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    Plenarprotokoll 17/71 schen Konzept der NATO . . . . . . . . . . . . . . Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. h. c. Gernot Erler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU) . . . . . Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Rainer Stinner (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Uta Zapf (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Philipp Mißfelder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 4: a) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Änderung des Wertpapierer- werbs- und Übernahmegesetzes (Drucksache 17/3481) . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Ulla Lötzer, Sahra Wagenknecht, Dr. Barbara Höll, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Beschäftigtenrechte bei Übernahmen und Fusionen stärken (Drucksache 17/3540) . . . . . . . . . . . . . . . Joachim Poß (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Mathias Middelberg (CDU/CSU) . . . . . . 7599 A 7599 B 7600 D 7602 A 7604 B 7606 C 7607 D 7609 B 7610 D 7611 A 7620 B 7620 C 7620 C 7622 A Deutscher B Stenografisc 71. Sit Berlin, Donnerstag, de I n h a Glückwünsche zum Geburtstag der Abgeord- neten Inge Höger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erinnerung an Eduard von Simson . . . . . . . Begrüßung der neuen Abgeordneten Rita Schwarzelühr-Sutter und Johanna Voß . . . Erweiterung und Abwicklung der Tagesord- nung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Absetzung des Tagesordnungspunktes 34 . . . Begrüßung des Präsidenten der Abgeordne- tenkammer des Großherzogtums Luxemburg, Herrn Laurent Mosar . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 3: Vereinbarte Debatte: zum neuen Strategi- 7597 A 7597 B 7597 D 7598 A 7598 D 7599 A Agnes Malczak (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Guido Westerwelle (FDP) . . . . . . . . . . . . 7612 C 7613 C undestag her Bericht zung n 11. November 2010 l t : Agnes Malczak (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ralph Lenkert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . Dr. Hans-Peter Bartels (SPD) . . . . . . . . . . . . Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Ruprecht Polenz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Thomas Silberhorn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 7613 D 7614 A 7615 A 7615 C 7616 A 7617 B 7617 D 7618 A 7619 A Ulla Lötzer (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Volker Wissing (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . 7624 D 7626 A II Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. November 2010 Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU) . . . . . Petra Hinz (Essen) (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Frank Schäffler (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Axel Troost (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Ralph Brinkhaus (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Rolf Hempelmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 37: a) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur bestätigenden Regelung verschiedener steuerlicher und ver- kehrsrechtlicher Vorschriften des Haus- haltsbegleitgesetzes 2004 (Drucksache 17/3632) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Änderungsprotokoll vom 25. Mai 2010 zum Abkommen vom 17. Oktober 1962 zwischen der Bundes- republik Deutschland und Irland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerver- kürzung bei den Steuern vom Einkom- men und vom Vermögen sowie der Ge- werbesteuer (Drucksache 17/3358) . . . . . . . . . . . . . . . . c) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Drit- ten Gesetzes zur Änderung des Um- wandlungsgesetzes (Drucksache 17/3122) . . . . . . . . . . . . . . . . d) Antrag der Abgeordneten Dr. Harald Terpe, Birgitt Bender, Elisabeth Scharfenberg, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Mehr Flexibilität und Transpa- renz bei der Pandemiebekämpfung (Drucksache 17/3544) . . . . . . . . . . . . . . . . e) Antrag der Fraktion der SPD: Das Men- schenrecht auf sauberes Trinkwasser und Sanitärversorgung umsetzen (Drucksache 17/3652) . . . . . . . . . . . . . . . . f) Antrag der Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter, Winfried Hermann, Dr. Valerie Wilms, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Modellversuche mit Gigalinern been- den – Umweltorientierten Aktionsplan Güterverkehr und Logistik auf den Weg bringen (Drucksache 17/3674) . . . . . . . . . . . . . . . . 7627 C 7629 C 7631 D 7632 D 7633 D 7634 D 7637 C 7638 D 7639 A 7639 A 7639 A 7639 B 7639 B g) Antrag der Abgeordneten Karin Binder, Dr. Dietmar Bartsch, Herbert Behrens, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Akzeptanzprobleme bei der Rheintalbahn durch offene Planung beseitigen (Drucksache 17/3659) . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 2: a) Antrag der Abgeordneten Heinz Paula, Dr. Wilhelm Priesmeier, Petra Crone, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Tierschutz bei Katzen verbessern (Drucksache 17/3653) . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Undine Kurth (Quedlinburg), Cornelia Behm, Ulrike Höfken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Tierschutz stärken – Tierheime entlas- ten (Drucksache 17/3543) . . . . . . . . . . . . . . . c) Antrag der Abgeordneten Nicole Maisch, Renate Künast, Ulrike Höfken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: zu dem Vor- schlag für eine Richtlinie des Europäi- schen Parlaments und des Rates über Rechte der Verbraucher KOM(2008)614 endg.; Ratsdok. 14183/08 hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes Modernes Verbraucherrecht für Eu- ropa entwickeln (Drucksache 17/3675) . . . . . . . . . . . . . . . d) Antrag der Abgeordneten Thilo Hoppe, Tom Koenigs, Markus Kurth, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Rechte indigener Völker stärken, ILO-Konvention 169 ratifizieren (Drucksache 17/3676) . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 38: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 9. Juni 2006 zwischen der Europäi- schen Gemeinschaft und ihren Mit- gliedstaaten, der Republik Albanien, Bosnien und Herzegowina, der Repu- blik Bulgarien, der ehemaligen jugosla- wischen Republik Mazedonien, der Re- publik Island, der Republik Kroatien, der Republik Montenegro, dem König- reich Norwegen, Rumänien, der Repu- 7639 C 7639 C 7639 C 7639 D 7639 D Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. November 2010 III blik Serbien und der Übergangsverwal- tung der Vereinten Nationen in Kosovo zur Schaffung eines gemeinsamen euro- päischen Luftverkehrsraums (Vertrags- gesetz ECAA-Übereinkommen – ECAAÜbkG) (Drucksachen 17/2068, 17/3396) . . . . . . . b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung des Frei- hafens Hamburg (Drucksachen 17/3353, 17/3682) . . . . . . . c) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Vereinbarung vom 20. April 2010 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung von Quebec über Soziale Sicherheit (Drucksachen 17/3120, 17/3575) . . . . . . . d) Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 24. Oktober 2008 zwischen der Regierung der Bundesre- publik Deutschland, der Regierung des Königreichs Belgien, der Regierung der Französischen Republik und der Regie- rung des Großherzogtums Luxemburg zur Einrichtung und zum Betrieb eines Gemeinsamen Zentrums der Polizei- und Zollzusammenarbeit im gemeinsa- men Grenzgebiet (Drucksachen 17/3117, 17/3500) . . . . . . . e) Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Ab- kommen vom 9. März 2009 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Französischen Republik über die Zu- sammenarbeit im Bereich der Sicher- heit im Luftraum bei Bedrohungen durch zivile Luftfahrzeuge (Drucksachen 17/3125, 17/3661) . . . . . . . f) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu der Verordnung der Bundesregierung: Verordnung zur An- passung umweltrechtlicher Verordnun- gen an die Terminologie der Verord- nung (EG) Nr. 1272/2008 (Drucksachen 17/3476, 17/3578 Nr. 2, 17/3657) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g)–q) Beschlussempfehlungen des Petitionsaus- schusses: Sammelübersichten 153, 154, 155, 156, 157, 158, 159, 160, 161, 162 und 163 zu Petitionen 7640 B 7640 C 7640 D 7641 A 7641 B 7641 D (Drucksachen 17/3455, 17/3456, 17/3457, 17/3458, 17/3459, 17/3460, 17/3461, 17/3462, 17/3463, 17/3464, 17/3465) . . . Zusatztagesordnungspunkt 3: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der SPD: Meinungsverschiedenheiten in- nerhalb der Bundesregierung über die Re- form der Kommunalfinanzen Joachim Poß (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Katrin Kunert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Dr. Volker Wissing (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Mathias Middelberg (CDU/CSU) . . . . . . Bernd Scheelen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Birgit Reinemund (FDP) . . . . . . . . . . . . . Kirsten Lühmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus-Peter Flosbach (CDU/CSU) . . . . . . . . Peter Friedrich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peter Aumer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Bernhard Kaster (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 5: a) – Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung des Arz- neimittelmarktes in der gesetzlichen Krankenversicherung (Arzneimittel- marktneuordnungsgesetz – AMNOG) (Drucksachen 17/2413, 17/3698) . . . . – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Neuord- nung des Arzneimittelmarktes in der gesetzlichen Krankenversiche- rung (Arzneimittelmarktneuord- nungsgesetz – AMNOG) (Drucksache 17/3116, 17/3211, 17/3698) b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Karl Lauterbach, Dr. Marlies Volkmer, Elke Ferner, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der SPD: Effektivere Arzneimittelversorgung – zu dem Antrag der Abgeordneten René Röspel, Dr. Marlies Volkmer, Dr. Ernst 7642 A 7643 A 7644 B 7645 D 7647 A 7648 C 7650 A 7651 A 7652 C 7654 A 7655 A 7656 B 7657 D 7658 D 7660 A 7660 A IV Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. November 