Rede von
Christian
Lindner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Vergessen wir indes nicht die Frage der Religions-
eiheit in Europa. Sie ist uns nicht zugefallen, sondern
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Dezember 2010 9173
Christian Lindner
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sie ist eine zivilisatorische Errungenschaft, um die viele
Generationen und Jahrhunderte gekämpft werden
musste. Meilensteine sind beispielsweise – um nur zwei
zu nennen – der Augsburger Religionsfrieden und die
Weimarer Reichsverfassung.
Paradox ist: Je stärker sich der Staat aus der Reli-
gionspolitik zurückgezogen hat, desto freier waren die
Menschen, ihre Religion zu prägen. Erst als der Staat mit
dem Augsburger Religionsfrieden selbst nicht mehr ge-
tauft war, war es möglich, dass seine Untertanen und
späteren Bürger ihre Konfession selbst frei wählen. Von
zentraler Bedeutung ist, nicht Republik gegen Religion
zu setzen, sondern zu begreifen, dass republikanische
Werte möglicherweise erst die übergreifende Klammer
bilden können, unter der Menschen als freie Individuen
oder als Gemeinden und Gruppen ihren Glauben leben
können.
Von dieser Debatte muss ein Signal nach innen, in die
Innenpolitik Europas – der Kollege hat es angesprochen –,
aber auch in die Welt ausgehen, dass es eben keinen
Konflikt geben darf zwischen Staat und Religion, zwi-
schen republikanischen Werten und religiösen Geboten,
zwischen weltlichem Recht und persönlichen Glaubens-
überzeugungen, sondern dass erst der offene Raum der
Republik den Menschen die Möglichkeit eröffnet, ihren
individuellen Glauben zu stiften und zu leben.
Das ist das Anliegen der Liberalen, einzelner christlicher
Demokraten und vieler anderer mehr.
Wir wollen in diesem Sinne, dass Menschenrechts-
und Entwicklungspolitik, dass unsere auswärtigen Be-
ziehungen Menschenrechte schützen, Menschen das
Recht eröffnet, ihre Religion zu leben. Es ist ein Aus-
weis von Zivilität, ein Ausweis von Reife einer Gesell-
schaft und einer Staatsordnung, wenn sie Menschen in
diesem Sinne Entwicklungsmöglichkeiten eröffnet.
Wir dürfen uns nicht allein auf freundliche Appelle
beschränken, sondern müssen sie mit dem offensiven
Werben um diese republikanische Qualität verbinden.
Die Menschenrechtsfrage müssen wir mit den unter-
schiedlichen Kontakten, die wir in diese Länder haben,
verbinden, um sicherzustellen: Der einzelne Mensch
braucht diese Freiheit, und es ist ein Gewinn für diese
Gesellschaften, wenn sie sich in dieser Weise innerlich
liberalisieren.
Herzlichen Dank.