Plenarprotokoll 17/96
            Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/
            Abgabe einer Regierungserklärung durch die
            Bundeskanzlerin: zur aktuellen Lage in Ja-
            pan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            in Verbindung mit
            Zusatztagesordnungspunkt 1:
            Erste Beratung des von den Abgeordneten
            Jürgen Trittin, Renate Künast, Sylvia Kotting-
            Uhl, weiteren Abgeordneten und der Fraktion
            BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten
            Entwurfs eines Dreizehnten Gesetzes zur
            Änderung des Atomgesetzes und zur Wie-
            derherstellung des Atomkonsenses
            DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . .
            Jürgen Klimke (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . .
            Erika Steinbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . .
            Thomas Bareiß (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . .
            Namentliche Abstimmungen . . . . . . . . . . . . .
            Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Tagesordnungspunkt 6:
            10882 D
            10909 B
            10910 B
            10911 D
            10912 D
            10913 D
            10914 D
            10915 A, B, C
            10921 A, 10923 B
            10926 A, 10928 B
            10930 B, 10933 A
            10935 B
            Deutscher B
            Stenografisc
            96. Sit
            Berlin, Donnerstag,
            I n h a
            Glückwünsche zum Geburtstag der Abgeord-
            neten Dr. Lukrezia Jochimsen und Edelgard
            Bulmahn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Begrüßung der neuen Abgeordneten Helmut
            Heiderich und Ingo Egloff . . . . . . . . . . . . . .
            Wahl des Abgeordneten Peter Wichtel als
            Schriftführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Erweiterung der Tagesordnung . . . . . . . . . . .
            Absetzung der Tagesordnungspunkte 27 d und
            30 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Nachträgliche Ausschussüberweisungen . . . .
            Tagesordnungspunkt 5:
            10881 A
            10881 B
            10881 B
            10881 C
            10882 B
            10882 B
            (Drucksache 17/5035) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Dr. Angela Merkel,
            Bundeskanzlerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            10882 D
            10883 A
            undestag
            her Bericht
            zung
            den 17. März 2011
            l t :
            Sigmar Gabriel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Birgit Homburger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . .
            Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE) . . . . . . . . . . .
            Volker Kauder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . .
            Michael Schlecht (DIE LINKE) . . . . . . . . . .
            Volker Kauder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . .
            Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/
            DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Michael Kauch (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Dr. Frank-Walter Steinmeier (SPD) . . . . . . . .
            Michael Schlecht (DIE LINKE) . . . . . . . .
            Dr. Christian Ruck (CDU/CSU) . . . . . . . . . .
            10889 D
            10893 D
            10896 B
            10898 D
            0000 A10901 B
            10901 C
            10901 D
            10903 C
            10905 A
            10905 C
            10907 C
            Erste Beratung des von den Abgeordnete
            Volker Beck (Köln), Ingrid Hönlinger, Mem
            Kilic, weiteren Abgeordneten und der Fra
            tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eing
            n
            et
            k-
            e-
            II Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 96. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. März 2011
            brachten Entwurfs eines … Gesetzes zur Än-
            derung des Bundeswahlgesetzes
            (Drucksache 17/4694) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/
            DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Dr. Günter Krings (CDU/CSU) . . . . . . . . . . .
            Thomas Oppermann (SPD) . . . . . . . . . . . . . .
            Dr. Stefan Ruppert (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . .
            Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/
            DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Halina Wawzyniak (DIE LINKE) . . . . . . . . .
            Dr. Hans-Peter Uhl (CDU/CSU) . . . . . . . . . .
            Gabriele Fograscher (SPD) . . . . . . . . . . . . . .
            Tagesordnungspunkt 32:
            a) Erste Beratung des von der Bundesregie-
            rung eingebrachten Entwurfs eines Geset-
            zes zur Durchführung der Verordnung
            (EG) Nr. 4/2009 und zur Neuordnung
            bestehender Aus- und Durchführungs-
            bestimmungen auf dem Gebiet des in-
            ternationalen Unterhaltsverfahrensrechts
            (Drucksache 17/4887) . . . . . . . . . . . . . . . .
            b) Erste Beratung des von der Bundesregie-
            rung eingebrachten Entwurfs eines Geset-
            zes über die vorläufige Durchführung
            unmittelbar geltender Vorschriften der
            Europäischen Union über die Zulas-
            sung oder Genehmigung des Inverkehr-
            bringens von Pflanzenschutzmitteln
            (Drucksache 17/4985) . . . . . . . . . . . . . . . .
            c) Antrag der Abgeordneten Ulrich Lange,
            Dirk Fischer (Hamburg), Arnold Vaatz,
            weiterer Abgeordneter und der Fraktion
            der CDU/CSU sowie der Abgeordneten
            Patrick Döring, Werner Simmling, Oliver
            Luksic, weiterer Abgeordneter und der
            Fraktion der FDP: Sicherheit im Eisen-
            bahnverkehr verbessern – Strecken-
            netz mit Sicherungssystemen ausstatten
            (Drucksache 17/5046) . . . . . . . . . . . . . . . .
            d) Antrag der Abgeordneten Martin Gerster,
            Sönke Rix, Sabine Bätzing-Lichtenthäler,
            weiterer Abgeordneter und der Fraktion der
            SPD: Rechtsextremistische Einstellungen
            im Sport konsequent bekämpfen – Tole-
            ranz und Demokratie nachhaltig för-
            dern
            (Drucksache 17/5045) . . . . . . . . . . . . . . . .
            10915 D
            10916 A
            10917 B
            10938 A
            10941 A
            10941 C
            10943 D
            10946 A
            10948 A
            10949 A
            10949 B
            10949 B
            10949 C
            Zusatztagesordnungspunkt 2:
            Antrag der Abgeordneten Agnes Krumwiede,
            Dr. Konstantin von Notz, Jerzy Montag, wei-
            terer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
            NIS 90/DIE GRÜNEN: Zugang zu verwais-
            ten Werken erleichtern
            (Drucksache 17/4695) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Tagesordnungspunkt 33:
            a) Zweite und dritte Beratung des von der
            Bundesregierung eingebrachten Entwurfs
            eines Ersten Gesetzes zur Änderung des
            BVL-Gesetzes
            (Drucksachen 17/4381, 17/5034) . . . . . . .
            b) Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
            schusses für Wirtschaft und Technologie zu
            der Verordnung der Bundesregierung: Ein-
            hundertsechzigste Verordnung zur Än-
            derung der Einfuhrliste – Anlage zum
            Außenwirtschaftsgesetz –
            (Drucksachen 17/4403, 17/4499 Nr. 2,
            17/4774) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            c) Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
            schusses für Ernährung, Landwirtschaft
            und Verbraucherschutz zu dem Antrag der
            Abgeordneten Karin Binder, Ralph Lenkert,
            Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der
            Fraktion DIE LINKE: Verbraucher-
            freundliche Rücknahmepflicht des Ein-
            zelhandels für Energiesparlampen
            durchsetzen
            (Drucksachen 17/2121, 17/3684) . . . . . . .
            d) Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
            schusses für Umwelt, Naturschutz und
            Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Ab-
            geordneten Dorothea Steiner, Sylvia Kotting-
            Uhl, Hans-Josef Fell, weiterer Abgeordne-
            ter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
            GRÜNEN: Bürgerfreundliches Rück-
            nahmesystem für gebrauchte Energie-
            sparlampen im Handel einrichten
            (Drucksachen 17/1583, 17/3278) . . . . . . .
            e) Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
            schusses für die Angelegenheiten der Euro-
            päischen Union zu dem Antrag der Abge-
            ordneten Dr. Diether Dehm, Alexander
            Ulrich, Andrej Hunko, weiterer Abgeord-
            neter und der Fraktion DIE LINKE: Ge-
            gen Armut und soziale Ausgrenzung –
            Soziale Fortschrittsklausel in das EU-
            Vertragswerk aufnehmen
            (Drucksachen 17/902, 17/4773) . . . . . . . .
            f) – o)
            Beschlussempfehlungen des Petitionsaus-
            schusses: Sammelübersichten 224, 225,
            10949 C
            10949 D
            10950 A
            10950 B
            10950 C
            10950 D
            Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 96. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. März 2011 III
            226, 227, 228, 229, 230, 231, 232 und 233
            zu Petitionen
            (Drucksachen 17/4864, 17/4865, 17/4866,
            17/4867, 17/4868, 17/4869, 7/4870, 17/
            4871, 17/4872, 17/4873) . . . . . . . . . . . . . .
            Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . .
            Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Tagesordnungspunkt 7:
            a) – Zweite und dritte Beratung des von
            den Fraktionen der CDU/CSU und FDP
            eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
            zur Verbesserung der Bekämpfung
            von Geldwäsche und Steuerhinter-
            ziehung (Schwarzgeldbekämpfungs-
            gesetz)
            (Drucksachen 17/4182, 17/5067 (neu))
            – Zweite und dritte Beratung des von
            der Bundesregierung eingebrachten Ent-
            wurfs eines Gesetzes zur Verbesserung
            der Bekämpfung von Geldwäsche und
            Steuerhinterziehung (Schwarzgeld-
            bekämpfungsgesetz)
            (Drucksachen 17/4802, 17/5067 (neu))
            – Zweite und dritte Beratung des von der
            Fraktion der SPD eingebrachten Ent-
            wurfs eines … Gesetzes zur Änderung
            der Abgabenordnung (Abschaffung
            der strafbefreienden Selbstanzeige
            bei Steuerhinterziehung)
            (Drucksachen 17/1411, 17/5067 (neu))
            b) Beschlussempfehlung und Bericht des Fi-
            nanzausschusses
            – zu dem Antrag der Fraktionen der
            CDU/CSU und FDP: Steuerhinterzie-
            hung wirksam und zielgenau be-
            kämpfen
            – zu dem Antrag der Fraktion der SPD:
            Instrumente zur Bekämpfung der
            Steuerhinterziehung nutzen und
            ausbauen
            – zu dem Antrag der Abgeordneten
            Dr. Barbara Höll, Dr. Axel Troost,
            Richard Pitterle, weiterer Abgeordne-
            ter und der Fraktion DIE LINKE: Den
            Kampf gegen Steuerhinterziehung
            nicht dem Zufall überlassen
            – zu dem Antrag der Abgeordneten
            Dr. Gerhard Schick, Dr. Thomas Gambke,
            Britta Haßelmann, weiterer Abgeord-
            neter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
            10951 A
            10951 A
            10954 D
            10952 A
            10952 A
            10952 A
            DIE GRÜNEN: Steuerhinterziehung
            wirksam bekämpfen
            (Drucksachen 17/1755, 17/4670, 17/1149,
            17/1765, 17/5067 (neu)) . . . . . . . . . . . . . .
            Manfred Kolbe (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . .
            Martin Gerster (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Dr. Volker Wissing (FDP) . . . . . . . . . . . . . . .
            Richard Pitterle (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . .
            Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/
            DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Manfred Kolbe (CDU/CSU) . . . . . . . . . . .
            Peter Aumer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . .
            Lothar Binding (Heidelberg) (SPD) . . . . . . . .
            Dr. Daniel Volk (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Nicolette Kressl (SPD) . . . . . . . . . . . . . . .
            Klaus-Peter Flosbach (CDU/CSU) . . . . . . . .
            Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/
            DIE GRÜNEN)
            Tagesordnungspunkt 8:
            a) Antrag der Abgeordneten Uwe Beckmeyer,
            Sören Bartol, Martin Burkert, weiterer
            Abgeordneter und der Fraktion der SPD:
            Stillstand in der Verkehrspolitik über-
            winden – Zukunftskommission zur
            Reform der Infrastrukturfinanzierung
            einrichten
            (Drucksache 17/5022) . . . . . . . . . . . . . . .
            b) Beschlussempfehlung und Bericht des
            Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadt-
            entwicklung zu dem Antrag der Abgeord-
            neten Uwe Beckmeyer, Sören Bartol,
            Martin Burkert, weiterer Abgeordneter
            und der Fraktion der SPD: Erhalt und
            Ausbau der Verkehrsinfrastruktur si-
            chern – Deutschland braucht eine mo-
            derne Zukunftsstrategie zur Infrastruk-
            turfinanzierung
            (Drucksachen 17/782, 17/1479) . . . . . . . .
            c) Beschlussempfehlung und Bericht des
            Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadt-
            entwicklung zu dem Antrag der Abgeord-
            neten Uwe Beckmeyer, Sören Bartol,
            Martin Burkert, weiterer Abgeordneter
            und der Fraktion der SPD: Mobilität
            nachhaltig gestalten – Erfolgreichen
            Ansatz der integrierten Verkehrspoli-
            tik fortentwickeln
            (Drucksachen 17/1060, 17/2226) . . . . . . .
            Uwe Beckmeyer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Patrick Schnieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . .
            10952 B
            10952 B
            10957 A
            10958 D
            10960 A
            10961 B
            10962 C
            10963 A
            10964 A
            10965 B
            10966 A
            10966 C
            10967 D
            10969 C
            10969 C
            10969 D
            10970 A
            10971 B
            IV Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 96. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. März 2011
            Sabine Leidig (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . .
            Werner Simmling (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/
            DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Reinhold Sendker (CDU/CSU) . . . . . . . . . . .
            Michael Groß (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Ulrich Lange (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . .
            Tagesordnungspunkt 9:
            a) – Zweite und dritte Beratung des von der
            Bundesregierung eingebrachten Ent-
            wurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung
            der Zwangsheirat und zum besseren
            Schutz der Opfer von Zwangsheirat
            sowie zur Änderung weiterer auf-
            enthalts- und asylrechtlicher Vor-
            schriften
            (Drucksachen 17/4401, 17/5093) . . . .
            – Zweite und dritte Beratung des von
            den Abgeordneten Rüdiger Veit,
            Daniela Kolbe (Leipzig), Gabriele
            Fograscher, weiteren Abgeordneten
            und der Fraktion der SPD eingebrach-
            ten Entwurfs eines Gesetzes für ein
            erweitertes Rückkehrrecht im Auf-
            enthaltsgesetz
            (Drucksachen 17/4197, 17/5093) . . . .
            – Zweite und dritte Beratung des von
            den Abgeordneten Rüdiger Veit, Dr.
            Dieter Wiefelspütz, Olaf Scholz, wei-
            teren Abgeordneten und der Fraktion
            der SPD eingebrachten Entwurfs eines
            … Gesetzes zur Änderung des Auf-
            enthaltsgesetzes (Altfallregelung)
            (Drucksachen 17/207, 17/5093) . . . . .
            – Zweite und dritte Beratung des von
            den Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan
            Korte, Sevim Dağdelen, weiteren Ab-
            geordneten und der Fraktion DIE
            LINKE eingebrachten Entwurfs eines
            … Gesetzes zur Änderung des Auf-
            enthaltsgesetzes (Bleiberechtsrege-
            lung und Vermeidung von Ketten-
            duldungen)
            (Drucksachen 17/1557, 17/5093) . . . .
            b) Beschlussempfehlung und Bericht des In-
            nenausschusses
            – zu dem Antrag der Abgeordneten Ulla
            Jelpke, Jan Korte, Sevim Dağdelen,
            weiterer Abgeordneter und der Frak-
            tion DIE LINKE: Menschenrecht auf
            Freizügigkeit ungeteilt verwirkli-
            chen
            10972 C
            10974 A
            10975 B
            10976 B
            10977 B
            10978 C
            10980 B
            10980 A
            10980 A
            10980 A
            – zu dem Antrag der Abgeordneten
            Sevim Dağdelen, Jan Korte, Matthias
            W. Birkwald, weiterer Abgeordneter
            und der Fraktion DIE LINKE: Für ein
            wirksames Rückkehrrecht und eine
            Stärkung der Rechte der Opfer von
            Zwangsverheiratungen
            – zu dem Antrag der Abgeordneten Josef
            Philip Winkler, Memet Kilic, Volker
            Beck (Köln), weiterer Abgeordneter
            und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
            GRÜNEN: Für eine wirksame und
            stichtagsunabhängige gesetzliche Blei-
            berechtsregelung im Aufenthaltsge-
            setz
            – zu dem Antrag der Abgeordneten
            Memet Kilic, Volker Beck (Köln),
            Ekin Deligöz, weiterer Abgeordneter
            und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
            GRÜNEN: Opfer von Zwangsverhei-
            ratungen wirksam schützen durch
            bundesgesetzliche Reformen und eine
            Bund-Länder-Initiative
            – zu dem Antrag der Abgeordneten Josef
            Philip Winkler, Volker Beck (Köln),
            Memet Kilic, weiterer Abgeordneter
            und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
            GRÜNEN: Residenzpflicht abschaf-
            fen – Für weitestgehende Freizügig-
            keit von Asylbewerbern und Gedul-
            deten
            (Drucksachen 17/2325, 17/4681, 17/1571,
            17/2491, 17/3065, 17/5093) . . . . . . . . . . .
            Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister
            BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Rüdiger Veit (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP) . . . . . . . .
            Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . .
            Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/
            DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Reinhard Grindel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . .
            Rüdiger Veit (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Memet Kilic (BÜNDNIS 90/
            DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Aydan Özoğuz (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Serkan Tören (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Tagesordnungspunkt 10:
            Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald,
            Dr. Martina Bunge, Diana Golze, weiterer
            Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE:
            10980 D
            10981 A
            0000 A10982 C
            10984 A
            10985 B
            10986 C
            10988 A
            10989 C
            10990 A
            10991 A
            10992 A
            Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 96. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. März 2011 V
            Für eine gerechte Angleichung der Renten
            in Ostdeutschland
            (Drucksache 17/4192) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Roland Claus (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . .
            Frank Heinrich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . .
            Silvia Schmidt (Eisleben) (SPD) . . . . . . . . . .
            Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) . . . . . . . . . . . . . .
            Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn
            (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . .
            Max Straubinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . .
            Tagesordnungspunkt 11:
            Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
            schusses für die Angelegenheiten der Euro-
            päischen Union
            – zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/
            CSU und FDP: Einvernehmensherstel-
            lung von Bundestag und Bundesregie-
            rung zur Ergänzung von Artikel 136
            des Vertrages über die Arbeitsweise der
            Europäischen Union (AEUV) hinsicht-
            lich der Einrichtung eines Europäi-
            schen Stabilitätsmechanismus (ESM)
            hier: Stellungnahme des Deutschen
            Bundestages nach Artikel 23 Ab-
            satz 3 des Grundgesetzes i. V. m.
            § 10 des Gesetzes über die Zu-
            sammenarbeit von Bundesregie-
            rung und Deutschem Bundestag
            in Angelegenheiten der Europäi-
            schen Union
            – zu dem Antrag der Fraktion der SPD: zum
            Entwurf eines Beschlusses des Europäi-
            schen Rates zur Änderung des Vertrags
            über die Arbeitsweise der Europäischen
            Union hinsichtlich eines Stabilitätsme-
            chanismus für die Mitgliedstaaten, de-
            ren Währung der Euro ist
            – Ratsdok. 17620/10 (EUCO 30/10), An-
            lage 1 –
            hier: Stellungnahme des Deutschen
            Bundestages nach Artikel 23 Ab-
            satz 3 des Grundgesetzes (GG)
            i. V. m. § 10 des Gesetzes über die
            Zusammenarbeit von Bundesre-
            gierung und Deutschem Bundes-
            tag in Angelegenheiten der Euro-
            päischen Union
            Herstellung des Einvernehmens bezüg-
            lich der Ergänzung von Artikel 136
            AEUV zur Einrichtung eines Europäi-
            schen Stabilitätsmechanismus (ESM)
            verantwortlich gestalten
            10994 C
            10994 D
            10996 A
            10997 C
            10999 A
            11000 A
            11001 C
            – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr.
            Diether Dehm, Alexander Ulrich, Andrej
            Hunko, weiterer Abgeordneter und der
            Fraktion DIE LINKE: zum Entwurf eines
            Beschlusses des Europäischen Rates zur
            Änderung des Vertrags über die Ar-
            beitsweise der Europäischen Union hin-
            sichtlich eines Stabilitätsmechanismus
            für die Mitgliedstaaten, deren Währung
            der Euro ist
            – Ratsdok. 17620/10 (EUCO 30/10), An-
            lage 1 –
            hier: Stellungnahme gegenüber der
            Bundesregierung gemäß Artikel
            23 Absatz 3 des Grundgesetzes
            – zu dem Antrag der Abgeordneten Manuel
            Sarrazin, Alexander Bonde, Dr. Gerhard
            Schick, weiterer Abgeordneter und der Frak-
            tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Her-
            stellung des Einvernehmens zwischen
            Bundestag und Bundesregierung zur
            Änderung des Artikels 136 des Vertrags
            über die Arbeitsweise der Europäischen
            Union hinsichtlich eines Stabilitätsme-
            chanismus für die Mitgliedstaaten, de-
            ren Währung der Euro ist
            hier: Stellungnahme des Deutschen
            Bundestages nach Artikel 23 Ab-
            satz 3 GG i. V. m. § 10 des Geset-
            zes über die Zusammenarbeit von
            Bundesregierung und Deutschem
            Bundestag in Angelegenheiten
            der Europäischen Union
            (Drucksachen 17/4880, 17/4881, 17/4882,
            17/4883, 17/5094) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Michael Link (Heilbronn) (FDP) . . . . . . . . . .
            Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/
            DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Michael Roth (Heringen) (SPD) . . . . . . . . . .
            Dr. Daniel Volk (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . .
            Dr. Michael Meister (CDU/CSU) . . . . . . . . .
            Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/
            DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Alexander Ulrich (DIE LINKE) . . . . . . . . . .
            Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/
            DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Dr. Johann Wadephul (CDU/CSU) . . . . . .
            Thomas Silberhorn (CDU/CSU) . . . . . . . . . .
            Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/
            DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Bettina Kudla (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . .
            11002 D
            11003 C
            11004 C
            11005 B
            11006 B
            11007 D
            11008 B
            11010 A
            11011 B
            11012 B
            11012 D
            11013 D
            11014 B
            VI Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 96. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. März 2011
            Tagesordnungspunkt 12:
            Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
            schusses für Gesundheit zu dem Antrag der
            Abgeordneten Hilde Mattheis, Dr. Karl
            Lauterbach, Elke Ferner, weiterer Abgeordne-
            ter und der Fraktion der SPD: Qualität und
            Transparenz in der Pflege konsequent wei-
            terentwickeln – Pflege-Transparenzkrite-
            rien optimieren
            (Drucksachen 17/1427, 17/4925) . . . . . . . . . .
            Heinz Lanfermann (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . .
            Hilde Mattheis (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Willi Zylajew (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . .
            Kathrin Senger-Schäfer (DIE LINKE) . . . . . .
            Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/
            DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Stephan Stracke (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . .
            Tagesordnungspunkt 13:
            a) Erste Beratung des von der Bundesregie-
            rung eingebrachten Entwurfs eines Sieb-
            ten Gesetzes zur Änderung des Straßen-
            verkehrsgesetzes
            (Drucksache 17/4981) . . . . . . . . . . . . . . . .
            b) Erste Beratung des vom Bundesrat einge-
            brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Än-
            derung des Straßenverkehrsgesetzes
            (Drucksache 17/2766) . . . . . . . . . . . . . . . .
            Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär
            BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Kirsten Lühmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Oliver Luksic (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Thomas Lutze (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . .
            Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/
            DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Gero Storjohann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . .
            Tagesordnungspunkt 14:
            Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
            schusses für Wirtschaft und Technologie zu
            dem Antrag der Abgeordneten Edelgard
            Bulmahn, Klaus Barthel, Garrelt Duin, weite-
            rer Abgeordneter und der Fraktion der SPD:
            Fairen Rohstoffhandel sichern – Handel
            mit Seltenen Erden offenhalten
            (Drucksachen 17/4553, 17/4910) . . . . . . . . . .
            Klaus Breil (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Klaus Barthel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Andreas G. Lämmel (CDU/CSU) . . . . . . . . . .
            11016 A
            11016 B
            11017 B
            11018 B
            11019 B
            11020 A
            11021 A
            11022 A
            11022 A
            11022 B
            11023 B
            11024 D
            11025 D
            11026 C
            11027 B
            11028 C
            11028 C
            11029 C
            11030 C
            Ulla Lötzer (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . .
            Ingrid Nestle (BÜNDNIS 90/
            DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Dr. Sascha Raabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . .
            Tagesordnungspunkt 15:
            Erste Beratung des von der Bundesregierung
            eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur
            Neuregelung mautrechtlicher Vorschriften
            für Bundesfernstraßen
            (Drucksache 17/4979) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär
            BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Uwe Beckmeyer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Patrick Döring (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Herbert Behrens (DIE LINKE) . . . . . . . . . . .
            Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/
            DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Thomas Jarzombek (CDU/CSU) . . . . . . . . . .
            Tagesordnungspunkt 16:
            Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
            schusses für Arbeit und Soziales zu dem An-
            trag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald,
            Diana Golze, Heidrun Dittrich, weiterer Ab-
            geordneter und der Fraktion DIE LINKE:
            Aufgaben und Zusammensetzung der Al-
            tersarmutskommission – Altersarmut um-
            fassend und mit den richtigen Mitteln be-
            kämpfen
            (Drucksachen 17/4422, 17/4926) . . . . . . . . . .
            Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) . . . .
            Ulrich Lange (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . .
            Anton Schaaf (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) . . . . . . . . . . . . . .
            Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) . . . . . . .
            Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn
            (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . .
            Tagesordnungspunkt 17:
            Erste Beratung des von der Bundesregierung
            eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Geset-
            zes zur Änderung des Europäische-Be-
            triebsräte-Gesetzes – Umsetzung der
            Richtlinie 2009/38/EG über Europäische
            Betriebsräte (2. EBRG-ÄndG)
            (Drucksache 17/4808) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            11031 D
            11032 C
            11033 B
            11034 C
            11034 D
            11036 A
            11037 B
            11038 C
            11039 C
            11040 C
            11042 A
            11042 B
            11043 C
            11044 C
            11045 D
            11046 C
            11047 B
            11048 B
            Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 96. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. März 2011 VII
            Tagesordnungspunkt 18:
            Beschlussempfehlung und Bericht des Innen-
            ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten
            Tom Koenigs, Volker Beck (Köln), Josef Philip
            Winkler, weiterer Abgeordneter und der Frak-
            tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Weitere
            iranische Flüchtlinge aus der Türkei in
            Deutschland aufnehmen
            (Drucksachen 17/2439, 17/4087) . . . . . . . . . .
            Tagesordnungspunkt 19:
            Erste Beratung des von der Bundesregierung
            eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur
            Koordinierung der Systeme der sozialen
            Sicherheit in Europa und zur Änderung
            anderer Gesetze
            (Drucksache 17/4978) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Dr. Johann Wadephul (CDU/CSU) . . . . . . . . .
            Paul Lehrieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . .
            Anton Schaaf (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Gabriele Molitor (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) . . . . . . .
            Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/
            DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Tagesordnungspunkt 20:
            Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrach-
            ten Entwurfs eines Gesetzes zur Intensivierung
            des Einsatzes von Videokonferenztechnik in
            gerichtlichen und staatsanwaltschaftlichen
            Verfahren
            (Drucksache 17/1224) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU) . . . . . . . . .
            Christine Lambrecht (SPD) . . . . . . . . . . . . . .
            Jens Petermann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . .
            Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/
            DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär
            BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Tagesordnungspunkt 21:
            Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
            schusses für Ernährung, Landwirtschaft und
            Verbraucherschutz
            – zu dem Antrag der Abgeordneten Holger
            Ortel, Petra Crone, Petra Ernstberger, wei-
            11048 C
            11048 D
            11049 A
            11050 B
            11051 C
            11052 C
            11053 B
            11054 A
            11055 A
            11055 A
            11056 B
            11057 A
            11057 D
            11059 B
            terer Abgeordneter und der Fraktion der
            SPD: Die Reform der Gemeinsamen Fi-
            schereipolitik zum Erfolg führen
            – zu dem Antrag der Abgeordneten Cornelia
            Behm, Dr. Valerie Wilms, Undine Kurth
            (Quedlinburg), weiterer Abgeordneter und
            der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
            NEN: Chancen der EU-Fischereireform
            2013 nutzen und Gemeinsame Fische-
            reipolitik grundlegend reformieren
            (Drucksachen 17/3179, 17/3209, 17/3957) . .
            Tagesordnungspunkt 22:
            Erste Beratung des von der Bundesregierung
            eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Geset-
            zes zur Änderung des Lebensmittel- und
            Futtermittelgesetzbuches sowie anderer Vor-
            schriften
            (Drucksache 17/4984) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Franz-Josef Holzenkamp (CDU/CSU) . . . . . .
            Kerstin Tack (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Dr. Christel Happach-Kasan (FDP) . . . . . . .
            Karin Binder (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . .
            Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/
            DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Tagesordnungspunkt 23:
            Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
            schusses für Ernährung, Landwirtschaft und
            Verbraucherschutz zu dem Antrag der Abge-
            ordneten Ulrike Höfken, Birgitt Bender,
            Cornelia Behm, weiterer Abgeordneter und
            der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
            Umsetzung der EU-Health-Claims-Verord-
            nung voranbringen
            (Drucksachen 17/4015, 17/4892) . . . . . . . . . .
            Carola Stauche (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . .
            Kerstin Tack (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Dr. Edmund Peter Geisen (FDP) . . . . . . . . . .
            Karin Binder (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . .
            Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/
            DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Tagesordnungspunkt 24:
            Antrag der Abgeordneten Josef Philip Winkler,
            Viola von Cramon-Taubadel, Volker Beck
            (Köln), weiterer Abgeordneter und der Frak-
            11060 C
            11061 A
            11061 A
            11062 A
            11063 A
            11064 A
            11065 B
            11066 A
            11066 B
            11067 A
            11067 D
            11068 C
            11069 C
            VIII Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 96. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. März 2011
            tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Für wirk-
            samen Rechtsschutz im Asylverfahren –
            Konsequenzen aus der Entscheidung des
            Europäischen Gerichtshofs für Menschen-
            rechte ziehen
            (Drucksache 17/4886) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Helmut Brandt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . .
            Rüdiger Veit (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP) . . . . . . . .
            Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . .
            Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/
            DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Tagesordnungspunkt 25:
            Antrag der Abgeordneten Winfried Hermann,
            Dr. Anton Hofreiter, Bettina Herlitzius, weite-
            rer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
            NIS 90/DIE GRÜNEN: Transparenter Stress-
            test für die Leistungsfähigkeit des Bahn-
            projektes Stuttgart 21
            (Drucksache 17/5041) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Ulrich Lange (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . .
            Steffen Bilger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . .
            Ute Kumpf (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Werner Simmling (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Sabine Leidig (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . .
            Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/
            DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Tagesordnungspunkt 26:
            Antrag der Abgeordneten Claudia Roth (Augs-
            burg), Dr. Frithjof Schmidt, Manuel Sarrazin,
            weiterer Abgeordneter und der Fraktion
            BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: EU-Beitritts-
            verhandlungen mit der Türkei wiederbele-
            ben
            (Drucksache 17/5042) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Thomas Bareiß (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . .
            Alois Karl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Dietmar Nietan (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Johannes Vogel (Lüdenscheid) (FDP) . . . . . .
            Andrej Hunko (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . .
            Claudia Roth (Augsburg)
            (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . .
            11070 C
            11070 D
            11072 B
            11072 B
            11072 D
            11073 C
            11074 C
            11074 D
            11075 C
            11076 B
            11077 A
            11078 B
            11079 C
            11080 C
            11080 D
            11082 B
            11083 D
            0000 A11085 B
            11086 B
            11087 B
            Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Anlage 1
            Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . .
            Anlage 2
            Erklärungen nach § 31 GO zur namentlichen
            Abstimmung über den Entschließungsantrag
            der Fraktion der CDU/CSU und der Fraktion
            der FDP zu der Abgabe einer Regierungser-
            klärung durch die Bundeskanzlerin zur aktu-
            ellen Lage in Japan (Tagesordnungspunkt 5)
            Ralph Brinkhaus (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . .
            Ute Granold (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . .
            Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen)
            (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU) . . . . . . . . .
            Anlage 3
            Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten
            Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) zur na-
            mentlichen Abstimmung über die Nummer 3
            des Entschließungsantrags der Fraktion der
            SPD zu der Abgabe einer Regierungserklä-
            rung durch die Bundeskanzlerin zur aktuellen
            Lage in Japan (Tagesordnungspunkt 5) . . . . .
            Anlage 4
            Erklärung des Abgeordneten Dr. Johann
            Wadephul (CDU/CSU) zur namentlichen Ab-
            stimmung über den Entschließungsantrag der
            Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu der
            Abgabe einer Regierungserklärung durch die
            Bundeskanzlerin zur aktuellen Lage in Japan
            (Drucksache 17/5052) (Tagesordnungspunkt 5)
            Anlage 5
            Erklärung des Abgeordneten Roderich
            Kiesewetter (CDU/CSU) zur namentlichen
            Abstimmung über den Entschließungsantrag
            der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu
            der Abgabe einer Regierungserklärung durch
            die Bundeskanzlerin zur aktuellen Lage in Ja-
            pan (Drucksache 17/5052) (Tagesordnungs-
            punkt 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            11088 C
            11089 A
            11089 C
            11090 A
            11090 C
            11090 D
            11091 A
            11091 B
            11091 C
            Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 96. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. März 2011 IX
            Anlage 6 Anlage 11
            Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten
            Petra Hinz (Essen) (SPD) zur namentlichen
            Abstimmung über die Beschlussempfehlung:
            Gegen Armut und soziale Ausgrenzung – So-
            ziale Fortschrittsklausel in das EU-Vertrags-
            werk aufnehmen (Tagesordnungspunkt 33 e)
            Anlage 7
            Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten
            Daniela Kolbe (Leipzig) und Rüdiger Veit
            (beide SPD) zur namentlichen Abstimmung
            über die Beschlussempfehlung: Gegen Armut
            und soziale Ausgrenzung – Soziale Fort-
            schrittsklausel in das EU-Vertragswerk auf-
            nehmen (Tagesordnungspunkt 33 e) . . . . . . . .
            Anlage 8
            Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten
            Manuel Sarrazin, Beate Müller-Gemmeke und
            Hans-Christian Ströbele (alle BÜNDNIS 90/
            DIE GRÜNEN) zur namentlichen Abstim-
            mung über die Beschlussempfehlung: Gegen
            Armut und soziale Ausgrenzung – Soziale
            Fortschrittsklausel in das EU-Vertragswerk
            aufnehmen (Tagesordnungspunkt 33 e) . . . . .
            Anlage 9
            Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten
            Elvira Drobinski-Weiß, Heinz Paula, Petra
            Crone und Kerstin Tack (alle SPD) zur na-
            mentlichen Abstimmung über die Beschluss-
            empfehlung: Gegen Armut und soziale Aus-
            grenzung – Soziale Fortschrittsklausel in das
            EU-Vertragswerk aufnehmen (Tagesord-
            nungspunkt 33 e) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Anlage 10
            Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten
            Sibylle Laurischk (FDP) zur Abstimmung
            über den Entwurf eines Gesetzes zur Bekämp-
            fung der Zwangsheirat und zum besseren
            Schutz der Opfer von Zwangsheirat sowie zur
            Änderung weiterer aufenthalts- und asylrecht-
            licher Vorschriften (Tagesordnungspunkt 9 a)
            11091 C
            11092 A
            11092 C
            11093 A
            11093 C
            Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten
            Frank Schäffler (FDP) und Klaus-Peter Willsch
            (CDU/CSU) zur Abstimmung über die Be-
            schlussempfehlung zu dem Antrag:
            Einvernehmensherstellung von Bundestag und
            Bundesregierung zur Ergänzung von Artikel
            136 des Vertrages über die Arbeitsweise der
            Europäischen Union (AEUV) hinsichtlich der
            Einrichtung eines Europäischen Stabilitätsme-
            chanismus (ESM)
            hier: Stellungnahme des Deutschen Bundes-
            tages nach Artikel 23 Absatz 3 Grund-
            gesetz i. V. m. § 10 des Gesetzes über
            die Zusammenarbeit von Bundesregie-
            rung und Deutschem Bundestag in An-
            gelegenheiten der Europäische Union
            (Tagesordnungspunkt 11) . . . . . . . . . .
            Anlage 12
            Zu Protokoll gegebenen Reden zur Beratung
            des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Än-
            derung des Europäische-Betriebsräte-Geset-
            zes – Umsetzung der Richtlinie 2009/38/EG
            über Europäische Betriebsräte (2. EBRG-
            ÄndG) (Tagesordnungspunkt 17)
            Dr. Johann Wadephul (CDU/CSU) . . . . . . . .
            Josip Juratovic (SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) . . . . . . . . . . . . . .
            Jutta Krellmann (DIE LINKE . . . . . . . . . . . .
            Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/
            DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär
            BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Anlage 13
            Zu Protokoll gegebenen Reden zur Beratung
            der Beschlussempfehlung und des Berichts:
            Weitere iranische Flüchtlinge aus der Türkei
            in Deutschland aufnehmen (Tagesordnungs-
            punkt 18)
            Helmut Brandt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . .
            Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD) . . . . . . . . . . .
            Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP) . . . . . . . .
            Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . .
            Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/
            DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            11094 C
            11095 D
            11096 C
            11097 C
            11098 B
            11099 B
            11100 A
            11101 A
            11102 C
            11103 B
            11103 C
            11104 A
            X Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 96. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. März 2011
            Anlage 14
            Zu Protokoll gegebenen Reden zur Beratung
            der Anträge:
            – Die Reform der Gemeinsamen Fischerei-
            politik zum Erfolg führen
            – Chancen der EU-Fischereireform 2013 nut-
            zen und Gemeinsame Fischereipolitik grund-
            legend reformieren (Tagesordnungspunkt 21)
            Gitta Connemann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . .
            Holger Ortel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Dr. Christel Happach-Kasan (FDP) . . . . . . .
            Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) . . . . . . .
            Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/
            DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            11105 B
            11107 A
            11108 C
            11109 C
            11110 D
            Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 96. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. März 2011 10881
            (A) (C)
            (D)(B)
            96. Sit
            Berlin, Donnerstag,
            Beginn: 9
        
        
        
        
          
          
        Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 96. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. März 2011 11089
        (A) (C)
        (D)(B)
        Die Diskussion und die Art der Argumentation zeigen,
        dass es im Gegenteil wohl eher darum geht, RegierungDr. Pfeiffer, Joachim CDU/CSU 17.03.2011
        zustimmen. Ich habe nicht den Eindruck, dass es der
        SPD und den Grünen mit ihren Anträgen primär darum
        geht, die Sicherheit der Kernkraftwerke zu erhöhen und
        den Ausstieg aus der Kerntechnologie zu beschleunigen.
        Dr. Middelberg, Mathias CDU/CSU 17.03.2011
        Nietan, Dietmar SPD 17.03.2011
        Anlage 1
        Liste der entschuldi
        Abgeordnete(r)
        entschuldigt bis
        einschließlich
        Aigner, Ilse CDU/CSU 17.03.2011
        Bellmann, Veronika CDU/CSU 17.03.2011
        Börnsen (Bönstrup),
        Wolfgang
        CDU/CSU 17.03.2011
        Brinkmann
        (Hildesheim),
        Bernhard
        SPD 17.03.2011
        Bülow, Marco SPD 17.03.2011
        Burchardt, Ulla SPD 17.03.2011
        Dağdelen, Sevim DIE LINKE 17.03.2011
        Dr. Danckert, Peter SPD 17.03.2011
        Dyckmans, Mechthild FDP 17.03.2011
        Ernst, Klaus DIE LINKE 17.03.2011
        Fischbach, Ingrid CDU/CSU 17.03.2011
        Fischer (Karlsruhe-
        Land), Axel E.
        CDU/CSU 17.03.2011*
        Friedhoff, Paul K. FDP 17.03.2011
        Hänsel, Heike DIE LINKE 17.03.2011
        Hempelmann, Rolf SPD 17.03.2011
        Höfken, Ulrike BÜNDNIS 90/
        DIE GRÜNEN
        17.03.2011
        Holmeier, Karl CDU/CSU 17.03.2011
        Kipping, Katja DIE LINKE 17.03.2011
        Koch, Harald DIE LINKE 17.03.2011
        Kossendey, Thomas CDU/CSU 17.03.2011
        Kramme, Anette SPD 17.03.2011
        Kunert, Katrin DIE LINKE 17.03.2011
        Anlagen zum Stenografischen Bericht
        gten Abgeordneten
        * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versamm-
        lung des Europarates
        Anlage 2
        Erklärungen nach § 31 GO
        zur namentlichen Abstimmung über den Ent-
        schließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU
        und der Fraktion der FDP zu der Abgabe einer
        Regierungserklärung durch die Bundeskanzle-
        rin zur aktuellen Lage in Japan (Tagesord-
        nungspunkt 5)
        Ralph Brinkhaus (CDU/CSU): Ausgelöst durch die
        schrecklichen Ereignisse in Japan hat in der CDU/CSU-
        Fraktion ein Prozess der Neubewertung eingesetzt. Die
        im Herbst 2010 beschlossene – von mir nicht mitgetra-
        gene – „Laufzeitverlängerung“ für Kernkraftwerke wird
        infrage gestellt. Ich werde mich dafür einsetzen, dass am
        Ende dieses Prozesses ein wesentlich schnellerer Aus-
        stieg aus der Kernenergie steht – und ich glaube, das
        wird auch gelingen. Deswegen unterstütze ich den Ent-
        schließungsantrag der CDU/CSU-Fraktion, der – und ich
        betrachte das als ersten Schritt – unter anderem eine
        grundlegende Überprüfung der Sicherheit der deutschen
        Kernkraftwerke fordert.
        Ich teile im Übrigen durchaus einige Forderungen aus
        den Entschließungsanträgen von SPD und Grünen. Ich
        werde diesen Entschließungsanträgen allerdings nicht
        Pieper, Cornelia FDP 17.03.2011
        Dr. Schwanholz, Martin SPD 17.03.2011
        Strothmann, Lena CDU/CSU 17.03.2011
        Vogel (Kleinsaara),
        Volkmar
        CDU/CSU 17.03.2011
        Wellmann, Karl-Georg CDU/CSU 17.03.2011
        Werner, Katrin DIE LINKE 17.03.2011
        Zimmermann, Sabine DIE LINKE 17.03.2011
        Abgeordnete(r)
        entschuldigt bis
        einschließlich
        11090 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 96. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. März 2011
        (A) (C)
        (D)(B)
        und Regierungsfraktionen zu beschädigen, obwohl diese
        dabei sind, ihre Entscheidungen aus dem Jahr 2010 zu
        hinterfragen, auf ihre Richtigkeit zu überprüfen und neu
        zu bewerten.
        Ute Granold (CDU/CSU): Meine Zustimmung vom
        November 2010 zur Verlängerung der Restlaufzeiten der
        deutschen Kernkraftwerke als Teil eines umfassenden
        Energiekonzeptes für Deutschland beruhte auf der An-
        nahme, dass dieses Konzept einen alternativlosen Weg in
        das regenerative Zeitalter aufweist, ohne den die Ener-
        gieversorgungssicherheit nicht zu gewährleisten sein
        würde. Dabei war für mich klar, dass der Laufzeitverlän-
        gerung eine Brückenfunktion zukommt. Ein erheblicher
        Teil der zusätzlichen Einnahmen sollte zur Finanzierung
        der Umstellungskosten auf erneuerbare Energien abge-
        schöpft und verwendet werden.
        Zudem war meine Zustimmung an das Junktim ge-
        bunden, dass die Laufzeitverlängerung an eine deutliche
        Erhöhung der Sicherheitsstandards gekoppelt ist, die die
        maximale, nach menschlichem Ermessen mögliche Si-
        cherheit der deutschen Kernkraftwerke sicherstellt. Die
        schrecklichen und unfassbaren Ereignisse in Japan die-
        ser Tage zeigen jedoch, dass es diese Sicherheit im Um-
        gang mit Kernkraft nicht gibt. Das bis vor wenigen Ta-
        gen Undenkbare ist nunmehr Realität geworden. Das
        nicht beherrschbare Restrisiko manifestiert sich in den
        dramatischen und unfassbaren Ereignissen und Bildern,
        deren Zeugen wir nunmehr sind.
        Angesichts der neuen Erkenntnisse wurde jetzt ent-
        schieden, die gesetzliche Verlängerung der Laufzeiten
        für drei Monate auszusetzen und alle vor 1980 in Betrieb
        genommenen Kernkraftwerke vom Netz zu nehmen.
        Diesen Schritt begrüße ich vor dem Hintergrund der real
        gewordenen Bedrohungslage ausdrücklich.
        Dem heutigen Antrag stimme ich zu, weil ich fest
        davon ausgehe, dass der jetzt begonnene Prozess der kri-
        tischen Überprüfung der bestehenden Sicherheitsstan-
        dards im Speziellen und der grundsätzlichen Überprü-
        fung der Kernenergie im Allgemeinen nur zu dem
        Ergebnis führen kann, dass die älteren, vor 1980 in Be-
        trieb genommenen Kernkraftwerke nicht wieder ans
        Netz gehen und jetzt endgültig abgeschaltet werden. Die
        von der Bundesregierung veranlasste umfassende Prü-
        fung aller deutschen Kernkraftwerke darf keine Tabus
        kennen und muss Sicherheitsfragen allerhöchste Priorität
        einräumen.
        Ich erwarte, dass der Antrag, dem ich heute zu-
        stimme, einen Weg einleitet, an dessen Ende ein
        schnellstmöglicher und vollständiger Ausstieg aus der
        Kernkraft in Deutschland steht. Ich appelliere an die
        Bundesregierung, alle denkbaren Anstrengungen einzu-
        leiten, um auch die dann noch verbliebenen Kernkraft-
        werke möglichst schnell vom Netz zu nehmen. Dies be-
        inhaltet eine deutlich verstärkte Förderung regenerativer
        Energien, den notwendigen Ausbau der Energienetze so-
        wie wirksame Energiesparkonzepte. Dieser Weg muss in
        enger Abstimmung mit den europäischen Nachbarstaa-
        ten erfolgen, die ebenfalls von einem umgehenden Aus-
        stieg aus der Atomenergie überzeugt werden müssen. In
        diesem Prozess sollte Deutschland eine Vorreiterrolle
        einnehmen.
        Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) (CDU/
        CSU): Erstens. Ich werde zum Entschließungsantrag auf
        Drucksache 17/5048 mit Enthaltung stimmen.
        Zweitens. Auch bin ich der Meinung, dass die Bun-
        desregierung und der Deutsche Bundestag nach der Na-
        turkatastrophe in Japan nicht zur Tagesordnung überge-
        hen dürfen. Das Leid, das die Menschen in Japan heim-
        gesucht hat, hat auch mich tief bewegt und betroffen ge-
        macht.
        Drittens. Maßnahmen, die die Bundesregierung in Ver-
        antwortung für die Sicherheit der deutschen Bevölkerung
        einleitet, sind aber unter dem Licht des Art. 20 Abs. 3 GG
        daraufhin zu überprüfen, ob es sich um rein administra-
        tive Maßnahmen handelt oder ob sie einer gesetzgeberi-
        schen Begleitung bedürfen. Die Bundesregierung hat
        – was der Antrag begrüßt – in einem Moratorium die
        Aussetzung der Verlängerung der Laufzeiten der Kern-
        kraftwerke in Deutschland verfügt. Ein Moratorium ist
        eine Entscheidung, eine Handlung aufzuschieben oder
        zeitlich zu unterlassen oder aber ein „Abkommen“ vo-
        rübergehend außer Kraft zu setzen. Im Zusammenhang
        mit der Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken kann
        es nur eine Außerkraftsetzung eines Gesetzes bedeuten.
        Dem steht aber Art. 20 Abs. 3 GG entgegen. Gesetze
        können nur durch ein Aufhebungsgesetz des Deutschen
        Bundestages außer Kraft gesetzt werden.
        Viertens. Im Übrigen bedarf es der Aussetzung eines
        atomrechtlichen Gesetzes dann nicht, wenn man – wie
        die Bundesregierung – davon ausgeht, die zur Sicher-
        heitsüberprüfung der Atomkraftwerke notwendigen
        Maßnahmen können auf der Rechtsgrundlage des
        § 19 Abs. 3 Ziffer 3 AtG verfügt werden. Ob über
        § 19 Abs. 2 Ziffer 3 AtG der von der Bundesregierung
        verfolgte Zweck erreichbar ist, scheint allerdings frag-
        lich. Es ist nämlich strikt zwischen Genehmigungs- und
        Aufsichtsverfahren zu differenzieren. Nach Genehmi-
        gungserteilung ist es Aufgabe der Aufsichtsbehörde, dem
        Genehmigungsinhaber etwaige Defizite gegenüber dem
        Gesetz oder den Anforderungen des Genehmigungsbe-
        scheides nachzuweisen. Ob § 19 Abs. 3 Ziffer 3 AtG
        herangezogen werden kann, um ein vorübergehendes Ab-
        schalten von Kernkraftwerken zu verfügen, wenn Grund-
        lage einer Sicherheitsüberprüfung lediglich eine verän-
        derte sicherheitspolitische Betrachtung ist, scheint im
        Übrigen fraglich.
        Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU): Erstens. Ich
        werde dem Entschließungsantrag auf Drucksache 17/5048
        trotz erheblicher Bedenken zustimmen.
        Zweitens. Mit großer Sorge verfolgen wir die kriti-
        sche Lage der betroffenen japanischen Kernkraftwerke.
        Auch wenn in Deutschland so starke Erdbeben wie in Ja-
        pan und Tsunamis unbekannt sind, können wir nicht ein-
        fach zur Tagesordnung übergehen. Besonders, weil es
        sich bei Japan auch um ein Hochtechnologieland mit
        enormen Sicherheitsstandards handelt, müssen wir prü-
        fen, was wir lernen können. Als Konsequenz aus den
        Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 96. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. März 2011 11091
        (A) (C)
        (D)(B)
        Katastrophen in Japan ist es aus meiner Sicht richtig, die
        Sicherheit der deutschen Kernkraftwerke erneut zu über-
        prüfen. Die Aussetzung der Laufzeitverlängerung für
        drei Monate durch die Bundesregierung halte ich aber
        nicht für rechtlich bindend, da es an der Zuständigkeit
        fehlt. Nicht die Bundesregierung hat nach meiner Mei-
        nung hierüber zu entscheiden, sondern das Parlament
        oder im Rahmen der Auftragsverwaltung die Bundeslän-
        der, wenn die Sicherheit nicht mehr gegeben ist. Ich
        kann daher dem Entschließungsantrag von CDU/CSU
        und FDP zwar zustimmen, halte die entsprechenden Pas-
        sagen aber für unbestimmt bzw. ungenau.
