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    Plenarprotokoll 17/90 der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peter Friedrich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU) . . . . Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Dr. Martin Lindner (Berlin) (FDP) . . . . . . Christine Scheel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Birgit Homburger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE) . . . . . . . . . Andrea Wicklein (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Julia Klöckner (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Hubertus Heil (Peine) (SPD) . . . . . . . . . . . NEN eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes für die Einführung flächendecken- der Mindestlöhne im Vorfeld der Einführung der Arbeitnehmerfreizü- gigkeit (Mindestlohngesetz) (Drucksache 17/4435) . . . . . . . . . . . . . . . Hubertus Heil (Peine) (SPD) . . . . . . . . . . . . . Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) . . . Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hubertus Heil (Peine) (SPD) . . . . . . . . . . . Anton Schaaf (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Katja Mast (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus Ernst (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . 10040 D 10042 A 10044 A 10045 B 10046 A 10049 B 10051 B 10052 D 10053 C 10054 D 10056 B 10064 A 10064 B 10066 B 10067 A 10068 A 10069 C 10070 B 10071 C Deutscher B Stenografisc 90. Sit Berlin, Donnerstag, d I n h a Glückwünsche zum Geburtstag der Abgeord- neten Dr. Ernst Dieter Rossmann, Bernhard Schulte-Drüggelte und Dr. Erwin Lotter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begrüßung des neuen Abgeordneten Cajus Caesar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erweiterung der Tagesordnung . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 3: Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP: Gestärkt aus der Krise – Der deut- sche Mittelstand als Motor für Wachstum, Wohlstand und Innovation (Drucksache 17/4684) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rainer Brüderle, Bundesminister 10039 A 10039 B 10039 B 10040 C Willi Brase (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ernst Hinsken (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE) . . . . . . . . . 10057 B 10058 D 10059 C undestag her Bericht zung en 10. Februar 2011 l t : Lena Strothmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Dieter Jasper (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 4: a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Anette Kramme, Gabriele Lösekrug- Möller, Petra Ernstberger, weiteren Abge- ordneten und der Fraktion der SPD einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes über die Festsetzung des Mindestlohnes (Mindestlohngesetz – MLG) (Drucksache 17/4665) . . . . . . . . . . . . . . . b) Erste Beratung des von den Abgeordneten Brigitte Pothmer, Beate Müller-Gemmeke, Fritz Kuhn, weiteren Abgeordneten und 10061 A 10062 B 10064 A Pascal Kober (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10073 A 10074 C II Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 90. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Februar 2011 Dr. Johann Wadephul (CDU/CSU) . . . . . . . . . Klaus Ernst (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Ottmar Schreiner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Johannes Vogel (Lüdenscheid) (FDP) . . . . . . Dr. Barbara Hendricks (SPD) . . . . . . . . . . Jutta Krellmann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Paul Lehrieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Klaus Ernst (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Jutta Krellmann (DIE LINKE) . . . . . . . . . Agnes Alpers (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Gabriele Lösekrug-Möller (SPD) . . . . . . . . . . Dr. Matthias Zimmer (CDU/CSU) . . . . . . . . . Hubertus Heil (Peine) (SPD) . . . . . . . . . . . . . Dr. Matthias Zimmer (CDU/CSU) . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 27: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Drit- ten Gesetzes zur Änderung des Straßen- verkehrsgesetzes und anderer Gesetze (Drucksache 17/4144) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des BVL-Geset- zes (Drucksache 17/4381) . . . . . . . . . . . . . . . . c) Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Petra Sitte, Nicole Gohlke, Dr. Rosemarie Hein, weiteren Abgeordne- ten und der Fraktion DIE LINKE einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes – Digitalisierung vergriffener und ver- waister Werke (Drucksache 17/4661 . . . . . . . . . . . . . . . . d) Antrag der Abgeordneten Sabine Zimmermann, Diana Golze, Agnes Alpers, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Fachkräftepoten- zial nutzen – Gute Arbeit schaffen, bes- sere Bildung ermöglichen, vorhandene Qualifikationen anerkennen (Drucksache 17/4615) . . . . . . . . . . . . . . . . e) Antrag der Abgeordneten Sylvia Kotting- Uhl, Hans-Josef Fell, Bärbel Höhn, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sicher- 10076 C 10077 C 10079 B 10079 D 10081 D 10083 C 10084 D 10086 B 10087 A 10088 A 10089 B 10089 D 10091 A 10092 B 10093 D 10094 B 10094 D 10094 D 10094 D 10095 A heit hat Vorrang – Atomkraftwerk Gra- fenrheinfeld sofort abschalten (Drucksache 17/4688) . . . . . . . . . . . . . . . f) Antrag der Abgeordneten Winfried Hermann, Kerstin Andreae, Alexander Bonde, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Rheintalbahn – Modellprojekt für an- wohnerfreundlichen Schienenausbau (Drucksache 17/4689) . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 3: a) Antrag der Abgeordneten Inge Höger, Paul Schäfer (Köln), Jan van Aken, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Vorlage eines Gesetzentwurfes zur Ratifizierung der „Internationalen Konvention gegen die Anwerbung, den Einsatz, die Finanzierung und die Aus- bildung von Söldnern“ der Generalver- sammlung der Vereinten Nationen (Drucksache 17/4663) . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Paul Schäfer (Köln), Jan van Aken, Christine Buchholz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Internationale Ächtung des Söldnerwesens und Verbot privater mi- litärischer Dienstleistungen aus Deutsch- land (Drucksache 17/4673) . . . . . . . . . . . . . . . c) Antrag der Abgeordneten Sylvia Kotting- Uhl, Oliver Krischer, Hans-Josef Fell, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Brennele- mente-Zwischenlager am Forschungs- zentrum Jülich ertüchtigen (Drucksache 17/4690) . . . . . . . . . . . . . . . d) Antrag der Fraktion der SPD: Instru- mente zur Bekämpfung der Steuerhin- terziehung nutzen und ausbauen (Drucksache 17/4670) . . . . . . . . . . . . . . . e) Antrag der Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter, Winfried Hermann, Kerstin Andreae, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Schutz vor Bahnlärm verbessern – Ver- altetes Lärmprivileg „Schienenbonus“ abschaffen (Drucksache 17/4652) . . . . . . . . . . . . . . . f) Antrag der Abgeordneten Sevim Dağdelen, Jan van Aken, Christine Buchholz, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Solidarität mit den Demokra- tiebewegungen in den arabischen Län- dern – Beendigung der deutschen Unterstützung von Diktatoren (Drucksache 17/4671) . . . . . . . . . . . . . . . 10095 A 10095 B 10095 B 10095 C 10095 C 10095 D 10095 D 10095 D Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 90. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Februar 2011 III Tagesordnungspunkt 28: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Berufskraftfahrer-Qualifikations-Geset- zes (Drucksachen 17/3800, 17/4660) . . . . . . . . b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur bestätigenden Rege- lung verschiedener steuerlicher und verkehrsrechtlicher Vorschriften des Haushaltsbegleitgesetzes 2004 (Drucksachen 17/3632, 17/3984, 17/4597) c) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des ZIS- Ausführungsgesetzes und anderer Gesetze (Drucksachen 17/3960, 17/4146, 17/4596) d) Beratung der dritten Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immu- nität und Geschäftsordnung: zu Einsprü- chen gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag am 27. Sep- tember 2009 (Drucksache 17/4600) . . . . . . . . . . . . . . . . Kathrin Vogler (DIE LINKE) (Erklärung nach § 31 GO) . . . . . . . . . . . . . e)–l) Beschlussempfehlungen des Petitionsaus- schusses: Sammelübersichten 210, 211, 212, 213, 214, 215, 216 und 217 zu Petitionen (Drucksachen 17/4534, 17/4535, 17/4536, 17/4537, 17/4538, 17/4539, 17/4540, 17/4541) Zusatztagesordnungspunkt 4: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktio- nen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Dr. Merkel, Dr. von der Leyen, Dr. Schröder – Unterschiedliche Auffas- sungen in der Bundesregierung zum Thema Frauenquote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Caren Marks (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nadine Schön (St. Wendel) (CDU/CSU) . . . . Katja Kipping (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Nicole Bracht-Bendt (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Renate Künast (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dorothee Bär (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Sigmar Gabriel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Marco Buschmann (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . 10096 A 10096 B 10096 C 10096 D 10097 A 10098 A 10098 D 10099 A 10100 A 10101 C 10103 A 10104 B 10105 D 10107 A 10108 B Monika Lazar (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU) . Dagmar Ziegler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ewa Klamt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . Christel Humme (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 5: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Kultur und Medien zu dem An- trag der Abgeordneten Klaus Brähmig, Stephan Mayer (Altötting), Wolfgang Börnsen (Bönstrup), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Patrick Kurth (Kyffhäuser), Lars Lindemann, Reiner Deutschmann, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: 60 Jahre Charta der deutschen Heimatver- triebenen – Aussöhnung vollenden (Drucksachen 17/4193, 17/4651) . . . . . . . . . . Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU) . . . . Dr. h. c. Wolfgang Thierse (SPD) . . . . . . . . . Lars Lindemann (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Lukrezia Jochimsen (DIE LINKE) . . . . . Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus Brähmig (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Patrick Kurth (Kyffhäuser) (FDP) . . . . . . . . . Dr. Lukrezia Jochimsen (DIE LINKE) . . . Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU) . . . . Jan Korte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Erika Steinbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 6: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Verkehr, Bau und Stadtentwick- lung zu dem Antrag der Abgeordneten Heidrun Bluhm, Dr. Dietmar Bartsch, Herbert Behrens, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion DIE LINKE: Grundrecht auf Wohnen sozial, ökologisch und barrierefrei gestal- ten (Drucksachen 17/3433, 17/4659) . . . . . . . . . . Gero Storjohann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Sören Bartol (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10109 D 10110 D 10112 B 10113 A 10114 A 10115 D 10116 A 10117 C 10119 D 10120 C 10121 C 10123 A 10124 C 10124 D 10125 B 10126 A 10127 C 10128 D 10129 C 10130 C 10130 C 10132 B IV Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 90. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Februar 2011 Petra Müller (Aachen) (FDP) . . . . . . . . . . . . . Heidrun Bluhm (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Daniela Wagner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Daniela Ludwig (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Michael Groß (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peter Götz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . Stefan Liebich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 7: a) Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP: Belarus – Repressionen beenden, Menschenrechtsverletzungen sanktio- nieren, Zivilgesellschaft stärken (Drucksache 17/4685) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Fraktion der SPD: Belarus – Repressionen beenden, Menschen- rechtsverletzungen sanktionieren, Zivil- gesellschaft stärken (Drucksache 17/4667) . . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 5: Antrag der Abgeordneten Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck (Köln), Viola von Cramon-Taubadel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Belarus – Repressionen beenden, Men- schenrechtsverletzungen sanktionieren, Zivilgesellschaft stärken (Drucksache 17/4686) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Bijan Djir-Sarai (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . Uta Zapf (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Karl-Georg Wellmann (CDU/CSU) . . . . . . . . Stefan Liebich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Frieser (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 8: Antrag der Abgeordneten Wolfgang Wieland, Dr. Konstantin von Notz, Jerzy Montag, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Evaluierung von Sicherheitsgesetzen – Kriterien einheitlich regeln, Unabhängigkeit wahren (Drucksache 17/3687) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10133 D 10135 C 10137 A 10138 C 10139 D 10141 A 10141 B 10142 D 10142 D 10142 D 10143 A 10144 A 10145 C 10146 D 10148 A 10149 A 10149 D 10150 C Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Franz Josef Jung (CDU/CSU) . . . . . . . . . Frank Hofmann (Volkach) (SPD) . . . . . . . . . Gisela Piltz (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jan Korte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 11: Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsord- nung zu einem Antrag: Genehmigung zur Durchführung eines Strafverfahrens (Drucksache 17/4680) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 9: Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zu dem Stabilisie- rungs- und Assoziierungsabkommen vom 29. April 2008 zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Serbien andererseits (Drucksachen 17/3963, 17/4500) . . . . . . . . . . Dr. Werner Hoyer, Staatsminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Uta Zapf (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peter Beyer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . Sevim Dağdelen (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Roderich Kiesewetter (CDU/CSU) . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 10: a) Antrag der Abgeordneten Daniela Kolbe (Leipzig), Sönke Rix, Petra Crone, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Monika Lazar, Volker Beck (Köln), Ekin Deligöz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Demokra- tieinitiativen nicht verdächtigen, son- dern fördern – Bestätigungserklärung im Bundesprogramm „TOLERANZ FÖRDERN – KOMPETENZ STÄRKEN“ streichen (Drucksache 17/4551) . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan Korte, Diana Golze, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion DIE LINKE: Arbeit 10150 D 10151 C 10153 B 10154 B 10155 A 10156 B 10157 B 10157 C 10157 D 10158 D 10160 A 10161 A 10162 B 10163 B 10164 C Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 90. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Februar 2011 V für Demokratie und Menschenrechte braucht Vertrauen – Keine Verdachts- kultur in die Projekte gegen Rechts- extremismus tragen (Drucksache 17/4664) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. h. c. Wolfgang Thierse (SPD) . . . . . . . . . . Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sönke Rix (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD) . . . . Steffen Bockhahn (DIE LINKE) . . . . . . . . Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . Florian Bernschneider (FDP) . . . . . . . . . . . . . Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD) . . . . . . . . . . . Florian Bernschneider (FDP) . . . . . . . . . . . . . Monika Lazar (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Norbert Geis (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Sönke Rix (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Stefan Ruppert (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 11: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Auflösung und Abwicklung der Anstalt Absatzförderungsfonds der deutschen Land- und Ernährungswirtschaft und der Anstalt Absatzförderungsfonds der deut- schen Forst- und Holzwirtschaft (Drucksache 17/4558) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Marlene Mortler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD) . . . . . . . . . . . . Dr. Christel Happach-Kasan (FDP) . . . . . . . Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) . . . . . . . Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 12: Antrag der Abgeordneten Ute Vogt, Dr. Matthias Miersch, Dirk Becker, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Gorleben – Echter Dialog statt Enteignung (Drucksache 17/4678) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Matthias Miersch (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Maria Flachsbarth (CDU/CSU) . . . . . . . . Johanna Voß (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Ulrich Kelber (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dorothee Menzner (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 10164 D 10164 D 10166 C 10167 D 10168 C 10169 A 10170 A 10171 A 10172 A 10172 B 10172 C 10173 D 10175 B 10176 A 10177 A 10177 B 10178 A 10178 D 10179 B 10180 B 10181 A 10181 B 10182 B 10183 C 10184 B 10185 A Angelika Brunkhorst (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eckhard Pols (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Ulrich Kelber (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Ute Vogt (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 6: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Fünfzehnten Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes (Drucksachen 17/4231, 17/4720) . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 13: Antrag der Abgeordneten Jan van Aken, Christine Buchholz, Sevim Dağdelen, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Alle Waffenexporte des Oberndor- fer Kleinwaffenherstellers verbieten (Drucksache 17/4677) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jan van Aken (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 14: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Menschenrechte und Hu- manitäre Hilfe zu dem Antrag der Abge- ordneten Volker Beck (Köln), Marieluise Beck (Bremen), Viola von Cramon- Taubadel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Menschenrechtsschutz bei den OECD- Leitsätzen für multinationale Unterneh- men stärken (Drucksachen 17/4196, 17/4613) . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Annette Groth, Jan van Aken, Christine Buchholz, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Verpflichtender Menschen- rechtsschutz bei den OECD-Leitsätzen für multinationale Unternehmen (Drucksache 17/4669) . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 7: Antrag der Fraktion der SPD: Die Revision der OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen als Chance für einen stärke- ren Menschenrechtsschutz nutzen (Drucksache 17/4668) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10186 A 10187 D 10189 A 10189 D 10190 D 10192 A 10192 B 10192 C 10193 B 10194 B 10194 C 10194 C VI Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 90. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Februar 2011 Tagesordnungspunkt 15: Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Artikel-115-Gesetzes (Drucksache 17/4666) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 16: Antrag der Abgeordneten Edelgard Bulmahn, Klaus Barthel, Garrelt Duin, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der SPD: Fairen Rohstoffhandel sichern – Handel mit Selte- nen Erden offenhalten (Drucksache 17/4553) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 17: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Wirtschaft und Technologie zu dem Antrag der Abgeordneten Annette Groth, Ulla Lötzer, Jan van Aken, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion DIE LINKE: EU-Frei- handelsabkommen mit Indien stoppen – Verhandlungsmandat in demokratischem Prozess neu festlegen (Drucksachen 17/2420, 17/4616) . . . . . . . . . . Erich G. Fritz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Rolf Hempelmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Martin Lindner (Berlin) (FDP) . . . . . . . . Annette Groth (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 18: a) Antrag der Abgeordneten Viola von Cramon-Taubadel, Josef Philip Winkler, Marieluise Beck (Bremen), weiterer Abge- ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Einheitlichen EU- Flüchtlingsschutz garantieren (Drucksache 17/4439) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan Korte, Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Für ein offenes, rechtsstaatli- ches und gerechtes europäisches Asyl- system (Drucksache 17/4679) . . . . . . . . . . . . . . . . Reinhard Grindel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Rüdiger Veit (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP) . . . . . . . . Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10195 A 10195 A 10195 B 10195 C 10196 C 10197 C 10198 B 10199 D 10200 B 10200 C 10200 C 10201 C 10202 C 10203 B 10203 D Tagesordnungspunkt 19: Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu dem Antrag der Abge- ordneten René Röspel, Dr. Ernst Dieter Rossmann, Dr. Hans-Peter Bartels, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Neue Initiative für Neuheitsschonfrist im Patentrecht starten (Drucksachen 17/1052, 17/4725) . . . . . . . . . . Dr. Stephan Harbarth (CDU/CSU) . . . . . . . . René Röspel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stephan Thomae (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Jens Petermann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 20: Antrag der Abgeordneten Sevim Dağdelen, Paul Schäfer (Köln), Jan van Aken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: EUTM Somalia beenden – Für eine politi- sche Lösung in Somalia (Drucksache 17/4248) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU) . . . Edelgard Bulmahn (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Marina Schuster (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Sevim Dağdelen (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 21: Antrag der Abgeordneten Frank Tempel, Sevim Dağdelen, Heike Hänsel, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion DIE LINKE zu der Mitteilung der Kommission an das Euro- päische Parlament und den Rat: Auf dem Weg zu einer verstärkten europäischen Ka- tastrophenabwehr: die Rolle von Katastro- phenschutz und humanitärer Hilfe KOM(2010) 600 endg.; Ratsdok. 15614/10 hier: Stellungnahme gegenüber der Bun- desregierung gemäß Artikel 23 Absatz 2 des Grundgesetzes i. V. m. § 9 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesre- gierung und Deutschem Bundestag in An- gelegenheiten der Europäischen Union (Drucksache 17/4672) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beatrix Philipp (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Gerold Reichenbach (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP) . . . . . . . . Frank Tempel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10205 A 10205 A 10205 C 10206 B 10207 A 10207 D 10209 B 10209 C 10210 B 10211 A 10212 A 10213 A 10214 A 10214 B 10215 C 10217 A 10217 B 10218 A 10219 C Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 90. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Februar 2011 VII Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Andrej Hunko und Ulla Jelpke (beide DIE – Antrag: Verpflichtender Menschenrechts- schutz bei den OECD-Leitsätzen für mul- tinationale Unternehmen – Antrag: Die Revision der OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen als Chance für einen stärkeren Menschen- rechtsschutz nutzen (Tagesordnungspunkt 14 a und b und Zusatz- 10221 A LINKE) zu den Abstimmungen über die An- träge: Belarus – Repressionen beenden, Men- schenrechtsverletzungen sanktionieren, Zivil- gesellschaft stärken (Tagesordnungspunkt 7 a und b, Zusatztagesordnungspunkt 5) . . . . . . . Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Fünfzehnten Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes (Zusatz- tagesordnungspunkt 6) Dieter Stier (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD) . . . . . . . . . . . . Hans-Michael Goldmann (FDP) . . . . . . . . . . Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) . . . . . . . Undine Kurth (Quedlinburg) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Alle Waffenexporte des Obern- dorfer Kleinwaffenherstellers verbieten (Ta- gesordnungspunkt 13) Erich G. Fritz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Rolf Hempelmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus Breil (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Beschlussempfehlung und Bericht: Men- schenrechtsschutz bei den OECD-Leit- sätzen für multinationale Unternehmen stärken 10221 B 10221 D 10223 A 10223 D 10224 B 10225 B 10225 D 10227 D 10228 D tagesordnungspunkt 7) Jürgen Klimke (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Ullrich Meßmer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Serkan Tören (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Annette Groth (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Artikel-115-Gesetzes (Tagesordnungs- punkt 15) Norbert Barthle (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Peter Aumer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Carsten Schneider (Erfurt) (SPD) . . . . . . . . . Florian Toncar (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Roland Claus (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Alexander Bonde (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Fairen Rohstoffhandel sichern – Handel mit Seltenen Erden offenhalten (Ta- gesordnungspunkt 16) Andreas G. Lämmel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Philipp Mißfelder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Edelgard Bulmahn (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Klaus Breil (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulla Lötzer (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Frithjof Schmidt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10229 C 10230 D 10232 A 10232 C 10233 B 10234 B 10235 C 10236 A 10237 A 10238 B 10239 A 10240 A 10241 B 10242 A 10243 A 10243 B 10244 A Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 90. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Februar 2011 10039 (A) (C) (D)(B) 90. Sit Berlin, Donnerstag, d Beginn: 9