2010 Dieter Rossmann, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der SPD: Öffentlichen Zugang zu Informa- tionen über klinische Studien umfas- send sicherstellen – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Petra Sitte, Agnes Alpers, Dr. Martina Bunge, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion DIE LINKE: Verpflichtung zur Registrierung al- ler klinischen Studien und zur Ver- öffentlichung aller Studienergeb- nisse einführen – zu dem Antrag der Abgeordneten Kathrin Vogler, Dr. Martina Bunge, Karin Binder, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Unab- hängige Patientenberatung in Regel- angebot überführen – zu dem Antrag der Abgeordneten Kathrin Vogler, Dr. Martina Bunge, Dr. Ilja Seifert, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Für ein mo- dernes Preisbildungssystem bei Arz- neimitteln – zu dem Antrag der Abgeordneten Birgitt Bender, Fritz Kuhn, Maria Anna Klein-Schmeink, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Qualität und Sicherheit der Arzneimittelversor- gung verbessern – Positivliste ein- führen – Arzneimittelpreise be- grenzen – zu dem Antrag der Abgeordneten Maria Anna Klein-Schmeink, Fritz Kuhn, Birgitt Bender, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Unabhängige Patientenberatung ausbauen und in die Regelversorgung überführen (Drucksachen 17/1201, 17/1768, 17/893, 17/2322, 17/2324, 17/1418, 17/1985, 17/3698) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Philipp Rösler, Bundesminister BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Karl Lauterbach (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Johannes Singhammer (CDU/CSU) . . . . . . . . Kathrin Vogler (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Christine Aschenberg-Dugnus (FDP) . . . . . . Kathrin Vogler (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Christine Aschenberg-Dugnus (FDP) . . . . . . 7660 B 7660 D 7661 D 7663 C 7664 D 7666 B 7667 D 7668 D 7669 B Dr. Marlies Volkmer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Jens Spahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Karl Lauterbach (SPD) . . . . . . . . . . . . Michael Hennrich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Namentliche Abstimmungen . . . . . . . . . . . . . Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 6: Erste Beratung des von den Abgeordneten Klaus Ernst, Matthias W. Birkwald, Diana Golze, weiteren Abgeordneten und der Frak- tion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs ei- nes Gesetzes zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Ge- setze (RV-Altersgrenzenanpassungs-Aus- setzungsgesetz – RV-AgAG) (Drucksache 17/3546) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) . . . . . . . Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) . . . Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) . . . . . . . Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) . . . . Anton Schaaf (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Max Straubinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . Max Straubinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) . . . . Johannes Vogel (Lüdenscheid) (FDP) . . . . . . Tagesordnungspunkt 7: a) Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP: Mobilität nachhaltig sichern – Elektromobilität fördern (Drucksache 17/3479) . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Sabine Leidig, Dr. Petra Sitte, Dr. Gesine Lötzsch, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Klimaschutz im Verkehr braucht wesentlich mehr als Elektroau- tos (Drucksache 17/2022) . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit 7669 C 7670 C 7671 B 7672 C 7673 D, 7674 C 7676 C, 7678 B 7675 A 7675 B 7681 A 7681 D 7682 C 7683 C 7684 A 7685 C 7686 B 7687 A 7688 A 7688 C 7689 D 7691 A 7691 A Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. November 2010 V Zusatztagesordnungspunkt 4: Antrag der Abgeordneten Ute Kumpf, Wolfgang Tiefensee, Uwe Beckmeyer, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Nachhaltige Mobilität fördern – Elektro- mobilität vorantreiben (Drucksache 17/3647) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Andreas Jung (Konstanz) (CDU/CSU) . . . . . Ute Kumpf (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Werner Simmling (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Sabine Leidig (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Steffen Bilger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Tiefensee (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Michael Kauch (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Reinhard Brandl (CDU/CSU) . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 8: Antrag der Abgeordneten Katja Dörner, Ekin Deligöz, Kai Gehring, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Vorrang für Kinder – Auch beim Lärmschutz (Drucksache 17/2925) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Katja Dörner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Michael Paul (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Ute Vogt (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Judith Skudelny (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stefan Liebich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Sabine Stüber (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Daniela Raab (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 9: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung des Schutzes von Vertrauensverhältnissen zu Rechtsanwäl- ten im Strafprozessrecht (Drucksachen 17/2637, 17/3693) . . . . . . . . . . Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU) . . . . . . . . . Halina Wawzyniak (DIE LINKE) . . . . . . . . . Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7691 B 7691 C 7692 D 7694 A 7694 D 7695 C 7696 D 7697 D 7698 D 7699 C 7700 B 7700 B 7701 B 7702 B 7703 A 7703 C 7704 D 7705 B 7706 B 7706 C 7707 C 7709 B 7710 B Tagesordnungspunkt 10: Erste Beratung des von den Abgeordneten Christine Lambrecht, Olaf Scholz, Bärbel Bas, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Ge- setzes zur Verlängerung der straf- und zivilrechtlichen Verjährungsfristen bei sexuellem Missbrauch von Kindern und minderjährigen Schutzbefohlenen (Drucksache 17/3646) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Christine Lambrecht (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Ansgar Heveling (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Halina Wawzyniak (DIE LINKE) . . . . . . . . . Christian Ahrendt (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Olaf Scholz (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 11: a) Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Freiheit für Gilad Shalit (Drucksache 17/3422) . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Fraktion DIE LINKE: Durch einen humanitären Akt Frieden beför- dern – Gilad Shalit freilassen (Drucksache 17/3431) . . . . . . . . . . . . . . . Philipp Mißfelder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Christian Lange (Backnang) (SPD) . . . . . . . . Dr. Rainer Stinner (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ruprecht Polenz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Bettina Kudla (CDU/CSU) (Erklärung nach § 31 GO) . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 12: Antrag der Abgeordneten Gabriele Hiller- Ohm, Anette Kramme, Elke Ferner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes durch eine transparente Bemessung der Regelsätze und eine Förderung der Teil- habe von Kindern umsetzen (Drucksache 17/3648) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gabriele Hiller-Ohm (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Carsten Linnemann (CDU/CSU) . . . . . . . Katja Kipping (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Pascal Kober (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7711 B 7711 C 7713 A 7714 D 7715 D 7716 A 7716 D 7717 B 7717 C 7717 C 7718 D 7720 A 7720 D 7721 D 7723 A 7723 D 7724 C 7724 D 7725 C 7726 C 7727 D VI Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. November 2010 Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Paul Lehrieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Katja Kipping (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gabriele Lösekrug-Möller (SPD) . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 13: a) Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: 60 Jahre Europäische Menschenrechts- konvention (Drucksache 17/3423) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Andrej Hunko, Dr. Diether Dehm, Annette Groth, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: 60 Jahre Europäische Men- schenrechtskonvention – Menschen- rechte stärken, schützen und durchset- zen (Drucksache 17/3658) . . . . . . . . . . . . . . . . Joachim Hörster (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Christoph Strässer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Marina Schuster (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Andrej Hunko (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Holger Haibach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Frieser (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 14: Antrag der Abgeordneten Jan Korte, Wolfgang Nešković, Petra Pau, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion DIE LINKE: Widerstand von Kommunistinnen und Kommunisten gegen das NS-Regime aner- kennen (Drucksache 17/2201) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 15: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zu dem Antrag der Abge- ordneten Anette Hübinger, Holger Haibach, Dr. Christian Ruck, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Harald Leibrecht, Helga Daub, Joachim Günther (Plauen), weiterer Abgeord- 7729 C 7730 C 7730 D 7731 D 7733 A 7733 D 7734 D 7734 D 7735 A 7736 B 7737 D 7738 D 7739 C 7740 B 7741 B 7742 C neter und der Fraktion der FDP: Bildung in Entwicklungs- und Schwellenländern stär- ken – Bildungsmaßnahmen anpassen und wirksamer gestalten (Drucksachen 17/2134, 17/3622) . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 16: Antrag der Abgeordneten Dr. Valerie Wilms, Markus Kurth, Cornelia Behm, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Rohstoffförderung im Meer – Aus der Katastrophe lernen (Drucksache 17/3662) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 17: Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung über den Stand des Ausbaus für ein bedarfsgerechtes Ange- bot an Kindertagesbetreuung für Kinder unter drei Jahren für das Berichtsjahr 2009 (Erster Zwischenbericht zur Evaluation des Kin- derförderungsgesetzes) (Drucksache 17/2621) . . . . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 5: Antrag der Abgeordneten Dorothee Bär, Markus Grübel, Marcus Weinberg (Ham- burg), weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Miriam Gruß, Nicole Bracht-Bendt, Patrick Meinhardt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Faire Teilhabechancen von Anfang an – Frühkindliche Betreuung und Bildung fördern (Drucksache 17/3663) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 20: Antrag der Abgeordneten Dr. Heinz Riesenhuber, Dr. Philipp Murmann, Dr. Joachim Pfeiffer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Paul K. Friedhoff, Patrick Meinhardt, Dr. Martin Neumann (Lausitz), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Existenzgründungen aus Forschung und Wissenschaft fördern – Für einen star- ken deutschen Innovationsstandort (Drucksache 17/3480) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 19: Antrag der Abgeordneten René Röspel, Dr. Matthias Miersch, Dr. Ernst Dieter 7742 D 7743 A 7743 B 7743 B 7743 C Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. November 2010 VII Rossmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Schutz der biologischen Vielfalt – Die Taxonomie in der Biologie stärken (Drucksache 17/3484) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 22: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2009/28/EG zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen (Europarechtsan- passungsgesetz Erneuerbare Energien – EAG EE) (Drucksache 17/3629) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 21: a) Antrag der Abgeordneten Rolf Hempelmann, Hubertus Heil (Peine), Ulrich Kelber, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Die Energieversor- gung in kommunaler Hand (Drucksache 17/3649) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Ulla Lötzer, Dr. Barbara Höll, Eva Bulling-Schröter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Energienetze in die öffent- liche Hand – Kommunalisierung der Energieversorgung erleichtern – Trans- parenz und demokratische Kontrolle stärken (Drucksache 17/3671) . . . . . . . . . . . . . . . . Thomas Bareiß (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Rolf Hempelmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus Breil (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulla Lötzer (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 24: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Vormundschafts- und Be- treuungsrechts (Drucksache 17/3617) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Andrea Astrid Voßhoff (CDU/CSU) . . . . . . . . Sonja Steffen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jörn Wunderlich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7743 D 7744 A 7744 A 7744 B 7744 B 7746 B 7747 A 7748 A 7748 C 7749 C 7749 D 7751 B 7752 A 7752 C 7753 C Tagesordnungspunkt 23: Antrag der Abgeordneten Jan van Aken, Christine Buchholz, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Beziehung der Europäischen Union mit Afrika solidarisch und gerecht gestalten (Drucksache 17/3672) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Karin Roth (Esslingen) (SPD) . . . . . . . . . . . . Joachim Günther (Plauen) (FDP) . . . . . . . . . Annette Groth (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 26: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung von De-Mail-Diensten und zur Änderung weiterer Vorschriften (Drucksache 17/3630) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Clemens Binninger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Gerold Reichenbach (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Manuel Höferlin (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Jan Korte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 25: Antrag der Abgeordneten Dirk Becker, Ulrich Kelber, Gerd Bollmann, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion der SPD: Biomethan im Verkehrssektor fördern (Drucksache 17/3651) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Christian Hirte (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Dirk Becker (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Kauch (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ralph Lenkert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 28: a) – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Ersten Gesetzes zur Än- derung des Stipendienprogramm- Gesetzes (1. StipG-ÄndG) (Drucksachen 17/3359, 17/3699) . . . . 7754 C 7754 C 7756 A 7757 D 7758 C 7759 C 7760 B 7760 C 7761 D 7763 B 7764 B 7765 D 7767 B 7767 C 7768 D 7770 C 7771 A 7771 B 7772 A VIII Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. November 2010 – Bericht des Haushaltsausschusses ge- mäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 17/3701) . . . . . . . . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zu dem An- trag der Abgeordneten Nicole Gohlke, Dr. Petra Sitte, Agnes Alpers, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Mittel des Nationalen Stipen- dienprogramms für eine Erhöhung des BAföG nutzen (Drucksachen 17/2427, 17/3699) . . . . . . . Dr. Stefan Kaufmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . Marianne Schieder (Schwandorf) (SPD) . . . . Patrick Meinhardt (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Nicole Gohlke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 27: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Wirtschaft und Technologie – zu dem Antrag der Abgeordneten Martin Dörmann, Garrelt Duin, Hubertus Heil (Peine), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Betroffene Kulturein- richtungen nach Frequenzumstellung für drahtlose Mikrofone angemessen entschädigen – zu dem Antrag der Abgeordneten Katrin Kunert, Dr. Lukrezia Jochimsen, Dr. Petra Sitte, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion DIE LINKE: Kulturelle Einrich- tungen vor Folgeschäden aus der Frequenzversteigerung der digitalen Dividende bewahren – zu dem Antrag der Abgeordneten Tabea Rößner, Agnes Krumwiede, Ekin Deligöz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Kultur und Rundfunk nicht durch die Fre- quenzumstellung schädigen (Drucksachen 17/3177, 17/2416, 17/2920, 17/3694) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Andreas G. Lämmel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Johannes Selle (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Martin Dörmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Burkhardt Müller-Sönksen (FDP) . . . . . . . . . Katrin Kunert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7772 A 7772 B 7772 B 7773 D 7775 A 7776 A 7776 C 7777 C 7777 D 7778 C 7779 A 7780 C 7781 C 7782 B Tagesordnungspunkt 30: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Siebten Geset- zes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (Drucksachen 17/3631, 17/3683) . . . . . . . . . . Thomas Dörflinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Paul Lehrieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Angelika Krüger-Leißner (SPD) . . . . . . . . . . Pascal Kober (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Katrin Kunert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 29: Antrag der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann, Dr. Dietmar Bartsch, Jan van Aken, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion DIE LINKE: Erkenntnisse des Welt- agrarberichtes zur Grundlage deutscher, europäischer und internationaler Agrar- und Entwicklungspolitik machen (Drucksache 17/3542) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Johannes Röring (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD) . . . . . . . . . . . . Dr. Christel Happach-Kasan (FDP) . . . . . . . Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) . . . . . . . Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 31: Antrag der Abgeordneten Eva Bulling- Schröter, Dr. Barbara Höll, Ralph Lenkert, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Extraprofite von Atom- und Koh- lekraftwerksbetreibern abschöpfen (Drucksache 17/3673) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Frank Steffel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Ingrid Arndt-Brauer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Birgit Reinemund (FDP) . . . . . . . . . . . . . Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . . Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 7783 C 7783 C 7784 B 7785 B 7786 C 7787 C 7788 B 7789 A 7789 A 7790 B 7791 D 7792 D 7794 A 7794 D 7795 A 7795 D 7796 D 7797 B 7798 B 7799 C 7801 A Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. November 2010 IX Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung: Sammelüber- sicht 163 zu Petitionen (Tagesordnungs- punkt 38 q) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Oliver Luksic (FDP) zur namentlichen Ab- stimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes in der gesetzlichen Krankenversicherung (Arz- neimittelmarktneuordnungsgesetz – AMNOG) (Tagesordnungspunkt 5 a) . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über den Antrag: Freiheit für Gilad Shalit (Tagesord- nungspunkt 11 a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung des Schutzes von Vertrauensverhältnissen zu Rechtsanwälten im Strafprozessrecht (Tages- ordnungspunkt 9) Dr. Peter Danckert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Widerstand von Kommunistin- nen und Kommunisten gegen das NS-Regime anerkennen (Tagesordnungspunkt 14) Klaus-Peter Willsch (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Bettina Kudla (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Gabriele Fograscher (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Stefan Ruppert (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Jan Korte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts: Bildung in Entwicklungs- und