        Wir müssen uns nach meiner Meinung vielmehr vor
        dem Hintergrund der Katastrophe in Japan fragen, ob die
        Akzeptanz der Kernenergie in der Bevölkerung derart
        geschwunden ist und die Angst der Menschen derart ge-
        wachsen ist, dass die Kernkraftwerke schneller vom
        Netz genommen werden müssen, als dies derzeit gesetz-
        lich geregelt ist. Ein Parlament muss die Ängste der
        Menschen ernst nehmen. Dies ist aber eine politische
        Entscheidung, die nur vom Parlament getroffen werden
        kann – nicht von Teilen der Bundesregierung und eini-
        gen Ministerpräsidenten.
        Anlage 3
        Erklärung nach § 31 GO
        der Abgeordneten Dr. Dagmar Enkelmann
        (DIE LINKE) zur namentlichen Abstimmung
        über die Nummer 3 des Entschließungsantrags
        der Fraktion der SPD zu der Abgabe einer Re-
        gierungserklärung durch die Bundeskanzlerin
        zur aktuellen Lage in Japan (Tagesordnungs-
        punkt 5)
        Ich werde mich bei Nummer 3 der Stimme enthalten.
        Der Atomkompromiss der rot-grünen Bundesregie-
        rung war die gesetzliche Garantie für die Energiekon-
        zerne, Atomkraftwerke Jahrzehnte weiter betreiben zu
        können. Die Laufzeitverlängerung der Bundesregierung
        hat gezeigt, dass auch diese mit der Atomwirtschaft ver-
        einbarte Regelung zurückgenommen und somit das Aus-
        stiegsszenario umkehrbar gemacht werden konnte. Ein
        konsequenter Ausstieg aus der Atomkraft war das nicht.
        Dieser ist alternativlos. Der Ausstiegszeitraum bis
        zum Ende des Jahrzehnts ist viel zu lang. So ist unter an-
        derem nach Angaben des Präsidenten des Umweltbun-
        desamtes, Jochen Flasbarth, ein kompletter Ausstieg aus
        der Atomenergie bereits deutlich früher umsetzbar. Es ist
        möglich, den Atomausstieg schneller als bis zum Ende
        dieses Jahrzehnts zu vollziehen, ohne dass es zu einem
        vermehrten Einsatz fossiler Energien und einem unso-
        zialen Anstieg der Strompreise kommt.
        Anlage 4
        Erklärung
        des Abgeordneten Dr. Johann Wadephul (CDU/
        CSU) zur namentlichen Abstimmung über den
        Entschließungsantrag der Fraktion BÜND-
        NIS 90/DIE GRÜNEN zu der Abgabe einer Re-
        gierungserklärung durch die Bundeskanzle-
        rin zur aktuellen Lage in Japan (Drucksache
        17/5052) (Tagesordnungspunkt 5)
        Mein Votum lautet: Nein.
        Anlage 5
        Erklärung
        des Abgeordneten Roderich Kiesewetter (CDU/
        CSU) zur namentlichen Abstimmung über den
        Entschließungsantrag der Fraktion BÜND-
        NIS 90/DIE GRÜNEN zu der Abgabe einer Re-
        gierungserklärung durch die Bundeskanzlerin zur
        aktuellen Lage in Japan (Drucksache 17/5052)
        (Tagesordnungspunkt 5)
        Mein Name erscheint nicht in der Abstimmungsliste.
        Mein Votum lautet: Nein.
        Anlage 6
        Erklärung nach § 31 GO
        der Abgeordneten Petra Hinz (Essen) (SPD) zur
        namentlichen Abstimmung über die Beschluss-
        empfehlung: Gegen Armut und soziale Aus-
        grenzung – Soziale Fortschrittsklausel in das
        EU-Vertragswerk aufnehmen (Tagesordnungs-
        punkt 33 e)
        Ich stimme für die Beschlussempfehlung und damit
        gegen den Antrag der Linken.
        Die Verankerung einer sozialen Fortschrittsklausel in
        den Europäischen Verträgen ist unsere sozialdemokrati-
        sche Idee und wird schon lange von der SPD unterstützt.
        Das Präsidium der SPD hat am 14. März 2011 beschlos-
        sen:
        Darüber hinaus bedarf die Stabilitätsstrategie in Eu-
        ropa zwingend einer starken sozialen Dimension …
        Damit verbinden wir folgende konkrete Forderun-
        gen: … eine soziale Fortschrittsklausel, die mög-
        lichst im europäischen Primärrecht verankert ist
        und festschreibt, dass die ökonomischen Grundfrei-
        heiten des europäischen Binnenmarktes keinen Vor-
        rang vor sozialen Grundrechten haben.
        Wir Sozialdemokraten haben 2009 gemeinsam mit
        dem DGB eine Stellungnahme „SPD und Gewerkschaf-
        ten – Gemeinsam für sozialen Fortschritt in Europa“ ver-
        abschiedet. Damit sind wir Urheber dieser Forderung
        und haben auf dem Weg dahin schon einiges erreicht.
        So haben wir mit dem Vertrag von Lissabon bereits
        soziale Grundrechte verankern können. Außerdem gibt
        es eine soziale Querschnittsklausel (Art. 9 AEUV), dem-
        zufolge die Europäische Union „bei der Festlegung und
        Durchführung ihrer Politik und ihrer Maßnahmen … den
        Erfordernissen in Zusammenhang mit der Förderung ei-
        nes hohen Beschäftigungsniveaus, mit der Gewährleis-
        tung eines angemessenen sozialen Schutzes, mit der Be-
        11092 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 96. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. März 2011
        (A) (C)
        (D)(B)
        kämpfung der sozialen Ausgrenzung sowie mit einem
        hohen Niveau der allgemeinen und beruflichen Bildung
        und des Gesundheitsschutzes Rechnung“ trägt. Damit ist
        festgelegt, dass die EU sich an Ziele des sozialen Fort-
        schritts bindet und sozialen Fortschritt als Ziel formuliert
        hat.
        Darüber hinaus fordern wir, die Sozialdemokraten,
        jetzt, dass eine soziale Fortschrittsklausel in den Lissa-
        bon-Vertrag eingefügt wird, da Art. 136 des Vertrages
        wegen des Europäischen Stabilitätsmechanismus ohne-
        hin verändert werden muss. Die SPD beteiligt sich – in
        enger Abstimmung mit den Gewerkschaften – auch wei-
        ter konstruktiv an der Debatte um ein soziales Europa.
        Den Antrag der Linken lehne ich ab, insbesondere
        wegen der überzogenen Kritik an der Rechtsprechung
        des Europäischen Gerichtshofes und der ideologischen
        Kritik am Lissabon-Vertrag. Ebenso lehne ich die Forde-
        rung der Linken ab, zukünftige Beitritte von der Auf-
        nahme der sozialen Fortschrittsklausel in die EU-Ver-
        träge abhängig zu machen.
        Deshalb stimme ich in der namentlichen Abstimmung
        für die Beschlussempfehlung des EU-Ausschusses.
        Anlage 7
        Erklärung nach § 31 GO
        der Abgeordneten Daniela Kolbe (Leipzig) und
        Rüdiger Veit (beide SPD) zur namentlichen Ab-
        stimmung über die Beschlussempfehlung: Ge-
        gen Armut und soziale Ausgrenzung – Soziale
        Fortschrittsklausel in das EU-Vertragswerk
        aufnehmen (Tagesordnungspunkt 33 e)
        Wir unterstützen grundsätzlich die Verankerung einer
        sozialen Fortschrittsklausel in den Europäischen Verträ-
        gen. Sie ist eine sozialdemokratische Idee und wird
        schon lange von der SPD unterstützt. Zuletzt hat das Prä-
        sidium der SPD am 14. März 2011 beschlossen:
        Darüber hinaus bedarf die Stabilitätsstrategie in Eu-
        ropa zwingend einer starken sozialen Dimension …
        Damit verbinden wir folgende konkrete Forderun-
        gen: … eine soziale Fortschrittsklausel, die mög-
        lichst im europäischen Primärrecht verankert ist
        und festschreibt, dass die ökonomischen Grundfrei-
        heiten des europäischen Binnenmarktes keinen Vor-
        rang vor sozialen Grundrechten haben.
        Die SPD hat 2009 gemeinsam mit dem DGB eine
        Stellungnahme „SPD und Gewerkschaften – Gemeinsam
        für sozialen Fortschritt in Europa“ verabschiedet. Sie ist
        Urheberin dieser Forderung und hat auf dem Weg dahin
        schon einiges erreicht.
        Schon mit dem Vertrag von Lissabon wurden bereits
        soziale Grundrechte verankert. Außerdem gibt es eine so-
        ziale Querschnittsklausel (Art. 9 AEUV), derzufolge die
        Europäische Union „bei der Festlegung und Durchfüh-
        rung ihrer Politik und ihrer Maßnahmen … den Erforder-
        nissen in Zusammenhang mit der Förderung eines hohen
        Beschäftigungsniveaus, mit der Gewährleistung eines an-
        gemessenen sozialen Schutzes, mit der Bekämpfung der
        sozialen Ausgrenzung sowie mit einem hohen Niveau der
        allgemeinen und beruflichen Bildung und des Gesund-
        heitsschutzes Rechnung“ trägt. Damit ist festgelegt, dass
        die EU sich an Ziele des sozialen Fortschritts bindet und
        sozialen Fortschritt als Ziel formuliert hat.
        Darüber hinaus fordert die SPD jetzt, dass eine so-
        ziale Fortschrittsklausel in den Lissabon-Vertrag einge-
        fügt wird, da Art. 136 des Vertrages wegen des Europäi-
        schen Stabilitätsmechanismus ohnehin verändert werden
        muss. Die SPD beteiligt sich – in enger Abstimmung mit
        den Gewerkschaften – auch weiter konstruktiv an der
        Debatte um ein soziales Europa.
        Den Antrag der Linken lehnen wir ab, weil er die For-
        derung enthält, zukünftige Beitritte von der Aufnahme
        der sozialen Fortschrittsklausel in die EU-Verträge ab-
        hängig zu machen. Diese Forderung können wir nicht
        teilen.
        Anlage 8
        Erklärung nach § 31 GO
        der Abgeordneten Manuel Sarrazin, Beate
        Müller-Gemmeke und Hans-Christian Ströbele
        (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur nament-
        lichen Abstimmung über die Beschlussempfeh-
        lung: Gegen Armut und soziale Ausgrenzung –
        Soziale Fortschrittsklausel in das EU-Vertrags-
        werk aufnehmen (Tagesordnungspunkt 33 e)
        Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs
        in den Jahren 2007 und 2008, insbesondere in den Sa-
        chen Viking Line, Laval, Rüffert und Luxemburg, hat
        den sozialen Grundrechten geschadet und zu einem Un-
        gleichgewicht gegenüber den Grundfreiheiten des Mark-
        tes geführt. Daher ist es notwendig, die Balance wieder-
        herzustellen und sozialen Grundrechten mehr Gewicht
        zu geben. Wir unterstützen daher die Forderung, eine so-
        ziale Fortschrittsklausel in die Verträge der Europäi-
        schen Union aufzunehmen.
        Die konkrete Formulierung des Europäischen Ge-
        werkschaftsbundes, auf die sich der Antrag bezieht, ist
        ein begrüßenswerter Denkanstoß, kann von uns in dieser
        Form aber nicht mitgetragen werden. Der Vorschlag sta-
        tuiert einen generellen Vorrang der sozialen Grundrechte
        innerhalb der Europäischen Verträge. Dies bedeutet, dass
        soziale Grundrechte Vorrang gegenüber allen anderen in
        den Verträgen enthaltenen Normen, sogar denen in der
        Grundrechtecharta der Europäischen Union, bekommen
        sollen. Für uns sind soziale Grundrechte und die Grund-
        und Menschenrechte wichtig.
        Zudem statuiert der Vorschlag eine Anweisung an Ge-
        richte, auch in einer Abwägung verschiedener Grund-
        rechtsnormen immer zugunsten der sozialen Grund-
        rechte zu entscheiden. Das widerspricht unserem
        Grundrechtsverständnis, weil aus unserer Sicht eine
        durch die Gerichte im Einzelfall unabhängige Abwä-
        gung von Grundrechten geboten ist.
        Wir befürworten eine soziale Fortschrittsklausel, die
        die sozialen Grundrechte gegenüber den Grundfreiheiten
        Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 96. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. März 2011 11093
        (A) (C)
        (D)(B)
        des Marktes stärkt. Eine soziale Fortschrittsklausel, die
        allerdings generell Vorrang genießt, bewegt sich nicht
        im Grünen-Rechtsverständnis. Dem Antrag in dieser
        Form können wir nicht zustimmen. Weil auch wir eine
        soziale Fortschrittsklausel unterstützen, werden wir uns
        enthalten.
        Anlage 9
        Erklärungen nach § 31 GO
        der Abgeordneten Elvira Drobinski-Weiß, Heinz
        Paula, Petra Crone und Kerstin Tack (alle SPD)
        zur namentlichen Abstimmung über die Be-
        schlussempfehlung: Gegen Armut und soziale
        Ausgrenzung – Soziale Fortschrittsklausel in
        das EU-Vertragswerk aufnehmen (Tagesord-
        nungspunkt 33 e)
        Die Verankerung einer sozialen Fortschrittsklausel in
        den Europäischen Verträgen ist eine sozialdemokratische
        Idee und wird schon lange von der SPD unterstützt. Zu-
        letzt hat das Präsidium der SPD am 14. März 2011 be-
        schlossen:
        Darüber hinaus bedarf die Stabilitätsstrategie in Eu-
        ropa zwingend einer starken sozialen Dimension ...
        Damit verbinden wir folgende konkrete Forderun-
        gen: ... eine soziale Fortschrittsklausel, die mög-
        lichst im europäischen Primärrecht verankert ist
        und festschreibt, dass die ökonomischen Grundfrei-
        heiten des europäischen Binnenmarktes keinen Vor-
        rang vor sozialen Grundrechten haben.
        Wir haben 2009 gemeinsam mit dem DGB eine Stel-
        lungnahme „SPD und Gewerkschaften – Gemeinsam für
        sozialen Fortschritt in Europa“ verabschiedet.
        So hat die SPD mit dem Vertrag von Lissabon bereits
        soziale Grundrechte verankern können. Außerdem gibt es
        eine soziale Querschnittsklausel (Art. 9 AEUV), der zu-
        folge die Europäische Union „bei der Festlegung und
        Durchführung ihrer Politik und ihrer Maßnahmen … den
        Erfordernissen in Zusammenhang mit der Förderung eines
        hohen Beschäftigungsniveaus, mit der Gewährleistung ei-
        nes angemessenen sozialen Schutzes, mit der Bekämpfung
        der sozialen Ausgrenzung sowie mit einem hohen Niveau
        der allgemeinen und beruflichen Bildung und des Ge-
        sundheitsschutzes Rechnung“ trägt. Damit ist festgelegt,
        dass die EU sich an Ziele des sozialen Fortschritts bindet
        und sozialen Fortschritt als Ziel formuliert hat.
        Darüber hinaus fordert die SPD jetzt, dass eine so-
        ziale Fortschrittsklausel in den Lissabon-Vertrag einge-
        fügt wird, da Art. 36 des Vertrages wegen des Europäi-
        schen Stabilitätsmechanismus ohnehin verändert werden
        muss. Die SPD beteiligt sich – in enger Abstimmung mit
        den Gewerkschaften – auch weiter konstruktiv an der
        Debatte um ein soziales Europa.
        Den Antrag der Linken lehnen wir ab, insbesondere
        wegen der überzogenen Kritik an der Rechtsprechung
        des Europäischen Gerichtshofes und der ideologischen
        Kritik am Lissabon-Vertrag. Wir lehnen auch die Forde-
        rung der Linken ab, zukünftige Beitritte von der Auf-
        nahme der sozialen Fortschrittsklausel in die EU-Ver-
        träge abhängig zu machen.
        Anlage 10
        Erklärung nach § 31 GO
        der Abgeordneten Sibylle Laurischk (FDP) zur
        Abstimmung über den Entwurfs eines Gesetzes
        zur Bekämpfung der Zwangsheirat und zum
        besseren Schutz der Opfer von Zwangsheirat
        sowie zur Änderung weiterer aufenthalts- und
        asylrechtlicher Vorschriften (Tagesordnungs-
        punkt 9 a)
        Im Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Bekämp-
        fung der Zwangsheirat und zum besseren Schutz der Op-
        fer von Zwangsheirat sowie zur Änderung weiterer auf-
        enthaltsrechtlicher und asylrechtlicher Vorschriften ist
        vorgesehen, die Mindestbestandszeit einer Ehe zur Be-
        gründung eines eigenständigen Aufenthaltsrechts, von
        zwei auf drei Jahre zu erhöhen. In der Begründung des
        Gesetzentwurfs wird dazu ausgeführt, dass Wahrneh-
        mungen aus der ausländerrechtlichen Praxis darauf hin-
        deuten, dass durch die im Jahr 2000 vorgenommene Ver-
        kürzung der Ehebestandszeit von vier auf zwei Jahren
        der Anreiz für ausschließlich zum Zwecke der Erlan-
        gung eines Aufenthaltstitels beabsichtigte Eheschließun-
        gen gesteigert worden sei. Durch die Erhöhung der Ehe-
        bestandszeit auf drei Jahre würde der Anreiz für die
        Eingehung einer Scheinehe verringert und durch die Ver-
        längerung des Zeitraums gleichzeitig die Wahrschein-
        lichkeit der Aufdeckung einer Scheinehe vor Entstehung
        eines eigenständigen Aufenthaltsrechts erhöht.
        Der Gesetzentwurf der Bundesregierung hat die Ziel-
        setzung, Opfer von Zwangsheirat besser zu schützen.
        Die Erhöhung der Ehebestandszeit steht meines Erach-
        tens dazu im Widerspruch. Die Gefahr, die Abhängigkeit
        der Opfer von Zwangsheirat von ihren Ehepartnern zu
        erhöhen, überwiegt gegenüber den Vorteilen, die mit der
        Regelung zur Verhinderung von Scheinehen angestrebt
        wird. Je länger die aufenthaltsrechtliche Abhängigkeit
        der zwangsverheirateten Frauen vom Bestand der Ehe
        andauert, umso länger sind diese Frauen gezwungen, in
        einer von Gewalt geprägten Lebenssituation gegen ihren
        Willen auszuharren.
        Die bereits bestehende Härtefallregelung des § 31
        Abs. 2 AufenthG, wonach von der zwei- bzw. nun vorge-
        sehenen dreijährigen Frist abgewichen werden kann,
        greift in der Praxis aufgrund von Beweisschwierigkeiten
        in vielen Fällen nicht. Die Zwangsehe stellt zwar einen
        Umstand dar, der eine besondere Härte im Sinne dieser
        Vorschrift begründen kann. Die hohen Anforderungen an
        den Nachweis der Zwangslage lässt hingegen viele
        Frauen davor zurückschrecken, eine Trennung vor Ab-
        lauf der Mindestehebestandszeit vorzunehmen. Auch
        durch den Änderungsantrag der Fraktionen CDU/CSU
        und FDP (Ausschussdrucksache 17 (4) 205) hat sich in
        Bezug auf die Beweislast keine Verbesserung der Situa-
        tion der betroffenen Frauen ergeben. Zwar wird durch
        11094 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 96. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. März 2011
        (A) (C)
        (D)(B)
        die Ergänzung von § 31 Absatz 2 Satz 2 AufenthG um
        einen weiteren Halbsatz nunmehr ausdrücklich erwähnt,
        dass die Unzumutbarkeit des Festhaltens an der eheli-
        chen Lebensgemeinschaft insbesondere dann anzuneh-
        men ist, wenn der Ehegatte Opfer häuslicher Gewalt
        durch den stammberechtigten Ausländer ist. Dies bringt
        jedoch in der Praxis keine Beweiserleichterung für die
        zwangsverheirateten Frauen mit sich.
        Die Verlängerung der für das eigenständige Aufent-
        haltsrecht erforderlichen Frist von zwei auf drei Jahre
        würde daher die Situation der Betroffenen insgesamt
        verschlechtern, den Druck auf sie erhöhen und ihre Lei-
        denszeit verlängern. In diesem Zusammenhang möchte
        ich auch darauf verweisen, dass der UN-Frauenrechts-
        ausschuss CEDAW im Jahr 2004 ausdrücklich die
        Herabsetzung der Ehebestandsdauer auf zwei Jahre lo-
        bend hervorgehoben hat. Eine erneute Anhebung der
        Ehebestandsdauer bedeutet im Umkehrschluss einen
        Rückschritt in der Verwirklichung des Menschenrechts
        von Frauen auf ein Leben frei von Gewalt.
        Im Koalitionsvertrag ist im Kapitel „Integration und
        Zuwanderung“ ein Prüfauftrag bezüglich aller Maßnah-
        men zur Verhinderung von Scheinehen, wie zum Bei-
        spiel die Verlängerung der Ehebestandszeit von zwei auf
        drei Jahre, formuliert. Eine Prüfung der im Gesetzent-
        wurf nunmehr vorgesehenen Erhöhung der Ehebestands-
        zeit ist meines Erachtens nicht erfolgt.
        Im Rahmen der heutigen Abstimmung zum Gesetz-
        entwurf der Bundesregierung zur Bekämpfung der
        Zwangsheirat und zum besseren Schutz der Opfer von
        Zwangsheirat sowie zur Änderung weiterer aufenthalts-
        rechtlicher und asylrechtlicher Vorschriften werde ich
        daher mit „Nein“ stimmen.
        Auch die geplante Änderung des § 37 AufenthG sehe
        ich kritisch. Grundsätzlich begrüße ich zwar die Anpas-
        sung von § 37 Abs. 2 AufenthG, da die Regelung eine
        Besserstellung der Opfer von Zwangsheiraten im Aus-
        land vorsieht. Allerdings wird von der beabsichtigten
        Neuregelung lediglich ein kleiner Personenkreis begüns-
        tigt.
        Mit Einfügung des § 37 Abs. 2 a AufenthG wird sol-
        chen Personen ein Rechtsanspruch auf Rückkehr nach
        Deutschland eingeräumt, die rechtswidrig mit Gewalt
        oder Drohung mit einem empfindlichen Übel zur Einge-
        hung der Ehe genötigt und von der Rückkehr nach
        Deutschland abgehalten werden, wenn sie sich vor ihrem
        Auslandsaufenthalt als Minderjährige mindestens acht
        Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten haben so-
        wie sechs Jahre eine Schule besucht haben und den An-
        trag auf Rückkehr innerhalb von drei Monaten nach
        Wegfall der Zwangslage, spätestens jedoch vor Ablauf
        von zehn Jahren seit der Ausreise, gestellt haben. Unab-
        hängig von der Dauer des Aufenthalts in Deutschland
        kann solchen Personen die Rückkehr nach Deutschland
        gewährt werden, die rechtswidrig mit Gewalt oder Dro-
        hung mit einem empfindlichen Übel zur Eingehung der
        Ehe genötigt und von der Rückkehr nach Deutschland
        abgehalten werden, wenn der Antrag auf Rückkehr in-
        nerhalb von drei Monaten nach Wegfall der Zwangslage,
        spätestens jedoch vor Ablauf von fünf Jahren seit der
        Ausreise gestellt wird und eine positive Integrationspro-
        gnose abgegeben werden kann.
        Als problematisch erachte ich, dass den Opfern von
        Zwangsheirat, die die oben genannten Voraussetzungen
        eines achtjährigen Deutschland-Aufenthalts sowie eines
        sechsjährigen Schulbesuches in Deutschland nicht erfül-
        len, kein Rechtsanspruch auf Rückkehr zusteht. Der Ge-
        setzentwurf eröffnet den Behörden einen Ermessens-
        spielraum. Die Opfer können somit nicht sicher davon
        ausgehen, dass ihnen bei Erfüllung der im Gesetz nor-
        mierten Voraussetzungen auch tatsächlich ein Rückkehr-
        recht zugestanden wird. Dies führt bei den Betroffenen
        zu weiteren Unsicherheiten. Daher lehne ich auch die
        geplante Einfügung des § 37 Abs. 2 a AufenthG im Er-
        gebnis ab, da die Regelung meines Erachtens nicht weit
        genug geht und sie in der Praxis kaum tatsächliche Rele-
        vanz aufweist.
