der Menschen in Westsahara und in den algerischen
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 126. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 21. September 2011 14949
(A) (C)
(D)(B)
* für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver-
sammlung des Europarates
kreten Projekten sind angesichts dieses Arbeitsstandes
derzeit noch nicht möglich.
Anlage 1
Liste der entschuldigten Abgeordneten
Abgeordnete(r)
entschuldigt bis
einschließlich
Aigner, Ilse CDU/CSU 21.09.2011
Beckmeyer, Uwe SPD 21.09.2011
Dr. Geisen, Edmund FDP 21.09.2011
Dr. Jochimsen,
Lukrezia
DIE LINKE 21.09.2011
Kolbe, Manfred CDU/CSU 21.09.2011
Dr. Koschorrek,
Rolf
CDU/CSU 21.09.2011
Dr. Lehmer, Max CDU/CSU 21.09.2011
Leutheusser-
Schnarrenberger,
Sabine
FDP 21.09.2011
Nahles, Andrea SPD 21.09.2011
Rupprecht
(Tuchenbach),
Marlene
SPD 21.09.2011*
Schaaf, Anton SPD 21.09.2011
Schlecht, Michael DIE LINKE 21.09.2011
Dr. Strengmann-Kuhn,
Wolfgang
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
21.09.2011
Tack, Kerstin SPD 21.09.2011
Thönnes, Franz SPD 21.09.2011
Vogler, Kathrin DIE LINKE 21.09.2011
Weinberg, Harald DIE LINKE 21.09.2011
Dr. Westerwelle,
Guido
FDP 21.09.2011
Wolff (Wolmirstedt),
Waltraud
SPD 21.09.2011
Wunderlich, Jörn DIE LINKE 21.09.2011
Anlagen zum Stenografischen Bericht
Anlage 2
Antwort
des Parl. Staatsministers Bernd Neumann auf die Frage
des Abgeordneten Dr. h. c. Wolfgang Thierse (SPD)
(Drucksache 17/6994, dringliche Frage 1):
Welches sind die konkreten verfassungsrechtlichen Be-
denken der Bundesregierung hinsichtlich einer Zwangsverset-
zung ehemaliger Mitarbeiter der Staatssicherheit, Stasi, in der
Stasi-Unterlagen-Behörde, von denen der Regierungssprecher
am Freitag, den 16. September 2011, sprach in Zusammen-
hang mit der seitens der Koalitionsfraktionen der CDU/CSU
und FDP geplanten Fixierung einer entsprechenden Regelung
im Stasi-Unterlagen-Gesetz, StUG, dessen Novellierung am
Mittwoch, den 21. September 2011, in den Ausschüssen des
Deutschen Bundestages abschließend beraten werden soll,
und wann wird die Bundesregierung dem Deutschen Bundes-
tag diese Bedenken und deren Begründung vortragen?
Bei der Bewertung des Gesetzentwurfs der Koali-
tionsfraktionen sind verschiedene verfassungsrechtliche
Aspekte zu berücksichtigen gewesen. Hier hat es einen
intensiven Meinungsbildungsprozess gegeben. Zum Zeit-
punkt der Äußerung des Regierungssprechers standen
noch Bedenken im Raum. Diese sind zwischenzeitlich
ausgeräumt.
Bei den Bedenken, die der Regierungssprecher er-
wähnte, ging es insbesondere um die Frage, inwiefern
eine gesetzliche Anordnung zur Versetzung in die Perso-
nalhoheit der Ressorts eingreift. Diese Bedenken wurden
durch die zuständigen Verfassungsressorts geprüft und
im Ergebnis ausgeräumt. Die Personalhoheit der einzel-
nen Ressorts bleibt gewahrt, weil die Entscheidung über
eine konkrete Versetzung im Einzelfall den jeweiligen
Ressorts überlassen bleibt. Deshalb hält die Bundesre-
gierung die vorgesehene Regelung für vertretbar.
Anlage 3
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Fragen des
Abgeordneten Christian Lange (Backnang) (SPD)
(Drucksache 17/6994, Fragen 1 und 2):
Sind durch die im Bundesministerium für Verkehr, Bau
und Stadtentwicklung vorliegenden Entwürfe für den Investi-
tionsrahmenplan auch geplante Verkehrsprojekte in Baden-
Württemberg, wie beispielsweise die B-29-Ortsumfahrung
Mögglingen oder der Weiterbau der B 14 bis nach Backnang,
gefährdet, und stimmt es, dass es angesichts „begrenzter Mit-
tel“ in den nächsten Jahren grundsätzlich keine Neubeginne
geben soll?
Welche konkreten Maßnahmen sind durch die im Bundes-
ministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung vorlie-
genden Entwürfe für den Investitionsrahmenplan in Baden-
Württemberg betroffen?
Derzeit wird der Entwurf des Investitionsrahmen-
plans 2011 bis 2015 für die Verkehrsinfrastruktur des
Bundes, IRP, erarbeitet. Der Referentenentwurf befindet
sich gegenwärtig in der Abstimmung. Aussagen zu kon-
14950 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 126. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 21. September 2011
(A) (C)
(D)(B)
Anlage 4
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Frage des
Abgeordneten Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN) (Drucksache 17/6994, Frage 5):
Hat der Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtent-
wicklung, Dr. Peter Ramsauer, seine Äußerung, ein Ausstieg
Griechenlands aus der Euro-Zone wäre kein „Weltuntergang“,
(Interview in der Zeit vom 15. September 2011, mit dem Bun-
deskanzleramt, dem Auswärtigen Amt und dem Bundesminis-
terium für Wirtschaft und Technologie abgestimmt, und wel-
che Konsequenzen hätte dieser Ausstieg aus
verkehrspolitischer und europäischer Sicht?
Die Bundesregierung stimmt sich zu Themen der Re-
gierungsarbeit eng ab – dies gilt auch für die Europapoli-
tik. Im Interview mit der Zeit vom 15. September hat
Bundesminister Dr. Peter Ramsauer unter anderem be-
tont: „Uns eint der Wunsch, dass der Euro stabil bleibt.
Außerdem wollen wir die Risiken überschaubar halten.
Wir wissen zudem, dass alle Wege, die Athen aus der
Krise führen, riskant und schmerzhaft sind.“ Zudem
hatte er darauf hingewiesen, dass Griechenland alle
seine Zusagen erfüllen müsse. Und, dass es keine Mus-
terlösungen gebe. Mögliche konkrete Konsequenzen ei-
nes griechischen Ausstiegs aus der Euro-Zone wurden
nicht thematisiert.
Anlage 5
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Frage der
Abgeordneten Silvia Schmidt (Eisleben) (SPD) (Druck-
sache 17/6994, Frage 6):
Wie bewertet die Bundesregierung den Vorschlag des Ver-
kehrsausschusses des Bundesrates vom 7. September 2011,
Bundesratsdrucksache 462/11, zur Novellierung des Perso-
nenbeförderungsgesetzes hinsichtlich der Regelungen zur
Barrierefreiheit, und wird die Bundesregierung diese Rege-
lung in ihrem Gesetzentwurf aufgreifen?
Gegenstand des Regierungsentwurfes eines Gesetzes
zur Änderung personenbeförderungsrechtlicher Vor-
schriften, Bundesratsdrucksache 462/11, ist es, erforder-
liche Anpassungen des Bundesrechts im Hinblick auf die
Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 über öffentliche Perso-
nenverkehrsdienste auf Straße und Schiene vorzuneh-
men sowie die Zulassung nationaler Fernbuslinienver-
kehre zu vereinfachen.
Im Rahmen der umfangreichen Vorabstimmungen mit
den Ländern zum Gesetzgebungsvorhaben etwa im
Bund-Länder-Fachausschuss Straßenpersonenverkehr ist
vonseiten der Länder bisher nicht vorgeschlagen wor-
den, die vorhandenen Vorschriften des Personenbeförde-
rungsgesetzes über die Anforderungen an Inhalt und Zu-
standekommen zu berücksichtigender Nahverkehrspläne
in § 8 Abs. 3 Satz 3 und 4 des Personenbeförderungsge-
setzes zu erweitern.
Für die Bundesregierung ist die Verstetigung und Ver-
stärkung der Barrierefreiheit bei der Mobilität von Men-
schen mit Behinderungen im öffentlichen Personenver-
kehr ein wichtiges Anliegen. Die Nahverkehrspläne
haben die Belange behinderter und anderer Menschen
mit Mobilitätsbeeinträchtigung mit dem Ziel zu berück-
sichtigen, für die Nutzung des öffentlichen Personennah-
verkehrs eine möglichst weitreichende Barrierefreiheit
zu erreichen, wobei Aussagen über zeitliche Vorgaben
und erforderliche Maßnahmen getroffen werden sollen.
Es bleibt abzuwarten, ob der Bundesrat die angespro-
chene Beschlussempfehlung des Verkehrsausschusses in
seiner Stellungnahme zum Regierungsentwurf überneh-
men wird. Die Bundesregierung wird dann die Vor-
schläge des Bundesrates prüfen und die Ergebnisse in ih-
rer Gegenäußerung darlegen.
Anlage 6
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Frage des
Abgeordneten Uwe Beckmeyer (SPD) (Drucksache
17/6994, Frage 9):
Wann wird die Bundesregierung die Lkw-Maut auf vier-
spurigen Bundesstraßen im Jahr 2011 einführen?
In 2011 ist die Erhebung der Maut auf Bundesstraßen
nicht mehr realisierbar. Die technischen Voraussetzun-
gen für die Mauterhebung liegen noch nicht vor, da die
Verhandlungen mit der Mautbetreibergesellschaft Toll
Collect noch andauern.
Anlage 7
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Frage des
Abgeordneten Uwe Beckmeyer (SPD) (Drucksache
17/6994, Frage 10):
Wann wird die Bundesregierung das sogenannte Maut-
schiedsverfahren im Jahr 2011 abschließen, und wie sehen die
nächsten Verfahrensschritte aus?
Die Beendigung des vom Bund gegen das Toll-Col-
lect-Konsortium geführten Schiedsverfahrens liegt nicht
in der Hand des Bundes. Für eine Beendigung durch
Vergleich sieht Toll Collect derzeit keine Grundlage.
Eine streitige Entscheidung müsste durch das Gericht er-
folgen. Das Gericht will die hierzu nötige Entschei-
dungsreife auf Grundlage der zum 15. November 2011
fälligen Parteischriftsätze zügig herbeiführen. Mit einer
Verfahrensbeendigung noch im Jahr 2011 ist nicht zu
rechnen.
Anlage 8
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Fragen des
Abgeordneten Franz Thönnes (SPD) (Drucksache 17/6994,
Fragen 17 und 18):
Liegt ein Förderantrag für die Maßnahme „Anpassung der
Oststrecke des Nord-Ostsee-Kanals“ im Rahmen der von der
Europäischen Union geförderten transeuropäischen Netze in-
zwischen vor, bzw. bis wann ist mit seiner Vorlage zu rech-
nen?
Welchen Inhalt hat dieser Förderantrag bzw. soll er haben?
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 126. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 21. September 2011 14951
(A) (C)
(D)(B)
Ein Förderantrag kann derzeit nicht eingereicht wer-
den, da noch keine Aussagen für einen Realisierungs-
zeitraum gemacht werden können. Denn zum einen liegt
noch kein rechtskräftiger Planfeststellungsbeschluss vor,
und zum anderen muss für einen Antrag sichergestellt
sein, dass das Projekt auch durch nationale Haushalts-
mittel voll finanziert ist. Hierbei ist zu beachten, dass der
Zuschuss der EU-Förderung höchstens bei 20 Prozent
liegen könnte. Der Zuschuss kann nicht mit in die Finan-
zierung eingerechnet werden, da keine Gewissheit be-
steht, ob die Förderung zum Tragen kommt. Aufgrund
begrenzter Haushaltsmittel kann ein Zeitplan für die
Maßnahme wegen der zu knappen Ressourcenausstat-
tung derzeit nicht erfolgen.
Anlage 9
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Frage der
Abgeordneten Gabriele Hiller-Ohm (SPD) (Drucksa-
che 17/6994, Frage 21):
Mit welcher Begründung stellt die Bundesregierung in
dem Entwurf des Bundeshaushaltes 2012 lediglich 25 Millio-
nen Euro für Um-, Aus- und Neubaumaßnahmen am Nord-
Ostsee-Kanal und damit nur 3,9 Millionen Euro für den Be-
reich Schleusen ein?
Die Veranschlagung der Um-, Aus- und Erweite-
rungsmaßnahmen am Nord-Ostsee-Kanal erfolgt unter
Berücksichtigung des in 2012 zur Verfügung stehenden
Haushaltsansatzes für alle Maßnahmen an allen Bundes-
wasserstraßen. An den Schleusen Kiel-Holtenau und
Brunsbüttel sind für vorgezogene Maßnahmen geplanter
Neubau- und Ersatzmaßnahmen insgesamt 2,9 Millionen
Euro vorgesehen.
Anlage 10
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Fragen des
Abgeordneten Dr. Hans-Peter Bartels (SPD) (Druck-
sache 17/6994, Frage 22):
Plant die Bundesregierung eine Erhöhung der Gebühren
und Abgaben für die Schifffahrt – einschließlich Sportschiff-
fahrt – am Nord-Ostsee-Kanal?
Mit dem Ziel einer stärkeren Beteiligung der Nutzer
an der Infrastrukturfinanzierung wird unter anderem
auch eine Erhöhung der Befahrungsabgaben am Nord-
Ostsee-Kanal, NOK, erwogen. Das Bundesministerium
für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung lässt hierzu zu-
nächst eine Untersuchung der zu erwartenden Effekte
durchführen.
Parallel dazu werden die Lotsabgaben, die ab dem
1. April 2010 temporär um 10 Prozent abgesenkt wur-
den, zum 1. Januar 2012 wieder angehoben und dabei
gegenüber dem Abgabenstand vom April 2010 um
10 Prozent erhöht.
Lotsgeld ist keine öffentliche Abgabe, sondern ein
privates Entgelt für die Leistung der Lotsen. Die Anpas-
sung der Tarife wird mit den Verbänden und den Küsten-
ländern in regionalen Arbeitskreisen vereinbart.
Anlage 11
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Frage des
Abgeordneten Dr. Hans-Peter Bartels (SPD) (Drucksa-
che 17/6994, Frage 23):
Bemüht sich die Bundesregierung bei der Finanzierung
von Investitionsmaßnahmen zur Ertüchtigung des Nord-Ost-
see-Kanals um Mittel im Rahmen der Europäischen Union?
Ein Antrag auf Förderung von Infrastrukturmaß-
nahmen am Nord-Ostsee-Kanal aus der Haushaltslinie
TEN-V kann bei der EU derzeit nicht gestellt werden, da
noch keine Aussagen über die Realisierung der erwoge-
nen Maßnahmen am Nord-Ostsee-Kanal getroffen wer-
den können.
Anlage 12
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Fragen der
Abgeordneten Bettina Hagedorn (SPD) (Drucksache
17/6994, Fragen 24 und 25):
Welches Investitionskonzept hat die Bundesregierung bei
der Modernisierung der Brücken, Fähren und anderen Ein-
richtungen des Querverkehrs am Nord-Ostsee-Kanal?
Ist es geplant, die Zeiten des Fährverkehrs am Nord-Ost-
see-Kanal einzuschränken?
Die Investitionen an Brücken und anderen Einrichtun-
gen des Querverkehrs am Nord-Ostsee-Kanal werden
nach dem jeweiligen Instandhaltungsbedarf ausgerichtet.
Wo erforderlich, werden hierzu auch Ersatzinvestitionen
vorbereitet – zum Beispiel Hochbrücke Levensau. Da-
rüber hinaus erarbeitet die WSD Nord zurzeit ein Kon-
zept zur Sicherstellung und Modernisierung des Fährbe-
triebes.
Anlage 13
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Frage des
Abgeordneten Dr. h. c. Gernot Erler (SPD) (Druck-
sache 17/6994, Frage 34):
Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus den
von der Deutschen Bahn AG ermittelten Ergebnissen, dass als
Alternative zur Bündelungstraße im Rheintal der Bau zweier
Gütergleise an der Autobahn plus die Ertüchtigung der Rhein-
talbahn auf 200 km/h mit Einsparungen von 20 Millionen
Euro verbunden wäre?
Der Bundesregierung sind entsprechende Ergebnisse
einer Untersuchung der Deutschen Bahn AG nicht be-
kannt. Der Projektbeirat zur Rheintalbahn hat auf seiner
5. Sitzung am 8. Februar 2011 zu dieser sogenannte
Kernforderung 2 Folgendes beschlossen:
„Der Projektbeirat begrüßt die Bereitschaft der Deut-
sche Bahn AG, zum Vergleich mit der Antragstrasse ver-
tiefende Untersuchungen für eine autobahnparallele
14952 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 126. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 21. September 2011
(A) (C)
(D)(B)
Trassenführung von Offenburg bis Riegel vorzunehmen.
Er dankt der Bundesregierung und der Landesregierung
für ihre Zusage, die hierfür erforderlichen Mittel in Höhe
von 550 000 Euro zur Verfügung zu stellen.
Der Projektbeirat erwartet von der Deutsche Bahn
AG, dass sie die entsprechenden Untersuchungen auf der
Grundlage des von der Arbeitsgruppe Cluster 3 einver-
nehmlich erarbeiteten Pflichtenhefts in der Fassung der
Diskussion des heutigen Projektbeirats zeitnah und in
enger Abstimmung mit dieser Arbeitsgruppe durchführt.
Bei der Prüfung der Belange des Emissionsschutzes soll
auf der Grundlage des Gutachtens Dr. Wendler auch die
maximale Kapazität berücksichtigt werden.“
Dementsprechend ist die sogenannte Kernforderung 2
„BAB-Trasse“, als Tagesordnungspunkt 7 auf der nächs-
ten Sitzung des Projektbeirates am 26. September 2011
im Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtent-
wicklung Berlin eines der zu diskutierenden Themen.
Dabei wird die Deutsche Bahn AG über den in der Ar-
beitsgruppe bisher erreichten Sachstand berichten. Ab-
schließende Beschlüsse oder Empfehlungen in dieser
Frage werden voraussichtlich nicht getroffen werden.
Anlage 14
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Frage des Ab-
geordneten Heinz Paula (SPD) (Drucksache 17/6994,
Frage 35):
Kann der Bund gewährleisten, dass, wie angekündigt, die
Elektrifizierung der Bahnstrecke München–Memmin-
gen–Lindau bis 2017 fertiggestellt ist, auch wenn laut Zei-
tungsberichten die Fortschreibung des Investitionsrahmenpla-
nes für die Verkehrsinfrastruktur des Bundes aufzeigt, dass
angeblich bis zum Jahr 2015 keine neuen Projekte begonnen
werden können?
Die Durchführung der Elektrifizierung der Bahnstre-
cke München–Memmingen–Lindau ist durch Abschluss
von Finanzierungsvereinbarungen finanziell sicherge-
stellt worden. Mit korrespondierenden Bestandsnetz-
maßnahmen wurde im Jahr 2010 begonnen. Die DB
Netz AG hat mitgeteilt, dass der Abschluss der Vorpla-
nung für die Bedarfsplanmaßnahmen Ende 2011 erwar-
tet wird. Aus derzeitiger Sicht erwartet die DB AG den
Baubeginn erst nach dem Jahr 2013. Hierbei sind Verzö-
gerungen in den Planrechtsverfahren nicht eingeschlos-
sen. Gleichwohl wird seitens der DB Netz AG derzeit
von einer Inbetriebnahme in Jahr 2017 ausgegangen.
Anlage 15
Antwort
der Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die
Fragen des Abgeordneten Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/6994, Fragen 42 und 43):
Sollen die einzelnen geplanten Solarprojekte beim „He-
lios“-Solarprojekt in Griechenland ausgeschrieben werden,
und wird sich Deutschland an der Entwicklung des Auswahl-
verfahrens beteiligen?
Wie viele langfristige Arbeitsplätze sollen durch das „He-
lios“-Solarprojekt entstehen – bitte nach Griechenland und
Deutschland unterscheiden –, und mit welchen Wertschöp-
fungsanteilen ist bei dem Projekt für Griechenland und
Deutschland jeweils zu rechnen?
Der griechische Minister für Umwelt, Energie und
Klimawandel, Herr Georgios Papakonstantinou, hat am
14. September 2011 dem Bundesminister für Umwelt,
Naturschutz und Reaktorsicherheit, dem Bundesminister
der Finanzen und dem Staatssekretär des Bundesministe-
riums für Wirtschaft und Technologie, Jochen Homann,
die Grundzüge des von der griechischen Regierung ent-
worfenen „Helios“-Konzepts erläutert.
Aus der bisherigen Darstellung der Projektidee durch
die griechische Regierung geht nicht hervor, ob das „He-
lios“-Projekt ausgeschrieben werden soll oder welche
Arbeitsplatz- bzw. Wertschöpfungseffekte damit verbun-
den sind.
Anlage 16
Antwort
der Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die
Fragen des Abgeordneten Dirk Becker (SPD) (Druck-
sache 17/6994, Fragen 44 und 45):
Welche Forschungsaktivitäten bezüglich der Entwicklung
von Biokraftstoffen der zweiten bzw. dritten Generation exis-
tieren zurzeit in Deutschland, und wie weit sind sie fortge-
schritten?
Welche Folgen erwartet die Bundesregierung aus der In-
solvenz der Firma Choren Industries GmbH für die weitere
Forschung und die Markteinführung von Biokraftstoffen der
zweiten bzw. dritten Generation?
Zu Frage 44:
Die Bundesregierung hat Projekte gefördert, die die
Biomass-to-Liquid-Technologie, BtL, sowie die Gewin-
nung von Ethanol aus Lignocellulose betreffen.
Hinsichtlich BtL-Kraftstoffen fördert das Bundes-
ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-
cherschutz, BMELV, insbesondere die erfolgverspre-
chende bioliq-Pilotlinie des Karlsruher Instituts für
Technologie, KIT, die voraussichtlich in 2013 den Ver-
suchsbetrieb aufnehmen wird. Das Verfahren ist beson-
ders interessant, da sich eine breite Palette an Reststof-
fen wie zum Beispiel Stroh oder Restholz zu Kraftstoff
verarbeiten lässt. Ergebnisberichte sollen öffentlich zu-
gänglich gemacht werden. Erste Informationen sind öf-
fentlich abrufbar über das Internet.
Vor diesem Hintergrund ist nach Informationen, die
der Bundesregierung vorliegen, mit Demonstrationsan-
lagen nicht vor dem Jahr 2015 zu rechnen.
Zu Frage 45:
Die Bundesregierung erwartet keine Auswirkungen
auf die Forschung. Zur Frage, ob die Insolvenz der
Firma Choren Industries GmbH Einfluss auf den Zeit-
punkt einer zukünftigen Markteinführung von Biokraft-
stoffen der zweiten Generation haben könnte, kann keine
genaue Einschätzung vorgenommen werden.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 126. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 21. September 2011 14953
(A) (C)
(D)(B)
Anlage 17
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Frage
der Abgeordneten Marianne Schieder (Schwandorf)
(SPD) (Drucksache 17/6994, Frage 46):
Wie viel Prozent der, unter anderem vom Abgeordneten
Heinz-Peter Haustein am 8. September 2011 in der ersten Le-
sung des Entwurfs des Bundeshaushalts 2012 dargestellten,
Steigerung der Förderung der „Naturwissenschaftlichen
Grundlagenforschung“ um 67 Prozent im Entwurf für den
Bundeshaushalt 2012 im Vergleich zum Vorjahr entfallen auf
gestiegene Kosten für bereits beschlossene Projekte, und wie
viel Prozent der 67-prozentigen Steigerung stehen für neue
Projekte zur Verfügung?
Der Aufwuchs um 95,073 Millionen Euro resultiert
zum einen daraus, dass der erwartete Baubeginn der
neuen Forschungseinrichtung FAIR in Darmstadt in das
Jahr 2012 fällt, gleichzeitig ist der Bau des XFEL in
Hamburg noch nicht abgeschlossen, sodass für eine be-
grenzte Zeit bis voraussichtlich 2015 ein erhöhter Mittel-
bedarf durch diese Parallelität entsteht. Beim XFEL ent-
stehen in 2012 gestiegene Kosten insbesondere beim
Bau der Tunnel. Der Mittelbedarf im Bereich Großgeräte
der Grundlagenforschung steigt dadurch um 27,7 Millio-
nen Euro.
Der verbleibende Aufwuchs beinhaltet Vorsorge für
Projekte der nationalen FIS-Roadmap bzw. ESFRI-Pro-
jekte.
Anlage 18
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Fragen
der Abgeordneten Ulla Burchardt (SPD) (Drucksache
17/6994, Fragen 47 und 48):
Auf welche Fördermaßnahmen und Projekte verteilen sich
die zusätzlichen Mittel – rund 17 Prozent Aufwuchs – für die
Position „Wettbewerbsfähigkeit des Wissenschafts- und Inno-
vationssystems“ im Entwurf für den Bundeshaushalt 2012?
Aus welchen Gründen senkt die Bundesregierung die Pro-
jektfördermittel für den Bereich „Elektroniksysteme“ deutlich
ab, minus 8 Millionen Euro für innovative Elektroniksysteme,
minus 6,34 Millionen Euro für die Kompetenzzentren für
Elektronikforschung?
Zu Frage 47:
Für das Kapitel 3003 „Wettbewerbsfähigkeit des Wis-
senschafts- und Innovationssystems“ ist ein Anstieg von
4 118,5 Millionen Euro im Soll 2011 auf 4 823,173 Mil-
lionen Euro im Regierungsentwurf 2012 vorgesehen.
Dies ist ein Aufwuchs von rund 705 Millionen Euro
bzw. 17,1 Prozent. Hierin enthalten sind insbesondere
die Steigerungen beim Hochschulpakt angesichts der Fi-
nanzierung zusätzlicher Studienanfänger, +549,727 Mil-
lionen Euro, des Qualitätspaktes Lehre, +35 Millionen
Euro, die Steigerungen beim von DFG, MPG und WGL,
+102,676 Millionen Euro, insbesondere 5 Prozent Auf-
wuchs gemäß Pakt für Forschung und Innovation, sowie
Leistungen für die Europäischen Forschungseinrichtun-
gen, +16,045 Millionen Euro.
Zu Frage 48:
Die Bundesregierung räumt der Förderung der Elek-
tromobilität in dieser Legislaturperiode eine hohe Priori-
tät ein.
Die Ansätze für Elektromobilität im Titel „Elektro-
niksysteme, Elektromobilität“, 3004/683 23, waren da-
mit deutlich anzuheben, andere Ansätze waren entspre-
chend anzupassen, so auch die Ansätze für innovative
Elektroniksysteme und Kompetenzzentren für die Elek-
tronikforschung.
Ab 2012 werden allerdings alle FuE-Maßnahmen der
Bundesregierung zur Elektromobilität ausschließlich aus
dem Energie- und Klimafonds gefördert. Die Titelan-
sätze in den jeweiligen Einzelplänen werden daher um
die Höhe der im EKF zu verlagernden Mittel abgesenkt.
Anlage 19
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Frage
des Abgeordneten Michael Gerdes (SPD) (Drucksache
17/6994, Frage 49):
Welche internationalen Probleme bestanden bzw. bestehen
bei den Verhandlungen zu den Großprojekten XFEL und
FAIR, und welche Maßnahmen hat die Bundesregierung in
die Wege geleitet, um diese Probleme anzugehen?
Die Verhandlungen zu XFEL und FAIR konnten mit
den internationalen Partnern erfolgreich abgeschlossen
werden.
Jedoch haben sich beim Bau des XFEL neben den all-
gemeinen Preissteigerungen seit 2005 Preissteigerungen
beim Tiefbau gegeben, die mit der Erteilung des Zu-
schlags im Ausschreibungsverfahren zu einem Zeitpunkt
zusammenhingen, in dem die Baukonjunktur besonders
angespannt war. Daher wurden erneut Verhandlungen
mit den internationalen Partnern aufgenommen. Russ-
land hat sich inzwischen bereit erklärt, über die anteilige
Preissteigerung seit 2005 hinaus mit 50 bis 60 Millionen
Euro zur Deckung des Finanzierungsdefizits beizutragen,
wenn sich Deutschland in vergleichbarer Höhe beteiligt.
In der Haushaltsplanung 2012 wurde dem entsprechend
für einen möglichen deutschen Deckungsanteil der Fi-
nanzierungslücke eine Vorsorge von insgesamt 113,5 Mil-
lionen Euro für 2012 bis 2015 getroffen, diese setzt sich
aus der anteiligen Preissteigerung seit 2005 sowie weite-
ren 60 Millionen Euro analog entsprechend dem Ange-
bot von Russland zusammen. Auch durch den für Okto-
ber 2011 vorgesehenen Beitritt Spaniens zum XFEL-
Übereinkommen wird sich die Finanzierungslücke wei-
ter schließen. Die baukonjunkturbedingte Finanzie-
rungslücke kann vollständig geschlossen werden, wenn
sich neben Russland und Deutschland auch die anderen
Vertragsstaaten anteilmäßig zur Übernahme der Mehr-
kosten bereit erklären. Die Verhandlungen darüber sind
auf gutem Wege.
Bei FAIR sind die internationalen Verhandlungen zu-
nächst abgeschlossen. Dennoch setzen sich das BMBF
und die Geschäftsführung der FAIR GmbH dafür ein,
weitere Partner zu gewinnen. Es laufen Gespräche mit
14954 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 126. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 21. September 2011
(A) (C)
(D)(B)
Brasilien und China, Großbritannien hat zugesagt, sich
finanziell an den Experimenten zu beteiligen.
Anlage 20
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Fragen
des Abgeordneten Michael Gerdes (SPD) (Drucksache
17/6994, Frage 50):
Aus welchen Gründen streicht die Bundesregierung die er-
folgreiche Förderung für kleine und mittlere Unternehmen,
KMU, im Rahmen der Hightech-Strategie KMU-innovativ im
Haushaltsentwurf 2012 – beispielsweise im Bereich „Sicher-
heitsforschung“ –, und mit welchen Maßnahmen soll weiter-
hin eine angemessene Beteiligung von kleinen und mittleren
Unternehmen bei der Projektförderung sichergestellt werden?
Die Förderinitiative KMU-innovativ ist ein bewähr-
ter, integrierter Baustein der Unterstützung von kleinen
und mittleren Unternehmen, KMU, in den Fachprogram-
men des Bundesministeriums für Bildung und For-
schung, BMBF. Das Instrument wird in allen Technolo-
giefeldern innerhalb der Fachprogrammförderung des
BMBF auch zukünftig auf hohem Niveau weitergeführt.
Erläuterungen in den Titelgruppen 20, 30 und 40 des
Einzelplans 30 beziehen sich grundsätzlich auf Inhalte
der Förderung, nicht aber auf die Instrumente. Entspre-
chend dieser Systematik wird im Allgemeinen auf ei-
gene Erläuterungsziffern für einzelne Instrumente in der
KMU-Förderung im Haushaltsplan des BMBF verzich-
tet. Dies gilt auch für den von Ihnen als Beispiel genann-
ten Bereich der Sicherheitsforschung.
Die Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen
wird auch weiterhin für das BMBF von hoher Priorität
sein. Im Vergleich zum Haushaltsjahr 2005 ist die Förde-
rung des BMBF an KMU in 2010 um 60 Prozent – also
stärker als die Haushaltsansätze – gewachsen. Damit
geht inzwischen die Hälfte der FuE-Förderung in Unter-
nehmen an KMU. Über die Entwicklung der KMU-För-
derung insgesamt sowie KMU-innovativ in allen Titel-
gruppen berichtet das BMBF jährlich.
Kleine und mittlere Unternehmen werden zudem
maßgeblich im Rahmen des Zentralen Innovationspro-
gramms Mittelstand, ZIM, des Bundesministeriums für
Wirtschaft und Technologie unterstützt.
Anlage 21
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Frage
des Abgeordneten Klaus Hagemann (SPD) (Drucksa-
che 17/6994, Frage 51):
Aus welchen Gründen kommt das Bundesministerium für
Bildung und Forschung im Hinblick auf die seit 2007 fertigge-
stellten Forschungsbauten mit einem Volumen von lediglich
221 Millionen Euro und damit weniger als einer einzigen vol-
len Jahresrate von 298 Millionen Euro, permanenten Minder-
abflüssen aus dem Bundeshaushalt in diesem Bereich seit 2007
und der Erwirtschaftung der Globalen Minderausgabe 2010
mit über 95,7 Millionen Euro aus dem Titel „Überregionale
Forschungsförderung im Hochschulbereich“ (Kapitel 30 03
Titel 882 01) in der sogenannten Haushaltsfibel (Seite 161)
zum Regierungsentwurf 2012 zu dem Schluss, dass sich das
Verfahren nach AV-FuG (Ausführungsvereinbarung über die
gemeinsame Förderung von Forschungsbauten an Hochschu-
len einschließlich Großgeräten) bewährt hat, und wie will die
Bundesregierung im Hinblick auf die in § 11 AV-FuG vorgese-
hene Evaluierung der Ausgestaltung dieser Gemeinschaftsauf-
gabe bis Mitte 2012 die angeführten Mängel künftig abstel-
len?
Die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz entscheidet
jährlich über die Titelanteile für die Großgeräte und die
Forschungsbauten. Seit 2007 beträgt die Aufteilung un-
verändert: 213 Millionen Euro für die Forschungsbauten
und 85 Millionen Euro für die Großgeräte.
Das Volumen der fertiggestellten Forschungsbauten
beträgt 221 Millionen Euro und liegt damit über einer
Jahresrate für die Forschungsbauten.
Bis zum Jahr 2010 blieb der Mittelabfluss hinter den
gesetzlich zur Verfügung zu stellenden Mitteln zurück,
was neben einem in der Startphase geringen Antragsauf-
kommen vor allem darauf beruhte, dass Verzögerungen
im Planungs-, Genehmigungs- und Bauprozess unver-
meidbar Minderabflüsse zur Folge hatten.
Der gegenüber den Vorjahren im Haushaltsjahr 2010
geringere Mittelabfluss ist durch das Auslaufen der Mit-
finanzierung der Überleitungsvorhaben nach § 4 AV-FuG
zu erklären. Aufgrund der Bedarfsmeldungen der Länder
und den für die Förderrunde 2012 vom Wissenschaftsrat
empfohlenen Forschungsbauten ist ab 2012 ff. mit einem
der Titelausstattung angemessenen Mittelabfluss zu
rechnen.
Der Bericht gemäß § 11 AV-FuG zur Bewertung des
Verfahrens zur Förderung von Forschungsbauten wurde
von der GWK in ihrer Sitzung am 20. Juni 2011 zustim-
mend zur Kenntnis genommen. Darin wird insbesondere
festgehalten: „Das Verfahren nach AV-FuG hat sich be-
währt und kann in seiner derzeitigen Ausgestaltung wei-
tergeführt werden. Das gewählte wettbewerbliche Ver-
fahren auf Antragsbasis, Begutachtung durch den
Wissenschaftsrat und im Großgerätebereich zusammen
mit der DFG sowie Beschlussfassung durch Bund und
Ländern im Rahmen des AV-FuG-Verfahrens gewähr-
leistet eine Verwendung von Fördermitteln entsprechend
der Forschungsprogrammatik. Auf allen Verfahrensstu-
fen sind Bund und Länder in jeweils unterschiedlicher
Weise angemessen beteiligt; das antragstellende Land
und die für das Forschungskonzept verantwortliche
Hochschule können aktiv am Begutachtungsverfahren im
Wissenschaftsrat mitwirken.“ Im Anschluss hieran prüft
das BMBF derzeit gemeinsam mit den Ländern adminis-
trative Anpassungen unterhalb der Ebene der AV-FuG,
um die Mittelbewirtschaftung zu verbessern.
Anlage 22
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Fragen
des Abgeordneten Oliver Kaczmarek (SPD) (Drucksa-
che 17/6994, Fragen 52 und 53):
Für welche konkreten Maßnahmen sieht die Bundesregie-
rung in ihrem Finanzplan 2013 bis 2015 Mittel in Höhe von
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 126. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 21. September 2011 14955
(A) (C)
(D)(B)
275 Millionen Euro vor, die für „vor- und außerschulisches
Lernen im Lebenslauf“ reserviert sind?
Wie stellt sich der gesamte Beitrag des Bundes zu einem
angestrebten „Alpha-Pakt“ für die Grundbildung von Erwach-
senen angesichts der alarmierenden Zahl von 7,5 Millionen
funktionalen Analphabeten dar, und sieht die Bundesregie-
rung den geplanten Beitrag in Höhe von jährlich 8,5 Millionen
Euro – Einzelplan 30 Titel 685 42 Erläuterungsnummer 2 – als
ausreichend an?
Zu Frage 52:
In Umsetzung des Koalitionsvertrages plant die Bun-
desregierung die Förderung lokaler Bildungsbündnisse.
Mithilfe dieser Bündnisse aus zivilgesellschaftlichen
Akteuren beabsichtigt die Bundesregierung, Maßnah-
men für bildungsbenachteiligte Kinder und Jugendliche
zu fördern. Eine entsprechende Förderbekanntmachung
wird derzeit vorbereitet, die Förderung wird 2013 begin-
nen. Mit diesen Bündnissen für Bildung sollen pädago-
gisch qualitätsgesicherte Angebote im außerschulischen
bzw. außerunterrichtlichen Bereich bundesweit ermög-
licht und zugleich zivilgesellschaftlich getragene Initiati-
ven, die vor Ort für mehr Bildungsgerechtigkeit sorgen,
gestärkt werden.
Zu Frage 53:
Bund und Länder haben vereinbart, einen „Nationalen
Pakt für Alphabetisierung und Grundbildung in Deutsch-
land“ zu initiieren und gemeinsam mit den Sozialpart-
nern, den kommunalen Spitzenverbänden und den ge-
sellschaftlich engagierten Gruppen gezielte Maßnahmen
zu konzipieren.
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung
plant, im Rahmen des Grundbildungspaktes einen neuen
Förderschwerpunkt „Arbeitsplatzorientierte Alphabeti-
sierung und Grundbildung“ aufzulegen, denn 56 Prozent
der funktionalen Analphabeten unter den Erwachsenen
sind erwerbstätig. Ziel dieses Förderschwerpunktes soll
es insbesondere sein, das Interesse von Unternehmen
und Akteuren am Arbeitsmarkt zu steigern, Alphabeti-
sierungs- und Grundbildungsangebote am Arbeitsplatz
einzurichten und durchzuführen. Zudem sollen Unter-
nehmen und gesellschaftlich relevante Akteure wie zum
Beispiel Arbeitsvermittlungen, Gewerkschaften, Kam-
mern und Verbände für die Thematik sensibilisiert sowie
in die Alphabetisierungs- und Grundbildungsarbeit ein-
gebunden werden.
Für dieses Forschungs- und Entwicklungsprogramm
zur „arbeitsplatzorientierten Alphabetisierung und Grund-
bildung“ sind insgesamt 20 Millionen Euro bis 2014 vor-
gesehen.
Darüber hinaus stellt der Bund mit den Integrations-
kursen, den Eingliederungsmaßnahmen für Arbeitslose
der Bundesagentur für Arbeit, der beruflichen Weiterbil-
dung für KMU nach dem SGB III und der Weiterbil-
dungsprämie Instrumente bereit, in deren Rahmen be-
reits heute Alphabetisierungsmodule enthalten sind. Die
finanzielle Größenordnung ist wegen des integrativen
Charakters dieser Module nicht bestimmbar. Im Rahmen
der weiteren Gespräche zur Gestaltung des Grundbil-
dungspakts wird auch darüber beraten, wie diese Instru-
mente noch zielgerichteter auch auf Alphabetisierungs-
elemente ausgerichtet werden können.
Anlage 23
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Frage
der Abgeordneten Dagmar Ziegler (SPD) (Drucksache
17/6994, Frage 54):
Wie viele Anträge auf ein Aufstiegsstipendium sind in den
Jahren 2009, 2010 und 2011 – bis dato – gestellt worden, und
wie viele positive Förderzusagen konnten in denselben Jahren
jeweils gegeben werden?
Im Programm Aufstiegsstipendium wurden im Jahr
2009 bei 3 301 Bewerbungen 896 positive Förderzusa-
gen gegeben. Im Jahr 2010 standen 3 383 Bewerbungen
1 014 ausgewählte Personen gegenüber. Im Jahr 2011
wurden bis dato 3 388 Bewerbungen eingereicht, von
denen voraussichtlich rund 1 000 zur Förderung ausge-
wählt werden.
Einschließlich der im Jahr 2008 erfolgten Auswahl-
runde wurden seit dem Programmstart insgesamt 12 806
Bewerbungen eingereicht; die Zahl der positiven Verga-
beentscheidungen wird bis Ende 2011 voraussichtlich
rund 3 500 betragen.
Anlage 24
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Frage
der Abgeordneten Dagmar Ziegler (SPD) (Drucksache
17/6994, Frage 55):
Welchen konkreten Projekten soll der im Finanzplan ab
2013 geplante Aufwuchs in der beruflichen Bildung insbeson-
dere zur besseren Ausschöpfung aller Potenziale (Einzel-
plan 30 Titel 685 20 Erläuterungsnummer 2) zugutekommen?
Beim Titel 30 02/685 20 „Innovationen und Struktur-
entwicklungen in der beruflichen Bildung“ ist der Auf-
wuchs für Maßnahmen im Rahmen der Initiative „Ab-
schluss und Anschluss – Bildungsketten bis zum Aus-
bildungsabschluss“ vorgesehen, insbesondere Berufsein-
stiegsbegleitung – Erhöhung der Zahl der Berufseinstei-
ger auf 1 000 –, Potenzialanalysen, Einsatz von Mento-
ren zur Verhinderung von Abbrüchen und Stärkung
Jugendlicher in der Berufsausbildung (VerA).
Anlage 25
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Frage
des Abgeordneten Swen Schulz (Spandau) (SPD)
(Drucksache 17/6994, Frage 56):
Welche Vorkehrungen hat die Bundesregierung im Finanz-
plan 2013 bis 2015 für den Hochschulpakt zur Ausfinanzie-
rung aller Studienanfänger getroffen, sollten wie gegenwärtig
erwartet deutlich mehr als die bisher geplanten 275 000 zu-
sätzlichen Studienanfänger ein Studium aufnehmen?
