ist gescheitert.
Untermauert wird dies bedauerlicherweise durch die
steigende Anzahl toter deutscher Soldaten. Der einzig
richtige Befehl kann daher nur sein: Kehrt Marsch! Sol-
daten sind keine Mörder, und das muss so bleiben!
Die Bundesregierung selbst räumt in ihrem letzten
Fortschrittsbericht zu Afghanistan ein: „Die Zahl der
zivilen Opfer hat 2011 zugenommen.“
Dort heißt es weiter: Die Gesamtzahl der „Zwischen-
fälle“ liegt immer noch weit über dem Wert von 2009,
wo 16 500 dieser Vorfälle gezählt wurden. Zwischen
Oktober 2010 und Oktober 2011 unterscheiden sich die
Zahlen minimal: statt 3 200 nun 2 900 „Zwischenfälle“.
Das heißt, dass im Oktober 2011 Tag für Tag nach of-
fiziellen Angaben 100 Angriffe mit Hand- und Panzer-
abwehrwaffen, Beschuss durch Mörser und Raketen,
Beschuss von Flugzeugen, Einsatz von Sprengvorrich-
tungen, Selbstmordanschläge und sonstige Überfälle auf
die ISAF und ihre afghanischen Verbündeten stattfinden.
Die Zahl gibt keine Auskunft darüber, wie viele Angriffe
und Bombardements die NATO gestartet hat, wie viele
Razzien die KSK durchgeführt haben.
Auf der Suche nach Aufständischen terrorisiert die
NATO jede Nacht afghanische Familien. 2011 wurden
im Schnitt 19 Kommandoaktionen pro Tag durchgeführt,
Soldaten treten Haustüren ein und überfallen Afghanen
im Schlaf. Routinemäßig mordet die NATO Unschul-
dige. Allein im letzten Sommer wurden im NATO-Krieg
laut UN-Angaben über 3 000 Zivilisten getötet.
Es sind die Armut, das Unrecht und der NATO-Ter-
ror, der den Aufständischen wie in früheren Kolonial-
kriegen immer neue Rekruten zuführt. Allein im vergan-
genen Jahr sind 20 000 der insgesamt 126 000
afghanischen Polizisten desertiert – auch weil der Sold
eines einfachen Polizisten unter dem Existenzminimum
liegt. Der Versuch der NATO, das Karsai-Regime durch
Bomben und Razzien zu stabilisieren, ist gescheitert.
Der Afghanistan-Krieg ist ein sinnloser Krieg. Die
angebotene Strategie, den Krieg durch schrittweise
Übertragung der Verantwortlichkeiten zu „afghanisie-
ren“, erscheint bei näherer Betrachtung aussichtslos. Im
US-Haushalt sind für das kommende Jahr 12,8 Milliar-
den US-Dollar für die Ausbildung und Ausrüstung loka-
ler afghanischer „Sicherheitskräfte“ eingeplant. Zum
Vergleich: Der gesamte Staatshaushalt Afghanistans
beträgt lediglich 1,5 Milliarden US-Dollar.
Mit militärischen Mitteln war und ist in Afghanistan
nichts zu erreichen. Und deshalb stimme ich der Fortset-
zung des Mandats nicht zu.
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nlage 3
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Dr. Tobias Lindner und
Tabea Rößner (beide BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN) zur namentlichen Abstimmung über die
Beschlussempfehlung und den Bericht zu dem
Antrag: Fortsetzung der Beteiligung bewaffne-
ter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz der
Internationalen Sicherheitsunterstützungs-
truppe in Afghanistan (International Security
Assistance Force, ISAF) unter Führung der
NATO auf Grundlage der Resolutionen 1386
(2001) und folgender Resolutionen, zuletzt Re-
solution 2011 (2011) vom 12. Oktober 2011 des
Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (Tages-
ordnungspunkt 7)
Über zehn Jahre nach dem 11. September 2001 und
en damit verbundenen Einsätzen in Afghanistan ist es
eboten, das militärische Engagement in Afghanistan
ukzessive und verantwortungsvoll zu reduzieren und
chließlich in absehbarer Zeit zu beenden.
Deutschland hat durch seinen Einsatz in Afghanistan
ine Schutzverantwortung für die afghanische Bevölke-
ng übernommen. Dieser Verantwortung müssen wir
owohl mit unserem zivilen als auch militärischen Enga-
ement gerecht werden. Ein sofortiger Abzug bringt das
norme Risiko mit sich, dass das Land in einem noch
chlimmeren und blutigeren Bürgerkrieg versinkt. Ein
ofortiger Abzug gefährdet nicht nur bereits Erreichtes,
ondern auch die Zukunft der afghanischen Kinder,
rauen und Männer in existenzieller Art und Weise.
Das Engagement in Afghanistan wurde durch die in-
rnationale Gemeinschaft beschlossen. Ein notwendiger
nd verantwortungsvoller Abzug erfordert ein koordi-
iertes Vorgehen, abgestimmt mit den davon betroffenen
ationen. Ein nicht abgesprochener, unilateraler Abzug
üsste durch andere Beteiligte kompensiert werden und
ürde deren Belastung entsprechend stark erhöhen.
Der Abzug aus Afghanistan kann nicht von heute auf
orgen geschehen. Die beteiligten Nationen haben sich
uf das Jahr 2014 als Abzugsdatum geeinigt. Bis dahin
ollen die afghanischen Sicherheitskräfte dazu befähigt
erden, selbst für die Sicherheit in Afghanistan zu sor-
en. Wir möchten, dass auch Deutschland weiterhin ei-
en Beitrag zu dieser notwendigen Ausbildung leistet.
Wir begrüßen grundsätzlich, dass die Bundesregie-
ng die Mandatsobergrenze auf 4 900 Soldatinnen und
oldaten absenkt, auch wenn die Reduktion in unseren
ugen größer hätte ausfallen können. Skeptisch stehen
ir jedoch der bloßen Ankündigung gegenüber, dass das
ontingent bis zum Ende des Mandatszeitraumes auf
400 Soldatinnen und Soldaten verkleinert werde, ohne
lare Kriterien oder einen konkreten Zeitplan vorzule-
en. Diese Aussage ist in unseren Augen viel zu unver-
indlich. Im Allgemeinen gilt dies auch für den Abzug
eutscher Truppen bis 2014: Die Bundesregierung bleibt
in konkretes Abzugskonzept schuldig.
18672 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 155. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Januar 2012
(A) )
)(B)
Es gibt zahlreiche Aspekte, die uns an einem fortdau-
ernden militärischen Engagement zweifeln lassen.
Der Militäreinsatz dominiert die Debatte über Afgha-
nistan. Nur das zivile Engagement kann jedoch der
afghanischen Bevölkerung eine wahrhaft nachhaltige
Perspektive bieten. Nur zivile Aufbauhilfe kann zum
Aufbau von Verwaltungsstrukturen, eines Justiz-, Bil-
dungs- oder auch Gesundheitssystems beitragen. Nur
durch die zivilen Anstrengungen kann sich eine nachhal-
tige Wirtschaftsperspektive entwickeln. Die zivile Auf-
baustrategie darf militärischen Zielsetzungen nicht un-
tergeordnet werden. Die Bundesregierung verweigert
eine selbstkritische Aufarbeitung dieses Problems.
Trotz des Militäreinsatzes ist die Sicherheitslage be-
sorgniserregend. UNAMA meldet einen Anstieg der zi-
vilen Opfer im Vergleich zum Vorjahr um 15 Prozent.
Auch wenn die Verantwortung dafür überwiegend Auf-
ständischen anzulasten ist, zeigt dies doch, dass ein so
massives Militäraufgebot nicht dazu in der Lage ist, das
Land zu befrieden.
Ganz im Gegenteil führen kontraproduktive Night
Raids oder Capture-or-kill-Operationen nur zu weiteren
Opfern und zur Verunsicherung seitens der Bevölkerung.
Sie führen zu weiterer Radikalisierung und treiben somit
die Gewaltspirale weiter an.
Obwohl es Argumente für den weiteren Verbleib der
Bundeswehr in Afghanistan gibt, sehen wir ebenso ge-
wichtige Entwicklungen, die uns an der Wirksamkeit des
militärischen Engagements entscheidend zweifeln las-
sen.
Wir haben uns dazu entschieden, uns bei der Abstim-
mung über die Fortsetzung des ISAF-Mandates der Bun-
deswehr zu enthalten. Ein einfaches „Weiter so“ können
wir ebenso wenig vertreten wie einen sofortigen Abzug.
Dies ist eine Gewissensentscheidung.
Der Entschließungsantrag unserer Fraktion findet un-
sere Unterstützung und legt unsere Position im Hinblick
auf den Afghanistan-Einsatz näher dar.
Anlage 4
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Ute Koczy und Dr. Wolfgang
Strengmann-Kuhn (beide BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN) zur namentlichen Abstimmung über
die Beschlussempfehlung und den Bericht zu
dem Antrag: Fortsetzung der Beteiligung be-
waffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz
der Internationalen Sicherheitsunterstützungs-
truppe in Afghanistan (International Security
Assistance Force, ISAF) unter Führung der
NATO auf Grundlage der Resolutionen 1386
(2001) und folgender Resolutionen, zuletzt Re-
solution 2011 (2011) vom 12. Oktober 2011 des
Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (Tages-
ordnungspunkt 7)
Erneut stimmen wir über das Mandat zur Entsendung
von deutschen Soldatinnen und Soldaten nach Afghanis-
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n ab. Die komplexe Situation in diesem Land und die
robleme bei der Einschätzung der Lage geben weiter-
in Anlass zu vielen Fragen und erschweren die Ent-
cheidung enorm.
Wir schicken voraus, dass unser Dank und unsere
ertschätzung denjenigen gelten, die als Soldatinnen
nd Soldaten, als zivile Helferinnen und Helfer in Ver-
indung mit ihren Familienangehörigen Aufgaben in Af-
hanistan erfüllen. Dieses Mandat in Afghanistan fordert
itunter den höchsten Einsatz, und das darf nie verges-
en werden. Auch angesichts dieser Verantwortung rin-
en wir um die richtige Entscheidung.
In der Abwägung unserer Argumente sind wir zu ei-
er Ablehnung des Mandats gekommen und möchten
iese mit der vorliegenden Erklärung begründen. Unsere
blehnung ist auf keinen Fall mit der Forderung nach ei-
em Sofortabzug gleichzusetzen. Einen Sofortabzug
eisen wir deutlich zurück, da dies die Situation in Af-
hanistan in unverantwortbarer Weise destabilisieren
ürde.
Dieses Mandat für 2012 wird unter anderen Vorzei-
hen als die bisherigen beschlossen. Denn erstmals soll
as deutsche militärische Engagement – wenn auch nur
geringem Maße – zurückgeführt werden. Die Zeichen
tehen auf Abzug bis 2014, und bis dahin soll das Not-
endige geleistet werden, um einen geordneten Überga-
eprozess an die afghanische Regierung zu ermöglichen.
Aber weiterhin folgt dieses Mandat nicht dem Primat
Zivil vor Militär“. Die Strategie der offensiven Auf-
tandsbekämpfung und der gezielten Tötungen wird
rtgesetzt. Dies halten wir für falsch, weil es zur Gewalt-
skalation beiträgt und kontraproduktiv für die Errei-
hung des Ziels einer Stabilisierung von Afghanistan ist.
o ist die Sicherheitslage in Afghanistan weiterhin be-
orgniserregend und eine Trendwende nicht absehbar.
Gegenteil, die Sicherheitslage hat sich insbesondere
r die Bevölkerung in großen Teilen des Landes ver-
chlechtert. Daher überzeugt die Bewertung der Bundes-
gierung im aktuellen Fortschrittsbericht nicht. Die
ahl der zivilen Opfer hat sich laut der Beobachtermis-
ion der Vereinten Nationen in Afghanistan 2011 im Ver-
leich zum Vorjahr noch einmal um fast 15 Prozent er-
öht. Auch deshalb schwindet das Vertrauen in die
AF-Truppen.
Die Dominanz des Militärischen wird begleitet vom
eitgehenden Fehlen einer am tatsächlichen Bedarf
rientierten zivilen und entwicklungspolitischen Auf-
austrategie, die in Abstimmung mit den afghanischen
nd internationalen Partnerinnen und Partnern ausgear-
eitet werden müsste. Einer fundierten, selbstkritischen
ufarbeitung des bisher Geleisteten verweigert sich die
undesregierung bis heute, sodass eine systematische
rundlage für die Beurteilung von Erfolgen und Miss-
rfolgen insbesondere im entwicklungspolitischen Auf-
auprozess fehlt.
Uns ist bewusst, dass Afghanistan noch lange auf
olch eine Unterstützung angewiesen ist. Gerade deshalb
t eine fundierte Diskussion der bestmöglichen Maß-
ahmen unerlässlich und dringend geboten, genauso wie
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 155. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Januar 2012 18673
(A) )
)(B)
die Bereitschaft der Bundesregierung, sich dem öffentli-
chen Diskurs über die Situation in Afghanistan zu stel-
len. Diese vermissen wir. So wichtig die Ausrichtung
und die konstruktive Begleitung der internationalen
Konferenzen zu Afghanistan sind, so gilt: Wenn diese
Debatten nicht in die deutsche Öffentlichkeit getragen
werden, wird der Abkehr an Interesse und Bereitschaft,
sich für dieses faszinierende Land einzusetzen, Vorschub
geleistet.
Wir kritisieren das Fehlen einer Agenda für den ent-
wicklungspolitischen Aufbau bis 2014 und danach sowie
das Fehlen eines Stufenplans, wie der militärische Ab-
zug funktionieren kann, ohne dass in Afghanistan ein er-
neuter Bürgerkrieg ausbricht.
Anlage 5
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Cornelia Behm, Hans-Josef
Fell, Tom Koenigs, Omid Nouripour, Manuel
Sarrazin und Daniela Wagner (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) zur namentlichen Abstimmung
über die Beschlussempfehlung und den Bericht
zu dem Antrag: Fortsetzung der Beteiligung be-
waffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz
der Internationalen Sicherheitsunterstützungs-
truppe in Afghanistan (International Security
Assistance Force, ISAF) unter Führung der
NATO auf Grundlage der Resolutionen 1386
(2001) und folgender Resolutionen, zuletzt Re-
solution 2011 (2011) vom 12. Oktober 2011 des
Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (Tages-
ordnungspunkt 7)
Nur eine politische Lösung kann verhindern, dass Af-
ghanistan nach dem Abzug der internationalen Truppen
in einen neuen, blutigen Bürgerkrieg fällt. Die Bundesre-
gierung und die internationale Gemeinschaft müssen da-
her ihre Anstrengungen erhöhen, um den Verhandlungs-
und Reintegrationsprozess in Afghanistan zu unterstüt-
zen und eine Friedenslösung unter Einbeziehung der be-
teiligten Nachbarstaaten zu erzielen. Deutschland sollte
seinen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen nut-
zen, um eine Initiative auf den Weg zu bringen, die alle
afghanischen und internationalen Akteure unter dem
Dach der Vereinten Nationen an den Verhandlungstisch
bringt. Gleichzeitig muss sich Deutschland dafür einset-
zen, dass die erreichten Fortschritte insbesondere bei
Menschenrechten sowie für Frauen und Mädchen im
Rahmen der Verhandlungen nicht ausgehöhlt werden.
Der zivile Aufbau in Afghanistan erfordert ein lang-
fristiges Engagement der internationalen Gemeinschaft
und verlässliche Zusagen für Hilfen und Unterstützungs-
leistungen auch über das Jahr 2014 hinaus. Die Bundes-
regierung belässt es bislang bei vagen Zusagen und
unkonkreten Versprechen. Um der Verantwortung
Deutschlands für die Menschen in Afghanistan gerecht
zu werden, muss die Bundesregierung bindende Ver-
pflichtungen aussprechen. Hierzu gehört, schon heute
eine Verstetigung der zivilen Zusammenarbeit in Höhe
von mindestens 430 Millionen Euro auch über 2014 hi-
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aus zuzusagen. Dies ist auch erforderlich, da in Afgha-
istan die Befürchtung zunimmt, dass mit dem militäri-
chen Abzug auch die Aufbauhelferinnen und -helfer das
and verlassen werden. Ein solches Vorgehen wäre un-
erantwortlich.
Im militärischen Engagement setzen Partnernationen
eiter auf kontraproduktive „gezielte Tötungen“. Die
undesregierung muss sich im Rahmen von ISAF und
egenüber den Partnern dafür einsetzen, dass dieses fal-
che Vorgehen beendet wird. Sie muss außerdem sicher-
tellen, dass sich die Bundeswehr nicht an solchen Ak-
onen beteiligt.
Trotz unserer Kritik an der unzureichenden und teil-
eise fehlgeleiteten Afghanistan-Strategie der Bundes-
gierung stimmen wir dem Mandat zur Verlängerung
es Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr bis zum
1. Januar 2013 zu. Dies ist eine Gewissensentschei-
ung.
Mit dem Engagement der internationalen Gemein-
chaft haben wir eine Schutzverantwortung für die Men-
chen in Afghanistan übernommen. Wir fühlen uns
eiterhin verpflichtet, sie nicht alleine zu lassen. Zu-
timmung bedeutet auch, dass wir Mitverantwortung
bernehmen für den schwierigen, oft lebensgefährlichen
insatz der Soldatinnen und Soldaten und der zivilen
ufbauhelferinnen und Aufbauhelfer.
Ein sofortiger militärischer Abzug würde die Men-
chen in Afghanistan in einem neu eskalierenden Bür-
erkrieg alleine zurücklassen und die gesamte Region
estabilisieren. Die Polizei und die Armee Afghanistans
ind noch nicht in der Lage, verlässlich für ein Mindest-
aß an Sicherheit im Land zu sorgen. Expertinnen und
xperten sowie Vertreterinnen und Vertreter der Zivilge-
ellschaft aus Afghanistan machen immer wieder deut-
ch, dass deswegen eine militärische Präsenz internatio-
aler Truppen notwendig ist.
Ein einseitiger Abzug der Bundeswehr wäre gleich-
eitig der Ausstieg aus einer verantwortlichen multilate-
len Politik. Das weitere Vorgehen in Afghanistan muss
nerhalb der internationalen Gemeinschaft abgestimmt
erden. Es darf keinen deutschen Sonderweg beim Ab-
chluss des militärischen Engagements geben.
nlage 6
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Agnes Brugger, Katja
Dörner, Dr. Anton Hofreiter, Uwe Kekeritz,
Sven-Christian Kindler, Sylvia Kotting-Uhl,
Maria Klein-Schmeink, Agnes Krumwiede,
Monika Lazar, Beate Müller-Gemmeke, Lisa
Paus, Ulrich Schneider und Dorothea Steiner
(alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur nament-
lichen Abstimmung über die Beschlussempfeh-
lung und den Bericht zu dem Antrag: Fortset-
zung der Beteiligung bewaffneter deutscher
Streitkräfte an dem Einsatz der Internationalen
Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanis-
tan (International Security Assistance Force,
18674 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 155. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Januar 2012
(A) )
)(B)
ISAF) unter Führung der NATO auf Grundlage
der Resolutionen 1386 (2001) und folgender Re-
solutionen, zuletzt Resolution 2011 (2011) vom
12. Oktober 2011 des Sicherheitsrates der Ver-
einten Nationen (Tagesordnungspunkt 7)
Die Entscheidung über Auslandseinsätze der Bundes-
wehr gehört zu den schwierigsten Entscheidungen, die
Abgeordnete des Deutschen Bundestages zu treffen ha-
ben, und fordert wie kaum eine andere das Gewissen und
Herz der Parlamentarierinnen und Parlamentarier. Dem
Engagement der in Afghanistan eingesetzten zivilen
Helferinnen und Helfer, Soldatinnen und Soldaten sowie
ihren Familienangehörigen gilt unser großer Dank und
unsere Wertschätzung.
Das vorliegende Mandat setzt die Strategie der offen-
siven Aufstandsbekämpfung und gezielten Tötungen
fort. Wir stimmen gegen einen solchen Militäreinsatz,
der zur Gewalteskalation beiträgt und kontraproduktiv
für die Erreichung des Ziels einer Stabilisierung Afgha-
nistans ist. Unsere Ablehnung des Mandats ist nicht
gleichzusetzen mit der Forderung nach einem Sofortab-
zug, die wir ausdrücklich zurückweisen, da dies die Si-
tuation in Afghanistan destabilisieren würde.
Vor einem Jahrzehnt begannen die Operation Endu-
ring Freedom, OEF, und der ISAF-Einsatz in Afghanis-
tan, an dem sich die Bundeswehr beteiligt. Sicherheit
und Stabilität sind jedoch in Afghanistan nicht einge-
kehrt. Im Gegenteil, die Sicherheitslage hat sich in den
letzten Jahren dramatisch verschlechtert.
Auch das vergangene Jahr war geprägt von gewaltsa-
men Auseinandersetzungen zwischen ISAF-Truppen
und afghanischen Sicherheitskräften auf der einen Seite
und Taliban und anderen Aufständischen auf der ande-
ren. Zwar ist die Bedrohungslage im Süden am höchsten,
jedoch auch im deutschen Einsatzgebiet im Norden Af-
ghanistans hat sie sich weiter deutlich verschlechtert.
Brutale Anschläge auf die Zivilbevölkerung gehören
zum Alltag in Afghanistan. Dem letzten Bericht der Be-
obachtermission der Vereinten Nationen in Afghanistan,
UNAMA, zufolge hat sich die Zahl der zivilen Opfer
2011 in Afghanistan insgesamt nochmals um 15 Prozent
erhöht. Für die meisten zivilen Opfer sind die Anschläge
der Aufständischen verantwortlich. Doch auch die An-
zahl der zivilen Opfer von ISAF-Luftschlägen hat sich
erhöht.
Die Strategie der offensiven Aufstandsbekämpfung
und der gezielten Tötungen hat in den vergangenen bei-
den Jahren die Sicherheit der afghanischen Zivilbevölke-
rung nicht erhöht, sondern zur Eskalation der Gewalt bei-
getragen. Die Ausweitung der gezielten Tötungen von
vermeintlichen Talibankämpfern zerstört in der afghani-
schen Bevölkerung den Rückhalt für den Einsatz und
fördert die Radikalisierung und den Zulauf bei den Auf-
ständischen. Da die Drohnenangriffe in Pakistan zahlrei-
che Opfer unter der pakistanischen Bevölkerung fordern,
stößt der Einsatz auch in Pakistan zunehmend auf Ableh-
nung. Die notwendige Einbindung Pakistans in eine Lö-
sung des Konfliktes wird vor diesem Hintergrund immer
schwieriger. Die Bundeswehr beteiligt sich vor allem im
Rahmen von gemeinsamen Ausbildungsoperationen mit
afghanischen Sicherheitskräften, dem sogenannten Part-
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ering, an der offensiven Aufstandsbekämpfung. Die
efürchtungen, dass die Strategie der offensiven Auf-
tandsbekämpfung und der gezielten Tötungen die
hancen auf Frieden schmälert, haben sich auf tragische
eise bewahrheitet. Wir fordern die Einstellung offensi-
er militärischer Kampfhandlungen und die Beendigung
es Partnering. Deutschland muss sich außerdem dafür
insetzen, dass die völkerrechtswidrigen gezielten Tö-
ngen aufhören. Sie stehen einer zivilen Lösung des
onfliktes durch Verhandlungen entgegen. Wir lehnen
iese Schwerpunktlegung auf den Einsatz militärischer
ewalt, die zahlreiche Menschenleben kostet, ab. Die
erzeitige Kriegsführung in Afghanistan ist mit dem
rundsatz des größtmöglichen Schutzes der Zivilbevöl-
erung nicht vereinbar.
Für einen nachhaltigen Frieden in Afghanistan ist ein
reiter Versöhnungsprozess nötig, der alle Akteure, ins-
esondere die afghanische Zivilgesellschaft, miteinbe-
ieht. Menschenrechtsverletzungen – ungeachtet von
elcher Seite – müssen mit geeigneten Instrumenten der
bergangsjustiz, Transitional Justice, aufgedeckt und
ufgearbeitet werden. Nur so gibt es eine Chance, dass
er Versöhnungsprozess in der nach wie vor traumati-
ierten und zerrissenen afghanischen Gesellschaft Erfolg
at. Dies ist eine große Herausforderung, da Frieden und
erechtigkeit im von Gewaltherrschaft und Krieg ge-
rägten Afghanistan nur schwer miteinander verwirk-
cht werden können. Es müssen Kompromisse gemacht
erden, die in demokratischer und menschrechtlicher
insicht problematisch sind. Eine dauerhafte Versöh-
ung, die von der Gesamtgesellschaft Afghanistans un-
rstützt wird, ist jedoch mit der aktuellen afghanischen
egierung äußerst schwierig. Denn das Regime von
arzai und das politische System insgesamt befinden
ich wegen Wahlbetrugs und massiver Korruption in ei-
er tiefen Legitimitätskrise. All diese Herausforderun-
en werden von dem vorliegenden Mandat und der
fghanistan-Politik der Bundesregierung nicht angegan-
en.
Wir halten den Abzug der internationalen Kampftrup-
en bis 2014 für richtig. Das vorliegende Mandat lässt
ierfür jedoch einen klaren Zeitplan vermissen. Die da-
n vorgesehene Absenkung der Mandatsobergrenze
icht nicht aus, um den Abzug schrittweise durchzufüh-
n. Rechnet man die Streichung der flexiblen Reserve
eraus, die de facto bisher ohnehin kaum eingesetzt
urde, werden deutlich weniger Soldatinnen und Solda-
n abgezogen, als von der Bundesregierung suggeriert.
ie Übergabe der Provincial Reconstruction Teams an
ine zivile Leitung verläuft mit großen Schwierigkeiten,
a ein tragfähiges Konzept zur Stärkung der zivilen Seite
hlt und nicht genügend ziviles Personal zur Verfügung
estellt wird. Wir fordern einen konsequenten Abzug der
ampftruppen aus Afghanistan und eine konsequente
mwandlung in einen zivilen Einsatz.
Trotz einiger Erfolge beim zivilen Aufbau ist das Zi-
ile dem Militärischen noch immer untergeordnet. Die
N-Mission UNAMA in Afghanistan ist im Vergleich
ur NATO-Mission völlig unterfinanziert. Bei der Unter-
tützung des Aufbaus eines funktionierenden afghani-
chen Sicherheitsapparats kommt der Polizeiaufbau viel
u kurz. Aber auch die verschlechterte Sicherheitslage,
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 155. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Januar 2012 18675
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)(B)
die politische Instabilität des Karzai-Regimes und gras-
sierende Korruption hemmen die Wirkung der Entwick-
lungszusammenarbeit und des zivilen Aufbaus in Afgha-
nistan. Mit großer Sorge erfüllt uns die Frage, wie
gesichert werden kann, dass in der Zeit nach dem Abzug
2014 das internationale Engagement für den Aufbau in
Afghanistan fortgesetzt werden kann. Die Finanzierung
sollte zumindest auf dem bisher erreichten Niveau ge-
währleistet bleiben. Die afghanische Bevölkerung muss
dabei im Mittelpunkt der Zusammenarbeit stehen. Auch
die Koordination des zivilen Aufbaus muss dringend
verbessert werden. Es bedarf eines Gesamtkonzepts und
einer sinnvollen Schwerpunktlegung für die Wirtschafts-
entwicklung Afghanistans. Dabei müssen wir uns an die
Bedürfnisse der afghanischen Bevölkerung und die Ge-
gebenheiten vor Ort anpassen. Der für die afghanische
Wirtschaft zentrale landwirtschaftliche Sektor muss be-
sonders berücksichtigt werden. Auch die Modernisie-
rung des afghanischen Bildungssystems und der Ausbau
von Hoch- und Berufsschulen sollten künftig stärker im
Vordergrund stehen.
Der Erfolg der Entwicklungszusammenarbeit in Af-
ghanistan setzt ebenso wie der Aufbau des Sicherheits-
sektors funktionierende Regierungs- und Verwaltungs-
strukturen voraus. Es gibt jedoch im vorliegenden
Mandat keine Auskunft über den zur Verbesserung bzw.
Schaffung solcher Strukturen benötigten deutschen Bei-
trag. Statt diese Mängel zu beheben, wird sogar völlig
auf eine nähere Beschreibung des zivilen Engagements
Deutschlands in Afghanistan verzichtet.
Unser Votum richtet sich nicht gegen die in Afghanis-
tan eingesetzten Soldatinnen und Soldaten, sondern gegen
die falsche Afghanistan-Politik der Bundesregierung. Als
Mitglieder des Bundestages fühlen wir uns dazu ver-
pflichtet, ein Mandat, das auf Eskalation statt Stabilisie-
rung setzt und somit das Leben der Zivilbevölkerung und
deutschen Einsatzkräfte gefährdet, abzulehnen.
Anlage 7
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Angelika Graf (Rosenheim),
Uwe Beckmeyer, Lothar Binding (Heidelberg),
Martin Burkert, Elvira Drobinski-Weiß, Petra
Ernstberger, Dr. Barbara Hendricks, Gustav
Herzog, Christel Humme, Dr. Bärbel Kofler,
Dr. Matthias Miersch, Aydan Özoğuz, Swen
Schulz (Spandau) und Stefan Schwartze (alle
SPD) zur namentlichen Abstimmung über die
Beschlussempfehlung und den Bericht zu dem
Antrag: Fortsetzung der Beteiligung bewaffne-
ter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz der
Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe
in Afghanistan (International Security Assis-
tance Force, ISAF) unter Führung der NATO
auf Grundlage der Resolutionen 1386 (2001)
und folgender Resolutionen, zuletzt Resolution
2011 (2011) vom 12. Oktober 2011 des Sicher-
heitsrates der Vereinten Nationen (Tagesord-
nungspunkt 7)
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Ich stimme dem Antrag der Bundesregierung aus fol-
enden zwei Gründen zu:
In ihrem Antrag auf Fortsetzung der Beteiligung be-
affneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz in Af-
hanistan hat die Bundesregierung zahlreiche Forderun-
en der SPD übernommen. Das Mandat leitet den von
er SPD seit langem geforderten Abzug der deutschen
ruppen in Afghanistan ein. Die Reduzierung des Bun-
eswehrkontingents auf 4 900 und schließlich – als Ziel-
orgabe in der Begründung des Antrags – im Verlauf des
ahres 2012 auf 4 400 Soldatinnen und Soldaten ent-
pricht einer der Kernforderungen der SPD, unsere Trup-
enstärke kontinuierlich zu reduzieren mit dem Ziel der
ollständigen Verantwortungsübergabe in die Hände der
fghanischen Sicherheitskräfte bis 2014.
Einige NGOs, die sich seit vielen Jahren in Afghanis-
n engagieren und daher die Lage der Zivilgesellschaft
nd im Besonderen die der Frauen und Mädchen ken-
en, haben in einem Gespräch mit Abgeordneten vor ei-
iger Zeit einen stufenweisen, geordneten Abzug der
ruppen empfohlen. Sie befürchten bei einem sofortigen
ückzug – dieser Einschätzung schließe ich mich an –
ine Erhöhung der Gewalt, die besonders diejenigen Be-
ölkerungsgruppen trifft, die am anfälligsten sind:
rauen, Kinder und Minderheiten. Zudem sähen sie bei
inem sofortigen Abzug keine Möglichkeit, sich auf die
eränderte Lage einzurichten.