        Anlage 11
        Erklärung nach § 31 GO
        der Abgeordneten Frank Schäffler (FDP) und
        Klaus-Peter Willsch (CDU/CSU) zur Abstim-
        mung über die Beschlussempfehlung zu dem
        Antrag:
        Einvernehmensherstellung von Bundestag und
        Bundesregierung zur Ergänzung von Artikel 136
        des Vertrages über die Arbeitsweise der Euro-
        päischen Union (AEUV) hinsichtlich der Ein-
        richtung eines Europäischen Stabilitätsmecha-
        nismus (ESM)
        hier: Stellungnahme des Deutschen Bundesta-
        ges nach Artikel 23 Absatz 3 Grundge-
        setz i. V. m. § 10 des Gesetzes über die
        Zusammenarbeit von Bundesregierung
        und Deutschem Bundestag in Angele-
        genheiten der Europäische Union (Ta-
        gesordnungspunkt 11)
        Der von der Bundesregierung am 11. März 2011 in
        Brüssel eingeschlagene Weg zur „Änderung des Vertra-
        ges über die Arbeitsweise der Europäischen Union hin-
        sichtlich eines Stabilitätsmechanismus für die Mitglied-
        staaten, deren Währung der Euro ist – Ratsdok. 17620/10
        (EUCO 30/10, Anlage I) –“ ist der Weg zur Ausweitung
        des bestehenden Euro-Rettungsschirms, die der Deut-
        sche Bundestag nie wollte, ist der Weg zur unbefristeten
        Verlängerung des Euro-Rettungsschirms, die der Deut-
        sche Bundestag nie wollte, ist der Weg zur qualitativen
        Veränderung der Europäischen Wirtschaftsverfassung,
        die der Deutsche Bundestag nie wollte.
        Alle drei Wege sind und bleiben falsche Wege. Denn
        es ist nach wie vor richtig, was unsere Frau Bundeskanz-
        lerin in ihrer Regierungserklärung am 27. Oktober 2010
        bezüglich des derzeitigen Rettungsschirms klargestellt
        hatte:
        Er läuft 2013 aus. Das haben wir auch genau so ge-
        wollt und beschlossen. Eine einfache Verlängerung
        kann und wird es mit Deutschland nicht geben, weil
        Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 96. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. März 2011 11095
        (A) (C)
        (D)(B)
        der Rettungsschirm nicht als langfristiges Instru-
        ment taugt, weil er Märkten und Mitgliedstaaten
        falsche Signale sendet und weil er eine gefährliche
        Erwartungshaltung fördert. Er fördert die Erwar-
        tungshaltung, dass Deutschland und andere Mit-
        gliedstaaten und damit auch die Steuerzahler dieser
        Länder im Krisenfall schon irgendwie einspringen
        und das Risiko der Anleger übernehmen können.
        Diese Worte sind nach wie vor richtig. Die Lage hat
        sich nicht geändert. Offensichtlich wird jedoch, dass im
        Mai 2010 der politisch falscheste Satz des noch jungen
        21. Jahrhunderts im Deutschen Bundestag gesprochen
        worden ist: „Scheitert der Euro, dann scheitert Europa!“
        Flankiert vom Wort des Jahres 2010 „alternativlos“
        darf seitdem niemand mehr öffentlich über Alternativen
        zum 750-Milliarden-Rettungsschirm nachdenken. Und
        wird der Rettungsschirm beim EU-Gipfel der Staats- und
        Regierungschefs am 24. und 25. März nicht verewigt,
        dann „Scheitert der Euro und scheitert Europa!“
        Welches Europa da gerade scheitert, wird indes nicht
        hinterfragt, denn es könnte auffallen, dass es das Europa
        der Planwirtschaftler und Bürokraten ist.
        Die Alternativlosigkeit verbietet, über die Ziele einer
        liberalen Europapolitik nachzudenken, über Rechtsstaat-
        lichkeit in Europa, über den Schutz der individuellen
        Freiheit, über eine freiheitliche Wirtschaftsverfassung,
        denn: „Scheitert der Euro, dann scheitert Europa!“
        Wir dürfen natürlich auch nicht darauf hinweisen,
        dass wir am 21. Mai 2010 im Deutschen Bundestag zwei
        Drittel des Steueraufkommens des Bundes für die Staats-
        schulden anderer Länder verpfändet haben und dass dies
        ohne einen Parlamentsvorbehalt und ohne eine rechtli-
        che Grundlage in den europäischen Verträgen vom Deut-
        schen Bundestag durchgewunken wurde.
        Noch im Jahr 2009 hat das Bundesverfassungsgericht
        in seinem Lissabon-Urteil das Budgetrecht des Parla-
        ments zum Kernbereich demokratischen Lebens gezählt.
        Sowohl das Demokratieprinzip als auch das Wahlrecht
        seien verletzt, wenn die Festlegung über die Art und
        Höhe der den Bürger betreffenden Abgaben in wesentli-
        chem Umfang supranationalisiert würde.
        Wir dürfen nicht aussprechen, dass der Deutsche
        Bundestag bei der nunmehr geplanten „Verstetigung“
        des Euro-Rettungsschirms sein Königsrecht der freien
        Haushaltsplanung und -verabschiedung verliert. Wir
        dürfen nicht beklagen, dass wir als Bundestagsabgeord-
        nete unserer eigenen Entmachtung zustimmen sollen.
        Nein! Nein! Nein! Gute Europäer müssen wir sein!
        Wir dürfen nicht laut darüber nachdenken, dass das
        heutige Europa auf dem Weg in die monetäre Planwirt-
        schaft und den politischen Zentralismus ist und dass Plan-
        wirtschaft und das Brechen der Europäischen Verträge
        nicht alternativlos sind. Wir dürfen die Hauptursachen
        der Überschuldungskrise unserer Staaten und Banken na-
        türlich nicht benennen: die Geld- und Kreditschöpfung
        aus dem Nichts und die Möglichkeit, staatliches unge-
        decktes Zwangspapiergeld unbegrenzt vermehren zu
        können. Dass ohne diese Alchemie des Geldes kein welt-
        weites Schneeballsystem aus ungedeckten zukünftigen
        Zahlungsverpflichtungen hätte entstehen können, dürfen
        wir natürlich auch nicht sagen. Es könnte ja erkannt wer-
        den, dass dieses Schneeballsystem nur möglich ist, weil
        der Staat aus Gründen der leichteren Finanzierung von
        Staatsausgaben den Banken Privilegien verliehen hat, die
        gegen die Grundprinzipien jeder marktwirtschaftlichen
        Ordnung verstoßen.
        Und es ist natürlich eine Beleidigung des heutigen Es-
        tablishments, wenn man deutlich macht, dass dieses
        Geldsystem fast zwangsläufig zur Überschuldung von
        Staaten und Banken führt, die sich in diesem Prozess ge-
        genseitig decken, stützen und erpressen. Die Erpressung
        lautet: Werden die Zahlungen für uns eingestellt, fällt
        das gesamte Finanzsystem zusammen.
        Ein Europa des Rechts, des Wettbewerbs und der
        Marktwirtschaft muss die Antwort auf diese Vertrauens-
        krise sein. Regeln, die gemeinsam vereinbart wurden,
        müssen eingehalten und von der EU-Kommission als
        Hüterin des Rechts durchgesetzt werden. Nicht planwirt-
        schaftliche Gleichmacherei durch Bürokraten einer
        Wirtschaftsregierung oder einen „Pakt für Wettbewerbs-
        fähigkeit“, sondern mehr Wettbewerb als Entdeckungs-
        verfahren, als Entmachtungsinstrument und faktische
        Schuldenbremse müssen zugelassen werden. Und
        schließlich ist eine marktwirtschaftliche Geldordnung
        vonnöten, die der EZB nicht weiter erlaubt, den Zins und
        damit den Preis für Güter und Dienstleistungen beliebig
        zu manipulieren und damit die marktwirtschaftliche
        Ordnung zu zerstören.
        Dieser Dreiklang ist die Alternative zur Alternativlo-
        sigkeit. Denn sonst behalten die recht, die behaupten:
        „Scheitert der Euro, dann scheitert Europa.“
        Anlage 12
        Zu Protokoll gegebenen Reden
        zur Beratung des Entwurfs eines Zweiten Ge-
        setzes zur Änderung des Europäische-Betriebs-
        räte-Gesetzes – Umsetzung der Richtlinie 2009/
        38/EG über Europäische Betriebsräte (2. EBRG-
        ÄndG) (Tagesordnungspunkt 17)
        Dr. Johann Wadephul (CDU/CSU): Mit dem Euro-
        päischen Binnenmarkt und der Währungsunion haben
        viele Unternehmen ihre Strategien grenzüberschreitend
        ausgerichtet, Planungen und Standortentscheidungen be-
        trachten Europa als einen einheitlichen Wirtschaftsraum.
        Dagegen enden die Möglichkeiten der deutschen Be-
        triebsverfassung nach wie vor an der Landesgrenze. Um
        diese Lücke zu schließen, wurde 1994 die EU-Richtlinie
        über die Einsetzung eines Europäischen Betriebsrates
        verabschiedet. Seit 1996 gibt es auch ein entsprechendes
        deutsches EBR-Gesetz. Das Europäische Parlament hat
        im Dezember 2008 einen Richtlinienentwurf zur Neufas-
        sung der Europäischen-Betriebsräte-Richtlinie 94/95/EG
        gebilligt, mit dem die Kommission das Verfahren zur
        Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmerinnen
        11096 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 96. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. März 2011
        (A) (C)
        (D)(B)
        und Arbeitnehmer über Europäische Betriebsräte verbes-
        sern will.
        Ich begrüße es ausdrücklich, dass sich die Sozialpart-
        ner auf europäischer Ebene nach jahrelangen Auseinan-
        dersetzungen im Sommer 2008 dann auf einen gemeinsa-
        men Richtlinienentwurf geeinigt haben. Das war eine
        schwierige Geburt. Denn nach einer ersten Konsultation
        der Sozialpartner im April 2004 und einer zweiten im Jahr
        2007 scheiterte im Frühjahr 2008 die angestrebte Eini-
        gung zunächst. Erst auf Drängen des Europäischen Parla-
        ments entschloss sich die Kommission, einen eigenen
        Entwurf zur Revision der Europäischen-Betriebsräte-
        Richtlinie vorzulegen. Der dann erzielte Durchbruch ist
        deshalb besonders erfreulich und ein wichtiges Signal,
        weil sich die bestehenden Europäischen Betriebsräte –
        ungeachtet gewisser Probleme im Detail – bewährt haben.
        Als Gremium zur Unterrichtung und Anhörung der
        Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in grenzüber-
        schreitend tätigen Unternehmen spielt er auch vor dem
        Hintergrund der sozialen Dimension in Europa eine
        wichtige Rolle. Er ist kein Betriebsrat im Sinne der deut-
        schen Betriebsverfassung, insbesondere verfügt er über
        keine Mitbestimmungsrechte. Seine Aufgabe ist eher mit
        einem Wirtschaftsausschuss vergleichbar. Er soll die Un-
        terrichtung und Anhörung der Arbeitnehmerinnen und
        Arbeitnehmer auch dann sicherstellen, wenn sie von
        Entscheidungen betroffen werden, die außerhalb ihres
        Mitgliedstaates gefasst werden, in dem sie beschäftigt
        sind. Gebildet werden kann er in Unternehmen, die in
        den Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder des
        Europäischen Wirtschaftsraumes mindestens 1 000 Ar-
        beitnehmer beschäftigen, davon mindestens jeweils
        150 Arbeitnehmer in zwei verschiedenen Mitgliedstaa-
        ten. Deutschland gehört in Europa noch vor Großbritan-
        nien, Frankreich, Schweden und den Niederlanden zu
        den Mitgliedstaaten, in denen am häufigsten ein Euro-
        päischer Betriebsrat gegründet wird.
        Mit der nun von der Bundesregierung vorgelegten No-
        velle des Europäischen-Betriebsräte-Gesetzes soll die
        neue EU-Richtlinie über Europäische Betriebsräte eins zu
        eins in nationales Recht umgesetzt werden. Dies ist auch
        im Sinne der Rechtssicherheit zu begrüßen. Damit wird
        das Recht auf Unterrichtung und Anhörung der Arbeit-
        nehmer in gemeinschaftsweit tätigen Unternehmen und
        Unternehmensgruppen weiter gestärkt. Zu den wesentli-
        chen Änderungen gehören die erweiterte Definition der
        Begriffe Unterrichtung und Anhörung, die Anerkennung
        der Rolle der Gewerkschaften als Sachverständige zur
        „Unterstützung der Verhandlungen des besonderen Ver-
        handlungsgremiums“ sowie die Regelungen für erforder-
        liche Schulungen von Mitgliedern dieses Gremiums und
        des Europäischen Betriebsrates. Die wichtigste Neuerung
        stellt die Neuverhandlungspflicht bestehender Vereinba-
        rungen bei strukturellen Änderungen des Unternehmens
        oder der Unternehmensgruppe dar.
        Die europäischen Sozialpartner sind ihrer Verantwor-
        tung zum sozialen Dialog in vorbildhafter Weise gerecht
        geworden. Das zeigen die beeindruckenden Kompro-
        misse über die gemeinsamen Flexicurity-Grundsätze und
        über die Überarbeitung der Richtlinie über Europäische
        Betriebsräte. Es stimmt auch positiv, dass sich die Kom-
        mission bei der Europäischen-Betriebsräte-Richtlinie in
        Selbstbeschränkung geübt und das Subsidiaritätsprinzip
        gewahrt hat.
        Josip Juratovic (SPD): Als früherer Betriebsrat bei
        Audi war auch ich mit dem Problem konfrontiert, dass
        unser Unternehmen europaweit agierte. Für mich stellte
        sich die Frage: Wie können wir Mitarbeiter mithalten,
        wenn ein Unternehmen über die Grenzen hinweg organi-
        siert ist? Wie organisieren wir dann die Mitbestimmung?
        Zum Glück gibt es seit 1994 die EU-Richtlinie über Eu-
        ropäische Betriebsräte. Es ist wichtig, dass Arbeitneh-
        mer europaweit organisiert sind, wenn die Unternehmen
        staatenübergreifend aufgestellt sind. Wir brauchen Mit-
        bestimmung auf Augenhöhe. Das geht nur, wenn Ge-
        werkschaften und Unternehmen beide transnational or-
        ganisiert sind. In einer globalisierten Welt ist es nicht
        möglich, nur nationale Mitbestimmung zu haben, ohne
        die Mitbestimmung auf EU-Ebene zu stärken. Es reicht
        nicht, wenn wir die deutsche Mitbestimmung in Sonn-
        tagsreden loben, wie die Kanzlerin es tut, und auf EU-
        Ebene untätig bleiben.
        Es gibt keine Alternative zu einer europaweiten Aus-
        weitung der Mitbestimmung. In einigen Unternehmen,
        wie beispielsweise bei EADS, funktionieren die Europäi-
        schen Betriebsräte sehr gut. EADS ist erfolgreich, und
        die Mitbestimmung ist ein Grund dafür. Denn unser
        Wohlstand baut auf zwei Säulen auf: Zum einen sind
        dies erfolgreiche und innovative Unternehmer, zum an-
        deren sind dies die unzähligen Arbeitnehmer, die für den
        Erfolg ihres Unternehmens arbeiten. Wenn diese Arbeit-
        nehmer an den Entscheidungen beteiligt werden und
        wenn es funktionierende Betriebsräte gibt, sind die Un-
        ternehmen erfolgreicher. Das zeigen zahlreiche Studien.
        Denn in Betrieben mit Mitbestimmung setzen sich die
        Arbeitnehmer stärker für den Erfolg ihres Unternehmens
        ein, mit dem sie sich verbunden fühlen. Deswegen ist es
        für unseren Wohlstand so wichtig, dass Europäische Be-
        triebsräte gut funktionieren.
        Aber die Werksverlagerung von Nokia in Bochum hat
        gezeigt: Es ist zu einfach, die Mitbestimmung zu umge-
        hen. Wir haben zahlreiche Beispiele aus der Praxis, dass
        Europäische Betriebsräte an wichtigen Entscheidungen
        nicht beteiligt wurden. Die Richtlinie von 1994 war
        nicht mehr zeitgemäß. Die Europäischen Betriebsräte
        standen vor einem Scherbenhaufen. Auf europäischer
        Ebene haben wir lange für eine verbesserte Richtlinie
        gekämpft. Die deutsche Wirtschaft und besonders der
        Arbeitgeberverband haben dabei keine rühmliche Rolle
        gespielt. Vielmehr versuchten die Arbeitgeber, weiter
        gehende Mitbestimmung auf europäischer Ebene zu ver-
        hindern. Es war eine harte Arbeit der europäischen Ge-
        werkschaften und des europäischen Arbeitgeberverban-
        des, bis es zu einer Einigung kam und der destruktive
        Widerstand der deutschen Arbeitgeber gebrochen war.
        Unterstützt wurden Gewerkschaften und europäische
        Arbeitgeber von vielen Erfahrungen aus der Praxis. In
        den Betrieben wurde viel zwischen Betriebsräten und
        Betriebsleitungen diskutiert, es fanden viele Aktionen
        vor Ort statt.
        Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 96. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. März 2011 11097
        (A) (C)
        (D)(B)
        Die neue Richtlinie beinhaltet viele Verbesserungen.
        Die Grundrechte der Mitbestimmung, nämlich das Infor-
        mationsrecht und das Konsultationsrecht, werden durch
        die neue Richtlinie gewährleistet. Den Europäischen Be-
        triebsräten werden diese Grundrechte in Zukunft nicht
        mehr verweigert, wie es bisher in einigen Unternehmen
        der Fall war. Es wurde klargestellt, in welchen Fällen
        Europäische Betriebsräte zuständig sind. Dazu gehören
        auch Unternehmensverlagerungen. Die Europäischen
        Betriebsräte müssen in Zukunft früher informiert werden
        von den Unternehmensleitungen. EBR-Mitglieder haben
        in Zukunft das Recht auf Schulungs- und Bildungsveran-
        staltungen. In der Richtlinie werden viele wichtige
        Dinge geregelt, die die Arbeit von Europäischen Be-
        triebsräten vereinfachen.
        Die Richtlinie kann sich also sehen lassen. Aber die
        deutsche Umsetzung der Richtlinie, die wir heute debat-
        tieren, muss verbessert werden. Ich fordere drei Ände-
        rungen an dem Gesetzentwurf, der uns heute vorliegt.
        Erstens. In der Richtlinie steht, dass die Mitgliedstaa-
        ten verpflichtet sind, wirksame, angemessene und ab-
        schreckende Sanktionen für Verstöße gegen die Richtli-
        nie einzuführen. Die Höhe der Sanktionen muss national
        festgelegt werden. Denn natürlich ist beispielsweise eine
        Sanktion von 15 000 Euro für ein mittelständisches Un-
        ternehmen in Rumänien abschreckend. In Deutschland
        ist das aber viel zu niedrig. Der Gesetzentwurf von
        Union und FDP sieht vor, dass bei Verstößen eine Sank-
        tion von 15 000 Euro fällig ist. Glauben Sie ernsthaft,
        dass große deutsche Unternehmen bei 15 000 Euro zu-
        sammenzucken? 15 000 Euro hätte Nokia aus der Porto-
        kasse bezahlt, um Mitbestimmung zu verhindern. Kein
        Unternehmen, das die Mitbestimmung aushebeln will,
        fürchtet solch niedrige Sanktionen. Um die Europäi-
        schen Betriebsräte zu stärken, müssen wir also dringend
        höhere Sanktionen ins Gesetz schreiben.
        Zweitens müssen wir einen Unterlassungsanspruch
        festschreiben. Wenn ein Unternehmen gesetzwidrig han-
        delt, also den Europäischen Betriebsrat nicht rechtzeitig
        anhört oder unterrichtet, dürfen die Entscheidungen, an
        denen der Betriebsrat nicht beteiligt wurde, auch nicht
        vollzogen werden. Wenn ein Unternehmer also eine
        Werksschließung vornehmen will, aber den Europäischen
        Betriebsrat nicht anhört, kann der Betriebsrat dagegen
        klagen und sein Recht vor Gericht durchsetzen. Das fehlt
        bisher im Gesetz. Kolleginnen und Kollegen von Union
        und FDP, lassen Sie uns gemeinsam in den kommenden
        Beratungen einen solchen Unterlassungsanspruch in das
        Gesetz schreiben.
        Drittens fordere ich, dass ein Zutrittsrecht für die Mit-
        glieder der Europäischen Betriebsräte festgeschrieben
        wird. Wenn die Europäischen Betriebsräte hier nach
        Deutschland kommen, um die hiesigen Betriebsräte zu
        unterrichten, muss sichergestellt sein, dass die EBR-Mit-
        glieder nicht am Betreten des Unternehmens gehindert
        werden. Ein Unternehmen darf nicht verhindern, dass
        Europäische Betriebsräte in die deutschen Niederlassun-
        gen kommen. Auch dieses Zutrittsrecht müssen wir in
        das Gesetz integrieren.
        Die SPD-Fraktion wird dazu in den kommenden Ta-
        gen einen Antrag mit den konkreten Forderungen vorle-
        gen. Denn das Gesetz über europäische Mitbestimmung
        hat auch eine tiefere Bedeutung für unser gemeinsames
        Europa: Mit diesem Gesetz zeigen wir, was das soziale
        Europa für jeden Einzelnen von uns bedeutet. Wir zeigen
        den Menschen: Die EU rettet nicht nur den Euro und die
        Banken, sondern in der EU sorgen wir dafür, dass die
        Menschen bessere Arbeitsbedingungen bekommen. Die
        Richtlinie zu den Europäischen Betriebsräten ist ein
        Kernstück des sozialen Europas. Damit schaffen wir es,
        dass die Menschen nicht europamüde werden. Diese
        Chance müssen wir nutzen.
        Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Das Europäische-Be-
        triebsräte-Gesetz stellt sicher, dass auch in gemein-
        schaftsweit tätigen Unternehmen und Konzernen eine
        grenzüberschreitende Unterrichtung und Anhörung der
        Arbeitnehmer über eine von ihnen gebildete Interessen-
        vertretung erfolgt. Ein Europäischer Betriebsrat kann ge-
        bildet werden in Unternehmen, die in den Mitgliedstaa-
        ten der Europäischen Union und in den anderen
        Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen
        Wirtschaftsraum insgesamt mindestens 1 000 Arbeitneh-
        mer und davon mindestens jeweils 150 Arbeitnehmer in
        zwei verschiedenen Mitgliedstaaten beschäftigen.
        Nach Zahlen der Europäischen Kommission bestehen
        in Europa derzeit etwa 900 Europäische Betriebsräte, die
        gut 15 Millionen Arbeitnehmer repräsentieren. In
        Deutschland gibt es rund 140 Unternehmen mit einem
        Europäischen Betriebsrat.
        Am 15. Dezember 2010 hat das Bundeskabinett den
        Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Euro-
        päische-Betriebsräte-Gesetzes beschlossen. Damit soll
        die Richtlinie 2009/38/EG über Europäische Betriebsräte
        in nationales Recht umgesetzt werden. Die neugefasste
        Richtline stärkt das Recht des Europäischen Betriebsrates
        auf Unterrichtung und Anhörung und gestaltet Beteili-
        gungsverfahren praxistauglicher. Die neuen Regelungen
        sollen im Sommer 2011 in Kraft treten.
        Ein wesentlicher Bestandteil des vorliegenden Ge-
        setzentwurfs ist die rechtzeitige Information und Anhö-
        rung des Europäischen Betriebsrates über geplante Maß-
        nahmen des Unternehmens, die die Arbeitnehmer
        betreffen, wie zum Beispiel Umstrukturierungen. Damit
        wird sichergestellt, dass auch in europaweit tätigen Un-
        ternehmen die Interessen der Arbeitnehmer berücksich-
        tigt werden und in die Entscheidungsfindung im Unter-
        nehmen einfließen.
        Die Anpassungen erfolgen, um der Praxis besser ge-
        recht zu werden. Dabei stehen die betrieblichen Sozial-
        partner im Mittelpunkt, indem sie die Verantwortung für
        die Einrichtung, das Format, die Aufgabenstellung und
        die Tätigkeit des Europäischen Betriebsrates oder eines
        anderen Verfahrens zur grenzüberschreitenden Unter-
        richtung und Anhörung der Arbeitnehmer erhalten haben.
        Der in der Richtlinie enthaltene Verhandlungsansatz
        ist die Grundlage für den großen Erfolg der Europäi-
        schen Betriebsräte in der unternehmerischen Praxis. Die-
        11098 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 96. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. März 2011
        (A) (C)
        (D)(B)
        ser Ansatz ermöglicht eine Vielfalt von Modellen der
        Information und Konsultation und trägt den unterneh-
        mensindividuellen Gegebenheiten Rechnung. Durch das
        Gesetz werden keine neuen bürokratischen Hürden auf-
        gebaut, sondern es lässt Spielraum für maßgeschneiderte
        betriebliche Lösungen. Wir sind der festen Überzeu-
        gung, dass es richtig ist, den einzelnen Unternehmen die
        Möglichkeit zu geben, mit ihren Arbeitnehmern und Ar-
        beitnehmervertretern die besten Lösungen zu finden.