Als Folge der Aussetzung der Wehrpflicht haben
Bund und Länder in der GWK-Sitzung am 21. März
14956 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 126. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 21. September 2011
(A) (C)
(D)(B)
2011 bereits ihre Finanzzusage auf rund 320 000 bis
335 000 zusätzliche Studienmöglichkeiten für die Jahre
2011 bis 2015 erhöht. Darüber hinaus hat der Bund zu-
gesichert, seinen Beitrag für die Ausfinanzierung der
Studienanfänger der ersten Programmphase entspre-
chend der tatsächlichen Studienanfängerentwicklung zu
erhöhen. Insgesamt stellt der Bund für die zweite Pro-
grammphase rund 1,5 Milliarden Euro mehr zur Verfü-
gung als ursprünglich mit den Ländern vereinbart wurde,
davon mehr als 700 Millionen Euro für die Jahre 2013
bis 2015. In den nächsten Jahren stehen damit ausrei-
chende Mittel für den Ausbau der Studienangebote be-
reit. Es besteht in der GWK Einvernehmen, dass Bund
und Länder für den Fall, dass die Zahl der zusätzlichen
Studienanfänger der zweiten Programmphase die in dem
GWK-Beschluss vom 21. März 2011 genannte Zahl von
320 540 bis 334 940 zusätzlichen Studienanfängern
übersteigt, rechtzeitig Gespräche zu sich daraus ergeben-
den Folgerungen aufnehmen.
Anlage 26
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Frage
des Abgeordneten Swen Schulz (Spandau) (SPD)
(Drucksache 17/6994, Frage 57):
Welche Auswirkungen erwartet die Bundesregierung auf
den Umfang der Förderung des Studenten- und Wissenschaft-
leraustausches des Deutschen Akademischen Austauschdiens-
tes, DAAD, aus dem Titelansatz für den Bundeshaushalt
2012, der rund 15 Millionen Euro unterhalb der Ist-Ausgaben
aus 2010 liegt?
Es ist vorgesehen, den Ansatz der DAAD-Förderung
in 2012 gegenüber dem Soll 2011 um 10 000 Euro zu er-
höhen. Diese Mittel sollen zur Verfügung gestellt wer-
den, um Individualstipendien zu verstärken und neue
Auswahlrunden in allen Programmen zu ermöglichen,
– insbesondere beim Programm „Ausländische Gastdo-
zenten“, sowie das auf Anhieb sehr nachgefragte neue
Programm PROMOS, „Programm zur Mobilität von
deutschen Studierenden und Doktoranden“, zu versteti-
gen.
Anlage 27
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Fragen
des Abgeordneten Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN) (Drucksache 17/6994, Fragen 58 und 59):
Wie erklärt sich die Bundesregierung die Zurückhaltung
von Unternehmen und privaten Stiftern, sich am sogenannten
Deutschlandstipendium finanziell zu beteiligen, obwohl doch
eine staatliche Kofinanzierung bereitsteht – bis zum Jahres-
ende rechnet die Bundesregierung aktuell damit, dass nur
etwa zwei Drittel der geplanten Mittel gebraucht werden –
und wie bewertet die Bundesregierung diesen schleppenden
Anlauf des nationalen Stipendienprogramms auch vor dem
Hintergrund, dass der Ansatz für das Haushaltsjahr 2011 von
10 Millionen Euro deutlich unter dem ursprünglich im Ge-
setzentwurf genannten Ansatz lag, 65 Millionen Euro, und
diese Differenz zwischen Gesetzentwurf und kommenden
Haushaltsjahren sich weiter verschärft, 2013: Gesetzentwurf
sah 160 Millionen Euro vor, mittelfristige Finanzplanung
nennt 51 Millionen Euro?
Welche einzelnen Parameter – Zahl der Stipendien, Dauer
der Förderung, Herkunft der Geförderten, Bürokratiekosten
usw. wird die jährliche Bundesstatistik enthalten, die „erst-
mals nach Ablauf des Kalenderjahres 2011 erstellt“ werden
soll (Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der
Fraktion der SPD auf Bundestagsdrucksache 17/6796 zu
Frage 11), und zu welchem Datum soll diese Statistik erschei-
nen?
Zu Frage 58:
Die Mutmaßung, es gebe eine Zurückhaltung von pri-
vaten Mittelgebern, sich am Deutschland-Stipendium zu
beteiligen, kann die Bundesregierung nicht bestätigen.
Der Mittelplanung für das Jahr 2011 lag die Annahme
einer durchschnittlichen Förderungsdauer von sieben
Monaten zugrunde. Ein erheblicher Anteil der Hoch-
schulen wird erst zum Wintersemester 2011 mit der Ver-
gabe von Stipendien beginnen, nachdem sie die vergan-
genen Monate genutzt haben, um sich auf die
Beteiligung an dem Programm vorzubereiten. Aus die-
sem Grund ist die tatsächliche Förderungsdauer pro Sti-
pendium in 2011 wesentlich geringer als ursprünglich
veranschlagt. Hierdurch verringert sich auch der erwar-
tete Mittelabfluss.
Die Finanzplanung für die kommenden Jahre wurde
bereits im Sommer 2010 auf der Grundlage der Ergeb-
nisse der Anhörung im Deutschen Bundestag am 9. Juni
2010 überarbeitet, um den Wünschen der am Programm
Beteiligten, insbesondere der Hochschulen zu entspre-
chen.
Zu Frage 59:
Die jährliche Bundesstatistik zum Deutschlandstipen-
dium erfasst folgende Erhebungsmerkmale:
Erstens. Zu den Stipendiatinnen und Stipendiaten
– Geschlecht
– Staatsangehörigkeit
– Art des angestrebten Abschlusses
– Art der Ausbildungsstätte
– Studienfachrichtung
– Semesterzahl, Fachsemesterzahl
– Zahl der Fördermonate
– Bezug von Leistungen nach dem BAföG
Zweitens. Zu den privaten Mittelgebern
– Rechtsform
– Angaben zur Zweckbindung der Stipendien
– Gesamtsumme der bereitgestellten Mittel.
Die Übermittlung der Daten von den Statistischen
Landesämtern an das Statistische Bundesamt ist für den
31. März 2012 vorgesehen. Das genaue Erscheinungsda-
tum der Bundesstatistik steht noch nicht fest.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 126. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 21. September 2011 14957
(A) (C)
(D)(B)
Anlage 28
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Fragen
des Abgeordneten Willi Brase (SPD) (Drucksache 17/6994,
Fragen 60 und 61):
Nach welcher Maßgabe koordiniert die Bundesregierung
die gleichgerichteten Maßnahmen der Berufseinstiegsbeglei-
tung nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch und der Bil-
dungslotsen im Rahmen der Bildungsketten (Einzelplan 30
Titel 685 20), zumal erstere mit dem noch in Beratung befind-
lichen Gesetzentwurf auf Bundestagsdrucksache 17/6277 auf
alle Schulen ausgedehnt werden sollen, letztere hingegen wei-
terhin auf 1 000 Zielschulen beschränkt bleiben?
Welche Überlegungen rechtfertigen aus Sicht der Bundes-
regierung die Dopplung gleichgerichteter Maßnahmen zur
Berufsorientierung und zur Potenzialanalyse im Bildungs-
haushalt, die einerseits im Rahmen der Bildungsketten
(Einzelplan 30 Titel 685 20) sowie andererseits im Rahmen
der Förderung kooperativer Angebote der Berufsorientierung
gefördert werden sollen (Einzelplan 30 Titel 685 21)?
Zu Frage 60:
Die Auswahl der Schulen im Rahmen des Sonderpro-
gramms Berufseinstiegsbegleitung der Initiative „Ab-
schluss und Anschluss – Bildungsketten bis zum Ausbil-
dungsabschluss“ erfolgte auf Vorschlag der Länder, die
nur Schulen für eine Berufseinstiegsbegleitung benen-
nen sollten, an denen noch keine Berufseinstiegsbeglei-
tung nach § 421 s SGB III realisiert wurde. Die Umset-
zung des Sonderprogramms des BMBF erfolgt über die
Bundesagentur für Arbeit, sodass hier eine Koordination
mit den Maßnahmen nach SGB gesichert ist.
Bei einer möglichen Ausdehnung auf alle allgemein-
bildenden Schulen wird durch die Bundesagentur für Ar-
beit die Koordination auch zukünftig sichergestellt.
Zu Frage 61:
Es handelt sich nicht um eine Dopplung, da das
BMBF-Berufsorientierungsprogramm in überbetriebli-
chen und vergleichbaren Einrichtungen, BOP, Bestand-
teil der Initiative Bildungsketten ist und systemisch da-
mit die Form der Berufsorientierung abbildet. Ziel der
Initiative Bildungsketten ist es gerade verschiedene In-
strumente systemisch zu verzahnen. So werden aus dem
Einzelplan 30, Titel 685 21 nur Maßnahmen der Berufs-
orientierung, BOP, finanziert – zweiwöchige Werkstatt-
tage und Potenzialanalyse.
Des Weiteren ist durch die Vorgaben im Rahmen der
Förderrichtlinie zum BOP und den Vorgaben im Rahmen
des Sonderprogramms Berufseinstiegsbegleitung sicher-
gestellt, dass die Potenzialanalysen nur einmal durchge-
führt und gefördert werden.
Anlage 29
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Frage
des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE)
(Drucksache 17/6994, Frage 62):
Welche konkreten Vorhaben und Maßnahmen gibt es – mit
Blick auf den Gastbeitrag der Bundesministerin für Bildung
und Forschung, Dr. Annette Schavan, im Info-Bulletin des
Deutsch-Russischen Forums, Ausgabe 3 – seitens der Bun-
desregierung zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskon-
vention im Rahmen des am 23. Mai 2011 in Moskau eröffne-
ten Deutsch-Russischen Jahres der Bildung, Wissenschaft und
Innovation 2011/2012, und wie sind bei der Planung und
Durchführung Menschen mit Behinderungen und deren Orga-
nisationen einbezogen?
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung
und das Ministerium für Bildung und Wissenschaft der
Russischen Föderation stellen in der Ausgestaltung des
Deutsch-Russischen Jahres der Bildung, Wissenschaft
und Innovation 2011/12, DRWJ, vier strategische
Schwerpunkte in den Vordergrund. Dementsprechend
sind alle disziplinären und interdisziplinären For-
schungsbereiche aufgerufen, ihre Kooperationsmaßnah-
men zu präsentieren und zu intensivieren.
In diesen Schwerpunkten wurden keine gesonderten
Vorhaben geplant, die speziell auf die Belange von Men-
schen mit Behinderung zugeschnitten sind. Soweit bei
solchen Vorhaben, Maßnahmen und Veranstaltungen
auch Menschen mit Behinderung angesprochen oder be-
teiligt sind, wird auf deren besondere Belange – zum Bei-
spiel barrierefreier Zugang – selbstverständlich Rück-
sicht genommen. Organisationen von Menschen mit
Behinderung oder andere Verbände außerhalb von Bil-
dung und Forschung wurden nicht gezielt in die Planung
und Durchführung des DRWJ eingebunden.
Anlage 30
Antwort
der Parl. Staatssekretärin Gudrun Kopp auf die Frage der
Abgeordneten Karin Roth (Esslingen) (SPD) (Drucksa-
che 17/6994, Frage 63):
Wann wird die Bundesregierung nach der jetzt erfolgten
Veröffentlichung der Ergebnisse des High-Level-Panel-Be-
richts zu den Korruptionsvorwürfen des Bundesministeriums
für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung gegen
den Globalen Fonds zur Bekämpfung von HIV/Aids, Tuber-
kulose und Malaria, GFATM, die zurückgehaltenen Mittel in
Höhe von 100 Millionen Euro auszahlen, und wird sie jetzt
auf die den Statuten des GFATM und den Zusagen der Bun-
deskanzlerin Dr. Angela Merkel widersprechenden Konditio-
nierungen für die weitere Vergabe von Mitteln verzichten?
Die Bundesregierung begrüßt die Vorlage des Be-
richts der unabhängigen Kommission zu den Mittelfehl-
verwendungen beim GFATM. Der darin festgehaltene
erhebliche und dringende Reformbedarf beim GFATM
und bei der Nutzung von länderspezifischen, nach Kor-
ruptionsrisiko differenzierten Umsetzungswegen sowie
neuen Managementstrukturen für den GFATM unter-
streicht einmal mehr die Wichtigkeit dieser politischen
Initiative der Bundesregierung – im Interesse einer künf-
tigen Vermeidung von Korruption und Mittelfehlver-
wendung im Bereich des GFATM wie auch im Interesse
einer Neuorientierung des Fonds mit Blick auf eine Stei-
gerung der Wirksamkeit und Nachhaltigkeit seiner Bei-
träge.
Der Bericht fordert gravierende Änderungen in der
Struktur, im Management und bei den Instrumenten des
14958 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 126. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 21. September 2011
(A) (C)
(D)(B)
GFATM. Die Bundesregierung hat den GFATM aufge-
fordert, dazu noch vor Ende September eine konkrete
Umsetzungsplanung zu entwickeln und den Gebern des
Fonds zur Entscheidung vorzulegen. Sobald sich das
GFATM-Board und das Sekretariat verbindlich verstän-
digt haben, wie und wann die Empfehlungen der Kom-
mission umgesetzt werden, wird die Bundesregierung
die noch ausstehende Tranche über 100 Millionen Euro
für 2011 freigeben. Zukünftige Beiträge werden an kon-
krete Reformfortschritte geknüpft werden.
Anlage 31
Antwort
der Parl. Staatssekretärin Gudrun Kopp auf die Frage der
Abgeordneten Heike Hänsel (DIE LINKE) (Drucksache
17/6994, Frage 64):
Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass im
Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung, BMZ, mit dem ehemaligen Büroleiter der
Friedrich-Naumann-Stiftung, FNSt, in Honduras, Christian
Lüth, der öffentlich den Putsch gegen den demokratisch ge-
wählten Präsidenten Manuel Zelaya unterstützt hat, nun be-
reits nach Harald Klein der zweite Mitarbeiter der FNSt in
eine wichtige Position im BMZ eingestellt worden ist, der zu-
vor in Honduras die Putschisten unterstützt hat, entgegen der
Position des Auswärtigen Amts, der EU und der Vereinten
Nationen?
Die Auswahl von Beschäftigten des BMZ erfolgt, wie
in allen Bundesbehörden, nach Leistung, Eignung und
Befähigung. Der in der Anfrage benannte Mitarbeiter
wird als Referent des BMZ im Bereich der Steuerung der
Durchführungsorganisationen eingesetzt. Die Funktion
eines Referenten auf Bearbeiterebene ist in der Ministe-
rialbürokratie nicht herausragend.
Alle Beschäftigten des BMZ vertreten im Übrigen die
politische Linie der Bundesregierung.
Anlage 32
Antwort
der Parl. Staatssekretärin Gudrun Kopp auf die Fragen
des Abgeordneten Dr. Sascha Raabe (SPD) (Drucksa-
che 17/6994, Fragen 65 und 66):
Wie beurteilt insbesondere der Bundesminister für wirt-
schaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung die Einführung
einer Finanztransaktionsteuer in ihrer Auswirkung auf Ent-
wicklungs- und Schwellenländer, und auf welche Weise kann
er in seiner Funktion als Gouverneur der Weltbank die Bemü-
hungen der Bundeskanzlerin, Dr. Angela Merkel, und des
französischen Staatspräsidenten unterstützen, dieses Instru-
ment der Finanzmarktregulierung erneut auf die Tagesord-
nung der Jahrestagung von Internationalem Währungsfonds
und Weltbank zu setzen?
Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass die Ein-
nahmen aus einer Finanztransaktionsteuer zunächst für die
Armutsbekämpfung vor allem in Entwicklungsländern ge-
dacht waren, und wie ist die heutige Position der Bundesre-
gierung, insbesondere des Bundesministers für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung, Dirk Niebel, über die Ver-
wendung eines Teils des Aufkommens aus einer von der Bun-
desregierung geplanten Finanztransaktionsteuer für Armuts-
bekämpfung in Entwicklungsländern?
Die Bundesregierung setzt sich für eine weltweite
Einführung einer Finanztransaktionsteuer ein. Zumin-
dest soll eine Finanztransaktionsteuer, FTT, innerhalb
der EU eingeführt werden.
Die FTT bietet die Möglichkeit, zusätzliche Einnah-
men zu generieren. Sie kann auch der Stabilisierung und
Marktregulierung von Finanzmärkten dienen. Die Pro-
gnosen der fiskalischen Wirkungen einer Finanztransak-
tionsteuer gehen jedoch weit auseinander und hängen
stark davon ab, ob eine Finanztransaktionsteuer in ein-
zelnen Ländern, regional oder in allen wichtigen Han-
delsplätzen oder sogar weltweit eingeführt wird.
Man kann zum jetzigen Zeitpunkt weder absehen, in
welcher Form eine Finanztransaktionsteuer durchsetzbar
sein wird, noch ob sie überhaupt weltweit durchgesetzt
werden kann. Detaillierte Aussagen über die Auswirkun-
gen auf Entwicklungs- und Schwellenländer lassen sich
daher derzeit ebenfalls nicht treffen.
Die diskutierte Frage der Aufkommensverwendung
auch zur Finanzierung globaler Kollektivgüter macht
erst bei Einführung einer Finanztransaktionsteuer Sinn.
Über die Verwendung der Einnahmen des Bundeshaus-
haltes entscheidet im Rahmen seines Budgetrechts der
Deutsche Bundestag.
Anlage 33
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die Fra-
gen des Abgeordneten Gerd Bollmann (SPD) (Drucksa-
che 17/6994, Fragen 67 und 68):
Beabsichtigt die Bundesregierung, bis zum weiteren Vor-
liegen wissenschaftlicher Erkenntnisse die Erteilung von Ge-
nehmigungen zum Fracking auszusetzen?
Beabsichtigt die Bundesregierung, bei Bohrungen nach
unkonventionellem Erdgas die Verordnung über die Umwelt-
verträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben, UVP-V
Bergbau, zu ändern, um die Öffentlichkeit besser einzubin-
den?
Zu Frage 67:
Die Erteilung von Genehmigungen zum Fracking
liegt in der Zuständigkeit der Bergbehörden der Länder,
die auf der Grundlage des Bundesberggesetzes und der
Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung
bergbaulicher Vorhaben, UVP-V Bergbau, unter Beteili-
gung weiterer zuständiger Behörden entscheiden.
Zu Frage 68:
Die Bundesregierung prüft derzeit den Änderungsbe-
darf. Jedoch müssen aus Sicht der Bundesregierung im
Rahmen von Zulassungsentscheidungen bei Erdgasför-
derung aus unkonventionellen Lagerstätten die Umwelt-
auswirkungen grundsätzlich berücksichtigt werden.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 126. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 21. September 2011 14959
(A) (C)
(D)(B)
Anlage 34
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die
Frage des Abgeordneten Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/6994, Frage 69):
Sieht die Bundesregierung § 14 Abs. 5 und § 23 Abs. 1 der
Niedersächsischen Verordnung über die Feld- und Förderab-
gabe, wonach die Gasförderung aus Tongesteinen, Tight Gas,
von der Förderabgabe befreit bzw. die Kosten nicht fündiger
Gasexplorationsbohrungen seit dem 1. Januar 2011 bis zu ei-
ner Höhe von 2 Millionen Euro von der zu entrichtenden För-
derabgabe abgezogen werden können, für beihilferechtlich so-
wohl nach nationalen als auch europäischen Regelungen als
zulässig an, und wenn ja, wann wurden die niedersächsischen
Regelungen bei der EU-Kommission notifiziert?
Die Bundesregierung und das Land Niedersachsen
sind zu einer etwaigen beihilferechtlichen Relevanz die-
ser Regelungen der Niedersächsischen Verordnung zur
Erhebung der Förder- und Feldesabgabe im Gespräch.
Eine beihilferechtliche Notifizierung dieser Regelungen
bei der Europäischen Kommission ist bisher nicht er-
folgt.
Anlage 35
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die Frage
des Abgeordneten Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN) (Drucksache 17/6994, Frage 70):
Sieht die Bundesregierung weiterhin keine europarechtli-
chen Bedenken beim angekündigten Förderprogramm für fos-
sile Kraftwerke, wie in ihrer Antwort auf meine schriftliche
Frage 46 auf Bundestagsdrucksache 17/6658 geäußert, vor
dem Hintergrund der jüngsten Äußerungen des EU-Energie-
kommissars, Günther Oettinger, der das Förderprogramm als
nicht „zwingend europatauglich“ (siehe energate-Meldung
vom 11. September 2011) sieht, das aufgrund des Gleichbe-
handlungsgebots gegen EU-Recht verstößt, und wie will die
Bundesregierung daher konkret sicherstellen, dass lediglich
Kraftwerksbetreiber eine Förderung erhalten, die weniger als
5 Prozent an den deutschen Erzeugungskapazitäten besitzen
und somit Deutschland keine möglichen späteren Strafzahlun-
gen an die Europäische Union begleichen muss?
Die Bundesregierung wird selbstverständlich eine
beihilferechtskonforme Ausgestaltung des geplanten
Kraftwerksförderprogramms sicherstellen. Hierfür ist
zunächst die Schaffung der konkreten beihilferechtli-
chen Grundlage durch die Europäische Kommission not-
wendig. Die hierfür zuständige Generaldirektion Wettbe-
werb unter Vizepräsident Almunia hat zugesagt, bis
Ende dieses Jahres bzw. spätestens Anfang nächsten Jah-
res die erforderlichen Regeln zu schaffen. Anschließend
muss das deutsche Förderprogramm notifiziert und von
der Kommission genehmigt werden. Bei den bisherigen
Gesprächen mit der Generaldirektion Wettbewerb wurde
die geplante Begrenzung des Kreises der Zuwendungs-
empfänger auch auf ausdrückliche Nachfrage nicht be-
anstandet. Strafzahlungen wären überhaupt nur denkbar,
wenn eine rechtswidrige Beihilfe gewährt und einer Ent-
scheidung der Kommission zur Rückforderung der Bei-
hilfe nicht Folge geleistet worden wäre.
Anlage 36
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die
Frage der Abgeordneten Marianne Schieder (Schwan-
dorf) (SPD) (Drucksache 17/6994, Frage 71):
Kann die Bundesregierung garantieren, dass für die Ener-
gieforschung im Jahr 2012 die vollen Fördermittel (laut Aus-
sage des Abgeordneten Albert Rupprecht (Weiden) am
8. September 2011 im Plenum des Deutschen Bundestages
657 Millionen Euro) laut Finanzplan 2011 bis 2015 des Son-
dervermögens „Energie- und Klimafonds“ zur Verfügung ste-
hen werden, obgleich diese Fördermaßnahmen aus Versteige-
rungserlösen gespeist werden sollen, und welche Maßnahmen
plant die Bundesregierung, um die Förderung in voller Höhe
für die Forscherinnen und Forscher zu garantieren?
Für 2012 sind aus dem Energie- und Klimafonds für
die Energieforschung in den Bereichen erneuerbare
Energien und Energieeffizienz Mittel in Höhe von
50 Millionen Euro vorgesehen. Dieser Betrag wird, vor-
behaltlich der Entscheidung des Parlaments zum Haus-
halt und zum Wirtschaftsplan des EKF 2012, in voller
Höhe zur Verfügung stehen. Sollten die Einnahmen des
Sondervermögens in einem Wirtschaftsplanjahr unter
den Erwartungen liegen, kann der EKF unter den Vo-
raussetzungen von § 4 Abs. 4 Satz 2 EKFG n. F. ein Li-
quiditätsdarlehen aus dem Bundeshaushalt erhalten.
Anlage 37
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die
Frage der Abgeordneten Ingrid Nestle (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/6994, Frage 72):
Befürwortet die Bundesregierung die Namensnennung
von Unternehmen, wenn die zu gründende Schlichtungsstelle
Energie, wie in § 111 b des Energiewirtschaftsgesetzes vorge-
sehen, Entscheidungen von allgemeinem Interesse für den
Verbraucher veröffentlicht, und wenn nein, warum nicht?
Die Nennung des Unternehmensnamens durch die
Schlichtungsstelle im Rahmen der Veröffentlichung einer
Entscheidung von allgemeinem Interesse für den Ver-
braucher auf Grundlage des § 111 b Abs. 5 Satz 3 EnWG
erscheint hinsichtlich der Vereinbarkeit mit dem Grund-
recht des Unternehmens auf informationelle Selbstbe-
stimmung bedenklich.
Primäre Aufgabe des Schlichtungsverfahrens ist ge-
rade nicht, einen Rechtsverstoß festzustellen, sondern
eine für alle Beteiligten zufriedenstellende Lösung zu
finden. Die Feststellung eines Rechtsverstoßes kann
weiterhin nur durch die Gerichte erfolgen. Aus dem
Schlichterspruch lassen sich daher nicht zwangsläufig
Rückschlüsse auf die Seriosität des Unternehmens zie-
hen. Die mit der Veröffentlichung bezweckte Verbrau-
cherinformation, soweit sie den Namen des Unterneh-
mens betrifft, wird daher in der Regel hinter dem
Unternehmensinteresse aus dem Grundrecht auf infor-
mationelle Selbstbestimmung zurücktreten.
14960 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 126. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 21. September 2011
(A) (C)
(D)(B)
Anlage 38
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die
Frage der Abgeordneten Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/6994, Frage 73):
Unterstützt die Bundesregierung das Vorhaben der EU-
Kommission, die Energieversorger im Rahmen der Energie-
effizienzrichtlinie zu jährlichen Energieeinsparungen von
1,5 Prozent zu verpflichten?
Die zuständigen Ressorts der Bundesregierung stim-
men derzeit ihre Position zu diesem Vorschlag der EU-
Kommission ab.
Anlage 39
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die
Frage der Abgeordneten Heike Hänsel (DIE LINKE)
(Drucksache 17/6994, Frage 74):
Was sagt die Bundesregierung zu der im Rahmen der
Haushaltsdebatte zum Entwurf des Bundeshaushalts 2012 zu
Einzelplan 23 am 7. September 2011 getroffenen Aussage,
dass das seit Monaten öffentlich kritisierte mögliche Panzer-
geschäft mit Saudi-Arabien nicht stattfinden würde?
Zu dem im Rahmen der Haushaltsdebatte angespro-
chenen möglichen Panzergeschäft mit Saudi-Arabien
kann die Bundesregierung keine Stellung nehmen, da
Tagesordnung und Entscheidung des Bundessicherheits-
rats der Geheimhaltung unterliegen. Das Thema wurde
in der Fragestunde am 6. Juli 2011 bereits ausführlich er-
örtert.
Anlage 40
Antwort
der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der
Abgeordneten Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN) (Drucksache 17/6994, Frage 75):
Wie ist der aktuelle Stand der Planungen und der konkre-
ten Durchführung von Bildungsprogrammen wie akade-
mischem Austausch, Stipendienprogrammen und Bildungs-
initiativen, die die Bundesregierung zur Unterstützung des
arabischen Frühlings im Februar 2011 angekündigt hatte?
In dem am 6. Juli 2011 vom Bundeskabinett beschlos-
senen Regierungsentwurf für den Haushalt 2012 sind für
den Bereich der Auswärtigen Kultur- und Bildungspoli-
tik des Auswärtigen Amts 20 Millionen Euro als Sonder-
mittel für arabische Länder im Umbruch vorgesehen.
Zur Mittelverwendung bestehen im Auswärtigen Amt
bereits konzeptionelle Überlegungen: So sollen unter an-
derem im Rahmen einer Bildungs-, Kultur- und Medien-
initiative unter dem Titel „Platz der Zukunft“ insbeson-
dere Sonderstipendienprogramme und Bildungsprojekte
finanziert werden. Der Name des Programms soll den
Tahrir-Platz in Kairo und die öffentlichen Räume in den
anderen Ländern der Region würdigen, von denen die
Freiheitsbewegungen ihren Ausgang genommen haben.
Da der Haushalt noch unter dem Vorbehalt der
parlamentarischen Zustimmung steht, kann die Bundes-
regierung zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch keine kon-
kreteren Auskünfte über Projekte und Partnerorganisa-
tionen geben.
Anlage 41
Antwort
der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der
Abgeordneten Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN) (Drucksache 17/6994, Frage 76):
Welchen Standpunkt nimmt die Bundesregierung zu den
im Anschluss an ein Treffen am 8. September 2011 in Hanno-
ver erhobenen Forderungen der Innenminister der norddeut-
schen Bundesländer ein, den vom Deutschen Bundestag be-
willigten Rahmen für die EU-geführte Operation ATALANTA
von 1 400 Soldaten konsequent auszuschöpfen, und wie lautet
die derzeitige Position der Bundesregierung zu der im zweiten
Halbjahr 2011 anstehenden Verlängerung und dann zu erfol-
genden Neuausgestaltung des Mandats für die Operation
ATALANTA?
Die Bundesregierung plant, den Deutschen Bundestag
zeitgerecht vor Ablauf des bis zum 18. Dezember 2011
vom Bundestag erteilten Mandates mit einem Antrag zur
Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher
Streitkräfte an der EU-geführten Operation ATALANTA
zur Bekämpfung der Piraterie vor der Küste Somalias zu
befassen. Nach Wunsch der Bundesregierung soll das
Mandat um ein weiteres Jahr verlängert werden.
Die im nationalen Mandat festgelegte Obergrenze von
1 400 Soldatinnen und Soldaten ist geeignet, auch bei
Lageverschärfungen die zeitweilige Unterstützung der
regulären Einsatzkräfte durch Verstärkungskräfte mit
entsprechendem Fähigkeitsprofil zu ermöglichen – unter
anderem Unterstützung von Geiselbefreiungsoperatio-
nen. Die im Mandat vorgesehene Obergrenze deckt in
diesem Sinne die maximal mögliche Zusammenziehung
bewaffneter deutscher Kräfte zur Erfüllung aller manda-
tierten Aufgaben ab.
Eine dauerhafte, durchhaltefähige Entsendung der im
nationalen Mandat definierten Obergrenze von 1 400
Soldatinnen und Soldaten würde die Kapazitäten der
Deutschen Marine übersteigen. Deutschland ist unter an-
derem mit der dauerhaften Gestellung einer Fregatte mit
zwei Bordhubschraubern, bewaffneten Schutzteams der
Bundesmarine und zeitweilig eingesetzten Seefernauf-
klärern engagiert. Somit sind wir mit Spanien und
Frankreich der verlässlichste und größte Truppensteller
in der Anti-Piraterie am Horn von Afrika. Zeitweise
wurde das deutsche Kräftedispositiv bereits durch wei-
tere Fregatten, Einsatzgruppenversorger und Betriebs-
stofftransporter verstärkt.
Anlage 42
Antwort
der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des
Abgeordneten Dr. Rolf Mützenich (SPD) (Drucksache
17/6994, Frage 77):
Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus
der Äußerung des tschechischen Außenministers Karel
Schwarzenberg (Interview im Tagesspiegel vom 12. August
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 126. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 21. September 2011 14961
(A) (C)
(D)(B)
2011), dass der Beitritt der Staaten des westlichen Balkans
Vorrang hat, und mit welchem der Länder des westlichen Bal-
kans sollten aus Sicht der Bundesregierung im Zeitraum der
kommenden zwei Jahre Beitrittsverhandlungen aufgenommen
werden?
Auf dem Europäischen Rat in Thessaloniki hat die
EU eine Beitrittsperspektive für alle Länder des westli-
chen Balkans formuliert, die weiterhin gültig ist. Für je-
den Schritt der EU-Annäherung sind allerdings von den
Beitrittsaspiranten Voraussetzungen zu erfüllen, die un-
ter anderem in den Kopenhagener Kriterien formuliert
und im Rahmen der Konditionalität des Stabilisierungs-
und Assoziierungsprozesses umgesetzt werden.
Die Bundesregierung setzt sich dafür ein, dass die je-
weils benannten Voraussetzungen ohne Abstriche erfüllt
werden müssen, um den nächsten Schritt der Annähe-
rung zu vollziehen. Die EU-Kommission erstellt auch zu
diesem Zweck jährliche Fortschrittsberichte. Im Oktober
2011 erwarten wir die Berichte – und die darin enthalte-
nen Empfehlungen – zu den Ländern Montenegro, Ser-
bien, der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedo-
nien und Albanien. Diese wird die Bundesregierung als
wichtigen Teil ihrer Meinungsbildung rasch und gründ-
lich prüfen.
Anlage 43
Antwort
der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des
Abgeordneten Dr. Rolf Mützenich (SPD) (Drucksache
17/6994, Frage 78):
Wie soll aus Sicht der Bundesregierung die Perspektive
der Erweiterung für die Partnerstaaten der Europäischen
Nachbarschaftspolitik in die Erklärung für den von der polni-
schen EU-Präsidentschaft geplanten Gipfel zur Östlichen
Partnerschaft einfließen, und wie beurteilt die Bundesregie-
rung die Rolle der unter polnischer Führung bestehenden In-
formations- und Konsultationsgruppe?
Die Europäische Nachbarschaftspolitik und die Er-
weiterung der EU sind zwei voneinander getrennte Pro-
zesse. Die Frage eines möglichen Beitritts zur EU wird
weder in der Europäischen Nachbarschaftspolitik noch
in der Östlichen Partnerschaft, ÖP, thematisiert. So sieht
es auch das Gründungsdokument der Östlichen Partner-
schaft vor. Aus Sicht der Bundesregierung ist diese Tren-
nung sinnvoll und sollte beibehalten werden.
Die Warschauer Gipfelerklärung hingegen sollte eine
ambitionierte Agenda für die Östliche Partnerschaft ent-
werfen. Die ÖP bietet allen interessierten Staaten der
Region eine Möglichkeit zum Dialog und zur Koopera-
tion. Die Bundesregierung begrüßt daher die Einrichtung
der Informations- und Koordinierungsgruppe als Mög-
lichkeit, auch Drittstaaten in die ÖP einzubinden.
Anlage 44
Antwort
der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Fragen des
Abgeordneten Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN) (Drucksache 17/6994, Fragen 79 und 80):
In welchen Distrikten des Regional Command North hat
das Innenministerium Afghanistans den Einsatz der Afghan
Local Police zugelassen, und in welchen dieser Distrikte wur-
den Einheiten aufgestellt?
Inwieweit setzt sich die Bundesregierung dafür ein, dass
die staatliche Aufsicht und Kontrolle der Afghan Local Police
verbessert wird?
Zu Frage 79:
Im deutschen Verantwortungsbereich hat das afghani-
sche Innenministerium den Aufbau einer afghanischen
Lokalpolizei in Pul-e Khomri – Baghlan Provinz – zuge-
lassen. Dort wurden 210 von 225 Polizeieinheiten aufge-
stellt. Weiter hat das afghanische Innenministerium den
Aufbau in Kunduz – Kunduz Provinz – zugelassen. Dort
wurden 115 von 225 Einheiten aufgestellt.
Weitere Zulassungen liegen vor für die Distrikte Chahar
Dara, Imam Saheb, Dasht-e Archi – Kunduz Provinz –,
Dardak und Kwajah-e Ghar – Takhar Provinz – sowie im
Westen in Quesh Tepah und Darzap – Jowsjan Provinz –,
Sayad und Kohistanar – Sar-e Pul Provinz –, Ghowr-
mach – Badghis Provinz. Die Aufstellung ist dort jedoch
noch nicht erfolgt.
Zu Frage 80:
Afghanistan ist ein souveräner Staat. Vertreter der
Bundesregierung unterstreichen jedoch bei bilateralen
Gesprächen mit Vertretern der afghanischen Regierung
regelmäßig die Notwendigkeit, die völkerrechtlichen
Verpflichtungen, die Afghanistan eingegangen ist, einzu-
halten.
Hierzu gehören unter anderem der Internationale Pakt
zum Schutz von bürgerlichen und politischen Rechten.
Diese eingegangenen Verpflichtungen gelten selbstver-
ständlich auch für die Aufsicht und die Kontrolle über
die afghanische Lokalpolizei.
Anlage 45
Antwort
der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des
Abgeordneten Andrej Hunko (DIE LINKE) (Drucksa-
che 17/6994, Frage 81):
Mit welchen Kosten – aufgeführt nach den einzelnen Kos-
tenstellen – rechnet die Bundesregierung für den unmittelbar
bevorstehenden Papstbesuch, dessen Verlauf nun weitgehend
feststehen müsste (vergleiche Bundestagsdrucksache 17/6827),
und wer wird diese Kosten tragen?
Der Besuch des Papstes gliedert sich in einen offiziel-
len Besuchsteil – überwiegend in Berlin – und einen pas-
toralen Teil.
Nur für die offiziellen Besuchsteile trägt der Bund die
protokollarische Verantwortung und die damit verbunde-
nen Kosten. Die pastoralen Teile des Besuchs liegen
– auch auf der Kostenseite – in der Verantwortung der
katholischen Kirche.
Wie bei anderen vergleichbaren Besuchen von Staats-
oberhäuptern gewährleistet der Bund als Gastgeber je-
doch während des gesamten Aufenthaltes – offizielle
14962 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 126. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 21. September 2011
(A) (C)
(D)(B)
und pastorale Teile – in Deutschland die Sicherheit und
das Wohlergehen des Gastes. Hierunter fallen insbeson-
dere die Kosten des sicheren Transportes im Inland. Die
Sicherheit der Veranstaltungsteilnehmer wird durch die
Bundespolizei und die Polizeien der Länder in ihrem je-
weiligen Zuständigkeitsbereich gewährleistet.
Die Kosten gliedern sich im Einzelnen wie folgt:
Erstens. Protokoll – Auswärtiges Amt/Bundespräsi-
dialamt: Die Ausgaben für protokollarische Zwecke
– Beflaggung, Transport, Tribünen für Gäste und Ähnli-
ches – dürften nach jetziger Schätzung bei etwa
250 000 Euro liegen.
Zweitens. Bundesministerium der Verteidigung: Die
protokollarischen Maßnahmen seitens des BMVg um-
fassen die Maßnahmen des Staatszeremoniells, die für
jeden Staatsbesuch durchgeführt werden. Zusätzliche
Kosten entstehen darüber hinaus nicht.
Drittens. Bundespresseamt: Für die vom Presse- und
Informationsamt der Bundesregierung in Abstimmung
mit der Deutschen Bischofskonferenz verantwortete Me-
dienbetreuung – zum Beispiel Journalistenakkreditie-
rung, Poolbetreuung, Journalistentransporte – wird vo-
raussichtlich circa 1 Million Euro zu veranschlagen sein.
Viertens. Bundesministerium des Innern: Im Zustän-
digkeitsbereich des BMI lässt sich die Größenordnung
der entstehenden Kosten zum jetzigen Zeitpunkt noch
nicht zuverlässig einschätzen. Sie ergibt sich aus dem
tatsächlichen Besuchsverlauf.
Anlage 46
Antwort
der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der
Abgeordneten Inge Höger (DIE LINKE) (Drucksache
17/6994, Frage 82):
Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die
Beteiligung ehemaliger Bundeswehrsoldaten bzw. -polizisten
und/oder anderer deutscher Staatsbürger in den Vereinigten
Arabischen Emiraten als Angestellte der dem Gründer der
Firma Blackwater, Erik Prince, zuzurechnenden Sicherheits-
firma R2 an der Ausbildung der aus privaten Sicherheitskräf-
ten zusammengesetzten Special Security Force, deren
Hauptzweck die Aufstandsbekämpfung ist?
Die Bundesregierung prüft derzeit einen Ersthinweis,
demzufolge deutsche Staatsangehörige Beraterfunktio-
nen in dem von Ihnen benannten Kontext wahrnehmen.
Anlage 47
Antwort
der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des
Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) (Druck-
sache 17/6994, Frage 83):
Welche konkreten Vorhaben und Maßnahmen gibt es sei-
tens der Bundesregierung mit Blick auf das geplante „Jahr
Russlands in Deutschland“ sowie das „Jahr Deutschlands in
Russland“ in den Jahren 2012 und 2013 zu dem Thema bilate-
rale Zusammenarbeit im Nationalen Aktionsplan zur Um-
setzung der UN-Behindertenrechtskonvention zwischen
Deutschland und der Russischen Föderation, und wie sind
bzw. werden dabei Menschen mit Behinderungen und deren
Organisationen einbezogen?
Die Vorbereitungen für das „Jahr Deutschlands in
Russland“ sind vor kurzem angelaufen. Im Fokus der
Projekte und Veranstaltungen stehen im zweiten Halb-
jahr 2012 Moskau und St. Petersburg, in der ersten Jah-
reshälfte 2013 die russischen Regionen, darunter Nowo-
sibirsk, Jekaterinburg, Kaliningrad.
Im Rahmen des Deutschlandjahres sind verschiedene
Projektformate, unter anderem zu dem konzeptuellen
Oberthema Gesellschaftliche Herausforderungen, ge-
plant. Es ist der Bundesregierung wichtig, dass eines der
Themen in diesem Bereich lautet: „Behinderung, Invali-
dität, barrierefreie Stadt“. Weitere Schwerpunkte sind
„Zivilgesellschaftliche Teilhabe“ und „Gesundheitswe-
sen“ – beides ebenfalls wichtige Themen für Menschen
mit Behinderungen.
Die Ausschreibung, auf deren Grundlage Projektvor-
schläge für eine Förderung im Rahmen des „Jahres
Deutschlands in Russland“ eingereicht werden können,
ist vor kurzem veröffentlicht worden. Die Bundesregie-
rung wird sich weiter dafür einsetzen, dass die Belange
von Menschen mit Behinderungen in diesem Kontext in
angemessener Weise Berücksichtigung finden.
Über diesen Prozess und die entsprechenden Projekte
werden sich auch über das Jahr hinaus hoffentlich gute
Anknüpfungspunkte für eine weitere Zusammenarbeit
zwischen Deutschland und Russland ergeben.
Die Bundesregierung wird auch weiterhin das Thema
Menschen mit Behinderungen in den bilateralen Bezie-
hungen anbringen. Darüber hinaus hoffen wir aber auch
auf Anknüpfungspunkte für verstärktes zivilgesellschaft-
liches Engagement.
