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ID1712025500

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    Plenarprotokoll 17/120 Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) . . . . . . . . . 13880 A (Drucksachen 17/5451, 17/6400) . . . . . . . – Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Katrin Göring-Eckardt, Volker Kauder, Pascal Kober, Johannes Singhammer, Dr. h. c. Wolfgang Thierse, Kathrin Vogler, Dorothee Bär, Birgitt Bender, Steffen Bilger, Elke Ferner, Ingrid Fischbach, Dr. Maria Flachsbarth, Rudolf Henke, Ansgar Heveling, Dr. Günter Krings, Markus Kurth, Andrea Nahles, Wolfgang Nešković, Dr. Stefan Ruppert, Ulla Schmidt (Aachen) und weiteren Ab- geordneten eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Verbot der Präimplanta- tionsdiagnostik (Drucksachen 17/5450, 17/6400) . . . . . . . – Zweite und dritte Beratung des von den Dr. h. c. Wolfgang Thierse (SPD) . . . . . . . . . Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Maria Michalk (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Christine Aschenberg-Dugnus (FDP) . . . . . . Kathrin Vogler (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Karin Evers-Meyer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Pascal Kober (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Katherina Reiche (Potsdam) (CDU/CSU) . . . Volker Kauder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Steffen Bockhahn (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Silvia Schmidt (Eisleben) (SPD) . . . . . . . . . . 13871 C 13871 C 13881 B 13882 B 13883 A 13884 B 13885 A 13886 A 13887 A 13887 D 13888 D 13889 C 13890 C Deutscher B Stenografisc 120. Si Berlin, Donnerstag I n h a Erweiterung und Abwicklung der Tagesord- nung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Absetzung der Tagesordnungspunkte 12, 25 c und 53 h . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachträgliche Ausschussüberweisung . . . . . . Tagesordnungspunkt 6: – Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Ulrike Flach, Peter Hintze, Dr. Carola Reimann, Dr. Petra Sitte, Jerzy Montag und weiteren Abgeordneten ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung der Präimplantationsdiagnos- tik (Präimplantationsdiagnostikgesetz – PräimpG) 13869 A 13871 B 13871 B Abgeordneten René Röspel, Priska Hinz (Herborn), Patrick Meinhardt, Dr. Norbert Lammert und weiteren Abgeordneten ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur undestag her Bericht tzung , den 7. Juli 2011 l t : begrenzten Zulassung der Präimplanta- tionsdiagnostik (Präimplantationsdia- gnostikgesetz – PräimpG) (Drucksachen 17/5452, 17/6400) . . . . . . . Ulrike Flach (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Zöller (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . René Röspel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peter Hintze (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . Dorothee Bär (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Patrick Meinhardt (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Carola Reimann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13871 C 13873 A 13873 D 13874 C 13875 C 13876 C 13877 B 13878 B 13879 B Dr. Erik Schweickert (FDP) . . . . . . . . . . . . . Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13891 C 13892 A II Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 Sören Bartol (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Michael Kretschmer (CDU/CSU) . . . . . . . . . Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU) . Dr. Christel Happach-Kasan (FDP) . . . . . . . . Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Karl Lauterbach (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Jens Spahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Andrea Nahles (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gabriele Molitor (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Kerstin Griese (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rudolf Henke (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Petra Hinz (Essen) (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Ursula von der Leyen (CDU/CSU) . . . . . Namentliche Abstimmungen . . . . . . . . . . . . . Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 7: a) Antrag der Abgeordneten Josef Philip Winkler, Viola von Cramon-Taubadel, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: 60 Jahre Genfer Flüchtlings- konvention – Magna Charta des inter- nationalen Flüchtlingsschutzes umset- zen und fortentwickeln (Drucksache 17/6347) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan Korte, Sevim Dağdelen, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion DIE LINKE: 60 Jahre Genfer Flüchtlingskonvention – Handlungsbedarf auf nationaler und in- ternationaler Ebene (Drucksache 17/6095) . . . . . . . . . . . . . . . . c) Beschlussempfehlung und Bericht des In- nenausschusses – zu dem Antrag der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan Korte, Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Für ein of- fenes, rechtsstaatliches und gerech- tes europäisches Asylsystem – zu dem Antrag der Abgeordneten Josef Philip Winkler, Viola von Cramon- Taubadel, Volker Beck (Köln), weite- 13893 B 13894 B 13895 C 13896 C 13897 D 13898 D 13900 A 13901 B 13902 C 13903 D 13904 D 13905 C 13906 B 13907 C 13908 C 13910 B, 13910 C 13910 C, 13910 D 13913 B 13913 B rer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Für wirksamen Rechtsschutz im Asyl- verfahren – Konsequenzen aus der Entscheidung des Europäischen Ge- richtshofs für Menschenrechte zie- hen (Drucksachen 17/4679, 17/4886, 17/5362) d) Beschlussempfehlung und Bericht des In- nenausschusses zu dem Antrag der Abge- ordneten Viola von Cramon-Taubadel, Josef Philip Winkler, Marieluise Beck (Bremen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Einheitli- chen EU-Flüchtlingsschutz garantieren (Drucksachen 17/4439, 17/5361) . . . . . . . e) Beschlussempfehlung und Bericht des In- nenausschusses zu dem Antrag der Abge- ordneten Josef Philip Winkler, Volker Beck (Köln), Viola von Cramon-Taubadel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Unverzüg- liche Aussetzung des Deutsch-Syrischen Rückübernahmeabkommens (Drucksachen 17/5775, 17/6383) . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 4: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe zu dem Antrag der Abgeordneten Tom Koenigs, Volker Beck (Köln), Viola von Cramon-Taubadel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Für die Unterstützung der humanitären Hilfe zugunsten der libyschen Zivilbevölke- rung und der Flüchtlinge aus Libyen und für eine menschenwürdige Behandlung und Aufnahme von Schutzbedürftigen (Drucksachen 17/5909, 17/6266) . . . . . . . . . . Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD) . . . . . . . . . . . Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP) . . . . . . . . Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . Michael Frieser (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Rüdiger Veit (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Serkan Tören (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Christoph Strässer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Egon Jüttner (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 13913 D 13914 A 13914 A 13914 B 13914 C 13916 B 13918 D 13920 A 13921 B 13923 A 13924 B 13926 A 13927 A 13928 B Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 III Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 4: Wahlvorschlag der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Wahl eines Mitglieds des Gremiums gemäß § 3 des Bundesschulden- wesengesetzes (Drucksache 17/6439) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 53: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines ... Strafrechtsänderungsgesetzes zur Um- setzung der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt (Drucksache 17/5391) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Güterkraftverkehrsgeset- zes und des Personenbeförderungsgeset- zes (Drucksache 17/6262) . . . . . . . . . . . . . . . . c) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Änderung des Seefischereigeset- zes und des Seeaufgabengesetzes (Drucksache 17/6332) . . . . . . . . . . . . . . . . d) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Seesicher- heits-Untersuchungs-Gesetzes (Drucksache 17/6334) . . . . . . . . . . . . . . . . e) Antrag der Abgeordneten Annette Groth, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Überweisung des Goldstone-Be- richtes an den Internationalen Strafge- richtshof durch den UN-Sicherheitsrat (Drucksache 17/6339) . . . . . . . . . . . . . . . . f) Antrag der Abgeordneten Harald Koch, Kathrin Vogler, Jan van Aken, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion DIE LINKE: Behandlungs- und Betreuungsangebote für traumatisierte Soldatinnen und Sol- daten, zivile Kräfte und Angehörige aus- bauen (Drucksache 17/6342) . . . . . . . . . . . . . . . . 13930 A 13932 D 13930 C 13930 D 13938 D 13930 D 13931 A 13931 A 13931 A 13931 B 13931 B g) Antrag der Abgeordneten Michael Kretschmer, Wolfgang Börnsen (Bönstrup), Arnold Vaatz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU, der Abgeord- neten Siegmund Ehrmann, Sören Bartol, Martin Dörmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD, der Abgeordne- ten Patrick Kurth (Kyffhäuser), Reiner Deutschmann, Patrick Meinhardt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP so- wie der Abgeordneten Agnes Krumwiede, Josef Philip Winkler, Katrin Göring- Eckardt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das Reformationsjubiläum im Jahre 2017 – Ein Ereignis von Weltrang (Drucksache 17/6465) . . . . . . . . . . . . . . . i) Antrag der Fraktion der SPD: Menschen- rechte in der Tourismuswirtschaft ach- ten, schützen und gewährleisten (Drucksache 17/6458) . . . . . . . . . . . . . . . j) Antrag der Abgeordneten Caren Marks, Christel Humme, Petra Crone, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Zeit zwischen den Geschlechtern ge- recht verteilen – Partnerschaftlichkeit stärken (Drucksache 17/6466) . . . . . . . . . . . . . . . k) Antrag der Abgeordneten Tom Koenigs, Volker Beck (Köln), Marieluise Beck (Bre- men), weiterer Abgeordneter und der Frak- tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Seenot- rettung im Mittelmeer konsequent durchsetzen und verbessern (Drucksache 17/6467) . . . . . . . . . . . . . . . l) Antrag der Abgeordneten Viola von Cramon-Taubadel, Volker Beck (Köln), Ute Koczy, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Für eine glaubwürdige Außenpolitik ge- genüber Usbekistan (Drucksache 17/6498) . . . . . . . . . . . . . . . m) Antrag der Abgeordneten Wolfgang Wieland, Kerstin Müller (Köln), Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ausbil- dungstätigkeit der Bundespolizei in Saudi-Arabien beenden (Drucksache 17/6468) . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 5: a) Antrag der Abgeordneten Elvira Drobinski- Weiß, Sören Bartol, Willi Brase, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Vorrang für Verbraucherinteressen im Gentechnikrecht verankern (Drucksache 17/6479) . . . . . . . . . . . . . . . 13931 C 13931 C 13931 D 13931 D 13932 A 13932 A 13932 A IV Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 b) Antrag der Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter, Stephan Kühn, Dr. Valerie Wilms, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Für ein ein- heitliches Lkw-Tempolimit von 80 km/h auf Autobahnen in Europa (Drucksache 17/6480) . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 54: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Vierten, Fünften und Sechsten Änderung des Europäischen Übereinkommens vom 1. Juli 1970 über die Arbeit des im internationalen Stra- ßenverkehr beschäftigten Fahrperso- nals (AETR) (Drucksachen 17/6061, 17/6440) . . . . . . . b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 5. April 2011 zwischen der Bundesrepu- blik Deutschland und der Internationa- len Organisation für erneuerbare Ener- gien über den Sitz des IRENA- Innovations- und Technologiezentrums (Drucksachen 17/6039, 17/6265, 17/6464) c) – Zweite Beratung und Schlussabstim- mung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Abkommen vom 4. Juni 2010 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Turks- und Cai- cosinseln über den steuerlichen In- formationsaustausch (Drucksachen 17/6057, 17/6388) . . . . – Zweite Beratung und Schlussabstim- mung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Abkommen vom 21. Juni 2010 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik San Marino über die Unterstützung in Steuer- und Steuerstrafsachen durch Informationsaustausch (Drucksachen 17/6058, 17/6388) . . . . – Zweite Beratung und Schlussabstim- mung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 5. Oktober 2010 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Britischen Jung- ferninseln über die Unterstützung in Steuer- und Steuerstrafsachen durch Informationsaustausch (Drucksachen 17/6059, 17/6388) . . . . 13932 A 13932 C 13935 A 13935 C 13935 D 13935 D – Zweite Beratung und Schlussabstim- mung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Abkommen vom 9. März 2010 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Öst- lich des Uruguay zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (Drucksachen 17/6056, 17/6388) . . . . – Zweite Beratung und Schlussabstim- mung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Abkommen vom 28. Fe- bruar 2011 zwischen der Bundesre- publik Deutschland und Republik Ungarn zur Vermeidung der Dop- pelbesteuerung und zur Verhinde- rung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (Drucksachen 17/6060, 17/6388) . . . . d) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Euro- päischen Dienstleistungsrichtlinie im Ge- setz zum Schutz der Teilnehmer am Fernunterricht (Fernunterrichtsschutz- gesetz) (Drucksachen 17/6208, 17/6494) . . . . . . . e) Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu dem: Grünbuch Europäischer Corporate Governance- Rahmen KOM(2011)164 endg.; Ratsdok. 8830/11 hier: Stellungnahme im Rahmen eines Konsultationsverfahrens der EU- Kommission (Drucksachen 17/5822 Nr. A. 20, 17/6506) f) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Kultur und Medien zu dem Antrag der Abgeordneten Agnes Krumwiede, Ekin Deligöz, Katja Dörner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Kulturelle Bildung von Bundesseite nachhaltig för- dern – Auflegung eines Förderpro- gramms „Jugendkultur Jetzt“ (Drucksachen 17/3066, 17/4595) . . . . . . . g) Beschlussempfehlung und Bericht des Haus- haltsausschusses zu dem Entschließungsan- trag der Abgeordneten Manuel Sarrazin, Alexander Bonde, Kerstin Andreae, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: zu der Abgabe ei- ner Regierungserklärung durch die Bundeskanzlerin zum Europäischen Rat 13935 D 13936 A 13936 B 13936 C 13936 D Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 V am 28./29. Oktober 2010 in Brüssel und zum G-20-Gipfel am 11./12. November 2010 in Seoul hier: Stellungnahme gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes (Drucksachen 17/3425, 17/4246) . . . . . . . h) Vierte Beschlussempfehlung des Ausschus- ses für Wahlprüfung, Immunität und Ge- schäftsordnung: zu 43 Einsprüchen gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deut- schen Bundestag am 27. September 2009 (Drucksache 17/6300) . . . . . . . . . . . . . . . . Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU) . . . . i) Beschlussempfehlung des Rechtsausschus- ses: Übersicht 5 über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht (Drucksache 17/6453) . . . . . . . . . . . . . . . . j) – q) Beschlussempfehlungen des Petitionsaus- schusses: Sammelübersichten 287, 288, 289, 290, 291, 292, 293 und 294 zu Peti- tionen (Drucksachen 17/6323, 17/6324, 17/6325, 17/6326, 17/6327, 17/6328, 17/6329, 17/6330) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 6: a) Antrag der Abgeordneten Sylvia Kotting- Uhl, Hans-Josef Fell, Bärbel Höhn, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Grenzüberschrei- tende Bürgerrechte beim Atomkraft- werksprojekt Temelín 3 und 4 (Drucksache 17/6481) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadt- entwicklung – zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP: Mobilität nach- haltig sichern – Elektromobilität fördern – zu dem Antrag der Abgeordneten Ute Kumpf, Wolfgang Tiefensee, Uwe Beckmeyer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Nachhaltige Mobilität fördern – Elektromobilität vorantreiben – zu dem Antrag der Abgeordneten Sabine Leidig, Dr. Petra Sitte, Dr. Gesine Lötzsch, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion DIE LINKE: Kli- maschutz im Verkehr braucht we- sentlich mehr als Elektroautos 13937 A 13937 B 13937 C 13938 C 13938 D 13939 A – zu dem Antrag der Abgeordneten Winfried Hermann, Dr. Valerie Wilms, Hans-Josef Fell, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Mit grüner Elektro- mobilität ins postfossile Zeitalter (Drucksachen 17/3479, 17/3647, 17/2022, 17/1164, 17/6441) . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) – l) Beschlussempfehlungen des Petitionsaus- schusses: Sammelübersichten 295, 296, 297, 298, 299, 300, 301, 302, 303 und 304 zu Petitionen (Drucksachen 17/6469, 17/6470, 17/6471, 17/6472, 17/6473, 17/6474, 17/6475, 17/6476, 17/6477, 17/6478) . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 2: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktio- nen der CDU/CSU und FDP: Anhaltend po- sitive Entwicklung auf dem deutschen Ar- beitsmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Volker Kauder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Josip Juratovic (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rainer Brüderle (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Steffen Bockhahn (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gerda Hasselfeldt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Klaus Barthel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Ottmar Schreiner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Karl Schiewerling (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Johannes Vogel (Lüdenscheid) (FDP) . . . . . . Max Straubinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 16: a) – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Demonstra- tion und Anwendung von Technologien zur Abscheidung, zum Transport und zur dauerhaften Speicherung von Kohlendioxid (Drucksachen 17/5750, 17/6264, 17/6507) – Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Eva Bulling-Schröter, Katrin Kunert, Wolfgang Nešković, weiteren Abgeordneten und der Frak- tion DIE LINKE eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zum Verbot der 13939 C 13940 B 13941 B 13941 B 13942 D 13944 A 13945 D 13947 A 13948 C 13949 D 13951 A 13952 B 13954 A 13955 C 13957 B 13958 C VI Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 Speicherung von Kohlendioxid in den Untergrund des Hoheitsgebietes der Bundesrepublik Deutschland (CO2-Speicher-Verbotsgesetz – CSpVG) (Drucksachen 17/5232, 17/6507) . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Ab- geordneten Jens Koeppen, Marie-Luise Dött, Peter Altmaier, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Horst Meierhofer, Michael Kauch, Angelika Brunkhorst, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Umfassende Datenbasis für Nut- zungsmöglichkeiten des Untergrunds schaffen (Drucksachen 17/3056, 17/6507) . . . . . . . Jens Koeppen (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Matthias Miersch (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Klaus Breil (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . . Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Michael Kauch (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Namentliche Abstimmungen . . . . . . . . . . . . . Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 9: Antrag der Abgeordneten Katja Mast, Gabriele Lösekrug-Möller, Anette Kramme, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Ar- beitsmarktpolitik an den Herausforderun- gen der Zeit orientieren – Weichen für gute Arbeit, Vollbeschäftigung und Fachkräfte- sicherung stellen (Drucksache 17/6454) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Katja Mast (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) . . . Bettina Hagedorn (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Katja Kipping (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Johannes Vogel (Lüdenscheid) (FDP) . . . . . . Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Johannes Vogel (Lüdenscheid) (FDP) . . . . Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) . Katja Mast (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13958 D 13958 D 13959 A 13960 C 13962 B 13962 D 13963 D 13964 D 13965 D 13967 A, 13967 B 13970 D, 13973 B 13967 A 13967 D 13968 D 13969 D 13976 A 13977 B 13978 D 13979 A 13979 D 13980 B Ulrich Lange (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Gabriele Lösekrug-Möller (SPD) . . . . . . . . . Pascal Kober (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Paul Lehrieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 18: Zweite und dritte Beratung des von den Frak- tionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Ent- wurfs eines … Gesetzes zur Änderung des Parteiengesetzes und eines … Gesetzes zur Änderung des Abgeordnetengesetzes (Drucksachen 17/6291, 17/6496) . . . . . . . . . . Bernhard Kaster (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Dr. Dieter Wiefelspütz (SPD) . . . . . . . . . . . . Dr. Stefan Ruppert (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Raju Sharma (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Hans-Peter Uhl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) . . . . . Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 11: Erste Beratung des von den Abgeordneten Heidrun Bluhm, Dr. Dietmar Bartsch, Herbert Behrens, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Sicherung bezahlbarer Mieten und zur Begrenzung von Energie- verbrauch und Energiekosten (Drucksache 17/6371) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ingrid Remmers (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Dr. Jan-Marco Luczak (CDU/CSU) . . . . . . . . Ingo Egloff (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stephan Thomae (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Daniela Wagner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gero Storjohann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 10: – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuchs – Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (Drucksachen 17/4143, 17/6505) . . . . . . . 13980 D 13981 C 13982 D 13983 D 13985 B 13985 C 13986 C 13987 C 13988 C 13989 D 13991 B 13992 A 13992 C 13993 C 13993 C 13994 C 13996 A 13997 C 13998 D 13999 C 14000 C Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 VII – Zweite und dritte Beratung des vom Bun- desrat eingebrachten Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung des Strafgesetz- buches (… Strafrechtsänderungsgesetz – … StRÄndG) (Drucksachen 17/2165, 17/6505) . . . . . . . Jörg van Essen (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Eva Högl (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ansgar Heveling (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jörn Wunderlich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Armin Schuster (Weil am Rhein) (CDU/CSU) Sebastian Edathy (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 13: Antrag der Abgeordneten Dr. Eva Högl, Michael Hartmann (Wackernheim), Christian Lange (Backnang), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Interessenvertretung sinnvoll regeln – Lobbyismus transparent machen (Drucksache 17/6442) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Hartmann (Wackernheim) (SPD) . . . Bernhard Kaster (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Raju Sharma (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Manuel Höferlin (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Otto Fricke (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Marco Wanderwitz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Dr. Eva Högl (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 51: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs (StORMG) (Drucksache 17/6261) . . . . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit 14000 D 14001 A 14002 A 14003 A 14003 B 14004 D 14005 D 14006 B 14006 D 14007 C 14009 A 14010 A 14010 B 14011 A 14012 C 14013 B 14014 C 14015 D 14016 C 14017 D 14019 A Zusatztagesordnungspunkt 7: Erste Beratung des von den Abgeordneten Ingrid Hönlinger, Ekin Deligöz, Volker Beck (Köln), weiteren Abgeordneten und der Frak- tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zur Verlängerung der zivilrechtlichen Verjährungsfristen so- wie zur Ausweitung der Hemmungsrege- lungen bei Verletzungen der sexuellen Selbstbestimmung im Zivil- und Strafrecht (Drucksache 17/5774) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 15: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Bildung, Forschung und Technik- folgenabschätzung zu dem Antrag der Abge- ordneten René Röspel, Dr. Ernst Dieter Rossmann, Dr. Hans-Peter Bartels, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Die Friedens- und Konfliktforschung stärken – Deutsche Stiftung Friedensforschung finan- ziell ausbauen (Drucksachen 17/1051, 17/6437) . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 14: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend – zu dem Antrag der Abgeordneten Dorothee Bär, Markus Grübel, Elisabeth Winkelmeier- Becker, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abge- ordneten Marlene Rupprecht (Tuchen- bach), Petra Crone, Christel Humme, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Sibylle Laurischk, Christian Ahrendt, Stephan Thomae, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP sowie der Abgeordneten Katja Dörner, Josef Philip Winkler, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Opfern von Unrecht und Miss- handlungen in der Heimerziehung wirk- sam helfen – zu dem Antrag der Abgeordneten Heidrun Dittrich, Diana Golze, Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Unterstützung für Opfer der Heimerziehung – Angemes- sene Entschädigung für ehemalige Heimkinder umsetzen (Drucksachen 17/6143, 17/6093, 17/6500) . . Norbert Geis (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Marlene Rupprecht (Tuchenbach) (SPD) . . . Sibylle Laurischk (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . 14019 A 14019 B 14019 C 14019 D 14021 A 14022 C VIII Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 Jörn Wunderlich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jörn Wunderlich (DIE LINKE) . . . . . . . . . Manfred Kolbe (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 17: Antrag der Abgeordneten Sevim Dağdelen, Andrej Hunko, Dr. Diether Dehm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Gemeinsame Außen- und Sicherheitspoli- tik und Gemeinsame Sicherheits- und Ver- teidigungspolitik der EU wirksam kontrol- lieren (Drucksache 17/5387) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sevim Dağdelen (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 20: – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des § 522 der Zivilprozessordnung (Drucksachen 17/5334, 17/5388, 17/6406) . . – Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Christine Lambrecht, Sonja Steffen, Dr. Peter Danckert, weiteren Ab- geordneten und der Fraktion der SPD ein- gebrachten Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung der Zivilprozessordnung (§ 522 ZPO) (Drucksachen 17/4431, 17/6406) . . . . . . . – Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Ingrid Hönlinger, Jerzy Montag, Volker Beck (Köln), weiteren Ab- geordneten und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Änderung des § 522 der Zivilprozessordnung (Drucksachen 17/5363, 17/6406) . . . . . . . Tagesordnungspunkt 19: Große Anfrage der Abgeordneten Kai Gehring, Dr. Harald Terpe, Dr. Konstantin von Notz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Effektivie- rung des Jugendschutzes (Drucksachen 17/3725, 17/5868) . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 21: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Übereinkommens vom 4. August 14023 C 14024 C 14025 A 14026 B 14027 D 14028 A 14029 A 14029 A 14029 B 14029 D 1963 zur Errichtung der Afrikanischen Entwicklungsbank (Drucksachen 17/6062, 17/6395) . . . . . . . b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Über- einkommens vom 29. November 1972 über die Errichtung des Afrikanischen Entwicklungsfonds (Drucksachen 17/6063, 17/6396) . . . . . . . Tagesordnungspunkt 23: – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung aufent- haltsrechtlicher Richtlinien der Euro- päischen Union und zur Anpassung na- tionaler Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex (Drucksachen 17/6053, 17/6497) . . . . . . . – Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Um- setzung aufenthaltsrechtlicher Richtli- nien der Europäischen Union und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschrif- ten an den EU-Visakodex (Drucksachen 17/5470, 17/6497) . . . . . . . Tagesordnungspunkt 22: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zu dem Antrag der Abge- ordneten Kerstin Tack, Elvira Drobinski- Weiß, Dr. Wilhelm Priesmeier, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der SPD: Klonen von Tieren zur Lebensmittelproduktion verbieten (Drucksachen 17/5485, 17/5893) . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 25: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Menschenrechte und Hu- manitäre Hilfe – zu dem Antrag der Abgeordneten Erika Steinbach, Arnold Vaatz, Ute Granold, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Marina Schuster, Pascal Kober, Serkan Tören, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der FDP: Si- tuation der Sinti und Roma in Eu- ropa verbessern – zu dem Antrag der Abgeordneten Angelika Graf (Rosenheim), Kerstin Griese, Rüdiger Veit, weiterer Abge- 14029 D 14030 A 14030 C 14030 C 14030 D Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 IX ordneter und der Fraktion der SPD: Die Integration der Sinti und Roma in Europa verbessern – zu dem Antrag der Abgeordneten Katrin Göring-Eckardt, Renate Künast, Jürgen Trittin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Für die Umsetzung der Gleichstellung von Sinti und Roma in Deutschland und Europa (Drucksachen 17/5767, 17/6090, 17/5191, 17/6446) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des In- nenausschusses – zu dem Antrag der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan Korte, Sevim Dağdelen, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion DIE LINKE: In historischer Ver- antwortung – Für ein Bleiberecht der Roma aus dem Kosovo – zu dem Antrag der Abgeordneten Josef Philip Winkler, Volker Beck (Köln), Memet Kilic, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Keine Zwangsrückfüh- rungen von Minderheitenangehöri- gen in das Kosovo (Drucksachen 17/784, 17/1569, 17/3735) Tagesordnungspunkt 24: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Wahlprüfung, Immunität und Ge- schäftsordnung zu dem Antrag der Abgeord- neten Elke Ferner, Monika Lazar, Cornelia Möhring und weiterer Abgeordneter: Erweite- rung der Anzahl der Sachverständigen in der Enquete-Kommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität – Wege zu nach- haltigem Wirtschaften und gesellschaftli- chem Fortschritt in der Sozialen Markt- wirtschaft“ (Drucksachen 17/5885, 17/6435) . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 27: Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP: zu der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versiche- rungs- und Rückversicherungstätigkeit (EG) Nr. 2009/138 (Solvabilität II) sowie zum Entwurf einer Richtlinie des Europäi- schen Parlaments und des Rates zur Ände- rung der Richtlinien 2003/71/EG und 2009/ 138/EG im Hinblick auf die Befugnisse der Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche 14031 A 14031 C 14032 A Altersvorsorge und der europäischen Wertpapieraufsichtsbehörde (Omnibus II) hier: Stellungnahme nach Artikel 23 Ab- satz 3 des Grundgesetzes i. V. m. § 9 des Gesetzes über die Zusammenar- beit von Bundesregierung und Deut- schem Bundestag in Angelegenhei- ten der Europäischen Union Für eine harmonisierte europäische Versi- cherungsaufsicht unter Wahrung bewähr- ter Aufsichtsinstrumente zur Risikovor- sorge in Deutschland (Drucksache 17/6456) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 26: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Arbeit und Soziales zu dem An- trag der Abgeordneten Sabine Zimmermann, Klaus Ernst, Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Gute öffentlich geförderte Beschäftigung – Eine Alternative zu Langzeiterwerbslosig- keit und Ein-Euro-Jobs (Drucksachen 17/1397, 17/5448) . . . . . . . . . . Dr. Matthias Zimmer (CDU/CSU) . . . . . . . . . Ulrich Lange (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Katja Mast (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pascal Kober (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sabine Zimmermann (DIE LINKE) . . . . . . . . Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 29: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung der Verord- nung (EG) Nr. 1272/2008 und zur Anpas- sung des Chemikaliengesetzes und anderer Gesetze im Hinblick auf den Vertrag von Lissabon (Drucksachen 17/6054, 17/6463) . . . . . . . . . . Ingbert Liebing (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Dr. Bärbel Kofler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Lutz Knopek (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Ralph Lenkert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 28: Antrag der Abgeordneten Christine Scheel, Kerstin Andreae, Fritz Kuhn, weiterer Abge- 14032 B 14032 C 14032 D 14033 D 14034 D 14035 C 14036 C 14037 A 14037 D 14038 A 14038 D 14040 A 14040 C 14041 A X Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Bürokratieabbau vorantreiben: Kleine Unternehmen von der Bilanzie- rungspflicht befreien (Drucksache 17/3221) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Marco Wanderwitz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Ingo Egloff (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Marco Buschmann (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . Richard Pitterle (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Christine Scheel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 31: Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die De- mokratische Republik Kongo stabilisieren (Drucksache 17/6448) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU) . . . Sibylle Pfeiffer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) . . . . . . . . Marina Schuster (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Sevim Dağdelen (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 30: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe zu dem Antrag der Fraktion der SPD: Die UN-Leitlinien für menschenrechtlich verantwortliches unternehmerisches Han- deln aktiv unterstützen (Drucksachen 17/6087, 17/6445) . . . . . . . . . . Jürgen Klimke (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Ullrich Meßmer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Serkan Tören (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Annette Groth (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 33: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Mee- resstrategie-Rahmenrichtlinie und zur Änderung des Bundeswasserstraßenge- setzes (Drucksachen 17/6055, 17/6209, 17/6508) . 14041 D 14042 A 14042 D 14043 C 14044 B 14045 A 14046 A 14046 A 14046 D 14047 D 14048 C 14050 C 14051 C 14052 D 14053 A 14054 C 14055 B 14056 C 14057 D 14058 C b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit – zu dem Antrag der Abgeordneten Frank Schwabe, Dirk Becker, Marco Bülow, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Unsere Meere brauchen Schutz – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Valerie Wilms, Hans-Josef Fell, Bärbel Höhn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Schutz der Meere vor Vermül- lung und anderen Verschmutzungen (Drucksachen 17/1960, 17/1763, 17/4566) Ingbert Liebing (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Frank Schwabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Angelika Brunkhorst (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Sabine Stüber (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 32: Antrag der Abgeordneten Gustav Herzog, Uwe Beckmeyer, Doris Barnett, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Bür- gerinnen und Bürger dauerhaft vom Bahn- lärm entlasten – Alternative Güterver- kehrsstrecke zum Mittelrheintal angehen (Drucksache 17/6452) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulrich Lange (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Steffen Bilger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Gustav Herzog (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Werner Simmling (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Sabine Leidig (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 35: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Neunten Ge- setzes zur Änderung des Bundesvertriebe- nengesetzes (Drucksache 17/5515) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD) . . . . . . . . . . . Serkan Tören (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . Memet Kilic (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14058 D 14059 A 14059 D 14061 B 14061 B 14061 A 14064 A 14064 B 14064 D 14065 D 14066 D 14067 B 14068 A 14068 D 14069 A 14069 C 14070 B 14070 D Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 XI Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 34: Antrag der Abgeordneten Yvonne Ploetz, Diana Golze, Agnes Alpers, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion DIE LINKE: Hände weg von der Initiative „JUGEND STÄRKEN“ (Drucksache 17/6393) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Peter Tauber (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Stefan Schwartze (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Florian Bernschneider (FDP) . . . . . . . . . . . . Yvonne Ploetz (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Till Seiler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 37: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Übereinkom- mens vom 11. Oktober 1985 zur Errichtung der Multilateralen Investitions-Garantie- Agentur (Drucksachen 17/5263, 17/6231) . . . . . . . . . . Johannes Selle (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Barbara Hendricks (SPD) . . . . . . . . . . . . Joachim Günther (Plauen) (FDP) . . . . . . . . . Niema Movassat (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Ute Koczy (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 36: Antrag der Abgeordneten Agnes Krumwiede, Ekin Deligöz, Katja Dörner, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Für eine Ausstellungszahlung an bildende Künstlerinnen und Künstler sowie Fotografinnen und Fotografen bei durch den Bund geförderten Ausstellungen (Drucksache 17/6346) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Monika Grütters (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Dorothee Bär (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Siegmund Ehrmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Reiner Deutschmann (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Lukrezia Jochimsen (DIE LINKE) . . . . . . Agnes Krumwiede (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14071 C 14072 C 14072 D 14074 D 14075 D 14076 C 14078 B 14078 A 14078 B 14079 D 14081 D 14082 D 14083 B 14084 B 14084 B 14085 C 14086 A 14087 B 14088 B 14089 C Tagesordnungspunkt 38: Antrag der Abgeordneten Swen Schulz (Spandau), Aydan Özoğuz, Daniela Kolbe (Leipzig), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Einrichtung eines Zen- trums für Alevitische Studien fördern (Drucksache 17/5517) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU) . . Dr. Maria Flachsbarth (CDU/CSU) . . . . . . . Swen Schulz (Spandau) (SPD) . . . . . . . . . . . . Aydan Özoğuz (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Martin Neumann (Lausitz) (FDP) . . . . . . Raju Sharma (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Krista Sager (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 39: Antrag der Abgeordneten Gabriele Hiller- Ohm, Anette Kramme, Elke Ferner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Aus- grenzung stoppen – Alle Kinder, Jugendli- che und junge Erwachsene im Leistungsbe- zug des Asylbewerberleistungsgesetzes in das Bildungs- und Teilhabepaket einbezie- hen (Drucksache 17/6455) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Peter Tauber (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Heike Brehmer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Gabriele Hiller-Ohm (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Pascal Kober (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diana Golze (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 40: Antrag der Abgeordneten Dr. Petra Sitte, Halina Wawzyniak, Agnes Alpers, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Die Chancen der Digitalisierung erschlie- ßen – Urheberrecht umfassend modernisie- ren (Drucksache 17/6341) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ansgar Heveling (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Burkhard Lischka (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Jimmy Schulz (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Petra Sitte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14090 C 14090 C 14091 B 14093 A 14093 B 14094 A 14094 D 14095 B 14096 B 14096 B 14096 D 14097 C 14099 A 14099 D 14100 C 14101 C 14101 D 14102 C 14103 D 14104 C 14105 B XII Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 Tagesordnungspunkt 41: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Tourismus zu dem Antrag der Ab- geordneten Markus Tressel, Nicole Maisch, Ingrid Hönlinger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Verkehrsträgerübergreifende Schlichtung ge- setzlich fixieren (Drucksachen 17/4855, 17/5657) . . . . . . . . . . Marlene Mortler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Anita Schäfer (Saalstadt) (CDU/CSU) . . . . . . Heinz Paula (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Erik Schweickert (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Kornelia Möller (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Markus Tressel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 42: Antrag der Abgeordneten Stefan Liebich, Dr. Dietmar Bartsch, Heidrun Bluhm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit einhalten – Umgang mit Gefangenen in pa- lästinensischen Gefängnissen verändern (Drucksache 17/6340) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Frieser (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Dr. Egon Jüttner (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Günter Gloser (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Rainer Stinner (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Stefan Liebich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/ IE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 43: a) Antrag der Abgeordneten Friedrich Ostendorff, Cornelia Behm, Harald Ebner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Zucht mit Schweinen mit Maligne-Hyperthermie- Syndrom (MHS) verhindern (Drucksache 17/6344) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Friedrich Ostendorff, Dr. Harald Terpe, Cornelia Behm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Dokumentation der Antibiotika-Ver- gabe in der Tierhaltung transparent ge- stalten – Sonderregelungen für die Ge- flügelindustrie streichen (Drucksache 17/6443) . . . . . . . . . . . . . . . . 14107 C 14107 C 14108 C 14109 C 14110 C 14111 C 14112 B 14113 C 14113 D 14114 D 14115 D 14116 C 14117 A 14117 D 14118 D 14118 D c) Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zu dem Antrag der Abge- ordneten Friedrich Ostendorff, Cornelia Behm, Ulrike Höfken, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Intensive Nutztierproduktion überprüfen (Drucksachen 17/5047, 17/5574) . . . . . . . Josef Rief (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD) . . . . . . . . . . . . Heinz Paula (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Michael Goldmann (FDP) . . . . . . . . . . Alexander Süßmair (DIE LINKE) . . . . . . . . . Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 44: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zu dem Antrag der Abge- ordneten Karin Binder, Caren Lay, Dr. Martina Bunge, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Nährwert-Ampel bundesweit einführen (Drucksachen 17/2120, 17/2961) . . . . . . . . . . Mechthild Heil (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Carola Stauche (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Elvira Drobinski-Weiß (SPD) . . . . . . . . . . . . . Dr. Christel Happach-Kasan (FDP) . . . . . . . Karin Binder (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 45: Antrag der Abgeordneten Katja Kipping, Diana Golze, Dr. Barbara Höll, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion DIE LINKE: Ar- muts- und Reichtumsbericht zum Ausgangs- punkt für Politikwechsel zur Herstellung sozialer Gerechtigkeit machen (Drucksache 17/6389) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Matthias Zimmer (CDU/CSU) . . . . . . . . . Max Straubinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Katja Kipping (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14118 D 14119 A 14120 B 14120 D 14121 B 14122 B 14123 A 14124 B 0000 A14124 B 14125 B 14125 D 14126 B 14127 B 14128 A 14129 A 14129 A 14130 A 14130 D 14132 B 14133 B Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 XIII Tagesordnungspunkt 46: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend – zu dem Antrag der Abgeordneten Jörn Wunderlich, Cornelia Möhring, Diana Golze, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Arbeit familien- freundlich gestalten – zu dem Antrag der Abgeordneten Katja Dörner, Ekin Deligöz, Kai Gehring, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: „Kinder, Küche und Karriere“ – Vereinbarkeit für Frauen und Männer besser möglich machen (Drucksachen 17/3189, 17/3203, 17/5088) . . Nadine Schön (St. Wendel) (CDU/CSU) . . . . . Caren Marks (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Miriam Gruß (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jörn Wunderlich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Katja Dörner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . Anlage 2 Endgültiges Ergebnis der namentlichen Ab- stimmung im Stimmzettelverfahren über drei Gesetzentwürfe zur Präimplantationsdiagnos- tik (Tagesordnungspunkt 6) . . . . . . . . . . . . . . Anlage 3 Namensverzeichnis der Mitglieder des Deut- schen Bundestages, die an der Wahl eines Mitglieds des Gremiums gemäß § 3 des Bun- desschuldenwesengesetzes teilgenommen ha- ben (Tagesordnungspunkt 4) . . . . . . . . . . . . . Anlage 4 Mündliche Frage 32 Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Handhabung bezüglich der EEG-Umlage Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (119. Sitzung, Fragestunde) 14134 A 14134 B 14135 B 14136 B 14137 B 14138 A 14138 D 14139 A 14140 A 14154 B 14157 A Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der drei Gesetzentwürfe zur Präimplantations- diagnostik (Tagesordnungspunkt 6) Norbert Barthle (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Karin Binder (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Maria Böhmer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU) . . Michael Brand (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Christine Buchholz (DIE LINKE) . . . . . . . . . Sebastian Edathy (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Ingrid Fischbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Dr. Maria Flachsbarth (CDU/CSU) . . . . . . . Erich G. Fritz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Norbert Geis (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Frank Heinrich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Manuel Höferlin (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Franz-Josef Holzenkamp (CDU/CSU) . . . . . . Andrej Hunko (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Dr. Egon Jüttner (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Volkmar Klein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Jens Koeppen (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Hartmut Koschyk (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Ingbert Liebing (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Kirsten Lühmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Philipp Mißfelder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Dr. Michael Paul (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Ruprecht Polenz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Thomas Rachel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Josef Rief (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Christian Schmidt (Fürth) (CDU/CSU) . . . . . Patrick Schnieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Johannes Singhammer (CDU/CSU) . . . . . . . Johanna Voß (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Andrea Astrid Voßhoff (CDU/CSU) . . . . . . . . Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) . . . . 14157 B 14158 B 14158 B 14159 A 14160 B 14161 A 14163 A 14164 A 14164 B 14165 A 14166 C 14167 B 14168 C 14169 A 14170 B 14171 A 14171 B 14171 C 14171 D 14172 B 14172 C 14173 B 14173 C 14174 C 14175 D 14176 C 14177 A 14177 D 14178 D 14179 B 14179 D 14180 C 14181 A 14182 B XIV Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Matthias Zimmer (CDU/CSU) . . . . . . . . . Anlage 6 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Kai Wegner (CDU/CSU): zur Abstimmung über den Entwurf eines … Gesetzes zur Än- derung des Strafgesetzbuchs – Widerstand ge- gen Vollstreckungsbeamte (Tagesordnungs- punkt 10) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 7 Erklärungen nach § 31 GO zur namentlichen Abstimmung über den Entwurf eines Geset- zes zur Demonstration und Anwendung von Technologien zur Abscheidung, zum Trans- port und zur dauerhaften Speicherung von Kohlendioxid (Tagesordnungspunkt 16 a) Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU) . . Jens Koeppen (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Ingbert Liebing (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Hans-Georg von der Marwitz (CDU/CSU) . . Horst Meierhofer (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Martin Neumann (Lausitz) (FDP) . . . . . . Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts: Die Friedens- und Konfliktforschung stärken – Deutsche Stiftung Friedensforschung finan- ziell ausbauen (Tagesordnungspunkt 15) Anette Hübinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Florian Hahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . René Röspel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Martin Schwanholz (SPD) . . . . . . . . . . . . Dr. Peter Röhlinger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . Kathrin Vogler (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Krista Sager (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Gemeinsame Außen- und Si- cherheitspolitik und Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU wirksam kontrollieren (Tagesordnungspunkt 17) Roderich Kiesewetter (CDU/CSU) . . . . . . . . . 14183 C 14183 D 14184 C 14184 D 14185 D 14186 B 14186 C 14187 A 14187 D 14188 B 14189 B 14190 A 14190 D 14191 B 14192 A 14192 C 14193 B Thomas Silberhorn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Dietmar Nietan (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Joachim Spatz (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Großen Anfrage: Effektivierung des Ju- gendschutzes (Tagesordnungspunkt 19) Dorothee Bär (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Thomas Jarzombek (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Aydan Özoğuz (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Florian Bernschneider (FDP) . . . . . . . . . . . . Diana Golze (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des § 522 der Zivilprozessordnung (Tagesord- nungspunkt 20) Dr. Jan-Marco Luczak (CDU/CSU) . . . . . . . . Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU) . . . . . Sonja Steffen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mechthild Dyckmans (FDP) . . . . . . . . . . . . . Jens Petermann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 12 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Än- derung des Übereinkommens vom 4. Au- gust 1963 zur Errichtung der Afrikani- schen Entwicklungsbank – Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Übereinkommens vom 29. November 1972 über die Errichtung des Afrikani- schen Entwicklungsfonds (Tagesordnungspunkt 21 a und b) Johannes Selle (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Barbara Hendricks (SPD) . . . . . . . . . . . . Joachim Günther (Plauen) (FDP) . . . . . . . . . 14194 B 14195 B 14196 D 14198 A 14198 D 14199 B 14200 B 14201 D 14203 A 14203 C 14204 A 14205 C 14206 B 14207 A 14208 A 14208 D 14209 C 14210 D 14211 C Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 XV Niema Movassat (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Ute Koczy (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 13 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts: Klonen von Tieren zur Lebensmittelproduk- tion verbieten (Tagesordnungspunkt 22) Dieter Stier (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . Kerstin Tack (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Christel Happach-Kasan (FDP) . . . . . . . Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) . . . . . . . Harald Ebner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 14 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Entwürfe eines Gesetzes zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Euro- päischen Union und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex (Ta- gesordnungspunkt 23) Reinhard Grindel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Helmut Brandt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Rüdiger Veit (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP) . . . . . . . . Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 15 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts: Erweiterung der Anzahl der Sachverständigen in der Enquete-Kommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität – Wege zu nach- haltigem Wirtschaften und gesellschaftli- chem Fortschritt in der Sozialen Marktwirt- schaft“ (Tagesordnungspunkt 24) Stefanie Vogelsang (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Elke Ferner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Claudia Bögel (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Cornelia Möhring (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Monika Lazar (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14212 B 14212 D 14213 B 14214 A 14214 D 14215 D 14216 D 14217 C 14218 D 14219 D 14220 C 14221 C 14222 B 14223 B 14224 A 14225 B 14226 B 14227 B Anlage 16 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Beschlussempfehlung und Bericht zu den Anträgen: – Situation der Sinti und Roma in Eu- ropa verbessern – Die Integration der Sinti und Roma in Europa verbessern – Für die Umsetzung der Gleichstellung von Sinti und Roma in Deutschland und Europa – Beschlussempfehlung und Bericht zu den Anträgen: – In historischer Verantwortung – Für ein Bleiberecht der Roma aus dem Ko- sovo – Keine Zwangsrückführungen von Minderheitenangehörigen in das Ko- sovo (Tagesordnungspunkt 25 a und b) Erika Steinbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Angelika Graf (Rosenheim) (SPD) . . . . . . . . . Serkan Tören (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pascal Kober (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Petra Pau (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 17 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: zu der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die Auf- nahme und Ausübung der Versicherungs- und Rückversicherungstätigkeit (EG) Nr. 2009/138 (Solvabilität II) sowie zum Entwurf einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinien 2003/ 71/EG und 2009/138/EG im Hinblick auf die Befugnisse der Europäischen Aufsichtsbe- hörde für das Versicherungswesen und die be- triebliche Altersvorsorge und der europäischen Wertpapieraufsichtsbehörde (Omnibus II) hier: Stellungnahme nach Artikel 23 Ab- satz 3 des Grundgesetzes i. V. m. § 9 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Eu- ropäischen Union Für eine harmonisierte europäische Versiche- rungsaufsicht unter Wahrung bewährter Auf- sichtsinstrumente zur Risikovorsorge in Deutsch- land (Tagesordnungspunkt 27) 14228 B 14229 B 14230 C 14231 B 14232 A 14232 C XVI Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 Ralph Brinkhaus (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Peter Aumer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . Manfred Zöllmer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Björn Sänger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Axel Troost (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 18 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs (StORMG) – Entwurf eines Gesetzes zur Verlängerung der zivilrechtlichen Verjährungsfristen so- wie zur Ausweitung der Hemmungsrege- lungen bei Verletzungen der sexuellen Selbstbestimmung im Zivil- und Straf- recht (Tagesordnungspunkt 51 und Zusatztagesord- nungspunkt 7) Ansgar Heveling (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Sonja Steffen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Christine Lambrecht (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Christian Ahrendt (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Jörn Wunderlich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14233 D 14235 A 14235 C 14236 B 14237 B 14238 B 14239 B 14240 C 14241 C 14242 C 14243 C 14244 A 14244 D Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 13869 (A) (C) (D)(B) 120. Si Berlin, Donnerstag Beginn: 9
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    Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 14139 (A) (C) (D)(B) Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Bellmann, Veronika CDU/CSU 07.07.2011 Brand, Michael CDU/CSU 07.07.2011 Burchardt, Ulla SPD 07.07.2011 von Cramon-Taubadel, Viola BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 07.07.2011* Dr. Danckert, Peter SPD 07.07.2011 Dr. h. c. Erler, Gernot SPD 07.07.2011 Frankenhauser, Herbert CDU/CSU 07.07.2011 Günther (Plauen), Joachim FDP 07.07.2011 Kunert, Katrin DIE LINKE 07.07.2011 Leutheusser- Schnarrenberger, Sabine FDP 07.07.2011 Lindner, Christian FDP 07.07.2011 Mayer (Altötting), Stephan CDU/CSU 07.07.2011 Menzner, Dorothee DIE LINKE 07.07.2011 Nink, Manfred SPD 07.07.2011 Nord, Thomas DIE LINKE 07.07.2011 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Kilic, Memet BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 07.07.2011 Kotting-Uhl, Sylvia BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 07.07.2011 * für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver- sammlung der OSZE Wellmann, Karl-Georg CDU/CSU 07.07.2011 Zapf, Uta SPD 07.07.2011* * 14140 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 (A) (C) (D)(B) Anlage 2 Endgültiges Ergebnis der namentlichen Abstimmung im Stimmzettelverfahren über drei Gesetzentwürfe zur Präimplantationsdiagnostik Abgegebene Stimmen insgesamt: 596 Ungültige Stimmen: 1 Gültige Stimmen: 595 Nein-Stimmen: 1 Enthaltungen: 3 Es entfielen auf die Gesetzentwürfe der Abgeordneten Ulrike Flach, Peter Hintze, Dr. Carola Reimann, Dr. Petra Sitte, Jerzy Montag und weiterer Abgeordneter Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der Präimplantationsdiagnostik – Drucksache 17/5451 und 17/6400 – 306 Stimmen der Abgeordneten Katrin Göring-Eckardt, Volker Kauder, Pascal Kober, Johannes Singhammer, Dr, h.c. Thierse und weiterer Abgeordneter Entwurf eines Gesetzes zum Verbot der Präimplantationsdiagnostik – Drucksache 17/5450 und 17/6400 – 227 Stimmen der Abgeordneten René Röspel, Priska Hinz, Patrick Meinhardt, Dr. Norbert Lammert und weiterer Abgeordneter Entwurf eines Gesetzes zur begrenzten Zulassung der Präimplantationsdiagnostik – Drucksache 17/5452 und 17/6400 – 58 Stimmen Name Flach Göhring-Eckardt Röspel Nein Enthaltg. Ungült. CDU/CSU Ilse Aigner x Peter Altmaier x Peter Aumer x Dorothee Bär x Thomas Bareiß x Norbert Barthle x Günter Baumann x Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen) x Manfred Behrens (Börde) x Dr. Christoph Bergner x Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 14141 (A) (C) (D)(B) Peter Beyer x Steffen Bilger x Clemens Binninger x Peter Bleser x Dr. Maria Böhmer x Wolfgang Börnsen (Bönstrup) x Wolfgang Bosbach x Norbert Brackmann x Klaus Brähmig x Michael Brand x Dr. Reinhard Brandl x Helmut Brandt x Dr. Ralf Brauksiepe x Dr. Helge Braun x Heike Brehmer x Ralph Brinkhaus x Cajus Caesar x Gitta Connemann x Alexander Dobrindt x Thomas Dörflinger x Marie-Luise Dött x Dr. Thomas Feist x Enak Ferlemann x Ingrid Fischbach x Hartwig Fischer (Göttingen) x Dirk Fischer (Hamburg) x Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) x Dr. Maria Flachsbarth x Klaus-Peter Flosbach x Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) x Michael Frieser x Erich G. Fritz x Dr. Michael Fuchs x Hans-Joachim Fuchtel x Alexander Funk x Ingo Gädechens x Dr. Thomas Gebhart x Norbert Geis x Alois Gerig x Eberhard Gienger x Michael Glos x Josef Göppel x Peter Götz x Dr. Wolfgang Götzer x Name Flach Göhring-Eckardt Röspel Nein Enthaltg. Ungült. 14142 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 (A) (C) (D)(B) Ute Granold x Reinhard Grindel x Hermann Gröhe x Michael Grosse-Brömer x Markus Grübel x Manfred Grund x Monika Grütters x Olav Gutting x Florian Hahn x Dr. Stephan Harbarth x Jürgen Hardt x Gerda Hasselfeldt x Dr. Matthias Heider x Helmut Heiderich x Mechthild Heil x Ursula Heinen-Esser x Frank Heinrich x Rudolf Henke x Michael Hennrich x Jürgen Herrmann x Ansgar Heveling x Ernst Hinsken x Peter Hintze x Christian Hirte x Robert Hochbaum x Karl Holmeier x Franz-Josef Holzenkamp x Anette Hübinger x Thomas Jarzombek x Dieter Jasper x Dr. Franz Josef Jung x Andreas Jung (Konstanz) x Dr. Egon Jüttner x Bartholomäus Kalb x Hans-Werner Kammer x Steffen Kampeter x Bernhard Kaster x Volker Kauder x Siegfried Kauder (Villingen- Schwenningen) x Dr. Stefan Kaufmann x Roderich Kiesewetter x Eckart von Klaeden x Ewa Klamt x Name Flach Göhring-Eckardt Röspel Nein Enthaltg. Ungült. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 14143 (A) (C) (D)(B) Volkmar Klein x Axel Knoerig x Jens Koeppen x Manfred Kolbe x Dr. Rolf Koschorrek x Hartmut Koschyk x Thomas Kossendey x Michael Kretschmer x Gunther Krichbaum x Dr. Günter Krings x Rüdiger Kruse x Bettina Kudla x Dr. Hermann Kues x Günter Lach x Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) x Andreas G. Lämmel x Dr. Norbert Lammert x Katharina Landgraf x Ulrich Lange x Dr. Max Lehmer x Paul Lehrieder x Dr. Ursula von der Leyen x Ingbert Liebing x Matthias Lietz x Dr. Carsten Linnemann x Patricia Lips x Dr. Jan-Marco Luczak x Dr. Michael Luther x Karin Maag x Dr. Thomas de Maizière x Hans-Georg von der Marwitz x Andreas Mattfeldt x Stephan Mayer (Altötting) x Dr. Michael Meister x Dr. Angela Merkel x Maria Michalk x Dr. h. c. Hans Michelbach x Dr. Mathias Middelberg x Philipp Mißfelder x Dietrich Monstadt x Marlene Mortler x Dr. Gerd Müller x Stefan Müller (Erlangen) x Dr. Philipp Murmann x Name Flach Göhring-Eckardt Röspel Nein Enthaltg. Ungült. 14144 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 (A) (C) (D)(B) Bernd Neumann (Bremen) x Michaela Noll x Dr. Georg Nüßlein x Franz Obermeier x Eduard Oswald x Henning Otte x Dr. Michael Paul x Rita Pawelski x Ulrich Petzold x Dr. Joachim Pfeiffer x Sibylle Pfeiffer x Beatrix Philipp x Ronald Pofalla x Christoph Poland x Ruprecht Polenz x Eckhard Pols x Thomas Rachel x Dr. Peter Ramsauer x Eckhardt Rehberg x Katherina Reiche (Potsdam) x Lothar Riebsamen x Josef Rief x Klaus Riegert x Dr. Heinz Riesenhuber x Johannes Röring x Dr. Norbert Röttgen x Dr. Christian Ruck x Erwin Rüddel x Albert Rupprecht (Weiden) x Anita Schäfer (Saalstadt) x Dr. Wolfgang Schäuble x Dr. Annette Schavan x Dr. Andreas Scheuer x Karl Schiewerling x Norbert Schindler x Tankred Schipanski x Georg Schirmbeck x Christian Schmidt (Fürth) x Patrick Schnieder x Dr. Andreas Schockenhoff x Nadine Schön (St. Wendel) x Dr. Ole Schröder x Bernhard Schulte-Drüggelte x Uwe Schummer x Name Flach Göhring-Eckardt Röspel Nein Enthaltg. Ungült. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 14145 (A) (C) (D)(B) Armin Schuster (Weil am Rhein) x Detlef Seif x Johannes Selle x Reinhold Sendker x Dr. Patrick Sensburg x Bernd Siebert x Thomas Silberhorn x Johannes Singhammer x Jens Spahn x Carola Stauche x Dr. Frank Steffel x Erika Steinbach x Christian Freiherr von Stetten x Dieter Stier x Gero Storjohann x Stephan Stracke x Max Straubinger x Karin Strenz x Thomas Strobl (Heilbronn) x Lena Strothmann x Michael Stübgen x Dr. Peter Tauber x Antje Tillmann x Dr. Hans-Peter Uhl x Arnold Vaatz x Volkmar Vogel (Kleinsaara) x Stefanie Vogelsang x Andrea Astrid Voßhoff x Dr. Johann Wadephul x Marco Wanderwitz x Kai Wegner x Marcus Weinberg (Hamburg) x Peter Weiß (Emmendingen) x Sabine Weiss (Wesel I) x Ingo Wellenreuther x Peter Wichtel x Annette Widmann-Mauz x Klaus-Peter Willsch x Elisabeth Winkelmeier-Becker x Dagmar Wöhrl x Dr. Matthias Zimmer x Wolfgang Zöller x Willi Zylajew x Name Flach Göhring-Eckardt Röspel Nein Enthaltg. Ungült. 14146 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 (A) (C) (D)(B) SPD Ingrid Arndt-Brauer x Rainer Arnold x Heinz-Joachim Barchmann x Dr. Hans-Peter Bartels x Klaus Barthel x Sören Bartol x Bärbel Bas x Sabine Bätzing-Lichtenthäler x Dirk Becker x Uwe Beckmeyer x Lothar Binding (Heidelberg) x Gerd Bollmann x Klaus Brandner x Willi Brase x Bernhard Brinkmann (Hildesheim) x Edelgard Bulmahn x Marco Bülow x Martin Burkert x Petra Crone x Dr. Peter Danckert x Martin Dörmann x Elvira Drobinski-Weiß x Garrelt Duin x Sebastian Edathy x Ingo Egloff x Siegmund Ehrmann x Petra Ernstberger x Karin Evers-Meyer x Elke Ferner x Gabriele Fograscher x Dr. Edgar Franke x Dagmar Freitag x Sigmar Gabriel x Michael Gerdes x Martin Gerster x Iris Gleicke x Günter Gloser x Ulrike Gottschalck x Angelika Graf (Rosenheim) x Kerstin Griese x Michael Groschek x Michael Groß x Wolfgang Gunkel x Name Flach Göhring-Eckardt Röspel Nein Enthaltg. Ungült. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 14147 (A) (C) (D)(B) Hans-Joachim Hacker x Bettina Hagedorn x Klaus Hagemann x Michael Hartmann (Wackernheim) x Hubertus Heil (Peine) x Rolf Hempelmann x Dr. Barbara Hendricks x Gustav Herzog x Gabriele Hiller-Ohm x Petra Hinz (Essen) x Frank Hofmann (Volkach) x Dr. Eva Högl x Christel Humme x Josip Juratovic x Oliver Kaczmarek x Johannes Kahrs x Dr. h. c. Susanne Kastner x Ulrich Kelber x Lars Klingbeil x Hans-Ulrich Klose x Dr. Bärbel Kofler x Daniela Kolbe (Leipzig) x Fritz Rudolf Körper x Anette Kramme x Nicolette Kressl x Angelika Krüger-Leißner x Ute Kumpf x Christine Lambrecht x Christian Lange (Backnang) x Dr. Karl Lauterbach x Steffen-Claudio Lemme x Burkhard Lischka x Gabriele Lösekrug-Möller x Kirsten Lühmann x Caren Marks x Katja Mast x Hilde Mattheis x Petra Merkel (Berlin) x Ullrich Meßmer x Dr. Matthias Miersch x Franz Müntefering x Dr. Rolf Mützenich x Andrea Nahles x Dietmar Nietan x Name Flach Göhring-Eckardt Röspel Nein Enthaltg. Ungült. 14148 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 (A) (C) (D)(B) Thomas Oppermann x Holger Ortel x Aydan Özoğuz x Heinz Paula x Johannes Pflug x Joachim Poß x Dr. Wilhelm Priesmeier x Florian Pronold x Dr. Sascha Raabe x Mechthild Rawert x Stefan Rebmann x Gerold Reichenbach x Dr. Carola Reimann x Sönke Rix x René Röspel x Dr. Ernst Dieter Rossmann x Karin Roth (Esslingen) x Michael Roth (Heringen) x Marlene Rupprecht (Tuchenbach) x Anton Schaaf x Axel Schäfer (Bochum) x Bernd Scheelen x Marianne Schieder (Schwandorf) x Werner Schieder (Weiden) x Ulla Schmidt (Aachen) x Silvia Schmidt (Eisleben) x Carsten Schneider (Erfurt) x Ottmar Schreiner x Swen Schulz (Spandau) x Ewald Schurer x Frank Schwabe x Dr. Martin Schwanholz x Rolf Schwanitz x Stefan Schwartze x Rita Schwarzelühr-Sutter x Dr. Carsten Sieling x Sonja Steffen x Peer Steinbrück x Dr. Frank-Walter Steinmeier x Christoph Strässer x Kerstin Tack x Dr. h. c. Wolfgang Thierse x Franz Thönnes x Wolfgang Tiefensee x Name Flach Göhring-Eckardt Röspel Nein Enthaltg. Ungült. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 14149 (A) (C) (D)(B) Rüdiger Veit x Ute Vogt x Dr. Marlies Volkmer x Andrea Wicklein x Heidemarie Wieczorek-Zeul x Dr. Dieter Wiefelspütz x Waltraud Wolff (Wolmirstedt) x Dagmar Ziegler x Manfred Zöllmer x Brigitte Zypries x FDP Jens Ackermann x Christian Ahrendt x Christine Aschenberg-Dugnus x Daniel Bahr (Münster) x Florian Bernschneider x Sebastian Blumenthal x Claudia Bögel x Nicole Bracht-Bendt x Klaus Breil x Rainer Brüderle x Angelika Brunkhorst x Ernst Burgbacher x Marco Buschmann x Sylvia Canel x Helga Daub x Reiner Deutschmann x Dr. Bijan Djir-Sarai x Patrick Döring x Mechthild Dyckmans x Rainer Erdel x Jörg van Essen x Ulrike Flach x Otto Fricke x Paul K. Friedhoff x Dr. Edmund Peter Geisen x Dr. Wolfgang Gerhardt x Hans-Michael Goldmann x Heinz Golombeck x Miriam Gruß x Joachim Günther (Plauen) x Dr. Christel Happach-Kasan x Heinz-Peter Haustein x Manuel Höferlin x Name Flach Göhring-Eckardt Röspel Nein Enthaltg. Ungült. 14150 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 (A) (C) (D)(B) Elke Hoff x Birgit Homburger x Dr. Werner Hoyer x Heiner Kamp x Michael Kauch x Dr. Lutz Knopek x Pascal Kober x Dr. Heinrich L. Kolb x Gudrun Kopp x Dr. h. c. Jürgen Koppelin x Sebastian Körber x Holger Krestel x Patrick Kurth (Kyffhäuser) x Heinz Lanfermann x Sibylle Laurischk x Harald Leibrecht x Lars Lindemann x Christian Lindner x Dr. Martin Lindner (Berlin) x Michael Link (Heilbronn) x Dr. Erwin Lotter x Oliver Luksic x Horst Meierhofer x Patrick Meinhardt x Gabriele Molitor x Jan Mücke x Petra Müller (Aachen) x Burkhardt Müller-Sönksen x Dr. Martin Neumann (Lausitz) x Dirk Niebel x Hans-Joachim Otto (Frankfurt) x Cornelia Pieper x Gisela Piltz x Dr. Christiane Ratjen-Damerau x Dr. Birgit Reinemund x Dr. Peter Röhlinger x Dr. Stefan Ruppert x Björn Sänger x Frank Schäffler x Christoph Schnurr x Jimmy Schulz x Marina Schuster x Dr. Erik Schweickert x Werner Simmling x Name Flach Göhring-Eckardt Röspel Nein Enthaltg. Ungült. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 14151 (A) (C) (D)(B) Judith Skudelny x Dr. Hermann Otto Solms x Joachim Spatz x Dr. Max Stadler x Torsten Staffeldt x Dr. Rainer Stinner x Stephan Thomae x Florian Toncar x Serkan Tören x Johannes Vogel (Lüdenscheid) x Dr. Daniel Volk x Dr. Guido Westerwelle x Dr. Claudia Winterstein x Dr. Volker Wissing x Hartfrid Wolff (Rems-Murr) x DIE LINKE Jan van Aken x Agnes Alpers x Dr. Dietmar Bartsch x Herbert Behrens x Karin Binder x Matthias W. Birkwald x Heidrun Bluhm x Steffen Bockhahn x Christine Buchholz x Eva Bulling-Schröter x Dr. Martina Bunge x Roland Claus x Sevim Dağdelen x Dr. Diether Dehm x Heidrun Dittrich x Werner Dreibus x Dr. Dagmar Enkelmann x Klaus Ernst x Wolfgang Gehrcke x Nicole Gohlke x Diana Golze x Annette Groth x Dr. Gregor Gysi x Heike Hänsel x Dr. Rosemarie Hein x Dr. Barbara Höll x Andrej Hunko x Ulla Jelpke x Name Flach Göhring-Eckardt Röspel Nein Enthaltg. Ungült. 14152 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 (A) (C) (D)(B) Dr. Lukrezia Jochimsen x Katja Kipping x Harald Koch x Jan Korte x Katrin Kunert x Caren Lay x Sabine Leidig x Ralph Lenkert x Michael Leutert x Ulla Lötzer x Dr. Gesine Lötzsch x Thomas Lutze x Cornelia Möhring x Kornelia Möller x Niema Movassat x Wolfgang Nešković x Petra Pau x Jens Petermann x Richard Pitterle x Yvonne Ploetz x Ingrid Remmers x Paul Schäfer (Köln) x Michael Schlecht x Dr. Ilja Seifert x Kathrin Senger-Schäfer x Raju Sharma x Dr. Petra Sitte x Kersten Steinke x Sabine Stüber x Alexander Süßmair x Dr. Kirsten Tackmann x Frank Tempel x Alexander Ulrich x Kathrin Vogler x Johanna Voß x Sahra Wagenknecht x Halina Wawzyniak x Harald Weinberg x Katrin Werner x Jörn Wunderlich x Sabine Zimmermann x BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Kerstin Andreae x Marieluise Beck (Bremen) x Name Flach Göhring-Eckardt Röspel Nein Enthaltg. Ungült. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 14153 (A) (C) (D)(B) Volker Beck (Köln) x Cornelia Behm x Birgitt Bender x Ekin Deligöz x Katja Dörner x Harald Ebner x Hans-Josef Fell x Dr. Thomas Gambke x Kai Gehring x Katrin Göring-Eckardt x Britta Haßelmann x Bettina Herlitzius x Priska Hinz (Herborn) x Dr. Anton Hofreiter x Bärbel Höhn x Ingrid Hönlinger x Thilo Hoppe x Uwe Kekeritz x Katja Keul x Sven-Christian Kindler x Maria Klein-Schmeink x Ute Koczy x Tom Koenigs x Oliver Krischer x Agnes Krumwiede x Fritz Kuhn x Stephan Kühn x Renate Künast x Markus Kurth x Undine Kurth (Quedlinburg) x Monika Lazar x Tobias Lindner x Nicole Maisch x Agnes Malczak x Jerzy Montag x Kerstin Müller (Köln) x Beate Müller-Gemmeke x Ingrid Nestle x Dr. Konstantin von Notz x Omid Nouripour x Friedrich Ostendorff x Dr. Hermann Ott x Lisa Paus x Brigitte Pothmer x Name Flach Göhring-Eckardt Röspel Nein Enthaltg. Ungült. 14154 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 (A) (C) (D)(B) Anlage 3 Namensverzeichnis der Mitglieder des Deutschen Bundestages, die an der Wahl eines Mitglieds des Gremiums gemäß § 3 des Bundesschuldenwesengesetzes teilgenommen haben Wolfgang Wieland x Dr. Valerie Wilms x Josef Philip Winkler x CDU/CSU Ilse Aigner Peter Altmaier Peter Aumer Dorothee Bär Thomas Bareiß Norbert Barthle Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen) Manfred Behrens (Börde) Dr. Christoph Bergner Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Wolfgang Bosbach Norbert Brackmann Klaus Brähmig Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Gitta Connemann Alexander Dobrindt Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Dr. Thomas Feist Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Hartwig Fischer (Göttingen) Dirk Fischer (Hamburg) Axel E. Fischer (Karlsruhe- Land) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Michael Frieser Erich G. Fritz Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Alexander Funk Ingo Gädechens Dr. Thomas Gebhart Norbert Geis Alois Gerig Eberhard Gienger Michael Glos Josef Göppel Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Ute Granold Reinhard Grindel Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Monika Grütters Olav Gutting Florian Hahn Jürgen Hardt Gerda Hasselfeldt Dr. Matthias Heider Helmut Heiderich Mechthild Heil Ursula Heinen-Esser Frank Heinrich Rudolf Henke Michael Hennrich Jürgen Herrmann Ernst Hinsken Peter Hintze Christian Hirte Robert Hochbaum Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Anette Hübinger Thomas Jarzombek Dieter Jasper Dr. Franz Josef Jung Andreas Jung (Konstanz) Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kampeter Bernhard Kaster Volker Kauder Siegfried Kauder (Villingen- Schwenningen) Dr. Stefan Kaufmann Roderich Kiesewetter Eckart von Klaeden Ewa Klamt Volkmar Klein Tabea Rößner Claudia Roth (Augsburg) Krista Sager Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Christine Scheel Dr. Gerhard Schick Dr. Frithjof Schmidt Till Seiler Dorothea Steiner Dr. Wolfgang Strengmann-Kuh Hans-Christian Ströbele Dr. Harald Terpe Markus Tressel Jürgen Trittin Daniela Wagner Name x x x x x x x x x n x x x x x x Flach GöhrinEckard x g- t Röspel Nein Enthaltg. Ungült. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 14155 (A) (C) (D)(B) Axel Knoerig Jens Koeppen Manfred Kolbe Dr. Rolf Koschorrek Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Rüdiger Kruse Bettina Kudla Dr. Hermann Kues Günter Lach Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) Andreas G. Lämmel Dr. Norbert Lammert Katharina Landgraf Ulrich Lange Dr. Max Lehmer Paul Lehrieder Dr. Ursula von der Leyen Ingbert Liebing Matthias Lietz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Dr. Jan-Marco Luczak Dr. Michael Luther Karin Maag Dr. Thomas de Maizière Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Stephan Mayer (Altötting) Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Dr. Mathias Middelberg Philipp Mißfelder Dietrich Monstadt Marlene Mortler Dr. Gerd Müller Stefan Müller (Erlangen) Dr. Philipp Murmann Michaela Noll Dr. Georg Nüßlein Franz Obermeier Eduard Oswald Henning Otte Dr. Michael Paul Rita Pawelski Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Beatrix Philipp Ronald Pofalla Christoph Poland Ruprecht Polenz Eckhard Pols Thomas Rachel Dr. Peter Ramsauer Eckhardt Rehberg Katherina Reiche (Potsdam) Lothar Riebsamen Josef Rief Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Johannes Röring Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Erwin Rüddel Albert Rupprecht (Weiden) Anita Schäfer (Saalstadt) Dr. Wolfgang Schäuble Dr. Annette Schavan Dr. Andreas Scheuer Karl Schiewerling Norbert Schindler Tankred Schipanski Georg Schirmbeck Christian Schmidt (Fürth) Patrick Schnieder Dr. Andreas Schockenhoff Nadine Schön (St. Wendel) Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Armin Schuster (Weil am Rhein) Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Jens Spahn Carola Stauche Dr. Frank Steffel Erika Steinbach Christian Freiherr von Stetten Dieter Stier Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Karin Strenz Thomas Strobl (Heilbronn) Lena Strothmann Michael Stübgen Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Volkmar Vogel (Kleinsaara) Stefanie Vogelsang Andrea Astrid Voßhoff Dr. Johann Wadephul Marco Wanderwitz Kai Wegner Marcus Weinberg (Hamburg) Peter Weiß (Emmendingen) Sabine Weiss (Wesel I) Ingo Wellenreuther Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Elisabeth Winkelmeier- Becker Dagmar Wöhrl Dr. Matthias Zimmer Wolfgang Zöller Willi Zylajew SPD Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Heinz-Joachim Barchmann Dr. Hans-Peter Bartels Klaus Barthel Sören Bartol Bärbel Bas Sabine Bätzing-Lichtenthäler Dirk Becker Uwe Beckmeyer Lothar Binding (Heidelberg) Gerd Bollmann Klaus Brandner Willi Brase Bernhard Brinkmann (Hildesheim) Edelgard Bulmahn Marco Bülow Martin Burkert Petra Crone Martin Dörmann Elvira Drobinski-Weiß Garrelt Duin Sebastian Edathy Ingo Egloff Siegmund Ehrmann Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Elke Ferner Gabriele Fograscher Dr. Edgar Franke Dagmar Freitag Sigmar Gabriel Michael Gerdes Martin Gerster Iris Gleicke Günter Gloser Ulrike Gottschalck Angelika Graf (Rosenheim) Kerstin Griese Michael Groschek Michael Groß Wolfgang Gunkel Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Michael Hartmann (Wackernheim) Hubertus Heil (Peine) Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Gustav Herzog Gabriele Hiller-Ohm Petra Hinz (Essen) Frank Hofmann (Volkach) Dr. Eva Högl Christel Humme Josip Juratovic Oliver Kaczmarek Johannes Kahrs Dr. h. c. Susanne Kastner Ulrich Kelber Lars Klingbeil Hans-Ulrich Klose Dr. Bärbel Kofler Daniela Kolbe (Leipzig) Fritz Rudolf Körper Anette Kramme Nicolette Kressl Angelika Krüger-Leißner Ute Kumpf Christine Lambrecht Christian Lange (Backnang) Dr. Karl Lauterbach Steffen-Claudio Lemme Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Kirsten Lühmann Caren Marks Katja Mast Hilde Mattheis Petra Merkel (Berlin) Dr. Matthias Miersch Franz Müntefering Dr. Rolf Mützenich Dietmar Nietan Thomas Oppermann Holger Ortel Aydan Özoğuz Heinz Paula Johannes Pflug Joachim Poß Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Mechthild Rawert Stefan Rebmann Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Sönke Rix René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Michael Roth (Heringen) Anton Schaaf Axel Schäfer (Bochum) Bernd Scheelen Marianne Schieder (Schwandorf) Werner Schieder (Weiden) Ulla Schmidt (Aachen) Silvia Schmidt (Eisleben) Carsten Schneider (Erfurt) Ottmar Schreiner Swen Schulz (Spandau) Ewald Schurer Frank Schwabe Dr. Martin Schwanholz Rolf Schwanitz Stefan Schwartze Rita Schwarzelühr-Sutter Dr. Carsten Sieling Sonja Steffen Peer Steinbrück Dr. Frank-Walter Steinmeier Christoph Strässer Kerstin Tack Dr. h. c. Wolfgang Thierse Franz Thönnes Wolfgang Tiefensee Rüdiger Veit Ute Vogt Dr. Marlies Volkmer Andrea Wicklein Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Dieter Wiefelspütz Waltraud Wolff (Wolmirstedt) Dagmar Ziegler Manfred Zöllmer 14156 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 (A) (C) (D)(B) Brigitte Zypries FDP Jens Ackermann Christian Ahrendt Christine Aschenberg- Dugnus Daniel Bahr (Münster) Gabriele Molitor Jan Mücke Petra Müller (Aachen) Burkhardt Müller-Sönkse Dr. Martin Neumann (Lausitz) Dirk Niebel Hans-Joachim Otto cole Gohlke ana Golze nette Groth . Gregor Gysi ike Hänsel . Barbara Höll drej Hunko la Jelpke Harald Ebner Hans-Josef Fell Dr. Thomas Gambke Kai Gehring Katrin Göring-Eckardt Britta Haßelmann Bettina Herlitzius Priska Hinz (Herborn) Florian Bernschneider Sebastian Blumenthal Claudia Bögel Nicole Bracht-Bendt Klaus Breil Rainer Brüderle Angelika Brunkhorst Ernst Burgbacher Marco Buschmann Sylvia Canel Helga Daub Reiner Deutschmann Dr. Bijan Djir-Sarai Patrick Döring Mechthild Dyckmans Rainer Erdel Jörg van Essen Ulrike Flach Otto Fricke Paul K. Friedhoff Dr. Edmund Peter Geisen Dr. Wolfgang Gerhardt Hans-Michael Goldmann Heinz Golombeck Miriam Gruß Joachim Günther (Plauen) Dr. Christel Happach-Kasan Heinz-Peter Haustein Manuel Höferlin Elke Hoff Birgit Homburger Dr. Werner Hoyer Heiner Kamp Michael Kauch Dr. Lutz Knopek Pascal Kober Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Dr. h. c. Jürgen Koppelin Sebastian Körber Holger Krestel Patrick Kurth (Kyffhäuser) Heinz Lanfermann Sibylle Laurischk Harald Leibrecht Dr. Martin Lindner (Berlin) Michael Link (Heilbronn) Dr. Erwin Lotter Oliver Luksic Horst Meierhofer Patrick Meinhardt (Frankfurt) Cornelia Pieper Gisela Piltz Dr. Christiane Ratjen- Damerau Dr. Birgit Reinemund Dr. Peter Röhlinger Dr. Stefan Ruppert Björn Sänger Frank Schäffler Christoph Schnurr Jimmy Schulz Marina Schuster Dr. Erik Schweickert Werner Simmling Judith Skudelny Dr. Hermann Otto Solms Joachim Spatz Dr. Max Stadler Torsten Staffeldt Dr. Rainer Stinner Stephan Thomae Serkan Tören Johannes Vogel (Lüdenscheid) Dr. Daniel Volk Dr. Guido Westerwelle Dr. Claudia Winterstein Dr. Volker Wissing Hartfrid Wolff (Rems-Murr) DIE LINKE Jan van Aken Agnes Alpers Dr. Dietmar Bartsch Herbert Behrens Karin Binder Matthias W. Birkwald Heidrun Bluhm Steffen Bockhahn Christine Buchholz Eva Bulling-Schröter Dr. Martina Bunge Roland Claus Sevim Dağdelen Dr. Diether Dehm Heidrun Dittrich Werner Dreibus Dr. Dagmar Enkelmann Klaus Ernst Wolfgang Gehrcke Dr. Lukrezia Jochimsen Katja Kipping Harald Koch Jan Korte Jutta Krellmann Katrin Kunert Caren Lay Sabine Leidig Ralph Lenkert Michael Leutert Ulla Lötzer Dr. Gesine Lötzsch Thomas Lutze Cornelia Möhring Kornelia Möller Niema Movassat Wolfgang Nešković Petra Pau Jens Petermann Richard Pitterle Yvonne Ploetz Ingrid Remmers Paul Schäfer (Köln) Michael Schlecht Dr. Ilja Seifert Kathrin Senger-Schäfer Raju Sharma Dr. Petra Sitte Kersten Steinke Sabine Stüber Alexander Süßmair Dr. Kirsten Tackmann Frank Tempel Alexander Ulrich Kathrin Vogler Johanna Voß Sahra Wagenknecht Halina Wawzyniak Harald Weinberg Katrin Werner Jörn Wunderlich Sabine Zimmermann BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Marieluise Beck (Bremen) Volker Beck (Köln) Cornelia Behm Birgitt Bender Ekin Deligöz Katja Dörner Dr. Anton Hofreiter Bärbel Höhn Ingrid Hönlinger Thilo Hoppe Uwe Kekeritz Katja Keul Sven-Christian Kindler Maria Klein-Schmeink Ute Koczy Tom Koenigs Oliver Krischer Agnes Krumwiede Fritz Kuhn Stephan Kühn Renate Künast Markus Kurth Undine Kurth (Quedlinburg) Monika Lazar Tobias Lindner Nicole Maisch Agnes Malczak Jerzy Montag Kerstin Müller (Köln) Beate Müller-Gemmeke Ingrid Nestle Dr. Konstantin von Notz Omid Nouripour Friedrich Ostendorff Dr. Hermann Ott Lisa Paus Brigitte Pothmer Tabea Rößner Claudia Roth (Augsburg) Krista Sager Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Christine Scheel Dr. Gerhard Schick Dr. Frithjof Schmidt Till Seiler Dorothea Steiner Dr. Wolfgang Strengmann- Kuhn Hans-Christian Ströbele Dr. Harald Terpe Markus Tressel Jürgen Trittin Daniela Wagner Wolfgang Wieland Dr. Valerie Wilms Josef Philip Winkler n Ni Di An Dr He Dr An Ul Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 14157 (A) (C) (D)(B) Anlage 4 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die Frage des Abgeordneten Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (119. Sitzung, Drucksache 17/6386, Frage 32): Werden aus Sicht der Bundesregierung gemäß dem novel- lierten Erneuerbare-Energien-Gesetz Energiespeicher wie Letztverbraucher mit der EEG-Umlage belastet, und gibt es eine unterschiedliche Handhabung bezüglich der Belastung zwischen durch Dritte gelieferten Strom und durch Eigen- erzeugung unter Direktbelieferung bzw. Nutzung des öffentli- chen Netzes? Die Bundesregierung misst dem Ausbau von Pump- speicherkraftwerken eine hohe Bedeutung zu. Der Aus- bau soll durch die vom Deutschen Bundestag am 30. Juni 2011 beschlossenen Neuregelungen, insbeson- dere die Befreiung neuer Speicher von den Netzentgel- ten im Energiewirtschaftsgesetz, EnWG, und die Rege- lung des § 37 Abs. 3 Erneuerbare-Energien-Gesetz, EEG, vorangetrieben werden. Eine Schlechterstellung für bestehende Pumpspeicherkraftwerke ist hiermit nicht verbunden. Die Bundesregierung wird prüfen, inwieweit das Ziel, den Bau neuer Speicher in Deutschland voran- zutreiben, durch die Formulierung des § 37 Abs. 3 EEG erreicht wird. Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden Zur Beratung der drei Gesetzentwürfe zur Prä- implantationsdiagnostik (Tagesordnungspunkt 6) Norbert Barthle (CDU/CSU): Ich bin jetzt seit fast 13 Jahren Mitglied im Deutschen Bundestag. Wir haben schon oft zu Themen des Lebensschutzes diskutiert; viele dieser Debatten verliefen quer durch alle Fraktio- nen und wurden auf hohem Niveau geführt. Dabei stand nicht immer nur der Beginn des Lebens im Vordergrund, wie beim Embryonenschutzgesetz oder der heutigen De- batte. Auch das Ende des Lebens war unser Thema; ich erinnere an die Debatten zur Sterbehilfe oder zur Organ- transplantation. Doch ich kann ehrlich feststellen: Noch nie ist mir eine Entscheidung so schwer gefallen wie heute. Und je mehr ich mich damit beschäftige, desto komplizierter und schwieriger wird es. Das liegt zum einen an meiner Herkunft: Als Katholik aus dem schwäbischen Teil Baden-Württembergs bin ich als gläubiger Mensch aufgewachsen; auch heute noch ist die Religion ein fester Bestandteil meines Lebens und bildet eine wichtige Richtschnur in meiner politischen Arbeit. Ich habe mich daher bei früheren Debatten immer sehr rasch an der Seite der Lebensschützer wiedergefun- den, für die die Nichtverfügbarkeit menschlichen Lebens oberstes und wichtigstes Kriterium bei der Meinungsfin- dung gewesen ist. Eine Verzwecklichung des Menschen, egal in welcher Erscheinungsform, egal ob zu Beginn oder am Ende des Lebens, stieß immer auf meinen erbit- terten Widerstand. Doch diesmal war es anders. Zum anderen lag es an der Komplexität der Materie: Wie kaum jemals zuvor dringen wir mit diesem Thema in Grenzbereiche der Medizin vor, die noch vor wenigen Jahren für kaum vorstellbar gehalten wurden. Anhand einer einzigen Zelle eines künstlich gezeugten Embryos sagen zu können, ob dieser eine Chance auf ein men- schenwürdiges – ich sage bewusst nicht: gesundes – Le- ben hat oder ob er noch während der Schwangerschaft oder kurz nach der Geburt dem sicheren Tod geweiht ist, hätte ich selbst noch vor Kurzem nicht für möglich ge- halten. Doch die Medizin macht diese Fortschritte; auch deshalb war es diesmal anders. Nach der Lektüre der vielen Hundert E-Mails und Briefe, die mich erreicht haben, nach dem Studium der Expertisen des Nationalen Ethikrats und anderer bedeu- tender Institutionen und auch nach langem Grübeln habe ich mich dazu entschlossen, dem Gesetzentwurf der Kol- legen Flach, Hintze und anderer zuzustimmen. Und ich weiß jetzt schon, dass meine Zweifel und Selbstzweifel, ob ich mich richtig entschieden habe, nicht mit der heuti- gen Entscheidung aufhören werden; das Thema wird mich – und sicher nicht nur mich allein – noch lange be- gleiten. Denn wir werden in den kommenden Jahren mit unserer Entscheidung zu leben haben, egal wie sie heute ausfällt. Warum habe ich mich anders entschieden? Die Posi- tion der rigorosen Gegner ist mir in diesem speziellen Punkt zu einfach. Man kann bei der PID nicht nur mit dem Vorrang des Lebensschutzes argumentieren. Das ist für mich bei vielen Fragen schlüssig, wenn es um Em- bryonenschutz geht, um Forschung. Doch bei der PID handelt es sich um einen Sonderfall der künstlichen Befruchtung. Das betrifft ohnehin nur die Paare, die auf künstliche Befruchtung angewiesen sind und aufgrund ihrer Veranlagung damit rechnen, ein stark geschädigtes Kind zur Welt zu bringen. Das ist ein sehr, sehr eingegrenzter Personenkreis, wie mir ein be- freundeter Reproduktionsmediziner in einem Gespräch mitteilte. Für mich ist es überaus verständlich und natürlich, dass Eltern ein Kind haben möchten. Eltern, die – gene- tisch bedingte – geistige oder körperliche Beeinträchti- gungen haben, möchte ich ein Recht auf Nachwuchs nicht verweigern. Für diese Eltern stellt sich nun die Frage, entweder gar kein Kind zu bekommen, oder ein Kind, bei dem ich zumindest die Gefahr ausschließen kann, dass die eigene Krankheit weitervererbt wird. Ob dieses Kind dann letztlich gesund zur Welt kommt, liegt weiterhin allein in Gottes Hand! Auch das Argument, behinderte Menschen würden mit einer sehr begrenzten Zulassung der PID abgewertet oder zu „Menschen zweiter Klasse“, zählt an dieser Stelle für mich nicht. Es wird der Sachlage nicht gerecht. Denn betroffen sind Eltern, die häufig schon Kinder haben, aber eine Erkrankung geerbt haben. Diese Eltern 14158 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 (A) (C) (D)(B) wünschen sich ein Kind, sind aber nicht bereit, das Ri- siko einer lebensbedrohenden Schädigung eines Kindes ein zweites Mal einzugehen. Wer sich die Schilderungen derjenigen Eltern durchliest, die diese Tortur einmal oder mehrmals durchgemacht haben, bleibt davon nicht unberührt. Denn vergessen wir nicht: Bereits die künstliche Be- fruchtung, die In-vitro-Fertilisation, ist ein teurer, lang- wieriger und körperlich wie seelisch sehr belastender Vorgang – und nur um diese Eltern geht es! Daher glaube ich auch, dass die Sorge vor „Designer- babys“ übertrieben ist; dazu wird es angesichts der im- mensen Kosten und der gesundheitlichen Belastungen nicht kommen. Allerdings will ich einräumen, dass man Vertrauen in die Regelungsfähigkeit des Staats braucht, wenn man der PID zustimmen will. Wir müssen selbst dafür sorgen, dass die von uns aufgerichteten Dämme halten. Ich will nicht für den Flach/Hintze-Entwurf werben, da ich in allen drei Entwürfen Wichtiges und Richtiges finde, selbstverständlich auch in dem Verbotsantrag. Aber ich bitte Sie alle, ich bitte vor allem auch die vielen Menschen in meinem Wahlkreis, die mir geschrieben habe, um Verständnis, dass ich dem Kinderwunsch von erblich schwer vorbelasteten Eltern in diesem konkreten Fall den Vorrang gebe. In diesen eng begrenzten Fällen habe ich mich für das Leben entschieden – für ein Le- ben, das andernfalls nicht entstehen könnte. Marieluise Beck (BREMEN) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die PID greift in eng umrissenen Fällen in einem sehr frühen Stadium in die Entwicklung einer befruchteten Eizelle ein. Diese Form des Eingriffs halte ich für sehr viel weniger einschneidend als das Verfah- ren der Fruchtwasseruntersuchung, das oft erst nach der 20./21. Schwangerschaftswoche zu einem Abbruch der Schwangerschaft führt. Ja, in Einzelfallen werden Spätabbrüche sogar in einer Entwicklungsphase des Em- bryos durchgeführt, wenn das Kind schon an der Grenze der eigenständigen Lebensfähigkeit ist. Ich halte diese Gesetzeslage für ethisch hochbedenk- lich, persönlich halte ich sie für inakzeptabel. In der Ab- wägung der Dramatik der Entscheidung halte ich die PID für die ethisch weniger bedenkliche und stimme deswegen dem Entwurf zu, der in genau definierten Ein- zelfällen die PID zulässt. Dabei bleibt für mich die wichtigste Aufgabe, jeden Menschen so zu nehmen, wie er ist, Verschiedenartigkeit und Behinderung als Teil des normalen Lebens zu sehen und es gesellschaftlich so zu gestalten, dass jede und je- der einen Platz in Würde in unserer Gesellschaft hat. Karin Binder (DIE LINKE): Wir haben heute als Politiker und Politikerinnen mit den vorliegenden Anträ- gen zur Gesetzesänderung eine schwerwiegende Ent- scheidung zur Präimplantationsdiagnostik, PID, zu tref- fen. Ich bin der festen Überzeugung, dass sich niemand hier im Parlament diese Entscheidung leicht macht. Ich selbst habe lange gebraucht, bis ich mir über meine Entscheidung im Klaren war. Ich werde für das Verbot der PID stimmen. Trotz aller Zweifel, ob die Ent- scheidung richtig ist, habe ich triftige Gründe dafür. Wir alle begrüßen den medizinischen Fortschritt, er rettet Leben, und er verlängert Leben. Die allermeisten Menschen sind froh und glücklich, wenn ihr Leben dank der modernen Medizin gerettet wurde, auch wenn sie nach einem schweren Unfall oder infolge einer Krank- heit mit einer Beeinträchtigung oder Behinderung wei- terleben müssen. Von solch einer Situation können wir alle einmal be- troffen werden. Unsere Gesellschaft ist deshalb gefor- dert, endlich zu einem anderen Umgang mit behinderten oder kranken Menschen zu kommen. Ein gleichberech- tigtes Miteinander zu schaffen, Einbeziehung, Teilhabe und Teilnahme an einer Gesellschaft für all ihre Mitglie- der, das sind die Herausforderungen, vor denen unsere Gesellschaft und wir als Politiker und Politikerinnen ste- hen. Und daran wird die PID nichts ändern, außer viel- leicht die Einstellung von gesunden Menschen zu kran- ken und behinderten Menschen. Müssen sich künftig Eltern eines behinderten Kindes, die sich nicht der Pro- zedur der PID unterzogen haben, womöglich fragen oder sogar vorwerfen lassen, warum nicht? Die Prozedur der künstlichen Befruchtung allein ist schon extrem belastend. Insbesondere haben die Frauen mit großen psychischen und körperlichen Problemen zu kämpfen. Ich verstehe alle Eltern, die sich ein Kind wün- schen, aber auf natürlichem Wege keine Möglichkeit ha- ben, sich dieser Prozedur auszusetzen. Aber die PID leitet ein Ausleseverfahren ein, ein Aus- leseverfahren, um den für jeden Menschen verständli- chen Wunsch der Eltern nach einem gesunden Kind zu erfüllen. Dafür gibt es dennoch keine Garantie. Die Quote von Fehlschlägen ist enorm hoch, und das führt zu weiteren insbesondere psychischen Belastungen, die in Einzelfällen Menschen auch zerstören kann. Aber auch das ist für mich noch nicht das wichtigste Argument, weshalb ich mich gegen die PID ausspreche. Gerade in Deutschland haben wir eine Vergangenheit, die uns eine besondere Verantwortung auferlegt. Vor die- sem Hintergrund ist für mich die Möglichkeit zur Selek- tion menschlichen Lebens der Hauptgrund, mich gegen die PID zu entscheiden. Ich möchte nicht, dass die Forschung um eines ver- meintlichen Fortschritts willen in die Lage versetzt wird, alles, was möglich ist, auch zu machen. Nicht alles, was menschlich machbar ist, ist auch gesellschaftlich sinn- voll oder gar notwendig. Mit der PID stoßen wir eine Tür auf, die wir nicht mehr schließen können. Auch wenn heute niemand von uns die Absicht hat, Kinder nach bestimmten Merkma- len zu züchten, kann niemand von uns sicher sein, dass im Namen eines vermeintlichen Fortschritts nicht später einmal Wissenschaft und Forschung zu einer gesell- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 14159 (A) (C) (D)(B) schaftlich nicht gewollten Entwicklung missbraucht werden. Deshalb möchte ich nicht, dass wir diese Büchse der Pandora öffnen, und stimme für das Verbot der PID. Dr. Maria Böhmer (CDU/CSU): Jeder von uns hier im Deutschen Bundestag steht vor einer Gewissenent- scheidung, wenn es um ein Verbot oder eine Zulassung der PID geht. Ich habe meine Entscheidung sehr bewusst getroffen, weil der Schutz des Lebens vom Anfang bis zum Ende mich stets bei meinen politischen Entschei- dungen geleitet hat. Deshalb spreche ich mich aus großer Überzeugung für ein Verbot der PID aus. Im Jahr 2002 habe ich mich intensiv mit der Frage be- schäftigt, die grundlegend ist: Wann beginnt das zu schützende menschliche Leben? In der damaligen De- batte ging es um die embryonale Stammzellforschung. Gemeinsam mit meinen Bundestagskolleginnen Margot von Renesse und Andrea Fischer habe ich das Stamm- zellgesetz formuliert. Es beinhaltet ein klares Nein zur verbrauchenden Embryonenforschung. In der Debatte um Patientenverfügungen habe ich den Gesetzentwurf meines Kollegen Wolfgang Bosbach unterstützt, der ein Abschalten der Geräte nur im Fall einer irreversibel töd- lich verlaufenden Krankheit erlaubt. Und bei der Debatte um Spätabtreibungen habe ich mich dafür eingesetzt, dass Spätabtreibungen vermieden werden, wir den El- tern helfend zur Seite stehen und allein die gesundheitli- che Gefährdung der Mutter einen späten Schwanger- schaftsabbruch rechtfertigen kann. Die Frage der PID ist zweifellos sensibel. Natürlich wünschen sich Eltern ein gesundes Kind. Doch haben sie auch ein Recht darauf? Ich weiß um die Verzweiflung der Paare. Ich weiß um die Angst, ein nicht lebensfähi- ges oder schwerbehindertes Kind zu bekommen. Das habe ich in vielen Gesprächen erfahren. Doch rechtfer- tigt dies alles eine Selektion, ein Aussortieren von Em- bryonen? Ich habe die große Sorge, dass der Preis zu hoch ist und wir den Schutz des Lebens unwiederbring- lich preisgeben. Ich möchte Ihnen zehn Gründe darlegen, die für mich für ein Verbot der PID maßgebend sind. Erstens. Wer über die PID diskutiert, muss sich der Grundfrage stellen, wann das zu schützende mensch- liche Leben beginnt. Es beginnt mit der Verschmelzung von Ei und Samenzelle. Das ist mehr als ein kleiner Zell- haufen, es ist ein Embryo, der bereits alle genetischen Anlagen in sich trägt. Nach meinem Verständnis darf es daher keinen Qualitätsunterschied geben zwischen ei- nem Embryo, der außerhalb des Mutterleibs in der Petri- schale liegt, und einem sich bereits im Mutterleib entwi- ckelnden. Beide müssen von Anfang an geschützt werden und haben ein Recht auf Leben. Zweitens. Wer die PID befürwortet, muss heute Ant- wort auf viele Fragen geben: Wer soll die Grenzen defi- nieren und sie entsprechend der medizinischen Entwick- lung fortschreiben? Wer soll bestimmen, was eine „schwere“ Erkrankung ist, und wer rechtfertigt diese Entscheidung? Wer entscheidet darüber, was mit den Embryonen passiert, die als nicht lebenswert verworfen werden? Die European Society of Human Reproduction and Embryology sammelt weltweit Daten der Zentren, die PID durchführen. Sie veröffentlichte im November 2010 Zahlen, nach denen im Jahr 2007 auf ein geborenes Kind mehr als 33 verworfene Embryonen kamen. Wir dürfen diese Selektion nicht zulassen, eine mögliche Schädigung des Embryos darf nicht dazu führen, dass ihm die Existenzberechtigung abgesprochen wird. Des- halb hat der Deutsche Bundestag eine eugenische Indi- kation bei Schwangerschaftsabbrüchen sehr bewusst ab- gelehnt. Drittens. Unser christliches Menschenbild lässt uns jeden Einzelnen in seiner Einzigartigkeit und Würde an- nehmen. Dazu gehört auch die Überzeugung, dass Men- schen mit Behinderungen keine Zumutung, sondern Teil unserer Gesellschaft sind. Sie verdienen unsere beson- dere Zuwendung. Viertens. Die Zulassung einer PID wird Eltern von Kindern mit Behinderungen aber unter Rechtfertigungs- zwang setzen: Warum haben sie ihrem Kind das Leid nicht erspart? Warum sollen die Kosten für die Pflege von Kindern mit Behinderungen von allen Teilen der Gesellschaft getragen werden? Das ist fatal. Wir müssen Familien in ihrer Fürsorge und Pflege behinderter Fami- lienmitglieder zur Seite stehen und für eine breite gesell- schaftliche Akzeptanz sorgen. Therapien und Rahmen- bedingungen müssen weiter verbessert werden, um Eltern das Ja zum Kind zu erleichtern. Fünftens. Mithilfe von Diagnostik lassen sich Krank- heiten erkennen, doch eines werden wir niemals können: Das Leid vorhersehen, das ein Mensch zu tragen hat. Wir dürfen uns nicht anmaßen, körperliche oder intellek- tuelle Beeinträchtigungen mit Leid gleichzusetzen. All jene, die einmal mit behinderten Menschen gesprochen haben und den Lebenswillen dieser Menschen erleben durften, werden mir zustimmen. Sechstens. Wir werden auch niemals vorhersehen können, ob es zum Zeitpunkt des Ausbruchs einer Krankheit eine Heilmethode geben wird. Wie wollen wir also entscheiden, ob ein Embryo aufgrund einer Krank- heit heute verworfen wird, wenn wir nicht wissen, ob es Chance auf Heilung geben wird? Das trifft besonders auf spätmanifestierende Erkrankungen wie beispielsweise Brustkrebs zu. Und wer vermag zu entscheiden, ob die ersten Jahre bis zum Ausbruch der Krankheit nicht le- benswert sind? Siebtens. Die PID hält nicht, was sich viele Befürwor- ter von ihr versprechen. Viele Krankheiten lassen sich durch sie nicht erkennen und treten erst im Lauf einer Schwangerschaft auf. Die Erfahrungen aus anderen Län- dern zeigen uns deutlich: Die PID verhindert somit keine Spätabtreibungen, denn viele Paare entscheiden sich nach Bekanntwerden einer Krankheit oder eines Gen- defekts für einen Abbruch. Achtens. Immer wieder hören wir in der Debatte, zwi- schen dem Verbot der PID und der gesetzlichen Rege- lung zum Schwangerschaftsabbruch bestehe ein Wer- tungswiderspruch. Dem ist nicht so! Bei einem Abbruch 14160 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 (A) (C) (D)(B) handelt es sich um eine nicht vorhersehbare, oft existen- zielle Konfliktsituation. Bei der PID ist einzig und allein ein eventueller Gendefekt Anlass zur Zerstörung des Embryos. Mit der PID wird so die Erlaubnis eingeführt, menschliches Leben aufgrund unerwünschter Eigen- schaften zu verwerfen. Ich will hier noch einmal in Erin- nerung rufen: Eine Spätabtreibung ist nicht erlaubt, sie ist lediglich straffrei gestellt. Der Grund, dass man glaubt, mit einem behinderten Kind nicht leben zu kön- nen, reicht nicht aus, um eine Abtreibung durchführen zu lassen. Sollte das in der Praxis anderweitig gehandhabt werden, rechtfertigt es noch lange nicht die Zulassung einer PID. Neuntens. Der Hinweis auf eine Zulassung der PID im Ausland führt ins Leere. Wir dürfen uns nicht dazu verleiten lassen, weitergehende gesetzliche Normen aus dem Ausland zum Bezugspunkt unserer eigenen Gesetz- gebung zu erheben. Damit wären wir Getriebene und würden uns nur noch nach den gesetzlichen Normen in anderen Ländern richten. Zehntens. Eine Zulassung der PID bedeutet zweifel- los einen Dammbruch. Die eng gefassten Ausnahmere- gelungen werden nicht lange Bestand haben. Das zeigen uns die sprunghafte Ausweitung der Pränataldiagnostik in Deutschland und die ständige Ausdehnung der An- wendungsbereiche der PID im Ausland ganz deutlich. Davor dürfen wir nicht die Augen verschließen. Ich möchte Ihnen einen Gedanken aus einem Inter- view mit einer Ärztin mitgeben, der mich besonders be- wegt hat: Ein Freisein von Beschwerden ist keine Garan- tie für ein gelingendes Leben. Nehmen wir das Leben an, wie es ist, und machen jede und jeder für sich das Beste daraus! Ich bitte Sie heute um Ihre Stimme zum Schutz des Lebens. Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU): PID – diese drei Buchstaben, die Präimplantationsdiagnostik, stehen für eine der individuellsten und emotionalsten Fragen, mit der sich zwei Menschen, die sich ein Kind wünschen, konfrontiert sehen. Nicht nur für bekennende Christen ist die heute zu treffende Entscheidung eine ganz persönliche Herausforderung. Heute gilt es, für diese Paare eine würdige wie zukunftsweisende Ent- scheidung zu treffen, sie in ihrer Sorge nicht alleine zu lassen, ohne ihnen ihre Entscheidungsfreiheit zu neh- men. In über 60 Ländern wird PID angewendet, in den we- nigsten Staaten ist sie verboten. Auch in Europa ist PID mittlerweile gelebte Realität, so zum Beispiel bei unse- ren direkten Nachbarn – Frankreich, die Niederlande, Belgien, Dänemark oder Polen. Viele deutsche Paare mit Kinderwunsch reisen ins teilweise nur wenige Kilometer entfernte EU-Nachbarland. Kritiker sprechen von einem anhaltenden PID-Tourismus. Heute werden wir hier im Deutschen Bundestag über drei Gesetzesentwürfe zu entscheiden haben. Der eine Vorschlag spricht sich für ein generelles PID-Verbot aus, die beiden anderen halten pränatale Diagnostik unter be- stimmten Voraussetzungen für zulässig. Durch die Ent- scheidung des Bundesgerichtshofs vom 6. Juli 2010 wis- sen sie sich damit rechtlich auf sicherem Boden. Der Bundesgerichtshof stellt nämlich in seiner Entscheidung fest, dass die PID zur Entdeckung schwerer genetischer Schäden des extrakorporal erzeugten Embryos unter be- stimmten Voraussetzungen straffrei sein muss. Ich spreche mich für den zweiten Weg und damit für eine begrenzte Zulassung der pränatalen Diagnostik in Deutschland aus, nach vielen Bürgergesprächen, nach Treffen mit Kirchenvertretern sowie mit Gegnern und Befürwortern in meinem Wahlkreis 1 Flensburg-Schles- wig. Damit schließe ich mich den 13 Mitgliedern des Deutschen Ethikrates in ihrer Argumentation an. Sie hal- ten PID unter bestimmten Einschränkungen für ethisch zulässig. Belegt wird, dass so einem rechtmäßigen Schwangerschaftsabbruch nach der Pränataldiagnostik vorgegriffen und dieser damit vermieden werden kann. Zudem wird Paaren, die aus genetischen Gründen bereits einige Fehl- oder Totgeburten zu verkraften hatten, ein weiterer Schicksalsschlag erspart. Medizinische Gründe – Gesundheitsschutz der Frau – sprechen gleichfalls für eine notwendige Zulassung. In welchen Fällen sollte die PID gelten? Zum Ersten, wenn die Eltern nachweislich erblich dazu veranlagt sind, auf das Kind eine schwere Krankheit oder Behinderung zu vererben. Mithilfe der pränatalen Diagnostik kann Gefahren der körperlichen und seelischen Gesundheit vorgegriffen werden. Zum Zweiten, wenn Eltern ein nachweislich hohes Risiko ha- ben, Chromosomenstörungen oder Mutationen zu verer- ben, das eine extra-uterine Lebensfähigkeit des Embryos ausschließt. Zum Dritten, wenn bei Eltern nach wieder- holten Fehlgeburten und/oder medizinischen Behand- lungsversuchen ein hohes Risiko für Reifestörungen der Keimzellen besteht, die extra-uterin nicht lebensfähig sind. Auch der Präsident der Bundesärztekammer, Dr. Frank Ulrich Montgomery, weist angesichts des wissenschaft- lichen Fortschritts darauf hin, dass PID nicht zu verhin- dern sein wird. Daher gilt es, diese – denn PID-Touris- mus können wir nicht wollen! – bei bestimmten Indikatoren zuzulassen. Wichtig ist hierbei auch das per- sönliche Gespräch mit den Eltern. Sie müssen wissen, auf was sie sich einlassen. Ich spreche mich für diesen Gesetzentwurf aus, weil er eine Ergänzung des Embryonenschutzgesetzes um eine Regelung vorsieht, die die Voraussetzungen und Verfahren für die PID regelt. Eine Ausnahme vom Ver- bot ist zulässig, wenn eine hohe Wahrscheinlichkeit für die Vererbung einer schwerwiegenden Krankheit durch genetischen Defekt der Elternteile oder eine Fehl- oder Totgeburt durch einen schwerwiegend gefährdeten Em- bryo vorliegt. Wichtig ist die Einzelfallentscheidung für die PID, die durch den Arzt mit Zustimmung der Ethik- kommission zu erfolgen hat. Sollte dagegen verstoßen werden, sind Strafen festgesetzt. Diesen Sachverhalt im Entwurf halte ich persönlich für unangemessen, auch wenn damit einem möglichen Missbrauch Einhalt gebo- ten werden soll. Abgesehen davon sind die medizinische und psychosoziale Beratung der Eltern sowie die Lizen- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 14161 (A) (C) (D)(B) zierung bestimmter Zentren, die die PID durchführen dürfen, vorgesehen. Als überzeugter Christ empfinde ich es als meine Pflicht und als Gebot der Nächstenliebe, der Frau das Ja zu einem Kind zu erleichtern. Die Entscheidung für ein Kind wird mit diesem Gesetzentwurf besser ermöglicht und nicht, wie von Kritikern angeführt, gefährdet. Wir sprechen über Paare, die sich bewusst für ein Kind ent- schieden haben. Die moderne Medizin erlaubt es uns, sie bei diesem Vorhaben zu unterstützen. Das sollen wir tun, denn Kinder sind eine Gabe Gottes und das Zur-Welt- Kommen ein Geschenk; so der Psalm 127,3. Die moderne Wissenschaft gibt uns medizinisches Wissen für die körperliche und seelische Gesundheit der Frau. Nach Abwägung rechtlicher, ethischer und mora- lischer Überlegungen sollten wir es im Rahmen dieses Gesetzentwurfes nutzen. Michael Brand (CDU/CSU): Auch die heutige De- batte zur PID hat mich in meiner Position bestärkt, dass wir diese Büchse der Pandora nicht öffnen dürfen. Mein Beitrag aus der ersten Lesung zur PID im Frühjahr die- ses Jahres behält vollständig seine Berechtigung, und ich möchte daher nochmals auf ihn verweisen. Gleich eine ganze Reihe von Kolleginnen und Kolle- gen haben in der heutigen Debatte mit sehr überzeugen- den Argumenten für echte Alternativen zur PID und ge- gen die extremen Risiken der PID gesprochen – wofür ich allen sehr herzlich danken möchte. Mir ist für diese abschließende Debatte noch einmal daran gelegen, das Ja zum Leben und das Ja auch zum Lebensrecht von Menschen zu bestärken, die mit einer „Behinderung“ durch diejenigen leben müssen, die sie nicht als vollwertige Menschen zu akzeptieren scheinen. Diese großartigen, lebensfrohen, sensiblen Persönlich- keiten sind nicht behindert, sie werden von uns behin- dert. Um für einen optimistischeren, lebensbejahenden Weg gerade in dieser Frage zu werben, hatte ich vor we- nigen Tagen noch einmal eine großartige Geschichte aus dem wirklichen Leben an alle Kolleginnen und Kollegen verschickt. Wegen der symbolischen Bedeutung und we- gen des ansteckenden Beispiels will ich diesen Bericht aus meiner Heimatzeitung, der Fuldaer Zeitung, hier noch einmal in voller Länge anfügen. Es lohnt sich, diese Reportage über eine ganz normale Familie mit mehreren Kindern, darunter einer 18-jährigen Tochter mit Downsyndrom, zu lesen. Es lohnt sich, für das Le- ben zu kämpfen, denn es ist ein Leben mit Freude und mit geteiltem Leid, und mit sprühendem Optimismus – und mit viel Liebe. Bitte bleiben wir, unabhängig von der heutigen Ab- stimmung, bei diesem Weg, das Leben zu bejahen, mit all seinen Facetten. Gehen wir nicht den Weg der Aus- grenzung von Mitmenschen weiter! Schließen wir alle Menschen in ihrem eigenen Wert in unsere Gesellschaft ein, sortieren wir sie nicht aus! Kein Leid rechtfertigt das, es wäre eine nicht mehr menschliche Gesellschaft, die aussortiert, was nicht akzeptiert wird. Unsere Verant- wortung vor Gott und den Menschen sollte uns dazu lei- ten, aktiv für alle Menschen zu werben und eben nicht das Leid der Paare zur Grundlage für eine Entscheidung gegen das Leben von Menschen mit Behinderung zu ma- chen. Zugleich müssen wir uns verpflichten, den Men- schen, die mehr Hilfe im Alltag unserer auf Funktionali- tät ausgerichteten Welt brauchen, diese auch aktiv anzubieten. Bitte nehmen wir uns ein Beispiel an dieser Familie aus meiner Region, die uns fast beschämen kann mit ih- rem Beispiel und ihrem Optimismus. Die Überschrift der Reportage könnte ein Leitmotiv im Umgang mit behin- derten Menschen sein: „Nicht besser, nicht schlechter, nur anders“. Bitte bleiben wir auf dem Weg, das Leben zu bejahen, und weichen wir nicht ab auf eine schiefe Bahn, bei der wir Gott spielen und die Menschen auswählen und aus- sortieren. Nachfolgend möchte ich Ihnen die Reportage über Rahel im vollen Wortlaut zur Kenntnis bringen und sie im Protokoll des Deutschen Bundestages festhalten: „Nicht besser, nicht schlechter – nur anders“. Rahel (18) wurde mit dem Downsyndrom geboren – und war von Anfang an willkommen. Fuldaer Zeitung, 11. März 2011 Petersberg Es ist ein schöner Samstag für Rahel Schmitt, denn Bayern München hat drei Punkte geholt. Dass „ihre“ Bayern wegen des Vorsprungs von Borussia Dortmund diesmal wahrscheinlich nicht Meister werden, will sie nicht hören. Von unserer Mitarbeiterin Bea Nolte-Schunck. Klaus Schmitt, der die Münchner Mannschaft eben- falls sehr mag, möchte seine älteste Tochter freilich darauf vorbereiten. „Du bist mir vielleicht ein Bay- ern-Fan!“, grummelt Rahel dann. Besonders gern erinnert sie sich an einen Heimsieg des Teams ge- gen St. Pauli, den sie – dank eines Geburtstagsge- schenks ihrer Familie – in der Allianz-Arena miter- lebte. Die 18-Jährige, die mit dem Downsyndrom zur Welt kam, ist ein aktiver Mensch. „Ich hab’ meine Dates“, sagt sie. Regelmäßig ist sie mit der „Fuldaer Gruppe“ unterwegs, einer betreuten Frei- zeitgruppe des Vereins „Gemeinsam Leben – Ge- meinsam Lernen“. Das Fernsehgucken mit Oma Elisabeth gehört für Rahel zum Alltag. „Ihr Tages- ablauf ist klar strukturiert, sonst würde sich unsere Älteste nicht wohlfühlen“, schildert Mutter Andrea Schmitt. Die Familie, komplettiert durch Joshua (15) und Hannah (12), freut sich über Rahels Fähigkeiten und Hobbys, zu denen basteln, töpfern, schwimmen und Ski fahren gehören. Dass sie sehr gut lesen und vortragen kann, hat sie vor einigen Wochen bei ei- nem Begegnungsnachmittag gezeigt, zu dem Bi- schof Heinz Josef Algermissen junge Leute mit Be- hinderungen und ihre Eltern eingeladen hatte. Rahel, die nicht nur von ihrer Familie sehr geför- 14162 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 (A) (C) (D)(B) dert wurde (und wird), besucht derzeit die Start- bahn, die Schule zur Berufsförderung des Anto- niusheims. Ihre Eltern können sich vorstellen, dass sie später im Service eines gastronomischen Be- triebs arbeiten wird. „Rahels Entwicklung ist schön, aber es hat auch viele Tränen gegeben“, erzählt Andrea Schmitt, die eine genetische Disposition für die Trisomie 21 hat: Ihr Bruder war mit dem Downsyndrom geboren worden und als Säugling an einem schweren Herz- fehler gestorben. Grundsätzlich besteht für die Mut- ter daher eine Wahrscheinlichkeit von 20 Prozent, ein Kind mit Downsyndrom zu bekommen. Als sie durch eine Fruchtwasseruntersuchung er- fuhr, dass dies bei ihrer ersten Schwangerschaft der Fall sein würde, war sie „völlig fertig“. Außer dem Zuspruch ihres Mannes und einer Freundin tat ihr unter anderem die Reaktion von Psychologin Ingeborg Fleischmann sehr gut: „Ihre Tochter ist nur anders – nicht besser und nicht schlechter.“ Bei Andrea Schmitts Eltern wurden die Erinnerun- gen an den Sohn wieder stark; Klaus Schmitts Vater Gerold haderte zunächst mit dem Schicksal, wäh- rend Mutter Marlene mit der Behinderung des En- kelkindes gleich versöhnt war. Betroffen machte Andrea und Klaus Schmitt folgender Satz aus dem Bekanntenkreis: „So Kinder muss man heute ei- gentlich nicht mehr kriegen.“ Sie aber wollten die- ses Kind kriegen. „Ich wäre mit einer Abtreibung nicht zurechtge- kommen. Wir wussten zwar nicht, wie wir das mit Rahel schaffen würden, aber wir wollten den Weg mit ihr gehen“, betont Andrea Schmitt. Sie und ihr Mann verurteilen freilich niemanden, der sich in ei- ner solchen Situation zur Abtreibung entschließt: „Das steht uns nicht zu. Alle Betroffenen müssen für sich die schwierige Entscheidung treffen, ob sie sich das Begleiten eines behinderten Kindes zu- trauen“, sagen die beiden. Als Rahel zur Welt kam, hatten sich ihre Eltern schon auf ihr Downsyndrom vorbereitet: „Wir konnten den kleinen Sonnenschein ohne Schock willkommen heißen“, erinnert sich ihr Vater. Sehr viel Kraft kostete es Eltern und Großeltern, als Rahel sich im Alter von neun Monaten einer Herz- operation unterziehen musste. Danach gedieh sie sichtlich. Andrea und Klaus Schmitt machen keinen Hehl da- raus, dass das Leben mit Rahel auch eine Heraus- forderung ist: „Sie hat ihre Sturheiten, und wir müs- sen im Umgang mit ihr immer eine klare Linie durchhalten.“ Wenn die 18-Jährige mal „Blödsinn macht“, beruft sie sich auf ihr Downsyndrom, um keinen Ärger zu bekommen. „Dann sage ich ihr, dass sie dieses Argument knicken kann“, berichtet ihre Mutter. Manchmal leidet Rahel unter ihren Einschränkun- gen durch das Downsyndrom, wenn es beispiels- weise darum geht, dass sie keinen Führerschein ma- chen wird. „Dann erklären wir ihr, dass andere Menschen auch Defizite haben“, schildert Klaus Schmitt. Seine Frau räumt ein: „Ich habe von Rahel mindes- tens so viel gelernt, wie sie von mir.“ Die Eltern sorgen auch dafür, dass sich in der Fami- lie nicht alles um das Mädchen mit Behinderung dreht. Für Joshua und Hannah gibt es wegen des Downsyndroms ihrer Schwester durchaus Ein- schränkungen, aber ihnen ist bewusst, was sie an Rahel haben. „Ich weiß nicht, ob ich sie mir anders wünschen würde“, betont Joshua, der drei Jahre jünger ist als Rahel. „Im Alltag bin ich allerdings der große Bruder, der auf sie aufpasst und von dem sie sich etwas sagen lässt.“ Hannah findet ihre Schwester manchmal bockig, aber vor allem ist der Zwölfjährigen wichtig: „Es macht viel Spaß mit Rahel. Sie lacht richtig gerne, und ich habe noch niemanden so lachen hören wie sie.“ Zur Präimplantationsdiagnostik Sehr skeptisch stehen Klaus und Andrea Schmitt ei- ner möglichen Zulassung der Präimplantationsdia- gnostik, PID, gegenüber. „Wir befürchten eine Aus- lese mit dem gefährlichen Ziel, den Traum vom rundum gesunden Menschen ohne Defizite zu ver- wirklichen“, betonen die Eheleute. Sie schildern Er- fahrungen mit Pränataldiagnostik, die sie 1991 bei einer Fruchtwasseruntersuchung in einer mittelhes- sischen Klinik gemacht haben. „Nach dem Erken- nen der Trisomie 21 bei unserem ungeborenen Kind war es für den Mediziner eine Selbstverständlich- keit, dass wir uns gegen das Fortsetzen der Schwan- gerschaft entscheiden würden“, erinnern sich die beiden. Beim Argumentieren sei es dem Arzt nur darum gegangen, dass sie die familiären Belastun- gen durch ein behindertes Kind nicht unterschätz- ten; ermutigende Worte für ein solches Leben habe der Mediziner nicht gesagt. Die Schmitts empfan- den dies als einseitig und befremdlich, zumal die Physiotherapeutin und der Sozialpädagoge bereits damals Etliches über das Downsyndrom wussten. „Die Tatsache, dass schon ein Klinikbett für die Ab- treibung reserviert war, fanden wir schockierend und gruselig“, unterstreichen Klaus und Andrea Schmitt. Die Eltern einer Tochter mit Downsyn- drom sind sehr vorsichtig, was menschliche Grund- satzentscheidungen über das Lebensrecht anderer betrifft – auch wenn dabei Heilungschancen eine Rolle spielen. „Welche ethische Instanz kann be- züglich der PID festlegen, wie bei Früherkennung der unterschiedlichen Krankheiten und Defizite dann vorgegangen wird? Können Menschen das überhaupt entscheiden?“, fragt Klaus Schmitt. Es gebe kein Recht auf ein gesundes Kind. Bei einer Freigabe der PID „wären dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet“, betont er. Außerdem erlebt er als Fa- milien- und Suchttherapeut, „dass Menschen sich in vielen Fällen gerade durch die Konfrontation mit Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 14163 (A) (C) (D)(B) Krankheit, Beschränkungen und Anderssein sehr positiv weiterentwickeln“. Christine Buchholz (DIE LINKE): Ich spreche für den Gesetzentwurf für eine begrenzte Zulassung der Prä- implantationsdiagnostik. Damit bekommen Frauen in wenigen Ausnahmefällen das Recht, eine künstlich be- fruchtete Eizelle vor der Einpflanzung in ihre Gebärmut- ter untersuchen zu lassen. Spezialisierte Ärztinnen und Ärzte dürfen untersuchen, ob schwerwiegende Erb- krankheiten vorliegen oder Schädigungen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Tot- oder Fehlgeburt führen werden. Es entspricht dem Stand des heutigen Wissens, solche Erbkrankheiten bei einer künstlich befruchteten Eizelle festzustellen. Ich bin der Meinung, dass den betroffenen Frauen das Recht auf diese Untersuchung zusteht. Sie entscheiden selbst, ob sie die Untersuchung vornehmen lassen oder nicht. Sie entscheiden auf der Grundlage des Ergebnisses auch selbst, ob die untersuchte Eizelle in ihre Gebärmutter eingepflanzt wird oder nicht. Es geht darum, dass Frauen sowie Ärztinnen und Ärzte nicht be- straft werden, wenn sie die Untersuchung freiwillig durchführen. Ich kann mir auch eine weitergehende Zu- lassung der PID vorstellen; der vorliegende Antrag von Ulrike Flach, Peter Hintze, Dr. Carola Reimann, Dr. Petra Sitte und Jerzy Montag kommt meiner Vorstellung am nächsten. Für mich steht das Selbstbestimmungsrecht der Frau an erster Stelle. Ich gehe davon aus, dass Frauen die Ent- scheidung über eine Schwangerschaft oder ihren Ab- bruch gewissenhaft fällen. Deswegen bin ich auch gegen den § 218, der Abtreibungen kriminalisiert, und für das Recht auf Abtreibung. Aber selbst unter dem § 218 ist Abtreibung heute unter bestimmten Bedingungen straf- frei, zum Beispiel wenn aufgrund einer Schädigung des Fötus eine schwerwiegende Belastung für Körper oder Seele der Schwangeren besteht. Ein pauschales Verbot der Präimplantationsdiagnostik hätte zur Folge, dass die Untersuchung der Eizelle in der Petrischale verboten wäre, während die pränatale Unter- suchung im Mutterleib erlaubt ist. Das Recht auf die be- wusste Entscheidung darüber, ob eine schwerwiegend geschädigte Eizelle eingepflanzt wird oder nicht, würde den Frauen genommen. Dies ist ein Widerspruch, es sei denn, man stellt selbst das geltende eingeschränkte Abtreibungsrecht infrage. Frauen zu unterstellen, dass sie die Entscheidung für oder gegen ein Kind nicht verantwortungsvoll treffen würden, ist im Falle einer künstlichen Befruchtung be- sonders fraglich. Paare, die versuchen, mithilfe der Fort- pflanzungsmedizin ein Kind zu bekommen, unterziehen sich einer langwierigen Behandlung, die nicht ohne Ri- siko und Schmerzen für die Frau erfolgt. Wie in der Diskussion um das Abtreibungsrecht wird auch in der Debatte um PID das Recht auf Leben der be- fruchteten Eizellen angeführt. Der Embryo besteht zum Zeitpunkt der PID-Untersuchung aus circa 120 Zellen und befindet sich außerhalb des Körpers der Frau. Er muss bis zum sechsten Tag nach der Befruchtung in die Gebärmutter eingepflanzt werden. Die befruchtete Ei- zelle ist unabhängig vom Körper der Frau nicht lebensfä- hig. Ich gehe von den körperlichen und seelischen Be- langen der Frau aus, nicht von denen der befruchteten Eizelle, die alleine nicht lebensfähig ist. Mit der Präimplantationsdiagnostik wird keine Aus- wahl zwischen Menschen getroffen. Die befruchtete Ei- zelle besteht im Wesentlichen aus dem Genom. Insofern steht zwar die genetische Identität des potenziellen menschlichen Wesens bereits fest. Die genetische Identi- tät ist jedoch nicht mit der persönlichen Identität gleich- zusetzen. Die körperliche Entwicklung des Embryos wird nicht einseitig vom Genom bestimmt. Sie ist Ergeb- nis der Wechselwirkung zwischen Genom und seiner Umgebung im Mutterleib. Eine persönliche Identität entwickelt sich nicht im Reagenzglas. Sie entwickelt sich aus der Interaktion zwischen heranwachsendem Kind, Mutter und dem wei- teren Umfeld. Von daher ist es eine falsche Vorstellung, mit der Entscheidung für die Einpflanzung der einen oder der anderen künstlich befruchteten Eizelle würde eine Entscheidung getroffen, welche Persönlichkeit le- ben darf und welche nicht. Wenn eine Frau sich möglicherweise dagegen ent- scheidet, sich eine schwer geschädigte, künstlich be- fruchtete Eizelle einpflanzen zu lassen, so bedeutet dies keineswegs, dass sie ein Kind, das mit Behinderung auf die Welt kommt, nicht lieben würde oder sein Leben als nicht lebenswert begreift. Es ist eine Aufgabe der gesamten Gesellschaft, Men- schen mit Behinderung zu achten und zu unterstützen. Es steht außer Frage, dass es einen großen Handlungsbe- darf gibt, um Menschen mit Behinderung und ihre Ange- hörigen zu unterstützen. Die strikten Gegnerinnen und Gegner der Präimplan- tationsdiagnostik fürchten, dass eine begrenzte Zulas- sung der PID dazu führt, dass Designerbabys geschaffen werden und der Druck auf Frauen zunimmt, die keine „perfekten“ Babys zur Welt bringen. Diese Bedenken nehmen wir ernst. In unserer Gesellschaft besteht ein enormer Druck auf Eltern, dafür zu sorgen, dass ihre Kinder sich in der Konkurrenz behaupten können. Die- ser Druck wird angesichts der finanziellen Not, in die die sozialen Sicherungssysteme in den letzten Jahren ge- bracht wurden, und angesichts der Tendenz zur Privati- sierung im Kranken- und Pflegebereich zunehmen. Und es ist davon auszugehen, dass Unternehmen bereitste- hen, nach Diagnoseverfahren zu suchen, die sich ge- winnbringend vermarkten lassen. Deswegen ist der Wunsch, Schranken zu setzen, ver- ständlich. Mit einem Verbot der PID setzt man sich je- doch über die legitimen Interessen von Menschen hin- weg, die sich ein Kind wünschen, aber keine schwerwiegende Erbkrankheit weitergeben wollen. Der Verfassungsrechtler und Romanautor Bernhard Schlink bringt es im Spiegel vom 20. Juni 2011 auf den Punkt: 14164 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 (A) (C) (D)(B) Wie gering muss man von Eltern denken, wenn man ihnen diese Entscheidung nicht zutraut. … Wenn man ihnen unterstellt, andernfalls würden sie Kinder mit Problemen einfach aussortieren. Diese Eltern sind eine Karikatur, wie im Kampf um den Schwangerschaftsabbruch die Frau eine Karikatur war, die die Schwangerschaft abbrach, weil sie das Reiten nicht aufgeben oder eine Reise nicht ver- schieben wollte. Eine karikaturhafte, paternalistische Haltung mache ich mir nicht zu eigen und stimme deswegen heute für den weitestgehenden Antrag zur Zulassung der Prä- implantationsdiagnostik. Sebastian Edathy (SPD): Nach gründlicher Abwä- gung stimme ich heute im Deutschen Bundestag dem Gruppenentwurf eines Gesetzes zur Regelung der Prä- implantationsdiagnostik (Drucksache 17/5451) der Ab- geordneten Flach, Hintze, Dr. Reimann, Dr. Sitte, Montag und weiterer Kolleginnen und Kollegen zu. Dieser Gesetzentwurf sieht vor, dass die Präimplanta- tionsdiagnostik dann zulässig ist, wenn die Genanlagen der Eltern es wahrscheinlich machen, dass mit einer Tot- oder Fehlgeburt zu rechnen ist oder das Kind eine schwerwiegende Erbkrankheit bekommt. Zur Vermei- dung von Missbräuchen soll die Präimplantationsdia- gnostik in solchen Fällen nur nach verpflichtender Auf- klärung und Beratung sowie einem positiven Votum einer interdisziplinär zusammengesetzten Ethikkommis- sion angewandt werden können. Gegenüber den Gesetzentwürfen, die die Präimplan- tationsdiagnostik generell untersagen bzw. diese aus- schließlich bei zu erwartenden Tot- oder Fehlgeburten für zulässig erklären wollen, nimmt der von mir unter- stützte Gesetzentwurf am ehesten sowohl Rücksicht auf das Gebot des Schutzes menschlichen Lebens als auch auf die Entscheidungsfreiheit selbst schwer erbkranker Paare. Sollte der von mir favorisierte Gesetzentwurf eine Mehrheit im Deutschen Bundestag erhalten, ist es aller- dings zwingend, in den kommenden Jahren regelmäßig zu prüfen, ob das Gesetz in der Praxis auch tatsächlich rechtskonform angewendet wird. Ingrid Fischbach (CDU/CSU): Was wünschen sich Paare und Eltern? Sie wünschen sich ein Kind. Sie wün- schen sich ein gesundes Kind. Haben Paare bereits Fehlgeburten, Totgeburten erlit- ten und unermessliches Leid und Traurigkeit erlebt, so ist ihr großer Wunsch nach einem gesunden Kind nur umso verständlicher. Wer kann etwas dagegen haben? Wer kann diesen Wunsch abschlagen? Auf den ersten Blick erscheint ein Gesetz, das die PID nicht zulässt, un- menschlich und herzlos. Es versagt einem Paar, das sich nichts sehnlicher wünscht, ein gesundes Kind. Was bedeutet dies für unsere Entscheidung? Beim Blick auf die Einzelfälle liegt es nahe: Wir alle wollen helfen. Jeder möchte dies aus gutem Grund – und ich spreche keinem und keiner von uns die Aufrichtig- keit dabei ab. Auch ich will den betroffenen Eltern hel- fen. Wie kann Hilfe in den konkreten Fällen aussehen? Was heißt dabei „gut meinen“ und „gut tun“? Was tun wir Eltern an, wenn wir die PID unter bestimmten Vo- raussetzungen zulassen? Hilft es betroffenen Eltern, wenn die PID ihnen Hoffnung auf ein gesundes Kind macht – bei Unterziehung einer künstlichen Befruchtung mit erheblichen gesundheitlichen Risiken und seelischen Belastungen, bei einer Erfolgsquote von weniger als 20 Prozent? Ich meine nein. Der Grundgedanke der Auswahl ist für mich höchst problematisch, das Verwerfen einzelner Embryonen nicht akzeptabel. Das Aufstellen von Kriterien, anhand derer die PID durchgeführt werden darf, überfordert den Menschen. Unabhängig davon bin ich der Überzeugung, dass eine Zulassung der PID unseren Blick auf das menschli- che Leben und unser Leben überhaupt schleichend und grundsätzlich verändern würde. Wir können feststellen, dass unsere Gesellschaft Krankheit, Behinderung und Leid im Leben gedanklich ausradiert und bewusst ausla- gert. Diese Selektion im Leben würde durch die Zulas- sung der PID konsequenterweise vorverlagert auf das embryonale Leben. Der Versuch, Krankheit, Behinderung und Leid be- reits zu Beginn des Lebens zu vermeiden und damit scheinbar gänzlich auszumerzen, obliegt dem verlocken- den, doch trügerischen Irrtum, das Leben könne ohne Grauzonen beherrschbar gemacht werden. Die damit einhergehende Negation der Schattenseiten des Lebens negiert das Leben selbst. Es ist die Endlichkeit des Le- bens, die wir scheuen. Die PID als ein Instrument, das ein zu kontrollieren- des Leben ohne Krankheit, Behinderung und Leid zusi- chert, würde zu einem unhinterfragten Standard führen, der die Leistungsmesslatte höher legt und verstärkt Druck schafft. Die bereits bestehende Tendenz, das Le- ben in einen harten Wettbewerb auf Gesundheit, Stärke und Erfolg zu programmieren, würde durch die Zulas- sung der PID zunehmen. Wie gesund ist der einzelne Mensch? Reichen seine Leistungsfähigkeit, seine Stärke und Kraft aus für den Wettbewerb des Lebens – gemessen an den strengen Maßstäben der Machbarkeit und des Erfolgs? Wenn nein, muss nachjustiert oder ausgelagert werden. Wollen wir dieser Mentalität des Trimmens und Pushens weiter Vorschub leisten? Wollen wir eine solche Gesellschaft? Wollen wir eine Gesellschaft, die die Er- folgsmaßstäbe immer weiter anzieht, bis kein Mensch sie mehr erfüllen kann? Dieser Mentalität folgend liegt es auf der Hand, den „gesündesten“ Embryo auszuwählen und als Erfolgskind stark zu machen für den Ellenbogenkampf des Lebens. Es ist nur zu seinem Besten! Welche Bürde für das spä- tere Kind, das im Gegensatz zu seinen Geschwisterkin- dern nicht verworfen, sondern ausgewählt wurde – zu Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 14165 (A) (C) (D)(B) Gesundheit, Stärke und Erfolg. Diese Verzweckung zum Erfolgskind und Objekt degradiert und verstößt gegen die Menschenwürde. Ich will nicht in einer Gesellschaft leben, die bei den Kindern anfängt, sie auf Linie zu trimmen, ihre angeb- lich auffälligen Eigenschaften zu pathologisieren, ihre Eigenheiten aus Angst vor dem Lebenskampf abzu- schmirgeln und in diversen Fördermaßnahmen zu „the- rapieren“. Diese durch die PID vorangetriebene Gleich- schaltung der Menschen macht mir große Sorge. Ich möchte, dass ein Kind in Deutschland bedingungslos um seiner selbst willen geliebt wird und ohne Qualitätscheck die Schritte ins Leben und im Leben tun darf. Ich möchte mich bei alldem keinesfalls über das harte, traurige und bewegende Schicksal einzelner Paare hinwegsetzen. Doch ich bin der festen Überzeugung, dass die PID keine Hilfe für sie darstellt. Und ich blicke mit Sorge auf die grundlegenden Veränderungen, die eine Zulassung der PID mit sich brächten: Sie beträfen das Leben und die Würde der Menschen in Deutschland. Dr. Maria Flachsbarth (CDU/CSU): Ich spreche mich in aller Entschiedenheit für ein ausnahmsloses Ver- bot der genetischen Untersuchung von Embryonen vor der Übertragung in die Mutter aus. Lassen Sie mich dafür einige wesentliche Gründe nennen: Ich möchte daran erinnern, dass wir schon ein- mal in diesem Hohen Haus eine Frage von ethisch ver- gleichbarer Gewichtung beschlossen haben. Ich meine damit die notwendige Reform der Regelungen im Straf- gesetzbuch zum Schwangerschaftsabbruch in den 90er- Jahren. Zwar weiß ich, dass der Schwangerschaftskonflikt, bei dem eine Frau schon schwanger ist – der Konflikt also auf der körperlichen Ebene in unvergleichbarer Weise erlebt wird –, nicht mit der Situation von Eltern vergleichbar ist, die sich noch vor Eintreten der Schwan- gerschaft von Herzen ein gesundes Kind wünschen. Ei- nes aber ist vergleichbar mit den Beratungen um § 218 StGB: die Situation und die Intention von uns, dem Ge- setzgeber. Wir wollten damals eine ganz, ganz enge Aus- nahmeregelung schaffen – und zwar wie heute in Aner- kennung des Leides, dem einige wenige Paare ausgesetzt sind, der Notsituation, in der sich einzelne Frauen oder Paare, die Eltern werden möchten, befinden. Traurige Wahrheit aber ist, was daraus geworden ist: Die Expertenanhörung im Mai hat es auf dramatische Weise unterstrichen; es war eine von der Gruppe Flach/ Hintze eingeladene Expertin, die in aller Deutlichkeit von „3 000 selektiven Abtreibungen“ behinderter Kinder pro Jahr gesprochen und die PND zur Schwangerschaft auf Probe als Standardpraxis definiert hat. Frau Profes- sor Bettina Schöne-Seifert hat dazu bei der Expertenan- hörung zur PID vor dem Gesundheitsausschuss ausge- führt: Jeder von uns weiß, der dort hingucken möchte, dass von den 3 000 medizinisch indizierten Abtrei- bungen, die in Deutschland im Jahr durchgeführt werden, ganz wenige im engeren Sinne die Gesund- heit der Mutter betreffen. Das muss man einfach ehrlicher Weise zur Kenntnis nehmen. Fast alle sind embryopathisch motiviert, aber unter Tarnkappe. Das sollte uns eine Warnung sein. Es zeigt doch, dass wir gar nicht unter weiter Auslegung des Dammbruchar- gumentes Szenarien zu beschwören brauchen, in denen genetisch erwünschte Eigenschaften wie Augenfarben oder Ähnliches ausgesucht werden könnten. Nein, wir sprechen über die ganz einfach erschre- ckende Tatsache, dass der Missbrauch der engen Rege- lung des § 218 a StGB Abs. 2 dazu führt, dass Menschen allein aufgrund ihrer Behinderung nicht leben dürfen. Das muss hier in solcher Klarheit benannt werden, weil es traurige und beschämende Tatsache ist, auch wenn ich weiß, dass es sich bei jeder Entscheidung an sich um eine tragische Einzelfallentscheidung handelt. Aber genau das würden wir auch zulassen, wenn wir uns heute für die begrenzte Zulassung der PID ausspre- chen würden: dass Embryonen – die früheste Form menschlichen Lebens – ausgesondert werden, allein des- halb, weil sie genetische Anlagen für eine Behinderung oder eine Krankheit tragen, von der vielleicht nicht ein- mal sicher ist, ob, wann oder wie stark sie ausbrechen wird. Der Antrag der Kollegen Flach, Hintze und anderer nennt dafür nicht einmal Kriterien: Was soll denn das ge- nau bitte sein, eine „schwerwiegende Erbkrankheit“? Ich bin sicher, dass wir es nicht einmal hier definieren könn- ten, wo ich weiß und das ausdrücklich und mit großem Respekt konnotiere: Alle Mitglieder des Hohen Hauses, wir alle haben uns redlich informiert und gewissenhaft abgewogen – aber wir würden doch keine Einigung da- rüber erzielen, was nun so schwerwiegend ist, dass es die PID rechtfertigen soll! Und deswegen delegieren die An- tragsteller die Entscheidung an eine „Ethikkommission“. Lieber René Röspel, ich sage ganz offen, dass ich lange mit mir gerungen habe, ob Ihr Antrag nicht eine Kompromisslösung sein könnte: mit seiner Grenzzie- hung, bei der ich weiß und anerkenne, dass Sie sehr sorgfältig abgewogen haben, dass Sie wirklich die engst- mögliche Begrenzung möchten, dass Sie den Paaren hel- fen möchten, die teilweise sogar mehrfach erleben muss- ten, wie ein Kind im Mutterleib nicht weiterwachsen konnte, auf das sie sich so gefreut haben. Aber auch hier hat mir die Anhörung leider eindeutig gezeigt – unsere eigenen bitteren Erfahrungen mit der Schwangerschafts- konfliktregelung und die Erfahrungen in denjenigen Ländern, in denen die PID bereits zugelassen ist, belegen es –, dass sich eine solche enge Grenze nicht würde hal- ten lassen. Es wird in der Praxis schlicht nicht funktio- nieren. Ja, Paaren, die wegen einer Erbkrankheit wissen, dass sie vielleicht eine Totgeburt durchleiden müssen, oder früh von einem Kind Abschied nehmen müssen oder sich um ein Kind mit einer schweren Krankheit küm- mern müssen, müssen wir helfen. Wir werden deshalb nach dieser Debatte immer wieder in den Blick nehmen müssen, welche Angebote zur Unterstützung wir noch weitermachen oder ausbauen können, wo Politik die 14166 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 (A) (C) (D)(B) Rahmenbedingungen nachjustieren kann, damit die Angst vor dem Elternsein von einem Kind mit Behinde- rungen nicht genommen, aber doch durch das Wissen um Unterstützung gemindert werden kann! Ein Brief, den ich vor wenigen Tagen bekommen habe, hat mich sehr berührt. Da haben Eltern geschrie- ben, die selbst die Erfahrung gemacht haben, ein Kind nur wenige Stunden bei sich haben zu dürfen, bevor es gestorben ist. Diese Eltern haben mich dringend gebeten, weiter für ein Verbot der PID einzutreten. Woran sich diese Eltern heute tröstlich erinnern, sind neben den kur- zen, aber intensiven Momenten des Beisammenseins und ihrer bleibenden Liebe zu diesem Kind – was natür- lich die Trauer und das Leid nicht ungeschehen macht, das sie auch erfahren mussten und das sie ihr Leben lang begleiten wird – Hilfestellungen, die sie in der Klinik er- fahren haben: Anteilnahme, Menschlichkeit, Seelsorge. Auf diese Felder sollten wir uns konzentrieren, nicht auf die Frage, wie eine selektive Technik möglichst früh ein- setzen kann. Ich möchte noch einen ganz anderen Punkt anspre- chen, den ich ebenfalls sehr eindrücklich aus der Exper- tenanhörung mitgenommen habe. Alle Sachverständi- gen, gleich welchem Gesetzentwurf sie zugeneigt waren, haben unisono unterstrichen: Es funktioniert nicht, die PID mit nur drei Embryonen in einem Zyklus, wie sie das Embryonenschutzgesetz zum Herbeiführen einer Schwangerschaft zulässt, durchzuführen. So ist nach bis- herigen Erfahrungen im Ausland davon auszugehen, dass pro PID-Zyklus ungefähr sieben Embryonen benö- tigt werden. Es würde erhebliche Verwerfungen unseres Rechtssystems nach sich ziehen, wenn der Deutsche Bundestag jetzt eine der Grundintentionen des Embryo- nenschutzgesetzes, dass nämlich Embryonen ausschließ- lich zum Zweck der Fortpflanzung hergestellt werden dürfen, damit keine sogenannten überzähligen Embryo- nen entstehen, die für die verbrauchende Embryonenfor- schung attraktiv sein könnten, einfach so mir nichts, dir nichts über Bord wirft. Der selektive Blick und die Zeu- gung von menschlichen Embryonen zu einem anderen Zweck, als ihnen zu einem fortdauernden, möglichst lan- gen Leben zu verhelfen, tasten die Unverfügbarkeit des menschlichen Lebens in einer Art und Weise an, dass es für mich mit meiner christlichen Vorstellung vom Men- schen und im Übrigen auch mit unserer Verfassung nicht vereinbar ist. Bei diesem Umgang mit Embryonen wird eine wichtige Grenze überschritten, die aus meiner Sicht weder dem Menschen noch dem Staat zusteht, und ich finde es einfach nicht akzeptabel, dass der Gesetzent- wurf Flach/Hintze diese Problematik schlicht ignoriert. Höchstwahrscheinlich wird nach Zulassung der PID die entsprechende Novelle des Embryonenschutzgesetzes folgen. Professor Dr. Wolfgang Huber hat in der Anhö- rung in aller Deutlichkeit gesagt, dass eine solche „Mo- gelpackung“ rechtsethisch hoch problematisch ist, und hat ausgeführt – ich darf Professor Huber zitieren –: „Das würde ich für eine Gefährdung der Glaubwürdig- keit des Gesetzgebers halten.“ Ich habe vorhin darüber gesprochen, dass wir betrof- fene Familien unterstützen müssen. Darauf möchte ich am Ende meiner Rede noch einmal zurückkommen und das gesellschaftliche Klima in den Blick nehmen. Ich möchte in einer Gesellschaft leben, in der jeder Mensch willkommen ist. Jedes Kind hat das Recht darauf, dass es so angenommen und geliebt wird, wie es ist – und zwar von Anfang an. Gerade für Eltern, die sich oft kritische Rückfragen anhören müssen, wie sie sich denn für ein Kind mit einer Behinderung entscheiden konnten, die es gewohnt sind, schiefe Blicke zu ertragen, sich entschul- digen müssen und tagtäglich Diskriminierung erfahren, ist das wichtig. Wir müssen in unserem gesellschaftlichen Alltag ein Klima schaffen, in dem jeder Mensch unabhängig von einer Krankheit oder Behinderung die Zusage erfährt, dass er dazugehört, so wie sie oder er ist. Das ist die zen- trale Aufgabe. Weichen wir diese Grundannahme des menschlichen Daseins und Zusammenlebens nicht auf! Lassen Sie uns auch unsere moderne Gesellschaft nach den Erfordernissen der Menschen ausrichten und nicht die Menschen danach aussuchen, ob sie den Erfordernis- sen einer modernen Gesellschaft genügen! Erich G. Fritz (CDU/CSU): Ich kann einer Zulassung der Präimplantationsdiagnostik nicht zustimmen und un- terstütze deshalb den Entwurf zum Verbot der PID. Ich stelle den Gründen für meine Haltung den aus- drücklichen Respekt vor den anderen Haltungen voraus. Ich weiß, dass es sowohl gute Gründe als auch sehr ver- antwortliche ethische Begründungen gibt, sich für eine bedingte Freigabe der PID einzusetzen, und ich sehe auch für beide mögliche Positionen Argumente, die zu achten sind. Ich kann jedoch bei dieser Frage nicht über meine grundsätzliche Einstellung hinausgehen, die sich aus meinen ganz persönlichen Konsequenzen aus den gro- ßen menschlichen Katastrophen des 20. Jahrhunderts und dem fehlenden Schutz von Rechtsordnung und poli- tischen Systemen für das Leben und die menschliche Würde ergeben. Für mich ist der Schutz des Lebens der grundlegende, nicht zu relativierende und in keiner Weise zur Disposition des Staates, des Gesetzgebers oder der Exekutive stehende Wert unserer Verfassung und grundlegende Voraussetzung für die Aufrechterhal- tung der wichtigsten ethischen Grundlagen unserer Ge- sellschaft. Ich bin der Auffassung, dass es der unerlässliche und nicht aufzugebende Schutzwall gegenüber noch so ge- ringen Veränderungen unserer Rechtsordnung ist, der eine schleichende Entwertung des Lebens, vorgeburtlich oder geboren, am Anfang oder am Ende des Lebens er- möglichen könnte und Entwicklungen in Gang setzen kann, die dann aus Nützlichkeitserwägungen oder aus kommerziellen Interessen oder auch nur aus dem Glau- ben an wissenschaftliche und menschliche Machbarkeit alles Wünschenswerten letztendlich menschliches Leben verfügbar machen kann. Aus diesem Grund habe ich im Laufe meiner Zugehö- rigkeit zum Deutschen Bundestag bei allen Debatten über Abtreibung und andere den Lebensschutz betref- fende Fragen immer für die Priorität Schutz des Lebens Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 14167 (A) (C) (D)(B) und Unverfügbarkeit des Lebens gestimmt. 1946 gebo- ren und in der Auseinandersetzung mit der genau gegen- teiligen Erfahrung meiner Elterngeneration groß gewor- den, fühle ich mich umso mehr verpflichtet, jeder Entwicklung entgegenzutreten, die einer Einschränkung der Würde ungeborenen Lebens oder gar einer Entschei- dung zwischen lebenswertem und nicht lebenswertem Leben Tür und Tor öffnen könnte. Für mich ist auch die Tatsache, dass in der Straffreiheit der Abtreibung die rechtlichen Grundlagen – etwa der Spätabtreibungen oder der Folgen von Pränataldiagnostik – vom Gesetzge- ber so geregelt worden sind, wie es im Augenblick gel- tendes Recht ist, kein Grund, meinen Standort zu relati- vieren. Wenn in diesen Tagen Herr Montgomery von einer „Salamiethik“ gesprochen hat, dann stimme ich ihm aus- drücklich zu. Ich weiß, was übrig bleibt, wenn man Stück für Stück den Lebensschutz relativiert. Mich be- wegen die Konflikte, die sich für Eltern ergeben, wenn sie nicht sicher sein können, ein gesundes Kind zur Welt zu bringen. Ich kann nachvollziehen, dass Eltern mit Vorbelastungen den Wunsch haben, Gewissheit zu ge- winnen. Ich kann Mediziner verstehen, die selbst in Ge- wissensnöten sind, Menschen nicht zuzumuten, was sie selbst nicht zu tragen bereit wären. Bitte denken Sie aber auch daran, welche Haltung wir an behinderte Menschen aussenden, wenn wir in eine Si- tuation kommen, in der Menschen deshalb diskriminiert werden, weil sie ein behindertes Kind bewusst anneh- men oder weil sie als behinderter Mensch ihr Lebens- recht und ihr Recht auf Teilhabe und Glück einklagen. Der gesellschaftliche Druck auf Menschen, die vor die- ser Entscheidung stehen, wird zunehmen. Neben den oh- nehin schon vorhandenen Nöten werden diese Eltern auch noch gesellschaftlichen Erwartungen entsprechen müssen, die sich bei einer Lockerung des gesetzlichen Schutzes für das Leben schnell ändern werden, und nicht nur in der Frage der Präimplantationsdiagnostik! In Abwägung der vielen sachlich, wissenschaftlich und politisch vorgebrachten Argumente für und wider die Freigabe der Präimplantationsdiagnostik komme ich für mich deshalb zu dem Ergebnis, mich für den Antrag meiner Kollegen Krings und Singhammer zu entschei- den. Ich bin mir sicher, dass niemand, der diese Ent- scheidung trifft, anschließend triumphiert oder Häme über Unterlegene ausgießt, weil sich jeder dessen be- wusst ist, dass es in dieser Frage keine ideale Lösung gibt. Ich fühle die Verpflichtung, dafür einzutreten, dass wir die grundlegenden Rechte des Menschen unabhän- gig von seinem Entwicklungsstand achten, schützen und vor schleichender Entwertung bewahren. Norbert Geis (CDU/CSU): Die PID hat den alleini- gen Zweck, die in der Petrischale gezeugten Embryonen nach gut und schlecht zu trennen. Die gesunden Em- bryonen sollen implantiert werden, die anderen werden der Vernichtung anheimgegeben. Wenn aber der in der Petrischale gezeugte Embryo ein Mensch am Beginn sei- nes Lebens ist, steht er unter dem Schutz des Grundge- setzes. Nach Art. 2 Abs. 2 des Grundgesetzes hat jeder Mensch, auch der ungeborene, auch der Embryo im Reagenzglas dieses Recht. Dies stellt das Bundesverfas- sungsgericht in seinem ersten Urteil zur Fristenlösung vom 25. Februar 1975 fest. Ebenso wird ausdrücklich anerkannt, dass dem Menschen von Beginn seiner Exis- tenz an Würde zukommt. Deshalb geht es in der PID-Debatte entscheidend um die Frage, wann die Existenz des Menschen beginnt. Das Embryonenschutzgesetz, ESchG, legt fest, dass die Exis- tenz jedes Menschen mit der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle ihren Anfang nimmt – § 8 ESchG. Dies gilt nicht nur für die natürliche Zeugung, sondern auch für die in der Petrischale „befruchtete, entwicklungsfähige, menschliche Eizelle vom Zeitpunkt der Kernverschmel- zung an“ – § 8 Abs. 1 ESchG. Allerdings kommt in keinem der Gesetzentwürfe (Drucksachen 17/5450, 17/5451, 17/5452) klar genug zum Ausdruck, wann das Leben des Menschen beginnt, obwohl dies der entscheidende Ausgangspunkt ist, nicht nur für die Debatte zur Zulassung der PID, sondern ge- nerell für den Lebensschutz des Menschen von seinem Anfang bis zu seinem Ende. Professor Hillgruber stellt mit Recht fest, dass die Erkenntnis über den Beginn des Lebens jedes einzelnen Menschen in der Naturwissen- schaft zwar immer klarer und schärfer, in der Ethik, in der Politik und im Recht aber immer verschwommener wird. Wenn aber nicht klar ist, dass mit der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle ein Mensch sein Leben beginnt, dann gibt es keinen hinreichenden Grund, die PID zu verbieten. Es kann aber kein ernsthafter Zweifel daran bestehen, dass der Ursprung des Menschen die Verschmelzung von Ei- und Samenzelle ist. Kein anderes Ereignis kann eher als der Beginn des Lebens gesehen werden. Entweder handelt es sich nach der Kernschmelze um das Leben des Vaters oder um das Leben der Mutter oder um das Leben eines neuen Menschen. Es ist aber längst gesi- cherte wissenschaftliche Erkenntnis, dass mit der Kern- verschmelzung ein neues Leben mit einer neuen DNA- Struktur entsteht, die sich von der Mutter und dem Vater unterscheidet. Also ist es die Existenz eines von Vater und Mutter unterschiedenen neuen Menschen. Ohne die- ses Wissen über die Biologie des Menschen, das uns heute zur Verfügung steht, hat Kant schon vor 200 Jah- ren festgestellt: Es ist eine „ganz richtige und auch not- wendige Idee, den Akt der Zeugung als einen solchen anzusehen, wodurch wir eine Person … auf die Welt ge- setzt … haben …“. Der Anfang des Lebens ist in der Naturwissenschaft also längst unbestritten. Die Politik aber ist fleißig dabei, ihre Augen vor dieser Wahrheit zu verschließen. Man spricht zwar von menschlichem Leben, meint damit aber nicht den konkreten Menschen. Der Embryo ist von An- fang an Mensch. Er ist nicht der Vorläufer des Men- schen. Wäre einer von uns schon als Embryo gestorben, würde er heute nicht leben. Er ist nicht etwas, sondern jemand. Er ist von Anfang an schon Person, wie es auch der Aufklärer Immanuel Kant richtig definiert hat. 14168 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 (A) (C) (D)(B) Person aber sei nur der, so wird behauptet, der so et- was wie ein Selbstbewusstsein entwickelt habe. Deshalb sprechen die, die das behaupten, nicht nur Embryonen, sondern auch Kleinkindern und geistig schwer behinder- ten oder altersdementen Menschen das Personsein ab. Man geht dabei so weit, den Begriff der Menschenwürde durch den Begriff der Personenwürde zu ersetzen. Die Personalität wird so vom Menschsein klar getrennt. So wird der Mensch ein Lebewesen, das nur dann Persona- lität hat, wenn er oder sie sich dessen bewusst ist. Diese Auffassung wird sogar konsequent so weit getrieben, dass Menschen, die bewusstlos sind oder schlafen, die Personalität abgesprochen wird. Nach dieser Auffassung wird, nach Spaemann, der Mensch erst „mit dem allmäh- lichen Erwachen bestimmter Bewusstseinszustände Per- son“. Leider setzt sich kein Gesetzentwurf mit dieser Be- hauptung auseinander. Und doch ist die Antwort darauf von entscheidender Bedeutung, wie mit dem Embryo umgegangen werden darf. Hat der Embryo nämlich keine Personalität, dann ist er nur ein Etwas, nur ein Ding, aber kein Jemand. Mit dieser Auffassung tut man sich dann auch leicht, den Embryo als Sache zu behan- deln, die der Arzt in der Petrischale absondern und weg- werfen kann, ohne sich den Vorwurf machen zu müssen, soeben einen Menschen am Beginn seiner Existenz ver- nichtet zu haben. Es ist aber reine Willkür, das Personsein von dem Be- ginn der menschlichen Existenz zu trennen. Dann wäre die Personalität des Menschen ja abhängig von der Aner- kennung Dritter. Das wäre jedoch ein Verstoß gegen die Würde des Menschen, wenn Dritte bestimmen, ab wann der Mensch auch Person ist. Deshalb erkannte Kant ja auch schon vor 200 Jahren, dass das Personsein mit dem Beginn der Existenz des Menschen zusammenkommt. Um den Freibrief zu haben, bei den Embryonen die Selektion nach guten und schlechten Exemplaren vor- nehmen zu können, wird behauptet, der Mensch beginne erst mit der Nidation, Mensch zu sein. Die Nidation ist gewiss ein wichtiger Schritt im Leben des Menschen. Sie ist aber nicht sein Ursprung. Der Embryo in der Pe- trischale existiert bereits vor seiner Nidation. Auch das Argument, der Embryo könne im Sinne des Grundgesetzes erst dann als Individuum gesehen wer- den, wenn sicher ist, dass nicht ein Zwilling oder Mehr- ling entsteht, ist falsch. Individuum heißt unteilbar. Wird dieses Individuum geteilt, dann wird es vernichtet. Wenn aber nach der Zeugung Zwillinge oder Mehrlinge entste- hen, dann erfolgt keine Teilung. Es entstehen vielmehr mehrere Embryonen. Auch insoweit bleibt die Zeugung der Beginn des Le- bens und in diesem Fall der Beginn des Lebens der Zwil- linge und Mehrlinge. Immer wieder wird gegen das Verbot der PID vorge- tragen, diese stehe in einem Wertungswiderspruch zu un- serer Abtreibungsregelung. Auch dieses Argument kann keinen Erfolg haben. Denn unsere Abtreibungsregelung ist eine schlechte Regelung. Sie bietet dem Embryo im Mutterleib nicht genügend Schutz. Soll nun deshalb die PID erlaubt sein und ein ebenso schlechter Lebensschutz gewährt werden wie durch die Abtreibungsregelung? Im Übrigen geht die PID über die Fristenregelung hi- naus, indem sie die Selektion als rechtmäßig bezeichnet. Auch kann die Selektion und Vernichtung der schlechten Embryonen nicht mit der medizinischen Indikation ver- glichen werden. Danach ist die Abtreibung rechtmäßig, wenn durch das behinderte Kind die Schwangerschaft für die Frau unerträglich und in hohem Maße gesund- heitsgefährdend ist und diese Gefahr nicht anders abge- wendet werden kann als durch die Abtreibung. Es geht also um die Gefährdung während der Schwangerschaft. Bei der PID liegt aber noch gar keine Schwangerschaft vor. Die PID kann daher unter keinem Gesichtspunkt er- laubt sein. Die Selektion von kranken und gesunden Menschen am Beginn ihrer Existenz ist großes Unrecht. Frank Heinrich (CDU/CSU): Im Mittelpunkt steht der Mensch. So lassen sich die Postionen – auch und ge- rade die gegensätzlichen Positionen – heute zusammen- fassen. Wir erleben hier und heute ein ethisches und humani- täres Niveau, das in der parlamentarischen Kultur – zu- mal in der mitunter zweifelhaften Geschichte unseres Landes – seinesgleichen sucht. Neben Argumenten, gu- ten und zahlreichen Argumenten, für oder wider die Zu- lassung der PID, wehen ein Hauch von Mitgefühl durch die Debatte und ein starkes Verantwortungsbewusstsein. Gewissensfreiheit heißt eben auch Gewissensbindung. Und diese Gewissensentscheidung im Parlament vertre- ten zu können, ist eine zivilisatorische Errungenschaft. Gestern Abend noch sprach mich ein Kollege auf die Großartigkeit dieses „parlamentarischen Momentums“ an. Mit Stefan Zweig möchte ich gerne von einer „Stern- stunde“ des Parlamentes sprechen. Und doch: Obwohl – oder vielleicht gerade weil – es sich um eine Gewissensfrage handelt, sind die Perspekti- ven und damit die Postionen grundverschieden. Hier – steht die Familie im Mittelpunkt, der unerfüllte Kinderwunsch, das private Glück der Elternschaft, die persönlichen Lebenswege, gepflastert mit Entscheidun- gen, Enttäuschungen, Entbehrungen und neuen Hoffnun- gen. Und dazu kommt die Gefahr einer Risikoschwan- gerschaft, die Gefahr, das Kind noch während der Schwangerschaft oder bald nach der Geburt zu verlieren, eine Gefahr nicht nur für das Glück der Familie, sondern möglicherweise für die körperliche und seelische Ge- sundheit vor allem der Mutter. Ist da nicht jedes Mittel der Risikominimierung nachvollziehbar, ja notwendig? Keine Mutter, keine Familie macht sich diese Entschei- dung leicht. Wie kann ein Mensch das nachvollziehen, der nie in einer vergleichbaren Situation gewesen ist? Meiner Frau und mir ist das Glück beschieden, vier ge- sunde Kinder bekommen zu haben. Aber das geht nicht jedem so. Dort – auf der anderen Seite – steht der Embryo im Mittelpunkt, der Schutz des ungeborenen Lebens. Der Mensch ist in allen Phasen seines Lebens zu schützen. Die Kernfrage ist: Wann beginnt dieses Leben? Diese Frage wird von Ethikern, auch von christlichen Ethikern, Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 14169 (A) (C) (D)(B) unterschiedlich beantwortet. Ist es die Befruchtung, ist es die Entstehung des Bewusstseins? Wenn man zu dem Schluss kommt, dass der Beginn des Lebens mit der Verschmelzung von Ei und Samen- zelle zu datieren ist, dann muss in der Konsequenz die- ses Leben von Beginn an zu schützen sein. Die Gefahr einer drohenden Behinderung darf dann kein Argument sein. Menschen mit Behinderungen sind vollwertige und gleichberechtigte Glieder dieser Gesellschaft. Ihre Würde zu schützen, ist grundgesetzliche Aufgabe aller Deut- schen und damit aller Parlamentarier. Die Lebenssitua- tion der Familie ist ebenfalls nachrangig. Der Schutz des Individuums steht an erster Stelle. Es sind noch viele Aspekte zu bedenken: historische, rechtliche, soziale. Und das wird heute vielfältig zur Sprache gebracht. Mit Hochachtung nehme ich an dieser Debatte teil. Im Mittelpunkt dabei steht der Mensch. Und im Mit- telpunkt unserer Entscheidung steht das eigene Gewis- sen. Dieses Gewissen ist an die eigene ethische Überzeu- gung gebunden. Bei allem Verständnis für die Notlage der Eltern, bei allem Mitgefühl: Meiner Überzeugung nach beginnt das Leben mit der Verschmelzung von Ei und Samenzelle. Daher kann ich heute nur gegen die PID stimmen. Manuel Höferlin (FDP): Ich habe eine sehr persönli- che Entscheidung getroffen und mich dem Antrag von Ulrike Flach, Peter Hintze und anderen angeschlossen. Er enthält einen Gesetzentwurf, der Paaren mit Veranla- gung für schwere Krankheiten helfen kann. Diese Entscheidung habe ich nach einem langen Überlegungsprozess getroffen. Die ethischen Fragen, die die PID aufwirft, sind für mich persönlich als Christ von immenser Bedeutung. Neben den Ergebnissen der Anhö- rung und den intensiven Gesprächen mit Ihnen, liebe Kollegen, habe ich auch im Wahlkreis mit verschiedenen betroffenen Kreisen lange diskutiert. Seit mehreren Mo- naten beschäftige ich mich mit dem Für und Wider der PID. Ein Erlebnis hat mich besonders bewegt. Es war ein Treffen mit einer betroffenen Mutter in Mainz, die be- reits ein Kind im Alter von fünf Jahren hat. Ihr Sohn ist unheilbar krank; sie wird ihn mit an Sicherheit grenzen- der Wahrscheinlichkeit sterben sehen. Die betroffene Frau beschrieb, wie sehr sie ihren Sohn liebt, ihn beglei- tet und sich regelrecht für ein bisschen Normalität für ihn aufopfert. Ihr Mann und sie würden gerne noch ein Kind bekommen. Aber wie sie inzwischen weiß, wird aufgrund ihrer genetischen Disposition bei jedem Sohn ihre Erbkrankheit im frühen Kindesalter ausbrechen, eine Tochter würde diese zumindest in die nächste Gene- ration tragen. Dieses Paar steht nun vor der Wahl, keine weiteren Kinder mehr zu bekommen, ihrer möglichen Tochter ein schweres Erbe mit den gleichen seelischen und körperlichen Belastungen mitzugeben oder gar ei- nen weiteren Sohn zu gebären, der dann mit Sicherheit auch früh sterben würde. Dieser Sohn würde an seinem großen Bruder seine Zukunft permanent gespiegelt be- kommen. Er hätte in seinem Geschwister ständig seine tödliche Zukunft vor Augen. Dies kann niemand seinem Kind zumuten – einmal ganz abgesehen von den eigenen schwersten Belastungen. Das Schicksal dieser Familie hat mir eines vor Augen geführt: Diese Paare sind bereits in diesem Moment in einer Situation, die wohl schwerste seelische Beeinträch- tigungen des Gesundheitszustandes auslöst. Und solche Betroffene sagen mir in Gesprächen, dass sie nicht Le- ben aussortieren möchten, sondern sich gerade für Leben aussprechen. Warum diese Paare in Deutschland keine Hilfe bekommen, verstehen sie nicht und gehen ins be- nachbarte Ausland. Am Ende haben mich persönlich diese Argumente überzeugt, gegen ein striktes Verbot der PID zu stimmen und stattdessen für ihre eingeschränkte Erlaubnis. Nach dem positiven Votum einer Ethikkommission soll die PID an zugelassenen Zentren nur solchen Paaren ermöglicht werden, die die Veranlagung für eine schwer- wiegende Erbkrankheit in sich tragen oder bei denen mit einer Tot- oder Fehlgeburt zu rechnen ist. Damit ist schon der Anwendungsbereich erlaubter PID stark ein- gegrenzt und auf wenige, sehr spezielle Fälle beschränkt, in denen die PID nicht rechtswidrig sein soll. Das halte ich für den richtigen Weg. Ursprünglich war ich geneigt, mich für eine gesetzli- che Regelung auszusprechen, wonach eine konkrete Grenze im Gesetz geregelt werden sollte. Prinzipiell bin ich der Meinung, dass bei einer solchen ethischen Frage die Grenze deutlich im Gesetz stehen muss! Jedoch bin ich nunmehr der Überzeugung, dass diese Fragen nicht abschließend in Gesetzesform gegossen werden können. Die Realität der Betroffenen mit ihren Ängsten, Wün- schen und Hoffnungen lässt sich nicht in Paragrafen pressen. Es kommt vielmehr bei Fragen zur PID immer auf den Einzelfall an. Ich kann heute im Bundestag – al- lein meinem Gewissen unterworfen – trotz allem nur über die Richtung und die abstrakte Grenze abstimmen. Letztlich lässt sich in der Gesetzgebung hier nicht jeder Fall abbilden. Anders als die generelle Entscheidung über die PID bedarf die Entscheidung im Einzelfall umso mehr des Einfühlungsvermögens und der intensi- ven Auseinandersetzung mit dem Sachverhalt und den Befindlichkeiten der Betroffenen. Hier muss die gesetz- lich vorgesehene und wichtige Ethikkommission an den zugelassenen Zentren prüfen und entscheiden. Auch wenn das abschließend nicht vollends befriedi- gend für mich ist: Wenn wir als Gesetzgeber in einer ethisch so wichtigen Frage die Weichen stellen, so hätte ich es am liebsten, dass wir selbst die Grenzen ziehen können. So legen wir diese Verantwortung ein Stück weit in die Hände der Kommission und vertrauen darauf, dass diese ihre Entscheidungen ebenso ernst nehmen wird, wie wir dies heute hier tun. Auch im Vergleich zum straflosen Schwangerschafts- abbruch sehe ich keinen Wertungswiderspruch bei einer nicht rechtswidrigen PID. Der Schwangerschaftsabbruch ist nicht rechtswidrig, wenn er unter Berücksichtigung der gegenwärtigen und zukünftigen Lebensverhältnisse 14170 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 (A) (C) (D)(B) der Schwangeren angezeigt ist, um eine Gefahr für das Leben oder eine Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes der Schwangeren ab- zuwenden. Die PID setzt schon früher, und zwar an der Petri- schale an. Dieses Mittel zu verbieten, stünde in einem nicht zu erklärenden Wertungswiderspruch zur heutigen Gesetzeslage. Zudem darf man nicht vergessen, dass Paare, die erwägen, von der PID Gebrauch zu machen, meist schon erheblichen seelischen Belastungen ausge- setzt waren und wohl kaum jemand leichtfertig eine PID vornehmen lässt. Ein Verbot würde dazu führen, dass die Betroffenen sich dann – anstelle der PID – für oder ge- gen einen Schwangerschaftsabbruch mit den entspre- chenden körperlichen und seelischen Belastungen entscheiden müssten. Ich möchte eine solch schwerwie- gende Entscheidung den Paaren nicht durch Gesetz auf- zwingen. Die schwere seelische Belastung der Paare be- steht vielmehr schon zum Zeitpunkt der künstlichen Befruchtung, und genau deswegen halte ich es auch für gerechtfertigt, die gleichen Maßstäbe wie bei einem spä- teren Schwangerschaftsabbruch anzuwenden. Es ist schon merkwürdig, betroffene Paare in eine PND, also Pränataldiagnostik, und einen eventuell folgenden Schwangerschaftsabbruch zu treiben. Das ist höchst un- ethisch. Als Gesetzgeber müssen wir in diesen prekären Fra- gen Raum lassen für die mannigfaltigen Möglichkeiten des Lebens, bei der Krankheitsverläufe unterschiedlich sind. Dennoch ist der gesetzliche Vorschlag von der ge- schätzten Kollegin Flach nicht ein Fass ohne Boden. Wir haben enge und wohlüberlegte Anforderungen in den Gesetzestext aufgenommen. Dies ist der richtige Weg zu einer angemessenen Ab- wägung der Belange der Betroffenen. Wir legen die letztliche Entscheidung in die richtigen Hände: in die der Paare mit Kinderwunsch. Nur so können wir den betrof- fenen Familien in Not helfen. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und die ernsthafte Diskussion. Franz-Josef Holzenkamp (CDU/CSU): Bis zum Urteil des Bundesgerichtshofes, BGH, vom 6. Juli 2010 herrschte vorwiegend die Meinung, dass die Präimplan- tationsdiagnosik, PID, verboten sei. Mit dem Urteil hat der BGH die PID zwar nur bei Vorliegen schwerwiegen- der genetischer Fälle für zulässig erklärt, aber nicht zu- letzt diese unklare Umgrenzung hat zu erheblicher Rechtsunsicherheit geführt. Deshalb beschäftigt sich der Deutsche Bundestag jetzt mit einer gesetzlichen Neure- gelung. Die Entscheidung über die Zulassung oder das Verbot der PID, die uns als Mitglieder des Deutschen Bundesta- ges abverlangt wird, betrifft den Kern der menschlichen Existenz. Ich erkenne ausdrücklich an, dass Paare mit der individuellen Erfahrung insbesondere einer eigenen Erkrankung oder von Tot- oder Fehlgeburten einen ho- hen Leidensdruck verspüren. Gleichzeitig müssen wir aber auch die gesellschafts- politischen Auswirkungen im Blick haben. Eine Zulas- sung der PID, die eine gesetzlich legitimierte Auswahl von Embryonen vor Beginn der Schwangerschaft zu- ließe, würde einen gesellschaftlichen und ethischen Pa- radigmenwechsel darstellen. Sicher können in einem frühen Stadium menschlicher Existenz schwere Erkrankungen diagnostiziert werden. Aber diese Methode ist für den Fall eines positiven Be- fundes auf die Vernichtung von Leben ausgerichtet. Nach meinem christlichen Werteverständnis beginnt das individuelle und schützenswerte menschliche Leben mit der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle. Wer über das Pro und Contra dieser Entscheidung nachdenkt, kann nur beim Rang des menschlichen Le- bens ansetzen: Für mich als gläubiger Christ hat der Schutz des menschlichen Lebens eine überragende Be- deutung. Auch in unserer Verfassung steht geschrieben: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Niemand hat das Recht, über anderes menschliches Leben zu ver- fügen. Deshalb kann ich nicht zulassen, dass schutzlose Embryonen im Reagenzglas in gute und schlechte, in ge- sunde und kranke, in lebenswerte und lebensunwerte un- terteilt werden. Ich habe größtes Verständnis für die Nöte von Eltern, die wegen genetischer Veranlagungen auf natürlichem Weg kein gesundes Kind bekommen können. Eine PID ist für die betroffenen Familien mit erheblichen gesund- heitlichen Risiken und seelischen Belastungen verbun- den, da die Paare auf natürliche Weise fortpflanzungsfä- hig sind, sich aber für die PID einer künstlichen Befruchtung unterziehen müssen. Dabei hat das Verfah- ren nicht mal in 20 Prozent der Fälle Erfolg. Den Familien und Paaren muss mit Rat und Tat zur Seite gestanden werden. Die Hilfe kann meines Erach- tens aber nicht darin bestehen, dass man ungeborenes Leben selektiert. Es geht um die Qualität der Entschei- dung, überhaupt menschliches Leben zu verwerfen. Die PID zuzulassen, ist für mich ein Dammbruch. Erst ist sie bei schweren Erbkrankheiten zulässig, und in der nahen Zukunft ist dann womöglich die Selektion nach Geschlecht und Augenfarbe möglich. Deshalb kann ich den anderen Gruppenanträgen, die eine PID in engen Grenzen erlauben wollen, nicht zustimmen. Die Grenzen werden aufgeweicht werden. In Großbritannien ist zum Beispiel die PID bei Trä- gern des Brustkrebsgens erlaubt. Die Wahrscheinlichkeit einer späteren Erkrankung liegt bei 50 bis 85 Prozent. Die Sterblichkeitsrate bei Brustkrebs liegt bei 40 Pro- zent. Ist es ethisch vertretbar, menschliches Leben zu verwerfen, wenn die Wahrscheinlichkeit eines mögli- chen tödlichen Verlaufs einer möglichen Brustkrebser- krankung eines Embryos in seinem Leben bei 20 bis 34 Prozent liegt? Das ist eine Prognose. Sie gibt keine Sicherheit, und sie garantiert schon gar kein Leben ohne ernsthafte oder lebensgefährliche Erkrankung. Das Le- ben birgt Risiko, und das mit jedem Atemzug. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 14171 (A) (C) (D)(B) Seit dem Urteil des Bundesgerichtshofes im Juni 2010 habe ich viele Zuschriften erhalten und Gespräche auch mit direkt Betroffenen geführt. Viele der genetisch bedingten Erkrankungen lassen sich heute bereits gut behandeln, sodass die Betroffenen nicht mit ihrem Schicksal hadern. Häufig haben sie eine ganz normale oder nur wenig geringere Lebenserwar- tung als gesunde Menschen. Viele Betroffene, die mit ei- ner Behinderung oder Erkrankung leben, die mittels PID aussortiert werden soll, sowie deren Eltern empfinden dieses Verfahren als Diskriminierung und Stigmatisie- rung. Wir dürfen nicht entscheiden, welches Leben sich entwickeln darf und welches nicht. Es gibt kein Recht auf ein gesundes Kind. Die Entscheidung zur PID fällt niemandem leicht. Ich würde mir jedoch wünschen, dass die Mehrheit meiner Kollegen im Deutschen Bundestag für ein Verbot stimmt – aus Respekt vor dem Leben. Dafür möchte ich werben. Andrej Hunko (DIE LINKE): Nach langer Überle- gung und anfänglicher Neigung zur Zustimmung zur PID hat folgende Begründung für mich den Ausschlag gegeben, gegen die Zulassung der PID zu stimmen: Auch wenn es im Einzelfall ungerecht erscheinen mag, so würde nach meiner Auffassung die einge- schränkte Zulassung der PID die Tür zu einer weiteren Nutzung öffnen. Der Gesetzentwurf von Flach/Hintze geht schon jetzt über die Verhinderung schwerster Erb- krankheiten hinaus, zum Beispiel in Bezug auf das Brustkrebsgen. Mit der Etablierung der PID wird der Druck entste- hen, diese weiter auszudehnen, nicht nur durch die dann nicht unbegründete Rechtsauffassung anderer potenziel- ler Eltern, die nicht unter die eingeschränkten Zulas- sungskriterien fallen, sondern vor allem durch die Inte- ressen derjenigen, die die PID anwenden oder vermarkten. Mit der Etablierung entsteht in einer auf Konkurrenz und „Wettbewerbsfähigkeit“ basierenden Gesellschaft ein entsprechendes Verwertungsinteresse, das in Zukunft die Tür möglicherweise ganz aufstoßen wird. Eine allge- meine Zulassung der PID, etwa zur Geschlechtsauswahl oder zur Herstellung „gesünderer und leistungsfähige- rer“ Menschen, ist mit meinem Menschenbild nicht ver- einbar. Es stellt sich die Frage in welche Richtung sich Fort- schritt in medizinischer Forschung und Technik entwi- ckeln soll. Ich fürchte, mit der Zulassung der PID gehen wir in die falsche Richtung. Dr. Egon Jüttner (CDU/CSU): Der Gesetzesentwurf auf Drucksache 17/5452 verbietet grundsätzlich die Prä- implantationsdiagnostik, PID, hält sie in einigen weni- gen Fällen jedoch für vertretbar und zulässig. Leibliche Kinder zu haben, ist für viele Menschen ein sehnlicher Wunsch und gehört für viele Menschen eben- falls zu einem erfüllten Leben. Dies ist ihr verfassungs- mäßig geschütztes Recht. Der Kinderwunsch kann je- doch in existenziell bedrängende Situationen führen, wenn den Eltern eigene schwere Krankheiten oder gene- tische Dispositionen bekannt sind, die eine Überlebens- fähigkeit eines Embryos stark infrage stellen. In diesem Fall muss es eine Ausnahme vom Präimplantationsdia- gnostikverbot geben, um die berechtigten Interessen von Eltern, deren genetische Vorbelastung zu Fehl- oder Tot- geburten führen kann, zu wahren. Dieser Ausnahme werden im vorliegenden Gesetzentwurf strenge Be- schränkungen auferlegt, die einer Ausweitung der PID eindeutige Grenzen aufzeigen. Eine sorgfältige und streng regulierte Regelung zur Zulassung der Präimplantationsdiagnostik in dem vom Gesetzesentwurf dargestellten Rahmen erachte ich für sinnvoller als ein kategorisches Verbot der PID. Volkmar Klein (CDU/CSU): Die vergangenen Mo- nate und gerade die letzten Tage mit vielen Gesprächen auch mit Kolleginnen und Kollegen zeigen, wie schwer die heutige Entscheidung zu PID ist. Ich finde es auch wirklich beeindruckend, wie tiefgehend und ernsthaft von allen Seiten diskutiert und um eine richtige Ent- scheidung erst mal für sich selber gerungen wird. Natür- lich verstärken Berichte über persönliche Schicksale be- troffener Paare mein Verständnis für deren Sorgen und Nöte und auch meinen Wunsch, ihnen irgendwie zu hel- fen. Bei wem sollte das nicht so sein? Aber am Ende be- deutet PID die Bewertung, die Auswahl und das Verwer- fen von menschlichem Leben. Bei der Abwägung entscheide ich mich dagegen, weil ich meine, dass uns das nicht zusteht. Leben ist ein unschätzbar wertvolles Geschenk Gottes, das wir zu schützen haben und über das wir nicht verfügen dürfen. Daher rufe ich Sie auf, für unseren Gesetzentwurf mit dem Verbot von PID zu stim- men. Dazu kommt, dass die anderen beiden Gesetzent- würfe an einer entscheidenden Stelle unkonkret bleiben. Was genau soll denn der Katalog von Erbkrankheiten sein, der dann PID und in der Folge das Verwerfen der Embryonen erlaubt? Da wird keiner konkret, und es würden sich dann schnell Menschen finden, die mit Mu- koviszidose oder Downsyndrom erfolgreich und glück- lich leben. Obendrein kann heute natürlich keiner etwas über Therapiemöglichkeiten in der weiteren Zukunft sa- gen. Und: Heute geht es nur um ganz wenige Einzelfälle, aber einmal eingeführt kann sich das schnell ändern. Ar- gumente zur Ausweitung werden sich finden und wir wären auf dem Weg zum Designerbaby. Ich bitte Sie, für unseren Gesetzentwurf mit der Drucksache 17/5450 zu stimmen. Jens Koeppen (CDU/CSU): Als bekennender Christ trete ich für eine Zulassung der PID ein, die es ei- nigen Hundert Paaren im Jahr ermöglicht, den lange ge- hegten Wunsch nach einem Kind zu erfüllen. Frauen trotz medizinischer Erkenntnisse Fehlgeburten, Totge- burten oder Spätabtreibungen bewusst zuzumuten, ist 14172 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 (A) (C) (D)(B) mit meinem Bild unserer modernen Gesellschaft und meinem christlichen Menschenbild nicht vereinbar. Genetische Fehlbildungen können mit dem im sehr frühen Stadium ansetzenden Diagnoseverfahren festge- stellt werden. Wer von genetischen Vorbelastungen weiß und sich bisher oft gegen ein eigenes Kind entscheiden musste oder gar keine Wahl hatte, kann durch die be- grenzte Zulassung der Diagnostik und mithilfe der künstlichen Befruchtung endlich auf eigenen Nach- wuchs hoffen. Ich halte es nicht für richtig, wenn Politik entscheiden will, welches Ausmaß an Leid und Trauer Familien ver- kraften müssen. Ich halte es für grundlegend falsch, wenn es die Politik wäre, die entscheidet, ob der Wunsch von Menschen nach einem eigenen Kind legitim ist oder nicht. Es ist nicht Aufgabe der Politik, den medizini- schen Fortschritt, der in der Europäischen Union seit Jahren erfolgreich Anwendung findet, den Frauen in Deutschland vorzuenthalten. Unsere Entscheidungen im Bundestag dürfen nicht dazu führen, dass hilfesuchende Familien sich Ärzten in einer fremden Sprache im Aus- land zur Behandlung anvertrauen müssen. Es ist durch den Bundestag bei der Gesetzgebung an- zuerkennen: PID kann persönliches Glück mehren. Der neue Rechtsrahmen muss ethische Grenzen bei der An- wendung setzen und darf nicht aus diffusen Ängsten he- raus die Anwendung verbieten. Angst darf nicht das be- stimmende Kriterium unserer Entscheidungen werden. Diese Art der Zukunftsskepsis schadet dem Land und seinen Menschen. Über Kinder, die mithilfe der frühen Untersuchungs- methode geboren werden können – Kindern von Eltern also, die mit einem PID-Verbot quasi keine Chance auf Familienglück hätten –, sollten wir alle froh sein. Ge- nauso froh und dankbar sollten wir sein, wenn Frauen und ihren Familien der Schmerz durch Kindsverlust oder eine Abtreibung in einem Entwicklungsstadium, in dem die kindlichen Bewegungen deutlich spürbar sind, durch diese Diagnostik erspart bleibt. Ich werbe für die Zustimmung zum Gesetzentwurf von Peter Hintze und Ulrike Flach und hoffe, dass der le- bensbejahende Regulierungsansatz eine große Zustim- mung erhält. Hartmut Koschyk (CDU/CSU): Ich bin der festen Überzeugung, dass die Präimplantationsdiagnostik nicht mit der Unantastbarkeit der Menschenwürde vereinbar ist und der Deutsche Bundestag sich für ein Verbot aus- sprechen sollte. Ich habe daher den fraktionsübergreifen- den Gesetzentwurf meiner Bundestagskollegen Birgitt Bender, Pascal Kober, Dr. Günter Krings, Ulla Schmidt, Johannes Singhammer, Kathrin Vogler und anderen un- terzeichnet, der ein umfassendes gesetzliches Verbot der Präimplantationsdiagnostik anstrebt. Die durch Legali- sierung der Präimplantationsdiagnostik gesetzlich legiti- mierte Selektion vor Beginn der Schwangerschaft würde einen Paradigmenwechsel darstellen. Jeder Mensch ist einzigartig und wertvoll, unabhän- gig von Gesundheit, Besonderheiten und Eigenschaften! Menschliches Leben beginnt mit der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle, und dieses Leben bedarf des rechtli- chen Schutzes. Eine Gesellschaft, in der der Staat da- rüber entscheidet oder andere darüber entscheiden lässt, welches Leben gelebt werden darf und welches nicht, verliert ihre Menschlichkeit. Ein immer weiter um sich greifendes medizinisches Optimierungsstreben verletzt und stigmatisiert alle Menschen, die sich bewusst gegen menschlichen Machbarkeitswahn entscheiden. Ein gewichtiges Argument gegen die Präimplanta- tionsdiagnostik stellen auch die internationalen Erfah- rungen dar, nach denen eine Begrenzung auf Einzelfälle nicht möglich ist. Die hohen gesundheitlichen Belastun- gen und die unsicheren Erfolgsprognosen der Präimplan- tationsdiagnostik zeigen, dass diese die geweckten Hoff- nungen nicht erfüllt. Die christliche Wertorientierung ist für mich von dau- erhafter Gültigkeit für den Schutz menschlichen Lebens. Gesetzliche Regelungen müssen der Würde, dem Selbst- bestimmungsrecht der Person und dem Schutz des menschlichen Lebens ausgewogen gerecht werden. Das christliche Menschenbild ist für mich als Bundestags- abgeordneten die Grundlage auch im Ringen um not- wendige Regeln zwischen Selbstbestimmung und Lebensschutz. Aufgrund meiner christlichen Grundüber- zeugung ist die Präimplantationsdiagnostik für mich nicht vertretbar. Ingbert Liebing (CDU/CSU): Wir beraten heute über drei Gesetzentwürfe zur Präimplantationsdiagnos- tik, die eine Regelung zum Umgang mit Gentests an künstlich erzeugten Embryonen finden sollen. Dies ist ein sehr umstittenes Thema, denn es berührt ethische, religiöse, medizinische und moralische Fragen. Da die PID grundlegende ethische Fragen aufwirft, wurde ver- einbart, dass es keine Fraktionsanträge, sondern nur par- teiübergreifende Initiativen gibt. Ich unterstütze den parteiübergreifenden Gesetzent- wurf, der die Präimplantationsdiagnostik, PID, unter be- stimmten Voraussetzungen erlaubt. Der von mir unter- stützte Gesetzentwurf gibt betroffenen Eltern das Signal, dass sich der Gesetzgeber ihrer existenziellen Nöte an- nimmt. Mit diesem Gesetz machen wir Mut zum Kind. Ein Verbot der PID würde zu schweren Wertungswider- sprüchen führen, wenn man dadurch die Untersuchung einer befruchteten Eizelle in einer Petrischale verbieten würde, obwohl die spätere Untersuchung im Mutterleib und der Schwangerschaftsabbruch erlaubt sind. Mit unserem Gesetzentwurf wollen wir Eltern ermög- lichen, eine künstlich befruchtete Eizelle vor ihrer Im- plantation in die Gebärmutter auf schwere genetische Schäden zu untersuchen, um mögliche spätere Schwan- gerschaftsabbrüche, Tot- oder Fehlgeburten zu vermei- den. Die Regelung soll genetisch vorbelasteten Eltern er- möglichen, Ja zu einem eigenen Kind zu sagen. Ich möchte damit vor allem auch Frauen helfen, die sich sehnlich ein Kind wünschen. Das sind Frauen, die oft schon eine oder zwei Totgeburten hinter sich haben. Das sind Frauen, die den schweren Weg einer künstlichen Befruchtung gehen. Ich habe bereits Schreiben von sehr Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 14173 (A) (C) (D)(B) verzweifelten Familien erhalten, die mir ihre bestürzen- den Geschichten vom Weg zum Kind geschrieben haben. Eine Mail, die mich einmal erreichte, handelte von ei- nem Vater, dessen Frau bereits zwei erfolglose Schwan- gerschaftsversuche hinter sich hatte: Zweimal musste sich seine Frau einer Totgeburt aussetzen, weil sie eben nicht die Chance hatte, im Vorfeld zu untersuchen, ob die befruchtete Eizelle die Chance haben würde, ein le- bensfähiges Kind zu werden. Eine schreckliche und trau- matisierende Situation für diese Familie! Soll man die- sen Familien sagen: Wir könnten zwar helfen, es ist aber verboten? Die Gegner von PID argumentieren, dass sie Abtrei- bungen nicht wollen. Aber zurzeit sind selbst reguläre Abtreibungen möglich: Also erst eine Schwangerschaft eingehen, um sie dann abzubrechen, obwohl diese bei Problemen früher gestoppt werden könnten? Das passt nicht zusammen. Mein Ziel ist es damit auch, spätere Schwangerschaftsabbrüche zu vermeiden. Gerade wer Abtreibungen verhindern will, sollte die Chancen, die in der PID liegen, nutzen. Ich bin jedenfalls bereit dazu, denjenigen Familien, die dies möchten, diese Hilfe zu bieten, anstatt sie zu versagen, obwohl Hilfe möglich wäre. Ich habe das Ziel, Menschen ein Leid wie beschrieben mit medizinischer Hilfe zu ersparen. Für mich ist das ebenfalls eine Position der Nächstenliebe und der Ach- tung des Menschen. Kirsten Lühmann (SPD): Ich habe mich für das Ge- setz zur Regelung der Präimplantationsdiagnostik auf Drucksache 17/5451 entschieden. Als Christin fiel mir das nicht leicht. Grundsätzlich bin ich der Überzeugung, dass Menschen nicht alle technischen Möglichkeiten ausschöpfen sollten. Dies gilt insbesondere für den An- fang und das Ende des Lebens. Allerdings leben wir in einer Gesellschaft, die das mehrheitlich anders sieht. So ist zum Beispiel die ln-vi- tro-Fertilisation seit mehreren Jahrzehnten möglich und erlaubt. Ebenso kann in bestimmten Fällen nach vorge- burtlicher Diagnostik die Schwangerschaft bis zum Be- ginn der Geburt abgebrochen werden. Die Erfahrungen haben gezeigt, dass die betroffenen Eltern mit beiden schwierigen Entscheidungen verantwortungsvoll umge- hen. Wenn in dieser Situation die PID in keinem Fall er- möglicht wird, würden solche Untersuchungen in vielen Fällen zu einem späteren Zeitpunkt legal, zum Beispiel durch eine Fruchtwasseruntersuchung, nachgeholt. Die dann möglicherweise erfolgende Spätabtreibung eines lebensfähigen Fötus stellt sowohl für die betroffenen El- tern als auch für das ungeborene Kind eine solch schwer- wiegende Belastung dar, dass ich sie, wo immer mög- lich, verhindern will. Dies vermögen die Regelungen im PräimpG zu tun. Die PID darf und wird dabei nicht zu einer normalen Re- geluntersuchung werden, sondern erfolgt nur auf Antrag und nach Prüfung des Einzelfalls aufgrund eng umgrenz- ter Kriterien. Ich halte es für wichtig, hier keinen ab- schließenden Katalog von Indikationen aufzustellen, da dies weder der schwierigen Einzelentscheidung gerecht wird noch alle möglichen Fallkonstellationen abbilden kann. Dabei habe ich tiefen Respekt für alle Kollegen und Kolleginnen, die aus ähnlichen Erwägungen zu anderen Schlüssen für ihr Abstimmungsverhalten kommen. Denn keiner der vorgelegten Gesetzentwürfe stellt aus meiner Sicht einen Königsweg dar. Meine Wahl für das PräimpG treffe ich aus der Gewissensentscheidung he- raus, damit unter den geltenden rechtlichen und gesell- schaftlichen Gegebenheiten im Sinne der betroffenen Familien zu handeln, und in der Hoffnung, schlimmeres Leid zu verhindern. Philipp Mißfelder (CDU/CSU): In großem Respekt vor der Debatte um die Präimplantationsdiagnostik, PID, habe ich mich unter Abwägung aller Argumente dazu entschieden, als einer der ersten den Gesetzentwurf von Johannes Singhammer und anderen zu unterzeichnen – Gesetz zum Verbot der Präimplantationsdiagnostik –, der für ein striktes Verbot der Präimplantationsdiagnos- tik eintritt. Der Grund für meine Entscheidung liegt in dem christlichen Menschenbild unserer Partei. Für mich per- sönlich hat der Schutz des Lebens, vor allem der des un- geborenen, bereits seit Jahren Priorität in meiner politi- schen Arbeit. So habe ich im Februar 2008 bereits im Deutschen Bundestag für ein Verbot der Forschung mit embryonalen Stammzellen gestimmt. Der Hauptgrund ist für mich seinerzeit gewesen, dass es ohne die Tötung von Embryonen keine Forschung mit menschlichen em- bryonalen Stammzellen geben kann. Diese Auffassung, dass das ungeborene Leben zu schützen ist, ist auch dies- mal Anstoß für meine Ablehnung. Anfang Juli 2010 sorgte eine Entscheidung des 5. Strafsenats des Bundesgerichtshofs in Leipzig für Dis- kussionen: In ihrem Grundsatzurteil erklärten die Rich- ter Voruntersuchungen zur Erkennung von Gendefekten bei Embryonen für zulässig. Vorausgegangen war eine Selbstanzeige eines Berliner Arztes, der bei drei erblich vorbelasteten Paaren Gentests an Embryonen vorgenom- men hatte. Ein Verstoß gegen das Embryonenschutzge- setz liege bei der Präimplantationsdiagnostik, PID, nicht vor, so der Bundesgerichtshof. Das Urteil bedeutete einen schweren Rückschlag für den Lebensschutz – und ist eine Herausforderung für mich persönlich und für die Junge Union Deutschlands, die sich seit Jahren mit der Thematik der PID beschäf- tigt. So hat der Bundesvorstand der Jungen Union Deutschlands bereits im Oktober 2001 noch unter mei- ner Vorgängerin als JU-Bundesvorsitzende das Verbot der PID beschlossen. In diesem Beschluss wurde festge- stellt, dass eine Ablehnung der Präimplantationsdiagnos- tik nicht im Widerspruch zu Spätabtreibungen nach der zwölften Schwangerschaftswoche steht, wenn bei einer vorgeburtlichen Untersuchung das Vorliegen einer Krankheit oder Behinderung festgestellt wird. Eine Ab- treibung setzt nämlich eine Konfliktsituation der 14174 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 (A) (C) (D)(B) Schwangeren voraus, die bei der Präimplantationsdia- gnostik gerade nicht vorliegt. An dieser Einschätzung hat sich nichts geändert. Ei- ner der zentralen Grundsätze unseres politischen Den- kens und Handelns ist der Schutz des Lebens. Der Mensch darf nicht alles, wozu er technisch in der Lage ist. Aus dem „C“ unseres Parteinamens ergibt sich in den elementaren Fragen der Ethik eine besondere Verpflich- tung. Ich lehne daher Gentests an Embryos ab. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs, wonach die Anwendung dieser Methode nicht gegen das Embryo- nenschutzgesetz verstößt, verschafft zwar Ärzten Rechtssicherheit, gefährdet aber ungeborenes Leben massiv. Die Grenze der ethischen Machbarkeit wird durch die PID erneut verschoben. Aus Sicht der Jungen Union ist es nicht hinnehmbar, Designerbabys zu züch- ten oder gar künstlich befruchtete Embryonen gezielt nach wertem und unwertem Leben zu sortieren. Jeder Mensch besitzt von Beginn an eine unveräußerliche, per- sonale Würde. Der Schutz des Lebens – gerade auch des ungeborenen – muss weiterhin Priorität für uns haben. Deshalb muss jetzt das Embryonenschutzgesetz geändert werden, um damit klarzustellen, dass Gentests an unge- borenem Leben verboten sind. Nicht alles, was technisch machbar ist, darf auch ge- macht werden. Die Achtung vor der Schöpfung bindet uns in moralischer und ethischer Weise. Der Mensch darf sich niemals zum Herrn über Leben und Tod erhe- ben oder auch nur Urteile über möglicherweise lebens- wertes oder -unwertes Leben fällen, allein schon deshalb nicht, weil Leben niemals nichts wert sein kann. Die PID leistet jedoch einer derartigen Geisteshaltung Vorschub und zielt auf eine behindertenfreie Gesellschaft, in der zukünftig Mütter und Väter, die sich aus Achtung vor dem ungeborenen Leben für die Geburt eines behinder- ten Kindes und gegen die Selektion entschieden haben, an den Pranger gestellt werden. Bis heute ist eine Grenzziehung zwischen Merkma- len, die zur Auswahl „behindert“ oder „nicht behindert“ führt, nicht zweifelsfrei möglich. Die Befürchtung, dass sich dies mit der Einführung der PID zugunsten immer laxerer Kriterien verändert, ist deshalb mehr als berech- tigt. Zudem werden nicht selten festgestellte Gendefekte zur Auslese herangezogen, deren Manifestation nach der Geburt keineswegs sicher ist oder gar nur in wenigen Wahrscheinlichkeitsprozentpunkten anzugeben ist. Die Junge Union hat sich in den vergangenen Jahren immer wieder in zahlreichen Beschlüssen zu dieser The- matik – etwa beim Verbot von Spätabtreibungen oder der Verbesserung der Schwangerenkonfliktberatung – klar für den Lebensschutz ausgesprochen. Diese eindeutige Position behalte ich mit meiner Unterstützung des Geset- zes zum Verbot der Präimplantationsdiagnostik bei. Es sei an dieser Stelle zudem daran erinnert, dass auch das Grundsatzprogramm der CDU, das am 3. De- zember 2007 auf dem Parteitag in Hannover beschlossen wurde, ein Verbot der PID enthält. Dieses Verbot wurde auf dem CDU-Bundesparteitag vom 14. bis 16. Novem- ber 2010 in Karlsruhe durch einen Antrag der Jungen Union Deutschlands, in den ich eingeführt habe, vom höchsten Beschlussgremium der CDU bestätigt. Der Schutz des Lebens hat für mich persönlich und die Junge Union Priorität. Methoden wie die Präimplan- tationsdiagnostik gefährden die Würde des Menschen. Sie könnten dazu beitragen, mittelfristig auch die Siche- rung des Lebensrechts im Alter zu schwächen. Dr. Michael Paul (CDU/CSU): Im Deutschen Bun- destag beraten wir heute abschließend darüber, ob Aus- nahmen vom Verbot der Präimplantationsdiagnostik, PID, zugelassen werden sollen. Dazu liegen drei konkur- rierende Gesetzentwürfe vor. Da es sich um eine Gewis- sensfrage handelt, wird jeder Abgeordnete seinem Ge- wissen folgend abstimmen, also unabhängig von der Haltung seiner Fraktion. Worum geht es? Die PID ist ein Verfahren, bei einer künstlichen Befruchtung den Embryo vor seiner Ein- pflanzung in die Gebärmutter genetisch zu untersuchen. Damit besteht auch die Gefahr, dass der Embryo nach „Wunschkriterien“, also beispielsweise nach seinem Ge- schlecht, ausgesucht wird. Embryonen, die nicht den Kriterien entsprechen, werden ausgesondert, also letzt- lich getötet. Grundsätzliches Verbot und Schutz des Lebens von Anfang an: Bereits die bisherige Debatte im und außer- halb des Bundestags hat gezeigt, dass das Thema, das sehr vielschichtig ist, mit großer Ernsthaftigkeit behan- delt wird. Das hatte sich auch bei der Diskussion auf dem Bundesparteitag der CDU im letzten Jahr gezeigt. Aus meiner Sicht ist sehr zu begrüßen, dass PID nach dem Willen aller vorliegenden Entwürfe grundsätzlich verboten werden soll. Denn nach meiner Meinung muss das menschliche Leben einen umfassenden Schutz ge- nießen, gerade zu Beginn und am Ende. Dann sind die Menschen am wenigsten in der Lage, ihr Leben selbst zu schützen. Die Frage, ob eine Eizelle, die außerhalb des Körpers künstlich befruchtet wird, bereits ein Mensch ist, ist umstritten. Für mich ist aber klar, dass gerade bei so elementaren Fragen wie dem Schutz des Lebens im Zweifel immer von schutzwürdigem Leben auszugehen ist. Deshalb darf grundsätzlich nicht mithilfe von PID Leben ausgelöscht werden. Auch die jetzt beratenen Gesetzentwürfe wollen PID grundsätzlich verbieten. Die Gesetzentwürfe unterschei- den sich aber darin, ob ausnahmsweise PID zugelassen werden soll und, wenn ja, unter welchen Voraussetzun- gen. Ausnahmen vom Lebensschutz in unserer Rechtsord- nung: In unserer Rechtsordnung hat der Schutz des Le- bens einen überragenden Stellenwert. Ausnahmen sind nur in sehr engen Grenzen möglich, nämlich wenn es ei- nen Konflikt Leben des einen gegen Leben des anderen geht, wie im Fall der Notwehr. Auch bei der Frage des Schutzes des ungeborenen Le- bens haben das Bundesverfassungsgericht und der Ge- setzgeber diesen Grundsatz bestätigt. So ist der Abbruch der Schwangerschaft nur dann nicht rechtswidrig, „wenn der Frau durch das Austragen des Kindes eine Belastung Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 14175 (A) (C) (D)(B) erwächst, die so schwer und außergewöhnlich ist, dass sie die zumutbare Opfergrenze übersteigt“, wie der Ge- setzgeber in § 219 Strafgesetzbuch formuliert hat. Gestatten Sie mir an dieser Stelle eine Anmerkung zur Praxis des Schwangerschaftsabbruchs in Deutsch- land: Die Tatsache, dass es hier über 100 000 Schwan- gerschaftsabbrüche pro Jahr gibt, ist aus meiner Sicht ein gesellschaftlicher Skandal. Die Zahl übersteigt nach meiner Überzeugung bei weitem die Zahl so ernsthafter Konflikte, wie sie Gesetzgeber und Bundesverfassungs- gericht vor Augen hatten. Zurück zur PID: Wenn im Falle eines Embryos im Mutterleib nur bei einem schwerwiegenden Konflikt sein Recht auf Leben hinter dem Lebensrecht der Mutter zurückstehen darf, kann nach meiner Meinung nichts an- deres im Falle des noch nicht eingesetzten Embryos nach einer künstlichen Befruchtung gelten. Also: Eine Tötung nach PID sollte dann nicht rechtswidrig sein, wenn die Belastung für die Mutter sehr schwer und außergewöhn- lich hoch ist. Wertungswiderspruch eines vollständigen Verbots: Ansonsten, also bei einem vollständigen Verbot der PID, kommt es zu einem Wertungswiderspruch, der nicht hin- nehmbar ist: Vorausgesetzt, es gibt eine Konfliktlage zwischen dem Leben der Mutter und dem des Embryos, dann würde eine PID mit anschließender Tötung des Embryos vor Einpflanzung bestraft. Nach Einpflanzung dagegen wäre seine Tötung bei einem Schwanger- schaftsabbruch straffrei. Dieser Wertungswiderspruch war auch der tragende Grund, warum der Bundesge- richtshof mit Urteil vom 6. Juli 2010 einen Arzt nach PID freigesprochen hat. Dieses Urteil ist Auslöser der heutigen Diskussion. Ein vollständiges Verbot der PID ohne Ausnahmen, wie im Antrag der Kollegen Göring-Eckardt, Kauder, Kober, Singhammer etc. vorgesehen, werde ich daher nicht unterstützen. Ausnahmen bei hochwahrscheinlichem Tod des Kin- des: Die PID darf meiner Meinung nach nur in eng um- grenzten Ausnahmefällen straffrei bleiben. Richtschnur muss dabei der schwere Konflikt der Mutter sein, wie er auch beim straffreien Schwangerschaftsabbruch als Vo- raussetzung gesehen wird, also letztlich auch ein Kon- flikt Leben gegen Leben. In dem Antrag der Kollegen Röspel, Hinz, Meinhardt, Lammert etc., der dem Bundestag ebenfalls zur Beratung vorliegt, wird die straffreie PID auf solche Fälle be- schränkt, bei denen die Kinder wegen einer Erbkrankheit der Eltern hochwahrscheinlich so sehr geschädigt wer- den, dass sie entweder bereits tot oder fehl geboren wer- den. Dieser Antrag stellt aus meiner Sicht nicht hinrei- chend auf die Konfliktsituation ab. Denn ein Konflikt, bei dem das Leben der Mutter letztlich gegen das Leben des Kindes steht, ist auch in anderen Fällen denkbar. Ausnahmen bei schweren Erbkrankheiten und Zu- stimmung einer Ethikkommission: Der Antrag der Kol- legen Flach, Hintze, Reimann, Sitte etc. will die PID auf solche Fälle beschränken, bei denen ein hohes Risiko ei- ner schweren Erbkrankheit des Kindes besteht und bei denen eine interdisziplinäre Ethikkommission der PID zugestimmt hat. Dieser Antrag ist zwar weitergehend als der Antrag Röspel, Hinz, Meinhardt, Lammert etc. Die vorgesehene Zustimmung einer Ethikkommission kann aber den Anwendungsbereich der PID wieder eingren- zen. Dieser Antrag entspricht am ehesten meiner Vorstel- lung einer Regelung der PID. Denn bei den schwierigen Fällen, die Auslöser der jetzigen Diskussion waren, könnte dann eine PID zulässig sein. Es ging um Eltern mit Kinderwunsch, die aber aufgrund ihrer erblichen Veranlagung befürchten mussten, eine schwere Krank- heit an ihr Kind zu vererben. Die Folge: Ohne PID kam es zur Schwangerschaft, zur Konfliktsituation und zum Abbruch, also einem für die Mutter wesentlich gravie- renderen Eingriff als eine Tötung des Embryos nach PID noch vor der Einpflanzung in den Mutterleib. Diese für alle Beteiligten schreckliche und belastende Situation kann durch die Regelung der PID im Sinne des Antrags der Kollegen Flach, Hintze, Reimann, Sitte etc. vermie- den werden. Da es sich letztlich immer um einen sehr individuel- len Konflikt handelt, können pauschale Lösungen nicht die Antwort sein. Deshalb ist es richtig, dass, wie im An- trag der Kollegen Flach, Hintze, Reimann, Sitte etc. vor- gesehen, durch eine Ethikkommission eine Prüfung im Einzelfall stattfinden muss und damit die konkrete Kon- fliktsituation beurteilt wird. Aus diesen genannten Grün- den gebe ich meine Stimme dem Antrag der Kollegen Flach, Hintze, Reimann, Sitte etc. In den letzten Wochen und Monaten habe ich sehr viele Zuschriften und Stellungnahmen erhalten. Dafür be- danke ich mich herzlich, da sie mir geholfen haben, mich in dieser schwierigen Frage zu entscheiden. Wie ich sehen konnte, entspricht mein Votum dem einstimmigen Votum der Nationalen Akademie der Wissenschaften – Leopol- dina, Acatech und Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften –, dem Mehrheitsvotum des Deut- schen Ethikrates und des Deutschen Ärztetages. Ruprecht Polenz (CDU/CSU): Es geht heute für uns alle um eine schwierige Gewissensentscheidung in ei- nem Grenzbereich. Behutsamkeit des Gesetzgebers ist hier ganz besonders gefragt. Niemand im Parlament macht sich die Entscheidung leicht, und ich möchte zu- nächst, unabhängig vom Ergebnis, um Respekt vor der Gewissensentscheidung eines jeden Abgeordneten bit- ten. Bei meiner Entscheidung für den Gesetzentwurf von Peter Hintze, der unter sehr eingeschränkten Bedingun- gen eine PID erlaubt, habe ich mich im Wesentlichen von folgenden Überlegungen leiten lassen: Die PID würde Frauen und Familien nutzen, die einen Kinderwunsch haben und genetisch erheblich vorbelas- tet sind. Ihr Ziel ist, eine Schwangerschaft herbeizufüh- ren und das Risiko einer Totgeburt oder einer schweren Erkrankung des Kindes möglichst zu verhindern. Dabei spricht man für Deutschland von einem Betroffenenkreis von etwa 150 bis 200 Paaren im Jahr. 14176 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 (A) (C) (D)(B) Mich haben zum Teil eindringliche Schilderungen von Familien erreicht, die sich weitere Kinder wün- schen, aber nach mehreren Fehlgeburten oder weil sie bereits ein schwerbehindertes Kind haben, nicht die Kraft für ein weiteres schwerbehindertes Kind aufbrin- gen können. Ich glaube, wenn es medizinisch möglich ist, dieses Leid zu vermeiden, kann es nicht richtig sein, den Be- troffenen diese Untersuchung vorzuenthalten. Die Mög- lichkeit der Information durch die PID und das Urteil da- rüber soll den betroffenen Familien zustehen, wenn sie es wollen. Der Gesetzentwurf von Peter Hintze achtet sehr ge- nau darauf, dass jede Entscheidung, eine PID zu nutzen, als Einzelfall behandelt wird. Ein allgemeines Urteil über den Lebenswert von Menschen, die bestimmte Be- hinderungen haben, kann man daraus nicht ableiten. Die Vermeidung eines konkreten individuellen Leids im Ein- zelfall führt nach meiner Auffassung nicht dazu, dass be- reits lebende Menschen mit bestimmten Behinderungen dadurch diskriminiert werden könnten. Verfassungsrechtlich ist nicht entschieden, ab wel- chem Zeitpunkt menschliches Leben beginnt. Für mich sind folgende Überlegungen maßgebend: Ein Mensch kann nicht außerhalb des Mutterleibes zum Fötus oder Kind heranwachsen. Deshalb halte ich es für richtig, den vollen Schutz menschlicher Würde mit der Nidation beginnen zu lassen. Dieser Standpunkt bedeutet nicht, dass die befruchtete Eizelle deshalb schutzlos gestellt wäre. Genauso, wie nach dem Ableben der Leichnam eines Menschen strafrechtlich vor Missbrauch geschützt ist, gibt es eine „Vorwirkung“ des Schutzes für die befruch- tete Eizelle, deren eigener Wert hohen Respekt erfordert. Auch dieser Abwägung trägt der sogenannte Hintze-Ent- wurf Rechnung. Würde man den vollen Schutz menschlicher Würde bereits mit der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle beginnen lassen, müsste man Nidationshemmer und An- tikontrazeptiva, wie die „Spirale“, konsequenterweise verbieten. Folgt aus einer Zulassung der PID für sehr eng um- grenzte Fälle, dass alles, was heute technisch machbar ist, gemacht wird und man letztlich auf eine schiefe Bahn gerät? Ich verstehe die Sorge, die hinter der Frage steht, und die Furcht vor sogenannten Designerbabys. Ich traue aber uns als Gesellschaft und den Menschen, die in der konkreten Konfliktsituation sind, die Fähigkeit zu, verantwortungsvoll mit einer PID umzugehen. Davon gehen wir ja auch bei der Pränataldiagnostik aus, deren rechtliche Zulässigkeit niemand bezweifelt. Mit einem absoluten Verbot der PID würden wir die Be- troffenen auf das benachbarte Ausland verweisen, wo PID erlaubt ist. Der Gesetzgeber bleibt aufgefordert, die Gefahr eines Missbrauchs möglichst gering zu halten und eine Institu- tionalisierung der Diagnosezentren vorzunehmen, die die PID in einem menschenwürdigen Kontext gewähr- leistet. Die mit großen Ernst geführte Diskussion, die über Parteigrenzen hinweg und quer durch die Gesellschaft verlief, ist für mich ein Zeichen, dass wir dieser Verant- wortung auch in unserem Land gewachsen sein werden. Thomas Rachel (CDU/CSU): Ich bin sehr dankbar dafür, dass wir uns Zeit für diese intensive Debatte zu diesem wichtigen und zentralen Thema nehmen. Die künstliche Befruchtung, die sogenannte IVF, hat vielen Paaren die Chance auf das lang ersehnte Kind ge- geben. Allein hier bei uns in Deutschland sind in den vergangenen zehn Jahren über 100 000 Kinder durch IVF zur Welt gekommen. Durch medizinische Hilfe ha- ben Familien ihren Nachwuchs bekommen, den sie als einen Segen empfinden. Der Wunsch vieler Ehepaare, Eltern gesunder Kinder zu werden, ist vollkommen ver- ständlich und zu respektieren. Aber haben diesen Wunsch nicht alle Paare, ob sie nun ein Kind auf dem Wege der IVF oder auf natürliche Weise bekommen? Auch im Evangelischen Arbeitskreis der CDU/CSU haben wir das Thema intensiv diskutiert und sind gegen eine Zulassung der PID; denn sie ist mit einem zentralen ethischen Problem behaftet: Als Folge der PID findet eine Auswahl von genetisch geeignet erscheinenden Em- bryonen statt, eine Auswahl nach genetischen Kriterien. Ausgehend vom christlichen Menschenbild wissen wir aber, dass menschliches Leben ein Geschenk ist. Es ist etwas Wertvolles, das wir schützen möchten. Wie sind die Fakten? Pro Jahr suchen rund 130 Paare aus Deutschland Hilfe zur Durchführung von PID im Ausland. Aber auch die PID gibt keine Garantie auf ein gesundes Kind. Viele Erkrankungen haben ganz andere Ursachen. Es wurde schon angesprochen, es gebe ein an- deres Verfahren. Löst aber ein anderes Verfahren den Konflikt, um den es hier geht, auf? Ich glaube, nein. Natürlich kann man eine Polkörper- diagnostik durchführen. Es ist ein vernünftiges Verfah- ren. Aber es ist letztlich kein Ersatz für das, um was es geht. Denn bei der Polkörperdiagnostik wird das mütter- liche Erbgut untersucht. Oder anders gesagt: Die Polkör- perdiagnostik hilft nicht bei genetischen Veränderungen, die der Vater überträgt. Der evangelische Theologe Helmut Thielecke hat ge- sagt: Ethik ist immer Ethik im Widerstreit. – So ist es auch hier. Hat ein Embryo eine Erbschädigung, kann er bei konsequenter Anwendung der PID verworfen wer- den. Wird die PID aber verboten, können wir in der Tat nicht ausschließen, dass die Eltern später in eine Situa- tion kommen, in der sie sich für eine Spätabtreibung des Embryos entscheiden. Beide Alternativen zeigen, dass wir uns in moralischen Dilemmata befinden, aus denen wir uns nicht vollständig befreien können. Deshalb rin- gen wir um die richtige Antwort. Letztlich komme ich zu dem Schluss, PID nicht zuzu- lassen. Wenn eine Mutter sich in einem existenziellen Schwangerschaftskonflikt befindet, während das Kind Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 14177 (A) (C) (D)(B) im Mutterleib heranwächst, ist dies von einer deutlich anderen Dramatik, als wenn Paare noch vor der Frage stehen, ob sie überhaupt eine PID durchführen wollen. Insofern kann man beide Situationen nicht gleichsetzen. Empfindet eine Mutter ihre vorhandene Schwanger- schaft als für sie existenzielle Notsituation, ist der Kon- flikt unausweichlich. Im Angesicht der noch nicht ge- füllten Petrischale ist die PID hingegen eine Option, auf die man gegebenenfalls verzichten kann. Unter Abwä- gung all dieser Punkte rate ich von der PID ab. Josef Rief (CDU/CSU): Ich spreche mich gegen die Präimplantationsdiagnostik, PID, aus. Nach reiflicher Überlegung haben mich die Argumente gegen eine PID überzeugt: Erstes und wohl auch bedeutendstes Argument ist die Tatsache, dass die erzeugten Embryonen Menschen sind, nicht weniger schutzbedürftig, sondern berechtigt, als schwächstes menschliches Wesen den vollen Lebens- schutz zu beanspruchen. Der selektive Blick auf die menschlichen Embryonen zur Auswahl eines gesunden Embryos bedeutet immer zugleich die Verwerfung von sich gerade entwickelnden Menschen, die nicht gewollt und bewusst verworfen werden. Dieses Auswählen ver- schiedener Embryonen geschieht nach der Beurteilung von lebenswert oder lebensunwert. Weiterhin bietet die PID keine Gewähr dafür, dass ein lebendes Kind geboren wird. Fachleute sagen, die Chance liege bei unter 30 Prozent. Daher ist das Risiko der Durchführung einer PID enorm hoch. Schließlich kann die Untersuchung auch einen zunächst gesunden Embryo schädigen. Außerdem sind Falschdiagnosen nicht ausgeschlossen, welche die Eltern letztendlich zu einer Abtreibung veranlassen könnten. Auch dies zeigt das hohe Risiko und die unmoralische Selektion. Dazu kommt noch, dass pro PID mehrere, mindestens acht oder neun Embryonen zur Verfügung stehen müssen, um eine diagnostische Beurteilung und eine erfolgreiche Im- plementierung gesunder Embryonen möglich zu ma- chen. Die überzähligen Embryonen werden letztlich ver- nichtet. Nun gibt es natürlich auch die Möglichkeit, die PID nur für bestimmte Indikationen zuzulassen, zum Bei- spiel, um Totgeburten zu verhindern. Diese enge Ausle- gung beinhaltet die Stellungnahme der EKD. Weder der Röspel/Lammert- noch der Flach/Hintze/Reimann-Vor- schlag würden ausschließlich diese Möglichkeit zulas- sen. Der Vorschlag, die Entscheidung dem betroffenen Paar und/oder Arzt, gegebenenfalls mit Zustimmung ei- ner Ethikkommission, zu überlassen, würde faktisch ei- ner totalen Freigabe der PID gleichkommen. Deshalb sollte man bedenken, dass bei einer solchen Entschei- dungsmöglichkeit der Staat seine Schutzfunktion gegen- über dem Embryo aufgibt. Und das wiederum ist eine Vernachlässigung oder gar Missachtung all unserer christlichen Werte und Wertvorstellungen. Außerdem ist eine Ausweitung – und das Ausland be- weist dies – des Anwendungsbereiches vorprogram- miert, analog der Entwicklung im Abtreibungsrecht. Nach Ansicht vieler Fachleute werden die in die PID ge- setzten hohen Erwartungen nicht erfüllt werden können. Und die Belastungen nach einer erfolglosen PID sind für alle Beteiligten sehr groß. Natürlich verstehe ich Eltern, die gesunde Kinder zur Welt bringen wollen, besonders wenn erbliche Krankhei- ten eventuell sogar bei beiden Partnern vorkommen. Al- lerdings gibt es auch andere Methoden. Zu nennen wäre hier die Polkörperdiagnostik, die mindestens 80 Prozent der über die PID nachzuweisenden Krankheiten eben- falls nachweisen könnte. Diese Methode ist um ein Viel- faches humaner, da diese Untersuchung an der noch weitgehend unentwickelten Eizelle stattfindet. Ich präfe- riere im Gegensatz zur PID nachdrücklich die Polkörper- diagnostik, da sie nicht am Embryo forscht. Nach Aussa- gen von Fachleuten bestehen hier zumindest für das weibliche Erbgut Untersuchungsmöglichkeiten, welche schon jetzt legal sind und einer PID nahekommen. Außerdem sind mir durch zahlreiche Briefe, aber auch direkte Gespräche mit betroffenen Familien, wel- che ein behindertes Kind haben, auch diese Schicksale bekannt. An dieser Stelle muss gesagt werden, dass Menschen mit Behinderung keine Belastung für unsere Gesellschaft sein dürfen. Solche Menschen sind nicht besser, nicht schlechter – sondern nur anders. Unsere Aufgabe ist es, diese Familien nach Kräften zu unterstüt- zen. Denn jeder von uns kann morgen schon von einer Behinderung betroffen sein. Deshalb wäre die PID nicht nur eine Möglichkeit, Leid von Menschen zu nehmen, sondern eine viel zu hohe Selbsteinschätzung und eine Überbewertung unse- rer Rechte. Denn letztendlich liegt die Entscheidung über Leben und Tod nicht bei uns – sie liegt nach mei- nem Verständnis bei Gott. Das ist einer der entschei- dendsten Grundwerte, welcher unsere Gesellschaft so prägt. Die PID steht der Würde des Menschen entgegen. Ich hoffe, dass sich heute viele meiner Kollegen aller Fraktionen für ein Verbot der PID aussprechen. Denn wenn wir falsch liegen, ist es leichter, eine geschlossene Tür wieder zu öffnen. Es ist aber unmöglich, in diesem Fall eine offene Tür wieder zu schließen! Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Im Art. 38 des Grundgesetzes heißt es über uns Bundestags- abgeordnete: „Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen“. Ich denke, die sehr sachlich ge- führten Debatten zur Präimplantationsdiagnostik, PID, haben gezeigt, dass wir diesen Auftrag sehr ernst neh- men. Es war zu spüren, dass sich niemand diese Entschei- dung leicht gemacht hat. Auch bei mir war es ein langer Prozess, bis ich mich schlussendlich und nach reiflicher Überlegung dazu entschlossen habe, für den Antrag von Ulrike Flach, Peter Hintze, Jerzy Montag und anderen zu stimmen. In den vergangenen Wochen, ja Monaten habe ich viele Veranstaltungen besucht, habe mich mit Exper- tinnen und Experten von Kirchen, Wissenschaft und Be- hindertenvertretungen ausgetauscht und die Diskussio- 14178 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 (A) (C) (D)(B) nen zwischen den Vertreterinnen und Vertretern der verschiedenen Gruppierungen verfolgt. Ich habe vor al- lem sehr viel Post bekommen, teils persönliche Briefe und E-Mails, die mich sehr berührt haben. Auch diesen Menschen gegenüber möchte ich hier kurz erklären, wa- rum ich mich so und nicht anders entschieden habe. Die Debatte über die PID hat gezeigt, dass es dabei um eine ethisch diffizile Frage geht. Sie berührt Ängste und Befürchtungen, ob wir Menschen uns anmaßen kön- nen, über Leben und Tod, also über das Schicksal eines Embryos, zu entscheiden – aber auch das einer Frau. Mit dem Antrag der Flach-Gruppe stellen wir uns die- ser Verantwortung und sagen deutlich: Ja, die PID bleibt weiterhin verboten, bis auf zwei klar definierte Ausnah- mefälle: wenn aufgrund einer erblichen Vorbelastung ei- nes Elternteils ein hohes Risiko einer schwerwiegenden Erberkrankung des Kindes besteht oder mit hoher Wahr- scheinlichkeit eine Totgeburt oder Fehlgeburt aufgrund einer schweren genetischen Schädigung des Embryos droht. Ich bin der festen Überzeugung, dass eine in Ausnah- mefällen erlaubte PID viel Leid verhindern oder zumin- dest reduzieren kann. Eltern, die eine PID durchführen lassen wollen, machen es sich nicht leicht. Oft haben sie schon einen langen, leidvollen Weg hinter sich. Gerade für Frauen ist der Prozess körperlich und seelisch sehr belastend. Wer den schweren Weg einer künstlichen Be- fruchtung auf sich nimmt, macht es sich auch nicht ein- fach mit der Entscheidung, sondern trifft sie genauso sorgfältig, abwägend und gewissenhaft, wie wir Abge- ordnete über diese Frage beraten haben. Die PID soll Frauen eine informierte Entscheidung für ein lebensfähi- ges und gesundes Kind ermöglichen. Sie ist die Voraus- setzung dafür, dass die Frau entscheiden kann, ob eine Schwangerschaft eingeleitet werden soll oder nicht. Ein künstlich gezeugter Embryo kann nur mit der Mutter geschützt werden, nicht gegen sie. Daher muss diese Entscheidung mit der Mutter und nicht gegen sie erfolgen. Ein vollständiges Verbot der PID würde einer Frau eine wichtige Erkenntnis vorenthalten – das verletzt meines Erachtens Frauen in ihrer Würde und in ihrem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit. Mir erschließt sich auch nicht die Logik, dass bei ei- nem hohen Risiko einer schwerwiegenden Erberkran- kung des Kindes oder der Wahrscheinlichkeit einer Tot- oder Fehlgeburt eine PID ausgeschlossen bleiben soll, zu einem späteren Zeitpunkt, nämlich nach der Einleitung einer Schwangerschaft, aber Pränataldiagnostik möglich ist, die nach wie vor mit dem nicht ganz unproblemati- schen Eingriff einer Amniozentese einhergeht, und dies zu einem Schwangerschaftsabbruch – einem also für die Mutter sehr schwerwiegenden Eingriff – führen kann. Mir ist es auch wichtig, dass wir keinen „Katalog“ an Krankheiten entwickeln, bei denen eine PID möglich sein sollte. Menschliche Schicksale können meines Er- achtens nicht in einem Gesetzentwurf festgeschrieben werden; deshalb brauchen wir ein Instrument, das eine individuelle Entscheidung ermöglicht. Bei dem von mir unterstützten Antrag soll eine interdisziplinäre Ethik- kommission eingesetzt werden, die jeden Fall einzeln prüft und ihre Zustimmung geben muss. Dies halte ich für eine sinnvollere Lösung, als im Vorhinein Kategorien festzulegen, nach denen eine PID durchgeführt werden kann. Gleichzeitig sollte nicht der Eindruck erweckt wer- den, man könnte durch die Ermöglichung der PID Be- hinderungen generell verhindern. Wir werden in unserer Gesellschaft auch weiterhin mit Menschen mit Behinde- rung zusammenleben. Bei den meisten Menschen tritt die Behinderung während oder nach der Geburt auf. Auf Menschen mit einer Behinderung zu treffen, ist alltäg- lich und wird es auch immer bleiben. Es ist unsere Auf- gabe, existierende Barrieren abzubauen, allen Menschen ein unbehindertes Leben zu ermöglichen und Inklusion in unserer Gesellschaft zur Normalität werden zu lassen. Die Bedenken, dass wir uns in naher Zukunft einer – überspitzt formuliert – „Flut von Designerbabywün- schen“ ausgesetzt sehen, werden durch den Antrag und die Erfahrungen im Ausland mit der PID entkräftet. Für den Fall, dass jemand tatsächlich bereit wäre, eine PID nicht aufgrund schwerwiegender gesundheitlicher Gründe durchzuführen, haben wir ein klares Korsett aus Regelungen, Beratung und Evaluation angelegt. Zentral ist dabei, dass eine Ethikkommission ihre Zustimmung geben muss. Dies halte ich für eine wichtige Einschrän- kung, die einer so komplexen Entscheidung angemessen ist. Es mag auf den ersten Blick erstaunlich klingen, dass das Ringen um die richtige Entscheidung und eine so in- tensiv geführte Debatte einen Gesetzentwurf begleiten, der laut Expertenmeinung nur etwa 200 Paare pro Jahr in Deutschland betrifft. Es ist meiner tiefsten Überzeugung nach richtig, dass wir Abgeordnete uns nicht nach Zah- len richten, sondern um die Sache ringen. Ich habe heute in bestem Wissen und Gewissen abgestimmt – so, wie ich den Auftrag meines Mandats verstehe. Christian Schmidt (Fürth) (CDU/CSU): Heute ent- scheiden wir im Deutschen Bundestag abschließend über die gesetzliche Regelung zur Präimplantationsdiagnos- tik, PID. Ich bin sicher: Niemand von uns macht es sich in dieser Frage leicht. Es ist eine von tiefen Wertorientie- rungen geprägte persönliche Gewissensentscheidung. Ich will betonen, dass alle drei Gesetzesinitiativen diesen Anspruch erheben können. Eigene Erfahrungen, Begegnungen und Wertungen haben uns geprägt. Wir müssen diese nun in einer schwierigen Abwägung in rechtliche Normen umsetzen. Lebensschicksale betroffener Paare, die ihr Kind durch Tot- oder Fehlgeburt verloren haben, gemeinsam mit einem behinderten Kind in ihren Familien oder selbst mit einer schweren Erkrankung leben – manch ei- ner weiß um und kennt diese Schicksale. Natürlich fällt angesichts solcher Betroffenheit eine Abwägung schwer. Was darf, kann man der Mutter, den Eltern zumuten? Und was dürfen wir den zu gebärenden Kindern „zumu- ten“? Da bewegen mich auch die Berichte von Professor Schneider von der Uniklinik Erlangen über solche Kin- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 14179 (A) (C) (D)(B) der, die bei Anwendung der PID wohl nie geboren wor- den wären, aber heute ein selbstständiges Leben führen können. Bei der Frage, ob wir die PID in Deutschland zulassen wollen oder nicht, geht es darum, die Grundlagen unse- res Lebens auszuzeichnen und hierbei die nicht einfache Frage zu beantworten, wann menschliches Leben be- ginnt und ab wann dieses Leben schützenswert ist. Für mich kann ich diese Frage eindeutig beantworten: Mit der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle beginnt menschliches Leben, und das ist der Zeitpunkt, ab dem dieses Leben geschützt werden muss, ob in vitro oder im Mutterleib. Damit entscheiden wir über Leben. Welches Leben lebenswert ist, können und dürfen wir grundsätzlich nicht entscheiden. Ich halte es für fraglich, dass eine heute festgelegte Begrenzung des Anwendungsbereiches der PID „auf schwerwiegende Erkrankungen“ – übrigens eine sehr vage Formulierung – auch noch in ein paar Jahren Be- stand haben wird. Meine Befürchtung ist vielmehr, dass die Entwicklung mit dem medizindiagnostischen Fort- schritt und einem gesellschaftlichen Wandel weitergehen wird. In ein paar Jahren werden dann vielleicht Paare ih- ren Wunsch nach einem perfekten Designerbaby äußern. Der nächste Schritt hin zu einem Screening auf chromo- somale „Fehler“ der Embryonen ist realistisch. Wenn wir dann soweit sind, wann und wo werden wir dann eine Grenze setzen? Der Mensch darf mit dieser Frage nicht alleingelassen werden, denn dies hieße, dass er Gefahr läuft, dem Zeit- trend ausgesetzt zu sein. Aus immer mehr verbesserten medizinischen Möglichkeiten könnte eine nicht ein- grenzbare faktische Disponibilität des Lebens erwach- sen. In dieser Frage leitet mich auch mein evangelisches christliches Verständnis und Menschenbild. Jedes Leben ist ein wertvolles Geschenk und muss geschützt werden. Ich kann nur erahnen, welche Sorgen und welche im- mense Beschwernis jeder Einzelfall mit sich bringt. Dennoch ist bei Abwägung für mich die Notwendigkeit des „Wehret den Anfängen“ ausschlaggebend. Deshalb stimme ich gemeinsam mit den Kollegen Johannes Singhammer, Volker Kauder, Katrin Göring- Eckardt und anderen gegen die Zulassung der PID in Deutschland. Patrick Schnieder (CDU/CSU): Menschliches Le- ben beginnt mit der Verschmelzung der Ei- und Samen- zelle. Ausgehend von diesem einzigartigen und in den nachfolgenden Stadien der Embryonalentwicklung un- vergleichbaren Moment entwickelt sich der Embryo zum Fötus. Menschliches Leben beginnt deshalb für mich un- zweifelhaft mit der Verschmelzung der Keimzellen. Aus dieser Erkenntnis folgere ich zweierlei: Erstens. Mein christlicher Glaube und das daraus abgeleitete Menschenbild gebieten mir, jedes Leben von Beginn an zu schützen. Und zweitens. Jedes Leben ist von Beginn an mit unantastbarer Würde ausgestattet, die im ersten Artikel unseres Grundgesetzes garantiert wird. Diese beiden Argumente führen vor Augen, dass sich jedes menschliche Leben dem Zugriff eines anderen Menschen entzieht. Die Verschmelzung von Ei- und Sa- menzelle geschieht um des Lebens willen, gleich ob sie sich in vitro oder in vivo vollzieht. Dieser Satz darf nicht außer Kraft gesetzt werden. Leben muss um des Lebens willen entstehen, nicht zum Zwecke einer bewussten Se- lektion. Selektion bedeutet immer, dass ich etwas Schlechtes, Ungeeignetes aussortieren will. Bei der Prä- implantationsdiagnostik wird auf der Grundlage geneti- scher Untersuchungen entschieden, welcher Embryo le- ben darf. Embryonen, bei denen eine Indikation vorliegt, werden abgetötet. Dies halte ich für nicht hinnehmbar. Neben der Frage nach dem menschlichen Leben stellt die Präimplantationsdiagnostik auch die Frage nach un- serem Gesellschaftsverständnis. Denn zwangsläufig geht mit der Präimplantationsdiagnostik, der Selektion der Embryonen, auch die Frage einher, ob das Leben mit ei- ner Behinderung oder einer Krankheit schlecht, unwür- dig oder lebenswert sei. Welches Signal geben wir Men- schen mit Behinderungen oder genetischen Krankheiten, wenn wir die Präimplantationsdiagnostik zulassen, wenn wir definieren, dass bestimmte Krankheiten und Behin- derungen ein Grund sind, Leben gar nicht erst zuzulas- sen? Auch das halte ich für inakzeptabel. Ich will das Leid der Eltern, die sich ein gesundes Kind wünschen, vielleicht sogar schon mit der Behinde- rung oder dem Tod eines oder mehrerer Kinder konfron- tiert sind, nicht kleinreden. Den Wunsch nach gesunden Kindern kann wohl jeder nachvollziehen. Doch kann aus dem Wunsch nach einem gesunden Kind kein Recht da- rauf abgeleitet werden. Zudem ist nicht vorhersehbar, ob Krankheiten, die heute bei der Präimplantationsdiagnos- tik zu einer Abschreibung des Embryos führen würden, zukünftig nicht doch heilbar oder therapierbar sind. Gerade in einer reichen und solidarischen Gesell- schaft wie der unsrigen ist es unsere Verantwortung, für- einander da zu sein und füreinander Verantwortung zu übernehmen. Die Verantwortung, die Ärzte und Eltern übernehmen, wenn sie künstlich Leben schaffen, ist eine besonders große. Menschliches Leben in diesem frühen Stadium ist auf besonderen Schutz angewiesen. Damit geht eine besondere Verantwortung einher: Lebens- schutz ist das höchste Gut. Dem widerspricht die Prä- implantationsdiagnostik fundamental. Deshalb spreche ich mich für ein Verbot der Präimplantationsdiagnostik aus. Johannes Singhammer (CDU/CSU): Unser Ge- setzentwurf hat ein klares Ziel: Ein menschlicher Em- bryo darf nicht untersucht werden, um bestimmte geneti- sche Eigenschaften zu erkennen. Ärzte, welche das trotz des Verbotes tun, werden bestraft, nicht aber die Eltern. Ich setze mich für ein ausnahmsloses Verbot der PID ein, weil – in einem Satz zusammengefasst – eine Quali- tätskontrolle menschlichen Lebens für mich nicht zuläs- sig sein sollte. Die Präimplantationsdiagnostik, PID, ist 14180 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 (A) (C) (D)(B) keine Therapie, sondern eine Auswahlentscheidung, eine Bewertung menschlichen Lebens, ein Lebenseignungs- test, kurzum: ein Eingriff in die Schöpfung. Wer immer eine solche Bewertung über menschliches Leben vor- nimmt, der entscheidet, welches Leben gelebt wird und welches nicht. Er verschreibt sich der Idee der Machbar- keit und läuft Gefahr, Menschen zu verletzen, die medi- zinischem Optimierungsstreben nicht entsprechen. Diese Entscheidungsmöglichkeit ist neuartig und hebt die PID von anderen vorgeburtlichen Untersuchungen ab. Die er- forderliche Bereitschaft zur Auswahl unter den künstlich erzeugten Embryonen ist wesentlicher Unterschied zu anderen vorgeburtlichen Untersuchungen, die den Eltern auch nach Erhalt des Ergebnisses die Entscheidung über die Fortführung der Schwangerschaft offenlassen und ih- nen noch die Option lassen, weitere Entwicklungsper- spektiven nach der Geburt des Kindes mit hinzuzuzie- hen. Eine Zulassung der PID und die damit verbundene gesetzlich erlaubte Auswahl von Embryonen vor Beginn der Schwangerschaft würden deshalb einen ethischen und gesellschaftlichen Paradigmenwechsel begründen. Vor allem aber muss jeder, der PID zulässt, Grenzen finden. Kann es eine verantwortbare Grenze sein, bei ei- ner geringeren Lebenserwartung von ein oder zwei Jah- ren einen menschlichen Embryo zu verwerfen? Ist es ein legitimer Verwerfungsgrund, wenn eine schreckliche Krankheit erst in der zweiten Lebenshälfte droht, so etwa bei dem sogenannten Veitstanz, der erst nach dem 40. Lebensjahr einen Menschen überfällt? Zählen die 40 Lebensjahre vorher nichts? Wie sicher sind die Er- gebnisse, die eine solche Auswahl erlauben? Eine Diffe- renzierung nach Lebenserwartung, eine Unterscheidung nach möglichen oder tatsächlichen Krankheiten löst nicht vorhandenes Leid, sondern schafft neue Diskrimi- nierungen, die nicht gewollt sind. Beide Gesetzentwürfe, die eine Zulassung der PID vorsehen, verzichten auf einen Indikationskatalog und übertragen die Entscheidung zertifizierten Zentren und einer Ethikkommission. Ohne Kriterien werden diejeni- gen, die mit dem Verfahren beauftragt sind, das Verfah- ren im Gange der gesellschaftlichen Entwicklung an- wenden und interpretieren. Die Kriterien für schwerwiegende Erberkrankungen werden durch den sich entwickelnden gesellschaftlichen Konsens ersetzt. Die internationalen Erfahrungen zeigen, dass eine Be- grenzung auf Einzelfälle nicht umsetzbar ist. Ein An- stieg der PID-Fälle und eine Ausdehnung der Anwen- dungsbereiche der PID sind hier zu verzeichnen. Neue Diagnosetechniken werden absehbar zu einem breiteren Einsatz der PID führen. Chipgestützte Diagnosen wer- den das Indikationsspektrum bei potenziellen Eltern kontinuierlich erweitern. Der nachvollziehbare Wunsch von Paaren, die unter hohem Leidensdruck stehen, ein gesundes Kind zu be- kommen, kann nicht in eine völlige Freigabe der PID münden. Denn die Wirkungen auf Menschen sind enorm. Wie muss sich ein Mensch mit einer Behinde- rung fühlen, die als Auswahlkriterium geeignet ist, einen Embryo zu verwerfen? Welchem Rechtfertigungsdruck müssen Eltern von behinderten Kindern künftig stand- halten? Eine Gesellschaft, in der der Staat darüber ent- scheidet oder andere darüber entscheiden lässt, welches Leben gelebt werden darf und welches nicht, verliert ihre Menschlichkeit. In der Frage PID gibt es keine Möglichkeit, auszuwei- chen, Kompromisse zu schließen. Es gibt nur ein Ja oder Nein. Ich bin, so schwer das im Einzelfall auch sein mag, für ein klares Nein, damit nicht eine abschüssige Bahn beschritten wird. Johanna Voß (DIE LINKE): Bei der Abstimmung zur Frage der PID heute wird jeder Abgeordnete allein nach seinem Gewissen entscheiden können. Meine grundsätzliche Überzeugung besteht darin, dass jedes Leben, auch das „behinderte“, ein Recht darauf hat, be- schützt zu werden. Bei der PID geht es nicht um das Recht auf Leben. Vor allem geht es auch nicht um die Abwägung verschie- dener Rechtsgüter, wie zum Beispiel den Schutz der Mutter, so wie das bei einem Schwangerschaftsabbruch der Fall wäre. Und selbst beim Schwangerschaftsab- bruch dürfen mit Recht eventuelle Behinderungen des Kindes nicht die entscheidende alleinige Rolle spielen. Da geht es nur um die Abwägung der Rechte der Mutter gegenüber dem Kind. Die Präimplantationsdiagnostik ist die extremste Form der Selektion, da möglichst viele Embryonen erzeugt werden, um wenigstens einige trans- plantierbare auslesen zu können. Der einzige Zweck der PID ist, Leben zu eliminieren, das weniger Wert zu sein scheint. Die PID spiegelt wider, wie Leben heute in der Ge- sellschaft bewertet wird: Den vollen Wert hat da nur der Mensch, der im Vollbesitz aller verwertbaren Kräfte ist. Für Behinderungen ist kein Platz, und dementsprechend miserabel ist auch die Fürsorge und Hilfe für Behinderte und deren Eltern. Insofern geht die PID von der völlig falschen Seite an die Problematik heran. Für Eltern, die sich gegen PID entscheiden und für ein eventuell behin- dertes oder krankes Kind, wird das Leben noch schwerer werden. Zu den ohnehin zu erwartenden Einschränkun- gen wird starker sozialer Druck kommen. Man hätte das Leben dieses Kindes ja schon in der Petrischale beenden können. Die Folge wird sein, dass noch weniger Mittel und Hilfen bereitgestellt werden. Kinder und ihre Eltern werden noch größerer Ausgrenzung ausgesetzt sein. Andere negative Aspekte der PID will ich hier nur kurz erwähnen. Die Beteuerung der Befürworter, PID nur in Ausnahmefällen zulassen zu wollen, ist längst von der Realität überholt worden. In der Praxis werden ganz andere Bedürfnisse als die ursprünglich behaupteten ge- weckt. In Fachzeitschriften wie Human Reproduction ist nachzulesen – Nr. 1, 2002 –, dass PID sehr häufig allein der Geschlechtsbestimmung diente, ohne dass ein erhöh- tes Risiko zur Übertragung einer vererbbaren Krankheit vorlag. Man nennt das „social sexing“. Die Begehrlich- keiten der Industrie zeigen sich jetzt schon in den weiter- entwickelten Verfahren von PID, bei denen untersuchte Zellen mit „entkernten“ Mauseizellen geklont werden. Es fehlt nur noch die Herstellung von Embryonen als menschliches „Ersatzteillager“. Selbst wenn Forscher nur die Gesundheit des Kindes im Auge haben, verges- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 14181 (A) (C) (D)(B) sen sie zu leicht, dass die PID und die Weiterentwick- lung des „therapeutischen Klonens“ den Menschen in- strumentalisiert. Selbst wenn das Ziel ethisch zu rechtfertigen wäre, der Weg ist es auf keinen Fall. Die Diskussion um PID mag trotzdem hilfreich sein: Sie sollte dazu beitragen zu hinterfragen, was wir eigent- lich als lebenswertes Leben ansehen. Wir müssen völlig neu bedenken, welchen Irrweg wir mit dieser Bevorzu- gung des perfekten Menschen beschreiten. Wir müssen mehr Hilfen bereitstellen für die, die Hilfe brauchen. Je- der Mensch, der in die menschliche Gesellschaft hinein- geboren wird, hat Anrecht auf ihren Schutz und auf ihre Solidarität. Die PID scheint mir nur ein weiterer Schritt zu sein auf dem Weg, sich aus der besonderen Verant- wortung für den Menschen, nicht nur für den Behinder- ten, zu verabschieden. Andrea Astrid Voßhoff (CDU/CSU): „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt“ lau- tet im ersten Absatz des ersten Artikels unseres Grund- gesetzes die höchststehende ethische Verpflichtung un- seres Staates. Der Schutz der Würde eines jeden Einzelnen war nach den historischen Erfahrungen für die Mütter und Väter des Grundgesetzes im Parlamentari- schen Rat 1948/49 die allererste und wichtigste, ja wahr- haft existenzielle Aufgabe des jungen Staates Bundesre- publik Deutschland. Die Anerkennung und Achtung der Menschenwürde sollte das normative Fundament, die verbindliche Grundlage der neuen staatlichen Ordnung und unseres gemeinschaftlichen Zusammenlebens sein. Für mich sind diese Überlegungen von damals nicht einfach nur historisch, für mich sind sie auch heute noch substanziell. Sie bilden auch heute noch unsere gemein- same ethische Basis. Und was kennzeichnet vor diesem ethisch-verfassungsrechtlichen Hintergrund denn nun unser menschliches Leben? Das ist vor allem anderen seine individuelle Subjekt- stellung: Der Mensch ist „Zweck an sich selbst“, wie es Kant 1785 in seiner „Grundlegung der Metaphysik der Sitten“ schreibt. Das Dasein des Menschen ist ein „Da- sein an sich selbst“, wie es unser Bundesverfassungsge- richt knapp 210 Jahre später 1993 (BVerfGE 88, 203 [252]) ausgedrückt hat. Beide deuten auf den gleichen Kern: Der Mensch ist als Mensch niemand anderem zum Zweck, sein Leben darf nicht äußeren Zwecken unter- worfen oder Projektionsfläche oder dergleichen werden, weder zur Freude noch aus Sorge. In diesem verfas- sungsrechtlich geschützten Bewusstsein, in dieser ethisch-rechtlichen Sicherheit darf jeder Mensch um sei- ner selbst willen leben, er muss niemand anderem zum Zwecke sein. Sein Existenzrecht braucht er nicht selbst zu begründen, seine Existenz bedarf auch nicht der Rechtfertigung oder Definition durch äußere Zwecke oder durch Dritte. Er darf sich bedingungslos so ange- nommen fühlen, wie er ist. In Karl Jaspers „Der Philosophische Glaube ange- sichts der Offenbarung“ findet diese existenzielle Zweck-Losigkeit einen wunderbaren, freudvollen Aus- druck, wenn er schreibt: Ich komm, ich weiß nicht woher, Ich bin, ich weiß nicht wer, Ich sterb, ich weiß nicht wann, Ich geh, ich weiß nicht wohin, Mich wundert’s, dass ich fröhlich bin. Es ist nicht weniger als diese bisherige existenzielle Sicherheit und die Einzigartigkeit der Würde eines jeden Einzelnen, die mit der Einführung der PID auf dem Spiel steht, abgeschafft, mindestens aber nachhaltig beschä- digt und ausgehöhlt zu werden. Mit der PID soll technisch-systematisch versucht werden, dem Leben eine Sicherheit abzuverlangen, derer wir doch niemals habhaft werden können. Mit der Wucht der medizinisch-technischen Möglichkeiten der Mo- derne soll das Schicksal eingefangen werden, und doch wird das Leben niemals planbar sein. Ob man es will oder nicht, ob man diese Konsequenz ablehnt oder nicht: Mit der PID wird der Mensch ein Stück mehr seiner unverfügbaren Würde beraubt. Er wird zum klinisch-methodisch abgesicherten Resultat, zur Summe von Untersuchungen. Er wird danach in dem Bewusstsein leben müssen, das Produkt einer geneti- schen Abwägung seiner Eltern zu sein, und in dem Be- wusstsein, im Falle eines anderen Befundes verworfen worden zu sein. Sein Lebensrecht beruht dann nicht mehr auf der existenziellen Sicherheit, aus sich selbst heraus leben zu dürfen, sondern auf der schlichten Fest- stellung, von seinen Eltern nicht genetisch selektiert worden zu sein. Er muss in dem Bewusstsein leben, ge- zeugt, aber nur unter Bedingungen angenommen worden zu sein. Meinem Verständnis vom christlichen Men- schenbild entspricht das nicht. Ich bin zur heutigen Entscheidung auch von sehr vie- len Eltern und Familien angeschrieben worden, die mich trotz eines schweren Schicksalsschlages baten, mich für ein klares Verbot der PID einzusetzen. Diese Zuschriften waren oft auch sehr persönlich und bewegend. Ich möchte eine hier einmal ganz besonders herausheben – anonym natürlich: Es ist die bewegende Geschichte von einer jungen Familie, deren Tochter aufgrund eines ge- netischen Herzfehlers nach nur zwei Tagen verstorben ist. Die Familie lehnte dabei bewusst vorgeburtliche Un- tersuchungen an ihrer Tochter ab. Ich möchte Ihnen ein- fach einmal eine Passage aus dem Brief vorlesen, wie ich ihn bekommen habe. Ich zitiere: Unmittelbar nach der Geburt sahen sich die Ärzte veranlasst, aufgrund von äußerlichen Auffälligkei- ten eine chromosomale Untersuchung bei unserer Tochter durchzuführen – mit dem Ergebnis, dass sie nicht mehr lange lebensfähig sei. Auf der Intensiv- station wurde das beiliegende Foto von ihr ge- macht. Am Tag darauf zogen sich die Ärzte zurück und vertrauten mir, der Mutter, unsere Tochter an. Später in der Nacht, von einer Sekunde auf die an- dere, wurde für mich ihr unmittelbarer Tod offen- kundig. Schnell taufte ich sie auf den Namen … Ihr Gesicht strahlte auf, und im gleichen Augenblick schlief sie friedlich ein. Kurz danach ist mir als Mutter bewusst geworden, wie sehr ich durch un- sere Tochter beschenkt wurde. Wir sind unendlich 14182 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 (A) (C) (D)(B) dankbar für diese Erfahrung mit ihr. Sie ist uns ein großes Geschenk geworden und gehört zu unserer Familie, obwohl sie nur 51 Stunden gelebt hat. Das, was viele Philosophen über die Einzigartigkeit menschlichen Lebens gedacht haben, was die Väter und Mütter unseres Grundgesetzes als erste und wichtigste Schutzpflicht unseres Staates aufgeschrieben haben, was Karlsruhe so knapp und treffend formuliert hat, das hat diese Mutter schlicht in ihrem Herzen gefühlt: Das Le- ben eines Menschen ist einzigartig, so wie es ist. Lassen Sie uns nicht die Tür öffnen für einen Weg, der wegen vermeintlicher Segnungen der modernen Me- dizin diese elementarsten Grundlagen unserer Existenz aus den Augen verliert. Ich werbe daher für ein Verbot der PID. Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): Mit der Entscheidung über die Frage, ob die Präimplantations- diagnostik – kurz PID genannt – in Deutschland wieder verboten werden soll, wie dies bis zum Urteil des Bun- desgerichtshofs vom 15. Juli 2011 der Fall war, oder ob sie – wenn auch nur in engen Grenzen – zugelassen wer- den sollte, werden wir vor fundamentale Fragen gestellt, wie die, welches Leben lebenswert ist und wann ein Le- ben Sinn macht. Der Dichter und Nobelpreisträger Hermann Hesse sagte: „Wir verlangen, das Leben müsse einen Sinn haben – aber es hat nur ganz genau so viel Sinn, als wir selber ihm zu geben imstande sind.“ Dies gilt unabhängig davon, ob wir selbst, eines unserer Kin- der oder Bekannte gesund oder krank sind, wir mit einer Behinderung leben oder ohne. Menschen zweifeln am Sinn ihres Lebens, ob sie gesund oder krank sind, ob arm oder reich, ob alt oder jung. Es liegt an uns, dem eigenen Leben Sinn zu geben und Mitmenschen darin zu unter- stützen, den Sinn ihres Lebens zu finden. Wenn die PID zugelassen wird, dann muss stets eine Entscheidung getroffen werden, welche befruchtete Ei- zelle, welcher menschliche Embryo die Chance auf Ein- pflanzung in den Mutterleib erhalten soll und welcher wegen festgestellter Gendefekte eventuell verworfen wird und keine Chance erhält. Wenn mit der PID ein vermeintlich unzumutbares Le- ben von Menschen mit Behinderungen vermieden wer- den soll, dann wird letztlich unterstellt, dass es für be- stimmte Menschen besser gewesen wäre, nicht geboren worden zu sein, dass deren Leben keinen Sinn hätte oder für das Leben anderer Menschen nur eine unzumutbare Last sei. Niemand wird bezweifeln, dass behinderte Kin- der eine Belastung für Eltern bedeuten. Aber sie sind auch Quelle großer Freude, wie ich in Begegnungen mit Menschen mit Behinderungen und deren Eltern erfahren habe. Ihr Leben hat und macht Sinn. Die Befürworter einer beschränkten Zulassung der PID zielen vor allem darauf ab, dass es ein ethisch ver- tretbares und begründbares Ziel sei, Eltern und Paaren mögliche Tot- oder Fehlgeburten oder den frühen Tod des eigenen Kindes zu ersparen. Ohne Zweifel, gar meh- rere Tot- oder Fehlgeburten stellen ein schreckliches und hartes Schicksal dar. Und wer wollte das nicht vermei- den wollen? Ich warne aber davor, mit dem großem Leid von Eltern gegen noch ungeborenes Leben zu argumen- tieren. Wenn menschliches Leben mit der Verschmel- zung von Ei und Samenzelle beginnt, dann kommt auch dem Embryo in der Petrischale die Menschenwürde wie allem menschlichen Leben zu, und er ist schützenswert. Wie nahe übrigens Freude und Leid beieinander lie- gen können, zeigt die Erlebnis eines Elternpaares, dessen Kind aufgrund einer genetisch bedingten Krankheit nur ein Leben von 51 Stunden vergönnt war. Es waren für die Eltern jedoch Stunden, die sie nicht missen mochten. Dieses, wenn auch nur kurze Leben, war für sie wertvoll, sodass sie uns Bundestagsabgeordnete darum baten, die PID strikt zu verbieten. Wer dennoch zur Vermeidung großen Leids die PID zulassen will, der muss sich auch die Frage stellen, ob die PID das leisten kann, was von ihr erwartet wird. Viele Gendefekte können mit den heutigen medizintech- nischen Möglichkeiten und Erkenntnissen an einem Em- bryo im frühen Stadium diagnostiziert werden. Doch was die Technik nicht kann, ist zu sagen, ob die Krank- heit ausbricht, wann und wie schwer sie ausbricht. Nicht alle Embryonen, die einen auffälligen Chromosomensatz vorweisen, werden auch behindert geboren. Haben beide Elternteile die gleiche veränderte Erbanlage, sind aber selbst nicht behindert, liegt die Wahrscheinlichkeit, ein gesundes Kind zu bekommen, bei 75 Prozent. Die Hälfte dieser gesunden Kinder trägt allerdings den elterlichen Chromosomensatzdefekt in sich. Infolge der PID hätten Eltern auch jenen Kindern das Lebensrecht verwehrt, die ebenso gesund oder krank sind wie sie selbst. Durch die PID kann nicht erkannt werden, ob die Behinderung zum Tragen kommt oder nicht. Und selbst wenn alle Tests „grünes Licht“ geben, ist das keine Garantie für ein ge- sundes Kind, da nur 11 bis 12 Prozent der Erkrankungen genetisch verursacht sind und einige genetisch bedingte Erkrankungen, beispielsweise Trisomie 21, sich erst im Laufe der Schwangerschaft herausbilden. Das Max-Planck-Institut untersuchte im international angelegten „1 000-Genome-Projekt“ systematisch mensch- liches Erbgut. Ziel ist es, eine Karte der genetischen Unterschiede zu erstellen, um den Einfluss individueller genetischer Veränderungen auf verschiedene Erkrankun- gen besser einschätzen zu können. Die Wissenschaftler stellten zu ihrer Überraschung fest, dass jeder Mensch zwischen 250 und 300 geneti- sche Abweichungen trägt, die die normale Funktion der betroffenen Gene verhindern. Weiterhin besitzt jeder von uns zwischen 50 und 100 genetische Variationen, die mit verschiedenen Erbkrankheiten assoziiert sind. Das heißt im Klartext, jeder von uns hat im embryo- nalen Stadium Gendefekte aufgewiesen. Mit dem medizinisch-technischen Fortschritt steigen die Möglichkeiten. Je weiter sich die Genforschung ent- wickelt, umso mehr Krankheiten werden aufgrund ver- schiedener Genkonstellationen zu erklären sein. Und da- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 14183 (A) (C) (D)(B) mit steigt die Versuchung, immer weiter auszuholen. Ausgewählt wird, was subjektiv gefällt und ökonomisch lohnend ist. Verworfen und abgestoßen wird, was gerade nicht passend erscheint. Dies zeigt die Erfahrung unserer Nachbarstaaten, die PID einst unter engen Grenzen zu- gelassen haben. Mittlerweile wird auch der Embryo aus- sortiert, dessen prognostizierte Erkrankung erst in späten Lebensjahren zu Symptomen führt, und zur Einpflan- zung in den Mutterleib werden diejenigen Embryos se- lektiert, die passende Transplantationszellen für ein krankes Geschwisterkind bieten. Auch das Geschlechts- kriterium rückt inzwischen auf die Tagesordnung. Gerne erkenne ich an, dass die Befürworter der PID in engen Grenzen diese Entwicklungen genauso wenig wollen wie ich. Aber wenn die Tür für die Nutzung der PID auch nur einen kleinen Spalt geöffnet ist, ist sie of- fen. Und es wird immer schwerer werden, sich tatsäch- lich gegen weitere Öffnungen zu wehren. Sicherheit ge- gen Missbrauch gibt es nur mit dem PID-Verbot. Die Menschheit steht immer in Gefahr, einem Mach- barkeitswahn zu verfallen: größer, besser, schneller, ef- fektiver, ökonomischer. Der Mensch scheint nur dann etwas wert zu sein, wenn er mit dem Zeitgeist der mo- dernen Leistungsgesellschaft Schritthalten kann, ja ihm sogar einen Schritt voraus ist. Doch stellt sich für mich die Frage, ob dies uns wirklich glücklicher macht, ob wir damit nicht ein lebenswertes Leben im Privaten wie im Beruf, ein wirklich sinnerfülltes Leben verfehlen. Wer kann sich anmaßen, über die Lebenswürdigkeit eines anderen Menschen zu entscheiden? Was sind dies für Kriterien? Der Wunsch nach Kindern, ebenso der Wunsch nach gesunden Kindern ist verständlich und ge- rechtfertigt. Wer wünscht sich und seinen Kindern nicht vor allem Gesundheit? Doch einen unbedingten An- spruch auf die Erfüllung dieses Wunsches kann es doch wohl nicht geben. Sonst würden wir Gefahr laufen, dass der menschlich verständliche Wunsch nach Gesundheit sich in ein unmenschliches Gegenteil verkehrt. Und deshalb bin ich überzeugt, dass eine menschli- chere Gesellschaft eher mit der Beibehaltung des strikten PID-Verbots möglich ist. Der Mensch darf nicht über die Lebenswürdigkeit und Sinnhaftigkeit eines anderen Menschen entscheiden. Und als Christ bin ich überzeugt, dass, wenn Menschen sich selbst zum Richter über die Schöpfung Gottes erheben, die Schöpfung nicht be- wahrt, sondern letztlich zerstört wird. „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt“ – GG, Art. 1. Diese Würde kann nicht abgestuft verliehen oder zu- erkannt werden, sie kommt menschlichem Leben von Anfang an zu. Es liegt an uns Menschen, vor allem an uns, die wir als gewählte Vertreter im Parlament die Politik und die Rechtsordnung verantworten, nicht den Menschen zu gestalten, sondern die Gesellschaft und unser Zusam- menleben menschlicher, also humaner zu gestalten. Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Für mich ist die Präimplantationsdiagnostik, PID, nicht mit meinem christlichen Verständnis vom Men- schen und auch nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Ich fordere daher ein ausnahmsloses Verbot der geneti- schen Untersuchung an Embryonen. Der Wunsch von Paaren nach einem gesunden Kind ist verständlich und verdient Respekt. Gerade Eltern, die schon Tod- und Fehlgeburten erleiden mussten oder durch die Sorge um ein erkranktes oder behindertes Kind bis an die Grenzen belastet sind, brauchen Unterstüt- zung, Hilfe und Beratung. Die Präimplantationsdiagnostik ist dafür jedoch nicht der richtige Weg. Die Auswahl von Embryonen nach dem Kriterium der genetischen Belastung verletzt den Grundsatz, nach dem jedes Leben unabhängig von seiner Gesundheit oder Leistungsfähigkeit den gleichen Schutz verdient. Die Einführung einer Technik, die nur darauf abzielt, genetisch belastete Embryonen auszusortieren, konterkariert das Verbot der Diskriminierung von Men- schen mit Behinderungen – Art. 3 Abs. 3 GG. Hinzu kommt, dass das Verfahren der In-vitro-Fertili- sation für die betroffenen Frauen körperlich und emotio- nal sehr belastend und mit Risiken verbunden ist. Zudem kommt es nach dem Verfahren nur circa in jedem fünften Fall überhaupt zur Geburt eines Kindes. Darüber hinaus würde die bisherige Regelung des Embryonenschutzge- setzes, nach der zum Herbeiführen einer Schwanger- schaft nur drei Embryonen hergestellt werden dürfen, auch bei einer begrenzten Zulassung der PID aufgeho- ben, und es würden überzählige Embryonen geschaffen. Nach reiflicher Überlegung komme ich daher zum Schluss, dass diese Gesichtspunkte sowie die unabseh- baren Folgen für die Gesellschaft einer – auch noch so begrenzten – Freigabe der PID entgegenstehen. Ich werde daher den Gesetzentwurf unterstützen, der ein ausnahmsloses Verbot der PID vorsieht – Druck- sache 17/5450. Dr. Matthias Zimmer (CDU/CSU): Meine Gründe für ein Verbot der PID sind, neben den vielen hier vorge- tragenen, im Wesentlichen zwei. Der erste Grund ist, dass wir mit allen Varianten einer eingeschränkten Zulassung der PID aus einem prinzi- piellen Verbot einen graduellen Erlaubnisvorbehalt ma- chen. Das ist ein bedeutender qualitativer Unterschied. Wir unterwerfen eine Frage, die zutiefst an das Huma- num greift, dem Reich der Utilitäten. Ich erkenne die Be- weggründe der beiden anderen Gruppenanträge an. Je- doch: Ist erst einmal die Tür geöffnet, mit dem das Verwerfen von Embryonen gerechtfertigt wird, können neben den vorgebrachten Gründen lebensbedrohender Krankheiten und der Lebensfähigkeit andere Kriterien treten, ohne grundsätzlich nachrangig zu sein. Es gibt keinen systematischen Grund, nicht auch andere Krank- heitsbilder oder sonstige genetische Fehldispositionen zum Verwerfungskriterium zu machen. Aber gerade ge- netische Fehldispositionen können in besonderer Weise 14184 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 (A) (C) (D)(B) gesellschaftlichen Moden oder Zwängen unterworfen sein. Der Abschied von einem prinzipiellen Verbot führt unweigerlich in Erlaubnisspiralen, an deren Ende das Designerbaby steht. Günther Anders hat einmal von der prometheischen Scham des Menschen gesprochen, weil er ein Gewordener, nicht ein Gemachter ist. Diese pro- metheische Scham wäre mit der Möglichkeit, Kinder nach Wunsch zu erschaffen, ebenso überwunden wie die Differenz von Schöpfer und Geschöpf. Dies bedeutet aber das endgültige und nicht mehr reversible Eindrin- gen technischer Rationalität in das Geschenk der Schöp- fung. Demgegenüber gilt – und dies ist der zweite Grund meiner Ablehnung der PID –, dass Christus alle Men- schen gerettet hat. Wir haben deshalb kein Recht, die Schwachen am Betreten der Welt zu hindern. Ich habe den Verdacht, dass dahinter durchaus eine problemati- sche Sichtweise auf die Natur Gottes und seine Schöp- fung steht. Wenn es Gott nicht gebe, sei alles erlaubt, hat Dostojewski einmal gesagt. Aber auch wenn der Begriff Gottes, wie es die nominalistische Theologie getan hat, nicht mehr in der Liebe und der Personalität, sondern im Willen, also dem Absolutismus von Gott als Vater, be- gründet wird, stellen sich unbequeme Folgefragen. Carl Schmitt hat darauf hingewiesen, dass theologische De- batten in die Politik einwandern. Dies ist auch in der Frage erfolgt, ob der Wille Gottes über allem steht oder die Welt und der Ratschluss Gottes der Vernunft zugäng- lich sind, Gott mithin als ein an die Vernunft gebundener Gott wesensmäßig zu erkennen ist. Diese unterschiedli- chen, unvereinbaren Konzeptionen haben direkten Ein- fluss auf die Frage, ob wir Menschen uns als ein Teil der Natur und der natürlichen Ordnung empfinden oder, wie es in der Moderne bisweilen im Anschluss an Descartes oder Nietzsche diskutiert worden ist, ob wir selbst die souveränen Einheiten sind, die auch gegen die Natur und die natürliche Ordnung agieren können. Die Natur da- durch zu beherrschen, dass wir entscheiden, welcher Art von Menschen wir es erlauben, die Welt zu bevölkern, war Ausgangspunkt der eugenischen Bewegung etwa in den USA der 1920er-Jahre. Euthanasie, Geburtenkon- trolle und eine radikale Form des Darwinismus wirkten hier zusammen mit dem Ziel, eine Form des genetischen Social Engineering zu betreiben. Diese Konzeption der unbegrenzten Souveränität des Menschen in der Ge- schichte führt letztlich in den moralischen Nihilismus; gerade in Deutschland sind wir dafür in besonderer Weise sensibel. Der Mensch ist nicht souverän, sondern Teil einer na- türlichen (und historischen) Ordnung. Als Person ist er dialogisch angelegt und mit Würde ausgestattet, die es ihm gebietet, andere Menschen als Zwecke in sich selbst anzuerkennen. Die Rechtspflicht, das ungeborene menschliche Leben zu schützen, hat Vorrang gegenüber der Möglichkeit des bloß technisch Machbaren. Deshalb plädiere ich für ein Verbot der PID: Sie geht von einem problematischen Menschenbild aus, von einer beinahe göttlichen Anmaßung, die für mich weder theologisch noch philosophisch auf der Höhe der Zeit zu sein scheint. Anlage 6 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Kai Wegner (CDU/CSU) zur Abstimmung über den Entwurf eines … Geset- zes zur Änderung des Strafgesetzbuchs – Wi- derstand gegen Vollstreckungsbeamte (Tages- ordnungspunkt 10) Ich stimme dem von der Bundesregierung eingebrach- ten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des StGB – Wi- derstand gegen Vollstreckungsbeamte, Drucksache 17/4143 – zu. Insbesondere in Großstädten ist die Ge- waltspirale gegenüber Polizeibeamtinnen und Polizeibe- amten völlig aus dem Ruder gelaufen. Gewalt gegen un- sere Polizeibeamten darf nicht bagatellisiert werden. Wer Polizisten angreift, greift die Gesellschaft an. Mit den neuen Regelungen werden wir unsere Polizeibeamten in Zukunft besser schützen können. Täglich werden zum Beispiel in Berlin neun Polizisten tätlich angegriffen, je- der dritte verletzt. Mit dem Gesetz schaffen wir straf- rechtliche Regelungen, um den Übergriffen auf Polizei- beamte, Feuerwehrleute und Rettungskräfte besser entgegenzutreten. Ich bedaure allerdings, dass bei dem zu schützenden Personenkreis nicht auch die Bediensteten des öffentli- chen Personenverkehrs, die Ordnungsamtsmitarbeiter sowie die Justizvollzugsbeamten mit aufgenommen wur- den. Denn Bedienstete des öffentlichen Personenver- kehrs nehmen öffentliche Aufgaben wahr und sind ge- rade in großen Städten wie Berlin häufig massiver Gewalt ausgesetzt. Dieser Personenkreis bedarf eines besonderen Schutzes. Anlage 7 Erklärungen nach § 31 GO zur namentlichen Abstimmung über den Ent- wurf eines Gesetzes zur Demonstration und Anwendung von Technologien zur Abschei- dung, zum Transport und zur dauerhaften Spei- cherung von Kohlendioxid (Tagesordnungs- punkt 16 a) Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU):Am heutigen Donnerstag, den 7. Juli 2011, beschließt der Deutsche Bundestag das CCS-Gesetz zur Demonstration und Anwendung von Technologien zur Abscheidung, zum Transport und zur dauerhaften Speicherung von Kohlendioxid. Zum einen kommen wir damit europäi- schen Verpflichtungen nach, zum anderen ziehen wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf einen Schlussstrich un- ter eine jahrelange Debatte über Chancen und Risiken der unterirdischen CO2-Speicherung. Das zu beschließende Gesetz ist ein Bürgererfolg, ein Vorteil für den Föderalismus und damit auch eine Stär- kung der Eigenständigkeit Schleswig-Holsteins. Es ent- hält eine wirksame Länderklausel. Was ich zu Beginn der Debatte in zahlreichen Bürgertreffen zugesagt habe, mich für eine solche Einspruchslösung einzusetzen, wird Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 14185 (A) (C) (D)(B) jetzt Wirklichkeit. Endlich! Die Klausel überlässt es den Bundesländern selbst, auf ihren Gebieten die CCS-Tech- nologie anzuwenden oder per Landesgesetz auszuschlie- ßen. Mit der mühsam erkämpften Regelung tragen wir den Bedenken und Ängsten der Bürgerinnen und Bürger in Schleswig-Holstein gegenüber der CCS-Technologie Rechnung. Wir haben Wort gehalten: CCS hat bei uns keine Chance. Die CO2-Speicherung bekommt nur dort eine Chance, wo sie auf die Akzeptanz der Bevölkerung trifft. Der fast drei Jahre dauernde, langwierige Prozess war unter anderem auch durch unterschiedliche Bewertung in meiner eigenen Fraktion geprägt. Die „Kohleländer“ hatten aus ihren Interessen eingeschlossen die Gewerk- schaften unterschiedliche Auffassungen. Und von so manchen Engagierten, die sich eine schnelle Lösung wünschten, musste viel Geduld und Verständnis abver- langt werden. Dafür bitte ich um Verständnis. Wegen anhaltender Unterstellungen gebietet es die Redlichkeit, darauf hinzuweisen, dass es der frühere so- zialdemokratische Bundesumweltminister und jetzige SPD-Parteivorsitzende Sigmar Gabriel war, der im Jahr 2009 das CCS-Gesetz in der großen Koalition ohne Ve- torecht der Länder durchboxen wollte. Zu Recht ist die- ses Vorhaben, auch aufgrund des beherzten Einsatzes der Nord-CDU, gescheitert. In der entscheidenden Frak- tionssitzung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion vor der Sommerpause 2009 gelang es, den Regierungsentwurf zu Fall zu bringen. Daran haben viele einen anerken- nenswerten Anteil, ganz besonders der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Peter Harry Carstensen, der sei- nen ablehnenden Standpunkt konsequent durchgehalten hat, die vielen konstruktiv protestierenden Bürger im Norden Schleswig-Holsteins und darüber hinaus, der Wirtschaftsminister des Landes, Jost de Jager, die CDU- Landtagsfraktion, mein sachkundiger Kollege Ingbert Liebing, der in den Fachausschüssen des Bundestages das Verfahren aktiv und leidenschaftlich begleitet hat, die Vertreter der Kreistage, der Kommunalparlamente vor Ort, die Landräte, der Bürgermeister der Gemeinde Wallsbüll, Werner Asmus, der zum Schleswig-Holstei- ner des Jahres durch den sh:z ausgezeichnet wurde, eine verantwortungsbewusste Presse, aber auch so manche Mitstreiter aus dem benachbarten Dänemark. Wir wollen eine Politik für den Menschen machen und nicht gegen den Menschen, aber im Rahmen einer repräsentativen Demokratie. Das ist und bleibt unsere Maxime. Die SPD-Fraktion lehnt nach wie vor das ver- ankerte Vetorecht der Länder ab. Verantwortungsvolle Opposition sieht anders aus. Grundsätzlich stehen wir als Union neuen Technolo- gien offen gegenüber. Vor technischen Fortschritten dür- fen wir als führendes Industrieland nicht die Augen ver- schließen. Umgekehrt dürfen wir keinem unkritischen Forschungswahn mit Scheuklappen erliegen. Auch und gerade im Bereich der Forschungs- und Umweltpolitik gilt es, mit Augenmaß und Weitsicht zu handeln. Meiner Ansicht nach ist uns dies mit dem vorliegenden CCS- Gesetz gelungen. Es ist in diesem Zusammenhang wichtig, zu betonen, dass das zu verabschiedende Gesetz lediglich Erpro- bungs- und Demonstrationsvorhaben zulässt. Zudem ist es zeitlich befristet und enthält eine eindeutige Begren- zung der CO2-Speichermenge. Die wirtschaftliche Entwicklung vieler Schwellenlän- der und der Drang nach Wachstum klassischer Kohlelän- der wie China, Indien und Südafrika erfordern neue Ant- worten, um den Klimaschutz weltweit zu etablieren und den Herausforderungen des Klimawandels effektiv zu begegnen. Es sollte daher nicht unerwähnt bleiben, dass sich Umweltverbände wie der WWF ausdrücklich für die Erforschung und Erprobung der CCS-Technologie aussprechen. Vor diesem Hintergrund haben wir mit dem verankerten Vetorecht der Länder meines Erachtens ei- nen tragfähigen Kompromiss gefunden, der die wider- streitenden Interessen berücksichtigt. An diesem Ergeb- nis hat ein Bundesminister einen besonderen Anteil: der Minister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher- heit, Dr. Norbert Röttgen. Demokratisches Handeln wird fragwürdig, wenn es nur aus Ablehnung und Neinsagen bestehen würde. Des- halb appelliere ich an die fast 100 000 Bürgerinnen und Bürger, die sich in den fast drei Jahren mit ihren Unter- schriften gegen CCS ausgesprochen haben, jetzt mit der gleichen Leidenschaft und Vernunft dazu beizutragen, dass die Wege für die neue Energiepolitik frei gemacht werden, die alternativen Energien in Schleswig-Holstein eine Chance erhalten und dass jeder sich auch persönlich an einer aktiven Klimapolitik beteiligt. Jens Koeppen (CDU/CSU): Wir haben heute die deutsche Umsetzung der europäischen CCS-Richtlinie verabschiedet. Als Berichterstatter meiner Fraktion für dieses Gesetzesvorhaben musste ich lange abwägen, ob ich dem Ergebnis der jahrelangen Diskussion meine Zu- stimmung geben kann. Ich habe mich für die Zustimmung entschieden, weil ich will, dass ein positives Signal für diese Klimaschutz- technologie vom Bundestag ausgeht. Dennoch – das muss deutlich hervorgehoben werden – wäre ein besse- rer Rechtsrahmen vorstellbar. Die Regulierung für die Technologiedemonstration zeigt, dass wir zwar bereitwillig hohe Klimaschutzziele formulieren, aber sehr zurückhaltend bei der Unterset- zung mit Maßnahmen sind. Der Klimaschutz ist für un- sere Gesellschaft immens wichtig. Alle Fraktionen zitie- ren in diesem Zusammenhang aus den Berichten des IPCC. Ich hätte mir gewünscht, dass der IPCC nicht nur selektiv ernst genommen wird, sondern auch auf den im- mensen wissenschaftlichen Sachverstand bei der Bewer- tung der CCS-Technologie zurückgegriffen worden wäre. Der Klimarat schätzt die Technologie ausdrücklich als risikoarm ein. Die Einschätzung, dass CCS eine risi- koarme Technologie ist, wurde auch in der Expertenan- hörung des Umweltausschusses vertreten. Das jetzt verabschiedete Gesetz könnte aus meiner Sicht deutlich bessere Investitionsanreize für die neue Klimaschutztechnologie geben. Andere Regelungen, 14186 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 (A) (C) (D)(B) beispielsweise zum Explorationszeitraum, bei der Fest- legung der Antragsfrist für Speicheranträge, bei der Be- schreibung des Rechtsweges und der Instanzenzuord- nung oder der Formulierung der Wertschöpfungsabgabe hätte Investitionen erleichtert ohne einen Rabatt bei Si- cherheit oder Bürgerbeteiligung. Bei dem jetzt verabschiedeten Gesetz sind die tat- sächlichen Verfahrensabläufe unnötig schwierig mit den gesetzten Fristen in Einklang zu bringen. Dass die Wert- schöpfungsabgabe in eine Länderabgabe umgewidmet wurde, wird dem eigentlichen Anliegen, die Speicherre- gionen an dem Erfolg der Technologie zu beteiligen, nicht gerecht. Ich hoffe nicht, dass sich Befürchtungen bewahrheiten, dass diese Einschränkungen ohne erkenn- baren Nutzen die Technologieentwicklung in Deutsch- land merklich behindern. Froh bin ich – das haben die Expertise des Wissen- schaftlichen Dienstes des Bundestages und auch die Aussagen der Rechtsexperten bei der Anhörung des Um- weltausschusses gezeigt, dass die Länderklausel keinem Vetorecht der Länder entspricht. Die Länderklausel ist eine Dopplung der Raumordnung, nicht mehr und nicht weniger. Mit dieser Klausel können Länder nicht – das gehört zur gesamtdeutschen Solidarität – ihr Landesge- biet von der Anwendung dieser wichtigen Klimaschutz- technologie ausschließen. In der Gesetzesbegründung ist das auch hervorgehoben. Wenn die Demonstrations- phase in Deutschland oder dem europäischen Ausland ein Erfolg wird, wird die Technologie im gesamten Bun- desgebiet zum Klimaschutz beitragen. Ingbert Liebing (CDU/CSU): Dem Gesetzentwurf zur Demonstration und Anwendung von Technologien zur Abscheidung, zum Transport und zur dauerhaften Speicherung von Kohlendioxid, CCS-Gesetz, stimme ich zu, aber nur unter Zurückstellung weitgehender Be- denken. In der Diskussion der vergangenen Monate stand die sogenannte Länderklausel im Mittelpunkt. Mit ihr wird den Bundesländern die Kompetenz eingeräumt, durch Landesgesetz selbst festzulegen, ob und gegebenenfalls wo CO2 unterirdisch gespeichert werden darf. Diese Länderklausel sichert in meinem Bundesland Schleswig- Holstein, dass nach den Erfahrungen mit einem ersten Projekt in Nordfriesland/Schleswig-Flensburg die Lan- desregierung und der Landtag die Möglichkeit erhalten, die parteiübergreifende Ablehnung von CO2-Speicher- projekten auch rechtlich abzusichern und landesweit auszuschließen. Dies bedurfte vieler Anstrengungen und großer Überzeugungsarbeit. Ich begrüße ausdrücklich die Formulierungen im Gesetzentwurf, auf die sich die Landesregierung Schleswig-Holstein und die Bundesre- gierung verständigt haben. Um diese Länderklausel ge- setzlich abzusichern, stimme ich dem Gesetzentwurf zu. Damit treten weitergehende Kritikpunkte, die im Ge- setzentwurf nicht ausgeräumt sind, in den Hintergrund. Dies betrifft zum Beispiel die aus meiner Sicht zu weit ge- henden Einschränkungen der Eigentumsrechte. In Anbetracht der Länderklausel obliegt es jedoch den Bun- desländern selbst, darüber zu entscheiden, ob die Bedin- gungen dieses Gesetzes angemessen sind, um ein CO2- Speicherprojekt zu realisieren. Wäre ich der auch an mich herangetragenen Forderung gefolgt, im Bundestag dafür zu stimmen, CCS in Deutsch- land grundsätzlich zu verbieten, hätte ich die Länderklau- sel nicht durchsetzen können. Mir war es aber wichtiger, einen konkreten Erfolg zu erzielen, als mit einer kleinen Minderheit der Linken unterzugehen – abgesehen davon, dass die Position der Linken wenig glaubwürdig ist, wenn gleichzeitig der brandenburgische Wirtschaftsminister der Linken das einzige CCS-Projekt in Deutschland durchset- zen will. Hans-Georg von der Marwitz (CDU/CSU): Zum vorliegenden Entwurf eines Gesetzes zur Demonstration und Anwendung von Technologien zur Abscheidung, zum Transport und zur dauerhaften Speicherung von Kohlendioxid, Kohlendioxid-Speicherungsgesetz – KSpG, Drucksache 17/5750, nehme ich wie folgt Stellung: Es ist unverantwortlich, Carbon Capture and Storage, CCS, im industriellem Maßstab einzuführen. Die CCS-Richtlinie der Europäischen Union, 2009/31/EG, enthält keine Ver- pflichtung zur Anwendung des fragwürdigen Verfahrens. Vielmehr räumt die EU ihren Mitgliedern ein, CCS für das eigene Hoheitsgebiet auszuschließen. Mit dem KSpG wird die großflächige CO2-Ablagerung von bis zu 8 Millionen Tonnen jährlich, § 2 Abs. 2, in Tie- fengesteinsschichten ermöglicht. Diese Menge entspricht einem Vielfachen dessen, was in bisherigen Forschungs- projekten erprobt wurde. Ein Großteil der Probleme der CO2-Verpressung ist längst nicht geklärt. Wohin wird das Tiefensalzwasser verdrängt? Können geologische Stö- rungen – Verwerfungen, alte Bohrlöcher – in den Verpres- sungsgebieten mit endgültiger Sicherheit ausgeschlossen werden? Welchen Einfluss hat der enorme Druck auf die Gesteinsschichten und können sich daraus seismische Aktivitäten oder zusätzliche Leckagen ergeben? Prozessbedingt werden die CO2-Ströme etwa 5 Pro- zent Schadstoffe enthalten, vergleiche § 24 Abs. 1. Diese Verbindungen, Schwefel- und Stickoxide, Staub, aber auch Lösungsmittelreste, summieren sich bei 3 Millionen Tonnen pro Verpressungsstandort auf 150 000 Tonnen nicht spezifizierte Giftstoffe jährlich. Es lässt sich kaum vorhersagen, wie sich diese Gemische auf Leitungen, Ab- dichtungen und poröse Gesteinsschichten, auf das Öko- system Boden, unterhalb landwirtschaftlicher Flächen und unter dem Grundwasser, auswirken. CCS leistet keinen Beitrag zum Klimaschutz. Die CCS-Projekte in Deutschland dienen der Umgehung des CO2-Emissionshandels bei der Braunkohleverstromung. Dadurch soll diese antiquierte Form der Energiegewin- nung – träge, ineffizient und umweltbelastend – ins 21. Jahrhundert verlängert werden. Mit Einführung von CCS wird der Wirkungsgrad der Kohlekraftwerke um 10 Prozent sinken. Zusätzlicher Energiebedarf für Ab- scheidung, Transport, Verdichtung und Verpressung wür- den den Ressourcenverbrauch um mindestens 30 Prozent steigern. Gleichzeitig muss garantiert sein, dass die CO2-Endlager für 1 000 Jahre dichthalten. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 14187 (A) (C) (D)(B) Dazu kommt, dass die Lagerformationen im Unter- grund äußerst begrenzt sind. Daraus ergeben sich zwangs- läufig Nutzungskonkurrenzen, etwa mit Erdwärme oder Druckluftspeichern. CCS bindet Forschungsgelder und behindert den Weg in das Zeitalter der erneuerbaren Ener- gien. CCS ist keine Brücke, sondern eine Sackgasse. CCS dient nicht dem Allgemeinwohl, wie in § 4 Abs. 5 voraus- gesetzt wird, sondern den wirtschaftlichen Interessen von einigen wenigen Energiekonzernen. Außerdem ist es un- verständlich, dass die Ewigkeitskosten für die Sicherung der Lager laut § 31 Abs. 1 nach nur 30 Jahren von der All- gemeinheit übernommen werden sollen. Art. 20 a des Grundgesetzes fordert uns auf, die natür- lichen Lebensgrundlagen auch für nachfolgende Genera- tionen zu schützen. Nach meinem Verständnis verletzt die Einführung der CCS-Technologie diesen Grundsatz, und deshalb werde ich gegen das Kohlendioxid-Speiche- rungsgesetz stimmen. Horst Meierhofer (FDP): Ich lehne den vorliegen- den CCS-Gesetzentwurf ab, weil ich CCS unterstütze. Ich will die Erforschung der CCS-Technologie: Es geht mir um Klimaschutz, Versorgungssicherheit und die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft. Nachdem nicht zuletzt die FDP-Fraktion und ich die Sicherheits- standards noch einmal nach oben geschraubt haben, bestehen aus Sicht von Mensch und Umwelt keine nen- nenswerten Risiken, die einer Erforschung entgegenste- hen. Leider wird CCS durch dieses Gesetz verhindert werden. Mit der Länderklausel wird ein Präzedenzfall geschaffen, dessen negative Folgen für unser föderales System verheerend sein können. Wir entziehen uns der gesamtgesellschaftlichen Verantwortung als Bundesge- setzgeber. Die Sicherheitsstandards, die wir nach unseren Ände- rungsanträgen für das CCS-Gesetz erreicht haben, sind die höchstmöglichen. Der Grundwasser- und damit Trinkwasserschutz ist durch die von uns geforderte geo- logische Barriere nun gewährleistet. Verdrängtes Salz- wasser kann damit nicht mehr in die über dem Speicher- ort liegenden Grundwasserstöcke dringen. Durch die Einschaltung eines unabhängigen Dritten sind die Si- cherheitsstandards für Kohlendioxidleitungen deutlich gesteigert. Die angedrohten Bußgelder für Ordnungs- widrigkeiten sind auf unser Drängen verdoppelt worden. Mit einem ergänzenden Antrag – Umfassende Datenbasis für Nutzungsmöglichkeiten des Untergrunds schaffen – bringen wir die unterirdische Raumordnung entschei- dend voran. Auch dies ist wichtig, um die Akzeptanz zu steigern. Aber all diese positiven Effekte schaffen es nicht, das zentrale Manko dieses Gesetzes aufzuwiegen. Mit der Länderklausel erhalten die Bundesländer mutmaßlich ein Optionsrecht, das ohne Gründe eine völlige Blo- ckade ganzer Bundesländer ermöglicht. Das Bundes- land, das sich bereit erklärt, an der Erforschung einer Technologie mitzuwirken, wird unter Druck gesetzt. Wie soll eine Landesregierung den eigenen Bürgern vermit- teln, sie könne die Technologie verantwortungsvoll nut- zen, wenn der Bundesgesetzgeber sich vor einem eige- nen Bekenntnis scheut? Wie soll eine Landesregierung den eigenen Bürgern vermitteln, sie könne CCS verant- wortungsvoll erforschen, wenn in anderen Bundeslän- dern die Technologie ohne Angabe von Gründen als Teufelszeug verdammt werden kann? Neben dieser verheerenden Wirkung, die das vorlie- gende Gesetz zum Verhinderungsgesetz macht, gehen von der Länderklausel weitere negative Signale aus. Un- ser föderales System wird infrage gestellt. Der Bundes- tag entzieht sich als Bundesgesetzgeber seiner gesamtge- sellschaftlichen Verantwortung, eine Entscheidung zu treffen, die in seinem Aufgabengebiet liegt. Dies steht nicht im Einklang mit unserer bundesstaatlichen Verfas- sung, nach der nationale Fragen auch nationale Lösun- gen erfordern. Des Weiteren stellt sich für die einzelnen Bundeslän- der jeweils die Frage des eigenen Vorteils: Warum sollte Thüringen ein Interesse daran haben, möglichst viele Hochspannungsleitungen zuzulassen, damit Bayern und Baden-Württemberg mit Strom versorgt werden? Warum sollte Baden-Württemberg eine ergebnisoffene Endla- gersuche zulassen, wenn mit Gorleben bereits ein mögli- ches Endlager bereitsteht? Wir stellen unser Grundsys- tem damit infrage. Es gibt schwierige Entscheidungen, die Anstrengungen und Belastungen für den Einzelnen auferlegen, aber gesamtgesellschaftlich trotzdem erfor- derlich sind. Es ist nicht zu akzeptieren, dass derjenige, der laut genug schreit, sich dieser Verantwortung ent- zieht. Ich bin der Meinung, wir müssen CCS eine Chance geben. Wir sind als Abgeordnete in der Pflicht, im Inte- resse der gesamten Gesellschaft zu handeln. Wenn wir, und das ist meine persönliche Überzeu- gung, aus Klimaschutzgründen, aus Gründen der Versor- gungssicherheit und aus Gründen der Innovationsfreund- lichkeit eine Technologie erproben wollen, dann müssen wir den Rahmen dafür schaffen. Wenn wir das nicht wol- len, müssen wir die Technologie verbieten und nicht ein faktisches Verbot über eine Länderklausel mit weiteren unabsehbaren Folgen festschreiben. Die Länderklausel ist ein politischer Fehler, den ich nicht mittragen kann. Wer erforschen will, soll forschen. Wer verhindern will, soll verbieten. Der vorliegende Gesetzentwurf gibt etwas vor, was er vermutlich nicht einhalten kann. Dr. Martin Neumann (Lausitz) (FDP): Deutschland hat sich mit dem Ausstieg aus der Kernenergie einer an- spruchsvollen Aufgabe gestellt. Das Erreichen der Kli- maschutzziele und einer sicheren, effizienten und um- weltverträglichen Energieversorgung setzt künftig umso mehr voraus, alle verfügbaren Energieträger einer beson- deren Eignungsprüfung zu unterziehen. Der Verringerung des Ausstoßes von CO2 kommt da- bei eine besondere Bedeutung zu. CO2 aus der Stromge- winnung, aus der Chemie- und Stahlproduktion zu redu- zieren und gleichzeitig CO2 als Rohstoff in einem perspektivisch bedeutsamen Kohlenstoffkreislauf zu ent- wickeln, sind dabei Schlüsselaufgaben für die Forschung in Deutschland. Viele Fragen sind ungeklärt und können 14188 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 (A) (C) (D)(B) nur im Rahmen ausreichender Forschung beantwortet werden. Nur so können die vielen Fragen, Vermutungen und teilweise als Horrorszenarien ausgemalten womögli- chen Folgen seitens der sich jetzt schon erklärten Gegner dieser neuen Technologie beantwortet werden. Deshalb brauchen wir ein nutzbares Forschungsgesetz, das der Forschung ausreichend Freiraum bietet und nicht der Politik ein zusätzliches Mittel zur Einschränkung von Forschung eröffnet. Die wirtschaftliche und technische Machbarkeit, aber auch und vor allem die Sicherheit für Mensch und Natur, können nur im großtechnischem Maßstab überprüft werden. Ich bin für diese Forschung, um mich nach Abschluss der wissenschaftlichen Untersuchungen und Vorliegen von wissenschaftlicher Bewertung der Forschungsergeb- nisse für oder gegen diese Technologie zu entscheiden. Eine Technologie die dann auch die Chance hat, interna- tional – China und Indien unter anderem – zum Einsatz zu kommen. Diesem hohen Anspruch genügt der vorlie- gende Gesetzentwurf in einer aus Sicht der Forschungs- politik wesentlichen Position nicht. Forschung ist unteil- bar, sie kann und darf nicht durch Ländergrenzen innerhalb unserer Bundesrepublik be- oder gar verhin- dert werden. Deshalb ist es völlig falsch, einzelne Län- der in sogenannten Länderklauseln auszuschließen bzw. ihnen zu eröffnen, die Forschung einzuschränken. Das hat mit Forschungspolitik und der Förderung der Wis- senschaft nichts zu tun. Es ist aber auch politisch falsch, weil damit der gemeinsame föderale Gedanke dieser Re- publik Schaden nimmt. Ich stimme diesem Gesetzentwurf trotzdem zu, weil damit zumindest theoretisch die Option auf angemessene Forschung besteht und wir ein Land bleiben müssen, in dem Wissenschaft, Forschung und Technologie auch in Zukunft eine Chance haben. Ich vertraue dem Verantwor- tungsbewusstsein der Landespolitiker, dass diese die Aus- stiegsklausel nicht als eine Forschungsverhinderungs- klausel missbrauchen. Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts: Die Friedens- und Konfliktforschung stärken – Deutsche Stiftung Friedensforschung finanziell ausbauen (Tagesordnungspunkt 15) Anette Hübinger (CDU/CSU): Ein Kompliment an die SPD-Fraktion: Der Antragstitel „Die Friedens- und Konfliktforschung stärken – Deutsche Stiftung Friedens- forschung finanziell ausbauen“ ist gut gewählt. Der Titel weckt auf den ersten Blick uneingeschränkte Zustim- mung, denn wer würde sich so einem Anliegen auch ver- schließen wollen. Ich habe den Antrag mit großem Interesse gelesen. Leider musste ich aber bei genauerem Hinsehen feststel- len, dass der Antrag einen sehr zwiespältigen Eindruck hinterlässt. Zum Positiven: Es steht außer Frage, dass die DSF im Bereich der Friedens- und Konfliktforschung gute Arbeit leistet. Deshalb können wir zehn Jahre nach ihrer Gründung ein positives Fazit über die bisherigen Förderaktivitäten ziehen. In diesem Zeitraum stellte die DSF fast 13 Millionen Euro an Fördermitteln für die Friedens- und Konfliktforschung zur Verfügung. Die Rückmeldungen aus der Fach-Community sind positiv und die Förderstandards der Stiftung haben breite Aner- kennung gefunden. Klar ist aber auch: Friedens- und Konfliktforschung in Deutschland ist mehr als nur die Deutsche Stiftung Friedensforschung. In diesem Forschungsbereich treffen wir in Deutschland auf verschiedene Akteure, die mit ih- rer Expertise den wissenschaftlichen und natürlich auch politischen Diskurs bereichern. Gerade die aktuellen Umwälzungen im Nahen Osten und Nordafrika führen uns vor Augen, wie wichtig Erkenntnisfortschritt in die- sem Bereich ist. Es ist deshalb durchaus berechtigt, wenn Sie im Antrag fordern, dass die Friedens- und Konfliktforschung noch stärker im deutschen und euro- päischen Sicherheitsforschungsprogramm verankert werden muss und die Ergebnisse aus der Friedens- und Konfliktforschung noch stärker in die politischen Ent- scheidungsabläufe einfließen sollen. In diesen beiden Punkten bin ich nah bei Ihnen, soweit diese Forderungen alle im Bereich der Konflikt- und Friedensforschung tä- tigen Akteure unserer Wissenschaftslandschaft ein- schließen. Wie schon gesagt: Friedens- und Konfliktfor- schung darf in Deutschland nicht nur auf die Aktivitäten der DSF beschränkt werden. Außer Frage steht auch, dass dieser Forschungszweig schon jetzt stark im natio- nalen und europäischen Sicherheitsforschungspro- gramm, im 7. Forschungsrahmenprogramm und bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft verankert ist. Die Bundesregierung ist sich ihrer Verantwortung in dieser Thematik wohl bewusst. Betont werden muss aber in diesem Zusammenhang auch, dass das Bundesministe- rium für Bildung und Forschung weitere Förderangebote anbietet, die unmittelbar die Konflikt- und Friedensfor- schung ansprechen. Als Beispiel ist die Förderung der Regionalstudien im Rahmen der Förderinitiative Frei- raum zu nennen. Schwierigkeiten habe ich jedoch mit den ersten drei Forderungen ihres Antrages. Diese Punkte folgen näm- lich einem wohlbekannten Reflex des politischen Ge- schehens. Kurz gesagt: Dem Ruf nach mehr und noch mehr Geld. Nun könnte man meinen, dass so ein wichti- ges Anliegen auch mehr Geld verdient. Doch bevor man ein solches Urteil fällt, lohnt sich ein Blick auf die ver- gangenen Jahre. Dann wird schnell deutlich, dass zusätz- liche Finanzmittel nicht der Weisheit letzter Schluss sind. Vor zehn Jahren wurde die Deutsche Stiftung Frie- densforschung vom Bund mit einem Stiftungsvermögen in Höhe von 50 Millionen DM gegründet. Aus den daraus erwirtschafteten Erträgen finanziert die DSF ihre Förder- aktivitäten. Wegen Personal- und Sachleistungskosten sowie niedriger Zinserträge auf dem Kapitelmarkt, wurde das Stiftungskapital in den vergangenen Jahren immer wieder aufgestockt. Zuletzt erhöhte die Große Koalition das Stiftungsvermögen 2007 um 1,5 Millionen Euro. Ich Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 14189 (A) (C) (D)(B) bin der Meinung, diese Endlosschleife kann nicht unser Ziel für die Zukunft sein. Wir müssen jetzt also die Frage beantworten, ob der Bund – wie im vorliegenden Antrag gefordert – wieder mit einer großen Finanzspritze einspringen soll oder ob wir nach anderen Lösungen suchen sollen. Ich finde, wir haben die Verpflichtung, nach Alternativen zu suchen, zumal die geforderte Erhöhung des Stiftungskapitals um 5 Millionen Euro ein nicht gerade kleiner Betrag ist. Wir haben auch die Zeit, nach Alternativen zu suchen, da keine existenzbedrohende finanzielle Notlage bei der DSF vorliegt. Nach meinem Kenntnisstand sind uns die Stiftung bzw. der Stiftungsrat in dieser Frage schon einen Schritt voraus. Ziel aller Bemühungen muss eine ausbalancierte Förderstruktur sein. Von der DSF wird aktuell geprüft, wie das Förderrepertoire künftig neu geordnet werden kann. Dies ist in meinen Augen genau der richtige Weg. Ein positiver Nebeneffekt: Eine solche Neuaufstellung kostet nichts. Vorstellbar ist beispielsweise die Konzen- tration auf die Förderung kleinerer Vorhaben, die es bei anderen Förderern schwer haben. Auch im Bereich der Friedens- und Konfliktforschung gibt es verschiedene Förderformate, die für unterschiedliche Akteure infrage kommen. Eine stärkere Fokussierung macht also durch- aus Sinn. Danach können wir gern über geeignete För- derinstrumente und deren Finanzierung debattieren. Gerade das zurückliegende 10-jährige Jubiläum bietet für die Stiftung die Chance, sich einer konstruktiven Ausgabenkritik zu stellen. Ich bin mir sicher, inhaltliche Schwerpunktsetzungen werden auch die Finanzierungs- seite positiv beeinflussen. Ein weiterer Ansatzpunkt wird in ihrem Antrag leider auch nicht erwähnt, nämlich die Einnahmeseite der Stif- tung. Sie kann auch durch Drittmittel gestärkt werden. Diese Möglichkeit ist ausdrücklich in der Satzung als Fi- nanzierungsquelle vorgesehen. Hier liegt sicherlich noch eine Menge Potenzial. Die Deutsche Stiftung Friedens- forschung ist mit dem derzeitigen Stiftungsvermögen gut aufgestellt, wenn auch nicht auf Rosen gebettet. Sie kann ihre Satzungsziele mit den aktuell zur Verfügung stehen- den Finanzmitteln weiter umsetzen. Mit einem geschärften Profil kann sich die Stiftung fit für die Zukunft machen. Alle darauf ausgerichteten An- strengungen werden wir als CDU/CSU-Fraktion vorbe- haltlos unterstützen. Eine Aufstockung des Stiftungska- pitels halten wir unter den aktuellen Umständen für nicht erforderlich und lehnen daher den Antrag der SPD-Frak- tion ab. Florian Hahn (CDU/CSU): Die Welt ist nach dem Ende des Kalten Krieges nicht einfacher, sondern kom- plexer geworden. Das bipolare System hat sich zu einem multipolaren entwickelt. Unser Land ist heute von Freunden umgeben, unser Stabilitätsrahmen reicht von Finnland bis Malta und von Portugal bis ans Schwarze Meer. Dennoch sind die Gefahren für uns und unsere Bündnispartner heute nicht nur vielfältiger, sondern auch vielschichtiger geworden. Die neuen Formen von krie- gerischen Konflikten haben zu einer Akzentverschie- bung in der internationalen Politik geführt. Die aktuellen politischen und staatlichen Bündnisse sind nunmehr auf- gefordert, ihre Arbeit entsprechend anzupassen, sei es in Richtung zivile Konfliktbearbeitung, Krisenprävention oder auch Intervention. Bei all diesen Entwicklungen ist die Arbeit der Deutsche Stiftung Friedensforschung (DSF) stets von großer Hilfe. Während früher Rüstung und Abrüstung, Entspannung und Rüstungskontrolle im Mittelpunkt der Arbeit der Friedensforschung standen, ist die Forschungsthematik heute breiter gefächert und sehr viel komplexer geworden. Darauf muss auch die Arbeit der Friedensforschung schneller und anders regie- ren. Im Zentrum der heutigen Friedensforschung stehen vor allem die Konflikte im Nahen Osten, Afrika oder in Asien. Zudem beschäftigt sie sich auch mit den Gefah- ren des Nationalismus, den Problemen der europäischen Integration und nicht zuletzt mit der Bedrohung durch den internationalen Terrorismus. Das Heidelberger Insti- tut zählt beispielsweise in seinem letzten Bericht für 2010 28 hochgewaltsame Auseinandersetzungen sowie sechs gewaltsame Krisen weltweit. Die Friedensfor- schung ist daher herausgefordert, sich herkömmlichen und neuen Formen von Konflikten und Krisen zu stellen. Die Deutsche Stiftung Friedensforschung erfüllt nun seit elf Jahren mit ihrer Arbeit diese Aufgabe als gemeinnüt- zige Stiftung bürgerlichen Rechts und ist politisch unab- hängig. In ihrem Internetauftritt beschreibt sie ihre Arbeit fol- gendermaßen: Sie entwickelt Vorschläge, wie die Ursa- chen von Konflikten möglichst frühzeitig erkannt, ihrer gewaltsamen Austragung vorgebeugt und politische Re- gelungen für ihre Lösung getroffen werden können. Die Forschungsergebnisse der DSF werden gleichermaßen von der Politik in Bund und Ländern ebenso wie von Gewerkschaften, den Kirchen, der Wissenschaft, den politischen Parteien sowie den Medien genutzt. Der heute vorgelegte SPD-Antrag unterstellt eine zu geringe Kapitalausstattung der DSF. Wir von der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion sehen die bisherige finanzielle Förderungen für die DSF als ausreichend. In Anbetracht der bereits erfolgten Kapitalaufstockungen und der noch zu leistenden strukturellen Anpassung von Förderinstru- menten und Inhalten durch die DSF besteht für einen Mittelaufwuchs keinen Grund. Lassen Sie mich dazu ei- nen Spruch von Erich Kästner zitieren: „Der erfüllte Wunsch ist der Vater vieler neuer“. Ich habe durchaus dafür Verständnis, dass dort, wo Menschen großes Engagement zeigen, das Bedürfnis nach Mehr groß ist. Die DSF ist ordentlich ausgestattet und hat, wie schon erwähnt, in den letzten Jahren eine Aufstockung bekom- men. Dies stelle ich immer wieder vor dem Hintergrund fest, dass wir als Regierungskoalition für eine Konsoli- dierung des Haushaltes stehen und die Ausgaben im Auge behalten müssen. Zudem diskutiert der Stiftungs- rat der DSF derzeit sowieso darüber, ihren Förderbe- stand neu zu ordnen. Außerdem gibt es in Deutschland neben der DSF eine ganze Reihe weitere Akteure und In- 14190 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 (A) (C) (D)(B) stitute, die in die gleiche Richtung forschen, und allen Beteiligten, gleich ob Fördernde oder Forschende, ist der Umstand gemein, mit mehr oder weniger begrenzten Mitteln auskommen zu müssen. Die DSF ist also mit ihrem derzeitigen Stiftungsver- mögen gut aufgestellt. Sie kann mit den vorhandenen Mitteln auch weiterhin gut arbeiten, ohne in finanzielle Schwierigkeiten zu geraten. Eine weitere Mittelaufsto- ckung auf 5 Millionen durch den Bund ist somit nicht notwendig, und daher lehnen wir als CDU/CSU-Frak- tion den vorliegenden Antrag der SPD-Fraktion ab. René Röspel (SPD): Vor kurzem ist das neue „Frie- densgutachten 2011“ herausgekommen. Dort schreiben Vertreterinnen und Vertreter der Friedens- und Konflikt- forschung über Themen wie den Aufbruch in der arabi- schen Welt oder die europäische Krise. Genauso analy- sieren sie aber auch die aktuelle Situation im Irak oder den Trend zur Robotisierung der Streitkräfte. Wie Sie an diesen Beispielen sehr schön sehen kön- nen, bearbeiten die Wissenschaftlerinnen und Wissen- schaftler der Friedens- und Konfliktforschung ein sehr breites Feld. Und wie ich in meiner letzten Rede zu die- sem Thema bereits gesagt habe, sind darunter viele The- men, die auch wir Abgeordneten früher oder später im Parlament zu bearbeiten haben. Wissenschaftliche Infor- mationen sind, wie in anderen Bereichen auch, bei au- ßenpolitischen Entscheidungen unabdingbar. Deshalb sollte es im Interesse aller Abgeordneten sein, über eine starke und unabhängige Friedens- und Konfliktfor- schung in Deutschland verfügen zu können. Unter Rot-Grün ist das Potenzial dieses Wissen- schaftsbereiches besonders gefördert worden. Ein Resul- tat war die Gründung der Deutschen Stiftung Friedens- forschung, DSF, im Jahre 2000. Ziel der Stiftung ist es, die Friedensforschung dauerhaft zu stärken und zu ihrer finanziellen Unabhängigkeit beizutragen. Dafür vergibt sie Gelder für größere und kleinere Forschungsvorha- ben. Seit 2000 sind, wie in anderen Wissenschaftsberei- chen auch, die Kosten für Personal und Material gestie- gen. Auch die Finanzkrise ist an der DSF nicht spurlos vorbeigegangen. Als Reaktion hat die SPD-Bundestags- fraktion 2007 nach mühsamen Diskussionen mit dem da- maligen Koalitionspartner CDU/CSU eine Erhöhung des Stiftungskapitals erreichen können. Weitere benötigte Finanzspritzen hat die jetzige Koalition aus CDU/CSU und FDP leider abgelehnt. Mittlerweile ist die DSF an einem Punkt, an der sie die eigenen Ziele, insbesondere die Struktur- und Nachwuchsförderungen, aus finanziel- len Gründen nicht mehr erfüllen kann. Und das sieht üb- rigens nicht nur die SPD, sondern auch der Bundesrech- nungshof so. Er verweist in einem Bericht darauf, dass eigentlich eine jährliche Rücklagenbildung erforderlich wäre, um den schleichenden inflationsbedingten Wert- verlust auszugleichen. Dies ist derzeit aber nur möglich, wenn die Stiftung gleichzeitig ihre Förderung zurück- schrauben würde. Das widerspricht aber den Satzungs- zielen. Bei der Gründung wurde beschlossen, dass es sich bei der DSF explizit nicht um eine verzehrende Stiftung handelt, sondern die Projekte über die Verzinsung des Stiftungskapitals finanziert werden. Da die Stiftung den Auftrag einer „dauerhaften Stärkung“ hat, wäre eine Ver- zehrung mit der Satzung auch gar nicht vereinbar. Liebe Frau Hübinger, für „zeitlich beschränkte Schwierigkeiten“, wie Sie in Ihrer letzten Rede erwähn- ten, mag es eine Lösung sein, Teile des Stiftungsvermö- gens zu nutzen. Aber leider existieren die finanziellen Probleme nun schon seit ein paar Jahren. Von einer zeit- lich beschränkten Situation kann somit wohl keine Rede mehr sein. Es ist deshalb jetzt dringend notwendig, nach anderen Instrumenten zu suchen, um schnell eine nach- haltige Finanzsituation herzustellen. Ich denke, nach unseren gemeinsamen Diskussionen im Ausschuss und Plenum zu dem Thema kann man zu- sammenfassend sagen, dass die Berichterstatter aller Fraktionen die Leistung der Friedens- und Konfliktfor- schung und dabei insbesondere die Arbeit der DSF ge- würdigt haben. Auch die finanziell schwierige Situation der DSF wurde von allen Vertretern anerkannt. Wichtig fand ich auch, dass die Vertreter der Koalitionsfraktio- nen die Bereitschaft signalisiert haben, nach einer Lö- sung für die Finanzprobleme bei der DSF zu suchen. Wenn ich sehe, dass aus dem letzten BMBF-Haushalt 300 Millionen Euro nicht abgeflossen sind, ist es doch sicher nicht zu viel verlangt, für die Erhöhung des Stif- tungskapitals 5 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen. Ich bin mir natürlich auch im Klaren, dass Sie als Be- richterstatter für einen Lösungsvorschlag nicht nur Ihre Kollegen in den Facharbeitsgruppen überzeugen müs- sen, sondern insbesondere Ihre Haushaltspolitiker. Da nach der Sommerpause die Haushaltsberatungen anste- hen, würde ich es sehr begrüßen, wenn wir in diesem Zu- sammenhang noch einmal – jeder in seiner Fraktion – ausloten würden, wie doch noch eine nachhaltige Lö- sung für die anhaltenden Finanzprobleme bei der DSF gefunden werden könnten. Damit täten wir der deut- schen Wissenschaft, aber auch uns Abgeordneten, im Sinne einer guten Politikberatung eine wichtigen Dienst. Dr. Martin Schwanholz (SPD): Zu später Stunde beraten wir heute über ein Thema, das mir sehr am Her- zen liegt. Viele meiner Kolleginnen und Kollegen hier können das bestätigen, insbesondere die Haushälter; denn ich renne ihnen seit 2002 jährlich die Türen ein, wenn es um die Finanzierung der Deutschen Stiftung Friedensforschung, DSF, geht, die ihren Sitz in meiner Heimatstadt Osnabrück hat. Die finanziellen Probleme der DSF begannen bereits bei der Gründung im Jahr 2000 und bei der Aufnahme der Fördertätigkeit: Die Kapitalausstattung von rund 25 Mil- lionen Euro machte nämlich lediglich die Hälfte des ur- sprünglich vorgesehenen Vermögens aus. So konnte be- reits damals eine der wesentlichen Säulen, nämlich das Programm zur Struktur- und Nachwuchsförderung, nicht aus den laufenden Erträgen finanziert werden. Bis 2007 konnten wir immerhin die Reduzierung des Stiftungsver- mögens verhindern, indem wir im Bundeshaushalt um Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 14191 (A) (C) (D)(B) den Erhalt des Titels gekämpft und Zustiftungen um ins- gesamt 5 Millionen Euro erreicht haben. 2008 ist dann aber der Titel entfallen. Angesichts der Bedeutung der Friedens- und Konflikt- forschung ist dies in meinen Augen ein Unding. Deutsch- land leistet sich millionenschwere Steuergeschenke an Hoteliers, lässt aber eine Stiftung im Stich, die immerhin von der Bundesrepublik Deutschland gegründet wurde und deren erklärtes Ziel es ist – hier zitiere ich aus der Sat- zung – „die Friedensforschung ihrer außen- und sicher- heitspolitischen Bedeutung gemäß insbesondere in Deutschland dauerhaft zu stärken und zu ihrer politischen und finanziellen Unabhängigkeit beizutragen.“ Da stim- men doch die Relationen nicht mehr! Frieden ist keine Selbstverständlichkeit. Frieden er- fordert ein geschärftes Bewusstsein über Ursachen und Hintergründe von Konflikten. Frieden erfordert Auf- merksamkeit und stetige Obacht. Frieden braucht Wege zur Konfliktvermeidung bzw. deren Lösung. Kurz: Frie- den erfordert Arbeit. Frieden braucht Menschen, die an ihm arbeiten. Wir brauchen die Friedens- und Konflikt- forschung. Ich erwarte deshalb von der Koalition ein klares Be- kenntnis zur Deutschen Stiftung Friedensforschung. Es geht um die Anerkennung ihrer Arbeit, die bislang unter nicht sehr einfachen Bedingungen sehr erfolgreich war. Wir müssen jetzt dafür Sorge tragen, dass eine von uns eigens ins Leben gerufene Stiftung ihren satzungsgemä- ßen Aufgaben nachkommen kann. Um mit dem großen Willy Brandt zu schließen: „Frieden ist nicht alles, aber alles ist nichts ohne Frieden.“ Dr. Peter Röhlinger (FDP): Die Friedens- und Kon- fliktforschung ist ohne Zweifel ein wichtiges For- schungsgebiet. Nach den beiden Weltkriegen im letzten Jahrhundert und im sich anschließenden Kalten Krieg hat sich die Rüstungsspirale weiter gedreht und es wurden furchterregende Konzepte der militärischen Abschre- ckung entwickelt. Aber gleichzeitig haben an verschiede- nen Stellen Menschen damit begonnen, die Bedingungen von Frieden und Konflikten wissenschaftlich zu untersu- chen. Das war und ist in meinen Augen ein echter zivili- satorischer Fortschritt. Auch der Kalte Krieg ist inzwischen überwunden, und Massenvernichtungswaffen spielen im öffentlichen Bewusstsein bei uns derzeit keine Hauptrolle. Andere Bedrohungen sind in den Vordergrund getreten: der weltweite Terrorismus zum Beispiel, den auch deutsche Soldaten in Afghanistan bekämpfen, oder humanitäre Katastrophen im Zusammenhang mit politischer Instabi- lität – das haben wir auf dem Balkan erlebt, das erleben wir im Nahen Osten, in Afrika, in vielen Ländern immer noch, immer wieder. Wege zur dauerhaften Lösung von Konflikten zu suchen und aufzuzeigen, ist notwendig und wichtig wie eh und je. Warum geht so oft Macht vor Recht? Was sind die Ur- sachen von Konflikten? Wie kommen wir dahin, dass Konflikte am Verhandlungstisch gelöst und nicht mit Gewalt entschieden werden? Ist Krieg wirklich nicht vermeidbar? Diese Fragen stellen sich immer wieder neu, die Antworten fallen unterschiedlich aus. Auch der Deutsche Bundestag hat in den letzten Jahren dazu mehrfach weitreichende Beschlüsse gefasst. Ich denke dabei an die Einsätze der Bundeswehr in Afghanistan. Die europäischen Länder haben Strukturen für friedli- che Kooperation geschaffen. Das ist ein großer Fort- schritt, den wir unter allen Umständen verteidigen soll- ten. Aber Europa ist nicht die Welt, und auch in unserer Zeit muss der Frieden täglich erhalten und gesichert wer- den. Dazu gehört auch die ökonomische Teilhabe von Ländern der sogenannten Dritten Welt, dazu gehört die Gleichberechtigung der Geschlechter sowie die Säkula- risierung und die Überwindung nationaler und ethni- scher Stereotype. Friedens- und Konfliktforschung ist konkret. Je ge- nauer die Fragestellungen sind, desto klarer können die Antworten sein. Drängende Fragen sind zum Beispiel: Welche Auswirkungen hat das scheinbar freie Spiel der Kräfte auf den Finanzmärkten für die Stabilität der Volkswirtschaften und für den Welthandel? Welche Schlussfolgerungen müssen aus den Auswirkungen der Finanzkrisen mit Blick auf die Weltpolitik gezogen wer- den? Welche Gefahren sind mit der geringen Verfügbar- keit von Trinkwasser in bestimmten Gebieten unserer Erde verbunden? Welche Folgen bringt die Verknappung von Rohstoffen und vor allem ihre geopolitische Verfüg- barkeit für die Industrieländer mit sich? Auf welchen seltenen Rohstoffen basieren die neuen Technologien, und wie wird die Versorgungssicherheit der Wirtschaft gewährleistet? Die deutsche Friedensforschung ist gut aufgestellt. Sie hat zu einer objektiven und interdisziplinären Beurteilung von Konflikten beigetragen. Sie hat zu Erkenntnissen und Erklärungsmodellen in verschiedenen Disziplinen ge- führt. Sie ist im deutschen Wissenschaftssystem fest ver- ankert und wird zum großen Teil auf gutem Niveau durch die öffentliche Hand, von Bund und Ländern, finanziert. In diesen Zusammenhang gehört auch die vor gut zehn Jahren durch die damals rot-grüne Bundesregie- rung gegründete Deutsche Stiftung Friedensforschung, DSF. Die Stiftung hat eine institutionelle Lücke zwi- schen Gesellschaft, Wissenschaft und Politik geschlos- sen. Sie leistet durch ihre Arbeit, durch ihre Vermittlertä- tigkeit zwischen den Institutionen der Friedens- und Konfliktforschung, durch Nachwuchsförderung und durch Projektförderung einen anerkennenswerten Bei- trag auf diesem Gebiet. Meine Fraktion hat aber bereits bei der Gründung ge- sagt: Die Stiftung muss ihren Beitrag für ihre politische und finanzielle Unabhängigkeit leisten, und sie darf die- ses Ziel nicht aus den Augen verlieren. Die Stiftung wurde mit dem notwendigen Grundkapital in Höhe von über 25 Millionen Euro ausgestattet. Der Bund hat da- nach noch zugestiftet. Jetzt muss sich die Stiftung aus Erträgen des Stiftungskapitals und durch Zustiftungen fi- nanzieren, das macht sie finanziell und politisch unab- hängig. Die Anerkennung zeigt sich heute auch im bür- gerschaftlichen Engagement von Stiftern, die sich mit 14192 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 (A) (C) (D)(B) der Arbeit und den Zielen persönlich identifizieren und sich deshalb auch an der Finanzierung beteiligen. Sicherlich sollten wir gemeinsam über die Stellung der Stifter und deren Behandlung weiter nachdenken. Und genau dafür treten auch die liberalen Stiftungsrats- mitglieder, der Staatsminister im Auswärtigen Amt Herr Dr. Werner Hoyer, MdB, die Parlamentarische Staatssek- retärin beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusam- menarbeit und Entwicklung Frau Gudrun Kopp, MdB, und die Kollegin Frau Marina Schuster, MdB, ein. Meine Damen und Herren von der SPD, politische und finanzielle Unabhängigkeit setzt voraus, dass die Aufgaben in eigener Verantwortung bewältigt werden. Die Forderung nach mehr Geld vom Bund muss deshalb ins Leere gehen. Diesem Antrag können wir nicht unsere Zustimmung geben. Kathrin Vogler (DIE LINKE): Über die Friedensfor- schung wird nach langen Jahren fast bleiernen Schwei- gens wieder geredet, und das ist gut. Professor Harald Müller hat in seiner Festrede zum zehnjährigen Bestehen der Deutschen Stiftung Friedens- forschung erfreut festgestellt, dass die Friedensfor- schung durch alle Parteien hindurch Anerkennung fin- det. Das ist sicher ein Ausweis ihrer erfolgreichen Arbeit. Aber er sieht das auch darin begründet, dass ei- nige Teile der Friedensforschung ihre „Fundamentalop- position“ aufgegeben hätten. Nun kann man sich sicher darüber streiten, was „Fundamentalopposition“ ist, aber ein bisschen widerborstiger, nervtötender und lästiger, um einige Worte von Professor Müller zu gebrauchen, könnte die Friedensforschung aus Sicht der Linken schon noch sein. Das ändert aber nichts daran, dass ihre Arbeit wichtig ist und dass ich mir wünschen würde, auch die kritischen Analysen würden von der Bundesregierung, aber auch hier im Parlament stärker berücksichtigt. So wird etwa im diesjährigen Friedensgutachten festgestellt, die Af- ghanistan-Politik der Bundesrepublik Deutschland werfe aufgrund des vorherrschenden Paradigmas der Auf- standsbekämpfung die Frage auf, inwiefern es ihr über- haupt um Frieden in Afghanistan geht. Dies ist eine ganz zentrale Frage an uns, an den Bundestag und natürlich vor allem an diejenigen von Ihnen, die dieses Konzept der Aufstandsbekämpfung durch die Bundeswehr in im- mer neuen Mandaten in Auftrag gegeben haben, und die sollte in Kenntnis der Argumente der Friedensforsche- rinnen und -forscher beantwortet werden. Wir hatten in der letzten Woche im Unterausschuss „Zivile Krisenprä- vention“ ein Gespräch mit den Herausgebern des Frie- densgutachtens. Dabei fand ich es schon erstaunlich, dass von den neun Mitgliedern unseres Ausschusses le- diglich zwei den Weg dorthin gefunden haben, und auch, dass es der Politik offenbar schwerfällt, einfach einmal zuzuhören. Zuhören ist manchmal wirklich Gold, langes Reden bestenfalls Blech. Für uns als Linke ist wichtig, dass es eine engagierte kritische Friedensforschung gibt, die sich auch nicht auf Politikberatung beschränkt, sondern mit ihrer fundierten Kritik der Militarisierung in die Politik und Gesellschaft hineinwirkt. Die Gefahr der Verengung besteht da, wo sie sich zu stark auf staatliche Akteure fixiert und die Rolle der Zivilgesellschaft in Konflikten, aber gerade auch bei der Konfliktbeilegung vernachlässigt. Warum gerade das Verteidigungsministerium im Stiftungsrat der DSF mitentscheiden muss, welche Projekte gefördert werden, das erschließt sich mir gar nicht. Wir sprechen aber heute nicht vor allem über die Bi- lanz der Friedensforschung, sondern über Geld. Die Deutsche Stiftung Friedensforschung hat eine Reihe von wichtigen Projekten gefördert. In den ersten zehn Jahren ihres Bestehens konnten 13 Millionen Euro dafür ausge- ben werden. Der Frieden sollte uns mehr Geld wert sein. In diesem Haus ist ohne lange Diskussion über ganz an- dere Summen entschieden worden. Die Linke möchte, dass Friedensförderung ganz oben auf der Prioritäten- liste steht, und dafür sind uns die 5 Millionen, die die SPD fordert, nicht ausreichend. Das ist ja nicht einmal ein Promille von dem, was in Deutschland jährlich in die Rüstungsforschung fließt! Wir halten eine einmalige Zu- stiftung von 25 Millionen Euro für notwendig. Ich hätte sogar einen konkreten Finanzierungsvorschlag: Wenn die Bundeswehr statt 80 nur 79 Kampfhubschrauber „Ti- ger“ kaufen würde, könnten neben den 25 Millionen für die Stiftung auch noch 20 Millionen mehr für den Zivi- len Friedensdienst ausgegeben werden. Dafür setzt sich die Linke ein, und deswegen können wir uns bei Ihrem Antrag leider nur enthalten. Krista Sager (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): In den zurückliegenden Beratungen über die Deutsche Stiftung Friedensforschung wurde fraktionsübergreifend die gute Arbeit der Stiftung hervorgehoben und gewürdigt. Es wurde zu Recht das besondere Profil der Deutschen Stif- tung Friedensforschung, die sich durch ihren krisenprä- ventiven interdisziplinären Ansatz auszeichnet, hervor- gehoben. Wir sind uns einig, dass die Stiftung, indem sie Ursachen und Hintergründe von Krisen erforscht, Per- spektiven aufzeigen kann, wie gewaltsame Auseinander- setzungen verhindert werden können. Damit hat die Stiftung nicht nur eine bedeutende Funktion für die Wissenschaft, sondern auch für die Politik. Neben der Projektförderung hat die Deutsche Stiftung Friedensforschung durch Stiftungsprofessuren und Masterstudiengängen institutionelle Lehr- und For- schungsstrukturen geschaffen, die zur nachhaltigen Eta- blierung der Friedenswissenschaft im universitären Be- reich beitragen. Bei der Gründung der Deutschen Stiftung Friedens- forschung im Jahr 2000 war es ein ausdrückliches Ziel, Unabhängigkeit für die Stiftung in politischer, wissen- schaftlicher und auch finanzieller Hinsicht zu gewähr- leisten. Deshalb wurde die DSF mit einem Stiftungska- pital ausgestattet, das diese Unabhängigkeit ein Stück weit sichert, dessen Erträge aber keine großen Sprünge erlauben. Klar ist inzwischen aber auch, dass die Stiftung zu- nehmend Probleme hat, ihre gute Arbeit auch in Zukunft so fortzuführen. Angesichts steigender Sach- und Perso- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 14193 (A) (C) (D)(B) nalkosten verengen sich zunehmend die Spielräume für neue Forschungsprojekte, obwohl mit dem Stiftungska- pital durchaus sorgsam umgegangen wurde. Es wäre äußerst bedauerlich, wenn die Stiftung ihre Angebote reduzieren müsste, zum Beispiel indem sie sich aus der Promotionsförderung für den wissenschaft- lichen Nachwuchs dauerhaft zurückzöge oder die Förde- rung von Masterstudiengängen so nicht aufrechterhalten könnte. Vor diesem Hintergrund ist der Antrag der SPD-Kol- leginnen und Kollegen, die Deutsche Stiftung Friedens- forschung durch eine Erhöhung des Stiftungskapitals zu unterstützen, sehr zu begrüßen. Schließlich erkennen alle Fraktionen in diesem Haus die große Bedeutung und gute Arbeit der Stiftung, ihre Beiträge für Prävention und Friedenserhaltung und damit ihre hohe Relevanz für die Bewältigung zentraler gesellschaftlicher Herausfor- derungen an. Leider gab es in der zurückliegenden Ausschussbera- tung keine Signale, dass die Koalition aus ihrer Wert- schätzung für die Arbeit der Stiftung auch die notwendi- gen Schlussfolgerungen ziehen will. Nun wissen wir alle, dass es nicht den Gepflogenhei- ten hier im Deutschen Bundestag entspricht, dass die Re- gierungsfraktionen gute Initiativen der Opposition unter- stützen. Aber Sie haben in Kürze ja die wunderbare Möglichkeit, die Opposition dazu zu bringen, einen ent- sprechenden Antrag der Regierungskoalition zu unter- stützen. Im anstehenden Haushaltsverfahren sind Sie selbst Herr des Verfahrens. Ich hoffe daher, dass Sie diese Chance nicht verstreichen lassen. Also geben Sie sich, wenn nicht heute, dann doch im Herbst, einen Ruck, damit am Ende die Deutsche Stiftung Friedensfor- schung ihre gute Arbeit ungeschmälert fortsetzen kann. Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik und Gemeinsame Sicher- heits- und Verteidigungspolitik der EU wirksam kontrollieren (Tagesordnungspunkt 17) Roderich Kiesewetter (CDU/CSU): Bevor ich auf Einzelheiten des hier zu beratenden Antrags eingehe, möchte ich einige grundlegende Überlegungen vorweg- stellen: In Ihrem Antrag, meine Damen und Herren der Fraktion Die Linke, stellen Sie fest, Militäreinsätze der Europäischen Union seien grundsätzlich abzulehnen. Sie fordern dazu auf, einer „weiteren Militarisierung“ der EU entgegenzutreten und eine „zivile und friedliche Europäische Union“ zu schaffen. Diese Sichtweise der Dinge teile ich grundsätzlich nicht. Genau heute vor sechs Jahren, am 7. Juli 2005, wur- den in London 56 Menschen durch Selbstmordattentäter in der U-Bahn und in einem Doppeldeckerbus getötet und über 700 teilweise schwer verletzt. Die Anschläge werden in den britischen Medien auch unter der Abkür- zung 7/7 genannt, in Anlehnung an die Terroranschläge am 11. September 2001 in den USA, die unter 9/11 be- kannt wurden. Auch wenn wir uns die Realität anders wünschen, zeigen Vorfälle wie diese ganz deutlich, dass die Sicherheit Europas nach wie vor Bedrohungen und Herausforderungen ausgesetzt ist. Militärische Krisen und Konflikte sind nicht von unserem Kontinent ver- schwunden. Europa muss daher bereit sein, Verantwor- tung für die globale Sicherheit und für eine bessere Welt mit zu tragen. Nie zuvor ist Europa so wohlhabend, so sicher und so frei gewesen. Wir müssen bereit sein, diese Freiheit und diese Sicherheit notfalls auch mit militäri- schen Mitteln zu verteidigen. In meinem Verständnis von vernetzter oder umfassender Sicherheit darf diese Möglichkeit nicht fehlen – sonst läuft sie Gefahr, un- glaubwürdig zu sein. Zu Recht sprechen Sie in ihrem Antrag die Frage ei- ner wirksamen parlamentarischen Kontrolle von GASP und GSVP an. Wir von der Union halten die parlamenta- rische Kontrolle dieser Bereiche durch ein europäisches Gremium aus Vertretern nationaler Parlamente und des Europäischen Parlaments für zwingend notwendig. In ei- nem von uns und unserem Koalitionspartner eingebrach- ten Antrag sprechen wir uns deshalb für die Einrichtung einer Interparlamentarischen Konferenz zur GASP bzw. GSVP der EU in Brüssel aus. Diese soll die Vernetzung der wichtigsten Akteure der Außen- und Sicherheitspoli- tik der nationalen Parlamente der EU-Mitgliedstaaten und des Europäischen Parlamentes gewährleisten. Wir sind der Meinung, dass die parlamentarische Kontrolle dieser Politikbereiche federführend durch die nationalen Parlamente erfolgen muss; denn auch wenn die Rechte des Europäischen Parlaments durch den Ver- trag von Lissabon weiter ausgeweitet wurden, gehören GASP und GSVP noch immer zu den Kernkompetenzen der Mitgliedstaaten. Noch sehen wir das Europäische Parlament nicht in der Lage, die parlamentarische Kon- trolle hier federführend auszuüben. Langfristig setzen wir uns dafür ein, die Rechte und die Rolle des Europäischen Parlaments auch in diesen Bereichen weiter zu stärken und eine weitere Verge- meinschaftung auch in der europäischen Außen-, Sicher- heits- und Verteidigungspolitik zu gewährleisten. Es ist notwendig, dass sich die EU auch als Sicherheitsgemein- schaft zur Verteidigung ihrer Werte begreift. Wir brau- chen deshalb auf europäischer Ebene in den nächsten Jahren mutige Schritte gestalterischer Politik – als Ant- wort auf neuartige Bedrohungen und als Konsequenz der Finanz- und Wirtschaftskrise, die uns immer noch be- schäftigt. Im Koalitionsvertrag von 2009 haben wir uns den Aufbau einer europäischen Armee unter voller parla- mentarischer Kontrolle als langfristiges Ziel gesteckt. Dies wäre nicht nur ein sichtbares Zeichen der Stärkung der GSVP, sondern ist angesichts schrumpfender euro- päischer Verteidigungsbudgets der nächste logische Schritt. Eine europäische Armee ist kein Selbstzweck, sie dient der gemeinsamen europäischen Sicherheitsvor- sorge. Durch die mangelnde Bereitschaft von Iran, Nord- korea und Pakistan, in den Fragen nuklearer Transpa- 14194 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 (A) (C) (D)(B) renz, Teststopp, Proliferation und Vertragstreue bzw. Vertragsbeitrittswilligkeit zu kooperieren, und wegen der Entwicklung ballistischer Raketen mit großer Reich- weite ist die Bedrohung für Europa in den letzten Jahren nicht kleiner geworden, sondern im Gegenteil stetig ge- wachsen. Eine gemeinsame europäische Sicherheitsvorsorge muss auf einer gemeinsamen Risikoanalyse fußen und klare Aussagen zur transatlantischen Partnerschaft ein- schließlich der Zusammenarbeit mit der NATO treffen. Dies schließt Berlin-Plus ein, allerdings sehe ich die Hauptarbeit der nächsten Jahre darin, einen Ausweg aus der Türkei/Zypern-Sackgasse zu finden. Ferner gilt es, auch im Sinne des neuen strategischen Konzepts der NATO vom November 2010 und im Geist des Lissabon- Vertrages der EU ein partnerschaftliches Verhältnis zu Russland, zur Ukraine und insbesondere zum südlichen Mittelmeerraum auszubauen. Wir brauchen eine neue europäische Sicherheitsstra- tegie, um den europäischen Zusammenhalt auch auf die- ser Ebene immer weiter zu untermauern. Natürlich müs- sen die nationalen Parlamente und das Europäische Parlament eine wirksame parlamentarische Kontrolle bei der Neuformulierung und Mitgestaltung einer solchen Strategie ausüben müssen. Klar ist: Gemeinsame Werte brauchen mehr als nur eine gemeinsame militärische Verteidigungsidentität. Aber ohne eine ergänzende militärische Komponente, idealerweise zukünftig sogar eine europäische Armee, schlagkräftig, einsatzbereit, innovativ und vom europäi- schen „Staatsbürger“ in Uniform geprägt, wäre die Euro- päische Union weniger glaubwürdig. Es geht um den Beweis, unsere gemeinsamen Werte zu erhalten, und um die Bereitschaft, sie glaubhaft zu verteidigen! Dabei gilt es, die gesamte Werkzeugkiste verantwortbarer europäi- scher Sicherheitspolitik zu überblicken und zivile wie militärische Instrumente in den Dienst einer umfassen- den Sicherheits- und Friedenspolitik zu stellen. Thomas Silberhorn (CDU/CSU): Der Deutsche Bundestag hat am 9. Juni 2011 den Antrag der Koalitions- fraktionen „Einrichtung einer Interparlamentarischen Konferenz zur Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspoli- tik bzw. Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungs- politik der Europäischen Union“ beschlossen. Darin sind alle aus Sicht der Koalitionsfraktionen relevanten As- pekte in Bezug auf die parlamentarische Kontrolle der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, GASP, und der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungs- politik der Europäischen Union, GSVP, enthalten. GASP und GSVP bleiben auch nach Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon intergouvernementaler Natur, das heißt sie fallen in die Kernkompetenz der EU-Mitgliedstaaten. Diese Tatsache muss auch in der parlamentarischen Kontrolle ihren Ausdruck finden. Es geht daher völlig an der Sache vorbei, wenn die Linke in ihrem Antrag die Einberufung eines Konvents und einer Regierungskonfe- renz fordert, um die Kontrollrechte der nationalen Parla- mente und des Europäischen Parlaments in den Europäi- schen Verträgen festzuschreiben. Die nationalen Parlamente kontrollieren nach ihren bewährten Verfahren ihre jeweiligen Regierungen, die im Rat federführend für die Ausgestaltung und Umset- zung der GASP und GSVP zuständig sind. In Deutsch- land sind nach dem „Gesetz über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Bundestag in Angelegenhei- ten der Europäischen Union“ sämtliche relevanten Vorlagen aus dem Bereich der GASP und GSVP dem Deutschen Bundestag zuzuleiten. Alle im Deutschen Bundestag vertretenen Fraktionen haben somit die Mög- lichkeit, sich zu jedem relevanten Thema der Außen- und Sicherheitspolitik über den Meinungs- und Verfah- rensstand auf europäischer Ebene zu informieren und eine politische Positionierung hierzu vorzunehmen. Fra- gen der GASP und der GSVP sind regelmäßig Gegen- stand von Beratungen in den zuständigen Ausschüssen sowie im Plenum des Deutschen Bundestags. Auch das Europäische Parlament, EP, ist auf dem Ge- biet der GASP und der GSVP – anders als im Antrag der Linken dargestellt – mit substanziellen Informations- und Kontrollrechten ausgestattet. So unterliegen die für die GASP und die GSVP aufgewendeten Mittel im Rah- men des regulären Haushaltsverfahrens der Kontrolle durch das EP. Sowohl der mehrjährige Finanzrahmen als auch der jährliche Haushalt werden erst wirksam, wenn das EP hierzu seine Zustimmung erteilt hat. Durch die- ses Budgetrecht besitzt das EP de facto ein Vetorecht in zentralen Fragen der GASP und der GSVP, etwa im Hin- blick auf die Verwaltungsausgaben sowie die operativen Mittel des Europäischen Auswärtigen Dienstes. Darüber hinaus kann das EP unter anderem die Hohe Vertreterin zu Gemeinschaftspolitiken wie der Entwicklungshilfe oder der Nachbarschaftspolitik anhören sowie Botschaf- ter nach deren Ernennung und vor ihrem Amtsantritt an- hören. Dies zeigt: Für die von der Fraktion der Linken geforderte Vertragsänderung besteht keinerlei sachliche Notwendigkeit. Die Vertreter der Linkspartei täten gut daran, die vorhandenen Kontrollrechte der nationalen Parlamente und des EP in der GASP und der GSVP wahrzunehmen. Unabhängig von der Frage sachlicher Notwendigkeit ist für die Einberufung eines Konvents im Kreis der EU- Mitgliedstaaten auf absehbare Zeit keine Mehrheit in Sicht. Es zeugt von Unkenntnis über das aktuelle Stim- mungsbild in der EU, die Bundesregierung dazu aufzu- fordern, sich im Rat für eine derart aussichtslose Initia- tive einzusetzen. In CDU/CSU und FDP sind wir der Auffassung, dass die Begleitung und Kontrolle der GASP und der GSVP eine enge Vernetzung zwischen den nationalen Parla- menten und dem EP erfordert. Zu diesem Zweck hat sich der Deutsche Bundestag auf Antrag der Koalitionsfrak- tionen für die Schaffung einer interparlamentarischen Konferenz ausgesprochen. Der Vertrag von Lissabon muss dazu nicht geändert werden, sondern es können die vorhandenen Möglichkeiten aus dem Protokoll Nr. 1 zu diesem Vertrag über die Rolle der nationalen Parlamente in der EU genutzt werden. Die interparlamentarische Konferenz soll aus Vertre- tern des Europäischen Parlaments und der nationalen Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 14195 (A) (C) (D)(B) Parlamente bestehen und deren Vielfalt widerspiegeln. Um den intergouvernementalen Charakter der GASP und der GSVP zu betonen, sollte Tagungsort für ein solches Gremium Brüssel sein – in örtlicher Unabhän- gigkeit zum EP –, und der Vorsitz von den nationalen Parlamenten der Troika-Länder, also der drei aufeinan- derfolgenden EU-Ratspräsidentschaften, wahrgenom- men werden. Aufgabe der Interparlamentarischen Kon- ferenz soll es sein, die Hohe Vertreterin und hochrangige Vertreter der europäischen Institutionen anzuhören so- wie – im Mehrheitsverfahren – Schlussfolgerungen zu beschließen. Damit kann eine wirksame Kontrolle der GASP und GSVP im Einklang mit den europäischen Verträgen sichergestellt werden. Wenn die Linke für eine nach ihrem Antrag über- gangsweise einzurichtende interparlamentarische Ver- sammlung „ein Ablehnungsrecht bzw. Zustimmungs- recht zu allen Maßnahmen der GASP“ einfordert, verkennt sie damit völlig die intergouvernementale Aus- richtung der GASP. Auch nach dem Vertrag von Lissa- bon haben die Mitgliedstaaten das letzte Wort in fast allen Feldern der GASP und der GSVP. Interparlamentari- sche Beteiligung muss daher folgerichtig auf Unterrich- tung und Kontrolle beschränkt sein. Darüber hinausge- hende Zustimmungsrechte eines interparlamentarischen Gremiums wären mit den geltenden europäischen Ver- trägen unvereinbar und würden zudem GASP und GSVP im Vergleich zu anderen europäischen Politikfeldern eine singuläre Stellung zubilligen, die durch ihre Bedeu- tung im europäischen Kompetenzgefüge nicht zu recht- fertigen ist. Im Antrag der Fraktion Die Linke darf erneut die Be- hauptung nicht fehlen, dass es mit dem Vertrag von Lis- sabon zu einer „Militarisierung“ der GASP gekommen sei. Dies entbehrt nicht nur jeglicher Substanz, denn eine solche „Militarisierung“ – was immer die Linke genau darunter verstehen mag – ist weder im Vertragstext ange- legt noch ist in der politischen Praxis erkennbar, dass es in irgendeiner Weise zu einer Überbetonung der militäri- schen Komponente der GASP gekommen wäre. Die Mi- litarisierungsrhetorik der Linken belegt vielmehr auch, dass sie weiterhin in ihren Denkschablonen des Kalten Kriegs verfangen ist. Für uns steht fest: Die europäische Integration ist das größte und erfolgreichste Friedenspro- jekt, das unser Kontinent je gesehen hat. Dietmar Nietan (SPD): Leider kommt selten genug vor, dass wir uns an dieser Stelle über die Zukunft und die parlamentarische Mitgestaltung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union austauschen können. Dass wir dazu nun im Abstand von genau vier Wochen bereits zum zweiten Mal die Gele- genheit haben, begrüße ich sehr. Wir müssen uns mit diesen Themen nicht nur in Sonntagsreden auseinander- setzen, wir in diesem Hause müssen dauerhaft erkennen, dass sich der Erfolg unserer deutschen Außenpolitik zu- künftig nur dann vollständig wird entfalten können, wenn wir sie fest in einen europäischen Rahmen einzu- binden verstehen. In seiner gestrigen Antrittsrede zu Beginn der polni- schen EU-Ratspräsidentschaft vor unseren Kollegen des Europäischen Parlaments hat Premierminister Donald Tusk gesagt: „Was ist die Antwort auf die Krise? Ein Abwenden von Europa oder das Festhalten an etwas, das für viele Jahre sehr gut funktioniert hat? Die Antwort auf die Krise Europas kann nur ein Mehr an Europa sein. Wir werden unsere Präsidentschaft mit einem Schuss von polnischem Optimismus, Enthusiasmus und Energie versehen: denn wir glauben an Europa.“ Ich nehme diese wohltuenden Worte an dieser Stelle zum Anlass, daher noch einmal das zu wiederholen, was ich vor wenigen Wochen bereits gesagt habe: Ja, die Au- ßen- und Sicherheitspolitik liegt nach wie vor in der hauptsächlichen Zuständigkeit der EU-Mitgliedstaaten, ihrer Regierungen und Parlamente. Daran hat auch der Vertrag von Lissabon nichts geändert. Doch seit dem 1. Dezember 2009 hat Europa eine Quasiaußenministe- rin mit Catherine Ashton, und seit dem 1. Januar 2011 verfügt sie endlich auch über einen neugeschaffenen Europäischen Auswärtigen Dienst, EAD, als Quasi-EU- Außenministerium. Dies ist eine wichtige und positive Neuerung, die mittel- und langfristig dazu beitragen wird, das Stimmengewicht der EU in der Welt zu ver- stärken. Voraussetzung dafür ist aber, dass auch die Re- gierungen der EU-Mitgliedstaaten sich dem Ziel eines einheitlichen, kohärenten und wirksamen außen- und si- cherheitspolitischen Handelns der EU verschreiben. Denn formal betrachtet ist der EAD und mit ihm die Position der Hohen Vertreterin natürlich „nur“ eine neue Institution im Organisationsaufbau der EU. Wenn es je- doch in den kommenden Jahren gelänge, ihn als Dienst im Dienste aller EU-Institutionen aufzubauen, könnte er auch als neues, identifikationsstiftendes Element einer Europäischen Union betrachtet werden, die endlich im 21. Jahrhundert angekommen ist: als echtes Gemein- schaftsprodukt der Europäischen Kommission, des Rates der EU und auch des Europäischen Parlamentes. Aus- schlaggebend hierfür ist maßgeblich der aufrichtige poli- tische Wille der Mitgliedstaaten. Wenn wir uns dem Thema der europäischen Außen- und Sicherheitspolitik mit einem gewissen Maß an Weit- sicht und Verstand nähern, und wir trotz aller Krisen – so wie es Donald Tusk mit seinem Satz „Wir brauchen mehr Europa“ als Losung ausgegeben hat – der EU mehr Gewicht in der Welt verleihen wollen, müssen wir in der Außenpolitik aufhören, zuerst in nationalen Kategorien zu denken. Wir brauchen eine Debatte über eine „Euro- päisierung der Außen- und Sicherheitspolitik“, nicht im verfassungsrechtlichen Sinne, sondern im Sinne eines Paradigmenwechsels im Denken. Deutschlands Außen- politik wird auch weiterhin von nationalen Interessen be- stimmt werden, aber unser internationales Handeln lässt sich schon lange nicht mehr von Europa lösen. Ich habe bereits in meiner vergangenen Rede darauf hingewiesen: Außenpolitische Entscheidungen, wie jüngst die deut- sche Enthaltung im UN-Sicherheitsrat bei der Libyen- Resolution 1973, haben wohl allen deutlich vor Augen geführt, dass die uneinheitliche Abstimmung, bei der vier europäische Nationen – Frankreich, Großbritannien, Portugal und Deutschland – am Tisch saßen, dem Pro- 14196 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 (A) (C) (D)(B) jekt „Europas Einfluss in der Weltpolitik stärken“ einen wahren Bärendienst erwiesen hat. Wir müssen aus die- sen Fehlern lernen und die richtigen Konsequenzen zie- hen. Aber im September steht schon die nächste Bewäh- rungsprobe vor der Tür. Auf der kommenden Generalver- sammlung der Vereinten Nationen könnte die Situation eintreten, dass über eine einseitige Unabhängigkeits- erklärung eines palästinensischen Staates abzustimmen ist. Man sollte also davon ausgehen, dass die Bundes- regierung alles unternimmt, um innerhalb der Europäi- schen Union eine einheitliche Haltung zur Anerken- nungsfrage zu bilden. Das ist aber nicht der Fall, im Gegenteil. Während unsere Partner in London und Paris sich zu Recht alle Optionen offenhalten wollen, um eine bevorstehende Konfrontation zwischen Israel und Paläs- tina in New York noch durch europäische Vermittlung abzuwenden, hat sich die Bundesregierung bereits mit deutlicher Kritik an einem solchen Schritt der Palästi- nenser vorfestgelegt und damit ihren Handlungsspiel- raum massiv eingeschränkt. Mit dieser Debatte über die Theorie und Praxis einer notwendigen und unausweichlichen Europäisierung der Außen- und Sicherheitspolitik müssen sich alle nationa- len Parlamente und das Europäische Parlament aus- einandersetzen. In Ermangelung eines Gremiums, in dem Vertreter aller nationalen Parlamente und des EPs dies regelmäßig und vor allem gemeinsam tun können, hat meine Fraktion auch als erste einen entsprechenden Antrag mit dem Titel „Für eine wirkungsvolle interparla- mentarische Begleitung der Europäischen Außen- und Sicherheitspolitik im Geiste des Vertrages von Lissabon“ eingebracht. Denn wir sind der Meinung, dass sich die Weiterentwicklung der GASP/GSVP auch in den zu eta- blierenden parlamentarischen Kontrollstrukturen wie- derfinden muss. Damit komme ich auch endlich zum vorliegenden Antrag unserer Kolleginnen und Kollegen der Fraktion Die Linke. Es gibt genau drei Sätze in ihrem Antrag, de- nen ich ohne größere Bedenken zustimmen kann. Der eine lautet im Feststellungsteil unter 1. „Mit dem Vertrag von Lissabon hat die Bedeutung der GASP/GSVP signi- fikant zugenommen.“ Der zweite findet sich ebenfalls auf Seite 1 unter 7.: „Der Deutsche Bundestag unter- stützt die Bemühungen anderer nationalstaatlicher Parla- mente wie auch des Europäischen Parlaments für Schritte zu einer stärkeren parlamentarischen Kontrolle der GASP und der GSVP.“ Der letzte Satz unserer Über- einstimmung findet sich auch im letzten Satz ihres An- trages, in dem festgehalten wird, dass eine zu gründende interparlamentarische Konferenz für die GASP/GSVP den nationalen Parlamentsvorbehalt zur Entsendung von Bundeswehrsoldaten nicht beeinträchtigen kann. Mit al- len anderen Sätzen ihres Antrages habe ich leichte bis massive Schwierigkeiten. Angefangen von der teilweise etwas unsystematischen Struktur ihres Gesamtantrages, der ständig zwischen politischen, juristischen und struk- turellen Aspekten wild hin und her springt, bis hin zu ih- rem mantraartig vorgetragenen Vorwurf einer schlei- chenden Militarisierung der europäischen Außenpolitik, den ich in dieser Form als vollkommen überzeichnet empfinde. Ganz zu schweigen von der sachlich schlicht falschen Suggestion, die sie hier einflechten, der EU- Haushalt sei parlamentarisch nicht ausreichend kontrol- liert. Das Gegenteil ist doch der Fall, wie die starke Ver- handlungsposition des EPs gegenüber der Hohen Reprä- sentantin beim Aufbau des EAD deutlich unter Beweis gestellt hat. Was wir viel mehr brauchen, ist eine neue interparla- mentarische Struktur, die es auch uns nationalen Abge- ordneten ermöglicht, auf die formellen und informellen Kontroll- und Einflussmöglichkeiten des Europäischen Parlamentes gegenüber der EU-Kommission, der Hohen Vertreterin und dem EAD zurückgreifen zu können, um wirklich europäisch, das heißt kooperativ gegenüber den Institutionen der EU und den Mitgliedstaaten agieren zu können. Daher muss diese zu erarbeitende, neue inter- parlamentarische Struktur sicherstellen, dass sich die Abgeordneten des EPs und der nationalen Parlamente auf gleicher Augenhöhe begegnen. Ziel muss es sein, die Parlamentarier, die auf der nationalen Ebene in die Ent- scheidungsfindung in den Bereichen Außen-, Sicher- heits- und Verteidigungspolitik eingebunden sind, mit den für diese Bereiche zuständigen Abgeordneten des Europäischen Parlamentes zusammenzubringen. Nur so bilden wir eine neue Allianz von EU-Parlamentariern und Abgeordneten der nationalen Parlamente, die Debat- ten wie die über den Umgang mit diktatorischen Regi- men, die ihre eigene Bevölkerung massiv und gewaltsam unterdrücken, wie im Falle Libyens, oder die bereits ge- schilderte Entscheidung im Falle Palästinas führen und in ihre jeweiligen Länder zurücktragen können. Unser Vorschlag zur Schaffung einer neuen interpar- lamentarischen Konferenz bedeutet jedoch nicht, dass wir eine weitere Entscheidungsebene oder gar eine neue, eigenständige Institution schaffen wollen. Wir wollen auch keine Kompetenzen des Deutschen Bundestages in der Außen- und Sicherheitspolitik „durch die Hintertür“ nach Brüssel transferieren. Aber wir sind fest davon überzeugt, dass eine nah an den Strukturen und Arbeits- möglichkeiten des EPs angegliederte interparlamentari- sche Struktur sowohl zu effektiveren „Kontrollmöglich- keiten“ der GASP/GSVP durch die Parlamente in den Mitgliedstaaten führt als auch am besten dazu geeignet ist, im Geiste des Vertrages von Lissabon zu einer Euro- päisierung der Außen- und Sicherheitspolitik beizutra- gen. Diesen Sinn und Zweck erfüllt der vorliegende An- trag leider in keiner Weise. Aus diesem Grund können wir ihm auch nicht zustimmen. Denn lassen Sie mich den Schlusssatz meiner letzten Rede zu diesem Thema noch einmal wiederholen: Es liegt an uns Bundestagsabgeordneten, Deutschland zu einem Vorreiter und nicht zu einem Hemmschuh auf dem Weg zu einer zukunftsweisenden gemeinsamen eu- ropäischen Außen- und Sicherheitspolitik zu machen. Oder wie es Donald Tusk in seiner Rede vor dem Euro- päischen Parlament sagte: „Je mehr Europa, desto weni- ger Krise.“ Joachim Spatz (FDP): Vor wenigen Wochen haben wir an dieser Stelle über die Anträge der Koalition, der Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 14197 (A) (C) (D)(B) SPD sowie der Grünen zur parlamentarischen Kontrolle der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik bezie- hungsweise der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidi- gungspolitik der Europäischen Union debattiert. Bei allen Differenzen, beispielsweise in Fragen der Zusam- mensetzung bzw. der organisatorischen Ausgestaltung des zu errichtenden parlamentarischen Gremiums, wie- sen die Anträge eine Gemeinsamkeit auf: Sie waren alle- samt von der Überzeugung getragen, dass die Europäi- sche Union durch den Vertrag von Lissabon in Fragen der Außenpolitik einen großen Schritt vorangekommen ist und dass der Weg verstärkter Integration im Bereich der GASP und der GSVP unbedingt weiter beschritten wer- den muss. Diesen vernünftigen Grundtenor vermag ich im vorliegenden Antrag der Linken nicht zu erkennen. Stattdessen ist Ihr Antrag von Feststellungen und Forde- rungen wie beispielsweise der grundsätzlichen Ableh- nung von Militäreinsätzen der Europäischen Union durchzogen, die sich fernab jeglicher sicherheits- und verteidigungspolitischer Realitäten bewegen. Gerade der von Ihnen kritisierte Aufbau ziviler und militärischer Kapazitäten auf EU-Ebene hat maßgeblich dazu beige- tragen, die Europäische Union im Bereich der internatio- nalen Konfliktverhütung und Krisenbewältigung als maßgeblichen Akteur zu etablieren. Dabei stellen die militärischen EU-Missionen einen wichtigen Beitrag zur Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik dar. Wir begrüßen die Entwicklung einer fortschreitenden Integration im Bereich der GASP/GSVP ausdrücklich. Die Rolle der EU als internationaler Akteur wird sowohl in qualitativer als auch quantitativer Hinsicht weiter stei- gen. Ich will die Gelegenheit nutzen und an dieser Stelle erneut die uns wichtigen Punkte in der Frage der weite- ren Entwicklung im Bereich der GASP/GSVP skizzie- ren: Um den Integrationsprozess in dem hoch sensiblen Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik schrittweise gestalten zu können, ist es angebracht, sich rechtzeitig darüber Gedanken zu machen, wie die Entwicklungen mit den Bürgern rückgekoppelt werden können, geht es letztlich doch um die Perzeption elementarer Sicher- heitsbedürfnisse. Zum jetzigen Zeitpunkt bestehen noch – teilweise wesentliche – Unterschiede bei der Defini- tion dessen, was in Europa als Sicherheitsinteresse zu gelten hat und welche Mittel zur Deckung dieser Interes- sen von Nöten sind. Daher muss parallel zu den sich vollziehenden Schritten der Integration ein politischer Prozess in Gang gesetzt werden, der am Ende ein gesamt- europäisches Sicherheitsbewusstsein schafft. Dabei muss die Bevölkerung mitgenommen werden. Erst wenn es uns gelingt, gemeinsame sicherheitspolitische Interes- sen politisch zu definieren und diese auch von der Be- völkerung wahrgenommen und akzeptiert werden, kann Europa sein Potenzial in der Gemeinsamen Außen-, Si- cherheits- und Verteidigungspolitik komplett entfalten. Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik und die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Europäischen Union gehören unserer Ansicht nach auch nach dem Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon zu den Kernkompetenzen der Mitgliedstaaten. Wenn sich die nationalen Regierungen in Brüssel im Sinne der fort- schreitenden Integration im Bereich der GASP – sinnvol- lerweise – auf weitergehende Maßnahmen verständigen, die mindestens indirekt Auswirkungen auf die nationale Außen- und Sicherheitspolitik haben, ist aus unserer Sicht eine intensive parlamentarische Begleitung durch die nationalen Parlamente dringend erforderlich. Die im Antrag von CDU/CSU und FDP skizzierte Interparla- mentarische Konferenz ist ein erster wichtiger Schritt hierfür. Die parlamentarische Begleitung der GASP und GSVP ist nach den neuen Vertragsbestimmungen nicht auf das Europäische Parlament übergegangen. Vielmehr wurde eine bewusste Entscheidung dahin gehend getrof- fen, dass beide Materien als zwischenstaatliche Aufgabe wahrzunehmen sind und in maßgeblicher Verantwortung der Mitgliedstaaten verbleiben. Dies gilt insbesondere für Deutschland, wo beispielsweise für Auslandseinsätze der Bundeswehr auch weiterhin die konstitutive Zustim- mung des Deutschen Bundestages erforderlich bleibt. Der Schlüssel liegt meiner Ansicht nach in der ebe- nenübergreifenden Vernetzung der parlamentarischen Akteure im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik. Wir benötigen diese parlamentarische Dimension im Be- reich der GASP und GSVP. Sie ist eine wichtige Voraus- setzung dafür, dass eine tiefgreifende Integration des bis- lang nicht vergemeinschafteten Politikfeldes gelingen kann. Diese wird umso effizienter, je stärker nationale Parlamente und das Europäische Parlament miteinander verknüpft werden. Unser Ziel ist es daher, die wichtigs- ten parlamentarischen Akteure der nationalen Parla- mente mit den Kollegen aus dem Europäischen Parla- ment in einer Interparlamentarischen Konferenz zu vernetzen. Wir sind der Überzeugung, dass das Gremium in sei- ner Zusammensetzung die Vielfalt der nationalen Parla- mente widerspiegeln sollte, und schlagen vor, dass die Mitgliederzahl sich proportional am Schlüssel der Parla- mentarischen Versammlung des Europarates orientiert. Die Anzahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments sollte dabei der Anzahl der Mitglieder des größten Mit- gliedslandes entsprechen. Bei der Besetzung der Delega- tionen sollten die beteiligten Parlamente unserer Ansicht nach frei sein, um zu gewährleisten, dass den Themen entsprechend wechselnde Mitgliedschaften möglich sind. So schaffen wir ein hinreichendes Maß an Flexibi- lität, das dazu geeignet ist, die thematische Bandbreite der GASP und GSVP zu reflektieren. Nachdem die Parlamentspräsidenten im Frühjahr un- ter belgischem Vorsitz das Thema erstmals diskutiert ha- ben, wird es im nächsten Jahr nun Aufgabe des polni- schen Parlamentspräsidenten sein, eine Einigung über Ausgestaltung und Etablierung der Interparlamentari- schen Konferenz zu erzielen. Ich bin der Überzeugung, dass wir mit dem von uns eingebrachten Antrag eine sehr gelungene Grundlage für die weiteren Verhandlun- gen vorgelegt haben, und wir werden aktiv bei unseren europäischen Nachbarn für unseren Vorschlag und die damit verbundenen Vorstellungen werben. 14198 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 (A) (C) (D)(B) Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Bereits vor vier Wochen haben wir hier über die parlamentari- sche Beteiligung an der Gemeinsamen Außen- und Si- cherheitspolitik der EU debattiert. Nun zieht die Linke nach – warum erst jetzt? Darüber könnte man ja hinwegsehen, wenn Sie in Ih- rem Antrag den Versuch machen würden, das zu schaf- fen, was bis jetzt an der Engstirnigkeit der Koalitions- fraktionen gescheitert ist: nämlich für eine gemeinsame Position des Deutschen Bundestags zu werben. Aber Sie können ebenso wenig über Ihren Schatten springen, wie es die schwarz-gelben Kolleginnen und Kollegen in der letzten Debatte vermocht haben. In Ih- rem Antrag stimmen sie wieder das alte Lied von der Militarisierung der Europäischen Union an und lehnen jeglichen Militäreinsatz grundsätzlich ab. Damit zeigen sie nur, dass Sie an einer Europäischen Union, die sich aktiv für Frieden und Sicherheit in der Welt einsetzt, nicht interessiert sind. Das Grundproblem der europäischen Außen- und Si- cherheitspolitik liegt aber woanders: in ihrer mangeln- den demokratischen Legitimation. Sie stellen richtig fest, dass die Anzahl von EU-Missionen in den letzten Jahren angestiegen ist. Der Vertrag von Lissabon hat lei- der in diesem Bereich kein Mehr an demokratischer Kontrolle gebracht. In dieser Beurteilung gibt es immer- hin einen fraktionsübergreifenden Konsens. Sie verlangen nun einen neuen Europäischen Vertrag. Solange es den nicht gibt, verlangen sie eine Interparla- mentarische Versammlung mit weitgehenden Befugnis- sen. Betrachtet man, wie sie die Versammlung ausgestal- ten wollen, muss man leider feststellen, dass Sie die Funktionsweise der Gemeinsamen Außen- und Sicher- heitspolitik nicht verstanden haben. Entweder ist Ihnen nicht bekannt, dass dieses Politikfeld intergouvernemen- tal organisiert ist, oder Sie wollen Ihren Wählern Mög- lichkeiten vorgaukeln, von denen Sie genau wissen, dass sie innerhalb des geltenden EU-Vertrages nicht umsetz- bar sind. Das ist nicht redlich. Sie wollen diese Versammlung gleich zu einem Qua- siparlament aufblähen – mit Ablehnungs- und Zustim- mungsrecht, mit einer Vielzahl an eigenen Ausschüssen, Mitentscheidungsrechten über Personalfragen und zu- sätzlicher Bürokratie durch ein eigenes, ständiges Sekre- tariat. Das hat wenig mit einem realistischen Politikver- ständnis zu tun. Die Grundidee einer Interparlamentarischen Ver- sammlung teilen wir ja mit Ihnen. Wir Grüne setzen uns auch dafür ein, dass Abgeordnete der nationalen Parla- mente und des Europäischen Parlaments im Rahmen ei- ner gemeinsamen Versammlung zusammenkommen. So wird der Raum für einen Informationsaustausch geschaf- fen, der zu einer effektiven Kontrolle notwendig ist. Diese Versammlung soll weitgehende Kontrollrechte ge- genüber Frau Ashton erhalten. Gleiches gilt gegenüber dem Europäischen Auswärtigen Dienst, der EU-Kom- mission, dem Rat und dem Politischen und Sicherheits- politischen Komitee. Wir setzen uns auch dafür ein, dass Abgeordnete aus den potenziellen EU-Beitrittsländern mit Beobachterstatus eingeladen werden. Der konkrete Teilnehmerkreis soll sich nach den Themenschwerpunk- ten richten und so Mitglieder aus den Ausschüssen für Außen, Europa, Verteidigung, Entwicklung und Men- schenrechte umfassen. Diese Versammlung soll weitge- hende Fragerechte gegenüber den EU-Institutionen erhalten sowie das Recht, eigene Schlussfolgerungen zu verabschieden. Ebenso muss gewährleistet sein, dass sich diese Interparlamentarische Versammlung regelmä- ßig trifft und ausdrücklich die Möglichkeit zu Ad-hoc- Treffen sowohl auf Initiative der nationalen Parlamente als auch des Europäischen Parlaments gewährleistet ist, falls aktuelle Themen dies erfordern. So wäre innerhalb des geltenden Vertragsrechts eine angemessene und ef- fektive EU-weite parlamentarische Beteiligung gesi- chert. Zum Abschluss muss ich nochmals bedauern, dass es bisher nicht gelungen ist, eine fraktionsübergreifende Verständigung zu erreichen, was die parlamentarische Kontrolle der Gemeinsamen Außen- und Sicherheits- politik betrifft. Die Koalitionsfraktionen haben hier bis- her die Chance einer konstruktiven Zusammenarbeit nicht genutzt. Die Verhandlungen waren doch bereits auf gutem Wege. Unter Leitung des CDU-Kollegen Polenz hatten wir uns doch bis auf wenige Punkte angenähert, bis Sie den Dialog abgebrochen haben. Sie haben es vor- gezogen, die Koalitionsmeinung durchzusetzen, statt in dieser auf die EU ausstrahlenden Frage auf eine breite Mehrheit im Deutschen Bundestag hinzuarbeiten. Und auch der Antrag der Linken leistet leider keinen Beitrag dazu. Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Großen Anfrage: Effektivie- rung des Jugendschutzes (Tagesordnungs- punkt 19) Dorothee Bär (CDU/CSU): Kinder und Jugendliche haben ein verfassungsrechtlich garantiertes Recht auf die Entfaltung ihrer Persönlichkeit. Hierbei sind grundsätz- lich zunächst die Eltern gefragt: Pflege und Erziehung der Kinder sind nach Art. 6 GG ihr natürliches Recht und die ihnen obliegende Pflicht. Es gibt jedoch immer wieder Fälle, in denen eine lückenlose elterliche Kon- trolle entweder kaum möglich ist oder faktisch nicht stattfindet. Kein Elternteil kann selbstständig verhin- dern, dass sein Kind zu jedem Zeitpunkt vor Gefährdun- gen sicher ist. Insofern sind Eltern darauf angewiesen, dass der Staat Gesetze erlässt, die im Alltag Kindern und Jugendlichen in ihrer Entwicklung ein Mindestmaß an Schutz bieten. Dieser Aufgabe sind wir mit der Schaf- fung des Jugendschutzgesetzes nachgekommen, das am 1. April 2003 in Kraft getreten ist. Darauf ruhen wir uns jedoch nicht aus. Da wir den Ju- gendschutz als zentrale Angelegenheit ansehen, ist auch seine Verbesserung unsere ständige Aufgabe. Insbeson- dere ist eine stetige Kontrolle des Vollzuges für einen ef- fektiven Jugendschutz unerlässlich – denn Gesetze al- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 14199 (A) (C) (D)(B) leine vermögen unsere Kinder und Jugendlichen nicht zu schützen. Besonders hervorzuheben ist hierbei die Dro- gen- und Suchtprävention von Jugendlichen, die eine wichtige Aufgabe für uns darstellt. Zur Verbesserung des Vollzugs gilt es vor allem, die bestehenden Maßnahmen zu optimieren und zu vernetzen. Zu diesem Zwecke wer- den wir einen Nationalen Aktionsplan verabschieden. Dies haben wir im Koalitionsvertrag vereinbart, und da- für setze ich mich ein. Ein umfassendes Konzept wird derzeit von der Bunderegierung entwickelt. Der Vorwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, dass hier weitge- hende Untätigkeit herrsche, ist damit nicht haltbar. Ausdrücklich widersprechen möchte ich an dieser Stelle auch der pauschalen Behauptung, dass es im Ju- gendschutz eine „Vielzahl unwirksamer freiwilliger Selbstverpflichtungen“ gebe. Diese Selbstverpflichtun- gen der Wirtschaft, die sich vornehmlich auf die Berei- che Werbung und Telemedien beziehen, sind keineswegs unwirksam, sondern haben sich in der Praxis stetig be- währt. Insbesondere gibt es keine Anzeichen dafür, dass die Selbstverpflichtungen im Bereich der Werbung nicht funktionieren. 91 Prozent der Unternehmen, deren Wer- bung beanstandet wurde, änderten aufgrund ihrer Kritik ihre Werbung oder nahmen diese aus den Medien. Effektiven Jugendschutz zu leisten, ist eine ständige Aufgabe, derer wir uns annehmen müssen und wollen. Die Verabschiedung eines nationalen Aktionsplans Ju- gendschutz haben wir auf der Agenda. Abschließend lässt sich festhalten, dass wir die Zuwendungen für den Jugendschutz seit dem Jahr 2003 vervierfacht haben. Nicht zuletzt dies zeigt, wie wichtig uns das Thema Ju- gendschutz ist. Thomas Jarzombek (CDU/CSU): Die Große An- frage und der Entschließungsantrag der Fraktion Bünd- nis90/Die Grünen zielen auf eine Effektivierung des Ju- gendschutzes in Deutschland ab. Ich freue mich, dass auch die Grünen dieses Thema entdeckt haben und sich in die Diskussion einbringen. Verwundert bin ich jedoch, dass in dem Entschließungsantrag die, wie ich finde, ex- zellente Arbeit der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ nicht mit einem Wort gewürdigt wird. Denn in deren Projektgruppe Medienkompetenz und Jugendschutz haben wir gerade vor zwei Wochen den Bericht verabschiedet, der bei vielen Aspekten Hinweise in die richtige Richtung gibt. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage: Ist der Jugendschutz, wie wir ihn aus dem Offlinebereich kennen, auch ein Jugendschutz für den Onlinebereich? Das Scheitern der Novelle des JMStV macht das Fra- gezeichen größer. Und die Frage muss gestellt werden, ob die staatlich beauftragte Herstellung eines Jugend- schutzprogramms für Windows von Microsoft wirklich das Fundament sein soll, auf dem ein gesamtes Gesetz- gebungsverfahren aufbaut, das der ultimative Schutz vor jugendgefährdenden Inhalten sein soll? Technik wird meines Erachtens keine rechtlichen Pro- bleme im Netz lösen. Das gilt für Netzsperren genauso wie für Jugendschutzprogramme. Daher braucht es ein neues Leitmotiv. Die Enquete hat es so formuliert, dass dies vor allem der Schutz von Kindern und Jugendlichen vor dem unbeabsichtigten Kontakt mit ungeeigneten In- halten sein soll. Das bedeutet aber auch: Der Jugendschutz im Internet muss auch eine umfassende Stärkung der Medienkompe- tenz von Kindern und Jugendlichen sowie auch von de- ren Eltern beinhalten. Die Projektgruppe Medienkompe- tenz in der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ hat dazu vor zwei Wochen Handlungs- empfehlungen vorlegt, die wir nun mit Leben füllen wer- den. Natürlich müssen die medienpolitischen Aktivitäten des Bundes und der Länder stärker miteinander verbun- den werden. Die Vielzahl der teilweise vorbildlichen Projekte erschwert eine Orientierung für den Ratsuchen- den. Eine stärkere Vernetzung schafft Synergieeffekte. Wir müssen Kinder und Jugendliche auch schon dort ansprechen, wo sie im Internet unterwegs sind. Daher empfiehlt die Projektgruppe Medienkompetenz die ver- stärkte Nutzung viraler Kampagnen zur Aufklärung. Die von der christlich-liberalen Bundesregierung unter- stützte Kampagne „Watch Your Web“ hat dabei vielver- sprechende Ansätze präsentiert. Die sozialen Netzwerke haben durchaus nachvollziehen können, dass die Nutzer in der Folge ihre Privatsphäreeinstellungen angepasst haben. Dies ist umso bedeutender, wenn man bedenkt, dass die Kinder und Jugendlichen die größten Gefahren nicht in ungeeigneten Inhalten wie Pornografie oder Ge- walt erkennen, sondern für sie stehen vielmehr die Ge- fahren aus der sozialen Interaktion im Vordergrund. Schlagworte wie Mobbing, Bullying und Grooming seien hier nur exemplarisch genannt. Auch wir wollen Eltern sensibilisieren und als Multi- plikatoren ansprechen. Dazu können Informations- abende oder auch die Eltern-LANs der Bundeszentrale für politische Bildung als sinnvolle Initiativen genannt werden. Es existieren auch zahlreiche andere Vorhaben, wie die Elternabende der Landesanstalt für Medien in NRW. Hier engagieren sich IT-Experten ehrenamtlich für eine Medienbildung bei den Eltern. Dabei steht die Stärkung des Erziehungsrechts der Eltern im Vorder- grund. Nur wenn sie selbst verstehen, wie das Internet funktioniert, können sie dieses Wissen an ihre Kinder weitergeben. Auch die von der Bundesregierung unterstütze Initia- tive „Ein Netz für Kinder“ muss weiter gestärkt werden. Insbesondere in der Zielgruppe der Kinder kann es uns gelingen, sichere Surfräume zu schaffen. Die medienpä- dagogische Begleitung dieses Projekts sichert attraktive Angebote zur Medienbildung für Kinder und vermittelt grundlegende Fertigkeiten. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat in ihrer An- frage mehrmals auf das Spannungsverhältnis von Ju- gendschutz im Internet hingewiesen, ohne dabei auch auf Landeszuständigkeiten Rücksicht zu nehmen. Das ist nicht überraschend. Sie wissen aber so gut wie ich, dass Glücksspiele im Internet in der Zuständigkeit der Bun- 14200 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 (A) (C) (D)(B) desländer liegen, was auch die anhaltende Diskussion um die Novellierung des Glücksspielstaatsvertrags deut- lich macht. Eine Diskussion, in deren Verlauf diverse Landesregierungen plötzlich zu Anhängern des Instru- mentes der Netzsperren geworden sind. Dennoch möchte ich noch zwei Anmerkungen zur Novelle des JMStV machen. Aus meiner Sicht ist es wichtig, dass Gesetze für die Betroffenen auch verständ- lich sind. Die umfangreichen Diskussionen haben ge- zeigt, dass dies beim JMStV-Entwurf nicht der Fall war. Als zweites müssen Gesetze auch technisch plausibel sein. Auch hier gab es große Defizite, und ich stelle meine Eingangsfrage erneut: Sind wir wirklich über- zeugt, dass ein Windows-Programm die Lösung für den Jugendschutz ist, wo nicht nur die dahinterliegende Technikgläubigkeit zweifelhaft ist, sondern alle Studien sagen, dass die meisten Jugendlichen in Zukunft mit mo- bilen Geräten surfen, die nicht auf Windows basieren? Aber wir müssen das Augenmerk auch auf die eigene Gesetzgebung richten. Die Bundesregierung hat in ihrer Antwort auf die Große Anfrage offen bekundet, dass derzeit eine Überprüfung des Jugendschutzgesetzes auch in Teilen des Jugendmedienschutzes läuft. Natürlich sind wir uns dabei der Tatsache bewusst, dass nationale Ju- gendschutzregelungen nicht über die Grenzen der Bun- desrepublik Deutschland hinaus Wirkung entfalten kön- nen. Gleichzeitig müssen wir erkennen, dass sich ein einheitliches internationales Jugendschutzniveau nicht realisieren lässt, da sich die Vorstellungen über die Zu- lässigkeit bestimmter Abbildungen zu sehr zwischen den Ländern unterscheiden. Ist in Deutschland die Darstel- lung von Gewalt gesellschaftlich geächtet, wird in den Vereinigten Staaten von Amerika die Darstellung nack- ter Haut sehr viel rigider gehandhabt. Ich bin zuversichtlich, dass die Empfehlungen der En- quete-Kommission auch in eine Überprüfung des Ju- gendschutzgesetzes durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend einfließen wer- den. Aydan Özoğuz (SPD): Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat in ihrer Großen Anfrage einen umfassenden und sinnvollen Fragenkatalog zusammengestellt, der die Problematik und die Fragestellungen des Themas „Kin- der- und Jugendschutz“ gut umreißt. Es wäre schön ge- wesen, wenn auch die entsprechenden Antworten der Bundesregierung umfassend gewesen wären und mehr Erkenntnisse gebracht hätten. Jugendschutz ist zum einen immer der Schutz vor konkreten Gefährdungen, zum anderen beinhaltet der Gedanke des Jugendschutzes für mich aber auch die Prä- vention, nämlich die Befähigung von Kindern und Ju- gendlichen, Gefährdungen zu erkennen und selbstbe- wusst und selbstbestimmt damit umzugehen. Meist sind es die gut informierten, begleiteten und selbstbewussten Kinder und Jugendlichen, die den vermeintlichen Reizen von Alkohol, Tabak oder Glücksspiel widerstehen oder sich nicht in Online- oder Computerspielsucht verlieren. Dadurch wird deutlich: Präventiver Jugendschutz ist nicht nur Aufgabe des Staates und seiner ausführenden Behörden, sondern auch Aufgabe unserer gesamten Ge- sellschaft. Beispiel Alkoholkonsum. In Deutschland brauchen wir uns eigentlich nicht zu wundern, dass Kinder und Ju- gendliche viel zu häufig zur Flasche greifen. Deutsch- land nimmt im europäischen Vergleich regelmäßig „Spitzenpositionen“ beim Pro-Kopf-Konsum von Alko- hol ein. Jüngste Zahlen aus dem aktuellen Drogen- und Suchtbericht belegen, dass wir seit der Ersterhebung 2000 eine Steigerung von 178 Prozent bei der Zahl von Jugendlichen haben, die wegen extensivem Alkoholkon- sum ins Krankenhaus eingeliefert werden mussten. Das muss uns sehr besorgt machen. In der Kinderkommis- sion des Deutschen Bundestages herrscht anlässlich der Gespräche zum Jugendschutz Einigkeit, dass es eine Verharmlosung der Folgen des Alkoholkonsums gibt und dass darüber hinaus Alkohol in der Werbung – aber auch in manchen Elternhäusern – als etwas Besonderes dargestellt wird. Oder können Sie sich erklären, warum man in unseren Supermärkten Kindersekt kaufen kann? Zumindest sind in der Zwischenzeit Schokoladen- oder Kaugummizigaretten weitestgehend aus dem Handel verschwunden, auch wenn sie noch nicht verboten sind. Die Werbewirtschaft hat vor allem ihren Umsatz im Blick. Zahlreiche Werbespots für Bier- und andere alko- holhaltige Mischgetränke suggerieren unseren Jugendli- chen, dass ihnen der Genuss des beworbenen Getränks Attraktivität, Coolness und Erfolg bringen wird. Es be- darf hier keiner Namensnennung. Ich bin mir sicher, Sie alle haben die entsprechenden Bilder im Kopf. Der Konsum von Alkohol ist bei uns aber auch zu ei- ner gesellschaftlichen Normalität geworden. Alkohol ist der selbstverständliche Begleiter von Geburtstagsfeiern, Straßen-, Schützen- oder Feuerwehrfesten, und kaum ein Sieg bei einem sportlichen Wettkampf kann ohne ein Glas Sekt oder ein „Siegerbier“ begangen werden. Die Vorbildfunktion von Eltern und Gesellschaft ist meines Erachtens ein wichtiger Aspekt. Karl Valentin hat das sehr pointiert formuliert: „Kinder brauchen nicht erzo- gen werden, sie machen uns eh alles nach.“ Dies gilt es wohl im Besonderen bei schädlichen und gefährlichen Verhaltensweisen zu beachten. Was tut nun aber die Bundesregierung für einen bes- seren Jugendschutz? Zunächst haben Sie in Ihrem Koali- tionsvertrag vollmundig einen Nationalen Aktionsplan gemeinsam mit Ländern, Kommunen, Verbänden und Wirtschaft angekündigt, der „sowohl ein umfassendes Konzept zur Verbesserung des Jugendschutzes beinhaltet, als auch Maßnahmen zur Verbesserung der Partizipation, der Medienkompetenz und der Gewalt- sowie Suchtprä- vention vorsieht“. Ich habe mir erlaubt, im Februar 2010 nach dem Zeitplan für diesen Aktionsplan zu fragen. Ihre Antwort damals war, dass „ein konkreter und abge- stimmter Aktionsplan“ im Jahr 2011 vorliegen werde. In Ihrer Vorhabenplanung, die Sie zu Beginn des Jahres 2011 dem Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vorgelegt haben, ist davon aber nichts mehr zu lesen. Noch konkreter: Zum Thema Jugendschutz ist in dieser Vorhabenplanung gar nichts zu lesen. Die Frage 6 der Großen Anfrage nach der zeitlichen Planung bis zur Vorlage des Aktionsplans haben Sie vorsichtshalber erst Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 14201 (A) (C) (D)(B) gar nicht beantwortet. Das Jahr 2011 hat noch einige Monate, ich bezweifle aber jetzt schon, dass Sie es schaffen werden, einen entsprechenden Aktionsplan im gesteckten Zeitrahmen vorzulegen. Lediglich vage Ankündigungen waren von der Bun- desregierung auch kürzlich erst zum Jugendschutz im Be- reich von Geldspielautomaten zu hören. Anstatt die ei- gene Drogenbeauftragte zu unterstützen, die aus Gründen des Jugendschutzes ein Verbot von Geldspielautomaten in Gaststätten und anderen öffentlichen Orten gefordert hatte, kamen postwendend Dementi aus dem Wirtschafts- und dem Gesundheitsministerium. Und selbst die für Ju- gendschutz zuständige Ministerin Schröder konnte sich nicht dazu durchringen, der Kollegin Dyckmans beizu- springen. Auf meine schriftliche Frage hin wurde lediglich auf eine Ausweitung von technischen Sicherungsmaß- nahmen an Spielgeräten verwiesen, die das Wirtschafts- ministerium nun prüft. Es überrascht wahrscheinlich nicht, dass die Auskünfte aus dem Wirtschaftsministe- rium zu besagten technischen Sicherungsmaßnahmen ziemlich unkonkret waren. Ich zitiere: „Einzelheiten, ein- schließlich der Frage, welche Übergangsfristen notwen- dig sind, werden noch geprüft.“ Auch hier ist Ihr Ziel, noch im Jahr 2011 Änderungen in der Spieleverordnung vorzunehmen. Auch hier bin ich gespannt, was Sie uns vorlegen werden. Aber dass Sie ihre eigene Drogenbeauf- tragte im Regen stehen lassen, scheint ja gute Tradition zu sein. Die Drogenbeauftragte Frau Dyckmans selbst räumte in einem Gespräch mit dem Familienausschuss am 6. Oktober 2010 ein, dass die Kürzungen im Bundes- haushalt 2011 für Präventionskampagnen von nahezu 20 Prozent ihre Arbeit erheblich erschweren. Im Bundes- haushalt 2011 wurde an allen Programmen gekürzt. So stehen für Maßnahmen auf dem Gebiet des Drogen- und Suchtmittelmissbrauches statt 8,2 lediglich 7,7 Millionen Euro zur Verfügung. Die wichtigen Präventionskampa- gnen gegen Suchtmittel wurden ebenfalls um mehrere Hunderttausend Euro zusammengestrichen. Und wie dem Haushaltsentwurf 2012 zu entnehmen ist, soll noch wei- ter gekürzt werden. Gerade aber auf der Präventionsseite sollten Sie nicht sparen. Wir brauchen mehr Prävention. Sowohl bei der Verhaltens- als auch bei der Verhältnisprävention. Pro- jekte wie beispielsweise KAfKA, die ein stärkeres Be- wusstsein für die gesetzlichen Bestimmungen des Ju- gendschutzes in den Verkaufsstellen vermitteln wollen, sind flächendeckend sinnvoll. Diese Aufklärungsarbeit muss aber sicherlich von Kontrollen begleitet werden. Sie konstatieren in der Antwort auf Frage 3 ja selbst, dass es im Bereich des Jugendschutzes noch Optimierungsbe- darf beim Vollzug bereits bestehender Regelungen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen gibt. Dies trifft in der Praxis für Supermärkte, Kioske, Tankstellen und Gaststätten – trotz der freiwilligen Selbstverpflichtung der Branchen und der Einführung von speziellen Kassen- systemen – gleichermaßen zu: Die allgemeine Anwen- dung bestehender Gesetze lässt schlicht zu wünschen üb- rig. Es wurde zwar reflexhaft nach strengeren Gesetzen gerufen, als ein 16-jähriger Berliner mit über 4 Promille in ein Krankenhaus eingeliefert wurde und in der Folge daran verstarb. Dabei zeigt ein Blick ins Jugendschutzge- setz, dass bereits das erste Glas harten Alkohols gar nicht hätte ausgeschenkt werden dürfen. Natürlich ist der tragi- sche Tod des Jugendlichen ein Extrembeispiel, die alar- mierend hohen Zahlen bezüglich der Krankenhauseinlie- ferungen, die ich bereits genannt habe, zeigen aber deutlich, dass es leider kein Einzelbeispiel ist und Wunsch und Wirklichkeit beim Jugendschutz in Deutschland lei- der oftmals noch weit auseinanderliegen. Die Bundes- regierung muss bei den Ländern, denen der Vollzug der Jugendschutzmaßnahmen unterliegt, stärker auf deren Einhaltung drängen. Ich hoffe, auch hierzu wird etwas in Ihrem Nationalen Aktionsplan stehen – wenn er denn ir- gendwann einmal vorliegen sollte. An dieser Stelle möchte ich aber auch noch meine Ver- wunderung zu einem ganz speziellen Sachverhalt zum Ausdruck bringen. Es handelt sich hierbei um Ihre Ant- wort auf Frage 12 zur Gewaltprävention und Ihre Planun- gen zu einem Projekt, „das Karriereverläufe bei jugendli- chen Gewalttätern untersuchen soll“. Sie schreiben hierzu: „In den Fokus genommen werden ausschließlich männliche Schwerststraftäter im Alter zwischen 14 und 20 Jahren und Täter mit Migrationshintergrund.