Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Februar 2011 10335
(A) )
)(B)
Philipp, Beatrix CDU/CSU 11.02.2011
chen Bedingungen begleiten.
Bundesregierung offen dafür, einen Mindestlohn auf ta-
rifvertraglicher Grundlage zu etablieren. Sie wird daher
entsprechende Bemühungen der zuständigen Tarifver-
tragsparteien auf der Grundlage der bestehenden rechtli-
Nink, Manfred SPD 11.02.2011
Paula, Heinz SPD 11.02.2011
Anlage 1
Liste der entschuldigte
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Abgeordnete(r)
entschuldigt bis
einschließlich
Bätzing-Lichtenthäler,
Sabine
SPD 11.02.2011
Bender, Birgitt BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
11.02.2011
Bülow, Marco SPD 11.02.2011
Burchardt, Ulla SPD 11.02.2011
Freitag, Dagmar SPD 11.02.2011
Friedhoff, Paul K. FDP 11.02.2011
Frieser, Michael CDU/CSU 11.02.2011
Gerster, Martin SPD 11.02.2011
Gottschalck, Ulrike SPD 11.02.2011
Dr. Freiherr
zu Guttenberg,
Karl-Theodor
CDU/CSU 11.02.2011
Herlitzius, Bettina BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
11.02.2011
Kaczmarek, Oliver SPD 11.02.2011
Dr. Knopek, Lutz FDP 11.02.2011
Krichbaum, Gunther CDU/CSU 11.02.2011
Leidig, Sabine DIE LINKE 11.02.2011
Lenkert, Ralph DIE LINKE 11.02.2011
Lindner, Christian FDP 11.02.2011
Lutze, Thomas DIE LINKE 11.02.2011
Maurer, Ulrich DIE LINKE 11.02.2011
Möhring, Cornelia DIE LINKE 11.02.2011
Möller, Kornelia DIE LINKE 11.02.2011
Nietan, Dietmar SPD 11.02.2011
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(D
Anlagen zum Stenografischen Bericht
n Abgeordneten
nlage 2
Erklärung
des Abgeordneten Thomas Oppermann (SPD)
zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung
des Vermittlungsausschusses zu dem Gesetz zur
Ermittlung von Regelbedarfen und zur Ände-
rung des Zweiten und Zwölften Buches Sozial-
gesetzbuch (Zusatztagesordnungspunkt 8)
Als Berichterstatter des Bundestages zu den abschlie-
enden Verhandlungen des Vermittlungsausschusses am
. Februar 2011 mache ich darauf aufmerksam, dass fol-
ende Protokollerklärungen von Bund und Ländern ab-
egeben wurden. Diese Protokollerklärungen gebe ich
achfolgend zur Kenntnis:
Die Bundesregierung würde die Möglichkeit der Er-
treckung eines Mindestlohntarifvertrags in der Branche
er Aus- und Weiterbildung nach dem Zweiten und Drit-
n Buch Sozialgesetzbuch – Weiterbildung – und der
ranche Sicherheitsdienstleistungen unterstützen, sofern
ie gesetzlichen Mindestvoraussetzungen nach dem Ar-
eitnehmer-Entsendegesetz vorliegen. Voraussetzung für
ine Erstreckung eines Mindestlohntarifvertrages ist in
iesen Verfahren auch bei Erneuerungen eine Einstim-
igkeit im Tarifausschuss. Für den Erlass einer Verord-
ung ist das Einvernehmen des Kabinetts erforderlich.
In der Branche Sicherheitsdienstleistungen ist die
cheel, Christine BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
11.02.2011
chlecht, Michael DIE LINKE 11.02.2011
cholz, Olaf SPD 11.02.2011
chwanitz, Rolf SPD 11.02.2011
enger-Schäfer, Kathrin DIE LINKE 11.02.2011
üßmair, Alexander DIE LINKE 11.02.2011
lrich, Alexander DIE LINKE 11.02.2011
r. Westerwelle, Guido FDP 11.02.2011
bgeordnete(r)
entschuldigt bis
einschließlich
10336 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Februar 2011
(A) )
)(B)
Im Falle eines neuen Verfahrens auf Allgemeinver-
bindlicherklärung eines Mindestlohntarifvertrages nach
dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz in der Branche Wei-
terbildung wird die Bundesregierung die maßgeblichen
Verhältnisse erneut eingehend prüfen und dabei insbe-
sondere ermitteln, ob sich aufgrund eingetretener Erhö-
hung der Tarifbindung auf Arbeitgeberseite und der
Bandbreite der vertretenen Arbeitgeber eine gegenüber
Oktober 2010 geänderte Sachlage ergeben hat.
Sollte dies nicht der Fall sein, vereinbaren Bund und
Länder folgende Änderung des Arbeitnehmer-Entsende-
gesetzes:
Für die Branche der Aus- und Weiterbildung SGB II/
III, Weiterbildungsbranche, kann der Mindestlohn durch
eine Kommission vorgeschlagen werden. Diese setzt
sich zusammen aus der gleichen Anzahl von Vertretern
der in der Branche tätigen Gewerkschaften und Arbeit-
geberverbände sowie aus je zwei Dienstgeber- und
Dienstnehmervertretern Arbeitsrechtlicher Kommissio-
nen der in dieser Branche tätigen kirchlichen Träger. Die
Kommission wird von einem nicht stimmberechtigten
Beauftragten des Bundesministeriums für Arbeit und So-
ziales geleitet.
Eine Empfehlung kommt zustande, wenn auf allen
Bänken, Gruppe der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerver-
treter, Gruppe der Dienstgeber- und Dienstnehmervertre-
ter, Gruppe der Arbeit- und Dienstnehmervertreter,
Gruppe der Arbeit- und Dienstgebervertreter, mindes-
tens eine Dreiviertelmehrheit der Stimmen erzielt wird.
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales kann
die Empfehlung durch Rechtsverordnung auf alle Ar-
beitgeber und Dienstgeber in der Weiterbildungsbranche
entsprechend dem für das Arbeitnehmer-Entsendegesetz
im Übrigen vorgesehenen Verfahren erstrecken. Es hat
neben den Zielen des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes
Sicherstellung der Qualität der Dienstleistungen in der
Weiterbildungsbranche sowie die in § 1 SGB II und § 1
SGB III hierzu formulierten Ziele zu beachten.
Begrenzung der Tariföffnungsklausel durch eine Re-
ferenzregelung für Verleihzeiten – zugleich Mindestlohn
für verleihfreie Zeiten.
Im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz wird vor-
gesehen, dass das Bundesministerium für Arbeit und So-
ziales aufgrund eines gemeinsamen Vorschlags von
Tarifvertragsparteien der Arbeitnehmerüberlassung, vor-
schlagsberechtigte Organisationen, durch Rechtsverord-
nung bestimmen kann, bis zu welchem Mindeststunden-
entgelt zum Nachteil des Leiharbeitnehmers durch
Tarifvertrag oder aufgrund eines Tarifvertrages vom
Equal-Pay-Grundsatz abgewichen werden kann – soge-
nannte Referenzregelung. Wird in diesen Fällen von der
Referenzregelung abgewichen, hat der Leiharbeitnehmer
Anspruch auf das Arbeitsentgelt, das einem vergleichba-
ren Stammarbeitnehmer zustehen würde.
Dem Verordnungsgeber werden Kriterien für die Ent-
scheidung vorgegeben. Dies sind: die Repräsentativität
der vorschlagenden Organisationen, die Berücksichti-
gung der bestehenden bundesweiten Tarifverträge in der
Arbeitnehmerüberlassung und die Geeignetheit des Vor-
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chlags, die finanzielle Stabilität der sozialen Siche-
ngssysteme zu fördern.
Beim Vorliegen mehrerer Vorschläge wird ein Verfah-
n in Anlehnung an § 7 Abs. 2 und 3 AEntG vorgese-
en.
Vor Erlass einer Rechtsverordnung wird der Tarifaus-
chuss mit dem Vorschlag befasst. Der Tarifausschuss
uss den Vorschlag befürworten. Für den Erlass der
erordnung ist das Einvernehmen des Kabinetts erfor-
erlich.
Das von Tarifvertragsparteien vorgeschlagene Min-
eststundenentgelt ist zugleich derjenige Betrag, auf den
er Leiharbeitnehmer in verleihfreien Zeiten mindestens
nspruch hat.
Zur effektiven Kontrolle werden die Zollbehörden für
en Bereich des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes mit
ontrollbefugnissen und Sanktionsinstrumentarien nach
em Vorbild des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes ausge-
tattet.
Die Tarifvertragsparteien sind aufgefordert, den Ein-
atz von Zeitarbeit in den einzelnen Branchen verant-
ortlich zu regeln und Missbräuche zulasten der Arbeit-
ehmer wirksam zu bekämpfen. Hierbei soll besonders
erücksichtigt werden, nach welcher angemessenen Ver-
ihdauer „Equal Pay“ einsetzt. Sollten die Tarifpartner
den diesjährigen Tarifrunden keine befriedigenden Er-
ebnisse erzielen, wird die Bundesregierung eine Kom-
ission einberufen. Aufgabe der Kommission wäre es,
nter Wahrung der Tarifautonomie angemessene Vor-
chläge für die Bundesregierung zu erarbeiten.
In Ergänzung des Ergebnisses des Vermittlungsaus-
chusses werden durch Bund und Länder folgende Er-
lärungen zu Protokoll gegeben:
Um zu einer baldigen Verbesserung der kommunalen
inanzsituation beizutragen, ist der Bund bereit, Sozial-
usgaben, die bisher von den Gemeinden getragen wur-
en, zu übernehmen.
Unter diesen Bedingungen wird der Bund die Finan-
ierung der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbs-
inderung in drei Schritten bis zum Jahr 2014 vollstän-
ig übernehmen.
Die vier Themenbereiche, die die Beratungen der Ge-
eindefinanzreformkommission bestimmen, werden
eitergeführt. Einigung in diesen Bereichen ist keine
oraussetzung für die vorbezeichnete Entlastung der
ommunen bei den Sozialausgaben.
Unabhängig von anderen möglichen Änderungen bei
er kommunalen Steuerfinanzierung wird die Entlastung
er Kommunen bei den Sozialausgaben im Rahmen der
bschließenden Sitzung der Gemeindefinanzkommission
invernehmlich beschlossen.