Ich habe allerdings folgende Bedenken:
Der Antrag beschreibt die zivil-militärische Zusam-
enarbeit als einen wichtigen Teil des Engagements der
eutschen Seite. Viele NGOs wollen – auch aus Sicher-
eitsgründen – nicht mit der Bundeswehr kooperieren.
urch das vom Entwicklungsministerium verfügte Ko-
perationsgebot für in Afghanistan tätige NGOs, die
urch deutsche Finanzmittel unterstützt werden wollen,
eht den Afghanen schon seit zwei Jahren wichtige Un-
rstützung verloren. Gleichzeitig wird auf die im „Fort-
chrittsbericht Afghanistan“ vom Dezember 2011 auf
eite 5 erwähnte Umstellung bei den PRTs, zum Beispiel
Faizabad ab Dezember 2011, auf eine zivile Leitung
nd die daraus erwachsenden Konsequenzen nicht ein-
egangen.
Zudem geht der Antrag im Begründungsteil nur sehr ge-
ngfügig auf die sich aus meiner Sicht seit 2007 deutlich
erschlechternde Sicherheits- und Menschenrechtslage ein.
s fehlen Hinweise auf die notwendigen Bedingungen ei-
es zivilen Wiederaufbaus und eines verstärkten zivilen
ngagements in den kommenden Jahren. Er beschreibt
lso keinen wirklichen und richtungsweisenden Wechsel
er Strategie in Afghanistan und legt auch kein Konzept
r das politische Handeln nach 2013/2014 vor. Der An-
ag lässt offen, wie die Strategie im nächsten Jahr ge-
taltet sein wird. Die bisherige militärische Strategie,
ine offensive Aufstandsbekämpfung sowie das Partne-
ng erachte ich nicht für die richtige Vorgehensweise für
ie verbleibenden zwei Jahre. Dies betrifft auch den in
achkreisen diskutierten eventuellen weiteren Verbleib
ach 2014 von Truppen und Truppenteilen der Bundes-
ehr in Afghanistan, die zum Beispiel im Bereich der
usbildung und Beratung der ANA eingesetzt werden
18676 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 155. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Januar 2012
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)(B)
sollen. Obwohl der Antrag den Abzug der Truppen bis
2014 festschreibt, stellt Verteidigungsminister de
Maizière in den letzten Tagen diesen Abzugstermin in-
frage.
Der Antrag fokussiert vor allem die aktuelle militäri-
sche Truppenreduzierung, wobei die Stärkung der Zivil-
gesellschaft, also der entwicklungspolitische und men-
schenrechtliche Aufbau, essenziell für die kommenden
Jahre sein wird. Besonders der Ausbau und die Festi-
gung der Frauenrechte und des Gesundheitsbereichs so-
wie die Rechtsstaatlichkeit bleiben völlig unerwähnt.
Neben der Sicherheit für unsere Soldatinnen und Solda-
ten muss die afghanische Bevölkerung im Mittelpunkt
des deutschen Engagements stehen.
Hinsichtlich der Unterstützung der afghanischen Si-
cherheitskräfte vermisse ich im Antrag, die Bindung der
afghanischen Polizei an das Recht im Rahmen der
Rechtsstaatlichkeit zu fokussieren. Auch fehlt mir ein
Hinweis auf die Wichtigkeit der Qualität der Ausbildung
der afghanischen Sicherheitskräfte.
Der Antrag lässt außerdem offen, ob am Ende des
Einsatzes eine wissenschaftliche Evaluierung der Fort-
schritte und Entwicklungen durchgeführt wird. Dies
wäre dringend erforderlich, um die begangenen Fehler in
der Zukunft zu vermeiden.
Der Antrag verliert kein Wort über die Situation der-
jenigen Afghaninnen und Afghanen, die mit der Bundes-
wehr oder anderen deutschen Einrichtungen – auch
NGOs – kooperiert haben. Im Falle einer steigenden Ge-
fährdung dieses Personenkreises muss eine Aufnahme in
Deutschland gewährleistet werden. Dies gilt auch für
Afghaninnen und Afghanen, die nach Afghanistan zu-
rückgegangen sind, um ihr Land aufzubauen, und die
wegen der langen Abwesenheit aus Deutschland ihren
Aufenthaltstitel verloren haben.
Anlage 8
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Martin Gerster, Hans-
Joachim Hacker, Uwe Beckmeyer, Lothar Binding
(Heidelberg), Willi Brase, Martin Burkert,
Siegmund Ehrmann, Gabriele Fograscher,
Dagmar Freitag, Ulrike Gottschalck, Gustav
Herzog, Steffen-Claudio Lemme, Heinz Paula,
Dr. Carsten Sieling und Andrea Wicklein (alle
SPD) zur Abstimmung über die Beschlussemp-
fehlung und den Bericht zu dem Antrag: Neue
Impulse für die Sportbootschifffahrt (Tagesord-
nungspunkt 15)
Der zur Abstimmung vorliegende Antrag enthält eine
Reihe von Vorschlägen zur Steigerung der Attraktivität
des Wassertourismus in Deutschland, die mitgetragen
werden können. Die Umsetzung dieser Maßnahmen
werden bereits durch zwei Anträge – „Attraktivität des
Wassertourismus und des Wassersports stärken“ vom
23. Mai 2007, Drucksache 16/5416; „Infrastruktur und
Marketing für den Wassertourismus in Deutschland ver-
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essern“ vom 15. Oktober 2008, Drucksache 16/10593 –
efordert, die der Deutsche Bundestag in der letzten Le-
islaturperiode angenommen hatte und die bislang von
er Bundesregierung nur unzureichend umgesetzt wor-
en sind. Der vorliegende Antrag „Neue Impulse für die
portbootschifffahrt" bekennt sich zu den Zielen Erhalt
er Sicherheit auf dem Wasser sowie erleichterter Zu-
ang für Interessierte auf dem Wasser. Dem Sicherheits-
rfordernis wird der Antrag jedoch tatsächlich in gravie-
nder Weise nicht gerecht.
Erstens. Mit der vorgesehenen Anhebung der Führer-
cheinpflicht von 3,68 kW (5 PS) auf 11,4 kW (15 PS)
erden entgegen den Hinweisen der meisten Sachver-
tändigen in der Anhörung am 18. Januar 2012 bewusst
isiken für die Schifffahrt auf deutschen Gewässern in
auf genommen. Die völlige Freigabe der Führerschein-
eiheit bis 11,4 kW (15 PS) selbst für stark befahrene
undeswasserstraßen wie dem Rhein und der Mosel und
hne begleitende Regelungen zur Haftpflichtversiche-
ng und zum Mindestalter der Bootsführer birgt Risi-
en, die in der Anhörung von den Sachverständigen vor-
etragen wurden. Im Übrigen setzt sich der Antrag
ffenkundig über die Interessen anderer Wassersportler
nd Wassertouristen hinweg, die muskelbetriebene Fahr-
euge nutzen. Fehlende Erfahrung von Motorsportboot-
hrern, die nach dem Antrag ein Sportboot bis 11,4 kW
5 PS) ohne Prüfung führen könnten, schließt im Weite-
n Risiken im Schleusenbetrieb nicht aus. Der Antrag
egiert völlig den offensichtlichen Konflikt mit Umwelt-
chutzbelangen, da eine Schulung für Sportbootführer
eim Betrieb eines Sportbootes bis 11,4 kW (15 PS)
icht mehr erfolgt und Beeinträchtigungen für Uferbe-
stigungen und Röhrrichtgebiete durch Wellenschlag
icht ausgeschlossen werden können.
Es ist unverantwortlich, ohne Bestehen einer bundes-
eiten Unfalldatei für den Bereich der Sportschifffahrt
nd einer entsprechenden gesicherten Analyse der Sport-
ootunfälle die Ausdehnung der Führerscheinfreiheit
orzunehmen.
Zweitens. Die bisherigen Regelungen zur Nutzung
on Charterbooten haben sich aus touristischer Sicht be-
ährt. Die Anhörung hat jedoch auch ergeben, dass bei
ontrollen durch die Wasserschutzpolizei immer wieder
ängel festgestellt werden. Insofern erwächst aus der
Antrag geforderten „Freigabe von zusätzlichen Fahrt-
trecken mit geringer Güterschifffahrt“ ein nicht kalku-
erbares Risiko. Dieses würde sowohl bei Binnenrevie-
n, jedoch mehr noch auf Ostseerevieren entstehen, da
ie Einweisungen für Bootscharterer die notwendigen
eoretischen und praktischen Kenntnisse hierfür nicht
ermitteln können.
Drittens. Auch wenn der Antrag die Überprüfung der
egelungen zur Führerscheinfreiheit bis 11,4 kW (15 PS)
nd zum Charterschein nach drei Jahren vorsieht, wür-
en damit die aufgezeigten Sicherheitsrisiken und Kon-
ikte mit anderen Wassersportlern und Wassertouristen
nd die Auswirkungen auf den Umweltbereich nicht
usgeschlossen. Diese Überprüfungsregelung wird dem
iel „Sicherheit auf dem Wasser“ nicht gerecht.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 155. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Januar 2012 18677
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)(B)
Viertens. Wegen der damit verbundenen Kosten für
Führerscheininhaber wird die Umstellung der Dokumen-
tation auf „Scheckkartenformat“ – Plastikkarte – abge-
lehnt.
Anlage 9
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung der Beschlussempfehlung und des
Berichts zu dem Vorschlag für eine Verordnung
des Europäischen Parlaments und des Rates
über Leitlinien der Union für den Aufbau des
transeuropäischen Verkehrsnetzes (Tagesord-
nungspunkt 11)
Arnold Vaatz (CDU/CSU): Die Europäische Kom-
mission hat am 19. Oktober 2011 zur Schaffung eines
einheitlichen europäischen Verkehrsnetzes, TEN-V, für
Straßen, Schienenwege, Wasserstraßen und Flughäfen
ihren Verordnungsvorschlag zu den TEN-Leitlinien vor-
gestellt. Der Vorschlag sieht ein zweilagiges europäi-
sches Verkehrsnetz vor. Es besteht aus einem Kernnetz
und einem Gesamtnetz, die beide auf den derzeitigen na-
tionalen Planungen basieren. Das Kernnetz soll nach den
Vorstellungen der Kommission bis 2030 fertiggestellt
werden, das Gesamtnetz bis zum Jahr 2050.
Ziel des Vorschlags ist es, die noch wichtigen fehlen-
den europäischen Verbindungen zwischen Verkehrskno-
ten und Zentren herzustellen. Das neue TEN-V-Kernnetz
soll durch das umfassende Gesamtnetz von Zubringern
auf regionaler und nationaler Ebene unterstützt werden.
Der von der Europäischen Kommission geschätzte In-
vestitions- und Finanzierungsbedarf für die Realisierung
des Kernnetzes beläuft sich auf 1 500 Milliarden Euro.
Bis zum Jahr 2020 werden 500 Milliarden Euro benötigt.
Zur Unterstützung der Mitgliedstaaten sollen von der
Kommission im Rahmen der parallel aufgestellten Ver-
ordnung Infrastrukturfazilität „Connecting Europe“,
CEF, von 2014 bis 2020 insgesamt 31,7 Milliarden Euro
für das transeuropäische Verkehrsnetz TEN-V bereitge-
stellt werden. Der maßgebliche Finanzierungsaufwand
verbleibt also bei den Mitgliedstaaten.
Zur Realisierung des Kernnetzes hat die Kommission
zehn länderübergreifende Entwicklungskorridore be-
nannt. Durch Deutschland führen davon sechs Korridore.
Mit den Kernnetzkorridoren möchte die EU-Kommission
über ein effizientes Instrument verfügen, um die definier-
ten Ziele durchzusetzen. Dazu hat sie Anforderungen
vorgegeben, die objektiv in die Planungs- und Finanzie-
rungshoheit der Mitgliedstaaten eingreifen.
Wir begrüßen das Konzept der Europäischen Kom-
mission eines Kernnetzes und eines Gesamtnetzes sowie
die Festlegung europäischer Verkehrskorridore. Wir
wollen ein lückenloses leistungsfähiges transeuropäi-
sches Verkehrsnetz zusammen mit den anderen Mit-
gliedstaaten verwirklichen.
Allerdings haben wir Bedenken gegen den Verord-
nungsentwurf im Hinblick auf die Wahrung der Subsidi-
arität und Verhältnismäßigkeit. Die Kommission beab-
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ichtigt über das Instrumentarium der Kernnetzkorridore
urchführungsmaßnahmen gegenüber staatlichen In-
tanzen der Mitgliedstaaten und auch gegenüber Dritten,
um Beispiel Infrastrukturunternehmen, zu ergreifen,
m ihre Ziele umzusetzen. Mit der Umsetzung der Vor-
chläge würde ein Präzedenzfall für zu weitreichende
urchgriffsrechte der Kommission geschaffen werden.
ies geht uns zu weit.
Andererseits sehen wir bei gleichzeitiger Reduzierung
er Kompetenzen der EU in dem Korridorkonzept der
ommission die Chance für die gezielte Verknüpfung und
ntwicklung von Wirtschaftszentren in der Europäischen
nion. Beispielhaft sei der in Nord-Süd-Ausrichtung be-
eutsame Entwicklungskorridor Hamburg–Rostock–Bur-
as/Türkische Grenze–Piräus–Lefkosia genannt. Damit
ird auch das in unserem Koalitionsvertrag formulierte
iel erreicht, eine integrierte Raum-, Wirtschafts- und
erkehrsentwicklung und insbesondere ein international
onkurrenzfähiges Verkehrsinfrastrukturangebot in ei-
em europäischen Nord-Süd-Korridor zu schaffen. In
erknüpfung mit weiteren Korridoren wird die Verbin-
ung zwischen der Nord- und Ostsee und dem Mittelmeer
owie dem Schwarzen Meer hergestellt. Die neuen Korri-
ore im TEN-V-Netz bieten gerade für strukturschwä-
here europäische Regionen neue Chancen für ihre wirt-
chaftliche Entwicklung.
Wir – damit schließe ich an dieser Stelle unseren Ko-
litionspartner FDP und die SPD-Fraktion mit ein – ha-
en auch grundsätzliche Bedenken gegen die Rechts-
rm der TEN-Leitlinien als Verordnung anstatt einer
ichtlinie. Interessant sind in diesem Zusammenhang
ie Parallelwelten der Grünen.
So führen sie in ihrem Entschließungsantrag noch
us, dass alle Möglichkeiten der Rechtsformwahl ge-
rüft werden sollen. In ihrer mündlichen Stellungnahme
namentlich Frau Dr. Valerie Wilms – im Ausschuss
ingegen haben sie die Verordnung als Rechtsform für
eeignet angesehen.
Sie kritisieren in ihrem Antrag die mangelnde Umset-
ung grenzüberschreitender Verkehrsprojekte in Deutsch-
nd, verzögern und bekämpfen aber gleichzeitig mit Ei-
r wichtige Verkehrsprojekte in Deutschland.
Zeigt dies vielleicht die dissoziative Identitätsstruktur
er grünen Verkehrspolitik – lebend zwischen Realität
nd Ideologie? Oder ist es mangelndes Rechtsverständ-
is? Sichtbar immer wieder in zahlreichen Formen der
noranz von bestehendem Baurecht für Verkehrspro-
kte in Deutschland.
Die Grünen erheben auch den Vorwurf, dass die ande-
n Fraktionen nur die nationale Sichtweise in den Vor-
ergrund stellen, die europäischen Belange aber ver-
achlässigen. Genau dies ist nicht der Fall. Im Gegensatz
u der eingeschränkten europäischen Sichtweise der
rünen haben wir den von der Kommission vorgelegten
erordnungsentwurf nach den geltenden europäischen
rundsätzen der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit
etrachtet – und vom Wissenschaftlichen Dienst des
eutschen Bundestages prüfen lassen. Der Wissen-
chaftliche Dienst – wie übrigens auch die Regierung –
18678 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 155. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Januar 2012
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kommt in seiner Gesamtbewertung zu dem gleichen
Schluss: Der Verordnungsvorschlag der Kommission
steht nicht im Einklang mit den Vorgaben des Subsidiari-
tätsprinzips und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes
nach Art. 5 Abs. 3 und 4 des EU-Vertrages.
Bei einer abgeschwächten Übertragung der mitglied-
staatlichen Kompetenzen auf die EU erscheint dem Wis-
senschaftlichen Dienst die Einhaltung der Anforderun-
gen des Subsidiaritätsprinzips und des Verhältnis-
mäßigkeitsgrundsatzes jedoch wahrscheinlich. Dies wol-
len wir mit unserer Stellungnahme gegenüber der Bun-
desregierung gemäß Art. 23 Abs. 4 GG verdeutlichen.
Gegenüber einer möglichen Subsidiaritätsrüge halten
wir den Verhandlungsweg für zielführender.
Wir möchten mit Beschluss des Bundestages dem
Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwick-
lung den Auftrag geben, bei den weiteren Verhandlun-
gen auf europäischer Ebene darauf hinzuwirken, dass die
Mängel des vorliegenden Verordnungsentwurfes besei-
tigt werden.
Ulrich Lange (CDU/CSU): Der Aufbau eines trans-
europäischen Verkehrsnetzes ist für Europa von großer
Bedeutung. Wir brauchen innerhalb von Europa mög-
lichst gute Verknüpfungen zentraler Verkehrsknoten-
punkte zu einem leistungsfähigen zusammenhängenden
Verkehrsnetz. Der schnelle und ungehinderte Transport
von Wirtschaftsgütern ist insbesondere für eine Export-
nation wie Deutschland von großer Bedeutung.
Wir begrüßen deshalb die Initiative, transeuropäische
Infrastrukturprojekte zu fördern und damit Verkehrsin-
frastrukturprojekte zu realisieren, die nicht nur dem je-
weiligen Nationalstaat, sondern auch anderen europäi-
schen Mitgliedstaaten nutzen und einen deutlichen
Mehrwert für die EU haben. Dies haben wir in unserem
Entschließungsantrag, den die Koalitionsfraktionen ge-
meinsam mit der SPD-Fraktion erstellt haben, deutlich
gemacht. An dieser Stelle wird deutlich, dass wir in der
europäischen Politik eine große Mehrheit im Bundestag
haben.
Es muss an dieser Stelle jedoch auch gefragt werden,
ob der von der EU eingeschlagene Weg der richtige ist
oder ob es andere, praktikablere Lösungen gibt.
Aus meiner Sicht verstößt die Verordnung des Euro-
päischen Parlaments und des Rates über die Leitlinien
gegen die Grundsätze der Subsidiarität und die Verhält-
nismäßigkeit gemäß Art. 5 des Vertrages über die Euro-
päische Union in Verbindung mit Art. 5 des Protokolls
Nr. 2 zum Vertrag von Lissabon.
Erstens Subsidiarität: Auch wenn europäische The-
menbereiche tangiert werden, fällt die Infrastrukturpla-
nung, einschließlich Bau und Finanzierung, grundsätz-
lich in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, die auch
bisher erfolgreich Planung, Finanzierung und Durchfüh-
rung der einzelnen Projekte in eigener Regie durchge-
führt haben. In der Verordnung wird unterstellt, dass ein
den Zielen der EU entsprechendes transeuropäisches
Verkehrsnetz ausschließlich durch Koordination auf EU-
Ebene erreichbar sei. Es wird dabei verkannt, dass ein
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anseuropäisches Verkehrsnetz kein Selbstzweck ist,
ondern dem Verkehrsbedarf in den jeweiligen Mitglied-
taaten entsprechen muss und dass Investitionen den ge-
amtwirtschaftlichen Anforderungen genügen müssen.
Der Verkehrsbedarf ergibt sich dabei sowohl aus dem
ationalen wie auch aus dem intereuropäischen und in-
rnationalen Verkehr. Dieser Verkehr muss auf den na-
onalen Teilnetzen bewältigt werden. Folglich ist das
igeninteresse der Mitgliedstaaten an bedarfsgerechten
frastrukturen groß. Deshalb ist auch in Art. 171 Abs. 2
EUV – Vertrag über die Arbeitsweise der Europäi-
chen Union – vorgesehen, dass die Mitgliedstaaten die
inzelstaatlichen Politiken in diesem Bereich koordinie-
n. Diese Bestimmung geht davon aus, dass die Planung
nd Durchführung der innerstaatlich erforderlichen
aßnahmen in Eigenverantwortung der Mitgliedstaaten
u erfolgen hat. Insbesondere können aufgrund ihrer Fi-
anzierungsverantwortung, die neben der Herstellung
uch die Erhaltung der Infrastrukturen umfasst, nur die
itgliedstaaten selbst entscheiden, welche Infrastruktur-
rojekte in welchem zeitlichen Rahmen vordringlich
mgesetzt werden.
Die Übertragung der Planungsentscheidung auf die
ommission und die Reduzierung der Aufgaben der
itgliedstaaten auf Finanzierung und Ausführung käme
iner Kompetenzverlagerung gleich.
Zweitens Verhältnismäßigkeit: Die im Verordnungs-
ntwurf vorgeschlagenen Regelungen sind zur Realisie-
ng eines transeuropäischen Verkehrsnetzes weder ge-
ignet noch erforderlich oder angemessen. Regelungs-
mfang und -dichte lassen bewährte nationale Strukturen
nd Verfahren außer Acht. Darüber hinaus entstehen den
itgliedstaaten finanzielle Belastungen durch Ausrüs-
ngs- und Umsetzungsverpflichtungen sowie zusätzli-
her Verwaltungsaufwand durch unnötige Berichte an
on der Kommission eingesetzte Koordinatoren.
Die Mitgliedstaaten sollen verpflichtet werden, ihre
erkehrsinfrastruktur nach festgelegten technischen Para-
etern innerhalb vorgegebener Fristen auszubauen, aus-
nd aufzurüsten. Vor allem die willkürlich gewählten
ealisierungszeiträume – Kernnetz bis 2030, Gesamtnetz
is 2050 – und die den Mitgliedstaaten überlassene Fi-
anzierung stellen unverhältnismäßige Belastungen dar.
Der geschätzte Investitions- und somit auch Finanzie-
ngsbedarf für die vorgeschriebene Realisierung des
ernnetzes bis 2030 wird von der KOM mit 1 500 Mil-
arden Euro angegeben; bis 2020 sollen circa 500 Mil-
arden Euro benötigt werden. Das ist in der gegenwärti-
en Finanzkrise von den Mitgliedstaaten nicht zu leisten.
ies bedeutet, dass es Änderungen geben muss.
Grundvoraussetzungen für zu beschließende Richtli-
ien sind die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips und
er Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowie die Ein-
chtung eines Planungs- und Haushaltsvorbehalts der
itgliedstaaten.
Wir unterstützen die Einteilung in Gesamt- und Kern-
etz und die Festlegung der europäischen Verkehrskorri-
ore, von denen sechs von zehn Deutschland betreffen,
m die europäischen Wirtschaftsräume besser miteinan-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 155. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Januar 2012 18679
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der zu verknüpfen und damit unsere Wettbewerbsfähig-
keiten zu steigern. Die Befugnisse der Europäischen
Kommission, zum Beispiel rechtsverbindliche Durch-
führungsbeschlüsse fassen zu können, greifen aber zu
tief in Kernkompetenzen der Mietgliedstaaten ein.
So wichtig und richtig die Grundidee ist, so ist die ge-
plante Ausführung noch verbesserungswürdig.
Martin Burkert (SPD): Alle Wege führen nach Rom.
Und nach Amsterdam. Und nach Genua. Und nach Ber-
lin. Und nach Nürnberg. Und und und. Dass alle Europä-
erinnen und Europäer spätestens im Jahr 2050 nur 30 Mi-
nuten von einem Zubringernetz nach Rom, Amsterdam
oder sonstwo in Europa entfernt sein sollen, das ist das
europäische Ziel. Denn mit den Vorschlägen zu den trans-
europäischen Verkehrsnetzen soll aus dem Flickentep-
pich aus Schienenwegen, Straßen, Schifffahrtskanälen
und Flughäfen ein einheitliches europäisches Verkehrs-
netz geschaffen werden. Zehn sogenannte Korridore sol-
len bis 2030 quer durch Europa entstehen. Sie werden
15 000 Kilometer Eisenbahnstrecken zusammenführen,
die für den Hochgeschwindigkeitsverkehr ausgelegt sind.
Heute mangelt es aber beim grenzüberschreitenden
Verkehr noch erheblich an Verbindungen und es beste-
hen enorme technische Barrieren wie fehlende Elektrifi-
zierungen, verschiedene Spurweiten und Stromsysteme
oder Signaltechniken. Die europäischen Eisenbahnen ar-
beiten beispielsweise mit sieben unterschiedlichen Spur-
weiten sowie 18 unterschiedlichen Leit- und Sicherungs-
systemen. Nur 20 der europäischen Großflughäfen und
35 der wichtigsten Häfen sind direkt an das europäische
Schienennetz angeschlossen.
Deshalb ist es sehr zu begrüßen, dass auch effiziente
Verkehrsvernetzungssysteme wie das sogenannte ERTMS
finanziert werden sollen. Beim ERTMS handelt es sich
um ein System zur Steuerung des Eisenbahnverkehrs auf
den Strecken der transeuropäischen Netze. Das wird den
Reisenden und den Unternehmen in ganz Europa zugute-
kommen. Denn weder der Individual- noch der Handels-
verkehr endet an den nationalen Grenzen. Und da
kommt in den nächsten Jahrzehnten auch noch einiges
auf uns zu: Der Güterverkehr soll in Europa bis zum Jahr
2050 um schätzungsweise 80 Prozent zunehmen, der
Personenverkehr um mehr als 50 Prozent.
Aus meiner Sicht spielen – vor allem natürlich in
Richtung Osteuropa – besonders die Korridore Nürn-
berg–Prag sowie München–Prag beim grenzüberschrei-
tenden Verkehr eine große Rolle. Bundesverkehrsminis-
ter Ramsauer ist herzlich dazu aufgerufen, dieses Projekt
voranzubringen. Abgesehen davon, dass es, wie ich
finde, nicht die feine englische Art war, dass die bayeri-
sche Landesgruppe in der SPD-Bundestagsfraktion lei-
der nicht vom Minister, sondern nur zufällig bei einem
Besuch vergangenen September in Tschechien erfahren
hat, dass die Strecke Prag–München in Brüssel angemel-
det wurde.
Für einen Alleingang ist das transeuropäische Netz zu
bedeutend. So etwas darf nicht am Parlament vorbei pas-
sieren. Denn bei den Leitlinien zu den transeuropäischen
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erkehrsnetzen geht es nicht nur um Verkehr, sondern
uch um Geld, um sehr viel Geld. Es geht um enorme In-
estitionen in die Infrastruktur, die Arbeitsplätze schaf-
n und die europäische Konjunktur anschieben können.
ass die TEN-Mittel aus Brüssel aufgestockt wurden, ist
eshalb zu begrüßen. Bis 2020 werden für die Verkehrs-
frastruktur 31,7 Milliarden Euro bereitgestellt. Rund
0 Milliarden Euro gehen davon in die Schiene.
Der normale Kofinanzierungsanteil für die TEN-Vor-
aben im Kernnetz betragen – nur – bis zu 20 Prozent
r Arbeiten wie zum Beispiel Erkundungsmaßnahmen
ei Tunnelarbeiten. Das nennt sich dann Anschubfinan-
ierung. Nach Adam Riese verbleiben für die Mitglied-
taaten aber in einem solchen Fall mindestens 80 Pro-
ent, die sie selbst finanzieren müssen. Im schlimmsten
all müssen die betroffenen Mitgliedstaaten bis zu
0 Prozent des Projektes kofinanzieren. Aus der soge-
annten Anschubfinanzierung der EU wird dann ganz
chnell eine riesige Schuldenfalle. Welches Land soll
nd kann das heute überhaupt leisten?
Die europäischen Mitgliedstaaten werden letztlich
lso zu Investitionen in den Auf- und Ausbau der trans-
uropäischen Netze von rund 300 Milliarden Euro ver-
flichtet. Par Ordre de Mufti. Und das bis zum Jahr
030. Aber: In Zeiten wie diesen ist der Haushalt mit das
ichtigste Interesse der einzelnen Mitgliedstaaten. Fi-
anzvernunft und Sparsamkeit sind oberstes Gebot. Denn
s geht um zentrale nationale Fragen, nicht nur für die
inzelnen Mitgliedstaaten, sondern vor allem auch für
ie europäische Gemeinschaft.
Und so schön es für Deutschland ist, dass sechs von
ehn transeuropäischen Verkehrskorridoren durch unser
and führen, zu so viel Investitionsverpflichtungen führt
as auch. Deshalb müssen wir dringend auf die Einrich-
ng eines Planungs- und Haushaltsvorbehalts hinwir-
en, damit die finanzielle Belastung der Mitgliedstaaten
agbar ist.
Letztlich stehen noch drei wichtige juristische Fragen
Raum, die zu überprüfen sind:
Erstens. Inwieweit wird mit dem Verordnungsentwurf
as Subsidiaritätsprinzip verletzt?
Zweitens. Ist der Verordnungsvorschlag der Europäi-
chen Kommission verhältnismäßig?
Drittens. Wie ist der Erlass der Leitlinien zu den
anseuropäischen Verkehrsnetzen in der Form als Ver-
rdnung rechtlich zu beurteilen?
Meine Einschätzung ist, dass der Verordnungsvor-
chlag in wesentlichen Aspekten über das Ziel hinaus-
chießt. Er sieht Regelungen vor, die grundsätzlich in die
uständigkeit der Mitgliedstaaten fallen. Dazu zählt die
uständigkeit für die Planung, den Bau und vor allem
r die Finanzierung von Verkehrsinfrastrukturmaßnah-
en. Der Verordnungsvorschlag nimmt aber enorm auf
ie Verkehrshaushalte der Mitgliedstaaten Einfluss, und
war in einem Maße, den sich die Mitgliedstaaten
chlichtweg nicht leisten können.
Juristisch problematisch ist auch, dass die Kommis-
ion als Handlungsform für die transeuropäischen Ver-
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kehrsnetze eine Verordnung gewählt hat, die unmittelbar
und allgemein gilt. Im Übrigen nicht nur für die Mit-
gliedstaaten, sondern auch für Dritte wie zum Beispiel
Terminal- oder andere Infrastrukturbetreiber. Deshalb
müssen noch einmal alle Möglichkeiten der Rechtsform-
wahl gründlich überprüft werden.
Ich hoffe, dass Herr Ramsauer den starken Auftrag,
den er aus dem Bundestag mitnimmt, ernst nimmt. Und
ich hoffe, dass eine Lösung gefunden wird. Eine Lösung,
die einvernehmlich ausgestaltet wird und nicht mittels
eines Sanktionsdrucks aus Brüssel.