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    Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 90. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Februar 2011 10221 (A) (C) (D)(B) gen über die Anträge: Belarus – Repressionen beenden, Menschenrechtsverletzungen sanktio- Mit der im Gesetzentwurf vorgesehenen Lockerung des bisher geltenden umfassenden Versandhandelsverbo- Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Andrej Hunko und Ulla Jelpke (beide DIE LINKE) zu den Abstimmun- Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Bätzing-Lichtenthäler, Sabine SPD 10.02.2011 Bülow, Marco SPD 10.02.2011 Friedhoff, Paul K. FDP 10.02.2011 Gerster, Martin SPD 10.02.2011 Gottschalck, Ulrike SPD 10.02.2011 Dr. Freiherr zu Guttenberg, Karl-Theodor CDU/CSU 10.02.2011 Herlitzius, Bettina BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 10.02.2011 Hintze, Peter CDU/CSU 10.02.2011 Dr. Knopek, Lutz FDP 10.02.2011 Lenkert, Ralph DIE LINKE 10.02.2011 Lindner, Christian FDP 10.02.2011 Lutze, Thomas DIE LINKE 10.02.2011 Maurer, Ulrich DIE LINKE 10.02.2011 Möhring, Cornelia DIE LINKE 10.02.2011 Möller, Kornelia DIE LINKE 10.02.2011 Nietan, Dietmar SPD 10.02.2011 Roth (Esslingen), Karin SPD 10.02.2011 Scholz, Olaf SPD 10.02.2011 Süßmair, Alexander DIE LINKE 10.02.2011 Veit, Rüdiger SPD 10.02.2011 Winkler, Josef Philip BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 10.02.2011 Anlagen zum Stenografischen Bericht nieren, Zivilgesellschaft stärken (Tagesord- nungspunkt 7 a und b, Zusatztagesordnungs- punkt 5) Wir verurteilen die Verletzung elementarer demokra- tischer Rechte im Zusammenhang mit den Präsident- schaftswahlen in Weißrussland. Da kein eigener Antrag unserer Fraktion vorliegt, ge- ben wir folgende Stimmerklärung ab: Leider bringen die vorliegenden Anträge der Koali- tion sowie von SPD und Grünen unsere Position nicht zum Ausdruck. Wir können ihnen aus folgenden Grün- den nicht zustimmen. Alle Anträge benennen die Probleme bei der Wahl nicht korrekt: Neben Problemen bei der Stimmauszäh- lung müssen auch der ungleiche Zugang zu den Medien und die unfaire Nutzung von Staatsressourcen zur Unter- stützung des Amtsinhabers benannt werden. Des Weiteren lehnen wir die – in allen Anträgen ge- forderten – Sanktionen ab. Wir gehen nicht davon aus, dass diese durch eine „faire und transparente“ Prozedur auferlegt wurden, wie es die Resolution der Parlamenta- rischen Versammlung des Europarates fordert. Auch wird in den Anträgen die Kritik am brutalen Vorgehen der Miliz und an der Verfolgung nach den Wahlen auf Grundlage unscharfer „europäischer Werte und Regeln“ geübt. Die allgemein gültigen politischen Rechte wie das Recht auf freie Meinungsäußerung und Versammlung werden im Unterschied zur Resolution der Parlamentarischen Versammlung des Europarates nicht als solche benannt. Insgesamt scheint es bei den Anträgen mehr um die Annäherung an die EU zu gehen als um die Verteidigung demokratischer Rechte und Wahlen. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Fünfzehnten Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgeset- zes (Zusatztagesordnungspunkt 6) Dieter Stier (CDU/CSU): Mit der anstehenden Ge- setzesnovelle zum Fünfzehnten Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes soll der vorliegende Gesetzent- wurf der Bundesregierung eine logische Gleichstellung von Tierarzneimitteln für nicht lebensmittelliefernde Tiere und Humanarzneimitteln beim Internetversand si- cherstellen. Das bisher geltende Versandhandelsverbot für Tierarzneimittel für nicht lebensmittelliefernde Tiere muss auf den Prüfstand; denn die Öffnung des Arznei- versandhandels beim Menschen ist seit Jahren sehr viel liberaler als der Internetversand mit Tierarzneimitteln. 10222 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 90. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Februar 2011 (A) (C) (D)(B) tes für Tierarznei reagiert die Bundesregierung auf ein Beschwerdeverfahren der EU-Kommission sowie auf ein Urteil des Bundesgerichtshofes, welches das derzei- tige Versandhandelsverbot als unverhältnismäßig erach- tet. Es kann nicht angehen, dass im Hinblick auf den Arzneimittelversand seit Jahren für unsere Haustiere strengere Maßstäbe gelten als für die Medikation des Menschen. Folglich ist es höchste Zeit, eine Lockerung der gesetzlichen Rahmenbedingungen zur Disposition zu stellen – natürlich unter der Prämisse, dass den Erforder- nissen des Tierschutzes Rechnung getragen wird. Inhaltlich orientiert sich der vorliegende Gesetzent- wurf eng an den seit 2004 etablierten Vorgaben für den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Medika- menten, die zur Anwendung beim Menschen bestimmt sind. Bisher sind innerhalb dieser in Deutschland mögli- chen Verteilerkette keinerlei Probleme bekannt gewor- den. Versandapotheken liefern bereits jetzt eine Vielzahl von nicht verschreibungspflichtigen Medikamenten und Zubehör für unsere Haustiere. Die Vorteile des Internet- versands liegen auf der Hand: Dieser Vertriebsweg ist sehr beliebt, weil die Produkte dort günstiger angeboten werden können, als dies Apotheken mit Miet- und Perso- nalkosten tun können. Zudem ist der Service einer Inter- netbestellung hinsichtlich der Auswahl der Produkte und der Lieferung bis zur Haustüre insbesondere für Men- schen abseits der Ballungszentren sowie für ältere Men- schen nicht zu unterschätzen. Eine schnelle und be- queme Abwicklung trägt zudem einem modernen Verbraucherleitbild, orientiert am gegenwärtigen Nut- zerverhalten, Rechnung, welches letztlich auch den Tie- ren zugutekommt. Als Unionspolitiker sollten wir der wachsenden Nachfrage der Verbraucher nach dem Ver- sandhandel von Tierarzneimitteln gerecht werden und diesen Vertriebsweg in Anlehnung an den vorliegenden Gesetzentwurf weiter öffnen. Letztlich zeigt die Praxis, dass Tierhalter aufgrund hoher Preise mitunter abgeneigt sind, eine empfohlene oder verordnete Medikation durchzuführen. Der Ver- sandhandel schließt eine diesbezüglich vorhandene Lü- cke, was wiederum der Tiergesundheit zugutekommt. Bei der Medikation von Tieren spielt auch die Zugäng- lichkeit von Medikamenten eine Rolle, zum Wohle der Tiere. Unabhängig von diesen Vorteilen des Internethandels mit verschreibungspflichtigen Tierarzneimitteln möchte ich auch auf „Risiken und Nebenwirkungen“ einer Libe- ralisierung des Tierarzneiversandhandels aufmerksam machen. Eine unkontrollierte Selbstmedikation von Haustieren durch den Tierhalter birgt diverse Risiken für das Haustier. Fehlbehandlungen und Nebenwirkungen fügen dem Tier Schmerzen und Schaden zu. Ebenfalls können Auswirkungen auf das Umfeld entstehen. Unkri- tische Anwendung von verschreibungspflichtigen Medi- kamenten, insbesondere von Antibiotika, kann uner- wünschte Resistenzen hervorrufen. Der Bundesrat hatte in seiner Stellungnahme vom 5. November 2010 im Hinblick auf diese Gefahren eine Öffnung des Internetversandhandels nur für rein apothe- kenpflichtige, nicht verschreibungspflichtige Arzneimit- tel gefordert. In seiner Begründung argumentiert der Bundesrat mit der fehlenden Harmonisierung der tierarz- neimittelrechtlichen Vorschriften auf EU-Ebene im Hin- blick auf die Bedingungen, unter denen der Tierarzt ein Rezept ausstellen kann. In einer Gegenäußerung dazu hat die Bundesregierung am 8. Dezember 2010 deutlich gemacht, dass die vom Bundesrat geäußerten Bedenken einer Beibehaltung des Versandhandelsverbots für ver- schreibungspflichtige Arzneimittel für nicht lebensmit- telliefernde Tiere nicht zu rechtfertigen sind. Um den Bedenken des Bundesrates hinreichend Rechnung zu tra- gen, plädieren die Fraktionen der CDU/CSU und der FDP in einem Änderungsantrag vom 8. Februar 2011 für eine Ergänzung des Arzneimittelgesetzes mit der Vor- gabe, dass Tierhalter verschreibungspflichtige Arznei- mittel bei ihren Haustieren nur dann anwenden dürfen, wenn diese von einem Tierarzt direkt abgegeben werden oder aber vom behandelnden Tierarzt verschrieben wer- den. Folglich kann die Behandlung eines Haustieres durch den Tierhalter mit verschreibungspflichtigen Tier- arzneimitteln nur nach vorheriger tierärztlicher Konsul- tation erfolgen. Hinsichtlich des Versandhandels mit anderen EU- Staaten bedeutet diese Regelung, dass ein Versand nach Deutschland nur in dem Fall möglich ist, wenn der Tier- halter bei der Bestellung in anderen Mitgliedstaaten das Rezept seines behandelnden Tierarztes beifügt. Dem- nach werden diese verschreibungspflichtigen Tierarznei- mittel nur nach Vorlage einer durch Stempel und Unter- schrift des behandelnden Tierarztes klar als gültig zu identifizierende Verschreibung ausgeliefert. Im Rahmen der Selbstverpflichtung der Unternehmen wird jedes Re- zept auf Vollständigkeit und Authentizität überprüft. In Großbritannien und in Nordirland ist eine tierärztliche Behandlung für die Verschreibung von Tierarzneimitteln verpflichtend. Der Internethandel hat sich dort als eine verantwortungsvolle Ergänzung zum stationären Bezug von Tierarzneimitteln bewährt. In einer Bekanntmachung der Übersicht zum Ver- sandhandel mit Arzneimitteln nach § 73 Abs. 1 Satz 3 des Arzneimittelgesetzes des Bundesministeriums für Gesundheit vom 31. Mai 2010 ist eine Übersicht über ei- nige Mitgliedstaaten der EU und anderen Vertragsstaaten aufgeführt. Diese Staaten haben einen dem deutschen Recht vergleichbaren Sicherheitsstandard gemäß §11 a Apothekengesetz. Apotheken aus anderen Staaten, in de- nen diese Vergleichbarkeit derzeit nicht besteht, können für Deutschland eine Versandhandelserlaubnis beantra- gen. Die Forderung der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände nach einem grundsätzlichen Ver- sandhandelsverbot aufgrund eines hohen Gefahrenpo- tenzials für die Haustiere ist übertrieben vorsichtig. Die Menschen in Deutschland haben die Liberalisierung des Humanmedizinversands auch schadlos überstanden. Als Unionspolitiker sollten wir uns jedoch der wach- senden Nachfrage der Verbraucher nach dem Versand- handel von Tierarzneimitteln nicht verschließen und die- sen Vertriebsweg in Anlehnung an den vorliegenden Gesetzentwurf weiter öffnen. Ich befürworte jeglichen Abbau von ungerechtfertigten Handelshemmnissen, um eine Optimierung der Wettbewerbsbedingungen in Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 90. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Februar 2011 10223 (A) (C) (D)(B) Deutschland zum Wohle des Verbrauchers zu erzielen. Das derzeit geltende Verbot lässt sich gegenüber dem Verbraucher kaum plausibel vermitteln, zumal der Ver- sandhandel bei rezeptpflichtigen Humanarzneimitteln seit Jahren erlaubt ist. Die von der Koalitionsfraktion ge- forderte Änderung dieses Gesetzentwurfes der Bundes- regierung, zusätzlich zur Internetbestellung des ver- schreibungspflichtigen Medikamentes das Rezept des behandelnden Tierarztes beizufügen, ist ein für alle Sei- ten akzeptabler Kompromiss. Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD): Was für die Human- medizin gilt, gilt selbstverständlich auch für die Tierarz- neimittel: Dosis facit venenum – die Dosis macht das Gift. Das bedeutet nichts anderes, als dass von jedem Arzneimittel – ob verschreibungspflichtig oder nicht – eine potenzielle Gefahr ausgehen kann. Vor diesem Hin- tergrund muss auch die Diskussion um die hier vorlie- gende Novelle des Arzneimittelrechts geführt und be- wertet werden. Die Toxikologie, die Resistenzbildung sowie die missbräuchliche Anwendung, die auch bei Arzneimitteln, die bei nicht lebensmittelliefernden Tie- ren zur Anwendung kommen, müssen beachtet werden. Denn sowohl Antibiotika als auch andere systemisch wirkende Arzneimittel werden überwiegend auch in der Humanmedizin angewandt. Vor allem bei Antiparasitika und Anthelminthika gibt es tierartbezogene, teilweise rassespezifische Unverträglichkeiten, die jedem Tierarzt in der Praxis bekannt sind. Die missbräuchliche Anwen- dung von Tierarzneimittel kann schwerwiegende Folgen für unsere Heimtiere haben. Es sei nur an lebensbedro- hende Allergien und tödliche Nebenwirkungen erinnert. Wir dürfen auch hier den Tierschutzgedanken nicht au- ßer Acht lassen. Die Verschreibung und die Abgabe von Tierarznei- mitteln dürfen nur nach gründlicher Anamnese und Dia- gnose durch einen behandelnden Tierarzt erfolgen. Das gebietet die gute fachliche Praxis. Dies ist eine strenge Anforderung an das Handeln eines jeden Tierarztes. Den Sachverhalt kann ich aus meiner eigenen beruflichen Er- fahrung als Tierarzt und Assistent am Institut für Phar- makologie der Tierärztlichen Hochschule Hannover sehr wohl beurteilen. Ob diese Voraussetzung für eine Verschreibung in an- deren EU-Mitgliedstaaten, auch gilt, möchte ich doch ernsthaft bezweifeln. Insofern dürfen wettbewerbsrecht- liche Bedenken nicht unsere hohen deutschen Standards infrage stellen. Eine Kontrolle der Anwendung von Tier- arzneimitteln durch den Tierarzt muss auch in Zukunft bei nicht Lebensmittel liefernden Tieren gewährleistet sein. Kostensparende und gefährliche Eigenbehandlun- gen durch den Tierbesitzer dürfen durch den Versand von Tierarzneimitteln nicht noch begünstigt werden. Die Grundsätze der Verschreibungspflicht für Arzneimittel dürfen nicht infrage gestellt werden. Angesichts ver- mehrter Antibiotikaresistenzen hat der Einsatz dieser Medikamente mit entsprechendem Verantwortungsbe- wusstsein zu erfolgen. Denn Antibiotikaresistenzen ha- ben eine unmittelbare Auswirkung auf die menschliche Gesundheit. Sicherlich benötigen wir eine Harmonisie- rung des europäischen Arzneimittelrechtes – aber nicht auf unterstem Niveau. Aus Sicht der Arzneimittelsicherheit und des Gesund- heitsschutzes halte ich es für nicht vertretbar, dass wir den Versandhandel auf Tierarzneimittel ausdehnen, ins- besondere wenn sie verschreibungspflichtig und für nicht Lebensmittel liefernde Tiere zugelassen sind. Wir brauchen einen möglichst restriktiven Umgang mit ver- schreibungspflichtigen Tierarzneimitteln aller Art. Wir wissen doch alle, dass neue Vertriebswege über das In- ternet kaum zu überwachen sind. Auch wenn in diesem Gesetzentwurf der Versand nur nach der Verschreibung durch einen Tierarzt erfolgen soll, muss doch zu Recht bezweifelt werden, ob das Gebaren eines Internetver- sandhändlers, zumal wenn er nicht nur in Deutschland vertreten ist, überhaupt überwacht werden kann. Schon heute gibt es im Tierarzneimittelbereich immer noch ei- nen grauen Markt und mittlerweile auch gefälschte Arz- neimittel mit fragwürdiger, gefährlicher oder gar keiner Wirkung. Das sollten wir durch die Öffnung des Arznei- mittelversandes nicht auch noch fördern. Warum will die schwarz-gelbe Koalition ohne Not ne- ben dem bestehenden und gut funktionierenden System des Tierarzneimittelvertriebs in Deutschland ein völlig neues etablieren? Ziel sollte es doch eher sein, die stren- gen deutschen Regeln zur Arzneimittelverordnung auf europäischer Ebene zu verankern. Hinterfragt werden muss auch, ob die Ministerin Leutheusser-Schnarrenberger den Versandhändlern und ihren Lobbytruppen neue Einnahmemöglichkeiten eröff- nen möchte. Damit würde man der Arzneimittelsicher- heit und dem vorbeugenden Gesundheitsschutz einen Bärendienst erweisen. Die Aufgabe des Gesetzgebers muss es sein, die unberechtigte Verabreichung von Tier- arzneimitteln bestmöglich einzudämmen. Dazu gehört für mich auch ein Versandhandelsverbot für verschrei- bungspflichtige Tierarzneimittel für nicht lebensmittel- liefernde Tiere. Wir Sozialdemokraten wollen die No- velle der EU-Tierarzneimittelrichtlinie abwarten und keine Schnellschüsse fabrizieren – im Interesse der Arz- neimittelsicherheit und des vorbeugenden Gesundheits- schutzes und gegen Lobbyinteressen. Wir werden daher diesen Gesetzentwurf ablehnen. Hans-Michael Goldmann (FDP): Das Arzneimit- telgesetz, insbesondere der für das Tierarzneimittelge- setz relevante § 43, ist nur teilweise EU-harmonisiert. Die EU-Kommission hat eine Beschwerde eingelegt, weil hier eine Behinderung des Warenhandels vorlag. Auch ein entsprechendes BGH-Urteil empfiehlt eine No- vellierung. Damit besteht zwingender Handlungsbedarf. Ich bedauere, dass wir in dieser Sache handeln müs- sen, aber angesichts der Gleichstellung von Humanme- dizin und Veterinärmedizin brauchen wir eine Gesetzes- änderung. Im Ergebnis zeigt die Novelle, dass ein rezeptpflichtiges Medikament Teil eines Diagnose- und Behandlungsprozesses ist, den die praktischen Tierärzte auch weiterhin ausgestalten. Damit ist die Fachlichkeit der Tierärzte als Grundlage der 15. Fassung des Arznei- mittelgesetzes gestärkt. Das möchte ich an dieser Stelle 10224 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 90. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Februar 2011 (A) (C) (D)(B) noch mal betonen. Bei unserer Gesetzesfassung handelt es sich um eine praktikable und vernünftige Lösung, die sowohl dem Schutz der Tiere und der menschlichen Ge- sundheit Rechnung trägt als auch unseren Pflichten als EU-Mitglied nachkommt. Der aktuelle Gesetzentwurf sieht nun vor, dass der Versandhandel aus Apotheken an den Tierhalter auch für verschreibungspflichtige Arzneimittel, die für nicht le- bensmittelliefernde Tiere bestimmt sind, künftig erlaubt wird. Neben einer weiterhin bestehenden Rezeptpflicht wird durch eine Behandlungs- und Anwenderegel die fachärztliche Betreuung der Haus- und Kleintiere be- wahrt. Zudem bleibt die Transparenz des Tierarzneimit- telhandels bestehen, indem nachvollziehbar ist, wer re- zeptiert. Im Kern der Diskussion stehen sich also die Argu- mente der Wettbewerbsfreiheit im EU-Binnenmarkt und der aus Sicht der Veterinäre bedrohte Schutz der menschlichen Gesundheit und der Tierschutz gegenüber. Kritiker sehen die humane Gesundheit vor allem durch ein mögliches unkontrolliertes Inverkehrbringen von Arzneimittel gefährdet, die missbräuchlich auch bei le- bensmittelliefernden Tieren angewendet werden könn- ten. Ein Missbrauch ist nie auszuschließen, wenngleich dieser lediglich theoretisch vorhanden ist, da die Arznei- mittelabgabemenge für die Hauskatze oder den Hund nicht ausreicht, um etwa einen Schweinebestand damit zu versorgen. Diese theoretische Gefahr ist durch die eingeführte Behandlungspflicht gebannt. Ferner wird aus tiermedizinischer Sicht eine mögliche Medikamentenverabreichung vom Tierhalter kritisch be- wertet, da eine unprofessionelle Medikamentenabgabe die Tiergesundheit gefährden könnte. Dieses Problem lässt sich jedoch mit der in § 56 a eingeführten Anwen- dungsregelung lösen. Kern dessen ist, dass die Rezept- vergabe an eine Behandlung gebunden sein muss, die auch dazu verpflichten kann, dass die Arzneimittelver- abreichung über den Veterinär erfolgen muss. Die neue Regelung in ihrer jetzigen Form ist ein soli- der Kompromiss und untermauert die Sorgfaltsplicht der Tierärzteschaft. Der Tierarzt, die Tierärztin – kurz: der Fachmann – bleibt in der Poleposition. Der Tierschutz- gedanke flankiert die Argumentation der Anwendungs- regelung. Im Ergebnis bleiben die Tierärzte – ich will das noch einmal betonen – in ihrer Verantwortung. Diese Entwicklung kann ich nur begrüßen. Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE): Es gab in den vergangenen Monaten eine sehr intensive Debatte zum Thema Internethandel mit Tierarzneimitteln zur Behand- lung von Tieren, die nicht der Lebensmittelgewinnung dienen, also Haus- und Heimtieren. Die Grundposition, dass der Versand von Tierarzneimitteln im Vergleich zur beratenden Abgabe durch Tierärzte oder durch Apothe- ken keine adäquate Abgabeform sei, war Konsens bei der 8. AMG-Novelle, mit der 1998 der Versand apothe- kenpflichtiger Arzneimittel verboten wurde. Unter dem Druck der EU-Kommission und eines Urteils des Bun- desgerichtshofes sah sich die Bundesregierung nun – aus wettbewerbsrechtlichen Gründen – gezwungen, diesen fachpolitischen Konsens mit dem vorliegenden Gesetz- entwurf aufzukündigen. Der Änderungsantrag der Koali- tionsfraktionen, der eine tierärztliche Behandlung zur bußgeldbewehrten Vorbedingung für eine Internetbestel- lung macht, kann aus unserer Sicht die Bedenken gegen eine solche Öffnung nicht aus der Welt räumen. Denn aus Sicht der Linken gibt es zwingende Gründe, das Arzneimittelversandverbot für Haus- und Heimtiere aufrechtzuerhalten. Das gilt erst recht wenn man be- denkt, wie viele Tierhalterinnen und Tierhalter und ihre Tiere von dieser Neuregelung betroffen sind, also auch von ihren Risiken. Kennziffern aus dem Jahr 2009 skiz- zieren dies: In der Bundesrepublik leben allein 5 Millio- nen Hunde und 8 Millionen Katzen. Die Heimtiere ein- gerechnet, sind 23 Millionen Tiere betroffen. Das ist alles andere als eine Lappalie. Die Bundestagsfraktionen der CDU/CSU und der FDP nehmen mit dem Änderungsantrag einen der Ein- wände des Bundesrates gegen den Gesetzentwurf auf, in dem eine rechtskonforme Beschaffung von verschrei- bungspflichtigen Tierarzneimitteln einzig in Verbindung mit einer entsprechenden tierärztlichen Behandlung er- folgen soll. Damit werden formal die Rechte der Tierärz- tinnen und Tierärzte gestärkt. Das sieht die Linke durch- aus als Schritt in die richtige Richtung, und wir haben uns im Ausschuss bei diesem Änderungsantrag deshalb auch enthalten. Die Probleme des Gesetzentwurfes wer- den damit aber nicht gelöst. Weil einerseits erhebliche Zweifel bleiben, wie das funktionieren oder wer das wie effizient kontrollieren soll, und weil wesentliche andere Risiken des Gesetzentwurfs zum Versandhandel nach wie vor unberücksichtigt bleiben. Solange eine europaweite Harmonisierung des Tier- arzneimittelrechts nicht erfolgt und nur vage für die nächsten Jahre angekündigt wird, kann und wird der Vertrieb solcher Mittel mit erheblichen tiergesundheitli- chen, und damit tierschutzrechtlich relevanten, und rechtlichen Risiken verbunden sein. Die Bundestierärz- tekammer spricht von kaum vorstellbaren Konsequen- zen, die trotz einer faktischen Verschreibung durch einen Tierarzt drohen. Lediglich Zufallstreffer würden Ver- stöße gegen das geltende Recht aufdecken, der Versand- handel bleibt de facto unkontrollierbar. Der bereits ge- genwärtig kaum zu überschauende, erst recht kaum zu kontrollierende Internethandel wird die formal beste- hende Verschreibungspflicht ins Lächerliche ziehen. Wie sollten Apotheken in anderen EU-Mitgliedstaaten nach- vollziehen können, ob ein nach nationalen Regelungen gültiges Rezept vorliegt? Diese Frage stellt sich abgese- hen vom gezielten Missbrauchspotenzial. Wahrschein- lich brauchen wir dann neben Schwerpunktstaatsanwalt- schaften für Lebens- oder Futtermittel zukünftig auch eine für den Internethandel mit Tierarzneimitteln, um wenigstens grobe Verstöße gegen die gesetzlichen Rege- lungen überhaupt erkennen und beweisen zu können. An dieser Stelle kann ich die Bundesregierung nur fragen, wie sie unter diesen Bedingungen falsche und eigen- mächtige Anwendungen von Tierarzneimitteln wenigs- tens behindern will? Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 90. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Februar 2011 10225 (A) (C) (D)(B) Völlig unbeachtet bleibt im Gesetzentwurf die Frage, wie Tierhalterinnen und Tierhalter sich der Echtheit der im Internet angebotenen Arzneimittel sicher sein kön- nen. Gefälschte Medikamente können gravierende ge- sundheitliche Schäden bei Tieren nach sich ziehen. Die Öffnung des Marktes durch den Versandhandel macht es zudem nur allzu wahrscheinlich, dass bei preiswerteren Produkten aus dem EU-Ausland eine Zunahme des regu- lären Medikamenteneinsatzes folgt. Der Hinweis des Bundesrates auf das Risiko dadurch verstärkt steigender Antibiotikaresistenzraten wird im Gesetzentwurf nur un- zureichend aufgegriffen. Dies ist wohl kaum mit der deutschen Antibiotika-Resistenzstrategie in Überein- stimmung zu bringen. Außerdem sollten wir daran denken, dass es eine stei- gende Zahl von Heim- und Haustierhalterinnen und -hal- tern gibt, die in Armut leben und möglicherweise in Versuchung sein könnten, sich wenigstens billige Tier- arzneimittel zu besorgen, wenn sie denn den Besuch beim Tierarzt oder bei der Tierärztin schon nicht bezah- len können. Wer will ihnen das verdenken? Es war die schwarz-gelbe Koalition, die die Kosten für die Haltung von Haustieren aus dem Regelsatz gestrichen hat, ob- wohl der Hund oder die Katze für immer mehr Men- schen der letzte Anker in der Gesellschaft geworden sind. Zunehmende Missbrauchsmöglichkeiten im Arznei- mittelhandel, Unkontrollierbarkeit des Versandhandels und die Gefahr eines weiteren deutlichen Anstiegs des Medikamentenkonsums sehen wir als Folgen dieser Ge- setzesnovelle. Deshalb kann die Linke diesen Gesetzent- wurf nur ablehnen. Undine Kurth (Quedlinburg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ziel des von der Bundesregierung vorgeleg- ten Gesetzentwurfes ist es, den Versandhandel für Tier- arzneimittel teilweise zu öffnen. Betroffen sind davon apothekenpflichtige und verschreibungspflichtige Arz- neimittel für Tiere, wenn diese Tiere nicht zur Lebens- mittelgewinnung verwendet werden. Wir sind der Mei- nung: Tiere müssen von einem Tierarzt begutachtet und untersucht werden, bevor dem Tier Arzneimittel verab- reicht werden. Die persönliche Beratung des Tierhalters und gegebenenfalls seine Einweisung in die Arzneimit- telverabreichung sind unseres Erachtens nach unver- zichtbar. Bündnis 90/Die Grünen sehen die geplante Öff- nung des Versandhandels für Tierarzneimittel kritisch, da auch der Versand aus dem europäischen Ausland möglich ist. Leider gibt es aber bislang keine EU-weite Regelung der tierärztlichen Verschreibung, die die Untersuchung der betroffenen Tiere durch den behan- delnden Tierarzt und seine Behandlungskontrolle vorschreibt. Aus Gründen des Tierschutzes, des Gesund- heitsschutzes und der Arzneimittelsicherheit muss aber gewährleistet werden, dass Tierhalter keine Arzneimittel beziehen können, die nicht für die Behandlung ihres Tie- res geeignet oder gar nicht vorgesehen sind. Dies ist vor allem relevant für verschreibungspflichtige Tierarznei- mittel, zu denen auch Antibiotika zählen. Wir haben die begründete Befürchtung, dass bei der Abgabe von Arz- neimitteln, die auch auf die menschliche Gesundheit gravierende Auswirkungen haben können, via Versand- handel aus anderen EU-Ländern Probleme entstehen können. So kann das Ziel, antibiotikaverursachte Resis- tenzbildungen aktiv zu vermeiden, eben nicht erreicht werden. Auch wenn der überwiegende Teil der Tier- halter sich korrekt verhält, muss verhindert werden, dass der Missbrauch von Tierarzneimitteln möglich wird. Durch den Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen wurden unsere Bedenken zum Teil aufgegriffen. So soll festgelegt werden, dass „Tierhalter … verschreibungs- pflichtige Arzneimittel bei Tieren nur anwenden dürfen, wenn die Arzneimittel von dem Tierarzt verschrieben oder abgegeben worden sind, bei dem sich die Tiere in Behandlung befinden.“ Diese Bestimmung soll dem Tierhalter den Einsatz von verschreibungspflichtigen Tierarzneimitteln, die ohne vorherige Konsultation bzw. ohne vorherige Verschreibung durch einen Tierarzt in seinen Besitz gelangt sind, verhindern. Diese Änderung begrüßen wir daher. Solange es jedoch keine Vereinheit- lichung des Tierarzneimittelrechts auf EU-Ebene gibt, halten wir eine Öffnung des Versandhandels – insbeson- dere für verschreibungspflichtige Tierarzneimittel – für problematisch. Wir sehen aber auch, dass ein Beschwer- deverfahren der EU-Kommission gegenüber Deutsch- land anhängig ist und einem Urteil des Bundesverfas- sungsgerichtes Rechnung zu tragen ist, zumal die Öffnung des Versandhandels im Bereich der Humanme- dizin bereits erfolgt ist. Eine Harmonisierung des Tierarzneimittelrechts auf EU-Ebene ist unabdingbar. Daher fordern wir die Bun- desregierung auf, sich für eine zügige Vereinheitlichung des Tierarzneimittelrechts auf EU-Ebene einzusetzen – mit der Maßgabe, den Missbrauch oder gesundheitsschä- digenden Einsatz von Tierarzneimitteln zu verhindern. Außerdem fordern wir das Bundesministerium für Er- nährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz auf, von seiner Ermächtigung durch § 56 a Abs. 3 Gebrauch zu machen und per Verordnung vorzuschreiben, dass be- stimmte Arzneimittel nur durch den Tierarzt selbst ange- wendet werden dürfen, wenn diese Arzneimittel für die Gesundheit von Mensch und Tier gefährlich sein könn- ten oder wenn Missbrauch möglich ist. In der Gesamtschau bleiben weiterhin Bedenken, so- dass wir uns bei dieser Änderung des Arzneimittelgeset- zes enthalten. Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Alle Waffenexporte des Oberndorfer Kleinwaffenherstellers verbie- ten (Tagesordnungspunkt 13) Erich G. Fritz (CDU/CSU): Der Export von Waffen gehört zweifellos zu den sensibelsten Bereichen des Au- ßenhandels. Deswegen sind die rechtlichen Bestimmun- gen in diesem Gebiet eindeutig und in Deutschland äußerst strikt. Die Bundesregierung übt eine verantwor- 10226 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 90. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Februar 2011 (A) (C) (D)(B) tungsvolle Politik bei der Kontrolle von Rüstungsexpor- ten aus und ist keinesfalls „lasch“ in der Kontrolle der Rüstungsexporte – auch wenn die Fraktion Die Linke uns mit ihrem Antrag etwas anderes weismachen will. Grundlage bilden die Politischen Grundsätze der Bun- desregierung für den Export von Kriegswaffen und sons- tigen Rüstungsgütern aus dem Jahr 2000, das Außen- wirtschaftsgesetz, die Prüfungen durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, BAFA, bzw. den Bundessicherheitsrat und der Verhaltenskodex der EU vom 8. Juni 1998 bzw. der entsprechende Gemeinsame Standpunkt, der am 8. Dezember 2008 durch den Rat verabschiedet wurde. Ich zitiere Greenpeace: „Über jede Patrone, die das Land verlässt, wird also gründlich Buch geführt.“ Der Fall Heckler & Koch, ein Oberndörfer Kleinwaf- fenhersteller, wird von der Fraktion Die Linke benutzt, um die Rüstungsexportpolitik der Bundesregierung er- neut in den Medien als „außerordentlich lasch“ zu kriti- sieren und den Waffenexport als nicht mit dem Grundge- setz vereinbar darzustellen. Wahr ist, dass die Staatsanwaltschaft Stuttgart sowie das Zollkriminalamt Köln derzeit den Verdacht prüfen, dass Heckler & Koch im Jahr 2006 mit Exporten in mexikanische Unruhepro- vinzen (Chiapas, Chihuahua, Guerrero und Jalisco) ge- gen das Außenwirtschaftsgesetz und das Kriegswaffen- kontrollgesetz verstoßen haben sollen. Die Bearbeitung von Anträgen von Heckler & Koch für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern nach Me- xiko wurde deshalb zeitweilig ausgesetzt. Der Links- fraktion geht das nicht weit genug; sie fordert, auch die Bearbeitung der Exportanträge des Unternehmens in an- dere Länder auszusetzen. Die Frage, ob und in welchem Umfang die Firma Heckler & Koch Waffen unter Ver- stoß gegen das deutsche Exportkontrollrecht Sturmge- wehre des Typs G36 nach Mexiko geliefert hat, ist bis- lang nicht abschließend geklärt. Vielmehr ist sie Gegenstand des laufenden staatsanwaltschaftlichen Er- mittlungsverfahrens. Im Lichte des Ergebnisses dieses Ermittlungsverfahrens wird die Bundesregierung prüfen, ob wegen mangelnder Zuverlässigkeit des Unterneh- mens weitere Genehmigungsverfahren auszusetzen oder erteilte Genehmigungen zurückzunehmen sind. Heckler & Koch beteuert, im Einvernehmen mit der Ausfuhrge- nehmigung des Bundesamtes für Wirtschaft und Aus- fuhrkontrolle ausschließlich an die dafür gesetzlich vor- gesehene Waffeneinkaufsbehörde, D.C.A.M., welche dem mexikanischen Verteidigungsministerium unter- steht, geliefert zu haben. Das BAFA hatte den Antrag von Heckler & Koch ausschließlich für 28 der 32 mexi- kanischen Bundesstaaten genehmigt, da in den anderen Bundestaaten anhaltende Menschenrechtsverletzungen vorliegen. Vor diesem Hintergrund der Strafanzeige von Jürgen Grässlin begrüßt Heckler & Koch die Maßnah- men der Staatsanwaltschaft, da vom Anzeigeerstatter bisher nur einseitige Informationen über mediale Kanäle verbreitet wurden. Die Fraktion Die Linke hat bereits vermehrt die Kon- trolle des Endverbleibs deutscher Kriegswaffen und Rüstungsgüter als „unzureichend“ kritisiert. Seien Sie jedoch versichert, dass bei jedem Antrag auf Ausfuhrge- nehmigung eine strikte Einzelfallprüfung stattfindet. Die Bundesregierung prüft und bewertet vor Erteilung einer Genehmigung für die Lieferung von Rüstungsgütern alle vorhandenen Informationen über den Endverbleib der betroffenen Rüstungsgüter. Dies sehen der „Gemein- same Standpunkt 2008/944/GASP des Rates vom 8. De- zember 2008 betreffend gemeinsame Regeln für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie und Mili- tärgütern“ und die entsprechenden Regelungen der „Po- litischen Grundsätze der Bundesregierung für den Ex- port von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern“ vom 19. Januar 2000 vor. Sofern es keine Zweifel am Endverbleib der zu liefernden Kriegswaffen gibt und die übrigen für eine Genehmigung eines Kriegswaffenex- ports notwendigen rechtlichen und politischen Voraus- setzungen gegeben sind, können Genehmigungen erteilt werden. Durch die Ex-ante-Prüfung wird von vornherein gesichert, dass Rüstungsgüter nicht an Empfänger gelie- fert werden, bei denen die Gefahr besteht, dass die Güter umgeleitet werden. Wenn Zweifel am gesicherten End- verbleib beim Empfänger bestehen, werden Ausfuhran- träge abgelehnt. Darüber hinaus sichern Empfänger in sogenannten Endverbleibserklärungen der Bundesregierung zu, die betreffenden Güter nicht ohne Zustimmung der Bundes- regierung an andere Staaten weiterzuverkaufen. Dies wird grundsätzlich bei allen Exporten von Rüstungs- gütern verlangt. Lieferungen von Kriegswaffen sowie sonstigen Rüstungsgütern, die nach Umfang oder Be- deutung für eine Kriegswaffe wesentlich sind, dürfen nur bei Vorliegen von amtlichen Endverbleibserklärun- gen, die ein Reexportverbot mit Erlaubnisvorbehalt ent- halten, genehmigt werden. Die Bundesregierung lässt sich zusätzlich zu den Endverbleibserklärungen weitere geeignete Dokumente wie zum Beispiel Erläuterungen des Empfängers zum beabsichtigten Verwendungs- zweck, technische Unterlagen oder internationale Ein- fuhrbescheinigungen (International Import Certificates) vom Endempfanger deutscher Rüstungsgüter vorlegen. Die Vereinbarkeit von Waffenexporten mit dem Frie- densgebot des Grundgesetztes ist somit gewährleistet. Die Bundesregierung erhält im Zusammenhang mit außenwirtschafts- bzw. kriegswaffenrechtlichen Geneh- migungsverfahren in Form der Genehmigungserteilung laufend einen Überblick über den Endverbleib von der Bundesrepublik Deutschland ausgeführten Rüstungs- gütern. Eine Genehmigung für die Vergabe von Lizen- zen ist nach dem Außenwirtschaftsgesetz, AWG, und/ oder dem Kriegswaffenkontrollgesetz, KWKG, erforder- lich, wenn im Zusammenhang mit der Lizenzerteilung Technologie in Form von Know-how, Fertigungsunterla- gen und -maschinen oder Komponenten ausgeführt wer- den sollen, die selbst dem AWG und/oder KWKG unter- fallen. Alle Entscheidungen über Rüstungsexporte werden nach sorgfältiger Abwägung der außen-, sicher- heits- und menschenrechtspolitischen Belange im Ein- zelfall getroffen. Zusätzlich kann die Bundesregierung nachträglich Überprüfungen der Einhaltung von Endver- bleibserklärungen durchführen. Erkenntnisse, ob die der Genehmigung zugrunde liegenden Informationen zutref- fend waren, können sich aus nachrichtendienstlichem Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 90. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Februar 2011 10227 (A) (C) (D)(B) Aufkommen, aus dem Informationsaustausch mit ande- ren Regierungen sowie aufgrund der bei exportierenden Unternehmen durchgeführten Betriebsprüfungen erge- ben. Die Einhaltung eingegangener Endverbleibszusagen ist für die Bundesregierung eine wichtige Voraussetzung für die etwaige Erteilung weiterer Ausfuhrgenehmigun- gen. In Fällen des begründeten Verdachts auf Verstöße gegen Endverbleibszusagen, wie im Fall Heckler & Koch, wird die Erteilung von Ausfuhrgenehmigungen für den betreffenden Empfänger so lange ausgesetzt, bis der Sachverhalt umfassend aufgeklärt ist. Die Entschei- dung, ob die Erklärungen eines Landes oder eines Unter- nehmens generell als nicht verlässlich einzustufen sind, muss die Bundesregierung wegen der damit verbunde- nen Folgen mit großer Sorgfalt treffen. Hierfür ist es er- forderlich, dass der Sachverhalt weitestgehend aufge- klärt ist. Dies ist wegen des noch andauernden Ermittlungsverfahrens jedoch nicht der Fall. Deshalb ist es sehr wohl sachlich zu begründen, dass der Export- stopp nicht für alle Exporte des Unternehmens, sondern nur für die nach Mexiko gilt. Für eine Aussetzung der Bearbeitung von Exportanträgen anderer deutscher Fir- men nach Mexiko besteht bislang kein Anlass. Das deutsche System der Exportkontrolle für Rüs- tungsgüter gewährleistet in zuverlässiger Weise die Sicherung des Endverbleibs. Dies bestätigen die Erfah- rungen der deutschen Exportkontrollpraxis. Die Bundes- regierung hat seit Jahrzehnten gute Erfahrungen mit die- sen Regelungen gemacht. Nur in wenigen Einzelfällen ist eine Umleitung bekannt geworden. Der Antrag der Fraktion Die Linke bezeichnet zudem den Export von Kleinwaffen als „unkalkulierbares Ri- siko und ernsthaftes Problem für den Frieden, die Si- cherheit und die soziale Stabilität“. Dass der unerlaubte Handel mit Klein- und Leichtwaffen ein sicherheitspoli- tisches Problem ist, wurde jedoch längst nicht nur auf nationaler, sondern auch auf europäischer und internatio- naler Ebene erkannt. Deutschland engagiert sich aktiv im Rahmen des VN-Kleinwaffenprozesses, der den glo- balen Referenzrahmen für Bemühungen um Kleinwaf- fenkontrolle bildet. Darüber hinaus bemüht sich Deutschland auch in spezifischen Thematiken wie Mar- kieren und Nachverfolgen, Lagerverwaltung und Um- gang mit Munitionsbeständen um Fortschritt mittels För- derung von regionalen Seminaren und Konferenzen der Vereinten Nationen, Organisation von Expertentreffen sowie Einbringung spezifischer VN-Resolutionen. Zur Förderung konkreter Maßnahmen der Projektarbeit ist Deutschland im Rahmen der in New York tagenden Gruppe interessierter Staaten (GIS – Group of Interested States) engagiert. Die EU und ihre Mitgliedstaaten gehören mit ihrem Engagement im Kleinwaffenbereich zu den wichtigsten Akteuren weltweit. Bereits in der 2003 im Auftrag des Hohen Vertreters der EU für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP), Javier Solana, erstellten und von ihm dem Europäischen Rat vorgelegten Euro- päischen Sicherheitsstrategie wird die Gefahr der illega- len Kriminalität am Beispiel des unerlaubten Handels mit Klein- und Leichtwaffen thematisiert. Im Dezember 2005 verabschiedete der Europäische Rat die EU-Klein- waffenstrategie, deren Umsetzung einen Schwerpunkt der deutschen EU-Präsidentschaft in der ersten Hälfte des Jahres 2007 bildete. Zuletzt hat der Rat sich über eine Maßnahme der EU zur Bekämpfung des unerlaub- ten Handels mit Kleinwaffen und leichten Waffen auf dem Luftweg (Ratsdokument 8679/10 vom 29. Oktober 2010) geeinigt. Deutschland engagiert sich darüber hi- naus auch im Rahmen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, OSZE. Die OSZE hat bereits im November 2000 das Dokument über Klein- waffen und leichte Waffen verabschiedet, das gemein- same Ausfuhr- und Überschusskriterien aufstellt, regio- nale Transparenz von Kleinwaffentransfers schafft und die Grundlage für einen umfassenden Informationsaus- tausch bildet. Im Rahmen einer von Deutschland finan- ziell unterstützten zweitägigen Konferenz im September 2009 wurden noch bestehende Defizite und mögliche Schritte zur Verbesserung der Umsetzung des OSZE- Kleinwaffendokuments identifiziert. Deutschland enga- giert sich auch bilateral vielfältig im Kleinwaffenbe- reich. Einen Schwerpunkt bildet z. B. die Projektarbeit in Subsahara-Afrika und Osteuropa sowie die enge Zu- sammenarbeit mit den Mitgliedstaaten der Arabischen Liga, AL, um das Thema Kleinwaffenkontrolle in der Region stärker zu verankern. Vor diesem Hintergrund des deutschen Engagements in der Kleinwaffenkontrolle auf allen Ebenen sowie auf- grund der positiven Erfahrungen der deutschen Export- kontrollpraxis, die nicht nur dem in Europa üblichen System entspricht, sondern darüber hinaus als wirksa- mes Kontrollsystem anerkannt ist und weltweit hohes Ansehen genießt, ist der Antrag der Fraktion Die Linke „Alle Waffenexporte des Oberndorfer Kleinwaffenher- stellers verbieten“, abzulehnen. Rolf Hempelmann (SPD): Die Kontrolle des Ex- ports von Kriegswaffen ist ein Thema, mit dem sich die SPD-Bundestagsfraktion schon sehr lange beschäftigt. Bereits in den 70er-Jahren wurden Grundsätze der Rüs- tungs- und Waffenexportkontrolle formuliert, die bis heute gelten. Schon aus unserer eigenen Vergangenheit fühlen wir uns einer restriktiven Rüstungs- und Waffen- exportpolitik verpflichtet. Geregelt ist der Export von Rüstung und Waffen im Außenwirtschaftsgesetz, im Kriegswaffenkontrollgesetz und in den „Politischen Grundsätzen der Bundesregie- rung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern“. Bei Rüstungsexporten in andere Län- der als EU-Mitgliedstaaten, NATO-Länder und NATO- Ländern gleichgestellte Staaten hat sich die Bundesrepu- blik eben einer restriktiven Rüstungsexportpolitik ver- pflichtet. Auch in Europa schweben wir nicht im leeren Raum. Im Gemeinsamen Standpunkt 2008/944/GASP des Rates haben wir uns mit unseren Partnern in der Europäischen Union Regeln für die Kontrolle der Aus- fuhr von Militärtechnologie und Militärgütern gesetzt. Wir, die SPD-Bundestagsfraktion, halten Kriterien wie Achtung der Menschenrechte und des humanitären Völ- kerrechts, Beachtung der nachhaltigen Entwicklung in 10228 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 90. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Februar 2011 (A) (C) (D)(B) den Empfängerländern, Friedenserhalt und Konfliktver- meidung bei der Bewertung von Waffenexporten für ab- solut entscheidend. Negative Bewertungen müssen dann auch zum Entzug von Genehmigungen führen, bezie- hungsweise es dürfen dann keine Genehmigungen erteilt werden. Jedoch sehen wir bei der derzeitigen Bundesre- gierung die Aufweichungstendenzen bei der konsequen- ten Durchsetzung einer restriktiven Rüstungspolitik. Dies scheint natürlich konsequent. So spricht die Koali- tion in ihrem Koalitionsvertrag auch nicht mehr von „res- triktiver“, sondern von „verantwortungsbewusster Geneh- migungspolitik für die Ausfuhr von Rüstungsgütern“. Nun liegt uns ein Antrag der Fraktion Die Linke vor, wonach alle Waffenexporte eines Exporteurs verboten werden sollen. Ja, die Überschrift lässt mehr erwarten, als der Antrag dann hält. Es ist gut und richtig, dass wir uns hier und heute mit möglichen Verstößen gegen das Außenwirtschafts- und das Kriegswaffenkontrollgesetz befassen. So etwas muss auf unsere Tagesordnung und in unser Bewusstsein. Gerade vor dem Hintergrund, dass es nicht das erste Mal ist, dass die Heckler & Koch GmbH – und um die geht es hier, auch bei der ein wenig verklausulierten Formulierung des Antragstitels – in die Schlagzeilen geraten ist. Schon mehrfach standen sie im Verdacht, das Außenwirtschafts- und das Kriegswaffen- kontrollgesetz verletzt zu haben. Schon mehrfach tauch- ten in Spannungsgebieten Waffen von ihnen auf. In diese Gebiete dürfen keine Waffen geliefert werden. Hinter- grund dieser Regelung ist, dass, wer Waffen in ein Span- nungsgebiet an Konfliktparteien liefert, sich mindestens faktisch zur Konfliktpartei macht, weil er den Konflikt sehr konkret unterstützt. Bei den vorherigen Malen er- härteten sich die Vorwürfe nicht zu einem konkreten Strafdelikt. Hier handelt es sich derzeit um ein schwe- bendes Verfahren. Die Durchsuchungen waren im De- zember, deren Ergebnisse werden erst noch ausgewertet. Diesbezüglich sollten wir die Ermittlungen der Staatsan- waltschaft abwarten. Jedoch muss schon jetzt beachtet werden, dass nach den Grundsätzen der Bundesregierung zum Export von Kriegswaffen Zuverlässigkeit des Exporteurs ein wichti- ges Kriterium zur Erteilung der Exportgenehmigung ist. Die Bundesregierung hat nach eigener Aussage die Be- arbeitung von Anträgen, die das Unternehmen Heckler & Koch für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern nach Mexiko gegenwärtig gestellt hat, ausgesetzt. Die Frage, die sich hier stellt: Wie weit ist die Fortsetzung von möglichen kriminellen Aktivitäten eingeschränkt, wenn nur die Neuerteilung von Genehmi- gungen an Heckler & Koch nach Mexiko nicht weiter er- folgt, erteilte Genehmigungen aber fortbestehen und Ge- nehmigungen zum Export in andere Länder erteilt werden. Rüstungs- und Waffenexport ist ein hochsensibles Thema, bei der Kontrolle geht es auch um unser außen- politisches Ansehen – um das außenpolitische Ansehen Deutschlands. Laufende staatsanwaltschaftliche Ermitt- lungen zu möglichen Verstößen gegen das Außenwirt- schafts- und Kriegswaffenkontrollgesetz führen trotz des Rechtsgrundsatzes der Unschuldsvermutung zu Zwei- feln an der Zuverlässigkeit des Exporteurs. Und, weil dieses Thema so hochsensibel ist, ist es dann nicht kon- sequent, auch bestehende Genehmigungen für die Dauer des Verfahrens auszusetzen und keine neuen Genehmi- gungen zu erteilen? Da gehen unsere Vorstellung deut- lich über die im vorliegenden Antrag formulierte Auffor- derung hinaus. Die SPD-Bundestagsfraktion sieht aber noch ein an- deres Problem. Wir finden, die Informationspolitik der Bundesregierung ist unzureichend. Seit April 2010 er- mittelt die Staatsanwaltschaft. Die Durchsuchungen fan- den im Dezember 2010 statt. Aber erst auf die Anfrage der Linken äußert sich die Bundesregierung im Januar 2011 zu der Problematik. Das ist zu spät und, wenn man sich die Antworten der Bundesregierung ansieht, zu we- nig. Wenn im Bereich des Waffen- und Rüstungsexpor- tes solche Probleme mit einem Exporteur auftreten, muss eine unverzügliche Mitteilung an das Parlament er- folgen. In diesem hochsensiblen Bereich müssen wir über bessere Beteiligungs- und Informationsformen des Parlaments nachdenken. Wir können das nicht allein und zu 100 Prozent der Exekutive überlassen. Diesen Antrag zum Anlass nehmend sollten wir uns daher über eine ef- fiziente Beteiligung des Parlaments Gedanken machen. Zwar ist die Genehmigung von Rüstungsexporten Sache der Exekutive, aber uns obliegt die Kontrolle, und ohne umfangreiche Informationen kann keine wirkliche Kon- trolle erfolgen. Dabei müssen wir natürlich beachten, Geschäftsgeheimnisse, nicht zu publizieren und uns als Parlament nicht zu überlasten. Aber auch ein anderer Gesichtspunkt erscheint uns wichtig: Es besteht immer noch ein Problem in der Transparenz, wie viele Waffen nun exportiert werden. Zwar wird im Rüstungskontrollbericht dargestellt, für welche Anzahl von Waffen Genehmigungen erteilt wur- den. Es wird aber nicht erhoben und kontrolliert, wie viel letztendlich davon exportiert wird. Diese Lücke zwi- schen genehmigten Waffenexporten und tatsächlich ex- portierten Waffen muss geschlossen werden. Wir brau- chen eine valide Erhebung der tatsächlichen Zahlen. Es gibt also viel zu besprechen und zu tun. Das sollten wir im zuständigen Ausschuss machen. Die Bundesre- gierung steht in der Pflicht, uns ausführliche Auskünfte zu erteilen und uns Vorschläge zu unterbreiten, wie eine valide Zahlengrundlage erlangt und wie in Zukunft das Verfahren zu einer effektiven Zusammenarbeit verbes- sert werden kann. Klaus Breil (FDP): Die Frage, ob die Oberndorfer Firma unter Verstoß gegen das deutsche Exportkontroll- recht Waffen nach Mexiko geliefert hat, ist keineswegs geklärt – so wie es die Linke uns suggerieren will. Viel- mehr ist sie Gegenstand eines laufenden staatsanwalt- schaftlichen Ermittlungsverfahrens. Bei jedem Antrag auf Ausfuhrgenehmigung findet eine strikte Einzelfallprüfung statt. Nur dann, wenn es keine Zweifel am Endverbleib der zu liefernden Kriegs- waffen gibt und die notwendigen rechtlichen und politi- schen Voraussetzungen gegeben sind, werden Genehmi- gungen erteilt. Die von den Linken geforderte Untersagung aller Ausfuhren käme einer Vorverurtei- lung gleich und ist in der Forderung maßlos. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 90. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Februar 2011 10229 (A) (C) (D)(B) In Deutschland entscheiden Gerichte über Schuld und Unschuld. Bis dahin herrscht die Unschuldsvermutung. Sie ist die Grundlage eines jeden Rechtsverfahrens. Of- fensichtlich hat sich dies bei den Linken noch nicht he- rumgesprochen. Oder schimmert hier vielmehr der wahre Kern der Linken unter einer demokratischen Lackschicht hervor? Frei nach dem Motto: Wer schuld ist, bestimmt immer noch die Partei und nicht irgendwel- che Gerichte. Würde man schließlich der verdrehten Lo- gik eines Generalverbotes folgen, müßte konsequenter Weise die Fraktion der Linken bei jedem vagen Stasi- verdacht gegen eines ihrer Mitglieder sofort die Arbeit einstellen und die Fraktion auflösen. Im Übrigen hat es in der Vergangenheit bereits mehr- fach Versuche gegeben, dem Unternehmen in Oberndorf angeblich illegale Rüstungsexporte anzuhängen. Sie alle waren haltlos und sind im Sande verlaufen. Zudem rich- tet sich das Ermittlungsverfahren nicht gegen das Unter- nehmen selbst, sondern gegen bestimmte Personen, die für das Unternehmen tätig sind oder waren. Daher kön- nen selbst im Falle eines erwiesenen Verstoßes gegen au- ßenwirtschafts- oder kriegswaffenkontrollrechtliche Vor- schriften nur diese Personen belangt werden und nicht das Unternehmen selbst – sofern die betroffenen Perso- nen nicht mehr an verantwortlicher Stelle im Unterneh- men tätig sind. Vielmehr scheint mir das Ziel der Linken ein ganz an- deres zu sein: Es geht ihr um die Schwächung unlieb- samer Unternehmen und um die Destabilisierung des Sicherheitsgefüges im Ganzen: Schließlich beliefert das Oberndorfer Unternehmen die Streit- und Sicherheits- kräfte von NATO- und EU-Staaten. Diese sind auf eine permanente Ersatzteilversorgung angewiesen. Die Ver- sorgung aufrechtzuerhalten ist bei einem Exportverbot undenkbar. Das Vertrauen in die Lieferzuverlässigkeit der gesamten deutschen Rüstungsindustrie sowie in die Berechenbarkeit der deutschen Rüstungsexportpolitik würde erschüttert. Zudem ist das Unternehmen wichtiger Lieferant für die Bundeswehr und die Polizeien in Deutschland. Eine erzwungene Beschränkung auf den Binnenmarkt durch ein völliges Exportverbot hätte zur Folge, daß die Fertigungskapazitäten nicht mehr ausge- lastet werden könnten. Das Unternehmen wäre wirt- schaftlich nicht mehr zu führen. Arbeitsplatzverluste und gegebenenfalls eine völlige Schließung des Unterneh- mens wären die Folge. Allein hierum geht es den Lin- ken. Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Beschlussempfehlung und Bericht: Men- schenrechtsschutz bei den OECD-Leitsät- zen für multinationale Unternehmen stärken – Antrag: Verpflichtender Menschenrechts- schutz bei den OECD-Leitsätzen für multi- nationale Unternehmen – Antrag: Die Revision der OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen als Chance für einen stärkeren Menschenrechtsschutz nutzen (Tagesordnungspunkt 14 a und b und Zusatzta- gesordnungspunkt 7) Jürgen Klimke (CDU/CSU): Fast monatlich hören wir in den Medien, dass Textilarbeiter zum Beispiel in Bangladesch, dem Zentrum der Textilproduktion für Deutschland, auf die Straße gehen und für bessere Arbeitsbedingungen kämpfen. Die Arbeiter der rund 4 500 Textilfabriken des Landes, in denen auch zahlrei- che westliche Firmen wie zum Beispiel H&M und Levi Strauss produzieren lassen, protestieren dagegen, dass ihre Arbeitgeber ihnen keine Pausen gewähren, keinen zum Leben angemessenen Mindestlohn zahlen oder ihre Gewerkschafts- und Versammlungsrechte massiv ein- schränken. Ganz klar gesagt: Menschenunwürdige Arbeitsbedin- gungen, wie wir sie in vielen Partnerländern vorfinden, sind unakzeptabel, gerade auch im Hinblick auf die menschenrechtlichen Grundsätze unserer westlichen Industriegesellschaft. Richtig verstandene Unterneh- mensverantwortung deutscher und internationaler Un- ternehmen muss sich an den tatsächlichen Produktions- bedingungen in unseren Partnerländern messen lassen. Dieses verantwortungsvolle Bewusstsein ist noch nicht in allen deutschen Unternehmen so ausgeprägt, dass sie Unternehmensverantwortung positiv auch für die Ar- beitsbedingungen vor Ort umsetzen. Vielen Unterneh- men muss erst einmal bewusst gemacht werden, wel- chen wirtschaftlichen Vorteil ein nachhaltiger Einsatz für gute Arbeitsbedingungen hat. Es gibt Leuchtturmunternehmen, die Vorreiter und Beleg dafür sind, dass die neue Form des „Social Busi- ness“ einen Mehrwert für jedes Unternehmen hat. Man- che haben diesen Weg bereits kräftig eingeschlagen; ich möchte an dieser Stelle unter anderem OTTO, Puma, hessennatur oder adidas benennen. Diese Unternehmen haben bei dem CSR-test 08/2010 in der Zeitung der Stif- tung Warentest positiv abgeschnitten. Gerade die OTTO AG, ein Unternehmen aus meinem Wahlkreis Hamburg- Wandsbek, spielt eine besondere Vorreiterrolle. Neben seinen Umweltstiftungen hat das Unternehmen eine neue Kooperation im Rahmen von „Social Business“ mit dem Friedensnobelpreisträger Yunus gestartet. Ziel ist es, eine Textilfabrik in Bangladesch aufzubauen, die die Vorgaben der ILO, nämlich akzeptable Arbeitsbedingun- gen, erfüllt. Diesen Schritt unternimmt die OTTO AG gerade unter dem Eindruck seiner erfolgreichen „Social Business“-Vorhaben in Afrika – Vorhaben, bei denen für Baumwollfarmer Know-How-Transfer geleistet wurde, damit sie zukünftig effektiver anbauen können, Vorha- ben, bei denen 150 000 Farmern gerechte Preise für die Rohstoffe gezahlt wurden. Es ist die Pflicht eines jeden Menschenrechtlers und Entwicklungspolitikers, der sich mit diesem Thema be- schäftigt, gerade das Engagement solcher Unternehmen bei jeder passenden Gelegenheit hervorzuheben. Dieser 10230 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 90. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Februar 2011 (A) (C) (D)(B) Weg des positiven Hervorhebens oder, im Gegenteil, des öffentlichkeitswirksamen An-den-Pranger-Stellens, wie bei den Beispielen Lidl oder KiK geschehen, ist der sinnvollste Weg, wie wir mit diesem Thema umzugehen haben. Ich bin der Auffassung, dass wir bei diesem Thema parteiübergreifend keinen Dissens haben dürfen und würde mir wünschen, dass gerade auch die Grünen posi- tive Leuchtturmprojekte als Chance sehen, sozialen Fortschritt in unseren Partnerländern zu organisieren. Es ist falsch, die grundsätzlich ethisch verantwortungsvolle deutsche Wirtschaft oder gar den deutschen Mittelstand immer wieder grundsätzlich moralisch zu attackieren. Damit erreichen Sie nur das Gegenteil. Dies sollte sich die Opposition endlich einmal hinter die Ohren schrei- ben. Mich freut es daher, dass die Bundesregierung unse- ren positiven Ansatz auch inhaltlich, neben den interna- tionalen Abkommen der OECD, auf die ich später noch eingehen werde, weiterführt. Ich möchte in diesem Zu- sammenhang besonders auf die Bemühungen der Ar- beitsministerin von der Leyen eingehen, die versucht, mit dem Aktionsplan CSR eine neue Benchmark für die deutschen CSR-Bemühungen zu setzen. Ziel der Initiative ist es, verstärkt kleine und mittel- ständische Unternehmen für CSR zu gewinnen. Gleich- zeitig soll nachhaltige Unternehmenspolitik mehr Anerkennung erfahren. Wichtig ist auch, dass die Bun- desregierung gesellschaftliche Verantwortung besser in Unternehmen und öffentlicher Verwaltung verankern will. Diesen Ansatz ihres Hauses hat die Ministerin unter anderem auch in Davos beim Weltwirtschaftsforum vor- getragen. Damit ist klar, welchen Weg die Bundesrepu- blik hier gehen möchte. Gleichzeitig steht für die Bundesregierung und die internationale Gemeinschaft die Überarbeitung der OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen auf der Agenda. Hier gibt es, nicht nur in meiner Fraktion, sondern im gesamten Haus sehr unterschiedliche Auffas- sungen von Sinn und Zweck der Leitlinien bis hin zur Frage, wie wir eine wirkliche Verbesserung erreichen können. Mir ist es wichtig, dass die Bundesregierung sich der Überarbeitung der Leitsätze der OECD positiv nähert. Es ist zu beachten, dass die OECD-Leitsätze das weltweit einzige Instrument sind, das die Förderung glo- baler Unternehmensverantwortung im Blick hat. 31 Staaten haben sich diesen Leitsätzen verpflichtet, und Deutschland muss ein Vorreiter bei der nachhaltigen Umsetzung dieser Leitlinien sein – gerade auch im Hin- blick auf die Vorbildfunktion gegenüber anderen Part- nern. Im Folgenden möchte ich die Forderungen der CDU/ CSU-Fraktion ansprechen, die bei dem derzeitigen Dis- kussionsprozess angesprochen werden müssen. Die Menschenrechte müssen in den Formulierungen mehr Gewicht erhalten. Sie sollen daher in einem eigenen Ka- pitel behandelt werden. Es ist zu diskutieren, ob die Menschenrechte ein rechtlich einklagbares Kriterium bei den OECD-Leitsätzen sind und wie sie möglicherweise auf alle Geschäftstätigkeiten eines Unternehmens ausge- weitet werden können. Wichtig zu diskutieren ist, wie mögliche Sanktionsmechanismen für deutsche Unter- nehmen aussehen können, die sich nicht an die Leitsätze halten. Ich halte es für sinnvoll, wenn Unternehmen mit nicht nachhaltigem Wirtschaften von staatlichen Förder- instrumenten eine Zeit lang ausgeschlossen werden. Wir sollten zudem diskutieren, wie wir die Zuständig- keiten über die OECD-Leitsätze im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie inhaltlich von dem Refe- rat trennen, das auch gleichzeitig für die Genehmigung von Bürgschaften entscheidet. Die derzeit dort entste- henden Interessenkonflikte dürfen nicht sein und unter- graben auch die Glaubwürdigkeit, mit der die Bundesre- gierung die Leitlinien umsetzen will. Als letzten inhaltlichen Aspekt möchte ich mich an dieser Stelle noch mit dem Argument des Rechtsschut- zes für Geschädigte gegenüber den internationalen Unternehmen auseinandersetzen. In diesem Zusam- menhang kommen die Instrumente der deutschen Ent- wicklungspolitik und die Arbeit der deutschen Stiftun- gen im Ausland ins Spiel. Wichtig ist, dass Deutschland verstärkt Rechtsberatung als einen Schwerpunkt der ge- meinsamen Entwicklungspolitik mit unseren Partnerlän- dern in Regierungsverhandlungen verankert. Der Grund ist, dass oftmals deutsche Unternehmen, selbst wenn sie es wollten, keine Handhabe haben, Sozialstandards in den produzierenden Partnerländern durchzusetzen, da die Rechtssysteme vor Ort kein Arbeitsrecht kennen. Daher wäre es auch nicht gerecht, dass deutsche und in- ternationale Unternehmen in ihren Heimatländern vor internationalen Gerichten verklagt werden können. Es muss in der Selbstverantwortung der Partnerländer lie- gen, ein Arbeitsrecht zu schaffen, das den Arbeitern vor Ort ermöglicht, Recht erst einmal im eigenen Land zu erhalten. In diesem Zusammenhang möchte ich auch die ILO, die Arbeitsrechtsorganisation der UN, in die Pflicht nehmen, endlich ihre internationalen Ansätze nachhalti- ger und einklagbarer umzusetzen. Oftmals werden die zu 100 Prozent zu unterstützenden ILO-Arbeitsnormen in den Partnerländern nicht ernst genommen, da die rechtli- che Verbindlichkeit fehlt. Ich bin der Auffassung, dass wir auch hier einen neuen internationalen Mechanismus zur wirksamen Durchsetzung der Normen finden müs- sen. Abschließend ist somit zu sagen, dass wir alle die Chancen in Fragen der Unternehmensverantwortung er- kennen müssen. Wir müssen internationale Verträge neu justieren und der Wirtschaft vor Augen führen, welchen Imagegewinn sie durch nachhaltige CSR erhalten. Daher muss unsere Nachricht an die CSR-Welt lauten, dass es keinen Wettbewerb zulasten von Sozialstandards zwi- schen importierenden deutschen und internationalen Un- ternehmen geben darf. Die Bundesregierung nimmt sich dieser Maxime an; es ist der moralische Anspruch der deutschen Wirtschaft, hier in Gänze zu folgen. Ullrich Meßmer (SPD): 2011 ist ein wichtiges Jahr im Hinblick auf die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen. 2011 können in entscheidender Weise die Weichen für die Stärkung der Menschenrechte und den Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 90. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Februar 2011 10231 (A) (C) (D)(B) weiteren Ausbau der gesellschaftlichen Unternehmens- verantwortung gestellt werden. In Deutschland liegt seit einigen Monaten der Aktionsplan zur gesellschaftlichen Unternehmensverantwortung, kurz CSR, vor, dessen Umsetzung in diesem Jahr erfolgen wird. CSR oder Cor- porate Social Responsibility stellt die unternehmerische Gesellschaftsverantwortung in den Punkten Menschen- und Arbeitnehmerrechte, Gesellschaft und Umwelt auf freiwilliger Basis dar. Im Juni wiederum wird der UN- Menschenrechtsrat über die sogenannten Guiding Prin- ciples von John Ruggie, dem UN-Sonderberichterstatter für Wirtschaft und Menschenrechte, abstimmen. Zur sel- ben Zeit wird auch die Revision der OECD-Leitsätze ab- geschlossen sein. Die OECD-Leitsätze beinhalten Vorgaben zur Einhal- tung von Sozial- und Arbeitsstandards, zur Korruptions- bekämpfung, zur Steuerehrlichkeit sowie zum Umwelt- und Verbraucherschutz. Die Leitsätze stehen an der Schnittstelle zwischen verbindlichen und freiwilligen Ansätzen und gelten derzeit als das weitreichendste In- strument zur Stärkung der globalen Unternehmensver- antwortung. Für die 31 Mitgliedstaaten der OECD sowie für 11 weitere Staaten, die sich den Leitsätzen ange- schlossen haben, sind diese verbindlich; für Unterneh- men sind sie freiwillig. Aufgrund der Leitsätze haben bereits 42 Staaten sogenannte nationale Kontaktstellen eingerichtet, die die Leitsätze implementieren, über ihre Einhaltung wachen und Beschwerden entgegennehmen. John Ruggie sowie viele Nichtregierungsorganisatio- nen hatten seit längerem den Reformbedarf der Leitsätze unterstrichen und auf verschiedene Schwachstellen hin- gewiesen. Gleichzeitig betonten sie aber auch ihr Poten- zial, die Regelungslücke zwischen den zunehmenden Rechten von Unternehmen und den fehlenden korres- pondierenden Pflichten zu schließen. Mit seinem Rah- menwerk Guiding Principles will Ruggie zwischen den bestehenden teils freiwilligen, teils verbindlichen Nor- men vermitteln. Sein Rahmenwerk beruht auf drei Säu- len: erstens Protect, also die staatliche Verpflichtung, die Menschenrechte gegenüber Verletzungen Dritter zu schützen; zweitens Respect, also die Verantwortung von Unternehmen, die Menschenrechte zu respektieren; drit- tens Remedy, also Zugang der Opfer zu effektiven Be- schwerde- und Abhilfemaßnahmen. In diesem Kontext treten die Schwachstellen der Leit- sätze deutlich zutage und bewegen sich zugleich die Ver- handlungen über ihre Revision. Um folgende Schwach- stellen geht es im Wesentlichen: erstens der zu schwache Bezug zu den Menschenrechten; zweitens die stark divergierende Ausstattung, Anbindung und Arbeitsweise der nationalen Kontaktstellen; drittens der zu große Spielraum beim Investitionsbezug; viertens die fehlen- den Sanktionsmöglichkeiten; fünftens die fehlende Transparenz in der Steuerlegung der Unternehmen. Kommen wir zu den Menschenrechten. Obwohl die Einhaltung der Menschenrechte für verantwortliches Unternehmerhandeln wesentlich ist, haben die Men- schenrechte bislang nur Eingang in die Allgemeinen Grundsätze der OECD-Leitsätze gefunden. Auch wer- den die Menschenrechte durch den Zusatz „im Einklang mit den internationalen Verpflichtungen und Engage- ments der Regierung des Gastlandes“ eingeschränkt. Das widerspricht ihrem universellen Gültigkeitsan- spruch und bleibt hinter dem inzwischen international erzielten Konsens über die menschenrechtliche Verant- wortung von Unternehmen zurück. Umso mehr begrüßt der Deutsche Bundestag, dass die überarbeiteten OECD- Leitsätze ein eigenes Kapitel Menschenrechte haben werden. Wir als SPD-Fraktion hoffen darüber hinaus, dass das Menschenrechtskapitel nicht nur eine Hilfestel- lung für Unternehmen darstellt, sondern als Verpflich- tung für unternehmerisches Handeln betrachtet wird. Kommen wir zu den Problemen mit den nationalen Kontaktstellen, den sogenannten NKS. Hauptproblem sind die Zulassung von Beschwerdefällen und ihre Bear- beitung. Besonders in Deutschland werden Beschwerden häufig mit dem Hinweis auf den fehlenden Investitions- bezug, den sogenannten Investment Nexus abgewiesen. Auch die Ansiedelung der deutschen NKS im Bundes- wirtschaftsministerium in der Abteilung für Auslandsin- vestitionen ist nicht unproblematisch. Interessenkon- flikte sind hier vorprogrammiert. Im Rahmen der Überarbeitung wäre es daher sinnvoll, alle NKS auf Mindeststandards zu verpflichten, was ihre Unabhängig- keit und ihre Arbeit im Sinne der Betroffenen anbelangt. Auch die deutsche NKS sollte eine unabhängige Struktur bekommen, etwa nach dem Vorbild der niederländischen NKS, in der Experten verschiedener Fachrichtungen zu- sammenarbeiten. Ein weiteres Problem stellt der bereits erwähnte In- vestment Nexus dar. Der Investment Nexus verhindert häufig, dass die Leitsätze auch bei den Zulieferketten multinationaler Unternehmen angewendet werden, da viele Kontaktstellen – so auch die deutsche – Beschwer- den nur dann akzeptieren, wenn ein direkter Investitions- bezug nachweisbar ist. Hier bedauert die SPD-Fraktion, dass die von der Bundesregierung vertretene Position nur in „sehr begrenzten Einzelfällen“ eine Ausdehnung der OECD-Leitsätze auch auf die Lieferkette vorsieht. Wir fordern, dass der Geltungsbereich und die Wirksam- keit der OECD-Leitsätze über den Investment Nexus hi- naus erweitert wird, damit die OECD-Leitsätze auch auf die Lieferkette angewendet werden können. Darüber hi- naus ist es unabdingbar, dass ein Verstoß gegen die Leit- sätze für das jeweilige Unternehmen auch Konsequen- zen haben muss. Das einzige Druckmittel der OECD-Leitsätze sind so- genannte Abschlusserklärungen, die die nationalen Kon- taktstellen bei Verletzungen der Leitsätze erstellen. Hier spricht die NKS Empfehlungen an das Unternehmen aus. Hält sich Unternehmen nicht an die Empfehlungen, gibt es – von einer möglichen Rufschädigung einmal ab- gesehen – keine weiteren Sanktionsmöglichkeiten. Das ist unbefriedigend, darin sind sich Nichtregierungsorga- nisationen und zum Teil sogar Vertreter des CSR- Forums einig. Ein Verstoß gegen die Leitsätze sollte zukünftig für Unternehmen Konsequenzen haben. Bei der Überarbeitung könnten Sanktionsmechanismen vereinbart werden wie der zeitweilige Ausschluss von staatlichen Exportgarantien oder anderen staatlichen Un- 10232 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 90. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Februar 2011 (A) (C) (D)(B) terstützungsmaßnahmen für ausländische Direktinvesti- tionen und für den Außenhandel. Als Letztes fordern wir die Bundesregierung auf, bei der Überarbeitung auf länderbezogene Rechnungslegung der Unternehmen zu bestehen, damit globales unterneh- merisches Handeln transparent bleibt und problemati- sche Transaktionen – etwa über Steueroasen – sichtbar werden. Ziel muss es sein, die OECD-Leitsätze zu einem schlagkräftigen Instrument zur Stärkung der globalen Unternehmensverantwortung zu machen, damit die Ein- haltung der Menschenrechte für das gesamte unterneh- merische Handeln verpflichtend wird. Serkan Tören (FDP): Wir lehnen die vorgelegten Anträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion Die Linke ab. Die Anträge sind weder substan- tiiert, noch bieten sie inhaltlich etwas Neues und greifen in ein laufendes Verfahren ein, dessen Abschluss für Mitte 2011 geplant ist. Worum geht es genau? Die OECD-Leitsätze sind der weltweit einzige multilaterale und umfassend anerkannte Kodex zur Förderung globa- ler Unternehmensverantwortung. Derzeit werden die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen im Rahmen eines Revisionsverfahrens überprüft. In dem Revisionsprozess werden sowohl Menschenrechts- aspekte, Zulieferbeziehungen als auch die Funktionalität der nationalen Kontaktstellen und Verfahrensaspekte des Beschwerdeverfahrens als besondere Themen der Über- arbeitung aufgegriffen. Die Grünen und die Linken neh- men die Überarbeitung der OECD-Leitsätze nun zum Anlass für einen Antrag, der eine Reihe von überholten Forderungen enthält. All diese Forderungen sind aus Sicht der FDP vollkommen überflüssig. Denn die christ- lich-liberale Koalition verfolgt unter anderem – wie in den Anträgen gefordert – bereits das Ziel, dass die Men- schenrechte ein eigenes Kapitel in den OECD-Leitsätzen erhalten. Dies, sehr verehrte Kollegen der Opposition, hat ein Vertreter der Bundesregierung am 11. November 2010 bei der Unterrichtung zu den OECD-Leitsätzen im MR-Ausschuss auch hinreichend dargestellt. Daher ist Ihr Antrag umso erstaunlicher. Die Koalition aus CDU/CSU und FDP strebt an, dass der sogenannte Investment Nexus beibehalten wird. Dies ist aus Sicht der FDP insofern sachgerecht, als dass zu- erst eine Verbreitung der OECD-Leitsätze anzustreben ist statt eine Vertiefung. Bislang haben sich alle 31 OECD-Staaten und 11 weitere Industrienationen zu den OECD-Leitsätzen verpflichtet. Eine Verbreitung auf Staaten, die einen hohen Anteil an Unternehmen aufwei- sen, welche etwa in Afrika investieren, wäre ein weiterer wichtiger Schritt. Dazu zählen Länder wie die kommen- den Wirtschaftsmächte Indien und China. Eine Vertie- fung der Leitsätze würde von einem Beitritt abschre- cken. Darüber hinaus würde es Unternehmen aus Staaten, die den OECD-Leitsätzen beigetreten sind, Wettbewerbsnachteile verschaffen. Sanktionsmechanis- men, wie von der Opposition in den Anträgen vorge- schlagen, stellen ebenso eine kontraproduktive Verschär- fung der OECD-Leitsätze dar. Diese Sanktionsmecha- nismen sind hinderlich für das Ziel, die Akzeptanz der OECD-Leitsätze zu erhöhen und damit weitere Staaten zu einem Beitritt zu ermutigen. Im Zuge der Revision der OECD-Leitsätze für multi- nationale Unternehmen sind die Kompetenzen, die Orga- nisation und die Anbindung der nationalen Kontakt- stellen ohnehin ein zentraler Verhandlungsgegenstand. Daher ist diese Forderung der Opposition aus Sicht der Liberalen ebenfalls hinfällig. Im Lichte dieser Ausfüh- rungen sind die Anträge der Grünen und der Linken als vollkommen überflüssig abzulehnen. Annette Groth (DIE LINKE): Schon bei der Verab- schiedung der OECD-Leitsätze für multinationale Unter- nehmen im Jahr 1976 gab es deutliche Kritik der ent- wicklungspolitischen Organisationen an der fehlenden Verbindlichkeit der Leitsätze. Aus diesem Grund wird von den entwicklungspolitischen Initiativen und Organi- sationen seit vielen Jahren über die notwendige Weiter- entwicklung der OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen diskutiert. Germanwatch, Misereor und Transparency Deutschland fordern, dass die OECD-Leit- sätze endlich zu einem wirksamen Instrument gegen un- ternehmerisches Fehlverhalten ausgestaltet werden müs- sen. Im Zentrum ihrer Kritik steht der fehlende verbindliche Charakter der OECD-Leitsätze. Auch wenn transnationale Unternehmen Fehlverhalten an den Tag legen, führt eine Ahndung durch die nationalen Kontakt- stellen zu keinerlei direkten Konsequenzen für die be- troffenen Unternehmen. Warum brauchen wir verbindliche Regeln für welt- weites unternehmerisches Handeln? Damit sich Schick- sale wie das der 18-jährigen Näherin Fatema Akter aus Bangladesch nicht wiederholen. Fatema brach im De- zember 2009 während ihrer Schicht tot zusammen. Sie musste an sieben Tagen in der Woche 13 bis 15 Stunden in der Textilfabrik in der Hafenstadt Chittagong arbeiten und pro Stunde bis zu hundert Jeanshosen reinigen. Rund 80 Prozent der in der Fabrik hergestellten Textilien wurden für Metro produziert, ein deutsches Unterneh- men, für das die OECD-Leitsätze gelten. Für die Fraktion Die Linke muss unternehmerisches Handeln mit verbindlichen Arbeits- und Sozialstandards, aber auch Umweltschutz- und Verbraucherschutz- kriterien verbunden werden. Die Leitsätze haben hier lediglich erste Ansätze geliefert. Zwar wird in vielen be- triebswirtschaftlichen Lehrbüchern von „guter Unter- nehmensführung“ und „Best-Practice-Beispielen“ ge- schwärmt. Die Realität der Arbeit vieler transnationaler Unternehmen wird jedoch in vielen Regionen der Welt von ausbeuterischen Arbeitsbedingungen, fehlender Ge- sundheitsversorgung für die Beschäftigten und katastro- phalen Umweltauswirkungen begleitet. Freiwillige Selbstverpflichtungen haben sich in der Praxis als völlig unzureichend erwiesen, da für viele transnationale Un- ternehmen vor allem der Gewinn und nicht die men- schenrechtlichen Aspekte ihrer Arbeit im Vordergrund stehen. Nun besteht mit der Überarbeitung der OECD-Leit- sätze die Möglichkeit, die Leitsätze zu einem wirksamen Instrument zur Sicherung von Menschenrechten in mul- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 90. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Februar 2011 10233 (A) (C) (D)(B) tinationalen Unternehmen weiterzuentwickeln. Sowohl der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen als auch der SPD-Antrag haben positive Ansätze. Beide bleiben in ihren konkreten Forderungen jedoch halbherzig. Positiv ist, dass sich alle vorliegenden Anträge für eine Verände- rung der bisherigen Organisation der nationalen Kon- taktstellen einsetzen. Nationale Kontaktstellen müssen unabhängig von staatlichen Stellen und Ministerien wer- den. Die beiden anderen Anträge bleiben jedoch deutlich hinter den Forderungen der Linken zurück. Sowohl bei SPD als auch bei Grünen fehlt eine klare Forderung nach einer besseren personellen Ausstattung der nationalen Kontaktstellen. Wir sehen hierin eine wichtige Voraus- setzung für eine effektivere Arbeit der nationalen Kontaktstellen. Zurzeit stehen riesige Apparate der transnationalen Konzerne einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dieser Kontaktstellen gegenüber. Chan- cengleichheit in der Arbeit ist so in keiner Weise gege- ben. Wenn wir die nationalen Kontaktstellen als wirksa- mes Instrument zur Bekämpfung von Fehlverhalten weiterentwickeln wollen, kann dies nur mit angemesse- ner Personalausstattung geschehen. Deutlich unterscheiden sich die Anträge auch in der Forderung nach Einbeziehung von Gewerkschaften, Menschenrechts- und Entwicklungsorganisationen. Ein- zig die Linke setzt sich dafür ein, dass in Zukunft die na- tionalen Kontaktstellen paritätisch mit Vertreterinnen und Vertretern aus Ministerien, Gewerkschaften, Ent- wicklungs- und Menschenrechtsorganisationen besetzt werden. Wir sind davon überzeugt, dass nur durch die direkte Einbeziehung von unabhängigen Vertreterinnen und Vertretern in die nationalen Kontaktstellen eine un- abhängige Kontrolle der transnationalen Unternehmen erreicht wird. Die Linke tritt dafür ein, dass sich multinationale Un- ternehmen auch für die Verstöße ihrer Subunternehmen und Zulieferer gegen die Leitsätze verantworten müssen. Der Investment Nexus muss hierbei so weiterentwickelt werden, dass auch alle selbstständigen Subunternehmen und Zulieferbetriebe in den Geltungsbereich der Leit- sätze fallen und die bisherige Beschränkung der Leit- sätze auf grenzüberschreitende Investitionstätigkeiten auf alle Investitionen und Lieferbeziehungen der multi- nationalen Unternehmen erweitert wird. Die Linke ist davon überzeugt, dass Betroffene die Möglichkeit haben müssen, bei Fehlverhalten von Unternehmen ihre Forde- rungen individuell einklagen zu können. Dies setzt je- doch voraus, dass die von Unternehmen aus der EU ge- schädigten Bürgerinnen und Bürgern auch einen ungehinderten und kostenfreien Zugang zu Rechtsschutz innerhalb der EU erhalten, auch wenn sie keine EU-Bür- gerinnen und -Bürger sind. Mit der Revision der OECD- Leitsätze haben wir die große Chance, einen qualitativen Schritt zur Sicherung der Rechte von Betroffenen gegen- über multinationalen Unternehmen durchzusetzen. Ich hoffe, dass sich die Bundesregierung aufgrund einer übertriebenen Rücksichtnahme auf die Interessen der Großkonzerne dem nicht verweigert. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Im Vorfeld des Fackellaufes zu den Olympischen Spie- len in China wurden in der Stadt Kashgar in Xinjiang zahlreiche Uiguren willkürlich festgenommen. Diese Festnahmen gingen nicht etwa auf Straftaten zurück, sondern dienten lediglich dazu, befürchtete Proteste an- lässlich des Fackellaufs im Keim zu ersticken. Die Volkswagen AG ließ sich von diesen Menschenrechts- verletzungen im Umfeld des Fackellaufs nicht beirren und unterstützte den umstrittenen sogenannten Lauf der Harmonie großzügig. Zur Rechenschaft gezogen wurde Volkswagen für diese Entscheidung nie. Nun gelten in Deutschland wie auch in allen anderen OECD-Mitgliedstaaten seit 1976 Leitsätze für Unterneh- men. Es sollte uns sehr nachdenklich stimmen, dass diese Leitsätze das bisher am weitreichendste Instrument für die Stärkung der globalen Unternehmensverantwor- tung sind. Denn im Bemühen um eine bessere men- schenrechtliche Bindung von Unternehmen sind sie ein stumpfes Schwert. Dies liegt nicht allein daran, dass die Leitsätze für Unternehmen nicht verpflichtend sind, son- dern auf dem Prinzip der Freiwilligkeit beruhen. Die Menschenrechte haben in den Leitsätzen bisher keinen festen Platz. Nur im Grundsatzkapitel werden sie einmal kurz erwähnt. Dort heißt es, Unternehmen sollten die „Menschenrechte der von ihrer Tätigkeit betroffenen Menschen respektieren“, dies allerdings nur, wie es dort heißt, „im Einklang mit den internationalen Verpflich- tungen und Engagements der Regierung des Gastlands“. In der Praxis hieße dies beispielweise, dass internatio- nale Unternehmen weiterhin billigend in Kauf nehmen dürfen, dass ihre Subunternehmen in Kolumbien in still- schweigender Komplizenschaft mit Guerillas stehen, die für den Mord an Tausenden von Gewerkschaftern ver- antwortlich sind, und das nur, weil Kolumbien die grundlegenden Konventionen zum Schutz von Gewerk- schaftern nie unterzeichnet hat. Eine solch aufgeweich- ter Grundsatz ist das Papier nicht wert, auf dem er steht, und hat mit menschenrechtlicher Verpflichtung nichts zu tun. Obwohl in den Leitsätzen also ohnehin viel fehlt und ihre Einhaltung vom guten Willen der Unternehmen ab- hängt, wird in Deutschland noch nicht einmal das ge- ringe Potenzial dieser schwachen Leitsätze voll ausge- schöpft. Wir haben in Deutschland zwar eine sogenannte Nationale Kontaktstelle, die Beschwerden bei Missach- tung der Leitsätze bearbeiten soll. Doch das anfangs ge- nannte Beispiel veranschaulicht, dass wir es bei der deutschen Nationalen Kontaktstelle mit einem so gut wie zahnlosen und zudem äußerst lethargischen Tiger zu tun haben. Die meisten Beschwerden, die bei der Nationalen Kontaktstelle in den letzten Jahren eingingen, wurden abgelehnt. Häufig interpretierte die Kontaktstelle den Geltungsbereich der Leitsätze so willkürlich, dass sie sich in vielen Fällen als nicht zuständig bezeichnen konnte, so auch im Falle der Beschwerde gegen die Volkswagen AG. Gerade einmal drei Beschwerden hat die Kontaktstelle in den zehn Jahren ihres Bestehens als zulässige Beschwerdefälle angenommen, und das, ob- wohl die Beschwerdeführer, darunter viele renommierte NGOs, ihrerseits sehr glaubwürdig Verstöße gegen die Leitsätze geltend gemacht haben. Diese Arbeitsbilanz der Kontaktstelle ist ein Armutszeugnis für die deut- 10234 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 90. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Februar 2011 (A) (C) (D)(B) schen Bemühungen um eine stärkere Unternehmensver- antwortung und verdient die Bezeichnung Kontrolle nicht. Die Leitsätze werden nun nach langer Zeit wieder überarbeitet. Dies bietet die Gelegenheit, die Leitsätze endlich menschenrechtlich zu schärfen, sie auf alle Ge- schäftstätigkeiten von Unternehmen auszuweiten und die nationalen Kontaktstellen zu echten Kontrollorganen zu machen. Die Bundesregierung ist nun gefordert, sich genau dafür einzusetzen. Denn eine grundlegende Über- arbeitung der Leitsätze ist unumgänglich, wenn wir wol- len, dass massive Menschenrechtsverletzungen durch Unternehmen der Vergangenheit angehören. Doch selbst die besten Leitsätze nützen nicht viel, wenn es keine Möglichkeiten gibt, die Einhaltung der Regeln durchzusetzen, sie zu überwachen und Verstöße zu sanktionieren. Es kann nicht angehen, dass Unterneh- men, die direkt oder indirekt durch ihre Zulieferer Men- schenrechte verletzen oder Menschenrechtsverletzun- gen zumindest billigend in Kauf nehmen, weiterhin Förderungen des deutschen Staates erhalten, beispiels- weise in Form von Exportbürgschaften. Machen wir uns keine Illusionen, freiwillige Selbstverpflichtungen von Unternehmen, wie sie den Kolleginnen und Kollegen von der Koalition vorschweben, reichen nicht aus. Für Unternehmen muss es teuer werden, gegen Menschen- rechte zu verstoßen. Nur so werden wir langfristig einen wirkungsvollen Schutz vor Menschenrechtsverletzungen durch Unternehmen erreichen. Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Artikel-115-Gesetzes (Tagesord- nungspunkt 15) Norbert Barthle (CDU/CSU): Die Einführung der für Bund und Länder geltenden Schuldenbremse in das Grundgesetz ist eine haushalts- und finanzpolitische Leistung der großen Koalition der letzten Legislaturpe- riode, die für die nachhaltige Stabilität der öffentlichen Haushalte von zentraler und richtungsweisender Bedeu- tung ist. Die gemeinsam mit der SPD gefundene Rege- lung kann sich sehen lassen, wie nicht zuletzt die aktuel- len Diskussionen auf EU-Ebene zeigen. Um dauerhaft die öffentlichen Finanzen der Mitgliedstaaten zu stabili- sieren und damit die gemeinsame Währung Euro zu si- chern, werden vergleichbare Regelungen auch in den Partnerstaaten angeregt, wenn nicht sogar gefordert. Die deutsche Schuldenbremse könnte so ein Exportschlager werden, ohne dass dies in unserer Intention lag. Die rechtlichen Grundlagen der Schuldenbremse sind unter dem damaligen SPD-Bundesfinanzminister Peer Steinbrück verabschiedet worden. Es lohnt daher, sich die Situation zum Zeitpunkt der Einführung der Schul- denbremse nochmals vor Augen zu führen. Der Entwurf des Bundeshalts 2010, den Peer Steinbrück noch im Sommer 2009 – und damit vor der Bundestagswahl – vorlegte, sah eine Nettokreditaufnahme von 86,1 Mil- liarden Euro vor. Der zweite Entwurf des neuen Bundes- finanzministers Wolfgang Schäuble blieb leicht unter- halb dieser ursprünglichen Nettokreditaufnahme. In den Beratungen wurde dann das Soll der Nettokreditauf- nahme auf 80,2 Milliarden Euro gesenkt. Zum Zeitpunkt des Kabinettbeschlusses zum Entwurfs des Haushalts 2011 und Finanzplan bis 2013 wurde für 2010 ein Ist-Er- gebnis von 65,2 Milliarden Euro erwartet, das dann die Grundlage für die Festlegung des Abbaupfads des struk- turellen Defizits bis 2016 bildet. Der SPD-Antrag kritisiert nun diese Festlegung des Abbaupfads im Sommer 2010 anhand des damalig er- warteten Ist-Ergebnisses für die Nettokreditaufnahme und fordert ein Nachjustieren. Wir lehnen dieses Ansin- nen aus fachlichen Gründen ab und nehmen mit Verwun- derung zu Kenntnis, dass die SPD jetzt hinter den damals noch unter ihrem Bundesfinanzminister einge- führten und von ihr getragenen Regelungen zurückfällt. Diesen Sinneswandel muss sie selbst erklären. Der damals unter SPD-Riege eingeführte und heute von der SPD kritisierte Ermessungsspielraum hätte uns auch ermöglicht, das Steinbrück’sche Soll als Ausgangs- punkt nehmen zu können. Das hätte uns einen sehr viel größeren Spielraum für die Nettokreditaufnahme ermög- licht. Ähnliches gilt für den Fall, wenn wir das Soll 2010 unterstellt hätten. Wir haben jedoch darauf verzichtet und restriktiv das damals erwartete Ist-Ergebnis als Aus- gangspunkt gewählt. Die SPD wirft uns vor, wir würden uns einen Puffer anlegen, um in Zukunft zum Beispiel eine Steuersen- kung umzusetzen. Die christlich-liberale Koalition hat sich an anderer Stelle oft genug zu ihren Vorstellungen zu einer Steuersenkung geäußert, so dass ich das hier nicht wiederholen muss. Diese geht in der Tat nur dann, wenn entsprechende Handlungsspielräume erarbeitet werden. Mit der Wahl des damals erwarteten Ist-Ergeb- nisses haben wir bewusst auf „Buchungstricks“ verzich- tet. Hätten wir das Steinbrück’sche Soll unterstellt, hät- ten wir in der Tat vorgegaukelt, schon jetzt einen entsprechenden Handlungsspielraum zu haben. Da wir aber gerade darauf verzichtet haben, läuft der Vorwurf der SPD offensichtlich ins Leere. Wir werden uns den notwendigen Handlungsspielraum für eine Steuersen- kung solide erarbeiten. Denn die Union steht für eine so- lide Haushalts- und Finanzpolitik. Der Umgang mit dem Ermessungsspielraum muss auch praktisch umsetzbar sein. Ein mehr oder weniger laufendes Nachjustieren des Abbaupfads aufgrund sich laufend ändernder Parameter ist wenig hilfreich für eine nachhaltige Haushalts- und Finanzpolitik. Das Vertrauen in die Wirkung der Schuldenbremse wird damit nicht ge- wonnen. Vielmehr wird ein hektischer Anpassungsmara- thon eingeleitet, der am Ende niemandem hilft. Das Ergebnis wäre Willkür und damit gerade das, was mit der Schuldenbremse vermieden werden sollte. Das lehnen wir ab. Wir wollen dies dem geordneten Haus- haltsaufstellungsverfahren überlassen. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 90. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Februar 2011 10235 (A) (C) (D)(B) Unabhängig davon, wie der Abbaupfad festgelegt wird, am Ende steht das Ergebnis fest: In 2016 darf das strukturelle Defizit maximal 0,35 Prozent des Bruttoin- landsprodukts betragen. Die Wahl des Ausgangspunkts zur Festlegung des Abbaupfads ändert daran nichts. Dass sich Erwartungen nicht erfüllen, ist im praktischen Leben nicht ungewöhnlich. Dies gilt erfreulicherweise auch für das Ist-Ergebnisses 2010 für die Nettokreditauf- nahme, das wir seit wenigen Wochen kennen. Es liegt mit 44 Milliarden Euro deutlich unterhalb des damaligen Soll-Ansatzes beziehungsweise unterhalb des im Som- mer 2010 noch erwarteten Ist-Ergebnis. Dies zeigt nur die Binsenwahrheit, dass Unsicherheiten bei Planungen und Schätzungen bestehen. Welche Zahl für die Netto- kreditaufnahme hätte man denn zwischen Sommer 2010 und dem Abschluss des Haushaltsjahres als Ausgangs- punkt nehmen sollen? Letztlich ist jede Zahl mehr oder weniger gegriffen und willkürlich. Diese Willkür gilt letztlich auch für den Versuch der SPD, jetzt das Ergeb- nis nachzujustieren. Zumal der Haushalt 2011 schon ver- abschiedet ist, läuft hier ein Nachjustieren ohnehin ins Leere. Der Abbaupfad stellt eine Obergrenze für die Ent- wicklung des strukturellen Defizits dar. Die Koalition hat diese bewusst nicht ausgereizt. Wenn man aber aktu- ell die Forderungen der Opposition aus dem Vermitt- lungsausschuss um die Hartz-IV-Sätze sieht, so gewinnt man den Eindruck, dass ein Füllhorn ausgegossen wer- den soll. Wie dies dann mit dem SPD-Antrag zusam- menpassen soll, ist schon ein wenig fragwürdig. Viel- leicht sollten wir uns mal wirklich die Aufgabe machen, die finanziellen Auswirkungen all der Forderungen der Opposition zusammenzuzählen. Ich befürchte, dass man zu folgendem Ergebnis kommt: Um sie zu erfüllen, dürfte selbst ein Abbaupfad nicht ausreichen, der mit der Wahl des Steinbrück’schen Soll-Ansatzes erreicht wer- den würde. So viel zur Konsistenz von linker Politik. Die gute Situation, die letztlich das Ergebnis der gu- ten und richtigen Wirtschafts- und Finanzpolitik der christlich-liberalen Koalition ist, führt überhaupt erst zur von der SPD angestoßenen Debatte. Wenn die SPD jetzt so vehement für die Nachjustierung eintritt, so frage ich mich, ob sie das auch getan hätte, wenn wir in einer ge- nau gegenteiligen Situation gewesen wären. Ich möchte die Frage in den Raum stellen: Wäre die SPD auch dann für eine Nachjustierung eingetreten, die weitere Ver- schuldungsfreiräume für die Koalition eröffnet hätte? Dies alles sind sicherlich Gedankenspiele. Aber sie zei- gen, wie richtig es ist, auf das von der SPD vorgeschla- gene Verfahren nicht einzugehen, da es am Ende doch nur zu einer willkürlichen Handhabung der Schulden- bremse führt. Die christlich-liberale Koalition blickt in der Haus- halts- und Finanzpolitik nach vorne. Das Konsolidie- rungspaket ist auf den Weg gebracht, die Konjunktur läuft gut. Dies ist alles sehr erfreulich, darf aber nicht als Anlass genommen werden, in den Konsolidierungsbe- mühungen nachzulassen. Es ist noch ein weiter Weg bis zur Einhaltung der Schuldenbremse in 2016. Die christ- lich-liberale Koalition wird den eingeschlagenen Kurs einhalten. Peter Aumer (CDU/CSU): Der Beschluss über eine Schuldenbremse war ein wichtiges Signal für die Konso- lidierung der Haushalte in der Zeit der Finanz- und Wirt- schaftskrise. Gerade die aktuelle Entwicklung auf den Finanzmärkten und die Spekulation gegen einzelne Mit- gliedsländer in der Europäischen Union zeigen, wie wichtig eine nachhaltige Haushaltspolitik ist. Und sie zeigen auch, wie zukunftsweisend die Entscheidung der damaligen Großen Koalition war, die Schuldenbremse im Grundgesetz zu verankern. Nun, in Zeiten der Opposition, stellen Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPD, das infrage, was damals Konsens war. Der von der SPD-Fraktion kri- tisierte Ermessensspielraum zur Festlegung des Abbau- pfades gemäß des geltenden § 9 Abs. 2 des Ausfüh- rungsgesetzes zu Art. 115 GG widerspricht nicht Sinn und Zweck der Schuldenregel. Einer Gesetzesänderung bedarf es daher nicht. Was Sie hier betreiben, meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPD, ist reine Pole- mik. Die Koalition arbeitet mit aller Kraft, den grundge- setzlich vorgeschriebenen Vorgaben der Schuldenbremse zu entsprechen. Und Ihr Beitrag zur Konsolidierung ist null; von Ihrer Seite gab es keine konstruktiven Vor- schläge, wie mit dem gemeinsamen Ziel der Haushalts- konsolidierung verantwortungsvoll umgegangen wer- den kann. Sie fordern sparen, jawohl, aber Sie sagen nicht, wo, sie sagen nicht, wie, und das ist verantwor- tungslos. Das wird der aktuellen Situation nicht gerecht. Das wird vor allem nicht Ihrer Verpflichtung für die kommenden Generationen gerecht. Sie verlassen den Konsenspfad in der Politik der Haushaltskonsolidierung und setzen auf Populismus. Das nehmen Ihnen die Menschen in unserem Land nicht ab. Der verantwortungsvolle Beitrag eines jeden einzel- nen Bürgers in unserem Land ist substanzieller Bestand- teil der Konsolidierungs- und Einsparanstrengung. Leis- ten auch Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, Ihren Beitrag. Lassen Sie in der Konsolidie- rungsfrage ausnahmsweise das politische Ränkespiel, und stellen Sie sich der Verantwortung für unsere Zu- kunft. Ziel und damit Geist und Sinn der Schuldenregel sind, die strukturelle Verschuldung ab 2016 auf maximal 0,35 Prozent des BIP zu begrenzen. Die im Gesetzestext offene Formulierung zum strukturellen Defizit des Haus- haltsjahres 2010 für die Übergangsregelung der Schul- denregel gibt sowohl der Bundesregierung als auch dem Parlament einen Beurteilungsspielraum im Rahmen der Feststellung des maßgeblichen strukturellen Defizits 2010. Die Erreichung dieses Ziels bleibt völlig unberührt von der zu wählenden Vorgehensweise im Rahmen des gemäß § 9 Abs. 2 bestehenden Beurteilungsspielraums und damit der Festlegung des Abbaupfades. Die Bundesregierung hat mit dem Zukunftspaket ein nachhaltiges Konsolidierungskonzept vorgelegt, dessen Verbindlichkeit für die Jahre bis 2014 in der Öffentlich- keit kommuniziert wurde. Im Sinne einer kontinuierli- chen und damit vertrauensbildenden Politik stellt sich also die Herangehensweise der Bundesregierung als die einzig richtige dar. Wir haben mit einer breiten Mehrheit in diesem Haus die Schuldenbremse in das Grundgesetz geschrieben und das Ausführungsgesetz zu Art. 115 GG 10236 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 90. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Februar 2011 (A) (C) (D)(B) erlassen. Halten Sie sich doch an den Pakt von Vernunft und Verantwortung. Fallen Sie nicht schon wieder um wie bei vielen von Ihnen mitgetragenen, herausragend wichtigen Entscheidungen für unsere Zukunft: Rente mit 67, Hartz IV und vieles mehr. Überall stehlen Sie sich aus der Verantwortung oder fordern nicht einhalt- bare Positionen zum eigenen politischen Profit. Das wol- len die Menschen in unserem Land nicht mehr! Das, was die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land heute von der Politik erwarten, sind die Übernahme von Verant- wortung und eine vernünftige sowie sozial ausgewogene Politik. Aber das, was Sie gerade im Bundesrat veran- stalten, hat nichts mit dem zu tun. Dort zeigen Sie Ihr wahres Gesicht. Mit dieser Gesetzesänderung versuchen Sie, Ihre Scheinheiligkeit zu postulieren. So bringen wir Deutschland nicht nach vorn. So schaffen wir keine Ba- sis, damit Deutschland sich von der Finanz- und Wirt- schaftskrise erholt. Unser Land braucht Stabilität und Verlässlichkeit. Die christlich-liberale Koalition ist sich ihrer Verantwortung bewusst, jener Verantwortung, die die SPD aus den Augen verloren hat. Carsten Schneider (Erfurt) (SPD): Die SPD-Frak- tion legt heute den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Art.-115-Gesetzes vor. Damit wollen wir nicht Er- gebnisse der Finanzreform infrage stellen oder verän- dern. Im Gegenteil, wir wollen durch Konkretisierungen im Gesetz erreichen, dass das, was der Gesetzgeber da- mals gewollt hat, auch tatsächlich vom Bundesfinanz- minister umgesetzt wird. Denn dieser Bundesfinanz- minister – der ja auch mal Verfassungsminister war – handelt Sinn und Geist der Regelungen der Schulden- bremse zuwider. Er will durch sinnwidrige Interpretatio- nen der gesetzlichen Regelungen die gewollt stramme Schuldenbremse ausbremsen und sich einen doch noch möglichst großen Verschuldungsspielraum sichern. Zum einen will der Bundesfinanzminister dadurch den Konsolidierungsdruck abschwächen. Weite Teile des sogenannten Sparprogramms vom vorigen Jahr sind nämlich nach wie vor nicht unterlegt. Wo ist denn das Konzept zur Einsparung bei der Bundeswehr? Wo ist denn das Konzept zur Einsparung bei der Bundesagentur für Arbeit? Wo ist denn der Gesetzentwurf zur Finanz- transaktionsteuer, die ab 2012 gemäß Sparpaket einge- führt werden soll? Überall Fehlanzeige! Zum anderen drängt sich ein Verdacht auf. Diese Ko- alition will dadurch, dass sie die Schuldenobergrenze so hoch wie nur möglich ansetzt, Spielräume für Steuersen- kungen vor der nächsten Wahl schaffen. Solche Steuer- senkungen wären nur auf Pump und nur durch Trickse- reien bei der Schuldenbremse zu finanzieren. Und dagegen wehren wir uns mit dem vorgelegten Gesetzent- wurf. Die grundlegende Konsolidierung des Bundes- haushalts ist notwendig und ohne Alternative. Deshalb muss die Schuldenbremse nach Geist und Sinn strikt ein- gehalten werden. Worum geht es konkret? Der Bundesfinanzminister trickst vor allem bei der Festlegung des sogenannten strukturellen Defizits des Jahres 2010 als Ausgangswert für den Abbaupfad der Neuverschuldung bis 2016. Er trickst außerdem bei der Festlegung des konjunkturellen Anteils am Haushaltsdefizit. Mit dem Gesetzentwurf wollen wir ihn auf den Pfad der Tugend zurückholen und dies kommt nicht aus heiterem Himmel. Wir haben in vielen Sitzungen im Haushaltsausschuss und auch hier bei der Lesung des Bundeshaushalts im Parlament im- mer wieder gefordert, er möge sich an Geist und Sinn des Gesetzes halten. Dies war ohne jeden Erfolg und deshalb ist diese Gesetzesänderung notwendig. Der Bundesfinanzminister soll verpflichtet werden, den Ausgangswert 2010 für den Abbaupfad bis 2016 an der tatsächlichen Entwicklung auszurichten und nicht willkürlich an dem im vorigen Sommer für 2010 erwar- teten Wert. Das damals für 2010 erwartete Defizit lag bei 65 Milliarden Euro, das tatsächliche Defizit liegt jetzt bei 44 Milliarden Euro. Diese erfreuliche enorme Ab- senkung um 21 Milliarden Euro muss sich auch in einer entsprechenden Absenkung des Abbaupfades widerspie- geln. Das ist völlig plausibel und eigentlich selbstver- ständlich, denn der enorme Aufschwung in 2010 hat die Bundesfinanzen durch höhere Steuereinnahmen und ge- ringere Arbeitsmarktausgaben erheblich verbessert. Diese Verbesserung wirkt als Sockeleffekt in die nächs- ten Jahre fort. Hingegen bekräftigt die Bundesregierung noch im Jahreswirtschaftsbericht, sie wolle bei ihrer Festlegung der Verschuldungsobergrenze für die Auf- stellung des Bundeshaushalts 2012 und der Finanzpla- nung bis 2015 von dem völlig überhöhten Wert von 65 Milliarden Euro ausgehen. Was bedeutet das für 2012 in Zahlen? Bei einem an- genommenen Sockel von 65 Milliarden Euro in 2010 liegt die Schuldenobergrenze für 2012 um 11,5 Milliar- den Euro höher als bei dem tatsächlichen Sockel von 44 Milliarden Euro. Eine solche Absenkung klingt zu- nächst nach viel und nach einem riesigen Problem für den Bundesfinanzminister. Der Eindruck ist aber falsch, denn diese Absenkung ist Folge der deutlich besser als erwarteten Wirtschaftsentwicklung, die auch den Bun- deshaushalt 2012 wesentlich besser aussehen lassen wird als in der bisherigen Finanzplanung angenommen. Ich gehe von konjunkturellen Verbesserungen für den Bun- deshaushalt 2012 von mindestens 15 Milliarden Euro ge- genüber dem Finanzplan aus. Dies ist deutlich mehr als die beschriebene Absenkung der Obergrenze um 11,5 Milliarden Euro, die unser Gesetzentwurf zur Folge haben wird. Im Prinzip wird also nur der Spielraum ein- gedampft, den die Konjunktur geschaffen hat. Und dage- gen wehrt sich das BMF nun so vehement. Warum? Ich wiederhole: Sie wollen dem Konsolidierungsdruck ent- gehen und bauen vor für Steuersenkungen auf Pump und das ist unverantwortlich. Sie stehen dabei völlig alleine. Bislang habe ich nie- mand aus Wissenschaft oder Wirtschaft gehört, der ihre Auffassung zur Festlegung des Sockels 2010 teilt. Im Gegenteil haben Bundesrechnungshof, der Sachverstän- digenrat und die Bundesbank wie wir gefordert, von ak- tuellen Daten auszugehen. Die Bundesbank hat dies in ihrem letzten Monatsbericht nochmals ganz deutlich un- terstrichen. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 90. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Februar 2011 10237 (A) (C) (D)(B) Auch bei der Berechnung der Konjunkturkomponente des Defizits hat der Bundesfinanzminister während des gesamten letzten Jahres getrickst, desinformiert bzw. nur scheibchenweise informiert. Der Haushaltsausschuss wurde regelrecht für dumm verkauft, wenn seitens des Bundesfinanzministeriums behauptet wurde, es brauche Monate, um auf ein neues Verfahren umzustellen. Insti- tute und der Sachverständigenrat konnten dies binnen Stunden. Wir mussten lernen, dass BMF auch hier bei der Berechnung Ermessensspielräume hat, die im Ex- trem die Schuldenobergrenze um 6 bis 8 Milliarden Euro nach oben schieben können. Für mich als Parlamentarier ist das mit Blick auf das Budgetrecht nicht hinnehmbar. Der Bundesfinanzminister darf nicht solche Entschei- dungsspielräume haben und damit dem Parlament die Schuldenobergrenze nach Gusto diktieren. Wir hatten ihn deshalb schon während der Haushaltsberatung auf- gefordert, die Berechnung der Konjunkturkomponente an eine unabhängige Institution, nämlich den Sachver- ständigenrat zu übertragen. Der Bundesfinanzminister hat dies persönlich im Haushaltsausschuss auch nicht ab- gelehnt und soll jetzt durch unseren Gesetzentwurf dazu verpflichtet werden. Die SPD will, dass die Regelungen zur Schulden- bremse auf Punkt und Komma und nach Sinn und Geist eingehalten werden. Die Konkretisierung des Gesetzes wird dies garantieren. Florian Toncar (FDP): Der hier zur Abstimmung stehende Antrag der SPD-Fraktion zeigt einmal mehr, dass die SPD keinen klaren politischen Kurs verfolgt. In ihrem Antrag fordert die SPD jetzt eine Verschärfung des Abbaupfades der Neuverschuldung gegenüber den Erfordernissen der Schuldenbremse. Und vor nur drei Monaten, als es bei den Haushaltsverhandlungen darum ging, die Vorgaben der Schuldenbremse zu erfüllen, for- derte die SPD anstelle von Ausgabensenkungen mit ih- ren Anträgen sogar noch eine Ausgabenerhöhung um ganze 6,3 Milliarden Euro. Dieses Verhalten der SPD, erst Mehrausgaben und kurze Zeit danach eine Verschär- fung der Haushaltskonsolidierung zu fordern, zeigt deut- lich, dass sie in Wahrheit kein ernsthaftes Interesse an soliden Staatsfinanzen hat. Aber auch die Grünen forder- ten in den Haushaltsverhandlungen Mehrausgaben von insgesamt 12,9 Milliarden Euro. Und wenn ich erst an das aktuelle Vermittlungsverfahren zu Hartz IV denke, wo Ihre Leute finanzielle Maximalforderungen gestellt haben, dann kann ich Ihnen Ihre zur Schau gestellte Sparsamkeit nicht abnehmen. Es zeigt sich hier ganz klar, dass mit Rot-Grün die Staatsausgaben und im glei- chen Zug auch die Steuerbelastung der Bürgerinnen und Bürger immer weiter ansteigen würden. Ziel der Schuldenregel, als deren Verfechter sich die SPD jetzt mit ihrem Antrag gibt, ist es die strukturelle Verschuldung ab 2016 auf maximal 0,35 Prozent des Bruttoinlandprodukts zu begrenzen. Und das ist genau das, was die SPD da, wo sie Verantwortung trägt, nicht macht. Am schlimmsten ist es – unter Mithilfe der Grü- nen und der Linken – in Nordrhein-Westfalen. Ihre erste Maßnahme nach der Wahl war eine zusätzliche Neuver- schuldung allein für 2010 von 1,8 Milliarden Euro. Da- mit sind Sie vor Gericht voll gegen die Wand gefahren. Und für 2011 hat Rot-Grün in NRW über alle Bedenken und Warnungen hinweg einen verfassungswidrigen Haushalt vorgelegt, der eine Neuverschuldung von 7,8 Milliarden Euro vorsieht. Obwohl Rot-Grün gegen- über dem ursprünglichen Finanzplan der Vorgänger- regierung für 2011 knapp 1 Milliarde Euro an Mehrein- nahmen zur Verfügung steht, haben sie trotzdem die Neuverschuldung gegenüber der Finanzplanung um 1,4 Milliarden Euro erhöht, weil sie die Ausgaben um 2,3 Milliarden Euro nach oben getrieben haben. Und Ihre neue Hoffnungsträgerin, Frau Kraft, rechtfertigt ei- nen solchen Haushalt mit ihrer sogenannten vorbeugen- den Politik, mit zusätzlichen Ausgaben für die Bildung, die sich laut Frau Kraft spätestens 2100 rechnen sollen. Der Geist dieser Verschuldungspolitik zeigt sich, wenn Frau Kraft offen zugibt, dass sie davon überzeugt ist, dass die Schuldenbremse ohne zusätzliche Einnahmen, also ohne Steuererhöhungen für die Bürgerinnen und Bürger, nicht einzuhalten ist. Ich sage Ihnen: Das ist eine verantwortungslose Politik, mit dem Verweis auf eine sehr vage Zukunftsprognose die Situation in der Gegen- wart bewusst zu verschlimmern. Und wenn man selbst nicht daran glaubt, das Ziel solider Staatsfinanzen errei- chen zu können, dann hat man in der Regierungsverant- wortung auch nichts verloren. Der Kurs von Rot-Grün in Bund und Ländern zeigt nur, dass die sparsamen Haus- hälter der Grünen und der SPD in ihrer eigenen Partei den Status einer Randgruppe erreicht haben, die völlig abgemeldet ist. Die christlich-liberale Koalition ist dagegen fest davon überzeugt, dass wir die Vorgaben der Schulden- bremse erfüllen werden. Wir werden es im Bund schaf- fen, im Haushalt 2011 die Ausgaben gegenüber dem Vorjahr ohne Steuererhöhung für die Bürgerinnen und Bürger um 13,7 Milliarden Euro abzusenken, die Vorga- ben der Schuldenbremse einzuhalten und trotzdem bis 2013 zusätzlich 12 Milliarden Euro für Bildung und For- schung auszugeben. Denn eine verantwortungsvolle Politik bedeutet, Zukunftschancen zu sichern und gleich- zeitig auch die Handlungsfähigkeit zukünftiger Genera- tionen zu bewahren. Gerade bei der Schuldenbremse hat die SPD sich im- mer wieder darum bemüht, diese Regelung aufzuwei- chen. Diese Regelung in Art. 115 des Grundgesetzes, um die uns die Finanzminister in Europa und den USA so beneiden, ist vor allem der FDP und ihrem Drängen auf die Föderalismuskonferenz II zu verdanken. Aus Ihrer Fraktion haben dagegen 19 Abgeordnete mit Nein ge- stimmt. Und jetzt fordern Sie mit ihrem Antrag die Ver- schärfung Ihres eigenen Gesetzes, das viele von Ihnen nie wirklich haben wollten. Zu dem Antrag selbst ist zu sagen, dass vereinbart wurde, die Neuverschuldung in gleichmäßigen Schritten – das bedeutet, einem linearen Abbaupfad folgend – zu reduzieren. So wird wie es auch in der mittelfristigen Finanzplanung des Bundes dargestellt. Diese Gleichmä- ßigkeit ist aber nicht erreichbar, wenn man zuerst mit der vorläufigen Neuverschuldung 2010 rechnet und nach der Aufstellung des Haushalts 2011 – denn erst dann liegt das Ist-Ergebnis des Haushaltsvollzugs 2010 vor – den 10238 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 90. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Februar 2011 (A) (C) (D)(B) Abbaupfad und die mittelfristige Finanzplanung wieder anpasst. Ein für die Bürgerinnen und Bürger nachvoll- ziehbares und transparentes Verfahren mit gleichmäßi- gen Konsolidierungsstufen ist so nicht möglich. Das von der Bundesregierung praktizierte Verfahren entspricht den Vorgaben des Gesetzes unter Berücksichtigung der praktischen Umsetzbarkeit und der transparenten Dar- stellung in der mittelfristigen Finanzplanung. Ungeachtet dessen hat die christlich-liberale Koali- tion bei der Neuverschuldung im Haushaltsentwurf 2011 nach dem Prinzip des vorsichtigen Kaufmanns gerech- net, und es spricht vieles dafür, dass wir die vorsichtig geplante maximale Obergrenze der Neuverschuldung von 48,4 Milliarden Euro im Haushaltsvollzug deutlich unterschreiten werden. Die Bundesregierung strebt ge- rade nicht an, die Obergrenzen der Schuldenbremse komplett auszuschöpfen. Stattdessen wird sie, wie bereits 2010, die tatsächliche Neuverschuldung deutlich stärker absenken, als es die Schuldenbremse überhaupt verlangt. Zum zweiten Teil Ihres Antrags: Die Bestimmung der Konjunkturkomponente erfolgt in Übereinstimmung mit den Verfahren der Europäischen Union in einem erprob- ten und transparenten Verfahren. Es gibt keinen Anlass für die Behauptung, dass Ermessensspielräume genutzt würden, um die maximal zulässige Obergrenze der Net- tokreditaufnahme nach oben zu treiben. Eine derartige Unterstellung entbehrt jeglicher Grundlage. Liebe Kolle- ginnen und Kollegen der Opposition, entscheidend für die Auslegung von Art. 115 des Grundgesetzes ist letzt- endlich das Bundesverfassungsgericht. Wer der Meinung ist, die Regierungskoalition hier im Bundestag habe mit ihrer Auslegung von Art. 115 das Grundgesetz verletzt, muss das Verfassungsgericht anrufen. Das kann auch die SPD-Fraktion tun. Ich habe aber keinen Zweifel daran, dass die Auslegung der Bundesregierung dem Grundge- setz entspricht. Die Tatsache, dass die SPD nicht vor dem Verfassungsgericht klagt, zeigt, dass sie das auch selbst weiß. Ich würde mir wünschen, dass die SPD sich nicht in technischen Details verzettelt, sondern im Bundestag eine Politik vertritt, die die Verschuldung des Bundes ab- senkt und nicht dramatisch erhöht, und dass sie in den Ländern, in denen sie Verantwortung trägt, ihre hem- mungslose Verschuldungspolitik beendet. Roland Claus (DIE LINKE): Der SPD geht es mit diesem Antrag um die Wahrung von – ich zitiere – „Geist und Sinn der Schuldenbremse“, und darum leh- nen wir ihn ab, und zwar entschieden. Denn es ist ein Unding, Geist und Sinn von etwas wahren zu wollen, das dem Geist und Sinn der Demokratie widerspricht und aus diesem Grunde im Parlament zwar nur von uns, den Linken, im wirklichen Leben aber von sehr viel mehr Menschen und Institutionen, als sie zur Anhängerschaft der Linken gehören, abgelehnt wird. Ich finde, das ist leider sehr typisch SPD. Im Antrag heißt es richtig, dass „die grundlegende Konsolidierung des Bundeshaushaltes notwendig“ sei. Aber dann folgt noch das seltsame Wort, dass sie auch noch „alternativ- los“ wäre. Da muss man dann doch feststellen: Wo Poli- tik alternativlos sagt, verweigert sie sich dem Wähler- auftrag. Die Konsequenz, die die SPD aus der Not- wendigkeit der Konsolidierung zieht, heißt Schulden- bremse und sonst gar nichts. Die Verfasserinnen und Verfasser des Antrages kommen gar nicht auf die Idee, im Zusammenhang mit dem Begriff der Konsolidierung auch einmal die Einnahmeseite zu bedenken, wie denn auch, wo sie doch die Miterfinder der Schuldenbremse sind. Es geht aber selbstverständlich auch anders. Meine Partei Die Linke rechnet es in ihrem Steuerkonzept de- tailliert vor. 180 Milliarden Euro Mehreinnahmen sind möglich, wenn die großen Vermögen angemessen an der Finanzierung des Gemeinwohls beteiligt werden. 80 Milliarden Euro kämen dann aus einer Millionär- steuer von 5 Prozent jenseits eines Freibetrages von 1 Million Euro, weitere 40 Milliarden Euro aus einer Wiederanhebung des Körperschaftsteuersatzes auf 25 Prozent und der Rücknahme einiger anderer Steuer- geschenke an die Großunternehmen sowie 27 Milliarden Euro aus der Einführung einer Finanztransaktionsteuer – um hier nur die wichtigsten Bestandteile unseres Kon- zepts zu nennen. Die Schuldenbremsenparteien versuchen, uns glau- ben zu machen, die Schuldenbremse sei eine finanz- technische Angelegenheit. Sie ist aber eine politische Angelegenheit von tiefgreifender Bedeutung, denn sie beschränkt die Souveränität von Parlamenten und Re- gierungen. Wo es eine Schuldenbremse gibt, können Parlamente und Regierungen nicht mehr souverän da- rüber entscheiden, welche politischen Vorhaben sie mit welchen Finanzmitteln in den Mittelpunkt ihrer Politik stellen. Die Landesparlamente und Landesregierungen haben keinen Einfluss auf die Einnahmepolitik, und so hängen sie am Tropf der bundespolitischen Vorgaben. Wenn dort Steuergeschenke an die großen Unternehmen und die Inhaberinnen und Inhaber großer Vermögen ver- teilt werden, haben die Landesregierungen, weil sie in der Schuldenbremse gefesselt sind, keine Möglichkeit mehr, politisch gegenzusteuern. Denkt man diese Situation konsequent zu Ende, kann man auf Wahlen in den Ländern verzichten. Es genügt dann eine von der Bundesregierung eingesetzte Verwal- tung, die im zentral vorgegebenen Finanzrahmen agiert. Wir brauchen keine Schuldenbremse, sondern eine Steuerpolitik, die die großen Unternehmen und die Inha- berinnen und Inhaber großer Vermögen endlich wieder angemessen an der Finanzierung des Gemeinwesens be- teiligt. Die Herstellung von Steuergerechtigkeit, die energische Verpflichtung der Vermögenden auf das Ge- meinwohl – das sind die Schritte, die gegangen werden müssen, um das zu realisieren, was auch die SPD in ih- rem Antrag wieder beschwört: die nächste Generation nicht „weit über Gebühr“ zu belasten. Umverteilung von oben nach unten – das ist es, worum es geht. Und das – ich wiederhole mich gern – ist nicht nur eine finanztech- nische Frage, auch nicht nur eine Frage der Vermögens- verteilung, sondern eine Frage der Demokratie, eine Frage der Mitgestaltung der Gesellschaft. Das Geld ge- hört dorthin, wo die Menschen sind. Es gehört von oben nach unten umverteilt, um allen ein lebenswürdiges Da- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 90. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Februar 2011 10239 (A) (C) (D)(B) sein zu ermöglichen. Und es gehört auch in den Verwal- tungsebenen von oben nach unten umverteilt – vom Bund hin zu den Ländern und Kommunen. Der technokratische Antrag der SPD zur Verschär- fung der Schuldenbremse läuft all diesen Überlegungen diametral entgegen. Er ist der Einstieg der SPD in einen Wettlauf mit Schwarz-Gelb um die weitere Umvertei- lung von unten nach oben und um Beschränkung der De- mokratie. Vielleicht muss man der SPD für die Unmiss- verständlichkeit dieser Botschaft dankbar sein. Sie lässt vor den Landtagswahlen in diesem Jahr keinen Zweifel daran, dass sie an grundlegenden politischen Verände- rungen kein Interesse hat. So wie sie mit CDU/CSU, FDP und Grünen gemeinsam Hartz-IV-Partei ist, so ist sie auch mit diesen allen gemeinsam Schuldenbremsen- partei. Die Linke antwortet auf diesen Gesetzentwurf mit ei- nem klaren Nein. Alexander Bonde (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse ist ein Gewinn für die notwendige Konsolidierung des Bundes- haushalts und damit ein wichtiger Beitrag zur Generatio- nengerechtigkeit. Wir Grüne hatten für die Schulden- bremse andere Vorschläge, die nicht umgesetzt wurden. Dennoch bekennen wir uns klar zur Umsetzung der Schuldenbremse, so wie sie jetzt im Grundgesetz veran- kert ist. Schon heute betragen die Zinszahlungen des Bundes 38 Milliarden Euro, bis 2014 werden diese Zins- lasten auf fast 50 Milliarden Euro anwachsen. Diese Schuldenbremse muss keine Sozialstaatsbremse sein. So wird sie nur von Schwarz-Gelb interpretiert. Wir haben bei den Haushaltsverhandlungen klar dargelegt, wie die Schuldenbremse eingehalten werden kann und gleichzei- tig die soziale und ökologische Verschuldung im Haus- halt reduziert werden kann. Die grundgesetzlich geschützte Schuldenbremse darf nicht durch Buchungstricks ausgehebelt werden. Das aber scheint das Vorhaben der schwarz-gelben Bundes- regierung zu sein: Aufgrund der guten Konjunkturent- wicklung 2010 konnte das Defizit des Bundes im Haus- haltsvollzug von geplanten 80 auf 44 Milliarden Euro gedrückt werden. Damit wurde immer noch ein neuer Schuldenrekord aufgestellt. Aber diese positive Haus- haltsentwicklung bildet sich – trotz Schuldenbremse – nicht im Haushaltsentwurf für 2011 ab. Die Bundesre- gierung plant mit 48,4 Milliarden Euro neuen Schul- den, obwohl die konjunkturelle Lage sich entschieden aufgehellt hat. Damit verstößt die Bundesregierung be- reits im ersten Jahr des Inkrafttretens der Schulden- bremse gegen den Geist der Schuldenbremse. Denn ei- gentlich soll die strukturelle Verschuldung bis 2016, wenn die Schuldenbremse dann voll greift, Jahr für Jahr in gleichmäßigen Schritten abgesenkt werden. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf der SPD-Fraktion hätte be- reits 2011 eine stärkere Konsolidierung des Haushaltes stattfinden müssen. Die Idee der Schuldenbremse wäre so gestärkt worden. Daher unterstützen wir als Fraktion Bündnis 90/Die Grünen diesen Gesetzentwurf. Einen noch heftigeren Verstoß gegen den Geist der Schuldenbremse würde der jetzt von der Bundesregierung ins Gespräch gebrachte Buchungstrick im Zusammen- hang mit den Verhandlungen im Vermittlungsausschuss bedeuten. Im Rahmen des Vermittlungsausschusses zur Hartz-IV-Reform hat die Koalition angeboten, den Kom- munen schrittweise ab 2012 die Kosten der Grundsiche- rung im Alter abzunehmen. Ab 2015 sollen diese Kosten nach dem Vorschlag der Koalition dann ausschließlich vom Bund getragen werden. Der Bund beziffert die Ent- lastung der Kommunen bis 2015 auf 12,24 Milliarden Euro netto. Grundsätzlich haben wir Sympathien für die Umsetzung der Grundsicherung im Alter zum Bund. Aber das muss in einem eigenen Gesetz geregelt werden. Die Verknüpfung mit dem Haushalt der Bundesagentur für Arbeit, BA, halten wir für grundsätzlich falsch. Die Bundesbeteiligung an der Bundesagentur soll zusam- mengestrichen werden, ein halber Mehrwertsteuerpunkt soll der Agentur entzogen werden. Bis Ende 2012 würde sich bei der BA ein Defizit in Höhe von über 10 Milliar- den Euro auftürmen, bis 2015 ein Defizit von knapp 15 Milliarden Euro. Bei einer analog zur Bundesbeteili- gung an den Kosten der Grundsicherung im Alter auf- wachsend gestalteten Reduktion des Mehrwertsteueran- teils für die BA würde das Defizit der BA bis 2015 knapp 10 Milliarden Euro betragen. Auch in diesem Fall würde hoher Druck auf eine erneute erhebliche Erhö- hung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung entste- hen, mit negativen Folgen auf dem Arbeitsmarkt, insbe- sondere für Niedrigqualifizierte, die bereits heute stark von Arbeitslosigkeit bedroht bzw. betroffen sind. Mit einer solchen Finanzoperation würde die schwarz-gelbe Bundesregierung gleichzeitig die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse aushebeln. Die Schulden der Sozialversicherungen bleiben bei Berech- nung des für die Schuldenbremse maßgeblichen struktu- rellen Defizits unberücksichtigt. Der geplante Verschie- bebahnhof widerspricht nicht nur dem Prinzip der Haushaltsklarheit und -wahrheit, sondern stellt auch ei- nen eklatanten Verstoß gegen den Geist der Schulden- bremse dar. Die Rückführung der in den BA-Haushalt verschobenen Verschuldung wird allein den künftigen Beitragszahlerinnen und Beitragszahlern aufgebürdet. In diesem Fall würde hoher Druck auf eine erneute erhebli- che Erhöhung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung entstehen, mit negativen Folgen auf dem Arbeitsmarkt, insbesondere für Niedrigqualifizierte, die bereits heute stark von Arbeitslosigkeit bedroht bzw. betroffen sind. Um einen ausgeglichenen BA-Haushalt bei konstant po- sitiven Wachstumsannahmen zu erreichen, müsste der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung um etwa 0,3 bis 0,5 Prozentpunkte angehoben werden. Bei einem Wie- deraufflammen der Wirtschaftskrise würden sofort sehr hohe Defizite in dieser für die Stabilität unserer Volks- wirtschaft zentralen Sozialversicherung entstehen. Mit diesem Missbrauch der Schuldenbremse würde die schwarz-gelbe Koalition die Finanzsituation der Sozial- versicherungen weiter schwächen. Um ein Wiederauf- flammen der Wirtschafts- und Finanzkrise zu verhin- dern, müssen die Vorgaben der Schuldenbremse ohne Einschränkungen umgesetzt werden. Gleichzeitig dürfen die Haushalte der Sozialversicherungen nicht überfor- 10240 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 90. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Februar 2011 (A) (C) (D)(B) dert werden. Diese sind ein zentraler Stabilitätsanker für unsere Volkswirtschaft. Bei der Haushaltspolitik dieser Koalition müssen wir froh sein, dass es die Schuldenbremse überhaupt gibt. Die Forderungen nach Steuersenkungen, die immer wie- der aus der Koalition geäußert werden, machen sehr deutlich, wie notwendig diese Regelung ist. Wenn die Restriktionen der Schuldenbremse nicht gelten würden, wäre die Haushaltspolitik der schwarz-gelben Koalition noch katastrophaler für die zukünftigen Generationen in unserem Land. Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Fairen Rohstoffhan- del sichern – Handel mit Seltenen Erden offen- halten (Tagesordnungspunkt 16) Andreas G. Lämmel (CDU/CSU): Wir beraten heute einerseits über ein hochaktuelles Thema, anderer- seits aber über einen längst überholten Antrag. Die Ak- tualität des Themas verdeutlicht am besten ein Blick in die Wirtschaftsteile der Zeitungen: Da vergeht kaum ein Tag ohne einen Artikel zu den Themen Rohstoffversor- gung oder Rohstoffpreise. Dazu passend berichtete die Welt am Montag, dass unter den zehn wertvollsten Un- ternehmen der Welt fünf Unternehmen sind, die ihr Geld mit der Förderung von Bodenschätzen verdienen. Im Jahr 2006 war dort nur ein Unternehmen verzeichnet. Auch nach Gesprächen mit Unternehmern aus dem ver- arbeitenden Gewerbe, insbesondere im Hightechbereich, wird man mit dem Problem konfrontiert. Der Antrag ist inhaltlich deshalb veraltet, weil das Thema Rohstoffversorgung, insbesondere mit Nicht- Eisen-(NE-)Metallen für die Hightechindustrie längst auf der politischen Ebene angekommen ist und darüber intensiv diskutiert und an Lösungen gearbeitet wird. Wir, also die Fraktion der CDU/CSU, hatten bereits im Juli 2010 einen Kongress mit vielen Gästen aus internationa- len Organisationen, der Wirtschaft und der Wissenschaft veranstaltet. Das begleitende Positionspapier der Frak- tion hat die Kollegen von der SPD offensichtlich sehr in- spiriert. Die Positionen und Initiativen unserer Fraktion finden sich auch in der Arbeit der Bundesregierung wie- der. Seit Herbst 2010 liegt die Rohstoffstrategie der Bun- desregierung vor, die einen ganzheitlichen Ansatz zur Rohstoffversorgung beinhaltet. Auch in der Industrie- strategie des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie spielt die Rohstoffversorgung eine zentrale Rolle. Dies gilt auch ganz aktuell für die Technologie- offensive und die Mittelstandsinitiative des Ministe- riums. Das Ministerium hat auch bereits auf organisatori- scher Ebene reagiert. Momentan wird eine Unterabtei- lung Rohstoffpolitik eingerichtet, die speziell für die hei- mische Rohstoffversorgung, insbesondere mit NE- Metallen für das Recycling und den Zugang zu interna- tionalen Rohstoffen zuständig sein wird. Die Unterabtei- lung wird auch den Aufbau bilateraler Rohstoffpartner- schaften angehen. Ich könnte jetzt hier auch noch auf den Rohstoffdialog des Ministeriums für Wirtschaft und Technologie mit der Wirtschaft und weiteren wichtigen Akteuren eingehen, möchte das mit Blick auf die Uhr aber lassen. Sie sehen, das Thema ist hochaktuell und bereits in besten Händen. Sogar die SPD hat gemerkt, dass da was los ist Nun zur Rohstoffstrategie der Koalition. Ihr Antrag freut mich insoweit, als er keinen Widerspruch zur Roh- stoffstrategie der Bundesregierung darstellt. Ich stelle fest, die Fraktion der SPD unterstützt die Rohstoffstrate- gie der Koalition, zumindest nimmt die Fraktion keine nennenswerten Ergänzungen bei den Forderungen an die Bunderegierung vor. Aber gestatten Sie mir dennoch vier Anmerkungen inhaltlicher Art. Erstens. Sie fordern verstärkte Bemü- hungen um Rohstoffpartnerschaften oder Rohstoffab- kommen mit Entwicklungsländern. Das ist zunächst zu begrüßen, aber haben Sie etwas in dieser Richtung ange- stoßen, als das Ministerium für wirtschaftliche Entwick- lung und Zusammenarbeit von einer Ministerin der SPD geführt wurde? Hat Herr Steinmeier als Außenminister sich um diese Themen bemüht? Oder kümmert sich die SPD nur dann um Rohstofffragen, wenn es darum geht, einem ehemaligen Bundeskanzler einen sicheren Posten zu bescheren? Zu Ihrer Regierungszeit war es doch ver- pönt, die Themen Außenpolitik oder Entwicklungshilfe mit wirtschaftlichen Fragen zu verknüpfen. Wir machen das anders, und es ist schön, dass Sie Ihre Meinung wohl geändert haben. Zweitens. Sie fordern ebenfalls die Nutzung heimi- scher Lagerstätten. Auch das ist kein schlechter Vor- schlag. Allerdings ist die Rohstoffförderung immer ein Eingriff in die Natur, und da ist erfahrungsgemäß lokaler Widerstand zu erwarten. Wir werden die Grünen auf der Seite des Protestes sehen, und die SPD wird unent- schlossen rumstehen. Oder aber meine Erwartung täuscht mich, dann freue ich mich schon, wie Sie Ihre grünen Freunde von der Notwendigkeit des Rohstoffab- baus in Deutschland überzeugen wollen. Dann kann die Öffentlichkeit sehen, wie ernst es Ihnen mit Ihren Ab- sichten ist. Drittens. Sie thematisieren das Recycling. Auch das ist richtig und wichtig. Aber Recycling ist ein energie- intensives Geschäft, welches von den Altlasten rot-grü- ner Energiepolitik – ich denke zum Beispiel an den Schuldenberg aus der Solarverstromung – erschwert wird. Wer für Recycling ist, muss auch eine Energiepoli- tik beherzigen, die nicht nur auf ein vermeintlich gutes Gewissen abstellt, sondern auch die Preise im Blick be- hält, so wie wir es von der Koalition tun. Viertens. Schließlich bezweifele ich die Sinnhaftig- keit eines Antrages, der auf einen Rohstoff oder eine Rohstoffgruppe verengt ist. Gerade bei den Seltenen Er- den gibt es Lagerstätten weltweit. Die wurden aus öko- nomischen Gründen aber bisher nicht erschlossen oder stillgelegt. Deswegen ist die Produktion der Seltenen Er- den momentan auf China konzentriert. Bis 2012 werden Lagerstätten in den USA, Kanada, Indien, Australien Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 90. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Februar 2011 10241 (A) (C) (D)(B) und Malawi ihre Produktion massiv erhöhen. Auch die Bundesrepublik hat bereits ein Abkommen mit Kasachs- tan über die Lieferung Seltener Erden abgeschlossen; Kollege Mißfelder wird anschließend darauf eingehen. Dann werden die Regeln der Marktwirtschaft eine Lin- derung des Problems Seltene Erden bewirkt haben. Es ist sinnvoller, eine Gesamtstrategie zur Rohstoffversorgung aufzustellen, wie dies die Koalition schon getan hat. Zum Fazit. Das Thema Rohstoffsicherung ist längst ein bedeutender Teil der politischen Agenda dieser Ko- alition; ich hatte es am Anfang ausgeführt. Sie haben le- diglich aus unserer Rohstoffstrategie abgeschrieben und dabei noch manche wichtige Punkte vergessen, zum Bei- spiel die Ausbildungsunterstützung in Rohstoffpartner- ländern oder den Aspekt des Technologietransfers. Der Antrag ist auch deshalb nicht notwendig, weil er nur ein Thema – nämlich Seltene Erden – aus einem komplexen Bereich isoliert betrachtet, dessen Dramatik bald abneh- men wird. Wir sollten hier aber immer die Zusammen- hänge sehen. Schließlich freue ich mich darauf, dass die Koalition bald von der SPD unterstützt wird, wenn es da- rum gehen wird, heimische Rohstofflagerstätten zu er- schließen, Energiepreise für Recycling niedrig zu halten, Import- und Exportgarantien zu gewähren sowie Außen-, Entwicklungs- und Rohstoffpolitik stärker zu verknüp- fen. Zum Schluss bleibt mir, festzustellen, dass die SPD ihren Glauben an die Marktwirtschaft wiedergefunden zu haben scheint. Sie schreiben im Antrag auf Seite 2: „Richtig ist, das es zu allererst Aufgabe der Unterneh- men ist, ihren Bedarf an Rohstoffen am Markt zu decken und sich vorausschauend auf künftige Trends einzustel- len.“ Das ist ein Grund zur Freude, vielleicht schlägt Ihr Vertrauen in die Eigenverantwortlichkeit und Fähigkei- ten der Unternehmen auch auf andere Themen durch. Philipp Mißfelder (CDU/CSU): Ich freue mich, dass auch die SPD-Bundestagsfraktion unsere Anregung aus dem vergangenen Jahr aufgenommen hat und sich nun mit dem Thema Rohstoffe intensiv befasst. Das ist wich- tig, denn die deutsche Industrie, die erkennbar gestärkt aus der Wirtschafts- und Finanzkrise hervorgegangen ist, ist auf den Import von Rohstoffen angewiesen. Gleich- zeitig steigt durch die weltweite Wirtschaftsentwicklung der Bedarf. Das können wir täglich auf den Kurstafeln der Rohstoffbörsen sehen, die von Rekordstand zu Re- kordstand eilen. Der Hunger der aufstrebenden Schwel- lenländer nach energetischen und nichtenergetischen Rohstoffen ist noch längst nicht gestillt. So wird die Nachfrage nach Kupfer, dem wichtigsten Industrieme- tall, das Angebot wohl auf Jahre hinaus übersteigen. Der Kupferpreis eilt von einem Allzeithoch zum nächsten und erreicht wohl bald die Marke von 10 000 Dollar je Tonne. Ich will, bevor ich zum Thema der Seltenen Erden komme, hier eines sagen: Dieser Kupferpreis ist ein Welthandelspreis. Ihn zahlen alle, egal aus welcher Re- gion der Erde sie kommen. Ob wir in Deutschland eine nennenswerte Kupferverarbeitung behalten, hängt dem- nach nicht primär vom Rohstoffpreis für Kupfer, son- dern von einem ganz anderen Faktor ab, nämlich vom Energiepreis. Wir müssen jetzt angesichts der nicht zu- letzt durch das Erneuerbare Energien Gesetz, EEG, ver- ursachten Strompreissteigerungen der letzten Jahre in Deutschland gegensteuern, um die energieintensive roh- stoffverarbeitende Industrie auch weiterhin bei uns in Deutschland zu behalten. Sonst wird es Kupfer- oder Aluminiumhütten bald nur noch in Ländern geben, in denen Energie billiger ist und die im Zweifel nicht unse- ren Umweltstandards genügen. Hier appelliere ich an die SPD, mit uns gemeinsam Lösungen zu erarbeiten, um Wirtschaftskraft und Arbeitsplätze bei uns in Deutsch- land zu sichern. Gerade die SPD mit ihrer Tradition im Ruhrgebiet, wo auch mein Wahlkreis liegt, kann kein In- teresse an einer Deindustrialisierung Deutschlands ha- ben. Mit Blick auf den globalen Wettbewerb, in dem un- sere Unternehmen stehen, gehört es zwingend zu den Aufgaben der Politik, die Energiekosten für die rohstoff- verarbeitende Industrie langfristig kalkulierbar zu ma- chen und auf einem wettbewerbsfähigen Niveau zu hal- ten. Der vorliegende Antrag beschreibt richtig, dass sich seit Anfang vergangenen Jahres der Trend einer weltwei- ten Steigerung der Nachfrage nach Rohstoffen und ins- besondere nach Seltenen Erden fortgesetzt hat. Ich möchte hierbei aber noch einen Schritt weiter gehen, denn nicht nur Preis und Verfügbarkeit spielen beim in- ternationalen Rohstoffhandel eine entscheidende Rolle, sondern auch zentrale außenpolitische Aspekte. So ist das Versorgungsrisiko vor allem bei den Hochtechnolo- giemetallen aufgrund der geografischen Lage der Vor- kommen in politisch instabilen Regionen zumeist höher als bei energetischen Rohstoffen wie Öl und Gas. Über die Hälfte der Länder, in denen Vorkommen an metalli- schen Rohstoffen nachgewiesen sind, werden in einer Studie der Weltbank als politisch instabil oder gar ex- trem instabil eingestuft. Fehlende Substitutionsmöglich- keiten steigern das Risiko noch. Ohne Chrom lassen sich keine rostfreien Stähle und ohne Kobalt keine ver- schleißfesten Legierungen produzieren. Auch Platin, Neodyn oder Indium kann die Hochtechnologieindustrie nicht durch andere Rohstoffe ersetzen. Dabei stellt sich die Frage: Wie können wir unsere Rohstoffversorgung sichern? Dazu hat die CDU/CSU- Bundestagsfraktion im Juli 2010 ihre Position vorgelegt. „Deutschlands und Europas Rohstoffversorgung si- chern“ steht in der Reihe von außenpolitischen Grund- satzdokumenten der Unionsfraktion wie der Lateiname- rika-Strategie und der Sicherheitsstrategie. Damit hat das zentrale Politikfeld der Sicherung der Versorgung mit metallischen Rohstoffen auch im politischen Raum end- lich die Aufmerksamkeit gefunden, die ihm gebührt. In diesem Grundsatzpapier der CDU/CSU-Bundestagsfrak- tion sind zentrale Fragen, die der vorliegende Antrag der SPD nun aufwirft, bereits behandelt. So sind die Vorga- ben der Extractive Industries Transparency Initiative, EITI, nach denen Zahlungsströme an öffentliche Stellen im Bereich der Rohstoffgewinnung wie etwa Konzes- sionsabgaben oder Genehmigungskosten von den Unternehmen offengelegt werden, für uns selbstver- ständlich. Die Herstellung von Transparenz über Zah- 10242 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 90. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Februar 2011 (A) (C) (D)(B) lungsflüsse ist ein wichtiges Mittel zur Korruptionsbe- kämpfung. Und auch Gespräche zu verlässlichen Rohstoff- und Handelspartnerschaften finden bereits statt. So sagte der Chef des Ostausschusses beim Bundesverband der Deut- schen Industrie, BDI, Metro-Chef Eckhard Cordes am 31. Januar 2011 in Berlin, dass Kasachstan bereit sei, Deutschland bei seiner Ressourcensicherung zu unter- stützen. Dieser Weg bilateraler Zusammenarbeit Deutschlands in Rohstofffragen ist ein neuer Weg. Er ist vielversprechend und muss deshalb auch mit weiteren Ländern und Regionen gegangen werden. Wir als CDU/ CSU-Bundestagsfraktion unterstützen diese neue Form deutscher Rohstoffsicherung. Edelgard Bulmahn (SPD): Kein anderes Land in Europa ist so gut aus der weltweiten Wirtschaftskrise ge- kommen wie Deutschland. Und in kaum einem anderen Land hat sich so deutlich gezeigt, welche Bedeutung die Industrie als Grundlage für Wachstum und Wohlstand hat. Wer diese Grundlage stützen will, der muss die nachhaltige und langfristige Versorgung der deutschen Industrie mit Rohstoffen sichern, und zwar aktiv. Es reicht nicht aus, die Eigenverantwortung der Privatwirt- schaft zu betonen, wie das der Wirtschaftsminister wie- derholt getan hat. Sicher, es ist die Aufgabe der Unter- nehmen, ihren Bedarf an Rohstoffen am Markt zu decken und sich vorausschauend auf künftige Trends einzustellen. Doch die Bundesregierung muss diese Schritte unterstützen und mit politischen Mitteln beglei- ten. Das gilt ganz besonders für die Beschaffung von Sel- tenen Erden. Seit Anfang letzten Jahres ist die Nachfrage nach diesen Metallen drastisch gestiegen. Gleichzeitig hat China, das mit 97 Prozent der Weltproduktion eine Quasimonopolstellung hält, die Ausfuhr von Seltenen Erden im zweiten Halbjahr 2010 um 72 Prozent gegen- über dem Vorjahr gesenkt. Nun soll die Exportquote weiter gesenkt werden. Es ist zu befürchten, dass es in- folge von Versorgungsengpässen schon bald zu Produk- tionsausfällen kommt. Die wachsende Nachfrage nach einzelnen Seltenen Erden wäre in den kommenden Jah- ren aber selbst ohne chinesische Förder- und Exportbe- schränkungen mithin nicht gedeckt. Bis 2014 sind Ver- sorgungsengpässe bei bis zu sieben Elementen der Seltenen Erden zu erwarten. Schließlich verfügt China über lediglich 38 Prozent der weltweiten Reserven an Seltenen Erden. Besonders Unternehmen aus der metallverarbeiten- den Industrie sorgen sich um den Verlust ihrer internatio- nalen Wettbewerbsfähigkeit. Von Seltenen Erden hängen gerade jene Wertschöpfungsketten ab, an deren Ende wichtige Hightechprodukte stehen. Windturbinen, Solar- kollektoren, Katalysatoren und Motoren für Hybridfahr- zeuge sind nur einige Beispiele. Gerade in der Boom- branche Greentech und Erneuerbare Energien ist die Abhängigkeit von Seltenen Erden enorm. Versorgungs- engpässe bremsen Fortschritte bei Energieeffizienz und Umweltschutz. Und nicht zuletzt gefährden sie Arbeits- plätze in Zukunftsindustrien, in denen laut DIW schon heute über 340 000 Menschen arbeiten. Die Bundesregierung riskiert mit ihrer Untätigkeit die deutsche Position auf den Märkten von morgen. Die neue Deutsche Rohstoffagentur wird in ihrem jetzigen Zuschnitt weder die Spekulation mit knappen Rohstof- fen verhindern können noch eine sichere Versorgung der deutschen Industrie mit diesen Rohstoffen gewährleis- ten. Deutschland muss vielmehr alles daran setzen, um national wie international zukunftsorientierte Strategien zur Rohstoffsicherung zu entwickeln und umzusetzen, zum Beispiel in Form einer Rohstoffpartnerschaft mit Ländern wie der Mongolei. Im Rahmen der Welthan- delsorganisation muss ein offener und fairer Zugang im Rohstoffhandel verhandelt werden. Dabei muss gezielt auf die Abschaffung von Exporthemmnissen gedrängt werden. Die Europäische Kommission hat sich vergan- gene Woche ausdrücklich dafür ausgesprochen. In ihrer Rohstoffstrategie fordert die Kommission die gezielte Vereinbarung bilateraler Rohstoffpartnerschaften mit Förderländern und ein besseres Recyclingsystem für knappe Rohstoffe. Die Bundesregierung muss endlich Gespräche mit Ländern und Ländergruppen aufnehmen, die für solche Rohstoffpartnerschaftsabkommen infrage kommen. Im Gegensatz zu anderen Staaten, die immer mehr zu sol- chen bilateralen Vertragswerken übergehen, die WTO- konform sind, ist die Bundesregierung bisher tatenlos geblieben und hat bislang kein einziges Rohstoffabkom- men abgeschlossen. Es geht uns dabei explizit nicht um eine Abkehr vom Multilateralismus, sondern um eine Flankierung der im Rahmen von EU und Welthandelsor- ganisation erfolgten Aktivitäten. Die SPD-Fraktion setzt sich für einen fairen Rohstoffhandel ein. Die Einhaltung sozialer Mindeststandards und finanzieller Transparenz- regelungen muss ebenso garantiert werden wie eine faire Verteilung der Gewinne und die Vermeidung von Um- weltbelastungen. In ihrer Rohstoffstrategie vom Oktober 2010 hat die Bundesregierung eine Verbesserung der Rahmenbedin- gungen für das Recycling in Aussicht gestellt. Nur, ge- schehen ist bisher nichts. Inzwischen haben einige Un- ternehmen ein eigenes Rücknahmesystem für bestimmte Metalle eingeführt oder bereiten dies zielstrebig vor. Wir fordern deshalb die Schaffung eines Recyclingsystems zur Rückgewinnung wichtiger Technologiemetalle. Es gilt jetzt nicht Rahmenbedingungen zu evaluieren, son- dern konkret der deutschen Wirtschaft die Rückgewin- nung dieser Metalle zu erleichtern. Wir brauchen ein weltweites Rohstoffregime, das An- bietern und Abnehmern gleiche Bedingungen sichert und langfristig gültige Regeln schafft. Damit dies gelin- gen kann, bedarf es konkreter Maßnahmen, um den Han- del mit Rohstoffen und insbesondere Seltenen Erden fair zu gestalten und offenzuhalten. Die Rohstoffstrategie der Bundesregierung droht zu einem leeren Versprechen zu werden. Die deutsche Wirtschaft fühlt sich von einer Re- gierung im Stich gelassen, die sich in einem Auf- schwung sonnt, der nicht ihrer ist, und den sie nun leichtfertig gefährdet. Ich bitte Sie, dem Antrag der Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 90. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Februar 2011 10243 (A) (C) (D)(B) SPD-Fraktion zuzustimmen und so eine wichtige Grund- lage für Wachstum und Wohlstand in diesem Land zu stützen. Klaus Breil (FDP): Wer in der Schule abschreibt und erwischt wird, erhält die Note sechs. Und nur diese Note hat der Antrag der SPD hier und heute verdient. Dieser Antrag enthält nichts anderes als die Ideen aus den von Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle initiierten Rohstoffdialogen und der Rohstoffstrategie. Wir wissen alle, dass die Rohstoffversorgung eine Zukunftsaufgabe ist. Die Gleichung ist ganz einfach: Eine wachsende Weltbevölkerung bedeutet wachsender Energie- und Rohstoffbedarf. Dabei sind noch unter keiner Bundesre- gierung – und schon gar nicht unter Rot-Grün – so viele Initiativen zur Rohstoffversorgung gestartet worden wie im letzten Jahr unter Rainer Brüderle: Rohstoffdialoge, Rohstoffstrategie, Rohstoffagentur und Rohstoffpartner- schaften sind unsere Antworten auf die drängenden Fra- gen der Rohstoffversorgung. Die Bundesregierung hat ihre Hausaufgaben gemacht, und Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, laufen jetzt den Aktivitäten des Bundeswirtschaftsministeriums hinterher. Selbstverständlich ist die Bundesregierung schon in Gesprächen über bilaterale Rohstoffpartnerschaften. Und damit sollen die Aktivitäten der Wirtschaft flankiert werden. Dies alles zeigt: Die Bundesregierung bedarf nicht ihrer Nachhilfe, auch nicht, was die Erleichterung des Handels mit den sogenannten Seltenen Erden an- geht. Ja, in der Hochtechnologieindustrie hat man sich in den vergangenen Monaten mit Engpässen für Seltene Er- den beschäftigt. Bald müssten deutsche Firmen ihre Pro- duktionslinien stoppen, verlautete es in den Medien. Und das war schon gleich der erste deutliche und notwendige Auftritt der Deutschen Rohstoffagentur: „Übertriebene Panikmache.“ Zwar haben die Chinesen nun angekün- digt, auch bald vom Exporteur zum Importeur Seltener Erden zu werden, doch bringt dieser Engpass – auch wenn er in eine unglückliche Situation mitten in unseren Aufschwung fällt –, auch eine Chance mit sich, eine Chance für andere Länder, ihre Vorkommen dieser Roh- stoffe – hoffentlich auch umweltverträglicher als der derzeitige Hauptexporteur – zu explorieren. Mehr Län- der, die explorieren, bedeuten einen größeren Markt und damit mehr Wettbewerb. Hin oder her, die Situation der letzten Monate müssen wir – und ganz besonders auch die deutsche Wirtschaft – als Weckruf verstehen. Es war in der Vergangenheit ein Fehler, das erste Glied der Wertschöpfungskette in der Rohstoffwirtschaft aufzuge- ben. Für eine Rückwärtsintegration ist es heute aber fast zu spät. In diesem Fall müsste die Industrie extrem hohe Kosten tragen. Einseitige Abhängigkeiten, Handelsbarrieren und un- zureichende Sanktionen vonseiten der WTO sind die na- türlichen Feinde einer Industrienation wie Deutschland. Diese gilt es zu bekämpfen. Dafür steht der Liberalis- mus. Dafür steht unser Bundeswirtschaftsminister. Dafür steht die FDP. Ulla Lötzer (DIE LINKE): Die Debatte um Seltene Erden nimmt teilweise absurde Züge an. Da wird der Feind wieder einmal schnell ausgemacht. Das böse China dreht der westlichen Industrie den Rohstoffhahn zu. Ganz so einfach ist die Situation allerdings nicht. Richtig ist, dass China derzeit etwa 90 Prozent der Selte- nen Erden fördert. Falsch ist, dass China 90 Prozent der Rohstoffvorkommen besitzt. Höchstens ein Drittel sollen es sein. Nur, die anderen potenziellen Förderländer wie USA, Kanada oder Australien haben ihre Förderung ein- gestellt bzw. nicht weiter ausgebaut, weil ihnen das Ge- schäft nicht lukrativ genug war. Und die deutsche Indus- trie hat gerne die billigen Rohstoffe aus China importiert und sich keinen Deut darum geschert, unter welch kata- strophalen menschlichen Bedingungen und Umweltbe- dingungen diese gefördert wurden. Jetzt, da China die Rohstoffe für die eigene Industrie behalten will, ist das Wehklagen groß. Drehen wir doch den Spieß um und fragen die deut- sche Industrie, was sie denn gegen die drohende Ver- knappung getan hat. Die Antwort ist einfach: nichts. Seit Jahren gäbe es die Möglichkeit, dass die deutsche Indus- trie ein Recyclingsystem für Seltene Erden und andere wichtige Rohstoffe wie Coltan aufbaut. Aber die kurz- fristige Rendite lockt und blockiert das Denken über den Tag hinaus. Sicherlich ist es teurer, ein Recyclingsystem aufzubauen, als billige Rohstoffe zu importieren. Und dann ist das Geschrei da, wenn der Engpass kommt. Hier kann der Wirtschaftsminister wieder einmal sehen, wie unfähig die von ihm so hochgelobte freie Marktwirt- schaft letztlich doch ist. Angesichts dessen, dass einige wenige Industrielän- der in wenigen Jahrzehnten die begrenzten Ressourcen der Welt verbrauchen, muss ein grundsätzlich anderer Ansatz gefunden werden, als Handelsliberalisierung und Abbau von Exporthemmnissen für Rohstoffe zu fordern, wie Bundesregierung und SPD dies tun. Den zügellosen Ressourcenverbrauch einfach fortzusetzen, heißt nichts anderes, als das Problem einfach ein paar Jahrzehnte in die Zukunft zu verschieben. Verlierer sind auf jeden Fall die Menschen in den Entwicklungs- und Schwellenlän- dern. Steigerung der Ressourceneffizienz und Materialrecy- cling sind die beiden wichtigsten Aufgaben, die anste- hen. Bei beidem gibt es ein eklatantes Marktversagen. Da die Gesellschaft aber nicht warten kann, ob und wann eine Verteuerung der Ressourcenimporte viel- leicht doch noch mal den notwendigen Impuls für die Industrie geben wird, muss der Staat steuernd eingrei- fen. Anforderungen an Ressourceneffizienz bei der öf- fentlichen Beschaffung, Aufbau eines Recyclingsys- tems, Besteuerung des Rohstoffverbrauchs, wie die EU- Kommission dies vorschlägt, sind wichtige Maßnahmen, die jetzt ergriffen werden können. Letztlich besteht die Aufgabe darin, Strategien für eine Ressourcensuffizienz zu entwickeln, also der Redu- zierung von Ressourcenverbrauch. Wir haben in der En- quete-Kommission unsere Debatte über das Wirtschafts- wachstum, über die Abkopplung vom Rohstoffverbrauch und die Definition von Lebensqualität aufgenommen. ich hoffe, dass wir zu guten Ergebnissen kommen, die 10244 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 90. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Februar 2011 (A) (C) (D)(B) dann auch in eine Rohstoffpolitik der Bundesregierung einfließen werden. Dr. Frithjof Schmidt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Das Thema Rohstoffe, vor allem die Seltenen Er- den, erlebt derzeit Hochkonjunktur. Es ist gut, dass die- sem Thema mehr Aufmerksamkeit zuteil wird. Wie die Menschheit mit ihren begrenzten Ressourcen haushält, ist – gerade angesichts der riesigen Wachstumsprozesse in den Schwellenländern – eine der großen Herausforde- rungen des 21. Jahrhunderts. Wir müssen dieses Thema aber sehr präzise diskutieren, um Fehlschlüsse zu ver- meiden. Nehmen wir den aktuellen Knappheitsdiskurs bei den Seltenen Erden. Dort haben wir zwar gegenwär- tig in der Tat eine Abhängigkeit von China. China för- dert gerade über 90 Prozent der Seltenen Erden. Zu- gleich besitzt China aber „nur“ 31 Prozent der weltweit bekannten Vorkommen. Diese Abhängigkeit ist entstan- stoffreicher Länder sein. Die von der Bundesregierung angekündigten Rohstoffpartnerschaften dürfen nicht zu einem neuen Rohstoffkolonialismus ausarten. Völlig falsch ist zudem die Debatte, die in manchen sicherheits- politischen Zirkeln geführt wird und die den Schutz des Zugangs zu Rohstoffen zum Beispiel zur Aufgabe der NATO machen will. Eine solche Politik, die an die histo- rische Kanonenbootpolitik erinnert, lehnen wir strikt ab. Vor allem aber verrennen wir uns mit dieser Verengung auf die Beschaffungsseite. Glaubt jemand ernsthaft, man könnte China über die WTO zwingen, mehr zu exportie- ren, als es will? Ich würde meine Hoffnungen nicht da- rauf bauen, vor allem da es auch viele WTO-kompatible Möglichkeiten der Exporteinschränkungen gibt. Nein, wir brauchen einen Perspektivwechsel. Diesen löst lei- der auch der vorliegende Antrag nicht ein. Der Schwerpunkt einer modernen Rohstoffstrategie muss auf Effizienz, Recycling und Substitution liegen. den, weil andere Minenstandorte preislich nicht mehr wettbewerbsfähig waren und weil der Abbau Seltener Erden in hohem Maße umweltschädlich ist und es ja auch ganz bequem war, dass dieser Abbau in den hin- tersten Ecken Chinas stattfand. Hier wurde – weder von der Industrie noch von der Politik – strategisch gegenge- steuert. Stattdessen wird in den USA und in Europa jetzt die verbale Keule gegenüber China ausgepackt und be- klagt, dass China weniger Seltene Erden exportiert als in der Vergangenheit. Zudem wird der aktuelle Engpass viel zu oft gleichgesetzt mit langfristigen Knappheiten. Knappheiten sind aber kein unausweichliches Schicksal; sie sind wirtschaftlich und politisch gestaltbar. Deshalb hat die Diskussion mit ihrem Fokus auf die Beschaf- fungsperspektive eine gewaltige Schieflage. Nehmen wir die Rohstoffstrategie der EU. Dort steht als erster Punkt „Zugang zu Rohstoffen in Staaten außer- halb der EU“. Das halte ich für eine falsche Akzentset- zung. Es wäre falsch, Druck auf Entwicklungsländer auszuüben, um möglichst billig an ihre Rohstoffe zu kommen. Aber genau das ist zu befürchten. So will die EU sich dafür engagieren, dass möglichst keine Export- zölle auf Rohstoffe erhoben werden. Dabei können diese ein wichtiges Finanzierungsinstrument armer, aber roh- Diese Punkte werden zwar überall erwähnt, sie müssen aber im Zentrum unserer Politik stehen. Hier werden die Potenziale systematisch unterschätzt. So wird immer wieder behauptet, dass Seltene Erden kaum substituiert werden könnten – obwohl das für wichtige Produktkate- gorien wie Windräder, Elektroautos oder auch Mobil- funkgeräte nicht stimmt. Und auch beim Recycling kön- nen noch gewaltige Potenziale erschlossen werden. Das zeigt alleine schon die Tatsache, dass noch immer 40 Prozent des europäischen Elektroschrotts teilweise illegal in Drittländer exportiert werden. Hier müssen sich Industrie, Forschung und die Politik anstrengen. Und da kommt es besonders auf die europäi- sche Ebene an. Es macht hier keinen Sinn in national- staatliches Klein-Klein zu verfallen. Hier springt leider auch der Antrag der SPD zu kurz. Der Umgang mit end- lichen Ressourcen ist eine zentrale Zukunftsfrage. Nor- mativ müssen wir in den Industrieländern akzeptieren, dass aus einem überproportionalen Verbrauch kein Recht auf überproportionalen Zugang entsteht. Deshalb sollten wir bei der Lösung der Ressourcenfrage zuerst bei uns selber anfangen. Dazu wäre eine klare Schwerpunktset- zung auf Recycling, Effizienz und Substitution ein wich- tiger Schritt. 90. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 10. Februar 2011 Inhalt: Redetext Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4 Anlage 5 Anlage 6 Anlage 7
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Christel Humme