Zur Gegenfinanzierung der Übernahme der Grund-
icherung im Alter und bei Erwerbsminderung durch den
und wird die Bundesbeteiligung an den Kosten der Ar-
eitsförderung der Bundesagentur für Arbeit im entspre-
henden Umfang abgesenkt und in der letzten Stufe
aximal dem Wert eines halben Mehrwertsteuerpunktes
ntsprechen. Die Länder stellen dann diesbezüglich
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Februar 2011 10337
(A) )
)(B)
keine Forderungen an den entsprechenden Mehrwert-
steuereinnahmen.
Die Länder stimmen einer entsprechenden Änderung
des § 363 Abs. 1 SGB III – Bundesbeteiligung an den
Kosten der Arbeitsförderung – zu. Es besteht Einverneh-
men zwischen Bund und Ländern, dass eine klarstel-
lende Anpassung des § 1 Abs. 1 Satz 1 FAG zu einem
späteren Zeitpunkt erfolgt.
Die Länder verzichten auf ihre Forderung einer Ver-
änderung der Bundesbeteiligung an den Kosten der Un-
terkunft im laufenden Vermittlungsverfahren zum
7. SGB-II-Änderungsgesetz.
Ab 2012 beteiligt sich der Bund an den Ist-Kosten der
Unterkunft mit durchschnittlich jährlichen 25,1 Prozent.
Die bisherigen Ländersonderquoten können erhalten
bleiben. Die gesetzliche Festlegung zur Abgeltung der
Kosten für das Bildungs- und Teilhabepaket bleibt davon
unberührt.
Anlage 3
Erklärung nach § 90 Abs. 1 GO
in Verbindung mit § 10 Abs. 2 der Geschäfts-
ordnung des Vermittlungsausschusses der Frak-
tion DIE LINKE zur Abstimmung über die
Beschlussempfehlung des Vermittlungsaus-
schusses zu dem Gesetz zur Ermittlung von Re-
gelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und
Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (Zusatz-
tagesordnungspunkt 8)
Die Bundesregierung hat den Auftrag zur Ermittlung
eines menschenwürdigen Existenzminimums durch das
Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht umgesetzt.
Diesen skandalösen Misserfolg hat die zuständige
Ministerin selbst provoziert. Von Anfang an zeigte Frau
von der Leyen weder eine Bereitschaft, die Höhe des Re-
gelsatzes verfassungskonform und sachgerecht umzuset-
zen noch einen spezifischen Regelsatz für Kinder zu ent-
wickeln. Schon frühzeitig chaotisierte sie die eigentliche
Aufgabe der Neuermittlung des Regelsatzes mit Debat-
ten zu „Bildungschipkarten“ und einem sogenannten
Bildungs- und Teilhabepaket.
Die Regierung hat sich systematisch aus ideologi-
schen Gründen jeder Erhöhung der Regelsätze ver-
weigert. SPD und Grüne haben sich zunehmend den
Vorgaben der Regierung angepasst, ohne letztlich eine
Einigung herbeiführen zu können. Die Hartz-IV-Parteien
zeigen damit eine beispiellose Ignoranz gegenüber dem
Bundesverfassungsgericht und seinem Urteil. Hier tut
eine schnelle rechtliche Klärung not.
Die Bundesregierung hat die Reform gegen die Wand
gefahren und versucht nun, mit vergifteten Ködern die
Zusammenstimmung für ein verfassungswidriges Gesetz
zu mobilisieren. Die Kommunen sollen durch die Über-
nahme der Kosten der Grundsicherung im Alter und bei
Erwerbsminderung finanziell entlastet werden. Das ist
im Grundsatz zu begrüßen. Was sie aber nicht laut sagt:
Die Wohltaten für die Kommunen sollen durch Kürzun-
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(D
en bei der Bundesagentur für Arbeit finanziert werden.
ies ist ein geradezu zynischer Vorschlag. Die Erwerbs-
sen sollen mit Leistungskürzungen für die Zustim-
ung zu der Hartz-IV-Reform bezahlen.
Der von der Bundesregierung ermittelte Regelsatz ist
eder sachgerecht noch genügt er den verfassungsrecht-
chen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts.
Erstens hat die Bundesregierung entgegen dem Auftrag
es Bundesverfassungsgerichts arme Haushalte nicht aus
er Referenzgruppe herausgenommen. Vom Verbrauchs-
erhalten auf Hartz-IV-Niveau lebender Haushalte wird
uf das Existenzminimum geschlossen – ein Zirkel-
chluss. Das Bundesverfassungsgericht schreibt in sei-
em Urteil ausdrücklich, dass Zirkelschlüsse bei der
estlegung der Regelsätze zu vermeiden sind. Zweitens
urde ohne nachvollziehbare Begründung die Referenz-
ruppe von den untersten 20 auf die untersten 15 Prozent
er Haushalte reduziert, und drittens ist die Anerken-
ung vieler Verbrauchsausgaben der Referenzgruppe als
regelsatzrelevant“ verweigert worden. Im Klartext: Von
en Verbrauchsausgaben der – ohnehin schon unzurei-
hend definierten – Referenzgruppe wurde nur ein An-
il von etwas mehr als 70 Prozent der Ausgaben als re-
elsatzrelevant anerkannt.
Bei den Regelsätzen für Kinder und Jugendliche fehlt
eiterhin eine sachgerechte Ermittlung der eigenständi-
en Bedarfe. Zum einen ist die Datengrundlage zur Er-
ittlung eines altersspezifischen Regelbedarfs nach wie
or zu gering. Zum anderen zeigt eine aktuelle Exper-
se, die im Auftrag der Fraktion Die Linke im Dezember
010 zu den Ernährungskosten erstellt wurde – dieser ist
er größte Einzelposten bei der Regelsatzbemessung –,
ass eine gesunde Ernährung von Kindern und Jugendli-
hen mit solchen Regelsätzen faktisch nicht möglich ist.
Die Linke hat Berechnungen des Statistischen Bun-
esamtes für einen verfassungskonformen Regelsatz in
ie Verhandlungen eingebracht, die von der Regierung
owie SPD und Grüne ignoriert wurden. Anschließend
urde die Linke aus dem Vermittlungsverfahren ausge-
renzt. Das Verfahren wurde so zu einer Farce, die kei-
en demokratischen Maßstäben gerecht wird. Auch
iese Fragen wird das Bundesverfassungsgericht zu ent-
cheiden haben.
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung ist eindeutig
erfassungswidrig. Daher lehnt die Fraktion Die Linke
en vorgelegten Gesetzentwurf in der Fassung der Be-
chlussempfehlung des Vermittlungsausschusses ab.
nlage 4
Erklärung nach § 31 GO
des Abgeordneten Thomas Dörflinger (CDU/
CSU) zur Abstimmung über den Entwurf eines
Gesetzes zur Stärkung des Anlegerschutzes und
Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Kapi-
10338 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Februar 2011
(A) )
)(B)
talmarkts (Anlegerschutz- und Funktionsver-
besserungsgesetz) (Tagesordnungspunkt 22)
Ich werde dem Gesetzentwurf der Bundesregierung
heute meine Zustimmung erteilen. Das Ziel, Anleger zu
schützen und den Kapitalmarkt funktionsfähiger zu ma-
chen, ist unstrittig und wird in weiten Teilen des Ent-
wurfs auch erreicht. Trotzdem habe ich in folgenden
Punkten Zweifel:
Erstens. Es ist für mich fraglich, ob der sowohl bei
der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht
– BaFin – als auch bei den Kreditinstituten durch den
Aufbau einer zentralen Datenbank zur Erfassung von
rund 300 000 Anlageberatern entstehende Verwaltungs-
aufwand gerechtfertigt ist.
Zweitens. Es wäre ausreichend gewesen, wenn man
die Erstellung einer Datenbank auf jene Anlageberater
konzentriert hätte, die sich nachweislich der Falschbera-
tung ihrer Kunden schuldig gemacht haben.
Drittens. Der Gesetzentwurf lässt meines Erachtens
außer Acht, dass Anlageberater selbst durch bestimmte
Vorgaben seitens des Managements in den Instituten un-
ter Druck stehen. Insofern ist es nach meinem Dafürhal-
ten fragwürdig, die rechtlichen Konsequenzen nur auf
die in der Anlageberatung Tätigen zu konzentrieren.
Viertens. Der Gesetzentwurf lässt die Anlageberater
am sogenannten Grauen Kapitalmarkt außen vor; sie sol-
len zukünftig der Gewerbeaufsicht unterworfen werden.
Dies ist meines Erachtens nicht zielführend.
Anlage 5
Erklärung
der Abgeordneten Katja Keul (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über den Ent-
schließungsantrag der Fraktion DIE LINKE
zum Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des
Anlegerschutzes und Verbesserung der Funk-
tionsfähigkeit des Kapitalmarkts (Anleger-
schutz- und Funktionsverbesserungsgesetz) (Ta-
gesordnungspunkt 22)
Ich erkläre im Namen der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN, dass unser Votum Nein lautet.
Anlage 6
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Antrags: Vorbereitung des
4. Armuts- und Reichtumsberichts der Bundes-
regierung in der 17. Wahlperiode – Armuts-
und Reichtumsberichterstattung weiterent-
wickeln (Tagesordnungspunkt 25)
Ulrich Lange (CDU/CSU): Wir sprechen heute über
die Forderungen der SPD zur Erstellung des kommenden
Armuts- und Reichtumsberichts der Bundesregierung.
Damit kritisieren Sie direkt den dritten Bericht, den Sie
noch mitzuverantworten haben. Kritik ist gut, aber diese
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ritik sollte konstruktiv sein. Dies lässt dieser Antrag in
ielen Bereichen jedoch vermissen.
Aus Ihrem Antrag wird deutlich, dass Sie die Neid-
ebatte wieder eröffnen wollen. Auch bei uns finden Sie
enschen, denen es finanziell nicht gut geht, aber wenn
ie wirkliche Armut in Europa suchen, werden Sie in
eutschland nicht wirklich fündig. Da müssen Sie zum
eispiel nach Rumänien oder Bulgarien gehen. In
eutschland wird auf sehr hohem Niveau geklagt.