Ich hoffe, dass es dann spätestens 2050 heißen kann:
Alle Wege führen nach Rom. Und nach Amsterdam.
Und nach Genua. Und nach Berlin. Und nach Nürnberg.
Und und und.
Werner Simmling (FDP): Wir widmen uns heute
Abend doch einem der wichtigsten Bereiche des verein-
ten Europas, nämlich der freien und auch grenzüber-
schreitenden Mobilität. Ich halte es für besonders wich-
tig, dass sich der Deutsche Bundestag ausführlich mit
diesem Thema befasst. Denn Deutschland als Land im
Herzen Europas und Transitland ist von Entscheidungen
in der Verkehrspolitik besonders betroffen.
Nachdem wir kürzlich das Weißbuch Verkehr verhan-
delt haben, liegt uns nun die Verordnung zu den trans-
europäischen Netzen vor. Die FDP begrüßt die vorlie-
gende Revision der Leitlinien transeuropäischer
Verkehrsnetze. Ausschlaggebend für unsere grundsätz-
lich positive Haltung ist, dass der Verordnungsvorschlag
ein erster wichtiger Schritt in Richtung Priorisierung ist.
Die Einteilung in ein Kern- und ein Ergänzungsnetz auf
Basis transparenter Kriterien sowie die Förderung von
Komodalität, Schnittstellen und intelligenten Verkehrs-
systemen sind ein richtiger Ansatz für das europäische
Verkehrsnetz.
Der Ausbau transeuropäischer Verkehrsnetze, im Be-
sonderen das Kernnetz, bietet Investitionsanreize, um In-
frastrukturprojekte realisieren zu können. Vor dem Hin-
tergrund der jahrelangen allgemeinen Unterfinanzierung
in der Verkehrsinfrastruktur, bekennen wir uns daher
klar zu den transeuropäischen Netzen. Allerdings, und
das ist Anlass für den Entschließungsantrag der Regie-
rungsfraktionen gemeinsam mit der SPD gewesen, sehen
wir in Teilen die Grundsätze der Subsidiarität und der
Verhältnismäßigkeit berührt.
Die Europäische Union soll und darf dann tätig wer-
den, wenn gewünschte Maßnahmen auf Ebene der Mit-
gliedstaaten, regionaler und lokaler Ebene nicht umge-
setzt werden können. Das besagt das Subsidiaritäts-
prinzip. Dessen Einhaltung und Wahrung ist für uns kein
Selbstzweck, sondern garantiert die besten Lösungen für
die Verkehrsprobleme auf der richtigen Ebene. Wir sa-
gen: Brüssel soll grenzüberschreitenden Verkehr regeln
und sich aber aus dem regionalen und lokalen Verkehr
raushalten.
Bedenklich im Sinne der Subsidiarität sind insbeson-
dere diejenigen Vorschläge, die sich auf Planung, Durch-
führung und Finanzierung beziehen. Der Infrastruktur-
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ufbau sollte nach unserem Dafürhalten zwar auf
uropäischer Ebene abgestimmt werden, dennoch weiter
orrangig Aufgabe und Kompetenz der Mitgliedstaaten
ein. Schon im Weißbuchantrag haben wir klargestellt,
ass die nationale Planungshoheit erhalten bleiben soll.
a die Finanzierung weiter in der Verantwortung der
itgliedstaaten liegt, muss diesen vorbehalten sein, zu
ntscheiden, welche Projekte prioritär in welchem Zeit-
hmen durchgeführt werden.
Was wir nicht wollen, ist, durch zu pauschale und un-
ifferenzierte Kritik mit einem platten Verweis auf Sub-
idiarität sinnvolle europäische Lösungen zu behindern
zw. unmöglich machen. Die FDP begrüßt, wie bereits
esagt, die sinnvolle Priorisierung und zweilagige Pla-
ung in ein Kern- und ein Gesamtnetz. Ebenfalls stehen
ir der Fazilität „Connecting Europe“ und den projekt-
ezogenen Anleihen positiv gegenüber. Eine Umschich-
ng der Mittel auf europäischer Ebene und zusätzliche
inanzinstrumente können grundsätzlich positive An-
ize auslösen. Trotzdem können wir einem massiven
ingriff in die nationalen Haushalte nicht zustimmen,
nd das nicht nur, weil wir aufgrund mangelnden Haus-
altsvorbehaltes eine solide Finanzierung bislang nicht
ewährleistet sehen, sondern auch, weil wir die parla-
entarischen Haushaltsrechte gefährdet sehen. Immer-
in sprechen wir hier von einer Summe von 1,5 Billio-
en Euro.
Wir wünschen daher eine deutliche Darstellung, wa-
m eine Kompetenzverlagerung auf europäischer Ebene
innvoll sein soll. Hinsichtlich der Planungsbefugnis und
oordinierung auf europäischer Ebene sehen wir das
icht erfüllt. Insbesondere die Vorschläge zu den Kern-
etzkorridoren greifen maßgeblich in die Kompetenzen
er Mitgliedstaaten ein. Die Vorgaben gehen in ihrem
etaillierungsgrad bei den Durchführungsplänen viel zu
eit, führen zu einer unverhältnismäßigen Einfluss-
ahme auf die nationalen Verkehrshaushalte und würden
iese überfordern.
Erstens. Wir fordern also eine ausführliche Prüfung
er Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit.
Zweitens. Wir wünschen eine begründete Stellung-
ahme.
Drittens. Wir fordern die Prüfung einer anderen
echtsform. Statt einer Verordnung sind eine Richtlinie
der Leitlinie unseres Erachtens besser geeignet.
Herbert Behrens (DIE LINKE): Wir alle sind froh
arüber, dass in Europa die Grenzen gefallen sind. Im
erkehr sieht es aber anders aus. Es gibt zwar keine
renzkontrollen mehr, aber häufig trennen uns zum Bei-
piel unterschiedliche nationale Vorschriften, Gebühren-
ysteme und Signalregelungen. Wir brauchen dringend
ine gemeinsam abgestimmte Verkehrspolitik der EU
nd ein einheitliches europäisches Verkehrsnetz.
Der Vorschlag eines transeuropäischen Verkehrsnet-
es vonseiten der EU-Kommission liegt auf dem Tisch.
s hätte ein Vorschlag werden können, der über die na-
onalen Grenzen der Verkehrspolitik hinausgeht, der
limaschutz und Mobilität gleichberechtigt bewertet,
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Nadelöhre zielgenau beseitigt und Verkehrsströme sinn-
voll lenkt. Aber gerade das steht in der Vorlage nicht
drin. Sie wurde am grünen Tisch der Planer erarbeitet.
Es wurde nicht beachtet, dass Europa mehr ist als ein
Wirtschaftsstandort, der attraktiv und effizient gestaltet
sein soll. Ein Verkehrsnetz soll aus unserer Sicht nicht
nur Waren von A nach B transportieren, sondern sich
nach den Bedürfnissen der Menschen richten.
Die Menschen wollen sinnvolle Verkehrsverbindun-
gen und sie wollen weniger Verkehrsbelastung; sie wol-
len keine ratternden Güterzüge mit Lärm und Dreck vor
ihrer Nase haben, und sie wollen beteiligt werden, wenn
es um die Planung von Verkehrsprojekten vor ihrer
Haustür geht.
Wir lesen im Vorschlag der Kommission, dass künftig
zentrale Verkehrskorridore gefördert werden sollen. Das
wäre ja grundsätzlich sinnvoll, wenn keine Milliarden-
zuschüsse mehr für isolierte Großprojekte fließen wür-
den, die möglicherweise gar kein Verkehrsnetz ergeben.
Stattdessen sollten die Zuschüsse zielgenau zur Beseiti-
gung von Nadelöhren verwendet werden, und es sollte
vergleichbare Zuschüsse für vergleichbare Strecken ge-
ben. Das ist leider nicht der Fall. Dafür hat die Kommis-
sion einen Preis von 1 500 Milliarden Euro ausgerech-
net. Soviel würde es kosten, wenn das europäische
Kernnetz bis zum Jahr 2030 verwirklicht werden sollte.
1 500 Milliarden Euro – das ist eine 15 mit 11 Nullen!
Das ist zehnmal so viel wie der jährliche Gesamthaushalt
der EU. Zum Vergleich: Damit könnte man etwa 6 Mil-
lionen Einfamilienhäuser bauen. Und weil das aus Steu-
ermitteln nicht aufgebracht werden könnte, wird das Tor
weit aufgestoßen für private Investoren. An sie sollen
Projektanleihen ausgegeben werden, und mit ihnen sol-
len öffentlich-private Partnerschaften geschlossen wer-
den. Es winken natürlich hohe Renditen für die Investo-
ren, und die Bürgerinnen und Bürger werden dafür
kräftig zur Kasse gebeten werden. So würden dann wohl
viele neue Mautsysteme auf uns zukommen. Dass will
die Linke nicht.
Wenn die Interessen der Großen im Mittelpunkt ste-
hen, geht es regelmäßig daneben. Denken wir nur an
Stuttgart 21 oder die Beltquerung nach Dänemark. Bei-
des wahnsinnig teure EU-Projekte, beides gegen den Wi-
derstand der Bürgerinnen und Bürger. All dem setzt der
neue Vorschlag die Krone auf. Er beseitigt selbst die Be-
teiligungsrechte der Staaten. Mit dieser Neuregelung
könnte die EU direkt durchregieren und Beschlüsse fas-
sen, die unmittelbar Einfluss auf die Investitionsplanung
und Durchführung von Verkehrsprojekten in den betrof-
fenen Mitgliedstaaten nehmen könnten. Das machen wir
nicht mit. Das Centrum für Europäische Politik kommt
zu einem ernüchternden Ergebnis: „Der Erlass der TEN-
Leitlinien als Verordnung ist rechtswidrig.“ Deutlicher
kann eine Klatsche doch wohl nicht ausfallen, oder?
Die Linke fordert darum, dass ein Vorschlag vorge-
legt wird, der erstens finanzierbar ist und zweitens auch
unserem Rechtssystem entspricht. Deshalb unterstützen
wir auch den Antrag von CDU/CSU, SPD und FDP.
Beim Antrag von Bündnis 90/Die Grünen können wir
uns nur enthalten. Die Grünen unterstreichen die aus ih-
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r Sicht guten Ansätze für ein europäisches Verkehrs-
etz, beklagen aber gleichzeitig, dass der Ausbau eines
emeinsamen europäischen Verkehrsnetzes „stetig den
ationalen Interessen der Mitgliedstaaten untergeordnet“
orden ist, und verteidigen damit den EU-Eingriff. Die
inke lehnt es klar ab, per Verordnung Mitgliedstaaten
er Europäischen Union zu disziplinieren und auf den
ermeintlich rechten Weg zu bringen. Deshalb werden
ir dem Antrag nicht zustimmen.
Das Vertrauen der Menschen in die europäische Idee
äre vollends dahin, wenn der Vorschlag der EU für
ine Verordnung umgesetzt würde. Die Linke will mehr
eteiligung der Bürgerinnen und Bürger und nicht weni-
er.
Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
er Aufbau eines transeuropäischen Verkehrsnetzes,
EN-V, ist für den freien Personen- und Güterverkehr
europäischen Binnenmarkt, die Wettbewerbsfähigkeit
nd die nachhaltige und klimafreundliche Verkehrsent-
icklung in der EU von enormer Bedeutung. Deshalb
at die Kommission bereits 1996 Leitlinien für einen
anseuropäischen Verkehrsraum verabschiedet. Diese
eitlinien wurden immer wieder überarbeitet, erweitert
nd durch verschiedene Finanzinstrumente ergänzt.
Dennoch fällt die Bilanz nach 15 Jahren schlecht aus.
ie Koordinierungsbereitschaft und der Umsetzungs-
ille der Mitgliedstaaten haben bisher nicht ausgereicht,
in transeuropäisches Netz zu etablieren. Der Ausbau ei-
es gemeinsamen europäischen Verkehrsnetzes wurde
on den nationalen Interessen der Mitgliedstaaten stetig
ntergraben. So führen fehlende grenzüberschreitende
erbindungen noch immer zu erheblichen Engpässen
eim Güter- und Personenverkehr auf wichtigen euro-
äischen Verkehrsachsen. Auch hinsichtlich der Ver-
ehrsträger ist das Infrastrukturnetz weiterhin fragmen-
ert.
Verschärft werden die Hindernisse und Engpässe im
erkehrssystem durch unterschiedliche Betriebsvor-
chriften, Normen und Sicherheitssysteme. Erst letztes
ahr hat die Bundesregierung die europäische Zusam-
enarbeit bei der Stärkung der umweltfreundlichen
chiene aufgekündigt, indem sie bekannte, die Einfüh-
ng von ETCS im Korridor A bis Ende 2015 nicht ter-
ingerecht einzuhalten. Auch die DB AG bestätigte,
ein eigenwirtschaftliches Interesse an der Installation
on ERTMS zu haben.
Was ist daraus zu lernen? Die bisher in Eigenregie der
itgliedstaaten erfolgte Planung und Durchführung
renzüberschreitender Verkehrsprojekte ist nicht geeig-
et, ein transeuropäisches Verkehrsnetz zu etablieren.
er freiwillige Ansatz reicht nicht aus, den notwendigen
ruck beim Ausbau einer transeuropäischen Infrastruk-
r zu erzeugen. Das wäre so, als ob man von den Län-
ern und Kommunen verlangen würde, ein nationales
erkehrsnetz zu errichten. Alle wissen, was dabei he-
uskäme.
Deshalb fordert die Bundestagsfraktion Bündnis 90/
ie Grünen, den Ausbau der TEN-V konsequent voran-
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zutreiben. Wir unterstützen den Vorschlag einer Verord-
nung des Europäischen Parlaments und des Rates für den
Auf- und Ausbau eines transeuropäischen Verkehrsnet-
zes, TEN-V, mit dem die ressourceneffiziente Mobilität
von Personen und Gütern unter möglichst sozialverträg-
lichen, umweltfreundlichen sowie sicherheitsorientierten
Bedingungen gesichert werden kann.
Vor allem begrüßen wir, dass nach dem Vorschlag der
Kommission nachhaltige Verkehrsträger das Rückgrat
der TEN-V bilden sollen. Das Ziel der Verlagerung des
Verkehrs von der Straße auf die Schiene und, wo sinn-
voll, auf das Binnenschiff ist zu unterstützen. 90 Prozent
der vorgeschlagenen Projekte betreffen den Schienen-
verkehr. Das ist der richtige Schritt zu einem nachhalti-
geren transeuropäischen Verkehrsnetz. Denn selbst
Zweiflern dürfte inzwischen klar sein, dass ein weiteres
Anheizen des Verkehrswachstums durch neue Straßen
und Autobahnen nicht mehr akzeptiert werden kann.
Die Schuldenbremse zwingt heute alle Länder, eine
sehr gewissenhafte Kosten-Nutzen-Rechnung anzustel-
len, wenn es um die Finanzierung neuer Infrastrukturen
geht. Deshalb fordern wir, dass der verkehrliche Nutzen
im Mittelpunkt der Projektauswahl stehen muss. Klei-
nere, schnell umsetzbare Maßnahmen mit hohem Nutzen
für die Integration der europäischen Verkehrsnetze müs-
sen Vorrang vor Großprojekten mit hohem finanziellen
Aufwand und sehr langen Realisierungszeiträumen ha-
ben. Zudem muss ein Gleichgewicht zwischen finanziel-
ler Realisierbarkeit und ausreichender Verbindlichkeit
gefunden werden. In dem von der Europäischen Kom-
mission vorgeschlagenen Prinzip der Umschichtung von
EU-Mitteln bei ausbleibendem Projektfortschritt – „use
it or lose it“-Prinzip – sehen wir hierzu ein geeignetes
Mittel.
Anlage 10
Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung
Antrag: Gleichwertigkeit von Berufsbildung
und Abitur gewährleisten
Beschlussempfehlung und Bericht zu den An-
trägen:
– Gleichwertigkeit von Berufsbildung und
Abitur sichern
– Deutschen Qualifikationsrahmen zum Er-
folg führen – Gleichwertigkeit von Abitur
und Berufsabschlüssen sicherstellen
(Tagesordnungspunkt 13)
Dr. Thomas Feist (CDU/CSU): Laut Angaben des
Statistischen Bundesamtes haben 2010 50,2 Prozent der
deutschen Bevölkerung als höchsten Bildungsabschluss
eine Lehre absolviert bzw. eine Berufsausbildung im du-
alen System abgeschlossen. Dies entspricht circa
35,5 Millionen Deutschen. Ich bin mir sicher, dass viele
dieser Menschen in einer selbstkritischen Reflektion zu
dem Schluss kommen würden, dass ihre Berufsausbil-
dung dem Abitur gleichwertig ist. Auch deshalb warten
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icherlich viele gespannt auf eine abschließende Einord-
ung der Berufs- und Bildungsabschlüsse im Deutschen
ualifikationsrahmen.
Ich kann Ihnen zudem aus persönlicher Erfahrung
ersichern, dass eine berufliche Ausbildung durchaus
em Abitur gleichwertig ist. Ich habe schließlich ein eh-
nwertes Handwerk erlernt, danach jahrelang als Hei-
ungsinstallateur gearbeitet und auch ohne Abitur stu-
iert, promoviert und stehe heute hier. Ich kann also aus
efster Überzeugung das bestätigen, was mein Kollege
we Schummer in seiner hochspannenden und gewinn-
ringenden Rede zum Jahreswirtschaftsbericht 2012 ge-
agt hat: Das Flaggschiff unserer Bildungslandschaft ist
ie duale Berufsausbildung.
Gutausgebildete Lehrlinge sind für die deutsche Wirt-
chaft genauso wichtig wie Akademiker; sie sind not-
endige Standortvoraussetzung für erfolgreich agie-
nde Unternehmen, seien es nun kleine, mittlere oder
roße. Ohne ihre Fachkräfte wäre die deutsche Wirt-
chaft nicht so innovativ und erfolgreich, wie sie heute
t. Dies müssen wir auch zukünftig sicherstellen. Ge-
de vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels müs-
en wir dabei auch die Attraktivität der dualen Berufs-
usbildung weiter steigern.
Mittelständische Unternehmen tragen – so besagt es
er Innovationsreport des Büros für Technikfolgenab-
chätzung beim Deutschen Bundestag aus dem Jahre
010 mit dem Titel „Zukunftspotenziale und Strategien
ichtforschungsintensiver Industrien in Deutschland“ –
rheblich zur deutschen Wertschöpfung bei. Für Mittel-
tändler ohne eigene Forschungsabteilung sind gutaus-
ebildete Lehrlinge dabei der wichtigste innovationsre-
vante Faktor.
Deshalb bin ich froh, dass wir heute hier in diesem
ohen Hause darüber einig sind, dass wir eine Gleich-
tellung von Abitur und dualer Ausbildung im Deutschen
ualifikationsrahmen auf dem Weg zu einem Europäi-
chen Qualifikationsrahmen wollen und brauchen. Auf
iese Weise schaffen wir ein Instrument, das die Gleich-
ertigkeit zwischen allgemeiner, hochschulischer und
eruflicher Bildung abbildet.
Dabei haben alle Akteure – Bund und Länder, Sozial-
artner, Wirtschaftsorganisationen, die Wirtschaftsmi-
isterkonferenz – in vertrauensvoller und konstruktiver
usammenarbeit einen Vorschlag vorgelegt, der sinnvoll
nd realistisch erscheint, nämlich die Zuordnung des
biturs auf Niveau 4 und der beruflichen Erstausbildun-
en auf den Niveaus 3 und 4.
Es ist für mich unverständlich, warum die Kultus-
inisterkonferenz, KMK, sich auf ihrer 335. Sitzung im
ergangenen Oktober im Gegensatz dazu für die Einord-
ung des Abiturs auf Stufe 5 und der beruflichen Erst-
usbildungen auf den Niveaus 3 bis 5 ausgesprochen hat.
ies ist ein Nicht-zur-Kenntnis-Nehmen der Realität in
eutschland. Ein x-beliebiger Unternehmer würde – vor
ie Wahl gestellt, ob er eher einen frischgebackenen
biturienten oder einen ausgebildeten Facharbeiter ein-
tellen würde – keinen Moment zögern, dem Facharbei-
r den Vorzug zu geben. Das Abitur im Sinne der KMK
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derart überzubewerten, ist aus meiner Sicht eine Fehlein-
schätzung der gesellschaftlichen Wirklichkeit. Es gilt
aber, diese beim DQR zur Kenntnis zu nehmen und auf
die realistischen Einschätzungen der Sozialpartner und
Wirtschaftsverbände zu hören. Sie sind es letztlich auch,
die den DQR umsetzen und anwenden müssen.
Die Einordnung der KMK wird unserem Ziel der an-
zuerkennenden Gleichwertigkeit von Abitur und berufli-
cher Erstausbildung nicht nur nicht gerecht; sie ist auch
deshalb befremdlich, weil wir Bildungspolitiker immer
noch darauf warten, dass die KMK ihre eigentlichen
Hausaufgaben erledigt. Wenn sie schon für eine Höher-
bewertung des Abiturs gegenüber den dualen Berufsab-
schlüssen plädiert, sollte sie auch dafür sorgen, dass end-
lich einheitliche Bildungsstandards für die gymnasiale
Oberstufe zur Pflicht werden, die ihrerseits die Voraus-
setzung für eine echte Vergleichbarkeit der Schulab-
schlüsse in den 16 Bundesländern schaffen.
Ich hoffe, dass die Kompromissbereitschaft aller Be-
teiligten letzten Endes doch noch zu einer tragfähigen
Lösung führen wird. Vielleicht kann mein Kollege
Marcus Weinberg seinem Landsmann und neuen Präsi-
denten der KMK, Herrn Rabe, noch einmal ins Gewissen
reden. In den ersten Interviews von Herrn Rabe habe ich
mit großem Interesse gelesen, dass er ebenfalls die hohe
Qualifikation der dualen Ausbildung verdeutlichen will
(Welt Online, 28. Dezember 2011). Das wäre eine gute
Basis für eine Einigung im Sinne der Gleichwertigkeit.
Mit unserer praxisorientierten dualen Berufsausbil-
dung setzen wir – ich will das einmal ganz selbstbewusst
klarstellen – Maßstäbe in Europa. Duale Ausbildung ist
eben nicht nur Praxis, sondern bedeutet auch schulische
Ausbildung in einer erstaunlichen Tiefe und Komplexi-
tät. Damit stellt diese Form der beruflichen Qualifizie-
rung eine Besonderheit dar, die ohne Weiteres der Quali-
fikation des Abiturs entspricht. Dies gilt es, mit einer
starken deutschen Stimme – und diese soll der DQR ha-
ben – auch in Richtung Europa zu sagen. Pläne der Euro-
päischen Kommission, dass zum Erlernen von Heil- und
Pflegeberufen notwendigerweise das Abitur vorliegen
müsse, würden so ad absurdum geführt. Ein Blick auf
europäische Anstellungspraxis verdeutlicht dies; denn
auch wenn in den nordischen Ländern das Abitur für
Krankenschwestern, Pfleger und vergleichbare Berufs-
gruppen obligatorisch ist, gibt es eine Vielzahl von Ini-
tiativen, um das in Deutschland abiturfrei, aber dual aus-
gebildete Personal für den Einsatz in diesen Ländern
abzuwerben.
Die grundsätzliche Übereinstimmung aller Beteilig-
ten hier im Hause wird durch die in weiten Teilen in-
haltsgleichen Anträge deutlich. Wir sind der Meinung,
dass die Zuordnung der Qualifikation zum DQR im
Konsens mit allen Beteiligten getroffen werden muss.
Wir sind uns auch einig darüber, dass die Zuordnung von
allgemeiner Hochschulreife gleichwertig mit den min-
destens dreijährigen dualen Ausbildungen auf einem Ni-
veau erfolgen soll. Allerdings – und das ist der wesentli-
che Unterschied zu den Anträgen der SPD und der
Grünen – sind wir der Meinung, dass der Bundestag
nicht die richtige Institution ist, um konkrete Festlegun-
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en zur Einordnung der Abschlüsse zu beschließen. So
ie die Eingruppierung der Berufsbilder von den Sozial-
artnern im Konsens und in allgemeiner Tarifautonomie
ereinbart wird, so wie die Prüfungsordnungen von den
ammern einvernehmlich geregelt werden, so sind es
uch hier die Bildungsakteure und Sozialpartner vor Ort,
ie konkrete Entscheidungen im Zuge der Festlegungen
um DQR zu treffen haben. Dies ist nicht Aufgabe des
arlaments.
Wir fordern in unserem Antrag die Bundesregierung
uf, gegenüber den Bundesländern darauf hinzuwirken,
ass die Gleichwertigkeit von allgemeiner bzw. fachge-
undener Hochschulreife und mindestens dreijähriger
ualer Ausbildung durch deren übereinstimmende Ein-
rdnung auf ein und derselben Niveaustufe des DQR
um Ausdruck kommt. Zweijährige berufliche Erstaus-
ildungen dürfen unserer Auffassung nach nicht mehr
ls eine Niveaustufe unterhalb der allgemeinen bzw.
chgebundenen Hochschulreife angesiedelt werden.
Ich persönlich stehe der Zuordnung der allgemeinen
ochschulreife auf Stufe 4 positiv gegenüber, weil ich
iesen Vorschlag für realistisch halte. Falls sich aber alle
kteure darauf einigen, dass das Abitur auf Stufe 5 ein-
eordnet werden soll, dann sollten und müssen sich auch
ie dreijährigen Berufsabschlüsse auf dieser Stufe wie-
erfinden. Alles andere ist für mich und meine Fraktion
akzeptabel.
Für den Fall, dass eine entsprechende Einigung nicht
rzielt werden kann, sollte auf die Einordnung allge-
einbildender Schulabschlüsse im DQR zunächst ver-
ichtet werden. Auch in Frankreich sind Schulab-
chlüsse bisher kein Bestandteil von Qualifikations-
hmen. Dies wäre zwar nicht die optimale Lösung, aber
us meiner Sicht besser als die Nichtgleichstellung von
bitur und dualer Berufsausbildung. Dies wäre ein fata-
r Fehler, der unbedingt verhindert werden muss. Inso-
rn bin ich gespannt auf die endgültigen Festlegungen,
ie Ende des Monats erfolgen sollen.
Willi Brase (SPD): Wir bieten unseren Jugendlichen
eute zwei Wege für ein gutes Leben und für Leistung
nd Aufstiegsbereitschaft an. Der erste Weg ist ein mitt-
rer Abschluss, ein Hauptschulabschluss oder die Hoch-
chulreife; es folgt die duale Ausbildung. Es besteht wei-
rhin die Möglichkeit, einen Fachwirt und Meister zu
achen, später zu studieren und über diesen Weg zu
öchsten Ämtern und Positionen in der Gesellschaft zu
elangen. Der zweite Weg erfolgt über den mittleren
chulabschluss, das Abitur oder die Fachhochschulreife
nd anschließend ein Studium. Auch mit diesem Bil-
ungsweg ist man in der entsprechenden Liga aufge-
tellt, um qualifizierte Tätigkeiten auszuüben.
Beide Wege sind wichtig und haben etwas – wenn wir
egenüber den Jugendlichen ehrlich sind – mit der
leichwertigkeit von allgemeiner und beruflicher Bil-
ung zu tun. Mit diesen beiden Wegen zeigen wir den
ugendlichen immer wieder Perspektiven auf. Deshalb
t es nur konsequent, dass die Allgemeine Hochschul-
ife, die fachgebundene Hochschulreife und die Fach-
ochschulreife gemeinsam mit der drei- und dreieinhalb-
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jährigen beruflichen Ausbildung in die Stufe vier des
Deutschen Qualifikationsrahmens eingeordnet werden.
Unser duales Bildungs- und Weiterbildungssystem ist
die Stärke der deutschen Wirtschaft. Sie sichert Innova-
tionsfähigkeit und führt dazu, dass wir mit Spitzenbran-
chen nicht nur in Europa, sondern weltweit vorhanden
sind und unsere Produkte auch absetzen können. Mit den
vielen Neuordnungen und Modernisierungen der Ausbil-
dungsordnungen im dualen Bildungssystem sind wir den
weiteren wissensbasierten Arbeits- und Produktionswei-
sen gerecht geworden – Aufstiegsfortbildungen ergän-
zen und erweitern diesen Prozess. Es gibt nicht nur
Perspektiven, sondern auch notwendige betriebliche Er-
fordernisse. Deshalb ist es richtig, dass wir diesen Pro-
zess der Aufstiegsfortbildungen in die Stufe fünf des
Deutschen Qualifikationsrahmens einordnen. Diese
Stufe darf nicht verfallen, wie es die Kultusministerkon-
ferenz gerne hätte.
Mit dem Antrag auf Drucksache 16/13615 vom 1. Juli
2009 haben CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die
Grünen unter anderem gefordert, den Deutschen Qualifi-
kationsrahmen zur Verbesserung der Durchlässigkeit des
Bildungssystems und der Gleichwertigkeit verschiede-
ner Bildungswege zu entwickeln. Vor diesem Hinter-
grund besteht ein zweiter Punkt darin, die Stufe vier so-
wohl für die Allgemeine Hochschulreife als auch für die
drei- und dreieinhalbjährigen dualen Ausbildungsord-
nungen beizubehalten. In dem gleichen Antrag haben
wir das Konsensprinzip bei der Erarbeitung gefordert.
Beides kann nur gemeinsam auf den Weg gebracht wer-
den. Gelingt dies nicht, sollten wir uns dem französi-
schen Modell nähern.
Die Auszubildenden haben nach Ende der Ausbil-
dung nicht nur Berufsfähigkeit – das sogenannte Berufs-
prinzip – erlangt, sondern auch arbeitsmarktrelevante
Kompetenzen und Fertigkeiten erlernt, die ein Abiturient
naturgemäß nicht hat. Schon allein deshalb wäre eine
Höherstufung aus meiner und unserer Sicht nicht fach-
und sachgerecht.
Das Zusammenspiel zwischen Ingenieuren, Meis-
tern, Technikern und Facharbeitern im konkreten Ar-
beits- und Produktionsprozess ist das Geheimnis der in-
dustriellen Stärke Deutschlands. Das liegt auch daran,
dass die verschiedenen Bildungsmöglichkeiten und Bil-
dungswege gleichwertig betrachtet und im Arbeitspro-
zess die Fähigkeiten und Kompetenzen – unabhängig
von der Herkunft – gefragt sind. Nicht umsonst wollen
zunehmend Unternehmen über das Duale Studium
– Hochschulstudium und Ausbildung – ihren zukünfti-
gen Spitzenbedarf decken. Auch das spricht dafür, an der
Gleichwertigkeit der allgemeinen und beruflichen Bil-
dung nicht nur festzuhalten, sondern sie endlich umzu-
setzen. Wir haben jetzt die Chance, dieses mit dem DQR
auf den Weg zu bringen.