        In der Entstehung der Richtlinie, die nach unserer
        Vorstellung eins zu eins mit diesem Gesetz umgesetzt
        werden sollte, wurden viele Verbesserungsvorschläge
        der betroffenen Parteien angenommen, die die Arbeitge-
        ber zusammen mit dem Europäischen Gewerkschafts-
        bund in einer gemeinsamen Stellungnahme erarbeitet
        haben. Hier wurden gute Lösungen im Sinne der Arbeit-
        nehmer und Arbeitgeber gefunden. Dies ist insbesondere
        deshalb erfreulich, weil so zügig Ergebnisse gefunden
        werden konnten, die von einer breiten Mehrheit getragen
        werden.
        An einzelnen Stellen sehen wir als Liberale noch Ge-
        sprächsbedarf, so zum Beispiel bei den Anzeigepflich-
        ten. Unser Ziel ist es, Wettbewerbsgleichheit in der Eu-
        ropäischen Union sicherzustellen. In der Anhörung
        werden wir die Möglichkeit haben, auf einzelne Fragen-
        stellungen noch näher einzugehen.
        Dieser vorliegende Gesetzentwurf ist ein weiterer
        Schritt, um die Zusammenarbeit zwischen Arbeitgebern
        und Arbeitnehmern auf europäischer Ebene einfacher
        und praxisgerechter zu gestalten. Daher würde ich mich
        freuen, wenn auch in diesem Hohen Hause über die Par-
        teigrenzen hinweg diese Regelungen Zustimmung fin-
        den würden.
        Jutta Krellmann (DIE LINKE): Wir brauchen starke
        Europäische Betriebsräte, um die Beschäftigten vor rei-
        nem Profitstreben ihrer Konzerne zu schützen. Mitbe-
        stimmung ist notwendig, wenn Konzerne, wie zum
        Beispiel Nokia, ihre Standorte verlagern, nur um Lohn-
        kosten zu sparen. Nokia hatte für das Werk in Bochum
        Subventionen bekommen, um dauerhafte Arbeitsplätze
        zu schaffen. Wie dauerhaft das war, hat man 2008 gese-
        hen: Das Werk wurde einfach verlagert. Am neuen
        Standort in Rumänien gab es Ansiedlungsprämien, und
        billige Löhne lockten. Also verlagerte Nokia seine Han-
        dyproduktion dorthin. Weder der deutsche noch der Eu-
        ropäische Betriebsrat waren ausreichend informiert wor-
        den. Die Belegschaft wurde chancenlos vor vollendete
        Tatsachen gestellt. Rumänische Gewerkschafter wurden
        aktiv bei ihrer Arbeit im neuen Werk gehindert. Immer
        wieder werden so Belegschaften verschiedener Werke in
        Europa gegeneinander ausgespielt.
        Europäische Betriebsräte ermöglichen es den Be-
        schäftigten, sich über nationale Grenzen auszutauschen
        und gemeinsame Positionen zu entwickeln. Die rasant
        gestiegene Zahl der Europäischen Betriebsräte belegt,
        wie wichtig sie für die Beschäftigten in transnationalen
        Unternehmen sind. Standortverlagerungen, wie bei No-
        kia, sollten in Europa nicht mehr möglich sein. Daran
        muss sich eine Richtlinie für Europäische Betriebsräte
        messen lassen.
        Ganze zwölf Jahre hat es gedauert, bis die verbesserte
        Richtlinie nun auf dem Tisch liegt. Herausgekommen
        sind die Beseitigung vieler kleiner Hürden, die die Arbeit
        der Europäischen Betriebsräte bisher erschwert haben.
        Die Informationsrechte des EBR wurden verbessert: Der
        Anspruch auf Informationen ist nun klarer definiert und
        leicht ausgeweitet. Es gibt nun endlich einen Schulungs-
        anspruch für Mitglieder eines Europäischen Betriebsrates,
        inklusive Kostenübernahme und Lohnkostenausgleich.
        Die Zusammenarbeit mit den Nationalen Mitbestim-
        mungsgremien wurde verbessert. Sanktionen, die die Un-
        ternehmen zur Einhaltung der Rechte der Europäischen
        Betriebsräte verpflichten, wurden in der Richtlinie festge-
        schrieben.
        Wenn man das hört, fragt man sich ernsthaft, wie zu-
        vor eine wirkungsvolle Arbeit möglich war. An einigen
        zentralen Punkten wurde aber nichts verändert. Der Eu-
        ropäische Betriebsrat kann sich auch weiterhin nur ein-
        mal im Jahr treffen. Für ein arbeitsfähiges Gremium ist
        dies zu wenig. Mit mehreren Treffen im Jahr wäre es ge-
        lungen, den Europäischen Betriebsrat von einem reinen
        Informationsgremium zu einem Arbeitsgremium zu ma-
        chen. Diese Chance ist verpasst worden. Zudem wurde
        die Ausweitung von EBRs auf kleinere europäische Un-
        ternehmen blockiert. Auch in Unternehmen mit 500 Be-
        schäftigten und mindestens 100 Beschäftigten in zwei
        Ländern müssen EBRs möglich sein. Bei den Sanktio-
        nen schließlich setzt die Bundesregierung die Richtlinien
        nur mangelhaft um: Geldstrafen von maximal 15 000
        Euro sind nicht wirksam, wie die Richtlinie vorschreibt –
        das ist Klimpergeld für einen europäischen Konzern.
        Was brauchen Europäische Betriebsräte um arbeiten
        zu können? Aufgrund der reichhaltigen europäischen Er-
        fahrungen mit betrieblicher Mitbestimmung ist es ein-
        fach zu sagen, was Europäische Betriebsräte brauchen
        um gute Arbeit zu machen. Erstens. Europäische Be-
        triebsräte brauchen das Recht auf regelmäßige Treffen.
        Stellen Sie sich vor, Sie sind in einem internationalen
        Unternehmen beschäftigt, Sie sind Teil einer internatio-
        nalen Arbeitsgruppe und treffen sich mit Ihren Kollegen
        aus anderen Ländern nur einmal im Jahr zur Abstim-
        mung. Glauben Sie im Ernst, Sie sind so arbeitsfähig?
        Zweitens. Sie brauchen das Recht auf umfassende und
        frühzeitige Information, um ein gemeinsames europäi-
        sches Vorgehen der Beschäftigten abzustimmen. Deshalb
        fordert die europäische Linke, dass Europäische Betriebs-
        räte gegen Pläne der Unternehmensführung für Umstruk-
        turierungen, Unternehmenszusammenschlüsse, Übernah-
        men oder Entlassungen Einspruch erheben können. Alle
        endgültigen Entscheidungen müssten so lange aufge-
        schoben werden, bis der Europäische Betriebsrat alterna-
        tive Lösungen anbieten kann und diese mit der Unterneh-
        mensführung ausführlich erörtert wurden.
        Drittens. Die Teilnahme der Gewerkschaftsvertreter
        an den Treffen muss ermöglicht werden.
        Zustimmen wird die Linke dieser Verbesserung, aber
        einen Grund zum Feiern sehen wir darin nicht. Mit der
        Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 96. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. März 2011 11099
        (A) (C)
        (D)(B)
        neuen Richtlinie bleiben die Mitspracherechte der Be-
        schäftigten bei Umstrukturierungen und Verlagerungen
        ungenügend – ein neues Nokia wird nicht verhindert.
        Den europäischen Beschäftigten wird mit dem neuen
        Gesetz statt einem Fahrrad nun ein Mofa zur Verfügung
        gestellt. Wirklich notwendig für grenzübergreifende
        Mitbestimmung wäre jedoch mindestens eine europäi-
        sche Bahncard 100. Die dicken Bretter der Mitbestim-
        mung werden in Europa nur langsam gebohrt. Während
        der freie Binnenmarkt längst gelebte Praxis ist, bleiben
        die Rechte von europäischen Betriebsräten weiterhin
        von bescheidenem Format.
        Die Reform der Europäischen-Betriebsräte-Richtline
        wurde lange verzögert. Sie war für 1999 vorgesehen. In
        Kraft tritt die Reform nun 2011, das heißt, ganze zwölf
        Jahre später. Erst im Jahre 2016 wird eine erneute Über-
        arbeitung der Richtlinie möglich sein. Wenn diese in
        demselben Tempo verhandelt wird, wie bei dieser Über-
        arbeitung, ist der Prozess 2028 abgeschlossen. Das ist zu
        spät für mehr betriebliche Mitbestimmung in Europa.
        Das ist für ein demokratisches und soziales Europa be-
        schämend.
        Die europäischen Gewerkschaften haben dafür ge-
        sorgt, dass die Europäischen Betriebsräte, trotz der bis-
        her bescheidenen Möglichkeiten, mit Leben gefüllt wur-
        den. Es bleibt den Gewerkschaften Europas und der Welt
        auch mit der neuen Richtlinie nichts anderes übrig, als
        wirklich wirksame internationale Konzernmitbestim-
        mung selbst durchzusetzen.
        Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
        NEN): Die Bundesregierung ist bereits spät dran mit
        dem Gesetzentwurf zur Änderung des Europäischen-Be-
        triebsräte-Gesetzes. Seit dem 5. Juni 2009 ist die überar-
        beitete EU-Richtlinie zu den Europäischen Betriebsräten
        in Kraft, und bis zum 5. Juni dieses Jahres muss sie in
        nationales Recht umgesetzt werden. Viel Zeit bleibt also
        nicht mehr. Das Thema ist mir sehr wichtig, und ich
        meine, es muss intensiv und sorgfältig beraten werden.
        Denn die Umsetzung muss auch eine entsprechende
        Qualität haben. Die Beratungen im federführenden Aus-
        schuss für Arbeit und Soziales und insbesondere die An-
        hörung müssen zu einem umfassenden Austausch ge-
        nutzt werden. Den Ergebnissen der anstehenden
        Beratungen und der Vertiefung in die Details des Gesetz-
        entwurfes kann ich hier nicht vorgreifen. Aber einige
        grundlegende Aussagen zum vorliegenden Gesetzesvor-
        haben und zu seinem Hintergrund sind mir wichtig.
        Die Möglichkeit einer grenzüberschreitenden Arbeit-
        nehmervertretung wurde 1994 in der Richtlinie für die
        Gründung Europäischer Betriebsräte geschaffen. Das
        war ein großer Schritt nach vorne und ein Kernstück des
        Europäischen Sozialmodells, denn Unternehmen sind
        heutzutage grenzüberschreitend, oft global aufgestellt.
        Auch die Arbeitnehmervertretung muss daher die Mög-
        lichkeit haben, sich grenzüberschreitend und europaweit
        zu organisieren. Andernfalls könnte von einer echten So-
        zialpartnerschaft auf Augenhöhe nicht mehr die Rede
        sein. Dennoch war die Richtlinie von 1994 höchst man-
        gelhaft und eine Revision überfällig. Es waren keine
        Mitbestimmungsrechte wie im deutschen Betriebsver-
        fassungsgesetz vorgesehen. Und es gab keine wirksa-
        men Sanktionen, die die Unternehmen zur Gründung
        Europäischer Betriebsräte antreiben.
        Die Verbesserungen in der Neufassung der Richtlinie
        von 2009 waren hart erkämpft. Insbesondere das Euro-
        päische Parlament hat den Kommissionsvorschlag ent-
        scheidend verbessert, auch auf Betreiben der Grünen.
        Ein wesentlicher Punkt war die Neudefinition der
        „Transnationalität“. Sie erinnern sich, die Nokia-Werks-
        schließung in Bochum und die Verlegung des Werkes
        nach Rumänien geschah über die Köpfe der Europäi-
        schen Betriebsräte hinweg. Nun ist klargestellt: Ein Eu-
        ropäischer Betriebsrat muss auch dann unterrichtet und
        angehört werden, wenn unternehmerische Entscheidun-
        gen in einem Mitgliedstaat getroffen werden, die die Be-
        schäftigten in einem anderen Mitgliedstaat betreffen.
        Auch das Fehlen von abschreckenden Sanktionen gegen
        Unternehmen, die sich nicht an die Richtlinie halten,
        wurde erkannt. Die Mitgliedstaaten werden nun aufgeru-
        fen „geeignete Maßnahmen“ zu treffen. Jetzt ist die Bun-
        desregierung also am Zug. Insgesamt muss allen Betei-
        ligten klar sein: Die Neufassung der Europäischen-
        Betriebsräte-Richtlinie erfüllt einen Minimalanspruch an
        die innerbetriebliche Demokratie – mehr nicht. Sie ist
        eine Minimalanpassung an die veränderte Unterneh-
        menssituation in Europa.
        Ganz folgerichtig kann auch die nationale Umsetzung
        hier nicht bejubelt, sondern lediglich als dringend not-
        wendige Verbesserung begrüßt werden. Wir Abgeord-
        nete müssen vor allem bewerten, ob die Bundesregie-
        rung den Spielraum auch nutzt, der ihr bei der
        Umsetzung in nationales Recht zur Verfügung steht. Be-
        deutet die Gesetzesänderung eine Stärkung der Arbeit-
        nehmerrechte, oder nicht? Daran muss sich dieser Ge-
        setzentwurf messen lassen.
        Der Gesetzentwurf sieht wesentliche Änderungen vor,
        die ich bereits jetzt als grundsätzlich positiv bewerten
        kann. Das Recht der Arbeitnehmervertretung auf Unter-
        richtung und Anhörung wird schon allein dadurch ge-
        stärkt, dass die Begriffe „Unterrichtung“ und „Anhö-
        rung“ nun erstmals ausdrücklich definiert sind. Ebenfalls
        im Grundsatz positiv ist die neu geschaffene Möglich-
        keit für Gewerkschaften, als Sachverständige zur Unter-
        stützung der Verhandlungen des besonderen Verhand-
        lungsgremiums an dessen Sitzungen beratend
        teilzunehmen. Ferner wird den Mitgliedern des Europäi-
        schen Betriebsrates nun die Möglichkeit gewährt, an
        Schulungs- und Bildungsveranstaltungen teilzunehmen.
        Insofern zeichnen sich in der Tat Verbesserungen im
        Vergleich zum Status quo ab. Eine ausführliche Bewer-
        tung der Regelungen wird jedoch noch vorzunehmen
        sein. Nach meinen bisherigen Erfahrungen in diesem
        Hohen Hause bin ich sehr zurückhaltend damit, der Bun-
        desregierung eine ausgeprägte Arbeitnehmerfreundlich-
        keit zu unterstellen.
        Hinzu kommen offensichtliche Auslassungen und
        Mängel im vorliegenden Gesetzentwurf. Substanzielle
        Nachbesserungen der Bestimmungen zur Sanktion von
        Pflichtverstößen fehlen bisher weitgehend. Wir wissen
        11100 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 96. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. März 2011
        (A) (C)
        (D)(B)
        aber aus anderen Bereichen des Arbeitsrechtes, dass
        Sanktionen wirksam, abschreckend und im Verhältnis
        zur Schwere der Zuwiderhandlung angemessen sein
        müssen. Das wären „geeignete Maßnahmen“, wie sie die
        EU-Richtlinie nennt. Bisher ist davon aber nichts zu er-
        kennen. Unklar bleibt außerdem, wie genau wir uns die
        Unterrichtung der örtlichen Arbeitnehmervertretung
        durch den Europäischen Betriebsrat vorstellen müssen.
        Erhält dieser beispielsweise ein Zugangs- und Zutritts-
        recht zum Betrieb bzw. zum Unternehmen? Diese Fra-
        gen sind noch offen.
        Ich komme damit zu einem vorläufigen Fazit: Es ist
        zumindest zweifelhaft, ob der gegebene Spielraum bei
        der Umsetzung in die nationale Arbeitsrechtsordnung
        bei den benannten Punkten wirklich ausreichend genutzt
        wurde. Das werden wir im Folgenden noch gemeinsam
        diskutieren. Und ich werde dabei selbstverständlich ak-
        tiv etwas einbringen. Ich freue mich auf spannende und
        angeregte Debatten, die uns sicherlich den einen oder
        anderen Erkenntnisgewinn bescheren werden.
        Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der
        Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Die Unter-
        richtung und Anhörung der Arbeitnehmerinnen und Ar-
        beitnehmer ist ein wesentlicher Bestandteil des Europäi-
        schen Sozialmodells. Die Verabschiedung der Richtlinie
        über Europäische Betriebsräte im Jahr 1994 unter deut-
        scher Ratspräsidentschaft war ein Meilenstein auf dem
        Weg zu einem sozialen Europa.
        Europäische Betriebsräte in grenzüberschreitend täti-
        gen Unternehmen sind als Bindeglied zwischen der Un-
        ternehmensleitung und den Beschäftigten gedacht. Sie
        sollen den Austausch von Informationen und Interessen
        der Beschäftigten an den verschiedenen Standorten in
        unterschiedlichen Ländern fördern.
        Europäische Betriebsräte können so verhindern, dass
        die Belegschaften verschiedener Standorte gegeneinan-
        der ausgespielt werden.
        Nach Zahlen erfreut sich der EBR einer stetig wach-
        senden Beliebtheit: 2009 gab es nach Angaben der Euro-
        päischen Kommission in über 900 Unternehmen und
        Unternehmensgruppen Europäische Betriebsräte, die
        circa zwei Drittel der Arbeitnehmer der Unternehmen im
        Anwendungsbereich der Richtlinie vertreten.
        Maßgeblich hierfür ist vor allem, dass die Richtlinie
        den Sozialpartnern einen weiten Gestaltungsspielraum
        für die Errichtung Europäischer Betriebsräte einräumt.
        Sie ermöglicht, an die Situation des Unternehmens bzw.
        der Unternehmensgruppe angepasste maßgeschneiderte
        Vereinbarungen über die Errichtung Europäischer Be-
        triebsräte zu treffen. Erst wenn keine Vereinbarung zu-
        stande ommt, ist ein Europäischer Betriebsrat kraft Ge-
        setz zu bilden.
        2008/2009 ist die Richtlinie über Europäische Be-
        triebsräte neu gefasst worden. Nach längerer Vorlaufzeit
        konnten die eigentlichen Verhandlungen auf europäi-
        scher Ebene in nur einem halben Jahr abgeschlossen
        werden. Dies ist entscheidend der konstruktiven Beteili-
        gung der Sozialpartner zu verdanken.
        Ziel der Neufassung war es, die Richtlinie dort zu ver-
        bessern, wo uns die Erfahrungen aus der Praxis Schwä-
        chen aufgezeigt haben. Damit wird eine effektive Arbeit
        der Europäischen Betriebsräte sowohl zugunsten der Un-
        ternehmen als auch der Arbeitnehmer sichergestellt.
        Die neugefasste Richtlinie beruht entscheidend auf ei-
        nem im Rat gefundenen Kompromiss der europäischen
        Sozialpartner.
        Der nun von der Bundesregierung vorgelegte Gesetz-
        entwurf dient der Umsetzung der neugefassten Richtli-
        nie. Er enthält entsprechend der Richtlinie folgende
        Kernpunkte:
        Die Erfahrungen aus der Vergangenheit haben ge-
        zeigt, dass eine rechtzeitige Unterrichtung und Anhö-
        rung des Europäischen Betriebsrats nicht immer gewähr-
        leistet war. Europäische Betriebsräte wurden teilweise
        erst informiert und angehört, wenn Entscheidungen der
        Unternehmensleitung schon gefallen waren. Das galt in
        besonderem Maße bei Umstrukturierungen. Der Fall No-
        kia – um nur ein Beispiel mangelhafter Beteiligung zu
        nennen – ist uns allen sicherlich noch gut in Erinnerung.
        Hier setzt die neue Richtlinie nunmehr klare Akzente.
        Sie stellt klar, dass Europäische Betriebsräte frühzeitig
        an geplanten Entscheidungen der Unternehmensleitung
        zu beteiligen sind. Dazu gehört insbesondere, dass der
        Europäische Betriebsrat die Gelegenheit erhalten muss,
        zu der geplanten Maßnahme eine Stellungnahme abzu-
        geben. Zeitlich muss die Stellungnahme vom Unterneh-
        men bei der Entscheidungsfindung noch berücksichtigt
        werden können.
        Ein weiterer wesentlicher Fortschritt ist die Veranke-
        rung des Schulungsanspruchs für den Europäischen Be-
        triebsrat. Denn nur qualifizierte Europäische Betriebs-
        räte können ihre Aufgaben sachgerecht und effektiv
        wahrnehmen.
        Ebenso wichtig ist, dass die Europäischen Betriebs-
        ratsmitglieder während der Schulungsteilnahme keine
        Lohneinbußen erleiden.
        Zur Gewährleistung einer zügigen und kontinuierli-
        chen Arbeit des Europäischen Betriebsrats soll in der
        EBR-Vereinbarung die Einrichtung eines engeren Aus-
        schusses vereinbart werden, der die laufenden Geschäfte
        des Europäischen Betriebsrats führt.
        Weitere Kernpunkte der neugefassten Richtlinie und
        des Entwurfs sind die Klarstellung der Informations-
        pflichten des Unternehmens bzw. der Unternehmens-
        gruppe über die eigene Struktur und Belegschaft bei der
        Gründung von Europäischen Betriebsräten, die Aner-
        kennung der Rolle der Gewerkschaften als Sachverstän-
        dige zur Unterstützung der Verhandlungen über einen
        Europäischen Betriebsrat, die Neuverhandlungspflicht
        im Fall wesentlicher Strukturänderungen des Unterneh-
        mens oder der Unternehmensgruppe, soweit die EBR-
        Vereinbarung dazu noch keine Regelung enthält oder
        diese Regelung mit anderen EBR-Vereinbarungen nicht
        kompatibel ist, ein Übergangsmandat für den Europäi-
        schen Betriebsrat für die Zeit der Neuverhandlungs-
        pflicht und das sogenannte Zwei-Jahres-Fenster, wonach
        Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 96. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. März 2011 11101
        (A) (C)
        (D)(B)
        bis zum Ablauf der Umsetzungsfrist, dem 5. Juni 2011,
        bestehende EBR-Vereinbarungen noch nach den Rege-
        lungen der bisherigen Richtlinie 94/45/EG angepasst
        oder neu abgeschlossen werden können.
        Der Gesetzentwurf schafft für die Akteure in der Pra-
        xis mehr Klarheit und Rechtssicherheit. Dies gilt insbe-
        sondere für die frühzeitige Einbindung des Europäischen
        Betriebsrats bei Entscheidungen des Unternehmens, die
        die Arbeitnehmer unmittelbar betreffen. Er stärkt die
        Rolle des Europäischen Betriebsrats als Informations-
        bindeglied zwischen den nationalen Beteiligungsgre-
        mien und sorgt für eine angemessene Arbeitsgrundlage
        der Europäischen Betriebsräte.
        Anlage 13
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung der Beschlussempfehlung und des
        Berichts: Weitere iranische Flüchtlinge aus der
        Türkei in Deutschland aufnehmen (Tagesord-
        nungspunkt 18)
        Helmut Brandt (CDU/CSU): Zunächst einmal freue
        ich mich, dass Sie und ich in unserer Bewertung hin-
        sichtlich der menschenrechtsunwürdigen Zustände im
        Iran offensichtlich einer Meinung sind. Ich unterstütze
        daher gerne jede Maßnahme, die der Verbesserung der
        Situation der Menschen im Iran und ihrer Angehörigen
        hier in Deutschland dient.
        Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat am 7. Juli
        2010 beantragt, der Bundestag möge die Bundesregie-
        rung auffordern „so schnell wie möglich und unbürokra-
        tisch in Absprache mit den Bundesländern weitere irani-
        sche Flüchtlinge aus der Türkei in Deutschland
        aufzunehmen“. Außerdem solle sich die Bundesregie-
        rung dafür einsetzen, dass die Türkei ihren Territorial-
        vorbehalt gegenüber der Genfer Flüchtlingskonvention,
        durch den die Türkei die Schutzgewährung auf europäi-
        sche Flüchtlinge beschränkt, aufhebt und den humanitä-
        ren Standard im Umgang mit schutzsuchenden Flücht-
        lingen verbessert.
        Hintergrund des Antrags ist die anhaltend schlechte
        Menschenrechtslage im Iran. Circa 4 000 Iraner, insbe-
        sondere Menschen, die sich für Demokratie und Bürger-
        rechte einsetzen, sind in die Türkei geflohen, um den
        drohenden Repressalien durch ihre Regierung zu entge-
        hen. Der Deutsche Bundestag und die Bundesregierung
        sind sich der prekären Situation iranischer Flüchtlinge
        durchaus bewusst. Aus diesem Grund hat der damalige
        Bundesminister des Innern, Thomas de Maizière, ge-
        meinsam mit der Innenministerkonferenz entschieden,
        circa 50 iranische Dissidenten, die in Zusammenhang
        mit der Niederschlagung der Proteste gegen die manipu-
        lativen Umstände der Wiederwahl des amtierenden Prä-
        sidenten Ahmadinedschad ins Ausland geflohen sind, in
        Deutschland aufzunehmen. Davon sind bis zum jetzigen
        Zeitpunkt 41 Personen in die Bundesrepublik eingereist.
        Die Verzögerungen bei der Einreise haben sich im We-
        sentlichen durch die Verfahrensabwicklung des UNHCR
        in der Türkei ergeben, da die Registrierung als Flücht-
        ling beim UNHCR Voraussetzung für die Legalisierung
        des vorübergehenden Aufenthalts in der Türkei und die
        Aufnahme in Deutschland ist.
