Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 94. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Februar 2011 10787
(A) )
)(B)
für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver-
sammlung der OSZE
* für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver-
sammlung des Europarates
**
Klimke, Jürgen CDU/CSU 25.02.2011**
Dr. Knopek, Lutz FDP 25.02.2011
Anlage 1
Liste der entschuldigte
Abgeordnete(r)
entschuldigt bis
einschließlich
Bätzing-Lichtenthäler,
Sabine
SPD 25.02.2011
Barnett, Doris SPD 25.02.2011**
Breil, Klaus FDP 25.02.2011
von Cramon-Taubadel,
Viola
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
25.02.2011**
Dr. Danckert, Peter SPD 25.02.2011
Daub, Helga FDP 25.02.2011
Dr. Djir-Sarai, Bijan FDP 25.02.2011**
Dött, Marie-Luise CDU/CSU 25.02.2011
Fischer (Karlsruhe-
Land), Axel E.
CDU/CSU 25.02.2011*
Friedhoff, Paul K. FDP 25.02.2011
Dr. Fuchs, Michael CDU/CSU 25.02.2011
Gabriel, Sigmar SPD 25.02.2011
Göring-Eckardt, Katrin BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
25.02.2011
Golombeck, Heinz FDP 25.02.2011
Groschek, Michael SPD 25.02.2011**
Heil, Mechthild CDU/CSU 25.02.2011
Heinen-Esser, Ursula CDU/CSU 25.02.2011
Dr. Höll, Barbara DIE LINKE 25.02.2011
Hörster, Joachim CDU/CSU 25.02.2011**
Dr. Hoyer, Werner FDP 25.02.2011
Jung (Konstanz),
Andreas
CDU/CSU 25.02.2011
Karl, Alois CDU/CSU 25.02.2011**
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Anlagen zum Stenografischen Bericht
n Abgeordneten
retschmer, Michael CDU/CSU 25.02.2011
aurischk, Sibylle FDP 25.02.2011
eutheusser-
Schnarrenberger,
Sabine
FDP 25.02.2011
iebich, Stefan DIE LINKE 25.02.2011**
indner, Christian FDP 25.02.2011
utze, Thomas DIE LINKE 25.02.2011
attheis, Hilde SPD 25.02.2011
einhardt, Patrick FDP 25.02.2011
erkel (Berlin), Petra SPD 25.02.2011
estle, Ingrid BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
25.02.2011
r. Ott, Hermann BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
25.02.2011
chieder (Schwandorf),
Marianne
SPD 25.02.2011
chlecht, Michael DIE LINKE 25.02.2011
chmidt (Bochum),
Frithjof
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
25.02.2011
chmidt (Fürth),
Christian
CDU/CSU 25.02.2011
cholz, Olaf SPD 25.02.2011
teinke, Kersten DIE LINKE 25.02.2011
trenz, Karin CDU/CSU 25.02.2011*
ellmann, Karl-Georg CDU/CSU 25.02.2011**
apf, Uta SPD 25.02.2011**
immermann, Sabine DIE LINKE 25.02.2011
bgeordnete(r)
entschuldigt bis
einschließlich
10788 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 94. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Februar 2011
(A) )
)(B)
Anlage 2
Erklärung
des Abgeordneten Hubertus Heil (SPD) zur Ab-
stimmung über die Beschlussempfehlung des
Vermittlungsausschusses zu dem Gesetz zur Er-
mittlung von Regelbedarfen und zur Änderung
des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetz-
buch (Zusatztagesordnungspunkt 4)
Als Berichterstatter des Bundestages zu den abschlie-
ßenden Verhandlungen des Vermittlungsausschusses am
22. und 23. Februar 2011 mache ich darauf aufmerksam,
dass Bund und Länder sechs Protokollerklärungen abge-
geben haben. Diese gebe ich nachfolgend zur Kenntnis:
Bund und Länder erklären, dass folgende Punkte
Grundlage einer Einigung sein sollen:
1. Grundlage für die Einigung ist der unechte Ver-
mittlungsvorschlag vom 10. Februar 2011.
2. Der Regelsatz steigt zum 1. Januar 2011 um
5 Euro, am 1. Januar 2012 um weitere 3 Euro, unabhän-
gig von den notwendigen Anpassungen aufgrund der
Preis- und Lohnentwicklung.
3. 400 Millionen Euro per annum werden vom Bund
für Schulsozialarbeit und Mittagessen in Horten für 2011
bis 2013 zur Verfügung gestellt.
4. Die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsmin-
derung übernimmt der Bund bis 2014 zu 100 Prozent
nach den im unechten Vermittlungsvorschlag vorgesehe-
nen Stufen.
5. Das Bildungspaket für die Kommunen wird auf
Basis der Ist-Kosten des Vorjahres abgerechnet und die
Kostenerstattung jährlich angepasst.
6. Der Regelsatz für die Regelbedarfsstufe 3 wird mit
dem Ziel, Menschen mit Behinderungen ab dem 25. Le-
bensjahr den vollen Regelsatz zu ermöglichen, über-
prüft.
7. Mindestlöhne für das Wach- und Sicherheitsge-
werbe, darunter fällt auch der Bereich der Geldtrans-
porte, und die Aus- und Weiterbildung werden nach dem
AEntG auf den Weg gebracht. Der Mindestlohn für die
Zeit- und Leiharbeit wird im AÜG geregelt, wobei der
jeweilige tarifliche Mindestlohn, derzeit 7,60 Euro West/
6,65 Euro Ost, als eine absolute Lohnuntergrenze festge-
setzt wird. Der Mindestlohn gilt als absolute Lohnunter-
grenze für die Einsatzzeit, wie für die verleihfreie Zeit.
Zudem werden die dazu notwendigen Instrumente des
AEntG im AÜG analog abgebildet. Das Inkrafttreten
dieser Regelungen soll bis zum 1. Mai 2011 erfolgen.
Protokollerklärung: Vermittlungsausschuss
Hartz IV – Gemeindefinanzkommission
In Ergänzung des Ergebnisses des Vermittlungsaus-
schusses werden durch Bund und Länder folgende Er-
klärungen zu Protokoll gegeben:
Um zu einer baldigen Verbesserung der kommunalen
Finanzsituation beizutragen, ist der Bund bereit, Sozial-
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usgaben, die bisher von den Gemeinden getragen wur-
en, zu übernehmen.
Unter diesen Bedingungen wird der Bund die Finan-
zierung der Grundsicherung im Alter und bei Er-
werbsminderung in drei Schritten, 2012: 45 Prozent,
2013: 75 Prozent, 2014: 100 Prozent, bis zum Jahr
2014 vollständig übernehmen.
Die vier Themenbereiche, die die Beratungen der Ge-
meindefinanzkommission bestimmen, werden weiter-
geführt. Einigung in diesen Bereichen ist keine Vo-
raussetzung für die vorbezeichnete Entlastung der
Kommunen bei den Sozialausgaben.
Unabhängig von anderen möglichen Änderungen bei
der kommunalen Steuerfinanzierung wird die Entlas-
tung der Kommunen bei den Sozialausgaben im Rah-
men der Gemeindefinanzkommission einvernehm-
lich beschlossen.
Zur Gegenfinanzierung der Übernahme der Grund-
sicherung im Alter und bei Erwerbsminderung durch
den Bund wird die Bundesbeteiligung an den Kosten
der Arbeitsförderung der Bundesagentur für Arbeit
im entsprechenden Umfang abgesenkt und in der letz-
ten Stufe maximal dem Wert eines halben Mehrwert-
steuerpunktes entsprechen. Die Länder stellen dann
diesbezüglich keine Forderungen an den entsprechen-
die Mehrwertsteuereinnahmen.
Die Länder stimmen einer entsprechenden Änderung
des § 363 Abs. 1 SGB III, Bundesbeteiligung an den
Kosten der Arbeitsförderung, zu. Es besteht Einver-
nehmen zwischen Bund und Ländern, dass eine klar-
stellende Anpassung des § 1 Abs. 1 Satz 1 FAG zu ei-
nem späteren Zeitpunkt erfolgt.
Die Länder verzichten auf ihre Forderung einer Ver-
änderung der Bundesbeteiligung an den Kosten der
Unterkunft im laufenden Vermittlungsverfahren zum
7. SGB-Il-Änderungsgesetz.
Protokollerklärung: Vermittlungsausschuss
Hartz IV, Regelbedarfsstufe 3
In Ergänzung des Ergebnisses des Vermittlungsaus-
chusses wird durch Bund und Länder folgende Erklä-
ng zu Protokoll gegeben:
Der Regelsatz für die Regelbedarfsstufe 3 wird mit
em Ziel, Menschen mit Behinderungen ab dem 25. Le-
ensjahr den vollen Regelsatz zu ermöglichen, über-
rüft.
Protokollerklärung: Abrechnung Bildungs- und
Teilhabepaket/Revisionsklausel
Rechtzeitig bis zur Anpassung für das Jahr 2014 wird
ie Neuregelung zu § 46 Abs. 6 und 7 SGB II daraufhin
berprüft, inwieweit die Verteilungswirkungen der Bun-
esbeteiligung an den Kosten für Unterkunft und Hei-
ung einerseits und die tatsächlichen Belastungen hin-
ichtlich Bildungs- und Teilhabeleistungen für Kinder,
ugendliche und junge Erwachsene andererseits – je-
eils bezogen auf die einzelnen Länder – übereinstim-
en. Im Lichte dieser Erkenntnisse wird die jeweilige
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 94. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Februar 2011 10789
(A) )
)(B)
Quote nach § 46 Abs. 6 Satz 1 SGB II als länderspezifi-
sche Neuverteilung angepasst. Der Bund und die Länder
setzen dies im Rahmen der jeweiligen Jahresquote um.
Protokollerklärung: Vermittlungsausschuss –
Zeitarbeit
Lohnuntergrenze für Verleihzeiten und für verleih-
freie Zeiten im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, AÜG.
– Im AÜG wird vorgesehen, dass das Bundesministe-
rium für Arbeit und Soziales aufgrund eines gemein-
samen Antrags von Tarifvertragsparteien der Arbeit-
nehmerüberlassung durch Rechtsverordnung einen
tarifvertraglichen Mindestlohn für die Arbeitnehmer-
überlassung als absolute Lohnuntergrenze für Verleih-
zeiten und verleihfreie Zeiten festsetzen kann. Es
wird davon ausgegangen, dass die Anträge für die
erstmalige Festsetzung einer Lohnuntergrenze auf der
Basis der vorliegenden Mindestlohntarifverträge in
der Arbeitnehmerüberlassung gestellt werden.
– Der Verordnungsgeber kann den Antrag nur inhaltlich
unverändert in eine Rechtsverordnung übernehmen.
– Dem Verordnungsgeber werden Kriterien für die Ent-
scheidung vorgegeben. Dies sind: die Repräsentativi-
tät der antragstellenden Tarifvertragsparteien, die Be-
rücksichtigung der bestehenden bundesweiten
Tarifverträge in der Arbeitnehmerüberlassung und die
Geeignetheit der Regelung, die finanzielle Stabilität
der sozialen Sicherungssysteme zu fördern.
– Beim Vorliegen mehrerer Anträge wird ein Verfahren
in Anlehnung an § 7 Abs. 2 und 3 AEntG vorgesehen.
– Vor Erlass einer Rechtsverordnung wird der Tarifaus-
schuss mit dem Antrag befasst.
– Die Rechtsverordnung setzt eine absolute Lohnunter-
grenze fest und gilt als Mindestlohn für Zeitarbeits-
kräfte für Verleihzeiten und verleihfreie Zeiten.
Unterschreitet ein Tarifvertrag den in der Rechtsver-
ordnung festgesetzten Mindestlohn, hat der Zeit-
arbeitnehmer Anspruch auf die Zahlung von Equal
Pay, mindestens aber auf den Mindestlohn.
– Zur effektiven Kontrolle werden für die Zollbehörden
im Bereich des AÜG die Kontroll- und Sanktionsvor-
schriften des AEntG analog abgebildet.
– Tarifvertragsparteien aus der Arbeitnehmerüberlas-
sung können unter den gleichen Voraussetzungen wie
beim Erlass einer Rechtsverordnung gemeinsam auch
einen Vorschlag zur Änderung einer bereits erlasse-
nen Rechtsverordnung unterbreiten.
– Das Inkrafttreten der Regelung erfolgt spätestens zum
1. Mai 2011.
Protokollerklärung Vermittlungsausschuss –
Hartz IV, Mindestlohnregelungen
Mindestlöhne für das Wach- und Sicherheitsgewerbe
und die Aus- und Weiterbildung werden nach dem Ar-
beitnehmerentsendegesetz, AEntG, auf den Weg ge-
bracht.
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In der Branche Sicherheitsdienstleistungen, darunter
llt auch der Bereich der Geld- und Werttransporte,
urde mit dem am 18. Februar 2011 im Bundesanzeiger
eröffentlichten Antrag auf Erstreckung eines Mindest-
hntarifvertrags vom 11. Februar 2011 ein Mindestlohn-
erfahren auf den Weg gebracht. Die Bundesregierung
nterstützt die Bemühungen der Tarifvertragsparteien,
inen Mindestlohn auf tarifvertraglicher Grundlage nach
em Arbeitnehmer-Entsendegesetz zu etablieren.
Im Falle eines neuen Antrags auf Allgemeinverbind-
cherklärung eines Mindestlohntarifvertrages nach dem
rbeitnehmer-Entsendegesetz in der Branche Weiterbil-
ung wird die Bundesregierung die maßgeblichen
erhältnisse erneut eingehend prüfen. Sie wird dabei
sbesondere ermitteln, ob sich aufgrund eingetretener
rhöhung der Tarifbindung auf Arbeitgeberseite und der
andbreite der vertretenen Arbeitgeber eine gegenüber
ktober 2010 geänderte Sachlage ergeben hat.
nlage 3
Erklärungen nach § 31 GO
zur namentlichen Abstimmung über die Bera-
tung der Beschlussempfehlung des Ausschusses
nach Art. 77 des Grundgesetzes (Vermittlungs-
ausschuss) zu dem Gesetz zur Ermittlung von
Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten
und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (Zusatz-
tagesordnungspunkt 4)
Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): Es gibt sehr
iele Gründe, warum ich gegen die vorliegende Be-
chlussempfehlung stimme. Ich will nur wenige nennen.
h stimme dagegen, weil der vorliegende Kompromiss
on Schwarz-Gelb und SPD das bürgerschaftliche
ngagement und damit auch die Motivation zu ehren-
mtlicher Arbeit in Vereinen und Verbänden das Wasser
bgräbt.
Ich stimme gegen die Beschlussempfehlung, weil ein
oziokulturelles Existenzminimum einerseits ein men-
chenwürdiges Leben garantieren und andererseits die
konomische Grundlage für ein bürgerschaftliches
ngagement ermöglichen muss.
Ich stimme gegen diesen Kompromiss von CDU/
SU, FDP und SPD, weil er weder die vom Bundesver-
ssungsgericht geforderte menschenwürdige Teilhabe
rmöglicht noch eine demokratienotwendige Teilnahme
nd Beteiligung in Vereinen und Verbänden fördert. Im
egenteil!
Ich stimme dagegen, weil mit der teilweisen Anrech-
ung von Aufwandsentschädigungen für ehrenamtliche
ätigkeiten auf Hartz IV das bürgerschaftliche Engage-
ent von Hartz-IV-Betroffenen unter Strafe gestellt
ird, statt es zu fördern. Und ich stimme dagegen, weil
hrenamtliches Engagement keine Frage des Geldbeu-
ls sein darf!
Ich stimme auch aus Gründen der sozialen Gerechtig-
eit gegen diese Beschlussempfehlung.
10790 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 94. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Februar 2011
(A) )
)(B)
Ich stimme dagegen, obwohl es richtig ist, die Kom-
munen endlich von den Kosten der Altersarmut zu ent-
lasten, die systematisch durch eine Verarmungspolitik
mit rentenpolitischen Mitteln von Ihnen in die Höhe ge-
trieben werden. Ich stimme dagegen, weil stattdessen
letztendlich die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
und auch die Erwerbslosen dafür bluten müssen. Denn
der Bundesagentur für Arbeit werden die Kosten aufge-
bürdet. Dadurch droht ihr ein Milliardendefizit, und sie
wird förmlich dazu genötigt, diese Kosten über Beitrags-
erhöhungen oder Leistungskürzungen auf die Beschäf-
tigten und die Arbeitslosen abzuwälzen.
Und schlussendlich stimme ich auch dagegen, weil
das Gesetz – mit dem eigentlich die Leistungen für Ar-
beitsuchende und ihre Familien erhöht werden müssten –
in Wahrheit zu Leistungskürzungen für alle Erwerbslo-
sen führen wird. Dabei wäre ein Regelsatz in der Grö-
ßenordnung von 500 Euro notwendig und auf jeden Fall
auch verfassungsgemäß.
Christine Buchholz (DIE LINKE): Das Hartz-IV-
Verhandlungsergebnis ist ein Hohn für die Betroffenen.
Allein im Bundesland Hessen leben derzeit mehr als
400 000 Menschen von Hartz IV. Das Arbeitslosengeld II
steigt rückwirkend um 5 auf 364 Euro im Monat. Selbst
die für 2012 anvisierten 3 Euro mehr sind allenfalls ein
Inflationsausgleich, jedoch keine Erhöhung, die zu einer
Verbesserung der Lebensumstände der Betroffenen führt.
Für Gesundheitspflege stehen Hartz-IV-Empfängern
jetzt 15,55 Euro zur Verfügung, das sind 1,19 Euro mehr
als zuvor. Damit wird bereits eine einfache Grippe zum
Risiko: Der Preis für einen durchschnittlichen Husten-
löser liegt bei 15,70 Euro, schon für Taschentücher
bleibt dann kein Budget mehr. Das ist die Lebensrealität
von nahezu einer halben Million Hessinnen und Hessen.
Die willkürliche Veränderung der Berechnungsgrund-
lagen, um den Sparvorgaben des Finanzministers gerecht
zu werden, war und ist verfassungswidrig. Es ist ein
Skandal, dass die Hartz-IV-Parteien acht Wochen ver-
handeln mussten, um eine Erhöhung des Regelsatzes um
insgesamt 8 Euro zu erreichen. Die gleichen Parteien ha-
ben nur eine Woche gebraucht, um mit 480 Milliarden
Euro die Banken in der Finanzkrise zu retten.
Die Linke bleibt deshalb bei ihrer Forderung nach der
Abschaffung von Hartz IV. Bis dahin braucht es eine An-
hebung des Hartz-IV-Regelsatzes auf 500 Euro, der es
den Betroffenen ermöglicht, am gesellschaftlichen Le-
ben teilzuhaben. Höhere Regelsätze können mit der Ein-
führung eines flächendeckenden Mindestlohns finanziert
werden. Hier können bis zu 11 Milliarden Euro einge-
spart werden, die zurzeit von den Arbeitsagenturen an
die sogenannten Aufstocker gezahlt werden. Anstatt aus-
beuterisches Lohndumping der Unternehmen zu finan-
zieren, sollte sich der Staat um ein menschenwürdiges
Leben für Hartz-IV-Empfänger sorgen und für gerechten
Lohn einstehen.
Sevim Dağdelen (DIE LINKE): Ich lehne das Ver-
mittlungsausschussergebnis zu Hartz IV in namentlicher
Abstimmung ab, weil der vermeintliche Kompromiss ein
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chlag ins Gesicht der Betroffenen ist. Auf dem Rücken
er betroffenen Erwerbslosen und Beschäftigten wird
uch weiterhin durch das Hartz-IV-System Armut pro-
uziert, und Beschäftigte werden unter Druck gesetzt.
ei dem wahltaktischen Geschacher der Hartz-IV-Par-
ien CDU/CSU, FDP, SPD und Grüne wurden die sta-
stischen Fälschungen der Arbeitsministerin wider-
pruchslos hingenommen. Deshalb lehne ich diesen
orsätzlichen Verfassungsbruch gemeinsam mit meinen
raktionskolleginnen und -kollegen ab und unterstütze
h eine erneute Überprüfung vor dem Bundesverfas-
ungsgericht.
Hartz IV muss weg. Das Mindeste ist ein Regelsatz
on 500 Euro. Davon ist der faule Kompromiss einer
ckwirkenden Erhöhung der Leistung für erwachsene
artz-IV-Bezieher um 5 Euro auf 364 Euro und der im
ächsten Jahren hinzukommenden 3 Euro weit entfernt.
as ist nicht einmal eine ernstzunehmende Anpassung
n die Preis- und Lohnentwicklung sowie die Inflation.
ür das 480 Milliarden Euro teure Bankenrettungspaket
rauchten die Hartz-IV-Parteien CDU/CSU, SPD, FDP
nd Grünen im Jahr 2008 weniger als eine Woche. Geht
s um die Armen dieser Gesellschaft, wird ein ganzes
ahr um 3 Euro gefeilscht. Das ist erbärmlich.
Ich fordere eine echte sanktionsfreie Mindestsiche-
ng, die Armut dauerhaft verhindert, einen gesetzlichen
indestlohn von 10 Euro die Stunde und die Einführung
er 30-Stunden-Woche bei vollem Lohn- und Personal-
usgleich. Es muss Schluss sein mit Lohndumping in
iesem Land! Und Leiharbeit als moderne Form der
klaverei muss endlich ein Ende haben!