“ Ich bin doch sehr verwundert über Ihre Kategorienbildung und den Sachzusammenhang, den Sie hier unterschwellig her- stellen. Unerhört, dass Sie innerhalb dieses Projektansat- zes einfache Straftäter mit Migrationshintergrund mit Schwerststraftätern gleichsetzen. Welches Signal wollen Sie damit geben? Frau Ministerin Schröder ist erst Ende letzten Jahres mit ihrem Versuch gescheitert, Menschen mit Migrationshintergrund eine erhöhte Gewaltbereit- schaft zu unterstellen. Ihre Thesen wurden auf ihrer eige- nen Pressekonferenz von ihren eigenen Sachverständigen öffentlich widerlegt. Wieso hören Sie nicht endlich auf mit diesen Kategorien? Straftäter sind Straftäter. Und Schwerststraftäter sind Schwerststraftäter – mit oder ohne Migrationshintergrund. Sagen Sie deutlich, für wel- che Gruppe Sie welche Untersuchungen und nächsten Schritte planen. Florian Bernschneider (FDP): Ich denke, eines wird sowohl durch Ihre Fragen als auch durch die Ant- worten der Bundesregierung deutlich: Der Jugendschutz ist ein Thema, das uns fraktionsübergreifend am Herzen liegt – auch wenn es in der Ausgestaltung unterschiedli- che Positionen gibt, sollten wir das grundlegende ge- meinsame Anliegen nicht aus den Augen verlieren, auch weil wir damit die Grundlage für eine sachorientierte und rationale Diskussion haben. Und gerade das ist wichtig: Nichts wäre schlimmer, als eine Diskussion über den Jugendschutz zu führen und dabei ein Bild der Jugend zu zeichnen, das vielleicht Zeitungsschlagzeilen, aber nicht der Realität entspricht. Und deswegen finde ich es auch wichtig, zu erwähnen, dass unsere Jugend in ihrer großen Mehrheit eben nicht vormittags in der Schule Gewaltvideos dreht, in der Pause den ersten Joint raucht, um dann erst den Nachmittag mit Killerspielen zu verbringen und sich am Abend mit Freunden zum Ko- masaufen zu treffen. Das ist eben nicht die Jugend von heute, und wir stehen in einer solchen Debatte auch in der Verantwortung, genau diesen Eindruck zu korrigie- ren, der viel zu häufig in den Medien vermittelt wird. Es 14202 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 (A) (C) (D)(B) gilt vielmehr die vielen positiven Entwicklungen im Be- reich des Jugendschutzes zu betonen, zum Beispiel dass Jugendliche heute wesentlich bewusster mit Gefahren im Internet umgehen als noch vor einigen Jahren oder dass die Zahl der minderjährigen Raucher kontinuierlich sinkt. Trotzdem dürfen wir nicht die Augen davor verschlie- ßen, dass die uns allen bekannten Schlagzeilen zwar si- cherlich keine Massenerscheinungen sind, aber doch sehr wohl vorkommen. Wir als Politiker stehen in der Verantwortung, unseren Beitrag zu leisten, dass Jugend- liche in diesem Land sicher aufwachsen – das gilt gerade dort, wo die Eltern diese Gefahren nicht selbstständig verhindern können. Dabei gibt es immer zwei mögliche Wege, die wir beschreiten können. Der eine ist, Jugendli- che zu einem eigenverantwortlichen Handeln zu befähi- gen – dies ist ohne jede Frage der schwerere von beiden. Der einfachere ist immer: ein Gesetz, eine Regelung, ein Verbot. Das ist übrigens auch der medienwirksamere Weg, denn so antworten wir auf eine Schlagzeile mit ei- ner neuen. Der nachhaltigere Weg ist es deswegen aber bestimmt nicht, denn häufig wollen wir den tatsächli- chen Hintergrund einfach nur nicht wahrhaben. Ja mehr noch: Am Ende des Tages ist der Ruf nach Gesetzen und Verboten auch immer ein Stück weit das Eingeständnis, dass Politik zu lange versäumt hat, präventiv zu handeln. Wer rechtzeitig handeln will, muss aber auch wissen, an welchen Stellen er ansetzen muss. Und dazu ist es notwendig zu wissen, was Jugendliche bewegt! Wir ha- ben in der Vergangenheit Kinder- und Jugendpolitik häu- fig als gemeinsamen Politikbereich betrachtet. So wich- tig es ist, die Übergänge zwischen Kindheit und Jugend nicht aus den Augen zu verlieren, so notwendig ist es heute aber auch, die Jugendphase stärker in den Fokus zu nehmen, sie als eigenständigen Politikbereich zu be- trachten. Die FDP hat mit der Verabschiedung des Positionspa- piers „Für eine eigenständige Jugendpolitik“ am vergan- genen Dienstag einen ersten großen Schritt in diese Richtung unternommen. Die Koalition bereitet bereits konkrete Vorschläge zur Ausgestaltung vor und wird diese in den nächsten Monaten in die politische Diskus- sion bringen. Sie wird sich dabei der formulierten Heraus- forderung stellen und Nachhaltigkeit in der Jugendpolitik den Vorrang gegenüber Schlagzeilen geben. Denn wir können es uns angesichts von bevorstehendem Fachkräf- temangel und demografischem Wandel schlichtweg nicht leisten, die Entwicklungsmöglichkeiten der jungen Men- schen in diesem Land nicht ausreichend zu schützen. Genauso wenig können wir es uns aber leisten, sie medi- aler Effekthascherei zu opfern. Die vorliegende Antwort der Bundesregierung zeigt aber auch, dass wir dabei nicht ständig das Rad neu er- finden müssen, sondern uns an vielen Stellen schon auf gute Mechanismen und Instrumente verlassen können. Aber ohne jede Frage – es lohnt sich auch das Beste- hende auf seine Wirksamkeit zu hinterfragen. Die Grü- nen fordern in ihrem Entschließungsantrag deswegen auch nicht zu Unrecht eine stärkere Evaluierung geför- derter Maßnahmen. Und so richtig ich diesen Ansatz auch finde, ich denke, dass wir der Sache einen großen Gefallen täten, wenn wir hier mal den leichteren Weg einschlagen. Natürlich kann man jedes geförderte Pro- jekt wissenschaftlich begleiten und es evaluieren. Man kann sich aber auch ganz einfach bewusst machen, dass es wenig Sinn ergibt, die gefühlt hundertste Projektho- mepage zur Prävention einzurichten, sondern die Ju- gendlichen im Internet da abzuholen, wo sie auch sind. Und das heißt dann auch festzustellen, dass 30 000 Be- sucher monatlich auf jugendschutzaktiv.de sicher keine schlechte Bilanz sind, aber dass die Besucherzahlen von Jugend-Communities im zweistelligen Millionenbereich wohl eher der richtige Ort wären, um Jugendliche im Netz anzusprechen (19,3 Millionen Besucher auf schueler.cc). Und manchmal braucht man auch keine wissenschaft- liche Expertise, sondern muss einfach nur die Kommen- tarfunktion von YouTube zur Auswertung unserer Maß- nahmen nutzen. Da steht dann zum Beispiel unter einem Video von Webman – dem Zeichentrickhelden, der im Rahmen von watchyourweb auf Datenschutz in sozialen Netzwerken aufmerksam machen soll: „Das ist so schlecht, dass es schon wieder schlecht ist“, oder ein an- derer Nutzer schreibt: „Ich find's eigentlich gut, dass man auf Datenschutz im Netz aufmerksam machen will, aber das ist doch echt lächerlich, oder?“. Auch wenn man am webman-Konzept offensichtlich noch arbeiten sollte, zeigt die Antwort der Bundesregie- rung doch auch, dass wir im Bereich der Medienkompe- tenz alles andere als untätig sind: Erstens. Im Projekt „Medienqualifizierung“ wurden 30 000 Erzieherinnen und Erzieher geschult. Zweitens. Mit der Kampagne „Schau hin – was deine Kinder machen“ werden Eltern aktiv auf die Gefahren für ihre Kinder im Internet hingewiesen. Drittens. Der Deutsche Computerspielepreis fördert wertvolle und der Entwicklung junger Menschen förder- liche Angebote. Viele weitere Projekte in diesem Bereich zeigen, dass hier bereits vieles auf den Weg gebracht wurde. Deswe- gen ist es natürlich nicht falsch, dass die Grünen den Punkt Medienkompetenz zum Beispiel von Eltern in ih- rem Antrag aufgreifen, aber ich denke, dass wir in der Praxis schon konkreter und weiter sind, als dass wir diese Selbstverständlichkeit erneut beschließen müssten. Lassen Sie mich noch abschließend etwas zu vielen Forderungen und Fragen der Grünen sagen, den Jugend- schutz statt in den Kommunen und Ländern stärker auf Bundesebene zu koordinieren: Ich denke, in vielen Punkten tun Sie der Sache keinen Gefallen, wenn Sie die Entscheidungen und damit auch die Auswirkungen von Jugendschutz für das ganze Land, von Flensburg bis Garmisch-Partenkirchen, vom Bundestag aus vordiktie- ren wollen. Sie haben mit Ihrer Frage nach einer engeren Verzahnung von Jugendämtern, Ordnungsämtern, Poli- zei- und Gewerbeaufsicht natürlich einen wichtigen Punkt angesprochen. Es hilft nichts, wenn das Ord- nungsamt Testkäufe durchführt und das Jugendamt an- schließend nicht über die Ergebnisse berät. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 14203 (A) (C) (D)(B) Sie rufen aber wie so häufig nach verbindlichen, ge- setzlichen Standards auf Bundesebene für die Zusam- menarbeit der Akteure vor Ort. Ich sage: Es ist richtig, eine gute Zusammenarbeit der Akteure vor Ort zu för- dern. Es ist aber falsch, die Zusammenarbeit einem ver- meintlich alleingültigen Diktat zu unterwerfen, beson- ders wenn sich mit den genannten Ämtern und Behörden schon so viele jugendschutzrelevante Institutionen auf kommunaler Ebene befinden. Hier ist es viel sinnvoller, die Entscheidung über die richtigen Maßnahmen vor Ort zu treffen. Das Prinzip der Subsidiarität ist eines der obersten Prinzipien unseres Gemeinwesens und muss auch in der Jugendpolitik gelten. Diana Golze (DIE LINKE): Jugendschutz ist immer dann ein Thema der öffentlichen Debatte, wenn es um Meldungen über das sogenannte Komatrinken, gewalt- verherrlichende Computerspiele oder überhöhten Me- dien- bzw. Fernsehkonsum geht, immer dann also, wenn die Grenzen für das Wohl von Kindern und Jugendlichen bereits überschritten sind. Dementsprechend gestalteten sich auch die bisherigen Reaktionen der Bundesregie- rung in den vergangenen Jahren: schärfere Kontrollmaß- nahmen, höher angesetzte Verbote und am Ende sogar der Vorstoß der damaligen Familienministerin, Kinder und Jugendliche zu Kontrolleuren der eigens für ihren Schutz geschaffenen Gesetze zu machen, die den Zugriff von Minderjährigen auf jugendgeschützte Produkte wie Alkohol oder Tabak regeln. Aber genau diese Vorge- hensweise war und ist leider bezeichnend für diese Bun- desregierung. Ausgeblendet bleiben die Ursachen dafür, warum Ju- gendliche mittels Komasaufen der Realität entkommen wollen oder mit Gewaltvideos die immer brutaler wer- dende Ellenbogengesellschaft nachspielen. Die Bundes- regierung merkt nicht einmal, dass sie mit Hartz IV, Aus- bildungsplatzmangel und Jugendarbeitslosigkeit die Grundlagen dafür geschaffen hat. Viele Jugendliche se- hen deshalb keine Zukunftsperspektiven. Wer das ändern will, muss bei den Ursachen ansetzen. Doch wer Jugendhilfe und Jugendklubs zusammenstreicht, Bildung privatisiert und Zukunftschancen einschränkt, darf sich über die Folgen nicht wundern. Die Antworten, die das Familienministerium auf die Fragen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gegeben hat, zeichnen ein trauri- ges, aber leider realistisches Bild. Den selbst gesteckten Zielen aus dem Koalitionsvertrag im Bereich der Kinder- und Jugendpolitik folgte nichts als die Fortsetzung einer Projektpolitik, die mehr nach dem Zufallsprinzip zu han- deln scheint, als dass irgendein strategisch angelegtes Konzept dahinter steht. So fehlt es zum Beispiel weiter- hin an einem umfassenden Konzept zur Förderung von Medienkompetenz. Bund und Länder befördern fröhlich Einzel- und Pilotprojekte. Nach wie vor fehlt es an einer systematischen Vermittlung von Medienkompetenz in Kindergärten, Horten und Schulen. Von der von der EU-Kommission empfohlenen Aufnahme der Mediener- ziehung in die schulischen Pflichtlehrpläne ist Deutsch- land nach wie vor weit entfernt. Wirksame Gegenmaß- nahmen wären die Stärkung der Medienkompetenz und die Förderung solidarischer Bildung und sozialen Ler- nens in inner- und außerschulischen Räumen. Festzuhalten bleibt am Ende: Das Thema Jugendme- dienschutz steht symbolisch für nahezu alle anderen Be- reiche dessen, was man unter einem effektiven Jugend- schutz verstehen könnte oder sollte. Ob bei der Frage nach einem eigenständigen Rechtsanspruch auf Beratung und Unterstützung im SGB VIII für Kinder und Jugend- liche, bei der finanziellen Sicherstellung einer flächende- ckenden, in jeder Hinsicht gut ausgestatteten Jugendhil- felandschaft, bei der Wahrung des besonderen Schutzes von jungen Menschen in Ausbildung und Beruf durch ein gutes Jugendarbeitsschutzgesetz oder einfach nur bei der Überlegung, dass auch die Bedürfnisse Jugendlicher mit- gedacht werden müssen, wenn es um die Akzeptanz von Kinderlärm geht – Jugendliche brauchen für ihre best- mögliche Entwicklung endlich die notwendige Aufmerk- samkeit. Eine Haushaltspolitik, die bei der Jugendhilfe den Rotstift zuerst ansetzt, Jugendschutzgesetze, die eher auf Verbote, Ausschluss und Zensur, statt auf Partizipation, Prävention und Kommunikation setzen, werden nicht gebraucht, mehr Mittel für Jugendarbeit schon. Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ein starker Jugendschutz ist eine wichtige gesellschaftliche und politische Aufgabe. Leider haben wir von der Bun- desregierung dazu außer Ankündigungen wenig Sub- stanzielles gehört. Deshalb haben wir eine Große An- frage eingereicht, deren Antworten leider überwiegend die Befürchtung bestätigen, dass sie bei diesem Thema untätig und konzeptionslos bleibt. Im Koalitionsvertrag wurde angekündigt, einen Na- tionalen Aktionsplan zu initiieren, der sowohl ein umfas- sendes Konzept zur Verbesserung des Jugendschutzes beinhalten sollte als auch Maßnahmen zur Verbesserung der Partizipation, der Medienkompetenz und der Ge- walt- sowie Suchtprävention. Darauf warten wir bis heute. Nach ihren eigenen Aussagen gibt es noch nicht einmal einen Zeitplan für die Erstellung eines solchen Aktionsplans. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass weder Regierung noch Koalition in dieser Wahlperiode einen substanziellen und fundierten Jugendschutzak- tionsplan vorlegen – erst recht keinen, der diesen Namen verdient und sich nicht in populistischem Aktionismus erschöpft. Damit Jugendschutz glaubwürdig und effektiv ist, muss der Gesetzesvollzug kontinuierlich an neue Ent- wicklungen angepasst werden. Stattdessen liefert die Bundesregierung lediglich einen Flickenteppich von Selbstverpflichtungen, deren Nutzen mehr als fraglich ist und sich auf Fototermine der Bundesdrogenbeauf- tragten mit Wirtschaftsverbänden beschränkt. Auch Frau Ministerin Schröder nimmt ihre koordinierende Funk- tion in der Jugendministerkonferenz nicht wahr. Regel- mäßig Twittermeldungen in die Welt zu setzen, das macht aus Frau Schröder noch lange keine gute Jugend- schutzministerin. Besser wäre es, sich für hohe Sicher- heits- und Privatsphäreneinstellungen als Standard für soziale Netzwerke einzusetzen. 14204 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 (A) (C) (D)(B) Die Politik ist – auf all ihren Ebenen – für klare und konsistente Jugendschutz-Regeln und deren effektive Umsetzung verantwortlich. Nur so können Prävention, Erziehung und Elternkompetenz wirksam unterstützt werden. Seit der gelungenen Reform durch Rot-Grün hat Ministerin Schröder ebenso wie ihre Vorgängerin in die- sem Bereich fast gar nichts erreicht. Bestes Beispiel ist Ihr Umgang mit den praktikablen Empfehlungen der Jugendschutzevaluation des Bredow-Instituts aus dem Jahr 2007. Wie kann es sein, dass die Prüfung der Emp- fehlungen nach vier Jahren immer noch nicht voran- kommt – von politischen Konsequenzen ganz zu schwei- gen? Angesichts dieses ignoranten Verhaltens ist es nicht verwunderlich, dass echte Verbesserungen beim Geset- zesvollzug erst gar nicht angepackt werden. Auch bei abschreckenden Bußgeldern, etwa für verantwortungs- lose Wirte oder Tankstellenpächter: Fehlanzeige. Für uns Grüne ist es ein zentrales jugendpolitisches Ziel, dass Jugendliche befähigt werden, Gefährdungen zu bewältigen, und lernen, mit Herausforderungen ver- antwortlich und selbstbestimmt umzugehen. Der Bund kann dies durch vielfältige Maßnahmen unterstützen. Dazu gehört unter anderem: – eine aktive und koordinierende Rolle in der Jugend- ministerkonferenz einzunehmen, um zu verbindlichen Bund-Länder-Absprachen für einen besseren Jugend- schutz sowie seines Vollzugs zu kommen, – sich für eine intensiviere internationale Zusammenar- beit im Bereich Kinder- und Jugendschutz einzuset- zen, – die Wirkungsforschung zu Jugendschutzmaßnahmen zu verbessern, – die Förderung der Medienkompetenz gemeinsam mit den Ländern zu systematisieren, die bundesweite Ver- netzung voranzutreiben und dadurch das Wissen von Lehrkräften und Eltern sowie die Kompetenz der Ju- gendlichen selbst zu steigern, – eine regelmäßige Evaluation von Jugendschutzmaß- nahmen, etwa im Bereich der Drogen- und Suchtprä- vention, und die Stärkung der Forschung, – die Steigerung der Rechtssicherheit im Internet ge- rade für junge Menschen, indem gemeinsam mit den Ländern die Begriffe „Telemedien“ und „Teleme- dienanbieter“ in den jeweiligen Gesetzen und Staats- verträgen eindeutig definiert werden, – durch eine Novelle der Gewerbeordnung ein Verbot von Glücksspielautomaten in Gaststätten für den bes- seren Schutz von Minderjährigen vorzunehmen – und last, but not least die Rücknahme der enormen Kürzungen bei der Bundeszentrale für politische Bil- dung, deren Arbeit etwa im Bereich der Demokratie- arbeit mit jungen Menschen unverzichtbar ist. Ich fordere die Bundesregierung auf, den warmen Worten im Koalitionsvertrag endlich Taten folgen zu las- sen. Am besten beschließen wir heute unseren vorliegen- den Entschließungsantrag, und Sie machen sich morgen endlich an die Arbeit. Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des § 522 der Zivilprozessordnung (Tagesordnungspunkt 20) Dr. Jan-Marco Luczak (CDU/CSU): Heute vor drei Monaten haben wir hier im Deutschen Bundestag in ers- ter Lesung über den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des § 522 der Zivilprozessordnung debat- tiert. Ich habe bereits in meiner letzten Rede im Deutschen Bundestag hierzu deutlich zum Ausdruck gebracht, dass ich den aktuellen Rechtszustand für wirklich unbefriedi- gend halte. Ich brauche hier nicht alle Details zu wieder- holen; Sie kennen die Kritik an der regional unterschied- lichen Anwendungspraxis dieser Vorschrift und des daraus resultierenden unterschiedlichen Zugangs zum Recht. Sie kennen auch das Gerechtigkeitsproblem, das daraus folgt. Sie wissen, dass viele Bürgerinnen und Bürger es als grobe Ungerechtigkeit empfinden, dass über ihr Verfahren nicht mündlich verhandelt zu werden braucht und dass ihnen gegen einen Zurückweisungsbe- schluss kein Rechtsmittel zur Verfügung steht. Das woll- ten wir ändern. Die Union hat die Einführung des Beschlussverfah- rens nach § 522 Abs. 2 ZPO durch die rot-grüne Bundes- regierung ja auch bereits im Jahre 2001 kritisiert. Wir wollten durch die ZPO-Reform mehr Bürgernähe und nicht weniger Rechtsschutz erreichen. Hätte die damalige Bundesjustizministerin Däubler- Gmelin von der SPD sich unseren Argumenten damals nicht verschlossen, wären viele tragische Einzelschick- sale – etwa das der kleinen Deike Holweg oder das des Herrn Glanzer – möglicherweise juristisch anders aufge- arbeitet worden. In diesem Zusammenhang möchte ich ausdrücklich der Familie Holweg und Herrn Glanzer für ihren unermüdlichen Einsatz für eine Änderung des § 522 ZPO danken. Sie haben gezeigt, dass auch ein- zelne Bürger in unserer Demokratie mit Engagement und der notwendigen Beharrlichkeit sehr viel in der Poli- tik anstoßen und auch erreichen können. Vielen Dank dafür! Aber nicht nur die Anregungen von Bürgerinnen und Bürgern haben wir aufgenommen. Auch die im Rahmen der Expertenanhörung des Rechtsausschusses zu § 522 ZPO vorgetragenen Argumente haben wir gehört, gewo- gen und sie bei unserem Gesetzentwurf berücksichtigt. Auch hier möchte ich noch einmal meinen Dank an die Sachverständigen aussprechen für die vielen konstrukti- ven Hinweise. Mit dem Gesetzentwurf, den wir heute verabschieden werden, behebt die christlich-liberale Koalition die da- maligen Fehler der rot-grünen Zivilprozessreform. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde führen wir nunmehr für Streitwerte ab 20 000 Euro ein neues Rechtsmittel gegen Zurückweisungsbeschlüsse eines Berufungsgerichts ein. Damit können die Bürgerinnen und Bürger gegen einen Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 14205 (A) (C) (D)(B) Zurückweisungsbeschluss auf gleiche Weise vorgehen wie gegen ein Berufungsurteil, in dem die Revision nicht zugelassen wird. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde wird die Entscheidung des Berufungsgerichts durch den Bundesgerichtshof überprüft, sodass sich auch eine ein- heitliche Auslegung der Anwendungsvoraussetzungen des § 522 Abs. 2 ZPO herausbilden wird. Wir haben uns aber bewusst dagegen entschieden, das Institut des Zurückweisungsbeschlusses ersatzlos abzu- schaffen. In eindeutig gelagerten Fällen sollen die Beru- fungsgerichte im Interesse der in der ersten Instanz ob- siegenden Partei und der Prozessökonomie auch weiter so vorgehen können und Prozesse schneller und effizien- ter behandeln können. Damit ermöglichen wir, dass schnell Rechtskraft eintreten und ein Verfahren endgül- tig abgeschlossen werden kann. Von diesem Grundsatz ausgehend haben wir gegen- über dem Referententwurf im parlamentarischen Verfah- ren noch einige Änderungen vorgenommen. Mit der Ausgestaltung als Sollvorschrift ermöglichen wir den Gerichten mehr Flexibilität im Umgang mit der Norm. Wir tragen damit den unterschiedlichen Arbeits- stilen der Gerichte Rechnung, von denen manche das Beschlussverfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO nicht als Ar- beitserleichterung empfanden. Durch den Wegfall der Unanfechtbarkeit des Zurückweisungsbeschlusses ist zu- dem der wesentliche Grund für den zwingenden Charak- ter der Vorschrift entfallen. Das Gericht kann nun auch flexibler entscheiden, ob eine mündliche Verhandlung geboten ist, etwa in exis- tenziellen Fragen, wenn dadurch eine Befriedung des Rechtsstreits zu erwarten ist oder wenn die rechtsstaatli- che Funktion der mündlichen Verhandlung es sonst ver- langt. Das Wort „angemessen“ haben wir in diesem Zu- sammenhang ersetzt, weil der Beschwerdeführer darin möglicherweise ein Werturteil hätte sehen können, dass sein Fall für eine mündliche Verhandlung „nicht ange- messen“ sei. Dieses Werturteil wollten wir vermeiden. Schließlich wurde der Gesetzentwurf im parlamenta- rischen Verfahren auf Initiative der Union noch in einem weiteren Punkt substanziell verändert: Eine Zurückwei- sung durch Beschluss soll zukünftig nur noch erfolgen, wenn die Berufung „offensichtlich“ aussichtslos ist. Da- mit schränken wir den Anwendungsbereich von § 522 Abs. 2 ZPO noch einmal deutlich ein. Er wird auf den Kern reduziert, nämlich auf die wirklich eindeutig gela- gerten Fälle. Offensichtlich aussichtslos ist eine Sache dann, wenn für jeden Sachkundigen ohne längere Nach- prüfung erkennbar ist, dass die vorgebrachten Beru- fungsgründe das angefochtene Urteil nicht zu Fall brin- gen können. Damit vermeiden wir, dass – wie in der Vergangenheit zum Teil erfolgt – der Rechtsschutz für Menschen in unangemessener Weise verkürzt wird. Abschließend halte ich daher fest: Der Gesetzentwurf der christlich-liberalen Koalition behält die positiven Ef- fekte der ZPO-Reform bei, beseitigt aber die Schwach- stellen der rot-grünen Reform. Wir verbinden die Ziele des individuellen Rechtsschutzes, der Entlastung der Ge- richte und einer schnelleren Rechtskraft in einem ausge- wogenen Kompromiss. Und dafür bitte ich um Ihre Zu- stimmung. Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU): Aufgabe der Zivilprozessordnung war es seit jeher, die Rechte des Einzelnen festzustellen und für deren Durchsetzung und somit für ein Ende des Rechtsstreits zu sorgen. Die Zi- vilprozessordnung bildet dabei die Grundlage für das Handeln der Gerichte und der sie beschäftigenden Par- teien. Zudem soll sie für einen fairen Umgang aller Be- teiligten sorgen. Dabei ermöglicht sie dem zuständigen Gericht und den Parteien an vielen Stellen einen gewis- sen Spielraum. Dies geschieht auch zu Recht; denn schließlich kann eine gütliche Einigung auf verschiede- nen Wegen und zu verschiedenen Zeitpunkten erzielt werden. Erst wenn eine gütliche Einigung aussichtslos erscheint, soll der weitere Verfahrensweg beschritten und der obsiegenden Partei zu ihrem Recht verholfen werden. Diese vorgenannten Grundsätze gelten nicht nur für das Erkenntnisverfahren in der ersten, sondern auch für das Berufungsverfahren in der zweiten Instanz. Eine der maßgeblichen Regelungen in der Berufungsinstanz ist § 522 Abs. 2 ZPO. Ihm wird seit mehreren Jahren in der Jurisprudenz entgegengehalten, dass er zu einer teil- weise willkürlichen Missachtung der vorgenannten Grundsätze führe. Schließlich ermögliche die Norm dem Berufungsgericht die Zurückweisung der Berufung, ohne zuvor hierüber mündlich verhandelt zu haben. Ge- gen die Entscheidung bleibt dem Unterlegenen zudem nur der Weg zum Bundesverfassungsgericht, da ein ge- sondertes Rechtsmittel in der Zivilprozessordnung nicht vorgesehen ist. Es ist zudem auffällig, wie viele Verfassungsbeschwer- den seit der Einführung der Norm erfolgreich waren. Die Quote beträgt insgesamt immerhin gut 30 Prozent. Dies liegt sicherlich auch daran, dass die Berufungsgerichte seit der Einführung der Vorschrift sehr unterschiedlich oft von ihr Gebrauch gemacht haben. Erklärungen hier- für lassen sich weder in einem klaren „Nord-Süd-Ge- fälle“ noch in einem „Ost-West-Gefälle“ finden. Viel- mehr kommt es selbst innerhalb einzelner Bundesländer zu erheblichen Unterschieden bei der Häufigkeit der An- wendung. Beide dargestellten Anwendungsschwierigkeiten rechtfertigen aus meiner Sicht die Entscheidung der christlich-liberalen Koalition, § 522 Abs. 2 ZPO zu re- formieren. Ziel sollte dabei nicht nur eine einheitlichere Anwendung der Norm durch die Berufungsgerichte sein, sondern auch eine Stärkung der mündlichen Verhand- lung und der ihr innewohnenden Befriedungsfunktion. Gleichzeitig muss es aber auch weiterhin möglich blei- ben, schnell und effektiv an sein Recht zu gelangen. Diese Vorgaben werden durch den Gesetzentwurf der Bundesregierung zusammen mit den von der christlich- liberalen Koalition erarbeiteten Änderungen umgesetzt. Es wird ein vermittelnder Weg aufgezeigt, der die ver- schiedenen betroffenen Interessen zu einem schonenden Ausgleich führt. Auch zukünftig können Berufungen in einem schriftlichen Verfahren von dem zu entscheiden- 14206 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 (A) (C) (D)(B) den Gericht zurückgewiesen werden, ohne dass es einer vorherigen mündlichen Verhandlung bedarf. Allerdings werden die Hürden hierfür erhöht. Zukünftig wird eine solche Entscheidung nur noch dann möglich sein, wenn die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist. Darüber hinaus wird für den Unterlegenen die Möglich- keit geschaffen, gegen die Entscheidung des Berufungs- gerichts eine Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundes- gerichtshof einzulegen. Voraussetzung hierfür ist, dass der Streitwert 20 000 Euro übersteigt. Der Unterlegene ist damit nicht mehr auf die Einlegung einer Verfas- sungsbeschwerde angewiesen, sondern er kann den Be- schluss des Berufungsgerichts unmittelbar durch den Bundesgerichtshof überprüfen lassen. Dies führt zu einer deutlichen Stärkung des Grundrechts auf rechtliches Ge- hör. Die von der Opposition geforderte vollständige Ab- schaffung des schriftlichen Beschlussverfahrens im Be- rufungsverfahren würde zwar ebenfalls zu mehr mündli- chen Verhandlungen führen. Sie würde allerdings auch den bisher erworbenen Zeit- und Effektivitätsgewinn ei- nes schnellen Berufungsverfahrens vollständig aufhe- ben. Es sollte aber auch in Zukunft den Gerichten mög- lich bleiben, Berufungen, die lediglich aus Gründen des Zeitgewinns eingelegt worden sind, schnell und umfas- send zurückzuweisen. Der vorliegende Gesetzentwurf führt daher nicht nur zu mehr Bürgernähe, sondern er berücksichtigt auch die aus den letzten Jahren gewonnenen Erfahrungen bei der Durchführung zivilrechtlicher Berufungsverfahren. Er stellt damit einen verantwortungsvollen Kompromiss dar, der Zustimmung verdient. Sonja Steffen (SPD): § 522 Abs. 2 und Abs. 3 ZPO sind Rechtsvorschriften, die bei vielen Juristen und Be- troffenen gleich ein Stirnrunzeln verursachen. Denn sie stehen für den unanfechtbaren Zurückweisungsbeschluss der Berufungsgerichte, und ihre Anwendung bedeutet ein unabänderliches Ende eines Rechtsstreits. In meiner Rede vor drei Monaten habe ich die Hoffnung geäußert, Sie, meine Kolleginnen und Kollegen der Koalitions- fraktionen, von der Streichung des § 522 Abs. 2 und 3 ZPO überzeugen zu können. Die uns nun vorliegende Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses und die dazu im Ausschuss geführte Debatte haben leider deut- lich gemacht, dass Sie Ihre Meinung bedauerlicherweise nicht geändert haben – und das, obwohl nahezu alle Ver- bände die Streichung des § 522 Abs. 2 und 3 ZPO für den besseren Weg halten und auch in der zu dem Thema durchgeführten Öffentlichen Anhörung unterschiedliche Aspekte aufgezeigt wurden, die dies eindeutig unter- mauern. Erstens – und ich denke, zumindest hier sind wir uns einig –: Die Statistiken zeigen, dass die Anwendung der Vorschrift durch die einzelnen Berufungsgerichte stark variiert. Diese starken Abweichungen können nicht durch lokale Unterschiede erklärt werden und lassen da- her nur einen Schluss zu: Es besteht eine durch willkürli- che Handhabung hervorgerufene Rechtszersplitterung, die nicht toleriert werden kann! Zweitens: Das einzige Argument für die Beibehaltung der Zurückweisung per Beschluss ist die angebliche Ent- lastung der Berufungsgerichte und die damit einherge- hende Beschleunigung der Verfahren. Welche Gerichte wann, wie und wodurch stärker oder weniger stark ent- lastet werden, darüber kann man sich streiten. Worüber man nicht streiten kann, ist, dass eine Entlastung der Ge- richte niemals zulasten der Einzelfallgerechtigkeit, des effektiven Rechtsschutzes und des Rechtsfriedens durch- geführt werden darf. Drittens: Die Einführung einer Nichtzulassungsbe- schwerde stellt zumindest eine leichte Verbesserung der bisherigen Rechtslage dar. Aber die Rechtszersplitte- rung, hervorgerufen durch die unterschiedliche Zurück- weisungspraxis der Berufungsgerichte, wird durch die- ses Rechtsmittel nicht verhindert. Der immer wieder angeführte Vorteil des Zurückweisungsbeschlusses, es käme zu einer Verkürzung der Verfahrensdauer, wird durch die Einführung der Nichtzulassungsbeschwerde endgültig ausgehöhlt. Abgesehen davon bedeutet dieses Rechtsmittel keine Verbesserung des Rechtsschutzes für alle Betroffenen. Nur bei einer Beschwer von mehr als 20 000 Euro steht den Berufungsklägern der Weg zum BGH offen. In bis zu 90 Prozent der Fälle wird das Verfahren also weiterhin mit einem schriftlichen Bescheid enden, ohne mündliche Verhandlung und ohne die Möglichkeit, ein Rechtsmittel einzulegen. Sie haben die Geltung der Streitwertgrenze sogar noch einmal um ein Jahr bis 2014 verlängert. Mit der Streichung des § 7 der Insolvenzordnung lie- fern Sie uns einen weiteren Grund, uns Ihrem Entwurf nicht anzuschließen. Meine Fraktion hat hierzu im Rechtsausschuss einen Änderungsantrag eingebracht und ich habe bereits in der ersten Lesung Ihres Gesetz- entwurfs darauf hingewiesen, dass es auch zukünftig bei Insolvenzverfahren Streitfragen geben wird, die höchstrichterlich geklärt werden sollten. Am selben Tag der ersten Lesung zu dem Gesetzentwurf der Bundes- regierung hat die Bundesjustizministerin auf dem Ach- ten Deutschen Insolvenzrechtstag die zweite Stufe der Insolvenzrechtsreform vorgestellt. Es ergibt unserer Meinung nach keinen Sinn, weitreichende Reformen an- zukündigen, die immer auch anfängliche Unsicherheiten mit sich bringen, und gleichzeitig die uneingeschränkte Rechtsbeschwerdemöglichkeit zum BGH und damit den Zugang zur höchstrichterlichen Klärung zu streichen. Vor diesem Hintergrund können wir ihrem Gesetzent- wurf heute nicht zustimmen, obwohl – und darauf möchte ich zum Schluss noch eingehen – der Gesetzent- wurf eine sehr sinnvolle Neuregelung beinhaltet, die Streichung der fünfjährigen Ausschlussfrist für Restitu- tionsklagen nach EGMR-Urteilen. Zu diesem Thema ha- ben den Deutschen Bundestag bereits mehrere Petitionen erreicht, die bisher leider aufgrund der ablehnenden Vo- ten der Koalitionsfraktionen ohne Erfolg blieben. Ich habe mich im Petitionsausschuss für eine Ände- rung des § 586 ZPO eingesetzt und freue mich daher Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 14207 (A) (C) (D)(B) umso mehr, dass dies in den Gesetzentwurf aufgenom- men wurde. Es zeigt, dass auch bei Ihnen ein Umdenken möglich ist. Mechthild Dyckmans (FDP): Ich freue mich, dass wir heute ein Projekt zum Abschluss bringen, das ich ge- meinsam mit der FDP-Fraktion bereits in der letzten Le- gislaturperiode angeschoben habe – die Reform des § 522 ZPO. Änderungen der Zivilprozessordnung werden im All- gemeinen nicht von der Aufmerksamkeit einer breiten Öffentlichkeit begleitet. Meist werden sie in kleineren Zirkeln von Rechtsanwälten, Richtern und Rechtsprofes- soren diskutiert. Anders die Vorschrift des § 522 Abs. 2 und Abs. 3 ZPO: Zu keinem anderen Vorhaben haben mich so viele Bürgerbriefe und Mails erreicht wie zur Reform des § 522 ZPO. Es gibt eine eigene Webseite www.§522zpo.de, Podiums- und Informationsveranstaltungen fanden statt, in der Presse wurde wiederholt über die Notwendigkeit und den Stand des Reformvorhabens berichtet. Was hat zu dieser ungewöhnlichen Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit geführt? Mir ist keine Prozessvor- schrift bekannt, die in so extrem unterschiedlicher Weise von den Gerichten angewandt wurde und die daher zu solch großem Unmut geführt hat. Ich muss die unter- schiedlichen Zahlen hier nicht wiederholen, sie sind allseits bekannt. Eine schlüssige Begründung für die zahlenmäßig unterschiedliche Anwendung konnte von niemandem gegeben werden. Hinzu kommt, dass die Entscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO gemäß Abs. 3 der Vorschrift unanfechtbar und damit einer Überprüfung entzogen war. Wenn Beru- fungsentscheidungen eines Spruchkörpers zu 27 Prozent unanfechtbar zurückgewiesen werden und bei einem an- deren Spruchkörper lediglich zu 9 Prozent, ohne dass es dafür eine schlüssige Erklärung gibt, so erfordert dies ein Eingreifen des Gesetzgebers. Eine solche Zersplitte- rung beeinträchtigt das Vertrauen der Rechtsuchenden in die Zivilrechtspflege. Die christlich-liberale Koalition ist daher angetreten, diesen Zustand zu beenden. Anders als SPD-Fraktion und Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, die mit ihren Ge- setzentwürfen die vollständige Abschaffung des § 522 Abs. 2 ZPO fordern, wollen wir die entstandenen Nach- teile beseitigen, ohne jedoch die bestehenden Vorteile der Vorschrift aufzugeben. Denn ja, § 522 Abs. 2 ZPO, der eine Entscheidung über die Berufung durch Be- schluss, also ohne mündliche Verhandlung, vorsieht, führt auch zu der gewünschten Beschleunigung von Be- rufungsverfahren und damit zu einer schnelleren Rechts- kraft der Entscheidungen sowie zu Rechtssicherheit. Der heute zur Abstimmung stehende Gesetzentwurf der Bundesregierung beschränkt in der durch den Bun- destag geänderten Fassung die Entscheidung durch Be- schluss auf die Fälle, in denen die Berufung offensicht- lich keine Aussicht auf Erfolg, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtspre- chung eine Entscheidung nicht erfordert und die Durch- führung einer mündlichen Verhandlung nicht geboten ist. Auch wird die Entscheidung in das gebundene Er- messen des Gerichts gestellt. Und ganz besonders wich- tig: Die Entscheidung durch Beschluss steht hinsichtlich des Rechtsmittels einer Entscheidung durch Urteil gleich. Für die FDP-Fraktion war es zum einen besonders wichtig, dass es unabhängig von den Erfolgsaussichten geboten sein kann, eine mündliche Verhandlung durch- zuführen. Sei es – um nur zwei Anwendungsfälle zu nennen –, dass die Rechtsverfolgung von existenzieller Bedeutung für den Berufungsführer ist oder das erst- instanzliche Urteil zwar im Ergebnis richtig, in der Be- gründung jedoch falsch ist. Durch Einfügung der Vo- raussetzung Nr. 4 in § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO wird die besondere Bedeutung der mündlichen Verhandlung deut- lich gemacht. Zum anderen soll eine Entscheidung durch Beschluss nur in den Fällen der offensichtlichen Aussichtslosigkeit der Berufung ergehen. Gerade in Fällen, in denen die Berufung nur zur Verschleppung des Verfahrens und zur Verhinderung der Rechtskraft eingelegt wird oder die aufgeworfenen Fragen zweifelsfrei beantwortet werden können, soll die beschleunigte Entscheidung weiterhin durch Beschlussverfahren ergehen. Auch die Sachverständigenanhörung im Rechtsaus- schuss hat ergeben, dass eine Zurückweisung im Be- schlussverfahren durchaus sinnvoll ist, wenn man das Verfahren gerade für die offensichtlich aussichtslosen Fälle vorsieht. Hier bedarf es in der Regel keiner münd- lichen Verhandlung und damit keiner Terminierung. Dies führt zu einer beschleunigten Entscheidung im Ver- fahren nach § 522 Abs. 2 ZPO, aber auch zu einer schnelleren Terminierung derjenigen Berufungsverfah- ren, die eine mündliche Verhandlung gerade erfordern oder für die die Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung macht Schluss mit der Unanfechtbarkeit der Entscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO. Gemäß § 522 Abs. 3 ZPO steht zu- künftig dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre. So- weit die SPD darauf verweist, dass die Nichtzulassungs- beschwerde nur in Fällen gegeben sei, in denen die Be- schwer über 20 000 Euro liege und sie darin eine Ungleichbehandlung sieht, verkennt sie, dass dies gemäß § 26 Nr. 8 EGZPO ebenso für die Entscheidung durch Urteil gilt und daher nunmehr gerade eine Gleichbe- handlung der beiden Entscheidungsformen – Beschluss oder Urteil – erreicht wird. Ich sehe den Gesetzentwurf der Bundesregierung nicht als halbherzigen Schritt an. Vielmehr bin ich über- zeugt, dass er die richtige Balance herstellt zwischen den Interessen des Berufungsführers und des in erster Instanz bereits einmal erfolgreichen Prozessgegners. Ich bin si- cher, dass künftig die ungleiche Anwendung des Be- schlussverfahrens durch die Spruchkörper stark vermin- dert und im Ergebnis auf Dauer nahezu aufgehoben werden wird. Durch die Änderungen wird die Zielset- 14208 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 (A) (C) (D)(B) zung der Vorschrift klar eingegrenzt und auf die Fälle beschränkt, in denen eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist. Auch der Bundesgerichtshof wird durch die jetzt mögliche Überprüfung von Entscheidungen zur Gleichbehandlung und damit zu mehr Gerechtigkeit bei- tragen. Jens Petermann (DIE LINKE): Wie wir heute schon mehrfach gehört haben, ist die Regelung des § 522 Zivilprozessordnung mit einem Gerechtigkeitsdefizit be- haftet – darüber sind wir uns alle einig. Die Linke fordert die Abschaffung der Absätze 2 und 3 des § 522 ZPO, da deren Einführung im Jahre 2002 ein schwerer rechtspoli- tischer Fehler war und bei den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern zu erheblichen Ungerechtigkeiten führte. Dies hat die Politik erkannt und will sich korrigieren. Auch SPD und Grüne haben dies mittlerweile eingese- hen. Der Entwurf von Schwarz-Gelb lässt hier jedoch Konsequenz vermissen. Denn mit dem Argument, Ge- richtsprozesse möglichst schnell zu beenden, warb Frau Kollegin Dyckmans im Rechtsausschuss für ein Herum- basteln an dieser überflüssigen Vorschrift. Ohne Rück- sicht auf die Interessen der betroffenen Bürgerinnen und Bürger treten Sie mit dem Argument der schnellen Ver- fahrenserledigung für eine Beibehaltung in lediglich leicht geänderter Form ein. Dabei vergessen Sie augen- scheinlich Ihre Argumentation aus der Mediationsde- batte, in der Sie den Rechtsfrieden auf den Thron geho- ben haben. Sie biegen sich die Argumente, wie es Ihnen gerade passt. Dass Ihrer Politik der rote Faden fehlt, stel- len Sie zum wiederholten Mal unter Beweis. Hören Sie auf die Forderung der Betroffenen, und streichen Sie § 522 Abs. 2 und 3 Zivilprozessordnung. Tun Sie das für den Rechtsfrieden in unserem Land und für das Ver- trauen der Bürgerinnen und Bürger in unseren Rechts- staat. Um was geht es im Einzelnen? Die Vorschrift erlaubt, dass eine Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückgewiesen werden kann, und dieser Be- schluss dann nicht einmal anfechtbar ist, nach dem Motto: schnelle Erledigung, Akte zu und fertig. Einer un- terschiedlichen Handhabung ist damit Tür und Tor geöff- net. Das steht in einem eklatanten Widerspruch zu den Interessen der Rechtssuchenden und dem verfassungsmä- ßigen Anspruch auf effektiven Rechtsschutz. Mehr als 100 Jahre sind wir in Deutschland ohne diese Regelung ausgekommen. Im Jahre 2001 hat die rot-grüne Regierung, von Reformeifer getrieben, Änderungsbedarf entdeckt. Sie hat den untauglichen Versuch gestartet, die Rechtsmittelmöglichkeiten neu zu gestalten, um die Ge- richte zu entlasten. Doch dazu ist es nicht gekommen, vielmehr endete der Versuch im Desaster. Ungerechtig- keiten werden auch durch derzeitige ungleiche Anwen- dungshäufigkeit dieser Kannvorschrift hervorgerufen. Je nach Bundesland erledigen manche Oberlandesgerichte vier Prozent ihrer Verfahren nach § 522 ZPO, andere über 27 Prozent. Eine solche Ungleichbehandlung ist nicht zu rechtfertigen und führt mit Blick auf Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz – rechtliches Gehör – zu verfas- sungsrechtlich höchst bedenklichen Ergebnissen. Was schlägt Schwarz-Gelb als Lösung vor? § 522 Abs. 2 und 3 ZPO bleibt mit leichten kosmetischen Ver- änderungen bestehen, indem höhere Anforderungen an den Zurückweisungsbeschluss gestellt werden. Statt bis- her drei sind vier Bedingungen für die Zurückweisung der Berufung vorgesehen. Und als kleines Bonbon sollen nun dem Betroffenen Rechtsmittel gegen den ablehnenden Beschluss zugestanden werden. Die FDP argumentiert damit, dass durch die Gleichbehandlung von Beschluss und Urteil hinsichtlich der Rechtsmittelmöglichkeiten Ungerechtigkeiten ausgeschlossen werden. Ich sage Ih- nen: Diese Ungerechtigkeiten kann man nur beseitigen, wenn jede Bürgerin und jeder Bürger in jedem Bundes- land die Garantie erhält, dass ihre beziehungsweise seine Berufung oder Revision ordnungsgemäß geprüft und die Entscheidung begründet wird. Alles andere birgt die Gefahr eines justizpolitischen Flickenteppichs. Jedem Rechtssuchenden muss eine mündliche Verhandlung in der Rechtsmittelinstanz garantiert werden, und zwar un- abhängig des Bundeslandes und nicht zu 95 Prozent in Bremen und zu 73 Prozent in Mecklenburg-Vorpommern. Auf der anderen Seite schränken Sie versteckt die Rechte der Rechtschutzsuchenden weiter ein, indem Sie § 26 Nr. 8 des Einführungsgesetzes der Zivilprozessord- nung ändern wollen: Die Revision soll grundsätzlich vom Streitwert losgelöst nach der Bedeutung der Sache be- trachtet werden. Sie aber verlängern die bis Ende 2011 befristete Mindesthöhe des Streitwertes für Revisionen von 20 000 Euro bis Ende 2014. Damit wird die sozial un- gerechte Justizgewährung weiter fortdauern. Für viele Bürgerinnen und Bürger sind zum Beispiel 5 000 Euro viel Geld – für die Väter und Mütter dieses Gesetzentwur- fes wohl nicht. Erklären Sie bitte mal, warum aufgrund des zu „geringen“ Streitwertes die Rechtsmittelmöglich- keiten abgeschnitten werden sollen. Das ist inakzeptabel und auch mit Effizienz und Verfahrensverkürzung nicht zu begründen. Gerade in Arzthaftungsfällen ist die Anwendung des § 522 ZPO in seiner heutigen Form im Hinblick auf die finanzielle und gesundheitliche Belastung der Geschä- digten eine wirkliche Zumutung. Wir dürfen nicht länger zulassen, dass Kosteneinsparungen in der Justiz das Ver- trauen der Bürgerinnen und Bürger in die Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit in diesem Lande weiter untergra- ben. Die Einsichtsfähigkeit von Sozialdemokraten und Grünen ist ein positives Signal. Die Regierungskoalition ist davon meilenweit entfernt und hat verpasst, die Haus- aufgaben zu erledigen. Da ist Ihnen die Opposition wie- der einmal einen Schritt voraus. Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Heute beraten wir abschließend über den Gesetzentwurf der Bundesregierung zu § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilpro- zessordnung. Im Gesetzgebungsverfahren hat die Koali- tion zwar einige Änderungen am bisherigen Gesetz- entwurf vorgenommen. Trotz allem bleibt dieser aber halbherzig. Durch § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung in der jetzigen Fassung wird auch weiterhin der Zugang Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 14209 (A) (C) (D)(B) zum Recht für Bürgerinnen und Bürger unnötig einge- schränkt. Berufungsgerichte können weiterhin durch schriftlichen Beschluss das Verfahren für die Betroffe- nen abschließend beenden. Die ungleiche Handhabung des § 522 Abs. 2 Zivilprozessordnung an den Gerichten wird durch die jetzt neuen Einschränkungen nicht besei- tigt. Uns allen sind die Zahlen bekannt: Obwohl § 522 Abs. 2 ZPO bisher sogar zwingenden Charakter hat und es keinen Spielraum bei der Anwendung gibt, liegt die Diskrepanz in der Anwendung der Vorschrift bei unge- fähr 22 Prozent, wie ein Vergleich aus dem Jahr 2009 zeigt. In Bremen hat das Oberlandesgericht in diesem Jahr 5,2 Prozent der Berufungsverfahren durch schriftli- chen Beschluss zurückgewiesen. In Rostock hingegen wurde das Verfahren durch schriftlichen Beschluss des Oberlandesgerichts in 27,1 Prozent der Verfahren been- det. Jetzt soll aus der zwingende Vorschrift eine Sollvor- schrift werden, wenn schon bisher die Handhabung bun- desweit so uneinheitlich war, dann wird das eine Soll- vorschrift nicht ändern, auch wenn wir die Voraus- setzungen für die Anwendung der Vorschrift schärfen, wie von der Regierung vorgeschlagen. Des Weiteren wird die Bedeutung der mündlichen Verhandlung für die Parteien nicht ausreichend gewür- digt, und das bei einer abschließenden Entscheidung. Bei den Betroffenen wird so auch weiterhin der Eindruck zu- rückbleiben, dass sie für das Anliegen, das sie persönlich betrifft, bei Gericht nicht ausreichend Gehör finden konnten. Die Möglichkeit, gegen den zurückweisenden Be- schluss vorzugehen, soll noch immer erst ab einem Be- schwerdewert von 20 000 Euro möglich sein. Dies be- trifft leider nur die wenigsten Fälle. Für eine Vielzahl von Betroffenen wird sich somit nichts ändern. Soziale Gerechtigkeit ist das nicht. Hinzu kommt: Die Bundesregierung möchte mit dem Gesetzentwurf auch § 7 der Insolvenzordnung aufheben. Das ist nicht sinnvoll und schon gar nicht zum jetzigen Zeitpunkt. Die Bundesregierung hat gerade einen Ge- setzentwurf zur Erleichterung von Unternehmenssanie- rungen vorgelegt. Unabhängig davon, dass dieser noch an vielen Stellen nachgebessert werden muss, ist es wichtig, dass Entscheidungen im Insolvenzrecht eine einheitliche Rechtsprechung erfahren. § 7 der Insolvenz- ordnung hat das mit der zulassungsfreien Rechtsbe- schwerde zum Bundesgerichtshof gewährleistet. Mit der Aufhebung dieser Vorschrift ist eine einheitliche Recht- sprechung nicht mehr sichergestellt, was zu Rechtszer- splitterung führen wird. Diese Regelung ist für uns nicht akzeptabel. Zu guter Letzt möchte ich noch auf die Änderungen zu § 586 der Zivilprozessordnung zu sprechen kommen. Wir begrüßen, dass die Bundesregierung die Ausschluss- frist von fünf Jahren für die Restitutionsklage nach § 580 Nr. 8 ZPO nicht mehr anwenden will. Diese Frist war bisher besonders problematisch, wenn ein Gerichtsurteil durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Men- schenrechte aufgehoben wurde; denn diese Verfahren nehmen sehr viel Zeit in Anspruch. Immer wieder kam es vor, dass die Fünfjahresfrist bereits abgelaufen war, wenn der Europäische Gerichtshof sein Urteil sprach. Mit der Neuregelung kann eine Partei nun auch in diesen Verfahren ihre Ansprüche zivilprozessual geltend ma- chen. Dieser eine sachgerechte Aspekt reicht allerdings nicht für unsere Zustimmung aus. Im Gesamten ist der Gesetzentwurf aus unserer Sicht nicht weitgehend ge- nug. Daher lehnt meine Fraktion den Gesetzentwurf ab. Anlage 12 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Ände- rung des Übereinkommens vom 4. August 1963 zur Errichtung der Afrikanischen Ent- wicklungsbank – Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Übereinkommens vom 29. November 1972 über die Errichtung des Afrikanischen Ent- wicklungsfonds (Tagesordnungspunkt 21 a und b) Johannes Selle (CDU/CSU): Die Afrikanische Ent- wicklungsbank, AfDB, wurde am 4. August 1963 in Khartoum, Sudan, durch 22 unabhängige afrikanische Staaten als Regionalbank ohne Beteiligung von Indus- triestaaten gegründet. Sitz der Bank ist Abidjan in der Elfenbeinküste. Ziel der AfDB ist es, die nachhaltige ökonomische Entwicklung und den sozialen Fortschritt der regionalen Mitglieder der Bank zu fördern. Im Mai 1979 beschlossen die Mitgliedstaaten eine Änderung des Statuts der Bank, der nun auch nicht re- gionalen Staaten den Beitritt ermöglichte. Deutschland trat der Afrikanischen Entwicklungsbank 1983 bei. Durch die zahlungskräftigen Industriestaaten, OECD- Länder und asiatische Staaten, mit entsprechendem Haf- tungskapital wurde die Kreditaufnahme der AfDB an den internationalen Kapitalmärkten erleichtert. Zur Erreichung des Ziels soll die Afrikanische Ent- wicklungsbank: Kredite vergeben, technische Assistenz bei der Vorbereitung und Durchführung von Entwick- lungsprojekten und -programmen leisten, private Inves- titionen fördern und Infrastrukturvorhaben in Ländern mit mittleren Einkommen finanzieren. Die Afrikanische Entwicklungsbank gehört gemein- sam mit der Weltbank, der lateinamerikanischen und asia- tischen Entwicklungsbank zu dem nach weitgehend einheitlichen Grundsätzen aufgebauten System der su- pranationalen Entwicklungsbanken. Die Afrikanische Entwicklungsbank gilt mittlerweile als wichtigste öffent- liche Finanzinstitution Afrikas und vergibt jährliche Dar- lehen im Umfang von 2 Milliarden Dollar zu marktübli- chen Konditionen an Länder mit mittleren Einkommen. In der Regel fließen diese Gelder in den Privatsektor oder in den Aufbau von öffentlichen Großinfrastrukturprojek- 14210 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 (A) (C) (D)(B) ten, wie zum Beispiel Flughäfen. Die Afrikanische Ent- wicklungsbank gewährt zudem stark vergünstigte Kredite mit sehr langer Laufzeit an jene Länder, die keine Darle- hen zu Marktkonditionen aufnehmen können. Gemäß dem Strategieplan für die Periode 2003 bis 2007 konzentriert sich die Afrikanische Entwicklungs- bank auf eine beschränkte Anzahl prioritärer Bereiche, zum Beispiel Wasserversorgung, Ausbildung und Ge- sundheit sowie die Bereitstellung von Infrastruktur in ländlichen Gebieten. Nach einer Refinanzierungskrise wurde 1972 der Afrikanische Entwicklungsfonds, African Development Fund, AfDF, zum ersten Mal von nicht regionalen Staa- ten aufgelegt, um die wachsenden öffentlichen Entwick- lungsaufgaben wie Schulen, Krankenhäuser, Wasser- und Stromversorgung mit stark vergünstigten Krediten zu finanzieren. Der Afrikanische Entwicklungsfonds ist Teil der Afrikanischen Entwicklungsbankgruppe, aber eine von der Bank getrennte, selbständige juristische Körperschaft, deren Mittel von den Mitteln der Bank ge- trennt bleiben. Deutschland ist seit 1973 Mitglied des Fonds und ver- fügt über 5 Prozent der Stimmrechte, steht nach Japan, USA und Frankreich an vierter Stelle. Über den Fonds wickelt Deutschland einen wichtigen Teil der multilate- ralen Entwicklungszusammenarbeit mit Afrika ab. Der Fonds gewährt besonders armen afrikanischen Ländern finanzielle Hilfen in Form von Zuschüssen und Krediten zu besonders günstigen Konditionen. Nach dem Beschluss der G 8 über die multilaterale Ent- schuldungsinitiative können entsprechend vorbereitete Länder auch über den Afrikanischen Entwicklungsfonds einen vollständigen Erlass ihrer Schulden beantragen. Der Gouverneursrat der Afrikanischen Entwicklungsbank hat mit Zustimmung der Bundesregierung mehrere Änderun- gen des Gründungsübereinkommens gebilligt. Diese se- hen insbesondere vor: die Streichung von Vorschriften, die nach dem Ende des Goldstandardsystems obsolet ge- worden sind; die Optimierung der Kapitalausnutzung; die Abschaffung von Provisionen auf direkte Darlehen; die Erweiterung des Direktoriums um zwei Sitze sowie ge- ringfügige Neuerungen im Verfahren und bei den internen Zuständigkeiten der Bank. Die Änderungen haben in wei- ten Teilen lediglich klarstellenden Charakter und keine Auswirkungen im Haushalt oder im Vollzugsaufwand der Mitgliedstaaten. Die Erweiterung des Direktoriums sorgt für die bessere Repräsentanz der regionalen Mitgliedstaa- ten der Bank. Der Gouverneursrat des Afrikanischen Entwicklungs- fonds hat ebenfalls mit Zustimmung der Bundesrepublik drei Änderungen des Übereinkommens gebilligt. Dabei werden die Abstimmungsmodalitäten beim Afrikani- schen Entwicklungsfonds, AfDF, verändert. Das Direk- torium wird um zwei Sitze erweitert. Mit den Änderun- gen wird die gleichmäßige Berücksichtigung der Interessen von regionalen und nichtregionalen Teilneh- merstaaten angestrebt. Außerdem werden die strikten Beschränkungen im Beschaffungswesen des Fonds aufgehoben. Damit wird ermöglicht, auf Basis eines internationalen Wettbewerbs einzukaufen und somit Projekte kostengünstiger und ef- fizienter umzusetzen. Die Änderungen im Übereinkom- men des Fonds haben ebenfalls keine Auswirkungen im Haushalt oder im Vollzugsaufwand der Mitgliedstaaten. Die Änderungen des Gründungsübereinkommens der Bank und des Fonds werden bereits angewendet, sind aber, da es sich jeweils um einen internationalen Vertrag handelt, durch Deutschland im parlamentarischen Ver- fahren anzunehmen. Der Gesetzentwurf sieht außerdem vor, den Bundes- minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent- wicklung zu ermächtigen, zukünftige Änderungen der Übereinkommen von Entwicklungsbank und Entwick- lungsfonds durch Rechtsverordnung – ohne Zustimmung des Bundesrates – in deutsches Recht umzusetzen. Dies halten die Koalitionsfraktionen für eine sinnvolle Ver- einfachung, insbesondere durch die im Übereinkommen vorgesehene Mehrheitsentscheidung – bei der theore- tisch auch die Position des deutschen Gouverneurs über- stimmt werden kann – und der auf drei Monate be- schränkten Zeit bis zum Inkrafttreten der Änderung. Um keinen Zweifel an der erforderlichen und auch gewünschten Parlamentsbeteiligung zu lassen, haben die Koalitionsfraktionen in zwei Änderungsanträgen klarge- stellt, dass nicht alle Änderungen der Übereinkommen unter die Ermächtigung fallen sollen, per Rechtsverord- nung in deutsches Recht umgesetzt zu werden. Das sind die Veränderungen, bei denen die Zustimmung des deut- schen Gouverneurs aufgrund möglicher Auswirkungen für Deutschland im Übereinkommen ohnehin vorgese- hen ist. Dazu zählen zum Beispiel die Haftungsverände- rungen. Mit dem Änderungsantrag wird außerdem sicherge- stellt, dass die Bundesregierung das Parlament von ge- planten Änderungen vorher informiert und eine Mei- nungsäußerung der Parlamentarier einbezogen werden kann. Der Bundesrat hat laut Vorlage am 27. Mai 2011 beschlossen, gegen die Gesetzentwürfe keine Einwen- dungen zu erheben. Zusammen mit dem Änderungsantrag sollte eine Zu- stimmung zum vorgeschlagenen Gesetz der Bundesre- gierung auch für die Oppositionsfraktionen möglich sein. Dr. Barbara Hendricks (SPD): Die Bundesregie- rung hat drei Gesetzentwürfe vorgelegt, aufgrund derer jeweils Änderungen von völkerrechtlichen Verträgen ge- billigt werden sollen und mit denen außerdem der Bun- desminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ermächtigt werden soll, künftige Änderun- gen dieser völkerrechtlichen Übereinkommen durch Rechtsverordnung in Kraft zu setzen. Die Gesetzentwürfe betreffen zum einen das Überein- kommen zur Errichtung der Multilateralen Investitions- Garantie-Agentur, MIGA, die Teil der Weltbankgruppe ist und an der Deutschland mit einem Stimmrechtsanteil von 4,47 Prozent beteiligt ist, zum anderen das Überein- kommen zur Errichtung der Afrikanischen Entwick- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 14211 (A) (C) (D)(B) lungsbank sowie das Übereinkommen über die Errich- tung des Afrikanischen Entwicklungsfonds. Die SPD-Fraktion hat gegen alle drei Gesetzentwürfe inhaltliche und verfassungsrechtliche Bedenken, die auch nicht durch die von den Koalitionsfraktionen einge- brachten Änderungsanträge ausgeräumt werden konn- ten. Deshalb wird die SPD-Fraktion die Gesetzentwürfe ablehnen. Lassen Sie mich das hinsichtlich der Ände- rung des Übereinkommens vom 4. August 1963 zur Er- richtung der Afrikanischen Entwicklungsbank begrün- den. Zunächst begrüßen wir außerordentlich, dass die Kol- leginnen und Kollegen der Koalitionsfraktionen auf un- sere Bedenken eingegangen sind und nach einer Anhö- rung am 10. Mai die vorliegenden Änderungsanträge gestellt haben. Dies ist doch ein bemerkenswerter Vor- gang, denn es passiert nicht alle Tage, dass ein Gesetz- entwurf der Bundesregierung im Hinblick auf seine Ver- fassungsgemäßheit von der eigenen Parlamentsmehrheit geändert werden muss. Unsere inhaltlichen Bedenken sehen wir auch durch die vorgenommenen Änderungen des Gesetzentwurfs nicht als ausgeräumt an. Das betrifft insbesondere die sowohl bei der Afrikanischen Entwicklungsbank als auch dem Afrikanischen Entwicklungsfonds beschlosse- nen Veränderungen im Beschaffungswesen. Was zunächst positiv klingt – ich zitiere aus dem Ge- setzentwurf 17/6063: „Daneben werden Beschränkun- gen im Beschaffungswesen aufgehoben, was es Fonds und Nehmerländern ermöglicht, auf Basis eines interna- tionalen Wettbewerbs einzukaufen und Projekte dadurch kostengünstiger und effizienter umzusetzen“ –, erscheint im entwicklungspolitischen Kontext durchaus problema- tisch. Bereits jetzt sind wir häufig mit dem Problem kon- frontiert, dass IFS-Standards nicht eingehalten werden, von ILO-Standards oder weiteren umwelt- und men- schenrechtlichen Standards ganz zu schweigen. Unter der realistischen Annahme, dass derartige Pro- dukte in der Regel nicht die billigsten sind, können wir die Befreiung des Beschaffungswesens nur ablehnen. Es gibt auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass durch die Neuerung die heimische Wirtschaft nachhaltig gefördert werden könnte. Im Gegenteil ist die weltweit günstigste Beschaffungsquelle das erklärte Ziel. Wer gibt denn die Garantie, dass hier nicht eine Dumpingpreisspirale in Gang gesetzt wird? Weder im Vertragsgesetz noch im Änderungsantrag steht etwas zur Einhaltung von Sozial-, Umwelt- und Menschenrechtsstandards. Das wäre aber die notwen- dige Ergänzung einer entwicklungspolitisch begründeten Beschaffungsoptimierung. Wir debattieren an dieser Stelle über die Gesetzent- würfe bezüglich der Afrikanischen Entwicklungsbank und des Afrikanischen Entwicklungsfonds. Unsere ver- fassungsmäßigen Bedenken zu diesen beiden Entwürfen sind trotz geringfügiger Änderungen durch die Koali- tionsfraktionen im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens nicht ausgeräumt worden. Um Wiederholungen zu ver- meiden, verweise ich an dieser Stelle auf meinen Rede- beitrag zu TOP 37, der Änderung des Übereinkommens zur Errichtung der Multilateralen Investitions-Garantie- Agentur, MIGA, den ich zu einem späteren Zeitpunkt abgeben werde. Joachim Günther (Plauen) (FDP): Nachdem wir uns in den vergangenen Wochen über MIGA ausrei- chend unterhalten haben, stehen nun auch bei der Afri- kanischen Entwicklungsbank, AfDB, und dem Afrikani- schen Entwicklungsfonds, ADF, Änderungen an, die sich daraus ergeben, dass internationale Übereinkommen in innerstaatliches Recht umgesetzt werden müssen. Hierbei geht es besonders um die Anpassung des beste- henden Rechtsrahmens und die Möglichkeit, dass das BMZ selbst Änderungen der Abkommen durch Rechts- verordnungen umsetzen kann. Was aber mit den Ände- rungsanträgen auch klargestellt wird, ist die Tatsache, dass das Parlament rechtzeitig vor jeder geplanten Ände- rung der Übereinkommen unterrichtet wird. Die Änderungen der Abkommen waren juristisch und inhaltlich notwendig und wurden von Deutschland größ- tenteils mitgetragen. Es handelt sich zum Beispiel um die Anpassung der Währungssysteme, die Anpassung an den Bedeutungswandel von Gold im internationalen Zahlungsverkehr nach Ende des Goldstandardsystems in den 1970er-Jahren, die allgemeine Zielstellung der Bank um „nachhaltige Entwicklung“ und auch die angemes- sene Integration des neuen Board-Mitgliedes Südafrika. Das Gesetz enthält Änderungen hinsichtlich des Mehrheitserfordernisses und der Zuständigkeitsvertei- lung zwischen Gouverneursrat und Direktorium. Es re- gelt die Erweiterung des Direktoriums von 18 auf 20 Sitze. Anlass war die schwache Repräsentanz einiger Mitgliedstaaten, insbesondere Südafrikas, im Direkto- rium trotz Rotationsschema und beträchtlichen Anteilen an der Bank. Die Erweiterung des Exekutivdirektoriums der Bank um zwei Sitze wurde von Deutschland aus Kostengesichtspunkten skeptisch gesehen. Deutschland blieb hierbei relativ isoliert, konnte aber die Verpflich- tung der Bank zur Boardeffizienz hinsichtlich Verwal- tungskosten etc. durchsetzen. Das Board des Entwick- lungsfonds wurde von 12 auf 14 Sitze erweitert. Es handelt sich jeweils um einen regionalen und einen nicht regionalen Sitz. Die wesentlichen Regelungen der Gesetzentwürfe be- treffen inhaltlich die Umsetzung der bereits beschlosse- nen Änderungen per Vertragsgesetz aufgrund bestehen- der Umsetzungspflicht durch den Bundestag. Dies hat also rein formalen Charakter. Ein weiterer Artikel be- trifft die Verordnungsermächtigung, mit der das BMZ vom Bundestag zur Umsetzung von Vertragsänderungen per Rechtsverordnung ermächtigt werden soll. Der vor- liegende Entwurf zur Verordnungsermächtigung dient der Entlastung des Parlaments und wurde ressortüber- greifend vom BMI und BMJ empfohlen. Die Verord- nungsermächtigung bezieht sich nur auf Änderungen, die sich im Rahmen des Zwecks und der Aufgaben des Übereinkommens halten und nicht auf substanzielle Än- derungen, die das Kernmandat und zum Beispiel die Steuerbefreiung betreffen. Diese Änderungen bedürfen 14212 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 (A) (C) (D)(B) weiterhin der Umsetzung durch ein parlamentarisches Gesetzgebungsverfahren. Um die Bedenken der Opposition zumindest zu min- dern, möchte ich einige Punkte darlegen. Der Vorteil der Verordnungsermächtigung ist die ver- einfachte Umsetzung von meist technischen Änderungen in deutsches Recht in kurzer Frist. Sie sind meist gering- fügiger Art und dienen der parlamentarischen Entlas- tung. Zudem muss auch bei der Verabschiedung einer Rechtsverordnung eine Beteiligung aller Ressorts ge- währleistet sein. Für die unter Ihnen, die die Beteiligungsrechte des deutschen Parlaments in Gefahr sehen, sei Folgendes ge- sagt: Ein Gesetz mit Beteiligung des Parlaments wird immer dann erforderlich bleiben, wenn die wesentlichen Ziele und das Mandat von Bank und Fonds geändert werden. Der Deutsche Bundestag hat bei der Schaffung multilateraler Organisationen wie der Entwicklungsbank und des Entwicklungsfonds grundsätzlich zugestimmt, dass deren oberste Organe Mehrheitsentscheidungen be- schließen können. Dies betrifft auch Vertragsänderun- gen. Zudem sind Änderungen der Gründungsabkommen je nach Mehrheitsverhältnissen auch ohne die Zustim- mung Deutschlands wirksam, und die Befassung des Parlaments bliebe somit inhaltlich ohne Auswirkungen. Und um noch einmal in diesem Zusammenhang auf die Rechtsverordnung zurückzukommen: Eine verab- schiedete Rechtsverordnung könnte jederzeit per Ände- rungsgesetz durch das Parlament wieder geändert wer- den, sodass eine nachträgliche Kontrollmöglichkeit durchaus gegeben ist. Niema Movassat (DIE LINKE): Die Gouverneurs- räte des Afrikanischen Entwicklungsfonds, AfDF, sowie der Afrikanischen Entwicklungsbank, AfDB, haben mit Zustimmung der Bundesregierung mehrere Änderungen in den jeweiligen Gründungsübereinkommen gebilligt. Die Bundesregierung will mit den hier vorliegenden Ge- setzentwürfen die Änderungen bestätigen und zugleich ermächtigt werden, künftige Änderungen durch Rechts- verordnungen in Kraft zu setzen. Der Bundesrat hat die Gesetzentwürfe unverändert an den Bundestag überwiesen, obwohl fraktionsübergrei- fend erhebliche Bedenken gegenüber der Ermächtigung zu künftigen Änderungen per Rechtsverordnung in Art. 2 bestehen. Die Linke lehnt eine solche Ermächti- gung grundsätzlich ab, auch nach den durch die Ände- rungsanträge der Koalitionsfraktionen vorgenommenen Einschränkungen, weil sie dem Parlament sein Mitspra- cherecht bezüglich der Übereinkommen in weiten Teilen entzieht. Die Linke ist der Meinung: Änderungen an den ge- nannten Übereinkommen müssen auch künftig im Parla- ment ratifiziert werden. Eine schlichte Unterrichtung des Bundestags über künftige Änderungen per Rechtsver- ordnung halten wir für zu wenig. Die Linke ist prinzipi- ell gegen eine weitere Einschränkung parlamentarischer Rechte zugunsten der Bundesregierung. Wir haben dies auch in der Auseinandersetzung um die MIGA deutlich gemacht. Darüber werden wir ja später noch debattieren. Wir lehnen die Gesetzentwürfe aber auch aus folgen- den inhaltlichen Gründen ab: Sowohl bei der AfDB als auch beim AfDF wird die Beschaffung mit den Ände- rungen an den Übereinkommen weitgehend liberalisiert, im Falle des AfDF sollen die Ausschreibungen sogar komplett für den internationalen Wettbewerb freigege- ben werden. Das lehnen wir ab, weil durch die Freigabe der Ausschreibungen zwar Kosten eingespart, aber ande- rerseits falsche strukturpolitische Weichenstellungen vorgenommen werden, zumal die Beschaffung hier nicht ausdrücklich an verbindliche Sozialstandards gebunden wird. Es wird ein Kostenwettbewerb nach unten in Gang gesetzt, statt durch ein gesteuertes Beschaffungswesen zusätzliche Entwicklungsimpulse zu setzen. Der Einrichtung neuer Stimmrechtsgruppen im Direk- torium der AfDB stehen wir ebenfalls skeptisch gegen- über. Eine zusätzliche Regionalgruppe mit Südafrika be- grüßen wir, den Ausgleich durch eine neue Gruppe nichtregionaler Mitglieder allerdings nicht. Dass die Änderung der Stimmrechtsverteilung beim Afrikanischen Entwicklungsfonds, AfDF, ausdrücklich damit begründet wird, dass auf diese Weise der Einfluss von Geberländern wie Deutschland gegen den von regio- nalen Teilnehmern wie etwa Südafrika durch Begren- zung von deren Stimmzahl abgesichert werden soll, fin- den wir doch sehr fragwürdig. Aus den genannten Gründen wird Die Linke die vor- liegenden Gesetzentwürfe ablehnen. Ute Koczy (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Afri- kanische Entwicklungsbank, AfDB, und der Afrikani- sche Entwicklungsfonds, AfDF, vergeben seit 50 bzw. 40 Jahren Zuschüsse und Kredite zu besonders günstigen Konditionen an die am wenigsten entwickelten Länder Afrikas. Das soll die Entwicklung des Kontinents för- dern. Wir begrüßen, dass sich die Bank in den letzten Jahren einem umfassenden Reformprozess unterzogen hat. Wir begrüßen auch, dass sich ihre Arbeit nun stärker an der internationalen Agenda für mehr Wirksamkeit in der Entwicklungszusammenarbeit ausrichtet. Aus unserer Sicht sollte die Bank menschenrechtliche sowie Umwelt- und Sozialstandards viel stärker in der Bank verankern. Die Rechte von betroffenen Bevölke- rungsgruppen bei der Planung, Finanzierung und Umset- zung von Projekten müssen berücksichtigt werden. Der unabhängige Überprüfungsmechanismus – IRM – Independent Review Mechanism –, den die Bank 2004 eingerichtet hat, ist eine wichtige Instanz für betroffene Bevölkerungsgruppen, um mögliche negative Auswir- kungen der Projekte zu beklagen. Es muss möglich gemacht werden, dass die Bevölke- rung bereits in der Planungsphase und durch eine trans- parentere Informationspolitik beteiligt werden. Klagen der betroffenen Bevölkerungsgruppen nach der schlech- ten Zugänglichkeit zu dieser Instanz muss durch eine ge- zieltere Einbindung organisiert werden. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 14213 (A) (C) (D)(B) Zum Gesetzentwurf der Bundesregierung. Die Bundesregierung hat nun die jüngsten Änderun- gen des Gründungsübereinkommens der Bank und des Fonds, die im Gouverneursrat der AfDB beschlossen wurden, mitgetragen. Solche Anpassungen der Statuten finden von Zeit zu Zeit statt. Gegen die inhaltlichen Sta- tutenänderungen der Übereinkommen von Afrikanischer Entwicklungsbank und Afrikanischem Entwicklungs- fonds bestehen aus unserer Sicht keine grundsätzlichen Einwände. Die Reform der Beschaffungsregeln, damit Güter und Dienstleistungen global und nicht nur in Mit- gliedsländern eingekauft werden dürfen, erscheint aus Kostengründen sinnvoll. Darüber hinaus enthält der Gesetzentwurf in Art. 2 eine Verordnungsermächtigung, die jedoch vorsieht, dass künftige Änderungen der Statuten im Alleingang durch das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenar- beit und Entwicklung vorgenommen werden können, ohne den Bundestag zu beteiligen. Wir sehen hiermit die parlamentarische Kontrollfunktion ausgehebelt. Die Richtlinien des Bundesjustizministeriums für die Fassung von Vertragsgesetzen und vertragsbezogenen Verordnungen sehen für eine Verordnungsermächtigung vor, dass „der Gegenstand der Änderungen oder Ergän- zungen nach Inhalt, Zweck und Ausmaß, Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG, hinreichend bestimmt ist. Es bestehen aus un- serer Sicht erhebliche Bedenken, ob die Verordnungser- mächtigung in Art. 2 des Gesetzentwurfs hinreichend bestimmt ist. Die Formulierung, es handle sich „in aller Regel“ um Detailbestimmungen, die keine „unmittelbaren Auswir- kungen auf die Mitgliedstaaten haben“, reicht aus unserer Perspektive nicht aus. Auch enthält weder der Gesetzeswortlaut, Art. 2, noch die Begründung eine Ein- grenzung, die über die sehr allgemeine Formel, dass sich die Änderungen „im Rahmen der Ziele des Übereinkom- mens halten“ müssen, hinausginge. Auch die einge- brachten Änderungsanträge räumen die verfassungs- rechtlichen Bedenken hinsichtlich der fehlenden Bestimmtheit nicht aus. Diese Ausführungen gelten ent- sprechend auch für den Gesetzentwurf zum Afrikani- schen Entwicklungsfonds. Daher lehnen wir die Gesetzentwürfe der Koalition zu den Statutenänderungen der Übereinkommen von Afri- kanischer Entwicklungsbank, AfDB, und Afrikanischem Entwicklungsfonds, ADF, aufgrund dieser Bedenken ab. Anlage 13 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts: Klonen von Tieren zur Lebensmittel- produktion verbieten (Tagesordnungspunkt 22) Dieter Stier (CDU/CSU): Mit dem vorliegenden An- trag der SPD-Fraktion soll die Bundesregierung aufge- fordert werden, auf EU-Ebene einen Vorschlag für das Verbot von Erzeugnissen geklonter Tiere sowie deren Nachkommen vorzulegen. Sollte ein derartiges Verbot aufgrund des Widerstandes von EU-Mitgliedstaaten und der Kommission nicht durchsetzbar sein, fordert die SPD zumindest eine klare Kennzeichnung von Erzeug- nissen geklonter Tiere und deren Nachfahren. Wir, die Mitglieder der CDU/CSU-Bundestagsfrak- tion, lehnen diese Haltung ab. Bis zur Einigung auf einen Konsens aller EU-Staaten in dieser Frage erscheint uns eine Übergangsregelung zielführender. Diese Position haben auch die EU-Agrarminister vertreten. Auf der Agrarministerkonferenz am 22. Juni 2011 in Luxemburg haben sie eine Regelung für die Zulassung von Klon- fleisch beschlossen, die faktisch eine Verschärfung des bereits geltenden Rechts bedeutet. Geklonte Tiere selbst dürfen demnach nicht zu Lebensmitteln verarbeitet wer- den, sondern nur die Klontiernachfahren und deren Pro- dukte. Das heißt, nach geltendem Recht ist der Verzehr von Klonfleisch verboten. Mit dieser Entscheidung konnte auch dem Willen des EU-Parlaments nach einer Kennzeichnungsforderung nicht entsprochen werden. Es gibt keine rationalen Gründe, um den Verzehr von Produkten von Klonnachfahren zu verbieten. Bisherige Gutachten der Europäischen Behörde für Lebensmittel- sicherheit, EFSA, vom 15. Juli 2008, 26. Juni 2009 und September 2010 haben bestätigt, dass keine gesundheit- liche Gefährdung von dem Verzehr von Lebensmitteln aus geklonten und konventionell gezüchteten Tieren aus- geht. Im Hinblick auf den Tierschutz muss festgehalten werden, dass die Gesundheit und das Wohlergehen von geklonten Tieren leider beeinträchtigt sind. Die EFSA berichtet in ihren Stellungnahmen von einer niedrigen Erfolgsrate der Klonembryonen, es sind häufig Fehlge- burten und Missbildungen wie zum Beispiel das häufig auftretende Large Offspring Syndrom bei Rindern, wo- bei nicht nur der Klon, sondern auch das Trägertier in Mitleidenschaft gezogen werden kann. Andere Beein- trächtigungen treten erst dann auf, wenn das Trägertier unter Leistung belastet wird. Grundsätzlich ist festzuhal- ten: Klontiere selbst sind oft krankheitsanfälliger und le- ben kürzer. Klonen ist somit durch die geringe Erfolgs- quote wirtschaftlich unrentabel und wird sich auf Dauer nicht gegenüber konventioneller Tierzucht durchsetzen. Zudem möchte ich an dieser Stelle betonen, dass in Deutschland und in der EU Klonfleisch bei der Versor- gung der Bevölkerung mit Fleischprodukten überhaupt keine Rolle spielt. Im Hinblick auf die ethische Betrachtung des Klonens besagt der Bericht der Europäischen Gruppe für Ethik in den Naturwissenschaften und der neuen Technologie, EGE, vom Januar 2008, dass es keine überzeugenden Argumente für eine Rechtfertigung des Klonens in der Nahrungsmittelproduktion gibt. Ob dies auch für die Nachkommen von Klonen gilt, ist noch wissenschaftlich zu untersuchen. Die im SPD-Antrag aufgestellte Behauptung, klonen bedrohe die biologische Vielfalt, entspricht schlichtweg nicht der Wahrheit. Vielmehr hat die Wissenschaft ge- zeigt, dass – insbesondere durch das Klonen –die geneti- 14214 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 (A) (C) (D)(B) sche Vielfalt erhalten wird. Arterhaltung wird gerade durch erbguterhaltendes Klonen praktiziert. Ein zeitlich begrenztes Verbot des Klonens zur Le- bensmittelproduktion könnte der Wissenschaft Zeit ge- ben, um die Probleme beim Tierschutz und bei der Le- bensmittelproduktion zu lösen. Daher ist es nur konsequent, zum momentanen Zeitpunkt den Weg einer EU-weiten Übergangsregelung wählen. Letztlich werden wir nicht verhindern können, dass Klonen in Drittstaaten zur Anwendung kommt. Somit müssen wir auch damit rechnen, dass Lebensmittel von Nachkommen geklonter Tiere auf den europäischen Markt gelangen. Für diesen Fall müsste man ein lücken- loses Rückverfolgbarkeitssystem und eine Kennzeich- nung einführen, damit der Verbraucher Klonnachfolge- produkte als solche identifizieren kann. Für die Nachkommen von geklonten Tieren sollten jedoch keine rechtlichen Maßnahmen unternommen werden, und das Rückverfolgbarkeitssystem würde freiwillige Informa- tionsprogramme ermöglichen. Ich halte es für geboten, nicht vorschnell zu entschei- den. Deshalb lehnen wir den SPD-Antrag ab. Kerstin Tack (SPD): Nach dem Scheitern der Ver- handlungen auf EU-Ebene über den Vorschlag für eine neue Verordnung über neuartige Lebensmittel – Novel- Food-Verordnung – im März dieses Jahres gibt es in Deutschland und in der EU weiterhin keine Vorschriften für Fleisch, Fleischprodukte und Milch von geklonten Tieren und deren Nachkommen. In Deutschland wird in einem breiten gesellschaftli- chen Konsens das Klonen von Tieren abgelehnt, aus ethischen Gründen, aber auch aus tierschutzrechtlichen Gründen. Denn nur wenige Klonembryonen überleben, und häufige Fehlgeburten sind die Folge. Die geklonten Tiere selbst sind oft krankheitsanfälliger und leben kür- zer. In einer Eurobarometer-Umfrage sprach sich bereits 2008 eine deutliche Mehrheit der EU-Bürgerinnen und -Bürger gegen Tierklonen aus und fand, dass das Klonen von Tieren zum menschlichen Verzehr aus ethischen Gründen nicht akzeptabel ist. Die gescheiterte EU-Regelung bedeutet, dass ein Klo- nen von Tieren zur Nahrungsgewinnung nicht verboten wird und dass Lebensmittel von geklonten Tieren und deren Nachkommen nach wie vor ohne Kennzeichnung in den Handel gelangen. Verbraucherinnen und Verbrau- cher können diese Erzeugnisse nicht erkennen und haben keine Wahlmöglichkeit beim Einkauf. Diese Situation ist aus unserer Sicht nicht akzeptabel, zumal damit auch der erklärte Verbraucherwillen miss- achtet wird. Das Klonen von Tieren zur Lebensmittel- produktion gehört verboten. Dass sich die EU-Mitgliedstaaten, das Europäische Parlament und die EU-Kommission bei den Verhandlun- gen zur Novel-Food-Verordnung im März noch nicht einmal auf eine Kennzeichnung für Erzeugnisse von ge- klonten Tieren und ihren Nachfahren einigen konnten, ist für mich unverständlich. Der ehemalige Wirtschaftsminister Brüderle hat durch das Abstimmungsverhalten Deutschlands eine eu- ropaweite Regelung verhindert. Verbraucherministerin Aigner konnte sich mal wieder nicht durchsetzen und ist jetzt in Erklärungsnot. In den USA und anderen Ländern ist bereits Fleisch von den Nachfahren geklonter Tiere auf dem Markt, so- dass davon ausgegangen werden kann, dass es auch in die EU gelangt. Ich teile die Forderung des Europäischen Parlaments nach einem Verbot von Lebensmitteln geklonter Tiere und ihren Nachkommen, die bereits seit 2008 besteht. Auch eine von der EU-Kommission eingesetzte Ethik- gruppe für Wissenschaft und neue Technologien findet keine überzeugenden Argumente, welche die Herstel- lung von Nahrungsmitteln von Klonen und ihren Nach- kommen rechtfertige. Darüber hinaus gibt es für mich auch noch keine aus- reichende Risikoabschätzung für gesundheitliche Aus- wirkungen von Produkten geklonter Tiere oder deren Nachfahren. Selbst die Europäische Behörde für Lebens- mittelsicherheit, EFSA, attestiert, dass Erzeugnisse von Klontieren mit einem geschwächten Immunsystem stär- ker mit potenziellen Krankheitserregern belastet sein können. Umso unverständlicher ist dann ihre Aussage, dass Lebensmittel von Klontieren keine Gefahr für die Gesundheit aufweisen. Mit unserem Antrag auf Drucksache 17/5485 fordern wir deshalb die Bundesregierung auf, unverzüglich auf europäischer Ebene eine Initiative für ein Verbot von Er- zeugnissen von geklonten Tieren und ihren Nachfahren zu ergreifen. Wenn dies keine Mehrheit erreichen sollte, muss sie sich zumindest für eine Kennzeichnung der Produkte einsetzen. Verbraucherinnen und Verbraucher erwarten zu Recht Transparenz bei den Lebensmitteln, die sie verzehren. Das Argument der Bundesregierung, dass zurzeit kein Handlungsbedarf bestehe, da auf europäischer Ebene be- reits an Regelungen für den Einsatz von Klontieren in der Lebensmittelproduktion gearbeitet werde, kann ich nicht teilen. Ich finde, die Bundesregierung muss hier im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher sehr viel stärker intervenieren. Ein Verbot von Erzeugnissen von geklonten Tieren und ihren Nachfahren ist dringend erforderlich. Es ist sehr schade, dass meine Kolleginnen und Kolle- gen der Regierungsfraktionen dies in der Sitzung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Ver- braucherschutz am 11. Mai nicht unterstützt haben und unseren Antrag ablehnen. Der Beschlussempfehlung des Ausschusses auf Drucksache 17/5893 können wir somit nicht zustimmen. Dr. Christel Happach-Kasan (FDP): Die SPD- Fraktion fordert ein Verbot des Klonens von Tieren zur Lebensmittelproduktion. Sie suggeriert damit, das Klo- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 14215 (A) (C) (D)(B) nen von Tieren zur Lebensmittelproduktion sei in Kürze zu erwarten. Dies ist nicht der Fall. Die Technik des Klo- nens bei Tieren ist nicht entwickelt worden, um Kotelett oder Rindersalami auf den Tisch der Verbraucherinnen oder Verbraucher zu bringen. Mit diesem Antrag will die SPD bestehende Vorbehalte gegen moderne landwirt- schaftliche Methoden bedienen, statt sich der politischen Aufgabe der Aufklärung zu stellen. Der Antrag der SPD ist überflüssig, er ist sogar schädlich. Die FDP lehnt ihn ab. Das Klonen von Säugetieren ist die jüngste und auf- wändigste Technologie im Bereich der modernen Tier- zucht. In den ungefähr 50 Jahren der wissenschaftlich begründeten Tierzucht haben sich bereits eine Reihe un- terschiedlicher Methoden zur Züchtung leistungsfähiger Nutztiere etabliert. Dazu gehört beispielsweise die künstliche Besamung sowie die Konservierung der Keimzellen. So werden 90 Prozent der Rinder und etwa 50 Prozent der Zuchtsauen künstlich besamt. Einen wei- teren wichtigen Technologiesprung stellt der Embryo- nentransfer dar. Andere biotechnologische Verfahren wie die Unterscheidung von Spermien nach dem Ge- schlecht und die In-vitro-Produktion von Embryonen so- wie die Erforschung des Genoms unserer Nutztiere sind dabei, die moderne Tierzucht deutlich zu verändern. Angesichts der weltweiten Herausforderungen, der die Landwirtschaft gegenübersteht, der Notwendigkeit der Steigerung ihrer Effizienz ist dies richtig und absolut notwendig. Deswegen halten wir es für völlig verfehlt, die Technologie des Klonens entsprechend dem Antrag der SPD-Fraktion anzuprangern und zu verbieten. Wir als FDP wollen eine zukunftsorientierte, moderne Land- wirtschaft, die den Landwirten ebenso wie den Verbrau- cherinnen und Verbrauchern zugutekommt. Wir wollen, dass neue Technologien in Deutschland erforscht und gefördert werden können. Wir dürfen uns nicht vom wis- senschaftlichen Fortschritt abkoppeln. Die Technologie des somatischen Klonens ist noch im Entwicklungsstadium. Das Klonen von Säugetieren ist bis- her erst bei wenigen Arten gelungen, und die Erfolgsraten sind noch relativ niedrig. Derzeit gibt es etwa 4 000 ge- klonte Rinder und etwa 1 000 bis 1 500 Schweine. Bei die- sen Arten liegen die meisten Erfahrungen vor. Diese zei- gen, dass dieses Verfahren noch nicht reif für die landwirtschaftliche Tierzuchtpraxis ist. Die Erfolgsquote ist noch zu gering. Professor Heiner Niemann, der Leiter des Instituts für Nutztiergenetik des Friedrich-Löffler-In- stitutes, hat den aktuellen Sachstand in seinem Beitrag für das Magazin „Biologie in unserer Zeit“ vom Januar 2011 sehr interessant, allgemein verständlich und sach- lich aufbereitet. Ich empfehle diesen Artikel allen Inter- essierten. Das Klonen von Nutztieren ist sehr teuer, aufwändig und in den allermeisten Fällen für Zuchtbetriebe wirt- schaftlich nicht attraktiv. Eine Ausnahme stellen ledig- lich die besten und wertvollsten Zuchttiere oder beson- ders erfolgreiche Sportpferde dar. Viele Sportpferde sind Wallache und können nur über das Klonen vermehrt werden. Inzwischen sind auch geklonte Rinder mit Re- sistenz gegenüber Boviner Spongiformer Encephalitis, BSE, produziert worden. Diese dienen der Produktion von Antikörpern für die Humanmedizin. Wir sind uns der Vorbehalte in der Bevölkerung ge- genüber dem Klonen bewusst. Deswegen unterstützt die FDP die Pläne der EU-Kommission und des Rates, auf- grund der potenziellen Bedeutung des Klonens einen ei- genen Rechtsakt für den Umgang mit der Technologie, den Tieren, ihren Nachfahren und ihrer Produkte zu er- lassen. Leider hat das Europäische Parlament während der Beratungen zur Novel-Food-Verordnung die sinnvol- len Kompromissvorschläge des Rates boykottiert. Vor- geschlagen waren acht Maßnahmen, die gleichermaßen den Bedürfnissen der Verbraucherinnen und Verbrau- cher, der praktischen Anwendbarkeit und den Handels- regeln entsprochen hätten. Als Übergangslösung sollte ein Moratorium für das Klonen von Nutztieren, aus ih- nen produzierten Lebensmitteln und von Einfuhr und Vertrieb von Klonen in der EU geschaffen werden. In der Zwischenzeit sollte ein System zur Rückverfolgung von Sperma und Embryonen von Klontieren sowie deren direkten Nachkommen aufgebaut werden, innerhalb von sechs Monaten eine Kennzeichnung von Fleisch geklon- ter Tiere und ihrer direkten Nachkommen entwickelt und die Anwendbarkeit dieser Kennzeichnung auf weitere Generationen von Nachkommen überprüft werden. Wir wollen eine möglichst große Transparenz für die Verbraucherinnen und Verbraucher. Dafür müssen aber wissenschaftliche Fakten und wirtschaftliche Machbar- keit die Grundlage bilden. Sowohl die Kommission wie auch der Rat haben dies eingesehen. Das Klonen zu stig- matisieren und gleichzeitig riesige Datenbanken zur Kennzeichnung aufzubauen, die in der Praxis nicht über- prüft werden können, hilft den Verbraucherinnen und Verbrauchern nicht. Wir sollten immer betonen, vom Fleisch geklonter Tiere und von deren Nachkommen geht keinerlei Gefahr aus. Auf der anderen Seite ermöglicht das Klonen gerade im Bereich der Medizin große Fortschritte. Ich erinnere an die Produktion von pharmazeutischen Eiweißstoffen mithilfe von transgenen Tieren. Das Klonen von seltenen Tierarten, beispielsweise des Mufflonwilds, aber auch von vom Aussterben bedrohten Tierrassen kann zum Er- halt genetischer Vielfalt beitragen. Die Aussagen im An- trag der SPD diesbezüglich sind eindeutig falsch. Auch aus diesen Gründen dürfen wir diese Technik nicht fahr- lässig verdammen. Wir sollten uns nicht wissenschaftlich isolieren. Viel- mehr müssen wir daran mitwirken, dass die Menschen in Deutschland die modernen landwirtschaftlichen Metho- den verstehen. Wir müssen sie dafür öffnen. Dazu gehört auch, ihnen die Tierzucht begreiflich zu machen und sie auf dem Weg mitzunehmen. Dies kommt den landwirt- schaftlichen Betrieben genauso zugute wie den Verbrau- cherinnen und Verbrauchern. Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE): Aus eins mach zwei. – So einfach könnte man das Thema „Klo- nen“ zusammenfassen, wenn, ja, wenn da nicht die eine oder andere kritische Frage unbeantwortet bliebe, bei- spielsweise die Frage danach, ob es überhaupt ethisch 14216 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 (A) (C) (D)(B) vertretbar ist; denn es werden Lebewesen einfach ko- piert, die sich eigentlich sexuell fortpflanzen, also ihre beiden Erbanlagen mischen und neu zusammensetzen. Auch stellt sich die Frage danach, ob wir mit dem Klo- nen nicht die ohnehin sinkende genetische Vielfalt unse- rer Nutztierrassen weiter einschränken. Und spannend bleibt die Frage, warum Verbraucherinnen und Verbrau- cher Fleisch oder Milch von geklonten Tieren oder deren Nachkommen ablehnen. Beginnen wir also von vorne: Dolly war die erste. Das Klonschaf galt 1996 als wissenschaftlicher Durchbruch. Am Valentinstag 2003 musste es allerdings eingeschlä- fert werden. Die Klonierung wurde als Ursache für die vorzeitige Alterung diskutiert. Doch die Klontechnik entwickelte sich weiter. Unterdessen sind die gesund- heitlichen Risiken für die Nachkommen solcher Versu- che zwar etwas geringer, aber es ist und bleibt eine Risi- kotechnologie, auf die Politik und Gesetzgeber zu Recht ein kritisches Auge haben. Deshalb beschäftigten sich in den vergangenen Monaten auch das Europäische Parla- ment und der Deutsche Bundestag erneut mit dem Thema. EU-Parlament und EU-Agrarrat hatten im Früh- jahr vergeblich nach einer gemeinsamen Lösung des Konflikts zum Umgang mit den Nachkommen von Klontieren gesucht. Laut Medienberichten war übrigens Bundeswirtschaftsminister Brüderle dabei das Drängen der US-Agrarlobby auf Zugang zum EU-Markt wichti- ger als der Schutz der europäischen Verbraucherinnen und Verbraucher. Er befürchtete einen Handelskrieg und verhinderte den Kompromiss am 28. März 2011. Leider. Dabei ging es konkret um die Frage, ob zum Beispiel Fleisch, Eier oder Milch von Nachkommen geklonter Tiere in der EU entsprechend gekennzeichnet werden sollen. Das Schnitzel von einem Nachkommen eines Klontieres unterscheidet sich nach derzeitigem Kennt- nisstand zwar gesundheitlich und biologisch-physisch nicht von einem normalen Schnitzel. Aber es gibt dennoch für die Linke im Bundestag und in Brüssel gute Gründe für die Ablehnung des Klonens und für die Forderung, dass Verbraucherinnen und Ver- braucher entscheiden können, was auf ihrem Teller liegt. Viele würden wissentlich solche Produkte nicht kaufen. Das belegt beispielsweise eine Eurobarometerumfrage im Auftrag der EU-Kommission aus dem Jahr 2008. Ihr Ergebnis war, dass „43 Prozent der Bürger den Kauf von Lebensmitteln, die von geklonten Tieren stammen, voll- kommen ausschließen. Erzeugnisse von durch natürliche Fortpflanzung gezeugten Nachkommen geklonter Tiere würden 41 Prozent nicht erstehen.