        Darüber hinaus hatte sich Herr Minister de Maizière
        vorbehalten, auf der Grundlage von § 22 Satz 2 Aufent-
        haltsgesetz auch über die bereits erfolgten 50 Zusagen
        hinaus in besonderen Einzelfällen weitere Aufnahmezu-
        sagen zu ermöglichen. Schon deshalb besteht für die in
        Ihrem Antrag enthaltene Aufforderung an die Bundesre-
        gierung, weitere iranische Flüchtlinge aus der Türkei
        aufzunehmen, kein Bedarf.
        Es ist richtig, dass auch wir diesen Menschen gegen-
        über eine Verantwortung haben und dass diese Men-
        schen unsere Hilfe und Unterstützung brauchen. Asyl
        und Flüchtlingsschutz haben in Deutschland einen hohen
        Stellenwert. Politisch Verfolgte können darauf vertrauen,
        in Deutschland eine sichere Aufnahme zu finden, wenn
        sie als Asylberechtigte oder Flüchtlinge im Sinne der
        Genfer Konvention anerkannt werden.
        Aus diesem Grund hat die Bundesrepublik allein im
        Jahre 2010 über 1 400 iranische Staatsangehörige in
        Deutschland aufgenommen. Davon wurden 254 Perso-
        nen als Asylberechtigte anerkannt, 1 140 Personen wurde
        Flüchtlingsschutz gemäß § 60 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz
        gewährt und weiteren 78 Personen gegenüber besteht ge-
        mäß § 60 Abs. 2, 3, 5 und 7 ein Abschiebeverbot.
        Ich bin überrascht, dass diese Tatsache in Ihrem An-
        trag keinerlei Erwähnung findet. Vor diesem Hinter-
        grund – ich nehme an, Sie hatten nur vergessen, diese
        Zahlen zu erwähnen – ist Ihre Aufforderung an die Bun-
        desregierung, sich hinsichtlich der Aufnahme weiterer
        Flüchtlinge an anderen westlichen Staaten zu orientieren
        und ihr indirekt vorzuwerfen, sie käme ihrer Verantwor-
        tung nur in ungenügendem Maße nach, nicht nachvoll-
        ziehbar. Immerhin hat sich innerhalb der Europäischen
        Union außer Deutschland lediglich Schweden in ver-
        gleichbar großem Umfang engagiert.
        Im Übrigen möchte ich an dieser Stelle auch einmal
        auf die Gesamtsituation aufmerksam machen, der wir
        gegenüberstehen. Im Jahr 2010 wurden beim Bundesamt
        für Migration und Flüchtlinge insgesamt 41 332 Asyl-
        erstanträge gestellt, 13 683 mehr als im Jahr 2009. Das
        bedeutet nahezu eine Verdopplung der Antragszahl. Da-
        von entfallen auf den Iran 2 475 Asylerstanträge gegen-
        über 1 170 Anträgen aus dem Jahr 2009. Die Steigerung
        beträgt hier also aufgrund der politischen Entwicklung
        sogar 111,5 Prozent.
        Angesichts dieser Zahlen sind übrigens auch andere
        europäische Länder stärker gefragt, Asylbewerber auf-
        zunehmen. Neben der Aufnahme von Flüchtlingen be-
        müht sich die Bundesregierung aber auch auf anderen
        Wegen um eine Verbesserung der Situation der Flücht-
        linge in der Türkei.
        Aus der EU-Beitrittspartnerschaft der Türkei ergeben
        sich für die Türkei konkrete Verpflichtungen auch in
        Hinblick auf die Einhaltung bestimmter humanitärer
        Standards. Unter die von der Türkei umzusetzenden Pri-
        oritäten fallen beispielsweise auch die fortgesetzte An-
        11102 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 96. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. März 2011
        (A) (C)
        (D)(B)
        passung an den EU-Besitzstand im Asylbereich, insbe-
        sondere durch die Aufhebung der geografischen
        Einschränkung der Geltung der Genfer Konventionen
        und die Stärkung des Schutzes, der sozialen Unterstüt-
        zung und der Integrationsmaßnahmen zugunsten von
        Flüchtlingen.
        Der Regionalvorbehalt der Türkei bei der Geltung der
        Genfer Flüchtlingskonvention widerspricht fundamental
        deren Zweck. Seine Aufhebung ist von der EU deshalb
        explizit in den in der Beitrittspartnerschaft enthaltenen
        Forderungskatalog an die Türkei aufgenommen worden.
        Dessen Einforderung ist fester Bestandteil des politi-
        schen Dialogs der Bundesregierung mit der Türkei – bi-
        lateral und auf Ebene der EU.
        Die türkische Regierung erarbeitet zurzeit ein Asylge-
        setz. Über den Zeitpunkt der Einführung liegen nach
        Auskunft der Bundesregierung gegenwärtig keine ab-
        schließenden Informationen vor.
        Was die Verbesserung des humanitären Standards von
        Flüchtlingen in der Türkei angeht, so richtet die türki-
        sche Regierung neue Aufnahme- und Rückführungszen-
        tren ein, die durch EU-finanzierte Twinning-Projekte un-
        terstützt werden. Das Twinning-Programm umfasst
        Partnerschaften zwischen Behörden aus den Mitglied-
        staaten der EU und öffentlichen Verwaltungen aktueller
        und potenzieller EU-Beitrittskandidaten sowie Ländern
        der europäischen Nachbarschaft. Die EU fördert Twin-
        ning und nutzt dieses Instrument, um öffentliche Struk-
        turen in den Partnerländern zu stärken, zu reformieren
        und weiterzuentwickeln.
        EU-Beitrittskandidaten müssen das gesamte Rechts-
        system der EU übernehmen. Das Personal in den zustän-
        digen Verwaltungen muss lernen, EU-Recht anzuwen-
        den und zu interpretieren. Twinning-Projekte setzen
        genau an diesem Punkt an, in dem die zuständigen und
        einzurichtenden Behörden Twinning-Partner zur Seite
        gestellt bekommen, die in vergleichbaren Fachgebieten
        und auf vergleichbarer Ebene tätig sind, das heißt auf
        zentralstaatlicher, Länder-/Provinz- oder auch kommu-
        naler Ebene. Seit über zehn Jahren engagieren sich hier
        auch deutsche Bundes- und Landesministerien oder
        Kommunen, die im Durchschnitt ein Viertel der ausge-
        schriebenen Projekte einwerben. So wurde zum Beispiel
        das von der EU für den Zeitraum 2008 bis 2010 ausge-
        schriebene Twinning-Projekt „Country of Origin und
        Asylum Case Management System“ vom Bundesamt für
        Migration und Flüchtlinge gewonnen und durchgeführt.
        Dabei wurde die Türkei dabei unterstützt, den EU-Be-
        sitzstand im Bereich der Asyl- und Migrationspolitik
        umzusetzen.
        Daneben bemüht sich die Bundesregierung aber auch
        seit Jahren um eine Verbesserung der Menschenrechts-
        lage im Iran. Die gesamte Menschenrechtslage sowie
        Einzelfälle im Menschenrechtsbereich sind Bestandteil
        aller bilateralen Gespräche der Bundesregierung mit der
        iranischen Regierung. Bundesaußenminister Westerwelle
        hat in seinem Gespräch am 5. Februar 2010 mit dem da-
        maligen iranischen Außenminister Mottaki auf der
        Münchner Sicherheitskonferenz den Iran unmissver-
        ständlich und eindringlich aufgefordert, die Menschen-
        und Minderheitenrechte zu achten. Wegen der drohen-
        den Todesurteile im Verfahren gegen die Bahá’ì-Füh-
        rung wurde der iranische Botschafter regelmäßig einbe-
        stellt. Auch auf EU-Ebene und internationaler Ebene
        sind die in Iran stattfindenden Menschenrechtsverletzun-
        gen regelmäßig Gegenstand zahlreicher Erklärungen und
        Resolutionen durch die UN-Generalversammlung.
        Es besteht daher auch kein Bedarf an Ihrer Forderung
        an die Bundesregierung, sich dafür einzusetzen, dass die
        Türkei ihrem Territorialvorbehalt gegenüber der Genfer
        Flüchtlingskonvention, durch den die Türkei die Schutz-
        gewährung auf europäische Flüchtlinge beschränkt, auf-
        hebt und den humanitären Standard im Umgang mit
        schutzsuchenden Flüchtlingen verbessert. Das tut die
        Bundesregierung mit unserer Unterstützung ohnehin.
        Ich sage es nochmals: Die Bundesregierung verfolgt
        die Situation der Menschen im Iran und der iranischen
        Flüchtlinge in der Türkei mit großer Aufmerksamkeit
        und tut alles in ihrer Macht Stehende, um die Situation
        dieser Menschen zu verbessern. Und ich erinnere noch-
        mals daran, dass die Bundesregierung die Aufnahme
        weiterer Flüchtlinge nicht ausgeschlossen hat. Wir leh-
        nen Ihren Antrag ab.
        Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD): In diesen Tagen fällt
        es schwer, über etwas anderes zu sprechen als über die
        tragischen und traurigen Geschehnisse in Japan. Sonst
        unglaublich relevante Themen treten im Moment in den
        Hintergrund vor dem, was dort passiert. Uns allen sind
        die Bilder aus Japan allgegenwärtig, sie haben sich in
        unsere Netzhaut gebrannt.
        Sie zeigen aber auch, dass es immer wieder zu Situa-
        tionen kommen kann, in denen es um Menschenleben
        geht, in denen andere Nationen dringend Hilfe benöti-
        gen, selbst in hochentwickelten Staaten wie Japan.
        Doch es sind nicht nur die Bilder aus Japan, die uns
        derzeit tief bewegen und berühren; auch aus Nordafrika
        kommen beängstigende und beeindruckende Bilder von
        Menschen, die für die Freiheit ihr eigenes Leben in Ge-
        fahr bringen.
        Wir sprechen heute über die Frage der iranischen
        Flüchtlinge, Flüchtlinge, die vor dem Regime von
        Ahmadinedschad in die Türkei geflohen sind. Doch auch
        hier sind sie nicht in ausreichendem Maße geschützt
        oder versorgt. Dies ist eine klassische Situation für ein
        Resettlement-Programm, also die dauerhafte Übernahme
        von Menschen aus einer für sie kritischen Situation in ei-
        nen dritten Staat. Oft handelt es sich dabei um ganze Fa-
        milien. Damit will man eine Flüchtlingsproblematik, die
        nicht kurzfristig gelöst werden kann, dauerhaft angehen.
        Dass Deutschland sich an Resettlement-Programmen
        beteiligt, ist nicht neu; auch in den vergangenen Jahr-
        zehnten ist das passiert. Neuere Beispiele sind die Auf-
        nahme von 2 501 Flüchtlingen aus dem Irak, die sich in
        Syrien und Jordanien aufhielten, sowie weiteren
        102 afrikanischen Flüchtlingen aus Malta.
        Deutschland hat bereits zugesagt, 50 iranische Flücht-
        linge aufzunehmen. Die Frage ist aber für mich und die
        Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 96. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. März 2011 11103
        (A) (C)
        (D)(B)
        SPD-Fraktion, ob das ausreicht. Wir sagen deutlich:
        Nein, es reicht nicht. Wir wollen, dass mehr als 50 irani-
        sche Flüchtlinge aus der Türkei nach Deutschland kom-
        men können. Wir haben die Kapazitäten und Möglich-
        keiten hier in Deutschland dafür. Auch aus diesem
        Grund stimmen wir dem Antrag der Grünen zu.
        Denn Resettlement ist nicht nur ein Instrument des
        Flüchtlingsschutzes, es ist auch ein Instrument der Las-
        tenteilung. Es ist ein Signal an die Erstaufnahmestaaten
        – in diesem Fall die Türkei –, dass die jeweiligen Staaten
        nicht alleingelassen werden. Ein solcher Schritt kann die
        Haltung gegenüber weiteren neu hinzukommenden
        Flüchtlingen verbessern, nicht nur, weil Aufnahmekapa-
        zitäten frei werden, sondern eben auch, weil das Erstauf-
        nahmeland spürt, dass es nicht alleingelassen wird. Es ist
        ein Signal an andere Staaten, wenn Deutschland Flücht-
        linge aufnimmt, ein Signal, selbst zu prüfen, ob man
        nicht unterstützend humanitär tätig sein kann.
        Dass eine Lastenteilung hier auch in Zukunft notwen-
        dig werden wird, vielleicht sogar stärker als bisher ge-
        dacht, ist in Anbetracht der Lage in Nordafrika mehr als
        wahrscheinlich. Wir leben in einer Zeit, in der deutlich
        wird, dass Nationalstaaten und Bevölkerungsgruppen
        sehr schnell in Situationen kommen können, in denen sie
        auf die Solidarität und Humanität anderer angewiesen
        sind.
        Resettlement wird deshalb auch in Zukunft ein wich-
        tiges Instrument für Deutschland sein, um konkret
        Flüchtlingen zu helfen und um Erstaufnahmestaaten zu
        entlasten. Im Endeffekt ist Resettlement aber auch in un-
        serem eigenen Interesse; denn es stärkt unseren Kontakt
        zu Erstaufnahmestaaten und kann dazu beitragen, dass
        sich dort die Situation für Flüchtlinge verbessert und ein
        Asylsystem entwickelt, das diesen Namen verdient. Das
        ist langfristig auf jeden Fall besser, als sich gegen
        Flüchtlinge abzuschotten, wie es derzeit passiert.
        Die jetzige Regierung hat zumindest verbal schon er-
        kannt, dass Resettlement ein sinnvolles Instrument ist.
        Leider stimmen verbale Äußerungen und das tatsächli-
        che Handeln nicht überein; das zeigt sich auch jetzt wie-
        der in Ihrer Ablehnung des Grünenantrages. Die Politik
        der schwarz-gelben Bundesregierung ist kurzsichtig.
        Die SPD setzt sich dafür ein, sich stärker an Resettle-
        ment-Programmen zu beteiligen. Wir halten es auch für
        sinnvoll, über konkrete Resettlement-Quoten zu spre-
        chen, wie das in anderen europäischen Staaten wie
        Schweden, das jährlich etwa 1 700 Flüchtlinge auf-
        nimmt, üblich ist. Diese Debatte sollten wir hier in die-
        sem Hohen Hause führen.
        Bis dahin gilt es aber immer wieder, konkrete Ent-
        scheidungen zu fällen. Eine steht heute auf der Agenda.
        Ermöglichen Sie es mehr iranischen Flüchtlingen, die
        sich in der Türkei aufhalten, nach Deutschland zu kom-
        men und sich hier dauerhaft in Sicherheit niederzulas-
        sen. Das wäre ein starkes Signal in die gesamte Region.
        Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP): Die Menschen-
        rechtslage im Iran ist und bleibt besorgniserregend. An-
        dere Ereignisse drängen diesen Sachverhalt leider zu oft
        in den Hintergrund. Verfolgung und Unterdrückung An-
        dersdenkender sind an der Tagesordnung; das Regime ist
        unter dem Deckmantel des Religiösen eine Diktatur. Ich
        habe die Hoffnung, dass das iranische Volk die Kraft hat,
        sich davon zu befreien. Die Bundesrepublik wird nach
        wie vor ihren Teil tun, das Leid der Flüchtlinge zu mil-
        dern. Dazu gehört auch die Aufnahme einer angemesse-
        nen Anzahl von Flüchtlingen.
        Die Grünen haben in ihrer Antragsbegründung gefor-
        dert, dass Deutschland sich an den anderen westlichen
        Staaten bei der Aufnahme von iranischen Flüchtlingen,
        die sich in der Türkei befänden, orientieren möge. Ich
        teile diese Auffassung. Die Grünen beziffern die von
        westlichen Staaten aufgenommenen Flüchtlingszahlen
        wie folgt: Großbritannien – fünf, Niederlande – vier,
        Frankreich – drei. Warum die Grünen in diesem Zusam-
        menhang die zugesagte Aufnahme von 50 Flüchtlingen
        durch Deutschland als zu gering erachten, erschließt sich
        mir nicht. Die Bundesrepublik geht mit ihrer Aufnahme-
        quote sogar nach Zahlen der Grünen offenkundig weit
        über die ihrer westlichen Nachbarn hinaus. Das ist
        durchaus eine respektable Zahl und der Vorwurf der
        Grünen geht ins Leere.
        Ulla Jelpke (DIE LINKE): Der vorliegende Antrag
        der Grünen-Fraktion fordert die Bundesregierung auf,
        sich bei den Bundesländern für die Aufnahme von ira-
        nischen Oppositionellen einzusetzen, die in die Türkei
        geflüchtet sind. Diese Oppositionellen sind dort vom
        UNHCR als Flüchtlinge registriert worden, bekommen
        aber in der Türkei kein Aufenthaltsrecht. Denn die Tür-
        kei hat die Genfer Flüchtlingskonvention nur unter Vor-
        behalt ratifiziert. Sie behält sich vor, nur Flüchtlinge auf-
        zunehmen, die aus Europa kommen. Fast alle politisch
        Verfolgten aus den Nachbarländern der Türkei, von Ar-
        menien bis Syrien, benutzen die Türkei deshalb lediglich
        als Transitland, um in die EU zu gelangen. Die Grünen
        fordern außerdem von der Bundesregierung, sich gegen-
        über der Türkei für die Wahrung humanitärer Grund-
        sätze im Umgang mit den iranischen Flüchtlingen einzu-
        setzen. Warum nur mit den iranischen, möchte ich an
        dieser Stelle fragen. Da greift der Antrag der Grünen
        doch arg zu kurz.
        Die Frage ist auch, inwiefern hier mit einem Appell
        an die Bundesregierung der Bock zum Gärtner gemacht
        wird. Denn es ist diese Bundesregierung, die dem Ab-
        schluss eines Rückübernahmeabkommens zwischen der
        EU und der Türkei im EU-Rat der Innenminister ihre
        Zustimmung erteilt hat. Danach soll die Abschiebung
        von Menschen, die über die Türkei illegal in die EU ein-
        gereist sind, erleichtert werden. Wir wissen alle, welche
        Menschen das betreffen wird: Schutzsuchende aus dem
        Iran, Irak, Syrien, aus Afghanistan und Pakistan, aus So-
        malia und Eritrea. Für sie gibt es keinen legalen Weg in
        die Europäische Union, er führt über das Mittelmeer
        oder die türkisch-griechische Landgrenze. Die wird be-
        kanntlich gerade mithilfe der EU-Abschottungsagentur
        FRONTEX dichtgemacht.
        Die Türkei wird also ihre Bestrebungen erhöhen, die-
        sen Menschen den Transit in die EU über ihr Territorium
        11104 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 96. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. März 2011
        (A) (C)
        (D)(B)
        zu erschweren. Dafür bekommt sie auch die Hilfe der
        EU und der Bundesrepublik. Wie aus einer Antwort der
        Bundesregierung auf eine entsprechende Anfrage von
        mir hervorgeht, soll die Türkei unter anderem beim Auf-
        bau von sieben neuen Auffanglagern unterstützt werden.
        Die Bundespolizei hilft den türkischen Grenztruppen,
        die dort zur Armee gehören, ihre Grenzüberwachung zu
        perfektionieren.
        Leider fehlt dieser größere Kontext im Antrag der
        Grünen-Fraktion ebenso wie die Forderung, dass die
        Bundesrepublik sich endlich dauerhaft an den Aufnah-
        meprogrammen für registrierte Flüchtlinge des UNHCR
        beteiligt. Immer neue Ad-hoc-Maßnahmen wie die Auf-
        nahme der irakischen Flüchtlinge aus Syrien oder nun
        der iranischen Flüchtlinge aus der Türkei sind nicht aus-
        reichend. Stattdessen fordert die Linke die Einrichtung
        eines ständigen Aufnahmemechanismus. Dem Antrag
        der Grünen stimmen wir dennoch zu.
        Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die
        humanitäre Situation der iranischen Flüchtlinge in der
        Türkei ist untragbar. Ihre Lage bleibt trotz der Flucht aus
        dem Iran prekär. Erstens sind sie in der Türkei nicht vor
        den Häschern des iranischen Regimes sicher. Die Türkei
        grenzt an den Iran, und iranische Bürger können visums-
        frei in die Türkei einreisen. Zweitens werden sie in der
        Türkei nicht als Flüchtlinge anerkannt und erhalten nur
        einen zeitlich begrenzten Asylbewerberstatus. Schließ-
        lich sind sie in der Türkei gezwungen, ohne Einkommen
        und ohne ausreichende ärztliche Betreuung um das tägli-
        che Überleben zu kämpfen.
        Diese Flüchtlinge müssen also aus zwingenden huma-
        nitären Gründen irgendwo aufgenommen werden, und
        ich kann einfach nicht verstehen, wieso dieses „ir-
        gendwo“ nicht Deutschland sein kann. Die deutsche
        Bundesregierung hat sich während der Protestbewegung
        mit Worten solidarisch an die Seite der iranischen Men-
        schenrechtsverteidiger gestellt. Menschenrechtspolitik
        erfordert aber konkrete Handlungen und keine leeren
        Versprechen. Die Aufnahme von nur 50 von insgesamt
        4 292 schutzbedürftigen iranischen Flüchtlingen ist hier
        eindeutig zu wenig. Deutschland kann mehr tun und
        muss mehr tun.
        Die deutsche Bundesregierung steht vor dem Hinter-
        grund der aktuellen Ereignisse in Nordafrika vor der
        Frage, wie glaubwürdig sie ihre Außenpolitik in Zukunft
        gestalten möchte, wie viel ihr Demokratie, Menschen-
        rechte und Rechtsstaatlichkeit wert sind. Auch im Iran
        steht die Glaubwürdigkeit deutscher Außen- und Men-
        schenrechtspolitik auf dem Spiel.
        Immer wieder sagen Bundeskanzlerin und Bundes-
        außenminister, die Menschenrechte sind im ureigenen
        Interesse Deutschlands. Die Aufnahme von nur 50 irani-
        schen Flüchtlingen wird solchen schönen Worten nicht
        gerecht. Hier geht es nicht um schwierige Flugverbots-
        zonen, sondern um die einfache Aufnahme von Flücht-
        lingen. Die Blockadehaltung der Bundesregierung scha-
        det unweigerlich der iranischen Protestbewegung. Nach
        Angaben des UNHCR schwindet der Optimismus der
        iranischen Menschenrechtsaktivisten. Viele junge Iraner
        haben die Hoffnung auf einen positiven Wandel im Iran
        aufgegeben.
        Dabei ist es während der historischen Umwälzungen
        in der muslimischen Welt gerade jetzt entscheidend, ein
        deutliches Zeichen der Solidarität an die Menschen-
        rechtsverteidiger zu senden. Die gezielte Unterstützung
        demokratischer Kräfte im Iran erfolgt eben auch durch
        die Aufnahme derjenigen Personen, die sich in besonde-
        rem Maße für Menschenrechte eingesetzt haben und
        dem Tod, der Festnahme und Folter mit knapper Not ent-
        kommen sind.
        Die Aufnahme von 50 iranischen Flüchtlingen ist
        kein deutliches Signal, wie die Bundesregierung gerne
        behauptet, sondern ein schwaches. Anstatt sich an die
        Seite dieser mutigen Menschenrechtsverteidiger zu stel-
        len, lässt Deutschland die Protestbewegung hängen.
        Menschen, die sich unter Einsatz ihres Lebens für Men-
        schenrechte und Demokratie einsetzen, müssen sicher
        sein, im Notfall Schutz in einem anderen Land zu finden.
        Was spricht gegen die Aufnahme der iranischen
        Flüchtlinge? Besteht die Befürchtung, die iranischen
        Flüchtlinge seien eine Bedrohung für die kulturelle Iden-
        tität Deutschlands? Die Sorge ist unberechtigt. Diese
        Menschen sind dem islamischen Gottesstaat Iran entflo-
        hen, gerade weil sie nach der Anerkennung der Men-
        schenrechte, nach Demokratie, Freiheit und Rechtsstaat-
        lichkeit streben. Hat man wie Thilo Sarrazin die
        Befürchtung, die Aufnahme iranischer Flüchtlinge
        würde zu einer Verdummung der deutschen Gesellschaft
        führen? Selbst diese Sorge ist unbegründet. Zuwanderer
        aus dem Iran haben eine überdurchschnittlich hohe Bil-
        dung. Jeder dritte hat Abitur. 15,2 Prozent haben einen
        Universitäts- oder Fachhochschulabschluss. Bei der
        deutschen Gesamtbevölkerung sind es nur 11,3 Prozent.
        In Deutschland warten Arbeitnehmerverbände und
        die Industrie auf Fachkräfte. Unternehmen, Ärztekam-
        mern und Lehrerverbände klagen über personelle Eng-
        pässe. Anfang 2011 warnte der Industrie- und Handels-
        kammertag, dass 70 Prozent der Unternehmen Probleme
        hätten, offene Stellen zu besetzen. In der Türkei warten
        iranische Ärzte, Psychotherapeuten, Anwälte, IT-Spezia-
        listen, Journalisten, Blogger, Menschenrechtsaktivisten,
        Menschenrechtsverteidiger, Akademiker und Studenten
        darauf, in die EU einreisen zu dürfen.