Aber trotzdem stimmen wir mit Ihnen darin überein,
ass die Verbesserung der Lebenssituation von Men-
chen mit einem erhöhten Armutsrisiko eine Herausfor-
erung für die ganze Gesellschaft ist. Sie fordern, dass
er Bericht Handlungsperspektiven für eine Stärkung
er Teilhabe- und Verwirklichungschancen des Einzel-
en aufzeigen müsse, vor allem in Richtung besserer
ildung, verbesserter Gesundheit und erleichterten Zu-
änge zu Erwerbsarbeit mit existenzsicherndem Ein-
ommen.
Meine Damen und Herren von der SPD, haben Sie Ih-
n eigenen Armutsbericht denn nicht gelesen? Darin
erden Handlungsperspektiven aufgezeigt. Aber in der
pposition hat man so viel zu tun, dass man nicht mehr
ie Zeit hat, einen Bericht mit über 420 Seiten zu lesen,
ondern man kritisiert einfach. Müntefering hat recht,
enn er sagt: Opposition ist Mist.
Zumindest hätten Sie sich, bevor Sie Verbesserungen
r die kommenden Berichte vorschlagen, die Kurzfas-
ung ansehen sollen. Darin heißt es, dass Grundbedin-
ungen für mehr Teilhabe- und Verwirklichungschancen
irtschaftliches Wachstum und die damit einhergehen-
en Beschäftigungsmöglichkeiten sind. Sie fordern
andlungsperspektiven: Bei den Kernaussagen steht:
Der Schlüssel zur Armutsvermeidung ist mehr Bildung
nd Beschäftigung. Alle Bemühungen müssen darauf
usgerichtet sein, Vollbeschäftigung zu erreichen“. Wir
aben mit unserer Arbeitsmarktpolitik dafür gesorgt,
ass die Arbeitslosigkeit immer weiter gesunken ist.
irtschaftliche Leistung und Schaffung von Beschäfti-
ung sind objektive, nachprüfbare, qualitative und quan-
tative Werte, wie sie von Ihnen gefordert werden. Da-
n können Sie unsere Arbeit messen. Wir sind stolz auf
nsere Leistung.
Der Antrag zeigt aber auch Ihre verkorkste Einstel-
ng zu Reichtum. Da sind die Linken weiter: Die haben
letzten Wahlkampf „Reichtum für alle“ gefordert. Sie
ollen scheinbar Reichtum verteufeln. Sie wollen wie-
er mal eine Neiddebatte heraufbeschwören. Wir brau-
hen keine Analyse, wie sich Reichtum auswirkt, son-
ern wie wir in Deutschland Armut verhindern und
bbauen können. Und dazu trägt der von Ihnen erstellte
nd jetzt mehr oder weniger verurteilte Bericht bei.
Ihre wirren finanzpolitischen Vorstellungen werden
uch in Ihrer Forderung deutlich, dass der Bericht Aus-
unft darüber geben soll, wie sich der Einsatz öffentli-
her Mittel zum Beispiel zur Bankenrettung auf die
eichtums- und Armutsentwicklung in der Gesellschaft
uswirkt. Ihnen scheint nicht klar zu sein, dass damals in
er Großen Koalition durch den Bankenschutzschirm er-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Februar 2011 10339
(A) )
)(B)
reicht wurde, unser Finanzsystem zu erhalten und zu sta-
bilisieren. Damit wurde unser soziales System erhalten,
damit wurde auch die Grundlage für unser Wirtschafts-
wachstum gelegt. Dem beherzten Zugreifen von Angela
Merkel ist es zu verdanken, dass Deutschland heute im
Vergleich zu anderen europäischen Wirtschaftsnationen
so gut dasteht. Davon haben alle Gesellschaftsschichten,
davon hat ganz Deutschland profitiert.
Obwohl der dritte Armutsbericht aus 427 Seiten be-
steht, fordern Sie jetzt noch zusätzlich eine Verknüpfung
und Überfrachtung des kommenden Armutsberichts, so-
dass sich niemand mehr die Mühe machen würde, ihn zu
lesen. Ich will nur einige Punkte von Ihrer langen Liste
aufführen: Sie fordern einen Abgleich zwischen den
kommunalen, länderspezifischen Armuts- und Reich-
tumsberichten und dem Armuts- und Reichtumsbericht
der Bundesregierung. Sie fordern den Abgleich mit den
Vorgängerberichten, zum Beispiel hinsichtlich der Zahl
überschuldeter Haushalte. Sie fordern eine Vernetzung
und Bündelung von Berichten zu Familie, Kindern und
Jugendlichen, Senioren, Bildung, Migration, Renten,
aber auch Städtebau.
Damit gelangen wir nicht zu einer neuen ressortver-
bindenden Bündelungspraxis und zu einer effektiveren
vertikalen Bündelung zwischen Kommunen, Ländern
und dem Bund, hiermit erhalten wir einen Tsunami an
Informationsgewurschtele, der alle, die sich damit be-
schäftigen wollen, erschlagen wird. Das ist Statistik-
wahn, Zahlenwust. Am Ende hätten wir mehr Daten
ohne Aussage. Die Folge wäre: Bürokratie und keine
Aussagen, volkswirtschaftlicher Unfug, betriebswirt-
schaftlicher Irrsinn.
Sehr interessant ist Ihre Forderung unter Punkt sie-
ben: Sie wollen die Einbeziehung der Länder und Kom-
munen, „da sich Armut und Reichtum zu einem erhebli-
chen Teil auf Länder- und kommunaler Ebene spiegelt
(abzeichnet)“. Mit dieser Aussage haben Sie recht! Aber
hier brauchen wir nicht einen Forschungsauftrag zur Er-
mittlung der Ursache, es gibt ein relativ einfaches Hand-
lungsmuster: Jedem Land, das langfristig von der Union
geführt wird, geht es gut. Und umgekehrt gibt es dort fi-
nanzielle Probleme, wo eine SPD-geführte Regierung
langfristig am Ruder ist. Deshalb geht es Ländern wie
Bayern, Baden-Württemberg und Hessen gut und Län-
dern wie Berlin schlecht. Bei uns können Sie mit Aus-
sprüchen wie „Arm, aber sexy“ in der Bevölkerung nicht
punkten. Unsere Bevölkerung will Wirtschaftswachstum
und Beschäftigung und damit Wohlstand. Die wirtschaft-
liche Lage zeigt eindeutig, dass wir die besseren politi-
schen Konzepte haben.
Am Ende meiner Rede möchte ich aber auch eine
Forderung von Ihnen unterstützen: Ich stimme mit Ihnen
darin überein, dass Tabellen im Anhang so verständlich
und leicht nachvollziehbar dargestellt werden sollen,
dass sie der guten Lesbarkeit des Berichts dienen, und
– das möchte ich ergänzen – sie sollten so leserlich sein,
wie der gesamte Bericht sein soll.
Schluss mit dem Daten- und Statistikwahn! Schauen
wir selbst in unser Land und auf die Menschen, ver-
trauen wir nicht auf Gutachten und Statistiken, die im-
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er schief sind! Glaube keiner Statistik, wenn du sie
icht selbst gefälscht hast! Trauen wir uns, Politik für die
enschen zu machen, aus eigener Anschauung, Kennt-
is und Verantwortung! Die Menschen warten auf uns –
icht auf Statistiken.
Dr. Peter Tauber (CDU/CSU): Wir reden heute da-
ber, welche Eckpunkte, welche Aspekte in den Mittel-
unkt des regelmäßig von der Bundesregierung vorge-
gten Armuts- und Reichstumsbericht rücken sollen.
er Antrag der SPD suggeriert, dass es hier einer drin-
enden Neujustierung bedürfe. Um es gleich vorwegzu-
agen: Dies ist aus unserer Sicht nicht geboten. Das An-
innen der SPD ist im Gegenteil eher kritisch zu bewer-
n. Es steht die Frage im Raum, ob hier nicht der
unsch Vater des Gedankens ist, die Parameter einfach
o zu verändern, dass am Ende das Ergebnis steht, das
an gerne hätte. Das mag politisch opportun sein, hat
ber mit einer wissenschaftlichen Grundlage, aus der wir
r unser politisches Handeln Rückschlüsse ziehen kön-
en, nicht mehr viel zu tun.
Gerade angesichts der aktuellen Blockade der Sozial-
emokraten bei den notwendigen Reformen des SGB II
rängt sich doch der Verdacht auf, dass es gar nicht um
ie Menschen selbst geht, die in Armut leben, sondern
ass man diese in Statistiken und Tabellen für politische
ebatten instrumentalisiert. So kann man auch den An-
ag der SPD lesen. Das ist fahrlässig, und es funktioniert
uch nicht. Das sieht man beispielsweise daran, dass die
eisten Menschen in unserem Land der SPD die Schuld
m Scheitern der drängenden Reformen bei Hartz IV ge-
en. Darum: Ändern Sie nicht Paramenter für wissen-
chaftliche Studien! Machen Sie mit bei den notwendi-
en Reformen, um vor allem Kindern und Jugendlichen
urch das von uns vorgeschlagene Bildungspaket Per-
pektiven zu eröffnen! Das wäre ein hilfreicher Beitrag
Kampf gegen Armut, zumindest hilfreicher als Ihr
ntrag heute.
Man fragt sich zudem, ob Sie die Wirklichkeit in die-
em Land noch bereit oder in der Lage sind, wahrzuneh-
en. Ich persönlich kann das ständige Gemecker, die
tändigen Negativschlagzeilen aus den Reihen der So-
ialdemokratie nicht mehr hören. Deutschland hat durch
ernunft und auch durch kluge Politik wie kein anderes
and einen Weg aus der Krise gefunden. Darauf kann
an stolz sein, und das hat unmittelbare Auswirkungen
uf die Armut in unserem Land. Die Arbeitsmarktzah-
n, das Wirtschaftswachstum sind Positivbeispiele, und
h fordere Sie auf: Hören Sie auf, Deutschland ständig
chlechtzureden!