“ Die Linksfraktion lehnt das Klonen von Tieren aus ethischen, tierschutzrechtlichen und ökologischen Grün- den ab. Geklonte Tiere haben häufiger Missbildungen, sind krankheitsanfälliger und sterben oft vorzeitig. Durch das Klonen wird die genetische Vielfalt der land- wirtschaftlichen Nutztiere noch weiter eingeschränkt. Sie ist in den Strukturen der modernen Agrarwirtschaft bereits deutlich zurückgegangen. Ethisch stellt sich die Frage, ob das Kopieren von Individuen überhaupt ver- tretbar ist. Im Gegensatz zu Pflanzen, welche sich durch die vegetative Vermehrung quasi „selbst klonen können“, pflanzen sich landwirtschaftliche Nutztiere na- türlicherweise auf sexuellem Wege fort. Das sollte aus unserer Sicht auch so bleiben. Auch eine steigende Ab- hängigkeit der Landwirtschaftsbetriebe von Konzern- strukturen wäre ein Risiko des Klonens. Das Klonen – das identische Vervielfältigen eines In- dividuums – ist ein aufwendiger und teurer Prozess. Da- rum wird es auch nicht direkt zur Produktion von Mast- schweinen oder Milchkühen eingesetzt. Künstliche Besamung und selbst der Embryotransfer sind deutlich billiger und damit wirtschaftlicher. Geklont werden be- sonders wertvolle Tiere, zum Beispiel Superzuchtbullen. Mit identischen Kopien kann mehr wertvolles Sperma produziert werden. Viele Tausend Portionen könnten dann zum Beispiel aus den USA in die EU zur Besa- mung europäischer Kühe eingeführt werden. Werden de- ren Kälber geschlachtet, entsteht das, was in den Medien verkürzt als „Klonfleisch“ bezeichnet wird. Auf meine Nachfrage, wie viele solcher Klonspermaportionen be- reits nach Deutschland importiert worden sind, antwor- tete mir die Bundesregierung während der Ausschussde- batte, dass sie das schlicht nicht weiß! Das Scheitern des Kompromisses im Frühjahr hat zur Folge, dass Fleisch von Klonnachkommen weiter nicht gekennzeichnet wird. Es kommt auf unsere Teller, ohne dass wir es wissen oder verhindern könnten. Der vorliegende SPD-Antrag fordert von der Bundes- regierung sich „unverzüglich … für ein Verbot von Er- zeugnissen von geklonten Tieren und ihren Nachfahren“ einzusetzen. Sie soll auf EU-Ebene einen Vorschlag dazu unterbreiten. Sollte das nicht erfolgsversprechend sein, sollte die Bundesregierung zumindest „eine Initia- tive für eine Kennzeichnung von Erzeugnissen von ge- klonten Tieren und ihren Nachfahren … ergreifen“. Die Linksfraktion kann sich diesen Forderungen uneinge- schränkt anschließen und stimmt dem Antrag daher zu. Wir wollen nicht, wie die Bundesregierung, auf einen neuen Regelungsvorschlag der EU-Kommission im Jahr 2013 warten. Gerade nach dem Scheitern auf EU-Ebene ist uns ein deutliches Zeichen des Bundestages sehr wichtig: Wir lehnen fraktionsübergreifend das Klonen von Tieren ab! Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das Scheitern der Verhandlungen zwischen Europaparla- ment, Kommission und Rat um die Einfuhr von Klon- fleisch und um die Novelle der Novel-Food-Verordnung sowie die unrühmliche Rolle des damaligen Wirtschafts- ministers Rainer Brüderle wurde bereits vor drei Mona- ten hier im Bundestag im Rahmen einer Aktuellen Stunde debattiert. In der Aktuellen Stunde bestätigten die Vertreter der Regierungsfraktionen die großen Tier- schutzprobleme beim Klonen von Nutztieren, wie zum Beispiel die vielen Fehlgeburten und Missbildungen. Die Kolleginnen und Kollegen von Union und FDP äu- ßerten auch ihr Bedauern über die Tatsache, dass der Im- port von Produkten aus dieser tierschutzverachtenden Züchtungstechnologie in der EU derzeit keinen wirksa- men Beschränkungen unterliegt. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 14217 (A) (C) (D)(B) Die Rolle Deutschlands in den EU-Verhandlungen wurde in diesen staatstragenden Reden dagegen sehr klein gehalten, man habe „vorsichtig die Positionen im Rat abgetastet“ und sei dann zu dem Ergebnis gekom- men, dass dem vom EP vorgeschlagenen Verbot der Ein- fuhr von Produkten von geklonten Tieren und deren Nachkommen nicht zugestimmt werden könne. Nicht einmal der Kompromissvorschlag einer Kennzeich- nungslösung für Klonfleisch wurde von der Bundesre- gierung mitgetragen, obwohl die zuständige Ministerin Ilse Aigner sich im Vorfeld der Verhandlungen wortreich für genau diese Verhandlungslinie ausgesprochen hatte. Und es waren am Ende die Stimmen Deutschlands, die diesen aus Verbrauchersicht wichtigen Kompromiss ver- hindert haben. Vor lauter „Herantasten“ ist am Ende gar nichts herausgekommen. Ich möchte jetzt gar nicht näher auf die – vorsichtig formuliert – erratische Art und Weise eingehen, mit der diese Bundesregierung Europapolitik betreibt. In der Frage der Schuldenkrise Griechenlands hat Diplomatie für die Bundesregierung keinerlei Rolle gespielt. Im Ge- genteil: Als sei es das Ziel der Debatte, wurde mit abfäl- ligen Bemerkungen über Griechenland Porzellan auf dem europäischen Parkett zerschlagen. Bei einer für den Verbraucher- und Tierschutz wichtigen Entscheidung hat die Bundesregierung dagegen nur „vorsichtig abgetas- tet“. Tatsache ist leider, dass wir dadurch in Sachen Klonfleisch derzeit vor einem politischen Scherbenhau- fen stehen. Und das ohne Not, denn hier im Bundestag besteht doch anscheinend ein breiter Konsens gegen das Klonen von Nutztieren. Es kommt jetzt darauf an, diesen Kon- sens schnell und konsequent in entsprechende neue Re- gelungen umzusetzen. Leider hat in der Aktuellen Stunde im April weder das Bundeswirtschafts- noch das Bundesagrarministerium Stellung beziehen wollen oder können. Immerhin wollten auch die Abgeordneten der Regierungsfraktionen die Bundesregierung auffordern, für eine neue Regelung der Klonfleischimporte auf EU-Ebene aktiv zu werden. Ich bin allerdings skeptisch, ob dabei viel herauskommen wird. Ministerin Aigner hat bisher nur in wenigen Fällen die von ihr angekündigten Initiativen umsetzen können. Wie soll das jetzt gelingen, wenn es von ihr bis jetzt noch nicht einmal eine derartige Ankündigung gibt? Wie wird sichergestellt, dass sich die Ministerin bei neuen EU-Verhandlungen nicht wieder die Federführung von einem „Kollegen“ aus der Hand nehmen lässt? Und wie glaubwürdig ist ein deutscher Vorstoß in Brüssel, nach- dem man bisher vor allem als Bremser und Blockierer aufgefallen ist? Um nicht missverstanden zu werden: An mir und meiner Fraktion wird eine wirksame Importbeschrän- kung oder – falls das nicht möglich sein sollte – auch eine Kennzeichnungslösung nicht scheitern. Denn wir haben schon lange deutlich gemacht, dass wir das Klo- nen von Tieren nicht verantworten können und auch die Verbraucherinnen und Verbraucher vor Produkten von Klontieren und ihren Nachkommen schützen wollen. Dazu braucht es eine Regelung zum Importstopp, min- destens aber eine klare und transparente Kennzeichnung. Vermutlich müssen wir aber erst den Ablauf des Haltbar- keitsdatums dieser Bundesregierung abwarten, um end- lich (wieder) konsequent den Verbraucher- und Tier- schutz voranbringen zu können. Anlage 14 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Entwürfe eines Gesetzes zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an den EU-Visa- kodex (Tagesordnungspunkt 23) Reinhard Grindel (CDU/CSU): Ich will mich in der zweiten und dritten Lesung des Richtlinienumsetzungs- gesetzes auf die Ergänzungen, die von der Koalition in den Ausschussberatungen eingebracht worden sind, und auf die Änderungsvorschläge der Opposition konzentrie- ren. Wir nehmen das Gesetzeswerk zum Anlass, ein wei- teres Ziel unseres Koalitionsvertrages zu verwirklichen. Wir stellen Schulen und Kindergärten von den Übermitt- lungspflichten bei illegalen Kindern frei. Zu deutsch: Kinder, deren Eltern sich illegal in Deutschland aufhal- ten, können in Zukunft in die Schule oder den Kinder- garten gehen, ohne Angst haben zu müssen, dass Schul- leiter oder Kindergärtner es den Ausländerbehörden melden, dass sie jemanden in ihrer Einrichtung haben, der sich illegal in Deutschland aufhält. Damit kommen wir gerade auch einer langjährigen Forderung der Kir- chen und vieler humanitärer Einrichtungen nach. Wir wissen, dass wir uns mit dieser Gesetzesänderung auf einem schmalen politischen Grad bewegen; denn selbstverständlich gilt gerade für uns Innenpolitiker, dass wir den Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung ach- ten. Allerdings ist sicher auch bedenkenswert, dass die Kinder von Illegalen das Schicksal ihrer Eltern teilen und in nahezu allen Fällen keine eigene Schuld daran tragen, dass sie sich rechtswidrig in Deutschland aufhal- ten. Im Übrigen stellen wir jetzt den rechtlichen Rahmen für einen Tatbestand her, der in vielen Bundesländern bereits gängige Praxis ist und zum Teil auf der Grund- lage von Richtlinien der jeweiligen Kultusministerien praktiziert wird. Wir haben uns vor allem aus zwei Gründen dazu durchgerungen, illegalen Kindern den Schulbesuch zu ermöglichen: In den allermeisten Fällen werden die Kin- der wieder in ihre Herkunftsländer zurückkehren. Wir wollen dazu beitragen, dass sie die Zeit, in der sie in Deutschland sind, nutzen, um Fertigkeiten und Fähigkei- ten zu erwerben, die ihnen ein Leben in der alten Heimat erleichtern. Sie sollen mit dem hier in Deutschland er- worbenen Wissen bessere Bildungs- und Berufsperspek- tiven in ihren Herkunftsländern haben. Dieses kann auch dazu beitragen, dass ihren Eltern die Rückkehr in die Heimat leichter fällt, weil sich die Perspektive der Kin- der verbessert hat. 14218 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 (A) (C) (D)(B) Zweitens ist zu fragen, was die Kinder wohl mit ihrer Zeit anfangen werden, wenn sie nicht zur Schule gehen. Es ist zumindest zu befürchten, dass sie irgendwann eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung wer- den könnten. Man kann es auch einfacher sagen: Wer in der Schule ist, kann in der Zeit kein dummes Zeug an- stellen. Insofern sprechen im weitesten Sinne auch kri- minalpräventive Gründe für eine Öffnung der Schulen für den Besuch von Kindern Illegaler. Der Besuch einer Schule und wahrscheinlich auch ei- nes Kindergartens dürfte angesichts der demografischen Entwicklung in unserem Land auch nicht mit zu hohen Kosten insbesondere für die Kommunen verbunden sein. Ganz anders sieht die Lage allerdings aus, wenn man den deutlich weiter gehenden Vorschlägen der Opposi- tion folgen würde, die illegalen Ausländern jedwede Krankenhausbesuche und Arbeitsgerichtsprozesse er- möglichen wollen. Dagegen spricht, dass in diesem Fall die Illegalen selbst und nicht nur ihre Kinder Begüns- tigte einer Regelung wären, die nun wirklich gegen den Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung verstoßen würde. Nehmen wir nur den Gerichtsprozess im Falle eines Lohnstreits bei illegaler Beschäftigung. Es kann doch nicht sein, dass ein illegal Aufhältiger seinen Arbeits- lohn aus illegaler Beschäftigung vor Gericht eintreibt, sich dann erneut illegaler Arbeit zuwendet und die Aus- länderbehörde von alledem nichts erfährt. Was den Besuch eines Krankenhauses angeht, haben wir schon nach geltender Rechtslage die Situation, dass die Übermittlungspflicht durch den sogenannten verlän- gerten Geheimnisschutz beschränkt ist. Daten dürfen nur weitergegeben werden, wenn die öffentliche Gesundheit gefährdet ist oder es um Drogenkonsum geht. Durch die Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz ist klarge- stellt, dass sich dieser Geheimnisschutz auch auf das Ab- rechnungspersonal im Krankenhaus erstreckt. Damit ist völlig klar, dass alle illegalen Ausländer angstfrei eine medizinische Notfallversorgung erhalten können, neben dem engmaschigen Netz an altruistischen medizinischen Angeboten, das es heute ohnehin gibt. Dementsprechend ist seit Jahren auch kein Fall bekannt, wo ein Illegaler in irgendeiner Weise an Leib oder Leben gefährdet wäre. Insoweit sind die Anträge der Opposition entweder in der Sache falsch oder überflüssig. Die Koalition verbessert die Rechtsstellung der Opfer von Menschenhandel und illegaler Beschäftigung, in- dem wir die Bedenk- und Stabilisierungsfrist im Vorfeld von Gerichtsverfahren auf drei Monate verlängern. Es muss allerdings dabei bleiben, dass Staatsanwaltschaften und Gerichte über die Notwendigkeit eines Aufenthalts während des Strafverfahrens entscheiden und es nicht etwa jeder Rechtsanwalt in der Hand hat, durch die bloße Behauptung, jemand könne im Rahmen eines Strafverfahrens etwas beitragen, den Aufenthalt künst- lich verlängern können. Damit wäre Missbrauch Tür und Tor geöffnet. Das wollen wir nicht. Wir eröffnen Hilfsorganisationen die Möglichkeit, Menschen, die sich in Abschiebehaft befinden, dort zu besuchen. Allerdings setzt das natürlich den Wunsch des Gefangenen voraus. Es macht einen schon etwas fas- sungslos, wenn einzelne Organisationen von uns einen Freibrief zur Zwangsbeglückung verlangen und generell ein solches Besuchsrecht auch gegen den Wunsch des Gefangenen wollen. Hier wird deutlich, dass es diesen Organisationen nicht um die humanitäre Situation der Betroffenen geht, sondern darum, aus rein ideologischen Gründen Abschiebeverfahren zu verzögern. Auch da macht die Koalition selbstverständlich nicht mit. Völlig gegen die Grundsätze unserer Rechtsordnung steht ebenso die Forderung der Opposition, nichtstaatli- che Träger verpflichtend in die Abschiebung von Aus- ländern auf Flughäfen einzubinden. Der Staat muss seine Überwachungssysteme im Rahmen der Abschiebung selbst organisieren. Nur so kann er für eine effektive Ar- beit sorgen. Ich sehe das Wirken der sogenannten Ab- schiebebeobachter ohnehin sehr kritisch, weil durch ihre Einwirkung immer wieder Abschiebungen scheitern, wie zum Beispiel jüngst auf dem Düsseldorfer Flugha- fen. Dort hatten in mehreren Fällen die Aktivitäten der Abschiebebeobachter am Ende nur die Konsequenz, dass die betroffene Kommune höhere Rückkehrprämien für Rückkehrverpflichtete zahlen musste, die zuvor auf dem Flughafen schlicht simuliert hatten, was durch die Einwirkung der Abschiebebeobachter aber zum Abbruch der Aktion durch die Bundespolizei geführt hat. Wir er- warten als CDU/CSU-Fraktion, dass die Bundespolizei bei der Durchsetzung von Recht und Gesetz mitwirkt und nicht die langjährige Arbeit von Ausländerbehörden zunichte macht. Wie man überhaupt an dieser Stelle sa- gen muss, dass die Art und Weise, wie in der öffentli- chen Debatte und auch bei den konkreten Maßnahmen im Rahmen der Abschiebung mit Mitarbeitern der Aus- länderbehörden umgegangen wird, zum Teil wirklich menschenverachtend ist. Man fragt sich manchmal: Wer beobachtet eigentlich das, was die NGOs und insbeson- dere Abschiebebeobachter tun? Mit unserem Gesetzeswerk lösen wir auch das Ver- sprechen ein, Kindern mit Bleiberecht den Zugang zum BAföG zu eröffnen. Das war bei den letzten Debatten über das Aufenthaltsrecht in Zweifel gezogen worden. In Wahrheit hatte damals die Opposition versucht, das Ge- setz im Bundesrat zustimmungspflichtig zu machen, weil die BAföG-Regelung dies ausgelöst hätte. Diese Trickserei haben wir durchschaut und machen die Geset- zesergänzung zum BAföG jetzt an dieser Stelle, weil das Richtlinienumsetzungsgesetz ohnehin den Bundesrat passieren muss. Wir setzen mit diesem Gesetzeswerk die betroffenen Richtlinien buchstabengetreu um. Wir nutzen die Verab- schiedung des Gesetzes zur weiteren Beschlussfassung über wichtige humanitäre und integrationspolitische Ini- tiativen. Ich bitte deshalb um Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung. Helmut Brandt (CDU/CSU): Wir werden heute in zweiter und dritter Lesung ein Gesetzespaket im Bereich des Ausländer- und Aufenthaltsrechts verabschieden. Dem Gesetzespaket zugrunde liegen insbesondere die Rückführungsrichtlinie sowie die Sanktionsrichtlinie der Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 14219 (A) (C) (D)(B) Europäischen Union. Der vorliegende Gesetzentwurf der Bundesregierung dient der Umsetzung dieser beiden Richtlinien in das innerstaatliche Recht. Ich begrüße die Umsetzung der beiden Richtlinien, die auf die Festlegung eines für alle Mitgliedstaaten ver- bindlichen rechtsstaatlichen Mindeststandards bei der Rückführung ausreisepflichtiger Ausländer zielen, denn sie bedeutet – entgegen aller Kritik – einen ersten und wichtigen Schritt in Richtung einer gemeinschaftlichen Einwanderungspolitik. Überall dort, wo es vorher keine verbindlichen Vor- schriften gab, führt die Umsetzung dieser Richtlinie in vielen Bereichen zu einer wirklichen Verbesserung. So gibt es in der EU momentan neun Länder, die gar keine zeitliche Begrenzung der Abschiebehaft kennen; jetzt werden es sechs Monate sein. Diese Haftzeit kann nur in begrenzten Ausnahmefällen zweimal um sechs Monate verlängert werden. Eine deutliche Verbesserung stellt die Beschränkung des Wiedereinreiseverbots auf fünf Jahre dar. 14 Länder sprechen derzeit längere Wiedereinreiseverbote aus, Deutschland sogar unbefristete. Das Wiedereinreisever- bot führt auch nicht, wie behauptet, die Flüchtlingspolitik ad absurdum. Denn Art. 9 Abs. 5 der Richtlinie sieht aus- drücklich vor, dass das Recht, in den Mitgliedstaaten nach internationalem Schutz zu suchen, von einem Wiederein- reiseverbot unberührt bleibt. Übrigens gilt das Wiederein- reiseverbot künftig EU-weit. Dies ist zur Vermeidung von Missbrauch zu begrüßen, denn bisher konnte ein Mit- gliedstaat Einreiseverbote nur für das eigene Territorium aussprechen. Zugunsten der Ausgewiesenen besteht im Übrigen die Möglichkeit, im Einzelfall einen Antrag auf nachträgliche Reduzierung der Befristung zu stellen. Dass wir in Europa eine gemeinsame Einwanderungs- politik brauchen, wird wohl von niemandem infrage ge- stellt. Nirgends zeigt sich das so deutlich wie im Kampf gegen illegale Beschäftigung. Sowohl der EU-Visakodex, der das Verfahren zur Erteilung von Schengen-Visa inner- halb der EU harmonisiert, als auch die Sanktionsrichtlinie verstehen sich daher als Teilaspekt im Kampf gegen ille- gale Einwanderung und ebenso illegale Beschäftigung. Diese Maßnahmen sollen wiederum Teilgrundlage für eine künftig umfassende gemeinsame Einwanderungs- politik werden. Illegale Einwanderung wird durch die Möglichkeit, ein illegales Beschäftigungsverhältnis in der EU einge- hen zu können, begünstigt. Die illegale Beschäftigung il- legaler Einwanderer stellt damit einen wesentlichen Pullfaktor dar. Deshalb benötigen wir in allen EU-Mit- gliedstaaten vergleichbare Sanktionen für die Beschäfti- gung von illegal eingereisten Personen. Die Umsetzung der Richtlinie dient diesem Erfordernis. Trotz einer – wie ich finde – insgesamt gut gelunge- nen Umsetzung der beiden Richtlinien, wurde in den letzten Monaten – das wurde zuletzt in der Sachverstän- digenanhörung am 27. Juni deutlich – der Gesetzentwurf von einigen Verbänden und Nichtregierungsorganisatio- nen als Anlass für weitergehende Forderungen zur Re- form des Abschiebungsrechts genommen. Einige der im Rahmen dieser Anhörung beanstande- ten Kritikpunkte haben wir durch den Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen nun aufgegriffen. So haben wir uns entschlossen, die in § 59 Abs. 7 Satz 2 Aufenthalts- gesetz geregelte Ausreisefrist im Interesse der Opfer von Menschenhandel und illegaler Beschäftigung auf min- destens drei Monate zu verlängern, um diesen Menschen ausreichend Bedenk- und Stabilisierungszeit zu gewähr- leisten. § 62 a Abs. 4 Aufenthaltsgesetz wird dahin gehend präzisiert, dass Mitarbeitern von einschlägig tätigen Hilfsorganisationen der Besuch von Abschiebungsge- fangenen nun im Regelfall gestattet werden soll, unter der Voraussetzung, dass der Gefangene dies wünscht. Auf die bisherige Kannregelung wird verzichtet. Wie auch nach Angaben von Kirchen und Wohl- fahrtsverbänden können Kinder von Menschen, die sich ohne Aufenthaltstitel oder Duldung und ohne Kenntnis der Behörden in Deutschland aufhalten, aus Furcht vor Entdeckung keine Schule besuchen. Das ist unzumutbar. Um diesen Menschen die Furcht vor Entdeckung zu neh- men und Kindern den Besuch öffentlicher Schulen und Einrichtungen zu ermöglichen, sollen künftig öffentliche Schulen von den bislang uneingeschränkt bestehenden aufenthaltsrechtlichen Übermittlungspflichten gegen- über Ausländerbehörden ausgenommen werden. Ich bin überzeugt, dass die Umsetzung in der Form, wie sie jetzt von uns vorgesehen ist, den europarechtli- chen Vorgaben genügt und die Interessen der Betroffenen hinreichend wahrt. Denn eines ist auch klar: Der Gesetz- entwurf ist, wie sollte es anders sein, ein Kompromiss zwischen nationalen Interessen und humanitären Ge- sichtspunkten. Er führt Mindeststandards ein in allen Mit- gliedstaaten, vor allem bei der Unterbringung der Betrof- fenen und im Verfahren sowie beim Rechtsbeistand. Und: Nicht jeder, der in Europa Zuflucht sucht, ist auch tatsächlich schutzbedürftig. Dass eine illegale Zu- wanderung schon allein aufgrund der nachdrängenden Massen nicht einfach akzeptiert werden kann, hat jeder Nationalstaat schon lange für sich entschieden. Insbeson- dere aus Frankreich und Italien hören wir in regelmäßigen Abständen immer wieder Rufe nach restriktiveren Ab- schieberegelungen. Abgeschoben wird in allen europäi- schen Staaten, aber eben unter verschiedenen Vorausset- zungen und Bedingungen. Es einfach dabei zu belassen, wäre die denkbar schlechteste aller Varianten gewesen, erst recht im Sinne der illegal eingereisten Menschen. Die Dynamik im Bereich der Wanderbewegung stellt uns immer wieder vor neue Herausforderungen, die wir innovativ bewältigen müssen. Ich bin überzeugt, dass das Gesetzespaket, das wir in Form der Umsetzung der diesem Gesetzentwurf zugrunde liegenden Richtlinien geschnürt haben, als gute Grundlage für weitere legisla- tive Schritte auf dem Weg zu einer gemeinsamen Ein- wanderungspolitik dient. Rüdiger Veit (SPD): Bereits anlässlich der ersten Lesung hatte ich Ihnen am 14. April 2011 dargelegt, in welchen einzelnen Punkten dieser Gesetzentwurf die 14220 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 (A) (C) (D)(B) beiden Richtlinien der Europäischen Union – die soge- nannte Rückführungsrichtlinie und die sogenannte Sank- tionsrichtlinie – völlig unzureichend bzw. gar nicht um- setzt. Die am 27. Juni 2011 durchgeführte öffentliche Sachverständigenanhörung hat dies aus meiner Sicht im Wesentlichen bestätigt: Die Mehrheit der Sachverständi- gen war der Auffassung, der Gesetzentwurf bleibe weit hinter dem Inhalt der Richtlinien zurück. Das hat Sie leider nicht beeindruckt, und Sie haben das Ergebnis dieser Anhörung im Wesentlichen igno- riert. Man fragt sich, wozu wir den Aufwand an Zeit und Kosten für alle Beteiligten überhaupt betreiben, bezie- hungsweise wie ernst wir die Ratschläge externer Sach- verständiger nehmen, wenn daraus dann für die jetzige Regierungsmehrheit nichts folgt. Ursprünglich wollten Sie ja sogar zwei Tage später schon die zweite und dritte Lesung durchführen. Jetzt hatten wir immerhin etwas mehr als eine Woche zur Auswertung der Anhörung. Bündnis 90/Die Grünen haben daraus Änderungsan- träge entwickelt, die wir im Wesentlichen unterstützen. Zum Thema „Abschiebehaft“ kündige ich einen eigenen umfassenderen Antrag im Hinblick auf die Notwendig- keit, die Voraussetzungen, die Verhältnismäßigkeit so- wohl für Erwachsene als auch für Minderjährige für die SPD-Fraktion an, den wir nach der Sommerpause ein- bringen werden. Die Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und FDP ha- ben nun zwar Änderungsanträge eingebracht, die Sache wird damit aber immer noch nicht viel besser. Positiv zu Kenntnis zu nehmen ist lediglich, dass sie Bildungsein- richtungen, also vor allem Schulen und Kindergärten zu- künftig von den Übermittlungspflichten über den illega- len Aufenthalt von Kindern an die jeweilige Ausländerbehörde ausnehmen wollen. Die Sanktions- richtlinie hätte das gleiche für Arbeitsgerichte aus unse- rer Sicht ebenfalls zwingend notwendig gemacht. Bei Gesundheitseinrichtungen wollen wir es alle so, wie die Verwaltungsvorschriften zeigen, die wir zu Zeiten der Großen Koalition entsprechend formuliert haben. Das sind aber eben nur Verwaltungsvorschriften, es ist kein Gesetz. Konsequenter wäre es daher gewesen, entspre- chend unserem Vorschlag – deckungsgleich auch mit dem der Grünen insoweit – die Übermittlungspflichten auf Polizei- und Ordnungsbehörden sowie öffentliche Stellen mit der Aufgabe der Strafverfolgung und -voll- streckung zu beschränken, wie dies auch sonst im euro- päischen Umfeld ganz überwiegend der Rechtslage ent- spricht. Aber auch hierfür gilt wie beispielsweise bei der von dieser Koalition vorgeschlagenen und verabschiedeten Bleiberechtsregelung für Kinder und Jugendliche ebenso wie bei der angeblich beabsichtigten Hilfe für Opfer für Zwangsverheiratete: Sie arbeiten die Stichworte Ihrer Koalitionsvereinbarung zwar ab, schränken die Voraus- setzungen und Regelungen aber zugleich wieder so weit ein, dass ihre praktische Auswirkung für die Betroffenen höchst begrenzt bleibt. Sollten Sie in der CDU/CSU – dessen bin ich mir nicht so sicher – oder aber Ihr Ko- alitionspartner FDP – da bin ich mir allmählich auch nicht mehr so sicher – im Prinzip Gutes und Begrüßens- wertes gewollt haben, gilt für die Regelungen nach Art der berühmten Echternacher Springprozession „Zwei Schritte vor, einen zurück“ der Satz: gut gemeint (oder gewollt) ist noch lange nicht gut gemacht. Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP): Unser Gesetz- entwurf dient der Umsetzung einiger wichtiger Richtli- nien im Bereich des Ausländer- und Aufenthaltsrechts. Insbesondere die Rückführungs- und die Sanktionsricht- linie sind hier zu nennen. Die FDP-Bundestagsfraktion hat die Rückführungsrichtlinie begrüßt. Anders als zum Beispiel die Kollegen von der Linken sehen wir hier ei- nen großen Fortschritt für die Betroffenen: Erstmals gibt es innerhalb Europas gleiche Mindeststandards im Be- reich der Rückführung. Die Rückführungsrichtlinie hätte bereits zum Ende letzten Jahres umgesetzt werden müssen. Die sorgfältige Abstimmung des Gesetzentwurfes innerhalb des BMI mit den anderen Ressorts und insbesondere auch die in- tensive Beteiligung der Kirchen und Verbände macht deutlich, dass die Regierungskoalition große Sensibilität in diesem Themenbereich zeigt. Dies ist auch notwen- dig: Gerade die Abschiebungshaft greift tief in Grund- rechte ein und muss daher besonders austariert werden. Für die FDP-Bundestagsfraktion war immer wichtig, dass diese nur letztes Mittel sein kann und sein darf. Aus unserer Überzeugung wurde bei dem Gesetzentwurf die- ser Haltung Rechnung getragen. Die Anhörung im In- nenausschuss hat bezüglich des Entwurfs der Koalition bestätigt: Wir schaffen hier einige signifikante Verbesse- rungen. Das Kindeswohl muss aus Sicht der FDP-Bundes- tagsfraktion Priorität haben. Unser Gesetzentwurf ist in Bezug auf die Abschiebungshaft bei Minderjährigen die- sem Punkt sehr ausgewogen. Das Kindeswohl ist auch für die Koalition insgesamt zentral. Dies zeigt sich be- reits in der Rücknahme des Vorbehalts zur Kinderrechts- konvention. Keine Vorgängerkoalition hat dies zustande gebracht! Abschiebungen sind im Ausländerrecht notwendig. Die Abschiebungshaft ist aus Sicht der FDP-Bundes- tagsfraktion ein notwendiges Mittel zur Durchsetzung des Ausländerrechts. Allerdings müssen bei einem derart sensiblen Bereich der Gesetzgeber und die vollziehende Gewalt möglichst alles unternehmen, um für angemes- sene Durchführung, Transparenz und Akzeptanz zu sor- gen. Dass nun explizit vorgesehen ist, dass Abschiebe- häftlinge in separaten Einrichtungen untergebracht werden sollen, begrüßt die FDP-Bundestagsfraktion aus- drücklich. Die Unterbringung in normalen Gefängnissen ist grundsätzlich problematisch. Wir möchten nun auch die sozialrechtlichen Vor- schriften, die im Zwangsheirats-Bekämpfungsgesetz nicht mehr untergebracht werden konnten, einflechten. Die diesbezügliche Gesetzesnovellierung wird mit den vorliegenden Bestimmungen erst vollständig und praxis- gerecht. Sie bedeuten einen wichtigen Schritt vorwärts in der humanitären Ausländerpolitik. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 14221 (A) (C) (D)(B) Uns liegt noch ein weiteres Vorhaben des Koalitions- vertrages am Herzen. Dort ist Folgendes vereinbart: „Wir werden die aufenthaltsgesetzlichen Übermittlungs- pflichten öffentlicher Stellen dahingehend ändern, dass der Schulbesuch von Kindern ermöglicht wird.“ Es ist ein humanitärer Fortschritt, wenn wir die aufenthalts- rechtlichen Übermittlungspflichten öffentlicher Stellen ändern, um den Schul- und Kindergartenbesuch von Kindern zu gewährleisten. Bildung ist die Basis für ge- sellschaftliche Integration und persönlichen Erfolg. Die Koalitionsfraktionen haben sich entschieden, auch die Stabilisierungszeit für Opfer von Menschen- handel auf drei Monate auszudehnen. Wir folgen damit einem dringenden Petitum von Opferverbänden, aber auch der Polizei. Wir sorgen dafür, dass Abschiebehäft- linge auf ihren Wunsch hin von Nichtregierungsorgani- sationen besucht werden dürfen. Betonen möchte ich an dieser Stelle, dass ausgerechnet große Teile der Opposi- tion den vorgenannten Änderungen des Gesetzentwurfes nicht zugestimmt haben. Ausgerechnet diejenigen, die sich immer als Hüter des Flüchtlingsrechts erachten, ha- ben diesen wichtigen und wegweisenden Verbesserun- gen nicht zugestimmt, obwohl die SPD sogar bei der Verabschiedung der Richtlinien auf europäischer Ebene noch beteiligt war. Da kann ich nur sagen: Man sieht, dass sie nur aus taktischen Erwägungen handeln. Wenn es darum geht Verbesserungen für die Betroffenen zu schaffen, ducken Sie sich weg. Lieber gegen die Koali- tion stimmen, bevor man Verbesserungen schafft. Das ist wirklich nicht an der Sache orientiert, wie sie immer be- haupten. Wir haben bei den erfolgreichen Verhandlungen inner- halb der Koalition wichtige Weichenstellungen gesetzt. Diese Koalition kann stolz darauf sein, dass sie wirklich substanzielle Verbesserungen gerade im humanitären Ausländerrecht erreicht hat. Um die illegale Beschäfti- gung von Ausländern zu verhindern bzw. zu sanktionie- ren, fordert die Sanktionsrichtlinie im Wesentlichen die Ausdehnung der Arbeitgeberhaftung auf Generalunter- nehmer und zwischengeschaltete Unternehmer, erhöhte Nachweispflichten für Arbeitgeber und die Einführung von zwei neuen Straftatbeständen. Darüber hinaus ist ein befristeter Aufenthaltstitel für Opfer illegaler Beschäfti- gung einzuführen, um ihre Mitwirkung als Zeugen im Strafverfahren zu ermöglichen. Wegen einiger Regelungen des Visakodex – insbeson- dere zur Erforderlichkeit der Begründung von Visums- versagungen sowie zur Anfechtbarkeit der Visumsversa- gung – sind im Wesentlichen Anpassungen der Form- und Verfahrensvorschriften des Aufenthaltsgesetzes not- wendig. Im Zusammenhang mit den genannten Anpassungen an europäische Rechtsakte werden zur Klarstellung und zur Bereinigung von Unstimmigkeiten technische und re- daktionelle Anpassungen aufenthaltsrechtlicher Vorschrif- ten vorgenommen, die sich auf unterschiedliche Rege- lungsbereiche des Aufenthaltsgesetzes, das AZR-Gesetz, die Aufenthaltsverordnung und die AZRG-Durchfüh- rungsverordnung erstrecken. Migration und Integration stellen Deutschland vor neue Herausforderungen. Sie bieten aber auch neue Chancen. Die Koalition hat sich auf eine konsequente Steuerung der Zuwanderung nach Deutschland und eine aktive Integrationspolitik geeinigt. Wir wollen eine neue Kultur des Willkommens, die nicht falsche Versprechun- gen auf Kosten anderer Leute macht, sondern Chancen und Perspektiven eröffnet: für die, die nicht nur „territo- rial“ nach Deutschland kommen, sondern auch mit ihrer Kultur in unserem Land sowie unserer Gesellschaft mit ihren Grundwerten ankommen wollen. Wir halten es nicht, wie die Grünen oder die Linken, für unzumutbar, Deutsch zu lernen. Wir halten Zuwanderer nicht für be- mitleidenswerte und unfähige Menschen, denen nur mit Nachsicht oder Sozialhilfe begegnet werden kann und die auf Generationen hinaus mit dem Unwort „Migrations- hintergrund“ stigmatisiert werden sollen. Wir meinen, dass endlich ein Umdenken erfolgen muss: Statt der Un- kultur eines auf Dauer erniedrigenden Mitleids und des Verzichts auf Integrationsforderungen, muss Deutschland in der Integrationspolitik endlich positiv denken: Deutschland verändert sich. Die neue Bundesregierung gestaltet diese Veränderungen, ohne ideologischen Bal- last und vorurteilsfrei. Ulla Jelpke (DIE LINKE): Wir beraten heute ab- schließend einen Gesetzentwurf zur Umsetzung zweier EU-Richtlinien im Aufenthaltsrecht: Zum einen die so- genannte Rückführungsrichtlinie, die EU-weit Mindest- standards bei Abschiebehaft und beim Verfahren der Ab- schiebung schaffen soll. Zum anderen die sogenannte Sanktionsrichtlinie, die der Harmonisierung des nationa- len Rechts bei der Bekämpfung illegaler Beschäftigung dienen soll. Sie sieht vor: Wer Menschen ohne Aufent- haltstitel beschäftigt, soll Strafe zahlen. Die illegal Be- schäftigten sollen mehr Rechte erhalten, gegen ausbeute- rische Arbeitsverhältnisse vorgehen zu können. Beides soll die Beschäftigung von illegalisierten Migranten un- attraktiver machen. Zu den Gesetzentwürfen hat es eine Anhörung im In- nenausschuss gegeben, bei der ein Teil der Sachverstän- digen deutlich Kritik geübt hat. Bemerkenswerterweise hat die Koalition tatsächlich in Folge der Anhörung mi- nimale Änderungen an ihrem Gesetzentwurf vorgenom- men. Bemerkenswert ist das deshalb, weil die Ergeb- nisse von Anhörungen sonst meist ignoriert werden. Trotz der begrüßenswerten Änderungen ist dieses Gesetz für die Linke nicht zustimmungsfähig. Bei der Dauer der Abschiebehaft erweist sich Deutschland weiterhin als besonders repressiv. Die Bun- desregierung hat die Gelegenheit versäumt, wenigstens die Höchstdauer der Abschiebehaft auf drei Monate zu verkürzen, wie das zum Beispiel auch der Jesuiten- Flüchtlingsdienst gefordert hat. Es bleibt bei 18 Mona- ten. Das sieht sonst nur Griechenland vor, das nicht ge- rade ein Musterstaat bei der Wahrung der Menschen- rechte von Migranten ist. In allen anderen EU-Staaten liegen die Fristen weit darunter. Ich meine, die Abschie- behaft ist aus rechtsstaatlicher Sicht überhaupt keine ver- hältnismäßige, legitime Maßnahme. Denn es werden Menschen in den Knast gesteckt, die überhaupt keine 14222 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 (A) (C) (D)(B) Straftat begangen habe, und wenn dann sogar Minder- jährige und ihre Familienangehörigen, kranke und trau- matisierte Menschen, in eine solche Abschiebehaft kom- men, spätestens dann ist doch jede Verhältnismäßigkeit hinüber. Der Gesetzentwurf hätte hier klare Grenzen zie- hen müssen. So bleibt er hinter den menschenrechtlichen Anforderungen weit zurück. Selbst der Zugang von Hilfsorganisationen zu Abschiebehäftlingen, der in der Richtlinie vorgesehen ist, wird im Gesetzentwurf nicht umgesetzt. Völlig unbefriedigend ist auch die Art und Weise, wie die Sanktionsrichtlinie umgesetzt wird. Im Gesetzent- wurf der Bundesregierung finden sich keine wirksamen Mechanismen für die Durchsetzung von Ansprüchen aus illegalen Beschäftigungsverhältnissen. Dazu würde ge- hören, dass die Betroffenen eine Aufenthaltserlaubnis bekommen, um Lohnansprüche, aber auch Schadener- satzansprüche gegen ihre Ausbeuter durchsetzen zu kön- nen. Aber die Interessen der Opfer sind der Koalition of- fensichtlich gleichgültig. Eine Aufenthaltserlaubnis erhält nur, wer von Staatsanwaltschaft und Ausländerbe- hörde als Zeuge für ein Strafverfahren benötigt wird. Der Rest muss gehen, und es spielt keine Rolle, ob sie noch Ansprüche auf vorenthaltenen Lohn oder gar Scha- densersatz für Misshandlungen geltend machen wollen. Statt Gerechtigkeit droht ihnen Abschiebehaft und Ab- schiebung. Der bundesweite Koordinierungskreis gegen Frauenhandel und Gewalt an Frauen im Migrationspro- zess, KOK, hat in einer Stellungnahme zu Recht von ei- ner Instrumentalisierung der Betroffenen gesprochen, „da nicht das Wohlergehen der Betroffenen, sondern die Effektivität der Strafverfolgung alleiniger Grund für die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist“. Dieser Bewertung schließen wir uns an. Ich will am Ende noch einen Punkt, der von den Ko- alitionsfraktionen noch im letzten Moment geändert wurde. Es ist nun endlich im Gesetz klargestellt, dass Leiter von Schulen und Kindertageseinrichtungen nicht mehr dazu verpflichtet sind, Kinder ohne Aufenthaltssta- tus bei der Ausländerbehörde zu denunzieren. Damit können sie ihr Recht auf Bildung ohne Angst vor Entde- ckung und Abschiebung wahrnehmen. Doch die Melde- pflicht steht noch einer ganzen Reihe anderer Rechte im Weg: Zugang zu Gesundheitsleistungen, Zugang zu Ar- beitsgerichten und anderes mehr ist den Illegalisierten verwehrt, weil sie immer Angst vor Entdeckung haben müssen. Die vorgeschlagenen Änderungen gehen auch an dieser Stelle nicht weit genug. Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Die parallel eingebrachten identischen Gesetzent- würfe der Bundesregierung sowie der Koalitionsfraktio- nen sollen der Umsetzung bzw. Anpassung des nationalen Rechts an folgende EU-Rechtsakte dienen: Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments, EP, und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemein- same Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger – sogenannte Rückführungsrichtlinie –; hier ist seit dem 24. Dezember 2010 die Umsetzungsfrist abgelaufen; Richtlinie 2009/52/EG des EP und des Rates vom 18. Juni 2009 über Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehö- rige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen – sogenannte Sanktionsrichtlinie –; Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des EP und des Rates vom 13. Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft – sogenannter Visakodex. Der vorliegende Gesetzentwurf sowie die hierzu am 17. Juni 2011 durchgeführte Sachverständigenanhörung im Innenausschuss zeigen: Die Bundesregierung hat die in den Richtlinien enthaltenen Mindeststandards unprä- zise oder teilweise gar nicht umgesetzt. Dieses Vorgehen ist mit Unionsrecht nicht zu vereinbaren. Zwar belassen EU-Richtlinien den Mitgliedstaaten gewisse Spielräume bei der Ausgestaltung der innerstaatlichen Umsetzung, allerdings dürfen die in den Richtlinien enthaltenen Min- destrechte nicht selektiv aufgegriffen oder einfach außen vor gelassen werden. Begründen Richtlinien Rechtsposi- tionen für Betroffene, müssen diese im innerstaatlichen Recht eine Entsprechung finden. Dieser Verpflichtung wird der Gesetzentwurf bei weitem nicht gerecht. Diese Diagnose gilt auch trotz der unterdessen von der Koali- tion eingebrachten Änderungsanträge: Die Hauptkritikpunkte der Sachverständigen an der Nichtumsetzung der Rückführungsrichtlinie im Bereich der Abschiebungshaft wurden von der Koalition über- haupt nicht aufgegriffen. Das Trennungsgebot zwischen Abschiebungshaft und Strafhaft zum Beispiel wurde nicht ausreichend umgesetzt, ebenso wenig wie die Aus- nahme von der Inhaftnahme von unbegleiteten minder- jährigen Flüchtlingen. Unverständlich bleibt auch, warum die Koalition die bisherigen positiven Erfahrungen mit den Abschie- bungsbeobachtungsstellen, die es in Düsseldorf seit 2001, in Frankfurt am Main seit 2006 und in Hamburg seit 2010 gibt, nicht nutzt, um die Vorgabe aus Art. 8 Abs. 6 der Rückführungsrichtlinie umzusetzen. Dort heißt es: „Die Mitgliedstaaten schaffen ein wirksames System für die Überwachung von Rückführungen.“ Diese Vorgabe ist in Deutschland bislang nicht umge- setzt. Die bisher bestehenden Abschiebungsbeobachtungs- stellen sorgen für Transparenz und wirken befriedend in einem Bereich, der üblicherweise der Öffentlichkeit ent- zogen ist. Die Einlassungen der Unionsabgeordneten in der Innenausschusssitzung – Drucksache 17/6497 –, dass die Arbeit der Abschiebungsbeobachtungsstellen in der Praxis zu einer massiven Einwirkung auf Mitarbeiter der Ausländerbehörden und Bundespolizisten führe, ent- behren jeder empirischen Grundlage. Weiterhin ist zu kritisieren, dass die Koalition die Änderungsanträge nicht zum Anlass genommen hat, die Wiederherstellung des einstweiligen Rechtsschutzes in Rücküberstellungs- verfahren nach der Dublin-II-Verordnung auf den Weg zu bringen. Zwar geht die Koalition nun mit der Datenübermitt- lungssperre für Schulen und Kitas an die Ausländerbe- hörden einen Schritt in die richtige Richtung und ermög- licht somit den Schul- und Kitabesuch auch Kindern ohne Aufenthaltsstatus. Warum aber dann nicht auch Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 14223 (A) (C) (D)(B) noch an die sozialrechtliche Anschlussregelung im SGB VIII gedacht wurde, bleibt ein Rätsel. Die Grünen haben den entsprechenden Änderungsantrag noch nach- gereicht, der auch Kindern ohne Aufenthaltsstatus den Besuch einer Kita ermöglichen will. Derzeit sind Kinder ohne Aufenthaltsstatus nach § 6 Abs. 2 SGB VIII von Leistungen der Kinder-und Jugendhilfe ausgeschlossen. Somit haben sie auch keinen Anspruch auf den Besuch einer Kita gemäß § 24 SGB VIII. Leider haben sich die Koalitionsfraktionen im Innenausschuss nicht dazu durchringen können, unserem Änderungsantrag zuzu- stimmen. So wird das gut gemeinte Vorhaben der Koali- tion ins Leere laufen. Insgesamt bleibt bei dem Thema „Datenübermittlung an die Ausländerbehörden“ aber zu sagen, dass die Vor- schläge der Koalition viel zu kurz greifen und beispiels- weise die Datenübermittlungssperre gegenüber Arbeits- gerichten und Gesundheitseinrichtungen nicht in Angriff genommen wird. Die Mehrheit der Sachverständigen hat in der Anhörung des Innenausschusses zum Richtlinien- umsetzungsgesetz bestätigt, dass die Übermittlungs- pflicht der Arbeitsgerichte an die Ausländerbehörden das größte Hindernis bei der Durchsetzung von Lohnan- sprüchen ist. Diese Sachverständigen waren sich einig, dass Menschen ohne Aufenthaltsstatus von der Durch- setzung ihrer Ansprüche absehen, weil die Gerichte übermittlungspflichtig sind und daher mit Einreichung einer Klage die Statusaufdeckung droht. Insofern ver- stoße die Übermittlungspflicht von Arbeitsgerichten ge- mäß § 87 Abs. 2 AufenthG gegen die Vorgabe des Art. 6 Abs. 2 der Sanktionsrichtlinie, wirksame Verfahren si- cherzustellen, damit illegal Beschäftigte ihren Lohn er- halten und gegebenenfalls Entschädigungsansprüche ge- richtlich durchsetzen können. Die grüne Fraktion hat mit zahlreichen Änderungsan- trägen im Innenausschuss versucht, der Koalition Brü- cken zu bauen. Bedauerlicherweise hatte dies keinen Er- folg. Wir werden den Gesetzentwurf der Koalition daher ablehnen. Anlage 15 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts: Erweiterung der Anzahl der Sachver- ständigen in der Enquete-Kommission „Wachs- tum, Wohlstand, Lebensqualität – Wege zu nachhaltigem Wirtschaften und gesellschaftli- chem Fortschritt in der Sozialen Marktwirt- schaft“ (Tagesordnungspunkt 24) Stefanie Vogelsang (CDU/CSU): Wir debattieren hier heute erneut über den Antrag zur Erweiterung der Anzahl der Sachverständigen in der Enquete-Kommis- sion „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität – Wege zu nachhaltigem Wirtschaften und gesellschaftlichem Fort- schritt in der Sozialen Marktwirtschaft“ der Fraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der Linken. In dem vorliegenden Antrag soll die Zahl der Sachverständigen um acht Sachverständige erweitert werden und diese zu- sätzlichen Sachverständigen sollen alle weiblich sein, um auch auf der Sachverständigenseite die Kompeten- zen, Erfahrungen und Sichtweisen von Frauen einzube- ziehen. Ich möchte hier noch einmal betonen, dass so- wohl die SPD als auch die Grünen und die Linken die Gelegenheit hatten, weibliche Sachverständige zu nomi- nieren. Alle Fraktionen haben sich bei der Benennung der Sachverständigen an deren Sachkompetenz und nicht dem Geschlecht orientiert. Als im vergangenen Monat ein männlicher Sachver- ständiger aus gesundheitlichen Gründen ausgeschieden ist, hat sich die Union wieder an der Sachkompetenz orientiert: Frau Professor Dr. Beate Jochimsen ist eine Sachverständige mit anerkanntem Fachwissen, und sie wurde auch deswegen nominiert, nicht weil sie eine Frau ist, sondern weil sie eine anerkannte Autorität ist. Die Enquete-Kommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität“ ist keine frauenfeindliche Veranstaltung. Von den 17 Mitgliedern des Deutschen Bundestages, die dieser Kommission angehören, sind acht, also fast die Hälfte, weiblich. Die Vorsitzende der Enquete-Kommis- sion, Daniela Kolbe, ist weiblich, und zwei der bisher drei Projektgruppen der Enquete-Kommission werden von Frauen geleitet, nämlich von der FDP-Kollegin Claudia Bögel und von mir. Die Frauen sind also gut vertreten, und es ist kein rein männliches Gremium. Wir haben gute Sachverständige, die mit ihren Ideen die Ar- beit der Enquete-Kommission bereichern. Die Arbeit der Enquete-Kommission hat sich in den vergangen Monaten gut eingespielt, und eine Erweite- rung der Sachverständigen um acht Personen würde die Arbeit wieder zum Stocken bringen. Das wäre kontra- produktiv. Außerdem könnten bei der Erweiterung der Sachverständigen die Sachverständigen theoretisch die Abgeordneten überstimmen; das wäre also eine überflüs- sige und einseitige Verschiebung eines bestehenden und sinnvollen Gleichgewichts zum Nachteil des Bundesta- ges. In Deutschland stehen die höchsten politischen Posi- tionen jeder Person offen, dabei geht es nur nach Leis- tung. Mit Blick auf die Regierungsbank sehe ich, dass eine Frau die Bundeskanzlerin unseres schönen Landes ist. Ich erinnere an die ausgezeichnete Kandidatin auf das Amt des Bundespräsidenten, Dagmar Schipanski, und auch die Sozialdemokraten haben früher einmal nach Leistung beurteilt und Annemarie Renger zur ers- ten Bundestagspräsidenten gewählt. Heute dreht sich die Debatte nur um eine Frauen- quote, diese steht der Enquete-Kommission nicht gut zu Gesicht. Wir sollten weiterhin unsere Sachverständigen nach Eignung und Leistung auswählen. Ich erneuere meine Ansicht, dass diese Selbstbeschäftigung, die Dis- kussion über Frauenquoten in bundestagsinternen Gre- mien, die Thematik der Frauenfrage kein Stück voran- bringt, sie ist und bleibt Selbstbeschäftigung. Um Chancengleichheiten in Wirtschaft, Wissenschaft und Politik für Frauen herzustellen, müssen wir auf an- deren Gebieten tätig werden. Ich freue mich auf span- nende Diskussionen in der Enquete-Kommission und 14224 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 (A) (C) (D)(B) den Austausch auch mit den männlichen Kollegen aus Wissenschaft und Forschung. Vielleicht macht das für eine Frau den besonderen Reiz aus, sich intellektuell mit den Männern zu messen. Zum Abschluss wünsche ich einem anderen Frauen- team viel Glück und Erfolg, nämlich der Frauenfußball- nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft in unse- rem Land. Ich bin sicher, unsere Damenelf erringt den begehrten Pokal, denn wie Sie wissen, sind dritte Plätze nur etwas für Männer. Die CDU/CSU lehnt den Antrag zur Erweiterung der Anzahl der Sachverständigen in der Enquete-Kommis- sion „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität – Wege zu nachhaltigem Wirtschaften und gesellschaftlichen Fort- schritt in der Sozialen Marktwirtschaft“ ab. Elke Ferner (SPD): Am 30. Juni diesen Jahres haben die Berichterstatter der CDU/CSU und der FDP des Aus- schusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsord- nung ihren Fraktionen empfohlen, sich gegen mehr Chancengleichheit und gegen den Sachverstand von Frauen zu entscheiden. Das war zu erwarten, und das ist mehr als bedauerlich. Das ist ein fatales Zeichen! Daher appelliere ich erneut an die Frauen aller Fraktionen: Las- sen Sie uns gemeinsam ein frauenpolitisches Zeichen setzen! Lassen Sie vom Deutschen Bundestag ein Signal der Frauensolidarität aussenden und unseren Fehler wie- dergutmachen! Die Enquete-Kommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität – Wege zu nachhaltigem Wirtschaften und gesellschaftlichem Fortschritt in der Sozialen Marktwirtschaft“ diskutiert mit jeweils 17 Abgeordneten und 17 Sachverständigen die Fragen um die Zukunft un- serer Wirtschaft und unserer Gesellschaft. Während die Fraktionen mit ihren Benennungen dafür gesorgt haben, dass die Seite der Bundestagsabgeordneten mit 52,94 Pro- zent Frauen vorbildlich besetzt ist, wurden Frauen auf der Sachverständigenbank völlig ausgeblendet. Aus dem Blick politischer Fairness ist das ein Skandal. Der Frau- enanteil bei der Einsetzung der Kommission betrug ins- gesamt 24 Prozent. Nachdem wir schon in der Debatte zum 100. Interna- tionalen Frauentag das Versagen aller Fraktionen bei der Besetzung der Sachverständigenbank angeprangert ha- ben, hatte zumindest ich den Eindruck, dass auch die Kolleginnen in Unions- und FDP-Fraktion meine Auf- fassung teilen und ein ehrliches gleichstellungspoliti- sches Interesse haben. Deshalb sollte dieser fraktions- übergreifenden Gruppenantrag dafür sorgen, dass die Sachverständigenbank um weitere acht weibliche Mit- glieder erweitert wird. Anfangs schien es auch so, als sei ein ehrliches Interesse bei allen Fraktionen vorhanden, ein frauenpolitisches Zeichen zu setzen. Allerdings schienen sich diese neuartigen gleichstellungspolitischen Ambitionen der Unionsfrauen leider schnell darin zu er- schöpfen, dass sie sich mit dem Einwechseln einer einzi- gen Frau bei den von der Union zu benennenden Sach- verständigen zufrieden geben. Das ist kein Erfolg, sondern ein Armutszeugnis. Die Unionsfraktion hat eine einzige Frau von immer- hin sechs MdBs und jetzt neuerdings auch noch eine Frau bei sechs Sachverständigen – also zwei von zwölf, das entspricht einem Anteil von sagenhaften 16,7 Pro- zent. Damit hat die Union auch weiterhin die rote La- terne. Auch der Hinweis, die anderen Fraktionen könn- ten ja auch jeweils eine Frau auf der Sachverstän- digenbank auswechseln, hilft nicht weiter. Zwar würde sich der Frauenanteil auf der Sachverständigenbank auf 29 Prozent erhöhen, wäre damit aber immer noch niedri- ger als mit unserem Vorschlag. Bleibt das Argument: Unser Vorschlag verschiebt die Parität zugunsten der Sachverständigenseite. Das stimmt, allerdings ist nicht zu befürchten, dass sich die Sachverständigenseite gegen die Abgeordnetenseite verbünden und diese überstim- men würde. Es ist wirklich sehr schade, dass Sie, liebe Kolleginnen von der Union, sich lieber mit einem Spatz in der Hand abspeisen lassen, als um die Taube auf dem Dach zu kämpfen. Hinzu kommt, dass ich, ehrlich gesagt, ziemlich ent- setzt darüber bin, wie Sie, werte Kolleginnen und Kolle- gen der Unionsfraktion, die Ablehnung des Antrages be- gründen. Die Kommission müsse nicht um acht weib- liche Sachverständige erweitert werden, da man sich ja bei der Benennung der Sachverständigen an deren Sach- kompetenz und nicht am Geschlecht orientiert hätte. Wissen Sie eigentlich, was Sie damit sagen? Bei aller Nachsicht für Ihre gleichstellungspolitische Kurzsichtig- keit, diese Aussage ist durch und durch diskriminierend, denn sie bedeutet letztlich nichts anderes, dass es, auf den Sachverstand und die Qualität bezogen, nur Männer gäbe, die überhaupt infrage kommen würden. Damit dis- kreditieren Sie hervorragende Wissenschaftlerinnen und sprechen ihnen so jegliche Kompetenz ab. Liebe Kolleginnen der CDU/CSU, ich kann mir wirk- lich nicht vorstellen, dass Sie das genauso sehen und mittragen wollen. Bitte überdenken Sie noch einmal Ihre Entscheidung! Lassen Sie uns gemeinsam ein gleichstel- lungspolitisches Zeichen setzen, damit in Zukunft auch die Gremien des Bundestages paritätisch besetzt werden. In einer Zeit, in der wir öffentlich über Frauenquoten für Führungspositionen diskutieren, in der wir eine Kanzle- rin und mehrere Ministerinnen als selbstverständlich an- sehen, in einer Zeit, in der sowohl das Gleichstellungs- gebot als auch das Bundesgremienbesetzungsgesetz die politischen Akteure verpflichtet, die Gleichstellung von Frauen und Männern und die Strategie des Gender Main- streaming zu fördern bzw. die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern in Gremien zu schaffen, in so einer Zeit ist es unmöglich, ein 17-köpfiges Sachverstän- digengremium ohne eine einzige Frauen einzusetzen. Mit einem derart eingeschränkten männlichen Blick werden fundamental wichtige Perspektiven ausgeklam- mert und Wirtschaft wieder zur alleinigen Männerdo- mäne erklärt. Dabei ist es seit jeher Anliegen der Frauen- bewegung, Frauenverbänden und der feministischen Ökonomiekritik, Antworten auf die Frage nach Indikato- ren wirtschaftlichen Wachstums zu finden. Ihre Kritik liegt vor allem darin, dass nur das Brutto- inlandsprodukt als Indikator für wirtschaftliches Wachs- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 14225 (A) (C) (D)(B) tum gilt. Gesellschaftliche Arbeit wird demnach mit be- zahlter Arbeit gleichgesetzt. Dass so aber die unbezahlte soziale Arbeit, die einen Großteil gesellschaftlicher Ar- beit ausmacht, nicht wertgeschätzt wird, wird in der De- batte ebenso vergessen wie Bildung, Verteilungsgerech- tigkeit oder politische Teilhabe. Unbezahlte Tätigkeiten wie zum Beispiel die Pflege von Angehörigen oder die Erziehung von Kindern werden seit jeher von Frauen er- bracht und ebenso seit jeher nicht als Arbeit geschätzt. Das Volumen der unbezahlten Arbeit in Deutschland ist mit 96 Milliarden Stunden signifikant höher als die 56 Milliarden Stunden bezahlter Arbeit. Der monetäre Wert dieser unbezahlten Arbeit beträgt 684 Milliarden Euro. Allein anhand dieser wenigen Zahlen erkennt man schnell, wie wichtig die Einbindung der weiblichen Per- spektive ist. Seit Jahren forschen Ökonominnen und So- ziologinnen auf den Gebieten von Wachstum und Wohl- stand in Verbindung mit dem Wandel der Geschlech- terverhältnisse. Es gibt sie also, die weiblichen Expertin- nen. Und ich wage zu behaupten, dass diese Frauen die gleiche Sachkompetenz besitzen wie ihre männlichen Kollegen. Lassen Sie uns bitte nicht ohne den Sachver- stand der Frauen über die Zukunft unseres Landes disku- tieren und entscheiden. Ich appelliere noch einmal an alle, vor allem aber an alle weiblichen Abgeordneten, die Effizienz des Gre- miums zu erhöhen, größere Chancengleichheit herzu- stellen und unsere Fehler zu berichtigen, indem wir un- ser Versäumnis versuchen zu schmälern und acht weitere, ausschließlich weibliche Sachverständige in die Enquete-Kommission berufen. Claudia Bögel (FDP): Am 17. Januar diesen Jahres hat sich auf Antrag der Regierungsparteien sowie der SPD und der Grünen die Enquete-Kommission konstituiert mit dem Titel „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität – Wege zu nachhaltigem Wirtschaften und gesellschaftli- chem Fortschritt in der Sozialen Marktwirtschaft.“ Auf Wunsch der Opposition ist diese Enquete-Kom- mission personell sehr umfangreich ausgefallen. Die Ko- alition hat letztlich zugestimmt, dass 17 Politiker und 17 Sachverständige eingesetzt werden. Als Obfrau der FDP für die Enquete-Kommission ge- höre ich diesem Kreise an. Wir entwickeln Vorschläge, wie in Zukunft Lebensqualität in Verbindung mit ökolo- gischen und sozialen Nachhaltigkeitsgrundsätzen opti- miert werden kann. Seit fast einem halben Jahr arbeiten wir nun schon in dieser Kommission zusammen. Und Sie, liebe Kollegin- nen und Kollegen von der Opposition, beantragen jetzt schon zum zweiten Mal eine personelle Änderung in die- sem Gremium. In Ihrem Antrag fordern Sie: erstens die Zahl der Sachverständigen um acht Sachverständige zu erweitern, zweitens dass die zusätzlich zu benennenden Sachverständigen ausschließlich Frauen sein sollen, drit- tens bei künftigen Einsetzungen von Enquete-Kommis- sionen die Sachverständigenseite entsprechend zu glei- chen Anteilen mit Frauen und Männern zu besetzen. Bereits am 26. Mai diesen Jahres haben wir den vor- liegenden Antrag hier im Plenum diskutiert und eindeu- tig abgelehnt. Daher wundert es mich umso mehr, dass Sie die gleichen Forderungen erneut stellen. Doch nicht nur Ihre Forderungen sind die gleichen, auch an meinen Argumenten hat sich nichts geändert. Sowohl die SPD als auch die Grünen und die Links- partei hätten bereits im Vorfeld die Möglichkeit gehabt, weibliche Sachverständige zu benennen. Dies haben sie nicht getan. Aus ihrer Antragsbegründung geht hervor, dass alle im Deutschen Bundestag vertretenen Fraktio- nen bei der Benennung der Sachverständigen für die En- quete-Kommission ausschließlich männliche Sachver- ständige benannt haben. Das jetzt auf einmal korrigieren zu wollen, halte ich für einen denkbar ungünstigen Zeit- punkt! Als Obfrau der FDP in der Enquete-Kommission und Vorsitzende der Projektgruppe 1, die sich mit dem „Stel- lenwert von Wachstum in Wirtschaft und Gesellschaft” befasst, sehe ich keinen Grund für eine Aufstockung der Sachverständigen. Die Kommission tagt bereits seit fast einem halben Jahr. Es haben schon etliche Sitzungen stattgefunden. Die Mitglieder haben sich auf Konventio- nen, Definitionen und Schwerpunkte geeinigt. Die ein- gesetzten Projektgruppen stecken mitten in der inhaltli- chen Arbeit. Eine nachträgliche Erweiterung des Kreises der Sachverständigen würde die bereits fortgeschrittene Diskussion in den Projektgruppen zurückwerfen. Unter Berücksichtigung des ohnehin sehr knappen Zeitplans wäre das äußerst kontraproduktiv. Hinzu kommt, dass eine einseitige Aufstockung der Sachverständigen um acht Personen die paritätische Be- setzung, also die gleiche Anzahl von Sachverständigen und Abgeordneten, aus dem Gleichgewicht bringen würde. Diese Besetzung hat sich aber bei vergangenen Enquete-Kommissionen des Bundestages bewährt. Da- ran sollte auch in Zukunft festgehalten werden. Denn sie hat einen wichtigen Grund: Eine einseitige Erhöhung würde die Sachverständigen theoretisch in die Lage ver- setzen, die Abgeordneten überstimmen zu können. Das kann nicht im Sinne des Parlaments sein. Aber verstehen Sie mich nicht falsch: Natürlich be- grüße ich es, wenn im Kreise der Sachverständigen auch weibliches Know-how vertreten ist. Mir ist es wichtig, dass auch die Erfahrungen und Sichtweisen der Frauen in die politische Arbeit einbezogen werden. Deshalb finde ich es sehr erfreulich, dass in der Enquete-Kom- mission zahlreiche Frauen vertreten sind. Seitens der Abgeordneten besteht die Enquete zu gut der Hälfte aus Frauen. Insgesamt sind 10 der 34 Mitglieder weiblich. Erst kürzlich haben wir beschlossen, den ausschei- denden, von der CDU/CSU-Fraktion benannten Sach- verständigen Dr. Buchner durch eine Frau, nämlich Pro- fessorin Beate Jochimsen, zu ersetzen. Zudem fließt durch Anhörungen externer, weibli- cher, Sachverstand in die Enquete-Kommission ein. Für den 26. September haben wir Frau Professorin Jutta Allmendinger eingeladen. Sie wird zum Thema „Wachs- tumsorientierung und Geschlechterverhältnis“ vortra- 14226 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 (A) (C) (D)(B) gen. Wir schenken also der Geschlechterfrage sehr wohl unsere Aufmerksamkeit! Hinzu kommt, dass innerhalb der Enquete-Kommis- sion wichtige Positionen von Frauen besetzt sind: Den Vorsitz der Kommission hat die Abgeordnete Frau Kolbe inne, die Projektgruppen 1 und 2 werden ebenfalls von Frauen geleitet, nämlich von Frau Vogelsang und von mir. Die Tatsache, dass der Frauenanteil bei den Sachver- ständigen so gering ist, spiegelt schlichtweg die – in der Tat traurige – Realität wider: Die Gruppe der Frauen ist bei den für die Enquete-Kommission infrage kommen- den hoch qualifizierten Experten aus Wissenschaft und Praxis eindeutig unterrepräsentiert. Wir schöpfen also aus einem Pool, der eindeutig männlich dominiert ist. Und hier appelliere ich an Ihre Vernunft! Um gute Ar- beit zu leisten, brauchen wir in erster Linie gute Sach- verständige, die ihre Ideen in die Enquete-Kommission einfließen lassen – auch wenn diese männlich sind. Denn das Geschlecht darf dabei nicht der ausschlaggebende Faktor sein! Es sollte auch im Interesse des Parlaments liegen, dass die Enquete-Kommission in allererster Linie qualitativ hochwertige Ergebnisse liefert. Bitte denken Sie nicht, dass Sie von eigenen Ver- säumnissen ablenken könnten, indem Sie versuchen, den Regierungsparteien den Schwarzen Peter zuzuschieben! Auch Sie, liebe Kolleginnen von der Opposition, haben zum Zeitpunkt der Einsetzung der Enquete-Kommission nur Sachverständige männlichen Geschlechts benannt. Die FDP-Fraktion lehnt den vorliegenden Antrag ab. Cornelia Möhring (DIE LINKE): Die Frauen der Oppositionsfraktionen fordern Sie mit dem vorliegenden Antrag auf, den Kreis der 17 ausschließlich männlichen Sachverständigen der Enquete-Kommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität – Wege zu nachhaltigem Wirtschaften und gesellschaftlichem Fortschritt in der Sozialen Markwirtschaft“ durch acht weibliche Sachver- ständige zu ergänzen. Die Enquete-Kommission soll den Stellenwert von Wachstum in Wirtschaft und Gesell- schaft ermitteln, einen ganzheitlichen Wohlstands- und Fortschrittsindikator entwickeln und die Möglichkeiten und Grenzen der Entkopplung von Wachstum, Ressour- cenverbrauch und technischem Fortschritt ausloten. Und dazu braucht sie den Sachverstand, die Kompetenz und die Lebenserfahrung von Frauen in gleichem Maße wie von Männern. Bisher gilt allein das rein ökonomisch und quantitativ ausgerichtete Bruttoinlandsprodukt, BIP, als Wohlstands- und Fortschrittsindikator. Die Kommission soll das nun weiterentwickeln und um ökologische, soziale und kultu- relle Kriterien ergänzen. Es geht also um grundlegende Debatten, wie gesell- schaftlicher Wohlstand, individuelles Wohlergehen und nachhaltige Entwicklung angestoßen werden können. In welche Richtung diese Weiterentwicklung der Wohlstands- und Fortschrittsindikatoren in den nächsten beiden Jahren erfolgen wird, hängt entscheidend davon ab, welchen Arbeitsbegriff und welche Produktivitäts- vorstellungen die Mitglieder der Enquete-Kommission mehrheitlich ihren Überlegungen zugrunde legen: ein Produktivitätsparadigma, das einseitig nur auf Erwerbs- arbeit fokussiert, oder eines, das die bisher überwiegend unentgeltlich von Frauen geleistete Arbeit im Bereich des Haushalts, der Fürsorge und Pflege mit einbezieht und damit bei der Bestimmung von gesellschaftlichem Wohlstand sichtbar macht. Nehmen wir ein konkretes Beispiel: den Zusammen- hang von demografischer Entwicklung und Wachstum. Hier machte es doch einen Riesenunterschied, aus wel- cher Geschlechterperspektive wir Entwicklung denken. Welche Wachstumsentwicklung nimmt unsere Gesell- schaft, wenn wir die Gleichstellung der Geschlechter zu- grunde legen könnten, gleiche Löhne für gleichwertige Arbeit bezahlt würden; der große Anteil gesellschaftlich notweniger Arbeit, zum Beispiel in der Pflege, auch ge- sellschaftliche organisiert und nicht ins Private – vor- nehmlich zu Frauen – geschoben würde. Wir hätten eine andere Entwicklung des Wohlstands. Die Entwicklung der Produktivkräfte könnte tatsächlich in mehr Zeitwohl- stand für alle münden. Diese wichtige Frage des Zeit- wohlstandes wird auf der Tagesordnung der Enquete stehen, wenn es im Herbst um Wohlstand und Ge- schlechtergerechtigkeit geht. Es ist doch logisch, dass Frauen, vor allem feministische Wissenschaftlerinnen, diesen Standpunkt einnehmen, weil sie den dafür erfor- derlichen historischen und heutigen Erfahrungshorizont einbringen. Frauen leisten den Hauptteil der Tätigkeiten in unse- rer Gesellschaft, die dem Wohle aller dienen und für ein gutes Leben unabdingbar sind, bisher aber nicht als Maß des Wohlstandes anerkannt werden. Ein Wachstumsindi- kator, der nur die Güterproduktion für den Markt ins Auge fasst, ist nicht in der Lage, etwas über die tatsäch- liche Lebensqualität der Menschen auszusagen. Femi- nistische Wissenschaftlerinnen entwickeln zum Beispiel Indikatorenmodelle, die auch Faktoren wie den gesell- schaftlichen Zugang zu Bildung und Gesundheit, Fragen der Verteilungsgerechtigkeit oder der politischen Teil- habe mit einbeziehen, die zu einem guten Leben dazuge- hören. Ich will nicht bestreiten, dass es hier und da auch männliche Experten gibt, die die Gesamtheit der gesell- schaftlich notwendigen Arbeit für Wohlstand und Fort- schritt im Blick haben. Aber gerade im Bereich nachhal- tiges Wirtschaften und gesellschaftlicher Fortschritt sind es vor allem Frauen, die sich seit Jahrzehnten mit alter- nativen Wohlstandsmodellen und Fragen des „guten Le- bens“, mit der Verbindung zwischen produktiven und re- produktiven Tätigkeiten sowie mit Geschlechter- und Generationengerechtigkeit beschäftigen. Die nicht paritätische Zusammensetzung der Kommis- sion erzeugt daher nicht nur bei mir berechtigte Zweifel, ob die enge Verknüpfung von Wachstum, Wohlstand und Lebensqualität mit einer Veränderung der Geschlechter- verhältnisse im Blick der Mehrheit der Kommissionsmit- glieder ist, ob ihnen die wechselseitige Bedingtheit von Arbeit und Leben, von bezahlter und unbezahlter Arbeit bewusst ist, und wenn ja, wie sie diese dann bewerten. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 14227 (A) (C) (D)(B) Das Gleichstellungsgebot aus Art. 3 Abs. 2 Seite 2 GG verpflichtet den Deutschen Bundestag unmittelbar, die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern zu fördern. Hinzu kommt das Bundesgremienbesetzungsgesetz, das den Bundespräsi- denten, die Bundesregierung und andere Gremien ver- pflichtet, eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern in Gremien zu schaffen. Gegen beide Nor- men verstößt die bestehende Kommissionsbesetzung. Seit 1999 ist darüber hinaus die Gleichstellung von Frauen und Männern als durchgängiges Leitprinzip der Bundesregierung anerkannt, das mittels der Strategie des Gender Mainstreaming zu fördern ist. Eine Art freiwil- lige Selbstverpflichtung der Bundesregierung. Und was zeigt der Stresstest? Auch im Bundestag hängt die paritätische Besetzung von Gremien am Ende davon ab, ob Einzelne oder Fraktionen im entscheiden- den Moment aufmerksam auf ihre Zusammensetzung achten oder nicht. Die stark männlich dominierte Besetzung der En- quete-Kommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqua- lität“ ist kein peinlicher, aber einmaliger „Unfall“ in den parlamentarischen Gepflogenheiten des Bundestages – das zeigt ein Blick auf andere Enqueten und Gremien dieser Wahlperiode: In der Enquete „Internet und digitale Gesellschaft“ ar- beiten 25 Männer und 9 Frauen als Mitglieder und Sach- verständige mit. 4 der 9 Frauen kommen aus meiner Fraktion oder arbeiten in ihrem Auftrag mit! Im Parlamentarischen Finanzmarktgremium überwa- chen seit Oktober 2008 9 Männer und null Frauen die Umsetzung des 480-Milliarden-Euro schweren Banken- Rettungspaketes des Bundes. Ein Rettungspaket, das vor allem deshalb notwendig wurde, weil sich zuvor der ex- klusive Männerklub „Finanzmarkt“ zulasten der Bevöl- kerung gründlich verspekuliert hatte. Diese Liste kann ich fortsetzen, der Skandal bleibt immer der gleiche: Der Bundestag, der als Gesetzgeber auch eine Vorbildfunktion ausüben sollte, diskriminiert fortgesetzt Frauen. Bereits in der ersten Lesung habe ich gefordert, in Zu- kunft eindeutige Quotenregelung in die Einsetzungsbe- schlüsse für alle Gremien des Bundestages aufzuneh- men. Denn nur so kann es gelingen, die paritätische Einbeziehung von Frauen und Männern zu einem selbst- verständlichen Akt demokratischer Teilhabe zu machen, und eben nicht zu einer Angelegenheit des vorhandenen oder fehlenden guten Willens. Ich fordere Sie auf, für den vorliegenden fraktionsübergreifenden Frauenantrag zu stimmen. Monika Lazar (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es ist aus meiner Sicht sehr bedauerlich, aber auch bezeich- nend, dass unsere interfraktionelle Initiative zur Erweite- rung der Enquete-Kommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität – Wege zu nachhaltigem Wirtschaften und gesellschaftlichem Fortschritt in der Sozialen Marktwirtschaft“ offenbar rein gar nichts bewirkt zu ha- ben scheint. In der Enquete-Kommission selbst war die Initiative seit der ersten Lesung überhaupt kein Thema, und auch im Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung wurde über den Gruppenantrag nicht ernsthaft debattiert. Die Gelegenheit, einen von allen Fraktionen gemeinsam begangenen Fehler wiedergutzu- machen, ist somit ungenutzt geblieben. Ich kann nur wiederholen, was ich bereits in der ersten Lesung des Antrags gesagt habe: Mit der Benennung von aus- schließlich männlichen Sachverständigen hat sich keine der Fraktionen im Bundestag mit Ruhm bekleckert. Auch Bündnis 90/Die Grünen sind ihrem eigenen An- spruch, sich konsequent für die Gleichstellung von Frauen einzusetzen, an dieser Stelle nicht gerecht gewor- den. Das war ein Fehler, und für uns wirkt dieser Fehler schwer, weil es zu unserem Selbstverständnis gehört, bei der Gleichstellung Vorbild und Vorreiter zu sein. Auch inhaltlich spielt bei der Enquete die Genderpers- pektive eine gewichtige Rolle: So gehen beispielsweise die in der sogenannten Care-Ökonomie hauptsächlich von Frauen erbrachten Leistungen bisher nicht in die Be- rechnung der Wirtschaftskraft eines Landes ein, was bei der Entwicklung einer neuen Messgröße für Wirtschafts- wachstum berücksichtigt werden muss. Meine Fraktion hatte den Missstand frühzeitig erkannt und sich für eine Erweiterung des Gremiums eingesetzt. Ein entsprechen- der Antrag im Ältestenrat zur Änderung des Einset- zungsbeschlusses war aber leider an den Koalitionsfrak- tionen gescheitert. Die Union argumentiert, bei der Benennung der Sach- verständigen habe man sich „an deren Sachkompetenz und nicht dem Geschlecht orientiert“. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass es angeblich keine Frauen mit der entsprechenden Sachkompetenz gibt – ein Argumentati- onsmuster, das regelmäßig auch dazu dient, die gläserne Decke, an die Frauen in der Arbeitswelt stoßen, zu legiti- mieren. Ich spare es mir an dieser Stelle, die hinlänglich bekannten Zahlen zu nennen, möchte aber festhalten: Es gibt diese Frauen; man muss sie nur finden wollen. Wei- terhin schmückt sich die Union mit der Nominierung ei- ner weiblichen anstelle eines ausgeschiedenen Sachver- ständigen. Dazu nur so viel: Sie war ein kluger Schach- zug der Fraktionsführung, um jene Unionsfrauen, die den Antrag ursprünglich mit tragen wollten, wieder ein- zufangen. Die FDP behauptet, durch eine Erweiterung der En- quete-Kommission würde die bereits fortgeschrittene Arbeit zurückgeworfen, außerdem werde das „sinnvolle Gleichgewicht zwischen Sachverständigen und Abge- ordneten einseitig zum Nachteil des Bundestages“ ver- schoben. Daraus spricht die Angst, die Sachverständigen könnten – wie es in einer anderen Enquete-Kommission kürzlich vorgekommen sein soll – nicht auf Linie derje- nigen Fraktionen abstimmen, von denen sie benannt wurden. Der Hinweis der SPD zum Bundesgremienbeset- zungsgesetz ist richtig, denn wir sollten uns in unserem eigenen Einflussbereich ernst nehmen und mit gutem Beispiel vorangehen. Mein Fazit: Es wäre ein wichtiges Signal an alle frau- enpolitisch Engagierten gewesen, dass die Abgeordneten 14228 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 (A) (C) (D)(B) des Bundestages in der Lage sind, für ein wichtiges An- liegen der Geschlechtergerechtigkeit über Parteigrenzen hinweg an einem Strang zu ziehen. Aber die Möglich- keit, für die erfolgreiche Arbeit der Enquete-Kommis- sion gemeinsam eine wichtige Voraussetzung zu schaf- fen, wurde aus parteipolitischen Erwägungen der Koalitionsfraktionen nicht genutzt. Dieses Verhalten ist leider nicht überraschend, steht es doch exemplarisch für die Politik dieser Koalition. Gestaltungswillen und kon- sequentes Handeln sind von ihr nicht zu erwarten – am allerwenigsten in der Gleichstellungspolitik. Anlage 16 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Beschlussempfehlung und Bericht zu den Anträgen: – Situation der Sinti und Roma in Europa verbessern – Die Integration der Sinti und Roma in Europa verbessern – Für die Umsetzung der Gleichstellung von Sinti und Roma in Deutschland und Europa – Beschlussempfehlung und Bericht zu den Anträgen: – In historischer Verantwortung – Für ein Bleiberecht der Roma aus dem Kosovo – Keine Zwangsrückführungen von Minder- heitenangehörigen in das Kosovo (Tagesordnungspunkt 25 a und b) Erika Steinbach (CDU/CSU): In der Europäischen Union leben circa 10 Millionen Menschen, die sich selbst als Roma, Sinti, Gitanos oder Manouches bezeich- nen und die durch eine gemeinsame Geschichte und Kul- tur verbunden sind. Sie bilden die größte ethnische Min- derheit in Europa und leben vorwiegend in Mittel- und Südosteuropa sowie in den Ländern des westlichen Bal- kans. Zwar sind viele Roma in die Mehrheitsbevölke- rung integriert und verstehen sich selbst als deren Mit- glieder. Allerdings sind sie in zahlreichen Staaten Europas nach wie vor stark von sozialen Problemen, Bil- dungsdefiziten und Arbeitslosigkeit betroffen, nicht mit angemessenem Wohnraum versorgt und haben bei hoher Säuglings- und Kindersterblichkeit eine geringere Le- benserwartung. Auch die schulische Versorgung ist in manchen Staaten unzureichend. Ferner sind sie teilweise Diskriminierungen und Benachteiligungen ausgesetzt. Dazu trägt auch eine zum Teil undifferenzierte Bericht- erstattung in den Medien bei. Die der Gruppe der Roma zugehörigen Menschen sehen sich vielfach jeglicher Chancen auf ein menschenwürdiges und selbstbestimm- tes Leben beraubt. Roma verweisen selbstbewusst auf die im Vertrag der Europäischen Union manifestierten Werte wie Men- schenwürde, Gleichheit und Wahrung der Menschen- rechte. Sie bestehen auf die durch den Vertrag garantier- ten Rechte auf soziale Gerechtigkeit und sozialen Schutz. Diese Forderungen und Erwartungen sind be- rechtigt. Ein solidarisches Europa muss sich diesen He- rausforderungen stellen und darf nicht weiterhin zöger- lich sein. In Deutschland gibt es weder eine staatliche Diskri- minierung noch eine Ausgrenzung der Roma. Aber es gibt in unserer Gesellschaft nicht nur freundschaftliche Gefühle für diese Menschen; das ist jedem in diesem Hause vermutlich klar. Wichtig ist, dass die in Deutsch- land lebenden Sinti und Roma alle Möglichkeiten der Teilhabe auch nutzen. In Deutschland leben nach groben Schätzungen circa 70 000 deutsche Sinti und Roma, zum Teil sind sie gut in die Gesellschaft integriert. Die deut- schen Sinti und Roma sind neben den Dänen, Friesen und Sorben als nationale Minderheit im Sinne des Rah- menübereinkommens des Europarates zum Schutz natio- naler Minderheiten anerkannt. Die Bundesregierung un- terstützt alle von der Europäischen Union und dem Europarat initiierten Maßnahmen zur Verbesserung der Lage der Roma in Europa. In den Verhandlungen zur EU-Rahmenstrategie hat Deutschland die politischen Grundaussagen der Mittei- lung für eine nachhaltige Integrationspolitik begrüßt. Hierdurch wird dem dringenden Handlungsbedarf zur Verbesserung der Situation der von Armut, sozialer Aus- grenzung und Diskriminierung in besonderem Maße be- troffenen größten europäischen Bevölkerungsminderheit Rechnung getragen. Die soziale und wirtschaftliche Inte- gration der Roma bedarf eines entschlossenen und ziel- gerichteten Handelns der Mitgliedstaaten, insbesondere dort, wo tatsächlich Probleme bestehen. Die erforderli- chen Maßnahmen müssen die Mitgliedstaaten selbst er- greifen. Sie haben die Zuständigkeit für die soziale und wirtschaftliche Integration. Deutschland ist sich seiner besonderen Verantwor- tung angesichts der geschichtlichen Erfahrungen be- wusst und bekennt sich zum Verbot der Diskriminierung ethnischer Minderheiten sowie zur Beachtung der Grundrechtecharta und des Gemeinschaftsrechts. Den politischen Herausforderungen kann nur durch eine ge- meinsame Anstrengung aller Institutionen, Mitgliedstaa- ten, Regionen und Roma-Gemeinschaften begegnet wer- den. Für die Ziele einzustehen, lohnt sich, wie das Zitat des Niederländers Zoni Weisz aufzeigt, dass er als Ver- treter der Roma anlässlich einer Feierstunde im Deut- schen Bundestag Anfang dieses Jahres gesprochen hat: „Wir müssen auch weiterhin die Botschaft des friedli- chen Miteinanders verkünden und an einer besseren Welt bauen – damit unsere Kinder in Frieden und Sicher- heit leben können.“ Besonders schwer wiegt hier meines Erachtens das Wort „Wir“, denn es betont die notwendigen gemeinsa- men Anstrengungen. Die Problemlage ist komplex. Es genügt nicht, zu fordern und die Rahmenbedingungen zum Beispiel für eine Integration der Roma-Kinder und der Jugendlichen ins Schulsystem der europäischen Staaten zu schaffen. Die Roma müssen ihren Kindern auch die Möglichkeit einräumen, die Schule zu besu- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 14229 (A) (C) (D)(B) chen. Der Anteil der Roma-Kinder im Schulalter macht es dringend notwendig, dass die staatlichen Schulsys- teme die Kinder aufnehmen. 35,7 Prozent der Roma sind unter 15 Jahre alt. Einer Erhebung des Open Society In- stitute aus dem Jahr 2008 zufolge besuchen nur rund 10 Prozent der Roma-Kinder eine Sekundarschule, eine nur begrenzte Zahl schließt die Grundschule ab. Die Roma-Eltern haben oft Angst, dass der Besuch ei- ner staatlichen Schule zur Erosion der Roma-Kultur füh- ren könnte. Die Tradition der Roma sieht ein Lernen im Familienverbund vor, wobei die älteren die jüngeren Ge- schwister unterstützen sollen. Bildung ist der Schlüssel zur Integration. Schule weist Lebenschancen zu und ist in den Mitgliedstaaten der EU eine unverzichtbare Insti- tution der Sozialisation. Diese Chancen müssen durch die jungen Roma, Mädchen wie Jungen, ergriffen wer- den. Leider fehlt der Mehrheit der Roma im erwerbsfähi- gen Alter die notwendige Bildung für qualifizierte Ar- beitsstellen. Zudem fehlt leider auch häufig genug der Wille, neue Wege zu gehen und gebotene Chancen zu nutzen. Die Roma selbst sind aus ihren Traditionen he- raus auf Separation bedacht. Die Roma-Frauen haben hier eine Schlüsselstellung für die Integration in den Familien inne, die sie auch wahrnehmen müssen. Sie sind die ersten Vertrauensper- sonen und Ansprechpartner für ihre Kinder, geben ihre Erfahrungen und ihre Sicht der Welt an die nachfolgende Generation im alltäglichen Leben von Beginn an weiter. Hier ist die Roma-Gemeinschaft zuerst gefordert. Roma- Frauen sind noch immer besonders oft von der Teil- nahme an Bildung ausgeschlossen und häufig von häus- licher Gewalt und Unterdrückung innerhalb der Familie ihrer Gemeinschaft betroffen. Sie können kein selbstbe- stimmtes Leben führen, werden Opfer von Menschen- händlern. Das bedeutet eine Verdoppelung möglicher Diskriminierung, eine Schwächung ihrer Erziehungs- kompetenz und damit die Fortsetzung einer Spirale, die Integration schier unmöglich macht. Viel gemeinsame Arbeit ist noch zu leisten, durch die Mitgliedstaaten und alle Bürgerinnen und Bürger, Roma wie Nicht-Roma. Integration ist immer eine gemeinsame Sache und kann auch nur durch das Zusammenwirken der Mehrheitsgesellschaft und der Minderheit gelingen. Angelika Graf (Rosenheim) (SPD): Fast alle Fraktio- nen unseres Hauses haben zur Situation der Sinti und Roma Anträge eingebracht. Erst mal ein gutes Zeichen, macht es doch deutlich, dass uns im Deutschen Bundes- tag die Situation der größten europäischen Minderheit am Herzen liegt. Wir stimmen darin überein, dass sich Sinti und Roma in Europa Vorurteilen und schwerwie- genden Diskriminierungen ausgesetzt sehen. Wir unter- scheiden uns jedoch gründlich in der Frage, wie wir die- ser Situation begegnen wollen und wie wir insbesondere die Situation in Deutschland einschätzen. In meiner Rede werde ich insbesondere auf die Themen Bildung, die nationale Strategie zur Roma-Integration und Ab- schiebungen in den Kosovo eingehen. Eine Studie der europäischen Grundrechteagentur vom April 2009 beschreibt, dass Sinti und Roma in der Europäischen Union in allen Lebensbereichen diskrimi- niert werden. Häufig sind es alltägliche Diskriminierun- gen, die meist in schlechtere allgemeine Lebensbedin- gungen münden. Gleichzeitig gibt es immer wieder gewaltsame Angriffe auf Roma. Ich erinnere an die An- schläge in Neapel im Mai 2008, welche dazu führten, dass 800 Menschen fliehen mussten. Und erst im April dieses Jahres gab es die Überfälle von Rechtsextremisten auf Roma in Ungarn, auch diese Roma mussten kurzzei- tig fliehen. Die Verantwortlichen übten sich in Be- schwichtigungen. Sinti und Roma – obwohl schon seit Jahrhunderten in allen europäischen Staaten zu Hause – scheinen als Gruppe in den jeweiligen Mehrheitsgesell- schaften nicht beliebt zu sein. Das trifft auch auf Deutschland zu. Nach einer aktuellen Studie zur Bil- dungssituation von Sinti und Roma in Deutschland, he- rausgegeben von RomnoKher/Daniel Strauß, geben mehr als ein Viertel der Befragten an, dass sie sich regel- mäßig bis sehr häufig diskriminiert fühlen. Diese aktuelle, wenn auch nicht repräsentative Studie zur Bildungssituation der Sinti und Roma in Deutsch- land zeichnet weitere verheerende Bilder. Von den rund 275 befragten Sinti und Roma haben fast 40 Prozent kei- nen Schulabschluss. Insgesamt sind nur 6 der befragten 275 Sinti und Roma auf einem Gymnasium gewesen. Im Vergleich zur Mehrheitsgesellschaft besuchen sie dop- pelt so häufig eine Förderschule. Und ganze 13 Prozent von ihnen haben gar keine Schule besucht. Bei der Ge- samtbevölkerung trifft dies auf weniger als 1 Prozent zu. Diese Zahlen bedrücken mich sehr. Deutlich wurde in der Studie auch, dass Angehörige von Familien, die während des Nationalsozialismus entschult wurden, bis heute schlechtere Beschulungsquoten und schlechtere Bildungs- und Ausbildungsverläufe haben. Der Natio- nalsozialismus wirkt nach. Bildungsferne ist in der heutigen Zeit ein schlimmer Hemmschuh für die Zukunft. Wir kennen bei allen Be- völkerungsgruppen in Deutschland die starke Korrela- tion zwischen der Bildungsferne der Eltern und der ihrer Kinder. Die schlechte Bildungs- und Ausbildungssitua- tion wiederum erhöht nachweislich das allgemeine Ar- muts- und Gesundheitsrisiko. Dies gilt, wie die Studie zeigt, auch für deutsche Sinti und Roma. Gerade vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte sollte uns diese Tatsache sehr zu denken geben. Auch die Fraktionen von CDU/CSU und FDP erken- nen in ihrem Antrag an, dass Sinti, Roma und verwandte Gruppen in Europa erheblichen Diskriminierungen aus- gesetzt sind. Sie benennen besonders die Bereiche Woh- nen, Arbeit, Bildung und Gesundheit. Sie fordern, dass die Menschenrechtssituation der Sinti und Roma in Eu- ropa verbessert werden soll. Allerdings machen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Union und der FDP, sich nicht die Vorschläge der europäischen Kommission zur Erstellung von nationalen Integrationsstrategien zu eigen, um zusammen mit den Verbänden auch für Deutschland eine entsprechende Strategie zu erarbeiten. Ich bedaure das sehr und kann Ihrer Logik, mit dem Fin- ger auf Südosteuropa zu zeigen und hier die Missstände nicht anzuerkennen, nicht folgen. 