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)


    Frau Klamt, Sie haben gut angefangen. Ich hatte ge-

    hofft, dass die richtigen Konsequenzen gezogen werden;
    aber Sie haben an dieser Stelle wieder einmal Ihre
    Chance verpasst.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Ihr habt nicht einmal angefangen!)


    Ich bin die letzte Rednerin und habe die Chance, alles
    auf den Punkt zu bringen, was vorhin gesagt worden ist
    und was in den letzten drei Wochen passiert ist. Ich muss
    schon feststellen, dass die Bundesregierung so etwas wie
    Realsatire gezeigt hat. Denn was haben wir erlebt? Was
    ist passiert? Die Frauen in der Bundesregierung streiten
    über die gesetzliche Frauenquote; die Männer in der
    Wirtschaft reiben sich die Hände und behalten dank Frau
    Merkel erst einmal ihre Macht. Klassisch, oder?


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf der Abg. Rita Pawelski [CDU/CSU])


    Wir alle haben noch die Ratschläge der Kanzlerin und
    der Frauenministerin im Ohr. Sie haben den Frauen gera-
    ten: „Seid mutiger und tougher gegenüber euren Chefs,
    dann klappt es mit der Karriere und mit der Bezahlung.“
    Dazu muss ich sagen: Die Frauen in der Bundesregie-
    rung waren wirklich ein sehr schlechtes Vorbild. Nach
    welchem Vorbild sollen sich die Frauen richten? Die
    Frauen in der Bundesregierung haben nämlich gezeigt,
    dass sie ohnmächtig sind; sie haben ihre Ohnmacht do-
    kumentiert und erneut deutlich gemacht, wer in der Bun-
    desrepublik eigentlich das Sagen hat. Auch hier zeigt
    sich wieder das Markenzeichen von Schwarz-Gelb,
    nämlich Klientel- und Lobbypolitik statt Politik für die
    Frauen.

    (Beifall bei der SPD – Rita Pawelski [CDU/ CSU]: Christel, du warst doch selber dabei, als Schröder euch gezeckt hat!)


    – Ja, keine Angst, Rita, ich komme gleich noch darauf.

    Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, die Kanzlerin hat
    ein Machtwort gegen die Frauen gesprochen – das haben
    wir gehört –: Sie lehnt die gesetzliche Quote ab und setzt
    auf Freiwilligkeit. Dabei ist der Handlungsdruck – das
    wissen wir alle ganz genau – sehr groß.

    Frau Bracht-Bendt, Sie unterhalten sich gerade so
    nett. Ich finde es interessant, dass Sie, Frau Bracht-
    Bendt von der FDP, gesagt haben, eine Frauenquote dis-
    qualifiziere die Frauen. Dann frage ich Sie allen Ernstes:
    Warum hat der Bundesvorstand der FDP kürzlich – er
    kommt auf die Spur – eine 30-Prozent-Frauenquote für
    die Parteigremien beschlossen? Warum hat der Frauen-
    verband der FDP gesagt: „Das reicht uns nicht, wir brau-
    chen eine 40-Prozent-Quote“?


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Inwiefern ist das eine Disqualifizierung der Frauen?


    (Zuruf der Abg. Nicole Bracht-Bendt [FDP])


    – Wir werden Ihren Bundesparteitag sehr gut beobach-
    ten.

    Der Handlungsdruck ist natürlich immens. Wir stehen
    im europäischen Vergleich nicht besonders gut da. Wir
    sind keineswegs ein Exportland, wenn es um Gleichstel-
    lung geht. Im Gegenteil: Wir sind hier ein Entwicklungs-
    land; bei uns ist die auch heute viel zitierte gläserne De-
    cke immer noch aus Panzerglas.

    Wir wissen auch, warum das so ist. Ja, wir haben
    2001 eine freiwillige Vereinbarung mit der Wirtschaft
    geschlossen. Wir waren dabei: Frau Ferner, ich und an-
    dere. Wir wissen noch ganz genau, dass wir gesagt ha-
    ben: Wenn die freiwillige Vereinbarung kein Ergebnis
    zeitigt, dann kommt ein Gesetz zur Verpflichtung der
    Privatwirtschaft. Das war die Ausgangssituation.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)


    Wir hatten aber Pech: Es kam zu einer Großen Koali-
    tion, und wir mussten Koalitionsverhandlungen mit Frau
    von der Leyen führen.


    (Caren Marks [SPD]: Die war dagegen!)


    Das Thema einer gesetzlichen Frauenquote war in den
    Koalitionsverhandlungen überhaupt nicht zu setzen; das
    muss man an dieser Stelle feststellen.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)


    Insofern verstehe ich Sie, Frau Bär und Frau Schön,
    überhaupt nicht. Kritisieren Sie doch nicht dauernd die
    Freiwilligkeit! Was wollten wir damals erreichen? Wir
    wollten mehr Chancengleichheit für Frauen im Berufsle-
    ben. Wir wollten mehr familienfreundliche Betriebe. Wir
    wissen, die Bilanz ist ernüchternd. Aber was haben Sie
    daraus gelernt, Frau Bär?





    Christel Humme


    (A) (C)



    (D)(B)


    (Dorothee Bär [CDU/CSU]: Was war denn 2002 bis 2005?)


    – Sie können nur schreien! Hören Sie bitte zu!


    (Dorothee Bär [CDU/CSU]: Ich habe Ihnen zugehört!)


    Was haben Sie vor zwei Tagen gemacht? Sie haben die
    Wirtschaft eine Charta für familienfreundliche Arbeits-
    zeiten unterschreiben lassen.


    (Dorothee Bär [CDU/CSU]: Das hat doch überhaupt nichts mit dem Thema zu tun!)


    Was haben Sie genau getan? Sie haben einen Teil aus der
    freiwilligen Vereinbarung von 2001 herausgepickt und
    „Charta für familienfreundliche Arbeitszeiten“ genannt.


    (Dorothee Bär [CDU/CSU]: Ein zusätzlicher Baustein! Was war denn mit Renate Schmidt und Frau Bergmann?)


    Sie haben den Leuten suggeriert, dass Sie etwas Neues
    machen,


    (Caren Marks [SPD]: Alter Wein in neuen Schläuchen!)


    aber in Wirklichkeit führen Sie sie an der Nase herum,
    weil Sie nämlich gar nichts tun für familienfreundlichere
    Arbeitszeiten. Das ist das Schizophrene an der Situation.


    (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


    Alle zehn Jahre neue Unterschriften sind kein Fortschritt
    für uns. Wir brauchen gesetzliche Regelungen. Das wäre
    unserer Meinung nach ein Fortschritt.


    (Dorothee Bär [CDU/CSU]: Was war denn 2002 bis 2005?)


    – Frau Bär, lassen Sie das doch einmal sein. Das Herum-
    schreien bringt doch nichts.


    (Dorothee Bär [CDU/CSU]: Sagen Sie das einmal Ihrer Fraktion!)


    Wir wollen – das ist ganz klar – eine Quote von
    40 Prozent für Aufsichtsräte und Vorstände gesetzlich
    regeln. Dabei geht es uns nicht nur um die Topmanage-
    rin – das wurde vorhin zwar schon gesagt, aber das
    möchte ich trotzdem noch einmal deutlich machen –,


    (Ingrid Fischbach [CDU/CSU]: Um was geht es denn?)


    sondern es geht uns um die gleichberechtigte Teilhabe
    von Frauen am Arbeitsmarkt insgesamt. Das ist das Ent-
    scheidende.

    Leider müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass zwar
    die Frauenerwerbsquote gestiegen, aber das Arbeitsvolu-
    men gesunken ist.


    (Dorothee Bär [CDU/CSU]: Wer wird jetzt Kanzlerkandidatin der SPD? – Gegenruf der Abg. Elke Ferner [SPD]: Die Kanzlerin tut doch nichts!)

    Es hat eine Umverteilung der Arbeit unter Frauen statt-
    gefunden. Die Frauen haben einen sehr hohen Preis da-
    für bezahlt.


    (Dorothee Bär [CDU/CSU]: Frau Nahles hat Angst, von ihrer eigenen Fraktion weggelobt zu werden! Das ist die Realität! Warum hat sie denn Angst vor ihrer eigenen Fraktion? Das ist ja ganz schlimm, was da vor sich geht! Frauenmobbing! Pfui!)


    Ein Großteil der Frauen ist trotz eigener Erwerbstätigkeit
    von einer eigenständigen Erwerbssicherung weit ent-
    fernt. Ich habe erwartet, dass die Frauenministerin und
    die Arbeitsministerin Schritte in Richtung eines gesetzli-
    chen Mindestlohns einleiten; denn der hätte den Frauen,
    die häufig im Niedriglohnsektor beschäftigt sind, gehol-
    fen.


    (Beifall bei der SPD)


    Aber auch hier stelle ich fest: Nichts tun und Klientel-
    politik, das sind Ihre Markenzeichen.

    Schönen Dank.


    (Beifall bei der SPD)




Rede von Gerda Hasselfeldt
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

Die Aktuelle Stunde ist damit beendet.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 5 auf:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Kultur und Medien

(22. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordne-

ten Klaus Brähmig, Stephan Mayer (Altötting),
Wolfgang Börnsen (Bönstrup), weiterer Abgeord-
neter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der
Abgeordneten Patrick Kurth (Kyffhäuser), Lars
Lindemann, Reiner Deutschmann, weiterer Ab-
geordneter und der Fraktion der FDP

60 Jahre Charta der deutschen Heimatvertrie-
benen – Aussöhnung vollenden

– Drucksachen 17/4193, 17/4651 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Thomas Strobl (Heilbronn)

Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Patrick Kurth (Kyffhäuser)

Dr. Lukrezia Jochimsen
Claudia Roth (Augsburg)


Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen vor.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Stunde vorgesehen. – Ich sehe, damit
sind Sie einverstanden. Dann werden wir so verfahren.

Wenn die Kolleginnen und Kollegen, die der Debatte
beiwohnen wollen, ihre Plätze einnehmen würden, wäre
ich dankbar; denn dann können wir uns auf die Redner
konzentrieren.





Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt


(A) (C)



(D)(B)

Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat das
Wort der Kollege Thomas Strobl für die CDU/CSU-
Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Thomas Strobl


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)


    Frau Bundestagspräsidentin! Meine sehr verehrten

    Kolleginnen und Kollegen! Wir wollen heute über den
    Antrag der Koalitionsfraktionen „60 Jahre Charta der
    deutschen Heimatvertriebenen – Aussöhnung vollen-
    den“ abschließend beraten und entscheiden.

    Das Ziel unseres Antrags ist klar: Wir wollen an die in
    Stuttgart am 5. August 1950 erfolgte Proklamation der
    Charta der Heimatvertriebenen erinnern und anlässlich
    dieses Jubiläums erneut die Leistung der Heimatvertrie-
    benen unterstreichen. Wir wollen erreichen, dass der
    Heimatverlust von 14 Millionen Deutschen zum Mahn-
    mal für alle Vertreibungen der Gegenwart gemacht wird.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


    Heute möchte ich die Gelegenheit nutzen und auf den
    Beitrag von Vizepräsident Wolfgang Thierse eingehen,
    den der Kollege Thierse als Gegner unseres Antrags bei
    der ersten Lesung am 16. Dezember 2010 hier zu Proto-
    koll gegeben hat, auf den ich daher erst heute hier im
    Plenum Bezug nehmen kann.

    Verehrter Herr Kollege Thierse, Sie haben sich in Ih-
    rer Rede erkennbar bemüht, den Erwartungen Ihrer
    Partei zu entsprechen, denen zufolge wie in einem
    Pawlow’schen Reflex alles abzulehnen ist, was irgend-
    wie mit dem Bund der Vertriebenen zu tun hat.


    (Dr. Lukrezia Jochimsen von kann nicht die Rede sein! Sie haben sich dieser wenig schmückenden Aufgabe achtbar entledigt, obwohl es Ihnen stellenweise schwergefallen sein dürfte, dem in Wahrheit durchweg legitimen Ansinnen unseres Antrags zu widersprechen. So sprachen Sie etwa gleich einleitend von einer angeblich viel zu späten Vorlage des Antrags – Monate nach dem 5. August –, bewerteten aber den Antrag im nächsten Atemzug als Schnellschuss. Was soll es denn jetzt sein? Zu langsam oder zu schnell? Beides zusammen geht nicht. Zum 5. August 1950 möchte ich Ihnen Folgendes sagen. Am 5. August 1950 ist mit der Charta der Heimatvertriebenen ein einzigartiges Dokument verabschiedet worden. (Dr. Lukrezia Jochimsen [DIE LINKE]: Das kann man wohl sagen!)


    Wir unterstützen mit unserem Koalitionsantrag die heute
    in Stuttgart von dem baden-württembergischen Minister-