Wir wollen keineswegs Probleme vom Tisch wischen.
s ist auch das Ziel dieser christlich-liberalen Koalition,
rmut zu bekämpfen, Menschen Perspektiven zu geben
nd den Zusammenhalt in unserem Land zu stärken. Da-
m lohnt sich ein Blick auf die Gesamtsituation:
eutschland gehört zu den OECD-Staaten, in denen die
ngleichheit der Markteinkommen mit am stärksten
urch Steuern und Sozialtransfers reduziert wird. Sozial-
nd familienpolitische Transferleistungen wie Arbeits-
sengeld II, Kindergeld, Kinderzuschlag, Wohngeld ha-
10340 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Februar 2011
(A) )
)(B)
ben das Risiko der Einkommensarmut laut des letzten
Armutsberichts von 26 Prozent auf 13 Prozent und bei
Kindern von 34 Prozent auf 12 Prozent gesenkt. Damit
liegen wir deutlich unter dem EU-Durchschnitt. Dies
zeigt, dass der Sozialstaat – der viel gescholtene – funk-
tioniert. Und es zeigt auch, dass diejenigen, die mit Ihrer
Leistung diese Gesellschaft tragen, einen erheblichen
Beitrag leisten, damit diejenigen, die Hilfe bedürfen,
diese auch erhalten. Es wird aber auch deutlich, dass
man diese täglich wie selbstverständlich gelebte Solida-
rität, die ihren Ausdruck eben nicht nur im Zahlen von
Steuern findet, nicht überstrapazieren darf.
Es sei an dieser Stelle noch einmal gesagt: Machen
wir nicht den Fehler und schauen nur auf die Enden un-
serer Gesellschaft, oben und unten. Nehmen wir öfter die
große Mittelschicht in den Blick. Und erkennen wir an,
dass es die Leistungsträger in der Gesellschaft sind, die
neben ihrer Arbeit und ihrem Ideenreichtum oft auch im
Ehrenamt im sozialen Bereich einen Beitrag leisten, da-
mit unsere Gesellschaft solidarisch und menschlich
bleibt.
Dies zeigt auch, dass der deutsche Sozialstaat, den die
linke Seite des Hauses immer wieder schlecht macht, in
beachtlicher Weise wirkt.
Gemessen an der Reduzierung der Armutsgefährdung
hat Deutschland nach den skandinavischen Staaten einen
der großzügigsten Sozialstaaten Europas und damit auch
der ganzen Welt. Die Armutsgefährdungsquote liegt in
Deutschland bei 15,5 Prozent und damit unter dem EU-
Durchschnitt von 16,3 Prozent. Betrachtet man den EU-
Spitzenwert von 25,7 Prozent in Lettland, steht Deutsch-
land – bei allen notwendigen Verbesserungen – durchaus
gut da.
Ganz zentral ist aber die sogenannte „Langzeitarmut“,
die mit wirklichem „Elend“ verbunden ist. Wir reden
hier über Menschen, die drei Jahre oder länger unterhalb
der Armutsgrenze leben. Wir reden über Menschen, die
unser Sozialstaat aus den verschiedensten Gründen nicht
mehr erreicht. Hier geht es oft um dramatische persönli-
che Schicksale, aber auch hier darf man feststellen: Da
steht Deutschland sehr gut da. Laut dem letzten Armuts-
bericht sind zwei bis drei Prozent der Personen davon
betroffen. Dies ist ein Prozentsatz, der der Hälfte des
OECD-Durchschnitts entspricht und nur in Dänemark
und den Niederlanden noch niedriger ist.
Schon heute findet eine gewaltige Umverteilung von
oben nach unten statt. Die obersten zehn Prozent der
Einkommensteuerpflichtigen tragen 40 Prozent des Ein-
kommensteueraufkommens bei. Für mich sind diese
Steuerzahler Leistungsträger, die für ihr Einkommen
hart arbeiten und die den Sozialstaat erst ermöglichen
und finanzieren. Ich warne Sie vor diesem Hintergrund
davor, eine Neiddebatte in unserer Gesellschaft zu schü-
ren. Wenn man den Ton Ihres Antrags an einigen Stellen
liest, ist genau das zu befürchten. Die systematische
Emotionalisierung der Menschen in Deutschland, die Sie
ganz offensichtlich vorbereiten, bringt uns keinen Schritt
weiter. Im Gegenteil, sie versperrt den Blick auf mach-
bare Maßnahmen.
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Zur Systematik: Die begriffliche Fassung von Reich-
m ist – wie Sie wissen – sehr vielschichtig. Nicht ein-
al in der Wissenschaft besteht ein Konsens darüber,
as Reichtum konkret beinhaltet und wie er gemessen
erden kann. Die Bundesregierung hat daher ein For-
chungsprojekt in Auftrag gegeben, in dem Möglichkei-
n und Grenzen der Reichtumsberichterstattung und
ögliche Perspektiven für die weitere Erforschung des
eichtums in Deutschland skizziert werden sollen. Dies
t wichtig. Es gehört sicherlich dazu, beim Blick auf die
rmut auch einmal zu fragen, wie es denen geht, die
urch ihre Arbeit, ihr Können, vielleicht auch durch
lück und ein günstiges Schicksal besser dastehen. Das
arf aber nicht dazu führen, dass wir eine Neiddebatte
eginnen und anfachen.
Der Journalist Ralf Schuler hat neulich ein Wesens-
erkmal einer freien Gesellschaft beschrieben, das uns
icht gefallen muss, das aber doch der Wirklichkeit ent-
pricht. Er hat konstatiert: „Darum wird eine humane
esellschaft immer eine ungleiche unzulängliche Ge-
ellschaft sein, in der Wettbewerb herrscht, bei dem es
ewinner und Verlierer gibt. Die meisten … Parteien ar-
eiten daran, diese unvollkommene Gesellschaft besser
u machen und Korrekturen anzubringen, wo es aus Feh-
rn etwas zu lernen gibt.“ Er beschreibt damit die so-
iale Marktwirtschaft. Wir laden Sie gerne dazu ein, mit
ns daran zu arbeiten, durch ein Mehr ein Teilhabe, aber
uch das Einfordern von Verantwortung und das Fördern
ehr Menschen dazu zu befähigen, ihr Leben selbst zu
estalten.
Viele der von Ihnen geforderten Punkte, wie etwa die
inbringung von Erkenntnissen der Monopolkommis-
ion zu Betriebsvermögen der Unternehmen und ihrer
onzentration im Armuts- und Reichtumsbericht, sind
icht machbar. Es ist nicht möglich, aus Analysen zu
irtschaftspolitischen Fragestellungen Schlussfolgerun-
en für die Bekämpfung von Armut und sozialer Aus-
renzung zu ziehen. Ganz offensichtlich war in vielen
ereichen Ihres Antrages mehr der Wunsch als der Rea-
tätssinn Herr des Gedankens.
Sie können sich darauf verlassen: Auch im Rahmen
es Vierten Armuts- und Reichtumsberichts wird die
undesregierung eine umfassende Analyse der sozialen
age in Deutschland vorlegen, die insbesondere zum
iel hat, die Wirksamkeit von politischen Maßnahmen
egen Armut und soziale Ausgrenzung zu überprüfen.
leichzeitig wird er auch dieses Mal Instrument zur För-
erung von Teilhabegerechtigkeit durch die Anregung
euer Maßnahmen sein. Diesem Auftrag wird die Bun-
esregierung auch in diesem Jahr nach bestem Wissen
nd Gewissen nachkommen, dazu bedarf es keines An-
ags der SPD.
Dr. Carsten Linnemann (CDU/CSU): Ziel des vor-
egenden Antrages ist die Weiterentwicklung des Vier-
n Armuts- und Reichtumsberichtes. In der Präambel
ommen die Kolleginnen und Kollegen von der SPD-
raktion zu dem Schluss, dass einer „gerechteren Vertei-
ng von Wohlstand und Arbeit entscheidende Bedeu-
ng für die Entwicklung unseres Landes zukommt“.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Februar 2011 10341
(A) )
)(B)
Da ist er wieder: der Begriff der Gerechtigkeit.
Manchmal habe ich den Eindruck, dass hier im Hause
fast pausenlos das Hohelied der Gerechtigkeit gesungen
wird. Richtig deutlich wird das in Wahlkampfzeiten.
Dann wird Gerechtigkeit von den meisten Politikern ge-
fordert – übrigens gleich, welcher Parteifarbe.
Fatal ist nur, dass jeder in der Politik unter Gerechtig-
keit etwas anderes versteht. In Ihrem Antrag wird deut-
lich, was Sie darunter verstehen, nämlich Umvertei-
lungsgerechtigkeit und damit Gleichheit. So erwecken
Sie in der Bevölkerung die Erwartungshaltung, dass man
durch Gleichmacherei die sozialen Probleme in unserem
Lande lösen kann. Das aber ist ein Irrtum.
Gleichheit mag zwar auf den ersten Blick bequem er-
scheinen, sie vernichtet aber jegliche Leistungsbereit-
schaft des Einzelnen, jegliche Motivation, jegliche Ei-
genverantwortung und damit jeglichen Wohlstand. Eine
Gesellschaft, die auf Gleichmacherei setzt, hat ihre Zu-
kunft schon hinter sich. Eine Gesellschaft muss vielmehr
auf Chancengerechtigkeit setzen, im Sinne gleicher
Startchancen. Und genau in diesem Punkt liegt schlicht
der Unterschied zwischen Ihrer und unserer Politik.
Wir werden sicherlich im Ausschuss noch eine fachli-
che Auseinandersetzung über Ihre einzelnen Vorschläge
führen. Gleichzeitig würde ich dafür plädieren, dass wir
uns einmal die Armutsdefinition vornehmen. Ich persön-
lich – daraus mache ich keinen Hehl – habe große Pro-
bleme mit der Definition von Armut, wie sie im Armuts-
und Reichtumsbericht verwendet wird. Armut und
Reichtum sind hier immer relativ. Als „arm“ gilt jemand,
der weniger als die Hälfte des Nettodurchschnittsein-
kommens, median, verdient. Als „armutsgefährdet“ gilt
jemand, der weniger als 60 Prozent des Nettodurch-
schnittseinkommens verdient. Das heißt, wenn jeder in
Deutschland von heute auf morgen doppelt so „reich“
würde, werden wir alle objektiv reicher, aber im Armuts-
und Reichtumsbericht würde es noch immer genauso
viele „Arme“ wie „Reiche“ geben. Das muss mir mal ei-
ner erklären. Und wenn 100 Einkommensmillionäre
nach Deutschland zögen, würde rasant die Zahl der Ar-
men steigen, ohne dass sie über einen Cent weniger ver-
fügten als zuvor. Das hat mit Logik nichts mehr zu tun.