14230 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 (A) (C) (D)(B) Ein weiteres Problem, welches wir von der SPD mit dem Antrag der CDU/CSU und FDP haben, ist das völ- lige Fehlen eines Problembewusstseins hinsichtlich der etwa 10 000 zur Ausreise verpflichteten Roma, Ashkali und Ägypter aus dem Kosovo. Die Bundesregierung hat im April 2010 ein Rückübernahmeabkommen zwischen Deutschland und dem Kosovo unterzeichnet, und das, obwohl Sie wissen, dass die betreffenden Menschen im Kosovo alltäglich ethnisch diskriminiert werden, sie un- ter extremer wirtschaftlicher Not leiden und die Sicher- heit für diese ethnischen Gruppen nicht gewährleistet ist. In der Konsequenz fehlt ihnen der Zugang zu Sozial-, Arbeits- und Gesundheitsleistungen, die Kinder müssen häufig den Schulbesuch abbrechen, und die kosovari- schen Behörden sind mit der Reintegration überfordert. Kinder, die in Deutschland geboren sind und selten die kosovarische Mehrheitssprache sprechen, sollen ebenso zurückgeführt werden wie alte oder chronisch kranke Menschen. Ich halte dies für fahrlässig. Erst letzte Woche haben CDU/CSU und FDP eine Be- schlussempfehlung an den Petitionsausschuss im Aus- schuss Menschenrechte abgelehnt. In der Petition wurde beantragt, dass zwei Frauen, die eine 50, die andere 70 Jahre alt, seit 20 Jahren in Deutschland lebend, beide chronisch krank und ohne Anbindung an den Kosovo, nicht dorthin „zurückgesiedelt“ werden sollen. Sie wer- den damit der Lebenssituation dieser Menschen nicht ge- recht. Wir fordern, dass jeder Fall einzeln geprüft wer- den muss, dass die Bedürfnisse von Familien mit Kindern, von unbegleiteten Minderjährigen, Menschen über 65 Jahren, Kranken, Traumatisierten, Pflegebedürf- tigen und alleinerziehenden Eltern zu berücksichtigen und unzumutbare Härten auf jeden Fall zu vermeiden sind. Sie wollen diese 10 000 Menschen einfach abschie- ben – ohne vorheriges Ansehen ihrer individuellen Ver- hältnisse und ohne Ansehen der Konsequenzen. In meiner langjährigen politischen Befassung mit Sinti, Roma, Ashkali, Ägyptern und anderen verwandten Gruppen habe ich gelernt, dass es eine große Vielfalt an Lebensweisen, Traditionen und damit Lebensverhältnis- sen gibt. Diese Vielfalt ist sprachlich nicht immer leicht zu spiegeln, wir sollten sie dennoch in Erinnerung behal- ten und in unseren politischen Handlungen berücksichti- gen. Wenn wir über Sinti und Roma sprechen und uns ihrer zum Teil problematischen Lebenssituation anneh- men wollen, heißt das nicht, dass alle Angehörigen der verschiedenen Gruppen gleich oder ähnlich betroffen sind oder dass wir die Angehörigen der Gruppe diskrimi- nieren wollen oder verneinen, dass viele gut integrierte Sinti und Roma in Deutschland leben. Zu den Verschiedenheiten gehört auch, dass es Ver- bände gibt, die es problematisch finden, wenn über Pro- bleme ihrer Gruppe berichtet wird, weil sie das Wachsen oder Verstärken von Vorurteilen fürchten, dies sicher nicht ganz zu Unrecht. Aber ein Verschweigen löst we- der Probleme noch Vorurteile in Luft auf. Ein anderer Verband besteht darauf, ihre Gruppe möge nicht als Sinti und Roma, sondern als Zigeuner angesprochen werden. Diese Verschiedenheiten sind ein Ausdruck der Vielfalt, sie verweisen uns auch darauf, dass wir uns vor Verall- gemeinerungen hüten und bestehende Programme nur unter der intensiven Mitarbeit mit den verschiedenen Re- präsentationsinstitutionen erarbeiten sollten. Die ver- schiedenen traditionellen Lebensweisen von Sinti, Roma und verwandten Gruppen erlangen durch den Status als nationale Minderheit auch einen besonderen Schutz. Sinti und Roma dürfen erwarten, dass wir – im Sinne un- seres Grundgesetzes – ihnen entgegenkommen und spe- zifische bedürfnisorientiere und kultursensible Angebote machen, um ihnen bei der Überwindung der Armut end- lich nachhaltig zu helfen. Ich möchte allen Vereinen, Verbänden und Institutio- nen danken, die sich in den letzten Wochen sehr intensiv an mich gewandt haben. Ich möchte Sie ermutigen, sich weiterhin aktiv in Politik einzumischen. Hoffentlich wa- chen auch die CDU/CSU und FDP bald auf, damit wir alle gemeinsam an politischen Perspektiven arbeiten können. Serkan Tören (FDP): Da mein Kollege Pascal Kober bereits etwas zu unserem Koalitions- bzw. den Oppositionsanträgen zum Thema Sinti und Roma sagen wird, möchte ich an dieser Stelle noch einiges zum Rücknahmeabkommen mit dem Kosovo erwähnen, wel- ches als Zweites in diesem Tagesordnungspunkt beraten wird. Aus Sicht der FDP-Bundestagsfraktion sind die An- träge der Linken und von Bündnis 90/Die Grünen in jeg- licher Hinsicht abzulehnen. Gerade der Antrag der Lin- ken ist völlig abwegig, weil er in weiten Teilen auf Basis falscher Behauptungen zu falschen Schlüssen und Ergeb- nissen kommt. Aus meiner Sicht verkennt die Opposition nicht nur die rechtlichen Grundsätze im deutschen Auf- enthaltsrecht, sondern verhält sich auch ziemlich reali- tätsfern. Das Rücknahmeabkommen enthält die üblichen Komponenten der Rückübernahme eigener Staatsange- höriger. Diese gibt es auch in anderen etwa von der EU mit Drittstaaten geschlossenen Rückübernahmeabkom- men. Gleiches gilt für die Übernahme von Drittstaatsan- gehörigen und Staatenlosen. Somit handelt es sich also keineswegs um ein Abkommen, welches ausschließlich die Abschiebung von bestimmten ethnischen Gruppen zum Ziel hat. Dieser Vorwurf ist völlig grotesk. Mir scheint der Antrag der Linken eher eine innen- politische Motivation zu haben, als ernsthaft zu einer Lösung des Problems beitragen zu wollen. Die genann- ten Zahlen werden permanent verdreht oder falsch inter- pretiert. Von einer Massenabschiebung kann keine Rede sein. Anstatt der genannten 10 000 Roma, Ashkali und Ägypter, RAE, wurden in den letzten Jahren nur wenige Hundert in ihre Heimat zurückgeführt. Eine deutliche Erhöhung dieser Zahlen, wie von den Linken behauptet, ist weder realistisch noch im neuen Abkommen geplant. Ebenso scheinen viele Zahlen völlig aus der Luft gegrif- fen zu sein. Die Arbeitslosigkeit unter den Roma bei- spielsweise liegt mitnichten bei 95 Prozent, sondern deutlich darunter. Natürlich ist der junge Staat Kosovo noch in einer sehr schwierigen Phase, und das Sozialsys- tem ist noch deutlich unterentwickelt; dies trifft aber eben nicht nur die Roma oder die anderen ethnischen Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 14231 (A) (C) (D)(B) Minderheiten, sondern die gesamte kosovarische Bevöl- kerung. Diese schwierige soziale und wirtschaftliche Lage al- lein kann und darf allerdings kein generelles Abschiebe- hindernis darstellen. Fälle von Übergriffen auf Angehö- rige von Minderheiten im Kosovo werden vereinzelt geschildert, jedoch nicht in einer derartigen Vielzahl, wo von einem entsprechenden Maß an Diskriminierung oder gar von Verfolgung ausgegangen werden könnte. Daher lassen Sie mich grundsätzlich etwas sagen: Ein Abschie- bestopp ist und bleibt ein Notfallinstrument für akute Krisenentwicklungen. Das trifft auf die aktuelle Lage im Kosovo nicht zu. Gerade vor dem Hintergrund der Ver- antwortung für andere Fälle muss die Notwendigkeit ei- nes Abschiebestopps immer gewissenhaft geprüft wer- den. Und genau das wird auch getan. Ich weise daher den Vorwurf der Opposition ausdrücklich zurück. Mit der Unterzeichnung eines Rücknahmeabkommens wird kein Freiflugschein für alle Flüchtlinge in ihre jewei- ligen Heimatländer unterschrieben, ohne Rücksicht da- rauf, in welche Umstände die jeweiligen Personen zu- rückschickt werden. Richtig und wichtig ist zu sagen: Asylrechtliche Vorschriften werden durch dieses Rücknah- meabkommen nicht berührt. Das bedeutet: Individuelle Prüfungen sind bereits schon jetzt möglich und werden durchgeführt. Ausländern, denen in ihren Herkunftslän- dern politische Verfolgung, Folter und konkrete Gefahr für Leib und Leben droht, erhalten in Deutschland Asyl, Flüchtlingsschutz oder auch subsidiären Schutz. Dies wird vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in einem ordentlichen Asylverfahren festgestellt. Zudem herrscht eine besondere Sensibilität für die schwierige Situation der Roma im Kosovo bei den Ausländerbehör- den. Dieses Bewusstsein muss auch in jede Einzelent- scheidung einfließen. Wir sagen hier also ganz klar: Dauerhafte Probleme mit der Menschenrechtslage, wie sie in Teilen für Roma und Sinti bestehen, können mit einem generellen Ab- schiebestopp als politisches Instrument nicht gelöst wer- den. Dazu ist das Asylrecht das richtige Instrument. Und ich plädiere in dieser Debatte für etwas mehr Differen- ziertheit und Würdigung des bestehenden Asylrechts, welches die menschenrechtliche Lage der einzelnen Per- sonen durchaus im Blick hat. Doch will ich die Proble- matik der Forderungen um generelle Abschiebungs- stopps in diesem Zusammenhang nicht völlig vom Tisch wischen. Die Rechte der Roma und Sinti bedürfen wei- terhin kritischer Aufmerksamkeit. Pascal Kober (FDP): Ich möchte das Problem, das unser Antrag aufgreift, nur kurz umreißen, denn ich bin mir sicher, dass wir uns in seiner Bedeutung einig sind. Wir alle wissen, dass die Sinti und Roma Europas nach wie vor in ihren Menschenrechten beschnitten werden. Sie sind Intoleranz und gesellschaftlichen Vorurteilen ausgesetzt, die es auszuräumen gilt. Darum thematisie- ren wir und die Bundesregierung dieses Problem. Wir tragen es in die Öffentlichkeit, durch unseren Antrag, durch unsere Reden und auch, indem wir den Dialog da- rüber suchen. Die Folgen der Vorurteile für Angehörige dieser größten ethnischen Minderheit Europas haben be- klagenswerte Ausmaße. In zahlreichen Ländern der EU werden sie insbesondere bei der Suche nach Wohnraum, nach Arbeit und beim Zugang zu notwendiger medizini- scher Versorgung diskriminiert. Ihre Armut, ihre Be- nachteiligung und ihr sozialer Ausschluss verhindern, dass sich Sinti und Roma in die Gesellschaft integrieren können. Ein grundlegendes Problem ist ihr häufig niedriger formaler Bildungsstand, in einigen Ländern verstärkt durch die Tatsache, dass Kinder von Sinti und Roma se- gregiert von anderen Kindern in eigenen Schulen unter- richtet werden. Schon diese ungleichen Ausgangsbedin- gungen mindern ihre späteren Chancen auf einen Arbeitsplatz und erschweren ihre gesellschaftliche Inte- gration erheblich. In der Folge werden Sinti und Roma als gesellschaftliche Außenseiter behandelt und bieten so ein willkommenes Feindbild für Vorurteile, die nicht nur bei Rechtsextremisten zu finden sind. Wir müssen das Problem von einer europäischen Perspektive aus be- trachten, wobei wir große regionale Unterschiede fest- stellen können. Insbesondere in Südosteuropa müssen wir eine zunehmende Diskriminierung beobachten. Es ist mir wichtig, auf einen weiteren Aspekt einzuge- hen, dass nämlich Sinti und Roma überdurchschnittlich häufig Opfer von Straftaten wie beispielsweise sexueller Ausbeutung, Kinderbettelei und Menschenhandel wer- den. In einigen EU-Staaten machen sie bis zu 80 Prozent der Opfer von Menschenhandel aus. Menschenhandel in der EU hat in den letzten Jahren mit dem Beitritt neuer Mitgliedstaaten an Brisanz gewonnen, und seine Formen ändern sich rasch. Er passt sich neuen Situationen an, neue Herkunftsländer werden erschlossen, neue Han- delswege, Tarnungen und Drohstrukturen werden errich- tet. Um diese Erscheinungsform organisierter Kriminali- tät einzudämmen, müssen wir nicht nur ein ganzes Bündel von Maßnahmen ergreifen, sondern auch den da- von betroffenen Sinti und Roma besondere Aufmerk- samkeit schenken. Ich denke, anhand dieses Beispiels wird deutlich, dass wir weder im nationalen Alleingang noch mit einer nur auf Deutschland beschränkten Heran- gehensweise etwas an der Situation der Sinti und Roma ändern können. Die Bundesrepublik kommt ihrer Verantwortung für die Integration der Roma in Europa nach. Beispielsweise fördert das Auswärtige Amt im Rahmen seiner Men- schenrechtsarbeit entsprechende Projekte in den Ländern des westlichen Balkans. Das BMZ unterstützt den Roma Education Fund und trägt so zur Verbesserung ihrer Bil- dungssituation auf dem gesamten Balkan bei. Sinti und Roma, die in das Kosovo zurückkehren, erhalten ent- sprechende Beratungs- und Unterstützungsmaßnahmen bei ihrer Wiedereingliederung. Eines möchte ich jedoch auch anführen: Wir müssen in engem Dialog mit Roma- Vertretern auch darauf hinwirken, dass die Gemeinschaft der Sinti und Roma das Ihre dazu beiträgt, damit die Ver- wirklichung ihrer Menschenrechte nicht behindert wird. Daher fordert unser Antrag die Bundesregierung auf, sich auch weiterhin sowohl bi- als auch multilateral aktiv für eine bessere Menschenrechtslage der Sinti und Roma 14232 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 (A) (C) (D)(B) in ganz Europa einzubringen. Sie muss darauf achten, dass die bereits existierenden Integrations- und Förder- programme für Sinti und Roma in Ländern wie Ungarn, Bulgarien oder Rumänien auch im Interesse dieser Min- derheit umgesetzt werden. Neben dem bereits bestehen- den und in unserem Antrag nachzulesenden breiten Maßnahmenspektrum auf EU-Ebene wird es vor allem darauf ankommen, die Sinti und Roma selbst dabei ein- zubeziehen und an Europa mitzuwirken zu lassen. Denn Integration darf nicht das Ziel bleiben, es muss der Weg sein. Petra Pau (DIE LINKE): Erstens. Der Bundestag be- fasst sich seit Monaten mit der unbefriedigenden Situa- tion der Sinti und Roma in Europa. Dazu gibt es mehr- fach Gründe. Zum einen gibt es eine EU-Initiative zur besseren Integration von Sinti und Roma. Zum anderen hatte Zoni Weisz am 27. Januar 2011 als Vertreter der Sinti und Roma im Bundestag die historische und aktu- elle Verantwortung Deutschlands angemahnt. Des Wei- teren ist es die vielfach eklatante Lage von Millionen Sinti und Roma in Europa selbst. Zweitens. Ich habe in der Auftaktdebatte hier kriti- siert, dass die CDU/CSU und die FDP mit ihrem 12-Punkte-Beschluss zwar formal den EU-Vorgaben fol- gen. Sie tun ansonsten aber so, als handele es sich um ein auswärtiges Problem, so als hätte es mit der Bundes- republik Deutschland und mit der Politik hierzulande selbst nichts zu tun. Das aber ist ein Trugschluss und wer Augen zum Sehen und Ohren zum Hören hat, weiß das auch. Nur die Regierungsfraktionen ducken sich weg. Drittens. Und auch das gehört zum Problem: Die EU-Ratspräsidentschaft lag im ersten Halbjahr 2011 bei Ungarn. Somit hatte Ungarn auch die Federführung für eine weitergehende Sinti-und-Roma-Strategie. Ausge- rechnet Ungarn, wo die Ausgrenzung und Verfolgung von Sinti und Roma Tagesgeschäft ist und selbst vor Mord nicht zurückgeschreckt wird. Ich habe zu diesem Widerspruch bislang kein Wort gehört, nicht von der CDU/CSU, nicht von der FDP, nicht von Bundeskanzle- rin Merkel, auch nicht von Außenminister Westerwelle. Viertens. Die Abstimmungsempfehlungen aus den parlamentarischen Ausschüssen sind übersichtlich. Die CDU/CSU und die FDP werden mit ihrer eigenen Mehr- heit ihren unzulänglichen Antrag zum Beschluss erheben und die weitergehenden Anträge der SPD, der Linken und der Grünen ablehnen. Deshalb will ich auf zwei Punkten noch einmal besonders eingehen. Fünftens. Die Linke hat gefordert, die geplante Ab- schiebung von circa 10 000 Roma in den Kosovo auszu- setzen. Die Grünen taten es auch. Denn diese Roma wer- den zwangsweise in ein Land geschickt, das ihnen feindlich gesinnt ist. CDU/CSU und FDP lehnten das ab, die SPD enthielt sich. Im Ausschussprotokoll ist dazu weiter vermerkt: „Alternativen: Annahme der Anträge“, was nicht gewollt war. Und wieder aus der Protokoll- notiz: „Kosten wurden nicht erörtert.“ Mit Verlaub: Es geht um Menschen. Sechstens. Der Vorsitzende des Zentralrats der Sinti und Roma in Deutschland, Romani Rose, hat zudem alle Fraktionen gebeten, ein weiteres akutes Problem zu lö- sen. Nach deutscher Friedhofsordnung droht zahlreichen Roma-Grabstätten die Einebnung. Sie sind zugleich Roma-Gedenkorte, die an den Holocaust erinnern. In dem Beschluss, der heute zur Abstimmung steht, findet sich auch dazu nichts. Kurzum: Die Linke wird diesen unsensiblen und würdelosen Koalitionsantrag ablehnen. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Situation der Sinti und Roma in den europäischen Staaten ist höchst problematisch. Die Roma sind die am stärksten von sozialer Ausgrenzung, Armut und Diskri- minierungen betroffene Gruppe auf unserem Kontinent. Vor vier Jahren war ich in der Tschechischen Repu- blik und der Slowakei, um mich über die Situation der Roma dort zu informieren. Die Erlebnisse und Gesprä- che waren so erschreckend, dass sie mir heute noch bild- haft vor Augen sind. Mitten in Europa leben Menschen in Slums, deren Ausmaß ich zuvor nur von weit entfern- ten Entwicklungsländern kannte. Kaum einer der Er- wachsenen hat Arbeit oder Zugang zur Gesundheitsver- sorgung. Den Kindern wird der soziale Aufstieg unmöglich gemacht. Sie sind nicht zu dumm, sondern man gibt ihnen mit den äußeren Rahmenbedingungen nicht die Chance, ihren Lebensweg zu beschreiten und unter Umständen in eine andere soziale Schicht aufzu- steigen als die ihrer Eltern. Sie werden zu über 90 Pro- zent als lernbehindert oder geistig behindert kategorisiert und dementsprechend in Sonderschulen gesteckt, in de- nen sie keinerlei reguläre Schulbildung erhalten. Grund dafür ist, dass sie in der frühkindlichen Zeit nicht die Sprache ihrer Umgebung, sondern nur die Sprache ihrer Volksgruppe lernen. Bestimmte Wörter und Begriffe gibt es in ihrer Sprache gar nicht, und sie können sie daher auch nur schwer verstehen. Doch genau nach solchen Begriffen werden die Kinder in den Einstufungstests ge- fragt. So kann man sie gezielt durchfallen lassen, um sie im Schulsystem auszusondern. Ich habe dort ein von Studierenden betriebenes Projekt gesehen, in dem drei- bis viermal pro Woche mit den Kindern gespielt wurde. Die Kinder aus diesen Spielgruppen haben die Tests be- standen und kamen auf normale Schulen. Doch die Mit- tel für solche Projekte werden immer weiter gekürzt. Denn statt menschenrechtlich und sozialpolitisch verant- wortungsvoll zu handeln, schielen viele Verantwortliche lieber auf den schnellen Beifall vom rechtskonservativen Rand. Auch die großen Staaten Westeuropas bilden lei- der keine Ausnahme. Exemplarisch zeigte sich dies an den Massenausweisungen von Roma aus Frankreich und Italien nach Rumänien und Bulgarien im vergangenen Sommer. Dies verstieß so eindeutig gegen die Freizügig- keitsrichtlinien der EU, dass die Europäische Kommis- sion beide Staaten dafür rügte. Doch Studien zeigten später, dass weite Teile der französischen und italieni- schen Gesellschaft die Ausweisungen für richtig hielten. Das größte Defizit im Antrag der Koalition ist, dass sie auf die Situation der Roma und Sinti in Deutschland mit keinem Wort eingeht. Daher können wir ihm auch nicht zustimmen. Denn wer Menschenrechtspolitik im- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 14233 (A) (C) (D)(B) mer nur betreibt, indem er mit dem Finger auf weit ent- fernte Staaten zeigt, der hat vom Grundsatz der Univer- salität der Menschenrechte nicht viel verstanden. In einer Debatte im Deutschen Bundestag über die Sinti und Roma ist es insbesondere wichtig, über ihre Lage hier in Deutschland zu sprechen. Auch in Deutschland werden Sinti und Roma diskriminiert. Nach einer Um- frage des Zentralrates Deutscher Sinti und Roma haben 76 Prozent der Sinti und Roma in Deutschland Diskrimi- nierung erfahren, unter anderem bei der Wohnungssu- che, am Arbeitsplatz, in der Schule und bei der Ausbil- dung. Die am 24. Mai 2011 vorgestellte Studie zur aktuellen Bildungssituation der deutschen Sinti und Roma weist deren desolate Lage in Bezug auf Berufs- ausbildung und Schulabschlüsse nach. Nur 2,3 Prozent der Kinder aus Roma-Familien besuchen ein Gymna- sium, und über 40 Prozent haben keinerlei Schulab- schluss. Die Beschäftigungsquote, der Zugang zu Wohn- raum und die Gesundheitssituation sind ebenfalls deutlich schlechter als innerhalb der Mehrheitsbevölke- rung. Auch der ungesicherte Aufenthaltsstatus vieler Roma-Familien ohne deutsche Staatsangehörigkeit trägt erheblich zu ihrer Marginalisierung bei. In meinem Wahlkreis in Köln hat sich bei dem Verein Rom e. V. ge- zeigt, dass die größten Probleme bei den Kindern aus Roma-Familien insbesondere aus dem Kosovo nicht das Lernen oder der Schulalltag sind, sondern dass das Ler- nen und der Schulbesuch abbrechen, sobald die Familie von Abschiebung bedroht ist. In der gegenwärtigen Si- tuation im Kosovo sind Abschiebungen nicht zu verant- worten. Deshalb muss das Rückübernahmeabkommen ausgesetzt werden, bis garantiert ist, dass jeder dort in menschenwürdige Unterbringungseinrichtungen kommt und die Chance erhält, durch Arbeit seinen Lebensunter- halt zu verdienen. Es gibt dort immer noch Menschen, die in Lagern sitzen, in denen die Bleikontamination für Kinder lebensbedrohlich und für Erwachsene gesund- heitsgefährdend ist. Unter diesen Bedingungen darf man aus humanitären Gründen nicht abschieben. Deshalb ha- ben wir, als wir die hier vorliegenden Anträge in der Sit- zung des Ausschusses für Menschenrechte und Humani- täre Hilfe am 29. Juni 2011 beraten haben, einen Änderungsantrag zum Antrag der SPD gestellt, der ge- nau dies fordert: einen Abschiebestopp für das Kosovo und eine Aussetzung des Rückübernahmeabkommens. Dem so geänderten Antrag der SPD hätten wir gerne zu- gestimmt, denn im Übrigen ist er recht gelungen. Doch wer sich hinter vagen Einzelfallentscheidungen verste- cken möchte, um die Zustimmung der eigenen Innen- politikerinnen und -politiker nicht zu riskieren, auch der handelt menschenrechtlich nicht konsistent. Daher kön- nen wir uns bei dem Antrag der SPD nur enthalten. Wir fordern die Bundesregierung auf, eine nationale Strategie zur Integration der Roma vorzulegen. So for- dert es die EU-Kommission von den Mitgliedstaaten in ihrer am 5. April 2011 vorgestellten Rahmenstrategie zur Integration der Roma ausdrücklich. Die Bundesregie- rung verschließt bewusst die Augen, um an dieser Stelle ein wenig Geld zu sparen. Angesichts des schrecklichen Unrechts, das Deutschland und seine Bevölkerung den Roma und Sinti in der Vergangenheit angetan haben, sind wir es ihnen jedoch schuldig, ihre Integration aktiv voranzutreiben und ihnen zu helfen. Die angesprochene Bildungsstudie wurde von der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ mit gefördert. Sie sieht zu Recht ihren gesetzlichen Auftrag nicht allein darin, die Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus – da- runter auch die Sinti und Roma, die Opfer eines Völker- mordes wurden – wachzuhalten. Die Stiftung engagiert sich auch dafür, dass die Nachfahren der Opfer heute nicht mehr diskriminiert werden, sondern in den vollen Genuss ihrer Grund- und Menschenrechte kommen. Dies ist ein wesentlicher Grundgedanke, den wir bei der Debatte über Sinti und Roma nie vergessen dürfen. Anlage 17 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: zu der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates betref- fend die Aufnahme und Ausübung der Versi- cherungs- und Rückversicherungstätigkeit (EG) Nr. 2009/138 (Solvabilität II) sowie zum Entwurf einer Richtlinie des Europäischen Par- laments und des Rates zur Änderung der Richt- linien 2003/71/EG und 2009/138/EG im Hin- blick auf die Befugnisse der Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersvorsorge und der eu- ropäischen Wertpapieraufsichtsbehörde (Om- nibus II) hier: Stellungnahme nach Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes i. V. m. § 9 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union Für eine harmonisierte europäische Versiche- rungsaufsicht unter Wahrung bewährter Auf- sichtsinstrumente zur Risikovorsorge in Deutschland (Tagesordnungspunkt 27) Ralph Brinkhaus (CDU/CSU): In den vergangenen Monaten haben wir viel über die Regulierung von Ban- ken diskutiert. Heute diskutieren wir über die Regulie- rung im Versicherungsbereich. Das ist gut so, denn die Bedeutung der Versicherungen für den gesamten Finanz- markt darf nicht unterschätzt werden. Zum einen geht es um die Abstimmung der europäischen und der nationa- len Aufsicht, zum anderen um die Konkretisierung von Solvency II. Die Solvency-II-Richtlinie ist bereits in Kraft. Jetzt geht es darum, die Übergangsfristen zur Im- plementierung von Solvency II festzulegen. Zudem müs- sen die Level-2-Maßnahmen erarbeitet werden. So soll zum Beispiel die Aufsichtsbehörde EIOPA technische Informationen einschließlich der maßgeblichen risiko- freien Zinsstrukturkurve veröffentlichen. Dies alles klingt sehr administrativ. Eine große politi- sche Bedeutung erschließt sich – wie sich auch an der zeitlichen Ansetzung dieser Debatte zeigt – auf den ers- 14234 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 (A) (C) (D)(B) ten Blick nicht. Trotzdem sind die Entscheidungen, die in den nächsten Monaten getroffen werden, von größter Bedeutung für die gesamte europäische Versicherungs- wirtschaft, insbesondere bedeutend für die deutschen Versicherungen mit ihren Kernprodukten wie der priva- ten Altersvorsorge. Aus diesem Grund habe ich zum Thema „Solvency II“ in den letzten Monaten viele Ge- spräche geführt und an einigen Diskussionsveranstaltun- gen teilgenommen. Dabei hat sich gezeigt, wie groß die Verunsicherung in der Branche ist. Es ist daher richtig, dass sich der Deutsche Bundestag im Sinne der deut- schen Versicherungswirtschaft und ihrer Kunden, aber auch im Sinne von guten und tragfähigen gemeinsamen europäischen Strukturen zum Thema „Umsetzung Sol- vency II“ positioniert. Wir unterstützen daher die Bundesregierung in ihrem Einsatz für folgende fünf Kernanliegen: Erstens. Wir fordern die Bundesregierung auf, sich in den Verhandlungen für angemessene Übergangsfristen starkzumachen. Sowohl die Versicherungsunternehmen als auch die Aufsichtsbehörden müssen ausreichend Zeit bekommen, sich auf die neuen Regelungen einzustellen. Eine Umsetzung kann nicht über Nacht erfolgen. Der bisher vorgesehene Zeitplan ist sehr eng. Die erst vor kurzem abgeschlossene fünfte Auswirkungsstudie hat gezeigt, dass noch einige erhebliche inhaltliche Ände- rungen notwendig sind. Somit besteht auch heute, an- derthalb Jahre vor dem geplanten Startzeitpunkt, noch keine Gewissheit über die endgültige rechtliche Ausge- staltung von Solvency II. Zweitens. Wir fordern die Bundesregierung auf, sich für eine angemessene Bewertung und Berücksichtigung der jüngsten Auswirkungsstudie einzusetzen. Ein ange- messenes Verhältnis zwischen eingegangenen Risiken und Schärfe der aufsichtsrechtlichen Anforderungen sollte in allen Regelungsbereichen festgelegt und ange- wandt werden. Dies ist wichtig, da die Regeln für alle Unternehmen unabhängig von ihrer Größe und Rechts- form gelten sollen. Der Compliance-Aufwand muss da- her verhältnismäßig und von allen Unternehmen dar- stellbar sein. Die neuen Regeln dürfen nicht zu einer überproportionalen Belastung für kleine und mittlere Unternehmen werden. Dies würde ihre Wettbewerbs- position nachhaltig schwächen. Eine konsequente An- wendung des prinzipienbasierten Ansatzes der Richtlinie und deutliche Vereinfachungen sind für die erfolgreiche Einführung von Solvency II besonders wichtig. Deutsch- land und Frankreich haben dies gegenüber der Kommis- sion adressiert. Wir unterstützen die Bundesregierung ausdrücklich in ihrem Einsatz für eine adäquate Ausge- staltung des Regelwerkes. Drittens. Ein nicht unwichtiges Detail der Verhand- lungen ist die Festlegung einer praxistauglichen und die Interessen der deutschen Versicherungsunternehmen und Versicherten berücksichtigenden risikofreien Zinsstruk- turkurve. Insbesondere für das Angebot von Altersvor- sorgeprodukten ist eine sachgerecht definierte risikofreie Zinsstrukturkurve wesentlich. Andernfalls drohen eta- blierte Anlageprodukte, zum Beispiel langlaufende Le- bensversicherungen, deutlich teurer zu werden oder gar vom Markt zu verschwinden. An Änderungen wird be- reits gearbeitet, und wir sind zuversichtlich, dass eine Lösung gefunden werden kann. Wir fordern die Bundes- regierung daher auf, sich weiter für die Sicherstellung der Finanzierbarkeit langlaufender Versicherungsver- träge und die Vereinbarung entsprechender rechtlicher Rahmenbedingungen einzusetzen. Viertens. Uns ist wichtig, dass die parlamentarische Kontrolle gestärkt wird. Es ist richtig, dass bestimmte Kompetenzen auf die Kommission und die EIOPA über- tragen werden, die dann delegierte Rechtsakte bzw. tech- nische Standards erlassen können. Dies kann nötig sein, um technische Details aus Harmonisierungsgesichts- punkten einheitlich festzulegen, wenn der Rahmen durch eine politische Entscheidung bereits gesetzt ist. Wir müssen aber darauf achten, dass die wesentlichen Ent- scheidungen weiterhin im ordentlichen Verfahren getrof- fen werden. Die Möglichkeit für delegierte Rechtsakte und der Anwendungsbereich von technischen Standards sollten daher nicht weiter gefasst werden als unbedingt nötig. Außerdem sollte unter Berücksichtigung der neuen europäischen Aufsichtsstruktur dem Gruppenauf- seher eine besondere Bedeutung zukommen. Die opera- tive Aufsicht über die Institute sollte nicht faktisch auf die EIOPA übergehen. Dies ist auch wichtig, um die Größe der einzelnen Märkte im Entscheidungsprozess angemessen zu berücksichtigen. Fünftens. Wir fordern die Bundesregierung außerdem auf, sich für eine angemessene Risikobetrachtung und Risikounterlegung der jeweiligen Aktiva einzusetzen. Versicherungen sollen an den tatsächlichen Risiken orientierte, praxisnahe Anforderungen an das Eigenkapi- tal erfüllen müssen. Zur Vermeidung von Wettbewerbs- nachteilen für Unternehmen, die die Standardformel an- wenden, muss diese regelmäßig überprüft und an aktuelle Entwicklungen angepasst werden. Dabei dürfen keine Asset-Klassen benachteiligt oder bevorzugt wer- den. Ich denke, dass wir – sollten die genannten Punkte be- rücksichtigt werden – die Umsetzung der neuen europäi- schen Aufsichtsstruktur besser und tragfähiger gestalten können. So richtig und wichtig die Verbesserung der Aufsicht ist, so wichtig ist es aber auch, die Versiche- rungsunternehmen und die Aufsichtsbehörden nicht zu überfordern, in zeitlicher wie auch inhaltlicher Hinsicht. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass Modifikationen im Versicherungsbereich Auswirkungen auf andere Branchen und Finanzmarktakteure haben. So finanzieren Versicherungen zum Beispiel in erheblichem Maße Ban- ken und sind große Anleger im Markt für Immobilien und Asset-backed-Securities. Bei Änderungen müssen wir daher immer auch die Folgen für diese Märkte mit bedenken. Dies gilt sowohl für die Regelungen zu Basel im Banken- als auch für Solvency II im Versicherungs- bereich. Wir haben mit unserem Antrag die aus meiner Sicht wesentlichen Kritikpunkte aufgegriffen. Ich bitte Sie da- her um Ihre Zustimmung. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 14235 (A) (C) (D)(B) Peter Aumer (CDU/CSU): Die deutsche Wirtschaft wächst seit einiger Zeit deutlich, trotz der verheerenden Finanz- und Wirtschaftskrise der letzten Jahre und der darauffolgenden Staatsschuldenkrise. Neben den ent- schlossenen und gezielten Stabilisierungsmaßnahmen während der Krise haben die zügig und konsequent ein- geleiteten strukturellen Reformen des Finanzmarktes ei- nen zentralen Beitrag hierzu geleistet. Das regulatori- sche Korsett für die Finanzwirtschaft wurde deutlich gestrafft, ohne gleichzeitig ihre hohe volkswirtschaftli- che Bedeutung als Kreditversorger für die deutsche Wirtschaft zu beeinträchtigen. Was Basel III für die Ban- ken bedeutet, nennt sich Solvency II für die Versicherun- gen. Das Projekt Solvency II ist ein weiterer Meilenstein der Finanzmarktregulierung. „Solvency II als eines der wichtigen europäischen Projekte im Bereich der Finanz- dienstleistungswirtschaft ist so umzusetzen, dass der deutsche Versicherungsmarkt gestärkt wird.“ Diese Maßgabe des Koalitionsvertrags wollen wir umsetzen: Wir unterstützen die Bundesregierung darin, die Sachan- liegen der deutschen Versicherer im Interesse der Unter- nehmen und der Versicherungsnehmer auf europäischer Ebene kraftvoll zu vertreten. Dabei werden wir auf eine angemessene Risikobetrachtung und Risikounterlegung achten, um Verwerfungen auf den Kapital- und Immobi- lienmärkten zu vermeiden; so haben wir es ausdrücklich in unserem vorliegenden Antrag festgehalten. Lassen Sie mich dies am Beispiel des deutschen Im- mobilienmarktes verdeutlichen: Gerade der deutsche Im- mobilienmarkt hat sich in der Krise als weniger volatil als andere Immobilienmärkte gezeigt. Wenn es nun da- rum geht, das Immobilienrisiko zu bemessen, dann dür- fen die Risikofaktoren nicht überzeichnet werden; denn sonst würde der deutsche Immobilienmarkt im Wettbe- werb um Investoren benachteiligt. Deshalb müssen wir die höhere Wertbeständigkeit des deutschen Immobilien- marktes in die Risikobetrachtung einbeziehen. Die An- forderungen an das Eigenkapital müssen so gestaltet sein, dass eine praxisnahe, den tatsächlichen Risiken ent- sprechende Vorsorge erfolgt. Dabei sind die Gegeben- heiten aller regionalen Märkte in Europa zu berücksich- tigen. Die Standardformel muss regelmäßig überprüft werden, um Wettbewerbsnachteile für Versicherer, die die Standardformel anwenden, möglichst weitgehend zu vermeiden. Dies ist ein Beispiel dafür, dass wir einzelne Asset- klassen nicht durch über- oder unterzeichnete Risiken benachteiligen oder bevorzugen dürfen. Daher wollen wir auch die Ansätze zur Risikoeinschätzung bei Staats- anleihen zu gegebener Zeit überprüfen. Wir machen in unserem Antrag auch deutlich, dass wir die neue EU- Finanzaufsichtsstruktur unterstützen. Es ist gut, dass zu Beginn dieses Jahres das neu geschaffene Aufsichtssys- tem mit Behörden wie der EU-Versicherungsaufsichts- behörde EIOPA gestartet wurde. Gleichzeitig ist für uns aber auch klar, dass Rat und Parlament angemessen ein- gebunden werden müssen, um die demokratische Legiti- mation zu wahren. Wir zeigen als Koalitionsfraktionen mit unserer Stel- lungnahme gemäß dem Gesetz über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in An- gelegenheiten der Europäischen Union, EUZBBG, dass wir unsere europapolitische Verantwortung wahrneh- men. Jeder Finanzplatz, jedes Finanzprodukt und jeder Akteur müssen zukünftig einer Regulierung unterliegen. Dies ist unser Motto, das wir gemeinsam mit europäi- schen Partnern mit Augenmaß umsetzen. Manfred Zöllmer (SPD): Diese Woche hat die Euro- päische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung, EIOPA, die Er- gebnisse ihres jüngsten sogenannten Stresstests veröf- fentlicht, in dem die Stabilität der Versicherungsunter- nehmen bei simulierten Krisenszenarien geprüft wurde. Danach müssen etwa 10 Prozent der Unternehmen „nachsitzen“, weil sie die neuen Eigenkapitalanforde- rungen, wie sie durch Solvency II ab 2013 gelten wer- den, nicht erfüllen. Hier müssen die betroffenen Unter- nehmen, deren Namen die EIOPA – anders als beim jüngsten Bankenstresstest – nicht veröffentlicht, nach- bessern. Insgesamt ist Solvency II eines der wichtigsten Pro- jekte im Bereich Aufsicht über Finanzdienstleistungen auf EU-Ebene. Mit dem Projekt sollen die heutigen Sol- vabilitätsvorschriften, also die Eigenmittelanforderun- gen, für Versicherungsunternehmen zu einem konse- quent risikoorientierten System der Finanzaufsicht weiterentwickelt werden. Neben den Banken ist zum Beispiel auch der Versicherungsgigant AIG in der Fi- nanzkrise ins Wanken geraten. Insoweit ist es eine kon- sequente Lehre aus der Finanzkrise, auch für Versiche- rungsunternehmen ein wirksames Aufsichtsregime zu gestalten und Eigenkapitalanforderungen zu überprüfen, um künftige Krisenereignisse bestehen zu können. Die Versicherer sollen ihr eigenes, internes Risikoma- nagement verbessern. Darüber hinaus wird mit Solvency II eine angemessene Harmonisierung der Aufsicht über Versicherungen in Europa angestrebt. Wie im Antrag der Regierungsfraktionen zu Recht er- wähnt wird, hat das Projekt noch einige Monate Vorlauf- zeit, bis die neuen Regeln Anfang 2013 in Kraft treten sollen. Gleichzeitig ist der beabsichtigte Zeitplan eng und die Materie zum Teil äußerst komplex. Es ist zu überprüfen, ob die Komplexität nicht reduziert werden kann oder sogar muss. Dies betrifft insbesondere die Standardformel von Solvency II, die praktikabler gestal- tet werden sollte. Dies war auch eines der Ergebnisse der im Antrag erwähnten QIS-5-Studie zum künftigen euro- päischen Regelwerk. Es gibt von unterschiedlicher Seite Kritik an dem Pro- jekt. So wird argumentiert, Solvency II bedrohe das deutsche Betriebsrentensystem, weil die neuen Eigenka- pitalregeln und Vorgaben zum Risikomanagement die Pensionskassen deutscher Firmen zu stark unter Druck setzen. Das bewährte Betriebsrentensystem in Deutsch- land darf nicht durch neue Solvabilitätsregeln in Mitlei- denschaft gezogen werden. Kritik kommt auch aus der Immobilienbranche, die bei Investitionen auf bestimmte 14236 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 (A) (C) (D)(B) Finanzierungsmodelle durch Versicherungsunternehmen angewiesen sind. Die meisten Kritikpunkte machen na- türlich die Betroffenen, also die Versicherer selbst, gel- tend. Auch hier gibt es eine Reihe von Punkten, die man sich im Verlauf des Solvency-II-Prozesses genauer an- schauen muss. So ist die Frage zu stellen, ob die Interessen der klei- neren Versicherer angemessen berücksichtigt wurden. Wir müssen – ähnlich wie bei den Banken – auch da- rauf achten, dass es keinen Anreiz geben darf, wegen der neuen höheren Anforderungen auf weniger streng oder gar nicht regulierte Anbieter von Kapitalgarantien aus- zuweichen. Genauso wie im Bereich der Banken und zum Bei- spiel der neuen Basel-III-Regelungen erscheint es hier sehr wichtig, dass die beabsichtigte europäische Harmo- nisierung nicht über das Ziel hinausschießt, sondern na- tionale Besonderheiten ihre Berücksichtigung finden. Der unterschiedlichen Struktur der jeweiligen Märkte, der Unternehmen und deren unterschiedlichen Risiken müssen die Regeln gerecht werden. Allein ein identi- sches „Playing Field“ schaffen zu wollen, kann nicht al- leiniges Ziel sein. Letztlich geht es um krisenfeste und robuste Versicherungsunternehmen. EU-Kommissar Michel Barnier hat kürzlich einge- räumt, dass eine Reihe wichtiger Fragen noch gelöst werden müsse. In den Detailvorgaben zur Umsetzung des Regelwerks werde es Verbesserungen geben. Die Branche sei hier aber ausreichend eingebunden – wie im gesamten Gesetzgebungsprozess. Wir tragen den Antrag der Regierungsfraktionen in seinen zentralen Forderungen durchaus mit, werden uns in der Sache aber enthalten. Es ist äußerst unerfreulich, dass Sie sich einem ursprünglich geplanten gemeinsa- men Antrag verweigert haben und nun Ihren Antrag ent- gegen der Verabredung unmittelbar in das Plenum ein- bringen. Um Gemeinsamkeiten muss man sich bemühen. Das haben Sie nicht getan. Björn Sänger (FDP): Im Zuge der Aufarbeitung der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise kommt es zu Recht auch zu einer Novellierung der Rahmenbedin- gungen für das Versicherungsgeschäft. Es ist völlig rich- tig, europaweit gültige Regeln zu schaffen, weil nur dies für einen einheitlichen Wettbewerbsrahmen sorgt. Glei- che Rahmenbedingungen auf EU-Ebene sorgen auch da- für, dass das Ansteckungsrisiko im Falle einer neuen Finanzkrise minimiert wird. Aber es geht auch darum, gewachsene Strukturen in den einzelnen EU-Mitglied- staaten in den neuen Rechtsrahmen zu überführen, um Wettbewerb zu sichern. Es kann nicht im Interesse der europäischen Idee sein, die Versicherungsmärkte Euro- pas über einen Kamm zu scheren. Gleiches muss gleich, Unterschiedliches aber eben auch unterschiedlich behan- delt werden. Die Versicherungen haben in Deutschland eine lange und gute Tradition bei der Finanzierung der Realwirt- schaft. Viele Unternehmungen wurden oder werden von Versicherungen finanziert. In der Immobilienwirtschaft spielen die Mittel der Versicherten eine große Rolle. Umgekehrt sind Versicherungsprodukte wie etwa die Lebens- oder die Rentenversicherung außerordentlich beliebt bei den Deutschen, wenn es darum geht, einen langfristigen Sparprozess etwa zur Altersvorsorge anzu- stoßen. Bestimmte Ausgestaltungsformen werden sogar staatlich gefördert, wenn wir an die Riester- beziehungs- weise Rürup-Rente oder die Durchführungsformen bei der betrieblichen Altersvorsorge denken. Dabei haben die Versicherten die Möglichkeit, aus einer bunten und reichhaltigen Produktpalette unterschiedlichster, zum Teil spezialisierter Anbieter ihr passendes Produkt aus- zuwählen. Die Vielfalt unserer Versicherungsunterneh- men sichert einen gesunden Wettbewerb zum Wohle der Versicherten und unserer Volkswirtschaft. Das ist nicht überall in Europa so. Um das bewährte und den Versicherten vertraute An- gebot der Altersvorsorge weiter aufrechterhalten zu kön- nen, muss die Zinsstrukturkurve sachgerecht modelliert werden können. Wir sind überzeugt, dass es der Bundes- regierung gelingen wird, im Rahmen der Verhandlungen zu den Durchführungsbestimmungen zu Regeln zu kom- men, die dies ermöglichen und unterstützen sie mit Nachdruck dabei. Vertrauen ist ein ganz entscheidender Wert bei der Wahl der Altersvorsorge. Er darf nicht in Gefahr geraten. Ein weiterer, wichtiger Punkt ist die Frage der Büro- kratiebelastung für die Versicherungsunternehmen. Si- cherlich ist Kontrolle gut, und es ist notwendig, dass die Aufsicht über die relevanten Informationen verfügt. Al- lerdings geht auch niemand mit einem Granatwerfer auf Kaninchenjagd. Uns ist daher wichtig, dass das Verhält- nis gewahrt bleibt und die vielen kleinen und mittleren Versicherungsunternehmen, die im deutschen Markt den Wettbewerb und damit über die Innovationen auch die Qualität im Markt sichern, eine Chance haben, auch un- ter Solvency II ihre Aktivitäten fortführen zu können. Der Bundesfinanzminister hat bereits gemeinsam mit seiner damaligen französischen Kollegin Lagarde eine Initiative zur Vereinfachung der Regeln gestartet. Wir als christlich-liberale Koalition unterstützen diese Initiative und machen mit diesem Antrag deutlich, dass dem Deut- schen Bundestag dieses Thema sehr wichtig ist. Solvency II wird tiefgreifende Veränderungen für die Unternehmen bringen. Es kann daher nicht sein, dass wir die Branche mit der Dampfwalze überrollen und von heute auf morgen eine neue Welt einführen. Zudem ist für die Unternehmen noch völlig unklar, was genau auf sie zukommt, da die fünfte quantitative Auswirkungs- studie QIS5 die Notwendigkeit erheblicher inhaltlicher Änderungen aufgezeigt hat. Das Versicherungsgeschäft ist aber eines, dass überwiegend langfristig orientiert ist. Den Kurs eines großen Tankers ändert man nicht eben so schnell. Das braucht Vorlauf, und den sollten wir der Branche in Form eines gleitenden Übergangs bzw. einer begrenzten Übergangszeit geben. Als Parlamentarier ist mir demokratisch legitimierte Kontrolle über Regeln und Rahmenbedingungen für be- deutende Branchen wichtig. Je direkter die Kontrolle ist, desto besser. Ich habe daher ein Problem damit, wenn es Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 14237 (A) (C) (D)(B) zu weitreichenden Ermächtigungen für die EU-Kommis- sion kommt, bestimmte Rechtsakte wie zum Beispiel Durchführungsbestimmungen auf nachgeordnete Behör- den zu übertragen. Unter Harmonisierungsgesichtspunk- ten zur Schaffung eines Level Playing Fields ist das si- cherlich an der einen oder anderen Stelle notwendig. Aber nur dort soll es geschehen, was zugegebenermaßen ein Ritt auf der Rasierklinge ist. Klar ist für uns auch, dass die Größe der Versicherungsmärkte sich bei der Entscheidungsfindung über Standards hinsichtlich der Berücksichtigung regionaler Eigenheiten wiederfinden muss. Zum Schluss meiner Ausführungen will ich auf das Thema Risikobetrachtung und Risikounterlegung zu sprechen kommen. Es ist völlig richtig, dass unterschied- liche Risiken unterschiedlich mit Eigenkapital unterlegt werden. Nur sollte dies dem Risiko angemessen gesche- hen und nicht zu Verwerfungen in der Realwirtschaft des jeweiligen Mitgliedstaates führen. Dies betrifft in Deutschland insbesondere die Unternehmens-, wie auch die Immobilienfinanzierung. Wenn eine Beteiligung einer Versicherung an einer Bank zu 100 Prozent mit Eigenka- pital hinterlegt werden muss, dann mag das im Einzelfall gerechtfertigt sein. Auch, dass für eine Immobilie oder eine Unternehmensbeteiligung Eigenkapital hinterlegt werden muss, ist sinnvoll. Ich will das hier ausdrücklich feststellen. Es kommt aber darauf an, dass dies angemes- sen geschieht auch für Versicherungsunternehmen, die die Standardformel anwenden, damit es nicht zu Wettbe- werbsverzerrungen im Versicherungsmarkt und zu Ver- werfungen auf den Märkten, die durch Versicherungen finanziert werden, kommt. Wir wollen auch, dass die vorgesehene Differenzie- rung bei Staatsanleihen einer Überprüfung unterzogen wird, um mittel- bis langfristig eine realistische Risiko- orientierung in den Unternehmen zu erreichen. Vor dem Hintergrund der Diskussionen um die Zukunft der Euro- päischen Währungsunion wäre es fahrlässig, diese not- wendige Debatte zu unterlassen. Das Risiko von Staats- anleihen nicht nur – aber auch – aus der Euro-Zone wird neu bewertet werden müssen, da auch hier, wie bei Un- ternehmen, Aktien oder Immobilien ,der Einzelfall zählt. Die Debatte steht dann an, wenn es Klarheit über den zu- künftigen Umgang mit Staatsschuldenkrisen gibt. Der vorliegende Antrag greift die Probleme, die es nach derzeitigem Wissensstand bei der Umsetzung von Solvency II geben kann, auf und gibt der Bundesregie- rung den Willen des Souveräns als Meinungsverstärker mit nach Brüssel, um die gute Verhandlungsführung mit Nachdruck zu unterstützen. Wir als christlich-liberale Regierungskoalition sind sehr zuversichtlich, dass es den Verhandlungsführern aus dem Bundesfinanzministe- riums gelingen wird, ein Rahmenwerk zu schaffen, dass die Gefahr zukünftiger Krisen minimieren und die natio- nalen Versicherungsmärkte mit ihren Eigenheiten wei- terhin gedeihen lassen wird! Dr. Axel Troost (DIE LINKE): Die Regierungskoali- tion hat einen Antrag hinsichtlich der bevorstehenden Einführung von Solvency II und zu den Kompetenzen der europäischen Versicherungsaufsicht vorgelegt. Die- ser Antrag ist leider sehr dürftig: Die Forderungen sind völlig vage gehalten oder werden im nächsten Halbsatz relativiert. Insgesamt also zwei Seiten Larifari, angerei- chert mit einzelnen Fachvokabeln. Offenbar geht es der Koalition nur darum, ein Lebenszeichen an die Versiche- rungswirtschaft zu senden. Dazu hätte ein Brief an die Verbände gereicht. Bei einer Zustimmung würde der Bundestag der Bundesregierung einen Freibrief für wei- tere Verhandlungen ausstellen. Dies ist ein wichtiger Grund, weswegen wir dem Antrag nicht zustimmen wer- den. Aber lassen Sie mich das im Einzelnen begründen: Die Koalitionsfraktionen drängen auf Übergangsrege- lungen für einen gleitenden Übergang vom bestehenden in das neue Aufsichtsregime für Versicherungen. Die Einführung von Solvency II bis 2013 ist tatsächlich am- bitioniert. Die Dauer einer Übergangszeit wird aber nicht präzisiert. Wir können dem nicht zustimmen, sonst kann die Bundesregierung ähnlich überzogene Über- gangsfristen fordern wie beim Atomausstieg. Die Koalitionsfraktion bemängelt die hohe Komple- xität von Solvency II. Die Regelungsdichte ist tatsäch- lich ein Problem für kleine und mittlere Versicherer. Al- lerdings bleibt die Koalition auch hier eine Antwort schuldig, wie das Problem zu lösen sei. In der Rahmen- richtlinie zu Solvency II gibt es bereits Ausnahmerege- lungen für kleine Versicherer. Hier hätte man etwa kon- kret ansetzen können, wenn man darüber hinausgehen wollte. Die Koalition tut es allerdings nicht. Sie verweist lediglich auf ein Papier von Bundesfinanzminister Schäuble und seiner früheren französischen Amtskolle- gin Lagarde. Eine Bewertung dieses Papiers findet sich im Antrag der Koalition ausdrücklich nicht. Das kann nur bedeuten, dass die Koalition wieder einmal nicht in vollem Umfang hinter ihrem Finanzminister steht. Die Koalitionsfraktion fordert eine sachgerechte Zinsstrukturkurve und einen aussagekräftigen und ver- lässlichen Rechtsrahmen. Zweimal heiße Luft: Niemand will idiotische Zinsstrukturkurven und einen nichtssa- genden und unverlässlichen Rechtsrahmen. Wir können auch nur kritisieren, dass sich die Regie- rungskoalition auf europäischer Ebene um „das be- währte Angebot zur privaten Altersvorsorge“ kümmern will, während sie zu Hause bei der gesetzlichen Alters- vorsorge die Erosion des Umlageverfahrens fortsetzt und sich weigert, entschlossen gegen Altersarmut vorzuge- hen. Bei den Kompetenzen will die Koalitionsfraktion der EU-Kommission und der EU-Finanzaufsicht nicht mehr Kompetenzen zubilligen als unbedingt nötig. Wir for- dern dagegen, dass die Kompetenzen der Aufsicht an den Erfordernissen einer stabilen und soliden Versiche- rungswirtschaft ausgerichtet werden und nicht an einem prinzipiellem Misstrauen gegen jegliche Aufgabe natio- naler Souveränität festgemacht werden. In Entscheidungsprozessen der EIOPA soll nach For- derung der Koalition bei Mehrheitsentscheidungen die Größe der Märkte berücksichtigt werden. Wir meinen: 14238 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 (A) (C) (D)(B) Wenn man schon eine Gewichtung von Länderstimmen vornimmt, sollte diese sich an der Größe der Bevölke- rung und nicht an der Größe der Märkte orientieren. Der Vorschlag der Koalition ist umso befremdlicher, als dass ein paar Zeilen vorher noch von der demokratischen Le- gitimierung die Rede ist und dann eine Art Zensuswahl- recht bei der Versicherungsaufsicht gefordert wird. Letzter Forderungspunkt: Was eine angemessene Ri- sikobetrachtung und Risikounterlegung sein soll, verrät die Koalition nicht. Auch wir sind für eine angemessene Risikobetrachtung und Risikounterlegung, wie wir über- haupt für eine angemessene Politik in angemessenem Rahmen und in angemessener Zeit sind. Es bleibt völlig unklar, wie „Verwerfungen auf den Kapital- und Immo- bilienmärkten“ vermieden werden sollen. Wer den Versi- cherern etwas Gutes tun will, sollte endlich dafür sorgen, dass die Finanzmärkte nicht mehr von enormen Volatili- täten gekennzeichnet sind. In unserem Antrag zu Waren- termingeschäften (Drucksache 17/4533) hat unsere Frak- tion beispielsweise eine ganze Reihe von Vorschlägen in diesem Sinne gemacht. Die Koalition hat sich hier leider noch kein Stück mit eigenen Vorschlägen bewegt. Auch Staatsanleihen sollen „zu gegebener Zeit“ diffe- renziert behandelt werden. Dabei zielt die Koalition wohl darauf ab, dass unter anderem das hohe Ausfallri- siko griechischer Staatsanleihen bei Solvency II über- haupt nicht berücksichtigt würde. Wie damit nun zu ver- fahren ist und wann die Zeit dafür „gegeben ist“, verrät sie wiederum nicht. Also noch mehr heiße Luft. Letzte Bemerkung: Im Finanzausschuss hat Abgeord- neter Björn Sänger, FDP, am 11. Mai 2011 diesen Antrag angekündigt, den man frühzeitig mit den Oppositions- fraktionen besprechen werde, damit man zu einer mög- lichst einheitlichen Position des gesamten Bundestages komme, um die Bundesregierung mit einem stärkeren Verhandlungsmandat für Brüssel auszustatten. Stattdes- sen legt die Regierungskoalition nun einen Tag vor die- ser Rede ohne jegliche Rücksprache mit unserer Frak- tion den hier debattierten Antrag zur Sofortabstimmung vor. Wir können daher nicht umhin, diesen fachlich äu- ßerst dürftigen Antrag abzulehnen. Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Solvency II soll die Versicherungsregulierung in Europa auf eine neue Grundlage stellen. Vor dem Hintergrund verschiedener Anlageverordnungen erscheint diese Idee in einem gemeinsamen Markt auch aus Wettbewerbs- gründen nachvollziehbar und konsequent. Gleichzeitig bedeutet ein europäisches Regelwerk, bei welchem eine risikoadjustierte Eigenkapitalunterlegung angestrebt wird, eine deutliche Anhebung der administrativen An- forderungen an Versicherer. Wir müssen uns dabei einen Zielkonflikt immer wieder vor Augen halten: Regulie- rung von Banken und Versicherungen ist kein Selbst- zweck, sondern soll ein intaktes Finanzsystem gewähr- leisten, bei dem Steuerzahlerinnen und Steuerzahler nicht die Rettung von Instituten im Notfall übernehmen müssen, weil ein Ausfall vermeintlich zu großer Spieler am Markt vermieden werden muss. Aus diesem Grund braucht es Spielregeln, die das Aufbauen zu großer Risi- ken vermeiden sollen. Gleichzeitig können zu kompli- zierte Spielregeln dazu führen, dass kleinere und finan- ziell schwächere Akteure nicht mehr mitspielen können. Diese kleinen Akteure aber wiederum bieten die durch- aus gewünschten Finanzdienstleistungen aber oft sehr kundenfreundlich an und produzieren nicht die systemi- schen Risiken, die mit Regulierung eigentlich kontrol- liert werden sollen. Daher braucht es eine Mindestregu- lierung für kleinere Akteure und ein komplizierteres Regelwerk für die großen Spieler am Markt. Weiterhin ist darauf zu achten, dass Wettbewerbsnachteile durch die Kapitalanforderungen im Standardansatz, den vor al- lem kleinere Versicherer wählen werden, möglichst ge- ring gehalten werden. Regulierung muss auch vor Kon- zentration schützen, um den Wettbewerb am Markt zu gewährleisten. Welche Konsequenzen sich aus fehlerhafter Regulie- rung ergeben, konnten wir in der Finanzkrise schmerz- haft erleben. Fantasievoll interpretierte Ausnahmerege- lungen wurden von deutschen Banken genutzt, um außerbilanziell hohe Risiken einzugehen, ohne dafür Ei- genkapital vorzuhalten. Vor diesem Hintergrund muss die Politik immer ganz genau nachsehen, wenn Risiken ohne oder fast ohne Eigenkapital eingegangen werden. Solvency II wie auch Basel III bevorzugt in hohem Maße pauschal alle OECD-Staatsanleihen bei der Eigen- kapitalunterlegung, indem diese von der Pflicht zur Un- terlegung mit Eigenkapital befreit werden. Auch im Falle Griechenlands hätte eine Eigenkapitalunterlegung schon zu einem früheren Zeitpunkt die gedankenlose Kreditvergabe eingeschränkt. An dieser Stelle sind Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen auf- sichtsrechtlichen Regelwerken stärker zu untersuchen. Deutschland erwirtschaftet aufgrund seiner Export- stärke in hohem Maße Leistungsbilanzüberschüsse. Dies bedeutet, dass wir zunehmend Forderungen gegenüber dem Ausland aufbauen. Dies kann beispielsweise durch den Kauf ausländischer Anleihen oder durch den Erwerb von Unternehmensbeteiligung bzw. Auslandsdirektin- vestitionen erfolgen. Hier wirkt die Regulierung so, dass ein Anreiz zum Ankauf ausländischer Staatsanleihen generiert wird, nicht aber für die Finanzierung von Aus- landsinvestitionen des deutschen Mittelstands. Wir müssen uns fragen, ob ein Verzicht auf Eigenkapitalun- terlegung, der unabhängig von der konkreten Situation der Staatsschulden erfolgt, wirklich eine Verbesserung im Blick auf eine risikoadäquate Kapitalunterlegung be- deutet. Ich sehe es außerdem kritisch, das Solvency II als Rahmenrichtlinie es den Mitgliedstaaten verwehrt, über die Richtlinienvorgaben hinausgehende Regelungen zu treffen, um ein höheres Schutzniveau zu erreichen. In Art. 27 der Solvency-II-Richtlinie wird als Hauptziel der Beaufsichtigung der Schutz der Versicherungsnehmer bezeichnet. Als Nebenziele finden sich in Art. 28 die Fi- nanzsystemstabilität und die Berücksichtigung prozykli- scher Effekte in Zeiten außergewöhnlicher Bewegungen auf den Finanzmärkten. Weshalb bitte würde denn ein Mitgliedstaat seine Regelungen strenger als andere Staa- ten formulieren? Doch wohl nur, um Versicherungsneh- mer und den Finanzmarkt vor Unheil zu bewahren. An Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 14239 (A) (C) (D)(B) dieser Stelle konterkariert die Solvency-II-Richtlinie mit dem Wunsch nach Konvergenz ihr eigentliches Anlie- gen, nämlich den Schutz der Versicherungsnehmer und den Erhalt der Finanzmarktstabilität. Europäische Regu- lierung ist immer dann sinnvoll, wenn sie Mindeststan- dards festlegt, um Regulierungsarbitrage zu verhindern. Ein Korsett im Sinne von „one size fits all“, das den Staaten die Möglichkeit nimmt, ihre Versicherer strenger zu beaufsichtigen, widerspricht dem Subsidiaritätsge- danken, ohne dafür einen Mehrwert zu liefern. Schließlich bleibt das aktuelle Thema Ratingagentu- ren zu erwähnen. Ständig ist davon die Rede, dass wir uns unabhängiger von den Urteilen dieser Agenturen machen sollen. Gelingt es, die Regulierung so zu fassen, dass das Urteil der Ratingagenturen weniger wichtig wird, ist auch das ein Beitrag zur Systemstabilität. Denn durch die Regulierung bekommen die subjektiven Mei- nungen der Agenturen ganz konkrete Wirkung für die Kapitalmarktakteure, und zwar immer wieder auch eine destabilisierende, weil sie viele Akteure zu gleichgerich- teten Marktreaktionen zwingen. Damit aber die Forde- rung nach weniger Macht der Ratingagenturen nicht leeres Gerede ist, muss das ganz konkret auch bei Sol- vency II beachtet werden. Anlage 18 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs (StORMG) – Entwurf eines Gesetzes zur Verlängerung der zivilrechtlichen Verjährungsfristen so- wie zur Ausweitung der Hemmungsregelun- gen bei Verletzungen der sexuellen Selbstbe- stimmung im Zivil- und Strafrecht (Tagesordnungspunkt 51 und Zusatztagesord- nungspunkt 7) Ansgar Heveling (CDU/CSU): Schweigen aufbre- chen und deutlich machen, dass sexueller Missbrauch von Kindern von der Gesellschaft in keiner Weise tole- riert wird, ist wichtig. Wir brauchen eine breite gesell- schaftliche Debatte bei der klar ist, dass gerade der sexuelle Missbrauch von Kindern in Abhängigkeits- und Machtverhältnissen besonders verachtenswert ist, gleich- gültig ob er in privaten oder öffentlichen Einrichtungen geschieht oder etwa in der Familie. Denn gerade dort, in solchen Abhängigkeits- und Machtverhältnissen, sind die Kinder besonders verletzlich. Neben die körperli- chen Wunden treten die seelischen Verletzungen, wenn sie dort, wo sie eigentlich Schutz und Geborgenheit er- fahren sollen, genau das Gegenteil erleiden müssen. Oft- mals brechen diese seelischen Verletzungen erst nach Jahren auf. Vielfach, das wissen wir mittlerweile, verge- genwärtigen sich die Opfer das Geschehen erst nach lan- ger Zeit, etwa dann, wenn sie selbst erwachsen und zu Eltern werden. Vor allem haben die Opfer, anders als die Täter, vielmals lebenslänglich mit den seelischen Verlet- zungen und ihren Folgen zu leben. Sicherlich waren wir alle betroffen, als wir vom Ausmaß der Mißbrauchsfälle erfahren haben, die Ende 2009, Anfang 2010 an die Öf- fentlichkeit kamen, Taten, die oftmals schon Jahre und Jahrzehnte zurückgelegen haben. Mit dem Runden Tisch „Sexueller Kindesmissbrauch in Abhängigkeits- und Machtverhältnissen in privaten und öffentlichen Einrichtungen und im familiären Be- reich“ hat die Bundesregierung dafür gesorgt, dass es zu einer wirklich umfassenden Aufarbeitung kommt und das Thema nach dem Abebben der medialen Aufmerk- samkeit nicht einfach ad acta gelegt wird. Mit dem vorliegenden Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs, StORMG, hat die Bundesregierung zu einzelnen Punkten vor allem des Opferschutzes im Ermittlungs- und Straf- verfahren bereits konkrete Folgerungen aus den Ergeb- nissen der Arbeit des Runden Tisches gezogen und vor- gelegt. Wir als CDU/CSU sehen diesen Gesetzentwurf dabei als einen ersten Schritt konkreter Schlussfolgerungen aus den Beratungen, Beschlüssen und Berichten des Runden Tisches an. Es ist ein Anfang auf einem guten Weg, gegen den sexuellen Missbrauch von Kindern vor- zugehen und die Rechte von Opfern zu stärken. So sehr wir, wie ich eingangs gesagt habe, eine öf- fentliche Debatte zum Thema sexueller Missbrauch be- nötigen, um die gesellschaftliche Ächtung solcher Taten deutlich zu machen, so sehr brauchen die Opfer in den konkreten Verfahren Schutz und stärkere Rechte. Hier justiert der vorliegende Gesetzentwurf vor allem in ver- fahrensrechtlicher Hinsicht einiges neu. Zunächst und besonders wichtig sieht der Gesetzent- wurf Möglichkeiten vor, Mehrfachvernehmungen zu vermeiden. Gerade minderjährige Opfer sexuellen Miss- brauchs können es als äußerst belastend und qualvoll empfinden, wenn sie auf diese Weise eine emotional und oft auch intellektuell anstrengende Aussage in der unge- wohnten Umgebung des Strafverfahrens mehrmals und möglicherweise in größeren zeitlichen Abständen wie- derholen müssen. Bereits das geltende Recht sieht zur Vermeidung von Mehrfachvernehmungen eine Reihe von Instrumenten vor. Diese werden mit dem Gesetzent- wurf stärker auf den Opferschutz und die Vermeidung von Mehrfachvernehmungen ausgerichtet. Des Weiteren werden die Verfahrens- und Informa- tionsrechte von Verletzten in Strafverfahren gestärkt. Dazu gehören Veränderungen bei der Gewährung eines kostenlosen anwaltlichen Beistandes für die Verletzten. Bisher besteht der Anspruch auf einen solchen Opferan- walt für Verletzte, die zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjährig sind. Zukünftig und richtigerweise soll es dann auf den Tatzeitpunkt ankommen. Weiterhin werden durch den Gesetzentwurf stärkere Informationsrechte für das Opfer konstituiert. Und schließlich sieht der Gesetzentwurf vor, dass bei der Entscheidung über den Ausschluss der Öffentlichkeit für die Abwägung die besonderen Belastungen, die da- 14240 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 (A) (C) (D)(B) mit für Kinder und Jugendliche verbunden sein können, zu berücksichtigen sind. Ferner sieht der Gesetzentwurf vor, dass zukünftig Jugendstaatsanwälte und Jugendrich- ter über besondere Qualifikationen verfügen müssen, um Missbrauchsfälle bearbeiten zu dürfen. Schließlich soll die Verjährungsfrist für Schadener- satzansprüche, die auf der vorsätzlichen Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung beruhen, auf 30 Jahre verlängert werden. Die dreijährige Regelverjährung hat sich für die wirksame Durchsetzung dieser Schadener- satzansprüche in vielen Fällen als zu kurz erwiesen. Die Geschädigten oder Hinterbliebenen sind oft nicht in der Lage, innerhalb der dreijährigen Regelverjährungsfrist, die in den meisten Fällen mit dem Ende des Jahres be- ginnt, in dem die Verletzung stattfindet, ihre Ansprüche geltend zu machen. Wir stehen am Anfang der Beratungen, und es wird, das hat der Rechtsausschuss vorbehaltlich der heutigen Überweisung auch schon beschlossen, eine Anhörung des Rechtsausschusses zum Gesetzentwurf geben. So richtig das Grundanliegen des Gesetzes ist, und so rich- tig viele der gesetzlichen Regelungen sind, so wichtig ist es, sich darüber auch noch einmal im Detail zu unterhal- ten. So möchte ich möchte nicht verhehlen, dass sich mir – und mit mir auch den weiteren Rechtspolitikern von CDU/CSU – die Frage stellt, ob wir wirklich neue be- sondere Qualifikationsvoraussetzungen für Jugend- staatsanwälte und Jugendrichter durch Gesetz konstituie- ren müssen oder ob wir da nicht über das Ziel hinaus schießen. Wir werden diese Frage in der Anhörung si- cherlich noch genau erörtern. Aber auch über den vorlie- genden Gesetzentwurf hinausgehend, gibt es eine Reihe von Punkten, die wir noch genau debattieren und auch entscheiden müssen. Wie eingangs schon gesagt, kann der vorliegende Gesetzentwurf nur ein erster Schritt sein. Da ist zum einen die Frage nach der strafrechtlichen Verjährung zu nennen. Mit dem vorliegenden Gesetzent- wurf wird vorgeschlagen, die zivilrechtliche Verjährung auszuweiten. Konsequenterweise stellt sich damit auch die Frage, was mit der strafrechtlichen Verjährung ge- schieht. Damit in untrennbarem Zusammenhang steht die Frage, ob wir nicht eher im materiellen Strafrecht Veränderungen und Anpassungen brauchen, etwa eine Erhöhung des Strafrahmens bei einigen Tatbeständen. Dies hätte auch unmittelbare Auswirkungen auf die Ver- jährung. Schließlich haben sich die Koalitionsfraktionen bereits vor einiger Zeit auf ein Eckpunktepapier „Lösun- gen und Wege im Kampf gegen den sexuellen Kindes- missbrauch“ verständigt. Es ist verständlich, dass sich im vorliegenden Gesetzentwurf, der sich vornehmlich mit verfahrensrechtlichen Anpassungen befasst, einige der eher grundlegenden Aspekte des Eckpunktepapiers noch keinen Eingang gefunden haben. Aber auch mit diesen Punkten sollten wir uns auf dem weiteren Weg in- tensiv auseinandersetzen. Ich nenne hierzu als Stich- worte: Begutachtung von Pädosexuellen im Strafver- kehr, Unzulässigkeit des Strafbefehls, Wertungswider- spruch bei § 184 b Abs. 4 StGB. Kinder bedürfen des besonderen Schutzes. Insbeson- dere dort, wo sie von Erwachsenen abhängig sind, dort wo sie in deren Macht stehen, brauchen sie diesen Schutz. Denn sie müssen dort Geborgenheit und Entfal- tungsmöglichkeit erfahren, um zu selbstbestimmten, auch sexuell selbstbestimmten Menschen heranreifen zu können. Und es muss klar sein, dass die Gesellschaft dort, wo dies pervertiert und missbraucht wird, weil die Kinder missbraucht werden, hart durchgreift und mit al- len strafrechtlichen Mitteln vorgeht. Deswegen ist der Entwurf des Gesetzes zur Stärkung der Rechte von Op- fern sexuellen Missbrauchs ein guter erster Schritt. Wir werden ihn gehen. Aber es müssen noch weitere Schritte folgen. Sonja Steffen (SPD): Meine erste Rede als Mitglied des Deutschen Bundestages habe ich im Rahmen einer aktuellen Stunde zu den Konsequenzen aus den zahlrei- chen bekannt gewordenen Fällen sexuellen Missbrauchs in kirchlichen und weltlichen Einrichtungen gehalten, und damals standen wir vor der Gründung eines Runden Tisches zu diesem Thema. Der Runde Tisch hat inzwischen bereits eine sehr in- tensive und sehr gute Arbeit geleistet. Zur Mitwirkung am Runden Tisch wurden Vertreterinnen und Vertreter aus der Wissenschaft und allen relevanten gesellschaftli- chen Gruppen eingeladen, unter anderem der Kinder- und Opferschutzverbände, der Freien Wohlfahrtspflege, der beiden großen christlichen Kirchen und des Rechts- wesens. Zum Ende des Jahres 2010 wurde der Zwischenbe- richt veröffentlicht. Er enthält neben den Berichten aus den Arbeitsgruppen auch konkrete Handlungsempfeh- lungen für die Rechtspolitik: Verstärkung des Opfer- schutzes im Ermittlungs- und im Strafverfahren, Leitli- nien zur Einschaltung der Strafverfolgungsbehörden, die zivilrechtliche Verjährungsfrist und die Fortbildung von Richterinnen und Richtern. Der vorliegende Gesetzentwurf der Regierungskoali- tion greift die Empfehlungen auf und bietet uns gute Vorschläge an zur Stärkung des Opferschutzes im Er- mittlungs- und im Strafverfahren. Schon nach jetzt geltendem Recht kann die Verneh- mung eines minderjährigen Opfers sexuellen Miss- brauchs als Video aufgezeichnet werden. Zukünftig kön- nen sich auch bereits volljährige Opfer auf dieses Recht berufen. Dies ist eine große Erleichterung für die Opfer. Die bekannt gewordenen Fälle von sexuellem Miss- brauch von Kindern und Jugendlichen haben gezeigt, dass die Opfer häufig sehr lange brauchen, bis sie das, was ihnen geschehen ist, nach außen mitteilen, und noch viel länger, bis sie den Gang zur Polizei wagen. Viele Opfer sehen von einer Anzeige gegenwärtig ab, weil sie Angst vor den Mühlen der Justiz haben, die sie dann erwarten. Polizeiliche und richterliche Vernehmun- gen, die Befragung und Exploration für ein Glaubwür- digkeitsgutachten und schließlich die mündliche Ver- handlung mit oftmals intensiven und sehr belastenden Befragungen durch den Verteidiger des Angeklagten Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 14241 (A) (C) (D)(B) sind Strapazen, die für die Opfer unerträglich sind. Mit diesen Befragungen und Vernehmungen wird den Opfern die Tat immer wieder schmerzhaft vor Augen geführt. Die Videotechnik bietet hier eine sehr begrüßens- werte Möglichkeit, Mehrfachvernehmungen zu vermei- den. Ebenso zu begrüßen ist, dass auch inzwischen volljäh- rige Opfer unter erleichterten Bedingungen einen Opfer- anwalt zur Seite gestellt bekommen. Ich freue mich auch darüber, dass die Qualifikations- anforderungen für Jugendrichter und Jugendstaatsanwälte im § 37 JGG ausdrücklich Kenntnisse im Bereich Päda- gogik und Jugendpsychologie verlangen. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht darüber hinaus vor, dass Schadensersatzansprüche, die auf der vorsätzlichen Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbe- stimmung beruhen, zukünftig erst in 30 Jahren verjähren sollen. Die dreijährige Regelverjährung ist für die wirk- same Durchsetzung dieser Schadensersatzansprüche in Anbetracht der oben aufgezeigten Besonderheiten viel zu kurz, sodass diese Verlängerung auf 30 Jahre notwen- dig ist. Analog der Verlängerung der zivilrechtlichen Verjäh- rungsfrist ist es für unsere Fraktion evident, dass im Sinne einer Harmonisierung auch die strafrechtliche Ver- jährungsfrist anzupassen ist. Verschiedene Fälle, die 2009 und 2010 bekannt wur- den, zeigen, dass die Zehn-Jahres-Verjährungsfrist für sexuellen Missbrauch bzw. zwanzig Jahre in besonders schweren Fällen, zu kurz ist. Dies auch in Anbetracht der Regelung, dass die Verjährungsfrist erst mit Vollendung des 18. Lebensjahres beginnt. Wird eine Jugendliche oder ein Jugendlicher Opfer ei- nes sexuellen Missbrauchs, beträgt die strafrechtliche Verjährungsfrist nur fünf Jahre nach Vollendung des 18. Lebensjahres. Schon wenn das Opfer 23 Jahre alt wird, gibt es keine Möglichkeit mehr für eine strafrecht- liche Verfolgung. Auch beim sexuellen Missbrauch von Kindern fällt die Verjährungsfrist mit zehn Jahren ab Vollendung des 18. Lebensjahres verhältnismäßig kurz aus. Es erscheint zutiefst ungerecht, wenn die Täter davon profitieren, dass ihre Opfer sie aus Scham zunächst nicht anzeigen. Viele der ehemaligen Schüler fanden erst Jahr- zehnte nach den Taten den Mut, das Geschehene zu of- fenbaren. Wenn die Betroffenen älter als 28 Jahre bzw. in besonders schweren Fällen 38 Jahre alt sind, hat der Staat auch bei klarer Beweislage bei der geltenden ge- setzlichen Regelung keine Handhabe mehr, die Täter zu belangen. Vor diesem Hintergrund erscheint es uns notwendig, die Fristen nicht nur im zivilrechtlichen, sondern auch im strafrechtlichen Bereich entsprechend zu verlängern. Deshalb sieht der Gesetzentwurf der SPD vor, die strafrechtliche Verjährungsfrist beim sexuellen Miss- brauch von Kindern und minderjährigen Schutzbefohle- nen auf zwanzig Jahre zu erhöhen. Unser Maßnahmenpaket mit dem Titel „hinsehen – handeln – helfen“ enthält darüber hinaus zahlreiche wei- tere Punkte, mit dem die SPD-Bundestagsfraktion Kin- der und Jugendliche wirksamer gegen sexuelle Gewalt schützen und Betroffene besser unterstützen will. So müssen Beratungsstellen und Hilfsangebote flä- chendeckend ausgebaut werden. Private und öffentliche Einrichtungen brauchen ver- bindliche Regelungen und klare, einheitliche Leitlinien zum Umgang mit Missbrauchsfällen. Aus- und Weiterbildungsinhalte von Berufsgruppen, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, müssen das Thema sexuelle Gewalt umfassend berücksichtigen. Sie, meine Kolleginnen und Kollegen aus der Regie- rungskoalition, müssen sich endlich dazu durchringen, die Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern. Ich hoffe, dass die Ergebnisse der öffentlichen Anhö- rung Sie außerdem davon überzeugen werden, dass auch die strafrechtlichen Verjährungsfristen verlängert wer- den müssen. Christine Lambrecht (SPD): Das Thema, über das wir heute reden, hat in diesem Jahr für viel Aufsehen und hitzige Diskussionen gesorgt. Das Bekanntwerden von zahlreichen Missbrauchsfällen in den unterschied- lichsten konfessionellen und nicht konfessionellen Ein- richtungen in den letzten Jahrzehnten und bis in die heu- tige Zeit hat ein Tabu aufgebrochen, und das ist gut so. Doch es geht heute nicht darum, über diese Institutio- nen zu sprechen. Das ist hier nicht Gegenstand der De- batte. Wir alle wissen, dass allzu oft auch Familien und das engere Umfeld der Opfer Tatorte von sexuellem Missbrauch an Kindern werden können. Es geht heute hier um die Opfer und wie man ihnen helfen kann, dass ihnen Gerechtigkeit widerfährt. Es ist beschämend wenig, was der Gesetzgeber tun kann, aber das Wenige sollten und müssen wir tun. Wir Rechtspolitiker der SPD-Fraktion haben lange und intensiv über die Probleme geredet, die es den Opfern versagen, juristisch gegen ihre Peiniger vorzuge- hen, und wir haben uns diese Diskussion nicht leicht ge- macht. Wir wollten und wollen auf jeden Fall vermei- den, dass wir mit der willkürlichen Änderung von Gesetzen Symbolpolitik betreiben, die niemandem etwas nutzen, aber gut in der Öffentlichkeit ankommen. Doch wir sind bei der Erörterung konkreter Fälle und bei den Gesprächen mit den Opferverbänden immer wie- der auf ein Problem aufmerksam geworden: Auf die Ver- jährungsfristen. Sie machen es vielen Opfern unmöglich, die Täter juristisch zur Rechenschaft zu ziehen, weil die Taten oft Jahrzehnte zurückliegen. Die Gründe dafür sind vielfältig. Viele Opfer sind traumatisiert und haben das Geschehene verdrängt. Sie leiden Jahrzehnte physisch und psychisch und wissen 14242 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 (A) (C) (D)(B) gar nicht, warum. Erst Therapien bringen das in der Kindheit Erlebte wieder in das Bewusstsein zurück. Das ist meistens ein Schock, der mit professioneller Hilfe verarbeitet werden muss. Andere schweigen Jahrzehnte, weil sie sich schämen, weil sie die Folgen fürchten oder weil sie die Erfahrung gemacht haben, dass ihnen nie- mand glaubt. Wenn dann das Schweigen gebrochen ist, ist es ein er- neuter Schock, wenn man den Opfern erklärt, dass die Täter in keiner Weise zur Rechenschaft gezogen werden können, weil die Tat verjährt ist. Die Verjährung hat in unserem Rechtssystem die Funktion, Rechtssicherheit und Rechtsfrieden herzustellen. In diesen Fällen ist die einseitige Sicherheit und der Frieden nur für die Täter. Alle Opferverbände haben uns deutlich gemacht, dass sie die Verjährungsfristen verändert – verlängert – haben wollen. Während die Verjährungsfrist im Falle von Vergewal- tigung und sexueller Nötigung 20 Jahre beträgt, verjährt der sexuelle Missbrauch von Kindern bereits nach nur 10 Jahren. Der sexuelle Missbrauch von minderjährigen Schutzbefohlenen verjährt sogar schon innerhalb von 5 Jahren. Zwar ruht im Strafrecht die Verjährung bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres. Damit soll dem Um- stand Rechnung getragen werden, dass der Entschluss zur Anzeige solcher Straftaten erst nach dem Ende al- tersbedingter und familiärer Abhängigkeiten gefasst werden kann. Grundsätzlich geht der Regierungsentwurf deshalb aus unserer Sicht in die richtige Richtung. Insbesondere aus SPD-Sicht begrüßenswert ist die Verlängerung der zivilrechtlichen Verjährungsfrist von 3 auf 30 Jahre. Dies ist in dem SPD-Entwurf, der schon seit November 2010 vorliegt, bereits vorgeschlagen. Dadurch haben Opfer von sexuellem Missbrauch Gelegenheit, noch bis zur Vollendung ihres 51. Lebensjahres zivilrechtliche Ansprüche geltend zu machen. Aus unserer Sicht zu bedauern ist, dass die Regierung den zweiten wichtigen Schritt nicht getan und die Ver- längerung der strafrechtlichen Verjährung vorgesehen hat. Die bisherigen Verjährungsfristen machen es vielen massiv traumatisierten Opfern unmöglich, die Täter ju- ristisch zur Rechenschaft zu ziehen. Deshalb gibt es im SPD-Entwurf hierzu den Vorschlag, die strafrechtliche Verjährungsfrist beim sexuellen Missbrauch von Kin- dern und minderjährigen Schutzbefohlenen auf 20 Jahre zu erhöhen. Dadurch werden sexuelle Missbrauchstaten einheitlich erst mit vollendetem 38. Lebensjahr des Op- fers verjähren. Die Vorschläge im Regierungsentwurf zur Stärkung von Verfahrens- und Informationsrechten sowie die Re- gelungen zur Zuständigkeit der Jugendgerichte in Ju- gendschutzsachen und zu Qualitätsanforderungen an Ju- gendrichter und Jugendstaatsanwälte erscheinen auf den ersten Blick sinnvoll. Ebenso sinnvoll dürfte es aber sein, sie von Experten beleuchten zu lassen. Das gilt in besonderem Maße für die von der Regierung vorgeschla- genen neuen Regelungen zur Vermeidung von Mehr- fachvernehmungen; denn hier hat es den Anschein, dass der Entwurf die im Zusammenhang mit den Beiord- nungstatbeständen geschaffene Ausbalancierung der Be- schuldigten- und Opferinteressen vermissen lässt. Lassen Sie uns in diesem wichtigen, sensiblen Punkt weder in Parteigezänk noch in juristischen Fundamenta- lismus verfallen. Lassen Sie uns das Problem konstruk- tiv lösen, im Interesse der Betroffenen. Christian Ahrendt (FDP): Die FDP-Bundestags- fraktion begrüßt ausdrücklich den Gesetzentwurf der Bundesregierung, Maßnahmen zur Stärkung der Opfer- rechte im Ermittlungs- und Strafverfahren zu schaffen. Wer Opfer einer Straftat geworden ist, hat Anspruch auf staatlichen Schutz und Beistand – das gilt insbesondere für Kinder und Jugendliche, die sexuellen Missbrauch erleiden mussten. Es ist eine politische Aufgabe von he- rausragender Bedeutung, den sexuellen Missbrauch dau- erhaft und effektiv zu unterbinden. Das hiervon ausge- hende individuelle körperliche und seelische Leid, auch weit über den Missbrauchszeitpunkt hinaus, ist uner- messlich groß und stellt eine schwerwiegende Verlet- zung der Menschenwürde dar. Man vermag sich gar nicht vorzustellen, dass jedes vierte bis fünfte Mädchen und jeder zwölfte Junge in Deutschland von sexueller Gewalt betroffen ist. Allein in der Zeit von März 2010 bis März 2011 gin- gen bei der telefonischen Anlaufstelle der unabhängigen Beauftragten zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmiss- brauchs 11 000 Anrufe ein, das heißt im Durchschnitt circa 36 Anrufer pro Tag. Was mit dem Runden Tisch „Kampf gegen den sexu- ellen Kindesmissbrauch“ letztes Jahr begonnen hat, setzt sich in dem heute zu beratenden Gesetzentwurf fort. Mit Maßnahmen zur Prävention, Intervention und Informa- tion stärken wir die Rechte von Opfern sexueller Gewalt. Viele Opfer beschäftigen sich sehr lange und intensiv damit, ob sie überhaupt gegen ihre Peiniger vorgehen können und wollen. Die psychischen Folgen sexualisier- ter Gewalt sind oft so folgenreich, dass erst Jahre nach der Tat rechtliche Schritte eingeleitet werden. Durch den Gesetzentwurf wird dieses Problem mit ei- ner realitätsgerechten Lösung angegangen. In Gesprä- chen mit Betroffenen und zahlreichen Briefen, die mich erreichten, wurde stets ein besonderes Anliegen vorge- tragen. Viele Opfer konnten ihre zivilrechtlichen An- sprüche nicht mehr geltend machen, weil die Verjäh- rungsfrist bereits eingetreten war. Dies habe auch ich als einen unhaltbaren Zustand empfunden. Deshalb ist der Vorschlag gut, die zivilrechtliche Verjährungsfrist von 3 auf 30 Jahre zu verlängern. Eine weitere Besserstellung kann mit der Neurege- lung hinsichtlich der Videoaufzeichnung erreicht wer- den. Damit wird die Stellung des Opfers im Strafverfah- ren deutlich verbessert, ohne dass rechtsstaatliche Standards beim Umgang mit dem Angeklagten beein- trächtigt werden. Bereits heute kann die Videoaufzeich- nung einer früheren richterlichen Vernehmung in der Hauptverhandlung abgespielt werden, sodass eine Kon- frontation mit belastenden Mehrvernehmungen vermie- den und die erneute Vernehmung eines Opferzeugen ent- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 14243 (A) (C) (D)(B) behrlich wird. Zukünftig sollen die Gerichte von dieser Möglichkeit stärker als bisher Gebrauch machen. Damit sich Opfer besser über ihre Rechte informieren können, soll die Möglichkeit einer kostenlosen anwaltli- chen Beratung geschaffen werden. Erwachsene, die als Kinder oder Jugendliche Opfer von Sexualdelikten ge- worden sind, sollen in weiterem Umfang als bisher einen für sie kostenlosen Opferanwalt in Anspruch nehmen können. Wirtschaftliche Verhältnisse der Betroffenen dürfen dabei keine Rolle spielen. Daneben sollen die Entscheidungsträger in der Strafjustiz, die mit sexuellem Missbrauch befasst sind, stärker für die Belange der minderjährigen Opfer sensibilisiert werden. Dazu gehört vor allem eine entsprechende Ausbildung. So sollen Ju- gendrichter und Jugendstaatsanwälte zukünftig aus- drücklich über Kenntnisse der Kriminologie, Pädagogik und Jugendpsychologie verfügen. Zudem sollen Opfer nach einer Verurteilung des Tä- ters mehr Informationen über die Strafvollstreckung er- halten können, also vor allem darüber, ob dem Verurteil- ten Urlaub oder Vollzugslockerungen gewährt werden. Von punktuellen Änderungen der Straftatbestände im Sexualstrafrecht – etwa durch Anhebung der Strafrah- men oder Einführung von Qualifikationstatbeständen – wurde im Entwurf abgesehen, da dies unabhängig vom Gesetzeszweck zur Verbesserung der Rechte von Opfern im Ermittlungs- und Strafverfahren zu betrachten ist. Wir können nunmehr umfassende Maßnahmen schaf- fen, die den Opferrechten auch gebührend Rechnung tra- gen. Trotzdem erlaube ich mir, eine mögliche Ergänzung vorzuschlagen. Denn mir stellt sich die Frage, ob die Be- sonderheiten von Sexualstraftaten gerade während des Strafprozesses auch wirklich ausreichend Berücksichti- gung finden. Es erscheint mir daher sinnvoll, bereits während der gerichtlichen Hauptverhandlung klären zu lassen, ob ein Täter unter einer behandlungsbedürftigen Störung leidet und inwiefern er therapiefähig ist. Durch die Einführung dieser Pflicht in der StPO könnte der Opfer- schutz noch mehr Berücksichtigung finden und noch mehr gestärkt werden. Wir beraten heute zudem über den Gesetzentwurf der Grünen, entsprechend die Verjährungsfrist auf 30 Jahre auszuweiten und zugleich auch die zivil- und strafrecht- liche Verjährungshemmung auf das 25. Lebensjahr zu erhöhen. Zwar begrüßen wir, dass sie auch fordern, die zivil- rechtliche Verjährungsfrist auf 30 Jahre anzuheben, je- doch bestehen Bedenken gegenüber den Regelungen, die von den Grünen vorgelegt werden. Zwar gibt es für diese Vorschläge sehr prüfenswerte Argumente, gleichwohl muss auch abgewogen werden, ob eine solche Hem- mungsregelung tatsächlich weiterhilft, insbesondere, wenn die Verjährung selbst bereits 30 Jahre beträgt. Wichtig ist es, alle Vorschläge in den anstehenden Be- ratungen kritisch zu würdigen, damit wir eine deutliche und vor allem effektive Verbesserung für den Opfer- schutz erreichen. Jörn Wunderlich (DIE LINKE): Der vorliegende Gesetzentwurf möchte die Verfahrensstellung von Opfern im Strafverfahren sowie im Schadensersatzrecht verbessern und sieht dafür unter anderem folgende Neu- erungen vor. Angesichts des Zeitrahmens möchte ich nur drei nennen. Erstens. Vermeidung von Mehrfachvernehmungen. Bereits jetzt bestehen gesetzliche Regelungen, um die- sem Anliegen gerecht zu werden. Der Gesetzentwurf möchte aber darüber hinaus ermöglichen, Videotechnik auch bei Delikten außerhalb des Sexualstrafrechts zum Beispiel bei Straftaten gegen das Leben und die persönli- che Freiheit einzuführen. Diese pauschale Erweiterung ist nicht sachgerecht, da sie Opferbelange und Beschul- digtenrechte nicht ausgewogen zum Ausgleich bringt. Im Hinblick auf den Unmittelbarkeitsgrundsatz und das Fragerecht des Angeklagten ist ein solches Vorgehen nur in eng umgrenzten Ausnahmefällen gerechtfertigt. Die bisherigen Regelungen werden der besonderen Schutzbedürftigkeit minderjähriger Zeugen (§§ 58 a, 255 a StPO) sowie besonders traumatisierten Zeugen (§ 247 a StPO) hinreichend gerecht. Opferschutz ist wichtig, jedoch darf er gerade im Strafverfahren, welches der Durchsetzung des staatli- chen Strafanspruchs gegenüber dem oder der Angeklag- ten dient, nicht einseitig zulasten seiner oder ihrer Rechte gehen. Zweitens. Stärkung der Verfahrensrechte von Verletz- ten im Strafverfahren. Die Opferanwaltsbestellung für volljährige mutmaßliche Opfer soll vereinfacht werden. Darüber hinaus sollen Entscheidungen zur Prozesskos- tenhilfe für den Anwalt eines Nebenklägers künftig an- fechtbar sein. Gegen zusätzliche Rechtsmittel bestehen grundsätzlich keine Bedenken. Drittens. Ausschluss der Öffentlichkeit. Es wird durch Ergänzung des § 171 b Abs.1 Satz 2 GVG klargestellt, dass bei der Abwägung zwischen der Wahrung des Öf- fentlichkeitsgrundsatzes und dem Schutz der Privats- phäre die besonderen Belastungen zu berücksichtigen sind, die für Kinder und Jugendliche mit einer öffentli- chen Verhandlung verbunden sein können. Diese Ergän- zung hat eher deklaratorischen Charakter, da diese Um- stände durch die allgemeine Formulierung im § 171 b Abs.1 GVG bereits jetzt berücksichtigt werden. Viertens. Verlängerung der zivilrechtlichen Verjäh- rungsfrist. Mit dem Gesetzentwurf soll die Verjährungs- frist für Schadensersatzansprüche, die auf der vorsätzli- chen Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbe- stimmung beruhen, von drei Jahren auf 30 Jahre verlän- gert werden, § 197 Abs.1 BGB n. F.. Diese Regelung ist, was Opfer sexueller Gewalt betrifft, sinnvoll, da sie häu- fig erst sehr spät wagen, mit ihrer Vergangenheit öffent- lich zu werden und Ansprüche geltend zu machen. Die dreijährige Verjährungsfrist hat sich in vielen Fäl- len als zu kurz erwiesen. Es ist aber zweifelhaft, ob die Verlängerung der Verjährungsfrist und die damit einher- gehende Störung der Rechtssicherheit und des Rechts- 14244 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 (A) (C) (D)(B) friedens auch in den anderen Deliktbereichen – Körper- verletzung, Freiheitsbeeinträchtigung – gerechtfertigt ist. Vorläufiges Ergebnis: Der Gesetzentwurf enthält ei- nige sinnvolle Verbesserungen für den Schutz von Op- fern im Strafverfahren, auch Regelungen zur besseren Qualifizierung von Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälten, die allen im Strafverfahren beteiligten Personen nutzen. Auch die Verlängerung der Verjährungsfrist für Opfer sexueller Gewalt erscheint sinnvoll. Einige Regelungen wie die der §§ 58a, 255a StPO, Videotechnik und Verlesen von Protokollen, erscheinen aber im Hinblick auf den Grund- satz der Unmittelbarkeit zumindest bedenklich. Vor allem aber sollte die Bundesregierung statt auf Einschränkung von wichtigen Verfahrensgrundsätzen vielmehr auf Prävention setzen. Opferschutzprojekte und -vereine müssen besser gefördert werden. Die Beratungen werden zeigen, was hier am sinn- vollsten ist. Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Anfang 2010 wurden nach Jahren und Jahrzehnten des Schweigens zahlreiche Fälle sexuellen Missbrauchs an Kindern und Jugendlichen vor allem aus den 70er- und 80er-Jahren, aber auch bis in die nahe Vergangenheit hi- nein bekannt. Die Öffentlichkeit und wir alle waren er- schüttert über die Vielzahl der Fälle, über die Traumati- sierung der Opfer und deren langes Schweigen. Die meisten dieser Fälle sexueller Gewalt ereigneten sich in Institutionen wie Internaten oder Internatsschulen. Aber auch in Heimen hat es in der Vergangenheit verachtens- werte Verletzungen der Menschenwürde gegeben. Dass diese Fälle erst so viele Jahre später bundesweit ans Tageslicht kamen, zeugt von der Schwere der Taten und der über viele Jahre wirkenden Traumatisierung. Auch sogenannte Schweigekartelle, die bis in die jüngste Vergangenheit hinein gewirkt haben und teilweise heute noch wirksam sind, kamen ans Tageslicht. In diesen Schweigekartellen war es den Opfern aufgrund einer kontrollierenden Umgebung und Abhängigkeitsverhält- nissen oft nicht möglich, über den erlittenen Missbrauch zu sprechen. Die betroffenen Einrichtungen und Institutionen ha- ben erste Schritte unternommen, das begangene Unrecht aufzuarbeiten. Die bisherigen Anstrengungen und man- che Vorschläge für Ausgleichszahlungen reichen aber noch nicht aus. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht für das Strafverfahren neue Regelungen vor. So sollen Mehrfachvernehmungen von Opfern vermieden werden. Die Informationsrechte des Opfers bezüglich Urlaubs und anderer Lockerungen im Strafvollzug, die zugunsten des Verurteilten bewilligt worden sind, sollen erweitert werden. Diese Vorschläge dienen erkennbar dem Opferschutz. Im weiteren Gesetzgebungsprozess wird jedoch zu diskutieren sein, ob damit die Verteidi- gungsmöglichkeiten des Angeklagten und die Resoziali- sierungsmöglichkeiten des Verurteilten, die ihm unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten zustehen müssen, aus- reichend bestehen bleiben. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht weiter vor, dass Schadenersatzansprüche, die auf der vorsätzli- chen Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesund- heit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung beruhen, künftig erst nach 30 Jahren verjähren sollen. Verjährungsregelungen müssen tatsächlich stärker als bisher berücksichtigen, dass die Traumatisierung der Opfer eine Klage oft über lange Zeit hinweg verhindert. Traumatisierungen bewirken das Verdrängen des Ge- schehenen, sie machen die Betroffenen ohnmächtig. Auch Schamgefühle oder die weitere Abhängigkeit vom Schädiger oder der Institution führen dazu, dass deren Opfer ihre Ansprüche nicht geltend machen. Die bishe- rige dreijährige Regelverjährungsfrist bei zivilrechtli- chen Ansprüchen hat sich – trotz der zusätzlichen Hem- mung der Verjährung nach § 208 BGB – für die Durchsetzung dieser Schadensersatzansprüche in vielen Fällen als zu kurz erwiesen. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung muss aller- dings noch präzisiert werden. In der vorliegenden Fas- sung wäre auch beinhaltet, dass Schadenersatzansprüche wegen jeder vorsätzlichen Ohrfeige oder jedes kurzfristi- gen Einschließens im Klassenzimmer erst nach dreißig Jahren verjähren. Wir Grünen haben zur Regelung der Verjährung einen Gesetzentwurf vorgelegt. Wir wollen die zivilrechtlichen Verjährungsfristen für Schadenersatzansprüche aus einer vorsätzlichen Verletzung der sexuellen Selbstbestim- mung auf 30 Jahre verlängern. Zudem sollen die bishe- rigen Regelungen zur Hemmung der Verjährung in §§ 207, 208 BGB angehoben werden. Bei Kindern, bei denen der sexuelle Missbrauch schon im frühen Kindes- alter stattgefunden hat, reicht auch eine Verjährungsfrist von 30 Jahren nicht aus. In solchen Fällen ist von beson- derer Bedeutung, dass die Verjährungsfrist erst in dem Zeitpunkt beginnt, zu dem das Opfer sein 25. Lebensjahr beendet hat bzw. spätestens zu dem Zeitpunkt, in dem das Opfer, das mit dem Täter in häuslicher Gemeinschaft lebt, diese beendet. Das 25. Lebensjahr soll zusätzlich auch bei der Hemmung der Verfolgungsverjährung im Strafrecht der maßgebliche Zeitpunkt werden. Wir wollen damit den Opfern die Möglichkeit, ihre Ansprüche durchzusetzen, möglichst lange offenhalten und ihnen auf diese Weise die Gelegenheit geben, vor den Gerichten Schmerzensgeld sowie Schadensersatz für Therapie- und Rehabilitationsbehandlungen einzukla- gen. Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bun- desministerin der Justiz: Anfang 2010 wurden einzelne Fälle über sexuellen Missbrauch an Schulen öffentlich bekannt. Aus einzelnen Fällen wurde eine Masse an Fäl- len, die wie eine Lawine über uns rollte. Aus diesem Grunde forderte die Bundesjustizministerin die Einset- zung eines runden Tisches. Diese Forderung erwies sich als richtig. Denn hier konnte und kann mit Justizvertre- tern aus den Ländern, mit Opferschutzverbänden, Opfer- anwälten und Strafverteidigern intensiv beraten werden, wie wir vor allem in Strafverfahren Opfer sexueller Ge- walt noch besser schützen können und auch ermutigen Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 120. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 14245 (A) (C) (D)(B) können, ihr Schweigen zu brechen, um den Tätern Na- men zu geben und den Weg für strafrechtliche Konse- quenzen zu eröffnen. Als Ergebnis der Beratungen liegt Ihnen nun das Ge- setz zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Miss- brauchs – kurz: StORMG – vor. Dafür ist den Mitglie- dern des Runden Tisches Dank und Anerkennung auszu- sprechen. Ein zentrales Anliegen dieses Gesetzentwurfes ist es, den Opfern die in der Praxis bisher vielerorts noch übli- chen Mehrfachvernehmungen zu ersparen. Dafür wollen wir die richterliche Videovernehmung im Ermittlungs- verfahren stärker einsetzen und mit ihrer Hilfe weitere Vernehmungen in einer späteren Hauptverhandlung möglichst vermeiden. Aus den Beratungen am Runden Tisch ziehen wir eine weitere wichtige Lehre. Wer als Minderjähriger Op- fer von Missbrauch geworden ist, braucht häufig noch als Erwachsener besonderen Beistand und im Strafver- fahren Unterstützung. Auch wenn sich Missbrauchsop- fer erst spät zum Strafantrag entscheiden, soll ihnen ein Opferanwalt zu diesem Zeitpunkt beigeordnet werden können. Dem wurde in dem Gesetzentwurf Rechnung getragen. Zum Schluss ein Wort zur Verjährung: Aufgrund der psychischen Belastung oder aus Scham dauert es häufig lange, bis die Opfer sexueller Gewalt in der Lage sind, Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Damit sie Schadensersatzansprüche gegen Täter und mitverant- wortliche Dritte besser durchsetzen können, soll die zi- vilrechtliche Verjährungsfrist für sie zukünftig 30 Jahre betragen. Im Interesse der Opfer sexualisierter Gewalt sind Strafverfahren so auszugestalten, dass die Belastungen für Opfer so gering wie möglich gehalten und die Prinzi- pien des fairen Verfahrens gewahrt werden. Das StORMG ist diesem Anliegen verpflichtet. 120. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2011 Inhalt: Redetext Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4 Anlage 5 Anlage 6 Anlage 7 Anlage 8 Anlage 9 Anlage 10 Anlage 11 Anlage 12 Anlage 13 Anlage 14 Anlage 15 Anlage 16 Anlage 17 Anlage 18
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Bernhard Kaster