Thomas Dörflinger (CDU/CSU): Ich werde dem
urch den Vermittlungsausschuss erzielten Verhand-
ngsergebnis heute meine Zustimmung nicht erteilen,
ondern mich der Stimme enthalten. Für meine Entschei-
ung sind dabei folgende Gründe ausschlaggebend:
Erstens. Die per Nebenabrede der verhandelnden Par-
ien getroffene Vereinbarung, nach der der Bund bis
014 in drei Stufen die Kosten für die Grundsicherung
Alter übernimmt, wird von mir ausdrücklich begrüßt.
s wird damit eine Entscheidung der seinerzeitigen rot-
rünen Bundesregierung korrigiert, die die Kosten für
ie Grundsicherung im Alter den Kommunen überließ.
it der Einigung im Vermittlungsausschuss entstehen
en Kommunen beträchtliche neue finanzielle Spiel-
ume, die dort sinnbringend investiert werden können.
Zweitens. Leider wurden die aus meiner Sicht beste-
enden ordnungspolitischen und verfassungsrechtlichen
ängel des Gesetzentwurfs, die ich bereits in meiner Er-
lärung nach § 31 GO am 3. Dezember 2010 dargelegt
atte, durch das Vermittlungsergebnis nicht behoben,
ondern im Gegenteil noch verstärkt.
Drittens. Da die Regelsätze in einem transparenten
erfahren mit bewussten und richtigen Wertentscheidun-
en – zum Beispiel Ausschluss der Berechnungsanteile
on Alkohol und Tabak – ermittelt wurden, ist nicht ein-
ichtig, weshalb der Regelsatz zum 1. Januar 2012 zu-
üglich zum Inflationsausgleich um 3 Euro erhöht wer-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 94. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Februar 2011 10791
(A) )
)(B)
den soll, wodurch alleine den Kommunen zusätzliche
Kosten von etwa 180 Millionen Euro pro Jahr entstehen.
Viertens. Nachdem der Bund im bislang vorliegenden
Gesetzentwurf bereits Finanzierungen an sich ziehen
wollte, für die er keine originäre Zuständigkeit besitzt
– zum Beispiel Schulmittagessen, Klassenausflüge,
Lernmittelfreiheit –, wird dies nun auf den Bereich der
Schulsozialarbeit ausgedehnt. Dies erscheint mir durch
die grundgesetzlichen Vorgaben hinsichtlich des Art. 104 b
nicht oder nur eingeschränkt gedeckt.
Fünftens. Es erscheint fraglich, ob der Bund sich aus
der temporär zugesagten Finanzierung von 400 Millio-
nen Euro für Schulsozialarbeit nach Ablauf von drei Jah-
ren einfach zurückziehen kann oder ob nicht vielmehr
eine mindestens politische Verpflichtung zur dauerhaften
Finanzierung entsteht, die den Bundeshaushalt in der
Zukunft erheblich belastet.
Sechstens. Durch die Einbeziehung von Wohngeld-
empfängern in den Kreis der Berechtigten für Bildungs-
leistungen an Kindern, der ursprünglich auf den Rechts-
kreis des SGB II beschränkt war, entsteht eine
Gerechtigkeitslücke, weil sich sozialversicherungs-
pflichtig Beschäftigte mit einem Nettoeinkommen knapp
oberhalb der Berechtigung zu Leistungen nach dem
SGB II oder dem Wohngeldgesetz abzüglich ihrer – aus
eigener Tasche zu leistenden – Bildungsausgaben für
ihre Kinder unter dem Strich finanziell schlechterstellen
als Empfänger von Transferleistungen.
Siebtens. Die Administrierbarkeit von Teilen des Ge-
setzes ist fragwürdig. Wenn etwa der Eigenanteil von
1 Euro für das warme Essen in der Schule durch Eltern
bzw. Kinder nicht erbracht wird, kann einem Kind einer-
seits wohl der Essensbezug nicht verweigert werden; an-
dererseits ist aber die Beitreibung des Fehlbetrages mit
höherem Aufwand verbunden als der Fehlbetrag selbst.
Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): Ich habe gegen
das Ergebnis des Vermittlungsausschusses gestimmt,
weil die Ermittlung des Regelsatzes verfassungswidrig
ist. Dabei wurde bewusst manipuliert. Eine gesunde Er-
nährung und eine kulturelle und gesellschaftliche Betei-
ligung von Kindern ist mit den Regelsatzbeträgen nicht
möglich. Fahrtkosten und Kosten des Internets müssen
sich die Familien von Munde absparen.
Ich habe auch dagegen gestimmt, weil ich mich an
dem Hartz-IV-Schwindel nicht beteiligen will. Bei die-
sem Gesetz stimmt nichts, weder die handwerkliche
Seite noch die Zielsetzung. Hartz IV ist und bleibt Ar-
mut per Gesetz.
Mit meiner Ablehnung will ich mich auch von der
Verhandlungsposition der SPD distanzieren, die gerade
mal 3 Euro wert ist.
Außerdem ist man einem flächendeckenden gesetzli-
chen Mindestlohn nicht nähergekommen, und Leiharbeit
wird nicht bekämpft.
Diana Golze (DIE LINKE): Ich kann der Beschluss-
empfehlung des Ausschusses nach Art. 77 des Grundge-
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etzes, Vermittlungsausschuss, zu dem Gesetz zur Er-
ittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des
weiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch, Druck-
ache 17/4830, nicht zustimmen.
Ich begründe meine Ablehnung mit der erneuten ver-
ssungswidrigen Berechnung der Kinderregelsätze nach
GB II. Auch der vorliegende Gesetzentwurf der Bun-
esregierung basiert nicht auf einer seriösen Berechnung
es tatsächlichen Bedarfs von Kindern. Die zugrunde
elegte Datengrundlage ist aus Sicht meiner Fraktion,
ber auch diverser Fachverbände nicht ausreichend, und
ie Aufteilung der Familienausgaben auf einzelne Mit-
lieder ist und bleibt problematisch. Die von der Bun-
esregierung vorgelegte Neuregelung entspricht nicht
en Vorgaben, die das Bundesverfassungsgericht in sei-
em Urteil am 9. Februar 2010 zur Sicherung des physi-
chen und soziokulturellen Existenzminimums von Kin-
ern eingefordert hat. Der Leitsatz des Gerichts „Kinder
ind keine kleinen Erwachsenen“ wurde auch im vorge-
gten Verhandlungsergebnis nicht umgesetzt.
Ich stimme gegen die Beschlussempfehlung; denn die
egelsätze für die unter 18-Jährigen bleiben in der Höhe
nverändert. Allein dies steht exemplarisch für die frag-
ürdige Neuregelung. Die gleichzeitige Aussetzung
ukünftiger Erhöhungen ist nicht akzeptabel. Wie das
enschenwürdige Existenzminimum mit einer Regel-
atzermittlung gesichert werden soll, die erwiesenerma-
en verfassungswidrig ist, bleibt nebulös. Seit langem ist
issenschaftlich erwiesen, dass zum Beispiel eine ge-
unde Ernährung für Kinder mit diesem Regelsatz fak-
sch nicht möglich ist. Dieser Fakt wird auch durch die
orgesehene Kofinanzierung des Mittagessens für Kin-
er in Kitas und Schulen nicht beseitigt. Denn erstens
rauchen Kinder mehr als nur ein warmes Mittagessen
n den Wochentagen, und zweitens steht die Möglich-
eit, in Kita oder Schule ein warmes Essen zu erhalten,
ur einem geringen Teil von Kindern in der Bundesrepu-
lik überhaupt zur Verfügung.
Ich stimme gegen die Beschlussempfehlung; denn
uch das sogenannte Bildungs- und Teilhabepaket ist
icht zustimmungsfähig. Nur ein kleiner Teil der öffent-
ch genannten 1,6 Milliarden Euro wird tatsächlich in
eistungen fließen, die Bildung und Teilhabe der betrof-
nen Kinder sichern. Es bleibt die Kritik an den durch
ie Ergebnisse des Vermittlungsausschusses entstehen-
en Doppelstrukturen. Auch wenn die Kommunen
nerhalb des Hartz-IV-Systems zuständige Träger im
obcenter sind, entstehen dramatisch hohe Verwaltungs-
osten: Leistungen in Höhe von 626 Millionen Euro ste-
en 136 Millionen Euro Verwaltungskosten bei den
ommunen entgegen. Ein ähnliches Verhältnis von
eistung zu Verwaltungsaufwand findet sich bei Kinder-
uschlag- und Wohngeldberechtigten. Die versprochene
enkung der Verwaltungskosten wird es also nicht ge-
en. Von dem erklärten Ziel von Ministerin von der
eyen, dass das Geld auch tatsächlich bei den betroffe-
en Kindern ankommen solle, ist man auch nach wo-
henlangen Verhandlungen meilenweit entfernt. Statt-
essen ist und bleibt die angestrebte Gutscheinlösung
tigmatisierend und begünstigt lediglich die Privatisie-
ng der Leistungserbringung. Es bleibt also dabei: We-
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der die Regelsätze für Kinder und Jugendliche noch das
Bildungs- und Teilhabepaket decken den Bedarf von
Kindern.
Unter dem Strich sollen Kinder von Hartz-IV-berech-
tigten Eltern zusätzlich etwa 500 Millionen Euro über
das Bildungs- und Teilhabepaket bekommen. Exakt
diese Summe hat die Bundesregierung durch die Strei-
chung des Elterngelds für Hartz-IV-Beziehende einge-
spart. Eltern im Hartz-IV-Bezug bezahlen also die Gut-
scheine für ihre Kinder. Auch deshalb stimme ich gegen
diese Beschlussvorlage.
Michael Groß (SPD): In dem Vermittlungsverfahren
ist es gelungen, das sogenannte „Bildungs- und Teilha-
bepaket“ gegenüber dem ursprünglichen Gesetzentwurf
deutlich zu verbessern: Es konnte eine soziale Auswei-
tung erreicht werden, indem auch die Kinder von Wohn-
geldempfängern und -empfängerinnen dieses in An-
spruch nehmen können; durch die Änderung in der
Trägerschaft vom Jobcenter zu den Kommunen und
Landkreisen wird dafür gesorgt, dass Bürokratie vermie-
den und diejenigen mit der Erbringung der Leistungen
beauftragt werden, die die Kompetenzen im Bereich der
Kinder- und Jugendarbeit haben; zudem werden die fi-
nanziellen Voraussetzungen dafür geschaffen, dass – zu-
erst einmal bis 2013 befristet – 3000 zusätzliche Sozial-
arbeiterinnen und Sozialarbeiter an Schulen und sozialen
Brennpunkten sich um Kinder und Jugendliche küm-
mern können.
Für die Umsetzung des „Bildungs- und Teilhabepa-
kets“ ist eine deutliche Entlastung der Kommunen und
Kreise erreicht worden, indem der Bund die Finanzie-
rung der Kosten der Grundsicherung im Alter und bei
Erwerbsminderung in drei Schritten, 2012: 45 Prozent,
2013: 75 Prozent, 2014: 100 Prozent, bis zum Jahr 2014
vollständig übernehmen wird. Bis 2013 erhöht sich zu-
dem die Beteiligung des Bundes an den Kosten der Un-
terkunft im SGB II.
Bei der Schaffung eines einheitlichen gesetzlichen
Mindestlohns sowie der Durchsetzung des Prinzips
„Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ in der Zeitarbeit, wo-
durch die Zahl derjenigen, die aufgrund unzureichender
Löhne ergänzende Leistungen der Grundsicherung für
Arbeitsuchende in Anspruch nehmen müssen, reduziert
werden sollte, war aufgrund der bornierten Blockadehal-
tung der Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und FDP
und der von diesen Parteien regierten Bundesländer kein
Ergebnis zu erzielen. Damit haben es diese Parteien zu
verantworten, dass auch zukünftig der Niedriglohnsektor
durch öffentliche Transferzahlungen finanziert werden
muss. Gleichwohl konnte für den Bereich der Zeitarbeit
eine Lohnuntergrenze in Höhe des jeweiligen tariflichen
Mindestlohnes erreicht werden; ebenso können zukünf-
tig für die Aus- und Weiterbildungsbranche und die Si-
cherheitsdienstleistungsbranche Mindestlöhne gelten.
Allerdings ist die Ermittlung und Bemessung der Re-
gelbedarfe im SGB II und SGB XII weiterhin unbefrie-
digend. Die von der SPD-Bundestagsfraktion in ihrem
Antrag „Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes
durch eine transparente Bemessung der Regelsätze und
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ine Förderung der Teilhabe von Kindern umsetzen“,
undestagsdrucksache 17/3648, formulierten verfas-
ungsrechtlichen Bedenken konnten nicht beseitigt wer-
en, da die Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und
DP, die Bundesregierung und die CDU/CSU-geführten
änder nicht bereit waren, an den zentralen Punkten des
om Bundestag beschlossenen Gesetzes Änderungen
orzunehmen. Die vom Bundesverfassungsgericht in
einem Urteil vom 9. Februar 2010 geforderte transpa-
nte, nachvollziehbare und realitätsgerechte Ermittlung
er Regelbedarfe ist unterblieben; im Gegenteil haben
ußerungen aus dem Kreis der Bundesregierung und der
egierungskoalition deutlich gemacht, dass die Festset-
ung der Regelbedarfe haushaltspolitisch motiviert ist
nd eben nicht der Gewährleistung eines menschenwür-
igen Existenzminimums dient. Damit wird die zentrale
orgabe des Bundesverfassungsgerichtes nicht umge-
etzt.
In Würdigung des Gesamtergebnisses werde ich dem
ermittlungsergebnis zustimmen, wobei ich hinsichtlich
er Ermittlung und Festsetzung der Regelbedarfe meine
erfassungsrechtlichen Bedenken aufrechterhalte.
Annette Groth (DIE LINKE): Ich werde dem
Scheinkompromiss“ zur Hartz-IV-Reform nicht zustim-
en, da ich einen Gesetzentwurf, der offensichtlich ver-
ssungswidrig ist, ablehne. Dieser Kompromiss schreibt
r fast 17 000 Menschen in meinem Wahlkreis Pforz-
eim-Enzkeis die Armut per Gesetz weiterhin fest.
Ich halte es für völlig inakzeptabel, dass den Hartz-IV-
mpfängerinnen und -empfängern in einem völlig in-
ansparenten Geschacher dieses Jahr 5 Euro Regel-
atzerhöhung zugestanden werden soll und im nächsten
ahr 3 Euro. Mit der Zustimmung der SPD zu diesem
erfassungswidrigen Kompromiss setzt sie die unsoziale
olitik der Schröder-Regierung fort, die in den Hartz-IV-
esetzen gipfelte.
Nehmen Sie nur meinen Wahlkreis Pforzheim. In der
tadt Pforzheim leben fast 12 000 Menschen in 5 832 Be-
arfsgemeinschaften von SGB II. Mit dem Hartz-IV-
ompromiss müssen diese Menschen weiterhin in Ar-
ut leben. Das widerspricht meinem Verständnis von
enschlichkeit. Schaut man sich für die Stadt Pforzheim
ie Zahlen etwas näher an, sieht man, dass 8 143 Men-
chen sogenannte erwerbsfähige Leistungsempfänger
ind und 3 564 sogenannte nicht erwerbsfähige Leis-
ngsempfänger.
Ähnlich stellt sich die Situation im Enzkreis dar. In
en 2 585 sogenannten Bedarfsgemeinschaften leben
501 Menschen, die „erwerbsfähig“ sind; 1 521 sind
nicht erwerbsfähig“. Es ist für mich in keiner Weise
ereinbar, dass alleine in meinem Wahlkreis für über
6 700 Menschen die Armut zementiert wird.
Ich hoffe, dass viele Menschen gegen ihre Bescheide
inspruch einlegen werden und Recht erhalten. Ich finde
s wirklich empörend, dass die Regierungsparteien mit
en Sozialdemokraten beschlossen haben, dass Men-
chen in einem der reichsten Länder der Welt weiterhin
hne ausreichende, bedarfsorientierte Sicherung leben
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 94. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Februar 2011 10793
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müssen. Im Interesse aller Menschen werde ich auch in
Zukunft weiterhin dafür kämpfen, dass ein flächende-
ckender Mindestlohn von mindestens 10 Euro und ein
monatlicher Regelsatz von mindestens 500 Euro einge-
führt wird.
Heike Hänsel (DIE LINKE): Ich stimme heute gegen
das Ergebnis des Vermittlungsausschusses, da ich dieses
für völlig inakzeptabel halte, ein Ergebnis, das schon
formal durch eine illegal zustande gekommene Arbeits-
gruppe ausgekungelt wurde und die Existenzgrundlage
von Millionen von Menschen zu einer billigen Verhand-
lungsmasse der Hartz-IV-Parteien CDU, FDP, SPD und
Grüne wurde. Das ist ein Skandal.
Ich stimme dagegen, weil ich deutlich machen will,
dass ich eine Politik ablehne, die ohne die Beteiligung
der Betroffenen entscheidet. Die Regelsätze werden völ-
lig intransparent festgelegt. Das ist in hohem Maße igno-
rant gegenüber den Vorgaben des Bundesverfassungsge-
richts; ich halte das für nicht verfassungskonform.
Ich stimme gegen diesen schlechten Deal, der auf
Kosten der Betroffenen gemacht wurde. Ich komme aus
Baden-Württemberg und die heutige Entscheidung be-
trifft in Baden-Württemberg, mehr als 346 000 Hartz-IV-
Beziehende und mehr als 100 000 Leiharbeiterinnen und
Leiharbeiter.
Gerade die Leiharbeit boomt in Baden-Württemberg.
Laut Statistischem Landesamt sind 83 Prozent der neuen
Arbeitsplätze in Baden-Württemberg Leihjobs, allein für
den Zeitraum Sommer 2009 bis Sommer 2010. Bei
Daimler zum Beispiel in Stuttgart-Untertürkheim haben
vor der Krise rund 10 000 fest Beschäftigte gearbeitet,
heute sind es nur noch 9 000. Aber dafür gibt es jetzt fast
700 Leiharbeiter mehr. Mit dem heutigen Beschluss wird
es weder das Prinzip „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“
in der Leiharbeit noch einen allgemeinen gesetzlichen
Mindestlohn geben. Im Klartext: Das Lohndumping geht
weiter. Das ist ein Schlag ins Gesicht der Arbeitnehme-
rinnen und Arbeitnehmer. Deshalb stimme ich dagegen.
Und ich stimme dagegen, weil ich wie viele in diesem
Land es nicht nachvollziehen kann, dass für Banken in-
nerhalb einer Woche mehr als 500 Milliarden Euro zur
Verfügung stehen, aber für die menschenwürdige Exis-
tenz von Millionen Menschen nicht.
Meine Fraktion setzt sich für einen Regelsatz in Höhe
von 500 Euro und einen flächendeckenden gesetzlichen
Mindestlohn von 10 Euro sowie die massive Einschrän-
kung von Leiharbeit ein. Genau deshalb stimme ich
heute gegen diesen faulen Kompromiss.
Bettina Hagedorn (SPD): Am 25. Februar 2011
wird der Deutsche Bundestag abschließend über das Ge-
setz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Ände-
rung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetz-
buch nach Abschluss des Vermittlungsverfahrens
abstimmen. Ich werde dem Gesetz nicht zustimmen, da
es aus meiner Sicht unverantwortlich ist, die gebotene
bessere Finanzausstattung der Kommunen auf Dauer zu-
lasten der Bundesagentur für Arbeit, BA, zu finanzieren.
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Dies ist keine solide Gegenfinanzierung für die dauer-
afte Übernahme der „Grundsicherung im Alter und bei
rwerbsminderung“ durch den Bund, die stufenweise
ufwachsend ab 2014 mit zusätzlich 4 Milliarden Euro
Tendenz rapide steigend – vom Bund zu tragen sein
ird. Deshalb bedeutet dieses Vorgehen das Verschieben
ines strukturellen Defizites des Bundeshaushaltes zu-
sten der Sozialversicherung, da die Bundesagentur
hne Anhebung des ALV-Beitrages nicht in der Lage
ein wird, die ab 2010 begonnene Darlehensaufnahme je
bzubauen und Rücklagen für Krisenzeiten zu bilden.
aut Finanzplan sollte die BA auf der Grundlage der
tzt gültigen Voraussetzungen – voller Mehrwertsteuer-
unkt zugunsten der BA, 3 Prozent Arbeitslosenversiche-
ngsbeitrag, Rücklage seit Ende 2010 auf null, Belastung
urch 1,1 Milliarden Euro Insolvenzgeldumlage – ab
013 das Darlehen aus 2011/2012 zurückzahlen und
015 erstmalig eine Rücklage von 2,5 Milliarden Euro
ilden.