Es verwundert doch immer wieder, warum viele Bil-
dungsminister in dieser Beharrlichkeit darauf bestehen,
die Allgemeine Hochschulreife auf eine höhere Stufe als
das Gesamttableau der dualen Ausbildung zu setzen.
Liegt es vielleicht daran, dass wir und vor allem die Bil-
dungs- und Kultusminister jahrzehntelang dachten, das
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llgemeine deutsche Schulsystem sei das Beste der Welt
nd führend, und mit dem PISA-Schock, mit TIMSS und
nderen Untersuchungen gezeigt wurde, dass unser Sys-
m nicht mehr so gut ist? Und deshalb startet man einen
tzten Versuch über die Einstufung in Stufe fünf, um
ich doch noch gegenüber den anderen Ländern in der
U abzuheben? Wie wir wissen, sind fast alle Länder in
er EU bereit, die Allgemeine Hochschulreife mit Se-
undärstufe-II-Abschluss auf Stufe vier einzuordnen und
icht, wie die KMK fordert, auf Stufe fünf.
Vor dem Hintergrund all dieser Argumente plädieren
ir für die Annahme des Antrags unserer Fraktion und
itten um entsprechende Unterstützung.
Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Zu der Debatte
m die Einordnung der Qualifikationen des deutschen
ildungssystems in den Deutschen Qualifikationsrah-
en und darüber hinausgehend damit in den Europäi-
chen Qualifikationsrahmen, sind zwei abschließende
emerkungen zu machen. Die eine Bemerkung bezieht
ich auf das Verfahren und den politischen Umgang mit
ieser Diskussion, die zweite Bemerkung bezieht sich
uf die Sache und die zukünftige Perspektive von DQR
nd EQR und dessen weitere Ausgestaltung.
Zum Ersten. Gerade weil die inhaltlichen Auffassun-
en der Bildungs-, der Arbeitsmarkt- und der Wirt-
chaftspolitiker in den Fraktionen im Deutschen Bundes-
g in der Sache nicht sehr weit auseinanderliegen, sollte
s am Ende möglichst nicht kleinlichen Streit und das
piel mit taktischen Finessen geben. Die SPD hat des-
alb sehr frühzeitig, nämlich schon am 29. November
011, einen Antrag in den Bundestag eingebracht, der
nter dem Leitmotiv „Gleichwertigkeit von Berufsbil-
ung und Abitur sichern“ zwei klare Botschaften enthal-
n hat, nämlich erstens die Aufforderung des Deutschen
undestages an die Bundesregierung, gegenüber den
undesländern darauf hinzuwirken, dass die Gleichwer-
gkeit von allgemeiner Hochschulreife und mindestens
reijährigen dualen Ausbildungen durch deren überein-
timmende Einordnung auf dem Niveau 4 des DQR Aus-
ruck verliehen wird. Dies ist für uns damals wie heute
us der Sache heraus begründet. Es nimmt die Anforde-
ngen auf, die an das Niveau 4 des Deutschen Qualifi-
ationsrahmens gestellt werden. Es hat eine Entspre-
hung auch in den Sachbeurteilungen, die seitens
olleginnen und Kollegen der CDU/CSU und der FDP
ie auch der anderen Fraktionen in ehrlicher Betrach-
ng der acht Niveaustufen des Deutschen Qualifika-
onsrahmens bei verschiedenen Diskussionen bis in den
usschuss deutlich angesprochen und unterstützt wor-
en sind. Es deckt sich im Übrigen auch mit dem Vor-
chlag, den seinerzeit eine CDU-Fachkommission zur
orbereitung des CDU-Bildungsprogramms, das diese
uf ihrem Parteitag im letzten Jahr verabschieden wollte,
it vorgelegt hatte. Der sächsische Bildungsminister
ie die Bundesbildungsministerin, beide CDU-Regie-
ngsmitglieder, hatten in diesem Vorschlag glasklar da-
r plädiert, eine entsprechende Einordnung auf der Ni-
eaustufe 4 vorzunehmen. Soweit die CDU, als sie noch
laren Verstandes in der Sache war.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 155. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Januar 2012 18685
(A) )
)(B)
Dann gab es allerdings eine besondere Schizophrenie
beim sächsischen Bildungsminister, der mit einem Mal
von der Zuordnung auf das Niveau 4 nichts mehr wissen
wollte. Es gab die immer wieder bei der Bundesbil-
dungsministerin zu beobachtende einmalige Mischung
von Ankündigung, Rückzug, Verschleierung sachlicher
Positionen, und entsprechend hat sich die CDU auf ih-
rem Parteitag von ihrem sachgerechten Vorschlag verab-
schiedet und stattdessen eine Leerstelle hinterlassen.
Dies kann aber einen Bundestag, der auch eine sachliche
Orientierung für das mitgeben soll, was eine Bundesre-
gierung dann entsprechend umzusetzen hat, nicht daraus
entlassen, klar Position zu beziehen.
Diese klare Position ist allerdings in dem Antrag von
CDU/CSU und FDP jetzt kastriert. Wohl wird noch die
Gleichwertigkeit von Berufsbildung und Abitur ange-
sprochen, aber die Niveaustufe selbst wird nicht mehr
erwähnt. Dies ist für eine politische Mehrheit des Bun-
destages, die ja nicht ins Unverbindliche ausweichen
sollte, sondern von der auch klare Positionen erwartet
werden dürfen, zu wenig. Die SPD bedauert deshalb die
Kleinmütigkeit von CDU/CSU und FDP, zumal wir bei
verschiedenen Gelegenheiten ja vollkommene Überein-
stimmung, auch in der Sacheinschätzung, erleben konn-
ten.
Gleichzeitig ist einem klar, dass eine dauerhafte
Selbstblockade zwischen den beteiligten Instanzen,
nämlich den Ministerpräsidenten, hinter denen dann die
Blockaden durch die Bildungsminister der Länder einer-
seits und die Wirtschaftsminister der Länder andererseits
stehen, in sich und auch gegenüber dem Bund in der Sa-
che nicht weiterführen würde. Die SPD hat deshalb
schon am 29. November 2011 in ihren Beschlussvor-
schlag die Forderung aufgenommen, auf die Einordnung
allgemeinbildender Schulabschlüsse im DQR, sollte es
nicht umsetzbar sein, zu einer übereinstimmenden Ein-
ordnung auf Niveau 4 des DQR zu kommen, grundsätz-
lich zu verzichten. Gleiches haben auch die SPD-Bil-
dungsminister schon frühzeitig in die Debatte gebracht,
weil auch sie der Auffassung sind, dass es keine Blo-
ckade in dem Prozess geben darf, der mit den nächsten
Schritten auf der europäischen Ebene weitergeht und mit
dem natürlich auch prozesshaft noch weitere Positions-
klärungen im Zusammenwirken mit den übrigen Part-
nern, den europäischen Nachbarländern, der Europäi-
schen Kommission und an erster Stelle den Sozial-
partnern, zu finden sein werden.
Dass man dann jetzt, medial entsprechend vorbereitet,
die voluminöse Ankündigung der Bundesbildungsminis-
terin lesen darf, dass sie den großen Befreiungsschlag
plant, mit dem sie genau diesen SPD-Vorschlag neu in
die Diskussion einbringt, zeugt dann allerdings von einer
ziemlichen Ignoranz und Überheblichkeit der Bundesbil-
dungsministerin. Es ist wirklich bedauerlich, dass Frau
Schavan, statt klar, eindeutig und rechtzeitig Orientie-
rung zu geben, zu solchen Mitteln greifen muss, um sich
– bildhaft gesprochen – hinter den Zug zu werfen, der
schon lange vorbeigefahren ist. Von „Idee für einen Be-
freiungsschlag“ kann hier jedenfalls keine Rede sein. In
anderen Zusammenhängen würde man wohl eher von
politischem Plagiat sprechen.
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Zum Zweiten die Bemerkung in der Sache und zum
eiteren Vorgehen. Gerade weil der Europäische Quali-
kationsrahmen und in diesem der DQR ein hochan-
pruchsvolles Konstrukt bilden, darf auch für uns in
eutschland die Diskussion mit der vorläufigen Heraus-
ahme der allgemeinbildenden schulischen Abschlüsse
icht beendet sein. Gerade weil wir sehr sicher sind, dass
uch im europäischen Kontext, in dem Vergleich dessen,
as in anderen europäischen Ländern als Einordnung
olcher Abschlüsse vorgenommen wird, am Ende doch
ie sachliche Lösung, nämlich hier die gemeinsame Ein-
rdnung auf Niveau 4, auf mittlere Sicht wieder auf uns
ukommen wird, wollen wir gleichzeitig noch den Blick
uf andere offene Fragestellungen richten.
So hat unseres Erachtens die Aufgabe, das ganze Sys-
m der beruflichen Aufstiegsfortbildung in den ver-
chiedenen Niveaus in den Europäischen alias Deut-
chen Qualifikationsrahmen mit einzuordnen, bisher viel
u wenig Bedeutung gehabt. Genau hierfür ist aber auch
ntscheidend, dass es noch eine eigene Kategorie 5 in
en entsprechenden Anforderungen an die fachliche und
ie personale Kompetenz gibt.
Wenn Sie sich noch einmal in Erinnerung rufen, was
der Matrix vom DQR hier mit angesprochen ist, so
nden Sie als Anforderung im Bereich des Wissens so-
ohl das integrierte Fachwissen in einem Lernbereich
der integriertes berufliches Wissen in einem Tätigkeits-
ld, das auch vertieftes fachtheoretisches Wissen ein-
chließt. Bei den Fertigkeiten ist daran gedacht, das Ni-
eau 5 an ein sehr weites Spektrum spezialisierter,
ognitiver und praktischer Fertigkeiten zu binden. Ar-
eitsprozesse sollen danach übergreifend geplant werden
önnen und unter umfassender Einbeziehung von Hand-
ngsalternative und Wechselwirkung mit benachbarten
ereichen beurteilt werden können. In der personalen
ompetenz wird erwartet, dass Arbeitsprozesse koope-
tiv, auch in heterogenen Gruppen, geplant, gestaltet
nd auch mit anderen Personen zusammen angeleitet
erden können. Insgesamt muss hier schon eine be-
ächtliche Führungsleistung erbracht werden können.
Genau diese Kompetenzen gehen alle über die Quali-
kation hinaus, die junge Menschen nach einer berufli-
hen Erstausbildung oder nach dem Abitur schon auf-
eisen können. Sie ziehen vielmehr nach sich, dass es
inen systematischen Aufbau von Weiterbildung im in-
rmellen Sinne geben sollte, deren Entwicklung und
nerkennung ja nicht zuletzt durch den Anspruch des
ualifikationsrahmens mit angestoßen werden soll. Ge-
au hierauf werden wir aber zusammen mit den Sozial-
artnern, mit den Bildungsinstitutionen, im System des
benslangen Lernens und der systematischen Weiterbil-
ung ein vermehrtes Gewicht zu legen haben, wenn die-
es anspruchsvolle Instrument des Europäischen und des
eutschen Qualifikationsrahmens wirklich zu einem Er-
lg geführt werden soll.
Wir werben deshalb noch einmal nachdrücklich dafür,
ass nicht so sehr taktische Finessen von der Bildungs-
inisterin Schavan bis hin zu den Koalitionsfraktionen
ei der Abstimmung die Orientierung geben, sondern die
lare, sachliche Begründung. Gerade wenn es um Quali-
18686 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 155. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Januar 2012
(A) )
)(B)
fikationen geht, sollte Sachlichkeit doch eigentlich kein
Nachteil sein.
Heiner Kamp (FDP): „Ist die Lehre so wertvoll wie
das Abi?“ – So und so ähnlich haben die Zeitungen zum
Europäischen Qualifikationsrahmen und seiner nationa-
len Umsetzung im Deutschen Qualifikationsrahmen ge-
titelt. Um es vorwegzunehmen: Die Antwort auf die da-
mals im Handelsblatt aufgeworfene Frage lautet
eindeutig und unmissverständlich: Ja. Selbstverständlich
gibt es Unterschiede zwischen dem Abitur und einer ab-
geschlossenen beruflichen Ausbildung. Die Abschlüsse
sind verschiedenartig. Sie sind aber eindeutig gleichwer-
tig.
Bei der spröden Bezeichnung „Europäischer Qualifi-
kationsrahmen“ könnte man annehmen, dass es sich um
eine weitere technokratische Segnung der EU handelt,
von der man nicht unbedingt eine positive Auswirkung
erwarten sollte. In diesem Fall sind derlei Befürchtungen
unbegründet. Der Europäische Qualifikationsrahmen
und der Deutsche Qualifikationsrahmen als seine natio-
nale Umsetzung bieten eine große Chance, gerade die
Bedeutung und Qualität der beruflichen Ausbildung im
europäischen Kontext angemessen deutlich zu machen.
Und dies ist von nicht zu unterschätzender Relevanz.
Erst kürzlich hat eine Studie des Instituts der deut-
schen Wirtschaft Köln nachgewiesen, dass die duale Be-
rufsausbildung die Triebfeder für Innovationskraft und
Wirtschaftswachstum in unserem Land ist. Im Ausland
werden wir um unsere hervorragend ausgebildeten Fach-
kräfte beneidet. Ihnen haben wir es zu verdanken, dass
unsere Betriebe und damit unsere Volkswirtschaft im
Vergleich zu anderen Staaten so zügig aus der Krise ge-
kommen ist.
Der Europäische Qualifikationsrahmen bietet uns die
Möglichkeit, diese große Stärke unseres deutschen Bil-
dungssystems endlich nach Europa zu spiegeln. Die
berufliche Dualausbildung zeichnet das deutsche Bil-
dungssystem aus, unterscheidet uns von anderen Mit-
gliedstaaten. Das ist ein Riesenvorteil. Und dennoch
wurde unser Berufsausbildungswesen auf europäischer
Ebene geringgeschätzt und belächelt. Man denke nur an die
regelmäßigen Vorwürfe vonseiten der OECD, Deutschland
habe eine zu geringe Akademikerquote. Mit dem Deut-
schen Qualifikationsrahmen haben wir die Möglichkeit,
die hohe fachliche Qualität unserer Berufs- und Weiter-
bildungsabschlüsse in Europa in Relation zu den diver-
sen College-Abschlüssen zu stellen und sie damit ver-
gleichbar zu machen. Wir können zeigen, dass unsere
Ausbildungsberufe keinesfalls zurückstehen müssen,
sondern vielfach den vollschulischen oder quasiakade-
mischen Lehrangeboten unserer Nachbarn überlegen
sind.
Der Deutsche Qualifikationsrahmen wird außerdem
dazu beitragen, gerade die Weiterbildungsabschlüsse
auch innerhalb unseres Landes verständlicher und ver-
gleichbarer zu machen. Was meine ich damit? Ein Bei-
spiel: Der Fortbildungsabschluss Fachwirt wird von vie-
len als nicht gleichwertig mit einer akademischen
Ausbildung wahrgenommen. Er ist es aber. Die Wege
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ind verschieden, das Ergebnis ist gleich viel wert. Wenn
er Fachwirt künftig gemeinsam mit dem ersten berufs-
ualifizierenden Hochschulabschluss, dem Bachelor, auf
iveaustufe 6 des DQR steht, wird das die Wahrneh-
ung der Fortbildungsabschlüsse positiv befördern. Das
t gut für die Bildungsnation Deutschland. Weiterbil-
ungsabschlüsse gewinnen an Anerkennung. Und Wei-
rbildung gewinnt damit an Attraktivität. Aufstieg
urch Bildung, das ist das Motto. Der DQR bietet also
erade für das einzigartige deutsche Modell der berufli-
hen Dualausbildung eine gute Gelegenheit, in Europa
ndlich angemessen vergleichbar zu werden.
Leider haben die Kultusminister der Länder diese
hance nicht erkannt. Sie sehen den DQR eher als Teil ei-
es Schönheitswettbewerbs und wollen ihr Abitur als
chönheitskönigin möglichst weit oben auf dem Trepp-
hen sehen. Dass sie sich damit außerhalb des Konsenses
wischen allen übrigen an der Erarbeitung des DQR Be-
iligten begeben, kümmert die Kultusminister bislang
enig. Ärgerlich ist, dass die Kultusminister sich erst zu
ort gemeldet haben, nachdem der DQR bereits entwi-
kelt war. Mit dem Beschluss auf ihrer 335. Sitzung, das
bitur auf Niveaustufe 5 statt, wie vom Arbeitskreis
QR beabsichtigt, auf Niveaustufe 4 einzuordnen, torpe-
ierten sie den DQR-Prozess und die Chance auf eine an-
emessene Anerkennung unserer dualen beruflichen
usbildung.
Die Entscheidung der Kultusministerkonferenz war
chlich und ordnungspolitisch falsch. Sie kommt einer
ffentlichen Beschädigung der beruflichen Dualausbil-
ung gleich – statt für sie zu werben. Die Gründe hatte
h bereits genannt.
Die Kultusministerkonferenz stellt sich mit ihrem
eschluss nicht nur gegen die Bundesregierung, die
irtschaftsminister der Länder, die Gewerkschaften, die
irtschaftsverbände und alle übrigen an der Entwick-
ng des DQR Beteiligten. Nein, auch gegen die übrigen
itgliedstaaten der Europäischen Union. Niemand sonst
rdnet die Hochschulzugangsberechtigung auf Niveau-
tufe 5 ein. Die Position ist nur eins: isoliert.
Die FDP-Fraktion fordert die Kultusministerkonfe-
nz nachdrücklich auf, ihre Einzelmeinung aufzugeben
nd zu einem Konsens zurückzukehren. Die Alternative,
uf die Einordnung der allgemeinbildenden Abschlüsse
den DQR zu verzichten, wäre für die KMK vielleicht
ine gesichtswahrende Lösung. Wirklich erstrebenswert
t sie nicht.
Der dualen beruflichen Ausbildung hat die Kultus-
inisterkonferenz bereits einen Bärendienst erwiesen.
it der durch ihren Beschluss angestoßenen Debatte
ich erinnere an das von mir eingangs genannte Zitat –
at sie der dualen Ausbildung alles andere als die Aner-
ennung zuteilwerden lassen, die sie verdient.
Vom Spitzengespräch am 31. Januar 2012 erwarten
ir von den Kultusministern ein Einlenken. Andernfalls
ind die Ministerpräsidenten gefragt, ihre Kabinettsmit-
lieder zum Wohle der beruflichen Ausbildung zur Ord-
ung zu rufen.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 155. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Januar 2012 18687
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)(B)
Agnes Alpers (DIE LINKE): Mit dem Europäischen
Qualitätsrahmen und dem Deutschen Qualitätsrahmen
haben wir uns auf den Weg gemacht, die Gleichwertig-
keit und die Durchlässigkeit zwischen allgemeiner, be-
ruflicher und hochschulischer Bildung herzustellen. Das
neue Prinzip lautet: Wir vergleichen nicht mehr die
Abschlüsse, sondern die Lernergebnisse in Form von
Kompetenzen. Hierzu hat man zum Beispiel die Lern-
ergebnisse aus Ausbildungsrahmenplänen und Abitur-
verordnungen in einer Matrix von acht Niveaustufen ein-
geordnet. Wir als Linke begrüßen dieses Umdenken: Es
ist jetzt nicht mehr wichtig, wo ich meinen Abschluss
gemacht habe, sondern was ich im Ergebnis an Kompe-
tenzen erworben habe.
Aber genau dieser Paradigmenwechsel ist der Grund,
warum wir hier heute stehen, warum es einen Konflikt
gibt: Alle am DQR Beteiligten waren sich zunächst ei-
nig: Eine vollqualifizierende duale Ausbildung – also
eine Ausbildung von 3 und 3,5 Jahren – und das Abitur
sind gleichwertig. Deshalb sollen beide auf dem Niveau
vier angeordnet werden. Doch die Kultusministerkonfe-
renz der Länder hat sich dagegen ausgesprochen. Sie
will das Abitur auf Stufe fünf installieren und die duale
Ausbildung im Wesentlichen auf vier. Zur Begründung
schrieb die KMK in einem Brief an die Ministerpräsi-
denten der Länder im Dezember: Das deutsche Abitur ist
im europäischen Kontext etwas Besonderes. Es ist nicht
nur ein Schulabschluss, sondern ein Universitätsein-
gangszeugnis, und dies ist in Europa nicht selbstver-
ständlich.
Diese Behauptung ist schlichtweg falsch. Das deut-
sche Abitur hat in Europa kein Alleinstellungsmerkmal;
denn auch in den anderen Staaten berechtigt dieser
Schulabschluss zum uneingeschränkten Zugang zu den
Universitäten. Zulassungsbeschränkungen und Aufnah-
meprüfungen gibt es auch in Deutschland. Die Einord-
nung auf Stufe fünf ist daher nicht nachvollziehbar und
wird in Europa nicht geteilt. Die anderen Staaten haben
sich dafür ausgesprochen, dass auch das Abitur auf dem
Niveau vier anzusiedeln ist. Durch solche Behauptungen
isoliert sich Deutschland in Europa und vermittelt das
Bild, dass die Deutschen mit ihrem Abitur etwas Besse-
res sein wollen. Als Europäerin sage ich Ihnen: Dies ist
nicht der Weg in ein gemeinsames und solidarisches
Europa.
In Abgrenzung zu einer dualen Ausbildung hebt die
KMK hervor, dass man durch ein Abitur über vertieftes
fachtheoretisches Wissen verfüge und deshalb auf der
Stufe fünf einzuordnen sei. Es stellt sich hier die Frage,
warum die Kompetenzen einer Tischlerausbildung weni-
ger wert sein sollen als die eines Abiturs. Ich komme aus
einer Tischlerfamilie, und ich selbst habe jahrelang
Tischler unterrichtet. In der Ausbildung erwerben sie
nicht nur breite fachtheoretische Kenntnisse, sondern be-
raten Kunden, kalkulieren Preise, planen selbsttätig
Arbeitsabläufe, programmieren Werkstücke an CNC-
Maschinen, sind in die Strukturen der Arbeitswelt einge-
bunden und erwerben nach einer theoretischen Prüfung
mit fünf Prüfungsfächern und einer praktischen Prüfung
mit der Planung, Zeichnung und eigenständigen Herstel-
lung eines Werkstückes die volle Berufsfähigkeit. Fazit:
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ischlerinnen und Tischler und Abiturientinnen und
biturienten lernen ganz unterschiedliche Dinge. Aber
s ist vermessen zu behaupten, dass die erworbenen
ompetenzen eines Tischlers geringer sind als die eines
biturienten.
Die KMK pocht darauf, dass ein Abiturient alle Kom-
etenzen der Stufe fünf durch das Abitur erreicht hat.
eht die KMK wirklich davon aus, wie auf Stufe fünf
orgesehen, dass ein Abiturient „andere anleiten und mit
ndierter Lernberatung unterstützen“ kann?
Aber es geht weniger um all diese Einzelfragen. Die
entrale Frage ist: Ist die KMK bereit, von ihrem hohen
oss abzusteigen und die Gleichwertigkeit von berufli-
her und allgemeiner Bildung zu akzeptieren? Wir for-
ern die KMK auf: Beenden Sie Ihr Denken von oben
nd unten, von besser und schlechter! Denn der Zug der
eit ist schon auf einem anderen Weg.
Wie verhalten sich nun die Fraktionen zu dem Kon-
ikt um die Stufen vier und fünf des DQR? Alle spre-
hen sich für die Gleichwertigkeit und somit für die
tufe vier für die allgemeine und berufliche Bildung aus.
lle begrüßen den Wechsel von abschlussorientierter
ertigkeit hin zu ergebnisorientierten Kompetenzen.
och wenn die KMK nicht zustimmt, sprechen sich
PD, CDU/CSU und FDP dafür aus, dass auf die Ein-
rdnung der allgemeinen Schulabschlüsse verzichtet
erden soll.
Auch wenn der Bundestag keine Entscheidungskom-
etenz beim DQR hat, so ist es doch bezeichnend, wel-
hes Bild SPD, CDU/CSU und FDP hier abliefern: Sie
ind nicht bereit, sich klar und deutlich hinter die Gleich-
ertigkeit zu stellen. Sie nehmen davon Abstand, dass es
halt und Ziel des DQR ist, alle – ich betone: alle – Ab-
chlüsse und Qualifikationen mit einzubeziehen. Ich
ann hier nur feststellen: Diese Fraktionen sind nicht in
er Lage, Konflikte auszutragen, klare Entscheidungen
u treffen. Die Annahme, dass die KMK schon noch
achziehen wird, mag wünschenswert sein, hat aber
ichts mit der zugespitzten Realität zu tun.
Meine Damen und Herren von SPD, CDU/CSU und
DP, Sie sind in dieser Frage weder Fisch noch Fleisch
nd liefern ein fatales Signal an Europa: Deutschland
eht wieder einen Sonderweg, und deutsche Abschlüsse
ollen wieder über europäischen Abschlüssen stehen. Im
egensatz zu dieser Konfliktvermeidungsstrategie setzt
ie Linke klare Signale für eine gleichwertige Bildung
uf europäischer Ebene und für ein solidarisches Europa:
leichwertigkeit von allgemeiner und beruflicher Bil-
ung, jetzt und ohne Wenn und Aber.
Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die
ee des Europäischen Qualifikationsrahmens ist gut und
chtig. Er soll mehr Transparenz schaffen und die Mobi-
tät auf dem europäischen Arbeitsmarkt, aber auch in
er beruflichen Aus- und Weiterbildung fördern. Als
bersetzungsinstrument kann er die Vergleichbarkeit der
ildungsabschlüsse für Europas Arbeitgeberinnen und
rbeitgeber, für die Auszubildenden und Arbeitnehme-
nnen und Arbeitnehmer erheblich verbessern.
18688 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 155. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Januar 2012
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)(B)
In Buxtehude wissen wenige, was HBO in den Nie-
derlanden bedeutet. Umgekehrt sollen Betriebe in Spa-
nien mit dem Qualifikationsrahmen auf einen Blick er-
kennen können, ob Michaela Müller aus Hamburg mit
ihrer Qualifikation für die ausgeschriebene Stelle über-
haupt in die nähere Auswahl kommt.
Beim EQR und DQR zählen die Lernergebnisse und
Handlungskompetenzen. Wo und wie die Kompetenz er-
langt wurde, steht nicht mehr an erster Stelle. Einmal flä-
chendeckend in allen Unterzeichnerstaaten umgesetzt,
kann und soll der EQR eine grundsätzliche Orientierung
gewährleisten, weshalb die einzelnen Stufen recht breit
angelegt sind.
Warum ist es hierzulande nicht gelungen, fristgemäß
vor dem Jahreswechsel alle Bildungsabschlüsse den acht
Qualifikationsstufen zuzuordnen? Warum tut sich
Deutschland anders als andere Teilnehmerländer mit der
Umsetzung so schwer?
Mit ihrer Entscheidung, das Abitur höher einzustufen
als die Berufsausbildungsabschlüsse, hat die KMK den
Zuordnungsprozess im Herbst vorerst zum Stillstand ge-
bracht. In der Konsequenz bedeutet der KMK-Be-
schluss, dass Abiturienten nach einer abgeschlossenen
Ausbildung von dem Qualifikationsniveau 5 auf 4 zu-
rückgestuft werden.
Sogar Vertreter der Koalition räumten gestern im Bil-
dungsausschuss ein, „viel Sympathie für die gemein-
same Einordnung auf Stufe 4“ zu haben, wie wir es in
unserem grünen Antrag fordern. Offenbar leuchtet auch
der Koalition ein, dass es nicht angehen kann, dass Abi-
turientinnen und Abiturienten der Anreiz genommen
wird, eine hochwertige duale Berufsausbildung zu absol-
vieren. Unsere Wirtschaft braucht schließlich alle, auch
die Leistungsstarken. Darüber hinaus werden die Berufs-
bilder unter dem Modernisierungsdruck anspruchsvoller
und komplexer, was die höhere Einordung des Abiturs
nicht rechtfertigt. Gerade für Mittelständler sind gut aus-
gebildete nichtakademische Fachkräfte ein wichtiger
Faktor für die Entwicklung neuer Produkte und ihre
Wettbewerbsfähigkeit. Es ist Aufgabe der Politik, inno-
vationsfreundliche Rahmenbedingungen zu schaffen.
Und dazu gehört auch ein lebensnaher und realitätsge-
rechter DQR.
Immerhin setzten sich alle anderen in der Bildungs-
und Berufsbildungslandschaft relevanten Akteure wie
Wirtschafts- und Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften
sowie die Wirtschaftsministerkonferenz und auch das
BMBF für die gleichwertige Zuordnung der mindestens
dreijährigen Ausbildungen und des Abiturs auf Kompe-
tenzniveaustufe 4 ein. Dies haben wir in unserem grünen
Antrag deutlich gemacht.
Der Antrag der SPD hingegen hat schon die Kompro-
missformel vorweggenommen, die schulischen Bil-
dungsabschlüsse aus dem DQR herauszunehmen, was
die Verhandlungsposition der Bundesebene unnötig
schwächte. Seit Dienstag macht sich nun auch öffentlich
Ministerin Schavan für diese Variante stark, vor allem
mit Blick auf das Treffen am 31. Januar, an dem sie übri-
gens nicht teilnehmen wird. Ich entnehme dem, dass von
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em Treffen keine Lösungsimpulse mehr erwartet wer-
en.
Das sogenannte Französische Modell kann nur eine
bergangslösung sein und ist nichts anderes als eine
roblemvertagung, die jetzt eine aufgeheizte Debatte
urzfristig beenden mag. Ich würde es bedauern, wenn
ich ausgerechnet die „Grande Nation“ und das „Land
er Dichter und Denker“ bei einem bedeutsamen DQR-
estandteil ausklinkten. Ministerin Schavan möchte den
onflikt lösen, indem sie ebendiesen ausklammert.
och die lösungsorientierten Gespräche zwischen KMK
nd den anderen bildungspolitischen Akteuren müssen
eitergehen.
Es ist besser, einen funktionierenden EQR in regel-
äßigen Abständen zu überprüfen und nachzujustieren,
ls das sinnvolle Instrument zur europäischen Mobilität
tzt mutlos in die Ecke zu legen. Möge dem neuen
MK-Präsidium die Konsensfindung gelingen.
Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
esministerin für Bildung und Forschung: Wir wollen
nsere Bildungsabschlüsse, von den einfachsten bis zu
en höchsten, in einer achtstufigen Skala transparent
achen, um zu zeigen, welche Kompetenzen der Ein-
elne im Laufe seines Bildungsprozesses erwirbt. Es soll
ukünftig nicht mehr darauf ankommen, wo oder wie
nge jemand lernt, sondern darauf, was er am Ende ei-
er Ausbildung kann. Und das nicht nur in Deutschland,
ondern in ganz Europa: über 30 Staaten arbeiten derzeit
n dem gleichen Ziel.
Zum ersten Mal in der europäischen Geschichte
chaffen wir ein übergreifendes Vergleichssystem für
ildungsabschlüsse. Wir wagen damit einen entschei-
enden Schritt hin zu einer europäischen Bildungsland-
chaft und nähern uns dem Ziel, die Europäische Union
um wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissens-
asierten Wirtschaftsraum der Welt zu machen. Zudem
aben wir die Chance, unser nationales Bildungssystem
u öffnen.