Anlage 48
Antwort
der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des
Abgeordneten Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE)
(Drucksache 17/6994, Frage 84):
Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus
der Einschätzung des österreichischen Rechtswissenschaftlers
und Berichterstatters der UN-Menschenrechtsorganisation,
Professor Dr. Manfred Nowak, der Westen habe viel an Legi-
timität in Bezug auf Menschenrechte eingebüßt durch seinen
Krieg gegen den Terror, die Unterhöhlung von Rechtsstaat-
lichkeit, wodurch insbesondere die USA unter der Bush-Re-
gierung an einem „absoluten Tiefpunkt ihrer Politik in Bezug
auf die Menschenrechte angelangt“ seien, doppelte Standards,
die Internierung von Gefangenen außerhalb der USA in La-
gern in Afghanistan und Guantánamo, durch das „Spinnen-
netz“ von CIA-Geheimflügen und -gefängnissen in Folter-
staaten, die Aushöhlung des Folterverbots und dass die EU-
Staaten viel Kredit verspielt hätten, weil sie die US-Politik
mittrugen?
Die Bundesregierung kennt die Berichte von Profes-
sor Manfred Nowak, dem ehemaligen Sonderbericht-
erstatter der Vereinten Nationen über Folter. Jedoch lie-
gen uns die Aussagen, die Sie Herrn Nowak in Ihrer
Frage zuschreiben, nicht vor. Zum Inhalt Ihrer Frage:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 126. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 21. September 2011 14963
(A) (C)
(D)(B)
Im Januar 2009 verabschiedete die US-Regierung un-
ter Präsident Obama grundlegende Dekrete zur Terroris-
musbekämpfung. Diese umfassen insbesondere: die
beabsichtigte Schließung des Gefangenenlagers
Guantánamo, ein Folterverbot und die Sicherstellung ge-
setzeskonformer Verhörmethoden sowie die Anordnung
der schnellstmöglichen Schließung von sogenannten
CIA-Geheimgefängnissen und das Verbot der Errichtung
neuer sogenannter CIA-Gefängnisse sowie neue Ansätze
im rechtlichen Umgang mit Gefangenen in bewaffneten
Konflikten und in Anti-Terror-Operationen, insbeson-
dere die Durchführung von Prozessen möglichst vor or-
dentlichen Gerichten.
Die Obama-Administration hat sich klar von der Pra-
xis der ihr vorangegangenen Regierung Bush distanziert.
Die Stärke der amerikanischen Demokratie liegt in der
Selbstkorrektur, wie sie von US-Präsident Barack
Obama gegenüber der Politik seines Vorgängers vorge-
nommen wurde. Dies hat auch zu neuem Ansehen der
USA in der Welt geführt.
Die Bundesregierung hat die durch die Obama-Admi-
nistration ab Januar 2009 vorgenommenen Änderungen
begrüßt. Gegenüber der Bush-Administration hatte die
Bundesregierung stets deutlich gemacht, dass die He-
rausforderungen durch den Terrorismus nur im Einklang
mit dem Völkerrecht, insbesondere dem humanitären
Völkerrecht und unter Achtung der Menschenrechte,
erfolgreich bewältigt werden können. Die Bundesregie-
rung und die EU haben sich gegenüber der Bush-Admi-
nistration wie der Obama-Administration wiederholt für
die Schließung des Gefangenenlagers Guantánamo
sowie für die Aufklärung bezüglich der Existenz soge-
nannter CIA-Geheimflüge bzw. -gefängnisse eingesetzt.
Dieser Einsatz der Bundesregierung und der EU für
die Wahrung der Menschenrechte und die Einhaltung
des Völkerrechts, auch beim Kampf gegen den inter-
nationalen Terrorismus, hat uns hohes Ansehen in der
Welt verschafft.
Anlage 49
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage
des Abgeordneten Andrej Hunko (DIE LINKE)
(Drucksache 17/6994, Frage 85):
Welche Erläuterungen kann die Bundesregierung zur Be-
teiligung des US-Department of Homeland Security – wie von
WikiLeaks im Cable „FRONTEX: EU Border Control Coope-
ration at Frankfurt Airport“ vom 13. März 2007 veröffentlicht
– an der Operation AMAZON II machen, gemäß dem ein
„DHS representative“ in Frankfurt einen Tag lang die Opera-
tion zur Migrationsabwehr AMAZON II beobachtete – „spent
a day at the Frankfurt airport observing FRONTEX opera-
tions“ –, innerhalb derer 29 Angehörige von Polizeibehörden
aus sieben EU-Mitgliedstaaten unter deutscher Leitung der
damals noch jungen EU-Grenzschutzagentur FRONTEX für
mehr als zwei Wochen Tausende Identitätskontrollen am Frank-
furter Flughafen vornahmen, bei deren 15 Menschen „ins Netz
gingen“, und welche anderen Polizeimaßnahmen bzw -behör-
den wurden seitdem vom „DHS representative“ in Frankfurt
derart „beobachtet“?
Die von der europäischen Grenzschutzagentur
FRONTEX koordinierte Joint Operation AMAZON II
fand im Zeitraum vom 19. Februar 2007 bis zum 9. März
2007 statt. Im Rahmen der Maßnahme wurden insge-
samt 29 Gastbeamte aus sieben Mitgliedstaaten zur Un-
terstützung an acht europäischen Flughäfen eingesetzt.
Das damalige Bundespolizeiamt Flughafen Frankfurt/
Main wurde von sieben Gastbeamten aus Spanien (3),
den Niederlanden (1), Portugal (1), Italien (1) und
Frankreich (1) unterstützt. Darüber hinaus waren sieben
weitere Grenzschutzbeamte aus Rumänien (2), Polen
(2), Griechenland (2) und Bulgarien (1) als Beobachter
eingesetzt. Mitarbeiter des U.S. Departments of Home-
land Security, U.S. DHS, waren an der FRONTEX-Ope-
ration AMAZON II nicht beteiligt. Bedienstete des
DHS, Customs and Border Protection, CBP, beraten am
Flughafen Frankfurt am Main Luftfahrtunternehmen im
Vorfeld von Einreisen in die USA. Sie nehmen keine ho-
heitlichen Aufgaben wahr. Es ist nicht auszuschließen,
dass ein Berater des DHS sich informell bei an der
FRONTEX-Operation teilnehmenden Beamten infor-
miert hat.
Anlage 50
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage
der Abgeordneten Ulrike Gottschalck (SPD) (Druck-
sache 17/6994, Frage 86):
Wann rechnet die Bundesregierung mit der Einsatzfähig-
keit von ausgereiften und fehlerfreien Körperscannern auf
deutschen Flughäfen?
Die grundsätzlich für Luftsicherheitskontrollen geeig-
nete Technologie der erprobten Körperscanner muss
vom Hersteller weiterentwickelt werden. Wie viel Zeit
dafür benötigt wird, kann von der Bundesregierung nicht
vorhergesagt werden.
Anlage 51
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage
der Abgeordneten Ulrike Gottschalck (SPD) (Druck-
sache 17/6994, Frage 87):
Wie positioniert sich die Bundesregierung zu der Einfüh-
rung einer bundeseinheitlichen Luftfrachtsicherheitsgebühr
für die Luftfrachtunternehmen, die sich zum Beispiel nach
dem jeweiligen Frachtaufkommen richtet, wie sie offenbar be-
reits im Bundesministerium des Innern geprüft wird?
Die ergebnisoffene Prüfung der Refinanzierbarkeit
der Aufwendungen der Bundespolizei für die Kontrolle
von Luftfracht – zum Beispiel über eine Abgabe – wird
derzeit im Fachressort vorgenommen und dauert noch
an. Die Meinungsbildung der Bundesregierung wird auf
Grundlage dieser Prüfung erfolgen.
14964 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 126. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 21. September 2011
(A) (C)
(D)(B)
Anlage 52
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage
der Abgeordneten Inge Höger (DIE LINKE) (Druck-
sache 17/6994, Frage 88):
Was ist die Aufgabe des im Rahmen der Umsetzung des
seit 2005 bestehenden Abkommens über die Zusammenarbeit
im Sicherheitsbereich in Abu Dhabi stationierten Verbindungs-
beamten des Bundeskriminalamts, BKA, und welches sind ge-
gebenenfalls die Aufgabengebiete eventuell zusätzlich in den
Vereinigten Arabischen Emiraten eingesetzter Beamten des
BKA oder anderer Bundesbehörden im Rahmen des erwähn-
ten Abkommens?
Das Bundeskriminalamt, BKA, hat den ersten BKA-
Verbindungsbeamten in die Vereinigten Arabischen
Emirate bereits im Jahr 1999 entsandt, also lange bevor
das Sicherheitsabkommen abgeschlossen wurde. Derzeit
ist ein Beamter des BKA in Abu Dhabi mit Zuständig-
keit auch für Katar eingesetzt. Aufgrund der vorüberge-
henden Schließung der Deutschen Botschaft im Jemen
wegen der dortigen aktuellen Sicherheitslage nimmt zu-
dem der regulär in Sanaa tätige Beamte seine Aufgaben
derzeit von Abu Dhabi aus wahr. Dieser ist zudem auch
für den Oman zuständig.
Die Aufgaben dieser Beamten sind die gleichen wie
die aller anderen durch das BKA entsandten Verbin-
dungsbeamten weltweit. Sie umfassen vornehmlich alle
Aspekte des polizeilichen Informationsaustausches zur
Unterstützung deutscher Ermittlungsverfahren im Aus-
land. Hinzu kommen zum Beispiel die Unterstützung der
zuständigen Behörden im Gaststaat bei ihren eigenen Er-
mittlungsverfahren mit Bezug zu Deutschland und die
Betreuung deutscher Beamter bei Dienstreisen. Die Ver-
bindungsbeamten nehmen zudem an Konferenzen und
Fachtagungen teil, beraten die deutschen Auslandsver-
tretungen polizeilich und arbeiten eng mit deren Rechts-
und Konsularabteilungen zusammen.
Eine weitere Aufgabe des BKA-Verbindungsbeamten
in Abu Dhabi ist die Koordinierung polizeilicher Ausbil-
dungshilfemaßnahmen. Gegenwärtig werden BKA-Lehr-
gänge im Bereich der Tatortarbeit und der Sprengstoff-
entschärfung durchgeführt oder sind für das Jahr 2011 in
Planung. Zur Durchführung dieser Maßnahmen halten
sich BKA-Beamte anlassbezogen in den Vereinigten Ara-
bischen Emiraten auf. Sie fungieren als Dozenten und ver-
mitteln Fachwissen auf Lehrgängen und Seminaren.
Auch die Bundeszollverwaltung setzt einen Verbin-
dungsbeamten in den Vereinigten Arabischen Emiraten
am Standort Dubai ein, der die Zusammenarbeit zwi-
schen Deutschland und den Vereinigten Arabischen
Emiraten im Zollbereich unterstützt. Im Rahmen dieser
Zollzusammenarbeit und der allgemeinen und einzelfall-
bezogenen Zusammenarbeit bei der Verhinderung und
Bekämpfung von Verstößen gegen Zollvorschriften sind
die Proliferationsbekämpfung sowie die Kriminalitätsbe-
reiche Zigarettenschmuggel und Markenrechtsverstöße
besondere Schwerpunkte seiner Arbeit.
Die Bundespolizei hat zwar keinen grenzpolizeilichen
Verbindungsbeamten, wohl aber einen Dokumenten-
und Visumsberater in die Vereinigten Arabischen Emi-
rate entsandt. Dieser fungiert als Ansprechpartner für
Mitarbeiter der deutschen Auslandsvertretungen insbe-
sondere beim Erkennen von gefälschten Dokumenten im
Zusammenhang mit der Visumserteilung. Ferner über-
nimmt er die Beratung von Beförderungsunternehmen
und von Mitarbeitern der für die grenzpolizeilichen Kon-
trollen zuständigen Behörden in den Vereinigten Arabi-
schen Emiraten.
Daneben führt die Bundespolizei Maßnahmen der
grenzpolizeilichen Ausbildungshilfe durch. Schwer-
punkte sind dabei die Bekämpfung der irregulären Mi-
gration und die Erhöhung der Luftsicherheit.
Anlage 53
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Steffen Kampeter auf die Frage
des Abgeordneten Klaus Ernst (DIE LINKE) (Drucksa-
che 17/6994, Frage 89):
Mit welcher zusätzlichen Nettokreditaufnahme wäre nach
den aktuellen Prognosen der Bundesregierung bei einer
Staatspleite Griechenlands auf die dann fälligen Bürgschaften
der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen des sogenannten
Euro-Rettungsschirms, bitte mindestens angeben, mit welcher
Belastung minimal und maximal gerechnet wird, für die
Haushaltsjahre 2012 und 2013 zu rechnen, und wie hoch läge
der daraus resultierende kumulierte fiskalische Anpassungs-
druck für die folgenden Haushaltsjahre?
Die Bundesregierung beteiligt sich nicht an Spekula-
tionen über eine Staatspleite Griechenlands.
Anlage 54
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Steffen Kampeter auf die Frage
der Abgeordneten Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN) (Drucksache 17/6994, Frage 90):
Warum geht die Bundesregierung davon aus, dass die vom
Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 7. September
2011 genannten inhaltlichen Voraussetzungen, insbesondere
die Kontrollrechte des Deutschen Bundestages, zwar in Rege-
lungen zum Euro-Rettungsschirm normiert werden könnten,
in Regelungen zu Euro-Bonds aber nicht zu erreichen sind,
und wird die Bundesregierung die Vorschläge der EU-Kom-
mission zu Euro-Bonds, die für Oktober 2011 erwartet wer-
den, einer genaueren Prüfung unterziehen, oder schließt die
Bundesregierung die Einführung von Euro-Bonds kategorisch
aus?
Das Bundesverfassungsgericht hat klargestellt, dass
der Deutsche Bundestag seine Budgetverantwortung
nicht durch unbestimmte haushaltspolitische Ermächti-
gungen auf andere Akteure übertragen darf. Es dürfen
insbesondere keine völkerrechtlichen Mechanismen be-
gründet werden, die auf eine Haftungsübernahme für
Willensentscheidungen anderer Staaten hinauslaufen.
Dies bedeutet insbesondere, dass es keinen unüberschau-
baren, in seinem Selbstlauf nicht mehr steuerbaren Auto-
matismus einer Haftungsunion geben darf. Diese Gefahr
besteht bei den Hilfen der Europäischen Finanzstabili-
tätsfazilität, EFSF, nicht. Der Bundestag wird über das
Euro-Stabilisierungsmechanismusgesetz, StabMechG, in
die Entscheidung über die Gewährung der Finanzhilfen
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 126. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 21. September 2011 14965
(A) (C)
(D)(B)
einbezogen. Es ist nicht ersichtlich, wie die Beteili-
gungsrechte des Bundestages bei der Begebung von
Euro-Bonds in vergleichbarer Weise bewerkstelligt wer-
den könnten.
Die Bundesregierung prüft alle Vorschläge der
EU-Kommission eingehend. Die Inhalte der geplanten
Vorschläge sind der Bundesregierung nicht bekannt. Die
gemeinsame Begebung von Anleihen mit gesamtschuld-
nerischer Haftung lehnt die Bundesregierung jedoch ab,
da sie die nationale Verantwortlichkeit und Haftung der
einzelnen Mitgliedstaaten aushebeln und die bestehende
Marktdisziplinierung durch unterschiedlich hohe Zins-
sätze beenden würde.
Anlage 55
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Steffen Kampeter auf die Frage
des Abgeordneten Klaus Hagemann (SPD) (Drucksa-
che 17/6994, Frage 91):
Wie ist im Hinblick auf das Urteil des Bundesverfassungs-
gerichtes zur Griechenlandhilfe und zum sogenannten Euro-
Rettungsschirm vom 7. September 2011 (Az. 2 BvR 987/10, 2
BvR 1485/10, 2 BvR 1099/10) in den Mitgliedsländern der
Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität, EFSF, die jewei-
lige Parlamentsbeteiligung – insbesondere bei Grundsatzent-
scheidungen bei der Übernahme von Gewährleistungen, Not-
maßnahmen – sogenannten Financial Assistance Facility
Agreements –, in Fällen besonderer Eilbedürftigkeit sowie bei
der Freigabe weiterer Tranchen im Einzelnen – geregelt bzw.
vorgesehen, und welche Konsequenzen hat ein Mehr an parla-
mentarischer Mitwirkung wie in Finnland auf die Handlungs-
fähigkeit der EFSF?
Wie die parlamentarische Beteiligung bei Hilfsmaß-
nahmen der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität,
EFSF, in den anderen Mitgliedstaaten im Einzelnen aus-
gestaltet ist, ist der Bundesregierung nicht bekannt. Be-
reits die nationale Umsetzung des geänderten EFSF-
Rahmenvertrags – die in Deutschland durch das aktuelle
Gesetzesvorhaben zur Änderung des Euro-Stabilisie-
rungsmechanismusgesetzes, StabMechG, erfolgt – wird
in den Mitgliedstaaten unterschiedlich gehandhabt. So
sind etwa nach Kenntnisstand der Bundesregierung in
Griechenland, Italien und Portugal keine parlamentari-
schen Verfahren zur Umsetzung der EFSF-Ertüchtigung
erforderlich.
Aus Sicht der Bundesregierung muss die parlamenta-
rische Beteiligung so ausgestaltet sein, dass die Funk-
tionsfähigkeit der EFSF sichergestellt ist. Die Marktteil-
nehmer dürfen nicht an der Einsatzfähigkeit des EFSF
zweifeln. Entscheidend sind klare Entscheidungsstruktu-
ren und schnelle Entscheidungsverfahren.
Anlage 56
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Steffen Kampeter auf die Frage
der Abgeordneten Dr. Barbara Höll (DIE LINKE)
(Drucksache 17/6994, Frage 92):
Wird seitens der Finanzbehörden ein Datenabgleich, Ver-
probung, zwischen Umsatzsteuer-Voranmeldung und Zusam-
menfassender Meldung durchgeführt, und welche Erkennt-
nisse hat die Bundesregierung über den Grad der
Abweichung?
Für die Erhebung und Kontrolle der Umsatzsteuer
sind nach der Finanzverfassung die Länder zuständig.
Der Bundesregierung ist bekannt, dass die Finanzbehör-
den einzelfallbezogen bzw. bei Vorliegen von Unregel-
mäßigkeiten Verprobungen durchführen zwischen den
an die Landesfinanzbehörden übermittelten Angaben
über die Teilnahme am innergemeinschaftlichen Waren-
verkehr in der Umsatzsteuer-Voranmeldung und den An-
gaben in den dem Bundeszentralamt für Steuern über-
mittelten Zusammenfassenden Meldungen. Soweit
hierbei Abweichungen festgestellt werden, sind diese re-
gelmäßig Anlass für die Durchführung von Außenprü-
fungen. Der Bundesregierung liegen außerdem Informa-
tionen vor, dass die Prüfer gehalten sind, im Rahmen der
Vorbereitung von Außenprüfungen insbesondere von
Umsatzsteuer-Sonderprüfungen entsprechende Verpro-
bungen durchzuführen.
Über den Grad der Abweichungen liegen der Bundes-
regierung keine Erkenntnisse vor.
Anlage 57
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Steffen Kampeter auf die Frage
der Abgeordneten Dr. Barbara Höll (DIE LINKE)
(Drucksache 17/6994, Frage 93):
Wann ist konkret mit der Veröffentlichung des Abkom-
mens mit der Schweiz über unversteuerte Kapitalerträge zu
rechnen, und welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung
über die Höhe bisher nicht versteuerter Vermögen in der
Schweiz?
Das Abkommen zwischen der Bundesrepublik
Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossen-
schaft über Zusammenarbeit in den Bereichen Steuern
und Finanzmarkt wird am Tag der Unterzeichnung die-
ses Abkommens veröffentlicht werden.
Die Unterzeichnung ist für den 21. September 2011
vorgesehen.
Der Bundesregierung liegen lediglich Schätzungen
aus unterschiedlichen Quellen vor, die in ihrer Höhe
stark variieren. Belastbare Erkenntnisse liegen nicht vor.
Anlage 58
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Steffen Kampeter auf die
Frage des Abgeordneten Heinz Paula (SPD) (Drucksa-
che 17/6994, Frage 94):
Ist es zutreffend, dass im Fall der Vererbung eines Eigen-
heims an einen Elternteil – zum Beispiel Tod des Sohnes –
auch dann Erbschaftsteuer anfällt, wenn es sich um ein von
der Mutter und dem verstorbenen – ledigen, kinderlosen –
Sohn eigengenutztes Familienwohnheim handelt, welches
auch weiterhin vom erbenden Elternteil genutzt wird, und
wenn dem so ist, wie ist dies zu erklären, wenn im umgekehr-
ten Fall – gemeinsam genutztes Familienwohnheim wird an
den Sohn vererbt – keine Erbschaftsteuer zu zahlen ist?
14966 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 126. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 21. September 2011
(A) (C)
(D)(B)
Im Fall der Vererbung eines vom erblassenden Sohn
zu eigenen Wohnzwecken genutzten Grundstücks an ei-
nen Elternteil fällt auch dann Erbschaftsteuer an, wenn
das Grundstück weiterhin vom erbenden Elternteil zu ei-
genen Wohnzwecken genutzt wird.
Der Gesetzgeber hat mit der Steuerbefreiung im um-
gekehrten Fall, also beim Erwerb eines sogenannten Fa-
milienheims des erblassenden Elternteils durch ein Kind
oder mehrere Kinder, nur den Erwerb in der normalen
Generationenfolge von den Eltern auf die Kinder be-
günstigen wollen. Die Befreiung ist in diesem Fall auf
eine Wohnung mit einer Wohnfläche bis 200 Quadratme-
ter beschränkt – § 13 Abs. 1 Nr. 4 c ErbStG.
Anlage 59
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Fra-
gen der Abgeordneten Sabine Zimmermann (DIE
LINKE) (Drucksache 17/6994, Fragen 95 und 96):
Wie viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wurden
in den Jahren 2007, 2008 und 2009 von der Bundesagentur für
Arbeit befristet eingestellt, wie viele davon sachgrundlos be-
fristet (bitte gesondert Arbeitsvermittler im Bereich des Zwei-
ten Buches Sozialgesetzbuch, SGB II, und über 50-Jährige,
insgesamt und als Arbeitsvermittler im SGB-II-Bereich auf-
führen)?
Wie viele von den in den Jahren 2007, 2008 und 2009 be-
fristet und sachgrundlos befristet eingestellten Arbeitnehme-
rinnen und Arbeitnehmern haben jeweils einen unbefristeten
Arbeitsvertrag erhalten – bitte gesondert Arbeitsvermittler im
Bereich des SGB II aufführen –, und wie viele davon waren
über 50 Jahre alt?
Die gewünschten Informationen zu befristeten Ein-
stellungen und die Umwandlung in unbefristete Beschäf-
tigungen für die Jahre 2007 bis 2009 können nach Aus-
kunft der Bundesagentur für Arbeit nicht geliefert
werden. Eine zentrale Auswertung ist der Bundesagentur
für Arbeit über ihr IT-System nicht möglich, da die Per-
sonalverantwortung dezentral bei den Regionaldirektio-
nen und Agenturen für Arbeit organisiert ist.
Anlage 60
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die
Frage des Abgeordneten Anton Schaaf (SPD) (Druck-
sache 17/6994, Frage 97):
Warum beabsichtigt das Bundesministerium für Arbeit
und Soziales in seinen Überlegungen zu Änderungen im Be-
reich der Erwerbsminderungsrente, die Zurechnungszeit nach
§ 59 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch parallel zu der
Anhebung der Regelaltersgrenze zu verlängern, obwohl die
Bundesregierung bislang bestritten hat, dass sich aus der An-
hebung der Regelaltersgrenze ein Handlungsbedarf für Ver-
besserungen bei den Erwerbsminderungsrenten ergibt?
Die sogenannte Zurechnungszeit – also die Phase des
Erwerbslebens, die ab Eintritt der Erwerbsminderung für
die Berechnung der Erwerbsminderungsrente fiktiv an-
genommen wird – reicht heute bis zum 60. Lebensjahr.
Um Menschen mit verminderter Erwerbsfähigkeit lang-
fristig besser abzusichern, soll diese Zeit stufenweise auf
das 62. Lebensjahr angehoben werden. Dies soll ange-
messen und im Gleichklang mit der Anhebung der Re-
gelaltersgrenze erfolgen. Der Erwerbsminderungsschutz
wird so dem längeren Erwerbsleben angepasst.
Bei der Anhebung der Regelaltersgrenze blieb es zu-
nächst bei der Zurechnungszeit bis zum Erreichen des
60. Lebensjahres. Nun wird der alte Fünfjahresabstand
wieder hergestellt. Die Rentenansprüche derer, die nicht
mehr arbeiten und vorsorgen können, werden aufgewer-
tet.
Anlage 61
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die
Frage des Abgeordneten Anton Schaaf (SPD) (Druck-
sache 17/6994, Frage 98):
Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass es mit dem
Prinzip der Leistungsgerechtigkeit vereinbar ist, dass ein Ver-
sicherter, der die Zugangsvoraussetzungen für die sogenannte
Zuschussrente erfüllt, beispielsweise bei einer gesetzlichen
Rente von 500 Euro und einer Betriebsrente von 100 Euro
eine Aufstockung auf einen Nettozahlbetrag von 850 Euro er-
halten soll, während ein Versicherter, der ausschließlich eine
gesetzliche Rente von beispielsweise 750 Euro erhält und da-
mit eine höhere Vorleistung durch höhere Beitragszahlungen
erbracht hat, keine Aufstockung erhalten soll?
Die Bundesregierung sieht hier keinen Widerspruch
zum Prinzip der Leistungsgerechtigkeit. Bei der Zu-
schussrente werden – vorbehaltlich des weiteren Ver-
laufs des „Regierungsdialog(s) Rente“ – nicht automa-
tisch alle Renten auf die Höhe von 850 Euro aufgestockt,
sondern nur die von Personen, die lange gearbeitet, Kin-
der erzogen oder gepflegt haben und neben der gesetzli-
chen Rentenversicherung zusätzlich vorgesorgt haben.
Wer diese Voraussetzung erfüllt, erhält ein garantiertes
Alterseinkommen von 850 Euro unabhängig davon, wie
hoch die durch eigene Vorleistungen erbrachte Rente ist.
Der in der Fragestellung genannte Versicherte, der eine
eigene Rente von 750 Euro bezieht, hat keine eigene zu-
sätzliche Vorsorge betrieben und sich damit – anders als
der andere in der Fragestellung genannte Versicherte –
nicht im Rahmen seiner Möglichkeiten um eine Steige-
rung seines Alterseinkommens bemüht. Daher ist es ge-
recht, dass die Rente des Versicherten in Höhe von
750 Euro nicht aufgestockt wird. Für die Prüfung der
Leistungsgerechtigkeit bei der Zuschussrente ist nicht
die absolute Höhe der Vorleistungen entscheidend, son-
dern die Frage, ob der Betroffene für die eigene Alters-
versorgung vorgesorgt hat.
Anlage 62
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Fra-
gen des Abgeordneten Marco Bülow (SPD) (Drucksa-
che 17/6994, Frage 99):
Ist bei der Zuschussrente, deren Gewährung an Einkünfte
aus der gesetzlichen Rente und einer betrieblichen oder priva-
ten Quelle geknüpft ist, daran gedacht, sie bedürftigkeitsori-
entiert zu gestalten, sodass weitere Einkünfte, zum Beispiel
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 126. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 21. September 2011 14967
(A) (C)
(D)(B)
aus einem anderen obligatorischen Alterssicherungssystem
oder auch Zinseinkünfte oder Einkünfte aus Vermietung oder
Verpachtung, anzurechnen sind, und soll Vermögen angerech-
net werden?
Das Konzept der Zuschuss-Rente sieht eine Einkom-
mensprüfung vor, damit sie bei denen ankommt, die sie
tatsächlich benötigen. Hinsichtlich der konkreten Ausge-
staltung gibt es noch keine abschließenden Festlegun-
gen. Im Übrigen bleibt der weitere Verlauf des „Regie-
rungsdialog(s) Rente“ abzuwarten.
Anlage 63
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die
Frage der Abgeordneten Gabriele Hiller-Ohm (SPD)
(Drucksache 17/6994, Frage 100):
Nach welchem Verfahren bzw. in welcher Form soll der
Nettozahlbetrag der Zuschussrente von 850 Euro dynamisiert
werden, um sowohl Preissteigerungen als auch sich verän-
dernde Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zu be-
rücksichtigen und den relativen Abstand zur Grundsicherung
im Alter und bei Erwerbsminderung, deren Regelbedarfe jähr-
lich nach § 28 a des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch fort-
zuschreiben sind, zu wahren?
Der Regierungsdialog ist ein breit angelegter, offener
Diskussionsprozess, an dem Rentenversicherung, Fach-
politiker, Wohlfahrtsverbände, Gewerkschaften, Arbeit-
geber und anlassbezogen weitere Institutionen beteiligt
werden. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales
geht offen in den Dialog. Bezüglich der Frage der Dyna-
misierung der Zuschussrente ist noch keine Vorfestle-
gung getroffen.
Anlage 64
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Fra-
gen der Abgeordneten Angelika Krüger-Leißner
(SPD) (Drucksache 17/6994, Fragen 101 und 102):
Wie verteilen sich die Personen, die nach Einschätzung
des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales im Jahr 2013
die Anspruchsvoraussetzungen für die Zuschussrente erfüllen
werden, auf west- und ostdeutsche Versicherte, und wie wird
sich die Zusammensetzung der anspruchsberechtigten Perso-
nen mutmaßlich in den nächsten Jahren entwickeln?
Soll jeder der Träger der Deutschen Rentenversicherung
mit der Administration der Zuschussrente betraut werden,
oder ist daran gedacht, die Zuständigkeit an einen oder meh-
rere bestimmte Träger zu vergeben?
Zu Frage 101:
Gebietspezifische Unterscheidungen wurden bei den
Schätzungen zur Zuschussrente nicht vorgenommen,
denn wie sich die Berechtigten auf Ost und West auftei-
len, ist vor dem Hintergrund der Zielsetzungen der Zu-
schussrente ohne Belang. Das Ziel der Zuschussrente ist,
die Lebensleistung von Personen, die trotz langjähriger
Anstrengungen im Alter nicht über ein angemessenes
Einkommen verfügen, besser zu honorieren. Dieses Ziel
gilt für die alten Länder wie auch für die neuen Länder
gleichermaßen. Denn es bedeutet keinen Unterschied,
wo jemand erwerbstätig war, Kinder erzogen oder Ange-
hörige gepflegt hat, und es bedeutet auch keinen Unter-
schied, wo jemand zusätzlich für sein Alter vorgesorgt
hat. Die Zuschussrente ist in den alten und neuen Län-
dern gleich hoch.
Zu Frage 102:
Das Konzept der Zuschussrente sieht die zentrale
Administrierung auf Bundesebene durch die Deutsche
Rentenversicherung vor. Hinsichtlich der konkreten
Ausgestaltung gibt es noch keine abschließenden Festle-
gungen. Im Übrigen bleibt der weitere Verlauf des „Re-
gierungsdialog(s) Rente“ abzuwarten.
Anlage 65
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die
Frage der Abgeordneten Katja Mast (SPD) (Drucksa-
che 17/6994, Frage 103):
Soll die Zuschussrente unabhängig vom Einkommen eines
Partners/einer Partnerin gezahlt werden, also als ausschließ-
lich individualisierte Leistung, und falls ja, wie bewertet die
Bundesregierung diese Regelung gegenüber den Regelungen
des Zweiten und des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch, in
der die Höhe der Leistungen für Angehörige einer Bedarfs-
bzw. Einstandsgemeinschaft je nach unterschiedlichen Regel-
bedarfsstufen gewährt wird?
Nein. Das Konzept der Zuschussrente sieht auch die
Berücksichtigung von Partnereinkommen vor. Denn die
Zuschussrente soll zielgenau bei denen ankommen, die
diese zusätzliche Leistung auch benötigen, weil sie trotz
langjähriger Bemühungen über kein ausreichendes Al-
terseinkommen verfügen. Die Einkommenssituation im
Alter ist aber nicht nur von den eigenen Einkünften, son-
dern auch vom Erwerbs- bzw. Alterseinkommen von
Ehegatten und Lebenspartnern abhängig. Personen, die
in Haushalten mit hohem Einkommen leben, sind auf er-
gänzende Leistungen nicht angewiesen. Deshalb sieht
das Konzept der Zuschussrente eine Einkommensprü-
fung sowohl bei den Berechtigten als auch bei Ehe- oder
Lebenspartnern vor. Hinsichtlich der konkreten Ausge-
staltung gibt es aber noch keine abschließenden Festle-
gungen. Im Übrigen bleibt der weitere Verlauf des „Re-
gierungsdialog(s) Rente“ abzuwarten.
Anlage 66
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die
Frage der Abgeordneten Katja Mast (SPD) (Drucksa-
che 17/6994, Frage 104):
Inwiefern kann die Anspruchsvoraussetzung der Wartezeit
der zusätzlichen Vorsorge durch unterschiedliche Formen der
privaten Vorsorge erfüllt werden, oder ist daran gedacht, sie
ausschließlich an einen Vertrag zu binden, der die Kriterien
des Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetzes erfüllt?
Als Anspruchsvoraussetzung für die Wartezeit in der
zusätzlichen Altersvorsorge sind Zeiten der betriebli-
chen Altersversorgung und Zeiten der staatlich geförder-
14968 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 126. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 21. September 2011
(A) (C)
(D)(B)
ten privaten Altersvorsorge vorgesehen. Einzelheiten
sollen und können im Rahmen des „Regierungsdialog(s)
Rente“ mit den Beteiligten erörtert werden.
Anlage 67
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die
Frage der Abgeordneten Anette Kramme (SPD)
(Drucksache 17/6994, Frage 105):
In welcher Form beabsichtigt das Bundesministerium für
Arbeit und Soziales, die im Deutschen Bundestag vertretenen
Fraktionen an dem „Regierungsdialog Rente“ zu beteiligen?
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales strebt
an, dass die Gesetzesänderungen, die sich aus dem „Re-
gierungsdialog Rente“ ergeben, in einem möglichst brei-
ten Konsens im Parlament verabschiedet werden. In wel-
cher Form die Beteiligung der verschiedenen Fraktionen
erfolgen soll, ist noch nicht entschieden.
Anlage 68
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die
Frage der Abgeordneten Anette Kramme (SPD)
(Drucksache 17/6994, Frage 106):
Wie erklärt sich die Aussage der Bundesministerin
Dr. Ursula von der Leyen, wonach bei einer Verlängerung der
Rente nach Mindestentgeltpunkten nach § 262 des Sechsten
Buches Sozialgesetzbuch „viele Frauen durch den Rost [fal-
len]“ (Der Tagesspiegel vom 10. September 2011), obwohl im
Zugang in eine Altersrente im Jahr 2010 90 Prozent der Ver-
sicherten, die von diesem Instrument profitiert haben, Frauen
waren und so etwa ein Viertel aller Frauen hiervon profitiert
hat, während es bei den Männern nur knapp 4 Prozent waren?
Richtig ist, dass von der Regelung der Rente nach
Mindestentgeltpunkten gegenwärtig überwiegend Frauen
begünstigt werden. Jedoch wird durch die Hochwertung
von vor dem Jahr 1992 zurückgelegten Beitragszeiten
nach dieser Regelung nicht erreicht, dass Versicherte
– Frauen ebenso wie Männer – in jedem Fall eine Rente
erhalten, die über dem durchschnittlichen Grundsiche-
rungsbedarf liegt.
Dieses Ziel verfolgt die Zuschussrente. Auch entfal-
ten Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung,
die Frauen für die Erziehung eines Kindes bis zum voll-
endeten 10. Lebensjahr gutgeschrieben werden, nach
dem Konzept der Zuschussrente eine bessere Wirkung.
Denn dort werden sie Zeiten der Beschäftigung wir-
kungsmäßig gleichgestellt, während bei der Rente nach
Mindestentgeltpunkten nur vollwertige Beitragszeiten
hochgewertet werden. Beispielsweise würde eine Frau,
die 20 Jahre lang zu 75 Prozent des Durchschnittslohns
gearbeitet hat, danach zwei Kinder erzogen hat und dann
zehn Jahre vor dem Rentenbezug arbeitslos war, keine
Rente nach Mindesteinkommen erhalten. Von der Zu-
schuss-Rente würde sie hingegen profitieren.
Anlage 69
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die
Frage der Abgeordneten Silvia Schmidt (Eisleben)
(SPD) (Drucksache 17/6994, Frage 107):
Wie wird sich die Verlängerung der Zurechnungszeit um
einen Monat auf den Zahlbetrag der Rente bei einem Versi-
cherten auswirken, der vor Vollendung des 60. Lebensjahres
auf Grundlage von 45 Entgeltpunkten in eine Erwerbsminde-
rungsrente geht, und wie würde sich dies auf Grundlage einer
Rentenanwartschaft von 40 bzw. 30 Entgeltpunkten darstel-
len?
Versteht man die Frage so, dass in der Anzahl der je-
weils genannten Entgeltpunkte die Auswirkungen aus
der Zurechnungszeit nach geltendem Recht bis zur Voll-
endung des 60. Lebensjahres bereits enthalten sind und
in allen drei Varianten vor Beginn der versicherungs-
pflichtigen Tätigkeit mit 20 Jahren drei Jahre Schulbe-
such unterstellt werden, wirkt sich die Verlängerung der
Zurechnungszeit um einen Monat wie folgt aus: Die mo-
natliche Nettoleistungsverbesserung beträgt bei einem
Rentenzugang vor Vollendung des 60. Lebensjahres auf
der Grundlage von 45 Entgeltpunkten rund 2,10 Euro,
40 Entgeltpunkten rund 1,80 Euro und 30 Entgeltpunk-
ten rund 1,40 Euro.
Diese Werte erscheinen zwar gering, spiegeln aber die
anfangs ebenfalls nur sehr geringe Anhebung der Regel-
altersgrenze wider, an der sich die Verlängerung der Zu-
rechnungszeit orientiert. Langfristig fallen die Erwerbs-
minderungsrenten um etwa 5 Prozent höher aus als ohne
diese Verlängerung.
Anlage 70
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die
Frage des Abgeordneten Josip Juratovic (SPD) (Druck-
sache 17/6994, Frage 108):
Mit welcher Begründung verzichtet das Bundesministe-
rium für Arbeit und Soziales in seinen Überlegungen offen-
sichtlich darauf, den Erwerbsminderungsschutz auch in der
betrieblichen Alterssicherung und der geförderten privaten
Altersvorsorge obligatorisch zu verankern, obwohl im Rah-
men der Mehr-Säulen-Strategie alle biometrischen Risiken in
allen Säulen der Alterssicherung abzusichern wären?
Eine gesetzlich verpflichtende Absicherung des Er-
werbsminderungsrisikos hält das Bundesministerium für
Arbeit und Soziales weder im Rahmen der betrieblichen
Altersversorgung noch im Rahmen der staatlich geför-
derten privaten Altersvorsorge für sinnvoll, da die Bereit-
schaft zum Aufbau einer – grundsätzlich freiwilligen –
privaten oder betrieblichen Altersvorsorge durch diese
Vorgabe insgesamt eher verringert werden dürfte.
Eine Absicherung des Erwerbsminderungsrisikos in
der betrieblichen Altersversorgung ist bereits heute auf
freiwilliger Basis möglich und auch in vielen Fällen Teil
des Leistungskatalogs. So liegt es zum Beispiel im Er-
messen der Tarifvertragsparteien, entsprechende Rege-
lungen zu treffen. Viele Tarifvertragsparteien haben dies
erkannt und entsprechende Tarifverträge abgeschlossen.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 126. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 21. September 2011 14969
(A) (C)
(D)(B)
Bei der staatlich geförderten privaten Altersvorsorge
muss außerdem Folgendes bedacht werden: Wegen der
grundsätzlichen Freiwilligkeit zum Abschluss eines ent-
sprechenden Vertrages würde es zu einer negativen Risi-
koselektion kommen, die es den Versicherungen versi-
cherungsmathematisch verbieten würde, entsprechende
Angebote ohne Gesundheitsprüfung zu machen. Zudem
müsste eine obligatorische Absicherung des Erwerbs-
minderungsrisikos eine Befreiungsmöglichkeit für die-
jenigen vorsehen, die bereits über eine entsprechende
Absicherung verfügen. Dies wäre mit großem Verwal-
tungsaufwand verbunden. Bei gleichem Fördervolumen
ginge nicht zuletzt ein Teil der zusätzlichen Absicherung
fürs Alter verloren, und bei einer Kündigung des Vertra-
ges würde in aller Regel auch automatisch der Erwerbs-
minderungsschutz wegfallen.
Anlage 71
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die
Frage des Abgeordneten Josip Juratovic (SPD) (Druck-
sache 17/6994, Frage 109):
Wird die Bundesregierung im Rahmen des „Regierungs-
dialog(s) Rente“ auch Modelle unterstützen, die den Bezug ei-
ner Teilaltersrente auch bereits mit dem vollendeten 60. Le-
bensjahr ermöglichen, wenn sicher ausgeschlossen werden
kann, dass durch die erhöhten Abschläge das Risiko von Al-
tersarmut entsteht?
Die Bundesregierung wird im Rahmen des „Regie-
rungsdialog(s) Rente“ Möglichkeiten einer weitergehen-
den Flexibilisierung der Übergänge in den Ruhestand
prüfen. Bei der Prüfung entsprechender Vorschläge
sollte jedoch stets unter anderem hinterfragt werden, ob
es angesichts des drohenden Arbeitskräftemangels ge-
sellschaftlich verantwortbar ist, Anreize für einen frühe-
ren Renteneintritt zu schaffen; Menschen, die arbeiten
können und wollen, die Möglichkeit eingeräumt werden
sollte, vorzeitig Rente zu beziehen, und wenn ja, welche
Bedingungen hierfür gelten müssen; ob die mit einem
vorzeitigen Rentenbezug verbundenen lebenslangen Ab-
schläge bei der Rente für den Einzelnen hinnehmbar und
für die Allgemeinheit verantwortbar sind, und ob die
Kosten einer Rückkehr zur Frühverrentung zukünftigen
Generationen zuzumuten sind.
Anlage 72
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die
Frage der Abgeordneten Dr. Dagmar Enkelmann (DIE
LINKE) (Drucksache 17/6994, Frage 110):
Was gedenkt die Bundesregierung zu unternehmen, um
den Anteil der 50 Jahre alten und älteren Langzeitarbeitslo-
sen, der binnen Jahresfrist um über 2 Prozentpunkte auf über
31 Prozent gestiegen ist (vergleiche Bundesagentur für Arbeit,
Sockel- und Langzeitarbeitslosigkeit, Broschüre der Arbeits-
marktberichterstattung, Nürnberg 2011), zu reduzieren?