Darlehen, mit Rückzahlung, sind unter dem Aspekt
er Schuldenbremse anders zu bewerten als der 2010 an
ie BA gewährte einmalige Zuschuss. Ein Darlehen setzt
doch voraus, dass eine Rückzahlung des Darlehens
berhaupt möglich ist, ansonsten ist es „Etiketten-
chwindel“ und de facto eben doch ein Zuschuss. Zur
egenfinanzierung der dauerhaften Entlastung der Kom-
unen bei der Grundsicherung ist vorgesehen, dass die
undesmittel an die BA jährlich und auf Dauer um einen
alben Mehrwertsteuerpunkt gesenkt werden. Dadurch
hlen der BA allein bis 2015 kumuliert 12,15 Milliar-
en Euro und danach circa 4,4 Milliarden Euro pro Jahr,
odass in deren Haushalt bis 2015 kontinuierlich ein De-
zit/Darlehensbedarf von knapp 10 Milliarden Euro an-
achsen wird, ohne dass die BA absehbar in den Folge-
hren die Chance auf „schwarze Zahlen“ haben wird.
ine Rückzahlung des Darlehens ist absehbar unter die-
en Voraussetzungen unmöglich.
Zusätzlich haben CDU/CSU/FDP mit dem 2010 be-
chlossenen „Sparpaket“ unter der Überschrift „Ersatz
on Pflicht- durch Ermessensleistungen im SGB II + III“
ürzungen bis 2014 von 16 Milliarden Euro im Bereich
er Eingliederungsleistungen vorgesehen, die erst in der
. Jahreshälfte 2011 durch diverse Gesetzesänderungen
mgesetzt werden. Allein die BA ist von diesen zusätzli-
hen Kürzungen mit kumuliert 10 Milliarden Euro bis
014 betroffen (2011 minus 1,5 Milliarden Euro. 2012
inus 2,5 Milliarden Euro, 2013 und 2014 je minus
Milliarden Euro). Gekürzte Leistungsansprüche auf
ualifizierung werden vor allem zulasten von Frauen,
um Beispiel nach langer Familienphase) Alleinerzie-
enden, Migranten und von Menschen mit Behinderung
ehen. Auch Instrumente wie der Rechtsanspruch auf ei-
en Hauptschulabschluss werden zur Disposition ge-
tellt. In der Konsequenz wird es – trotz eines anwach-
enden Fachkräftemangels von nie gekanntem Ausmaß –
rastisch weniger Qualifizierungsmöglichkeiten für Ar-
eitsuchende geben. Dieser „doppelte Griff“ von zusam-
en über 22 Milliarden Euro binnen weniger Jahre in
ie Finanzausstattung der BA bedeutet das Ende einer
erantwortlichen aktiven Arbeitsmarktpolitik.
10794 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 94. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Februar 2011
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Wer dieses Szenario abwenden will, dem bleibt nur
die Erhöhung des Arbeitslosenversicherungs-Beitrags-
satzes um circa 0,5 Prozent. Das allerdings ist das Ge-
genteil dessen, was die Große Koalition gemeinsam als
Ziel verfolgt hat, als sie beschloss, einen vollen Mehr-
wertsteuerpunkt (aktuell circa 8 Milliarden Euro pro
Jahr) dauerhaft zur Reduzierung des ALV-Beitrages zu-
gunsten der BA zu verwenden. Und es ist das Gegenteil
von „Mehr Netto vom Brutto“, da höhere Sozialversi-
cherungsbeiträge stets überproportional zulasten von
Gering- und Normalverdienern mit ihren Familien gehen
und den Faktor Arbeit zulasten von Arbeitnehmern wie
Arbeitgebern belasten.
Abschließend möchte betonen, dass sich mein „Nein“
keineswegs gegen das im Vermittlungsausschuss erzielte
Paket insgesamt richtet. Ich befürworte vor allem die
Verbesserungen beim Bildungspaket und die angemes-
sene Entlastung der Kommunen und trage auch die
Kompromisse zum Regelsatz und Mindestlohn mit.
Als Hauptberichterstatterin für das Bundesministe-
rium für Arbeit und Soziales und die Bundesagentur für
Arbeit im Haushaltsausschuss kann ich aber vor dem
Hintergrund der schon 2010 beschlossenen milliarden-
schweren Kürzungen im „Sparpaket“ der CDU/CSU/
FDP zulasten der aktiven Arbeitsmarktpolitik den jetzt
zusätzlich drohenden massiven Kürzungen bei Arbeits-
förderung und Qualifizierung nicht zustimmen. Ich
stimme dem vorliegenden Gesetzentwurf auch deshalb
nicht zu, weil er nach meiner Überzeugung eine künftige
ALV-Beitragserhöhung schon in sich trägt, die gegen-
über den Festlegungen in der Großen Koalition eine
Rückwärtsrolle darstellt. Die Finanzierung der Entlas-
tung der Kommunen auf dem Rücken von Arbeitsuchen-
den und Beitragszahlern ist falsch.
Dr. Rosemarie Hein (DIE LINKE): Zu den vielen
Gründen, die Änderung der Hartz-IV-Regelsätze abzu-
lehnen, gehört auch das von der Regierung so hochgeju-
belte Bildungspaket für Kinder und Jugendliche. Zum
einen hat der Verlauf der Debatte gezeigt, dass der Rege-
lungs- und Änderungsbedarf wesentlich höher ist, als
von der Regierung angenommen. Meine Fraktion hat,
ungeachtet ihrer Grundkritik an den Hartz-Gesetzen,
schon in der vergangenen Wahlperiode eingefordert, we-
nigstens die Schülerbeförderungskosten für Schülerin-
nen und Schüler der Sekundarstufe II zu erstatten, um ei-
nen besseren Bildungszugang der Betroffenen zu
ermöglichen; jetzt endlich haben Sie reagiert.
Trotz dieser und noch ein bis zwei anderer Regelun-
gen, die geeignet sind, wenigstens einige wenige der
schlimmen Folgen für Kinder in Bedarfsgemeinschaften
zu mildern, kann man das Bildungspaket nicht bejubeln.
Dafür gibt es mehrere Gründe:
Erstens. Das Bildungspaket stellt Familien unter den
Generalverdacht, Barleistungen für Bildung würden
nicht bei den Kindern ankommen.
Zweitens. Das Bildungspaket ist Beginn eines Um-
stiegs auf ein Gutscheinsystem, das nur scheinbar Bil-
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ungsgerechtigkeit gewährleistet, das faktisch aber ein
uteilungssystem auf niedrigem Niveau ist.
Drittens. Mit dem Bildungspaket wird die Verantwor-
ng für erfolgreiche Bildungsabschlüsse auf private
räger übertragen, weil die Schule nicht mehr leisten
ann, was sie leisten müsste. Zudem geht es nur um Ver-
etzungsgefährdung, mehr höhere Bildungsabschlüsse,
er Wechsel in Bildungswege, die höhere Schulab-
chlüsse anstreben, werden gar nicht vorgesehen.
Viertens. Außerschulische Bildungs- und Freizeitan-
ebote können mit den vorgesehenen Mitteln so gut wie
icht finanziert werden; es ist zu gering ausgelegt und
sst wesentliche Kostenbestandteile, wie Mobilität und
portausrüstung oder Instrumente, außer Acht.
Fünftens. Mit dem Bildungspaket werden originäre
ildungsaufgaben der Länder und Kommunen für einen
estimmten, eingeschränkten Personenkreis über den
mweg der Arbeitsverwaltung finanziert, auch wenn die
ommunen nun die Ausführung übernehmen sollen.
as ist ein Systembruch, der sich rächen wird.
Insgesamt wurde aber das Ziel des Spruchs der Ver-
ssungsrichter, die Bildungsteilhabe für Kinder in Be-
arfsgemeinschafen im Regelsatz zu berücksichtigen,
icht erfüllt. Darum kann ich keinem Teil der Änderung
ustimmen.
Eine bessere Bildungsbeteiligung wäre zu erreichen
ber eine eigenständige bedarfsgerechte Kindergrundsi-
herung sowie die bessere Finanzierung der kulturellen
frastruktur und der Bildungslandschaft in den Ländern
nd Kommunen über die Schulen, Vereine und Verbände
o ausgestattet werden, dass sie einen sozial gerechten
ugang zu Bildung sichern können.
Gabriele Hiller-Ohm (SPD): In dem Vermittlungs-
erfahren ist es gelungen, das sogenannte Bildungs- und
eilhabepaket gegenüber dem ursprünglichen Gesetzent-
urf deutlich zu verbessern: Es konnte eine soziale Aus-
eitung erreicht werden, indem auch die Kinder von
ohngeldempfängern und -empfängerinnen dieses in
nspruch nehmen können; durch die Änderung in der
rägerschaft vom Jobcenter zu den Kommunen und
andkreisen wird dafür gesorgt, dass Bürokratie vermie-
en und diejenigen mit der Erbringung der Leistungen
eauftragt werden, die die Kompetenzen im Bereich der
inder- und Jugendarbeit haben; zudem werden die fi-
anziellen Voraussetzungen dafür geschaffen, dass – zu-
rst einmal bis 2013 befristet – 3 000 zusätzliche Sozial-
rbeiterinnen und Sozialarbeiter an Schulen und sozialen
rennpunkten sich um Kinder und Jugendliche küm-
ern können.
Für die Umsetzung des „Bildungs- und Teilhabepa-
ets“ ist eine deutliche Entlastung der Kommunen und
reise erreicht worden, indem der Bund die Finanzie-
ng der Kosten der Grundsicherung im Alter und bei
rwerbsminderung in drei Schritten – 2012: 45 Prozent,
013: 75 Prozent, 2014: 100 Prozent – bis zum Jahr
014 vollständig übernehmen wird. Bis 2013 erhöht sich
udem die Beteiligung des Bundes an der Kosten der
nterkunft im SGB II.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 94. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Februar 2011 10795
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Bei der Schaffung eines einheitlichen gesetzlichen
Mindestlohns sowie der Durchsetzung des Prinzips
„Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ in der Zeitarbeit, wo-
durch die Zahl derjenigen, die aufgrund unzureichender
Löhne ergänzende Leistungen der Grundsicherung für
Arbeitsuchende in Anspruch nehmen müssen, reduziert
werden sollte, war aufgrund der bornierten Blockadehal-
tung der Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und FDP
und der von diesen Parteien regierten Bundesländer kein
Ergebnis zu erzielen. Damit haben es diese Parteien zu
verantworten, dass auch zukünftig der Niedriglohnsektor
durch öffentliche Transferzahlungen finanziert werden
muss. Gleichwohl konnte für den Bereich der Zeitarbeit
eine Lohnuntergrenze in Höhe des jeweiligen tariflichen
Mindestlohnes erreicht werden; ebenso können zukünf-
tig für die Aus- und Weiterbildungsbranche und die Si-
cherheitsdienstleistungsbranche Mindestlöhne gelten.
Außerdem hat die SPD im Vermittlungsverfahren er-
reicht, dass die Kürzung von Aufwandsentschädigungen
für ehrenamtlich Tätige zurückgenommen wurde und
dass die Kosten für die Warmwasserbereitung auch für
Haushalte, die ihr Warmwasser mit Strom bereiten, über-
nommen werden.
Allerdings ist die Ermittlung und Bemessung der Re-
gelbedarfe im SGB II und SGB XII weiterhin unbefrie-
digend. Die von der SPD-Bundestagsfraktion in ihrem
Antrag „Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes
durch eine transparente Bemessung der Regelsätze und
eine Förderung der Teilhabe von Kindern umsetzen“,
Bundestagsdrucksache 17/3648, formulierten verfas-
sungsrechtlichen Bedenken konnten nicht beseitigt wer-
den, da die Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und
FDP, die Bundesregierung und die CDU/CSU-geführten
Länder nicht bereit waren, an den zentralen Punkten des
vom Bundestag beschlossenen Gesetzes Änderungen
vorzunehmen. Die vom Bundesverfassungsgericht in
seinem Urteil vom 9. Februar 2010 geforderte transpa-
rente, nachvollziehbare und realitätsgerechte Ermittlung
der Regelbedarfe ist unterblieben; im Gegenteil haben
Äußerungen aus dem Kreis der Bundesregierung und der
Regierungskoalition deutlich gemacht, dass die Festset-
zung der Regelbedarfe haushaltspolitisch motiviert ist,
und eben nicht der Gewährleistung eines menschenwür-
digen Existenzminimums dient. Damit wird die zentrale
Vorgabe des Bundesverfassungsgerichtes nicht umge-
setzt.
Es bestehen insbesondere in folgenden Punkten er-
hebliche verfassungsrechtliche Bedenken:
Zirkelschlussproblematik. Das Bundesverfassungsge-
richt hat eine eindeutige Vorgabe gemacht, diejenigen
Haushalte, deren Einkommen unterhalb der Bedarfs-
schwellen des SGB II/SGB XII liegt, die aber nicht die
entsprechenden Leistungen in Anspruch nehmen, soge-
nannte verdeckt Arme, bei der Bemessung der Referenz-
gruppe auszuschließen. Diese Vorgabe wurde nicht um-
gesetzt. Unzulässige Zirkelschlüsse ergeben sich auch
dadurch, dass alle Haushalte, die neben den Regelleis-
tungen des SGB II bzw. SGB XII weiteres Erwerbsein-
kommen erzielen, in Gänze bei den Referenzhaushalten
berücksichtigt werden, selbst wenn sie nur einen einzi-
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en Euro an zusätzlichen Einkünften erzielen. Allein die
erücksichtigung derjenigen Aufstocker und Aufstocke-
nnen, die nur ein Einkommen bis zu der Freibetrags-
renze von 100 Euro nach § 30 SGB II beziehen, führt
azu, dass der Regelbedarf in der Regelbedarfsstufe um
Euro geringer ausfällt.
Interner Ausgleich. In seinem Urteil hat das Bundes-
erfassungsgericht das Statistikmodell, das auf den in
er Einkommens- und Verbrauchsstichprobe erfassten
usgaben basiert, als eine geeignete Methode zur Er-
ittlung der Regelbedarfe bezeichnet. Gleichzeitig hat
as Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber die
öglichkeit eingeräumt, politische Setzungen vorzuneh-
en. Allerdings hat es dabei eine kohärente und nach-
ollziehbare Methodenanwendung verlangt und insbe-
ondere gefordert, dass die Regelbedarfe so zu ermitteln
ind, dass für die Leistungsempfängerinnen und -emp-
nger, die in einzelnen Bereichen einen höheren Bedarf
ls den durchschnittlich ermittelten haben, ein interner
usgleich möglich ist. Diese Anforderungen sind nicht
mgesetzt worden, da eine willkürliche und methodisch
lsche Herausrechnung von Verbrauchspositionen, so
um Beispiel einerseits die Ermittlung der Verkehrsaus-
aben auf Grundlage einer Sonderauswertung und ande-
rseits die Nichtberücksichtigung einzelner Verbrauchs-
ositionen in der Gesamterhebung, stattgefunden hat.
as Statistikmodell ist deshalb fehlerhaft angewendet
orden.
Größe der Referenzgruppe. Nicht nachzuvollziehen
t die Entscheidung, die Regelbedarfe von Erwachsenen
uf der Grundlage der untersten 15 Prozent der Haus-
alte durchzuführen und nicht mehr die untersten
0 Prozent als Referenzgruppe zu betrachten. Die Ver-
leinerung der Referenzgruppe erklärt sich einzig mit
em Ziel, die Anhebung der Regelbedarfe möglichst ge-
ng ausfallen zu lassen. Dabei ist es auch methodisch
icht nachzuvollziehen, dass für die Ermittlung der Be-
arfe von Kindern weiterhin auf die untersten 20 Prozent
er Paarhaushalte mit Kind abgestellt wird; für diese un-
rschiedliche Größe der Referenzgruppe gibt es keine
ystematische Begründung.
Fortschreibung der in der EVS 2008 ermittelten
erte. Darüber hinaus wurde der Preisstand der in der
VS 2008 ermittelten Verbrauchsausgaben ursprünglich
ur einmalig gemäß dem neu entwickelten „Mischin-
ex“ fortgeschrieben. Die SPD-Bundestagsfraktion und
ie SPD-geführten Bundesländer konnten in den Ver-
andlungen durchsetzen, dass nunmehr auch die Verän-
erungsrate des ersten Halbjahres 2010 berücksichtigt
ird. Dennoch erfolgt die so errechnete Erhöhung des
egelbedarfes um 3 Euro in der Regelbedarfsstufe 1
icht systematisch korrekt bereits zum erstmaligen In-
rafttreten der Regelbedarfe, sondern aufgrund des mas-
iven Widerstandes der Bundesregierung und der Bun-
estagsfraktionen von CDU/CSU und FDP erst zum
. Januar 2012.
Insgesamt ist festzuhalten, dass die Bundesregierung
nd die Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und FDP
u keiner Zeit bereit waren, auf die von der SPD-Bun-
estagsfraktion, den SPD-geführten Bundesländern und
10796 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 94. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Februar 2011
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der gesamten Fachwelt geäußerten Bedenken einzuge-
hen. Es stellt sich daher die Frage der Abwägung, ob der
verfassungswidrige Zustand der bisherigen Bemessung
der Regelbedarfe fortbestehen soll oder ob einem Ver-
mittlungsergebnis, das zwar mit großen verfassungs-
rechtlichen Risiken behaftet ist, aber auch große Fort-
schritte bei der Bildungsteilhabe von Kindern, der
Ausweitung von Mindestlöhnen und der Entlastung der
Kommunen beinhaltet, zugestimmt werden kann. Dabei
wird es unzweifelhaft zu einer Überprüfung der Ermitt-
lung und Festsetzung der Regelbedarfe durch das Bun-
desverfassungsgericht kommen, wobei davon auszuge-
hen ist, dass das Bundesverfassungsgericht die von der
Bundesregierung zu verantwortenden Regelbedarfe er-
neut beanstanden wird. Allerdings ist durch das Vermitt-
lungsergebnis sichergestellt, dass die Bildungsteilhabe
von Kindern verbessert wird.
Besonders kritikwürdig ist auch das Ergebnis zur Re-
gelbedarfsstufe 3. Gerade Menschen mit Behinderung,
die keinen eigenen Haushalt führen und zum Beispiel in
Wohngemeinschaften wohnen, werden so weiterhin nur
80 Prozent des Regelsatzes erhalten. Das bedeutet rund
70 Euro monatliche Einbußen.
Es ist unverantwortlich, dass die kommunalen Entlas-
tungen voll zulasten der Bundesagentur für Arbeit ge-
hen. Wie die stufenweise Absenkung eines halben Mehr-
wertsteuerpunktes für die Bundesagentur kompensiert
werden soll, ist offen. Ich befürchte weitere Leistungs-
einschränkungen bei der aktiven Arbeitsmarktpolitik.
Hiervon sind vor allem auch Alleinerziehende betroffen.
Außerdem ist eine Erhöhung des Beitrages zur Arbeits-
losenversicherung wegen dieser politisch gewollten Un-
terfinanzierung zu befürchten.
Unvertretbar ist darüber hinaus, dass die ärmsten Kin-
der in Deutschland, die Leistungen nach dem Asylbe-
werberleistungsgesetz erhalten, vom Bildungspaket aus-
geschlossen bleiben.
Ich werde trotz meiner erheblichen verfassungsrecht-
lichen und sozialen Bedenken dem Gesamtergebnis zu-
stimmen, da ich keine Hoffnung habe, dass erneute Ver-
handlungen ein besseres Ergebnis bringen würden. Ich
bedaure sehr, dass nun wieder das Bundesverfassungsge-
richt und nicht der Gesetzgeber die politischen Weichen
stellen muss. Das bedeutet einen Verlust an Demokratie,
den wir uns nicht leisten sollten.
Andrej Hunko (DIE LINKE): Hartz IV bleibt men-
schenunwürdig und verfassungswidrig. Als vermutlich
einziger ehemaliger Hartz-IV-Betroffener im Bundestag
stimme ich gegen das Ergebnis des Vermittlungsaus-
schusses. Das ausgehandelte Ergebnis ist vom Stand-
punkt der Erwerbslosen völlig unzureichend. Nach
meiner Auffassung sind weder die Vorgaben des Bun-
desverfassungsgerichtes erfüllt, noch ist die grundle-
gende Problematik von Hartz IV angegangen worden.
Mit der Einführung von Hartz IV durch die damalige
SPD-Grünen-Regierung ist ein Paradigmenwechsel in
der bundesdeutschen Sozial- und Arbeitsmarktpolitik
eingeleitet worden. Eine Versicherungsleistung für Be-
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chäftigte wurde in ein System übergeführt, das Er-
erbslose zu einem bizarren Spießrutenlauf nötigt, um
berhaupt die elementarsten Lebensgrundlagen zu erhal-
n.
Parallel wurde ein drakonisches Sanktionsregime eta-
liert, das selbst bei kleinen Verfehlungen zum Entzug
er lebensnotwendigen Leistungen führt. Das Ziel und
rgebnis dieser „Reform“ waren die Errichtung eines
eispiellosen Niedriglohnsektors in Deutschland und das
bwälzen des gesellschaftlichen Problems der Arbeits-
sigkeit auf die jeweiligen Erwerbslosen.
Das Bundesverfassungsgericht hatte die Berech-
ungsgrundlage der Hartz-IV-Regelsätze für verfas-
ungswidrig erklärt und damit einem Teil der Kritiken
cht gegeben. Der jetzt zwischen den Hartz-IV-Parteien
PD, Grüne, CDU und FDP ausgehandelte Kompromiss
ebt die Verfassungswidrigkeit nicht auf.