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)


    Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen

    und Kollegen! Es ist gerade einmal drei Monate her, dass
    wir hier den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
    auf Einführung eines Lobbyistenregisters diskutiert ha-
    ben.


    (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es! Schön, dass Sie es ansprechen!)


    Ich habe den damaligen Antrag als einen Schaufenster-
    antrag bezeichnet,


    (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war schon damals falsch!)


    und zwar deshalb, weil er ausschließlich darauf ausge-
    richtet war, sich aktuelle politische Stimmungen zu Ei-
    gen zu machen und den Begriff „Lobbyismus“ als – man
    kann ihn inzwischen so bezeichnen – politischen Kampf-
    begriff zu nutzen, trotz des Wissens, dass die parlamen-
    tarische Wirklichkeit anders aussieht.


    (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach!)


    Der heutige Antrag ist nicht nur ein schlechter zweiter
    Aufguss, sondern er ist mehr als ein Schaufensterantrag.
    Ich muss das so sagen: Er ist quasi ein Phantomantrag,
    der in den Details überhaupt nichts mehr mit unserer Ar-
    beit zu tun hat.


    (Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie kam er auf die Tagesordnung? – Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Ein Phantom stellt man nicht ins Schaufenster! Das sieht man doch gar nicht!)


    Über Ihren Debattenbeitrag können wir diskutieren, aber
    die Details Ihres Antrags haben mit der Wirklichkeit
    nichts zu tun.

    (Beifall des Abg. Manuel Höferlin [FDP] – Michael Hartmann [Wackernheim] [SPD]: Seit wann lesen Sie unsere Anträge?)


    – Ich habe ihn gelesen.

    Damit ich nicht missverstanden werde: In Ihren Be-
    gründungen stehen Formulierungen, die wir gemeinsam
    durchaus sehr ernst nehmen müssen. Wenn im Land
    wirklich der Eindruck entsteht, dass wir als Parlamenta-
    rier nicht mehr in der Lage sind, Interessen richtig abzu-
    wägen oder auch abzuwehren, und dass sich vielleicht
    Interessen einseitig – ich sage es einmal so – auf dunklen
    Wegen durchsetzen, dann muss uns das schon alarmie-
    ren. Wenn es in der Parlamentspraxis denn so wäre!

    Zunächst einmal sei festgestellt, dass unsere Parla-
    mentariertätigkeit, ja, Politik überhaupt, letztlich nichts
    anderes als die ständige Wahrnehmung von Interessen
    ist.


    (Michael Hartmann [Wackernheim] [SPD]: Ohne Frage!)


    Das fängt bei jedem Kollegen schon in seiner Heimat an.
    Jeder von uns bringt hier in Berlin Wahlkreisinteressen
    ein. Das sind im Übrigen oft auch Wirtschaftsinteressen:
    das Interesse am Erhalt und der Sicherung von Arbeits-
    plätzen und Branchen, die im jeweiligen Wahlkreis von
    besonderer Bedeutung sind.

    Durch jeden Beschluss und jedes Gesetz treffen wir
    Menschen und Gruppen unserer Gesellschaft mal posi-
    tiv, mal negativ. Diese Menschen und Gruppen haben
    sich in der Regel schon vorher durch Einzelstimmen,
    Verbandsvertreter oder die Mobilisierung der Öffentlich-
    keit gemeldet. Es ist sogar so, dass wir Interessenvertre-
    ter sehr bewusst einladen, am Gesetzgebungsverfahren
    teilzunehmen, indem wir öffentliche, transparente Anhö-
    rungen durchführen,


    (Florian Toncar [FDP]: Kaster ist ein vernünftiger Mann!)


    mit der ausdrücklichen Erwartung, dass von den oft be-
    schimpften Verbandsvertretern zusätzlicher Sachver-
    stand in die Debatte, in die Diskussion eingebracht wer-
    den kann. Ich erinnere mich noch sehr gut daran, wie
    wichtig mir als Abgeordneter von der Mosel die Stel-
    lungnahmen der Bauern- und Winzerverbände waren, als
    wir das Weingesetz diskutiert haben, um hier zu einer
    guten Lösung zu kommen.


    (Beifall bei der CDU/CSU)


    Wenn in der Öffentlichkeit der Eindruck aufkommt,
    dass die Interessen einzelner Gruppen – Sie haben einige
    genannt –, seien es spezielle Wirtschaftsverbände, seien
    es Gewerkschaften, seien es Sozialverbände, Kirchen
    oder Einzelinteressen, in politisch nicht wünschenswer-
    ter Weise in ein Gesetz Eingang gefunden haben, dann
    muss das hier in der Debatte ganz konkret benannt wer-
    den. Das geschieht auch. Das tragen wir hier miteinander
    aus: in erster, zweiter und dritter Lesung. Wir tragen das
    in Ausschussberatungen und Anhörungen aus.

    Dabei helfen keine bürokratischen und weltfremden
    Vorschläge – ich muss sie einfach so bezeichnen – wie





    Bernhard Kaster


    (A) (C)



    (D)(B)

    die in Ihrem Antrag. Ein immer wieder aktualisiertes
    Lobbyistenregister liegt bereits seit Jahrzehnten vor. Sie
    werden es nie schaffen – es wäre schlimm, wenn es an-
    ders wäre –, den Bundestagsabgeordneten Vorschriften
    zu machen, mit wem sie wann und wo sprechen oder
    nicht sprechen.


    (Michael Hartmann [Wackernheim] [SPD]: Darum geht es auch gar nicht! – Gegenruf des Abg. Manuel Höferlin [FDP]: In Ihrem Antrag steht das drin!)


    – Doch, ich komme jetzt zu Ihrem Antrag. In Ihrem An-
    trag heißt es:

    Als entscheidendes Kriterium der Kontaktauf-
    nahme zu Bundestagsabgeordneten oder Bundesbe-
    hörden müssen finanzielle wie zeitliche Schwellen-
    werte festgelegt werden.

    Oder:

    Definitionen von Interessenvertretung müssen for-
    muliert werden.

    Sagen Sie uns, wie das in der Praxis gehen soll. Ich
    frage Sie im Ernst: Wie definieren Sie gute und
    schlechte Interessenvertreter? Wo fängt für Sie der Inte-
    ressenvertreter überhaupt an?


    (Florian Toncar [FDP]: In der Bürgersprechstunde wahrscheinlich!)


    Was ist dafür die Definition?

    Der Gipfel des Ganzen ist der Vorschlag, Ordnungs-
    widrigkeitstatbestände einzuführen bzw. neu zu schaf-
    fen.


    (Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Das machen Sie doch für Abgeordnete!)


    An dieser Stelle sage ich ganz klar: Bei Bestechung und
    Korruption gilt das Strafrecht. Dann helfen keine irgend-
    wie gearteten Register, Listen oder das Vorzeigen von
    Gehaltsbescheinigungen von Gesprächspartnern.

    Ich möchte zum Schluss mit einem Zitat unseres Bun-
    destagspräsidenten Dr. Lammert aus einer wie immer,
    wie ich finde, sehr bemerkenswerten Rede am 28. März
    2011 in der Frauenkirche in Dresden enden, und zwar
    zum Thema „Interessen gegen Gemeinwohl – Gerechtig-
    keit in der Politik“. Er hat dabei sehr zutreffend ausge-
    führt, dass die meisten Menschen mit der Wahrnehmung
    von Interessen, auch in organisierter Form, kein Problem
    haben – ich zitiere –,

    … wenn es sich um ihre Interessen handelt, wäh-
    rend dann, wenn eigene Interessen mit anderen kol-
    lidieren, die ärgerlicherweise auch noch organisiert
    vertreten werden, sich beinahe reflexhaft Empörung
    einstellt. Und die inzwischen handelsübliche Form
    der Empörung ist heutzutage mit dem Begriff
    „Lobbyismus“ verbunden.

    Vielen Dank.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Dr. Hermann Otto Solms
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

Das Wort hat der Kollege Raju Sharma von der Frak-

tion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Raju Sharma


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)


    Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der

    Kollege Kaster hat eben von Phantomanträgen gespro-
    chen. Wenn eine Sache etwas Phantomhaftes hat, dann
    ist es eher der Lobbyismus, weil man ihn nicht sehen
    kann, aber man weiß, dass es ihn gibt. Der Lobbyismus
    ist ein Phänomen, dessen Existenz man nicht bestreiten
    kann.


    (Bernhard Kaster [CDU/CSU]: Lobbyismus gibt es! Das muss auch sein!)


    – Lobbyismus gibt es. Er ist eine Form von gesellschaft-
    licher Beteiligung an politischen Entscheidungsprozes-
    sen. Wir als Linke sagen: Wir finden, es gibt bessere,
    transparentere und richtigere Formen der gesellschaftli-
    chen Beteiligung, zum Beispiel Volksentscheide auf
    Bundesebene. Dafür streiten wir.


    (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Michael Hartmann [Wackernheim] [SPD])


    Da es den Lobbyismus nun einmal gibt, muss man ihn
    regulieren.


    (Otto Fricke [FDP]: Alles, was es gibt, muss man regulieren!)


    – Sicher muss man ihn regulieren. Ich nenne Ihnen nach-
    her ein Beispiel, wie sich ein unregulierter Lobbyismus
    auswirkt. Dabei komme ich auch ganz speziell auf die
    FDP zu sprechen.


    (Beifall bei der LINKEN – Otto Fricke [FDP]: Das wundert uns nicht!)


    Immerhin sind Sie realistisch genug, zu erkennen, dass
    Sie mit dem unregulierten Lobbyismus am meisten Pro-
    fite machen können. Dazu kommen wir nachher.


    (Marco Wanderwitz [CDU/CSU]: Das ist unterirdisch!)


    Der Punkt ist: Die SPD hat jetzt als dritte Partei einen
    Antrag zur Regulierung des Lobbyismus vorgelegt. Die-
    ser Antrag sieht im Wesentlichen ein verpflichtendes
    Lobbyistenregister vor. Das ist gut, das ist richtig, und
    das ist überfällig. Es ist in gewisser Weise auch so etwas
    wie ein Akt der Selbstkritik der SPD. Das Schöne an
    Selbstkritik ist, dass es den anderen die Notwendigkeit
    nimmt, auch noch den Finger in die Wunde zu legen und
    darin herumzubohren.


    (Otto Fricke [FDP]: Woher wollen Sie als Linker das denn wissen?)


    Ansonsten könnte ich jetzt einen Haufen Beispiele brin-
    gen, um zu belegen, warum gerade die SPD in den letz-
    ten und auch in früheren Jahren mit dem Lobbyismus
    Probleme gehabt hat. Das will ich jetzt jedoch nicht ma-
    chen.





    Raju Sharma


    (A) (C)



    (D)(B)

    Ein Beispiel will ich Ihnen aber nicht ersparen, weil
    es so aktuell ist und weil ich es auch heute Nachmittag
    schon beim Thema Parteienfinanzierung angesprochen
    habe. Es betrifft ein Thema, über das wir auch morgen
    reden werden. Die Bundesregierung beabsichtigt näm-
    lich, Panzer nach Saudi-Arabien zu liefern. Panzer nach
    Saudi-Arabien – das allein ist schon fragwürdig. Aber
    wenn man dann sieht, dass FDP, CDU/CSU und auch die
    SPD in den letzten Jahren über 600 000 Euro an Spen-
    den von den Hauptherstellerfirmen der Panzer bekom-
    men haben, macht man sich schon Gedanken, ob hier
    wirklich alles so unabhängig ist.


    (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Manuel Höferlin [FDP]: Wenn Sie das wissen, dann ist es doch transparent!)


    Die SPD hat einen Antrag vorgelegt, der inhaltlich
    weitgehend dem Antrag der Linken folgt. Das finden wir
    natürlich begrüßenswert. Wir können uns vielleicht für
    zukünftige Fälle vornehmen, dass wir solche Anträge
    gleich zusammen formulieren. Dann kann man sich bes-
    ser dabei unterstützen. Das machen wir gerne.


    (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war ein Angebot! – Michael Hartmann [Wackernheim] [SPD]: Sammelt euch hinter den Besten!)


    Fakt ist jedenfalls, dass wir uns jetzt auf Oppositions-
    seite einig sind, dass der Lobbyismus mit einem ver-
    pflichtenden, verbindlichen Lobbyistenregister reguliert
    werden muss. Wir sind uns einig, die Bürgerinnen und
    Bürger wollen das auch. Im Grunde muss man sich nur
    fragen, warum Sie nicht mitmachen. Warum weigern Sie
    sich, hier für mehr Transparenz zu sorgen? Warum wei-
    gern Sie sich, das alles auf den Tisch zu legen? Es würde
    der Demokratie guttun, es würde auch uns in diesem
    Hause guttun. Arbeiten Sie mit! Es gibt genug Vor-
    schläge, die alle auf dem Tisch liegen. Sie sind herzlich
    eingeladen, daran mitzuwirken.

    Vielen Dank.


    (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)