Auch die willkürliche Festlegung der Grenzwerte bei der
Armutsdefinition ist fragwürdig. Wie kommt man zum
Beispiel auf die 50 oder 60 Prozent? Warum nicht
70 Prozent? Kurzum: Wir sollten uns über diese Zusam-
menhänge Gedanken machen; ansonsten besteht die Ge-
fahr, dass wir aus den Armuts- und Reichtumsberichten
die falschen Schlussfolgerungen ziehen.
Ich freue mich auf die Diskussion im Ausschuss.
Gabriele Hiller-Ohm (SPD): Fakt ist: Wir leben in
einem reichen Land. Fest steht aber auch: Nur wenige
Superreiche profitieren wirklich davon. Immer mehr
Menschen hingegen sind arm. Das Armutsrisiko ist in
den letzten zehn Jahren um ein Drittel angestiegen. Be-
troffen sind vor allem Kinder. Das dürfen wir nicht zu-
lassen! Wir brauchen eine wirksame Offensive zur Be-
kämpfung von Armut in unserem Land!
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Die Armuts- und Reichtumsberichterstattung der bis-
erigen Bundesregierungen bietet hierfür eine gute
rundlage. Drei Berichte unter Federführung der SPD
ibt es bereits seit 2001.
Nun warten wir gespannt auf den vierten Bericht, den
ie schwarz-gelbe Bundesregierung in diesem Jahr vor-
gen müsste. Ich sehe schwarz, denn Armutsbekämp-
ng und Verteilungsgerechtigkeit gehören nicht zu den
rbeitsschwerpunkten dieser Regierung. Im schwarz-
elben Koalitionsvertrag wird der Armuts- und Reich-
msbericht nicht einmal erwähnt. Trotzdem wird Minis-
rin von der Leyen nicht müde, Armut – vor allem von
indern – in Deutschland zu beklagen.
Wo aber, so frage ich, bleiben ihre Taten? Es gibt sie
icht. Im Gegenteil: Die Ministerin macht keinen einzi-
en Eurocent mehr Sozialgeld für arme Kinder locker.
rotz Bundesverfassungsgerichtsurteil schon im letzten
ahr müssen Hartz-IV-Kinder weiterhin auf Bildungsge-
chtigkeit und das versprochene warme Mittagessen
arten. Was von der Ministerin im Vermittlungsaus-
chuss als Bildungspaket vorgelegt wurde, ist nicht nur
ngerecht, sondern auch mit riesigem Bürokratieaufbau
nd unvertretbar hohen Kosten verbunden. Hortkinder
ollten von der warmen Mahlzeit gänzlich ausgeschlos-
en bleiben, und Kinder von Eltern mit kleinem Geld-
eutel ebenfalls in die leere Röhre gucken. So sieht die
aurige Wahrheit für 2,5 Millionen arme Kinder aus!
Armut bekämpfen heißt, Arbeitslosigkeit bekämpfen.
an muss aber das Richtige tun, damit dies gelingt, zum
eispiel wie SPD-Arbeitsminister Olaf Scholz. Er hat
eutschland mit der Reform des Kurzarbeitergeldes und
iner breiten Qualifizierungsoffensive sicher durch die
chwerste Wirtschaftskrise geführt. Er hat so vielen
enschen Arbeitslosigkeit und Armut erspart!
Richtig war es auch, endlich Mindestlöhne in
eutschland einzuführen, um die Lohnspirale nach un-
n und Armut trotz Arbeit zu stoppen.
Was tut die Ministerin von der Leyen? Sie hatte un-
ittelbar nach ihrer Amtsübernahme 2009 eine große
ffensive für arbeitslose Alleinerziehende, Jugendliche
nd Ältere angekündigt. Was ist geschehen? Auf die Of-
nsive warten wir bis heute vergebens. Schlimmer
och: Die Gelder für die aktive Arbeitsförderung wurden
assiv eingedampft. Allein für das Jahr 2011 sind es
Milliarden Euro weniger!
Im Rahmen der Hartz-IV-Verhandlungen hätten wir
ine gute Chance gehabt, weitere Branchen mit Mindest-
hnen abzusichern. Doch Ministerin von der Leyen war
icht einmal in der Lage, einen Kompromiss im eigenen
ager hinzubekommen. Dringend notwendige Mindest-
hne für die Leiharbeit, für das Sicherheitsgewerbe und
r die Weiterbildungsbranche sind an dem Widerstand
er FDP in der schwarz-gelben Koalition gescheitert!
Im Mai werden wir die vollständige Arbeitnehmer-
eizügigkeit in Europa und damit auch hier bei uns in
eutschland haben. Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen
er Regierungsfraktionen, und Ihre Ministerin liefern
eschäftigte in unserem Land Lohndumping schutzlos
us!
10342 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Februar 2011
(A) )
)(B)
Mehrere Umfragen, zum Beispiel von der Hans-
Böckler-Stiftung, haben ergeben, dass 70 Prozent für ei-
nen gesetzlichen Mindestlohn in Deutschland sind. Neh-
men Sie das endlich zur Kenntnis, und regieren Sie nicht
länger an den Menschen vorbei! Wir brauchen einen ge-
setzlichen Mindestlohn! Wir brauchen gleichen Lohn für
gleiche Arbeit! Bewegen Sie sich endlich!
Wir können uns ein Schneckenkabinett nicht leisten!
Und ich frage Sie: Wo bleibt die Kanzlerin in dieser
schwierigen Situation? Eigentlich unfassbar: In den so
wichtigen Hartz-IV-Verhandlungen, in denen es um das
Existenzminimum von Menschen geht, hat es die Kanz-
lerin noch nicht einmal für nötig befunden, Ge-
sprächsangebote von SPD und Grünen entgegenzuneh-
men.
Statt Armut einzudämmen, wird Armut ausgeweitet:
Der Zuschuss an die Rentenversicherung beim Arbeits-
losengeld II – gestrichen. Das Elterngeld für Langzeit-
arbeitslose und der Heizkostenzuschuss beim Wohn-
geld – gestrichen. Besonders schlimm: Über 25-jährigen
Menschen mit Behinderung, die bei ihren Eltern oder in
Wohngemeinschaften leben, soll der Regelsatz um
20 Prozent gekürzt werden! Das sind rund 70 Euro weni-
ger im Monat! So eiskalt verhält sich Ministerin von der
Leyen im sozialen Bereich!
Ich bin gespannt, wie sich das alles auf den Vierten
Armuts- und Reichtumsbericht auswirken wird! Wir
fordern eine umfassende und transparente Berichterstat-
tung, die Armut, aber natürlich auch Reichtum gleicher-
maßen beschreibt. Im Vierten Armuts- und Reichtums-
bericht müssen die Ziele gegen Armut und für mehr
Verteilungsgerechtigkeit in einem Aktionsplan zusam-
mengefasst werden. Diese Weiterentwicklung fordern
wir von der Bundesregierung ein. Es muss klar nach-
prüfbar sein, welche Maßnahmen zur Bekämpfung von
Armut und für Verteilungsgerechtigkeit ergriffen wur-
den, welche Erfolge daraus resultierten oder wo es Fehl-
entwicklungen gab.
Die gesellschaftliche Einkommens- und Vermögens-
verteilung darf kein Tabu sein. Wir brauchen hier Trans-
parenz und eine kritische Analyse, um politisch hand-
lungsfähig zu sein und die richtigen Schlüsse ziehen zu
können.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang eine bessere
Kooperation mit den Bundesländern und der kommuna-
len Ebene. Denn auch hier werden Armuts- und Reich-
tumsberichte erstellt. Diese Erhebungen und Ergebnisse
müssen besser miteinander koordiniert und verzahnt
werden.
So bekommen wir einen umfassenderen Überblick
über Verteilungsentwicklungen in Deutschland.
Es reicht allerdings nicht aus, die Ergebnisse dann nur
zur Kenntnis zu nehmen. Handlungsempfehlungen müs-
sen zeitnah umgesetzt werden.
Hilde Mattheis (SPD): Mittlerweile sind etwas mehr
als 15 Jahre vergangen, seitdem sich Deutschland auf
dem Weltsozialgipfel von 1995 in Kopenhagen ver-
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flichtet hat, „das Ausmaß, die Verteilung und die Merk-
ale der Armut, der Arbeitslosigkeit, der sozialen Span-
ungen und der sozialen Ausgrenzung zu bewerten und
aßnahmen zu ergreifen, die auf die Beseitigung der
rmut, die Steigerung der produktiven Beschäftigung
nd eine verstärkte soziale Integration abzielen; und un-
r anderem termingebundene Ziele beziehungsweise
ielwerte für die Verringerung der Armut insgesamt und
ie Beseitigung der absoluten Armut festzulegen“.
Aber erst im Jahr 2000 wurde unter der damaligen
t-grünen Regierung der Beschluss gefasst, regelmäßig
ur Mitte der Legislaturperiode einen „Armuts- und
eichtumsbericht“ aufzulegen, einen Armuts- und
eichtumsbericht, weil uns klar war: Nur wenn beide
ole in der Gesellschaft analysiert werden, ist das für die
olitische Ableitung zielführend.
In seinem Beschluss, Drucksache 14/999, legte die
t-grüne Mehrheit des Bundestages fest: „Die Bundes-
gierung hat dafür Sorge zu tragen, dass ein solcher Be-
cht nicht zu einem Zahlengrab wird, sondern auf einer
ualifizierten Datengrundlage Auskunft gibt über die ge-
amte Verteilung von Einkommen und Lebenslagen, der
omplexität und Vielschichtigkeit von Armut und
eichtum Rechnung trägt und die Ursachen von Armut
nd Reichtum darlegt.“
Weiter wurde festgelegt, dass der empirische Teil des
erichts unter verbindlicher Beteiligung von Armuts-
nd Reichtumsforschern unter Federführung des Bun-
esministeriums für Arbeit und Sozialordnung erstellt
ird. Es wurde auch festgelegt, dass bei der Berichtser-
tellung neben den Experten aus der Wissenschaft auch
ertreter der Länder und Kommunen, Verbände und In-
titutionen sowie Betroffenenorganisationen in einem
tändigen Beraterkreis zu beteiligen sind.