Notwendig wäre bis zur völligen Abschaffung von
artz IV die sofortige und repressionsfreie Erhöhung der
ckregelsätze auf 500 Euro, die Abschaffung des Sank-
onsregimes und die Einführung eines gesetzlichen
indestlohns von mindestens 10 Euro.
Die Zustände in den Jobcentern können nur als Zu-
tände bezeichnet werden, „in denen der Mensch ein er-
iedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein ver-
chtliches Wesen“ ist, um einen bekannten deutschen
hilosophen zu zitieren. Daran ändert das Ergebnis des
ermittlungsausschusses nichts. Diesen Zuständen kann
h meine Zustimmung nicht geben.
Katja Kipping (DIE LINKE): Ich erkläre, dass ich
ie Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses
blehne, weil die Ermittlung der Höhe der Regelleistun-
en weder transparent noch nachvollziehbar noch reali-
tsgerecht – also nicht verfassungskonform – erfolgte.
Es wurden erstens bei der Regelleistungsbestimmung
ntgegen den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts
eine verdeckten Armen aus der Referenzgruppe zur
bleitung der Regelleistung herausgerechnet.
Zweitens wurde die Referenzgruppe von den unters-
n 20 Prozent der Ein-Personen-Haushalte auf die un-
rsten 15 Prozent beschränkt. Dies ist ein willkürlicher
ingriff mit dem ausschließlichen Ziel der Senkung der
egelleistung. Auf diese Art und Weise wurde eine sta-
stische Referenzgruppe aus armen Menschen geschaf-
n, die zu einem Fünftel aus Hartz-IV-Beziehenden,
ufstockern, besteht und deren durchschnittliches Net-
einkommen bei 716 Euro pro Monat liegt.
Es wurden drittens bei der Regelleistungsbestimmung
illkürliche Abschläge vorgenommen, so werden bei-
pielsweise erstmals Tabak und Alkohol nicht mehr als
estandteil einer menschenwürdigen Existenzsicherung
ngesehen, werden die Kosten für eine Tierhaltung nicht
nerkannt, werden Ausgaben für Gaststättenbesuche nur
nteilig anerkannt. Damit wird auch deutlich, dass eine
eilhabe am gesellschaftlichen Leben – entgegen den
orgaben des Bundesverfassungsgerichts – nicht vorge-
ehen ist.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 94. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Februar 2011 10797
(A) )
)(B)
Prinzipiell ist festzustellen, dass in keiner Weise dar-
gelegt worden ist, ob das der Regelleistungsbestimmung
zugrunde gelegte Ausgabeverhalten unterer Einkom-
mensgruppen der Bevölkerung zu erkennen gibt, welche
Aufwendungen für das menschenwürdige Existenzmini-
mum tatsächlich erforderlich sind. Das ist aber ein ver-
fassungsrechtliches Erfordernis.
Der Regelsatz muss transparent ermittelt werden und
ist kein Spielball für Polit-Rambos.
Ich lehne die Beschlussempfehlung des Vermittlungs-
ausschusses ab, weil mit der festgelegten Regelsatzerhö-
hung ein menschenwürdiges Leben und die Teilhabe an
der Gesellschaft nicht möglich sind.
Sowohl die Bundesregierung als auch die an der Be-
stimmung der Regelleistung beteiligten Fraktionen des
Deutschen Bundestages verletzen in eklatanter Weise die
Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts.
Die Bestimmung der Regelleistung wurde zum Spiel-
ball parteipolitischer Interessen und Kalküle. Die Bürge-
rinnen und Bürger in der Bundesrepublik Deutschland
erfahren, dass die Interessen der Betroffenen vollkom-
men nachrangig sind.
Ich appelliere an die Abgeordneten von Bündnis 90/
Die Grünen und von der SPD, mit unserer Fraktion ge-
meinsam eine Normenkontrollklage gegen die vorlie-
gende Regelleistungsbestimmung beim Bundesverfas-
sungsgericht einzureichen.
Die heute durchgepeitschte Abstimmung über ein
Grundrecht der Menschen in Deutschland ist eine
Schande. Ich lehne die Beschlussempfehlung des Ver-
mittlungsausschusses ab.
Jutta Krellmann (DIE LINKE): Ich lehne das „Ge-
setz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Ände-
rung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetz-
buch (Hartz IV)“ ab. Nicht nur die niedrige Erhöhung
der Regelsätze betrachte ich als Verstoß gegen die Men-
schenwürde, auch den im Zuge des Gesetzes vereinbar-
ten Mindestlohn in der Leiharbeit lehne ich als völlig un-
zureichend ab. Um das Lohndumping in der Leiharbeit
wirksam zu begrenzen, wäre die Rückkehr zum Prinzip
„Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“, und zwar vom ers-
ten Tag, Minimalbedingung gewesen.
Die Zustimmung der SPD zu diesem Ergebnis ist ent-
täuschend. Die Forderung eines flächendeckenden ge-
setzlichen Mindestlohns und die Forderung nach gleicher
Entlohnung wie Stammbelegschaften hat die SPD ein-
fach aufgegeben. Im Ergebnis gibt es einen Branchen-
mindestlohn für die Leiharbeit, der voraussichtlich im
Westen bei 7,79 Euro pro Stunde und im Osten bei
6,89 Euro liegt. Dieser Mindestlohn war bereits von den
Tarifparteien vereinbart. Seine Allgemeinverbindlich-
keitserklärung beendet das Lohndumping nicht. Er be-
grenzt schlichtweg die Ausbeutung nach unten. Das
Zweiklassensystem der Löhne im Betrieb bleibt bestehen.
Das lukrative Geschäft mit der Leiharbeit als systemati-
sches Instrument der Lohndrückerei wird fortgesetzt.
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Auch die Kompromisse zu den Branchenmindestlöh-
en in Weiterbildung und im Wach- und Sicherheitsge-
erbe sind enttäuschend: In der Aus- und Weiterbildung
eschränkt sich die Protokollnotiz auf eine neuerliche
rüfung durch das zuständige Ministerium. Im Wach-
nd Sicherheitsgewerbe wird ein bereits eingeleitetes
erfahren von der Bundesregierung „unterstützt“.
Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat für die
artz-IV-Betroffenen und für die Beschäftigten im Nie-
riglohnbereich und in der Leiharbeit nicht einmal Krü-
el übrig. Aus diesen Gründen lehne ich das vorlie-
ende Gesetz ab.
Katrin Kunert (DIE LINKE): Ich möchte eine per-
önliche Erklärung dazu abgeben, weshalb ich dem Ent-
urf eines Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen
nd zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches So-
ialgesetzbuch nicht zustimme.
Der Gesetzentwurf sieht in § 22 a die Möglichkeit
or, in kommunalen Satzungen pauschal zu regeln, bis
u welcher Höhe die Kosten der Unterkunft als ange-
essen angesehen werden. Das Merkmal der Angemes-
enheit bildet das entscheidende Kriterium für die Höhe
er Leistungen, die für Unterkunft und Heizung gewährt
erden. Wenn nun bei dem Kriterium der Angemessen-
eit nicht mehr die Umstände des Einzelfalls, sondern
ur noch Pauschalen zugrunde gelegt werden, besteht
r die Betroffenen in vielen Fällen die Gefahr von Leis-
ngskürzungen im Bereich der Kosten der Unterkunft.
um Ausgleich dieser Leistungskürzungen muss dann
in Teil des Regelsatzes herangezogen werden. Wenn
an bedenkt, dass die Regelbedarfe durch ein verfas-
ungswidriges Ermittlungsverfahren künstlich niedrig
ehalten werden, kann es in vielen Fällen dazu kommen,
ass der von den Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und
ündnis 90/Die Grünen ausgehandelte Kompromiss für
ie Betroffenen unterm Strich eine Verschlechterung
arstellt.
Die Satzungsermächtigung zugunsten der Kommunen
arf auch keinesfalls als Stärkung der kommunalen
elbstverwaltung missinterpretiert werden. Die Kommu-
en leiden derzeit unter dem höchsten Defizit in der Ge-
chichte der Bundesrepublik Deutschland. Eine der
auptgründe für dieses Defizit besteht gerade darin,
ass der Bund den Kommunen bereits seit mehreren Jah-
n zahlreiche kostenträchtige soziale Aufgaben übertra-
en hat, ohne für eine angemessene Finanzierung zu sor-
en. Durch die Satzungsermächtigung wird für
ommunen mit angespannter Haushaltslage nun eine
öglichkeit eröffnet, die kommunalen Leistungen durch
iedrige Pauschalen zu drücken. Im Endeffekt werden
ie Haushaltsnöte der Kommunen gegen das physische
xistenzminimum der Betroffenen ausgespielt. Durch
ie unterschiedliche Finanzlage der Kommunen droht
udem ein Flickenteppich unterschiedlicher Regelungen,
er die jetzt schon äußerst problematische Rechtsanwen-
ung zusätzlich erschweren wird.
Gegen eine Satzungsermächtigung zugunsten der
ommunen im Bereich der Kosten der Unterkunft
pricht auch, dass es hier um Kosten geht, die gänzlich
10798 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 94. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Februar 2011
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dem Einfluss der Kommunen sowie der Betroffenen ent-
zogen sind.
Wenn der von Ihnen vorgestellte Kompromiss schon
keine wirkliche Verbesserung für die Betroffenen dar-
stellt, sollte er deren Lage wenigstens nicht verschlech-
tern. Insbesondere das Recht auf ein physisches Exis-
tenzminimum darf nicht beschnitten werden.
Sabine Leidig (DIE LINKE): Ich habe mit Nein ge-
stimmt, weil dieser würdelose Hartz-IV-Deal demokrati-
sche Grundrechte missachtet.
Ein menschenwürdiger Regelsatz ist längst überfällig –
aber CDU/CSU, FDP und SPD haben die Chance vertan.
Nachdem das Bundesverfassungsgericht vor einem Jahr
festgestellt hat, dass die Regelsätze – zumindest die für
Kinder – grundgesetzwidrig sind, wäre eine politische
Umkehr möglich gewesen.
In Deutschland ist die Ungleichheit bei den Einkom-
men, der Gini-Koeffizient – im Vergleich zu den anderen
OECD-Staaten –, in den vergangenen zehn Jahren be-
sonders stark gewachsen: Immer mehr immer ärmeren
Menschen stehen immer mehr immer reichere gegen-
über.
Anstatt eine gesellschaftliche Debatte über dieses
Problem anzustoßen und den bedürftigen Personen wirk-
lich gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen, hat die
Bundesregierung einen Regelsatz nach Kassenlage, für
Erwachsene 364 Euro, systematisch kleingerechnet:
Kinder und Jugendliche bekommen statt mehr Geld Gut-
scheine – auf Antrag. Das ist diskriminierend, bürokra-
tisch und teuer. Auch zukünftig gibt es keine Mindest-
löhne und keinen Schutz gegen entwürdigende Arbeit.
Leiharbeiter erhalten auch zukünftig keinen gleichen
Lohn für gleiche Arbeit. Das Zweiklassensystem in der
Erwerbsarbeit bleibt.
Die Abstimmung zur Frage des Existenzminimums,
also zu einer Grundrechtefrage, wurde an diesem heuti-
gen Freitag durch den Bundestag gepeitscht. Skandalös
ist, dass die SPD wider besseres Wissen einer nicht ver-
fassungskonformen Regelleistungsbestimmung zustim-
men will.
Informationen zu den zu beschließenden Regelungen
werden den Abgeordneten durch die Bundesregierung
vorenthalten. Damit ist den Abgeordneten zur Abstim-
mung am Freitag im Bundestag unklar, wieso die 3 Euro
Regelleistungserhöhung zum 1. Januar 2012 nicht sofort
erfolgt, zuzüglich zu den geplanten 5 Euro, handelt es
sich doch um eine Dynamisierung der Regelleistung für
die Zeit vom Juli 2009 bis zum Juni 2010. Unklar bleibt,
wie die in Zukunft im Eingliederungsetat fehlenden
4 Milliarden Euro finanziert werden sollen. Unklar
bleibt, ob für Menschen mit Behinderungen ab dem
25. Lebensjahr im Haushalt Bedürftiger die Regelleis-
tung tatsächlich die volle Höhe erreichen soll und nicht
nur bei 80 Prozent liegen wird.
Von den Spitzen der CDU/CSU, FDP und SPD wird
die Demokratie verhöhnt: Sie missachten die Grund-
rechte der Bedürftigen und machen die Abgeordneten,
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ie über die Umsetzung eines Grundrechts befinden sol-
n, zu Statisten in einem unwürdigen Politiktheater.
Cornelia Möhring (DIE LINKE): Ich stimme gegen
as Ergebnis des Vermittlungsausschusses, weil Hartz IV
ndlich abgeschafft und durch eine Mindestsicherung für
de Frau, jeden Mann und jedes Kind ersetzt werden
uss.
Diese soll für Erwachsene mindestens 500 Euro be-
agen und von Gegenleistungen und damit auch Sank-
onen frei sein.
Außerdem fordere ich ebenso wie meine Fraktion die
ofortige Beseitigung der diskriminierenden und frauen-
indlichen Bedarfsgemeinschaft.
Die jetzt vorliegende Erhöhung des Hartz-IV-Regel-
atzes fällt viel zu gering aus und garantiert nicht einmal
as Existenzminimum, ganz zu schweigen von einem
eben in Würde.
Auch 8 Euro mehr verringern weder die gesellschaft-
che Ausgrenzung der betroffenen Kinder noch die per
esetz verordnete Armut der Erwachsenen. Sie sind eine
erhöhnung dieser Menschen. Daran werde ich mich
benso wie meine gesamte Fraktion nicht beteiligen.
Kornelia Möller (DIE LINKE): Das heute hier vor-
egende Ergebnis des Vermittlungsausschusses zu
artz IV ist eine Farce und stellt wieder einmal die Un-
higkeit der Koalition, aber auch der SPD dar, Politik
r Menschen zu machen. Von der Koalition ist man
ichts anderes gewohnt und von der SPD leider auch
icht. Sie, meine Damen und Herren von der SPD, hät-
n hier die Möglichkeit gehabt, zu zeigen, dass Sie Ihre
olitik und Ihre aktuellen Forderungen ernst nehmen.
ie Chance haben Sie vertan. Trotzdem Sie wissen, dass
ie Regelleistungsbestimmung nicht verfassungskon-
rm ist, tragen sie diesen faulen Kompromiss mit. – Sie
egehen damit Verfassungsbruch! Und Sie verhöhnen
it diesem Kompromiss viele Menschen.
Es ist für mich nicht nachvollziehbar, warum die SPD
ie Gelegenheit nicht wahrgenommen hat, ihre Fehler,
ie sie mit der Einführung der Hartz-Gesetze begangen
at, zu beheben oder wenigstens zu korrigieren:
Erstens. Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter hätten zu-
indest gleichen Lohn für gleiche Arbeit erhalten kön-
en.
Zweitens. Ein allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn
ätte eingeführt werden können.
Drittens. Die Regelsätze hätten zumindest verfas-
ungskonform ermittelt werden können.
Doch scheinbar sind Ihnen, meine Damen und Herren
on der SPD, diese Themen nicht so viel wert, wie Sie
mer vorgeben. Ihnen ist nicht an einer wirklichen Ver-
nderung und Verbesserung für Hartz-IV-Opfer gelegen.
ber in dieser Sache ist das letzte Wort noch nicht ge-
prochen!
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 94. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Februar 2011 10799
(A) )
)(B)
Ich möchte mit einem Zitat enden:
Verehrtes Publikum, jetzt kein Verdruss:
Wir wissen wohl, das ist kein rechter Schluss.
Vorschwebte uns: die goldene Legende.
Unter der Hand nahm sie ein bitteres Ende.
So Bertolt Brecht in „Der gute Mensch von Sezuan“.
Niema Movassat (DIE LINKE): Ich – wie meine ge-
samte Fraktion – lehne das Ergebnis des Vermittlungs-
ausschusses zu Hartz IV ab. Das Ergebnis ist nicht nur
verfassungswidrig, es ist auch ein Schlag ins Gesicht der
Betroffenen.
Der Hartz-IV-Regelsatz wird auch nach dem vorge-
legten Ergebnis menschenunwürdig niedrig bleiben. Alle
Hartz-IV-Parteien haben die statistischen Fälschungen
der Arbeitsministerin, also die willkürliche Veränderung
der Berechnungsgrundlage, hingenommen. Hier wurde
ein Regelsatz nicht nach dem, was notwendig ist, verein-
bart, sondern nach Kassenlage. Dass dieses Geschacher
um insgesamt 8 Euro mehr als acht Wochen gedauert
hat, ist ein Hohn, wenn man bedenkt, dass dieselben Par-
teien nur eine Woche gebraucht haben, um 480 Milliar-
den Euro zur Verfügung zu stellen, um die Banken zu
retten. Die Erhöhung verdient kaum diesen Namen, da
sie nicht einmal eine Anpassung an die Preis- und Lohn-
entwicklung sowie die Inflation darstellt.
Insbesondere die SPD, die heute der Beschlussempfeh-
lung zustimmt, hat offensichtlich vor der Wahl in Ham-
burg Opposition gespielt und sich in der Hartz-IV-Frage
in Szene gesetzt, um nach der Wahl diesen faulen Kom-
promiss mitzuentwickeln und mitzutragen. Sie bleibt da-
mit der Hartz-IV-Logik voll verhaftet.
Dieses Ergebnis macht eine erneute Überprüfung
durch das Bundesverfassungsgericht nötig. Die Linke
wird sich dafür einsetzen.
Hartz IV muss weg. Notwendig ist ein Regelsatz, der
wirklich existenzsichernd ist. Dieser muss daher
500 Euro betragen. Um Armutsfestigkeit und Würde für
die Betroffenen zu erreichen, braucht es eine sanktions-
freie Mindestsicherung. Die Forderung nach einem Min-
destlohn von 10 Euro die Stunde bleibt weiterhin ge-
nauso berechtigt wie die nach der 30-Stunden-Woche bei
vollem Lohnausgleich. Lohndumping und Leiharbeit als
moderne Form der Sklaverei müssen endlich ein Ende
haben.
Dr. Philipp Murmann (CDU/CSU): Ich begrüße es,
dass nach intensiven Verhandlungen nun ein Kompro-
miss zur Neuberechnung der Hartz-IV-Sätze gefunden
wurde. Ebenso ist zu begrüßen, dass Bildungsleistungen
für bedürftige Kinder und eine deutliche Entlastung der
Kommunen durch die schrittweise Übernahme der Al-
terssicherung in diesem Paket enthalten sind. Daher
stimme ich dem Kompromiss insgesamt zu.
Gleichzeitig ist es aus meiner Sicht jedoch wichtig,
folgende Punkte deutlich zu machen:
Erstens. Insgesamt umfasst das Paket voraussichtlich
mehr als 5 Milliarden Euro per annum, die sich aufgrund
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er demografischen Entwicklung möglicherweise noch
rhöhen werden. Angesichts der notwendigen Einhal-
ng der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse
äre jedoch auch eine Einigung über die notwendige
egenfinanzierung zwingend gewesen.
Zweitens. Es muss klar sein, dass die Gegenfinanzie-
ng vorwiegend aus dem Sozialhaushalt kommen muss
nd nicht zulasten von Arbeitnehmern und Unterneh-
en, zum Beispiel durch eine Erhöhung der Arbeits-
senversicherung, gehen darf. Das wäre kontraproduk-
v.
Drittens. Auch muss klar sein, dass dieser Kompro-
iss nicht auf Kosten zukünftiger Investitionen des Bun-
es in Bildung, Forschung und Infrastruktur gehen darf.
Viertens. Weiterhin darf der jetzt geschlossene Kom-
romiss die begonnene Diskussion über eine notwendige
emeindefinanzreform nicht aushebeln. Die Verhand-
ngen zwischen Bund und Kommunen über strukturelle
eformen müssen konstruktiv weitergeführt werden.
Aydan Özoğuz (SPD): Am Ende des mehrmonati-
en Beratungsprozesses über die Regelbedarfe und die
nderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialge-
etzbuch bleibt für mich leider festzuhalten, dass die
undesregierung und die Koalitionsfraktionen von
DU/CSU und FDP nicht bereit waren, auf die vielfach
on Fachgremien, von der SPD-Bundestagsfraktion und
on einigen Bundesländern geäußerten Bedenken zur
erfassungsmäßigkeit des vorgelegten Beschlusses ein-
ugehen. Unzweifelhaft konnten durch das Vermitt-
ngsergebnis Fortschritte bei der Bildungsteilhabe von
indern, bei der Ausweitung von Mindestlöhnen und bei
er Entlastung der Kommunen erreicht werden. Nichts-
estotrotz habe ich die Befürchtung, dass es bei einer er-
euten Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit der Er-
ittlung und Festsetzung der Regelbedarfe durch das
undesverfassungsgericht zu Beanstandungen kommen
önnte.
Als Mitglied im Ausschuss für Familie, Senioren,
rauen und Jugend ist mir besonders die Verbesserung
er Bildungsteilhabe von Kindern wichtig, weshalb ich
nter Abwägung aller Argumente und trotz meiner Be-
enken hinsichtlich der Ermittlung und Festsetzung der
egelbedarfe heute dem Gesetz zustimmen werde.