        Diese iranischen Flüchtlinge sind gebildete, gut aus-
        gebildete und sogenannte westlich orientierte Personen
        aus der säkularisierten Ober- und Mittelschicht. Sie ha-
        ben das Potenzial, sich erfolgreich in Deutschland zu in-
        tegrieren und einen positiven Beitrag für die Gesell-
        schaft zu leisten – wenn man ihnen die Chance gibt.
        Nehmen wir Hesam Misaghi als Beispiel, einen jun-
        gen Mann von 22 Jahren. Er musste aus dem Iran flie-
        hen, weil er für das Committee of Human Rights Repor-
        ters aktiv war, eine Organisation, die über Verfolgungen
        und Festnahmen von Menschenrechtsaktivisten öffent-
        lich berichtet. Er kam im Juli 2010 nach Deutschland. Er
        ist weiterhin politisch aktiv, saugt die deutsche Kultur
        auf und erlernt sehr schnell die deutsche Sprache. Oder
        Saeed Habibi, IT-Spezialist, 38 Jahre alt. Er hat auf der
        Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 96. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. März 2011 11105
        (A) (C)
        (D)(B)
        Sharif University of Technology studiert, einer Eliteuni-
        versität in Teheran. Auch er ist seit Juli 2010 in Deutsch-
        land, lernt Deutsch und nimmt an einem Integrationskurs
        teil. Er könnte sofort anfangen, zu arbeiten.
        Seit 2008 hat die Bundesregierung fast 2 500 iraki-
        sche Flüchtlinge unbürokratisch aufgenommen und posi-
        tive Erfahrungen gemacht. Alles spricht dafür, ein ähnli-
        ches Iran-Kontingent in Zusammenarbeit mit den
        Bundesländern zu beschließen. Der Wille vonseiten der
        Städte und Kommunen ist vorhanden. Insgesamt haben
        sich bereits 36 Städte in Ratsbeschlüssen für eine Auf-
        nahme von UNHCR-Flüchtlingen im Rahmen der Save-
        me-Kampagne ausgesprochen.
        In Nordafrika und im Iran muss die Bundesregierung
        endlich ihren Worten Taten folgen lassen. Die Aufnahme
        von weiteren iranischen Flüchtlingen wäre der richtige
        Schritt in Richtung einer glaubwürdigen, an den Men-
        schenrechten orientierten Außenpolitik.
        Anlage 14
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung der Anträge:
        – Die Reform der Gemeinsamen Fischereipoli-
        tik zum Erfolg führen
        – Chancen der EU-Fischereireform 2013 nut-
        zen und Gemeinsame Fischereipolitik
        grundlegend reformieren
        (Tagesordnungspunkt 21)
        Gitta Connemann (CDU/CSU): Ein deutsches
        Sprichwort sagt: „Lehre mich die Karpfen nicht kennen,
        mein Vater war ein Fischer.“ Mit anderen Worten: Er-
        zähle mir nichts, was ich schon kenne und tue. So könnte
        die Kurzantwort auf die Anträge der Opposition zur Ge-
        meinsamen Fischereipolitik lauten. Denn was darin ge-
        fordert wird, wird auf Bundesebene längst gelebt.
        Gemeinsamer Tenor der Anträge der SPD und von
        Bündnis 90/Die Grünen ist die Forderung an die Bundes-
        regierung, sich für eine grundlegende und ehrgeizige Re-
        form der Fischereipolitik auf europäischer Ebene einzu-
        setzen.
        Die Diskussion über diese Reform war im April 2009
        von der EU-Kommission eröffnet worden. Das seinerzeit
        von der Kommission vorgelegte Grünbuch zielt auf eine
        grundlegende Neuausrichtung der Gemeinsamen Fische-
        reipolitik. Es enthält keine konkreten Vorschläge. Aller-
        dings wird das derzeitige System der Quotenverwaltung
        einschließlich der relativen Stabilität hinterfragt. Im Üb-
        rigen finden sich darin Überlegungen, individuell trans-
        ferierbare Fangrechte einzuführen. Und die Kommission
        erwägt, gemischte Fischereien ausschließlich auf der Ba-
        sis von Fangaufwandssystemen zu verwalten.
        Zu diesem Grünbuch konnten die Mitgliedstaaten und
        Interessengruppen bis Ende 2009 Stellung nehmen. Die
        Bundesregierung hat von dieser Möglichkeit Gebrauch
        gemacht, offensichtlich sehr gut. Denn die Ähnlichkeit
        der Forderungen insbesondere der SPD in ihrem Antrag
        mit den Forderungen in der Stellungnahme der Bundes-
        regierung aus Dezember 2009 ist verblüffend. Die deut-
        schen Kernpunkte finden sich nahezu identisch in dem
        ein Jahr später von der SPD aufgelegten Antrag.
        Ich freue mich über so viel Einigkeit. Denn es werden
        auch die Erfolge anerkannt, die die Gemeinsame Fische-
        reipolitik trotz zahlreicher Mängel aufzuweisen hat. Ge-
        rade in den letzten Jahren hat sich – dank der mehrjähri-
        gen Bewirtschaftungspläne – die Zahl der überfischten
        Bestände deutlich verringert.
        Dennoch gibt es zu viele Fischbestände in den EU-
        Gewässern, die erschöpft sind. 65 Prozent der Bestände
        sind überfischt. Das bisherige Krisenmanagement reicht
        offensichtlich nicht. Auch die Bilder von Rückwürfen
        großer Mengen verzehr- und vermarktungsfähiger Fi-
        sche verunsichern die Verbraucherinnen und Verbrau-
        cher zutiefst. Zu Recht! Denn nur wenige Fischarten
        überleben den Rückwurf. Gerade Beifänge von gefähr-
        deten Arten und Jungfischen sind als besonderes Pro-
        blem anzusehen. Rückwürfe stellen gleichermaßen eine
        Missachtung der Schöpfung und Verschwendung wert-
        voller Meeresressourcen dar.
        Das zentrale Ziel bei der anstehenden Reform muss
        deshalb aus unserer Sicht die nachhaltige Bewirtschaf-
        tung der Fischereibestände in ganz Europa sein. Es han-
        delt sich dabei um lebende Meeresschätze. Sie stellen
        auch die Grundlage für eine hochwertige und gesunde
        Versorgung mit dem Lebensmittel Fisch dar. Deshalb
        muss auf europäischer Ebene ein Rückwurfverbot veran-
        kert werden. Alle Fänge, auch Beifänge, müssen an
        Land gebracht und auf die Fangquoten angerechnet wer-
        den. Für die angelandeten Fische ist in der Regel eine
        bestimmte Mindestgröße vorzuschreiben.
        Fisch ist aber nicht nur Nahrungsgrundlage, sondern
        auch die Existenz von vielen kleinen und mittelständi-
        schen Fischereibetrieben, den vor- und nachgelagerten
        Bereichen. Dort werden mehr als 45 000 Menschen be-
        schäftigt. Sie versorgen nicht nur die Verbraucherinnen
        und Verbraucher in Deutschland mit Fischereierzeugnis-
        sen von höchster Qualität. Vielmehr tragen sie zur At-
        traktion von Regionen für den Tourismus bei. Ich erlebe
        dies in meiner ostfriesischen Heimat. Was wären Ditzum
        und Greetsiel ohne Krabbenkutter?
        Ebenso wie jeder andere Wirtschaftszweig brauchen
        diese Fischereibetriebe und ihre Beschäftigten verlässli-
        che wirtschaftliche Rahmenbedingungen und eine Per-
        spektive. Deshalb dürfen wir die Säulen der Gemeinsa-
        men Fischereipolitik nicht infrage stellen. Dies sind
        unter anderem die Verteilung der Gesamtfangmengen
        nach dem Prinzip der relativen Stabilität. Aber auch das
        System nationaler nicht handelbarer Quoten zählt dazu.
        Schließlich müssen unsere Betriebe besser vor illegaler
        Fischerei geschützt werden.
        Diesem Spagat hat die Bundesregierung im Dezem-
        ber 2009 mit ihrer Stellungnahme gegenüber der Kom-
        mission Rechnung getragen. Die Kernpunkte der deut-
        schen Position lauten: Eine Reform der Gemeinsamen
        Fischereipolitik muss zielen auf eine nachhaltigere Fi-
        11106 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 96. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. März 2011
        (A) (C)
        (D)(B)
        schereipolitik, die Ausweitung der mehrjährigen Bewirt-
        schaftungs- und Wiederaufbaupläne auf weitere Be-
        stände, die Stärkung der regionalen Beratungsgremien,
        die Verbesserung der Kontrollen und Eindämmung ille-
        galer (IUU-)Fischerei auf europäischer und internationa-
        ler Ebene, die Ablehnung handelbarer Quoten, die Ver-
        teidigung der relativen Stabilität, die Reduzierung der
        Rückwürfe durch Einführung eines Rückwurfverbots
        bzw. eines Anlandegebots, die Verbraucherstärkung
        durch Verbesserung von Markttransparenz und Produkt-
        informationen sowie nachhaltige und entwicklungspoli-
        tisch sinnvolle Ausgestaltung von Fischerei-Partner-
        schaftsabkommen.
        Die Anträge von der Opposition stimmen weitgehend
        mit diesen Kernpunkten überein. Das musste Ihnen beim
        Schreiben Ihrer Anträge auch bewusst gewesen sein.
        Denn als Sie Ihre Anträge im Oktober 2010 auf den
        Markt brachten, hatten wir, die Bundesregierung, uns
        schon lange positioniert.
        Und mehr als das: Im Juni 2010 hatte die Bundesre-
        gierung in einem gemeinsamen Memorandum mit
        Frankreich und Polen zentrale Elemente dieser Position
        unterstrichen, insbesondere die Ablehnung handelbarer
        Quoten bzw. eines reinen Fangaufwandssystems.
        Unsere Bundesministerin Ilse Aigner hatte darüber
        hinaus im September 2010 in einem Schreiben an die
        EU-Kommissarin Maria Damanaki unsere Forderung
        nach Einführung von Rückwurfverboten erneuert und
        konkretisiert. Das von ihr geforderte System echter
        Fangquoten – im Gegensatz zu den heutigen Anlande-
        quoten – eröffnet darüber hinaus mittelfristig die Mög-
        lichkeit, die gemeinsame Fischereipolitik deutlich zu
        vereinfachen.
        Inzwischen hat die Kommission am 1. März dieses
        Jahres diese deutschen Forderungen aufgegriffen. Im
        Rahmen eines Fischereiministertreffens hatte die Kom-
        missarin Maria Damanaki zunächst ein informelles Pa-
        pier eingeführt. Dieses Papier enthielt in Fortschreibung
        des Grünbuchs Vorschläge, die gravierende Auswirkun-
        gen auf die deutsche Fischerei gehabt hätten. Die darin
        geplante Regelung der gemischten Fischerei durch ein
        Aufwandssystem hätte Quoten entbehrlich gemacht, die
        für uns als nationaler Besitzstand zu den Grundpfeilern
        der Gemeinsamen Fischereipolitik gehören. Dem ange-
        dachten Transfer von Quoten in Aufwandseinheiten
        sollte die aktuelle und nicht die bisherige relative Stabili-
        tät zugrunde gelegt werden. Dies war aus deutscher
        Sicht völlig unakzeptabel. Weitere Folge wäre ein erheb-
        liches Mehr an Verwaltungsaufwand und Bürokratie ge-
        wesen.
        Die Bundesregierung fand Unterstützung für ihre
        Positionen. Das Papier der Kommissarin ist inzwischen
        Geschichte. Am Ende des Tages kündigte sie an, kon-
        krete Vorschläge dafür vorzulegen. Und es wurde auf
        Initiative Deutschlands eine „Gemeinsame Erklärung
        über Rückwürfe im Rahmen der Reform der Gemeinsa-
        men Fischereipolitik“ mit Vertretern Dänemarks, Frank-
        reichs und des Vereinigten Königreichs geschlossen.
        Diese vier Nationen bilden eine Sperrminorität.
        Mit dieser Erklärung werden nicht nur die Grundpfei-
        ler der bisherigen Gemeinsamen Fischereipolitik gestärkt,
        sondern die Beendigung der Praxis der Rückwürfe und
        die Einführung echter Fangquoten anstelle von Anlande-
        quoten gefordert. Zu Recht! Die Rückwürfe in die Nord-
        see betragen allein beim Kabeljau 800 000 Tonnen, ange-
        landet werden lediglich 730 000 Tonnen.
        Die gravierenden Mängel des derzeitigen Fischerei-
        managements in den Gemeinschaftsgewässern sind vor
        allem auf zwei Grundprobleme zurückzuführen: auf die
        unzureichende Kontrolle und Durchsetzung der beste-
        henden Regeln sowie auf die Tatsache, dass Rückwürfe
        von vermarktungsfähigem Fisch nicht nur zugelassen
        sind, sondern – je nach Ausgestaltung des Quotenma-
        nagements in den Mitgliedstaaten – sogar bewusst in gro-
        ßem Umfang in Kauf genommen werden.
        In Bezug auf die Kontrolle und Durchsetzung gibt es
        mit den Regelungen zur Bekämpfung der illegalen Fi-
        scherei, IUU, sowie mit der Kontrollverordnung eine
        ausreichende Eingriffsgrundlage. Leider hapert es mit
        der Durchsetzung, nicht bei uns in Deutschland. Hier
        wird kontrolliert – überall und jederzeit. Aber so ist es
        nicht in allen Mitgliedstaaten. Hier muss mehr getan
        werden. Kommission und Mitgliedstaaten müssen sich
        stärker als bisher dafür einsetzen, dass die Fischereikon-
        trollen und die Ahndung von Verstößen in allen Gemein-
        schaftsgewässern mit der notwendigen Konsequenz er-
        folgt. Es darf nicht mit zweierlei Maß gemessen werden.
        Für die Rückwürfe sind bisher noch keine ausreichen-
        den Maßnahmen ergriffen worden. Hier stellt die Reform
        der Gemeinsamen Fischereipolitik eine Chance und He-
        rausforderung zugleich dar. Die grundlegenden Fehler
        des derzeitigen Bewirtschaftungssystems verursachen
        systematische Rückwürfe. Deshalb fordert Deutschland
        mit Nachdruck für demersale Fischereien in der Nordsee,
        insbesondere für die Fischerei auf Kabeljau und verge-
        sellschaftete Arten, die Einführung eines Rückwurfver-
        bots bzw. eines Anlandegebots. Damit verbunden ist ein
        Wechsel von Anlandequoten zu richtigen Fangquoten.
        Für diesen Systemwechsel sollte eine Übergangsphase
        vorgesehen werden, in der die Beteiligung der Fischer zu-
        nächst auf freiwilliger Basis erfolgt, um Erfahrungen für
        die konkrete Ausgestaltung neuer Regelungen zu sam-
        meln.
        Die Umstellung von einer Anlandequote zu einer ech-
        ten Fangquote kann für Fischer zunächst mit finanziellen
        Einbußen verbunden sein. Denn die Fangzusammenset-
        zung kann nicht mehr durch Rückwurf weniger wertvol-
        ler Arten oder untermaßiger Exemplare optimiert wer-
        den. Diese Härten für unsere Fischereibetriebe sind
        abzumildern. Dafür werden wir uns einsetzen.
        Eine Verpflichtung zur Anlandung der Fänge bringt
        mit sich, dass die Kontrolle sich nicht mehr vorrangig
        auf die Anlandung konzentrieren darf. Wenn aus den bis-
        herigen Anlandequoten echte Fangquoten werden sollen,
        müssen Fangmenge und -Zusammensetzung in stärke-
        rem Umfang auf See kontrolliert werden. In diesem Zu-
        sammenhang werden folgende Modelle diskutiert: der
        Einsatz wissenschaftlicher Beobachter oder staatlich zu-
        gelassener Kontrollstellen bei größeren Fischereifahrzeu-
        Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 96. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. März 2011 11107
        (A) (C)
        (D)(B)
        gen, alternativ der Einsatz fest installierter technischer
        Hilfsmittel bei größeren und mittleren Fischereifahrzeu-
        gen zum Beispiel durch Kameraüberwachung, CCTV,
        sowie die Plausibilitätsüberprüfung der Fangmeldungen
        von kleineren Fischereifahrzeugen durch Vergleich mit
        wissenschaftlichen Probefängen.
        Allerdings sind wir uns einig, dass es hier nicht zu ei-
        nem deutschen Sonderweg kommen darf, der unsere Fi-
        schereibetriebe über Gebühr belastet und ihre Wettbe-
        werbssituation verzerrt. Deshalb gibt es freiwillige
        Pilotprojekte – in Dänemark, dem Vereinten Königreich
        aber auch in Cuxhaven. Die Erfahrungen dort zeigen:
        Verbraucherinnen und Verbraucher goutieren nachhal-
        tige Fischerei mit der Bereitschaft, höhere Preise zu zah-
        len.
        Gerade die Verbraucherinnen und Verbraucher wer-
        den also mit ihrer Kaufentscheidung dazu beitragen, ob
        die nachhaltige Nutzung der Fischbestände gesichert
        werden kann. Dafür braucht es mehr Information und
        Transparenz.
        Die Reform der Gemeinsamen Fischereipolitik ist
        eine Chance. Denn damit kann die Grundlage für eine
        nachhaltige Nutzung unserer lebenden Meeresschätze
        gelegt werden. Die Bundesregierung hat dies erkannt
        und ist tätig geworden. Die vorliegenden Anträge laufen
        ins Leere. Wir werden diese deshalb ablehnen.
        Holger Ortel (SPD): Ambitioniert ist die Fischerei-
        kommissarin Damanaki an die Reform der Gemeinsa-
        men Fischereipolitik herangegangen. Dies sollte, und
        soll noch immer, eine tiefgreifende Reform werden,
        nach der die europäische Fischereipolitik wesentlich
        besser dasteht. Kleinere Flotten, die Bestände auf we-
        sentlich besserem Niveau – das war die Vorstellung von
        Frau Damanaki und auch schon ihres Vorgängers Joe
        Borg.
        Frau Damanaki sieht sich dabei aber in einigen wich-
        tigen Punkten der Reform recht unterschiedlichen Stand-
        punkten der Mitgliedstaaten gegenüber. Nur in einem
        Punkt scheinen sich alle einig zu sein – die Kommission
        ist an allem schuld. Die Kommission wolle die Quoten
        zugunsten der südlichen Staaten umverteilen, heißt es.
        Die Kommission habe die kw- und die Seetage einge-
        führt. Die Kommission nenne nicht Ross und Reiter bei
        den zu großen Flotten der Mitgliedstaaten. Einige dieser
        Anschuldigungen sind aus unserer Sicht zutreffend, an-
        dere nicht.
        Aber man muss sich mal in die Situation der Kom-
        mission hineinversetzen. Die Interessen der Mitglied-
        staaten sind keineswegs deckungsgleich. Wir zum Bei-
        spiel wollen keine handelbaren Quoten auf europäischer
        Ebene einführen, andere Mitgliedstaaten aber sehr wohl.
        Einen Mittelweg gibt es da nicht. Einige Mitgliedstaaten
        halten auch die relative Stabilität für überholt, wir nicht.
        Wir sprechen uns dafür aus, die nationalen Flotten an die
        Quoten anzupassen und nicht die Quoten an die Flotte.
        Nun steht Frau Damanaki vor der schwierigen Aufgabe,
        Vorschläge zu unterbreiten, die dem allem gerecht wer-
        den sollen. Das ist eigentlich eine Aufgabe, die niemand
        lösen kann.
        Die beiden hier vorliegenden Anträge von SPD und
        von den Grünen sind ziemlich unterschiedlich. Ich
        möchte Ihnen zunächst den SPD-Antrag erläutern. Im
        bestehenden System der Gemeinsamen Fischereipolitik
        existieren aus unserer Sicht einige Fehler. Einer der gra-
        vierendsten ist, dass die festgesetzte Gesamtfangmenge
        nur für die angelandete Menge an Fisch gilt. Sie schränkt
        die Rückwürfe auf See aber nicht ein. Gleichzeitig gibt
        es Mindestanlandegrößen, die Fischer zwingen, be-
        stimmte Fische zurückzuwerfen. Dadurch gibt es eine
        Menge „Discard“. Beim Kabeljau in der Nordsee gibt es
        geschätzt so viele Rückwürfe wie Anlandungen. Davon
        müssen wir wegkommen. Das schaffen wir in erster Li-
        nie durch die Entwicklung besserer fangtechnischer Me-
        thoden. Es muss gelten: Der beste „Discard“ ist der, der
        erst gar nicht entsteht.
        Ein weiterer Fehler ist ein auf Aufwand basierendes
        System wie das der kw-Tage in der Nordsee. Mit der
        Einrichtung dieses Systems ist ein großes Durcheinander
        entstanden. Deshalb müssen die kw-Tage wieder abge-
        schafft werden. Die Kommission hantiert offensichtlich
        sehr gern mit Aufwandssystemen herum. Das mag in an-
        deren Regionen Europas auch Sinn machen – nämlich
        da, wo es noch gar keine Quoten gibt und jedes Jahr
        munter drauflosgefischt wird. Aber in Nord- und Ostsee
        sollten wir es beim bewährten Quotensystem belassen.
        Zu den Aufgaben bei der Reform zählt aber auch, das
        zu bewahren, was in der Vergangenheit gut funktioniert
        hat. Damit meine ich vor allem die relative Stabilität.
        Die hat sich seit 1983 bewährt und bietet allen Beteilig-
        ten in diesem Wirrwarr einen verlässlichen Rahmen.
        Deshalb müssen wir sie auch weiterhin behalten, sonst
        geht nämlich die ganze Fischereipolitik den Bach runter.
        Und wenn ich behalten sage, dann meine ich auch, dass
        hier weder der Umverteilungsschlüssel geändert noch
        eine Bereinigung um die getauschten Quoten stattfinden
        darf. Das sind alles Versuche, die relative Stabilität aus-
        zuhebeln. Das darf es nicht geben. Jeder weiß, dass die
        Fischerei nicht jedes Jahr gleich ist. Und wenn der eine
        vielleicht mal etwas weniger Kabeljau im Netz hat, dann
        kann er seine Restquote gegen eine andere Quote tau-
        schen. Die relative Stabilität bietet dem Fischer die Fle-
        xibilität, die er braucht, um sich am Markt behaupten zu
        können.
        Mit dem Tausch komme ich auch gleich zur zweiten
        Baustelle. Auch das System des Tausches zwischen den
        Mitgliedstaaten hat sich seit 1983 bewährt. Was die Mit-
        gliedstaaten auf nationaler Ebene machen, hat damit ja
        nichts zu tun. Aber zwischen den Staaten darf es aus un-
        serer Sicht auch zukünftig keinen Handel von Quoten
        geben. Wenn wir das machen, können wir unsere Küs-
        tenfischerei zumachen, denn unsere Küstenfischer sind
        allesamt kleine Betriebe, die nicht eben mal 100 000 Euro
        für eine Quote lockermachen können.
        Ich möchte an dieser Stelle einmal Frau Bundesminis-
        terin Aigner loben, die sich hier für deutsche Interessen
        eingesetzt hat. Mit der Erklärung des Weimarer Dreiecks
        und der kürzlich gemeinsam mit Dänemark, Frankreich
        11108 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 96. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. März 2011
        (A) (C)
        (D)(B)
        und Großbritannien abgegebenen Erklärung haben sie
        Pflöcke eingeschlagen, an denen Frau Damanaki so
        schnell nicht vorbeikommt.
        Immer wieder ertönt der Ruf nach der 1:1-Umsetzung
        von ICES-Vorgaben. Der ICES legt die Vorschläge nach
        rein biologischen Gesichtspunkten fest. Das mag ja aus
        Sicht der Grünen richtig sein, aber aus unserer Sicht
        müssen auch andere Punkte berücksichtigt werden. Au-
        ßerdem liegt die Wissenschaft nicht selten daneben. In
        der Vergangenheit gab es einige Beispiele, wo der ICES
        im Nachhinein seine Zahlen korrigieren musste. Das
        Hauptproblem dabei ist die mangelhafte Datenlage. Wir
        brauchen dringend mehr Informationen über die Be-
        stände.
        Wir als SPD haben in unserem Antrag den Anliegen
        der Umwelt und der Fischer gleichermaßen Rechnung
        getragen. Wir sind uns im Klaren darüber, dass es in Zu-
        kunft nur Fischerei geben kann, wenn auch genügend Fi-
        sche da sind. Wir haben aber gleichzeitig ein klares Be-
        kenntnis für die Fischer abgegeben und dargestellt, dass
        die europäischen Bestandsprobleme im Regelwerk der
        Fischerei liegen. Wir haben einige Regelungen darge-
        stellt, die einer nachhaltigen Fischerei zuwiderlaufen,
        und aufgezeigt, wie wir diese verändern möchten.
        Und nun zum Antrag der Grünen. Dazu möchte ich
        im Wesentlichen sagen, dass Sie beinahe nahtlos an die
        Aussagen der früheren Landwirtschaftsministerin Künast
        anknüpfen. Sie wollen zwar nicht Fischerboote zu Haus-
        booten machen, aber einige Ihrer Forderungen kommen
        dem sehr nahe. Wenn man alle Ihre Forderungen umset-
        zen würde, gäbe es wahrscheinlich keine Fischerei mehr.