In diesen Festlegungen wurde der hohe Anspruch an
ie Armuts- und Reichtumsberichterstattung deutlich
nd auch der politische Wille formuliert, kritisch eigene
ntscheidungen auf ihre Wirkung zu hinterfragen. Das
ar ein mutiger Schritt. Und die jeweiligen, zum Teil
ritischen und auch selbstkritischen Debatten zu den bis-
erigen drei Armuts- und Reichtumsberichten waren von
em Ziel geprägt, dem selbstformulierten Anspruch
öglichst nahezukommen und auch Erwartungen an die
ächstfolgende Berichterstattung zu formulieren und
iese damit weiterzuentwickeln.
Das tut die SPD in diesem Antrag wieder. Denn mit
er Antwort auf unsere Kleine Anfrage vom Sommer
tzten Jahres hat die Bundesregierung nur zu deutlich
emacht: Eine öffentliche Debatte über Verteilungsfra-
en in unserer Gesellschaft wird von dieser Regierung
icht gewünscht. Es ist offenkundig, dass diese Regie-
ng die Absicht hat, eine Berichterstattung „light“ vor-
ulegen.
Wie wichtig aber die Befassung mit Fragen der Ver-
ilung von Geld, Teilhabechancen und auch Aufstiegs-
hancen ist, haben wir heute Morgen in der aktuellen
ebatte um das Gesetz zur Änderung des Zweiten und
wölften Sozialgesetzbuches gesehen. Auch gestern bei
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Februar 2011 10343
(A) )
)(B)
der Debatte um Gleichstellung haben wir erlebt, wie die
Regierung bei wichtigen Fragen der Verteilung abblockt.
Nicht nur durch diese Beispiele wird klar, welche
Schlüsse die Bundesregierung aus offensichtlichen Un-
gerechtigkeiten zieht und welches Regierungshandeln
daraus folgt. Auch auf der anderen Seite, bei der Kon-
zentration von Reichtum, können Beispiele genannt wer-
den: Um bei ihrem Haushaltssparpaket von unsozialer
Umverteilung abzulenken und dem Vorwurf der sozialen
Unausgeglichenheit zu entgehen, hatten Union und FDP
beschlossen, das Elterngeld auch für Reiche zu strei-
chen. Dieses wurde großartig angekündigt.
Aber mittlerweile hat sich herausgestellt: Wer ein zu
versteuerndes Einkommen von 150 000 Euro aufweist,
gleichzeitig aber noch Kapitaleinkünfte von 250 000
Euro bezieht, kann durchaus weiterhin Elterngeld bean-
tragen und auch beziehen. Ursache sei „eine Gesetzes-
lücke“, wie die Bundesregierung im Nachhinein zuge-
steht. Es wird zwar betont, dass die Elterngeldstelle auch
Kapitaleinkünfte berücksichtigen müsse. Doch im Steu-
erbescheid – oh Wunder – tauchen die Kapitalerträge
nicht auf. Das Schlimme ist: Solche Beispiele lassen sich
wie Perlen auf eine Schnur ziehen. Das sind keine Aus-
nahmen, sondern gewollte Regel.
Gerade der Aspekt der Reichtumsberichterstattung
war es, der im Jahr 2000 als mutiger Schritt gegolten hat.
Denn nach dem Motto „Reichtum ist ein scheues Reh“
waren es diese Lücken und Mängel, die eine Erfassung
der gesellschaftlichen Gegebenheiten nur unzureichend
möglich machten. Und auch im 3. ARB mussten bei all
den Fortschritten seit 2000 festgestellt werden, dass ge-
rade die Datenlage für die Reichtumsentwicklung in un-
serer Gesellschaft immer noch verbesserungsfähig ist.
Wir wissen zwar: Ein Prozent der Bevölkerung besitzt
ein Viertel des gesamten Privatvermögens. Und selbst in
der Finanzmarktkrise ist die Zahl der Millionäre in
Deutschland auf mittlerweile 860 000 gestiegen. Wir
wissen auch: Die Hälfte der Bevölkerung besitzt kein
Vermögen. Und wir wissen, dass die sogenannte Elite in
unserer Gesellschaft eine gläserne Decke eingezogen
hat, sich nach unten abschottet und ihre Privilegien mit-
hilfe der Bundesregierung verteidigt.
Die Durchlässigkeit unserer Gesellschaft steht nur auf
dem Papier, die Wirklichkeit sieht anders aus. Vor allem
sind es Frauen, die an diese gläserne Decke stoßen. Des-
halb haben wir bereits nach dem 3. ARB gefordert:
Eine Analyse von Reichtum muss auch privilegierte
Zugänge zu Bildung und zu beruflichen Spitzenpositio-
nen sowie Aspekte wie Macht und Einfluss umfassen,
auch die Vererbung von Vermögen aufführen. Es bedarf
zusätzlicher Indikatoren und umfassender Indikatoren-
tableaus, um den Bericht zielgenauer und transparenter
zu gestalten. Daher steht für uns fest: Die von der Bun-
desregierung vergebenen Gutachten reichen nicht aus,
um Forschungsdefizite zu beheben.
Das alles lässt den Schluss zu: Es gibt vonseiten der
Regierung das Interesse, die Datenlage für den Reichtum
und die Aufstiegschancen in unserem Land armselig zu
halten, nicht offenzulegen, mit welchem Mechanismus,
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an könnte fast sagen: Selbstverständlichkeit, sich
eichtum vermehrt und sich Privilegien vererben.
Wir fordern mit unserem Antrag eine grundlegende
erbesserung der Berichterstattung auf einer aussage-
räftigen Datenbasis. Wir wollen keinen Alibibericht,
ondern einen Bericht, der die Entwicklung in unserer
esellschaft spiegelt und aus dem Handlungsoptionen
r die politische Umsetzung gezogen werden können.
Der Bericht muss auf der statistisch-empirischen Er-
ssung der gesellschaftlichen Realität in Deutschland
it ihren Gegenpolen Armut und Reichtum basieren.
enn einer gerechteren Verteilung von Wohlstand und
rbeit kommt eine immer entscheidendere Bedeutung
r die Entwicklung unseres Landes zu. Die Verbesse-
ng der Lebenssituation von Menschen mit einem er-
öhten Armutsrisiko ist eine dringliche Herausforderung
r die ganze Gesellschaft. Die Armuts- und Reichtums-
erichterstattung der Bundesregierung muss Grundlage
r die Ausgestaltung einer sozial gerechten Politik wer-
en.
Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Dieser ganze Antrag ist
Grunde eine Ansammlung von Kritik an elf Jahren
ozialdemokratischer (Mit-)Regierung, an elf Jahren
hlgeleiteter sozialromantischer Wohlfühlpolitik unter
ozialdemokratischen Ministern – Minister – die sich
ieles ausgedacht haben in ihren Ministerien, aber wenig
etan haben, um den Menschen zu helfen. Die Hartz-IV-
esetzgebung, die vor dem Bundesverfassungsgericht
escheitert ist und die wir als Koalition jetzt reparieren
üssen, die Hartz-IV-Gesetzgebung, die Sie als Oppo-
ition jetzt blockieren, ist nur eines von vielen Beispie-
n.
Die Feststellung, dass in den letzten 20 Jahren die
chere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinan-
ergegangen und vor allem, dass die Mittelschicht im-
er weiter geschrumpft ist, hängt primär an elf Jahren
ozialdemokratischer, mittelstandsfeindlicher Arbeits-
nd Wirtschaftspolitik. Die Mittelschicht unserer Gesell-
chaft ist immer weiter geschrumpft, und Sie haben
abei zugesehen. Sie haben durch Ihren Regulierungs-
ahn, Ihre Vorschriften und Verbote der deutschen Wirt-
chaft die Luft zum Atmen genommen, und dann haben
ie den Nerv, diese Entwicklung anzuprangern. Das jetzt
u beklagen und die Lösung in der Datenauswahl des
rmuts- und Reichtumsberichts zu suchen, ist völlig
hlgeleitet. Ich bleibe bei der liberalen Position, die wir
chon seit Jahren vertreten und deren Umsetzung wir
tzt in der Regierung Schritt für Schritt angehen: Der
este Schutz vor Armut ist ein Arbeitsplatz. Geben Sie
en Menschen die Möglichkeit, sich selbst zu helfen.
eben Sie den Menschen die Freiheit, ein selbstbe-
timmtes, unabhängiges Leben zu führen. Aber dazu fin-
et sich keine Forderung in dem Antrag; dazu fällt Ihnen
erzlich wenig ein.
Jetzt möchte ich einen wichtigen Aspekt aus dieser
ebatte besonders aufgreifen: Bildungschancen. Ich
laube nicht, dass ich dem Bericht vorgreife, wenn ich
ststelle, dass die soziale Herkunft heute noch viel zu
ehr über die Lebenschancen eines Kindes entscheidet.
10344 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Februar 2011
(A) )
)(B)
Mehr als jede andere Qualifikation oder Eigenschaft,
mehr als Fleiß, Intelligenz, Sprachvermögen, mehr als
Leidenschaft, Disziplin oder Wissensdurst entscheidet
heute über die Zukunft eines Kindes, wo es geboren
wurde, was seine Eltern von Beruf sind, und häufig
auch, welchem Kulturkreis es angehört. Das wollen wir
ändern.
Jedes Kind hat ein Anrecht darauf, aus seinem Leben
das zu machen, was es sich am meisten wünscht. Wir
wollen keinem Kind vorschreiben, ob es Astronaut, Pia-
nist oder Koch werden soll. Wir wollen nur jedem Kind
Möglichkeiten geben, selbst diese Entscheidung zu tref-
fen. Dazu haben wir gerade heute im Bundesrat ein An-
gebot auf den Tisch gelegt, das erstmals in der Ge-
schichte Deutschlands ein umfassendes Bildungs- und
Teilhabepaket für Kinder aus bedürftigen Familien be-
inhaltet. Uns ist es wichtig, dass Kinder nicht nur in der
Schule die gleichen Startchancen haben, sondern auch in
ihrem Umfeld.
Natürlich dürfen wir dabei die Länder nicht aus ihrer
Verantwortung lassen; denn die Bundesländer tragen die
eigentliche Aufgabenhoheit im Bereich der Bildung, für
alle Kinder in ihrem Land, auch die bedürftigen. Viele
Bundesländer tun dies auch sehr verantwortungsbewusst
bei Fragen der Lehrmittelfreiheit, Zuschüssen zu ÖPNV-
Fahrten in die Schule und Mittagessen in Ganztagsschu-
len. Aber hier müssen wir noch viel mehr tun. Nehmen
Sie die ausgestreckte Hand an. Unterstützen Sie uns, den
Kindern in diesem Land zu helfen.