Jens Petermann (DIE LINKE): Ich stimme nicht
u, weil dieses Gesetz von Anfang an verfassungswidrig
ar und auch über 60 Veränderungen seit Inkrafttreten
icht zu einer Verbesserung der Lage der Betroffenen
eführt haben. Das nunmehr vorgelegte Vermittlungser-
ebnis beseitigt den vorliegenden verfassungswidrigen
ustand nicht.
Alles begann im Sommer 2002. Unter Führung des
zwischen rechtskräftig verurteilten Peter Hartz erarbei-
te eine von Bundeskanzler Schröder einberufene
ruppe eine neue Sozialgesetzgebung. „Fordern und
ördern“ hieß das Motto dieser tiefgreifendsten Ein-
chnitte in der Geschichte der Bundesrepublik.
10800 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 94. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Februar 2011
(A) )
)(B)
Im Februar 2010 stellte das Bundesverfassungsge-
richt fest, dass das geltende Gesetz nicht verfassungs-
konform ist, und verlangte eine Novellierung bis Ende
2010. Da die schwarz-gelbe Regierungskoalition inzwi-
schen ihre Mehrheit im Bundesrat verloren hatte, schei-
terte der Gesetzentwurf, der nur eine minimale Erhöhung
des Regelsatzes um 5 Euro vorsah, in der Länderkam-
mer. Der daraufhin angerufene Vermittlungsausschuss
bildete eine Arbeitsgruppe, bei der Union, SPD, FDP
und Grüne versuchten, die Linke außen vor zu lassen. Da
wir in diesem Vorgang eine Verletzung unserer Parla-
mentsrechte sahen, hat unsere Fraktion eine einstweilige
Anordnung beim Bundesverfassungsgericht beantragt.
Auf Druck des Bundesverfassungsgericht musste eine
Vertreterin der Linken in die Arbeitsgruppe aufgenom-
men werden.
Nun saß aber jemand mit am Verhandlungstisch, der
die Hartz-Gesetzgebung an sich kritisierte und mit an-
hören konnte, welche Deals am Rande geplant waren.
Also gründeten die Hartz-IV-Parteien kurzerhand eine
extralegale Arbeitsgruppe in der Arbeitsgruppe, die die
Linke erneut ausschloss. Dieses Vorgehen verstößt ge-
gen die Verfassung.
Zu einvernehmlichen Lösungen kam die Verhand-
lungsgruppe ohne die ungeliebte Linksfraktion nun doch
endlich. Das herausragende Ergebnis liegt heute auf dem
Tisch: 5 Euro Erhöhung in diesem Jahr und noch einmal
3 Euro im nächsten. Das ist peinlich! Das ist Hohn! Ein
solches Ergebnis hätte es mit unserer Fraktion nie gege-
ben. Alternative Berechnungen, die auf Zahlen des Sta-
tistischen Bundesamtes beruhen, haben ergeben, dass ein
Regelsatz von 392 Euro die absolute Untergrenze für ein
Leben in Würde bildet. Die schwarz-gelbe Regierung
hat das Existenzminimum also bewusst kleingerechnet
und damit einen verfassungswidrigen Entwurf vorgelegt.
Es ist erschreckend, wie parteipolitische Kleingeistig-
keit das Wohl der betroffenen Menschen missachtet, nur
weil im Jahr 2011 sieben Landtagswahlen anstehen. Da
wird Wahlkampf auf dem Rücken von Millionen Betrof-
fenen geführt.
Das Verhandlungsergebnis der Hartz-IV-Koalition
entspricht in keiner Weise den Vorgaben des Bundesver-
fassungsgerichts. Damit sind die Betroffenen weiterhin
gezwungen, ihre Rechte vor den Sozialgerichten unseres
Landes zu erstreiten. Diese sind aber dank Hartz IV der-
art überlastet, dass die Prozesse sich unnötig in die
Länge ziehen, wodurch die Betroffenen noch zusätzlich
belastet werden.
Ich und meine Fraktion lehnen die Hartz-IV-Regelung
ab und werden alle juristischen Möglichkeiten nutzen,
um dem im Grundgesetz verankerten Grundrecht auf ein
menschenwürdiges Existenzminimum Geltung zu ver-
schaffen.
Richard Pitterle (DIE LINKE): Es war mir nicht
möglich, dem ausgehandelten Kompromiss zur Hartz IV
zuzustimmen. Die katholische Betriebsseelsorge in mei-
nem Wahlkreis organisiert regelmäßig Begegnungen von
Bezieherinnen und Beziehern von Hartz-IV-Leistungen
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it den Abgeordneten. Wenn man diese Menschen, die
it dem wenigen Geld ihr Leben fristen müssen, persön-
ch und nicht nur aus den Statistiken kennt, dann kann
an sich vorstellen, wie demütigend es für sie sein
uss, wenn sie hören, dass für sie lediglich eine monatli-
he Erhöhung um 8 Euro und das noch in zwei Raten
orgesehen ist.
Obwohl die Arbeitslosigkeit im Kreis Böblingen zu-
ckgegangen ist, gibt es viele Frauen und Männer, die
ber 50 Jahre alt sind und die auf dem Arbeitsmarkt
eine Chance haben, die von einer Umschulung zur an-
eren geschoben werden und auf die Hartz-IV-Leistun-
en angewiesen sind.
Diese Leistungen – auch mit der vorgesehenen Erhö-
ung – ermöglichen kein menschenwürdiges Leben. Ob-
ohl das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber
s Stammbuch geschrieben hatte, dass der Staat den Be-
ürftigen eine Teilhabe am soziokulturellen Leben er-
öglichen müsse, wird ihr „Kompromiss“ dieser Vor-
abe nicht gerecht. Wenn etwa im Pauschbetrag 22 Euro
r Mobilität eingeplant sind, reicht es bei uns nicht ein-
al für ein Wochenticket für zwei Zonen. Wenn die
ehrheit des Parlaments die Vorgaben des höchsten Ge-
chts missachtet, ist es ein Skandal.
Da ich als Mitglied im Finanzausschuss erlebe, wie
ndere Summen bewegt werden, wenn es um die Ret-
ng von zockenden Banken geht oder wenn es darum
eht, die Steuern für die Hoteliers zu senken mit Steuer-
erlusten von 1 Milliarde Euro, halte ich das Verhalten
egenüber den Bezieherinnen und Beziehern von
artz IV für ungerecht und menschenunwürdig. Daher
onnte ich auch nicht zustimmen.
Yvonne Ploetz (DIE LINKE): Ich lehne den vorlie-
enden Vorschlag zur Neugestaltung der Hartz-IV-Rege-
ngen mit äußerstem Nachdruck ab. Der Umgang mit
ugendlichen im ALG-II-Bezug macht den skandalösen
harakter der Neuregelung besonders deutlich. In mei-
er Begründung möchte ich deshalb auf diesen Punkt
ezug nehmen. Die Neuberechnung der Hartz-IV-Sätze,
ie in den letzten Monaten stattfand, ist unzumutbar. Die
rmittlung des neuen Regelsatzes für 14- bis 18-Jährige
asiert auf insgesamt nur 168 Haushalten. Auf Basis ei-
er solch geringen Stichprobe sind keine validen Aussa-
en möglich – das weiß jeder Studierende der Sozialwis-
enschaften im ersten Semester! Zudem finden die
esonderen Bedarfe junger Menschen bei der Neube-
chnung keinerlei Niederschlag. Eine gesunde Ernäh-
ng im Wachstum, Mobilität, Ausgaben für Bildung
ind auch auf Grundlage der neuen Sätze einfach nicht
nanzierbar.
Es bleibt dabei: Hartz IV ist und bleibt eine gesetzlich
erordnete Armut – auch bei Jugendlichen und auch auf
asis der neuen Sätze. Wir brauchen eine soziale Siche-
ng, die die Würde sozial Schwächerer sicherstellt und
icht verletzt.
Ich lehne die Regelung ab, weil mit Hartz IV keine ge-
unde Ernährung möglich ist. Ab dem 15. Lebensjahr er-
alten Jugendliche im Hartz-IV-Bezug 4,13 Euro für
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Nahrungsmittel. Doch selbst „wenn nur die preiswertes-
ten Produkte in ein und derselben Einkaufstätte gekauft
werden, reichen die Regelsätze im jugendlichen Alter
nicht aus.“ Das bilanzierte das renommierte Forschungs-
institut für Kinderernährung in einer durch die Linke in
Auftrag gegeben Studie. Das ist der Bundesregierung be-
kannt und hat bei der Neuregelung trotzdem keine Be-
rücksichtigung gefunden. Dieser Punkt ist ein besonderer
Skandal. Soziale Benachteiligung und Armut sind selbst
schon in hohem Maße mit gesundheitlichen Belastungen
verbunden. Die Hartz-IV-Parteien nehmen zusätzlich in
Kauf, dass junge Menschen aufgrund zu geringer finan-
zieller Mittel einem erhöhten Krankheitsrisiko ausgesetzt
sind, da sie kein Geld für eine gesunde und ausgewogene
Ernährung haben, und das, obwohl jeder weiß, dass Ge-
sundheit eine zentrale Voraussetzung für die gesellschaft-
liche Teilhabe und Selbstbestimmung der Heranwachsen-
den ist!
Und auch die Kritik im Grundsatz bleibt bestehen.
Hartz IV sollte als arbeitsmarktpolitisches Instrument
Menschen wieder schnell in Beschäftigung bringen. Die
verfestigte Jugendarbeitslosigkeit zeigt, dass dies auch
bei Jugendlichen massiv gescheitert ist. 1-Euro-Jobs
bringen für Heranwachsende gar nichts, sondern führen
nur in eine Sackgasse. Und wer sich dagegen wehrt, wird
sanktioniert. Ich lehne diese Regelung ab, weil die un-
tragbare Sanktionspraxis des § 31 SGB II durch die Neu-
regelung nicht beendet, sondern fortgeschrieben wird.
Jugendlichen kann der Regelsatz bei einem „Vergehen“
sofort um 100 Prozent für drei Monate gekürzt werden.
Beim zweiten Vergehen betrifft die Streichung auch die
Heizkosten und Miete. Diese verfassungsrechtlich hoch-
problematischen Regeln wurden durch das Gesetz nicht
aufgehoben, obwohl das Bundesverfassungsgericht das
Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzmini-
mum für „unverfügbar“ erklärt hat. Rund 900 000 junge
Menschen waren 2009 auf staatliche Hilfe in Form von
Hartz IV angewiesen. Insgesamt wurden in diesem Zeit-
raum 78 558 Sanktionen gegen die 15- bis 25-Jährigen
ausgesprochen. Mit Meldeversäumnissen beläuft sich
die Zahl auf 239 989 – so die Angaben, die ich am
19. November 2010 auf eine schriftliche Frage erhalten
habe. Dem Regelsatz von 287 Euro stand ein durch-
schnittlicher Sanktionsbetrag von 269 Euro gegenüber.
Viele waren auf Lebensmittelgutscheine angewiesen.
Allein im Zeitraum von September bis Dezember wur-
den 9 927 Gutscheine an Jugendliche ausgegeben.
Studien des Deutschen Jugendinstituts zeigen, dass
junge Menschen sehr unterschiedlich auf diese Art von
Druck und Sanktionen reagieren. Überschuldung im Ju-
gendalter ist hier nur eine mögliche Folge neben Armut,
Kriminalität, Vertrauensverlust, Perspektivlosigkeit und
Krankheit. Sie können sich sicherlich vorstellen, was
eine solche – oftmals erste – Erfahrung mit dem Sozial-
staat für Auswirkungen haben kann – gerade in einer
Zeit, in der junge Menschen Vertrauen in einen Staat und
seine demokratische Verfasstheit erlernen sollten.
Ich fasse meine Kritik zusammen: Die neue Regelung
schreibt – wie die alte – per Gesetz Armut schon seit
Jahren systematisch fest, und das mit einem dramati-
schen Ergebnis. Die Jugendarmutsquote liegt derzeit bei
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9 Prozent, das ist jeder fünfte Jugendliche! Es ist Zeit
r eine radikale sozial- und jugendpolitische Kehrt-
ende. Ich fordere das Ministerium für Arbeit und So-
iales auf, endlich ihre „Jugendverdrossenheit“ abzule-
en und jungen Menschen auf ihrem Weg ins Erwachse-
ensein die Steine aus dem Weg zu nehmen.
Mechthild Rawert (SPD): In einem monatelangen
ermittlungsverfahren, welches über die vom Bundes-
erfassungsgericht festgelegte Frist bis zum 1. Januar
011 hinausging, haben CDU/CSU und FDP sowie SPD
inen vorläufigen Kompromiss gefunden. Das war drin-
end notwendig, um die Fristsetzung des Bundesverfas-
ungsgerichts nicht noch weiter zu überschreiten, den
LG-II-Empfängern und -Empfängerinnen die notwen-
ige Erhöhung des Regelsatzes in Kürze tatsächlich aus-
ahlen zu können, das Bildungs- und Teilhabepaket für
lle bedürftigen Kinder zu starten und die Kommunen
it den Kosten für steigende Sozialleistungen nicht wei-
r allein zu lassen. Die SPD hat wesentliche Erfolge er-
ngen.
Dennoch gibt es meinerseits weiterhin verfassungs-
chtliche Bedenken hinsichtlich der Berechnung der
egelsatzhöhe. Die Errechnung des Regelsatzes genügt
einer Meinung nach nach wie vor nicht den geforder-
n Kriterien des Bundesverfassungsgerichtsurteils nach
iner transparenten, nachvollziehbaren und realitätsge-
chten Ermittlung. Die Festlegung der Referenzgruppe
t meines Erachtens haushaltspolitisch motiviert. Allein
ie CDU/CSU – und FDP – geführte Regierung und die
ie tragenden Fraktionen haben die Verfassungsmäßig-
eit der Berechnung der Regelsätze zu verantworten. Ich
edaure außerordentlich, dass eine Einigung aufgrund
er vollständigen Blockade von CDU/CSU und FDP
eim Prinzip „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ für
eiharbeitnehmer und Leiharbeitnehmerinnen und
tammbelegschaft unmöglich war.
Im Kompromisspaket enthalten sind viele Vereinba-
ngen, die Berlin als Metropole mit seiner unterdurch-
chnittlichen Erwerbsquote von 64,9 Prozent und den
nd 590 000 Arbeitslosengeld-Il-Leistungen erhalten-
en Menschen, davon rund 178 000 Kinder und Jugend-
che, in hohem Maße unmittelbar betreffen und insge-
amt einen Fortschritt darstellen. Dazu gehört unter
nderem Folgendes: Die Ausweitung des Bildungs- und
eilhabepakets auch auf Kinder von Familien mit Wohn-
eldansprüchen ist ein wichtiger Schritt für mehr Bil-
ungsgerechtigkeit.
Die Kostenübernahme für das Bildungs- und Teilha-
epaket durch den Bund entlastet alle Kommunen, wo-
on Berlin in seiner schwierigen Finanzlage besonders
rofitiert. Zu begrüßen ist die vereinbarte Revisionsklau-
el, mit der sichergestellt wird, dass die Kommunen die
urch die Übertragung des Bildungs- und Teilhabepakets
ntstehenden Kosten auch zeitnah erstattet bekommen.
uch das nützt Berlin.
Die Beschäftigung von Sozialarbeitern und Sozialar-
eiterinnen für Kinder und Jugendliche an Schulen in so-
ialen Brennpunkten ist in Berlin im Rahmen des Pro-
ramms „Soziale Stadt“ bereits erfolgreich erprobt. Da
10802 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 94. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Februar 2011
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dieses Bundesprogramm durch Schwarz-Gelb nun ge-
strichen wurde, ist dies ein wichtiger Teilersatz für die
erfolgreiche Weiterführung der Arbeit in schwierigen
Berliner Quartieren.
Das kostenlose Mittagessen in Schulen, Kitas und nun
auch in Horten für bedürftige Kinder ist eine gute Wei-
terentwicklung des Berliner Angebots. Das bundesweite
Angebot unterstützt die Berliner Bildungs-, Jugendhilfe-
und Sozialpolitik.
Die schrittweise Übernahme der Kosten der Grund-
sicherung im Alter bis 2014 durch den Bund entlastet die
Berliner Kommune erheblich, da in Berlin überdurch-
schnittlich viele Ältere auf die Altersgrundsicherung an-
gewiesen sind, nämlich 57 500 Ende 2009, Tendenz stei-
gend.
Die Festlegung von Mindestlöhnen für das Wach- und
Sicherheitsgewerbe als auch für Beschäftigten der Aus-
und Weiterbildung sowie für Beschäftigte in Zeit- und
Leiharbeit sowohl in Verleihzeiten als auch in verleih-
freien Zeiten schützen Arbeitnehmer und Arbeitnehme-
rinnen in Berlin und aus den europäischen Nachbarstaa-
ten, wenn die Arbeitnehmerfreizügigkeit in Europa ab
1. Mai 2011 gilt. In Berlin erhalten rund 120 000 Men-
schen zusätzliche ALG-Il-Leistungen zu ihren zum Le-
bensunterhalt nicht ausreichenden Niedriglöhnen.
Aufwandsentschädigungen für Übungsleiter und
Übungsleiterinnen, die Arbeitslosengeld II empfangen,
werden nun auch zukünftig bis zu 175 Euro monatlich
nicht auf den Regelsatz angerechnet. Damit werden die
Bemühungen Berlins bei der Förderung ehrenamtlichen
Engagements im Rahmen der Sportförderung, die ein
wichtiger Bestandteil der lokalen Jugendsozialarbeit ist,
weiterhin ermöglicht.
Nach starkem Drängen wurde ein Prüfauftrag verein-
bart mit dem Ziel, Menschen mit Behinderungen ab dem
25. Lebensjahr den vollen Regelsatz für die Regelbe-
darfsgruppe 3 zu gewähren.
Die stufenweisen Erhöhungen des Regelsatzes unab-
hängig von den notwendigen Anpassungen aufgrund der
Preis- und Lohnentwicklung sind immerhin ein erster
Schritt.
Nach sorgsamer Abwägung entscheide ich mich für
die im Kompromiss des Vermittlungsausschusses ausge-
handelten Bedingungen und werde zustimmen. Meine
oben erläuterten Bedenken gegen den Kompromiss sind
allerdings nicht ausgeräumt, und ich begrüße daher aus-
drücklich die Ankündigung einiger Sozialverbände, an
ihrer Normenkontrollklage festzuhalten.
Die Ablehnung der Grünen ist für mich keine Option,
weil sie die ausgehandelten Verbesserungen insbeson-
dere für Familien mit Kindern weiter verzögern würden.
Das ist aber nicht zumutbar.
Ich schließe mich mit dieser Haltung der Empfehlung
meiner Fraktion an.
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Ingrid Remmers (DIE LINKE): Ich stimme gegen
en Antrag, weil der Kompromiss der Hartz-IV-Parteien
ur Ermittlung der Regelsätze eine Farce ist.
Das Bundesverfassungsgericht hatte geurteilt, dass
ie frühere Berechnung der ALG-II-Regelsätze nicht mit
rt. 1 – Würde des Menschen – und Art. 20 – Sozial-
taatsprinzip – des Grundgesetzes zu vereinbaren ist. Die
un vorgelegte Berechnung entspricht nicht annähernd
iesen Anforderungen und wird deshalb das Bundesver-
ssungsgericht erneut beschäftigen. Dasselbe gilt für
ie Frage, ob der Vermittlungsausschuss in seiner Zu-
ammensetzung, das heißt unter Ausschluss der Linken,
orrekt getagt hat.
Abgesehen von diesen Verfahrensfehlern ist die Erhö-
ung um 5 Euro bzw. insgesamt 8 Euro ab dem 1. Januar
012 weiterhin völlig unzureichend, um einen men-
chenwürdigen Lebensstandard zu gewährleisten. Die
anktionsmöglichkeiten in Form von Leistungskürzun-
en wurden erst gar nicht diskutiert. Dabei bedrohen sie
ie Leistungsberechtigten in ihrer materiellen Existenz.
as Konstrukt der Bedarfsgemeinschaft greift tief in die
ersönlichkeitsrechte zusammenlebender Paare ein, und
eistungskürzungen bei Nichtannahme einer Tätigkeit
orgen weiter für eine massive Lohnentwicklung nach
nten, da sie den Zwang zur Annahme von Niedriglöh-
en erhöhen.
Deshalb wird es für die Linke weiter heißen: Hartz IV
uss weg!