Der in der Fragestellung zitierte Anstieg von „über
2 Prozentpunkten auf über 31 Prozent“ bezieht sich auf
den Anteil der älteren Arbeitslosen (50 und älter) an al-
len Arbeitslosen.
Der Anteil der Älteren über 50 Jahre, die länger als
zwölf Monate arbeitslos sind, an allen älteren Arbeitslo-
sen ist von 42,6 Prozent im Juni 2010 auf 42,8 Prozent
im Juni 2011 lediglich geringfügig gestiegen. Absolut ist
sowohl die Zahl der älteren Arbeitslosen als auch der äl-
teren Langzeitarbeitslosen in diesem Zeitraum zurückge-
gangen.
Zur Verbesserung der Wiedereingliederung von Ar-
beitslosen steht im SGB III und SGB II eine Vielzahl
von Instrumenten zur Verfügung, die auch für die Ein-
gliederung älterer Arbeitsloser genutzt werden können.
Hierzu zählen beispielsweise Eingliederungszuschüsse
ebenso wie Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung.
Die Bundesregierung hat darüber hinaus zur Verbes-
serung der Beschäftigungsfähigkeit und Beschäfti-
gungschancen älterer Langzeitarbeitsloser ab 50 Jahren
im Oktober 2005 das Bundesprogramm „Perspektive
50 plus – Beschäftigungspakte für Ältere in den Regio-
nen“ gestartet. Mittlerweile sind 78 regionale Beschäfti-
gungspakte am Bundesprogramm beteiligt. Ziel dieser
Beschäftigungspakte ist die Aktivierung, Förderung und
Erhaltung der Beschäftigungsfähigkeit älterer Arbeit-
nehmerinnen und Arbeitnehmer sowie die Wiederein-
gliederung älterer Langzeitarbeitsloser in den allgemei-
nen Arbeitsmarkt.
Der hierbei verfolgte regionale Ansatz ermöglicht es
den Beschäftigungspakten, gezielt auf die Besonderhei-
ten vor Ort einzugehen sowie eigenverantwortlich neue
Ansätze zu entwickeln. Im Jahr 2010 wurden rund
190 000 Personen aktiviert und über 56 000 Personen in
den allgemeinen Arbeitsmarkt integriert.
Das Bundesprogramm wurde nochmals vom 1. Januar
2011 bis zum 31. Dezember 2015 verlängert. Das Ziel
der dritten Programmphase, die regionale Ausweitung
des Bundesprogramms auf möglichst alle Grundsiche-
rungsstellen zu realisieren, ist mit derzeit über 400 betei-
ligten Jobcentern annähernd erreicht. Ein weiteres
wichtiges Ziel der dritten Programmphase ist die Identi-
fizierung besonders erfolgreicher innovativer Ansätze
der Beschäftigungspakte, die ins Regelgeschäft über-
nommen werden können.
Im Jahr 2011 sind insgesamt rund 200 000 Aktivie-
rungen und 65 000 Integrationen in den Arbeitsmarkt ge-
plant. Bis Ende August 2011 konnten bisher knapp
151 000 Aktivierungen und knapp 48 000 Arbeitsmarkt-
integrationen erzielt werden. Damit liegt das Programm
deutlich über dem bis zu diesem Zeitpunkt gesetzten
Ziel. Es ist daher zu erwarten, dass auch im Jahr 2011
die Programmziele über das geplante Maß hinaus erfüllt
werden.
Anlage 73
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die
Frage der Abgeordneten Dr. Dagmar Enkelmann (DIE
LINKE) (Drucksache 17/6994, Frage 111):
14970 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 126. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 21. September 2011
(A) (C)
(D)(B)
Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus
der Feststellung des Vorstandes der Bundesagentur für Arbeit,
Heinrich Alt, angesichts einer sich verfestigenden Langzeitar-
beitslosigkeit müssten umso mehr Mittel für Qualifizierung,
Training, Schuldner- oder Suchtberatung ausgeben werden
(vergleiche Süddeutsche Zeitung vom 15. September 2011),
vor dem Hintergrund der von der Bundesregierung bereits
vorgenommenen und weiter geplanten Kürzungen bei der ak-
tiven Arbeitsmarktpolitik in Milliardenhöhe?
Im Bundeshaushalt für das Jahr 2011 wurden die An-
sätze für Leistungen zur Eingliederung in Arbeit und für
Verwaltungskosten für die Durchführung der Grundsi-
cherung für Arbeitsuchende gegenüber dem Jahr 2010
unter anderem an die positive Entwicklung auf dem Ar-
beitsmarkt angepasst. Diese Anpassung soll in den Jah-
ren 2012 und 2013 fortgesetzt werden. Damit wird be-
rücksichtigt, dass die Entwicklung der Arbeitslosigkeit
infolge des konjunkturellen Aufschwungs bisher insge-
samt günstiger als erwartet ausgefallen ist und sich die
positive Entwicklung nach den vorliegenden Prognosen
fortsetzen wird. Darüber hinaus trägt die Anpassung der
Ansätze selbstverständlich auch den zwingenden Erfor-
dernissen zur Reduzierung von Ausgaben des Bundes
Rechnung.
Im Rahmen der wirkungsorientierten Steuerung der
Maßnahmen gelingt es den Jobcentern zunehmend, Inte-
grationen in den Arbeitsmarkt ohne begleitende Förder-
maßnahmen zu realisieren. Damit können mehr Mittel
für Personen eingesetzt werden, die dem Arbeitsmarkt
fernstehen. Dort erzielen sie die größte Wirkung.
Aus den genannten Gründen ist die Bundesregierung
der Auffassung, dass auch in den kommenden Jahren für
Eingliederungsmaßnahmen im Bereich der Grundsiche-
rung für Arbeitsuchende Mittel in ausreichender Höhe
zur Verfügung stehen. Im Übrigen wird darauf hingewie-
sen, dass es sich bei der Schuldner- und Suchtberatung
um kommunale Eingliederungsleistungen handelt.
Anlage 74
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die
Frage des Abgeordneten Steffen-Claudio Lemme
(SPD) (Drucksache 17/6994, Frage 112):
Welche Bilanz zieht die Bundesregierung nach einem Jahr
Mindestlohn in der Pflegebranche im Hinblick auf seine Um-
setzung und die Einhaltung bzw. Kontrolle der Lohnunter-
grenze?
Die bestehenden gesetzlichen Regelungen zum Min-
destlohn sind Gegenstand einer innerhalb der Koalitions-
fraktionen vereinbarten und noch nicht abgeschlossenen
Evaluation.
Ende März 2011 hat die Finanzkontrolle Schwarzar-
beit der Zollverwaltung eine bundesweite Schwerpunkt-
prüfung bei ambulanten Pflegediensten durchgeführt. Es
wurden circa 2 800 Unternehmen geprüft und etwa 6 900
Personen befragt. In 144 Fällen ergaben sich Anhalts-
punkte für Mindestlohnverstöße. Die weiteren Ermitt-
lungen dauern noch an.
Anlage 75
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Dr. Gerd Müller auf die Frage
der Abgeordneten Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN) (Drucksache 17/6994, Frage 113):
Kann die Bundesregierung ausschließen, dass sie einer
Kürzung der Mittel in der zweiten Säule der Gemeinsamen
Agrarpolitik, GAP, im Zuge der Reform der GAP zustimmen
wird?
Richtschnur für die Weiterentwicklung der GAP sind
die Vereinbarungen im Koalitionsvertrag, wonach auch
nach 2013 eine starke erste Säule für die Direktzahlun-
gen und die Marktausgaben sowie eine finanziell gut
ausgestattete zweite Säule für Maßnahmen der ländli-
chen Entwicklung erforderlich sind. Dabei kommt den
Fördermaßnahmen der zweiten Säule eine wichtige Auf-
gabe zur Begleitung struktureller Veränderungen land-
wirtschaftlicher Betriebe, zur Bereitstellung von Um-
weltleistungen wie auch zur Entwicklung ländlicher
Räume zu. Auf dieser Linie wird die Bundesregierung
die Verhandlungen zur Weiterentwicklung der GAP nach
2013 führen. Wie sich das Verhandlungsergebnis gestal-
tet, kann zum derzeitigen Zeitpunkt noch nicht abge-
schätzt werden.
Anlage 76
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Dr. Gerd Müller auf die Frage
des Abgeordneten Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN) (Drucksache 17/6994, Frage 114):
Durch welche neuen Maßnahmen will die Bundesregie-
rung im Zuge der anstehenden Reform der Gemeinsamen
Agrarpolitik den Verlust der Artenvielfalt in der Agrarland-
schaft stoppen, und warum lehnt die Bundesregierung vor die-
sem Hintergrund die Vorschläge der EU-Kommission zum
Greening der ersten Säule der GAP ab?
Die Bundesregierung teilt die Zielsetzung der Kom-
mission, Umweltziele verstärkt im Rahmen der Gemein-
samen Agrarpolitik, GAP, zu berücksichtigen. Dafür
sollten Maßnahmen entwickelt werden, die tatsächlich in
effizienter Weise zu einem höheren Umweltbeitrag der
GAP führen, ohne im Gesamtsystem zusätzlichen Büro-
kratieaufwand zu verursachen. In diesem Rahmen muss
die GAP auch einen Beitrag zum Erhalt der Biodiversität
leisten.
Die Bundesregierung wird erst dann Vorschläge der
EU-Kommission beurteilen, wenn diese vorliegen.
Anlage 77
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Dr. Gerd Müller auf die Fragen
des Abgeordneten Friedrich Ostendorff (BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/6994, Fragen
115 und 116):
Gegen welche Vorschläge der EU-Kommission zur Re-
form der Gemeinsamen Agrarpolitik versucht die Bundesre-
gierung derzeit eine „Phalanx“ mit anderen Mitgliedstaaten zu
bilden, wie in der Frankfurter Rundschau vom 14. September
2011 mit Bezug auf Regierungskreise gemeldet wurde?
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 126. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 21. September 2011 14971
(A) (C)
(D)(B)
Warum lehnt die Bundesministerin für Ernährung, Land-
wirtschaft und Verbraucherschutz, Ilse Aigner, die Begren-
zung von Monokulturen, unter anderem bei Mais, durch die
von der EU-Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen zum
sogenannten Greening der Gemeinsamen Agrarpolitik wie
etwa die Bindung der Direktzahlungen an die Einhaltung ei-
ner mindestens dreigliedrigen Fruchtfolge ab, obwohl auch
die Bundeskanzlerin, Dr. Angela Merkel, vor dem Deutschen
Bauerntag 2011 wörtlich erklärt hat: „Nur noch Maisfelder,
nur noch Rapsfelder – das kann und darf es nicht geben“?
Nach Kenntnis der Bundesregierung sollen die Legis-
lativvorschläge der Europäischen Kommission für die
Gemeinsame Agrarpolitik nach 2013 am 12. Oktober
diesen Jahres vorgelegt werden. Die Bundesregierung
wird die Vorschläge dann prüfen und eine detaillierte Po-
sition erarbeiten. Bis dahin hält die Bundesregierung es
nicht für angebracht, zu den sich noch im kommissions-
internen Abstimmungsverfahren befindenden Entwürfen
Stellung zu nehmen.
Die Bundesregierung hat ihre grundsätzlichen Über-
legungen in ihrem Positionspapier vom 31. März 2010
zur Weiterentwicklung der Gemeinsamen Agrarpolitik
sowie in ihrer Stellungnahme vom 28. Januar 2011 zur
Mitteilung der Europäischen Kommission „Die GAP bis
2020: Nahrungsmittel, natürliche Ressourcen und länd-
liche Gebiete – die künftigen Herausforderungen“ vom
18. November 2010 dargelegt. Sie sind auch die Basis
von Gesprächen mit anderen Mitgliedstaaten.
Anlage 78
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Dr. Gerd Müller auf die Frage
der Abgeordneten Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN) (Drucksache 17/6994, Frage 117):
Wie will die Bundesregierung angesichts ihrer Ablehnung
einer Deckelung oder degressiven Ausgestaltung der Direkt-
zahlungen verhindern, dass das System der Direktzahlungen
aufgrund zahlreicher nichtlandwirtschaftlicher Großempfän-
ger weiter an gesellschaftlichem Rückhalt verliert?
Eine Deckelung oder degressive Ausgestaltung der
Direktzahlungen ist nicht geeignet, um einer eventuellen
Kritik wegen der Gewährung von Direktzahlungen an
„nichtlandwirtschaftliche Großempfänger“ zu begegnen.
Bei der Deckelung oder degressiven Ausgestaltung der
Direktzahlungen erfolgt die Kürzung in Abhängigkeit
von der Höhe der betrieblichen Direktzahlungen und
nicht nach Kriterien, die am Betriebsinhaber anknüpfen.
Insofern ist eine Deckelung oder degressive Ausgestal-
tung der Direktzahlungen kein angemessenes Instru-
ment, um gezielt Zahlungen an „nichtlandwirtschaftliche
Großempfänger“ zu vermeiden.
Anlage 79
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Dr. Gerd Müller auf die Frage
der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE)
(Drucksache 17/6994, Frage 118):
Welche Rückschlüsse zieht die Bundesregierung aus der
Einführung von Gutschriften für australische Agrarbetriebe,
die Methan- oder CO2-Emissionen vermeiden, und was
spricht aus Sicht der Bundesregierung für bzw. gegen ein sol-
ches klimapolitisches Instrument für die EU-Landwirtschaft?
Das australische Parlament beschloss erst am 23. Au-
gust 2011 ein Gesetzespaket zur Einbeziehung der Land-
wirtschaft in den innerstaatlichen Emissionshandel. Es
bleibt daher abzuwarten, welche Erfahrungen die Land-
wirte in Australien mit den neuen Regelungen machen,
welche Wirkungen für den Klimaschutz das Gesetzespa-
ket erbringt und wie die wirtschaftlichen Auswirkungen
zu beurteilen sind.
Gleichwohl können die australischen Regelungen
nicht ohne Weiteres auf Deutschland übertragen werden,
da Deutschland in das europäische Emissionshandels-
system eingebunden ist. Änderungen hierzu können da-
her nur auf europäischer Ebene erfolgen. Die Landwirt-
schaft gehört zu den Sektoren und Bereichen, die derzeit
nicht dem Emissionshandel unterworfen sind. Ein Grund
hierfür ist, dass die Erfassung von Emissionen mit hin-
reichender Genauigkeit auf betrieblicher Ebene derzeit
nicht mit vertretbaren Kosten vereinbar ist.
Anlage 80
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Dr. Gerd Müller auf die Frage
der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE)
(Drucksache 17/6994, Frage 119):
Welche Rückschlüsse zieht die Bundesregierung aus dem
vom Freistaat Bayern aufgelegten Programm für den einhei-
mischen Anbau von Eiweißfutterpflanzen als Maßnahme ge-
gen die aktuell große Abhängigkeit der einheimischen Tier-
haltungsbetriebe von Futtermittelimporten aus Südamerika,
und welche Maßnahmen ergreift die Bundesregierung ihrer-
seits zur Erhöhung des einheimischen Anbaus von Eiweißfut-
terpflanzen?
Zwischen 1990 und 2010 förderte die Bundesregie-
rung die Entwicklung der heimischen Körnerlegumino-
sen Ackerbohnen, Erbsen und Lupinen mit insgesamt
rund 20 Millionen Euro. Trotz der erheblichen öffentli-
chen Förderung konnte der Wettbewerbsunterschied von
Körnerleguminosen zu anderen landwirtschaftlichen
Kulturen nicht völlig abgebaut werden.
Im Jahre 2009 hat BMELV erneut seine Aktivitäten im
Eiweißpflanzenbereich intensiviert. Nach einer Reihe
von klärenden Fachgesprächen im Julius-Kühn-Institut in
Braunschweig und zuletzt einem Fachforum der Deut-
schen Forschungsallianz, DAFA, sowie zahlreichen Fach-
gesprächen auf Bundes- und Länderebene hat BMELV
seine FuE-Fördermittel in diesem Bereich weiter ver-
stärkt. Die bundesdeutsche und die bayerische Initiative
zur Förderung des Anbaus von Eiweißpflanzen ergänzen
sich somit.
Anlage 81
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage
der Abgeordneten Ulla Jelpke (DIE LINKE) (Drucksa-
che 17/6994, Frage 120):
Welche Überlegungen hat die Bundesregierung dahin ge-
hend angestellt, dass der Sinn der in den Richtlinien für die
14972 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 126. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 21. September 2011
(A) (C)
(D)(B)
Durchführung der Informationsarbeit geregelten Zugangsbe-
schränkung für Waffen bei Minderjährigen darin besteht, die-
sen weder Waffensysteme noch Waffen als Spielzeug zu prä-
sentieren, um sie nicht an den Gebrauch tödlicher,
kriegerischer Gewalt zu gewöhnen, und dass diese Absicht
konterkariert wird, wenn nun ausdrücklich geregelt ist, dass
Kinder Zugang zu Panzern, Kriegsflugzeugen und anderen
Großsystemen haben?
Die Bundesregierung weist entschieden zurück, dass
die Bundeswehr Waffen und Großgerät als Spielzeug
präsentiert.
Jugendliche hatten, so zum Beispiel bei Tagen der of-
fenen Tür, schon zuvor Zugang zu Schiffen, Flugzeugen
sowie nichthandelsüblichen Fahrzeugen der Bundes-
wehr. Im Rahmen einer Ergänzung der Bestimmungen
der Richtlinie zur Durchführung der Informationsarbeit
der Bundeswehr wurde die Mitfahrgelegenheit von Ju-
gendlichen ab dem 14. Lebensjahr in nichthandelsübli-
chen Fahrzeugen der Bundeswehr – im Beisein oder bei
Vorliegen einer Erlaubnis der Sorgeberechtigten – zur
Darstellung der Ausrüstung und Leistungsfähigkeit der
Streitkräfte erlaubt.
Der in der Richtlinie für die Durchführung der Infor-
mationsarbeit der Bundeswehr enthaltene Begriff „Waf-
fensystem“ führte zu Rückfragen aus der Truppe, wie
dieser zu interpretieren sei, da damit auch Großgerät der
Bundeswehr wie zum Beispiel Flugzeuge oder Schiffe
bezeichnet werden, die von dieser Regelung aber nicht
betroffen sind. Eine Anpassung erfolgte zur Klarstellung
des Begriffs „Waffensystem“, um Handlungssicherheit
für die Truppe bei öffentlichen Veranstaltungen herzu-
stellen.
Anlage 82
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Fra-
gen des Abgeordneten Paul Schäfer (Köln) (DIE
LINKE) (Drucksache 17/6994, Fragen 121 und 122):
Aufgrund welcher Überlegungen hat das Bundesministe-
rium der Verteidigung am 16. Februar 2011 die Richtlinie zur
Durchführung der Informationsarbeit der Bundeswehr dahin
gehend geändert, dass Kindern und Jugendlichen im Rahmen
öffentlicher Veranstaltungen der Zugang zu Schiffen, Flug-
zeugen sowie nichthandelsüblichen Fahrzeugen der Bundes-
wehr in Zukunft erlaubt wird?
Warum bezieht sich das Bundesministerium der Verteidi-
gung in der aktuellen Fassung der Richtlinie zur Durchfüh-
rung der Informationsarbeit der Bundeswehr bei der Regelung
des Zugangs von Minderjährigen zu Waffen nur auf Waffen
im Sinne des Waffengesetzes und nicht auch auf Waffen im
Sinne des Kriegswaffenkontrollgesetzes bzw. der Kriegswaf-
fenliste Teil B?
Zu Frage 121:
Jugendliche hatten, so zum Beispiel bei Tagen der of-
fenen Tür, schon zuvor Zugang zu Schiffen, Flugzeugen
sowie nicht handelsüblichen Fahrzeugen der Bundes-
wehr. Im Rahmen einer Ergänzung der Bestimmungen
der Richtlinie zur Durchführung der Informationsarbeit
der Bundeswehr wurde die Mitfahrgelegenheit von Ju-
gendlichen ab dem 14. Lebensjahr in nicht handelsübli-
chen Fahrzeugen der Bundeswehr – im Beisein oder bei
Vorliegen einer Erlaubnis der Sorgeberechtigten – zur
Darstellung der Ausrüstung und Leistungsfähigkeit der
Streitkräfte erlaubt.
Der in der Richtlinie für die Durchführung der Infor-
mationsarbeit der Bundeswehr enthaltene Begriff „Waf-
fensystem“ führte zu Rückfragen aus der Truppe, wie
dieser zu interpretieren sei, da damit auch Großgerät der
Bundeswehr wie zum Beispiel Flugzeuge oder Schiffe
bezeichnet werden, die von dieser Regelung aber nicht
betroffen sind. Eine Anpassung erfolgte zur Klarstellung
des Begriffs „Waffensystem“, um Handlungssicherheit
für die Truppe bei öffentlichen Veranstaltungen herzu-
stellen.
Zu Frage 122:
Das Verbot zum Umgang von Personen unter 18 Jah-
ren mit Waffen trägt den Bestimmungen des Waffen-
rechts Rechnung, das für Waffen, die nicht dem Kriegs-
waffenkontrollgesetz unterfallen, Entsprechendes regelt.
Waffen im Sinne anderer Definitionen, nämlich Kriegs-
schiffe oder mit Waffensystemen ausgestattete Fahr-
zeuge, sind vom Waffengesetz nicht betroffen.
Anlage 83
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage
des Abgeordneten Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE)
(Drucksache 17/6994, Frage 123):
Hat Deutschland bzw. haben Bundeswehreinheiten seit
2001 Gefangene, die von deutschen ISAF-Soldaten in Afgha-
nistan gemacht wurden, an Haftanstalten oder Internierungsla-
ger der afghanischen Sicherheitskräfte überstellt, von denen
in jüngster Zeit – dpa-Meldung vom 6. September 2011 –
nach einem BBC-Bericht bekannt wurde, dass in ihnen Folter-
praktiken angewandt werden, die in einem nach diesem BBC-
Bericht „noch unveröffentlichten“ UNAMA-Bericht „alltäg-
lich und systematisch“ genannt wurden?
Die angekündigte Veröffentlichung des UNAMA-Be-
richts zu Menschenrechtsverletzungen in afghanischen
Hafteinrichtungen ist bisher nicht erfolgt. Eine abschlie-
ßende Bewertung ist vor der Veröffentlichung nicht
möglich. Erst nach der Veröffentlichung werden sowohl
die afghanischen Behörden wie auch die ISAF-Führung
den darin enthaltenen Feststellungen im Einzelnen nach-
gehen können. Schon jetzt hat die ISAF-Führung im
Vorgriff auf den Bericht mit einer Einschränkung der
Übergabe von Gewahrsamspersonen an afghanische
Stellen reagiert.
Zu den Fragen, welche Haftanstalten letztlich in dem
Bericht genannt werden, welche Vorwürfe sich im Ein-
zelnen an die zuständigen afghanischen Behörden rich-
ten und welche Schlussfolgerungen daraus auch für das
Regionalkommando Nord zu ziehen sind, können heute
noch keine abschließenden Antworten gegeben werden.
Wie schon mehrfach gegenüber dem Bundestag dar-
gelegt, ist der Informationsstand über die vor April 2007
durch das Deutsche Einsatzkontingent ISAF in Gewahr-
sam genommenen Personen lückenhaft. Nach Durch-
sicht der vorliegenden Dokumente ist davon auszuge-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 126. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 21. September 2011 14973
(A) (C)
(D)(B)
hen, dass diese Personen noch vor Ort an die
afghanischen Sicherheitskräfte übergeben wurden. Seit
April 2007 kam es vor dem Hintergrund der geltenden
Weisungslage nicht mehr zu Ingewahrsamnahmen durch
deutsche ISAF-Kräfte.
Gemäß geltender Weisungslage nehmen Soldatinnen
oder Soldaten des Deutschen Einsatzkontingents ISAF
Personen zur Auftragserfüllung nur in Gewahrsam,
wenn die Ingewahrsamnahme nicht durch begleitende
oder durch kurzfristig zuziehbare zuständige afghani-
sche Stellen möglich ist. Eine Übergabe von durch deut-
sche Soldatinnen oder Soldaten in Gewahrsam genom-
menen Personen an afghanische Behörden kommt nur in
Betracht, wenn Garantien der afghanischen Seite für die
Gewährleistung einer menschenrechtskonformen Be-
handlung vorliegen.
Anlage 84
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Dr. Hermann Kues auf die
Frage der Abgeordneten Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/6994, Frage 124):
Wie steht die Bundesregierung zu den verdeckten Anru-
fen, die das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen
und Jugend im Zusammenhang mit der Einführung des Bun-
desfreiwilligendienstes getätigt hat, um zu kontrollieren, in
welcher Form Träger und Verbände den Bundesfreiwilligen-
dienst bewerben, und spiegelt diese verdeckte Form der Er-
kenntnisgewinnung das neue Geschäftsgebaren der Bundesre-
gierung wider?
Die Doppelstrategie der Bundesregierung, die beste-
henden Jugendfreiwilligendienste Freiwilliges Soziales
Jahr, FSJ, und Freiwilliges Ökologisches Jahr, FÖJ, aus-
zubauen und durch den Bundesfreiwilligendienst, BFD,
neue Engagementmöglichkeiten zu schaffen, hat sich be-
währt.
Die aktuellen Entwicklungen zeigen: Während die be-
reits zu Anfang des Jahres auf über 29 000 erhöhte Zahl
der geförderten Plätze im FSJ/FÖJ weiter steigt, konnten
im Bundesfreiwilligendienst in den ersten zehn Wochen
seit Bestehen dieses neuen Angebotes schon über
14 000 Verträge abgeschlossen werden. Diese positive
Entwicklung ist nicht zuletzt auch der Bundesarbeitsge-
meinschaft der freien Wohlfahrtspflege, BAG FW, zu ver-
danken.
Anfängliche Schwierigkeiten konnten so erfolgreich
überwunden werden. Dazu gehörte auch, dass das
BMFSFJ im Rahmen seiner Aufgaben Beschwerden und
Eingaben von abgelehnten Interessentinnen und Interes-
senten am Bundesfreiwilligendienst prüfte und diesen
Hinweisen in der gebotenen Sorgfalt nachging.
Anfang August 2011 schloss das Bundesfamilienmi-
nisterium deshalb mit der BAG FW eine Vereinbarung
ab, die es jeder Interessierten und jedem Interessierten
ermöglichen soll, einen FreiwiIligenplatz zu bekommen.
Die in der Bundesarbeitsgemeinschaft der freien
Wohlfahrtspflege zusammengeschlossenen Wohlfahrts-
verbände betonen in dieser mit dem BMFSFJ abge-
schlossenen Vereinbarung ausdrücklich, dass die Bun-
desregierung ihre Zusagen eingehalten hat und einhält.
Das Ziel einer gleichmäßigen Entwicklung beider
Freiwilligenformate rückt – angesichts der vorgenannten
Zahlen – nunmehr in greifbare Nähe. Ich bin daher zu-
versichtlich, dass der positive Trend anhält, nachdem
alle Probleme mit den Trägern und Verbänden geklärt
werden konnten.
Anlage 85
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Dr. Hermann Kues auf die
Frage der Abgeordneten Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/6994, Frage 125):
Dürfen nach Auffassung der Bundesregierung die Träger
und Verbände interessierte Freiwillige nicht darauf aufmerk-
sam machen, dass im Bundesfreiwilligendienst der Anspruch
auf Kindergeld zwar im Rahmen des Beitreibungsrichtlinie-
Umsetzungsgesetzes geregelt werden soll, dass dieses Gesetz
aber noch nicht durch den Deutschen Bundestag verabschie-
det ist und es damit derzeit einen faktischen Unterschied zwi-
schen den verschiedenen Freiwilligendiensten gibt?
Der jetzige Gesetzentwurf des Beitreibungsrichtlini-
engesetzes sieht die Gewährung eines Kindergeldes als
neuen Tatbestand im Katalog des § 32 Abs. 4 Satz 1
Nr. 2 Buchstabe d EStG bzw. § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2
Buchstabe d BKGG vor. Diese Regelung wird rückwir-
kend für das Jahr 2011 zur Anwendung kommen.
Um eine kindergeldrechtliche Begünstigung entspre-
chender Fälle gewährleisten zu können, hat das Bundes-
zentralamt für Steuern mit Einzelweisung vom 24. Juni
2011 die Familienkassen angewiesen, offene Kindergeld-
anträge von der Bearbeitung zurückzustellen, bis das
parlamentarische Verfahren zum Gesetz zur Umsetzung
der Beitreibungsrichtlinie sowie zur Änderung steuerli-
cher Vorschriften abgeschlossen ist – Anmerkung: nach
derzeitigem Planungsstand: 4. November 2011.
Unabhängig hiervon kann jedoch in bestimmten Fäl-
len ein Anspruch auf Kindergeld bestehen, wenn sich ein
über 18 Jahre altes Kind bei der Bundesagentur für Ar-
beit, BA, arbeitslos gemeldet hat – Altersgrenze: Vollen-
dung des 21. Lebensjahres –, ein über 18 Jahre altes
Kind – Altersgrenze: Vollendung des 25. Lebensjahres –
ausbildungswillig ist, aber eine Ausbildung oder ein Stu-
dium mangels Ausbildungs- oder Studienplatz nicht be-
ginnen kann. Das Kind muss sich ernsthaft um einen
Ausbildungsplatz bemühen und dies auch entsprechend
nachweisen können – zum Beispiel durch die Anmel-
dung als Bewerber in der Berufsberatung der BA, durch
Bewerbungen um Ausbildungsplätze, Bewerbung um
Studienplatz oder Ähnliches.
Da dies häufig den Trägern und Verbänden nicht be-
kannt ist, sollte eine entsprechende Beratung der Kinder-
geldberechtigten durch die zuständigen Familienkassen
erfolgen.
14974 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 126. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 21. September 2011
(A) (C)
(D)(B)
Anlage 86
Antwort
der Parl. Staatssekretärin Ulrike Flach auf die Frage des
Abgeordneten Steffen-Claudio Lemme (SPD) (Druck-
sache 17/6994, Frage 126):
Aus welchem Grund hält die Bundesregierung das ihr be-
reits vorliegende Gutachten des gemeinsamen Wissenschaftli-
chen Beirates zum morbiditätsorientierten Risikostrukturaus-
gleich zurück, und wann ist mit einer Veröffentlichung seitens
der Bundesregierung zu rechnen?
Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesversiche-
rungsamt hat der Fachebene des Bundesministeriums für
Gesundheit den ersten Entwurf einer Endfassung des
Evaluationsberichts zum Jahresausgleich 2009 im Mai
2011 übermittelt. Dieser Entwurf wurde auf der Fach-
ebene detailliert überprüft.
Die Endfassung des Berichts wurde am Montag zum
ersten Mal von den Koalitionspartnern beraten und wird
in den nächsten Tagen veröffentlicht.
Anlage 87
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Antrags: Mehr Bewegungs-
freiheit für Asylsuchende und Geduldete (Ta-
gesordnungspunkt 9)
Michael Frieser (CDU/CSU): Ich bin schon etwas
verwundert, heute zu diesem Antrag der SPD sprechen
zu müssen; denn wir haben doch in diesem Jahr bereits
die aufenthaltsrechtlichen und asylrechtlichen Vorschrif-
ten geändert und mehr Bewegungsfreiheit für Asyl-
suchende und Geduldete hergestellt: Mit dem Gesetzent-
wurf 17/4401 wurde im März die Möglichkeit einer
Ausnahme von der räumlichen Beschränkung in Fällen
der Ausübung einer Beschäftigung, des Schulbesuchs,
der Ausbildung und des Studiums geschaffen. Dies alles
gegen die Stimmen der Grünen, der Linken, vor allem
aber auch gegen die Stimmen derselben SPD, die heute
erneut einen Antrag zu diesem Thema eingebracht hat.
Wenn ich Ihren heutigen Antrag lese, frage ich mich,
warum Sie nicht damals unserem Antrag zugestimmt ha-
ben. Wenn es Ihnen wirklich um Verbesserungen für die
in Deutschland Asyl Suchenden und Geduldeten ginge,
dann hätten Sie damals unserem Antrag zustimmen müs-
sen. Stattdessen gehen Sie nun mit dem von Ihnen vorge-
legten eigenen Antrag, die Residenzpflicht gänzlich auf-
zuheben, fast schon provokativ noch einmal ein ganzes
Stück über die gerade neu geschaffenen Regelungen hi-
naus.
Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers gibt es für
die räumlichen Beschränkungen, die den Geduldeten
und den Asylbewerbern auferlegt werden, gute Gründe:
Asylbewerber haben während des Verfahrens Anspruch
auf Verbleib in der Bundesrepublik Deutschland. Grund-
sätzlich und in der Hauptsache sollen sie die Entschei-
dung über ihre Anträge abwarten und sich nicht unmit-
telbar nach ihrer Ankunft in Deutschland überall
niederlassen und vor allem umziehen können. Residenz-
pflicht und räumliche Beschränkungen sollen primär ge-
währleisten, dass die Asylbewerber und die Geduldeten
jederzeit für die Zustellung und Umsetzung asylrechtli-
cher Entscheidungen erreichbar sind. Auch ist es nicht
so, dass in Deutschland durch diese Regelung zu enge
räumliche Einschränkungen verfügt werden. Es ist nicht
so, dass den Menschen nur engste Räume zur Verfügung
stehen, innerhalb derer sie überhaupt keine Möglichkeit
haben, von Ort zu Ort zu wechseln, Beschäftigungen
nachzugehen oder schulische Bildung zu erlangen. Das
Bundesverfassungsgericht hat sich in der Vergangenheit
mehrfach mit der Residenzregelung auseinandergesetzt
und stets festgestellt, dass die Residenzregelung keinen
Verstoß gegen unsere Rechtsordnung darstellt und der
Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ist eben-
falls dieser Sicht gefolgt.
Dass eine restriktive Auslegung der Residenzpflicht
gerade bei oftmals überlangen Asylverfahren der Inte-
gration nicht dienlich ist, das hat auch Schwarz-Gelb
verstanden und deshalb die Vorschriften geändert. Die
Aufenthaltsbeschränkungen wurden zur Ausübung einer
Beschäftigung, des Schulbesuchs, einer Ausbildung oder
eines Studiums gelockert. Hierdurch haben wir nicht nur
den Zugang zum Arbeitsmarkt und zu den Bildungsein-
richtungen erleichtert, sondern auch die Möglichkeiten
zur Integration verbessert.
Ich halte die Residenzpflicht in ihrem Kern noch im-
mer für eine sinnvolle Regelung, auf die ich ungern
gänzlich verzichten würde: Es geht um Menschen, deren
Erlaubnis zum Aufenthalt in Deutschland noch unsicher
ist – und in vielen Fällen abgelehnt wird. Wenn diese
Menschen sich völlig grenzenlos bewegen und nieder-
lassen dürften, bestünde durchaus die Gefahr, dass ei-
nige Bewerber das Ende Ihres Asylverfahrens nicht ab-
warten, sondern versuchen werden, sich dem Zugriff des
Staates durch ständigen Umzug, keine Bekanntgabe der
neuen Adresse etc. zu entziehen.
Ich halte viel eher einen anderen Punkt für entschei-
dend: Wir müssen es schaffen, die Asylverfahren schnel-
ler durchzuführen. Wir dürfen es uns aus integrations-
politischer Sicht nicht erlauben, dass Asylsuchende im
Jahre 2009 im Schnitt 8,1 Monate auf die materielle Ent-
scheidung in der Sache warten mussten. Entweder neh-
men wir die Menschen nach der Entscheidung über den
Asylantrag auf – dann müssen wir aber auch sofort un-
sere Integrationsbemühungen verstärken – oder aber wir
setzen, wenn der Antrag abgelehnt wurde, diese Ent-
scheidung auch zügig um. Im Ergebnis muss es doch vor
allem darum gehen, den Menschen, die zu uns kommen,
möglichst schnell eine klare Perspektive und bei einem
erfolgreichen Antrag auch eine Zukunft zu geben und sie
nicht so lange wie bisher im Unklaren zu lassen.
Zurück zu diesem Antrag der SPD: Wenn wir die Re-
sidenzpflicht vollumfänglich aufheben würden, bestünde
die Gefahr, dass sich die Asylbewerber und die Gedulde-
ten in Deutschland schneller fest einrichten, ein Bereit-
stehen für Entscheidungen über ihre Anträge verzögert
und mit weiterem unnötigen Verwaltungsaufwand ver-
bunden wäre und es auch für diese selbst im Falle einer
Ablehnung des Asylantrages weitaus belastender würde,
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 126. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 21. September 2011 14975
(A) (C)
(D)(B)
Deutschland wieder verlassen zu müssen. Die Residenz-
regelung ist deshalb, auch aus dem Verständnis für die
schwierige Situation der Betroffenen heraus, eine Rege-
lung, die im Interesse der Asylbewerber selbst liegt.
Helmut Brandt (CDU/CSU): Die Debatte zur Ab-
schaffung der Residenzpflicht flammt sowohl im Bund
als auch in den Ländern immer wieder auf, hier im Bun-
destag zuletzt im Zuge der Debatte um Zwangsverheira-
tungen. Aber ich sage es Ihnen ganz offen: Wir wollen
keine komplette Abschaffung der Residenzpflicht. Ich
will Ihnen auch sagen warum: Für die Residenzpflicht
nach § 56 Asylverfahrensgesetz und § 61 Abs. 1 Aufent-
haltsgesetz, das heißt dafür, dass das Aufenthaltsrecht
nur beschränkt ausgeübt werden darf, gibt es gute rechts-
politische Gründe.
Bei vollziehbar Ausreisepflichtigen, also den gedul-
deten Ausländern, liegt die Notwendigkeit einer räumli-
chen Beschränkung auf der Hand: Die für diesen Perso-
nenkreis zuständige Ausländerbehörde muss in der Lage
sein, die Ausreisepflicht zu überwachen und durchzuset-
zen. Ein Ortswechsel hätte im Übrigen auch zur Folge,
dass der Geduldete hierdurch in den Zuständigkeitsbe-
reich einer anderen Ausländerbehörde käme und da-
durch ein erheblicher zeitlicher und personeller Mehr-
aufwand bei der Überwachung und Durchsetzung der
Ausreisepflicht entstünde.
Die Intention der Residenzpflicht nach § 56 Asylver-
fahrensgesetz – schnelle Erreichbarkeit im Asylverfah-
ren, Aufteilung über das Land und die bessere öffentli-
che Verteilung der Lasten – ist ebenfalls durchaus
gerechtfertigt. Genau deshalb hat das Bundesverfas-
sungsgericht bereits mehrfach entschieden, dass die ge-
setzlich angeordnete und vorgesehene räumliche Be-
schränkung weder gegen die Grundrechte auf Freiheit
der Person und auf freie Entfaltung der Persönlichkeit
noch gegen das Grundrecht auf Asyl verstößt. Insbeson-
dere, so das Bundesverfassungsgericht, lässt sie den not-
wendigen Abschiebungsschutz unberührt, gewährleistet
die Möglichkeit der personalen Durchsetzung des
Asylanspruchs und ist nicht unverhältnismäßig.
Ich denke, dass sich die große Mehrzahl derjenigen,
die sich auf ein Asylrecht berufen, rechtsstaatlich ver-
hält. Es gibt aber auch eine Realität, an der wir nicht vor-
beikommen, nämlich des Missbrauchs von Sozialleis-
tungen, von Schleusungen und anderem.
Um dies zu verhindern, müssen wir unseren Behörden
die Möglichkeit einer Kontrolle geben. Für mich haben
sich deshalb die Vorschriften zur Residenzpflicht be-
währt. Sie ist meiner Meinung nach schlicht notwendig.
Richtig ist, dass die Aufenthaltsbeschränkung eine
gewisse Härte darstellen kann, besonders dann, wenn die
Unterbringung im ländlichen Raum erfolgt. Selbstver-
ständlich sehen auch wir die Problematik, die sich aus
einer strikten Anwendung der Residenzpflicht ergeben
kann.
Aber: Dafür gibt es Ausnahmen von der Residenz-
pflicht.
§ 56 Asylverfahrensgesetz beschränkt das Aufent-
haltsrecht eines Asylbewerbers räumlich auf den Bezirk
der Ausländerbehörde, dem er zugewiesen ist. In § 58
desselben Gesetzes wird aber auch geregelt, unter wel-
chen Voraussetzungen die Ausländerbehörde einem
Ausländer die Erlaubnis zum vorübergehenden Verlas-
sen des gesetzlich zugewiesenen Aufenthaltsbereichs er-
teilen kann oder erteilen muss. So ist die Erlaubnis zu er-
teilen, wenn hieran ein dringendes öffentliches Interesse
besteht, zwingende Gründe es erfordern oder die Versa-
gung eine unbillige Härte bedeuten würde.
Falls diese besonderen Voraussetzungen nicht vorlie-
gen, kann die Ausländerbehörde die Erlaubnis dennoch
nach pflichtgemäßem Ermessen erteilen; es gibt also ei-
nen Handlungsspielraum, zum Beispiel, wenn der Asyl-
bewerber im Bereich einer anderen Ausländerbehörde
eine Arbeitsstelle hat, wenn er als Mitglied einer Sport-
mannschaft, Musikkapelle oder Hilfsorganisation an
Veranstaltungen des Vereins bzw. der Organisation au-
ßerhalb des zugewiesenen Bereichs teilnehmen möchte
oder wenn er aus einem besonderen Anlass – Hochzeit,
Tod, besondere Geburtstage – nahe Verwandte, die sich
im Bundesgebiet außerhalb des ihm zugewiesenen Auf-
enthaltsbereichs aufhalten, besuchen möchte.
Nach meiner Kenntnis haben die meisten Bundeslän-
der ihre Behörden angewiesen, mit den Ausnahmetatbe-
ständen sehr großzügig umzugehen, und sie aufgefor-
dert, von ihrem Handlungsspielraum nach Möglichkeit
auch weitestgehend Gebrauch zu machen. Es gibt also
entsprechende Regelungen, um Härtefälle zu vermeiden.