        Wenn ich mir nur Ihre Forderung nach Mindestfanggrö-
        ßen ansehe oder die Fischereiabgabe! Wenn Sie keine
        Fischerei mehr wollen, müssen Sie das nur sagen. Im-
        merhin fordern Sie hier nicht die 1:1-Umsetzung der
        ICES-Advise. Das allerdings überrascht mich ein wenig.
        Nur zur relativen Stabilität äußern Sie sich nicht. Das ha-
        ben aber Ihre Kollegen im Europäischen Parlament für
        Sie getan. Die fordern nämlich den Ausstieg aus der re-
        lativen Stabilität.
        Was ich aber an der Debatte hier im Deutschen Bun-
        destag am erstaunlichsten finde, ist, dass Union und FDP
        es nicht geschafft haben, sich zur Reform der Gemeinsa-
        men Fischereipolitik zu positionieren. Sie verstecken
        sich schamlos hinter der Bundesregierung, und obwohl
        Ihnen der Antrag der SPD inhaltlich zusagt – im Aus-
        schuss wurde er noch von CDU und FDP gelobt – leh-
        nen Sie ihn ab. Das ist ein Armutszeugnis. Ich will Ihnen
        sagen, dass hier zwischen uns und der Bundesregierung
        Einigkeit besteht. Das heißt, Sie lehnen heute nicht nur
        den Antrag der SPD, sondern auch die Position der Bun-
        desregierung ab. Was sagen Sie den Fischern an Nord-
        und Ostsee, wie diese ihre Familienbetriebe und ihre Ar-
        beitsplätze in Zukunft sichern wollen? Sie lassen sie im
        Stich.
        Die Debatte zur Reform der Gemeinsamen Fischerei-
        politik ist jetzt im Gange. Wir können uns als Deutscher
        Bundestag nicht erst äußern, wenn die Kommission im
        Mai dieses Jahres ihre Vorstellungen präsentiert. Dann
        ist es zu spät. Deutschland muss sein ganzes Gewicht
        jetzt in die Waagschale werfen.
        Dr. Christel Happach-Kasan (FDP): Die SPD-
        Fraktion hat einen sehr respektablen Antrag zur Fische-
        reipolitik vorgelegt, in dem sich das große Erfahrungs-
        wissen ihres fischereipolitischen Sprechers Holger Ortel
        widerspiegelt. Schade, dass der Antrag nicht als gemein-
        samer Antrag angelegt war, so müssen wir ihn leider we-
        gen einiger Formulierungen trotz verschiedener sehr gu-
        ter Ansätze ablehnen.
        Die Kommission hat mit ihrem Grünbuch zur Reform
        der Gemeinsamen Fischereipolitik im Jahr 2009 eine
        wichtige Diskussion angestoßen. Unsere maritimen
        Ökosysteme stehen durch den Klimawandel und die in
        verschiedenen Regionen zu starke Nutzung der aquati-
        schen Ressourcen unter erheblichem Stress. Es gibt
        Fischbestände in europäischen und außereuropäischen
        Fanggebieten, die in den letzten Jahrzehnten durch ver-
        änderte Umweltbedingungen und auch die zunehmende
        fischereiwirtschaftliche Nutzung erheblich dezimiert
        wurden. Die Bestandsaufnahme der Kommission hat er-
        geben, dass die seit 2003 geltende Gemeinsame Fische-
        reipolitik die heute herrschenden Probleme nicht lösen
        konnte. Insbesondere bestehen in zahlreichen Ländern
        zu große Flottenkapazitäten. Es wurden erhebliche Fi-
        nanzmittel aufgewendet, um die Flotten an den tatsächli-
        chen, für eine nachhaltige Fischerei angemessenen Be-
        darf anzupassen. Das ist bisher nur unzureichend
        gelungen. Deutschland hat in diesem Bereich seine
        Hausaufgaben gemacht. Hohe Flottenkapazitäten bieten
        Anreize für eine Überfischung. Wir sind uns in diesem
        Haus einig, dass eine Reform der Gemeinsamen Fische-
        reipolitik, wie sie die Kommission angestoßen hat, not-
        wendig ist.
        Gleichzeitig gilt es festzuhalten, dass die Anzahl
        nachhaltig bewirtschafteter Bestände inzwischen steigt.
        Der Wiederaufbau einiger Fischbestände verläuft viel-
        versprechend, zum Beispiel des Dorsches in der Ostsee
        und der Scholle in der Nordsee. Das ist ein kleiner Licht-
        blick. Eine Reform der gemeinsamen Fischereipolitik
        könnte weitere Schritte in Richtung einer MSY-Bewirt-
        schaftung – MSY: maximum sustainable yield – bringen.
        Leider haben verschiedene Einkaufsführer dies noch
        nicht berücksichtigt, sodass teilweise wertvolle Speisefi-
        sche nicht verkauft werden konnten, sondern in die In-
        tervention gegeben wurden. Wir brauchen deshalb eine
        bessere Verbraucherinformation.
        Die Fischereiwirtschaft ist entscheidend abhängig
        vom Zustand der maritimen Ressourcen. Gleichzeitig
        beeinflussen der Klimawandel, die wirtschaftliche Ent-
        wicklung, der gesellschaftliche Wandel und regionale
        Entwicklungen die Zukunft der Fischer in Deutschland
        und Europa. Nur eine nachhaltige Ausrichtung der Ge-
        meinsamen Fischereipolitik kann gewährleisten, dass die
        Bevölkerung ausreichend mit Fischen und Meeresfrüch-
        ten versorgt wird, die wirtschaftliche Zukunft der
        Fischer gesichert wird und die natürlichen Bestände er-
        halten bleiben.
        Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 96. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. März 2011 11109
        (A) (C)
        (D)(B)
        Deutschland importiert etwa 80 Prozent des hier ver-
        zehrten Fisches. Dennoch hat auch in unseren Küstenre-
        gionen die Fischerei eine wichtige Bedeutung. Sie liefert
        Fisch insbesondere für die regionale Küche, außerdem
        ist sie eine wichtige touristische Attraktion. Die Betrach-
        tung der Nachhaltigkeit darf nicht nur auf den ökologi-
        schen Sektor begrenzt werden, auch wenn er von ent-
        scheidender Bedeutung ist. Ökonomische und soziale
        Fragen müssen ebenfalls bedacht werden.
        Die Europäische Kommission hat im Grünbuch fünf
        wesentliche Problemfelder definiert, die bei einer Re-
        form angegangen werden müssen. Sie schlägt vor, das
        Problem der Flottenüberkapazität zu lösen, die politi-
        schen Ziele zu präzisieren, die Beschlussfassung auf we-
        sentliche Grundsätze zu beschränken, die Fischereiwirt-
        schaft bei der Durchführung besser einzubinden und für
        eine verbesserte Durchsetzung und Anwendung der fi-
        schereilichen Regelungen zu sorgen. Die Bundesregie-
        rung hat sich zu den Überlegungen der Kommission po-
        sitioniert und bereits Verhandlungen auf europäischer
        Ebene begonnen. Die FDP unterstützt die Bundesregie-
        rung in ihrer Haltung, auf dem Grundsatz einer nachhal-
        tigen Entwicklung im Rahmen eines ökosystembasierten
        Fischereimanagements die Fischereipolitik fortzuentwi-
        ckeln. Es ist von besonderer Bedeutung, die mehrjähri-
        gen Bewirtschaftungs- und Wiederaufbaupläne unter der
        Prämisse des MSY, also des höchstmöglichen Dauerer-
        trages, auf solider wissenschaftlicher Basis auszuweiten.
        Es ist für Deutschland von entscheidender Bedeutung,
        dass die relative Stabilität und das System der nationalen
        Fangquoten beibehalten und anhand wissenschaftlicher
        Untersuchungen fortwährend evaluiert werden. In die-
        sem Punkt stimmen wir dem SPD-Antrag ausdrücklich
        zu. Wir begrüßen die Initiative der Bundesregierung und
        weiterer Mitgliedstaaten, das Problem der Rückwürfe
        entschlossen anzugehen. Nur wenn Rückwürfe konse-
        quent auf die Fangquoten angerechnet werden, kann das
        Ziel des MSY erfolgreich umgesetzt werden. Hierzu
        müssen im Rahmen der Gemeinsamen Fischereipolitik
        die illegale Fischerei konsequent bekämpft und geltende
        Rechtsbestimmungen so effizient wie möglich auf ihre
        Umsetzung kontrolliert werden. Die Fischereiwirtschaft
        sollte dabei in die Entwicklung geeigneter Kontroll- und
        Überwachungsmethoden eingebunden werden, um prak-
        tikable und wirksame Lösungen zu finden. Hierbei ist
        der Schwerpunkt aus unserer Sicht insbesondere auf die
        Fischfangnationen zu legen, die immer noch viel zu
        hohe Flottenumfänge haben und bei denen daher der An-
        reiz für Rechtsverstöße besonders groß ist.
        Die FDP ist im Wesentlichen mit der Verhandlungs-
        position der Bundesregierung auf europäischer Ebene
        zufrieden. Aus unserer Sicht besteht jedoch noch ein er-
        heblicher Optimierungsbedarf bei der wissenschaftli-
        chen Datengrundlage. Um wirklich nachhaltige Bewirt-
        schaftungspläne für die bedrohten Meeresarten erstellen
        zu können, ist eine fundierte Kenntnis der spezifischen
        ökologischen Zusammenhänge und der tatsächlichen
        Verteilung und Verbreitung einzelner Arten unabdingbar.
        Die gut aufgestellte deutsche Fischerei- und Meeresfor-
        schung muss weiter unterstützt und ausgebaut werden.
        Ein wirksamer Schutz der Meeresressourcen kann nur
        durch eine verbesserte Forschung, effiziente Kontrollen
        und Einbindung unserer Fischer erzielt werden. Speziell
        dieser Punkt kommt im eigentlich guten und sachlich
        fundierten Antrag der SPD zu kurz. Deshalb und weil
        die Bundesregierung mit ihrer Haltung bereits auf einem
        guten Weg ist, lehnen wir diesen Antrag ab. Den Antrag
        von Bündnis 90/Die Grünen lehnen wir ab, da er völlig
        realitätsfremd und ideologisch ist.
        Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE): Bei der Ge-
        meinsamen Fischereipolitik, GFP, sind wir uns zwischen
        den Fraktionen im Bundestag in vielen grundsätzlichen
        Fragen einig. Wir wollen zum Beispiel gemeinsam, dass
        nicht mehr Fisch gefangen werden darf, als im selben
        Zeitraum „nachwächst“. Das ist ja auch logisch und
        quasi die alte Försterregel zur nachhaltigen Bewirtschaf-
        tung des Waldes – übertragen auf das Meer.
        Die Linke will eine sachliche Diskussion auf belast-
        barer wissenschaftlicher Grundlage.
        Dazu gehört, dass wir bei allen Analysen und Ent-
        scheidungen berücksichtigen, dass die wissenschaftli-
        chen Schätzungen der vorhandenen Fischbestände nicht
        genau genug, also nicht wirklich belastbar sind. Das
        Rostocker von Thünen-Institut für Ostseefischerei, vTI,
        spricht von 10 bis 20 Prozent Fehlerquote. Diese Unge-
        nauigkeit kann aber dramatische Auswirkungen bei der
        jährlichen Fangquotenfestsetzung haben. Die Fischerei-
        forschung muss gestärkt werden, damit wir besser be-
        lastbare Grundlagen für die politischen Entscheidungen
        bekommen.
        Das kann auch zur Versachlichung der Debatte beitra-
        gen. Und das ist dringend notwendig. Es geht dabei nicht
        um Verharmlosung einer Situation, die im Grünbuch der
        EU erstaunlich deutlich und ehrlich beschrieben wurde.
        Aber die Situation vieler Fischbestände ist beunruhigend
        genug und muss nicht auch noch zusätzlich mit Horror-
        meldungen dramatisiert werden. Die Schreckenszahl
        88 Prozent geistert immer wieder durch politische De-
        batten und Mailing-Aktionen. Aber 88 Prozent über-
        fischte Bestände heißt eben nicht 88 Prozent fast ausge-
        rottete Bestände, sondern: 88 Prozent der Fischbestände,
        über die wissenschaftliche Erhebungen vorliegen, wer-
        den zu stark befischt, also mehr, als nach dem höchst-
        möglichen, nachhaltigen Dauerertrag, MSY, entnommen
        werden dürften. Das ist problematisch genug. Aber nur
        bei circa einem Viertel liegen solche Daten überhaupt
        vor. Solche überzogenen Dramatisierungen lenken leider
        von wirklichen Problemen ab. Das drohende Aussterben
        des europäischen Aals wird zum Beispiel kaum wahr-
        genommen, wie Dr. Christoph Zimmermann vom von
        Thünen-Institut in der Ausgabe 1/2010 der Fachzeit-
        schrift Kutter beklagt hat.
        Bei allen unbestrittenen Problemen in der Fischerei
        sieht die Linke aber nicht nur ihre ökologischen Rah-
        menbedingungen, sondern konsequent auch ihre soziale
        und wirtschaftliche Funktion. Deshalb dürfen die not-
        wendigen Fangreduzierungen nicht auf Kosten der in der
        Fischerei Beschäftigten gehen. Quotenkürzungen kön-
        nen zu Arbeitsplatzverlusten führen und haben damit er-
        11110 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 96. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. März 2011
        (A) (C)
        (D)(B)
        hebliche Auswirkungen auf das Leben und Arbeiten an
        der Küste. In den Küstenregionen lebt fast die Hälfte
        der europäischen Bevölkerung, wie EU-Kommissarin
        Maria Damanaki heute bei einer Veranstaltung in Ber-
        lin betont hat. Auch in der Fischerei heißt nachhaltig
        nicht nur ökologisch, sondern auch sozial und ökono-
        misch denken. Das wissen auch die Fischerinnen und
        Fischer. Denn ihre Altersvorsorge sind die Fischbe-
        stände. Deshalb treten sie dafür ein, dass Umwelt- und
        Fischereipolitik nicht gegeneinander ausgespielt werden.
        Deshalb müssen Fischereibetriebe und die Beschäftigten
        in alle Entscheidungen einbezogen werden. Und in den
        Küstenregionen müssen alternative Einkommensmög-
        lichkeiten gezielt gefördert werden, um den Struktur-
        wandel sozial abzufedern.
        Ich möchte noch kurz auf einige Aspekte der aktuel-
        len EU-weiten Debatte eingehen:
        Sicher muss die EU-Fischerei-Flotte abgebaut wer-
        den. Aber die deutsche Fischerei hat hier ihre Hausauf-
        gaben bereits erledigt. Deshalb erwartet sie aber auch zu
        Recht, dass zum Beispiel gegen die illegale Fischerei
        noch konsequenter vorgegangen wird. Hier wurde schon
        einiges erreicht, aber es liegt noch vieles im Argen.
        Die Linke will weg von dem alljährlichen politischen
        Kuhhandel um Fischereitage, Fangquoten und dem
        Streit über die Entwicklung der Fischbestände. Wir wol-
        len stattdessen eine mehrjährige Planung der Bewirt-
        schaftung der Fischbestände. In diesem Fall würden sich
        auch mögliche Schätzfehler der tatsächlichen Fischbe-
        stände nicht so schwerwiegend auswirken.
        Mehrjahrespläne wären auch im Interesse der jungen
        Menschen. Denn wir haben auch in der Fischerei Nach-
        wuchsprobleme. Zu den Gründen gehört neben der Un-
        berechenbarkeit der Fischereipolitik auch die skandali-
        sierte Berichterstattung über ausgeräumte Meere. Wer
        soll da eine berufliche Perspektive für sich sehen?
        Dabei ist sich die Forschung nahezu einig: Durch die
        Fischerei wird kein Bestand und keine Fischart ausster-
        ben, durch eine verfehlte Wirtschafts-, Energie- und Um-
        weltpolitik schon eher.
        Die jetzt anstehende Reform der Gemeinsamen Fi-
        schereipolitik muss deshalb einen Neuansatz finden. Wir
        unterstützen EU-Kommissarin Maria Damanaki, die
        mehr Langfristigkeit, weniger Bürokratie und effektivere
        Kontrollen will.
        Über manche Details muss sicher noch diskutiert wer-
        den. Kontrollkameras an Bord zum Beispiel sind eine
        recht drastische Maßnahme. Hier habe ich ein etwas
        mulmiges Orwell’sches Gefühl. Aber Videobelege sind
        andererseits eine verlässliche Dokumentation mit ver-
        gleichsweise geringem bürokratischem Aufwand.
        Ganz klar will die Linke ein Verbot von Rückwürfen
        des Beifangs mit Anrechnung auf die Fangquote. Nor-
        wegen macht uns das vor. Wir sehen das wie die EU-
        Kommissarin: Rückwürfe sind unethisch, Ressourcen-
        verschwendung und Vergeudung von menschlicher
        Arbeit. In der Fragestunde am Mittwoch hat mir die
        Bundesregierung Rückwurfzahlen aus Deutschland vor-
        gelegt, die nachdenklich machen müssen. Die höchsten
        Rückwurfraten gibt es bei der Baumkurrenfischerei auf
        Scholle und Seezunge. In den Jahren 2008 bis 2010 wur-
        den zwischen 60 und 75 Prozent des Fangs als Abfall
        wieder über Bord gekippt. Das muss aufhören. Wir müs-
        sen schrittweise, aber konsequent von den Rückwürfen
        wegkommen. Die Rückwurfraten in der pelagischen Fi-
        scherei, zum Beispiel Heringsfischerei, sind bereits unter
        1 Prozent, auch die deutsche Fischerei auf Kabeljau und
        Seelachs ist sehr vorbildlich, wie mir die Bundesregie-
        rung bestätigt hat. Von einem zukünftigen Rückwurfver-
        bot sollten als Ausnahme nur Arten mit einer sehr hohen
        Überlebenswahrscheinlichkeit wieder ins Meer gewor-
        fen werden dürfen. Bleiben sie im Ozean zurück, können
        sie weiter wachsen und sich fortpflanzen und damit zu
        stabilen Beständen beitragen.
        Wir kritisieren die oftmals fragwürdigen internationa-
        len Fischereiabkommen mit Nicht-EU-Staaten und for-
        dern ein globales Netzwerk von Meeresschutzgebieten.
        Bei der Ausweisung der Meeresschutzgebiete tragen die
        Mitgliedstaaten eine hohe Verantwortung, die Koordina-
        tion in Europa erwarte ich jedoch von der EU bzw. welt-
        weit von der UNO.
        Für die Linke ist der SPD-Antrag nicht grün genug
        und der grüne Antrag nicht rot genug. Im Grünenantrag
        werden die Konsequenzen aus ihrer „grundlegenden Re-
        form“ einfach ausgeblendet. Aber insbesondere in der
        Küstenfischerei geht es um viele Menschen, die ihre Er-
        werbsarbeit verlieren. Mehr Kontrollen, zusätzliche Ge-
        bühren und Abgaben, das mag zwar eine grundlegende
        Reform sein, aber ob damit die Fischerei auf einen zu-
        kunftsfähigen Weg gebracht werden kann, wage ich zu
        bezweifeln. Richtig ist, dass das Grünbuch gezeigt hat,
        dass sich wirklich etwas tun muss. Diese Forderung un-
        terstützen wir ausdrücklich. Aber es muss mit ökologi-
        scher und sozialer Verantwortung gehandelt werden. Der
        SPD-Antrag geht vage Schritte in die richtige Richtung,
        darum stimmen wir zu. Der grüne Antrag ist aus unserer
        Sicht zu radikal, aber mit grundsätzlich diskussionswür-
        digen Vorschlägen; daher enthalten wir uns.
        Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das
        Grünbuch zur Reform der EU-Fischereipolitik eröffnet
        die Chance für eine grundlegend bessere Fischereipoli-
        tik. Diese Chance muss die EU im Interesse der Meere,
        aber auch der Fischeiwirtschaft nutzen. Nur wer Fisch-
        bestände heute schützt, kann morgen noch Fische fan-
        gen. Deshalb appelliere ich an alle Beteiligten: Treten
        Sie für eine anspruchsvolle Reform der EU-Fischerei-
        politik ein!
        Die Gefahr, dass die Reform kleingekocht wird, ist
        groß. Denn genau die Fischereiminister, die bisher für
        die Überfischung gesorgt haben, entscheiden über diese
        Reform. Hoffnung gibt, dass das Europaparlament nach
        dem Vertrag von Lissabon mitentscheiden darf und dass
        es die Fischereikommissarin Damanaki offenbar ernst
        meint mit der Durchsetzung wirksamer Maßnahmen.
        Bündnis 90/Die Grünen fordern einen Paradigmen-
        wechsel in der EU-Fischereipolitik. Ein zentraler Punkt
        ist die Einführung von Rückwurfverboten und Anlande-
        Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 96. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. März 2011 11111
        (A) (C)
        (D)(B)
        geboten für Arten mit zu niedrigen Rückwurfüberlebens-
        raten, damit endlich Schluss ist mit der ökologisch und
        ökonomisch fatalen Verschwendung von Fischressour-
        cen. Diese Rückwurfverbote brauchen wir so schnell wie
        möglich. Eine schrittweise Einführung wie in der Ge-
        meinsamen Erklärung Deutschlands mit Dänemark,
        Frankreich und Großbritannien reicht nicht. Für ein er-
        neutes Zögern gibt es keinen Grund. Hier hat sich die
        Bundesregierung erneut auf eine viel zu zaghafte Position
        festgelegt.
        Wir Bündnisgrüne fordern auch die strikte Orientie-
        rung der Gesamtfangmengen an den Empfehlungen der
        Fischereiwissenschaft. Denn die wurden in den letzten
        Jahren von den Fischereiministern regelmäßig um circa
        50 Prozent überschritten. Damit muss Schluss sein! In
        den Natura-2000-Meeresschutzgebieten, die in den EU-
        Meeren eingerichtet werden müssen, sollte die Fischerei
        beschränkt werden können, zumindest soweit sie als
        Kinderstube für Fischbestände fungieren. Auffallend ist,
        dass Fischereipolitik in den Koalitionsfraktionen gar
        nicht stattfindet. Diese überlassen sie zu 100 Prozent der
        Bundesregierung. Folgerichtig haben Union und FDP
        auch keinen Antrag zur Reform der EU-Fischereipolitik
        vorgelegt. Dass aber die Vertreter der Union im Aus-
        schuss, wie in der Beschlussempfehlung nachzulesen,
        nicht einmal etwas Inhaltliches zur Fischereireform zu
        sagen hatten, das hat meine Erwartungen aber doch noch
        einmal deutlich untertroffen.
        Dem SPD-Antrag könnten wir in weiten Teilen zu-
        stimmen. Problematisch ist allerdings die Forderung, die
        zulässigen Gesamtfangmengen nach ökologisch, sozial
        und ökonomisch nachhaltigen Kriterien festzusetzen.
        Das heißt doch im Klartext: Zur Stabilisierung der Be-
        stände notwendige Fangmengenreduzierungen sollen
        – wie bisher – aus Rücksicht auf die kurzfristigen Er-
        tragsausfälle der Fischereibetriebe unterbleiben. Das ist
        genau die Logik der Überfischung, der seit Jahrzehnten
        gefolgt wird. Das ist genau die Logik, die dazu führt,
        dass die Fischereibetriebe auf Dauer weniger fischen
        können, als sie bei einer vernünftigen Bewirtschaftung
        fischen könnten! Wegen dieser Forderung müssen wir
        den SPD-Antrag ablehnen.
        Zum erschreckenden Auftritt des fischereipolitischen
        Sprechers der SPD im Ausschuss ist zu sagen: Es hat uns
        schon sehr irritiert, dass er die Fischereipolitik der Bun-
        desregierung über den grünen Klee gelobt hat. Denn die-
        ses Lob hat das widersprüchliche Agieren der Bundesre-
        gierung nun wirklich nicht verdient. So ist
        beispielsweise der Gemeinsamen Erklärung Deutsch-
        lands, Frankreichs und Polens zur Fischereireform zu
        entnehmen, dass sich die Bundesregierung den Überfi-
        schungsinteressen von Frankreich und Polen untergeord-
        net hat und eine Linie unterstützt, die fast alles beim Al-
        ten belässt.
        Die SPD sollte sich wirklich überlegen, ob sie sich
        nicht besser einen fischereipolitischen Sprecher wählt,
        der frei ist von Lobbyinteressen, der nicht gleichzeitig
        Präsident des Deutschen Fischereiverbandes ist. Die
        Trennung dieser Funktionen wäre ein notwendiger Akt
        der politischen Hygiene.
        96. Sitzung
        Berlin, Donnerstag, den 17. März 2011
        Inhalt:
        Redetext
        Anlagen zum Stenografischen Bericht
        Anlage 1
        Anlage 2
        Anlage 3
        Anlage 4
        Anlage 5
        Anlage 6
        Anlage 7
        Anlage 8
        Anlage 9
        Anlage 10
        Anlage 11
        Anlage 12
        Anlage 13
        Anlage 14