Natürlich sind wir in Deutschland stolz auf viele Er-
ngenschaften unseres Bildungssystems – die langen
raditionen der Hochschulen in Forschung und Lehre,
en hohen Qualitätsstand der dualen Ausbildung oder
ie breite Allgemeinbildung, die unsere Schulen vermit-
ln. Aber wenn wir ehrlich sind, errichten unsere kom-
lexen Systeme mit ihren Traditionen und Eigenheiten
mancher Hinsicht hohe Hürden zwischen den ver-
chiedenen Bildungswegen. Manchmal hat unser System
ufstiege erschwert, Talente ausgebremst und „gläserne
ecken“ errichtet, wo es allein auf Können, Initiative
nd den Willen zur Weiterbildung ankommen sollte.
In den letzten vier Jahren hat eine breite Koalition aus
eteiligten den Deutschen Qualifikationsrahmen erarbeitet.
ertreter von Bund, Ländern, Sozialpartnern, Wirtschaft,
issenschaft und Gesellschaft haben dabei vertrauensvoll
usammengewirkt und weitestgehend Übereinstimmung
arüber erzielt, wie die Stufen beschrieben und Abschlüsse
ingeordnet werden sollen.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 155. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Januar 2012 18689
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)(B)
Bund, Wirtschaftsministerkonferenz, Gewerkschaften
und Arbeitgeberverbände genauso wie die Hochschul-
vertretungen sind sich einig: Gemessen an den vermittel-
ten Kompetenzen ist die Einordnung des Abiturs auf
Stufe 4 des DQR richtig. Das gilt auch für die anspruchs-
volleren dualen Ausbildungen, die ebenfalls auf Stufe 4
eingeordnet werden sollen. Die Stufe 5 bildet dagegen
tertiäre Abschlüsse ab, wie die ersten hochschulischen
Abschlüsse oder berufliche Aufstiegsfortbildungen. Da-
mit entsteht ein stimmiges Gesamtbild, in Deutschland
und in Europa. Wir setzen uns für die Gleichwertigkeit
des Abiturs und der anspruchsvollen dualen Ausbildun-
gen ein.
Bei den dualen Erstausbildungen wollen wir über
zwei Stufen differenzieren: Stufen 3 und 4. Die Hoch-
schulzugangszeugnisse aller europäischen Länder sollen
sich auf einer gemeinsamen Stufe wiederfinden. Das
entspricht nicht nur unseren Verabredungen bei anderen
internationalen Vergleichsinstrumenten, sondern auch
der Vielzahl bilateraler Vereinbarungen.
Jetzt ist der Erfolg dieser jahrelangen Arbeit gefähr-
det. Es ist in den letzten Monaten trotz intensiver Bemü-
hungen und zahlreicher Gespräche nicht gelungen, mit
der Kultusministerkonferenz Einigkeit über die Zuord-
nung des Abiturs zu erzielen. Die Kultusministerkonfe-
renz beharrt darauf, dass das Abitur auf der Stufe 5 ein-
geordnet wird. Gleichwertigkeit mit der dualen
Berufsausbildung soll dadurch hergestellt werden, dass
die Ausbildungsberufe über drei Stufen gestreckt wer-
den. Gleichzeitig soll die Fachhochschulreife eine Stufe
unterhalb des Abiturs angesiedelt werden. Das gefährdet
die Kohärenz des DQR. Es wird der Gleichwertigkeit
von allgemeiner und beruflicher Bildung nicht gerecht
und setzt die duale Ausbildung gegenüber der Schulbil-
dung herab.
Es stellt uns außerhalb der europäischen Wahrneh-
mung, die das deutsche Abitur nicht als höherwertiger
ansieht als die Matura, das Baccalaureat oder die A-Le-
vels. Und es wahrt nicht den erforderlichen Abstand zu
den tertiären Abschlüssen der Stufe 5. Zudem unter-
scheidet es zwischen dem Abitur und der Fachhoch-
schulreife, obwohl beides zur Aufnahme eines Bachelor-
studiengangs an einer Hochschule berechtigt und der
Bachelor unabhängig von der Art der Hochschule auf
Stufe 5 eingeordnet wird. Es gefährdet unsere Glaub-
würdigkeit gegenüber unserer eigenen Bevölkerung und
in Europa. Der DQR ist ein beschäftigungsbezogenes
Bewertungsinstrument, in dem vor allem nach den auf
dem Arbeitsmarkt verwertbaren Kompetenzen gefragt
wird. Zu Recht wird daher in den Medien gefragt: Wa-
rum soll der Geselle zwei Stufen unter dem Abiturienten
stehen?
Wenn wir den DQR ernst nehmen, wenn wir Transpa-
renz und Mobilität fördern wollen und wenn wir danach
fragen, welche Kompetenzen tatsächlich vermittelt wer-
den, dann müssen wir wirkliche Gleichwertigkeit zwi-
schen Abitur und anspruchsvollen beruflichen Erstaus-
bildungen schaffen. Wir dürfen die zweijährigen Aus-
bildungen nicht mehr unterhalb der Hochschulreife ein-
ordnen. Auf der anderen Seite müssen wir den Abstand
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u den ersten tertiären Abschlüssen wahren. Wie soll
onst der Wissens- und Kompetenzzuwachs zum Bei-
piel in Kurzstudiengängen oder Aufstiegsfortbildungen
ezeigt werden?
Aus diesem Grund sage ich es offen: Wenn an dieser
telle keine Einigkeit mit der Kultusseite möglich ist, ist
s besser, auf die Zuordnung der Schulabschlüsse zu-
ächst zu verzichten. Als nationales und europäisches
ransparenzinstrument macht der DQR nur Sinn, wenn
eine Zuordnungen richtig und stimmig sind. Auch wenn
er EQR im Grundsatz bildungsbereichsübergreifend
ngelegt ist, hat er vor allem berufliche und akademische
ualifikationen mit unmittelbarem Arbeitsmarktbezug
Blick. Da die allgemeinbildenden Schulabschlüsse
elbst nicht berufsqualifizierend sind, sondern die
rundlage für die weitere akademische und berufliche
usbildung bilden, stellen sie ohnehin eine Besonderheit
ar. Die allgemeinbildenden Schulabschlüsse könnten
aher als Notlösung, wenn die weiteren Entwicklungen
ei uns und in der EU klarer absehbar sind, in einem
weiten Schritt zugeordnet werden – wie es zum Bei-
piel auch Frankreich plant. So könnte die Stimmigkeit
es Rahmens gewahrt und die Zuordnung der Qualifika-
onen sukzessive vorgenommen werden – und wir be-
ahren uns die Chance, mit dem DQR einen echten Bei-
ag für mehr Transparenz und Durchlässigkeit zu
isten.
Ich werbe noch einmal ausdrücklich um die Einfüh-
ng des DQR: Qualifikationsrahmen sind Instrumente
ur Erhöhung von Transparenz und Mobilität auf dem
rbeitsmarkt. Sie machen Gleichwertigkeit und Unter-
chiede zwischen Schulbildung und Studium und beruf-
cher Bildung in Deutschland sichtbar und tragen zur
urchlässigkeit und einer Erhöhung der Bildungsge-
chtigkeit Deutschland und Europa bei.
nlage 11
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Antrags: Für wirksamen
Rechtsschutz im Asylverfahren – Konsequen-
zen aus den Entscheidungen des Gerichtshofs
der Europäischen Union und des Europäischen
Gerichtshofs für Menschenrechte ziehen (Ta-
gesordnungspunkt 16)
Helmut Brandt (CDU/CSU): In ihrem Antrag for-
ert die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Bundes-
gierung auf, den in §§ 27 a, 34 a Abs. 2 und § 75
sylVfG vorgesehenen Ausschluss des vorläufigen
echtsschutzes gegen Überstellungen nach Griechen-
nd im Rahmen der Dublin-II-Verordnung aufzuheben
nd stattdessen das Recht auf einen effektiven Rechts-
chutz mit aufschiebender Wirkung festzuschreiben.
Hintergrund des vorliegenden Antrags ist neben einer
ntscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Men-
chenrechte vom 21. Januar 2011 eine Entscheidung des
erichtshofs der Europäischen Union vom 21. Dezem-
er 2011. In dem Verfahren von Asylbewerbern aus Af-
18690 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 155. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Januar 2012
(A) )
)(B)
ghanistan, dem Iran und Algerien gegen das Vereinigte
Königreich und die Republik Irland hat der Gerichtshof
der Europäischen Union entschieden, dass ein Asylbe-
werber nicht an einen Mitgliedstaat überstellt werden
darf, in dem er Gefahr läuft, unmenschlich behandelt zu
werden. Das Unionsrecht lasse keine unwiderlegbare
Vermutung zu, dass die Mitgliedstaaten die Grundrechte
der Asylbewerber beachten.
Begründet wird der Antrag von Bündnis 90/Die Grü-
nen damit, dass ein Schutzsuchender in jedem Falle vor
einer Rückführung in einen anderen EU-Mitgliedstaat
die Möglichkeit einer effektiven rechtlichen Überprü-
fung mit aufschiebender Wirkung haben müsse.
Diesen Antrag lehnen wir ab, da die Forderungen
durch eine Entscheidung des Bundesinnenministers vom
Dezember des letzten Jahres unbegründet sind. Bereits
am 19. Januar 2011 hatte der damalige Bundesinnen-
minister, Thomas de Maizière, erstmalig entschieden,
dass mit sofortiger Wirkung für die Dauer eines Jahres
keine Überstellungen von Drittstaatsangehörigen nach
der sogenannten Dublin-Verordnung nach Griechenland
durchgeführt werden sollen. Das Bundesamt für Migra-
tion und Flüchtlinge wurde gebeten, entsprechend zu
verfahren. Deutschland macht in diesen Fällen von sei-
nem Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 3 Abs. 3 der Dublin-
II-Verordnung Gebrauch und führt die Asylverfahren in
Deutschland durch.
Auch vorher schon, bereits in 2009 und 2010, hat das
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge der schwieri-
gen Situation in Griechenland Rechnung getragen, in-
dem es bei besonders schutzbedürftigen Personen, zum
Beispiel für Minderjährige, für Flüchtlinge hohen Alters
oder für Flüchtlinge, bei denen Schwangerschaft, ernst-
hafte Erkrankungen, Pflegebedürftigkeit oder eine be-
sondere Hilfebedürftigkeit vorlagen, von seinem Selbst-
eintrittsrecht gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-Verordnung
sehr großzügig Gebrauch gemacht und von einer Über-
stellung nach Griechenland abgesehen hat. Hintergrund
der Entscheidung des Bundesinnenministers waren Be-
richte von Delegationsteilnehmern sowie von NGOs und
dem Hohen Flüchtlingskommissariat, die immer wieder
auf die chaotischen Zustände in Griechenland hinwie-
sen.
Dieses und vor allem die tatsächliche Entwicklung in
Griechenland haben das Bundesinnenministerium nun-
mehr veranlasst, erneut für ein Jahr von seinem Selbst-
eintrittsrecht gemäß der Dublin-II-Verordnung Gebrauch
zu machen. Trotz der geleisteten oder angebotenen Hilfe
herrschten und herrschen in den Flüchtlingslagern men-
schenunwürdige Zustände. Die griechische Regierung
ist nach wie vor nicht in der Lage und wohl auch nicht
willens, sich für eine deutliche Verbesserung der Lage
der Flüchtlinge einzusetzen. Zusätzlich soll mit dieser
Entscheidung des Bundesinnenministers auch zum Pro-
zess der Konsolidierung des griechischen Asylsystems
beigetragen werden.
Mit der Entscheidung des Bundesinnenministers, für die
Dauer eines Jahres keine Überstellungen von Drittstaats-
angehörigen nach der sogenannten Dublin-II-Verordnung
nach Griechenland durchzuführen und stattdessen von
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er Möglichkeit des Selbsteintrittsrechts Gebrauch zu
achen, haben sich Ihre Forderungen nach einer grund-
ätzlichen Aufhebung des in den §§ 27 a, 34 a Abs. 2 und
75 AsylVfG vorgesehenen Ausschlusses des vorläufi-
en Rechtsschutzes gegen Überstellungen nach Grie-
henland im Rahmen der Dublin-II-Verordnung erübrigt.
Eine grundsätzliche Einführung einer aufschieben-
en Wirkung von Rechtsbehelfen gegen Rücküberstel-
ngen brauchen wir nicht. Denn das in Art. 3 Abs. 3 der
ublin-II-Verordnung vorgesehene Instrument des Selbst-
intrittsrechts trägt der jetzigen Situation hinreichend
echnung. Wie die jetzige und vergleichbare Entschei-
ungen anderer Staaten zeigen, bietet die Dublin-Verord-
ung bereits in ihrer geltenden Fassung hinreichende
öglichkeiten, um auf außergewöhnliche Situationen zu
agieren. Und wir wollen sie auch nicht. Denn das Dub-
n-II-Abkommen war und ist der Garant dafür, dass wir
einen unkontrollierten und auch von uns nicht mehr zu
ewältigenden Asylbewerberstrom haben. Die grund-
ätzliche Einführung einer aufschiebenden Wirkung
ürde dieses System aushöhlen.
Ich betone deshalb noch einmal ausdrücklich, dass
ir mit der Entscheidung des Bundesinnenministers, für
ie Dauer eines Jahres keine Überstellungen von Dritt-
taatsangehörigen nach der sogenannten Dublin-II-Ver-
rdnung nach Griechenland vorzunehmen, nicht das Du-
lin-System als solches infrage stellen. Denn die auf
em Verantwortungsgrundsatz basierenden Zuständig-
eitsregelungen der Dublin-Verordnung und ihres Vor-
ängerabkommens haben sich in den über zehn Jahren
rer Anwendung bewährt. Das Dublin-System bietet die
arantie dafür, dass jeder auf dem Gebiet der teilneh-
enden Staaten gestellte Asylantrag auch tatsächlich ge-
rüft wird. Hierzu muss das System weiterhin zügige
ntscheidungen und Überstellungen in den zuständigen
taat ermöglichen.
Ich stimme mit den Kollegen und Kolleginnen von
ündnis 90/Die Grünen überein, dass wir ein menschen-
nwürdiges Dasein der Flüchtlinge, das gegen alle inter-
ationalen Standards verstößt, nicht dulden können.
eine Kollegen und ich haben deshalb im Dezember
ergangenen Jahres Griechenland aufgefordert, alle not-
endigen Maßnahmen zu ergreifen, um die menschen-
nwürdigen Bedingungen in den griechischen Auffang-
gern sofort zu beenden und die bereitstehenden Mittel
us dem Europäischen Flüchtlingsfonds zu beantragen
nd abzurufen, um die Situation schnellstmöglich zu
erbessern.
Griechenland erhält von uns jede erdenkliche Unter-
tützung, um schnellstmöglich ein funktionierende Asyl-
ystem aufzubauen. Eine grundlegende Veränderung in
nserem Rechtsschutz lehnen wir daher ab.
Reinhard Grindel (CDU/CSU): Der Antrag der Grü-
en ist alter Wein in neuen Schläuchen. Wir haben über
iesen Sachverhalt bereits im März des vergangenen
ahres debattiert. Und überraschenderweise hat sich an
en Argumenten auch nichts verändert. Das Urteil des
uropäischen Gerichtshofes vom 21. Dezember 2011,
uf das sich der Antrag der Grünen bezieht, hat wie
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 155. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Januar 2012 18691
(A) )
)(B)
schon ein früheres Urteil des Europäischen Gerichtsho-
fes für Menschenrechte im Falle von Deutschland keine
praktische Bedeutung.
Wie unsere Fraktion bereits bei der Debatte im letzten
Jahr deutlich gemacht hat, ist der Forderung der Grünen
der Boden entzogen.
Seit dem 19. Januar 2011 werden keine Drittstaatsan-
gehörigen mehr gemäß der Dublin-II-Verordnung nach
Griechenland überstellt. Deutschland macht in diesen
Fällen von seinem Selbsteintrittsrecht Gebrauch. Das be-
deutet: Die Asylverfahren werden in Deutschland durch-
geführt und nicht in Griechenland, weil dort nicht die
Gewähr für ein Verfahren nach rechtsstaatlichen Grund-
sätzen gegeben ist.
Mit dieser Entscheidung sollte gleichzeitig den Grie-
chen die Gelegenheit gegeben werden, ihr Asylsystem
dem eigentlich in Europa üblichen Standard anzunähern.
Wir als CDU/CSU haben gegenüber dem griechischen
Botschafter erst vor kurzem deutlich gemacht, dass wir
die Auffassung vertreten, dass Griechenland seine An-
strengungen insoweit noch erheblich verstärken muss.
Wir kritisieren nachhaltig, dass der von der griechischen
Seite der EU vorgelegte Aktionsplan für eine bessere
Bewältigung des Zustroms von Asylbewerbern und
Flüchtlingen noch nicht einmal ansatzweise in die Tat
umgesetzt wurde. Es ist unverantwortlich, dass Grie-
chenland angesichts der großen Solidarität, die es gerade
auch von Deutschland erfährt, seine gegenüber Brüssel
gemachten Versprechungen nicht einhält. So kann Soli-
darität in Europa nicht funktionieren!
Es ist auch ein Trugschluss der Griechen, wenn sie
glauben, durch die Dublin-Verordnung in besonderer
Weise benachteiligt zu sein. Das Gegenteil ist der Fall.
Obwohl der Dublin-Mechanismus in Bezug auf Grie-
chenland außer Kraft ist, reißt der Zustrom von Asylbe-
werbern, die über Griechenland in die EU kommen,
nicht ab. Dafür gibt es eine einfache Erklärung: Die
Asylbewerber wollen in Wahrheit ja gar nicht nach Grie-
chenland, sondern sie wollen in die wirtschaftlich star-
ken und sozial leistungsfähigen Länder wie Deutsch-
land, die Niederlande oder Dänemark. Die Schlepper
und Schleuser wissen allerdings sehr genau, dass ein
Asylbewerber, der nachweisen kann, über Griechenland
in die EU gekommen zu sein, eben gerade nicht in dieses
Land zurückgeschoben wird, sondern in seinem eigentli-
chen Zielland bleiben kann. Damit haben wir genau das
„Asyl-Shopping“ erreicht, was wir mit der Dublin-Ver-
ordnung gerade vermeiden wollten.
Für die Personen, die ansonsten nach Griechenland
zurückkehren müssten, ist also gesorgt. Eine grundsätzli-
che Einführung einer aufschiebenden Wirkung von
Rechtsbehelfen gegen Rücküberstellungen brauchen wir
nicht. Denn das Instrument des Selbsteintrittsrechts trägt
der jetzigen Situation ausreichend Rechnung. Eine sol-
che Maßnahme wäre auch im höchsten Maße politisch
gefährlich. Die Grünen legen mit dem Vehikel Griechen-
land in Wahrheit die Axt an ein Kernstück des von ihnen
immer abgelehnten Asylkompromisses aus dem Jahre
1993, der damals zu einer deutlichen Reduzierung des
Missbrauchs des Asylrechts geführt hat.
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Durch den Grundsatz, dass ein Drittstaatsangehöriger,
er bereits in einem anderen Land vor Verfolgung sicher
ar, auch in diesem Staat sein Asylverfahren durchfüh-
n muss, ist es uns in Deutschland gelungen, den unge-
teuerten Zustrom von Zuwanderern zu begrenzen.
urch das unmittelbare Recht auf Rückführung in den
achbarstaat hat endlich das unsägliche „Durchwinken“
on Asylbewerbern aufgehört, das bei vielen Transit-
taaten leider zu beobachten war. Nur durch den Dublin-
echanismus hatten diese Länder in den letzten Jahren
in Eigeninteresse an einer effizienten Kontrolle ihrer
renzen und einer zügigen Bearbeitung von Asylanträ-
en.
Auch Griechenland ist grundsätzlich ein sicherer EU-
taat für Flüchtlinge. Mit dem Selbsteintrittsrecht und
er Aussetzung von Rücküberstellungen wird ein Bei-
ag zur Konsolidierung und Entlastung der griechischen
sylbehörden geleistet. Griechenland muss jetzt handeln
nd nicht nur eine leistungsfähige Bürokratie für eine
chnelle Bearbeitung der Asylanträge aufbauen, sondern
uss auch für eine menschenwürdige Unterbringung der
sylsuchenden in der Zeit ihres Aufenthalts in Grie-
henland sorgen.
Im Augenblick muss aber kein Drittstaatsangehöriger
efürchten, den Unzulänglichkeiten des griechischen
sylsystems ausgesetzt zu sein. Im Übrigen sind die Ver-
ältnisse in allen anderen EU-Staaten und der Schweiz so
ngemessen, dass die Gültigkeit der Dublin-II-Verord-
ung in diesen Fällen vollständig erhalten bleiben kann.
ür den Antrag der Grünen gibt es wegen des Selbstein-
itts Deutschlands kein Bedürfnis, und er ist wegen der
olgewirkung, einer faktischen Außerkraftsetzung des
ewährten Asylkompromisses, sogar politisch gefähr-
ch.
Rüdiger Veit (SPD): Wenn ich jemals Zweifel an
en Berichten über die katastrophale Lage der Flücht-
nge in Griechenland hatte, so sind diese spätestens seit
er Delegationsreise des Deutschen Bundestages im
eptember letzten Jahres, deren Mitglied ich war, an die
rkisch-griechische Grenze der endgültigen Gewissheit
ewichen, dass die Lage der Flüchtlinge dort einfach
ntsetzlich ist: Die Menschen hausen in winzig kleinen
ellen, auf verschmutzten Matratzen ohne Warmwasser
nd Heizung. Die sanitären Anlagen sind eine Zumu-
ng: Abort und Dusche zugleich. Medizinische Versor-
ung fand nur dort statt, wo Mitglieder von „Ärzte ohne
renzen“ diese notdürftig leisteten.
Es geht mir nicht darum, mit dem Finger auf Grie-
henland zu zeigen. Dass Menschenrechte unteilbar
ind, haben wir hier an dieser Stelle am 15. Dezember
011 unmissverständlich und deutlich ausgesprochen
nd Griechenland dazu aufgefordert, die Situation der
lüchtlinge im eigenen Land umgehend zu verbessern.
Wir wissen, Griechenland hat schwerste wirtschaftliche
robleme zu meistern. Es hat eine Landgrenze mit der Tür-
ei und eine schwer kontrollierbare Seegrenze einschließ-
ch Hunderter Inseln. Und es liegt an der EU-Außengrenze.
o dient es jährlich 200 000 bis 300 000 Flüchtlingen als
intrittstor nach Europa. Und dies mit der Maßgabe, dass
18692 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 155. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Januar 2012
(A) )
)(B)
es niemandem die Weitereise nach Europa erlauben darf:
Griechenland ist ein sicherer Drittstaat im Sinne der Dub-
lin-II-Verordnung.
Statt Griechenland und die anderen Staaten an der
EU-Außengrenze mit den Flüchtlingen allein zu lassen,
müssen wir dringend für ein gerechtes Verteilungssys-
tem sorgen, dass die Flüchtlinge nach Quoten auf die
Mitgliedsländer verteilt.
Es ist aber vor allem unsere Verantwortung, Überstel-
lungen in ein Erstaufnahmeland gemäß Dublin II nicht
vorzunehmen, wenn uns nicht verborgen geblieben sein
konnte, dass systematische Mängel des Asylverfahrens
und der Aufnahmebedingungen in dem Erstaufnahme-
land für den Asylbewerber tatsächlich mit hoher Wahr-
scheinlichkeit zu einer unmenschlichen oder erniedri-
genden Behandlung im Sinne der Charta der Grund-
rechte der Europäischen Union führen könnten. Dies
stellt der Europäische Gerichtshof, EuGH, in seinem Ur-
teil vom 21. Dezember 2011 deutlich und unmissver-
ständlich klar. Damit bestätigte der EuGH die Richtung,
die schon der Europäische Gerichtshof für Menschen-
rechte, EGMR, zuvor vorgegeben hatte: vor der Rück-
führung muss es für einen Schutzsuchenden die Mög-
lichkeit einer rechtlichen Überprüfung mit auf-
schiebender Wirkung geben. Dies hat auch das Bundes-
verfassungsgericht in mehreren Eilentscheidungen, in
denen es die aufschiebende Wirkung eingelegter Rechts-
mittel gegen Rückführungen nach Griechenland auf-
grund einer „grundrechtskonformen Auslegung“ des
§ 34 a Abs. 2 Asylverfahrensgesetz bejaht hat, so gese-
hen. Ebenso urteilten verschiedene Verwaltungsgerichte
quer durch die gesamte Republik.
Die Forderung der Kolleginnen und Kollegen der
Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen ist die logische
Konsequenz aus der Entscheidung des Europäischen Ge-
richtshofs, des Europäischen Gerichtshofs für Men-
schenrechte, der deutschen Rechtsprechung, und es ist
auch unsere Überzeugung.
Ich empfehle, dem Antrag zuzustimmen.
Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP): Nicht zuletzt
aufgrund der Verhältnisse in Griechenland, des Urteils
des EGMR und nun auch des EuGH sowie der Verfas-
sungsgerichtsbeschlüsse zu Dublin II wegen muss über
das europäische Asylsystem weiter beraten und nachge-
dacht und das auch bei den anstehenden Verhandlungen
zum Ausdruck gebracht werden. Eine Nachjustierung er-
scheint erforderlich.
In diesem Zusammenhang plakativ von „menschen-
und europarechtswidrigen Bestimmungen des deutschen
Rechts“ zu sprechen, wie die Antragsteller das zum wi-
derholten Male tun, ist aber überzogen.
Ob tatsächlich das von Regierungen vereinbarte Eu-
roparecht, wie die Grünen das mutig behaupten, das Ver-
fassungsrecht, etwa des Parlamentarischen Rates in
Deutschland, bricht, darüber hat Karlsruhe sich bislang
nicht so eindeutig geäußert.
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Als Parlamentarier finde ich, dass Recht, das direkt
us einer demokratisch-parlamentarischen Willensbil-
ung entsteht, grundsätzlich Vorrang vor intergouverne-
entalen Vereinbarungen haben sollte. Da ist der demo-
ratische Einfluss mir denn doch zu indirekt. Insofern
ind Reformen zur Stärkung der parlamentarischen De-
okratie auf europäischer Ebene geboten.
Das Bundesministerium des Innern hat voriges Jahr
lle Überstellungen nach der Dublin-II-Verordnung nach
riechenland ausgesetzt. Hier hat der Bundesinnen-
inister die volle Unterstützung der FDP-Bundestags-
aktion. Damit wird die schwierige Situation berück-
ichtigt, die in Griechenland für Asylbewerber besteht.
ereits im Jahr 2010 war nur ein kleiner Anteil von Per-
onen überhaupt nach Griechenland überstellt worden;
den restlichen Fällen hatte die Bundesrepublik
eutschland bereits von ihrem Selbsteintrittsrecht Ge-
rauch gemacht.
Das Bundesverfassungsgericht hat als Reaktion auf
ie Aussetzung die Verfahren, die dort zur Geltendma-
hung einstweiligen Rechtsschutzes anhängig waren,
ingestellt. Es ist über die Notwendigkeit eines einstwei-
gen Rechtsschutzes also nicht entschieden worden.
an muss allerdings sagen, dass Deutschland angesichts
er bisherigen Situation des Rechtsschutzes bei Dublin-
-Verfahren noch Nachholbedarf hat. Hieran arbeiten
ir. Die Singularstellung in Europa ist nicht wirklich
hmreich.
Die Bundesregierung geht sehr verantwortungsvoll
it dem Rückführungsmechanismus um: Für ein Jahr
ind nun Rückführungen ausgesetzt; bereits im vergan-
enen Jahr wurden nur 50 Personen nach Griechenland
urückgeschoben, beim Rest wurde vom Selbsteintritts-
cht Gebrauch gemacht. Gleichzeitig können auch Staa-
n wie Griechenland nicht bevorzugt werden, wenn sie
ie Standards nicht einhalten: Der Druck muss aufrecht-
rhalten bleiben. Konkrete Hilfe hat die Bundesregierung
r die griechischen Behörden auch angeboten – hinsicht-
ch der menschenwürdigen und schnelleren Gestaltung
er Asylverfahren und der Rahmenbedingungen hierzu
t dieses ebenso wie zur stärkeren Grenzsicherheit von-
öten.
Die FDP wird in der Koalition mit der CDU/CSU die
sylpolitik weiterhin verantwortungsbewusst und sensi-
el entwickeln und die EU-Planungen konstruktiv be-
leiten. Der Schutz von Menschen in Not ist für uns ein
ohes Gut.
Ulla Jelpke (DIE LINKE): Wir beraten heute einen
ntrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, in dem die
iederherstellung des effektiven Rechtsschutzes in
sylverfahren gegen eine Zurücküberstellung in einen
nderen Mitgliedstaat der Europäischen Union gefordert
ird. 2007 wurde bekanntlich die aufschiebende Wir-
ung solcher Rechtsmittel gesetzlich ausgeschlossen.
ie Bundesregierung argumentiert, dass Gerichte unge-
chtet dessen in vielen Fällen vorläufigen Schutz gewäh-
n würden. In der Praxis erhalten Asylsuchende aller-
ings häufig erst kurz vor oder sogar während ihrer
berstellung in den zuständigen Mitgliedstaat die Mit-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 155. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Januar 2012 18693
(A) )
)(B)
teilung über die anstehende Überstellung. Faktisch ist ih-
nen dann die Anrufung eines Gerichts gar nicht mehr
möglich, wenn sie bereits auf der Gangway zum Flug-
zeug stehen. Diese massive Einschränkung des Rechts-
schutzes in Überstellungsverfahren wurde von der Frak-
tion Die Linke im Bundestag schon immer scharf
kritisiert. Die CDU/CSU verteidigt diese Regelung je-
doch als Herzstück des Asylkompromisses von 1993.
Von ihr wird immer wieder in schillernden Farben die
drohende Flut von Asylsuchenden an die Wand gemalt.
Das ist eine populistische Stimmungsmache, die wir klar
zurückweisen.
Die Bundesrepublik hat mit dem Dubliner Überein-
kommen ihre sogenannte Drittstaatenregelung erfolg-
reich exportiert. Asylsuchende müssen in der EU dort ihr
Asylverfahren betreiben, wo sie zuerst die EU betreten
haben. Die Harmonisierung des Asylrechts hat bislang
jedoch noch nicht dazu geführt, dass in allen EU-Staaten
auch nur annähernd gleiche Standards in den Asylver-
fahren gelten und es eine menschenwürdige Unterbrin-
gung und Versorgung der Schutzsuchenden gibt, im Ge-
genteil. Beispiele gibt es zuhauf. In Griechenland und
Italien herrschen zum Teil unmenschliche Zustände in
den Aufnahmeeinrichtungen, viele Schutzsuchende und
selbst anerkannte Flüchtlinge leben auf der Straße. Asyl-
anträge werden pauschal abgelehnt oder gar nicht erst
angenommen. Auch in Ungarn wächst die Kritik an den
Zuständen im Asylsystem, so haben beispielsweise
Asylsuchende aus Syrien keine Chance auf Anerken-
nung – selbst wenn sie aus der Armee desertiert sind und
ihnen bei der Rückkehr sogar die Todesstrafe droht.