Zum Bericht möchte ich erwähnen, dass die Frage der
Aufstiegschancen und Abstiegsrisiken in den verschie-
denen Gesellschaftsbereichen wie Bildung, Arbeits-
markt und Gesundheit voraussichtlich einen Schwer-
punkt der Auswertungen für den Vierten Armuts- und
Reichtumsbericht bilden werden. Ein Forschungspro-
jekt zur sozialen Mobilität in der Gesellschaft im weite-
ren Sinne ist geplant und soll Merkmale und Einstellun-
gen für einen nachhaltigen gesellschaftlichen Aufstieg
behandeln. Wir werden Mitte 2011 den Vierten Armuts-
und Reichtumsbericht vorlegen, und er wird genau das
Datenmaterial beinhalten, das nötig ist, um seiner Auf-
gabe nachzukommen, nämlich eine umfassende Analyse
der sozialen Lage in Deutschland vorzulegen. Der Be-
richt soll als Instrument zur Überprüfung der Wirksam-
keit politischer Maßnahmen gegen Armut und soziale
Ausgrenzung genutzt werden und als Instrument zur
Förderung von Teilhabegerechtigkeit dienen. Diesen
Auftrag wird die Bundesregierung mit der Vorlage eines
Berichts erfüllen. Aber nur weil das unter manchen Mi-
nistern so war, müssen wir jetzt nicht mit der Tradition
fortfahren, aus einem Bericht ein sozialdemokratisches
Kampfpapier zu machen. Der Bericht soll den Abgeord-
neten und Ministern nicht die Aufgabe abnehmen, am
Ende selbst zu entscheiden, was die politischen Lösun-
gen für die Probleme in Deutschland sind.
Abschließend möchte ich als Fazit ziehen: Der beste
Schutz gegen Armut ist ein Arbeitsplatz. Dafür kämpfen
wir auch gerade bei der Evaluierung der arbeitsmarkt-
politischen Instrumente. Die Ergebnisse dieser Evaluie-
rung werden wertvolle Erkenntnisse im Kampf gegen
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ie dankenswerterweise in Deutschland stetig sinkende
rbeitslosigkeit liefern. Im Dritten Armuts- und Reich-
msbericht ist explizit festgehalten – das will ich her-
orheben –, dass die Arbeitnehmerüberlassung eine
ositive Wirkung auf die Beschäftigung hat, dass es kei-
en weitverbreiteten Trend gibt, vollzeitbeschäftigte
tammarbeitnehmer durch Zeitarbeitnehmer zu ersetzen.
ieses Instrument werden wir weiter beobachten. Die
arifpartner sind hier aufgefordert, die Entwicklung der
eitarbeit weiterhin verantwortungsvoll zu begleiten und
estalten.
Dann möchte ich gerne auf ein kleines Schmankerl
inweisen, den „öffentlichen Reichtum“. Sie wollen
erne wissen, wer von diesem „öffentlichen Reichtum“
enn so alles profitiert. Diese Semantik kommt mir ja
chon sehr bekannt vor; aber ich habe keine gute Erinne-
ng daran, und die sollten Sie eigentlich auch nicht ha-
en. Kommen Sie wieder von dieser Sprachregelung
eg. Lassen Sie uns gemeinsam den Bericht, wenn er
orgelegt wird, analysieren und daraus das Beste für die
enschen in Deutschland machen.
Katja Kipping (DIE LINKE): Wenn wir am heutigen
ag über den Armuts- und Reichtumsbericht reden, dann
önnen wir zu einer großen Armutsfalle nicht schweigen –
amentlich Hartz IV. Der Hartz-IV-Regelsatz ist nicht
ur verfassungswidrig, sondern auch Armut per Gesetz.
Seit Monaten wird nun geschachert, und bisher ist
ein Ergebnis in Sicht – ein verfassungskonformer Re-
elsatz schon gar nicht. Das liegt zum einen daran, dass
chwarz-Gelb mit einem Dogma in das Vermittlungsver-
hren gegangen ist, nichts, aber auch gar nichts am Re-
elsatz zu verändern. Sie haben jegliche Bewegung in
ichtung eines verfassungskonformen Regelsatzes
lockiert. Das nenne ich einen Putsch gegen die Verfas-
ung!
SPD und Grüne erwecken nun den Eindruck, es lägen
elten zwischen ihren Vorstellungen und denen der
undesregierung. Tatsächlich reduzierten SPD und
rüne am Ende ihre Forderung auf eine Regelsatzerhö-
ung um 11 Euro. Das sind gerade einmal 6 Euro mehr,
ls Frau von der Leyen vorschlägt.
Der Soziologe Pierre Bourdieu sagte einst: „Es bedarf
ines Mindestmaßes an ökonomischer Sicherheit, um
andlungen durchzuführen, die eine Anstrengung hin-
ichtlich der Bemächtigung von Zukunft implizieren.“
ereinfacht ausgedrückt: Wer in Existenzangst lebt, für
en ist es besonders schwer, sich bürgerschaftlich zu en-
agieren. Insofern ist Armut immer auch ein Problem für
ie Demokratie. Denn jede und jeder sollte in einer De-
okratie in der Lage sein, sich zu informieren und seine
timme zu erheben, sich zu organisieren, wenn er oder
ie etwas ändern möchte.
Der Hartz-IV-Regelsatz nun sieht weder genügend
eld für eine Tageszeitung noch für ein Monatsticket
or. Er muss also deutlich erhöht werden. Wir meinen,
ine Erhöhung auf eine Größenordnung von 500 Euro ist
ehr als berechtigt!
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Februar 2011 10345
(A) )
)(B)
Es ist gut, dass der vorliegende Antrag einfordert, die
Berichterstattung über Reichtum zu verbessern. Denn
Armut und Reichtum bedingen einander. Wenn wir uns
kritisch mit Reichtum auseinandersetzen, dann wahrlich
nicht, um eine Neiddebatte zu führen. Reichtum wird
aber dann zum Problem, wenn der wachsende Reichtum
der Wenigen seine Ursache in der Verarmung der Vielen
hat, wenn Konzernmanager Boni einstreichen für Rendi-
ten, die auf Hungerlöhnen basieren, oder wenn Steuerge-
schenke für Einkommensmillionäre dazu führen, dass in
den öffentlichen Kassen Geld fehlt, um die Sozialleis-
tungen armutsfest auszugestalten. Deswegen setzt sich
die Linke im Bundestag für eine deutlich stärkere Be-
steuerung von Reichtum ein.
Ein zentrales Problem blendet der SPD-Antrag leider
komplett aus: die verdeckte Armut. Verdeckte Armut
meint, dass Menschen so arm sind, dass sie Anspruch
auf Sozialleistungen hätten, diese aber nicht wahrneh-
men. Was sind die Ursachen dafür? Unwissenheit,
Scham, Angst davor, wie man auf dem Amt behandelt
wird. Die Zahlen sind erschreckend groß. Einer Untersu-
chung von Irene Becker und Richard Hauser aus dem
Jahre 2010 zufolge gibt es 5 bis 6 Millionen verdeckt
Arme in der Bundesrepublik. Und das ist kein Wunder.
Denn wie auch eine Untersuchung der Ebert-Stiftung zu
Engagement und Erwerbslosigkeit ganz treffend formu-
liert: „Hartz IV entpuppt sich für die Betroffenen als
Zone der Willkür und der Entrechtlichung mit immensen
auch psychischen Kosten.“
Es gibt viel zu ändern, damit wir nicht nur über Armut
berichten, sondern diese auch wirksam bekämpfen.
Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Liebe
Kolleginnen und Kollegen von der SPD-Fraktion, mit
Interesse habe ich Ihren Antrag zur Verbesserung der Ar-
muts- und Reichtumsberichterstattung gelesen, erinnert
er mich doch an das Jahr 2008, in dem das damals SPD-
geführte Bundesministerium für Arbeit und Soziales mit
dem Minister Olaf Scholz an der Spitze den Dritten Ar-
muts- und Reichtumsbericht vorlegte. Damals schrieb
ich in einer Bewertung auf meiner Homepage: „Der von
Bundesarbeitsminister Olaf Scholz unter dem Motto
,Der Sozialstaat wirkt‘ vorgelegte Bericht enthält ge-
schönte Ergebnisse, die nicht nur in sich widersprüchlich
sind, sondern auch jeglicher Realitätserfahrung zuwider-
laufen. Drastisch sinkende Kinderarmut, sinkende Ar-
mutsschwellen und Armutsrisikoquoten entsprechen we-
der den wissenschaftlichen Erkenntnissen noch den
Alltagserfahrungen der Menschen in diesem Land, die
seit Jahren mit Inflation und sinkenden Real- und Trans-
fereinkommen zu kämpfen haben. Auch die Darstellung
der Entwicklung des Reichtums kann nur als oberfläch-
lich bezeichnet werden. Wichtige Veränderungen im
Einkommensgefüge, wie das Schrumpfen der Mittel-
schicht, bleiben unerwähnt.“
Diese harsche Kritik wäre Ihnen seinerzeit erspart ge-
blieben, hätten Sie die methodische Sorgfalt angewandt,
die Sie nunmehr so genau in Ihrem Antrag darstellen und
völlig zu Recht einfordern. Ich will jetzt auch nicht mehr
in der Vergangenheit stochern; denn in der Tat benennt
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er Antrag der Sozialdemokraten wichtige Kriterien für
ine künftige gleichermaßen valide wie aussagekräftige
erichterstattung über Armut und Reichtum in diesem
and.
Der Dritte Armuts- und Reichtumsbericht hatte ge-
eigt, dass insbesondere die Daten problematisch waren,
ie auf der amtlichen Erhebung „Leben in Europa“, EU-
ILC, fußten. Von sozialwissenschaftlicher Seite wurde
ritisiert, dass Kinder, Migrantinnen und Migranten und
eniger gebildete Schichten nur unzureichend in der
U-Datenbasis repräsentiert werden, während die ältere
eneration überzeichnet wird.
Nicht berücksichtigt wurden außerdem fiktive Mieten
ls Einkommen im Falle von Haus- und Wohneigentum.
iese die Einkommenssituation erheblich verändernden
inkommensdaten werden in anderen Datensätzen, näm-
ch der EVS und in den Daten des Sozio-oekonomi-
chen Panels, SOEP, berücksichtigt.