Silvia Schmidt (Eisleben) (SPD): Erstens. Als Be-
indertenbeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion nehme
h zur Kenntnis, dass die schwarz-gelbe Koalition die
ereinbarte Protokollerklärung „Der Regelsatz für die
egelbedarfsstufe 3 wird mit dem Ziel, Menschen mit
ehinderungen ab dem 25. Lebensjahr den vollen Regel-
atz zu ermöglichen, überprüft“ gänzlich anders inter-
retiert als die SPD. Während wir das Ziel des vollen
egelsatzes als unumstößlich vereinbart ansehen und
ur den Weg dahin überprüfen wollen, Ist das Bundes-
inisterium für Arbeit und Soziales, BMAS, der Auffas-
ung, dass es in erster Linie um die Ermittlung der Höhe
er Bedarfe von Menschen mit Behinderungen, die ge-
einsam mit anderen leben, geht, und dass damit die
öhe des Regelsatzes weiterhin völlig offen ist. Des
eiteren beabsichtigt das BMAS offenbar, eine Ände-
ng erst auf Grundlage der Einkommens- und Ver-
rauchsstichprobe 2013 vorzunehmen, und damit erst
um 1. Januar 2016. Diese Auslegung des vereinbarten
rgebnisses sowie die Verzögerung der Ausführung sind
icht hinnehmbar. Da zu erwarten ist, dass die schwarz-
elbe Koalition weiterhin versuchen wird, die Anglei-
hung zu verschleppen, werden wir als SPD-Bundes-
gsfraktion das Thema weiterhin kritisch begleiten.
Zweitens. In dem Vermittlungsverfahren ist es gelun-
en, das sogenannte Bildungs- und Teilhabepaket gegen-
ber dem ursprünglichen Gesetzentwurf deutlich zu ver-
essern: Es konnte eine soziale Ausweitung erreicht
erden, indem auch die Kinder von Wohngeldempfän-
ern und -Empfängerinnen dieses in Anspruch nehmen
önnen; durch die Änderung in der Trägerschaft vom
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 94. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Februar 2011 10803
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Jobcenter zu den Kommunen und Landkreisen wird da-
für gesorgt, dass Bürokratie vermieden und diejenigen
mit der Erbringung der Leistungen beauftragt werden,
die die Kompetenzen im Bereich der Kinder- und Ju-
gendarbeit haben; zudem werden die finanziellen Vo-
raussetzungen dafür geschaffen, dass – zuerst einmal bis
2013 befristet – 3 000 zusätzliche Sozialarbeiterinnen
und Sozialarbeiter an Schulen und sozialen Brennpunk-
ten sich um Kinder und Jugendliche kümmern können.
Für die Umsetzung des Bildungs- und Teilhabepakets
ist eine deutliche Entlastung der Kommunen und Kreise
erreicht worden, indem der Bund die Finanzierung der
Kosten der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbs-
minderung in drei Schritten – 2012: 45 Prozent, 2013:
75 Prozent, 2014: 100 Prozent – bis zum Jahr 2014 voll-
ständig übernehmen wird. Bis 2013 erhöht sich zudem
die Beteiligung des Bundes an den Kosten der Unter-
kunft im SGB II.
Drittens. Bei der Schaffung eines einheitlichen gesetz-
lichen Mindestlohns sowie der Durchsetzung des Prin-
zips „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ in der Zeitarbeit,
wodurch die Zahl derjenigen, die aufgrund unzureichen-
der Löhne ergänzende Leistungen der Grundsicherung
für Arbeitsuchende in Anspruch nehmen müssen, redu-
ziert werden sollte, war aufgrund der bornierten Blocka-
dehaltung der Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und
FDP und der von diesen Parteien regierten Bundeslän-
dern kein Ergebnis zu erzielen. Damit haben es diese
Parteien zu verantworten, dass auch zukünftig der Nie-
driglohnsektor durch öffentliche Transferzahlungen fi-
nanziert werden muss. Gleichwohl konnte für den Be-
reich der Zeitarbeit eine Lohnuntergrenze in Höhe des je-
weiligen tariflichen Mindestlohnes erreicht werden;
ebenso können zukünftig für die Aus- und Weiterbil-
dungsbranche und die Sicherheitsdienstleistungsbranche
Mindestlöhne gelten.
Viertens. Allerdings ist die Ermittlung und Bemessung
der Regelbedarfe im SGB II und SGB XII weiterhin un-
befriedigend. Die von der SPD-Bundestagsfraktion in ih-
rem Antrag „Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes
durch eine transparente Bemessung der Regelsätze und
eine Förderung der Teilhabe von Kindern umsetzen“
– Bundestagsdrucksache 17/3648 – formulierten verfas-
sungsrechtlichen Bedenken konnten nicht beseitigt wer-
den, da die Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und
FDP, die Bundesregierung und die CDU/CSU-geführten
Länder nicht bereit waren, an den zentralen Punkten des
vom Bundestag beschlossenen Gesetzes Änderungen
vorzunehmen. Die vom Bundesverfassungsgericht in sei-
nem Urteil vom 9. Februar 2010 geforderte transparente,
nachvollziehbare und realitätsgerechte Ermittlung der
Regelbedarfe ist unterblieben; im Gegenteil haben Äuße-
rungen aus dem Kreis der Bundesregierung und der Re-
gierungskoalition deutlich gemacht, dass die Festsetzung
der Regelbedarfe haushaltspolitisch motiviert ist und
eben nicht der Gewährleistung eines menschenwürdigen
Existenzminimums dient. Damit wird die zentrale Vor-
gabe des Bundesverfassungsgerichtes nicht umgesetzt.
Es bestehen insbesondere in folgenden Punkten er-
hebliche verfassungsrechtliche Bedenken:
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Zirkelschlussproblematik: Das Bundesverfassungsge-
cht hat eine eindeutige Vorgabe gemacht, diejenigen
aushalte, deren Einkommen unterhalb der Bedarfs-
chwellen des SGB II/SGB XII liegt, die aber nicht die
ntsprechenden Leistungen in Anspruch nehmen, ver-
eckt Arme, bei der Bemessung der Referenzgruppe aus-
uschließen. Diese Vorgabe wurde nicht umgesetzt. Un-
ulässige Zirkelschlüsse ergeben sich auch dadurch, dass
lle Haushalte, die neben den Regelleistungen des SGB II
zw. SGB XII weiteres Erwerbseinkommen erzielen, in
änze bei den Referenzhaushalten berücksichtigt wer-
en, selbst wenn sie nur einen einzigen Euro an zusätzli-
hen Einkünften erzielen. Allein die Berücksichtigung
erjenigen Aufstocker und Aufstockerinnen, die nur ein
inkommen bis zu der Freibetragsgrenze von 100 Euro
ach § 30 SGB II beziehen, führt dazu, dass der Regelbe-
arf in der Regelbedarfsstufe um 6 Euro geringer ausfällt.
Interner Ausgleich: In seinem Urteil hat das Bundes-
erfassungsgericht das Statistikmodell, das auf den in
er Einkommens- und Verbrauchsstichprobe erfassten
usgaben basiert, als eine geeignete Methode zur Er-
ittlung der Regelbedarfe bezeichnet. Gleichzeitig hat
as Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber die
öglichkeit eingeräumt, politische Setzungen vorzuneh-
en. Allerdings hat es dabei eine kohärente und nach-
ollziehbare Methodenanwendung verlangt und insbe-
ondere gefordert, dass die Regelbedarfe so zu ermitteln
ind, dass für die Leistungsempfängerinnen und -emp-
nger, die in einzelnen Bereichen einen höheren Bedarf
ls den durchschnittlich ermittelten haben, ein interner
usgleich möglich ist. Diese Anforderungen sind nicht
mgesetzt worden, da eine willkürliche und methodisch
lsche Herausrechnung von Verbrauchspositionen, so
um Beispiel einerseits die Ermittlung der Verkehrsaus-
aben auf Grundlage einer Sonderauswertung und ande-
rseits die Nichtberücksichtigung einzelner Verbrauchs-
ositionen in der Gesamterhebung, stattgefunden hat.
as Statistikmodell ist deshalb fehlerhaft angewendet
orden.
Größe der Referenzgruppe: Nicht nachzuvollziehen ist
ie Entscheidung, die Regelbedarfe von Erwachsenen auf
er Grundlage der untersten 15 Prozent der Haushalte
urchzuführen, und nicht mehr die untersten 20 Prozent
ls Referenzgruppe zu betrachten. Die Verkleinerung der
eferenzgruppe erklärt sich einzig mit dem Ziel, die An-
ebung der Regelbedarfe möglichst gering ausfallen zu
ssen. Dabei ist es auch methodisch nicht nachzuvollzie-
en, dass für die Ermittlung der Bedarfe von Kindern
eiterhin auf die untersten 20 Prozent der Paarhaushalte
it Kind abgestellt wird; für diese unterschiedliche
röße der Referenzgruppe gibt es keine systematische
egründung.
Fortschreibung der in der EVS 2008 ermittelten Werte:
arüber hinaus wurde der Preisstand der in der EVS 2008
rmittelten Verbrauchsausgaben ursprünglich nur einma-
g gemäß dem neu entwickelten Mischindex fortge-
chrieben. Die SPD-Bundestagsfraktion und die SPD-ge-
hrten Bundesländer konnten in den Verhandlungen
urchsetzen, dass nunmehr auch die Veränderungsrate
es ersten Halbjahres 2010 berücksichtigt wird. Dennoch
rfolgt die so errechnete Erhöhung des Regelbedarfes um
10804 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 94. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Februar 2011
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3 Euro in der Regelbedarfsstufe 1 nicht systematisch kor-
rekt bereits zum erstmaligen Inkrafttreten der Regelbe-
darfe, sondern aufgrund des massiven Widerstandes der
Bundesregierung und der Bundestagsfraktionen von
CDU/CSU und FDP erst zum 1. Januar 2012.
Insgesamt ist festzuhalten, dass die Bundesregierung
und die Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und FDP
zu keiner Zeit bereit waren, auf die von der SPD-Bun-
destagsfraktion, den SPD-geführten Bundesländern und
der gesamten Fachwelt geäußerten Bedenken einzuge-
hen.
Es stellt sich daher die Frage der Abwägung, ob der
verfassungswidrige Zustand der bisherigen Bemessung der
Regelbedarfe fortbestehen soll, oder ob einem Vermitt-
lungsergebnis, das zwar mit großen verfassungsrechtlichen
Risiken behaftet ist, aber auch große Fortschritte bei der
Bildungsteilhabe von Kindern, der Ausweitung von Min-
destlöhnen und der Entlastung der Kommunen beinhaltet,
zugestimmt werden kann. Dabei wird es unzweifelhaft zu
einer Überprüfung der Ermittlung und Festsetzung der
Regelbedarfe durch das Bundesverfassungsgericht kom-
men, wobei davon auszugehen ist, dass das Bundesver-
fassungsgericht die von der Bundesregierung zu verant-
wortenden Regelbedarfe erneut beanstanden wird.
Allerdings ist durch das Vermittlungsergebnis sicherge-
stellt, dass die Bildungsteilhabe von Kindern verbessert
wird.
Swen Schulz (Spandau) (SPD): In dem Vermitt-
lungsverfahren ist es gelungen, das sogenannte Bil-
dungs- und Teilhabepaket gegenüber dem ursprüngli-
chen Gesetzentwurf deutlich zu verbessern:
– Es konnte eine soziale Ausweitung erreicht werden,
indem auch die Kinder von Wohngeldempfängern
und -empfängerinnen dieses in Anspruch nehmen
können;
– durch die Änderung in der Trägerschaft vom Jobcen-
ter zu den Kommunen und Landkreisen wird dafür
gesorgt, dass Bürokratie vermieden und diejenigen
mit der Erbringung der Leistungen beauftragt werden,
die die Kompetenzen im Bereich der Kinder- und Ju-
gendarbeit haben;
– zudem werden die finanziellen Voraussetzungen dafür
geschaffen, dass – zuerst einmal bis 2013 befristet –
3 000 zusätzliche Sozialarbeiterinnen und Sozial-
arbeiter an Schulen und sozialen Brennpunkten sich
um Kinder und Jugendliche kümmern können,
– und die Kosten für das Mittagessen auch für Hortkin-
der übernommen werden.
Für die Umsetzung des „Bildungs- und Teilhabepa-
kets“ ist eine deutliche Entlastung der Kommunen und
Kreise erreicht worden, indem der Bund die Finanzie-
rung der Kosten der Grundsicherung im Alter und bei
Erwerbsminderung in drei Schritten, 2012: 45 Prozent,
2013: 75 Prozent, 2014: 100 Prozent, bis zum Jahr 2014
vollständig übernehmen wird. Bis 2013 erhöht sich zu-
dem die Beteiligung des Bundes an den Kosten der Un-
terkunft im SGB II.
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Bei der Schaffung eines einheitlichen gesetzlichen
indestlohns sowie der Durchsetzung des Prinzips
Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ in der Zeitarbeit, wo-
urch die Zahl derjenigen, die aufgrund unzureichender
öhne ergänzende Leistungen der Grundsicherung für
rbeitsuchende in Anspruch nehmen müssen, reduziert
erden sollte, war aufgrund der bornierten Blockadehal-
ng der Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und FDP
nd der von diesen Parteien regierten Bundesländer kein
rgebnis zu erzielen. Damit haben es diese Parteien zu
erantworten, dass auch zukünftig der Niedriglohnsektor
urch öffentliche Transferzahlungen finanziert werden
uss. Gleichwohl konnte für den Bereich der Zeitarbeit
ine Lohnuntergrenze in Höhe des jeweiligen tariflichen
indestlohnes erreicht werden; ebenso können zukünf-
g für die Aus- und Weiterbildungsbranche und die Si-
herheitsdienstleistungsbranche Mindestlöhne gelten.
Allerdings ist die Ermittlung und Bemessung der Re-
elbedarfe im SGB II und SGB XII weiterhin unbefrie-
igend. Die von der SPD-Bundestagsfraktion in ihrem
ntrag „Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes
urch eine transparente Bemessung der Regelsätze und
ine Förderung der Teilhabe von Kindern umsetzen“
rucksache 17/3648) formulierten verfassungsrechtli-
hen Bedenken konnten nicht beseitigt werden, da die
undestagsfraktionen von CDU/CSU und FDP, die Bun-
esregierung und die CDU/CSU-geführten Länder nicht
ereit waren, an den zentralen Punkten des vom Bundes-
g beschlossenen Gesetzes Änderungen vorzunehmen.
ie vom Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil
om 9. Februar 2010 geforderte transparente, nachvoll-
iehbare und realitätsgerechte Ermittlung der Regelbe-
arfe ist unterblieben; im Gegenteil haben Äußerungen
us dem Kreis der Bundesregierung und der Regierungs-
oalition deutlich gemacht, dass die Festsetzung der Re-
elbedarfe haushaltspolitisch motiviert ist und eben
icht der Gewährleistung eines menschenwürdigen Exis-
nzminimums dient. Damit wird die zentrale Vorgabe
es Bundesverfassungsgerichtes nicht umgesetzt.
Es bestehen insbesondere in folgenden Punkten er-
ebliche verfassungsrechtliche Bedenken:
Zirkelschlussproblematik:
Das Bundesverfassungsgericht hat eine eindeutige
Vorgabe gemacht, diejenigen Haushalte, deren Ein-
kommen unterhalb der Bedarfsschwellen des SGB II/
SGB XII liegen, die aber nicht die entsprechenden
Leistungen in Anspruch nehmen, verdeckt Arme, bei
der Bemessung der Referenzgruppe auszuschließen.
Diese Vorgabe wurde nicht umgesetzt. Unzulässige
Zirkelschlüsse ergeben sich auch dadurch, dass alle
Haushalte, die neben den Regelleistungen des SGB II
bzw. SGB XII weiteres Erwerbseinkommen erzielen,
in Gänze bei den Referenzhaushalten berücksichtigt
werden, selbst wenn sie nur einen einzigen Euro an
zusätzlichen Einkünften erzielen. Allein die Berück-
sichtigung derjenigen Aufstocker und Aufstockerin-
nen, die nur ein Einkommen bis zu der Freibetrags-
grenze von 100 Euro nach § 30 SGB II beziehen,
führt dazu, dass der Regelbedarf in der Regelbedarfs-
stufe um 6 Euro geringer ausfällt.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 94. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Februar 2011 10805
(A) )
)(B)
– Interner Ausgleich:
In seinem Urteil hat das Bundesverfassungsgericht
das Statistikmodell, das auf den in der Einkommens-
und Verbrauchsstichprobe erfassten Ausgaben basiert,
als eine geeignete Methode zur Ermittlung der Regel-
bedarfe bezeichnet. Gleichzeitig hat das Bundesver-
fassungsgericht dem Gesetzgeber die Möglichkeit
eingeräumt, politische Setzungen vorzunehmen. Al-
lerdings hat es dabei eine kohärente und nachvoll-
ziehbare Methodenanwendung verlangt und insbe-
sondere gefordert, dass die Regelbedarfe so zu
ermitteln sind, dass für die Leistungsempfängerinnen
und -empfänger, die in einzelnen Bereichen einen hö-
heren Bedarf als den durchschnittlich ermittelten ha-
ben, ein interner Ausgleich möglich ist. Diese Anfor-
derungen sind nicht umgesetzt worden, da eine
willkürliche und methodisch falsche Herausrechnung
von Verbrauchspositionen (so zum Beispiel einerseits
die Ermittlung der Verkehrsausgaben auf Grundlage
einer Sonderauswertung, und andererseits die Nicht-
berücksichtigung einzelner Verbrauchspositionen in
der Gesamterhebung) stattgefunden hat. Das Statistik-
modell ist deshalb fehlerhaft angewendet worden.
– Größe der Referenzgruppe
Nicht nachzuvollziehen ist die Entscheidung, die Re-
gelbedarfe von Erwachsenen auf der Grundlage der
untersten 15 Prozent der Haushalte durchzuführen,
und nicht mehr die untersten 20 Prozent als Referenz-
gruppe zu betrachten. Die Verkleinerung der Refe-
renzgruppe erklärt sich einzig mit dem Ziel, die An-
hebung der Regelbedarfe möglichst gering ausfallen
zu lassen. Dabei ist es auch methodisch nicht nachzu-
vollziehen, dass für die Ermittlung der Bedarfe von
Kindern weiterhin auf die untersten 20 Prozent der
Paarhaushalte mit Kind abgestellt wird; für diese un-
terschiedliche Größe der Referenzgruppe gibt es
keine systematische Begründung.
– Fortschreibung der in der EVS 2008 ermittelten Werte
Darüber hinaus wurde der Preisstand der in der EVS
2008 ermittelten Verbrauchsausgaben ursprünglich
nur einmalig gemäß dem neu entwickelten Mischin-
dex fortgeschrieben. Die SPD-Bundestagsfraktion
und die SPD-geführten Bundesländer konnten in den
Verhandlungen durchsetzen, dass nunmehr auch die
Veränderungsrate des ersten Halbjahres 2010 berück-
sichtigt wird. Dennoch erfolgt die so errechnete Erhö-
hung des Regelbedarfes um 3 Euro in der Regelbe-
darfsstufe 1 nicht systematisch korrekt bereits zum
erstmaligen Inkrafttreten der Regelbedarfe, sondern
aufgrund des massiven Widerstandes der Bundesre-
gierung und der Bundestagsfraktionen von CDU/CSU
und FDP erst zum 1. Januar 2012.
Insgesamt ist festzuhalten, dass die Bundesregierung
und die Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und FDP
zu keiner Zeit bereit waren, auf die von der SPD-Bun-
destagsfraktion, den SPD-geführten Bundesländern und
der gesamten Fachwelt geäußerten Bedenken einzuge-
hen.
Im Ergebnis stehe ich als Bundestagsabgeordneter vor
der Frage, ob ich dem Gesetz aufgrund politischer und
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erfassungsmäßiger Unzulänglichkeiten nicht zustimme,
bwohl hinsichtlich Bildungsteilhabe und Mindestlöhne
erbesserungen erreicht sind. Letztlich gibt für mich den
usschlag, dass ein Scheitern des Gesetzes keinerlei
erbesserungen bringen würde. Im Gegenteil würden
eder das Bildungspaket noch die Mindestlöhne noch
ie – wenn auch zu gering berechneten – neuen Regel-
ätze in Kraft gesetzt. Diese ganz lebenspraktische Wir-
ung einer Ablehnung des Gesetzes kann ich nicht ver-
ntworten. Dabei wird es unzweifelhaft zu einer
berprüfung der Ermittlung und Festsetzung der Regel-
edarfe durch das Bundesverfassungsgericht kommen,
obei davon auszugehen ist, dass das Bundesverfas-
ungsgericht die von der Bundesregierung zu verantwor-
nden Regelbedarfe erneut beanstanden wird. Es wird
ann Aufgabe des Gesetzgebers sein, die Regelsätze neu
nd verfassungsfest zu berechnen.
Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE): Ich lehne die Be-
chlussempfehlung des Vermittlungsausschusses auf
rucksache 17/4830 ab, weil damit weder den Anliegen
er betroffenen Menschen noch den Forderungen des
undesverfassungsgerichtes Rechnung getragen wird.
Ich lehne die Beschlussempfehlung des Vermittlungs-
usschusses auch stellvertretend für die Behindertenbe-
egung und den von mir vertretenen Allgemeinen
ehindertenverband in Deutschland „Für Selbstbestim-
ung und Würde e. V.“ ab, weil damit Menschen mit
ehinderungen noch schlechtergestellt werden als bis-
er. Trotz aller Beteuerungen von CDU/ CSU und SPD
Bundestag am 11. Februar dieses Jahres wird Men-
chen mit Behinderungen ab dem 25. Lebensjahr, die bei
ren Eltern leben, der Regelsatz um 73 Euro gekürzt.
as hat mit der Umsetzung der UN-Behindertenrechts-
onvention nichts zu tun.