Vor diesem Hintergrund hat der Europäische Ge-
richtshof im Dezember eine wichtige und bahnbre-
chende Entscheidung getroffen. Die EU-Staaten dürfen
nach dieser Entscheidung nicht mehr pauschal davon
ausgehen, dass alle anderen Mitgliedstaaten die Grund-
rechte von Asylsuchenden achten. Ein Asylbewerber
dürfe nicht in einen anderen EU-Staat überstellt werden,
wenn ihm dort unmenschliche Behandlung droht. Der
Europäische Gerichtshof schließt sich damit einer
Grundsatzentscheidung des Europäischen Gerichtshofs
für Menschenrechte an, der Belgien wegen der Überstel-
lung eines irakischen Asylsuchenden nach Griechenland
verurteilt hatte. Bereits der Europäische Gerichtshof für
Menschenrechte hatte den ungenügenden Rechtsschutz
in solchen Überstellungsverfahren kritisiert. Nach dieser
Entscheidung des EuGH ist der viel beschworene Asyl-
kompromiss bereits obsolet. Die unwiderlegliche An-
nahme „sicherer Staaten“ und der Ausschluss effektiven
Rechtsschutzes ist mit EU-Recht unvereinbar – Punk-
tum.
Eine Änderung des deutschen Asylverfahrensrechts
ist nach der Entscheidung des EuGH mehr als überfällig.
Die Bundesregierung hat aber bislang immer noch nicht
erklärt, wie sie mit diesem Urteil umgehen will. Ich
weise darauf hin, dass die Urteile des EuGH bindendes
Recht in allen Staaten sind. Auch jetzt schon müssen
also die Behörden prüfen, ob bei einem Dublin-Fall die
Gefahr besteht, dass die Grundrechte eines Betroffenen
bei einer Rücküberstellung verletzt werden. Diese Über-
prüfung muss auch durch Gerichte durchgeführt werden
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önnen, und dafür muss der Ausschluss von vorläufigem
echtsschutz in Dublin-Verfahren gesetzlich wieder in
ollem Umfang hergestellt werden. Die Linke schließt
ich in diesem Sinne der Forderung der Grünenfraktion
n, die Bundesregierung zur Vorlage eines entsprechen-
en Gesetzentwurfes aufzufordern.
Die Bundesregierung muss aber auch darüber hinaus
ktiv werden. In den Verhandlungen über die Neufas-
ung der Asylverfahrensrichtlinie der EU muss ebenfalls
in Rechtsschutz für Asylbewerber in Dublin-Verfahren
erankert werden. Darüber hinaus muss das ganze Asyl-
ystem der EU grundsätzlich neu geordnet werden, um
as Hin- und Herschieben von Schutzsuchenden zu be-
nden und allen Asylbewerbern in der EU ein faires
sylverfahren und eine menschenwürdige Aufnahme zu
arantieren.
Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
EN): Im vorliegenden Antrag geht es zum einen um
ine dringend notwendige Verbesserung des Rechts-
chutzes für Flüchtlinge und zum anderen um eine zu-
ünftig stärkere Verpflichtung der Bundesrepublik zur
ürdigung des Einzelschicksals eines jeden Flüchtlings,
oran die Bundesregierung peinlicherweise erst durch
uropäische Gerichte erinnert werden musste.
In einem Urteil vom 21. Dezember 2011 in den ver-
undenen Rechtssachen C-411/10 und C-493/10 hat der
erichtshof der Europäischen Union unmissverständlich
largestellt, dass ein Asylbewerber nicht in einen Mit-
liedstaat überstellt werden darf, in dem er Gefahr läuft,
nmenschlich behandelt zu werden. Der EuGH hat fer-
er entschieden: Das Unionsrecht lässt keine unwider-
gbare Vermutung zu, dass die Mitgliedstaaten die
rundrechte der Asylbewerber beachten. Der Gerichts-
of stellte fest, eine Anwendung der Dublin-II-Verord-
ung (EG 343/2003) auf der Grundlage einer unwider-
gbaren Vermutung, dass die Grundrechte des Asyl-
ewerbers im zuständigen Mitgliedstaat beachtet wer-
en, ist mit der Pflicht der Mitgliedstaaten zur grund-
chtskonformen Auslegung und Anwendung der Ver-
rdnung unvereinbar.
Zuvor hatte bereits der Europäische Gerichtshof für
enschenrechte in einer Grundsatzentscheidung vom
1. Januar 2011 im Verfahren M.S.S. (Beschwerde-Nr.
096/09) aus Art. 3 in Verbindung mit Art. 13 der Euro-
äischen Menschenrechtskonvention die Verpflichtung
er Vertragsstaaten abgeleitet, vor einer Überstellung an
en zuständigen Mitgliedstaat im Rahmen einer Einzel-
llprüfung die Einhaltung der aus Art. 3 EMRK folgen-
en Verpflichtungen durch den zuständigen Mitglied-
taat zu prüfen. Art. 13 EMRK – in Verbindung mit
rt. 3 EMRK – sei dann verletzt, wenn es vor einer
berstellung für den Betroffenen keine Möglichkeit
ibt, gegen die Entscheidung, ihn in einen anderen Mit-
liedstaat zu überstellen, wirksame Rechtsmittel einzu-
gen.
Schon die Entscheidung des EGMR hat unmittelbare
nd weitreichende Folgen für den Rechtsschutz im Asyl-
erfahren in Deutschland. Denn die deutsche Regelung,
onach die aufschiebende Wirkung von Rechtsmitteln
18694 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 155. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Januar 2012
(A) )
)(B)
gegen eine Dublin-Überstellung ausgeschlossen ist, ist
mit der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht
vereinbar. Das bedeutet im Klartext: Ein automatische
Rücküberstellung eines Asylbewerbers, ohne dass sich
ein Gericht mit den Verhältnissen in dem anderen Mit-
gliedsland befasst, ist nicht im Einklang mit EU-Recht.
Der deutsche Gesetzgeber muss nunmehr endlich den
Weg frei machen und durch eine Gesetzesänderung ge-
währleisten, dass Schutzsuchenden ein effektiver
Rechtsschutz gegen eine Abschiebung in einen anderen
EU-Mitgliedstaat gewährt wird.
Um auch dies klarzustellen: die Entscheidung des
EuGH bezieht sich auf alle Mitgliedstaaten der Europäi-
schen Union – nicht nur auf Griechenland. Wenn nun
also die Bundesregierung, wie gestern im Innenaus-
schuss vorgetragen, sich in ihrer Haltung bestätigt fühlt,
weil sie keine Asylbewerber mehr im Rahmen des Dub-
lin-II-Verfahrens nach Griechenland zurücküberstellt,
dann ist dies viel zu kurz gegriffen, was die Dimension
der Entscheidung des EuGH angeht. Es geht also auch
um systemische Missstände in den Asylverfahren und
der Anerkennungspraxis anderer EU-Mitgliedstaaten
wie zum Beispiel Ungarn, wo ein diktatorischer Folter-
staat wie Syrien als „sicheres Herkunftsland“ eingestuft
ist – unfassbar! –, oder Bulgarien, wo Asylsuchende un-
ter unwürdigen Bedingungen inhaftiert werden, bloß
weil sie einen Asylantrag stellen wollen.
Für den deutschen Gesetzgeber ergibt sich aus den
Urteilen des EuGH und des EGMR ein klarer Auftrag:
§ 34 a des Asylverfahrensgesetzes ist zu streichen. Nach
diesem Paragrafen ist in Deutschland bis heute per Ge-
setz der einstweilige Rechtsschutz bei sogenannten Dub-
lin-Überstellungen untersagt. Dieser unionsrechtswid-
rige Zustand muss mit dem EuGH-Urteil nun beendet
werden.
Seit den mit dem 1. EU-Richtlinienumsetzungsgesetz
2007 eingeführten Änderungen wurde über § 34 a Abs. 2
Asylverfahrensgesetz der einstweilige Rechtsschutz ge-
gen Entscheidungen im Verfahren nach der Dublin-II-
Verordnung generell ausgeschlossen. Vom Ausland aus
kann ein effektiver Rechtsschutz vor deutschen Verwal-
tungsgerichten aber nicht greifen. Ein Rechtsbehelf ist
nur dann wirksam, wenn irreparable Folgen, wie sie
durch die sofortige Vollziehung einer hoheitlichen Maß-
nahme vor deren gerichtlicher Überprüfung eintreten
können, so weit wie möglich ausgeschlossen werden
können.
Die große Mehrheit der Verwaltungsgerichte setzt
sich zwar seit einiger Zeit in Verfahren des einstweiligen
Rechtsschutzes gegen Abschiebungsanordnungen des
Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, BAMF,
über den Wortlaut des § 34 a Abs. 2 Asylverfahrensge-
setz hinweg. Zur Begründung wird von den Gerichten
ausgeführt, die Bestimmung des § 34 a Abs. 2 Asylver-
fahrensgesetz sei verfassungskonform dahingehend aus-
zulegen, dass sie entgegen ihrem Wortlaut die Gewäh-
rung einstweiligen Rechtsschutzes im Zusammenhang
mit geplanten Abschiebungen auf der Grundlage der
Dublin-II-Verordnung nicht generell verbiete.
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Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat
der Entscheidung M.S.S. gegen Belgien und Grie-
henland festgestellt, dass ein Schutzsuchender in jedem
all vor einer Rückführung in einen anderen EU-Mit-
liedstaat die Möglichkeit einer effektiven rechtlichen
berprüfung mit aufschiebender Wirkung haben muss.
ine solche Möglichkeit gibt es aber nach geltendem
eutschen Recht nicht. Die Fraktion Bündnis 90/Die
rünen hatte daher am 23. Februar 2011 auf Drucksache
7/4886 einen Antrag eingebracht, mit dem die Bundes-
gierung aufgefordert wurde, die deutsche Rechtslage
en Vorgaben der Europäischen Menschenrechtskonven-
on anzupassen. Dieser Antrag wurde bedauerlicher-
eise von den Koalitionsfraktionen abgelehnt.
Der Gerichtshof der Europäischen Union hat nun-
ehr die vom EGMR vorgegebene Richtung bestätigt.
r hat entschieden, Art. 4 der Charta der Grundrechte
er Europäischen Union sei dahingehend auszulegen,
ass es den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen
erichte obliege, einen Asylbewerber nicht an einen
itgliedstaat zu überstellen, in dem er Gefahr läuft, un-
enschlich behandelt zu werden. Eine unwiderlegbare
ermutung – wie sie auch im deutschen Recht enthalten
t –, dass die Mitgliedstaaten die Grundrechte der Asyl-
ewerber beachten, verwirft der EuGH ausdrücklich. So-
it ist jeder vertretbaren Behauptung eines von der
berstellung an den zuständigen Mitgliedstaat betroffe-
en Asylsuchenden, dort bestehe für ihn eine konkrete
efahr, einer Art. 3 EMRK zuwiderlaufenden Behand-
ng ausgesetzt zu werden, in einem summarischen Eil-
chtsschutzverfahren nachzugehen.
Das Unionsrecht enthält für alle Mitgliedstaaten ver-
indliche Normen und Handlungsanweisungen, welche
ntgegenstehendes nationales Recht – einschließlich des
erfassungsrechts – verdrängt. Nach der Klarstellung
urch den EuGH, dass das Unionsrecht keine unwider-
gliche Vermutung der Sicherheit der Mitgliedstaaten
ennt, dürfen § 27 a und § 34 a Asylverfahrensgesetz
icht mehr angewandt werden.
Es erscheint daher dringend geboten, die menschen-
nd europarechtswidrigen Bestimmungen des deutschen
echts aufzuheben und im deutschen Recht effektiven
echtsschutz gemäß der Europäischen Menschenrechts-
onvention und unionsrechtlichen Vorgaben festzu-
chreiben.
nlage 12
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Entwurfs eines Vierzehnten
Gesetzes zur Änderung des Luftverkehrsgeset-
zes (Tagesordnungspunkt 17)
Peter Wichtel (CDU/CSU): Nachdem wir in der
tzten Sitzungswoche vor dem Jahreswechsel den vor-
egenden Gesetzentwurf der Bundesregierung in erster
esung beraten haben, kommen wir heute nach der Aus-
prache im federführenden Ausschuss für Verkehr, Bau
nd Stadtentwicklung zur zweiten und dritten Lesung
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 155. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Januar 2012 18695
(A) )
)(B)
sowie zur Abstimmung über das Vierzehnte Gesetz zur
Änderung des Luftverkehrsgesetzes wieder zusammen.
Auch mehrere Wochen nach der ersten Debatte im Ple-
num bin ich noch immer davon überzeugt, dass der Ent-
wurf die nachhaltige und verantwortungsbewusste Luft-
verkehrspolitik der Bundesregierung in besonderem
Maße widerspiegelt, da die Interessen aller Akteure im
Feld der Luftfahrt – seien es Passagiere, Beschäftigte,
die Unternehmen der Luftverkehrswirtschaft oder auch
Privatpersonen, die in der Sportluftfahrt engagiert sind –
Berücksichtigung finden.
Ich will zudem vorwegnehmen, dass die hauptsächli-
che Zielsetzung des vorliegenden Entwurfes – die An-
passung der bisher in der Bundesrepublik geltenden na-
tionalen Regelung bezüglich der Flughafenentgelte und
deren Festsetzung an die Vorgabe der EU-Richtlinie
2009/2012/EG aus dem März 2009 – vollends erfüllt
wurde. Die Bundesregierung hat die überaus komplexe
Aufgabe der seitens der EU geforderten Umsetzung der
Flughafenentgeltrichtlinie in deutsches Recht überaus
angemessen gelöst. Auch wenn sich mit den Flughafen-
betreibern und den Luftverkehrsunternehmen als Flug-
hafennutzer bezüglich der Berechnung der Flughafen-
entgelte zwei starke unabhängige Parteien mit jeweils
eigenen wirtschaftlichen Interessen gegenüberstehen, ist
es gelungen, die Interessen beider Partner sorgfältig und
ausbalanciert zu berücksichtigen.
Dank der inhaltlich stimmigen Ausarbeitung des Ge-
setzentwurfes waren auch in den weiteren parlamentari-
schen Beratungen keine maßgeblichen Änderungen
mehr notwendig. Das vorliegende Luftverkehrsände-
rungsgesetz beinhaltet bereits eine angemessene und
nachvollziehbare Regelung bezüglich der Entgelte und
deren Festsetzung. Es verankert die allgemeinen Grund-
sätze der Entgelterhebung wie Transparenz und Diskri-
minierungsfreiheit und gewährt Flughäfen mit mehr als
5 Millionen jährlichen Fluggastbewegungen zudem ei-
nige Sonderbestimmungen. So wird beispielsweise die
Durchführung eines obligatorischen Konsultationsver-
fahrens zwischen Flughafenunternehmern und -nutzern
eingeführt. Zudem werden die für die bezüglich der Ge-
nehmigung der Entgeltordnung zuständigen Landesbe-
hörden verpflichtet, zu prüfen, ob eine Orientierung an
einer effizienten Leistungserstellung erkennbar ist.
Weiterhin gilt es auch heute erneut hervorzuheben,
dass sich die Bundesregierung bei der Umsetzung der
Richtlinie weitestgehend an den Vorgaben aus Brüssel
orientiert hat und nicht über die Anforderungen der EU-
Richtlinie hinausgegangen ist. So ist gewährleistet, dass
kein unnötiger bürokratischer Aufwand etabliert wird.
Ursprüngliche Überlegungen wie die Einführung einer
zentralen Regulierungsbehörde, der Verzicht auf die
Wahlfreiheit des Geschäftsmodells oder die Ausdehnung
des Anwendungsbereichs auch auf kleinere Flughäfen
und Flugplätze mit weniger als fünf Millionen Fluggast-
bewegungen jährlich wären deutlich über die eigentli-
chen Anforderungen der EU-Richtlinie hinausgegangen
und einer angemessenen und ausbalancierten Umsetzung
der Flughafenentgelte sicher nicht dienlich gewesen.
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Die wenigen Änderungen, welche die Koalitionsfrak-
onen in der Aussprache noch angeregt haben, sind
auptsächlich redaktionellen Charakters. Einzig die Kor-
ktur bezüglich der Antragsfrist für die Genehmigung
er Entgeltordnung will ich an dieser Stelle hervorhe-
en. Das Vorziehen der ursprünglich geplanten Frist von
ier auf bis spätestens fünf Monate vor dem Inkrafttreten
er beabsichtigten Entgeltordnung soll den notwendigen
eitraum der Genehmigungsbehörde für die Durchfüh-
ng des erforderlichen Verfahrens erweitern.
Darüber hinaus gilt es, auch die Thematik der unbe-
annten Luftfahrtsysteme, UAS, gesondert zu erwähnen.
a beim Betrieb von mit Kameras bestückten UAS da-
nschutzrechtliche Aspekte berührt sein können, haben
ir auf Empfehlung des Bundesbeauftragten für den Da-
nschutz und die Informationssicherheit Peter Schaar si-
hergestellt, dass eine Erlaubnis nur erteilt werden darf,
enn im Fall des Aufstiegs von UAS nach § 16 Abs. 1
r. 7 LuftVO das Recht auf informationelle Selbstbe-
timmung nicht verletzt wird. Auch wenn die Erlaubnis-
rteilung bereits nach geltendem Recht gemäß § 16
bs. 4 Satz LuftVO nur möglich ist, wenn die beabsich-
gte Nutzung nicht zu einer Gefahr für die Sicherheit des
uftverkehrs oder die öffentliche Ordnung führen kann,
orgt diese Ergänzung für eine Klarstellung und Rechtssi-
herheit.
Abschließend lässt sich zusammenfassen, dass wir
ns in der parlamentarischen Beratung verantwortungs-
ewusst und ergebnisoffen mit dem Gesetzentwurf der
undesregierung auseinandergesetzt und dabei einige
leinere Korrekturen angeregt haben. So konnten wir
en angemessenen und ausbalancierten Entwurf des
ierzehnten Gesetzes zur Änderung des Luftverkehrsge-
etzes noch weiter verbessern, was auch im Ausschuss
r Verkehr, Bau und Stadtentwicklung mit geschlosse-
er, fraktionsübergreifender Zustimmung zum Ände-
ngsantrag von CDU/CSU und FDP gewürdigt wurde.
icht nur vor diesem Hintergrund werden wir auch
eute in der abschließenden Beratung dem Gesetzent-
urf gemeinsam mit den eingebrachten Änderungen der
oalitionsfraktionen ausdrücklich zustimmen.
Daniela Ludwig (CDU/CSU): Nachdem kurz vor
eihnachten das Gesetz in den Bundestag eingebracht
urde, sind wir heute hier, um es zu verabschieden. Die
4. Änderung des Luftverkehrsgesetzes bringt einiges an
euem mit. In den Fachausschüssen wurde daran gear-
eitet, und wir sind froh und zufrieden, Ihnen heute ein
esetz zur Abstimmung geben zu können, das aus unse-
r Sicht abgerundet und ausgewogen ist, um jetzt umge-
etzt werden zu können. Zusammen mit dem Ände-
ngsantrag – da waren wir uns im Ausschuss weit-
ehend einig – kann man diesem Gesetz guten Gewis-
ens zustimmen. Viel mussten wir nicht mehr ändern,
enn der Entwurf, den uns die Bundesregierung vorge-
gt hatte, war schon sehr gut ausgearbeitet.
Zudem kommen wir heute unserer Verpflichtung
ach, die Richtlinie 2009/2012/EG des Europäischen
arlaments und des Rates vom 11. März 2009 über Flug-
18696 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 155. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Januar 2012
(A) )
)(B)
hafenentgelte nun endlich umzusetzen. Das wurde auch
Zeit, wir sind spät dran.
Es herrscht Einhelligkeit, was die Lösung des Haupt-
anliegens betrifft, nämlich die Einigung bei den Flugha-
fenentgelten. Ein sehr positiver Dialog zwischen den Be-
teiligten im Luftverkehr über die angemessene Aus-
gestaltung nun auch in Deutschland wird jetzt beendet.
Alle beteiligten Akteure, die Flughafengesellschaften,
die deutsche Luftverkehrsindustrie und die Airlines se-
hen ihre Interessen ausreichend berücksichtigt und sind
mit der vorliegenden Lösung zufrieden. Dann können
auch wir zufrieden sein.
Für Flughäfen mit jährlich mehr als 5 Millionen Flug-
gastbewegungen werden nun für die Nutzung der Ein-
richtungen und Dienstleistungen, die ausschließlich von
Flughafenbetreibern bereitgestellt werden und mit Lan-
dung, Start, Beleuchtung und Abstellen von Flugfahr-
zeugen sowie mit der Abfertigung von Fluggästen und
Fracht in Zusammenhang stehen, Entgelte erhoben, die
zudem eine Differenzierung nach Lärmschutzgesichts-
punkten und nach Schadstoffemissionen vorsehen. So
weit, so gut. Weil aber die Bundesregierung in diesem
Gesetz auch noch einige andere Punkte regelt, hat es
doch zu kleineren Diskussionen geführt, die sich auch in
der Presse wiederfanden. Dabei geht es zum Beispiel um
die von mir schon in der ersten Lesung erwähnten unbe-
mannten zivilen Luftfahrzeugsysteme, die jetzt als eine
neue Kategorie von Luftfahrzeugen eingeführt werden.
Dabei darf man aber nicht denken, dass es diese vorher
noch nicht gegeben hätte. Im Gegenteil. Es gibt auch
schon jetzt unbemannte Luftfahrzeugsysteme, die nach
einer entsprechenden Prüfung und Genehmigung starten
dürfen und ihre Aufgaben erledigen. Mit der aktuellen
Regelung werden sie nun als Fahrzeug eingeführt und
erhalten somit eine viel besser zu kontrollierende Stel-
lung in unserem Luftraum.
Uns geht es da in erster Linie um die technischen Vo-
raussetzungen und nicht um die Zwecke, zu denen sie
eingesetzt werden. Daher sieht das Gesetz auch vor, dass
die Zulassung dieser Geräte in einem gestuften Verfah-
ren erfolgen soll. Die nähere Spezifikation und die Fest-
legung der erforderlichen technischen Parameter sollen
dann in einem zweiten Schritt der Verwaltung überlassen
werden.
Zudem wird die Bundesregierung auch zeitnah die
Kleine Anfrage der Fraktion der Grünen beantworten
und in einem Bericht darüber Auskunft geben, mit wel-
chen Zahlen von Zulassungen wir wohl zu rechnen ha-
ben. Man darf nicht vergessen, dass die Bundesländer
ebenfalls eine nicht unerhebliche Rolle einnehmen.
Dann wird das Argument der Datensicherheit und des
Datenschutzes herangezogen. Der Datenschutzbeauf-
tragte hat dazu Stellung genommen. Dies wurde zwar im
ursprünglichen Gesetzentwurf schon thematisiert, aber
mit dem nun vorliegenden Änderungsantrag wird es
noch einmal konkretisiert. Die vorgenommene Ergän-
zung von § 16 Abs. 4 Satz 1 LuftVO soll sicherstellen,
dass eine Erlaubnis für diese Flugobjekte nur dann erteilt
werden darf, wenn im Fall des Aufstiegs nach § 16
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bs. 1 Nr. 7 die Vorschriften betreffend den Datenschutz
icht verletzt werden.
Das klingt eigentlich nicht so kompliziert, und ich bin
ehr zuversichtlich, dass in der Umsetzung auch die da-
nschutztechnische Seite bei der Nutzung dieser Flug-
örper und ihrer sicherlich auch sehr nützlichen Arbeit
ingehalten werden können. Gleiches gilt ja bereits für
ndere Luftfahrzeuge wie Hubschrauber, aus dem eben-
lls Foto- oder Filmaufnahmen gemacht werden kön-
en.
Ich weiß auch gar nicht, warum Sie sich so gegen
iese Einsätze wehren. Schon in meiner ersten Rede zu
iesem Thema bin ich kurz darauf eingegangen: Es gibt
o viele Tätigkeitsfelder, in denen solche unbemannten
lugkörper wunderbar eingesetzt werden können, um
enschen das Leben und Arbeiten zu erleichtern. Un-
ere Forscher, Landvermesser, Geologen würden sicher
iniges an Zeit und Aufwand einsparen, könnten sie ihre
aten auf diese Weise erlangen. Doch die Einsatzfelder
ind eigentlich nicht unser Thema. Auch der Daten-
chutz ist Sache des Innenausschusses. Wir kümmern
ns hier um die verkehrstechnische Seite.
Ich sage an dieser Stelle: Ich persönlich habe keine
inwände dagegen, wenn diese Objekte zur Überwa-
hung von Gefahrensituationen verwandt werden. Dazu
ählt für mich durchaus auch der Nutzen durch die Poli-
ei in entsprechenden Situationen. Doch natürlich – ich
chne hier mit Ihrem Einspruch – muss bei solchen Ein-
ätzen der Datenschutz gewahrt werden. Das traue ich
nseren Behörden durchaus zu.
Kirsten Lühmann (SPD): Die Bundesregierung hat
inen Gesetzentwurf zur 14. Änderung des Luftver-
ehrsgesetzes vorgelegt. Diesen Entwurf behandeln wir
eute abschließend in zweiter und dritter Lesung. Hin-
rgrund dieses Gesetzentwurfs ist die Umsetzung der
U-Richtlinie 2009/2012/EG in deutsches Recht. Die
ichtlinie ist am 15. März 2009 in Kraft getreten. Mit
ieser Richtlinie verpflichtet Europa die Mitgliedstaaten
uf gemeinsame Regeln zur Festlegung von Flughafen-
ntgelten.
Flughafenentgelte sind Entgelte, die Flughafenbetrei-
er für das Starten und Landen, das Abstellen von Luft-
hrzeugen sowie für die Abfertigung von Fluggästen
nd die Benutzung von Fluggasteinrichtungen erheben.
it Verabschiedung dieses Gesetzentwurfs werden Ent-
elte nun auf Flughäfen mit jährlich mehr als 5 Millio-
en Fluggastbewegungen nach klaren gemeinsame Kri-
rien festgelegt, und kein Anbieter kann mehr dis-
riminiert werden.
Es wird EU-weit gemeinsame Standards zum zeitli-
hen Ablauf, Inhalt und Umfang der Konsultationen
wischen Flughäfen und Fluggesellschaften zu den Ent-
elten geben sowie Regelungen zum weiteren Verfahren
r den Fall, dass es in den Konsultationen zu keiner Ei-
igung über die Höhe der Entgelte gekommen ist.
Während des vorangegangenen parlamentarischen Ver-
hrens haben wir den vorliegenden Gesetzentwurf ge-
rüft und gemeinsam im federführenden Verkehrsaus-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 155. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Januar 2012 18697
(A) )
)(B)
schuss diskutiert. Die SPD-Bundestagsfraktion ist zu dem
Ergebnis gekommen: Wir begrüßen die Umsetzung der
Richtlinie bezüglich der Flughafenentgelte ausdrücklich.
Sie ist sinnvoll und wird von uns mitgetragen.
Wir wissen, dass die Verhandlungen im Vorfeld des
Gesetzentwurfs sehr schwierig waren, da der Flughafen-
markt hart umkämpft ist. Den mittelständischen Flugha-
fenunternehmen auf der Angebotsseite stehen maßgeb-
lich zwei große Luftverkehrsunternehmen in Deutsch-
land auf der Nachfrageseite gegenüber. Mit dem Gesetz-
entwurf ist es der Bundesregierung jedoch gelungen, die
Interessen beider Seiten sorgfältig und ausgewogen im
Rahmen der EU-Richtlinie aufeinander abzustimmen.
Die Bundesregierung hat sich weitestgehend an den Vor-
gaben aus Brüssel orientiert und ist nicht über die Anfor-
derungen der EU-Richtlinie hinausgegangen.
Die im Entwurf festgelegte Differenzierung der Ent-
gelte nach Lärmschutz- und emissionsabhängigen Krite-
rien begrüßen wir. Damit wird es in Zukunft einen finan-
ziellen Anreiz geben, statt lauten, klimaschädlichen
Flugzeugen leise, emissionsarme Flugzeuge einzusetzen.
Bundeseinheitliche Kriterien für die Einführung lärm-
abhängiger Start- und Landegebühren – wie es etwa die
Fraktion der Grünen gefordert hat – finden wir nicht er-
forderlich. Wir wollen keine weitere Regulierung. Es be-
darf maßgeschneiderter Lösungen, die auf den jeweili-
gen Flughafen zugeschnitten sind. Wir fordern jedoch,
die Erfahrungen mit den vorgesehenen Regelungen zur
Einbeziehung ökologischer Kriterien nach einem Jahr zu
evaluieren.
Außerdem sollen mit diesem Gesetzentwurf die Ver-
braucherschutzbestimmungen aus der Verordnung (EG)
Nr. 1008/2008 des Europäischen Parlaments und des Ra-
tes vom 24. September 2008 über gemeinsame Vor-
schriften für die Durchführung von Luftverkehrsdiensten
der Gemeinschaft umgesetzt werden. Mit dieser neuen
Regel soll der Preisdschungel im Luftverkehr gelichtet
werden: Das war notwendig und wird in Zukunft trans-
parenter geregelt werden. Alle Kunden sollen wissen,
wie sich ihr Preis zusammenstellt, kostenpflichtige Zu-
satzleistungen müssen als solche kenntlich gemacht wer-
den. Das Angebot muss für alle in gleicher Weise zu-
gänglich und vergleichbar sein, sowohl für Online-
kunden als auch für Kunden, die ihren Flug im Reise-
büro buchen.
Zudem sollen unbemenschte Luftfahrtsysteme als ei-
gene Kategorie von Luftfahrzeugen und nicht mehr unter
dem Sammelbegriff „andere Luftfahrzeuge“ berücksich-
tigt werden. In dem vorliegenden Gesetzentwurf zum
Luftverkehrsgesetz geht es damit lediglich um die Zulas-
sung von unbemenschten Luftfahrtsystemen unter ver-
kehrsrechtlichen Gesichtspunkten, nicht um die Frage
der möglichen Einsatzzwecke. Mögliche Einsatzzwecke
von Drohnen werfen zweifelsfrei erhebliche daten-
schutzrechtliche Probleme auf. Diese sind allerdings in
den einschlägigen Spezialgesetzen zu lösen.
Wir sind der Ansicht, dass den Bedenken des Bundes-
beauftragten für den Datenschutz und die Informations-
freiheit hinsichtlich dieser Regelung mit dem Änderungs-
antrags der Bundesregierung ausreichend Rechnung
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etragen werden. Den Änderungsantrag der Fraktion Die
inke lehnen wir ab.