Im Ergebnis kamen durch die Verwendung der EU-
ILC-Daten höchst fragwürdige Ergebnisse zustande,
ie den Dritten Armuts- und Reichtumsbericht als so-
ialpolitisches Instrument insgesamt unglaubwürdig ma-
hen. So geht der Bericht von einer Armutsrisikoquote
on 13 Prozent aus. Dies entspricht einer Armutsrisiko-
renze von 781 Euro. Zum Vergleich: Auf Basis der Da-
n des Sozio-oekonomischen Panels liegt die Armuts-
siko bei 18 Prozent und die Armutsrisikogrenze bei
80 Euro. Im Zweiten Armuts- und Reichtumsbericht
etrug die auf der Basis der EVS 2003 ermittelte Ar-
utsrisikoschwelle 938 Euro.
Die auf der Basis der bewährten und anerkannten Da-
n des Sozio-oekonomischen Panels des DIW berechne-
n Armutsquoten wurden in der Entwurfsfassung des
erichts nicht genutzt, sondern in den Anhang verwie-
en. Auf eine Gegenüberstellung der unterschiedlichen
rmutsquoten wurde verzichtet. In der Endfassung des
erichtes wurden dann – aufgrund der öffentlichen Kri-
k an der Datenbasis – die unterschiedlichen Daten-
rundlagen und Ergebnisse zwar in den Bericht inte-
riert, in der öffentlichen Darstellung nutzte Olaf Scholz
doch weiterhin die „günstigen“ Armutsrisikoquoten
uf der Basis der EU-SILC.
Wenn die Erinnerung an den damaligen Vorgang jetzt
u einem Antrag führt, der diese Form der kreativen Da-
nerfassung und -verwertung wenn nicht unmöglich
achen, so doch sehr erschweren würde, verdient dieser
orstoß die Unterstützung aller Fraktionen dieses Hau-
es.
Lassen Sie mich noch auf einen Punkt kommen, der
allen vergangenen Armuts- und Reichtumsberichten
her unbefriedigend gelöst war, nämlich die Reichtums-
erichterstattung. Kapital ist offenbar nicht nur ein
cheues Reh in Hinsicht auf das Fluchtverhalten, son-
ern auch im Hinblick auf seine Sichtbarkeit. Es ver-
teckt sich gerne im Dickicht undurchschaubarer Beteili-
ungskonstruktionen, Stiftungen und natürlich in den
erühmt-berüchtigten Anlegeroasen.
Es gilt also, bei der Reichtumserfassung nachzubes-
ern. Die im Rahmen des SOEP seit einigen Jahren erho-
10346 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Februar 2011
(A) )
)(B)
bene Ergänzungsstichprobe zu Haushalten mit hohen
Einkommen bedeutet zwar eine wesentliche Verbesse-
rung der Informationsbasis für Untersuchungen zur Ver-
mögensverteilung der privaten Haushalte. Während die
Verhältnisse der Personen mit hohem Einkommen auf
dieser Datengrundlage recht gut abgebildet werden kön-
nen, gibt es bei der Belastbarkeit der Vermögensangaben
Einschränkungen. Die Vermögensinformationen basie-
ren auf Einschätzungen der Befragten, die verzerrt sein
können. Ferner geben die Befragten in vielen Fällen
keine Auskunft über die Vermögenswerte. Diese fehlen-
den Wertangaben auf Grundlage der beobachteten Infor-
mationen werden statistisch geschätzt. Da das SOEP
aufgrund seines geringen Stichprobenumfangs die Ver-
mögenswerte der Personen mit den sehr hohen Vermö-
gen nicht verlässlich abbilden kann, ist es notwendig,
weitere Schätzverfahren zur Zahl und Verteilung der
Personen mit sehr hohen Vermögen vorzunehmen, etwa
auf Grundlage einer Liste der 300 reichsten Deutschen
analog der Forbes-Liste. Nur dann lässt sich die enorme
Konzentration des privaten Reichtums in Deutschland in
den Händen weniger Hundert Menschen erfassen. Eine
solche Erfassung wäre dann vielleicht doch einmal ein
Anlass, angesichts der Haushaltsschäden durch die Fi-
nanzkrise über eine Vermögensabgabe nachzudenken.
Anlage 7
Amtliche Mitteilungen
Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat mit-
geteilt, dass sie den Antrag Keine Zusatzbeiträge für
Bezieherinnen und Bezieher von Arbeitslosengeld II
auf Drucksache 17/674 zurückzieht.
Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben
mitgeteilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Absatz 3
Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung
zu den nachstehenden Vorlagen absieht:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Bericht des Koordinators für die deutsche Luft- und
Raumfahrt
– Drucksachen 16/13941, 17/591 Nr. 1.25 –
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Bericht der Bundesregierung über die Maßnahmen auf
dem Gebiet der Unfallverhütung im Straßenverkehr
2008 und 2009
(Unfallverhütungsbericht Straßenverkehr 2008/2009)
– Drucksachen 17/2905, 17/3110 Nr. 6 –
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Bericht über die Tätigkeit der Verkehrsinfrastruktur-
finanzierungsgesellschaft im Jahr 2009
– Drucksachen 17/3758, 17/3956 Nr. 4 –
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Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Hightech-Strategie 2020 für Deutschland
– Drucksachen 17/2691 –
Ausschuss für Kultur und Medien
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Bericht der Bundesregierung über die Maßnahmen zur
Förderung der Kulturarbeit gemäß § 96 des Bundesver-
triebenengesetzes in den Jahren 2007 und 2008
– Drucksachen 17/381, 17/591 Nr. 1.47 –
Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben
itgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden
nionsdokumente zur Kenntnis genommen oder von ei-
er Beratung abgesehen hat.
Auswärtiger Ausschuss
Drucksache 17/2580 Nr. A.1
Ratsdokument 9976/10
Drucksache 17/4116 Nr. A.1
Ratsdokument 8679/10
Drucksache 17/4338 Nr. A.1
Ratsdokument 16152/10
Drucksache 17/4338 Nr. A.2
Ratsdokument 16179/10
Drucksache 17/4338 Nr. A.3
Ratsdokument 16679/10
Innenausschuss
Drucksache 17/1821 Nr. A.4
Ratsdokument 8895/10
Drucksache 17/2071 Nr. A.4
Ratsdokument 9114/10
Drucksache 17/2224 Nr. A.2
Ratsdokument 9685/10
Drucksache 17/2224 Nr. A.3
Ratsdokument 9893/10
Drucksache 17/2408 Nr. A.2
EuB-EP 2032; P7_TA-PROV(2010)0143
Drucksache 17/2408 Nr. A.3
EuB-EP 2033; P7_TA-PROV(2010)0144
Drucksache 17/2408 Nr. A.5
Ratsdokument 10364/10
Drucksache 17/2580 Nr. A.2
Ratsdokument 10591/1/10 REV 1
Drucksache 17/2994 Nr. A.7
Ratsdokument 10865/10
Drucksache 17/2994 Nr. A.8
Ratsdokument 11212/10
Drucksache 17/2994 Nr. A.9
Ratsdokument 12208/10
Drucksache 17/2994 Nr. A.10
Ratsdokument 12211/10
Drucksache 17/2994 Nr. A.11
Ratsdokument 12579/10
Drucksache 17/2994 Nr. A.12
Ratsdokument 12653/10
Drucksache 17/2994 Nr. A.13
Ratsdokument 12766/10
Drucksache 17/3280 Nr. A.6
Ratsdokument 13404/10
Drucksache 17/3608 Nr. A.3
Ratsdokument 13153/10
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Februar 2011 10347
(A) (C)Drucksache 17/3608 Nr. A.4
Ratsdokument 13931/10
Drucksache 17/3608 Nr. A.5
Ratsdokument 13932/10
Drucksache 17/3608 Nr. A.6
Ratsdokument 13933/10
Drucksache 17/3608 Nr. A.7
Ratsdokument 13954/10
Drucksache 17/3608 Nr. A.8
Ratsdokument 14919/10
Drucksache 17/3791 Nr. A.1
Ratsdokument 14999/10
Drucksache 17/3955 Nr. A.1
Ratsdokument 13316/1/10 REV 1
Drucksache 17/4116 Nr. A.3
Ratsdokument 15498/10
Drucksache 17/4116 Nr. A.5
Ratsdokument 15949/10
Drucksache 17/4338 Nr. A.4
Ratsdokument 16664/10
Drucksache 17/4338 Nr. A.5
Ratsdokument 16797/10
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Drucksache 17/3608 Nr. A.17
Ratsdokument 13874/10
Drucksache 17/3608 Nr. A.18
Ratsdokument 14322/10
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Drucksache 17/4338 Nr. A.9
Ratsdokument 16068/10
Drucksache 17/4338 Nr. A.10
Ratsdokument 16151/10
Drucksache 17/4338 Nr. A.11
Ratsdokument 16257/10
Drucksache 17/4338 Nr. A.12
Ratsdokument 16348/10
Drucksache 17/4338 Nr. A.13
Ratsdokument 16363/10
Drucksache 17/4338 Nr. A.14
Ratsdokument 16611/10
Drucksache 17/4509 Nr. A.21
Ratsdokument 17547/10
Drucksache 17/4509 Nr. A.22
Ratsdokument 17582/10
Drucksache 17/4509 Nr. A.23
Ratsdokument 17608/10
Drucksache 17/4509 Nr. A.24
Ratsdokument 17672/10
Drucksache 17/4509 Nr. A.25
Ratsdokument 17677/10
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Drucksache 17/3608 Nr. A.34
Ratsdokument 13788/10
Drucksache 17/3608 Nr. A.35
Ratsdokument 13789/10
Drucksache 17/3955 Nr. A.12
Ratsdokument 14833/10
Drucksache 17/3955 Nr. A.13
Ratsdokument 15361/10
Drucksache 17/3955 Nr. A.14
Ratsdokument 15717/10
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Drucksache 17/4338 Nr. A.18
EuB-BReg 127/2010
(D
(B)
)
91. Sitzung
Berlin, Freitag, den 11. Februar 2011
Inhalt:
Redetext
Anlagen zum Stenografischen Bericht
Anlage 1
Anlage 2
Anlage 3
Anlage 4
Anlage 5
Anlage 6
Anlage 7