Ich lehne die Beschlussempfehlung des Vermittlungs-
usschusses ab, weil die Koalition und die SPD diese be-
chämende Entscheidung nicht zurückgenommen haben,
ondern lediglich in einer Protokollerklärung festhalten:
Der Regelsatz für die Regelbedarfsstufe 3 wird mit dem
iel, Menschen mit Behinderungen ab dem 25. Lebens-
hr den vollen Regelsatz zu ermöglichen, überprüft“.
as heißt, er wird erst einmal eingeführt und irgend-
ann einmal überprüft. Die Erfolgsmeldung der SPD,
ass die Kürzung der Regelsätze für Menschen mit Be-
inderungen vom Tisch sei, entpuppt sich schon jetzt als
üge.
Ich lehne die Beschlussempfehlung des Vermittlungs-
usschusses ab, weil durch die Nichteinbeziehung von
enschen mit Behinderungen und deren Interessenvertre-
ngen in dieses Gesetzverfahren klar gegen die UN-Be-
indertenrechtskonvention, Art. 4, sowie die von CDU/
SU und FDP in der Koalitionsvereinbarung selbst for-
ulierten Ansprüche verstoßen wird.
Ich lehne die Beschlussempfehlung des Vermittlungs-
usschusses auch als tourismuspolitischer Sprecher der
inken ab. In den Regelsätzen sind Mittel für einen Ur-
ub nicht vorgesehen. Dies hat Staatssekretär Hinze in
einer Antwort auf meine Frage am 6. Oktober 2010
largestellt. Damit verwehrt die Bundesregierung Fami-
10806 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 94. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Februar 2011
(A) )
)(B)
lien mit Kindern, Seniorinnen und Senioren, Menschen
mit Behinderungen und weiteren Geringverdienern
wichtige Möglichkeiten für Erholung, Gesundheitsvor-
sorge und Bildung und widerspricht damit eklatant ih-
rem eigenen – in den tourismuspolitischen Leitlinien for-
mulierten – Ziel der Teilhabe aller Bevölkerungskreise
am Tourismus. Zitat: „Menschen mit gesundheitlichen,
sozialen oder finanziellen Einschränkungen sollen reisen
können.“
Sahra Wagenknecht (DIE LINKE): Hartz IV ist Ar-
mut per Gesetz. Daran ändert eine Erhöhung um jäm-
merliche fünf Euro mit einem weiteren Aufschlag um
drei Euro ab 2012 gar nichts. Dieser Betrag reicht noch
nicht mal aus, um den Kaufkraftverlust wettzumachen.
Er reicht nicht für ein menschenwürdiges Leben – und
erst recht nicht dazu, eine wirkliche Teilhabe an der Ge-
sellschaft zu ermöglichen.
Doch das war auch nicht Ziel der sogenannten Ver-
handlungen im Vermittlungsausschuss, die aufgrund des
vernichtenden Urteils des Bundesverfassungsgerichts
zur bisherigen Praxis notwendig wurden. Die beteiligten
Parteien waren sich von vornherein darin einig, dass es
vor allem darum geht, ein möglichst kostengünstiges Er-
gebnis zu erzielen. Da die Linke als grundsätzliche Kri-
tikerin der von SPD und Grünen eingeführten Hartz-
Gesetzgebung bei den Verhandlungsrunden nur gestört
hätte, wurde sie mit Verfahrenstricks ausgeschlossen –
ein unglaublicher Vorgang, wenn man Demokratie ernst
nimmt. Das Ergebnis der Kungelrunde ist wie erwartet:
Die Hartz-IV-Parteien haben deutlich gemacht, dass so-
ziale Gerechtigkeit für sie nicht zählt. Während für die
Rettung von Banken in Windeseile Milliardenbeträge
beschlossen werden, dauerte es ein geschlagenes Jahr bis
zur Neuregelung von Hartz IV, die das Bundesverfas-
sungsgericht verlangt hatte. Als sogenannter Kompro-
miss der wochenlangen Verhandlungen wurde schließ-
lich ein Minimalbetrag präsentiert, der auf der
manipulierten Rechnung der Bundesregierung zum Re-
gelsatz basiert, das Ganze garniert mit einer unprakti-
kablen und bürokratischen Gutscheinregelung für Kin-
der. Es ist ein Scheinkompromiss, bei dem höchst
zweifelhaft ist, ob er vor dem Bundesverfassungsgericht
Bestand haben wird und den die Linke verfassungsrecht-
lich überprüfen lassen wird.
Einer solchen Regelung werde ich selbstverständlich
meine Zustimmung verweigern. Wer ein soziales Gewis-
sen hat, darf nicht bei den Ärmsten der Gesellschaft spa-
ren, während Banken und Reiche gemästet werden. Die
Linke steht für einen grundlegenden Kurswechsel: Wir
setzen uns ein für eine andere Arbeitsmarktpolitik und
eine Umverteilung des Reichtums von oben nach unten.
Das demütigende Hartz-IV-System muss weg! Min-
destens aber fordert die Linke einen Regelsatz für
Hartz-IV-Beziehende in Höhe von 500 Euro und eine
Anhebung der Leistungen für Kinder auf ein bedarfs-
deckendes Niveau. Außerdem müssen endlich ein flä-
chendeckender Mindestlohn von 10 Euro eingeführt und
eine Millionärsteuer erhoben werden.
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Harald Weinberg (DIE LINKE): Es gibt genügend
ründe, gegen dieses Gesetz zu stimmen. Viele wichtige
rgumente werden in der Debatte sicherlich noch darge-
tellt. Für mich persönlich spielt der Zusammenhang von
artz IV und Krankenversicherung zudem eine wichtige
olle, weil ich mich als Gesundheitspolitiker damit ein-
ehend befasst habe. Die an dieser Schnittstelle existie-
nden und seit langem kritisierten Probleme sind mit
iesem Ergebnis des Vermittlungsausschusses nicht ge-
st worden.
Erstens betrifft das die Deckungslücke beim Basis-
rif in der privaten Krankenversicherung. Hier hatte die
ogenannte Große Koalition Anfang 2007 eine Regelung
eschlossen, die zum 1. Januar 2009 in Kraft trat. Seit-
em müssen sich alle bislang Unversicherten, die der
rivaten Krankenversicherung zuzuordnen sind, zum
eispiel Selbstständige, bei einer privaten Versiche-
ngsgesellschaft melden. Das gilt auch für Hartz-IV-
pfer, die vor der Hilfebedürftigkeit privatversichert
aren. Um auch diesen Menschen einen „bezahlbaren
rankenversicherungsschutz“ zu gewähren, wurde der
asistarif ins Leben gerufen. So weit, so gut. Dieser Ba-
istarif kostet die Hilfebedürftigen rund 290 Euro. Sie
ekommen aber nur rund 130 Euro von den Jobcentern
rstattet und müssen folglich rund 160 Euro aus ihrem
egelsatz an das Versicherungsunternehmen zahlen. Die
inke hat die Bundesregierung schon Ende 2008 auf die-
es Problem aufmerksam gemacht und für diesen verfas-
ungswidrigen Zustand eine Lösung gefordert. Passiert
t seitdem nichts. Die Politik, genauer gesagt die Bun-
esregierung und die sie tragenden Koalitionen, also
nion und SPD und nun Union und FDP, haben versagt.
Ausbügeln musste dies nun das Bundessozialgericht.
s hat im Januar 2011 klargestellt, dass die Jobcenter die
esamten Krankenversicherungskosten übernehmen müs-
en. Hier hätte ich mir innerhalb dieses Gesetzgebungs-
erfahrens eine klare und politische Lösung gewünscht.
as hat auch der Vermittlungsausschuss nicht geschafft.
uch aus diesem Grund lehne ich diesen Gesetzentwurf
b.
Zweitens sind durch das GKV-Finanzierungsgesetz
on Hartz IV betroffene gesetzlich Versicherte benach-
iligt worden. In diesem Jahr müssen sie die kompletten
usatzbeiträge selbst zahlen, wenn die Kasse das ver-
ngt. Bislang gab es eine Härtefallregelung. Danach
onnten die Hartz-IV-Behörden die Zusatzbeiträge we-
igstens in Härtefällen übernehmen, wenn die Hilfebe-
ürftigen in speziellen Behandlungsprogrammen ihrer
asse eingeschrieben waren. Das betrifft chronisch
ranke Hilfebedürftige, zum Beispiel Diabetiker, deren
asse sich speziell um die Versorgung dieser Krankheit
ümmert. Erhebt diese Kasse nun zufällig Zusatzbei-
äge, dann bleibt den Hilfebedürftigen nur die Wahl
wischen Pest und Cholera: Entweder sie wechseln die
asse um den Preis, schlechter versorgt zu werden, oder
ie zahlen ständig steigende Zusatzbeiträge, die gar nicht
dem Hartz-IV-Satz berücksichtigt sind. Auch diese
egelung hätte in dem Hartz-IV-Gesetz berücksichtigt
erden müssen. Das ist nicht erfolgt, und auch deshalb
hne ich dieses Gesetz ab.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 94. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Februar 2011 10807
(A) )
)(B)
Drittens: der Zusammenhang zwischen Armut und
Gesundheit. Die Bundesregierung hat in der Antwort auf
eine Große Anfrage der Linken bestätigt: Gesundheits-
zustand und sozialer Status hängen eng zusammen. Das
ärmste Fünftel hat eine bis zu zehn Jahre geringere Le-
benserwartung als das reichste Fünftel in Deutschland.
Zudem haben einige internationale Vergleichsstudien
das folgende erstaunliche Ergebnis erbracht: Gleicht
man die sozialen Verhältnisse mehr und mehr an, schafft
man also mehr Gleichheit, dann profitieren die ärmeren
Teile der Gesellschaft zwar gesundheitlich am meisten,
aber auch die Reichen profitieren gesundheitlich. Dieses
Gesetz kämpft nicht gegen Armut und schafft kein Mehr
an Gleichheit, sondern es schreibt die Armutsgesetzge-
bung namens Hartz fort. Daher ist es auch unter den Ge-
sichtspunkten der Prävention und Gesundheitsförderung
abzulehnen, und das werde ich tun.
Anlage 4
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Bärbel Bas, Gerd Bollmann,
Edelgard Bulmahn, Elvira Drobinski-Weiß,
Elke Ferner, Angelika Graf (Rosenheim),
Michael Hartmann (Wackernheim), Petra Hinz
(Essen), Christel Humme, Josip Juratovic,
Dr. Bärbel Kofler, Anette Kramme, Angelika
Krüger-Leißner, Ute Kumpf, Steffen-Claudio
Lemme, Gabriele Lösekrug-Möller, Caren
Marks, Katja Mast, Hilde Mattheis, Manfred
Nink, Heinz Paula, Dr. Carola Reimann, Karin
Roth (Esslingen), Werner Schieder (Weiden),
Kerstin Tack und Rüdiger Veit (alle SPD) zur
namentlichen Abstimmung über die Beratung
der Beschlussempfehlung des Ausschusses nach
Art. 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsaus-
schuss) zu dem Gesetz zur Ermittlung von Re-
gelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und
Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (Zusatzta-
gesordnungspunkt 4)
In dem Vermittlungsverfahren ist es gelungen, das so-
genannte Bildungs- und Teilhabepaket gegenüber dem
ursprünglichen Gesetzentwurf deutlich zu verbessern:
Es konnte eine soziale Ausweitung erreicht werden,
indem auch die Kinder von Wohngeldempfängern und
-empfängerinnen dieses in Anspruch nehmen können.
Durch die Änderung in der Trägerschaft vom Jobcen-
ter zu den Kommunen und Landkreisen wird dafür ge-
sorgt, dass Bürokratie vermieden und diejenigen mit der
Erbringung der Leistungen beauftragt werden, die die
Kompetenzen im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit
haben.
Zudem werden die finanziellen Voraussetzungen da-
für geschaffen, dass – zuerst einmal bis 2013 befristet –
3 000 zusätzliche Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter
an Schulen und sozialen Brennpunkten sich um Kinder
und Jugendliche kümmern können.
Für die Umsetzung des „Bildungs- und Teilhabe-
pakets“ ist eine deutliche Entlastung der Kommunen und
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reise erreicht worden, indem der Bund die Finanzie-
ng der Kosten der Grundsicherung im Alter und bei
rwerbsminderung in drei Schritten – 2012: 45 Prozent,
013: 75 Prozent, 2014: 100 Prozent – bis zum Jahr
014 vollständig übernehmen wird. Bis 2013 erhöht sich
udem die Beteiligung des Bundes an den Kosten der
nterkunft im SGB II.
Bei der Schaffung eines einheitlichen gesetzlichen
indestlohns sowie der Durchsetzung des Prinzips
Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ in der Zeitarbeit, wo-
urch die Zahl derjenigen, die aufgrund unzureichender
öhne ergänzende Leistungen der Grundsicherung für
rbeitsuchende in Anspruch nehmen müssen, reduziert
erden sollte, war aufgrund der bornierten Blockade-
altung der Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und
DP und der von diesen Parteien regierten Bundesländer
ein Ergebnis zu erzielen. Damit haben es diese Parteien
u verantworten, dass auch zukünftig der Niedriglohn-
ektor durch öffentliche Transferzahlungen finanziert
erden muss. Gleichwohl konnte für den Bereich der
eitarbeit eine Lohnuntergrenze in Höhe des jeweiligen
riflichen Mindestlohnes erreicht werden; ebenso kön-
en zukünftig für die Aus- und Weiterbildungsbranche
nd die Sicherheitsdienstleistungsbranche Mindestlöhne
elten.
Allerdings ist die Ermittlung und Bemessung der Re-
elbedarfe im SGB II und SGB XII weiterhin unbefrie-
igend. Die von der SPD-Bundestagsfraktion in ihrem
ntrag „Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes
urch eine transparente Bemessung der Regelsätze und
ine Förderung der Teilhabe von Kindern umsetzen“,
undestagsdrucksache 17/3648, formulierten verfas-
ungsrechtlichen Bedenken konnten nicht beseitigt wer-
en, da die Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und
DP, die Bundesregierung und die CDU/CSU-geführten
änder nicht bereit waren, an den zentralen Punkten des
om Bundestag beschlossenen Gesetzes Änderungen
orzunehmen. Die vom Bundesverfassungsgericht in
einem Urteil vom 9. Februar 2010 geforderte transpa-
nte, nachvollziehbare und realitätsgerechte Ermittlung
er Regelbedarfe ist unterblieben; im Gegenteil haben
ußerungen aus dem Kreis der Bundesregierung und der
egierungskoalition deutlich gemacht, dass die Festset-
ung der Regelbedarfe haushaltspolitisch motiviert ist
nd eben nicht der Gewährleistung eines menschenwür-
igen Existenzminimums dient. Damit wird die zentrale
orgabe des Bundesverfassungsgerichtes nicht umge-
etzt.
Es bestehen insbesondere in folgenden Punkten er-
ebliche verfassungsrechtliche Bedenken:
Zirkelschlussproblematik: Das Bundesverfassungsge-
cht hat eine eindeutige Vorgabe gemacht, diejenigen
aushalte, deren Einkommen unterhalb der Bedarfs-
chwellen des SGB II/SGB XII liegt, die aber nicht die
ntsprechenden Leistungen in Anspruch nehmen – ver-
eckt Arme –, bei der Bemessung der Referenzgruppe
uszuschließen. Diese Vorgabe wurde nicht umgesetzt.
nzulässige Zirkelschlüsse ergeben sich auch dadurch,
ass alle Haushalte, die neben den Regelleistungen des
GB II bzw. SGB XII weiteres Erwerbseinkommen er-
10808 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 94. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Februar 2011
(A) )
)(B)
zielen, in Gänze bei den Referenzhaushalten berücksich-
tigt werden, selbst wenn sie nur einen einzigen Euro an
zusätzlichen Einkünften erzielen. Allein die Berücksich-
tigung derjenigen „Aufstocker“ und „Aufstockerinnen“,
die nur ein Einkommen bis zu der Freibetragsgrenze von
100 Euro nach § 30 SGB II beziehen, führt dazu, dass
der Regelbedarf in der Regelbedarfsstufe um 6 Euro ge-
ringer ausfällt.
Interner Ausgleich: In seinem Urteil hat das Bundes-
verfassungsgericht das Statistikmodell, das auf den in
der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe erfassten
Ausgaben basiert, als eine geeignete Methode zur Er-
mittlung der Regelbedarfe bezeichnet. Gleichzeitig hat
das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber die
Möglichkeit eingeräumt, politische Setzungen vorzuneh-
men. Allerdings hat es dabei eine kohärente und nach-
vollziehbare Methodenanwendung verlangt und insbe-
sondere gefordert, dass die Regelbedarfe so zu ermitteln
sind, dass für die Leistungsempfängerinnen und -emp-
fänger, die in einzelnen Bereichen einen höheren Bedarf
als den durchschnittlich ermittelten haben, ein interner
Ausgleich möglich ist. Diese Anforderungen sind nicht
umgesetzt worden, da eine willkürliche und methodisch
falsche Herausrechnung von Verbrauchspositionen – so
zum Beispiel einerseits die Ermittlung der Verkehrsaus-
gaben auf Grundlage einer Sonderauswertung und ande-
rerseits die Nichtberücksichtigung einzelner Verbrauchs-
positionen in der Gesamterhebung – stattgefunden hat.
Das Statistikmodell ist deshalb fehlerhaft angewendet
worden.
Größe der Referenzgruppe: Nicht nachzuvollziehen
ist die Entscheidung, die Regelbedarfe von Erwachsenen
auf der Grundlage der untersten 15 Prozent der Haus-
halte durchzuführen und nicht mehr die untersten
20 Prozent als Referenzgruppe zu betrachten. Die Ver-
kleinerung der Referenzgruppe erklärt sich einzig mit
dem Ziel, die Anhebung der Regelbedarfe möglichst ge-
ring ausfallen zu lassen. Dabei ist es auch methodisch
nicht nachzuvollziehen, dass für die Ermittlung der Be-
darfe von Kindern weiterhin auf die untersten 20 Prozent
der Paarhaushalte mit Kind abgestellt wird; für diese un-
terschiedliche Größe der Referenzgruppe gibt es keine
systematische Begründung.
Fortschreibung der in der EVS 2008 ermittelten
Werte: Darüber hinaus wurde der Preisstand der in der
EVS 2008 ermittelten Verbrauchsausgaben ursprünglich
nur einmalig gemäß dem neu entwickelten „Mischindex“
fortgeschrieben. Die SPD-Bundestagsfraktion und die
SPD-geführten Bundesländer konnten in den Verhand-
lungen durchsetzen, dass nunmehr auch die Verände-
rungsrate des ersten Halbjahres 2010 berücksichtigt
wird. Dennoch erfolgt die so errechnete Erhöhung des
Regelbedarfes um 3 Euro in der Regelbedarfsstufe 1
nicht systematisch korrekt bereits zum erstmaligen In-
krafttreten der Regelbedarfe, sondern aufgrund des mas-
siven Widerstandes der Bundesregierung und der Bun-
destagsfraktionen von CDU/CSU und FDP erst zum
1. Januar 2012.
Insgesamt ist festzuhalten, dass die Bundesregierung
und die Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und FDP
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u keiner Zeit bereit waren, auf die von der SPD-Bun-
estagsfraktion, den SPD-geführten Bundesländern und
er gesamten Fachwelt geäußerten Bedenken einzuge-
en. Es stellt sich daher die Frage der Abwägung, ob der
erfassungswidrige Zustand der bisherigen Bemessung
er Regelbedarfe fortbestehen soll oder ob einem Ver-
ittlungsergebnis, das zwar mit großen verfassungs-
chtlichen Risiken behaftet ist, aber auch große Fort-
chritte bei der Bildungsteilhabe von Kindern, der
usweitung von Mindestlöhnen und der Entlastung der
ommunen beinhaltet, zugestimmt werden kann. Dabei
ird es unzweifelhaft zu einer Überprüfung der Ermitt-
ng und Festsetzung der Regelbedarfe durch das Bun-
esverfassungsgericht kommen, wobei davon auszuge-
en ist, dass das Bundesverfassungsgericht die von der
undesregierung zu verantwortenden Regelbedarfe er-
eut beanstanden wird. Allerdings ist durch das Vermitt-
ngsergebnis sichergestellt, dass die Bildungsteilhabe
on Kindern verbessert wird.
In Würdigung des Gesamtergebnisses werden wir
em Vermittlungsergebnis zustimmen, wobei wir hin-
ichtlich der Ermittlung und Festsetzung der Regelbe-
arfe unsere verfassungsrechtlichen Bedenken aufrecht-
rhalten.
nlage 5
Nachträglich zu Protokoll gegebene Rede
zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur
Änderung des Steinkohlefinanzierungsgesetzes
(93. Sitzung, Tagesordnungspunkt 16)
Dieter Jasper (CDU/CSU): Die christlich-liberale
oalition hat sich darauf verständigt, die Revisionsklau-
el aus dem Steinkohlefinanzierungsgesetz zu streichen,
a sie im Widerspruch zum Vorschlag der EU-Kommis-
ion für eine neue Steinkohlebeihilferegelung steht, in
er die endgültige Stilllegung nicht wettbewerbsfähiger
ergwerke geregelt wird. Der entsprechende Gesetzent-
urf wurde vom Kabinett am 17. November 2010 be-
chlossen. Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am
1. Februar 2011 entschieden, gegen diesen Gesetzent-
urf keine Einwendungen zu erheben.