Nach § 58 Abs. 6 des Gesetzes kann die Landesregie-
rung zudem durch Rechtsverordnung bestimmen, dass
sich Ausländer auch ohne Erlaubnis vorübergehend in
einem mehrere Ausländerbehörden umfassenden Gebiet
aufhalten können. Von dieser Möglichkeit haben bereits
einige Bundesländer Gebrauch gemacht. Schleswig-Hol-
stein, Sachsen, Berlin, Brandenburg haben bereits die
Bewegungsfreiheit von Ausländern ausgeweitet. Baden-
Württemberg und Rheinland-Pfalz wollen diesem Bei-
spiel folgen oder sind ihm bereits gefolgt.
Und nicht zuletzt möchte ich Sie daran erinnern, dass
wir die Residenzpflicht bereits im Rahmen des Gesetzes
zur Bekämpfung der Zwangsheirat und zum besseren
Schutz der Opfer von Zwangsverheiratung sowie zur
Änderung weiterer aufenthalts- und asylrechtlicher Vor-
schriften für Geduldete und Asylbewerber gelockert ha-
ben, um ihnen die Aufnahme einer Beschäftigung, Aus-
bildung oder eines Studiums zu erleichtern. Damit sind
wir bereits weit über den Koalitionsvertrag hinausgegan-
gen. Wir haben nämlich nicht nur eine hinreichende Mo-
bilität hinsichtlich einer Arbeitsaufnahme geschaffen, so
wie es der Koalitionsvertrag vorsieht, sondern wir haben
auch die Mobilität zum Zwecke eines Schulbesuches
oder einer Ausbildung sichergestellt. Sie selbst sprechen
in Ihrem Antrag davon, dass abzuwarten bleibe, ob die
grundsätzlich begrüßenswerte beschlossene Soll-Aus-
nahme zugunsten berufstätiger Asylbewerber Verbesse-
rungen bringt. Ich bin vollkommen Ihrer Meinung: War-
ten wir ab.
14976 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 126. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 21. September 2011
(A) (C)
(D)(B)
Zum Schluss lassen Sie mich noch eines sagen: Selbst
wenn wir die Residenzpflicht abschaffen würden, müsste
die Frage der Kostenträgerschaft eindeutig geklärt wer-
den, um finanzielle Ungerechtigkeiten zwischen Flä-
chenländern und Stadtstaaten zu vermeiden. Mit einem
„können verpflichtet werden“, wie es in Ihrem Antrag
heißt, ist dieses Problem nicht zu lösen. Insofern geht Ihr
Antrag neben den Gründen, die ich Ihnen bereits ge-
nannt habe, auch gar nicht weit genug.
Lassen Sie mich zusammenfassen:
Für die hier geltende Regelung gibt es ordnungspoliti-
sche, arbeitsmarktpolitische und sicherheitspolitische
Gründe. Wir halten an dieser Regelung fest, weil sie in
der Praxis notwendig ist.
Zudem haben wir mit der Lockerung der Residenz-
pflicht zum Zwecke der Arbeitsaufnahme, aber auch mit
einem Paket an Maßnahmen im Rahmen des Gesetzes
zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der
Europäischen Union und zur Anpassung nationaler
Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex zahlreiche Er-
leichterungen und Verbesserungen für hier lebende Aus-
länder geschaffen, an die ich an dieser Stelle auch einmal
erinnern möchte.
Wir lehnen deshalb Ihren Antrag ab. Die bestehenden
Regelungen haben sich bewährt.
Rüdiger Veit (SPD): Mit unserer heutigen Initiative
wollen wir das, was beschönigend „Residenzpflicht“ für
Asylsuchende und Geduldete bezeichnet wird, jedenfalls
im Grundsatz abschaffen.
Erstmals durch Gesetz vom 21. Juli 1982 ist in
§ 20 AsylVfG Asylantragsstellern der Aufenthalt auf
den Bezirk der jeweils zuständigen Ausländerbehörde,
also der kreisfreien Stadt oder des Landkreises, be-
schränkt worden. In einer Vielzahl von weiteren Ände-
rungen der Gesetze ist diese Regelung angepasst, verän-
dert und auch im Personenkreis ausgedehnt worden. Sie
bedeutet im Kern aber eben nicht nur die Pflicht, in einer
bestimmten Stadt oder in einem bestimmten Kreis die
Residenz im Sinne des ständigen Aufenthalts zum Woh-
nen zu haben. Sie beinhaltet vielmehr auch das Verbot,
ohne besondere Erlaubnis der Ausländerbehörde ihren
Zuständigkeitsbereich auch nur vorübergehend zu
verlassen, es sei denn, ihnen wurde dies nach einem kos-
tenpflichtigen und verwaltungsaufwendigen Genehmi-
gungsverfahren in Einzelfällen zuvor erlaubt.
Liest man die ursprüngliche Gesetzesbegründung
nach, so ist angesichts steigender Asylbewerberzahlen
mit diesen Regelungen zur Aufenthalts- und Wohnsitz-
beschränkung die Absicht verbunden gewesen, Obdach-
losigkeit oder die Belastung in Grenz- und Notstandsge-
bieten zu vermeiden. Mindestens im Hinterkopf ist
sicher auch von vielen daran gedacht worden, dass man
nach ihren Verfahren abgelehnte Asylbewerber und Ge-
duldete, also vollziehbar Ausreisepflichtige, einfacher
auffinden kann, um sie abschieben zu können. Da das
unerlaubte Verlassen des Bezirks der Ausländerbehörde
aber jedenfalls bei Wiederholungen auch mit Geldstrafe
und sogar mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr bestraft
werden kann, sollen diese Vorschriften dem einen oder
anderen geeignet erscheinen, am Hauptbahnhof einer
Großstadt sich aufhaltende Ausländer, die zum Beispiel
des Drogenhandels oder Taschendiebstahls zwar ver-
dächtig sind, bei denen der Nachweis einer Straftat aber
nicht gelingt, mit eben diesen Vorschriften des Neben-
strafrechtes zu vertreiben bzw. zu bestrafen.
Im Übrigen: Mein Vertrauen in den Wahrheitsgehalt
mancher Quellen im Internet ist zwar beschränkt. Es fin-
det sich dort aber ein Zitat des vormaligen baden-
württembergischen Ministerpräsidenten Lothar Späth,
der Ende der 80er-Jahre gesagt haben soll: „Die Busch-
trommeln sollen schon in Afrika signalisieren: Kommt
nicht nach Baden-Württemberg, dort müsst ihr ins La-
ger.“ Es ist also nicht ganz abwegig, anzunehmen, dass
diese Regelungen auch deutlich abschreckenden und re-
pressiven Charakter haben sollten. Egal welches Motiv
sich dahinter aber verbirgt: Die Regelung hat sich längst
überholt. Sie bedeutet Schikane, örtliche und soziale Iso-
lation und unnötige Kosten für die betroffenen Flücht-
linge und überflüssigen Verwaltungsaufwand für die
Ausländerbehörden.
Richtigerweise haben daher schon einige Bundeslän-
der angeordnet, dass die Erlaubnis zum Aufenthalt auf
ganze Regierungsbezirke bzw. das jeweilige Bundesland
ausgelehnt wird. Es sind dies zum Beispiel Rheinland-
Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Hes-
sen und Mecklenburg-Vorpommern und – sogar länder-
grenzenübergreifend – Berlin und Brandenburg. Wir
sollten daher jetzt auch als Bundesgesetzgeber die Kon-
sequenz ziehen, das Regel-Ausnahme-Verhältnis um-
kehren und auf das notwendige Mindestmaß an Steue-
rung beschränken. Das bedeutet: Asylbewerber und
Geduldete können sich zwar grundsätzlich im ganzen
Bundesgebiet aufhalten, müssen aber in einem bestimm-
ten Bundesland, Landkreis oder sogar in einer bestimm-
ten Gemeinde ihren Wohnsitz nehmen. Diese Wohnort-
zuweisung ist erforderlich, um einen weiterhin gerechten
Ausgleich zwischen den Bundesländern sowie innerhalb
der Bundesländer zwischen den Landkreisen oder Kom-
munen zu gewährleisten. Denn sie sind es, die die So-
zialleistungen tragen, um eine überproportionale Belas-
tung der Ballungszentren zu vermeiden.
Der Vollständigkeit halber will ich aber an dieser
Stelle auch erwähnen, dass wir als SPD-Fraktion in un-
serem Bemühen nicht nachlassen werden, eine vernünf-
tige Altfall- und Bleiberechtsregelung zu finden, um vor
allem in den Fällen langjähriger sogenannter Kettendul-
dungen zu einem Aufenthaltsrecht mit Perspektive zu
kommen. Bis dahin könnte aber eine bessere Bewe-
gungsfreiheit der betreffenden Personen auch leichter
dazu führen, dass sie eine Arbeitsstelle finden und ihre
Familien ernähren, somit Sozialkassen entlasten und
sich selbst die Voraussetzungen für die Inanspruch-
nahme einer Altfallregelung schaffen können. Ich bitte
daher um Zustimmung.
Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP): Die Koalition
aus Union und FDP hat eine neue Integrationspolitik auf
den Weg gebracht. Wir erschließen die Chancen der Zu-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 126. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 21. September 2011 14977
(A) (C)
(D)(B)
wanderung für unser Land besser und stärken den Zu-
sammenhalt unserer durch Zuwanderer bereicherten Ge-
sellschaft. Fördern und Fordern gehört zusammen. Wir
haben die Residenzpflicht für Geduldete und Asylbewer-
ber gelockert, um ihnen die Aufnahme einer Beschäfti-
gung oder Ausbildung zu erleichtern. Damit steigern wir
die Chancen von jungen Migranten, auf dem Arbeits-
markt Fuß zu fassen und sich in unserer Gesellschaft
weiterzuentwickeln. Die christlich-liberale Koalition er-
öffnet so Perspektiven für Menschen, die in unser Land
gekommen sind.
Multikulti-Romantik oder Desintegration durch Weg-
schauen helfen uns nicht weiter. Der Antrag der SPD
hält an der alten Multikulti-Romantik fest und gibt sich
mitleidsvoll. Da wird der Einschränkung der Bewe-
gungsfreiheit als Folge „unerwünschte soziale Isolation“
angehängt.
Das ist absurd. Die Residenzpflicht hilft mit, dass die
Betroffenen sich nicht in wenigen Ballungsräumen bal-
len und ethnisch homogene Milieus bilden können.
Nicht zuletzt der Bildung von Parallelgesellschaften
kann so entgegengesteuert werden.
Wer nach Deutschland mit der Absicht kommt, hier
dauerhaft zu bleiben, möge sich auch hier integrieren –
vor allem am Wohnort! Deshalb tritt genau dann, wenn
die Betreffenden dies tun, auch keine soziale Isolation
auf – weil sie mit den ortsansässigen Deutschen in Kon-
takt treten und keine ethnischen Parallelgesellschaften
bilden. Die im Antrag der SPD befürchtete Isolation tritt
nur auf, wenn die Zuwandernden unter sich bleiben.
Dass gleichwohl Bürgerrechte, zum Beispiel zur rechtli-
chen Vertretung oder auch zur Teilnahme an Bildung,
wahrgenommen werden müssen, ist richtig und notwen-
dig. Hier hat die Koalition auch einiges getan.
Aber dem Wunsch der SPD nach möglichst vielen
von der staatlichen Sozialbürokratie abhängigen Men-
schen entgegenzukommen, hilft den betroffenen Men-
schen langfristig aber nicht.
Zentrales integrationspolitisches Anliegen der FDP
ist das Beherrschen der deutschen Sprache. Menschen,
die Asyl bei uns beantragen, bekunden damit, dass sie in
Deutschland leben wollen. Auch wenn über den Antrag
noch nicht entschieden ist oder sie nach einem abschlä-
gigen Bescheid dennoch hier geduldet werden, müssen
sie ihrer Willensbekundung auch die dazugehörige Tat
folgen lassen und die Integration in die deutsche Gesell-
schaft suchen – und suchen können.
Ethnische Gruppenbildung und Herkunfts-Volkstü-
melei war den politisch fortschrittlichen Kräften in
Deutschland immer verpönt. Es wäre gut, wenn die SPD
in dieser Hinsicht dem Fortschritt treu bleiben würde. Ihr
Antrag ist in seiner Grundphilosophie leider reaktionär.
Die Koalition aus FDP und CDU/CSU geht dagegen
ohne Scheuklappen bestehende Defizite der Integra-
tionspolitik an. Es gilt, die Chancen der Zuwanderung
für unser Land besser zu nutzen. Mit unseren bisherigen
Gesetzesinitiativen wurden in ausgewogener Weise
Maßnahmen zur Förderung der Integration und zur hu-
manitären Besserstellung von Ausländern, die in
Deutschland Hilfe und Schutz suchen, ergriffen. Wir ha-
ben erstmals für minderjährige und heranwachsende ge-
duldete Ausländer ein vom Aufenthaltsrecht der Eltern
unabhängiges Bleiberecht in einem Bundesgesetz ge-
schaffen. Die rot-grüne Koalition hatte das nicht zu-
stande gebracht.
Wir helfen Frauen in Not. Zwangsheirat wird jetzt ex-
plizit als Straftat benannt. Wir haben auch den Opfern
von Zwangsverheiratungen eine Perspektive mit einem
eigenständigen Wiederkehr- bzw. Rückkehrrecht gege-
ben. Jetzt erhalten sie eine Chance, sich zu befreien.
Dem dient auch die Verlängerung der Antragsfrist für die
Aufhebung der Ehe.
Die Ausländerbehörden haben wir verpflichtet, vor
Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis festzustellen,
ob der Pflicht zur ordnungsgemäßen Teilnahme an Inte-
grationskursen nachgekommen wurde. Damit können
die Integrationskurse besser fokussiert und aktive Inte-
grationspolitik gestaltet werden. Das erhöht die Chancen
für Menschen, die nach Deutschland kommen, auch in
Deutschland wirklich anzukommen und sich eine Exis-
tenz aufzubauen.
Die Anträge von Rot-Rot-Grün in den vergangenen
Jahren – und auch der heutige der SPD – dienen dagegen
nur dazu, Zersplitterung unserer Gesellschaft unter dem
Deckmantel scheinbarer Ausländerfreundlichkeit zu för-
dern. Die SPD hat einen klugen Satz in ihren Antrag ge-
schrieben, nämlich, die Wirkung der von CDU/CSU und
FDP als Gesetz beschlossene und in der Tat „begrüßens-
werte … Soll-Ausnahme zugunsten berufstätiger Asyl-
bewerber“ bleibe abzuwarten. – Das hätte die SPD in der
Tat besser getan! Stattdessen praktiziert sie einen haltlo-
sen Aktivismus, um sich an bestimmte, integrations-
feindliche Gruppierungen anzubiedern.
Die Koalition aus CDU/CSU und FDP dagegen ver-
bessert tatkräftig die Integration ausländischer Men-
schen in Deutschland und eröffnet ihnen Chancen, wie
sie unter dem von Rot-Rot-Grün propagierten erniedri-
gendem Mitleidsgestus nie möglich waren.
Wir fördern und fordern! So kommt Deutschland –
und alle, die hier leben wollen – voran. Der Schlüssel für
gesellschaftlichen Zusammenhalt ist erfolgreiche Inte-
gration. Wir stellen die Weichen dafür!
Ulla Jelpke (DIE LINKE): Die SPD-Fraktion legt
hier einen Antrag vor, mit dem die Aufhebung der soge-
nannten Residenzpflicht für Asylsuchende und Gedul-
dete gefordert wird. Dieses Anliegen teilt die Fraktion
Die Linke im Grundsatz, auch wenn es in einzelnen Fra-
gen noch Klärungsbedarf gibt.
Doch zunächst zum derzeitigen Stand. Asylbewerber,
Geduldete und bestimmte Gruppen von Flüchtlingen un-
terliegen der Residenzpflicht. Sie dürfen den ihnen zuge-
wiesenen Landkreis nicht ohne Genehmigung verlassen.
Für diese Verlassenserlaubnis haben die Kommunen in
der Vergangenheit sogar rechtswidrig Gebühren bis zu
10 Euro verlangt – Gebühren, die die Betroffenen von
ihrem Taschengeld in Höhe von 40 Euro bezahlen muss-
ten. Wir erleben derzeit, wie diese Residenzpflicht mehr
14978 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 126. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 21. September 2011
(A) (C)
(D)(B)
und mehr erodiert. In vielen Bundesländern dürfen sich
die Betroffenen zumindest in ihrem jeweiligen Regie-
rungsbezirk bewegen, in Brandenburg und Nordrhein-
Westfalen sogar im gesamten Land. Für Geduldete gilt
ohnehin grundsätzlich Bewegungsfreiheit innerhalb ih-
res Bundeslandes, die bei angeblich fehlender Mitwir-
kung bei Abschiebemaßnahmen allerdings beschränkt
werden kann.
Die Residenzpflicht komplett aufzuheben, ist aus
menschenrechtlicher Sicht schon lange überfällig. Denn
mit der Residenzpflicht wird die Bewegungsfreiheit von
Menschen allein aus Gründen der Verwaltungseffizienz
oder als Sanktionsmittel gegen unliebsame Ausländer
eingeschränkt. Das Bundesverfassungsgericht hat in sei-
nem Urteil zur Festlegung der Hartz-IV-Sätze ausge-
führt, dass Menschen notwendigerweise in sozialen Be-
zügen leben. Dazu gehört auch, Freunde und Verwandte
zu besuchen, ohne dafür um Erlaubnis einer Behörde zu
fragen. Die Residenzpflicht ist ein Eingriff in die Bewe-
gungsfreiheit und die Würde der Betroffenen. Sie ist aus
dem Geist der Abschreckung und des Misstrauens gebo-
ren. Es wird höchste Zeit, diese erniedrigende Maß-
nahme auf den Müllhaufen der Geschichte zu werfen.
Doch zur Bewegungs- und Reisefreiheit gehört nicht
nur die formale Freiheit von Beschränkungen. Dazu ge-
hören auch die materiellen Mittel, diese Bewegungsfrei-
heit überhaupt wahrnehmen zu können. Doch das
kommt im Antrag der SPD gar nicht vor. Freiheitsrechte
sind erst dann verwirklicht, wenn die Individuen sie
auch tatsächlich wahrnehmen können. Für Asylbewerber
und Geduldete gilt aber neben der Residenzpflicht noch
das Asylbewerberleistungsgesetz. Sie erhalten lediglich
60 Prozent der Sozialleistungen, die Empfänger von
Hartz-IV-Leistungen bekommen, die Kinder sogar noch
weniger. Soziale Kontakte zu pflegen, politisch aktiv zu
sein, zu reisen – all das scheitert schon an den fehlenden
Mitteln. Diese Kritik an den Auswirkungen des Asylbe-
werberleistungsgesetzes fehlt im Antrag der SPD voll-
kommen.
Daran schließt sich ein weiterer Kritikpunkt an. Die
SPD will am Prinzip der Verteilung von Asylbewerbern
und Geduldeten auf die Bundesländer und darüber hi-
naus auf die Kommunen festhalten. Das ist in gewisser
Hinsicht konsequent. Schließlich wird auch das Asylbe-
werberleistungsgesetz im Antrag der SPD nicht hinter-
fragt. Damit bleibt es bei der zwangsweisen Verteilung
von Asylsuchenden. Diese lehnen wir ab, weil sie genau
wie die Residenzpflicht zur Entwürdigung und Entrech-
tung von Asylsuchenden führt. Dennoch werden wir den
Antrag der SPD in den weiteren Beratungen unterstüt-
zen.
Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN): Mit der Residenzpflicht gibt es in Deutschland
ein bundesweites und in Europa einzigartiges System der
Aufenthaltsbeschränkung, das tief in die Rechte der Be-
troffenen eingreift. Diese sind nicht nur verpflichtet, ih-
ren Wohnsitz in dem ihnen zugewiesenen Gebiet zu neh-
men. Vielmehr dürfen sie den ihnen zugewiesenen
Aufenthaltsbereich auch nicht verlassen – es sei denn
mit einer behördlichen Verlassenserlaubnis für eine
kurze Zeit.
Schön, dass nun auch die SPD-Fraktion endlich einen
Antrag zur Abschaffung dieser Aufenthaltsbeschränkun-
gen vorgelegt hat! Meine Fraktion und auch die Linken
hatten dies ja bekanntermaßen schon früher getan, aber
besser spät als nie.
Denn diese unnötig restriktive Regelung führt zu ei-
ner erheblichen Einschränkung der Freizügigkeit der Be-
troffenen und oft zu deren weitgehender sozialer Isola-
tion. Freunde und Verwandte können nicht besucht und
kulturelle oder sonstige Angebote in anderen Landkrei-
sen und Städten nicht genutzt werden. Der Zugang zu
rechtlicher und sozialer Beratung und Betreuung im
Asylverfahren, zu Bildungseinrichtungen, zum Arbeits-
markt und zu medizinischer Versorgung werden erheb-
lich erschwert, insbesondere wenn die Betroffenen ent-
sprechend der Verteilungsentscheidung zum Aufenthalt
in kleineren Gemeinden oder im ländlichen Raum ver-
pflichtet sind. Dies führt zu kaum erträglichen Ein-
schränkungen für die Betroffenen.
Diese Einschränkungen sind auch deshalb stark belas-
tend, da die für das Verlassen des Residenzpflichtbezir-
kes notwendige Verlassenserlaubnis in jedem Einzelfall
bei der zuständigen Ausländerbehörde beantragt werden
muss, wobei das Verfahren oftmals mit Gebühren ver-
bunden ist und häufig restriktiv gehandhabt wird. Ver-
schärft wird die Situation noch dadurch, dass der Verstoß
gegen die räumliche Beschränkung mit Freiheitsstrafe
bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe geahndet werden
kann.
Von den Beschränkungen sind derzeit laut Ausländer-
zentralregister circa 40 000 Asylsuchende und mehr als
87 000 Geduldete betroffen, wobei viele der geduldeten
Personen schon seit Jahren und unverschuldet an der
Ausreise gehindert sind.
Einige Bundesländer, darunter Berlin, Brandenburg,
Rheinland-Pfalz, NRW, Schleswig-Holstein, Sachsen-
Anhalt und selbst Bayern, nutzen in jüngster Zeit beste-
hende Spielräume, um die Bewegungsfreiheit von Asyl-
suchenden und Geduldeten auszuweiten; doch sind dies
nur erste kleine Schritte zu mehr Freizügigkeit. Denn die
schwarz-gelbe Koalition will grundsätzlich an der Resi-
denzpflicht festhalten. Zwar wurden im sogenannten
Zwangsheiratsbekämpfungsgesetz von der Koalition
auch minimale Lockerungen der Residenzpflicht im
Falle einer Arbeitsaufnahme beschlossen – dies reicht
aber bei weitem nicht aus!
Es wäre vielmehr eine grundlegende Überprüfung der
gegenwärtig in Deutschland vorgesehenen und prakti-
zierten Beschränkungen der Fortbewegungsfreiheit auch
im Hinblick auf europarechtliche Vorgaben – namentlich
die Flüchtlingsaufnahmerichtlinie – geboten.
Auch wenn in einigen Bundesländern derzeit die Be-
schränkungen der Bewegungsfreiheit von Asylsuchen-
den und Geduldeten gelockert werden, so ist es doch an
der Zeit, die Residenzpflicht bundeseinheitlich und voll-
ständig abzuschaffen.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 126. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 21. September 2011 14979
(A) (C)
(D)(B)
Wir setzen uns weiterhin für eine vollständige Ab-
schaffung der Residenzpflicht für Asylbewerber und die
Aufhebung der Beschränkungen des Aufenthalts von
Geduldeten sowie der damit zusammenhängenden Straf-
und Bußgeldvorschriften ein und unterstützen daher den
Antrag der SPD-Fraktion.
Anlage 88
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung:
– Beschlussempfehlung und Bericht: Den
Staat Palästina anerkennen
– Beschlussempfehlung und Bericht: Den Nah-
ost-Friedensbemühungen neuen Schwung
verleihen
(Tagesordnungspunkt 11 und Zusatztagesord-
nungspunkt 3)
Peter Beyer (CDU/CSU): Die Vision von einer Re-
gion, in der zwei Staaten, Israel und Palästina, Seite an
Seite innerhalb sicherer und anerkannter Grenzen exis-
tieren, ist in zahlreichen UN-Resolutionen beschrieben
worden. Das ist und bleibt auch unsere Maxime.
Der Nahe Osten gewinnt an Dynamik. Der „Arabi-
sche Frühling“ widerlegt das verbreitete Vorurteil, die
Religion des Islam und das Gesellschaftsmodell der De-
mokratie passten nicht zueinander. Gerade viele junge
Muslime finden Freude an der politischen Mitwirkung,
dem Kampf für soziale Gerechtigkeit. Endlich ist ein Tor
aufgestoßen worden, ein Tor der Möglichkeiten, der in
der islamischen Welt verbreiteten Willkür, Korruption
und den mangelnden Bildungschancen entgegenzuwir-
ken. Ich hoffe, dass auch die Palästinenser dieses Mo-
mentum für sich nutzen können. Es ist jedenfalls zu be-
obachten, dass die Palästinenser, beispielsweise in der
Reform von Legislative und Judikative, Fortschritte er-
zielen.
Nach aktuellem Stand muss man davon ausgehen,
dass die palästinensische Führung beabsichtigt, die Auf-
nahme in die Vereinten Nationen noch in dieser Woche
zu beantragen, vermutlich am Freitag im Rahmen der
Zusammenkunft der Generalversammlung der Vereinten
Nationen. Das Recht der Palästinenser auf einen eigenen
Staat ist und bleibt unbestritten. Aber Palästinenser-Prä-
sident Abbas muss mit mehr als einem bloßen Antrag
daherkommen; denn dieser bringt keine Besserung der
Sicherheitslage am Boden geschweige denn eine Lösung
im Lande. Daher werden zurzeit erhebliche Bemühun-
gen unternommen, mit den Palästinensern eine Kompro-
misslösung zu erreichen.
Hervorheben möchte ich insbesondere die Rolle des
Nahostquartetts, bestehend aus der EU, den USA, Russ-
land und den Vereinten Nationen. Wenn es dem Quartett
gelingt, eine gemeinsame Position zum Vorgang zu ver-
öffentlichen, wäre dies hilfreich. Wir sollten jedenfalls
keine Schritte unternehmen oder unterstützen, die die
Verhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern
erschweren. Ebenso sind wir gut beraten, alles zu unter-
lassen, was vom Grundsatz her geeignet ist, die Situation
vor Ort insgesamt zu verschlechtern. Einseitige Schritte
haben den Nahost-Friedensprozess zu keiner Zeit voran-
bringen können, im Gegenteil.
Lassen Sie uns den Blick nun auch ein wenig weiter
richten: Der größere Nahe und Mittlere Osten ist als
Schlüsselregion für Europa von herausragender Bedeu-
tung. Was also kann die Europäische Union tun, um
künftig einen Beitrag zu leisten, dass sich die Lage im
Nahen Osten nicht weiter verschärft, sondern ein tragfä-
higer Frieden möglich wird? Dazu braucht es einerseits
der engen Abstimmung zwischen den europäischen Part-
nern und andererseits einer besonnenen Strategie für den
Nahen Osten, vor allem aber einer die Interessen der Be-
teiligten berücksichtigenden, ausgewogenen Position.
Genau daran mangelt es dem einseitigen Antrag der
Linken. Allerdings kommt er vor dem Hintergrund der
grundsätzlichen Positionierung der Partei zur Nahost-
politik – ich nenne nur die krude Beteiligung an der so-
genannten Gaza-Hilfsflottille – wenig überraschend da-
her.
Wir hingegen wollen, dass die EU zusammensteht, so
eng wie irgend möglich abgestimmt mit unseren transat-
lantischen Partnern, ohne deren entschiedene Führung
substanzielle Fortschritte in der Region unrealistisch wa-
ren und sind.
Die Bundesrepublik trägt eine historische, eine beson-
dere Verantwortung für die – legitimen – Sicherheitsinte-
ressen Israels. Eine Entscheidung gegen die unmittelba-
ren Interessen Israels ist für uns schlichtweg undenkbar.
Wenn ich diese Position vertrete, will ich gleichzeitig
nicht übersehen, dass die Regierung in Jerusalem es
selbst Israels Freunden mit ihrer Politik nicht immer
leicht macht. Nennen möchte ich hier nur die Siedlungs-
politik. In der Praxis hat auch die israelische Regierung
dazu beigetragen, dass das Land Gefahr läuft, künftig
mit weniger Sicherheit leben zu müssen. Das Existenz-
recht Israels wird sich nur sichern lassen, wenn auch das
Recht der Palästinenser auf ihren Staat und ihre Würde
anerkannt werden. Auch die Palästinenser sind Opfer der
verfahrenen Situation und leiden unter den zuweilen
überzogenen Maßnahmen Israels. Israel wird auf dem
Weg zu einer Zweistaatenlösung Kompromisse machen
müssen.
Zur Realität gehört aber auch, dass es für israelische
Politiker nicht immer ein leichtes Unterfangen darstellt,
die eigenen Menschen für Friedensverhandlungen zu ge-
winnen, wenn diese sich täglicher Gewalt ausgesetzt se-
hen. Im März 2011 gab es eine Welle von Raketenangrif-
fen auf Israel aus dem Gazastreifen. Allein im letzten
Monat waren 178 Attacken auf israelisches Gebiet zu
beklagen, in 134 Fällen mit Raketen oder Mörsern, neun
Menschen starben. Kann da eine demokratische Regie-
rung über Frieden verhandeln? Friedensverträge und
gleichzeitig Terror – das ist kein Erfolgsrezept.
Solange die palästinensische Führung den Verdacht
nicht entkräften kann, dass sie den Terror unterstützt,
kann sie kein Partner in den Friedensgesprächen sein.
14980 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 126. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 21. September 2011
(A) (C)
(D)(B)
Die Charta der Hamas spricht Israel das Existenzrecht
ab. Zwar hat die Hamas eine wohl taktisch motivierte
Gesprächsbereitschaft zu erkennen gegeben, ein klares
Bekenntnis zu friedlichen Beziehungen mit Israel fehlt
aber noch immer.
Noch einmal: Das Recht der Palästinenser auf einen
eigenen Staat ist unbestritten. Doch das Ziel, ein in Si-
cherheit lebendes, von allen anerkanntes Israel und ein
lebensfähiger palästinensischer Staat, ist nur über den
Weg der Wiederaufnahme von ernsthaften Friedensver-
handlungen zu erreichen. Nur eine verhandelte Zwei-
staatenlösung bringt dauerhaften Frieden.
Dr. Wolfgang Götzer (CDU/CSU): Für uns gilt auch
heute das, was Bundeskanzlerin Angela Merkel im März
2008 vor der Knesset zu den besonderen Beziehungen
zwischen Deutschland und Israel gesagt hat:
Jede Bundesregierung und jeder Bundeskanzler vor
mir waren der besonderen historischen Verantwor-
tung Deutschlands für die Sicherheit Israels ver-
pflichtet. Das heißt, die Sicherheit Israels ist für
mich als deutsche Bundeskanzlerin niemals verhan-
delbar.
Schon vor dem Hintergrund, dass die antisemitischen
Tendenzen bei der Linken weder zufriedenstellend auf-
gearbeitet geschweige denn ausgeräumt sind, ist deshalb
der heute vorliegende heuchlerische Antrag abzulehnen.
Aber auch eine Vielzahl weiterer Gründe spricht ge-
gen den Antrag: Nach derzeitigem Stand ist davon aus-
zugehen, dass die palästinensische Führung ein Schrei-
ben an den UN-Generalsekretär richten wird, mit dem
zwar nicht die staatliche Anerkennung, aber die Vollmit-
gliedschaft in den Vereinten Nationen beantragt werden
soll.
Denkbar ist allerdings auch, dass die Palästinenser
versuchen werden, ihre Anerkennung ohne den Sicher-
heitsrat in der Generalversammlung zu betreiben. Dazu
könnten sie den Antrag stellen, zu einem „Non-Member
Observer State“ erklärt zu werden. Die Palästinenser be-
kämen dann zwar nicht mehr Rechte, aber die symboli-
sche Anerkennung als Staat.
Seit Sonntag tagt das sogenannte Nahost-Quartett
wieder. Es ist also auch durchaus möglich und es wäre
zu hoffen, dass es in diesem Rahmen Anfang nächster
Woche zu einer Erklärung des Quartetts kommen wird,
die den weiteren Fahrplan vorgeben wird.
Die Absicht, eine Aufnahme Palästinas in die Ge-
meinschaft der Vereinten Nationen ohne entsprechende
Verhandlungen mit Israel zu erreichen, ist in der Arabi-
schen Liga und selbst in der Regierung von Abbas um-
stritten. Es gibt unter Palästinensern durchaus auch Ver-
ständnis dafür, dass eine Abstimmung darüber nicht
übereilt werden sollte. Dabei spielt sicher auch eine
Rolle, dass es den Palästinensern vor allem auf die Zu-
stimmung der EU-Länder ankommt. Die EU aber hat
bislang keine einheitliche Position in dieser Frage.
Klar ist jedenfalls, dass ein solcher Antrag im UN-Si-
cherheitsrat am Veto der USA scheitern würde.
Ich bin der Auffassung, dass einseitige Schritte im
Nahost-Friedensprozess der falsche Weg sind und in
eine Sackgasse führen. Wir treten klar für eine Zwei-
Staaten-Lösung ein, die das Ergebnis von Verhandlun-
gen sein muss. Nur eine verhandelte Zwei-Staaten-Lö-
sung kann dauerhaften Frieden bringen.
Ein einseitiger Schritt einer Resolution hätte voraus-
sichtlich die Verhärtung der israelischen Position zur
Folge. Er könnte im schlimmsten Falle dazu führen, dass
auf israelischer, aber auch auf palästinensischer Seite so
viel Frustration bzw. Druck aufgebaut wird, dass schon
bald neue gewaltsame Auseinandersetzungen drohen.
Deutschland wird deshalb nichts unterstützen, was
Verhandlungen erschweren oder zu einer Eskalation der
Lage führen könnte und was nicht innerhalb der EU ab-
gestimmt ist.
Lassen Sie mich zusammenfassen:
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt wissen wir noch nicht,
was genau Gegenstand eines palästinensischen Antrags
sein und an wen dieser gerichtet werden wird. Unabhän-
gig davon gilt jedoch: Fortschritte im Friedensprozess
können nur in Verhandlungen erzielt werden. Deshalb
müssen nun alle Kräfte darauf konzentriert werden, die
Wiederaufnahme der direkten Verhandlungen zwischen
Israel und den Palästinensern zu erreichen. Bei diesen
Bemühungen muss berücksichtigt werden, dass die Pa-
lästinenser in den letzten Jahren substanzielle Fort-
schritte beim Aufbau eines Staatswesens gemacht haben.
Damit nimmt eine der wesentlichen Voraussetzungen für
eine Zwei-Staaten-Lösung weiter Gestalt an.
Zu einer Verhandlungslösung gehört selbstverständ-
lich auch die Anerkennung des Existenzrechts und die
Gewährleistung der Sicherheit Israels, aber auch, dass
die israelische Regierung die Siedlungspolitik im West-
jordanland endlich beendet und darlegt, wie aus ihrer
Sicht eine Regelung aussehen könnte, die den Interessen
aller Beteiligten bestmöglich gerecht wird.
Wir halten unserer grundsätzlichen Position fest: Ein-
seitige Schritte Israels ebenso wie einseitige Schritte Pa-
lästinas sind der falsche Weg.
Christian Lange (Backnang) (SPD): Man muss sich
schon schwer wundern, wenn man den Antrag der Frak-
tion Die Linke liest. „Den Staat Palästina anerkennen“,
das hört sich zunächst ganz vernünftig an; denn letztend-
lich ist jede im Deutschen Bundestag vertretene Partei
für eine Zwei-Staaten-Lösung im Nahostkonflikt. Doch
schaut man sich den Antrag der Linkspartei genauer an,
stellt man schnell fest, wieso man ihm nicht zustimmen
kann.
Die Tendenz des Antrags ist eindeutig zu erkennen:
Es liege fast einzig und allein in den Händen Israels, ob
eine friedliche Lösung, sprich: eine friedliche Zwei-
Staaten-Lösung, realisiert werde oder nicht. Liebe Kolle-
ginnen und Kollegen von der Linkspartei, so einfach ist
die Welt, ist der Nahostkonflikt aber nicht. Nicht alles ist
schwarz-weiß, nicht für jedes Problem gibt es eine einfa-
che Lösung. Wer anderes behauptet, ist ein Populist, und
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 126. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 21. September 2011 14981
(A) (C)
(D)(B)
das ist auch der Grund, wieso wir Sozialdemokraten Ih-
rem Antrag nicht zustimmen werden.
Die Situation im Nahen Osten ist momentan alles an-
dere als ruhig oder stabil. In Syrien ist die Lage völlig
außer Kontrolle geraten, und der syrische Diktator Assad
lässt auf die eigene Bevölkerung schießen, die sich end-
lich gegen sein Regime auflehnt. In Ägypten weiß nach
dem arabischen Frühling niemand, wohin die Reise ge-
hen soll. Doch die schlimmen Anschläge in Eilat vor ei-
nigen Wochen und die Stürmung der israelischen Bot-
schaft in Kairo lassen Böses befürchten. Vor diesem
Hintergrund ist eine Lösung des Nahostkonflikts drin-
gender denn je; denn nur durch eine Lösung kann die Si-
tuation in der ganzen Region besänftigt werden, und vor
allem kann nur so auch den Islamisten die „Legitima-
tion“ für ihre antiisraelische und antisemitische Propa-
ganda und für ihre Hasstiraden entzogen werden.
Mit dem Abbruch der direkten Friedensverhandlun-
gen zwischen der israelischen und palästinensischen Re-
gierung im September 2009 ist eine politische Lösung
des Konflikts erneut und zum wiederholten Mal geschei-
tert. Alle Versuche, neue Gespräche über einen dauerhaf-
ten und gerechten Frieden anzustoßen, waren bislang
vergeblich. Ob und wann es wieder zu ernst gemeinten
Verhandlungen zwischen beiden Konfliktparteien
kommt, ist derzeit nicht absehbar.
Das Versöhnungsabkommen zwischen Hamas und
Fatah ist nicht über ein Anfangsstadion hinausgekom-
men und grundlegende Vereinbarungen über eine Ein-
heitsregierung sind nicht getroffen. Aber auch von der
aktuellen israelischen Regierung scheint keinerlei Initia-
tive zu kommen. Wir Sozialdemokraten begrüßen daher
den Aufruf von US-Präsident Barack Obama an Israel
und die Palästinenser, mutige Schritte zur Wiederauf-
nahme des Friedensprozesses zu unternehmen. Er be-
kräftigt in Übereinstimmung mit den Schlussfolgerun-
gen des Europäischen Rates vom 8. Dezember 2009 das
Ziel, dass der Staat Israel und ein souveräner, unabhängi-
ger, demokratischer, zusammenhängender und lebensfä-
higer Staat Palästina Seite an Seite in Frieden und Si-
cherheit leben. Das Existenzrecht des Staates Israel und
das Recht der Palästinenser auf einen eigenen Staat dür-
fen niemals infrage gestellt werden. Derzeit findet eine
Welle der Anerkennung eines palästinensischen Staates
statt. Damit wächst die Dringlichkeit, Bewegung in den
festgefahrenen Friedensprozess zu bringen.
Jetzt ist es die Aufgabe der internationalen Gemein-
schaft, die nächsten Tage, ja Stunden zu nutzen, um den
nötigen diplomatischen Druck auf die Konfliktparteien
zugunsten einer umgehenden Wiederaufnahme von Ver-
handlungen auszuüben. Auch die Bundesregierung muss
ihrer außenpolitischen Verantwortung nachkommen und
sich im Rahmen der EU, der Vereinten Nationen und des
Nahostquartetts für neue Initiativen einsetzen, die die ra-
sche Wiederaufnahme direkter Gespräche zwischen Is-
rael und den Palästinensern zum Ziel haben. Die Bun-
desregierung muss Palästinensern und Israelis
klarmachen, dass sie durch eine Zuspitzung der Aus-
einandersetzung in der Generalversammlung der Verein-
ten Nationen einer Lösung der Endstatusfragen nicht nä-
herkommen.
Bisher hat es die Bundesregierung nicht geschafft, in-
nerhalb der Europäischen Union eine einheitliche Hal-
tung zur Anerkennungsfrage zu bilden. Momentan droht
die Gefahr, dass sich Deutschland zusammen mit den
USA international isoliert. Deutschland droht die Ge-
fahr, seinen guten Ruf als Vermittler im Nahen Osten zu
verlieren. Das wäre hinsichtlich möglicher Friedensver-
handlungen keine gute Perspektive.
In der heutigen Ausgabe der Süddeutschen Zeitung
hat der ehemalige Außenminister der Palästinensischen
Autonomiebehörde und Leiter der Außenkommission
der Fatah, Nabil Schaath, die Position der Palästinenser
sehr klar zum Ausdruck gebracht. In einem Punkt muss
ich Herrn Schaath deutlich widersprechen – ich darf zi-
tieren –: „Wie können Angela Merkel und Guido
Westerwelle die Palästinenser ungeachtet aller Erfolge
im Staatsaufbau und der ungebremsten israelischen
Siedlungspolitik auf einen Verhandlungsprozess mit ei-
nem ungleich stärkeren Gegenüber verweisen?“
Hier wird deutlich, dass die palästinensische Seite
endlich anerkennen muss, dass letztendlich nur direkte
Verhandlungen mit dem vermeintlich „stärkeren Gegen-
über“ zu einem Frieden, zu einer Zwei-Staaten-Lösung
führen wird.