Wir begrüßen außerdem die Zusage der Bundesregie-
ng, bis Ostern einen Bericht zu den aktuellen Zahlen
nd Verwendungszwecken unbemenschter Flugkörper
ur Verfügung zu stellen. Mit diesen Angaben kann der
uständige Innenausschuss über datenschutzrechtliche
spekte beraten. Bei der Erteilung von Einzelfluggeneh-
igungen müssen schon heute datenschutzrechtliche
estimmungen eingehalten werden. In der jetzigen Pra-
is werden Drohnen auch als kostengünstige Variante
um Schutz von Menschen und wichtigen Sachgütern
ingesetzt wie zum Beispiel in der Brandbekämpfung.
en Änderungsantrag der Fraktion Die Linke, jeglichen
insatz von Drohnen sofort zu verbieten, halten wir da-
er für nicht sachgerecht.
Wir unterstützen den geänderten Entwurf der Bundes-
gierung zur 14. Änderung des Luftverkehrsgesetzes.
Herbert Behrens (DIE LINKE): Die Änderung des
uftverkehrsgesetzes ist notwendig, weil die EU-Richt-
nie in nationales Recht umgesetzt werden muss. Das ist
in ganz normaler Vorgang. Aber es soll eine weitere
nderung ins Gesetz geschrieben werden, die nicht
wingend heute beschlossen werden muss. Drohnen, im
esetzestext beschönigend Unmanned Aircraft Systems,
AS, genannt, sollen nun Teil des regulären Flugver-
ehrs werden. Drohnen sind nicht Teil der Flughafenent-
elte-Richtlinie, und die gesetzliche Regelung ist aus-
rücklich gedacht als Erweiterung der Möglichkeit,
rohnen zu testen und die (Markt-)Entwicklung zu för-
ern.
Die notwendige öffentliche Debatte zu Drohnen hat
isher nicht stattgefunden. Wir haben große Sorge, dass
ie Überwachung durch Behörden mit Drohnen zukünf-
g noch leichter wird. Davor schützt auch die Änderung
ur Frage Datenschutz nicht, die auf Intervention des
undesdatenschutzbeauftragten Peter Schaar aufgenom-
en worden ist. Ist das Luftverkehrsgesetz geändert,
ind weitere Regelungen per Verordnung oder in Lan-
espolizeigesetzen möglich, ohne dass der Bundestag
eteiligt wird. Wir wollen über die Einführung von
rohnen ins Luftverkehrsgesetz erst dann entscheiden,
enn die Bundesregierung dem Verkehrs- und Innenaus-
chuss den angekündigten Bericht geliefert hat. Wir kau-
n keine Katze im Sack.
Mit diesem Gesetzentwurf sollen drei wesentliche
euregelungen vorgenommen werden:
Geregelt wird die Festlegung von Flughafenentgelten,
lso den Gebühren vor allem für die Starts und Landun-
en von Flugzeugen. Die Regelungen zur Umsetzung
ieses Teils der Richtlinie scheinen recht klar und unpro-
lematisch zu sein.
Dann soll die Möglichkeit eingeführt werden, Air-
nes aus bestimmten Drittstaaten die Einfluggenehmi-
ung zu entziehen, wenn diese gegen die Vorgaben der
U zur Terrorvorsorge verstoßen. Wir sind zwar gegen
olche Listen, wollen das Fass aber an dieser Stelle nicht
ufmachen.
18698 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 155. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Januar 2012
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Stattdessen will ich auf den wichtigsten Punkt in die-
sem Gesetz zur Änderung des Luftverkehrsgesetzes hin-
weisen, der dort eigentlich gar nicht zwingend geregelt
werden muss: Die Regelung zu Drohnen bis 150 Kilo-
gramm. Derzeit gibt es keine klaren technischen Anfor-
derungen an diese Systeme. Dafür soll nun die gesetzli-
che Grundlage geschaffen werden. Einsätze von Drohnen
bedürfen bislang und auch zukünftig einer Genehmigung.
Das Problem ist, dass der Bundestag mit der Entschei-
dung heute die Katze im Sack kaufen würde, alle weite-
ren Regelungen per Verordnung auf dem Verordnungs-
wege oder in Landespolizeigesetzen getroffen werden.
Eingesetzt werden Drohnen bereits zur Überwachung
bei Demonstrationen; auch bei den Olympischen Spielen
in London ist das geplant.
Wegen der Unklarheiten zur Frage der Drohnen gab
es ein Gespräch mit Verkehrs- und Innenpolitikerinnen
und -politikern in Anwesenheit von Vertretern des Bun-
desministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung.
Erreicht wurde dabei letztlich, dass das Ministerium den
Änderungsvorschlag des Bundesdatenschutzbeauftrag-
ten ins Gesetz aufgenommen hat. Damit wird deutlich
gemacht, dass der Datenschutz explizit berücksichtigt
werden muss. Dem stimmen wir zu. Das reicht uns den-
noch nicht aus, weil wir große Sorgen haben, dass die
Überwachung mit Drohnen, so wie es der Gesetzentwurf
ja auch anspricht, zur Strafverfolgung und zu Kontroll-
zwecken zukünftig noch leichter wird. Diesbezüglich
wird auf die Landespolizeigesetze verwiesen. Das ist zu-
treffend; aber wie man am Beispiel der Funkzellenüber-
wachung in Dresden sieht, ist dem Vollzug Tür und Tor
geöffnet. Deswegen wollen wir mit unserem Änderungs-
antrag in diesem Gesetz zum jetzigen Zeitpunkt alle Be-
stimmungen zum Thema Drohnen streichen. Die Regie-
rung soll die Aufnahme von Drohnen zu einem späteren
Zeitpunkt erneut vorlegen, wenn die vielen Unklarhei-
ten, die vom Ministerium in der Gesetzesbegründung
selber angeführt werden, beseitigt sind.
Zwar werden schon heute Drohnen eingesetzt – und
dies ohne klare technische Vorgaben. Dieser Missstand
rechtfertigt angesichts der derzeit und noch auf Jahre
hinaus absehbar geringen Anzahl eingesetzter Drohnen
nicht die jetzige grundsätzliche Einführung ins Gesetz.
Für das von der Bundesregierung vorgesehene Zweistu-
fenmodell mit gesetzlicher Grundlage sofort und Detail-
regelung in ein paar Jahren gibt es keine Notwendigkeit.
Vielmehr ist die Bundesregierung aufgefordert, zunächst
die offenen Fragen zu klären und die Einführung von
Drohnen ins Luftverkehrsgesetz gesondert vorzulegen.
Die Erforschung von Drohneneinsätzen ist aber seit
langem insbesondere ein Bestandteil der deutschen Si-
cherheitsforschungsprogramme. Dabei ist es unendlich
schwierig, die realen Ausgaben und Projekte festzustel-
len. Es handelt sich jedoch um zig Millionen für ver-
schiedene Programme und Projekte. Der Markt der Si-
cherheitstechnologien und der Sicherheitsforschung ist
seit vielen Jahren für die Bundesregierungen der Wachs-
tumsmarkt. Sein Umfang wird auf viele Milliarden Euro
geschätzt, und die Bundesregierung arbeitet intensiv da-
ran, eine führende Rolle in Europa zu erlangen bzw. zu
erhalten. Dabei werden in den Programmen systematisch
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ie Grenzen zwischen polizeilichen, militärischen und
atastrophenschützerischen Projekten verwischt, denn
ie erforschten Techniken und Instrumente sind klas-
isch mehrfachnutzbare Techniken.
Wir haben große Sorge, dass die Überwachung durch
ie Behörden mit Drohnen zukünftig noch leichter wird.
ir fordern noch einmal dazu auf, unserer Forderung
ach einer Änderung des Gesetzentwurfs nachzukom-
en.
Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir
eraten heute abschließend über den Gesetzentwurf der
undesregierung zur vierzehnten Änderung des Luftver-
ehrsgesetzes, der sich auf Flughäfen mit jährlich mehr
ls 5 Millionen Flugbewegungen bezieht.
Damit kommen wir unserer schon seit längerem aus-
tehenden Verpflichtung nach, die EU-Entgeltrichtlinie in
ationales Recht umzusetzen. Die Fraktion Bündnis 90/
ie Grünen begrüßt, dass mit diesem Gesetzentwurf nach
inem langwierigen Diskussionsprozess zwischen den
lughafenbetreibern und den Fluggesellschaften ein trag-
higer Kompromiss für die Erhebung von Flughafenent-
elten gefunden wurde.
Allerdings gibt es aus unserer Sicht insbesondere bei
er lange angemahnten Einführung lärm- und emissions-
bhängiger Start- und Landegebühren noch Nachbesse-
ngsbedarf. Denn der Gesetzentwurf schreibt zwar die
inführung differenzierter Entgelte zwingend vor, legt
ber weder einen Maßstab dafür fest noch konkrete
ärm- und Schadstoffminderungsziele, die damit er-
icht werden sollen. Somit bleibt es dem Ermessen der
weiligen Flughäfen überlassen, welche Differenzie-
ng der Lärm- und Schadstoffkategorien sie vornehmen
nd ob beispielsweise besonders laute Maschinen mit
ohem Schadstoffausstoß wirklich empfindlich höhere
ebühren entrichten müssen und somit die angestrebte
enkungswirkung erreicht wird. Um zu überprüfen, ob
ie mit dem aktuellen Gesetzentwurf verabschiedeten
orgaben ausreichen, haben wir uns gemeinsam mit den
olleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion im Ver-
ehrsausschuss des Bundestages dafür eingesetzt, dass
ie Bundesregierung in etwa einem Jahr eine Evaluation
er Entgeltrichtlinie vornimmt. Damit soll die Wirksam-
eit der jetzigen Gesetzesvorgaben überprüft werden.
Neben der Umsetzung der EU-Entgeltrichtlinie um-
sst der Gesetzentwurf der Koalition auch die Auf-
ahme einer neuen Luftfahrzeugkategorie in den Rege-
ngsrahmen des Luftverkehrsgesetzes. Diese betrifft die
ogenannten unbemannten Flugsysteme, die besser be-
annt sind als Drohnen. Drohnen stellen potenziell eine
rhebliche Gefährdung des Datenschutzes der Bürgerin-
en und Bürger dar. Denn sie sind in der Lage, zu filmen
nd Daten zu erheben und dies zumeist völlig unbe-
erkt, oft sogar aus nächster Nähe und mit völlig neuen
inblicksmöglichkeiten. Deshalb haben wir uns mit aller
eutlichkeit dafür eingesetzt, dass die Erlaubnisertei-
ng nach der Luftverkehrs-Ordnung, LuftVO, bei Droh-
en explizit auch die Prüfung der Wahrung des Grund-
chts auf informationelle Selbstbestimmung beinhaltet.
amit wurde der Forderung des Bundesdatenschutz-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 155. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Januar 2012 18699
(A) )
)(B)
beauftragten entsprochen. Dies bedeutet einen ersten
wichtigen Schritt in Sachen präventiver Datenschutz.
Die Aufnahme von Drohnen als Luftverkehrsfahr-
zeuge in das Luftverkehrsgesetz bereits zum jetzigen
Zeitpunkt erscheint uns angesichts der offenbar nach wie
vor bestehenden technischen Herausforderungen bei der
Gewährleistung vergleichbarer Sicherheit fragwürdig.
Zudem bestehen zahlreiche noch offene tatsächliche Fra-
gen hinsichtlich Technik, Verbreitung, Ausrüstung,
Flughöhen und Einsatzgebieten, die für die Bewertung
der Datenschutzrisiken maßgeblich sind. Deshalb kön-
nen wir das Anliegen der Bundesregierung, die Entwick-
lung der Drohnen „dynamisieren“ zu wollen, mangels
Informationen nur begrenzt nachvollziehen. Ein beson-
derer Eilbedarf ist aus unserer Sicht ebenfalls nicht zu
erkennen.
Abschließend bleibt festzuhalten, dass die Bundesre-
gierung die Chance versäumt hat, mit der aktuellen Luft-
verkehrsnovelle endlich wirksame gesetzliche Regelun-
gen zum besseren Schutz für die vom Fluglärm
Betroffenen zu schaffen. Weder wird der rechtliche An-
spruch auf aktiven Schallschutz im Luftverkehrsgesetz
geregelt, noch wird die Deutsche Flugsicherung dazu ver-
pflichtet, bei der Erarbeitung von An- und Abflugverfah-
ren dem Lärmschutz der Bevölkerung Vorrang vor den
betriebswirtschaftlichen Interessen der Luftfahrtbranche
zu geben. Und auch verbindliche Lärmgrenzwerte wer-
den wieder nicht festgelegt.
Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis-
ter für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Auch, wenn
man in den letzten Wochen den Eindruck bekommen
konnte, es gehe hier um die Zulassung von unbemannten
Luftfahrzeugen, sogenannten Drohnen, ist festzustellen:
Ein zentraler Bestandteil des vorliegenden 14. Änd-
LuftVG ist die Umsetzung der EU-Richtlinie zu den
Flughafenentgelten vom März 2009.
Kurzer Exkurs: Eine Zulassung sogenannter Drohnen
findet hier nicht statt. Es wird vielmehr die Ermächti-
gungsgrundlage geschaffen, damit die technischen,
rechtlichen und sonstigen Rahmenbedingungen erarbei-
tet und definiert werden können, um irgendwann in der
Zukunft eventuell solche UAS zulassen zu können. Dazu
sage ich später noch ein paar Sätze.
Die EU-Entgeltrichtlinie verpflichtet die Mitglied-
staaten auf gemeinsame Regeln zur Festlegung von
Flughafenentgelten für Flughäfen mit jährlich mehr als
5 Millionen Fluggastbewegungen. Damit wird ein wich-
tiger Schritt im Bereich Luftverkehr getan im Hinblick
auf eine EU-weite Harmonisierung der Grundlagen für
die Berechnung von Flughafenentgelten.
Wie immer, wenn es ums Geld geht, prallen hier die
unterschiedlichsten Interessen aufeinander, gestaltet sich
die Abstimmung besonders schwierig. Hier sind insbe-
sondere die divergierenden Interessen zwischen Flugha-
fenbetreibern und Luftfahrtunternehmen einerseits sowie
den Ländern als zuständige Genehmigungsbehörden an-
dererseits zu nennen.
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Mit dem vorliegenden Entwurf ist es gelungen, diesen
inzelinteressen weitestgehend gerecht zu werden.
So werden die allgemeinen Grundsätze der Entgelter-
ebung wie Transparenz und Diskriminierungsfreiheit
nmittelbar im LuftVG verankert (§ 19 b neu).
Für Flughäfen mit mehr als 5 Millionen Fluggastbe-
egungen jährlich gelten dabei entsprechend der Richt-
nie Sonderbestimmungen:
So wird für derartige Flughäfen die Durchführung ei-
es obligatorischen Konsultationsverfahrens zwischen
lughafenunternehmen und -nutzern eingeführt. Dies
ient einer verbesserten Transparenz des Verfahrens,
as ein Leitgedanke der Richtlinie ist.
Zudem werden die für die Genehmigung der Entgelt-
rdnungen zuständigen Landesbehörden verpflichtet, zu
rüfen, ob eine „Orientierung an einer effizienten Leis-
ngserstellung erkennbar“ ist.
Bei einvernehmlicher Regelung der Entgelte zwi-
chen Flughafenbetreibern und -nutzern kann die Geneh-
igungsbehörde jedoch von der Prüfung der Effizienz-
rientierung absehen. Durch diese privilegierende
egelung soll ein Anreiz für eine einvernehmliche Erar-
eitung der Entgeltordnung zwischen Flughafenbetrei-
ern und -nutzern geschaffen werden.
Ziel der Bundesregierung bei der Umsetzung der
ichtlinie war es, sich so nah wie möglich an den Vorga-
en der Richtlinie zu orientieren (sogenannte Eins-zu-
ins-Umsetzung); insbesondere sollte die nach geltender
echtslage bestehende – und bewährte – Zuständigkeit
er Landesluftfahrtbehörden als Genehmigungsbehör-
en für Flughafenentgelte erhalten bleiben.
Gleiches galt für die Bundesregierung auch im Hin-
lick auf die Beibehaltung der Wahlfreiheit des Ge-
chäftsmodells des Flughafenunternehmens („Single-
ill“ oder „Dual-Till“) sowie der Möglichkeit einer Vor-
nanzierung von Infrastrukturmaßnahmen am Flugha-
n.
Dass hierdurch keine „unkontrollierbaren Ausbaufan-
sien“ der Flughafenbetreiber ausgelöst werden, ist zum
inen durch das zitierte Konsultationsverfahren mit
öglichst konsensualer Festlegung der Entgelte gewähr-
istet und zum anderen dadurch, dass die Vorfinanzie-
ng nur für Investitionsmaßnahmen in Betracht kom-
en kann, die nach den gesetzlichen Regelungen als
entgeltrelevant“ für die Berechnung der Entgelte in-
age kommen.
Wichtige Neuerung in Bezug auf die alte Regelung ist
ünftig das sogenannte Konsensprinzip, das für Flughä-
n mit jährlich mehr als 5 Millionen Fluggastbewegun-
en gilt. Das Genehmigungsverfahren wird nunmehr um
egelungen ergänzt, die auch die Genehmigung einer
om Flughafen und seinen Nutzern abgeschlossenen
ntgeltvereinbarung zulassen.
Ein weiterer wichtiger Punkt, der im Gesetzentwurf
ervorzuheben ist, sind die bereits eingangs erwähnten
nbemannten Luftfahrtsysteme, UAS, die als eine neue
ategorie von Luftfahrzeugen eingefügt werden.
18700 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 155. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Januar 2012
(A) )
)(B)
Wir kennen solche unbemannten Luftfahrtsysteme
vor allem im militärischen Bereich unter dem Stichwort
„Drohne“. Mittlerweile bieten sich aber auch verstärkt
zivile Einsatzmöglichkeiten an, wie im Rahmen der Um-
welt- und Verkehrsüberwachung, Geländeaufnahmen bei
Bauvorhaben oder dem Schutz von Pipelines.
Bislang kennt aber das Luftverkehrsgesetz diese Ge-
räte nicht. Allenfalls für Flugmodelle und unbemannte
Ballone finden sich im Luftrecht Regelungen für die un-
bemannte Luftfahrt.
Die unbemannte Luftfahrt hat aber gerade in den letz-
ten Jahren eine dynamische technische Entwicklung er-
fahren. Es erscheint in naher Zukunft nicht mehr ausge-
schlossen, dass bemannte und unbemannte Luftfahrt-
geräte gleichberechtigt am Luftverkehr teilnehmen. Die-
ser Realität muss sich auch das Luftrecht stellen; es gilt,
die technische und betriebliche Sicherheit dieser Geräte
zu regeln.
Dies bedeutet keineswegs eine pauschale Zulassung
dieser Geräte. Das wäre zum jetzigen Zeitpunkt gar nicht
vertretbar. Weder auf nationaler noch auf internationaler
Ebene haben wir nämlich ausreichende Erkenntnisse,
um solche Anforderungen an die Betriebssicherheit defi-
nieren zu können. Insbesondere im Bereich der Notlan-
deverfahren, der Anforderungen an die Sicherheit und
Stabilität der Funkverbindungen und an die erforderliche
Sensorik fehlen uns die notwendigen Erkenntnisse.
Wir gehen aber davon aus, dass wir im Hinblick auf
das rasche Voranschreiten der Technik in diesem Sektor
und die Zunahme möglicher Einsatzbereiche für diese
unbemannten Luftfahrzeugsysteme schon bald Genaue-
res wissen werden. Wie bei allen anderen Luftfahrzeu-
gen auch sollen daher dann diese Anforderungen vom
Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwick-
lung durch Verordnung festgelegt werden. Dieses Ver-
fahren stellt eine relativ flexible und schnelle Möglich-
keit dar, mit der Entwicklung Schritt halten zu können.
Für die Praxis – das möchte ich an dieser Stelle be-
sonders betonen – hat das vorliegende Gesetz keine un-
mittelbaren Konsequenzen: Die derzeit geltenden, sehr
restriktiven Regelungen der Luftverkehrs-Ordnung, die
den Betrieb und den Einsatz dieser Geräte in nur einge-
schränktem Umfang zulassen, werden in keiner Weise
angetastet.
Es muss sich keiner sorgen, dass mit diesem Gesetz
der Betrieb von Drohnen über Deutschland generell frei-
gegeben wird. Das Interesse der Bundesregierung geht
auch keinesfalls dahin, Deutschland mittels Drohnen zu
überwachen und Personen zu beobachten. Es ist viel-
mehr Interesse der Bundesregierung, sicherzustellen,
dass diese Geräte von ihrer technischen Ausstattung her
sicher gestaltet und sicher betrieben werden. Es soll
durch sie keiner zu Schaden kommen. Daher sollen
künftig auch nur Leute diese Geräte steuern können, die
bestimmten persönlichen Anforderungen entsprechen.
Ich verstehe die Sorgen hinsichtlich eines möglichen
und unkontrollierten Einsatzes dieser Systeme sehr gut.
Deshalb habe ich den Vorschlag des Bundesbeauftragten
für den Datenschutz sehr begrüßt, durch eine ausdrückli-
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he Ergänzung in der Luftverkehrs-Ordnung deutlich zu
achen, dass beim Einsatz dieser Geräte insbesondere
ie Belange des Datenschutzes zu wahren sind. Ich
enke, mit dieser Regelung wird den Belangen des Da-
nschutzes in besonderer Weise Rechnung getragen.
nlage 13
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Entwurfs eines … Gesetzes
zur Änderung des Telemediengesetzes (Tages-
ordnungspunkt 19)
Andreas G. Lämmel (CDU/CSU): Die SPD erfreut
ns heute mit einem Gesetzentwurf zur Änderung des
eltenden Telemediengesetzes. Mir wurde dieses Gesetz
m Mittwoch, dem 25. Januar 2011, zugeleitet, aber die
nlineausgabe der Bild-Zeitung titelte bereits am
3. Januar „SPD will Cookies verbieten“. Sie behauptet
ihrem Gesetzentwurf, Deutschland habe eine Norm
er europäischen E-Privacy-Richtlinie nicht umgesetzt.
raglich ist jedoch, ob die Problembeschreibung im Ent-
urf und die darin abgeleitete Lösung überhaupt so zu-
ifft? Ich glaube, hier muss etwas Klarheit in die gewor-
nen Nebelkerzen gebracht werden.
Erstens. Es gibt bereits eine Regelung zu den Cookies
Deutschland. Der § 13 TMG regelt die Pflichten eines
iensteanbieters gegenüber seinen Nutzern. Nun fordert
ie SPD eine Einwilligung für sämtliche Cookies, ent-
prechend der angeführten EU-Richtlinie. Aber ist das
otwendig? Die Richtlinie fordert die Einwilligung für
die Zwecke der Verarbeitung“. „Verarbeitung“ ist im
uropäischen Recht ein Rechtsbegriff, der auf die Nut-
ung personenbezogener Daten abstellt. Verarbeiten die
ookies die erhobenen Daten nicht personenbezogen,
edarf es keiner Einwilligung.
Zweitens. Auch die von der SPD angeführte EU-
ichtlinie lässt unter Erwägungsgrund 66 dem Nutzer
ie Möglichkeit, die Handhabung von Cookies über den
ternetbrowser zu steuern.
Drittens. Die Bundesregierung hat übrigens die gel-
nde Fassung des TMG als Umsetzung der E-Privacy-
ichtlinie nach Brüssel gemeldet. Von der EU-Kommis-
ion kam dazu bisher kein Widerspruch.
Viertens. Die Rechtslage ist also nicht so klar, wie
on der SPD behauptet.
Fünftens. Wir müssen uns aber fragen, ob eine solche
egelung auch wirtschaftlich sinnvoll ist? Ein Einwilli-
ungsvorbehalt für sämtliche Cookies, auch solche die
eine personenbezogenen Daten verarbeiten, würde er-
lgreiche Geschäftsmodelle im Internet zumindest ge-
hrden.
Wir haben uns daran gewöhnt, dass die meisten An-
ebote im Internet für uns als Verbraucher umsonst sind,
ei von Kosten sind sie natürlich nicht. Viele Anbieter
nanzieren sich über Werbung. Werbung funktioniert im
ternet anders als in den Printmedien oder im Fernse-
en. Im Internet lohnt sich Werbung nur nutzerbezogen.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 155. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Januar 2012 18701
(A) )
)(B)
Und ein Cookie ist das Instrument für dieses Geschäfts-
modell. Natürlich muss es Regeln für den Einsatz von
Cookies geben. Sie dürfen keine personenbezogenen
Daten sammeln und weitermelden. Es gibt bereits um-
fassende Bemühungen in der Werbe- und Internetbran-
che zur Selbstregulierung und der Herstellung von
Transparenz. Die Branche ist in enger Abstimmung mit
den Datenschutzbeauftragten und lässt ihre Werkzeuge
dort regelmäßig zertifizieren.
Das Risiko, wenn wir in Deutschland alle Cookies un-
ter Einwilligungsvorbehalt stellen, sehe ich darin, dass
wir mit unseren Ansprüchen die Branche strangulieren
und die internetorientierte Werbewirtschaft abwandert.
Dann findet die Entwicklung von Geschäftsmodellen im
Internet außerhalb Deutschlands oder Europas statt. „In-
ternet made in Germany“ zeichnet sich bereits durch
hohe Standards bei Datenschutz und Sicherheit aus.
Der Nutzer muss informiert sein, was auf seinem
Rechner los ist. Er muss mit wenig Aufwand erfahren
können, welche Cookies gespeichert sind und wie er sie
wieder löschen kann. Das ist über die Browsereinstellun-
gen möglich.
Ich bin daher skeptisch, ob dieses Gesetz notwendig
ist, aber wir haben sicher noch genug Gelegenheit zur
Diskussion im Ausschuss. Ich freue mich darauf.
Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU): Dass die SPD mit
dem vorgelegten Gesetzentwurf die Europäische Kom-
mission besänftigen will, weil angeblich die neueste No-
vellierung der E-Privacy-Richtlinie noch nicht in natio-
nales Recht umgesetzt sei, erstaunt mich schon.
Vielmehr hätte die SPD Europa und Deutschland ge-
dient, wenn sie zu Zeiten der rot-grünen Bundesregie-
rung die EU-Stabilitätskriterien nicht aufgeweicht
hätte – mit dem ganzen Schlamassel als Ergebnis, mit
dem wir uns heute herumschlagen müssen. Bei der ach
so bedeutenden E-Privacy-Richtlinie dagegen steht die
SPD in vorauseilendem Gehorsam in Habtachtstellung.
Da sieht man mal wieder, wie die Sozialdemokraten ihre
Schwerpunkte setzen.
Nun aber zur Sache: In ihrem Gesetzentwurf behaup-
tet die SPD, dass die im Dezember 2009 in Kraft getre-
tene Änderungsrichtlinie der Richtlinie über die Verar-
beitung personenbezogener Daten und den Schutz der
Privatsphäre im Bereich der elektronischen Kommuni-
kation, der sogenannten E-Privacy-Richtlinie, im derzeit
geltenden Telemediengesetz nicht angemessen umge-
setzt sei. Das Setzen von sogenannten Cookies, also In-
formationen, die bei der Nutzung von Telemedien auf
dem Rechner des Nutzers gespeichert und von Dritten
abgerufen werden, sei „in der Regel“ unter einen Einwil-
ligungsvorbehalt des Nutzers zu stellen.
Es trifft einfach nicht zu, dass dies im geltenden Tele-
mediengesetz nicht geregelt ist. Auch wenn das deutsche
Gesetz richtigerweise keine explizite Regelung im Wort-
laut des in der Cookie-Frage entscheidenden Art. 5
Abs. 3 der novellierten E-Privacy-Richtlinie enthält, ist
erstens die Unterrichtung und zweitens die Einwilligung
des Nutzers über die Erhebung und Verwendung perso-
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enbezogener Daten im Telemediengesetz bereits gere-
elt. Ich zitiere in der Frage der Unterrichtung § 13
bs. 1 TMG:
Der Diensteanbieter hat den Nutzer zu Beginn des
Nutzungsvorgangs über Art, Umfang und Zwecke
der Erhebung und Verwendung personenbezogener
Daten … in allgemein verständlicher Form zu un-
terrichten, sofern eine solche Unterrichtung nicht
bereits erfolgt ist. Bei einem automatisierten Ver-
fahren, das eine spätere Identifizierung des Nutzers
ermöglicht und eine Erhebung oder Verwendung
personenbezogener Daten vorbereitet, ist der Nut-
zer zu Beginn dieses Verfahrens zu unterrichten.
Der Inhalt der Unterrichtung muss für den Nutzer
jederzeit abrufbar sein.
Darüber hinaus verlangt das TMG bei der Verwen-
ung von Nutzungsdaten über die bloße Inanspruch-
ahme hinaus immer die Einwilligung, wie sie in Art. 5
bs. 3 der E-Privacy-Richtlinie gefordert wird. Das ist
den §§ 12 und 15 des TMG schon heute geregelt. In
12 Abs. 1 TMG heißt es:
Der Diensteanbieter darf personenbezogene Daten
zur Bereitstellung von Telemedien nur erheben und
verwenden, soweit dieses Gesetz oder eine andere
Rechtsvorschrift, die sich ausdrücklich auf Teleme-
dien bezieht, es erlaubt oder der Nutzer eingewilligt
hat.
Weiter heißt es in Absatz 2:
Der Diensteanbieter darf für die Bereitstellung von
Telemedien erhobene personenbezogene Daten für
andere Zwecke nur verwenden, soweit dieses Ge-
setz oder eine andere Rechtsvorschrift, die sich aus-
drücklich auf Telemedien bezieht, es erlaubt oder
der Nutzer eingewilligt hat.
§ 12 stellt also klar, dass personenbezogene Daten im
usammenhang mit der Bereitstellung von Telemedien
hne Einwilligung nur verarbeitet werden dürfen, wenn
er Gesetzgeber das ausdrücklich erlaubt. Eine solche
esetzliche Regelung enthält § 15 TMG, der regelt, dass
utzerdaten bei Inanspruchnahme von Telemedien ohne
inwilligung nur verarbeitet werden dürfen, wenn das
r diesen Zweck erforderlich ist. Ich zitiere:
Der Diensteanbieter darf personenbezogene Daten
eines Nutzers nur erheben und verwenden, soweit
dies erforderlich ist, um die Inanspruchnahme von
Telemedien zu ermöglichen und abzurechnen (Nut-
zungsdaten).
Für die Speicherung und den Abruf von Informatio-
en wie zum Beispiel durch Cookies bedeutet das, dass
olche Verfahren in Deutschland ohne Einwilligung des
utzers nur zulässig sind, wenn dies aus technischen
ründen für die Inanspruchnahme erforderlich ist. Im
brigen dürfen solche Verfahren ohne Einwilligung des
utzers nicht verwendet werden. Wer dagegen im Sinne
es § 16 TMG ordnungswidrig handelt, kann mit einer
eldbuße von bis zu 50 000 Euro belegt werden.
