Rede von
Wolfgang
Gehrcke
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(DIE LINKE.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)
Herr Wellmann, Sie sind selber schuld, dass ich jetzt
alles erklären muss. Sie hätten es anders haben können.
Ich fand das schon ein bisschen paradox. Ich gebe zu,
dass ich lange gebraucht habe, um mich davon zu lösen,
alles gut zu finden, was Russland macht bzw. die
Sowjetunion gemacht hat. Dass Sie mir jetzt empfehlen,
dass ich alles gut finden soll, was Russland heute zur
NATO sagt, finde ich ein bisschen unhistorisch.
Akzeptieren Sie: Es gibt hier Bewegung. Da Sie jetzt al-
les begrüßen, was die NATO macht, kann ich Ihnen Fol-
gendes empfehlen: Fangen Sie einmal an, ein bisschen
kritisch nachzudenken. Dann lösen auch Sie sich davon
und werden auch Sie nicht alles gut finden, was Russ-
land macht. Hier kann man sich ja bewegen.
Ähnliches gilt in Bezug auf Afghanistan. Ich finde es
immer bemerkenswert, wenn die falschen Argumente,
die ich gebraucht habe, heute von anderen Seiten wie-
derholt werden. Man kann geschichtlich nicht alles
gleichsetzen; das ist völlig klar. Ich kenne die Argu-
mente von früher, als auch ich leider argumentiert habe:
Die Sowjetunion ist in Afghanistan einmarschiert, um
das Mittelalter zu überwinden. – Völlig falsch! Die So-
wjetunion ist einmarschiert, um die Menschen dort zu
befreien. – Völlig falsch! Die Sowjetunion ist einmar-
schiert, um die Frauen in Afghanistan zu befreien. –
Völlig falsch! Es waren imperiale Gründe. Ich finde,
man sollte heute nicht den gleichen Unsinn seitenver-
kehrt wiederholen. Wenn man das tut, dann hat man aus
der Geschichte nun wirklich überhaupt nichts gelernt.
Wir alle sollten so couragiert sein, etwas aus der Ge-
schichte – auch aus der eigenen – zu lernen.
Letzter Punkt: Man kann an Herrn Modrow, der
Ministerpräsident der DDR war, gewiss viel Kritik üben.
Er weiß, dass das auch in unserer Partei der Fall ist. Er
hat aber seinen Beitrag dazu geleistet, dass die Vereini-
gung Deutschlands friedfertig und nicht mit viel Gewalt
verlaufen ist. Ich finde, auch Ihre Partei müsste sich ein-
mal einen Ruck geben, das auch hier im Parlament zu
würdigen und zu sagen, dass sie das bei allen Differen-
zen anerkennt. Der Kalte Krieg ist vorbei, die DDR gibt
es nicht mehr – man kann zu einem anderen Umgang
miteinander kommen.
Sie haben das nicht geschafft; aber es war ein bisschen
erheiternd und ermunternd, hier wieder einmal Antikom-
munismus pur zu erleben. Ich habe das, ehrlich gesagt,
schon vermisst, weil es dazu so lange nicht gekommen
ist.
Schönen Dank für Ihren Beitrag.