Doch in einem anderen Punkt stimme ich Herrn
Schaath voll und ganz zu – ich darf wieder zitieren –:
„Die Rolle eines Ratgebers und Vermittlers kann die Eu-
ropäische Union aber nur dann einnehmen, wenn sie ei-
nen gemeinsamen Kurs für den Umgang mit dem israe-
lisch-palästinensischen Konflikt findet. Deutschland
muss eine zentrale Rolle spielen, wenn ein gesamteuro-
päischer Kompromiss gefunden werden soll, der es der
EU erlaubt, sich aktiv in den Verhandlungsprozess ein-
zubringen. Die Position der Bundesregierung zur Auf-
nahme des palästinensischen Staates in die Völkerge-
meinschaft darf sich daher nicht auf die Ablehnung
unseres Strebens nach Staatlichkeit in den Vereinten Na-
tionen beschränken.“
Daher fordern wir Sozialdemokraten die Bundesre-
gierung mit unserem Antrag „Den Nahost-Friedensbe-
mühungen neuen Schwung verleihen“ auf, dass sie ihre
negative Vorfestlegung gegen die palästinensischen Be-
mühungen bei den Vereinten Nationen aufgibt und statt-
dessen alle Wege offenhält, die zu einer gemeinsamen
europäischen Haltung führen können, einschließlich der
Option, von europäischer Seite das palästinensische An-
sinnen dann zu unterstützen, wenn Friedensgespräche
bis dahin nicht begonnen haben und sich die künftige pa-
lästinensische Regierung zuvor dazu bekennt, dass sie
das Existenzrecht Israels anerkennt, Gewaltverzicht ga-
rantiert und der Gültigkeit der bisherigen Abkommen
zustimmt. Nur wenn Europa mit einer Stimme spricht,
können wir als internationaler Akteur glaubwürdig auf-
treten.
Doch zurück zu dem Antrag der Linkspartei. Was ich
in Ihrem Antrag vermisse, sind klare und deutliche Si-
gnale auch an die palästinensische Seite. Zunächst haben
14982 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 126. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 21. September 2011
(A) (C)
(D)(B)
Sie in Ihrem Antrag nicht einmal mit einem einzigen
Satz auf das schlimme Schicksal von Gilad Schalit hin-
gewiesen. Die palästinensische Regierung muss sich
endlich – ich werde nicht müde, dass heute nun zum
wiederholten Male hier im Deutschen Bundestag zu for-
dern – für die bedingungslose Freisetzung von Gilad
Schalit einsetzen, der heute genau seit 1913 Tagen ir-
gendwo im Gazastreifen von Islamisten gefangen gehal-
ten wird, ohne jeglichen Kontakt zur Außenwelt. Nicht
einmal das Internationale Rote Kreuz darf zu ihm. Jeder
von uns, der Israel kennt, weiß, dass das momentan mit
der Haupthindernisgrund für Israel ist, Gespräche mit
den Palästinensern zu führen.
Darüber hinaus bin ich schon ziemlich entsetzt, wenn
ich in Ihrem Antrag lesen muss – ich darf zitieren –:
„Die notwendige Verpflichtung der Palästinenser zum
Gewaltverzicht verlangt auch einen Gewaltverzicht von
Israel.“ Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Links-
partei, die terroristischen Anschläge der Hamas oder an-
derer islamistischer Gruppen aus dem Gazastreifen auf
Israel gleichzusetzen mit einer „Gewalt“ von Israel ist
schon ein starkes Stück. Wir wissen doch alle, dass wir
ohne den Terrorismus der Hamas schon ein ganzes Stück
weiter wären im Nahen Osten. Wir wissen alle, dass die
Hamas sämtliche Friedensbemühungen torpediert und
verhindert, nicht nur auf Kosten Israels, sondern auch
auf Kosten der eigenen Bevölkerung.
Wir Sozialdemokraten halten die unmittelbare Wie-
deraufnahme von Friedensgesprächen für vordringlich.
Denn nur so können die Endstatusfragen einvernehmlich
und dauerhaft gelöst werden. Israel muss seine Verant-
wortung wahrnehmen und sofort den Siedlungsbau stop-
pen. Die palästinensische Regierung muss sich ihrerseits
klar zu den Quartettkriterien bekennen und darüber hi-
naus umgehend für die bedingungslose Freilassung
Gilad Schalits sorgen. Voraussetzung für die Wiederauf-
nahme von Direktgesprächen ist die Verständigung über
klare Parameter, wie sie Großbritannien mit Unterstüt-
zung Frankreichs und Deutschlands in einer Stimmerklä-
rung vom 18. Februar 2011 definiert hat.
Diese Parameter sind Folgende, wie sie Sie unserem
Antrag entnehmen können: a) eine Übereinkunft über
die Grenzen von zwei Staaten auf der Grundlage der
Grenzen von 1967 und einen gleichwertigen Austausch
von Land; b) Sicherheitsvereinbarungen, die die palästi-
nensische Souveränität achten, das Ende der Besatzung
bringen und die den Israelis Sicherheit gewährleisten,
der Wiederkehr des Terrorismus vorbeugen und neu ent-
stehenden Bedrohungen wirksam begegnen; c) eine ge-
rechte, faire und gemeinsame Lösung der Flüchtlings-
frage und d) die Einlösung der Ansprüche beider Seiten
in der Jerusalemfrage. Verhandlungen müssen einen
Weg eröffnen, um eine Lösung für das Problem des Sta-
tus von Jerusalem als künftige Hauptstadt beider Seiten
zu finden. Dabei weisen wir Sozialdemokraten aus-
drücklich darauf hin, dass eine Lösung der Flüchtlings-
frage den jüdischen Charakter des Staates Israel nicht in-
frage stellen darf.
Ich kann die Ängste vieler Israelis, mit denen ich ge-
sprochen habe, sehr gut nachvollziehen. Auch habe ich
in den vergangenen Wochen mit zahlreichen Vertretern
aus unseren jüdischen Gemeinden in Deutschland, mit
Vertretern von israelischen Organisationen oder NGOs
gesprochen, die mir ihre Ängste und Sorgen zum Aus-
druck gebracht haben. Beispielsweise war ich selbst sehr
schockiert, als ich in der USA Today vor einigen Tagen
gelesen habe, dass sich der PLO-Vertreter in den USA,
Maen Areikat, de facto für einen „judenfreien“ Staat Pa-
lästina ausgesprochen hat.
Wir müssen diese Bedenken und diese Sorgen ernst
nehmen. Momentan scheint wieder etwas Bewegung in
die Sache gekommen zu sein. Anscheinend sind
Netanjahu und Abbas nun zu Gesprächen bereit. Ich
hoffe, dass durch die Initiative der Palästinenser der
Friedensprozess wieder in Fahrt kommt. Wir müssen
beiden Seiten deutlich machen, dass nur durch direkte
Verhandlungen ein dauerhafter Frieden möglich sein
wird, und wir sollten uns alle vor einseitigen Schuldzu-
weisungen hüten.
Dr. Rainer Stinner (FDP): Wir debattieren heute
zum dritten Male in ganz kurzer Zeit über dasselbe
Thema. Und wir diskutieren es zu einem Zeitpunkt, wo
alles im Fluss ist und wo in New York jede Stunde eine
neue Situation entsteht. Wir haben dazu heute Morgen
im Ausschuss ausführlich diskutiert. Aber die Partei Die
Linke will ein weiteres Mal dieses Thema diskutieren,
statt jetzt eine Woche abzuwarten, was in New York he-
rauskommt.
Deshalb bringe ich noch einmal die Argumentations-
kette, die unser Denken und Handeln bestimmt.
Wir wollen die Zwei-Staaten-Lösung. Wir sind der
Meinung, dass die Möglichkeit dafür angesichts der
Siedlungsaktivitäten jedenfalls nicht besser werden. Wir
haben daher ein Interesse daran, alles zu tun, dass der
Weg zu einer Zwei-Staaten-Lösung nicht noch weiter
verbaut wird. Denn eine Zwei-Staaten-Lösung ist ja kein
Selbstzweck, sie soll konkret das Leben der Menschen
verbessern. Das tut sie nur, wenn sie von beiden Seiten
gewollt und akzeptiert wird. Deshalb kommen wir an der
Notwendigkeit von Verhandlungen zwischen den Paläs-
tinensern und Israel über die bekannten Inhalte nicht
vorbei. Wir verhandeln in diesen Minuten in New York
über eine Lösung, die diese Verhandlungen ermöglichen.
Ob dazu der schon heute zum Scheitern verurteilte An-
trag auf die Vollmitgliedschaft Palästinas im Sicherheits-
rat einen Beitrag leisten kann, darf hier und heute be-
zweifelt werden.
Bei jeder Lösung müssen die völlig berechtigten Si-
cherheitsinteressen Israels Berücksichtigung finden. Ich
wiederhole aber gerne: Ob das Vorgehen der israelischen
Regierung in den letzten Monaten diesen Sicherheitsin-
teressen dienlich war, darf mit Fug und Recht auch be-
zweifelt werden.
Ein weiteres Ziel ist, möglichst ein gemeinsames Vor-
gehen der Staaten der Europäischen Union zu erreichen.
Das mag bezüglich der zu behandelnden Frage von
nachrangiger Bedeutung sein; aber auch die Palästinen-
ser haben ein Interesse daran, dass einer ihrer wichtigs-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 126. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 21. September 2011 14983
(A) (C)
(D)(B)
ten Partner, die EU, einheitlich agiert. Für die Hand-
lungsfähigkeit einer gemeinsamen europäischen Außen-
und Sicherheitspolitik ist das natürlich von ganz erhebli-
cher Bedeutung.
Wir haben also eine Optimierungsnotwendigkeit mit
mehreren Variablen. Das macht die Lösung so schwer.
Die Linke hat wieder einmal die einfache Lösung: Volle
Anerkennung jetzt. Dabei vergisst die Partei, dass mit
Deklamationen nichts gewonnen ist, wenn sie keine Re-
levanz für die Bürger vor Ort haben. Und genau das ist
die Gefahr des Vorschlags der Linken. Die Probleme der
Besatzung, die Probleme der mangelnden wirtschaftli-
chen Perspektive, die Probleme der Zweiteilung in die
West Bank und in den Gazastreifen werden ja in keiner
Weise gelöst. Deshalb führt an Verhandlungen kein Weg
vorbei.
In diese Richtung arbeitet die Bundesregierung. In
diese Richtung arbeitet seit Monaten der Außenminister.
Wenn diese hartnäckige Arbeit dazu führt, dass das
Quartett in einer Erklärung die Rahmenbedingungen für
solche Verhandlungen festlegt und dieser Fahrplan dann
die Grundlage für Verhandlungen ist, ist es diese hart-
näckige Arbeit wert. Dann erwarte ich aber auch, dass
die Opposition diese Bemühungen lobt und nicht kriti-
siert.
Klar ist allerdings auch, dass nach den großen Erwar-
tungen, die zum Beispiel auch Präsident Obama geweckt
hat, dieses Mal das Ergebnis nicht sein kann, dass die
westliche Welt den Palästinensern zwar ihre Sympathie
vermittelt, ansonsten aber alles beim Alten bleibt. Das
geht jetzt nicht mehr.
Dazu kommt jetzt natürlich die neue Situation in der
arabischen Welt, die in jedem Fall eine neue Dynamik in
den Nahost-Friedensprozess bringen wird, wobei diese
Dynamik noch nicht eindeutig als positiv oder negativ
bewertet werden kann. Sie bietet Chancen, enthält natür-
lich aber auch Risiken. Daher bringe ich ein weiteres
Mal als möglichen Zwischenschritt die sogenannte Vati-
kan-Lösung ins Spiel. Diese Lösung könnte übrigens
besser Deutschland-Lösung oder Schweiz-Lösung hei-
ßen; das würde den Vorläufermodellen mehr gerecht.
Wenn das Ergebnis der Bemühungen in New York
eine verbindliche Vereinbarung mit einem klaren Zeit-
rahmen für bilaterale Verhandlungen und die Statusauf-
wertung der Palästinenser wäre, könnten wir von einem
neuen Hoffnungsschimmer am sonst leider so trüben
Himmel des Nahen Ostens sprechen.
Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN): Wir werden in dieser Woche Zeugen einer Bewe-
gung im israelisch-palästinensischen Konflikt, wie es sie
seit einem Jahr nicht mehr gegeben hat. Hintergrund
sind die Blockade der israelisch-palästinensischen Ver-
handlungen und die Absicht der Palästinenser, die Mit-
gliedschaft eines palästinensischen Staates bei den Ver-
einten Nationen zu beantragen und damit implizit
zumindest die symbolische Anerkennung als palästinen-
sischer Staat zu erreichen.
Meine Fraktion begrüßt grundsätzlich diese Initiative;
denn es ist angesichts der Verhandlungsblockade und der
fortgesetzten israelischen Siedlungspolitik in der West-
bank und in Ostjerusalem dringend erforderlich, etwas
zur Rettung der Zwei-Staaten-Regelung zu tun. Wir wis-
sen allerdings noch nicht genau, was die palästinensi-
sche Seite am Freitag in die Vereinten Nationen einbrin-
gen wird, und ob sie letztlich einen Antrag in den
Sicherheitsrat oder einen in die Generalversammlung
einbringen wird. Nach allem, was bisher bekannt ist,
sind bei einer Befassung des UN-Sicherheitsrates zwei
Optionen denkbar: Entweder der palästinensische An-
trag wird dort in einer Kommission mit einem unbe-
stimmten Zeithorizont behandelt oder er wird zeitnah ab-
gelehnt, wahrscheinlich durch ein Veto der USA.
Insbesondere wegen des drohenden Vetos der USA
scheint es mir bei aller grundsätzlichen Sympathie für
das Anliegen der Palästinenser nicht sehr ratsam, in
diese volle Konfrontation mit den Amerikanern zu ge-
hen. Gerade wenn man sich die Rede von Präsident
Obama von heute Morgen anschaut, erkennt man: Dieser
Präsident unterstützt nach wie vor einen eigenen selbst-
bestimmten Staat der Palästinenser. Er hat allerdings da-
von gesprochen, dass es keinen „shortcut“, keine „Ab-
kürzung“, geben sollte, sondern dass die Zwei-Staaten-
Regelung letztlich nur verhandelt werden kann. Das war
deutlich. Allerdings muss man auch sehen: Liefern
konnte dieser Präsident bisher nicht, weder was eine
Fortsetzung des Siedlungsmoratoriums betrifft noch was
die Bereitschaft der Israelischen Regierung zu substan-
ziellen Verhandlungen betrifft. Das ist für die Palästinen-
ser ein ziemlich unerträglicher Zustand.
Insofern stellt sich die Frage, ob nicht ein Zwischen-
schritt, nämlich der Gang in die Generalversammlung
mit dem Ziel der Aufwertung Palästinas zum beobach-
tenden Nichtmitgliedsstaat, ein tragfähiger Kompromiss
wäre. Zwar wenden sich die Israelis auch hiergegen,
aber auch dieser Schritt würde das international aner-
kannte Konzept der Zwei-Staaten-Regelung stärken und
wäre gleichzeitig ein wichtiges Zeichen an die palästi-
nensische und israelische Gesellschaft, die derzeitigen
Blockaden zu überwinden und an den Verhandlungstisch
zurückzukehren. Ich bin fest davon überzeugt: Um die
Palästinenser davon zu überzeugen, dass ein solcher
Zwischenschritt sinnvoll ist, ist es erforderlich, dass vor
allem die EU, einschließlich Deutschland, mit einer
Stimme spricht. Denn eine Mehrheit in der Generalver-
sammlung haben die Palästinenser. Aber es macht für sie
einen großen Unterschied, ob die EU, inklusive der
Deutschen, mit dabei ist oder nicht.
An diesem Punkt ist die Bundesregierung gefordert:
Die Bundeskanzlerin, der Außenminister, sie müssen
sich jetzt innerhalb der EU für ein einheitliches Abstim-
mungsverhalten einsetzen und signalisieren, dass sie
bereit sind, einer entsprechenden Resolution in der Ge-
neralversammlung zuzustimmen, etwa wenn die palästi-
nensische Seite bereit wäre, von einem Gang in den Si-
cherheitsrat abzusehen. Auch eine solche Resolution
würde das Recht der Palästinenser auf einen eigenen
Staat stärken, und sie würde gerade die Legitimität des
Staates Israel unterstreichen. Im Übrigen könnte die
14984 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 126. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 21. September 2011
(A) (C)
(D)(B)
Bundesregierrung mit einer Zustimmung gegenüber den
Staaten des arabischen Frühlings Glaubwürdigkeit zu-
rückerlangen, die sie in der Vergangenheit verloren hat.
Nur wenn die europäischen Staaten endlich mit einer
Stimme sprechen, könnte es vielleicht noch gelingen,
eine Konfrontation im Sicherheitsrat zu vermeiden.
Europa hat hier die große Chance, eine vermittelnde
Rolle zwischen den Konfliktparteien und den USA ein-
zunehmen, die am Ende zu neuen Verhandlungen führen
könnte. Der deutsche Außenminister darf diese Chance
und große Verantwortung nicht erneut leichtfertig ver-
spielen, wie in der Libyen-Entscheidung. Meine Frak-
tion wird sich heute zu dem Antrag der SPD und dem
Antrag der Linken enthalten. Beide Anträge gehen leider
nicht auf die zentralen Fragen der aktuellen Situation
ein, etwa wie ein möglicher Zwischenschritt in der Ge-
neralversammlung aussehen kann oder, ganz zentral, ein
einheitliches Vorgehen der EU.
Anlage 89
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur
Errichtung einer Visa-Warndatei und zur Än-
derung des Aufenthaltsgesetzes (Tagesord-
nungspunkt 12)
Armin Schuster (Weil am Rhein) (CDU/CSU):
Durch eine Schleuserorganisation werden jahrelang
ukrainische Frauen illegal über die Grenze nach
Deutschland gebracht, und zwar nicht mehr mit dem auf-
wendigen und riskanten Verfahren, sie nächtens über die
Neiße zu schleusen. Die Tathandlungen sehen schon seit
Jahren raffinierter aus: Die Frauen werden im Ausland
als Tänzerinnen angeworben, die Visabeschaffung er-
folgt mit Falschangaben vermeintlicher deutscher Einla-
der, fingierte Verpflichtungserklärungen liegen natürlich
vor. Für den Sachbearbeiter einer deutschen Visumbe-
hörde ist dies mangels besserer Erkenntnisse damit ein
unverdächtiger Fall. Tatsächlich aber sollen die Frauen
in Deutschland zur Prostitution gezwungen werden – ein
Tatbestand, wie er immer wieder vorkommt. Hinter
Visaerschleichung stecken oft professionelle Organisa-
tionen, die damit ihr Geld verdienen. Nicht selten ist
diese Form der Schleusungskriminalität für die Täter
nichts anderes als Transferlogistik im Bereich der orga-
nisierten Kriminalität. Deshalb haben wir im Koalitions-
vertrag beschlossen, dieser organisierten kriminellen
Praxis wie auch den „Visashoppern“ mit der Visa-Warn-
datei entgegenzuwirken. Deutschland hat ein gutes und
durchdachtes System der Visumvergabe, das wir durch
eine bessere Vernetzung der Informationen sichern wol-
len.
Die Visa-Warndatei wird also insbesondere die deut-
schen Visumbehörden bei ihrer Tätigkeit unterstützen.
Spätestens seit dem Visa-Untersuchungsausschuss ist
klar, dass Visumverfahren fehleranfällig sind. So werden
schwerwiegende Delikte insbesondere aus Bereichen
wie Menschenhandel und Schleusungskriminalität im-
mer wieder mit erschlichenen Visa verübt. Die Visumbe-
hörden haben derzeit aber keine ausreichenden Möglich-
keiten, die an einem Visumantrag beteiligten Personen
gezielt auf rechtswidrige Handlungen im Visumverfah-
ren oder sonstige Verurteilungen mit Auslandsbezug zu
überprüfen. Diese Lücke müssen wir schließen; denn das
Visumverfahren leistet einen wichtigen Beitrag zur Be-
kämpfung von Terrorismus und irregulärer Migration.
Sinn und Zweck des Visumverfahrens ist es, sicherzu-
stellen, dass nur Ausländer nach Deutschland einreisen,
die die gesetzlichen Voraussetzungen für Einreise und
Aufenthalt erfüllen. Ob diese Voraussetzungen tatsäch-
lich vorliegen, ist gewissenhaft zu prüfen. Das erleich-
tern wir mit der Visa-Warndatei deutlich. Denn in ihr
werden Warndaten zu Personen aufgenommen, die im
Zusammenhang mit einer der für das Visumverfahren re-
levanten Katalogstraftaten nach dem Aufenthaltsgesetz
und dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz oder im Zu-
sammenhang mit Schleusung, Menschenhandel und
Kinderhandel oder schwersten Betäubungsmitteldelikten
auffällig geworden sind. Auffällig heißt, indem sie we-
gen solcher Delikte als Täter oder Teilnehmer rechts-
kräftig zu Geld- oder Freiheitsstrafe verurteilt worden
sind.
Wir haben den Deliktkatalog auf wenige Straftaten
beschränkt, die einen besonderen Bezug zum Visumver-
fahren oder einen entsprechenden Auslandsbezug auf-
weisen. Es geht also stark eingegrenzt nur um Informa-
tionen, mit denen der Visummissbrauch entdeckt bzw.
verhindert werden kann. Darüber hinaus werden Warn-
daten nur gespeichert zu Visumantragstellern, die sich
im Visumverfahren selbst rechtswidrig verhalten haben,
sowie zu Einladern, Verpflichtungsgebern und Personen,
die im Visumverfahren Bestätigungen abgegeben haben,
wenn diese im Rahmen ihrer Erklärungen falsche Anga-
ben gemacht haben. Dies gilt auch, wenn ein Verpflich-
tungsgeber seiner Verpflichtung zur Kostenübernahme
nicht nachgekommen ist. Diese Informationen werden
dann nur den Visumstellen im Visumverfahren sowie
den mit der polizeilichen Kontrolle des grenzübergrei-
fenden Verkehrs beauftragten Behörden für die Erteilung
von Ausnahmevisa und Rücknahme von Visa an den
Grenzen zur Verfügung gestellt.
Daneben soll es ein weiteres Datenabgleichsverfahren
geben, getrennt von der Visa-Warndatei und den bereits
bestehenden Verfahren zur Konsultation von Sicher-
heitsbehörden. Dieses neue, ergänzende Verfahren sieht
den Abgleich der Visumantragsdaten mit den Erkennt-
nissen der Sicherheitsbehörden zu Personen mit Ver-
bindung zum internationalen Terrorismus vor. Für
Staatsangehörige und Personengruppen, bei denen eine
Visumpflicht besteht, wird so ein Hinweis durch die
Sicherheitsbehörden an die Auslandsvertretung ermög-
licht, wenn ihnen Erkenntnisse vorliegen, dass diese Per-
sonen Verbindungen zu internationalen Terrornetzwer-
ken haben. Hierzu übermitteln die Auslandsvertretungen
auch die Daten von Einladern, Verpflichtungsgebern und
sonstigen Referenzpersonen des Visumantragstellers an
eine im Bundesverwaltungsamt einzurichtende beson-
dere Organisationseinheit. Hier wird dann ein Abgleich
mit bestimmten Daten aus der Antiterrordatei durchge-
führt.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 126. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 21. September 2011 14985
(A) (C)
(D)(B)
Nur im Trefferfall werden dann die Daten aus dem
Visumverfahren an die betreffende Sicherheitsbehörde
zur Prüfung übermittelt, ob Versagungsgründe oder Si-
cherheitsbedenken gegen die Einreise des Visumantrag-
stellers bestehen. Wenn beim Abgleich kein Treffer er-
zielt wird, werden die Daten unverzüglich gelöscht. Mit
diesem weiteren Verfahren wird verstärkt dem besonde-
ren sicherheitspolitischen Interesse in Visumverfahren
Rechnung getragen, Personen mit Beziehungen zu Ter-
rornetzwerken nicht nach Deutschland einreisen zu las-
sen. Denn selbstverständlich gehören die für den Bereich
Schleusungskriminalität und OK beschriebenen Modi
Operandi zum Handwerkszeug von Terroristen oder
auch Hasspredigern. Es kann nicht sein, dass Terroristen
in deutschen Botschaften irgendwo auf der Welt Visa be-
antragen und sie auch bekommen, um anschließend ei-
nen Anschlag in Deutschland vorzubereiten oder gar
durchzuführen.
Es war daher höchste Zeit, unseren Visum- und
Grenzbehörden die Möglichkeit einer intensiveren Prü-
fung bei der Visavergabe zu geben. Ich bin der Überzeu-
gung, dass diese beiden neuen Verfahren einen sinnvol-
len Beitrag zur Stärkung der inneren Sicherheit leisten
werden.
Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU): Die Ver-
gabe von Visa, die zur Einreise nach und zum Aufenthalt
in Deutschland berechtigen, ist einer der sensibelsten
Punkte für die Sicherheit unseres Landes. Sie stellt ein
potenzielles Einfallstor nicht nur für kriminelle, sondern
auch für terroristische Aktivitäten dar.
Gleichzeitig hat Deutschland als wichtige und stark
vom Export abhängige Wirtschaftsnation und beliebtes
Reiseland aber natürlich auch ein großes Interesse an ei-
ner schnellen und effektiven Vergabe von Visa, um so ei-
nen grenzüberschreitenden außereuropäischen Reise-
und Wirtschaftsverkehr zu ermöglichen.
Die sicherheitspolitische Bedeutung der Vergabe von
Visa und der fortdauernde Missbrauch der geltenden
Einreisebestimmungen sind besonders durch die Arbeit
des Visa-Untersuchungsausschusses in der 15. Wahl-
periode des Deutschen Bundestages offensichtlich ge-
worden. Durch den Untersuchungsausschuss wurde eine
Vielzahl von gravierenden und vor allem strukturellen
Mängeln bei der Vergabe von Visa in den deutschen
Auslandsvertretungen aufgedeckt. In der nachfolgenden
Zeit sind die bekannt gewordenen Missstände leider nur
zögerlich und teilweise auch unzureichend behoben wor-
den. Immerhin gibt es mittlerweile eine Arbeitseinheit
zur Korruptionsprävention sowie ein Frühwarnsystem
für einen möglichen Missbrauch.
Die deutschen Auslandsvertretungen haben jedoch
bisher noch immer nicht die Möglichkeit, bei allen An-
trägen die an einem solchen Antrag beteiligten Personen
gezielt auf rechtswidriges Verhalten im Zusammenhang
mit einem Visumverfahren oder mit sonstigem Aus-
landsbezug zu überprüfen.
Hinzu kommt, dass den Auslandsvertretungen in der
Regel nur die von ihnen selbst erkannten Missbrauchs-
fälle auch bekannt sind. Erkenntnisse anderer Stellen,
wie auch die Erkenntnisse anderer deutscher Auslands-
vertretungen und Grenzbehörden erfahren sie nur zufäl-
lig oder auf Nachfrage im Einzelfall. Oftmals liegen die
Kriterien für die Ablehnung eines Antrages jedoch ge-
rade nicht in der Person des Antragstellers, sondern viel-
mehr in der Person des Einladers begründet. Dies kann
jedoch erst durch gezogene Quervernetzungen infolge
eines Datenabgleichs mit problematischen anderen
Visumantragstellern bei anderen Auslandsvertretungen
belegt werden.
Angesichts von jährlich mehr als einer Million bewil-
ligter Visumanträge mögen die bisher festgestellten
Missbräuche von mehreren Hundert Fällen pro Jahr zwar
quantitativ nicht besonders ins Gewicht fallen. Die Er-
kenntnisse der Sicherheitsbehörden belegen jedoch eine
starke qualitative Relevanz.
So befinden sich unter den aufgedeckten Fällen der
letzten Jahre nicht nur Verbrechen des Menschen- und
Kinderhandels, sondern vor allem auch „Einschleusun-
gen“ von islamistischen Hass- und Gewaltpredigern
nach Deutschland. Sie nutzen Deutschland vornehmlich,
um für finanzielle und personelle Unterstützung für ihre
extremistischen und terroristischen Aktivitäten zu wer-
ben.
Die christlich-liberale Koalition hat sich daher darauf
verständigt, über die bestehenden Sicherheitsmaßnah-
men hinaus weitergehende gesetzliche Maßnahmen zur
Bekämpfung des Visummissbrauchs und zur Verhinde-
rung von illegaler Migration zu ergreifen.
Zukünftig werden in einer Warndatei zentral Daten
über Personen gespeichert, die im Zusammenhang mit
einer der für das Visumverfahren relevanten Katalog-
straftaten nach dem Aufenthaltsgesetz und dem
Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz oder im Zusammen-
hang mit Schleusung, Menschen- und Kinderhandel oder
schwersten Betäubungsmitteldelikten auffällig gewor-
den sind.
Der Deliktskatalog ist mit Blick auf den mit der Visa-
Warndatei verfolgten Zweck der Vermeidung des
Visummissbrauchs auf wenige Straftaten beschränkt, die
einen besonderen Bezug zum Visumverfahren oder ei-
nen entsprechenden sonstigen Auslandsbezug aufwei-
sen.
Ein Zugriff von Sicherheitsbehörden auf diese Datei
wird – abgesehen von den mit der polizeilichen Kon-
trolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragten
Behörden für die Erteilung von Ausnahmevisa und die
Rücknahme von Visa an den Grenzen – nicht möglich
sein. Aus sicherheitspolitischen Erwägungen hätte man
sich sicher auch einen größeren Zugriff durch die natio-
nalen Sicherheitsbehörden auf die Visa-Warndatei an
dieser Stelle vorstellen können.
Mit dem ebenfalls beschlossenen Datenabgleichsver-
fahren wird den sicherheitspolitischen Interessen im
Visumverfahren jedoch zumindest in Bezug auf die Be-
kämpfung des internationalen Terrorismus Rechnung ge-
tragen. Für das neue Datenabgleichsverfahren wird beim
Bundesverwaltungsamt eine besondere Organisa-
14986 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 126. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 21. September 2011
(A) (C)
(D)(B)
tionseinheit eingerichtet, bei der künftig Daten aus dem
Visumverfahren mit bestimmten Daten aus der Anti-
terrordatei automatisiert abgeglichen werden. Durch den
Abgleich soll eine Rückmeldung durch Sicherheitsbe-
hörden an die Visumbehörden ermöglicht werden, wenn
Personen aus dem terroristischen Umfeld beabsichtigen,
nach Deutschland einzureisen.
Der vorliegende Gesetzentwurf stellt somit im Ergeb-
nis einen weiteren wichtigen Baustein der christlich-li-
beralen Koalition im Kampf gegen den Terrorismus und
die organisierte Kriminalität dar.
Rüdiger Veit (SPD): Ein Teil der Vorgeschichte zu
diesem Gesetzgebungsprojekt liegt schon in der letzten
Legislaturperiode. CDU/CSU und SPD hatten damals in
der Koalitionsvereinbarung festgehalten: „Die Bundes-
regierung wird sich auf europäischer Ebene dafür einset-
zen, das für 2006 geplante EU-Visa-Informationssystem
entsprechend auszugestalten. Sollten diese Bemühun-
gen bis dahin nicht erfolgreich sein, wird eine nationale
Warndatei geschaffen werden“. Diese europäische Rege-
lung, nämlich die VIS-VO ist dann aber im Juli 2008 in
Kraft getreten und anschließend in der Praxis umgesetzt
worden. Aus heutiger Sicht mag es ein Fehler gewesen
sein, dass ich damals als Berichterstatter und Verhand-
lungsführer auf der Seite der SPD das Gesetzesvorhaben
einer nationalen Einlader- und Warndatei damit nicht so-
fort, sondern erst in buchstäblich letzter Minute am
Freitag vor der Kabinettssitzung aufgehalten habe. In
meiner eigenen Fraktion bestanden schon damals – ins-
besondere bei der vormaligen Justizministerin Brigitte
Zypries – und bestehen noch heute erhebliche Bedenken
datenschutzrechtlicher Art, die ich zunächst nicht ernst
genug genommen hatte. Spätestens im Bundesrat wären
wir seinerzeit mit dem Projekt sowieso an der FDP ge-
scheitert, die sich anders als heute diesem Gesetzesvor-
haben entgegenstellte.
Für den damaligen Anlauf ebenso wie für den jetzt
vorgelegten Gesetzentwurf gilt aber, dass der zu erwar-
tende Nutzen und der zu befürchtende Schaden – ganz
zu schweigen von dem unnötigen Aufwand – in keinem
vernünftigen Verhältnis zueinander stehen. Denn der
Anwendungsbereich der europäischen Norm erfasst
zwar nur die – kurzfristigen – Schengen-Visa; diese ma-
chen aber der Visa-Statistik des Auswärtigen Amtes zu-
folge 93 Prozent aller Fälle aus. Bei den noch verblei-
benden 7 Prozent handelt es sich um die langfristigen
nationalen Visa gemäß § 6 Abs. 4 des Aufenthaltsgeset-
zes. Bei diesen Fällen erfolgt naheliegenderweise eine
ohnehin wesentlich eingehendere Prüfung des Aufent-
haltszwecks – zum Beispiel Arbeitsaufnahme oder Fa-
miliennachzug – und unter Beteiligung auch der Auslän-
derbehörden, aus deren Akten im Zweifelsfall mehr
Sachverhalt und Begleitumstände ersichtlich sind, als sie
legitimerweise in einer Datei gespeichert werden kön-
nen. Dabei wird man auch dem Sachbearbeiter des Aus-
wärtigen Amtes die Durchsicht des Bundeszentralregis-
ters, zu dem er bereits jetzt Zugriff hat, in Bezug auf
einschlägige strafrechtliche Verurteilungen weiterhin zu-
muten können. Das heißt, es braucht auch keine geson-
derten Arbeitserleichterungen für die Bediensteten in
den Auslandsvertretungen durch eine neu zu schaffende
Datei.
Was also im Wesentlichen durch eine eigene deutsche
Visa-Warndatei erreicht würde, wäre ganz überwiegend
eine unseres Erachtens unzulässige Doppelspeicherung
von Daten mit großem Aufwand und ohne nennenswer-
ten zusätzlichen Nutzen. Und bei denjenigen, die sich
mit gezielten Angaben und Nachweisen um ein länger-
fristiges Visum bemühen, handelt es sich nun sicherlich
nicht gerade um den Personenkreis derjenigen, die sich
um eine Einreise nach Deutschland bzw. in den Schen-
genraum bemühen, um hier zum Beispiel Straftaten zu
begehen oder einer illegalen Beschäftigung nachzuge-
hen. Damit gilt der alte Satz von Charles-Louis Montes-
quieu: Wenn es nicht unbedingt notwendig ist, ein Ge-
setz zu erlassen, ist es unbedingt notwendig, ein Gesetz
nicht zu erlassen.
Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP): Derzeit haben
deutsche Behörden nicht die Möglichkeit, bei Visuman-
trägen die beteiligten Personen auf rechtswidriges Ver-
halten im erforderlichen Ausmaß zu überprüfen. Schon
in der 15. Wahlperiode wurde im Bundestag eine Visa-
Warndatei als Mittel zur Unterstützung unserer Behör-
den für sinnvoll erachtet. Es war auch damals klar, dass
das Visa-Verfahren die Einreise von Schwerstkriminel-
len verhindern soll. Deshalb musste eine Lösung her, die
sowohl den Bedürfnissen des internationalen Reisever-
kehrs, der Abwehr von Verbrechern, aber auch dem Da-
tenschutz und den Anforderungen an ein rechtsstaatli-
ches Verfahren gerecht wird.
Die Koalition aus FDP und Union wird nun diese
Visa-Warndatei schaffen. Die Koalition ist handlungsfä-
hig, und im Gegensatz zur SPD bringen wir die Rechts-
staatlichkeit erhöhende Gesetzgebungsverfahren zum
Abschluss.
Der Visa-Missbrauch wird durch diese Datei einge-
dämmt werden; die Rechtssicherheit für die Anwender
wird erhöht.
Die am Visumantrag beteiligten Personen sollen ge-
zielt auf rechtswidriges Verhalten im Zusammenhang
mit Delikten mit Terrorismusbezug, Menschenhandel,
Straftaten nach dem Aufenthaltsgesetz oder dem
Schwarzarbeitbekämpfungsgesetz überprüft werden.
Durch die Einführung der Visa-Warndatei werden die
Visumsbehörden in ihrer Arbeit unterstützt: Bisher ha-
ben Auslandsvertretungen lediglich separat Daten über
die am Visumverfahren beteiligten Personen gespei-
chert. Im Verdachtsfall müssen diese dann jeweils bei
einzelnen anderen Auslandsvertretungen oder Behörden
nachfragen.
Die Visa-Warndatei hilft, diese Lücke zu schließen:
Dort werden zentral die Daten von Personen gespeichert
werden, die rechtskräftig wegen Straftaten mit Bezug
zum Visumverfahren oder sonstigem Auslandsbezug
verurteilt wurden; darunter fallen schwere Straftaten,
insbesondere Menschenhandel und Verstöße gegen das
Schwarzarbeitbekämpfungsgesetz.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 126. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 21. September 2011 14987
(A) (C)
(D)(B)
Weiter werden am Visumverfahren beteiligte Perso-
nen etwa Antragsteller und Einlader, gespeichert, wenn
sie falsche Angaben gemacht haben oder ihren gesetzli-
chen Verpflichtungen nicht nachkommen.
Der FDP ist in diesem Zusammenhang der zurückhal-
tende Umgang mit Datentransfers wichtig: Die Daten-
speicherung ist auf das Nötigste begrenzt: Gespeichert
wird nur ein Datensatz pro Person bzw. Organisation,
nicht jeder einzelne Visumantragsvorgang. Das ist geeig-
net, erforderlich und angemessen.
Die Speicheranlässe sind eng umgrenzt und abschlie-
ßend numerisch aufgezählt. Die zugriffsberechtigten Be-
hörden sind nur die am Visumverfahren beteiligten
Behörden: Auswärtiges Amt, Auslandsvertretungen,
Ausländerbehörden und Behörden, die mit der polizei-
lichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs
beauftragt sind. Die Informationen in der Visa-Warn-
datei dienen den Behörden für die Sachverhaltsaufklä-
rung und ermöglichen ihnen eine umfassende Sachver-
haltsbewertung.
Eine Speicherung hat nicht automatisch die Ableh-
nung eines Visumantrags zur Folge, vielmehr soll der
betroffenen Behörde eine alle wichtigen Aspekte umfas-
sende Ermessensentscheidung ermöglicht werden. Sie
muss wissen, an welcher Stelle sie weiter nachfragen
muss.
Die Rechte der Betroffenen sind zentral berücksich-
tigt durch Protokollierungs-, Datensicherungs- und Lö-
schungsvorschriften sowie den Auskunftsanspruch. In
Ergänzung zu dieser Visa-Warndatei wird eine Organisa-
tionseinheit beim Bundesverwaltungsamt geschaffen,
wo einzelne Daten von Personen aus dem Visumverfah-
ren mit einem sehr eng begrenzten Teilbereich der Anti-
terrordatei abgeglichen werden. Damit sind auch Top-
gefährder identifizierbar. Durch dieses Vorgehen kann
sicherheitsrelevanten Interessen Rechnung getragen
werden, ohne durch einen unkontrollierten Datenab-
gleich unverhältnismäßig in die Schutzrechte der Betrof-
fenen einzugreifen.
Eine anlasslose Speicherung der Daten findet nicht
statt. Vielmehr wird ein besonderes Verfahren eingerich-
tet: Wenn beim Abgleich an neutraler Stelle festgestellt
wird, dass die betreffende Person in der Datei gespei-
chert ist, wird die Sicherheitsbehörde, die die Daten ein-
gestellt hat, darüber informiert. Das bedeutet „Rechts-
staatlichkeit durch Verfahren“.
Freiheit und Sicherheit mit menschlichem Gesicht in
einer Gesellschaft des Miteinanders: Das ist das Leitbild
für die innenpolitischen Herausforderungen der nächsten
Jahre. Der vorliegende Gesetzentwurf wird dem auf vor-
bildliche Weise gerecht. Wir erleichtern so den für ein
weltoffenes Industrieland wie Deutschland unverzicht-
baren internationalen Reiseverkehr und stärken zugleich
die Sicherheit unseres Landes – ohne ausufernde Daten-
erfassung.
Die FDP in der gemeinsamen Koalition sorgt dafür,
dass Freiheit und Sicherheit in einem angemessenen,
ausgewogenen Verhältnis bleiben.
Ulla Jelpke (DIE LINKE): Die Bundesregierung will
die datentechnische Durchleuchtung von Ausländerin-
nen und Ausländern weiter ausbauen und legt einen Ge-
setzentwurf für eine Visa-Warndatei vor.
Dabei sind Ausländerinnen und Ausländer bereits
heute diejenigen, die am stärksten durchleuchtet werden.
Es existiert eine Unmenge von Dateien, die gezielt und
ausschließlich für Nichtdeutsche geschaffen wurden:
Seit 15 Jahren existiert das Ausländerzentralregister in
Köln. Diese Datenbank enthält über 23 Millionen Daten
von Ausländerinnen und Ausländern, zum Teil noch
Jahre über ihren Aufenthalt in Deutschland hinaus. Die
Fingerabdrücke von Asylantragstellern werden ebenfalls
in einer zentralen Datei erfasst. Auf beide Dateien haben
sämtliche Polizeibehörden Zugriff. Delikte im Bereich
Einreise und Aufenthalt von Ausländerinnen und Aus-
ländern, Fälschung und Vorlage von ge- und verfälsch-
ten Dokumenten im Visumverfahren, im Bereich
Schwarzarbeit – zu alldem gibt es in Deutschland Da-
teien. Die Vorgänge zu jedem Visumverfahren werden
bei den Botschaften und den zuständigen Ausländerbe-
hörden gespeichert. Im November dieses Jahres startet
das Visa-Informationssystem der EU, in dem sämtliche
Visumverfahren auch zentral erfasst werden. Wer ein
Visum beantragt, einen Ausländer einlädt oder als Bürge
garantiert, dass aus seinem Aufenthalt keine Kosten ent-
stehen, ist in einer oder mehreren Dateien erfasst.
Der Bundesregierung reicht das nicht, sie will nun
auch noch die sogenannte Visa-Warndatei. Zu jedem
Visumverfahren sollen alle beteiligten Personen gespei-
chert werden, also die einzuladenden Gäste, die Einlader
und die Bürgen, außerdem noch sogenannte relevante
Personen, ein völlig unklarer und im Gesetz nicht defi-
nierter Begriff. Sie sollen gespeichert werden, wenn es
aus Sicht der Behörden zu Unregelmäßigkeiten kommt.