Von dieser Entscheidung sind insbesondere die Bür-
erinnen und Bürger in meinem Wahlkreis direkt betrof-
n. Dieser Wahlkreis befindet sich im Münsterland in
ordrhein-Westfalen. Er umfasst das gesamte Tecklen-
urger Land sowie die Emsgemeinden Greven, Emsdet-
n und Saerbeck.
In Ibbenbüren im Tecklenburger Land liegt eine der
tzten Steinkohlezechen in Deutschland. Hier wird
chon seit langer Zeit hochwertige Anthrazitkohle geför-
ert. Diese wird zu einem großen Teil im direkt anlie-
enden hocheffizienten Kohlekraftwerk verfeuert und
um anderen Teil für den regionalen Wärmemarkt ver-
endet.
Die wirtschaftliche und soziale Bedeutung des Berg-
aus für die Stadt Ibbenbüren und die umliegenden
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 94. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Februar 2011 10809
(A) )
)(B)
Bergbaugemeinden Mettingen, Recke, Hopsten, Hörstel
und Westerkappeln ist enorm. In der Bevölkerung und
über alle gesellschaftlichen Gruppierungen hinweg
herrscht eine hohe Akzeptanz.
Im Bergbau sind derzeit direkt über 2 300 Menschen
beschäftigt, im Bereich der Zulieferbetriebe sind im
Laufe der Zeit mehrere Tausend Arbeitsplätze entstan-
den. Auch im Bereich der Ausbildung leistet die Zeche
ganz hervorragende und unverzichtbare Arbeit.
Eine meiner Grundaussagen im Wahlkampf 2009 war,
dass ich mich mit ganzer Kraft für den Erhalt des Stein-
kohlenbergbaus gerade in unserer Region einsetzen
werde. An dieses Versprechen habe ich mich gehalten
und gemeinsam mit vielen Akteuren aus unserer Region
und der Bundesregierung für den Erhalt des subventio-
nierten Steinkohlenbergbaus in Deutschland gekämpft,
als die EU-Kommission vorgeschlagen hat, den Ausstieg
aus dem Steinkohlenbergbau bereits für das Jahr 2014
vorzusehen.
Dieser Beschluss hat in meiner Heimatregion zu gro-
ßen Irritationen und Verunsicherungen geführt. Der zwi-
schen allen Beteiligten mühsam gefundene Kompro-
miss, den Steinkohlenbergbau bis zum Jahr 2018
sozialverträglich zu beenden, sollte auf einmal nicht
mehr gelten. Betriebsbedingte Kündigungen standen im
Raum.
Diese Situation konnten die Menschen im Tecklen-
burger Land zu Recht nicht verstehen. Die Verlässlich-
keit und die Glaubwürdigkeit politischer Entscheidun-
gen standen auf dem Spiel.
Schon sehr frühzeitig habe ich mich damals an unsere
Kanzlerin Frau Dr. Angela Merkel mit der Bitte um Un-
terstützung gewandt.
Die Bundeskanzlerin hat ihre Hilfe zugesagt und sich
in den folgenden Wochen und Monaten als Fels in der
Brandung erwiesen und sich auf nationaler und europäi-
scher Ebene nachhaltig und unbeirrbar für den Erhalt der
ursprünglichen Regelung des Steinkohlefinanzierungs-
gesetzes eingesetzt.
Besondere Unterstützung haben wir auch durch den
Chef des Bundeskanzleramtes, Ronald Pofalla, und den
Parlamentarischen Staatssekretär im Wirtschaftsministe-
rium, Peter Hintze, erfahren. Insbesondere durch ihre
unermüdliche Arbeit auf europäischer Ebene konnte in
letzter Konsequenz erreicht werden, dass der Vorschlag
der EU-Kommission im Hinblick auf einen Ausstieg im
Jahr 2014 revidiert wurde. Das war ein wirklich seltener
und bemerkenswerter Vorgang. Der Ausstieg aus dem
Steinkohlebergbau in Deutschland und in meiner Hei-
matregion kann jetzt sozialverträglich gestaltet werden.
Kein Bergmann fällt ins Bergfreie. Das ist die gute
Nachricht, und ich möchte allen Beteiligten ausdrücklich
für ihren enormen Einsatz danken.
Leider gab es aber auch zwei bittere Pillen zu schlu-
cken. Zum einen müssen die gewährten Beihilfen
schneller als ursprünglich geplant zurückgezahlt werden.
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ier besteht aber die Hoffnung, dass sich dies durch zu-
ätzliche Anstrengungen und Bemühungen vor Ort reali-
ieren lässt.
Weit problematischer ist der Wegfall der sogenannten
evisionsklausel. Hier ist gerade unser Standort im
ecklenburger Land betroffen. Die EU-Kommission hat
ur Voraussetzung der Revidierung ihres Beschlusses
insichtlich eines vorzeitigen Ausstiegs aus dem Stein-
ohlebergbau gemacht, dass die Stilllegung der deut-
chen Bergbaubetriebe unumkehrbar sein muss. Aus die-
em Grund musste von deutscher Seite zugestanden
erden, dass die im Jahr 2012 geplante Überprüfung des
usstiegsbeschlusses aus dem Steinkohlefinanzierungs-
esetz nicht mehr durchgeführt wird. Viele Bergleute ha-
en aber ihre Hoffnung auf diese Revisionsklausel ge-
etzt, wie realistisch das auch immer gewesen sein mag.
Nach heutigem Stand würde eine Überprüfung der
ettbewerbsfähigkeit des deutschen Steinkohlenberg-
aus wahrscheinlich zu keinem anderen Ergebnis als vor
inigen Jahren führen; dennoch wäre das noch immer
ine, wenn auch geringe, Chance für den Bergbau in
eutschland und bei uns gewesen. Diese Chance gibt es
un nicht mehr. Der von der EU geforderte endgültige
usstieg wird unumkehrbar. Das wichtigste Ziel eines
ozialverträglichen Ausstiegs aus dem Steinkohlenberg-
au ist jedoch erreicht worden.
Der von mir gewünschte und propagierte Erhalt der
evisionsklausel ist nicht gelungen. In dem Bewusst-
ein, dass das Mögliche erreicht worden ist, fühle ich
ich dennoch an mein Versprechen gebunden und werde
inem Streichen der Revisionsklausel aus dem Steinkoh-
finanzierungsgesetz nicht zustimmen. Es ist aber nicht
ur das Einlösen dieses Versprechens, das meine Ableh-
ung des Gesetzes begründet.
Ich möchte auch meiner tiefen Überzeugung Aus-
ruck verleihen, dass es meines Erachtens ein Fehler ist,
ine der letzten nationalen Energiereserven, die wir in
eutschland haben, aufzugeben.
Bei aller wünschenswerten Förderung alternativer, re-
enerativer Energieträger halte ich es für fahrlässig, die
orhandenen fossilen Energieträger wie die Steinkohle
icht weiter zu nutzen.
Für mich ist ein Energiemix anzustreben, der nicht
ur sauber, sondern auch sicher und bezahlbar ist.
ierzu könnte die Steinkohle, gerade die Anthrazitkohle
us Ibbenbüren, einen guten Beitrag leisten.
Trotz meiner grundsätzlichen Bedenken möchte ich
och einmal ausdrücklich darauf hinweisen, dass ich die
erlässlichkeit unserer Kanzlerin und die konsequente
rbeit der Regierungsmitarbeiter sehr zu würdigen weiß
nd meine Ablehnung des Gesetzes keine Kritik an ihrer
rbeit ist. Im Gegenteil: Mir ist bewusst, dass ohne
iese Unterstützung das wichtigste Ziel eines sozialver-
äglichen Ausstiegs bis zum Jahr 2018 niemals erreicht
orden wäre. Dennoch werde ich aus den genannten
ründen das Gesetz in der vorliegenden Form ablehnen.
10810 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 94. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Februar 2011
(A) )
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Anlage 6
Amtliche Mitteilungen
Der Bundesrat hat in seiner 879. Sitzung am 11. Fe-
bruar 2011 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen
zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Ab-
satz 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen:
– Gesetz zur Umsetzung der Zweiten E-Geld-Richt-
linie
– Gesetz zur Änderung des Energiesteuer- und des
Stromsteuergesetzes
Der Bundesrat hat ferner die nachstehende Entschlie-
ßung gefasst:
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung erneut, in
das Energiesteuergesetz zu Gunsten einer klima- und
umweltfreundlichen Versorgung eine Regelung zur
steuerlichen Entlastung von Fernwärme aufzuneh-
men.
Begründung:
Die Fernwärme leistet einen wesentlichen Beitrag
zur Erfüllung der Klima- und Umweltziele Deutsch-
lands. Insbesondere in Verbindung mit der Kraft-
Wärme-Kopplung (KWK) sowie bei der Nutzung
von Abwärme bietet sie eine hocheffiziente Verwen-
dung regenerativer und fossiler Energieträger sowie
die Nutzung erneuerbarer Energien für Ballungs-
räume, die ein relativ begrenztes Dachpotenzial und
eingeschränkte Möglichkeiten für die Nutzung von
Wärmepumpen auf der Basis von Erd- oder Umwelt-
wärme aufweisen. Darüber hinaus reduzieren mo-
derne hocheffiziente Fernwärmeanlagen im Ver-
gleich zu Einzelheizungen die Bildung von Feinstaub
und luftgetragenen Schadstoffen und tragen somit zu
einer Verbesserung der Luftqualität in städtischen
Verdichtungsräumen bei.
Eine steuerliche Entlastung der Fernwärme im Ener-
giesteuergesetz ist wichtig und notwendig, um das
von der Bundesregierung gesetzte Ziel, den KWK-
Anteil an der gesamten Stromerzeugung bis 2020 auf
25 Prozent zu erhöhen, nicht zu gefährden.
Neben KWK-Anlagen sind Heizwerke ein wichtiger
und notwendiger Bestandteil in den meisten Fern-
wärmenetzen. Sie gewährleisten nicht nur die effi-
ziente Abdeckung von Bedarfsspitzen, sondern auch
den ökologisch und ökonomisch sinnvollen Ausbau
von Wärmenetzen.
Die an die Fernwärmenetze angeschlossenen Heiz-
systeme unterliegen in der Regel dem Emissionshan-
del und treten auf dem Wärmemarkt in Konkurrenz
mit anderen Heizlösungen, die nicht am Emissions-
handel teilnehmen, sodass keine vergleichbaren Aus-
gangsbedingungen auf dem Wärmemarkt bestehen.
Durch die steuerliche Entlastung könnten bestehende
Wettbewerbsnachteile zu Gunsten der Fernwärme
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abgebaut und ein Beitrag zur Vermeidung der Steige-
rung der Mietnebenkosten geleistet werden.
Zweites Gesetz zur Änderung der Vorschriften zum
begünstigten Flächenerwerb nach § 3 des Aus-
gleichsleistungsgesetzes und der Flächenerwerbsver-
ordnung (Zweites Flächenerwerbsänderungsge-
setz – 2. FlErwÄndG)
Gesetz zur Anpassung des deutschen Rechts an
die Verordnung (EG) Nr. 380/2008 des Rates vom
18. April 2008 zur Änderung der Verordnung
(EG) Nr. 1030/2002 zur einheitlichen Gestaltung
des Aufenthaltstitels für Drittstaatenangehörige
Gesetz zu dem Zusatzprotokoll vom 28. Januar
2003 zum Übereinkommen des Europarats vom
23. November 2001 über Computerkriminalität
betreffend die Kriminalisierung mittels Compu-
tersystemen begangener Handlungen rassisti-
scher und fremdenfeindlicher Art
Gesetz zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses
2008/913/Jl des Rates vom 28. November 2008 zur
strafrechtlichen Bekämpfung bestimmter Formen
und Ausdrucksweisen von Rassismus und Frem-
denfeindlichkeit und zur Umsetzung des Zusatz-
protokolls vom 28. Januar 2003 zum Überein-
kommen des Europarats vom 23. November 2001
über Computerkriminalität betreffend die Krimi-
nalisierung mittels Computersystemen begange-
ner Handlungen rassistischer und fremdenfeindli-
cher Art
Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Ein-
setzung eines Nationalen Normenkontrollrates
Gesetz zur Neuregelung des Post- und Telekommu-
nikationssicherstellungsrechts und zur Änderung
telekommunikationsrechtlicher Vorschriften
Gesetz zur Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie
im Eichgesetz sowie im Geräte- und Produktsi-
cherheitsgesetz und zur Änderung des Verwal-
tungskostengesetzes, des Energiewirtschaftsgeset-
zes und des Energieleitungsausbaugesetzes
Gesetz zu dem Protokoll vom 23. Juni 2010 zur
Änderung des Protokolls über die Übergangsbe-
stimmungen, das dem Vertrag über die Europäi-
sche Union, dem Vertrag über die Arbeitsweise
der Europäischen Union und dem Vertrag zur
Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft
beigefügt ist
Der Bundesrat stellt fest, dass das Gesetz gemäß Ar-
tikel 23 Absatz 1 des Grundgesetzes seiner Zustim-
mung bedarf.
Begründung:
Wie das Bundesverfassungsgericht in seinem Lissa-
bon-Urteil (Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juni
2009, 2 BvE 2/08, 2 BvE 5/08, 2 BvR 1010/08, 2 BvR
1022/08, 2 BvR 1259/08, 2 BvR 182/09, Rn. 243)
festgestellt hat, gilt für die europäische Integration der
besondere Gesetzesvorbehalt des Artikels 23 Absatz 1
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 94. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Februar 2011 10811
(A) )
)(B)
Satz 2 und ggf. Satz 3 GG, wonach Hoheitsrechte nur
durch Gesetz und mit Zustimmung des Bundesrates
übertragen werden können. Dieser Gesetzesvorbehalt
ist „zur Wahrung der Integrationsverantwortung und
zum Schutz des Verfassungsgefüges so auszulegen,
dass jede Veränderung der textlichen Grundlagen des
europäischen Primärrechts erfasst wird. Die Gesetz-
gebungsorgane des Bundes betätigen somit auch bei
vereinfachten Änderungsverfahren oder Vertragsab-
rundungen, bei bereits angelegten, aber der Konkreti-
sierung durch weitere Rechtsakte bedürftigen Zustän-
digkeitsveränderungen und bei Änderung der
Vorschriften, die Entscheidungsverfahren betreffen,
ihre dem Ratifikationsverfahren vergleichbare politi-
sche Verantwortung. Dabei bleibt ein der Ratifikati-
onslage entsprechender Rechtsschutz gewahrt.“
Wenn der besondere Gesetzesvorbehalt des Artikels
23 Absatz 1 GG, wie auch im Integrationsverantwor-
tungsgesetz klargestellt, schon bei vereinfachten und
besonderen Vertragsänderungsverfahren, der Anwen-
dung von Brückenklauseln oder der Flexibilitätsklau-
sel Anwendung findet, so muss dies erst recht bei
Vertragsänderungen im ordentlichen Änderungsver-
fahren nach Artikel 48 Absatz 2 bis 4 EUV wie hier
gelten.
- Gesetz zu dem Änderungsprotokoll vom 25. Mai
2010 zum Abkommen vom 17. Oktober 1962 zwi-
schen der Bundesrepublik Deutschland und Ir-
land zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und
zur Verhinderung der Steuerverkürzung bei den
Steuern vom Einkommen und vom Vermögen so-
wie der Gewerbesteuer
- Gesetz zu dem Abkommen vom 29. März 2010
zwischen der Bundesrepublik Deutschland und
St. Vincent und die Grenadinen über die Unter-
stützung in Steuer- und Steuerstrafsachen durch
Informationsaustausch
- Gesetz zu dem Abkommen vom 7. Juni 2010 zwi-
schen der Bundesrepublik Deutschland und St.
Lucia über den Informationsaustausch in Steuer-
sachen
- Gesetz zu dem Protokoll vom 17. Juni 2010 zur
Änderung des Abkommens vom 8. März 2001
zwischen der Bundesrepublik Deutschland und
Malta zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und
vom Vermögen
- Gesetz zu dem Übereinkommen des Europarats
vom 16. Mai 2005 zur Verhütung des Terrorismus
- Gesetz zu dem Europa-Mittelmeer-Luftverkehrsab-
kommen vom 12. Dezember 2006 zwischen der Euro-
päischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten ei-
nerseits und dem Königreich Marokko andererseits
(Vertragsgesetz Europa-Mittelmeer-Luftverkehrs-
abkommen – Euromed LuftvAbkG-Marok)
Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat mit-
geteilt, dass sie den Antrag Naturlandschaft Senne er-
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alten – Beteiligungsrechte beim Ausbau des Trup-
enübungsplatzes gewährleisten auf Drucksache
7/2483 zurückzieht.
Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben
itgeteilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Absatz 3 Satz 2
er Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den
achstehenden Vorlagen absieht:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Achtzehntes Hauptgutachten der Monopolkommission
2008/2009
– Drucksachen 17/2600, 17/2971 Nr. 1.6 –
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Jahresgutachten 2010/11 des Sachverständigenrates zur
Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung
– Drucksache 17/3700 –
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Achtzehntes Hauptgutachten der Monopolkommission
2008/2009
– Drucksache 17/2600 –
hier: Stellungnahme der Bundesregierung
– Drucksachen 17/4305, 17/4499 Nr. 1.8 –
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Jahreswirtschaftsbericht 2011 der Bundesregierung
– Drucksache 17/4450 –
Ausschuss Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Zwischenbericht der Bundesregierung über die Verbes-
serung von Infrastruktur und Marketing für den Was-
sertourismus in Deutschland
– Drucksachen 17/2538, 17/2971 Nr. 1.4 –
Petitionsausschuss
– Bericht gemäß § 56a GO-BT des Ausschusses für Bildung,
Forschung und Technikfolgenabschätzung
Technikfolgenabschätzung (TA)
Öffentliche elektronische Petitionen und bürgerschaftli-
che Teilhabe
– Drucksachen 16/12509, 17/591 Nr. 1.8 –
Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben
itgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden
nionsdokumente zur Kenntnis genommen oder von ei-
er Beratung abgesehen hat.
Auswärtiger Ausschuss
Drucksache 17/4509 Nr. A.2
EuB-BReg 129/2010
Drucksache 17/4509 Nr. A.3
EuB-BReg 134/2010
Drucksache 17/4509 Nr. A.4
EuB-EP 2095; P7_TA-PROV(2010)0419
Drucksache 17/4598 Nr. A.2
EuB-EP 2117; P7_TA-PROV(2011)0490
10812 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 94. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Februar 2011
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V
Rechtsausschuss
Drucksache 17/3955 Nr. A.3
Ratsdokument 15319/10
Finanzausschuss
Drucksache 17/4509 Nr. A.11
Ratsdokument 17849/10
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Drucksache 17/4509 Nr. A.17
Ratsdokument 17296/10
Drucksache 17/4509 Nr. A.18
Ratsdokument 17565/10
Drucksache 17/4509 Nr. A.19
Ratsdokument 17678/10
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Drucksache 17/1492 Nr. A.27
EuB-EP 2013; P7_TA-PROV(2010)0039
Drucksache 17/1821 Nr. A.10
EuB-EP 2015; P7_TA-PROV(2010)0046
Drucksache 17/2580 Nr. A.9
EuB-EP 2045; P7_TA-PROV(2010)0182
Verteidigungsausschuss
Drucksache 17/2071 Nr. A.27
Ratsdokument 8443/10
Drucksache 17/2071 Nr. A.28
Ratsdokument 8585/10
Drucksache 17/2994 Nr. A.47
EuB-EP 2065; P7_TA-PROV(2010)0285
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und
Reaktorsicherheit
Drucksache 17/790 Nr. 1.40
Ratsdokument 17559/08
Drucksache 17/1492 Nr. A.30
Ratsdokument 8898/10
Drucksache 17/1492 Nr. A.31
EuB-EP 2010; P7_TA-PROV(2010)0019
Drucksache 17/1492 Nr. A.32
Ratsdokument 7438/10
Drucksache 17/2224 Nr. A.7
Ratsdokument 9955/10
Drucksache 17/2408 Nr. A.30
Ratsdokument 10230/10
Drucksache 17/2408 Nr. A.31
Ratsdokument 10554/10
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Drucksache 17/3791 Nr. A.18
EuB-EP 2071; P7_TA-PROV(2010)0310
Drucksache 17/3791 Nr. A.19
EuB-EP 2075; P7_TA-PROV(2010)0350
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung
Drucksache 17/4338 Nr. A.19
Ratsdokument 16146/10
Ausschuss für Kultur und Medien
Drucksache 17/2408 Nr. A.35
EuB-EP 2029; P7_TA-PROV(2010)0129
Offsetdrucker
ertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln
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(B)
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i, Bessemerstraße 83–91, 1
Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de
7980
94. Sitzung
Berlin, Freitag, den 25. Februar 2011
Inhalt:
Redetext
Anlagen zum Stenografischen Bericht
Anlage 1
Anlage 2
Anlage 3
Anlage 4
Anlage 5
Anlage 6