Im Übrigen darf ich die Genossen der SPD darauf
inweisen, dass die Bundesregierung, konkret das zu-
18702 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 155. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Januar 2012
(A) )
)(B)
ständige Bundeswirtschaftsministerium, dieses Instru-
mentarium der Europäischen Kommission als Umset-
zung des Art. 5 Abs. 3 der E-Privacy-Richtlinie in aller
Ausführlichkeit vorgestellt hat. Dabei hat die EU-Kom-
mission unseren nationalen Regelungen inhaltlich und
formell nicht widersprochen.
Was die SPD in ihrem Gesetzentwurf nun fordert, ist
eine Vorschrift, die jedwede Verwendung von Informa-
tionen unabhängig von ihrer Personenbezogenheit – also
von personenbezogenen Daten, die Rückschluss auf eine
konkrete natürliche Person geben können – unter den
Einwilligungsvorbehalt des Nutzers stellen würde. Da-
mit wäre aber die Reichweite der Richtlinie viel zu weit
interpretiert. Denn damit würden die Sozialdemokraten
funktionierende Geschäftsmodelle der gesamten Inter-
netwirtschaft ohne Not beeinträchtigen, schlimmsten-
falls von vorneherein vereiteln. Besonders betroffen wä-
ren die meist werbefinanzierten Onlineangebote der
Zeitungs- und Zeitschriftenverlage. Das sollten wir als
Wirtschaftspolitiker hier schon mal ansprechen. Gerade
die Verlage müssen heute bei der Pluralisierung der Me-
dienangebote in nicht wenigen Fällen ums Überleben
kämpfen. Wollen Sie denen denn endgültig den Todes-
stoß versetzen, verehrte Kollegen der SPD? Gerade Sie
sind doch mit Ihrer Medienholding in Form der Deut-
schen Druck- und Verlagsgesellschaft an zig Verlagen
und damit Regionalzeitungen beteiligt. Ich nenne hier
nur mal die Westfälische Rundschau, den Nordbayeri-
schen Kurier, die Hannoversche Allgemeine oder die
Frankfurter Rundschau. Wollen Sie Ihren eigenen Leu-
ten ihr Geschäftsmodell kaputtmachen? Ich glaube, wohl
kaum.
Die EU-Kommission plant, per Verordnung ein EU-
weit geltendes Instrumentarium für den Datenschutz in
der gesamten EU durchzusetzen. Die zuständige EU-
Kommissarin Reding hat dazu jetzt einen über hundert
Seiten starken Entwurf vorgelegt, der nach meiner Ein-
schätzung viel Zündstoff in sich birgt. Da sollten wir ge-
nau hinsehen. Denn was da aus Brüssel kommt, soll un-
mittelbar geltendes Recht werden. Jetzt in einem
Schnellschuss und in vorauseilendem Gehorsam eine
EU-Richtlinie zu weit auszulegen, sich damit selbst Fes-
seln anzulegen und unsere Wirtschaft unnötig zu gefähr-
den, ist nicht nur überflüssig, sondern schlicht schädlich.
Daher werden wir den Gesetzentwurf klar ablehnen.
Gerold Reichenbach (SPD): Wir haben heute einen
Gesetzentwurf zur Umsetzung der E-Privacy-Richtlinie,
der sogenannten Cookie-Richtlinie vorgelegt. Worum
geht es in dieser Richtlinie? Es geht darum, dass Cookies
zum Ausspähen von Surfverhalten nur dann auf der Fest-
platte des Nutzers gespeichert werden dürfen, wenn die-
ser aufgrund vorheriger, für den durchschnittlichen Nut-
zer verständlicher Information bewusst eingewilligt hat.
Cookies sind kleine Textdateien, die auf dem Endgerät
des Nutzers gespeichert werden. Man unterscheidet da-
bei Erstanbieter- und Drittanbieter-Cookies. Erstanbie-
ter-Cookies werden von der besuchten Webseite gesetzt.
Drittanbieter-Cookies werden von einer fremden Seite
gesetzt. Während ein Teil dieser Cookies unproblema-
tisch ist und teilweise sogar notwendig, um eine Web-
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eite aufzubauen oder den Dienst vollständig nutzen zu
önnen, werden mit sogenannten Tracking-Cookies In-
rmationen über das Surfverhalten des Nutzers gesam-
elt.
Ich bin mir sicher, dass nicht vielen Nutzern bewusst
t, dass es durch die Verwendung von Cookies möglich
t, detaillierte Nutzerprofile über sie anzulegen oder
stzustellen, welche weiteren Cookies bei ihm auf den
echner geschrieben werden. Wer weiß denn schon, wie
iele Cookies schon beim bloßen Aufrufen einer be-
timmten Webseite auf seinem Rechner gespeichert wer-
en?
Geht man zum Beispiel auf die Seite der SPD-Bun-
estagfraktion, werden genau null Cookies gesetzt. Das
leiche bei der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Besucht
an die Seite der Bundestagsfraktion Die Linke, werden
merhin zwei Cookies gesetzt, und auf der Seite der
undestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen drei
ookies. Und geht man auf die Seite der so Pro-Daten-
chutz eingestellten FDP-Bundestagsfraktion, werden
ogar sieben Cookies gesetzt, drei von Erstanbietern und
ier von Drittanbietern. Im kommerziellen Bereich wer-
en beispielsweise auf der Seite von Zalando 53 Cookies
esetzt, 9 von Erstanbietern und 44 von Drittanbietern,
obald man nur die Seite besucht. Das müssen nicht alles
ookies sein, die der Ausspähung und Protokollierung
es Nutzerverhaltens dienen, aber niemand wird davon
formiert oder gefragt, ob er eine solche Dokumenta-
on und Weiternutzung der Daten zulassen will. Grund-
ätzlich sind die meisten Browser so eingestellt, dass sie
as Setzen dieser Cookies zulassen und eine differen-
ierte Deaktivierung dieser Funktion, etwa nach Zweck
er Cookies, nicht zulassen.
Das ist der Grund, warum wir heute den Gesetzent-
urf zur Änderung des Telemediengesetzes vorlegen.
ie bisherigen Regelungen im Telemediengesetz sind
ntgegen der Auffassung der Bundesregierung unzurei-
hend. Nach der sogenannten E-Privacy-Richtlinie sind
ie Mitgliedstaaten verpflichtet, bis spätestens 31. Mai
011 Regelungen zu erlassen, die Anbietern von Tele-
ediendiensten das Speichern von Cookies auf den
omputern der Nutzer in der Regel nur erlaubt, wenn
er Nutzer aufgrund vorheriger umfassender Informa-
on eingewilligt hat. 31. Mai 2011 – nicht 2012! Seit
irca neun Monaten hält die Bundesregierung den Inter-
etnutzern im Europäischen Recht vorgesehene Verbrau-
her- und Datenschutzrechte vor.
Einwilligung ist dabei das Stichwort. Die bisherigen
egelungen im Telemediengesetz sehen eine daten-
chutzrechtlich schwache Kombination aus Unterrich-
ngspflichten des Diensteanbieters und einer Wider-
pruchsmöglichkeit für den Nutzer vor. Der Nutzer muss
o jedes Mal seine Browsereinstellungen ändern, um zu
erhindern, dass er in seinem Surfverhalten ausgespäht
ird. Dieses Prinzip nennt sich Opt-out und ist nicht das,
as von der Richtlinie vorgesehen ist. Haben Sie schon
inmal versucht, zu surfen, wenn Sie in ihrem Browser
ie Einstellung „Cookies akzeptieren“ deaktivieren? Das
acht nach zwei Minuten keinen Spaß mehr. Die Richt-
nie sieht nun ausdrücklich eine Einwilligung vor – und
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 155. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Januar 2012 18703
(A) )
)(B)
keine nur für hoch informierte Menschen mit Computer-
spezialwissen mögliche „Auswilligung“.
Information, Aufklärung und Einwilligungsvorbehalt
sind wichtige Voraussetzungen für selbstbestimmtes
Surfen im Netz. Ich möchte noch einmal darauf hinwei-
sen, dass es dabei nicht darum geht, für jeden einzelnen
Cookie eine Einwilligung zu fordern. Die Einwilligung
kann im Rahmen eines zusammenhängenden, abge-
grenzten Datenverarbeitungsprozesses für mehrere
Cookies eines Anbieters gemeinsam erteilt werden. Die
Einwilligung muss aber auf einer informierten und frei-
willigen Basis gegeben werden. Das Argument der man-
gelnden Praktikabilität zieht dabei nicht. Die Europäi-
schen Datenschutzbeauftragten haben eine Reihe von
Vorschlägen gemacht, wie sich das Recht der Verbrau-
cher auf bewusste Einwilligung praktikabel umsetzen
lässt, ohne dass ständig irgendein Informations- und Ein-
willigungsfenster aufpoppt.
Man kann sich nicht ernsthaft auf den Standpunkt
stellen, die Richtlinie sei nicht umzusetzen, weil entwe-
der die bisherigen Regelungen im Telemediengesetz aus-
reichend seien oder sich die Umsetzung angesichts der
anstehenden Datenschutzreform auf EU-Ebene erledigt
habe. Fakt ist, egal in welcher Rechtsform der Daten-
schutz demnächst auf europäischer Ebene geregelt wer-
den wird: Zurzeit gibt es erst einen Entwurf. Bis der Ent-
wurf bindendes Recht wird, kann noch viel Zeit
vergehen. Fakt ist: Der Umsetzungsbedarf besteht jetzt.
Darum gab es einen entsprechenden Vorstoß des Bun-
desrates, wie die E-Privacy-Richtlinie im Telemedienge-
setz umgesetzt werden könnte. Die Bundesregierung hat
aber sowohl in ihrer Stellungnahme auf den Entwurf des
Bundesrates als auch in ihrer Antwort auf eine Kleine
Anfrage der SPD-Bundestagsfraktion darauf bestanden,
im Rahmen der Telekommunikationsnovelle eigene Vor-
schläge zu unterbreiten, wie eine vernünftige Regelung
im Telemediengesetz aussehen könnte. Passiert ist
nichts. Die europäische Union hat deshalb bereits die
Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen
Deutschland angekündigt.
Darum haben wir heute in Übereinstimmung mit der
Formulierung des Bundesrates einen Gesetzentwurf vor-
gelegt, der die weitgehend technikneutrale Regelung der
Richtlinie aufgreift. Wir fordern Sie auf, die Richtlinie
endlich umzusetzen und nicht weiter die völlig aberwit-
zige Auffassung zu vertreten, dass der Nutzer dem Set-
zen von Ausspäh-Cookies alleine dadurch zustimme,
dass er seinen Browser nicht selbst umkonfiguriert habe,
was ja auch gar nicht differenziert geht.
Wir appellieren an die Koalitionsfraktionen: Enthal-
ten Sie den deutschen Bürgern nicht weiter unter unhalt-
baren Begründungen die Verbraucher und Datenschutz-
rechte vor, die die europäische Richtlinie vorsieht.
Claudia Bögel (FDP): Der vorliegende Entwurf soll
nach dem Willen der SPD die Cookie-Regelung umset-
zen. Mir drängt sich die Frage auf, warum sich die Kol-
legen so viel Mühe und Arbeit machen; denn der Vor-
wurf, das Telemediengesetz setze die europäischen
Anforderungen zu Cookies nicht um, ist schlicht nicht
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utreffend. Im Gegenteil: Diese Anforderungen sind be-
its zu 100 Prozent im Telemediengesetz enthalten und
üssen nicht durch den uns vorliegenden Gesetzentwurf
er SPD-Fraktion umgesetzt werden. Vielen Dank für
as Angebot, aber es kommt zu spät.
Bereits seit 2002 regelt Art. 5 Abs. 3 der europäischen
ichtlinie 2002/58/EG über den Datenschutz in den elek-
onischen Kommunikationsdiensten die Verwendung
on Cookies und stellt diese unter besondere Anforde-
ngen.
Cookies, die über die Inanspruchnahme eines Diens-
s hinausgehende Zwecke, zum Beispiel Werbung, ver-
lgen, bedürfen aufgrund der Neuregelung der Vor-
chrift 2009 nunmehr der Einwilligung. Das TMG erfüllt
ufgrund der bestehenden Regelungen die europäischen
nforderungen.
Dabei enthält das TMG keine explizite Regelung im
ortlaut von Art. 5 Abs. 3 E-Privacy-Richtlinie. Die
on Art. 5 Abs. 3 geforderte Unterrichtung des Nutzers
t in § 13 Abs. 1 TMG geregelt. Danach ist der Nutzer
ei einem automatisierten Verfahren, das darauf ausge-
chtet ist, eine spätere Identifizierung des Nutzers zu er-
öglichen sowie eine Erhebung bzw. Verwendung per-
onenbezogener Daten vorzubereiten, zu Beginn dieses
erfahrens umfassend, das heißt über Art, Umfang und
weck der Erhebung und Verwendung personenbezoge-
er Daten sowie über die Verarbeitung seiner Daten in
rittstaaten außerhalb der EU, in allgemein verständli-
her Form zu unterrichten. Darüber hinaus verlangt das
MG bei der Verwendung von Nutzungsdaten über die
loße Inanspruchnahme hinaus immer die Einwilligung.
Das vorhandene TMG-Instrumentarium wurde auf
U-Ebene als Umsetzung von Art. 5 Abs. 3 E-Privacy-
ichtlinie dargestellt. Die Europäische Kommission wi-
ersprach dem nicht.
Die Forderung nach einer Vorschrift, die jedwede
erwendung von Informationen unabhängig von ihrer
ersonenbezogenheit unter den Einwilligungsvorbehalt
tellt, halte ich persönlich für überzogen, und sie würde
ach meiner Auffassung funktionierende Geschäftsmo-
elle der gesamten Internetwirtschaft ohne Not erheblich
eeinträchtigen, wenn nicht sogar vereiteln. Im besonde-
n Maße würde dies die werbefinanzierten Onlineange-
ote der Zeitungs- und Zeitschriftenverlage treffen.
eine Fraktion unterstützt daher die Vorgehensweise, es
ei den bestehenden Regelungen zur Umsetzung von
rt. 5 Abs. 3 der Richtlinie zu belassen, und lehnt den
ntwurf eines Gesetzes zur Änderung des Telemedien-
esetzes der SPD-Fraktion ab.
Halina Wawzyniak (DIE LINKE): Die Linke be-
rüßt den Vorstoß der SPD-Fraktion, endlich eine Rege-
ng zur Verwendung von sogenannten Cookies im Tele-
ediengesetz aufzunehmen. Die Verwendung von
ookies ist in vielen Fällen unbestritten sinnvoll. In den
tzten Jahren hat aber vor allem die Nutzung von
ookies zum Aufzeichnen von Nutzerverhalten massiv
ugenommen. Dazu werden Cookies angelegt, die ihren
ienst bis zu 30 oder mehr Jahre lang tun sollen und In-
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formationen über besuchte Webseiten speichern. Gerade
die Werbewirtschaft versucht auf diesem Weg immer
ausgefeiltere Profile von Nutzerinnen und Nutzern zu er-
stellen, um zielgerichtet Werbung platzieren zu können.
Dabei wird zwar betont, dass die Daten ausschließlich
anonym erhoben und verarbeitet werden, in der Praxis
lassen sich aber aus den Nutzungsprofilen durchaus In-
formationen über Personen ableiten, die sich dahinter
verbergen.
Die Praxis im Umgang mit Cookies widerspricht dem
Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Die-
ses sieht vor, dass Personen jederzeit wissen können
müssen, wer welche Daten und Informationen über sie
zu welchem Zweck besitzt und/oder verarbeitet. Die
Speicherung und Verarbeitung personenbezogener Daten
ist daher grundsätzlich an eine Einwilligung des Betrof-
fenen gebunden. Bei Cookies ist dies regelmäßig nicht
der Fall. Cookies werden von Webseitenbetreibern oft-
mals ohne vorherige Einwilligung platziert und ausge-
wertet. Hier besteht also Handlungsbedarf. Nicht um den
Einsatz von Cookies zu verbieten, sondern um Nutzerin-
nen und Nutzer über diesen zu informieren und ihnen
eine tatsächliche Wahlmöglichkeit zu bieten. Bisherige
Opt-out-Modelle im Umgang mit Cookies haben sich als
nicht praxistauglich erwiesen. Informationen über den
Einsatz von Cookies, deren Funktionsweise und die Art
und Dauer der Datenspeicherung und Übermittlung fin-
den sich heute oftmals nur auf Umwegen und versteckt
in den AGB oder im Impressum.
Der Vorschlag der SPD-Fraktion fußt auf einem Ge-
setzentwurf, der Mitte 2011 durch den Bundesrat be-
schlossen wurde. In der Begründung wird zu Recht da-
rauf hingewiesen, dass eine solche Regelung schon
durch EU-Vorgaben im letzten Jahr hätte umgesetzt wer-
den müssen. Bisher ist aber nichts passiert, die Bundes-
regierung hat nichts vorgelegt. Auf Kritik stößt die ge-
plante Regelung vor allem bei der Werbewirtschaft – das
wird niemanden verwundern. Hier wird eingewendet,
dass es technische Probleme bei der Umsetzung eines
Opt-in-Modells, also einer echten Einwilligung auf Ba-
sis von ausreichend Informationen, gäbe. Diese Kritik
hat vor kurzem die Artikel-29-Gruppe, also die Arbeits-
gruppe der europäischen Datenschutzbeauftragten, auf-
gegriffen und auch einige Vorschläge zur technischen
Umsetzung gemacht.
Der Vorwurf, dass für Onlinewerbung eine unange-
messen hohe Zahl von Einwilligungen in die Verwen-
dung der jeweiligen Cookies nötig wäre, läuft ins Leere.
Tatsache ist doch, dass der Markt der Onlinewerbung
von einer überschaubaren Zahl großer Werbenetzwerke
beherrscht und betrieben wird. Dort wären Einwilligun-
gen also nur ein paar Mal zu erteilen oder eben nicht und
vor allem nicht auf jeder einzelnen Website, die Wer-
bung enthält. Auch bei der grafischen Umsetzung gibt es
Beispiele, die zeigen, wie es gehen kann. Der Daten-
schutzbeauftragte Großbritanniens macht es auf seiner
eigenen Website vor. Beim erstmaligen Besuch der Seite
wird im Kopf der Seite darauf hingewiesen, dass Teile
der angebotenen Dienste nur durch das Einwilligen in ei-
nen Cookie-Einsatz nutzbar sind. Dort wird auf weitere
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formationen zu Cookies hingewiesen und es kann in
ie Nutzung mit einem Klick eingewilligt werden.
An der technischen Umsetzung eines datenschutzkon-
rmen Einsatzes von Cookies sollten also keine Zweifel
estehen. Die Linke möchte die größtmögliche Freiheit
er Nutzerinnen und Nutzer und den Schutz der informa-
onellen Selbstbestimmung stärken und wird daher den
esetzentwurf der SPD-Fraktion wohlwollend beglei-
n.
Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
EN): Der mit nur einem Paragrafen etwas knapp gehal-
ne Gesetzentwurf der Kolleginnen und Kollegen der
PD-Fraktion führt mitten hinein in das Herz der De-
atte um den Internetdatenschutz. Dabei geht es bei-
pielsweise um die Probleme der Profilbildung und des
ehavioral Targeting. Und um es gleich vorweg zu sa-
en: Der Gesetzentwurf wirft die schwierige Frage auf,
b für die Bürgerinnen und Bürger und den Schutz ihrer
aten mit derlei chirurgischen Eingriffen tatsächlich et-
as gewonnen werden kann.
Bevor ich dazu einige Punkte erläutere, möchte ich
unächst zum Handeln, oder sollte ich besser sagen, zum
icht-Handeln der Bundesregierung in diesem Bereich
twas erläutern: Die schwarz-gelbe Koalition muss im
ereich des Datenschutzes endlich tätig werden. Inso-
eit der Entwurf der SPD hier einen Anstoß geben will,
eht er in die richtige Richtung. Denn die Bundesregie-
ng verweigert seit über zwei Jahren hartnäckig jegli-
he Verantwortung für einen zeitgemäßen Schutz der
ürgerinnen und Bürger und dem Ausverkauf ihrer Da-
n und Grundrechte.
Sämtliche Versprechen, selbst die, die im Koalitions-
ertrag vereinbart wurden, sind bis heute nicht eingelöst –
ei es der Beschäftigtendatenschutz, die Stiftung Daten-
chutz, die Überarbeitung des Bundesdatenschutzgeset-
es, der Beschäftigtendatenschutz oder die zunächst vom
ormaligen Innenminister angekündigte, aber vom jetzi-
en Minister bereits wieder beerdigte Rote-Linie-Ge-
etzgebung.
Mussten wir uns noch bis vor kurzem anhören, man
olle diese oder jene Maßnahme mit Blick auf die anste-
ende Datenschutzreform in Brüssel nicht vorwegneh-
en, heißt es nun, nachdem die Europäische Kommis-
ion einen recht ambitionierten Entwurf vorgelegt hat,
ie Reform aus Brüssel gebe Anlass zu allergrößten Be-
enken und der bundesdeutsche Gesetzgeber dürfe sich
icht ausbremsen lassen. Mit dieser anhaltenden Verwei-
erungshaltung untermauert die Bundesregierung einmal
ehr ihren Unwillen, hier endlich für die Rechte der
ürgerinnen und Bürger einzustehen. Es bleibt offen, ob
ies allein aus Überzeugung oder aus Unfähigkeit ge-
chieht. Gerade der Fall der heute hier zu verhandelnden
ookies hinterließ jedenfalls – im Rahmen der Diskus-
ion um die Novellierung des Telekommunikationsge-
etzes etwa – den Eindruck, man sei schlicht nicht in der
age, eine tragfähige Antwort zu präsentieren.
Die Bundesregierung war sich des Ablaufs der Frist
ur Umsetzung der Vorgaben der E-Privacy-Richtlinie
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bewusst. Und auch die schwierigen, mit der Cookie-Pro-
blematik verbundenen Rechtsfragen waren hinlänglich
bekannt. Gelöst hat die schwarz-gelbe Bundesregierung
diese wichtigen Fragen bis heute nicht, weshalb für das
Setzen von Cookies nach wie vor im Grundsatz die be-
stehende Rechtslage im Telemediengesetz gilt, nämlich
eine Opt-out-Regelung. Und das ganz im Widerspruch
zu der von der E-Privacy-Richtlinie geforderten Opt-in-
Lösung.
Wie ich allerdings bereits eingangs betont habe, führt
die Diskussion um eine Cookie-Regelung ins Herz der
Fragen um den Internetdatenschutz. Und damit sind wir
bei der tatsächlich nichttrivialen Frage angelangt, ob
überhaupt und, wenn ja, auf welcher Weise es gelingen
kann, effektive rechtliche Bindungen für Betreiber be-
reits auf der Ebene des mittlerweile recht ausdifferen-
zierten Tableaus von Wiedererkennungstechniken anzu-
setzen. Hier gilt es zum Beispiel, die hochumstrittene
Frage des Personenbezuges von IP-Adressen mit zu be-
denken, denn gerade auch für Cookies spielt diese eine
Rolle.
Hier liegt nun eine Richtlinie, die E-Privacy-Richtli-
nie, vor. Auf den ersten Blick scheint sie klare Vorgaben
zu machen. Auch vor dem Hintergrund der aktuellen Re-
formvorschläge der Europäischen Kommission für eine
grundlegende Datenschutzreform dürfen wir eine kriti-
sche Prüfung der EU-Vorlagen nicht vernachlässigen.
Die Anforderungen an eine zeitgemäße gesetzliche
Regelung sind vielfältig: Da wären die guten alten Ses-
sion-Cookies und die dauerhaften Cookies. Zu ihnen ge-
sellen sich heute sogenannte Web Bugs und Flash-
Cookies. Zudem gibt es noch anderweitige Auswer-
tungsmöglichkeiten – etwa durch Browser-Footprints.
Ein präventiv ansetzender Datenschutz müsste bereits
hier ansetzen – auch wenn die unterschiedlichen Zweck-
setzungen von Cookies Fragen aufwerfen. Dementspre-
chend nimmt etwa der SPD-Entwurf, der im Wortlaut
eine ganz erstaunliche Ähnlichkeit mit dem Bundesrats-
entwurf – BR-Drucksache 156/11 – aufweist, die Ses-
sion-Cookies sowie diejenigen Cookies gänzlich vom
Einwilligungserfordernis aus, die „unbedingt erforder-
lich sind, um einen vom Nutzer ausdrücklich gewünsch-
ten elektronischen Informations- oder Kommunikations-
dienst zur Verfügung stellen zu können.“
Dieses Vorgehen erscheint zwar zunächst sinnvoll,
aber schon hier stellt sich die Frage, ob etwa die von
Facebook im Rahmen von Like-Buttons platzierten datr-
Cookies unter eine solche Privilegierung fallen, die nach
Einlassung des Konzerns allein zu Sicherheitszwecken
unbedingt erforderlich sein sollen.
Ferner unterwirft der Gesetzesvorschlag der SPD un-
terschiedslos alle anderen Cookie-Verwendungen dem
Einwilligungsvorbehalt, ganz gleich, ob diese für eine
Webseite nur zu Sicherheitszwecken, für Werbezwecke,
allein durch Drittanbieter oder webseitenübergreifend
zur Profildatenerstellung gesetzt werden. Auch Lebens-
dauer und Inhalt finden insoweit keine Berücksichti-
gung. Zugleich bleibt der Einwilligungsbegriff unprä-
zise, weil Bezug genommen wird auf die bestehenden
TMG-Vorschriften und damit auf die zumindest in der
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iteratur vertretene Auslegung, wonach eben auch die
onkludente Einwilligung per Browservoreinstellung
enügen können soll.
Auch der Begründung des Entwurfs der SPD ist zu die-
er Frage leider keine Stellungnahme zu entnehmen. Da-
it weicht der Gesetzentwurf einer der entscheidenden
gulatorischen Fragen der Cookie-Problematik schlicht
us und verfehlt damit das Ziel, Rechtssicherheit zu brin-
en. Die entscheidende Frage also bleibt offen: Sollte an-
esichts der in der Praxis auf Webseiten oftmals bis zu
0 oder 30 gleichzeitig platzierten Cookies auf die na-
ezu unmöglichen Einzeleinwilligungen verzichtet und
ine pauschale, letztlich von den Datenschutzeinstellun-
en des Users selbst vorzunehmende Absicherung umge-
tellt werden?
Von einer solchen alleinigen Selbstverantwortung der
utzerinnen und Nutzer halten wir, genau wie die Arti-
el-29-Datenschutzgruppe der Datenschutzbehörden der
U-Mitgliedstaaten, nur wenig. Sie wird von der Wirt-
chaft gefordert, die, insoweit durchaus nachvollziehbar,
ie Praktikabilität nicht durch eine Vielzahl von Pop-up-
enstern mit Einwilligungserfordernissen unterbrechen
ill. Hier gilt es zu bedenken, dass noch längst nicht alle
rowser über einfache und verständliche Datenschutz-
instellungen verfügen: So umgehen Flash-Cookies den
rowser vollständig.
Die Medienkompetenz der Bürgerinnen und Bürger
ürde zum gegenwärtigen Zeitpunkt überschätzt, über-
eße man ihnen allein die Last der zu treffenden Schutz-
aßnahmen.
Neuere Studien zu den bestehenden technischen
elbstschutzmöglichkeiten kommen zu dem Schluss,
ass diese nach wie vor lückenhaft sind. Es stellt sich
lso die Frage, wie eine differenzierte gesetzliche Rege-
ng ausgestaltet werden müsste. Womöglich müsste sie
sikoabgestufte Lösungen anbieten und den Fall der
ebseitenübergreifenden Anwendungen zur Profilerstel-
ng im Schwerpunkt aufgreifen. Zusätzlich wären für
lle Techniken der Wiedererkennung Privacy-by-De-
ign-Vorgaben verpflichtend zu machen.
Eine weitere, gegenüber den EU-rechtlichen Vorga-
en sogar missliche Verkürzung enthält der SPD-Ent-
urf schließlich bei den Informationspflichten: Während
ie Richtlinie Einwilligungen nur auf der Grundlage
klarer und umfassender Informationen“ zulassen will,
ibt sich der Entwurf mit den weitaus spärlicheren An-
rderungen von § 13 Abs. 1 des bestehenden Teleme-
iengesetzes zufrieden. Das kann gerade deshalb nicht
kzeptiert werden, weil zum einen die Komplexität der
roblematik selbst, aber auch die Vielfalt und Undurch-
ichtigkeit möglicher Selbstschutzmaßnahmen eher zu-
ätzliche Informationen für die Verbraucherinnen und
erbraucher erforderlich machen.
Insgesamt sind diese vagen und unpräzisen Regelun-
en des SPD-Gesetzentwurfs nicht geeignet, die sich im
usammenhang mit der Verwendung von Cookies stel-
nden Fragen zu beantworten.
Facebook und Google veröffentlichten nicht zufällig
eitgleich mit der Vorstellung der EU-Verordnung für
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eine Reform des Datenschutzes ihre weitreichenden Um-
stellungen in der Datenverarbeitungspraxis. Diese Un-
ternehmen, deren Geschäftsmodell maßgeblich vom ma-
ximal perfekten Targeting der Nutzerinnen und Nutzer
lebt, wollen vor Umsetzung der regulatorischen Anstren-
gungen der EU offenbar vollendete Tatsachen schaffen.
Wir sollten ihnen mit umfassenden und differenzierten
Regelungsansätzen zeigen, dass wir willens und in der
Lage sind, verfassungsrechtlich gebotene Vorgaben zu
formulieren und auch durchzusetzen.
155. Sitzung
Inhaltsverzeichnis
TOP 3Finanzmarktstabilisierungsgesetz
TOP 4Kooperativer Bildungsföderalismus
TOP 28Überweisungen im vereinfachtenVerfahren
TOP 29Abschließende Beratungen ohne Aussprache
ZP 1Aktuelle Stunde zur Überwachung von MdB der LINKEN durch den Verfassungsschutz
TOP 5Einsetzung eines Untersuchungsausschusses
TOP 6Erhalt von Holocaust-Gedenkstätten in Polen
TOP 7Afghanistan-Einsatz (ISAF)
TOP 8Sozial gerechtes und klimafreundliches Mietrecht
TOP 9Digitalisierung des kulturellen Erbes
TOP 10Agrarpolitik
TOP 14Bleiberecht für Flüchtlinge aus Syrien
TOP 12Rentenrecht für DDR-Altübersiedler und –Flüchtlinge
TOP 13Gleichwertigkeit von Berufsbildung und Abitur
TOP 11Transeuropäisches Verkehrsnetz
TOP 15Sportbootschifffahrt
TOP 16Rechtsschutz im Asylverfahren
TOP 17Luftverkehrsgesetz
TOP 18Schwefelgehalt von Schiffskraftstoffen
TOP 19Telemediengesetz
TOP 20Rentenauszahlung nach dem Ghetto-Rentengesetz
TOP 21Reform des Bergrechts
TOP 22Regionale Verarbeitung und Vermarktung
Anlagen