Dabei geht es nicht nur um die Vorlage von gefälschten
Dokumenten oder den illegalen Verbleib im Bundesge-
biet über die Gültigkeitsdauer des Visums hinaus. Schon
die unverschuldete Verletzung der Verpflichtungen aus
der Bürgschaft für den ausländischen Besucher führt zur
Speicherung. Auch falsche Angaben im Visumverfahren
führen zur Erfassung; auch hier spielt der Vorsatz keine
Rolle. Die Konsequenz: Der oder die Betroffene wird
auf Jahre hinaus keine Verwandten oder Freunde aus
dem Ausland einladen können. Selbst wer unwissentlich
und ohne bösen Vorsatz im Visumverfahren falsche An-
gaben macht, muss mit dieser Konsequenz rechnen. Im
Gesetzentwurf ist nicht vorgesehen, die Betroffenen über
ihre Speicherung zu informieren. Ein wirksamer Rechts-
schutz ist also nicht möglich.
Die Bundesregierung ist bislang jeden Beweis schul-
dig geblieben, dass die Einrichtung einer solchen Visa-
Warndatei wirklich notwendig ist. Ein paar Zahlen dazu:
Im vergangenen Jahr hat die Bundespolizei in 1 686 Fäl-
len den Verdacht gehabt, dass sich jemand rechtswidrig
einen Aufenthaltstitel beschafft haben könnte. Das sind
bei über 2 Millionen erteilten Visa weniger als 1 Pro-
mille. Selbst unter Annahme eines großen Dunkelfeldes
ist die Durchleuchtung aller Visumantragsteller, Einlader
und Bürgen schlicht unverhältnismäßig. Alle Zahlen, die
die Union in diesem Zusammenhang in den Raum stellt,
14988 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 126. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 21. September 2011
(A) (C)
(D)(B)
sind schlicht aus der Luft gegriffen und durch nichts be-
legt.
Auch der geplante Abgleich der Daten der Visuman-
tragsteller mit der Antiterrordatei ist überflüssig und eine
reine Ressourcenverschwendung. Für eine Reihe von
Staaten gilt ohnehin, dass die Daten ihrer Bürger im
Visumverfahren mit den Erkenntnissen der Sicherheits-
behörden abgeglichen werden sollen. Die Datei des Bun-
deskriminalamtes, in der diese sogenannten Konsulta-
tionsverfahren erfasst werden, enthält mittlerweile
3,5 Millionen Vorgänge. Sie wurde 2009 eingerichtet. Es
ist nicht bekannt, ob dadurch in nur einem Fall die Ein-
reise einer möglicherweise gefährlichen Person verhin-
dert werden konnte. Ich vermute, das ist nicht der Fall –
sonst hätten die Sicherheitsbehörden das sicherlich an
die große Glocke gehängt.
Dieser Datenabgleich soll nun auf alle visumpflichti-
gen Staatsangehörigen ausgedehnt werden. Über Aus-
länderinnen und Ausländer wird also noch ein Datennetz
geworfen. Die Notwendigkeit einer solchen Durchleuch-
tung ist durch nichts belegt. Die Begründung des Gesetz-
entwurfs schweigt sich dazu komplett aus. Die von der
Bundesregierung geplante Rasterung aller Personen, die
einen Visumantrag für den Schengen-Raum stellen, egal
ob an einer deutschen oder der Botschaft eines anderen
EU-Staates, ist vollkommen unverhältnismäßig und ein
Datenmissbrauch auf breiter Front. Weder für die
Visumantragsteller noch die Einlader und Bürgen ist
nachvollziehbar, wer ihre Daten bekommt. Ich kann die
Koalition an dieser Stelle nur auffordern: Stoppen Sie
diesen Unsinn!
Memet Kilic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mit ih-
rem Gesetzentwurf möchte die Bundesregierung eine
Visa-Warndatei errichten. Darin sollen Daten von Vi-
sumantragstellern, Einladern und Verpflichtungsgebern
gespeichert werden, die in der Vergangenheit durch fest-
gestelltes missbräuchliches Verhalten im Zusammen-
hang mit Visumverfahren aufgefallen sind. Teile des Vi-
sumantrags sollen außerdem automatisch mit der Anti-
terrordatei abgeglichen werden.
Selbstverständlich unterstützen wir Grünen das Ziel
der Bundesregierung, Visummissbrauch und schwerer
Kriminalität mit Auslandsbezug entgegenzuwirken. Die
Regierung geht aber einen falschen und voreiligen Weg.
Aus vermeintlichen Sicherheitsgründen versucht sie, die
Rechte der am Visumverfahren Beteiligten zu unterlau-
fen. Sie missachtet das Grundrecht auf informationelle
Selbstbestimmung, das auch für Ausländerinnen und
Ausländer gilt und den Staat verpflichtet, personenbezo-
gene Daten sparsam zu erheben, und zwar nur dann,
wenn ein übergeordnetes öffentliches Interesse besteht.
Dass die von der Regierung vorgeschlagenen Maß-
nahmen erforderlich sind, um den Visummissbrauch ein-
zuschränken, leuchtet nicht ein. Im Gegenteil, die beste-
henden und bereits beschlossenen sicherheitsrechtlichen
Instrumentarien in diesem Bereich sind sehr wohl ausrei-
chend. Die in der geplanten Visa-Warndatei zu spei-
chernden Daten liegen überwiegend bereits in anderen
Datenbeständen vor, auf die die Visumbehörden Zugriff
haben, bzw. sie können in solchen Datenbeständen
erfasst werden. So sind sämtliche Tatbestände des
§ 2 Abs. 1 Nr. 1 bereits im Bundeszentralregister erfasst.
Die Tatbestände des § 2 Abs. 1 Nr. 2 gehören zu den Ver-
sagungsgründen, die im Visa-Informationssystem, VIS,
zu erfassen sind.
Die Bundesregierung versucht nicht einmal, zu erklä-
ren, warum die Errichtung einer Visa-Warndatei und der
Abgleich mit der Antiterrordatei notwendig sein sollen.
Vielmehr soll nach der Gesetzesbegründung erst nach
dreijährigem Bestehen der Warndatei eine Evaluierung
überprüfen, „ob sich die Speicherung von Daten, die be-
reits im vom Bundesamt für Justiz geführten Bundeszen-
tralregister zentral gespeichert sind, in der neu einge-
führten Datei als für die Erreichung des Zwecks des
Gesetzes notwendig erweist …“. Die Mitwirkung der
FDP, die sich mal als Bürgerrechtspartei verstanden hat,
an einer solchen Missachtung der Grundrechte ist der
blanke Hohn.
Es ist völlig unklar, warum die Bundesregierung mit
einem halbgaren Gesetzentwurf vorprescht, anstatt den
Beginn des Visa-Informationssystems abzuwarten, um
dann zu prüfen, ob weitere Maßnahmen überhaupt not-
wendig sind.
Noch viel problematischer als die Warndatei ist der
Vorschlag, ein neues Verfahren beim Bundesverwal-
tungsamt einzurichten, das jeden Visumantragsteller,
Einlader, Verpflichtungsgeber oder jede sonstige Refe-
renzperson automatisch mit bestimmten Einträgen in der
Antiterrordatei abgleicht. Bei Treffern sollen die Daten
an die Sicherheitsbehörden zur weiteren Prüfung über-
mittelt werden.
Anders als bei der Warndatei erfolgt ein Abgleich mit
der Antiterrordatei also nicht nur bei Personen, die in der
Vergangenheit auffällig geworden sind, sondern bei aus-
nahmslos allen Personen, die am Visumverfahren betei-
ligt sind und keinen Anlass für eine Überprüfung gege-
ben haben. Mit dieser Regelung werden friedliche
Menschen, die ihre Verwandten für einen Besuch einla-
den oder sich an internationalen Jugend-, Wissenschafts-
und Studierendenaustauschprogrammen beteiligen, pau-
schal als mögliche Terroristen verdächtigt. Es ist be-
zeichnend für die rückwärtsgewandte Politik der Bun-
desregierung, dass sie immer noch meint, Ausländer-
innen und Ausländer seien grundsätzlich ein Sicherheits-
risiko. Diese Einstellung wird sicherlich nicht dazu bei-
tragen, dass sich die gewünschten Hochqualifizierten
und ihre Familienangehörigen oder Touristen für
Deutschland entscheiden.
Abgesehen von der negativen Signalwirkung, die von
einer solchen Sicherheitsmaßnahme ausgeht, ist ein au-
tomatisierter Abgleich mit der Antiterrordatei auch nicht
notwendig. Das Aufenthaltsgesetz sieht bereits ein Ver-
fahren zur Überprüfung von Sicherheitsbedenken bei Vi-
sumantragstellern aus bestimmten Staaten vor. Dieses
sogenannte Konsultationsverfahren könnte auch auf die
Angehörigen weiterer Staaten ausgeweitet werden.
Unzureichend ist der Gesetzentwurf auch im Hinblick
auf den Schutz der Betroffenen vor falschen Eintragun-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 126. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 21. September 2011 14989
(A) (C)
(D)(B)
gen in der Visa-Warndatei. Das Recht auf informatio-
nelle Selbstbestimmung gebietet es zum einen, dass die
Betroffenen über die Speicherung ihrer Daten und ihr
Auskunftsrecht informiert werden; zum anderen müssen
ihnen Ansprüche auf Berichtigung und Löschung un-
richtiger Daten gewährt werden.
Das Ausländerrecht darf nicht länger als Polizeirecht
verstanden werden. Dieser Gesetzentwurf würde den
vielen friedlichen Menschen, die erfreulicherweise Inte-
resse an unserem Land haben, schaden. Das lehnen wir
Grünen ab. Dass sich die FDP, die in der letzten Wahlpe-
riode noch vehement gegen die Visa-Warndatei protes-
tiert hat, heute nicht zu schade ist, diese stigmatisierende
Datensammelwut der Unionsparteien zu unterstützen,
nur weil die Unionsparteien im Gegenzug auf die Inter-
netsperren verzichtet haben, ist bezeichnend für ihren
desolaten Zustand.
Anlage 90
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur
Aufhebung von Sperrregelungen bei der Be-
kämpfung von Kinderpornographie in Kommu-
nikationsnetzen (Tagesordnungspunkt 14)
Ansgar Heveling (CDU/CSU): Vielleicht ist für den
einen oder anderen heute hier vordergründig ein Tag des
stillen oder lauten Triumphs. Wir beraten in erster Le-
sung den Entwurf eines Gesetzes zur Aufhebung von
Sperrregelungen bei der Bekämpfung von Kinderporno-
grafie in Kommunikationsnetzen. Ich will nicht verheh-
len, dass meine Empfindungen zwiespältig sind, und es
mag nicht nur mir so gehen. Vor allem: Die bloße Besei-
tigung eines Gesetzes vermag diesen Zwiespalt nicht so
einfach zu beseitigen.
Zunächst einmal ist das Gesetz zur Erschwerung des
Zugangs zu kinderpornografischen Inhalten in Kommu-
nikationsnetzen ein Lehrstück, ein Lehrstück für vieles.
Es ist erstens ein Lehrstück dafür, was passiert, wenn
Gesetze im Zuständigkeitsgestrüpp einer Regierung
wachsen. Bei der Entstehung des Gesetzes hat seinerzeit
das eigentlich federführende Ministerium nicht die Feder
geführt. Ein anderes Ministerium hat sich dann die Zu-
ständigkeit aus der Verfassung konstruiert, und ein unzu-
ständiges Ministerium hat die Debatte beherrscht. Ich
scheue mich nicht, das hier so anzusprechen; denn am
Schluss des Prozesses hat sich eine Regierung ja auch als
Erste von diesem, ihrem Werk durch Nichtanwendung
distanziert. Und was bleibt? Am Ende bleibt die Er-
kenntnis, dass das insbesondere einem nicht gedient hat:
der Sache selbst.
Das Gesetz ist zweitens ein Lehrstück dafür, wie aus
der Umdeutung von Begriffen, aus der Umwertung von
Werten, politische Kampfinstrumente werden. Rasch be-
kam die öffentliche Diskussion einen Spin, der gar
nichts mit dem Thema Kinderpornografie zu tun hat.
Das Stichwort Zensur rückte in den Vordergrund. Dieser
Begriff sollte fortan die Diskussion beherrschen. Man
mag an dem Gesetz vieles kritisieren, vieles auch zu
Recht, aber mit Zensur hat es überhaupt gar nichts zu
tun. Und es bleibt für mich die bange Frage: Welches
Staats- und Gesellschaftsbild haben diejenigen im Kopf,
die mit Verve „Zensur“ gebrüllt haben, um das Gesetz zu
Fall zu bringen? Denn da geht es denjenigen ja wohl um
mehr als um die Frage der Tauglichkeit des Mittels Inter-
netsperren. Es geht um die grundsätzliche Haltung zu
staatlichen Eingriffen zur Abwehr von Straftaten. Ge-
setzmäßigkeit, Rechtschutzgarantie und Verhältnismä-
ßigkeit, also Geeignetheit, Erforderlichkeit und Ange-
messenheit, sind die klassischen Instrumente des
Rechtsstaats zur Limitierung von Eingriffen. Wer diese
Mechanismen aufgeben möchte, redet entweder dem
überstarken Staat das Wort oder einem Staat, für den un-
ter dem Diktum vorgeblicher Freiheit der Ausgleich di-
vergierender Grundrechte – etwa die Schutzpflicht ge-
genüber den Bürgerinnen und Bürgern, für deren
Sicherheit zu sorgen – gleichgültig zu sein hat. Das aber
ist meiner Ansicht nach ein Verständnis von Freiheit, das
mit der Gefahr behaftet ist, sich in letzter Konsequenz
gegen sie selbst zu richten. Mich besorgt das, und ich
hoffe, dass ich mit dieser Sorge nicht alleine stehe.
Wie sehr im Übrigen das Zensurargument tönend Erz
ist, zeigt ein Blick auf die Polizeigesetze der Länder, die
das Sperren von Internetseiten bisher, jetzt und auch in
Zukunft auf gesetzlicher Grundlage zur Gefahrenabwehr
erlauben. Sie erlauben es, weil es ein ganz normales Mit-
tel zur Gefahrenabwehr darstellt, sofern es auf rechts-
staatlicher Grundlage erfolgt. Und das sind keine chine-
sischen Verhältnisse!
Drittens ist das Gesetz ein Lehrstück für politische
Halbwertszeiten – auf allen Seiten. Die SPD – ich habe
seinerzeit in verschiedenen Reden die damaligen Einlas-
sungen der Kolleginnen und Kollegen bereits genüsslich
zitieren dürfen – hat mit dem Verlassen der Großen
Koalition offensichtlich auch ihre Haltung zum Gesetz
zur Erschwerung des Zugangs zu kinderpornografischen
Inhalten in Kommunikationsnetzen sehr schnell hinter
sich gelassen. Aber auch die Koalition hat sich schon im
Koalitionsvertrag, um es vorsichtig zu formulieren,
durch einen Formelkompromiss von einem geltenden
Gesetz distanziert. Aus legislativer Sicht ist das eine be-
denkliche Situation. Hier wird ein über ein Jahr währen-
der Konflikt zwischen Gesetzeslage und mangelnder Ge-
setzesanwendung durch Aufhebung des Gesetzes gelöst.
Wenn in solchen Konflikten stets die Legislative vor der
Exekutive durch die Beseitigung von Gesetzen zurück-
weichen würde, dann wäre dies sicherlich eine Bankrott-
erklärung des demokratischen, auf Gewaltenteilung ba-
sierenden Rechtsstaats. Was wir heute tun, darf daher
keine Schule machen.
Schließlich: Was bleibt übrig? Ein sicherlich nicht op-
timales Gesetz wird aufgehoben. Das Problem indessen
bleibt nach wie vor nicht gelöst. Nach wie vor sind die
Löscherfolge ausgesprochen dispers. So finden sich im
ersten Halbjahr des Jahres 2011 einige Monate, in denen
über 80 Prozent der identifizierten Seiten innerhalb einer
Woche gelöscht werden konnten. Ebenso gibt es aber
auch Monate, in denen nur rund 30 Prozent der Seiten
gelöscht wurden. Im Durchschnitt gelingt es, bei knapp
14990 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 126. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 21. September 2011
(A) (C)
(D)(B)
über 60 Prozent der Seiten eine Löschung innerhalb der
ersten Woche zu veranlassen. Damit sind aber immer
noch 40 Prozent der Seiten nach einer Woche verfügbar.
Das alles zeigt: Nach wie vor mangelt es an einer
wirksamen Gesamtstrategie zur Bekämpfung von Kin-
derpornografie in Kommunikationsnetzen. Ich möchte
nicht verschweigen, dass sich im vergangenen Jahr hier
eine Menge bewegt hat, nicht zuletzt was die Zusam-
menarbeit von staatlichen Stellen und Selbstregulie-
rungseinrichtungen der Internetwirtschaft angeht. Das ist
ausdrücklich positiv zu bewerten.
Aber gerade in grundrechtssensiblen Bereichen kann
nicht bloß eine gut funktionierende Zusammenarbeit von
Behörden und privaten Einrichtungen Maßstab sein. Das
genügt den rechtsstaatlichen Vorgaben nicht, und zwar
nicht nur im Hinblick auf die Bereitstellung von Ein-
griffsmöglichkeiten, sondern auch ebenso mit Blick auf
deren Limitierung. Daher ist das pure Aufheben des Ge-
setzes zur Erschwerung des Zugangs zu kinderpornogra-
fischen Inhalten in Kommunikationsnetzen aus Sicht der
CDU/CSU-Fraktion zu wenig.
In der weiteren Beratung des vorliegenden Gesetzent-
wurfes sollten wir daher folgende Überlegungen mitei-
nander diskutieren.
Zum einen sollten wir darüber nachdenken, ob wir zu-
mindest die Evaluierungspflicht hinsichtlich des Löschens
weiter gesetzlich konstituiert lassen. Ich habe es eben
schon ausgeführt: Die Löschergebnisse sind ausgespro-
chen dispers. Unserer Ansicht nach täten wir gut daran,
wenigstens hierauf auch weiterhin ein wachsames Auge
zu haben. Denn wie ebenfalls bereits gesagt: Nach wie
vor ist eine Gesamtstrategie zur Bekämpfung von Kin-
derpornografie nicht oder nur in Ansätzen zu erkennen.
Wir halten hier die Vorschläge des Bundesrates aus-
drücklich für bedenkenswert.
Zum anderen: Es wäre gut, eine ausdrückliche Zu-
ständigkeitsregelung für das BKA im Hinblick auf die
Bekämpfung der internationalen Kinderpornografie im
Sinne des § 184 b StGB gesetzlich festzuschreiben. Der-
zeit wird diese Zuständigkeit allein aus der Zentralstel-
lenfunktion des BKA abgeleitet. Damit wird das BKA
allein aufgrund der Entscheidung der Exekutive tätig.
Hier ist unserer Ansicht nach aber der Gesetzgeber ge-
fordert. Wenn die von allen Fraktionen stets wiederhol-
ten Beteuerungen, wir sollten den Kampf gegen Kin-
derpornografie mit dem Mittel des Löschens konsequent
fortführen, wirklich ernst gemeint ist, reicht das Aufhe-
ben eines Sperrgesetzes eben nicht. Denn einen Lösch-
auftrag suchen wir im Bundesrecht weit und breit verge-
bens. Wir sollten daher festlegen, wozu eine
Polizeibehörde zuständig ist und wozu nicht. Mit dem
vorliegenden Gesetzentwurf könnten wir daher bei-
spielsweise eine Ergänzung des BKA-Gesetzes vorneh-
men.
Die Aufhebung des Gesetzes zur Erschwerung des
Zugangs zu kinderpornografischen Inhalten in Kommu-
nikationsnetzen steht an. Doch die Herausforderung
bleibt. Wie können wir wirksam gegen Kinderpornogra-
fie in einem Medium vorgehen, das keine Grenzen
kennt? Die Aufhebung eines Gesetzes gibt darauf leider
keine Antwort.
Lars Klingbeil (SPD): Besser spät als nie! Wir bera-
ten heute in erster Lesung den Gesetzentwurf der Bun-
desregierung zur Aufhebung der Netzsperren. Um es
vorweg zu sagen: Es ist gut, dass sich nunmehr – nach
über drei Jahren Debatte und zwei Jahre nach der Verab-
schiedung des Zugangserschwerungsgesetzes – alle
Fraktionen im Deutschen Bundestag und auch die Bun-
desregierung einig sind, dass Internetsperren wenig ef-
fektiv, ungenau und technisch ohne größeren Aufwand
zu umgehen sind. Internetsperren können damit keinen
wesentlichen Beitrag zur Bekämpfung der Kinderporno-
grafie leisten und schaffen zudem eine Infrastruktur, die
grundsätzliche Bedenken hervorruft und verfassungs-
rechtlich problematisch ist.
Die Regierungsfraktionen hatten in ihrem Koalitions-
vertrag vereinbart, das Zugangserschwerungsgesetz zu-
nächst für ein Jahr nicht anzuwenden. Dementsprechend
wurde das BKA durch Erlass des Bundesministeriums
des Inneren aufgefordert, den „in § 1 Abs. 2 ZugEr-
schwG eingeräumten Beurteilungsspielraum dahin ge-
hend zu nutzen, dass keine Aufnahme in Sperrlisten er-
folgt und Zugangssperren unterbleiben“. Einen solchen
Beurteilungsspielraum gibt es aber nicht, und von daher
kann diese Anordnung der Nichtanwendung eines Geset-
zes durch Ministererlass durchaus als Verstoß gegen den
Grundsatz des Vorrangs des Gesetzes, Art. 20 Abs. 3 GG,
bewertet werden. Die SPD-Bundestagsfraktion hat diese
verfassungsrechtlichen Bedenken immer wieder deutlich
gemacht. Auch die öffentliche Anhörung des Rechtsaus-
schusses zum Thema hat diese Bedenken aus unserer
Sicht eindeutig bestätigt.
Die Bundesregierung begründet ihren nun vorgeleg-
ten Gesetzentwurf wie folgt: „Die Möglichkeiten einer
intensiven Zusammenarbeit zwischen Polizeibehörden
und nicht staatlichen Einrichtungen wie Selbstregulie-
rungsorganisationen der Internetwirtschaft und Nichtre-
gierungsorganisationen wurden in jüngster Zeit weiter
genutzt, um national und international eine schnellst-
mögliche Löschung der Inhalte zu erreichen. Dieses Vor-
gehen hat sich als erfolgreich erwiesen, so dass Sperr-
maßnahmen nicht erforderlich sind. Das Gesetz zur
Erschwerung des Zugangs zu kinderpornografischen In-
halten in Kommunikationsnetzen (Zugangserschwe-
rungsgesetz – ZugErschwG) wird daher aufgehoben.“
Zu möglichen Alternativen ihres Gesetzentwurfes gibt
die Bundesregierung den bemerkenswerten Hinweis:
Keine.
Alternativen liegen seit Anfang 2010 vor. Die SPD-
Bundestagsfraktion hat ihre Zustimmung zu diesem Ge-
setz im Jahr 2009 als Fehler eingeräumt und im Februar
2010 einen Gesetzentwurf zur Aufhebung des Gesetzes
zur Bekämpfung der Kinderpornografie in Kommunika-
tionsnetzen eingebracht. Es war die Koalition, die immer
wieder verhindert hat, dass dieser Gesetzentwurf und die
vergleichbaren Gesetzentwürfe der anderen Opposi-
tionsfraktionen auf die Tagesordnungen im Plenum und
der Ausschüsse gesetzt wurde. Am 25. Oktober 2010 hat
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 126. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 21. September 2011 14991
(A) (C)
(D)(B)
der Unterausschuss Neue Medien auf Antrag der
SPD-Fraktion ein Expertengespräch zu den Gesetzent-
würfen der Opposition zur Aufhebung des Zugangser-
schwerungsgesetzes und hierbei insbesondere zu den
technischen und organisatorischen Fragen und Proble-
men bei der Löschung von Kindesmissbrauchsdarstel-
lungen im Internet durchgeführt. Hierbei wurde überaus
deutlich, dass es große Erfolge bei der Durchsetzung der
Löschung und vor allem deutliche Verbesserungen bei
der Zusammenarbeit zwischen dem BKA, den Be-
schwerdestellen und den Selbstkontrolleinrichtungen
gibt, vor allem mit Blick auf das direkte Zugehen auf die
Hostprovider im Ausland. Einhellige Feststellung bei
diesem Expertengespräch war, dass Internetsperren kein
geeignetes Instrument zur Bekämpfung von Kinderpor-
nografie sein und bestenfalls Symbolpolitik darstellen
können, zugleich aber eine Infrastruktur schaffen, die
bedenklich ist und die missbraucht werden kann. Am
10. November 2010 hat der federführende Rechtsaus-
schuss eine öffentliche Anhörung zu den Gesetzentwür-
fen der Opposition zur Aufhebung des Zugangserschwe-
rungsgesetzes durchgeführt. Auch hier wurde von der
überwiegenden Mehrzahl der geladenen Sachverständi-
gen festgestellt, dass das Gesetz verfassungsrechtlich zu-
mindest bedenklich ist und keinen Beitrag zur Bekämp-
fung der Kinderpornografie in Kommunikationsnetzen
leisten kann.
Immerhin ein knappes Jahr nach der Anhörung des
federführenden Rechtsausschusses legt die Bundesregie-
rung nun endlich ihr Aufhebungsgesetz vor und schlägt
– wie die Gesetzentwürfe der Opposition – vor, dass das
Zugangserschwerungsgesetz ersatzlos aufgehoben wer-
den soll. Dies ist richtig und findet unsere Zustimmung,
allerdings kommt diese Einsicht sehr spät. Auf jeden
Fall ist zu begrüßen, dass das Instrument der verfas-
sungsrechtlich bedenklichen und zur Verfolgung von
Straftaten untauglichen Netzsperren abgeschafft wird,
und es ist – angesichts vergleichbarer Forderungen bei-
spielsweise bei Urheberrechtsverletzungen – zu hoffen,
dass die Bundesregierung sich damit hoffentlich voll-
ständig von der Absicht, eine solche Sperrinfrastruktur
aufbauen zu wollen, verabschiedet.
Bedauerlich ist, dass – weil die Bundesregierung sich
seit ihrem Amtsantritt und trotz entsprechender öffent-
lichkeitswirksamer Ankündigungen in ihrem Koalitions-
vertrag nicht auf eine gemeinsame Linie hat verständi-
gen können – es keine wirklich unabhängige Evalu-
ierung gegeben hat, denn nur so hätte man noch beste-
hende Defizite bei der Durchsetzung der Löschung auf-
zeigen können. Daher ist es bis heute so, dass es zwar
überdeutliche Verbesserungen bei der Löschung entspre-
chender Inhalte in kürzester Zeit gibt, dass aber zugleich
nach wie vor erhebliche Differenzen zwischen den Zah-
len des BKA und den Selbstregulierungseinrichtungen
vorliegen. Aufgrund ihrer internen Differenzen ist die
Bundesregierung hier zwei Jahre lang untätig geblieben,
sodass eine unabhängige Evaluation leider immer noch
aussteht. Aus diesem Grund hat auch der Bundesrat in
seiner Stellungnahme eine Änderung des Gesetzentwur-
fes gefordert und einen Evaluierungsbericht gefordert,
um möglicherweise erneut auftretende Schutzlücken
rechtzeitig erkennen zu können.
Problematisch ist zudem, dass – trotz zweijährigen
Wartens – viele der Verabredungen zur besseren Zusam-
menarbeit zwischen BKA und den Beschwerdestellen
und den Selbstkontrolleinrichtungen lange gar nicht
greifen konnten, weil das diesbezügliche „Harmonisie-
rungspapier zum zukünftigen Umgang mit Hinweisen
auf kinderpornografische Webseiten beim BKA, den
deutschen Beschwerdestellen (eco e.V., FSM e.V., ju-
gendschutz.net) sowie der BPjM“ – welches seit dem
Frühjahr 2010 vorlag – erst im März 2011 unterzeichnet
wurde. Besser spät als nie: Wir begrüßen es dennoch
ausdrücklich, dass diese Vereinbarung nunmehr endlich
unterzeichnet wurde und in Kraft getreten ist. Mit die-
sem Harmonisierungspapier wurden einheitliche Verfah-
ren vereinbart, um eine Löschung derartiger Inhalte tat-
sächlich durchzusetzen. Von entscheidender Bedeutung
– auch das ein zentrales Ergebnis der parlamentarischen
Beratungen unserer Gesetzentwürfe – ist dabei die Tatsa-
che, dass diese Stellen über ihrer Partnerorganisationen
oder auch direkt den Kontakt mit den jeweiligen Host-
providern im Ausland aufnehmen, weil hierbei am
schnellsten und effektivsten eine Löschung erreicht wer-
den kann.
Das Fazit lautet daher: Internetsperren sind zur wirk-
samen Bekämpfung der Darstellung von Kindesmiss-
brauch im Internet – wie auch zur Verfolgung anderer
Straftaten – nicht geeignet. Von daher werden wir natür-
lich der ersatzlosen Aufhebung des Zugangserschwe-
rungsgesetzes zustimmen.
Aber dabei allein darf es nicht bleiben: Es bedarf viel-
mehr der Weiterentwicklung von effektiven Bekämp-
fungsstrategien, um die Löschung derartiger Angebote
im Internet auf der Grundlage des geltenden Rechts
durchzusetzen. Zur Bekämpfung der Verbreitung von se-
xueller Gewalt und Ausbeutung von Kindern und Ju-
gendlichen im Internet sind eine verbesserte technische
und personelle Ausstattung der Polizeibehörden, die
Einrichtung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften so-
wie die Verbesserung der Zusammenarbeit auf nationaler
und insbesondere auf internationaler Ebene erforderlich,
um die Löschung kinderpornografischer Netzinhalte
zeitnah und effektiv durchzusetzen und eine konse-
quente Strafverfolgung zu erreichen. Auch all dies hat
die SPD-Bundestagsfraktion und haben die anderen Op-
positionsfraktionen in den letzten beiden Jahren einge-
fordert, und auch hierzu stehen die Konzepte der Bun-
desregierung aus. Wir werden weiter auf die Vorlage
einer entsprechenden Strategie drängen.
Die hitzigen und aufgeregten Debatte um die Netz-
sperren im Bundestagswahlkampf 2009, die erfolgreiche
Petition zur Aufhebung des Internetsperrgesetzes und
die Debatten in dieser Legislaturperiode haben aber auch
etwas Positives mit sich gebracht: Alle Fraktionen im
Deutschen Bundestag haben begriffen, wie wichtig das
Thema Netzpolitik künftig sein muss, und erklärt, dass
das Thema der politischen Gestaltung der digitalen Ge-
sellschaft auf die Agenda zu setzen ist. Aus diesem
Grund hat der Deutsche Bundestag die Enquete-Kom-
14992 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 126. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 21. September 2011
(A) (C)
(D)(B)
mission Internet und digitale Gesellschaft eingesetzt, die
im Mai 2010 ihre Arbeit aufgenommen hat. Die Koali-
tion hat immer wieder angekündigt, dass sie ein netzpo-
litisches Konzept zur Gestaltung der digitalen Gesell-
schaft vorlegen und auf den Weg bringen will. Wenn
man nun so eine Art Zwischenbilanz ziehen will, dann
fällt die Bilanz dürftig aus. Bei denjenigen netzpoliti-
schen Projekten, die die Bundesregierung auf den Weg
gebracht hat, verweigert sie jede Diskussion, beispiels-
weise bei dem Thema Netzneutralität und der Notwen-
digkeit einer gesetzlichen Verankerung. Bei den Themen
Datenschutz im Internet bestreitet die Koalition zunächst
jeden Handlungsbedarf, um sich dann mit ein paar
Selbstverpflichtungserklärungen zufrieden zu geben und
auf die europäische Ebene zu verweisen. Und um noch
ein drittes Beispiel zu nennen: Die Vorlage des dritten
Korbes zur Reform des Urheberrechtes für die digitale
Gesellschaft ist nunmehr auch längst überfällig, und al-
les was zu vernehmen ist, lässt nicht auf den großen und
überzeigenden Wurf hoffen. Gleichzeitig und reflexartig
wiederholen aber die Sicherheitspolitiker der Unions-
fraktion – oftmals ohne jedes Argument – ihre immer
weiter gehenden Überwachungsforderungen, fordern
eine Verlängerung der Vorratsdatenspeicherung, gleich-
sam so, als hätte es die engen Vorgaben des Bundesver-
fassungsgerichtes nie gegeben. Oder sie fordern ein Ver-
mummungsverbot und das Ende der anonymen und
pseudonymen Nutzung des Internets, wohl wissend, dass
wir diese Nutzungsmöglichkeit aus guten Gründen sogar
gesetzlich abgesichert haben. Auf der anderen Seite aber
werden alle Vorschläge in Richtung Transparenz und
Öffnung des Staates sowie alle Versuche, die neuen
Kommunikationsmöglichkeiten für eine Stärkung der
politischen und parlamentarischen Prozesse zu nutzen,
von eben diesen Hardlinern boykottiert.
Heute ist ein guter Tag für die Netzpolitik. Heute wird
eines der Missverständnisse zwischen jungen, engagier-
ten Netzaktiven und einer Generation von Politikern, die
meint, Regeln der Offlinewelt in die Onlinewelt zu über-
tragen, endlich aus der Welt geschafft. Die Verabschie-
dung dieses Gesetzes zur Aufhebung des Internetsperr-
gesetzes ist ein Sieg für all diejenigen, die sich für ein
freies Internet einsetzen und die wirksame Maßnahmen
in den Mittelpunkt stellen, statt auf Symbolpolitik zu set-
zen. Auch in allen Fraktionen gibt es Akteure, die sich
für den heutigen Erfolg eingesetzt haben. Das Ende der
Netzsperren sollte nicht das Einzige bleiben, was wir bis
zum Ende der Legislatur netzpolitisch erreichen.
Sebastian Blumenthal (FDP): Mit dem heutigen
„Entwurf eines Gesetzes zur Aufhebung von Sperrrege-
lungen bei der Bekämpfung von Kinderpornografie in
Kommunikationsnetzen“ ziehen wir einen Schlussstrich
unter ein in jeder Hinsicht problematisches Gesetzesvor-
haben mit dem ausgesetzten Zugangserschwerungsge-
setz und dem damit verbundenen Nichtanwendungser-
lass.
Wir erinnern uns: Mit dem „Gesetz zur Bekämpfung
der Kinderpornografie in Kommunikationsnetzen“ soll-
ten die Internetprovider in Deutschland gezwungen wer-
den, Webseiten mit kinderpornografischen Inhalten zu
sperren und die Nutzer auf ein virtuelles Stoppschild
umzuleiten. Die technische Umsetzung sollte mithilfe
von DNS-Filtern erfolgen. Am 22. April 2009 hatte das
damalige Kabinett dem Gesetzentwurf zugestimmt.
Diese vorgesehene technische Maßnahme war nicht nur
leicht zu umgehen und für die eigentliche Bekämpfung
von kinderpornografischen Inhalten völlig ungeeignet;
das Gesetz war auch in anderen Belangen fragwürdig.
So sollte ausschließlich durch das Bundeskriminalamt
festgelegt werden, welche Seiten die Internetprovider
sperren mussten. Eine Mitwirkung durch Gerichte oder
andere unabhängige rechtliche Instanzen war in diesem
Entwurf nicht vorgesehen. Nicht nur, dass damit eine un-
abhängige Überprüfung der Sperrlisten vom Gesetzge-
ber offensichtlich nicht erwünscht war, es sollten auch
die Zugriffsversuche auf die gesperrten Seiten gespei-
chert werden, um sie zu Strafverfolgungszwecken nut-
zen zu können.
Zu Recht wurden Bedenken geäußert, diese Vorge-
hensweise würde früher oder später dazu führen, die In-
ternetsperren zu einer Zensurinfrastruktur auszubauen,
um jegliche missliebigen Inhalte sperren zu können.
Diese Annahmen wurden leider von einer großen Mehr-
heit der Mitglieder dieses Hauses ignoriert, sodass das
Zugangserschwerungsgesetz am 18. Juni 2009 beschlos-
sen worden ist. Aus den Reihen der Koalitionsfraktionen
gab es drei Gegenstimmen, die Fraktionen FDP und Die
Linke stimmten gegen den Entwurf, 15 Abgeordnete von
Bündnis 90/Die Grünen enthielten sich, die übrigen Ab-
geordneten der Grünen haben ebenfalls gegen den Ge-
setzentwurf gestimmt.
Angesichts der damaligen überwältigenden Mehrheit
für das Gesetz bin ich heute sehr erleichtert über den
Umstand, dass wir heute die entscheidenden Weichen
dafür stellen, diesen fehlerhaften Ansatz wieder zu korri-
gieren und das Zugangserschwerungsgesetz endgültig
aufzuheben.
Die Debatte um die Netzsperren hatte sich im Jahr
2009 in eine Richtung entwickelt, die alle Befürchtun-
gen bestätigt hatte. So wurde unter anderem gefordert,
die Netzsperren auch als Instrumentarium zur „Gewalt-
prävention“ zu nutzen und sogenannte „Killerspiele“ zu
sperren. Es wurde auch die Möglichkeit ins Gespräch
gebracht, „verfassungsfeindliche“ Inhalte zu sperren.
Die Sperrung von ausländischen Onlinekasinos wurde
mehrfach empfohlen, um das staatliche Glücksspielmo-
nopol in Deutschland zu „schützen“. Vonseiten der Mu-
sikindustrie wurde die Forderung erhoben, Filesharing-
Angebote zu sperren.
Nicht nur zu Oppositionszeiten und während der
Wahlkämpfe, sondern auch als Träger von Regierungs-
verantwortung haben wir als FDP uns diesen Überwa-
chungs- und Verbotsbegehrlichkeiten entgegengestellt
und zum Grundsatz „Löschen statt Sperren“ bekannt. Im
permanenten Dialog mit den anderen Fraktionen und
zahlreichen gesellschaftlichen Gruppen haben wir uns
dafür eingesetzt, dieses Ziel zu erreichen und das Zu-
gangserschwerungsgesetz aufzuheben. Über alle Politik-
felder hinweg, in zahlreichen Ausschüssen, bei diversen
Anhörungen und Expertengesprächen haben wir in die-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 126. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 21. September 2011 14993
(A) (C)
(D)(B)
sem Hause über Netzsperren sehr engagiert, aber den-
noch konstruktiv und vor allem in einem dem Ernst der
Sache angemessen Ton gestritten, gerungen und letzten
Endes eine Einigung erzielt, sodass wir heute einführend
über den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Auf-
hebung der Netzsperren beraten können.
In Vorbereitung auf den heutigen Tag haben wir de-
battiert, informiert und aufgeklärt. Ich freue mich sehr,
dass diese Arbeit Früchte getragen hat und dazu beitra-
gen konnte, die Entwicklung umzukehren, sodass wir in
diesem Hause heute nicht mehr über die vermeintlichen
Möglichkeiten und Notwendigkeiten von Netzsperren
debattieren, sondern stattdessen über ihre Unverhältnis-
mäßigkeit, ihre technische Untauglichkeit, ihre Nicht-
umsetzung und – nach über zwei Jahren – über ihre Auf-
hebung.
Ausdrücklich begrüße ich daher für die Fraktion der
Freien Demokraten, dass mit der Prozedur nach „notice
and take down“ ein besseres und treffsicheres Instrument
als Alternative geschaffen wurde, um den dokumentier-
ten Missbrauch von Opfern aus dem Netz entfernen zu
können und nicht hinter virtuellen Stoppschildern zu
verstecken.
Insofern freue ich mich sehr auf die weiteren Beratun-
gen zu diesem Gesetzentwurf und danke der Bundesjus-
tizministerin für ihren persönlichen couragierten Einsatz
auf dem Weg zum Aufhebungsgesetz. Die FDP-Fraktion
wird diesem selbstverständlich zustimmen.
Halina Wawzyniak (DIE LINKE): Zahlreich sind die
Beispiele nicht gesät, dass die Bundesregierung ein Ge-
setz aufhebt – auch dann nicht, wenn das Gesetz von Be-
ginn an falsch, überflüssig und ein Armutszeugnis für
die Demokratie war. Sicher gilt der tröstliche Satz: Lie-
ber spät als nie. Aber das sollte uns nicht darüber hin-
wegtäuschen, dass der Erlass des Zugangserschwerungs-
gesetzes eine Zäsur darstellte.
Die Große Koalition hat mit diesem Gesetz 2009 den
Versuch unternommen, die Zensur im Internet einzufüh-
ren, bei einem Thema, dass niemanden kalt lässt und alle
berührt, bei dem jede und jeder eine Lösung herbei-
sehnte, mit der jeglicher Darstellung sexueller Gewalt
gegen Kinder im Internet Einhalt geboten werden kann.
Deshalb hatte die Regierung ein relativ leichtes Spiel.
Jene Stimmen der Vernunft, die sagten, dass Sperrlisten
kontraproduktiv und der falsche Weg sind, wurden nicht
gehört, obwohl alle Erfahrungen beweisen: Diese Listen
bleiben niemals geheim und verkehren das ursprüngliche
Anliegen genau ins Gegenteil. Sie werden nämlich zu
Wegweisern im Internet. Auf all diese Argumente wurde
nicht gehört. Auch die SPD stand zu Beginn für das ver-
meintlich kleinere Übel: für Netzsperren.
Das Gesetz öffnete Türen und Tore für Willkür, und
es bot zugleich die Möglichkeit, einmal auszutesten, ob
sich über ein sensibles und hochemotionales Thema eine
Zensurinfrastruktur festzurren lässt, auf der man künftig
aufbauen kann. Darüber konnte auch der geradezu ab-
surde Fortgang der Geschichte nicht hinwegtrösten. Be-
reits kurz nachdem das Gesetz im Februar 2010 in Kraft
getreten war, wurde eine Dienstanweisung erlassen, es in
der Praxis nicht anzuwenden. Auch da könnte man sa-
gen: Besser als nichts. Aber es warf doch ein bezeich-
nendes Licht auf die Regierung, die sich von der damali-
gen Familien- und jetzigen Arbeitsministerin, und weil
gerade Wahlkampf war, zu einer juristisch nicht haltba-
ren, inhaltlich unsinnigen und praktisch nicht durchsetz-
baren Regelung drängen ließ.
Nun könnten wir froh sein, dass mit dem heute zu dis-
kutierenden Entwurf eines „Gesetzes zur Aufhebung von
Sperrregelungen bei der Bekämpfung von Internetporno-
grafie in Kommunikationsnetzen“ eine Korrektur des
peinlichen Versuchs vorgenommen wird. Aber das haben
wir eben auch dem Glücksumstand zu verdanken, dass
es sich hier um gesetzlich verankerte Regelungen han-
delt, die sich einfach als nicht praxistauglich erwiesen
haben und verheerende Kollateralschäden anrichten
würden.
Die Intention aber, die dahinter steckte – der Wille,
den Kulturraum Internet durch Zensur kontrollieren zu
wollen –, ist damit nicht verschwunden. Nur weil der
Koalition der Wind – auch aus den eigenen Reihen –
scharf ins Gesicht blies, reden wir heute über dessen
Aufhebung. Das sollten wir nicht vergessen. Und das
liegt eben nicht nur an der offensichtlich weit verbreite-
ten Unsicherheit im Umgang mit dem Kulturraum Inter-
net. Er offeriert uns eine Form der Informationsverbrei-
tung, Transparenz und Freiheit, mit der offensichtlich
viele Politikerinnen und Politiker große Schwierigkeiten
haben.
Die Anfang 2010 rechtlich verordneten Internetsper-
ren waren und sind eine Bedrohung. Selbst wenn sie
funktioniert hätten, wären wir einen Schritt in die völlig
falsche Richtung gegangen und wir hätten der Demokra-
tie erheblichen Schaden zugefügt.
Die einzig wirklich positive Erfahrung, die wir aus
meiner Sicht am heutigen Tag verbuchen können: Es ist
in diesem Land offensichtlich nicht einfach, an der Öf-
fentlichkeit vorbei die Freiheit des Internets einschrän-
ken zu wollen. 134 000 Menschen zeichneten die On-
line-Petition gegen das Zugangserschwerungsgesetz.
Diese große außerparlamentarische Aktion ist ermuti-
gend. Sie zeigt, dass es auch künftig nicht einfach sein
wird, derartige Debatten an der Öffentlichkeit vorbei zu
führen. Sie zeigt, welche Potenziale das Internet hat,
wenn es um Mitbestimmung und demokratische Diskus-
sionsprozesse geht. Und sie wird uns nützen, wenn – wie
längst begonnen – über Eingriffe in die Netzneutralität
nachgedacht wird. Sie wird uns nützen, wenn die Koali-
tion in diesem Bereich weiterhin so unkritisch wie bisher
mit der Lobby der Netzbetreiber und Telekommunikati-
onskonzerne umgeht. Die wollen lieber heute als morgen
die Nutzung verschiedener Dienste, wie Internettelefo-
nie oder Videoplattformen, vom Geldbeutel der Nutze-
rinnen und Nutzer abhängig und mit eigenen Inhalten
Kasse machen.
Sie wird uns nützen bei der Debatte um Vorratsdaten-
speicherung, die voll im Gang ist. Die Linke lehnt die
Vorratsspeicherung ab – egal unter welchem Namen und
unter welchem Vorwand sie durchgesetzt werden soll.
14994 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 126. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 21. September 2011
(A) (C)
(D)(B)
Und weil wir in all diesen Fragen konsequent sind,
waren wir auch die erste Fraktion, die 2010 einen Vor-
schlag zur Aufhebung des Zugangserschwerungsgeset-
zes unterbreitete. Bei anderen Dingen dauert es etwas
länger, aber in diesem Fall hat uns die Geschichte er-
staunlich schnell Recht gegeben.
Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN): Nun ist es also endlich soweit: Nach einer über
zweijährigen Diskussion debattieren wir hier heute in
erster Lesung über ein längst fälliges „Gesetz zur Aufhe-
bung von Sperrregelungen bei der Bekämpfung von Kin-
derpornographie in Kommunikationsnetzen“.
Ursula von der Leyens kontraproduktive Initiative zur
Schaffung von Stoppschildern bzw. Internetsperren aus
den letzten Tagen der Großen Koalition kommt so zu ei-
nem längst überfälligen Ende. Meine Fraktion und ich
begrüßen den Schritt der Bundesregierung, sich endlich
von dem Placebo-Instrument Netzsperren zu verabschie-
den, ausdrücklich – auch wenn ich mir gewünscht hätte,
dass dieser Schritt sehr viel früher erfolgt wäre und wir
keine wertvolle Zeit im Kampf gegen derartige Darstel-
lungen im Netz vertan hätten. Denn das haben wir leider.
Am Ende der vergangenen Legislatur von der
schwarz-roten Koalition auf den Weg gebracht, war allen
schnell bewusst, dass der von der damaligen Ministerin
von der Leyen eingeschlagene Weg, entsprechende In-
halte im Netz nicht konsequent zu löschen, sondern
diese lediglich hinter einem leicht zu umgehenden
Stoppschild zu verstecken, nicht nur nicht zielführend,
sondern letztendlich für eine wirkliche effektive Be-
kämpfung dieser Straftaten kontraproduktiv ist. So ha-
ben wir es als Grüne begrüßt, dass die schwarz-gelbe
Koalition sich am Anfang der Legislatur dazu durchge-
rungen hat, zunächst keine entsprechenden Sperren vor-
zunehmen.
Was wir jedoch scharf kritisiert haben, war der Weg,
den die Koalition hierfür wählte. Ein vom Deutschen
Bundestag ordnungsgemäß verabschiedetes, vom Bun-
despräsidenten unterschriebenes und im Bundesgesetz-
blatt veröffentlichtes Gesetz per Moratorium einfach
nicht anzuwenden, es quasi par ordre du mufti für ein
Jahr auszusetzen, ist ein Vorgang, der aus verfassungs-
rechtlicher Sicht unhaltbar war und eine schwarze
Stunde für das Hohe Haus darstellte. Auch aus diesem
Grund haben wir, wie alle anderen Oppositionsfraktio-
nen auch, unmittelbar nach Beginn der Legislatur einen
Gesetzentwurf vorgelegt, in dem wir die Bundesregie-
rung aufforderten, das Gesetz, das sich als in hohem
Maße kontraproduktiv erwiesen hat, auf verfassungs-
rechtlich sauberem Wege zu begraben.
Nachdem sich die Vertreterinnen und Vertreter aller
Fraktionen in diesem Haus bereits einig waren, dass man
sich statt Netzsperren nun tatsächlich effektiven Instru-
menten zuwenden wollte, haben die Vertreter der Union,
statt sich auf europäischer Ebene konsequent gegen ei-
nen entsprechenden Passus auszusprechen, den Entwurf
einer Richtlinie der Europäischen Kommission dazu ge-
nutzt, die eigentlich längst zugunsten einer tatsächlichen
Bekämpfung derartiger Darstellungen im Netz beendete
Diskussion wieder aufzunehmen und plötzlich auch wie-
der in Deutschland über die Sinnhaftigkeit von Netzsper-
ren zu diskutieren. Dies führte letztendlich dazu, dass
sich auch das Hohe Haus, nachdem eigentlich bereits
alle Argumente zu Beginn der Legislatur ausgetauscht
waren, noch einmal intensiv mit dieser Thematik be-
schäftigte.
So führten neben dem Petitionsausschuss, in dem eine
Anhörung durch die Petition von Franziksa Heine ange-
stoßen wurde, welche mit über 133 000 Mitunterzeich-
nerinnen und -unterzeichnern die bislang zweiterfolg-
reichste in der Geschichte des Bundestages war, auch der
Unterausschuss Neue Medien und der Rechtsauschuss
des Bundestages entsprechende Anhörungen durch.
Während im Unterausschuss von beinahe allen Sach-
verständigen unisono betont wurde, dass Netzsperren
nicht nur wenig zielführend sind, sondern letztendlich
sogar dazu führen, dass der dringend notwendige inter-
nationale Austausch zwischen den Strafverfolgungsbe-
hörden eingestellt wird, wurde im Rechtsausschuss,
selbst von den Sachverständigen von CDU und FDP,
massiv das Vorgehen der Koalition bei der Aussetzung
des Gesetzes par ordre du mufti kritisiert.
Als Grüne haben wir uns in einem weiteren Antrag
und in einer Art.-23-Stellungnahme klar gegen das An-
sinnen der Europäischen Kommission ausgesprochen.
Nachdem selbst unter Federführung einer konservativen
Berichterstatterin im Europäischen Parlament keine
Mehrheit für eine die Mitgliedstaaten verpflichtende Re-
gelung erzielt werden konnte, wurde der entsprechende
Passus aus der Richtlinie entfernt und – auch durch den
Einsatz engagierter Abgeordneter des Europäischen Par-
laments wie meines Kollegen Jan Phillip Albrecht – die
bestehenden Regelungen sogar im Vergleich zum bishe-
rigen Status quo aus bürgerrechtlicher Sicht noch ver-
bessert.
Durch das Wegfallen der verpflichtenden Regelung
zu Netzsperren in der Kommissions-Richtlinie fiel es
auch den Netzsperren-Befürwortern, die trotz der in den
verschiedenen Anhörungen von allen Seiten immer wie-
der geäußerten vielfältigen Bedenken nach wie vor un-
beirrt an dem nutzlosen Instrument festhielten, zuse-
hends schwerer, dies zu begründen.
Schließlich sah sich das BKA längere Zeit auch ange-
sichts völlig schwammiger Vorgaben der Koalition kaum
in der Lage, die Statistiken zur Evaluierung der Lösch-
erfolge zu führen. Dies könnte auch mit den gerade ein-
mal 6,3 Vollzeitstellen zusammenhängen, die im BKA
mit der Aufgabe direkt betreut wurden. Allerdings ver-
wundert die Tatsache, dass es dem Bundesinnenministe-
rium, in dessen Zuständigkeit das BKA liegt, trotz wie-
derholter Aufforderung bis heute nicht gelingt, den
Mitgliedern der betreffenden Ausschüsse die Evaluie-
rungsstatistiken regelmäßig zur Verfügung zu stellen.
Auch gelang es uns Abgeordneten erst nach mehrfacher
Aufforderung, das zwischenzeitlich zwischen dem BKA
und den Beschwerdestellen ausgehandelte Harmonisie-
rungspapier zur Bewertung vorgelegt zu bekommen.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 126. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 21. September 2011 14995
(A) (C)
(D)(B)
Trotz dieser widrigen Umstände steht heute fest, dass
sich die nach den Anhörungen durchgeführten Verbesse-
rungen der Zusammenarbeit aller Akteure – auch auf in-
ternationaler Ebene – ausgezahlt hat. Dies bestätigten
auch gerade wieder die vom eco vorgelegten Zahlen.
Die Diskussion um Netzsperren war viel zu lange
eine über ein Placebo-Instrument, das den Herausforde-
rungen des Themas schlicht nicht ansatzweise gerecht
wurde. Umso froher bin ich, dass wir hier heute endlich
über die tatsächliche Aussetzung der sinnlosen Netzsper-
ren diskutieren können. Ich bin froh darüber, da wir nun,
nachdem endlich auch der Letzte begriffen haben dürfte,
dass es jetzt ein für alle Mal an der Zeit ist, sich endlich
effektiven Instrumenten und Strategien zuzuwenden, uns
nunmehr dem tatsächlichen Kampf gegen den sexuellen
Missbrauch von Kindern zuwenden können. Hierzu for-
dern wir Grünen die Koalition seit Anfang der Legislatur
auf.
Und ich muss es leider so hart sagen: Bisher haben
sich ihre Aktivitäten darin erschöpft, sich einseitig auf
das Netz zu konzentrieren und sich über das Placebo-In-
strument Netzsperren auszutauschen, den wichtigen
Kampf gegen den sexuellen Missbrauch, der zwar im
Netz dokumentiert, jedoch in der realen Welt tagtäglich
geschieht, jedoch nicht richtig aufgenommen zu haben.
So fehlt ihnen heute, auch aufgrund der Tatsache, dass in
den letzten zwei Jahren wertvolle Zeit vergeudet wurde,
ein Kompass, wie sie sich dieser gesellschaftlichen He-
rausforderung, dem Missbrauch von Kindern und Ju-
gendlichen, der jeden Tag an Schulen, in Kirchen, Sport-
vereinen und Familien stattfindet, entgegenstellen
wollen.
Trotz oder gerade wegen der zweijährigen Diskussio-
nen über nutzlose Netzsperren haben sie hier bisher
nichts, aber auch rein gar nichts geliefert. So haben sie
bis heute keine mehrdimensional angelegte Strategie zur
Bekämpfung sexuellen Missbrauchs und sexualisierter
Gewalt erarbeitet, wie wir es am Anfang der Legislatur
zum ersten Mal und seitdem kontinuierlich von Ihnen
gefordert haben.
Daher nutze ich auch diese Debatte noch einmal dazu,
Ihnen das zu sagen, was wir Ihnen bei jeder Gelegenheit
in den letzten Monaten bereits gesagt haben: Wenden sie
sich endlich einer mehrdimensional angelegten Strategie
zu, die sowohl den gesellschaftlichen Herausforderun-
gen als auch den Besonderheiten des Netzes gerecht
wird! Dies ist zweifellos eine größere Herausforderung,
als die zur Aufhebung des Zugangserschwerungsgeset-
zes seit nunmehr zwei Jahren vorliegenden Gesetzesent-
würfe der Oppositionsfraktionen einfach zu kopieren.
Sie können jedoch auf wichtige Vorarbeiten zurückgrei-
fen.
Als Oppositionsfraktion haben wir Grünen bereits vor
Monaten ein sehr ausführliches Eckpunktepapier zur Be-
kämpfung der Verbreitung von Darstellungen sexueller
Gewalt und Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen
vorgelegt. In unserem Papier haben wir Ihnen sehr kon-
krete Vorschläge unterbreitet, wie Prävention und Opfer-
schutz gestärkt sowie das Löschen von Internetseiten
auch im internationalen Kontext effektiver gestaltet und
die Strafverfolgung verbessert werden kann.
Zu einer solchen Strategie gehören der Auf- und Aus-
bau sowie die solide Finanzierung von Beratungs- und
Unterstützungsangeboten für Betroffene und ihre Fami-
lien. Ich bitte Sie, schauen Sie in unser Papier und
schreiben Sie notfalls einfach ab! Nutzen Sie den unter
Rot-Grün auf den Weg gebrachten „Aktionsplan zum
Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Ge-
walt und Ausbeutung“ als Vorlage und legen Sie diesen
schnellstmöglich wieder auf. Auch hierzu fordern wir sie
seit langem auf.
Zum Löschen von Missbrauchsdarstellungen muss die
Zusammenarbeit zwischen Internet-Beschwerdestellen
und Bundeskriminalamt weiter verbessert werden. Auch
müssen die personellen und technischen Ressourcen bei
den Strafverfolgungsbehörden aufgestockt werden.
Letztendlich bedarf es einer völkerrechtlichen Vereinba-
rung zum Löschen von Missbrauchsbildern und -filmen.
Die entsprechende Konvention muss in einem ersten
Schritt auf europäischer Ebene geschlossen und danach
auch international – zum Beispiel durch bilaterale Ver-
träge – ausgeweitet werden.
Ich gebe nach wie vor die Hoffnung nicht auf, dass
Sie nun endlich erkennen, dass es nicht hilft, sich weiter
hinter Placebo-Instrumenten und Scheindebatten zu ver-
stecken. Es ist zwar spät, aber nicht zu spät! Da dieses
Thema so wichtig ist, möchten wir Ihnen nochmal die
konstruktive Mitarbeit unserer Fraktion versichern. Ich
bin mir sehr sicher, dass wir dies auch für die gesamte
Opposition tun können, sofern Sie endlich den Willen
zeigen, tatsächlich tätig zu werden.
Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
desministerin der Justiz:
Sexueller Kindesmissbrauch ist ein schweres Verbre-
chen. Die Verbreitung bildlicher Darstellungen solcher
Taten über das Internet ist nicht nur ebenfalls strafbar,
für die Betroffenen bedeutet sie zudem die kaum erträg-
liche Perpetuierung ihres Leides. Deshalb – und darüber
sind wir uns in diesem Hause über die Fraktionsgrenzen
einig – müssen wir alles daransetzen, diese widerwärti-
gen Bilder und Filme aus dem Netz zu bekommen. Wäh-
rend die Mehrheit dieses Hohen Hauses in der letzten
Legislaturperiode meinte, Internetsperren seien hierfür
der richtige Weg, sind wir der Auffassung, dass solche
Bilder und Filme im Interesse eines bestmöglichen Op-
ferschutzes an der Quelle gelöscht werden müssen. Sper-
ren, wie sie das geltende Zugangserschwerungsgesetz
vorsieht, sind faktisch wirkungslos, weil sie einfach und
problemlos umgangen werden können. Wir setzen des-
halb auf das Löschen solcher Inhalte durch intensive Zu-
sammenarbeit des Bundeskriminalamtes mit zivilen Ein-
richtungen wie den Selbstregulierungsorganisationen der
Internetwirtschaft, die weltweit vernetzt sind.
Wie erfolgreich eine solche Kooperation ist, belegt
die Statistik des internationalen Beschwerdestellen-
Netzwerks INHOPE eindrucksvoll. Der INHOPE-Jah-
resbericht 2010 legt dar, dass etwa 80 Prozent der gemel-
deten Seiten innerhalb von sieben Tagen gelöscht wer-
14996 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 126. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 21. September 2011
(A) (C)
(D)(B)
den, wobei knapp 50 Prozent der Seiten bereits nach
zwei Tagen gelöscht sind. Nach 14 Tagen verbleiben
noch zwischen 5 und 10 Prozent der Seiten. Die Statistik
des BKA weist vergleichbare Werte auf. Das zeigt, dass
Löschen erfolgreich ist. Das Zugangserschwerungsge-
setz ist deshalb überflüssig und sollte – wie es der Ge-
setzentwurf vorsieht – aufgehoben werden.
Anlage 91
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Entwurfs eines Dritten Geset-
zes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes
(Tagesordnungspunkt 15)
Manfred Kolbe (CDU/CSU): Dem Deutschen Bun-
destag liegt heute in erster Lesung der Entwurf eines
Dritten Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergeset-
zes vor. Der Inhalt dieses Gesetzesvorhabens ist dabei
kurz und knapp: Die Umsatzgrenze für die Anwendung
der Istbesteuerung bei der Umsatzsteuer wird auf
500 000 Euro dauerhaft festgeschrieben.
Generell gilt die sogenannte Sollbesteuerung. Das
heißt, die Unternehmer sind verpflichtet, die Umsatz-
steuer nach Rechnungslegung nach vereinbarten Entgel-
ten an das Finanzamt abzuführen, ohne dass sie eventu-
ell das Geld von ihren Kunden bereits erhalten haben.
Dies kann zu Liquiditätsengpässen insbesondere bei
klein- und mittelständischen Unternehmen führen, da
der Kunde erst nach Rechnungsstellung und dann teil-
weise später oder gar nicht zahlt. Deshalb gilt für
kleinere Unternehmen mit einem Jahresumsatz bis
250 000 Euro bisher deutschlandweit grundsätzlich die
sogenannte Istbesteuerung, wonach die Umsatzsteuer
erst nach vereinnahmten Entgelten an das Finanzamt ab-
geführt werden muss. Befristet bis 31. Dezember 2011
wurde die Möglichkeit der Istbesteuerung für Unterneh-
men mit einem erhöhten Jahresumsatz von bis zu
500 000 Euro eröffnet. Ohne gesetzgeberisches Handeln
würde diese Sonderregelung auslaufen, und die Einfüh-
rung der geringeren allgemeinen Umsatzgrenze in Höhe
von 250 000 Euro würde für deutsche Unternehmen mit
Liquiditätsengpässen verbunden sein.
Bis zum 31. Dezember 2009 bestand für Unterneh-
men in den östlichen Bundesländern mit einer Umsatz-
grenze in Höhe von 500 000 Euro die Möglichkeit, die
Istbesteuerung zu nutzen. Für die Jahre 2010 und 2011
wurde diese Möglichkeit dann auf das gesamte Bundes-
gebiet ausgedehnt. Diese Regelung würde zum 31. De-
zember 2011 auslaufen, wenn wir als Gesetzgeber das
Umsatzsteuergesetz nicht entsprechend ändern. Die
CDU/CSU-Bundestagsfraktion hatte bereits im Sommer
2009 für die Ausweitung der sogenannten Istbesteuerung
als Dauerrecht votiert. Die Umsetzung wurde damals al-
lerdings von Bundesfinanzminister Steinbrück und der
SPD verhindert.
Die christlich-liberale Koalition hat sich deshalb ent-
schieden, dauerhaft und deutschlandweit die Umsatz-
grenze für Istbesteuerung auf 500 000 Euro festzulegen.
Durch diese unbefristete Regelung schaffen wir Rechts-
sicherheit für Unternehmen und die Finanzverwaltun-
gen. Dies stärkt die kleinen und mittelständischen Unter-
nehmen in Deutschland, die Träger unserer Volkswirt-
schaft sind. Wir tragen damit einmal zu Bürokratieabbau
in Deutschland bei.
Die Belastungen für die Haushalte der Länder und des
Bundes schlagen im Jahr 2012 kassenmäßig mit ge-
schätzten Mindereinnahmen in Höhe von circa 1,1 Mil-
liarden Euro zu Buche, da sich dieser Verlust der Um-
satzsteuer nur in die Folgejahre verlagert. Dabei ist noch
zu beachten, dass praktisch für die Unternehmen und die
Finanzverwaltungen keine Unterschiede beim Jahres-
wechsel spürbar sein werden, da sich die Rechtslage
grundsätzlich nicht ändert, sondern nur von einem be-
fristeten in einen unbefristeten Zustand gebracht wird.
Ich nehme an, dass wir diesen Gesetzentwurf im
Sinne der deutsche Wirtschaft zügig in den kommenden
Wochen im Ausschuss beraten werden, damit einem
Inkrafttreten zum 31. Dezember 2011 nichts im Wege
steht.
Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD): „Hektik
weist auf ein krankes Gemüt. Hauptmerkmal eines ge-
ordneten Verstandes ist Beharrungsvermögen und die
Fähigkeit, mit sich selbst umgehen zu können.“ Das hat
der römische Dichter und Philosoph, der gute Herr
Seneca gesagt. Und er hat Sie gemeint, liebe Damen und
Herren von der schwarz-gelben Regierungsfraktion. Sie
sollten sich den Seneca-Spruch zu Herzen nehmen!
Denn Hektik wird Ihnen in den Meinungsumfragen nicht
helfen.
Seneca fordert: Beharrungsvermögen – nicht Belie-
bigkeit und Wandelbarkeit. Seneca fordert: Die Fähig-
keit mit sich selbst, also mit der Koalition, umgehen zu
können – und nicht gegenseitiges Belauern, Beschuldi-
gen und Bekämpfen, auch wenn dies natürlich auch eine
Form des Umgangs ist. Und Seneca fordert: einen geord-
neten Verstand. Drei Forderungen, klar und einfach.
Dennoch: Mit dem Entwurf eines Dritten Gesetzes
zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes folgen Sie
Senecas Forderungen nicht. Müssen Sie ja auch nicht,
sagen Sie. Denn Sie beabsichtigen ja etwas prinzipiell
Gutes mit ihrem Gesetzentwurf. Sie sorgen dafür, dass
die Unternehmen mit einem Jahresumsatz von unter
500 000 Euro weiterhin in der Istversteuerung bleiben
können und die Unternehmen daher nicht beispielsweise
Kredite aufnehmen müssen, um Steuern zu tilgen. Somit
müssen die Unternehmen nicht den Finanzbedarf des
Staates vorfinanzieren.
Aber das Gute, das Sie tun, tun Sie hektisch und aus
den falschen Gründen. Warum diese Hektik? Weil Sie
dringend, ganz dringend eine positive Nachricht in der
Öffentlichkeit, vor allem in den Medien, brauchen, et-
was, wenigstens eine Kleinigkeit, bei der nicht irgend-
jemand aufschreit und die Hoffnung in das Negative
wendet.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 126. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 21. September 2011 14997
(A) (C)
(D)(B)
Aber, meine Damen und Herren von der Regierungs-
koalition, Sie hätten doch gar nicht so hektisch handeln
müssen. Sie hätten ihre Absicht auch ruhig und überlegt
umsetzen können. Zum Beispiel hätten Sie diese Rege-
lung als Änderungsantrag zur Umsetzung der Beitrei-
bungsrichtlinie bringen können. Auf diese Idee hätte
man kommen können. Oder lag dies so fern? Nein. Denn
auf diese Idee ist auch jemand gekommen, nämlich die
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Begründet es vielleicht Ihre Hektik, dass Sie den Er-
folg den Grünen nicht gönnen, weil Sie ihn selber brau-
chen? Da waren Sie schlecht beraten. Denn wer hektisch
handelt, der handelt auch nicht überlegt genug.
Ja, die Istbesteuerung bejaht auch meine Fraktion bei
Unternehmen mit einem Jahresumsatz von unter 500 000
Euro. Und wir würden auch noch einen Schritt weiterge-
hen und uns zumindest auch mal über die Möglichkeit
einer Ausdehnung des Prinzips der Istbesteuerung auf
den Vorsteuerabzug unterhalten. Denn wie der Bundesrat
richtigerweise in seiner Stellungnahme vom 17. Juni
2011 zum Gesetzentwurf zur Umsetzung der Beitrei-
bungsrichtlinie gefordert hat, sollte auch die Frage ge-
klärt werden, ob es nicht sinnvoll oder sogar notwendig
ist, demjenigen, der die Umsatzsteuer erst abführt, wenn
er das Geld erhält, auch die Vorsteuer erst zu gewähren,
wenn er tatsächlich gezahlt hat. Der Bundesrat hatte da-
her gefordert, dass zunächst die Befristung auf 2012 ge-
schoben wird, um diese Frage zu prüfen.
Dafür waren Sie zu hektisch. Warum wohl? Vielleicht
weiß Friedrich Nietzsche die Antwort: „Allgemein ist
die Hast, weil jeder auf der Flucht vor sich selbst ist.“
Dr. Daniel Volk (FDP): Das Dritte Gesetz zur Ände-
rung des Umsatzsteuergesetzes wird die deutsche Wirt-
schaft und dabei vor allem die kleineren Unternehmen
erheblich entlasten und dafür sorgen, dass diese ihre Li-
quiditätssituation verbessern können.
Die bisher gültige Regelung, nach der für die Berech-
nung der bis zu einem Umsatz von 500 000 Euro abzu-
führenden Umsatzsteuer nur die tatsächlich vereinnahm-
ten Entgelte angesetzt wurden, war bis zum
31. Dezember 2011 befristet. Ein Auslaufen dieser Re-
gelung würde den betroffenen Unternehmen wichtige
Liquidität entziehen. Die Umsatzsteuer entsteht grund-
sätzlich mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in
dem die Leistung ausgeführt wurde, Stichwort Sollver-
steuerung. Auf die Bezahlung der Leistung durch den
Leistungsbezieher kommt es dabei grundsätzlich nicht
an.
§ 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Umsatzsteuergesetz bietet
den Unternehmern, deren Gesamtumsatz im vorange-
gangenen Kalenderjahr nicht mehr als 500 000 Euro be-
tragen hat, die Möglichkeit, die Umsatzsteuer nach ver-
einnahmten Entgelten zu berechnen, Stichwort
Istbesteuerung. Dabei entsteht die Steuer mit Ablauf des
Voranmeldungszeitraums, in dem das Entgelt für die
Leistung durch den Unternehmer vereinnahmt worden
ist, das heißt die Abführung der Steuer an das Finanzamt
muss erst erfolgen, wenn und soweit der Kunde gezahlt
hat.
Eine erneute nur befristete Verlängerung würde wie-
der neue Unsicherheit über die Geltungsdauer der Rege-
lung schaffen. Die Umsatzgrenze von 500 000 Euro soll
daher auf Dauer beibehalten werden. Die Unternehmen
erhalten dadurch mehr Planungssicherheit und eine Ver-
besserung der Liquidität, da auf die Zwischenfinanzie-
rung der Umsatzsteuer für kleinere und mittelständische
Unternehmen eine erhebliche Belastung entfällt. Deswe-
gen plädiert die FDP für eine dauerhafte Einführung der
Istbesteuerung. Nur so kann den kleineren und mittel-
ständischen Unternehmen, die kaum über eine so hohe
erforderliche Kapitalausstattung verfügen, um ohne Pro-
bleme in Vorleistung gehen zu können, eine dauerhafte
Entlastung geboten werden. Wir sehen keinen Sinn darin,
dass der deutsche Klein-/Mittelunternehmer als unfreiwil-
liger Kreditgeber des Staates fungiert. Dies entspricht
nicht unserem Bild einer sozialen Marktwirtschaft.
Auch würde der Fiskus bei einer Verlängerung der
Istbesteuerung nichts einbüßen, weil es sich dabei nicht
um Steuergeschenke, sondern um eine Steuerstundung
handelt. Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass die
EU-Kommission den Mitgliedstaaten unlängst vorge-
schlagen hatte, die Sollbesteuerung für kleine und mitt-
lere Unternehmen durch eine ausschließliche Istbesteue-
rung zu ersetzen. Die Istbesteuerung sorgt für erheblich
mehr Planungssicherheit, erhöht den Liquiditätsspiel-
raum spürbar, senkt die Finanzierungskosten und bringt
Zinsvorteile mit sich, da die Umsatzsteuer nicht vorfi-
nanziert werden muss. Die Auswirkungen für die Haus-
halte von Bund, Ländern und Gemeinden betreffen nur
das Jahr 2012, da es sich lediglich um eine Verlagerung
der Besteuerung handelt und es dementsprechend keine
dauernden Ausfälle gibt.
Sowohl die Vertreter des Deutschen Handwerks wie
auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag se-
hen dieses Gesetz positiv für die Stärkung der kleinen
und mittleren Betriebe. Die schwarz-gelbe Regierungs-
koalition nimmt damit eine wichtige Weichenstellung
für den Mittelstand vor. Wir appellieren an den Bundes-
rat, dem Gesetz jetzt zeitnah zuzustimmen, damit die Be-
triebe langfristige Planungssicherheit erhalten.
Richard Pitterle (DIE LINKE): Mit dem vorliegen-
den Gesetzentwurf wird eine lange bestehende Forde-
rung der Linken umgesetzt. Dass die Unternehmen, de-
ren Gesamtumsatz im vorangegangenen Kalenderjahr
nicht mehr als 500 000 Euro betrug, die Möglichkeit der
Istbesteuerung bei der Umsatzsteuer unbefristet beibe-
halten sollen, können wir nur unterstützen. Das bedeutet,
dass die betreffenden Unternehmen erst dann die Um-
satzsteuer an den Fiskus abführen müssen, wenn ihre
Rechnung bezahlt worden ist, und nicht schon mit Rech-
nungsstellung. Gerade in Krisenzeiten, in denen die Zah-
lungen auch schon ausbleiben oder verspätet erfolgen,
hat die Regelung die Stärkung der Liquidität für die be-
treffenden Unternehmen zur Folge, und das begrüßen
wir ausdrücklich. Wir hätten nichts dagegen, wenn Sie
auch andere steuerpolitische Vorschläge der Linken um-
14998 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 126. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 21. September 2011
(A) (C)
(D)(B)
setzen würden. Wir werden nicht auf dem Copyright be-
stehen.
Nachdem Sie mit dem vorliegenden Gesetz schon an
der Umsatzsteuer dran sind, muss ich aber auch fragen,
was denn aus Ihren großen Ankündigungen geworden
ist. Wenn ich Sie an Ihren Koalitionsvertrag erinnern
darf: Dort heißt es, dass es bei den ermäßigten Mehr-
wertsteuersätzen – ich zitiere – „Handlungsbedarf“ gebe
und dass sie auf den – Zitat – „Prüfstand“ müssten. Dort
heißt es ebenfalls, dass eine Kommission eingesetzt wer-
den soll, die sich – Zitat – „mit der Systemumstellung
bei der Umsatzsteuer sowie dem Katalog der ermäßigten
Mehrwertsteuer befasst“ – Zitat Ende.
Wo stehen wir aber heute? Statt einer Reform der er-
mäßigten Mehrwertsteuer hat die FDP in der Koalition
die Privilegierung von Hoteliers durchgesetzt. Statt sys-
tematischer Reform bekamen wir Klientelpolitik. Selbst
die Reformkommission scheinen Sie nicht auf die Reihe
zu bekommen. Für den 23. Februar diesen Jahres hatten
Sie angekündigt, dass sich die Kommission zur Reform
der Mehrwertsteuer konstituieren werde. Kurz darauf
wurde dieser Termin abgesagt und auf unbestimmte Zeit
verschoben. Jetzt haben wir September – volle sieben
Monate, und es gibt noch immer keinen neuen Termin.
Dabei hatten Sie ja sogar schon die Kommissionsmit-
glieder genannt: Finanzminister Schäuble, Wirtschafts-
minister Rösler, der Chef des Bundeskanzleramtes
Pofalla sowie weitere CDU- und FDP-Mitglieder. Sie
haben wohl Angst, dass, wenn Sie die Kommission ein-
berufen, bei dem kontroversen Thema der ermäßigten
Mehrwertsteuersätze Ihre Koalition vollends auseinan-
derbricht.
Aber Ihre internen Querelen sind keine Rechtferti-
gung für Ihre Untätigkeit. Bei dem Katalog der Pro-
dukte, die dem ermäßigten Mehrwertsteuersatz unterlie-
gen, müssen Sie handeln, schon alleine wegen des
Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 12. Mai die-
sen Jahres. Da hat er entschieden, dass es nicht rechtens
ist, Pferde mit dem reduzierten Mehrwertsteuersatz zu
begünstigen. Die Begünstigung sei nur für Tiere erlaubt,
die üblicherweise als Nahrungs- und Futtermittel ver-
wendet werden. Finanzminister Schäuble scheint die
Umsatzsteuerreform abgeschrieben zu haben.
In seiner Rede vom Mai vor dem Deutschen Steuerbe-
raterkongress meinte er, dass er eine umfassende Mehr-
wertsteuerreform für ein unproduktives Unterfangen
halte, bei dem viele Diskussionen ausgelöst würden,
ohne dass am Ende etwas Substanzielles herauskomme.
Diese Meinung mag die Situation in der Regierungsko-
alition richtig wiedergeben. Aber nach dem Urteil des
Europäischen Gerichtshofs kann es nicht sein, dass die
Bundesregierung weiterhin untätig bleibt. Nur eines
wollen wir nicht: dass eine solche Reform zulasten der
niedrig verdienenden Verbraucherinnen und Verbraucher
geht, dann wäre es besser Sie bleiben weiterhin untätig.
Dr. Thomas Gambke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN): Die Koalition versucht sich mal wieder an der
Umsatzsteuer. Die gute Nachricht dabei ist, dass Union
und FDP endlich eine sinnvolle Änderung auf den Weg
bringen. Die schlechte Nachricht aber ist, dass Schwarz-
Gelb es schafft, selbst gute Gesetze schlecht umzuset-
zen.
Das Gesetz zur Entfristung der 500 000-Euro-Grenze
für die Istbesteuerung kommt viel zu spät. Seit Anfang
des Jahres haben wir vergeblich darauf hingewiesen,
dass kleine und mittlere Unternehmen Planungssicher-
heit für die Zukunft brauchen. Mit Verweis auf ihre Um-
satzsteuerkommission hat die Bundesregierung das Vor-
haben immer weiter nach hinten geschoben. Heute
musste sie eingestehen, dass ihre letztes Jahr eingesetzte
Kommission bis jetzt nicht ein einziges Mal getagt hat.
Trotz der notwendigen Haushaltskonsolidierung sieht
sich die Koalition zudem nicht in der Lage, die absolut
nicht gerechtfertigten verminderten Mehrwertsteuersätze
wie zum Beispiel für Schnittblumen oder Tierfutter end-
lich zu korrigieren. Auf der anderen Seite droht
Schwarz-Gelb da zu spät zu kommen, wo nach eigener
Aussage gar kein Steuerverlust droht, aber kleinen Un-
ternehmen eine erhebliche Erleichterung gegeben wer-
den kann, wie es bei der Istbesteuerung der Fall ist.
Nach Willen der Bundesregierung soll die Änderung
des Umsatzrechts als Einzelgesetz verabschiedet wer-
den. Auf den allerletzten Drücker hat sie heute einen ei-
genen Gesetzentwurf ins Plenum eingebracht. Nach bis-
herigen Planungen kann der Bundesrat erst im
Dezember, womöglich in seiner letzten Sitzung im Jahr,
über den Entwurf entscheiden. Das ist eine Frechheit ge-
genüber den vielen betroffenen Unternehmen und äu-
ßerst schädlich für die deutsche Wirtschaft, die von vie-
len kleinen und mittleren Unternehmen und
Handwerksbetrieben getragen wird.
So kann es dazu kommen, dass kleine Unternehmen,
die im Dezember einen Auftrag bekommen, nicht wis-
sen, ob sie die Umsatzsteuer vorfinanzieren müssen oder
nicht. Im schlimmsten Fall müssen sie Aufträge ableh-
nen, weil sie keine ausreichende Kreditlinie besitzen und
davon ausgehen müssen, dass sie nach der Sollbesteue-
rung veranlagt werden. Schwarz-Gelb verunsichert die
Wirtschaft durch sein zögerliches Handeln nicht nur, es
gefährdet Arbeitsplätze und Existenzen. Das ist skanda-
lös.
Dies kann unsere Fraktion so nicht hinnehmen. Um
den Gesetzgebungsprozess zu beschleunigen, haben wir
schon Anfang September einen Änderungsantrag zum
Beitreibungsrichtlinien-Umsetzungsgesetz gestellt. Da-
durch kann die Gesetzgebung so schnell umgesetzt wer-
den, dass sich der Schaden für die betroffenen Unterneh-
men in Grenzen hält. Es liegt an der Koalition, auf
taktische Spielchen zu verzichten und zum Wohl der ein-
heimischen Wirtschaft unserem Anliegen hier zuzustim-
men.
Leider beweist die Bundesregierung auch, dass das
Umsatzsteuerrecht in dieser Legislatur lediglich zur Be-
friedigung von Lobbyinteressen oder zu taktischen
Machtspielchen missbraucht wird. Eine grundlegende
Reform der ermäßigten Sätze mit dem Ziel eines einfa-
chen und gerechten Umsatzsteuergesetzes wird es bis
zum Ende dieser Koalition nicht geben. Dabei ist es hier
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 126. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 21. September 2011 14999
(A) (C)
(D)(B)
besonders nötig, für Wettbewerbsgleichheit zwischen
den einzelnen Wirtschaftszweigen zu sorgen und Bran-
chenermäßigungen schnell abzuschaffen. Lediglich die
Ermäßigungen im Bereich der Daseinsvorsorge haben
eine positive Wirkung für alle und sind deswegen zu
rechtfertigen. An diesen Änderungen hat die Bundesre-
gierung aber leider kein Interesse.
Es ist umso bedauerlicher, dass Verbesserungen, von
denen alle Branchen und hier vor allem Handwerksbe-
triebe und kleine Unternehmen profitieren, wie die Bei-
behaltung der Grenze für die Istbesteuerung, nur schlep-
pend vorankommen. Die Bundesregierung hat keinen
wirtschaftspolitischen Kompass. Sie wechselt zwar den
Wirtschaftsminister, hat aber offensichtlich den Bock
zum Gärtner gemacht. Ein erfahrener Wirtschaftsmann
hätte ein so dilettantisches Vorgehen nicht durchgehen
lassen. Wir Grüne werden uns weiter für ein gerechtes
und einfaches Umsatzsteuerrecht und die kleinen und
mittleren Unternehmen einsetzen.
Anlage 92
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Marieluise Beck (Bremen)
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstim-
mung über den Antrag: Den Staat Palästina an-
erkennen (Tagesordnungspunkt 11)
Ich befürworte eine Zwei-Staaten-Lösung als eine
Chance für Israel und Palästina. Ich hätte mir gewünscht,
dass die israelische Regierung den geplanten Vorstoß
von Präsident Abbas und Ministerpräsident Fayyad mit
einem Aufnahmeantrag Palästinas in die UN-Vollver-
sammlung zu gehen, unterstützt; denn ein künftiger Staat
Palästina würde dann ebenso wie ein Staat Israel allen
völkerrechtlichen Verpflichtungen unterliegen.
Es ist aber darauf hinzuweisen, dass Präsident Abbas
und Ministerpräsident Fayyad nur für das Westjordan-
land und nicht für den von der Hamas regierten Gaza-
streifen sprechen. Ein Staat Palästina wäre demnach ein
geteiltes Land, in dem ein Teil der Regierung – die
Hamas – den von der Fatah angekündigten Antrag vor
den Vereinten Nationen auf Anerkennung Palästinas als
Staat in den Grenzen von 1967 ablehnt, weil sie ganz
Israel beansprucht. Diese Haltung kommt einem Aufruf
zur bewaffneten Auseinandersetzung gleich.
Der Antrag 17/6150 der Linken, der diesen Sachver-
halt nicht benennt und damit die Verletzlichkeit Israels
unterschlägt, wird von mir abgelehnt.
126. Sitzung
Berlin, Mittwoch, den 21. September 2011
Inhalt:
Redetext
Anlagen zum Stenografischen Bericht
Anlage 1
Anlage 2
Anlage 3
Anlage 4
Anlage 5
Anlage 6
Anlage 7
Anlage 8
Anlage 9
Anlage 10
Anlage 11
Anlage 12
Anlage 13
Anlage 14
Anlage 15
Anlage 16
Anlage 17
Anlage 18
Anlage 19
Anlage 20
Anlage 21
Anlage 22
Anlage 23
Anlage 24
Anlage 25
Anlage 26
Anlage 27
Anlage 28
Anlage 29
Anlage 30
Anlage 31
Anlage 32
Anlage 33
Anlage 34
Anlage 35
Anlage 36
Anlage 37
Anlage 38
Anlage 39
Anlage 40
Anlage 41
Anlage 42
Anlage 43
Anlage 44
Anlage 45
Anlage 46
Anlage 47
Anlage 48
Anlage 49
Anlage 50
Anlage 51
Anlage 52
Anlage 53
Anlage 54
Anlage 55
Anlage 56
Anlage 57
Anlage 58
Anlage 59
Anlage 60
Anlage 61
Anlage 62
Anlage 63
Anlage 64
Anlage 65
Anlage 66
Anlage 67
Anlage 68
Anlage 69
Anlage 70
Anlage 71
Anlage 72
Anlage 73
Anlage 74
Anlage 75
Anlage 76
Anlage 77
Anlage 78
Anlage 79
Anlage 80
Anlage 81
Anlage 82
Anlage 83
Anlage 84
Anlage 85
Anlage 86
Anlage 87
Anlage 88
Anlage 89
Anlage 90
Anlage 91
Anlage 92