Schwellenlän- dern stärken – Bildungsmaßnahmen anpassen und wirksamer gestalten (Tagesordnungs- punkt 15) 7801 C 7802 A 7802 C 7803 A 7804 A 7804 D 7805 D 7806 D 7807 D 7809 A Anette Hübinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Dr. Bärbel Kofler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Harald Leibrecht (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Ute Koczy (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Rohstoffförderung im Meer – Aus der Katastrophe lernen (Tagesordnungs- punkt 16) Ingbert Liebing (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Franz Obermeier (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Frank Schwabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Angelika Brunkhorst (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Sabine Stüber (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Unterrichtung: Bericht der Bundesregie- rung über den Stand des Ausbaus für ein bedarfsgerechtes Angebot an Kindertages- betreuung für Kinder unter drei Jahren für das Berichtsjahr 2009 (Erster Zwischenbe- richt zur Evaluation des Kinderförde- rungsgesetzes) – Antrag: Faire Teilhabechancen von An- fang an – Frühkindliche Betreuung und Bildung fördern (Tagesordnungspunkt 17 und Zusatztagesord- nungspunkt 5) Dorothee Bär (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Marlene Rupprecht (Tuchenbach) (SPD) . . . Miriam Gruß (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diana Golze (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . Katja Dörner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Existenzgründungen aus For- schung und Wissenschaft fördern – Für einen 7809 D 7811 B 7813 A 7813 D 7814 D 7815 D 7817 A 7818 A 7819 B 7819 D 7820 C 7821 B 7822 B 7823 B 7824 A 7825 A 7826 A X Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. November 2010 starken deutschen Innovationsstandort (Ta- gesordnungspunkt 20) Dr. Heinz Riesenhuber (CDU/CSU) . . . . . . . . Dr. Philipp Murmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . Peter Friedrich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Martin Lindner (Berlin) (FDP) . . . . . . . . Dr. Petra Sitte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Christine Scheel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Schutz der biologischen Vielfalt – Die Taxonomie in der Biologie stärken (Ta- gesordnungspunkt 19) Ewa Klamt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . Josef Göppel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) . . . . . . . . . Dr. Matthias Miersch (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Angelika Brunkhorst (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Petra Sitte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Krista Sager (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 12 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2009/28/EG zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quel- len (Europarechtsanpassungsgesetz Erneuer- bare Energien – EAG EE) (Tagesordnungs- punkt 22) Dr. Maria Flachsbarth (CDU/CSU) . . . . . . . Dirk Becker (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Kauch (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Horst Meierhofer (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Dorothee Menzner (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7826 D 7828 D 7830 D 7831 D 7832 D 7834 A 7835 A 7836 A 7837 A 7837 D 7838 B 7838 D 7839 C 7840 B 7842 A 7843 B 7843 D 7844 C 7845 A Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. November 2010 7597 (A) (C) (D)(B) 71. Sit Berlin, Donnerstag, de Beginn: 9
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    Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. November 2010 7801 (A) (C) (D)(B) Zimmermann, Sabine DIE LINKE 11.11.2010 Deshalb stimme ich nicht dafür, die Petition zum Mindestlohn für Beschäftigte in Werkstätten für Men- Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Ackermann, Jens FDP 11.11.2010 van Aken, Jan DIE LINKE 11.11.2010 Bätzing-Lichtenthäler, Sabine SPD 11.11.2010 Buchholz, Christine DIE LINKE 11.11.2010 Bülow, Marco SPD 11.11.2010 Ernst, Klaus DIE LINKE 11.11.2010 Frankenhauser, Herbert CDU/CSU 11.11.2010 Friedhoff, Paul K. FDP 11.11.2010 Granold, Ute CDU/CSU 11.11.2010 Griese, Kerstin SPD 11.11.2010 Dr. Merkel, Angela CDU/CSU 11.11.2010 Movassat, Niema DIE LINKE 11.11.2010 Mücke, Jan FDP 11.11.2010 Dr. Müller, Gerd CDU/CSU 11.11.2010 Oswald, Eduard CDU/CSU 11.11.2010 Röspel, René SPD 11.11.2010 Dr. Schäuble, Wolfgang CDU/CSU 11.11.2010 Schreiner, Ottmar SPD 11.11.2010 Dr. Schwanholz, Martin SPD 11.11.2010 Dr. Sieling, Carsten SPD 11.11.2010 Dr. Steinmeier, Frank- Walter SPD 11.11.2010 Ulrich, Alexander DIE LINKE 11.11.2010 Wagenknecht, Sahra DIE LINKE 11.11.2010 Werner, Katrin DIE LINKE 11.11.2010 Wicklein, Andrea SPD 11.11.2010 Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) zur Abstimmung über die Beschlussempfeh- lung: Sammelübersicht 163 zu Petitionen (Ta- gesordnungspunkt 38 q) Ich lehne die Beschlussempfehlung des Petitionsaus- schusses (2. Ausschuss) – Sammelübersicht 163 zu Peti- tionen – auf Drucksache 17/3465 ab, weil damit dem Anliegen der Petentinnen und Petenten der unter dem Stichwort „Hilfe für Behinderte“ zusammengefassten Petitionen mit der laufenden Nummer 11 der oben ge- nannten Drucksache nicht Rechnung getragen wird. In diesen Petitionen fordern der Petent sowie 564 Mit- zeichnende und 36 Personen, die die Petition mit einem Diskussionsbeitrag unterstützten, gesetzliche Mindest- löhne für Beschäftigte in Werkstätten für Menschen mit Behinderungen Der Petitionsausschuss kam mehrheitlichen, das heißt mit den Stimmen von CDU/CSU und FDP zur Einschät- zung, das Petitionsverfahren abzuschließen, weil er „die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes in den Werkstätten für behinderte Menschen nicht als sinnvoll“ ansieht, dem Anliegen des Petenten also nicht entspro- chen werden konnte. Diese Einschätzung teile ich nicht. Deshalb werden die Fraktion Die Linke und ich gegen diese Beschluss- empfehlung stimmen. Warum sollten die Petitionen an die Bundesregierung als Material und den Bundestagsfraktionen zur Kenntnis gegeben werden? Das war der (abgelehnte) Vorschlag aus der Opposition. Die derzeitige Situation von Beschäftigten in WfbM widerspricht in eklatanter Weise der UN-Behinderten- rechtskonvention, die seit März 2009 in Deutschland geltendes Recht ist. In Art. 27 „Arbeit und Beschäftigung“ geht es unter anderem um das Recht von Menschen mit Behinderung, den Lebensunterhalt durch Arbeit zu verdienen. Dies ist für die über 270 000 Beschäftigten in den circa 700 WfbM mit einem derzeitigen durchschnittlichen monatli- chen (!) Arbeitsentgelt von 160 Euro nicht möglich. Die Einführung von gesetzlichen Mindestlöhnen, welche Einkommen ermöglichen, die oberhalb von Hartz IV oder der Grundsicherung nach SGB XII liegen, wäre auch für Beschäftigte in Werkstätten ein wichtiger Schritt für ein menschenwürdiges selbstbestimmtes Leben in der Gesellschaft. Die bestehende nachteilsausglei- chende Rentenregelung für Werkstattbeschäftigte könnte dabei weitergeführt werden. Dieser Aufgabe dürfen sich die Bundesregierung, der Bundestag und die Gesell- schaft nicht länger verschließen. 7802 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. November 2010 (A) (C) (D)(B) schen mit Behinderungen abzuschließen, ohne sich des berechtigten Anliegens anzunehmen und die Bundesre- gierung aufzufordern, akzeptable Lösungsvorschläge zu erarbeiten. Ich sage den Unterzeichnern der Petition: Die Linke fordert gute Bezahlung für gute Arbeit und einen ange- messenen gesetzlichen Mindestlohn – für Menschen mit und ohne Behinderungen. In diesem Sinne wird sie – ge- meinsam mit den Petenten und Behindertenverbänden – weiterhin aktiv kämpfen. Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Oliver Luksic (FDP) zur na- mentlichen Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelmark- tes in der gesetzlichen Krankenversicherung (Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz – AMNOG) (Tagesordnungspunkt 5 a) Ich stimme dem Gesetzentwurf der Koalition heute zu, auch wenn dies aufgrund der Regelungen, welche die Arzneimittelimporteure betreffen, nur unter großen Be- denken geschehen kann. Das AMNOG ist prinzipiell begrüßenswert, da die aktuellen Zahlen eindeutig belegen, dass eine Begren- zung des Anstiegs der Arzneimittelkosten notwendig ist, um das Gesundheitsversorgungssystem in Deutschland nicht in eine fatale Schieflage kippen zu lassen. Die GKV gab allein 32,4 Milliarden Euro im Jahr 2009 für die Arzneimittelversorgung aus, was einem An- teil von 18 Prozent an ihren Gesamtausgaben ausmacht. Al- lein im ersten Quartal diesen Jahres stiegen die Kosten für Arzneimittel um knapp 5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Vor dem Hintergrund, dass den Patienten auch in Zu- kunft die bestmögliche Versorgung garantiert sein muss – was vor allem auch eine Behandlung mit den wirk- samsten und besten Arzneimitteln beinhaltet – und vor dem Hintergrund, dass dabei auch die Finanzierbarkeit der GKV gewahrt werden muss, ist das AMNOG ein effektives Instrument, welches durch seinen Ansatz die Preisfindung im Arzneimittelmarkt neu justiert. Allerdings bin ich der Meinung, dass bei der durch das Gesetz zur Änderung krankenversicherungsrecht- licher und anderer Vorschriften verschärften Regelung zu den Herstellerrabatten Verbesserungsbedarf besteht: So leistet der Parallelhandel mit Arzneimitteln seit über 30 Jahren einen kontinuierlichen Anteil zur Kosten- senkung im Arzneimittelbereich. Der durchschnittliche Preisabstand zwischen Originalarzneimittel und Import- arzneimittel beträgt gegenwärtig circa 10 Prozent. Umso mehr bedauere ich, dass diese bereits bestehen- den kostendämpfenden Elemente bei den Beratungen zum AMNOG nicht hinreichend berücksichtigt worden sind. Mit der Erhöhung des Herstellerabschlags von 6 auf 16 Prozent besteht schlichtweg die Gefahr, dass jene Unternehmen, die nach § 129 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch Arzneimittel reimportieren, in Zukunft nicht mehr wettbewerbsfähig sind und dauerhaft ein struktureller Eingriff in den Wettbewerb erfolgt, der nicht in meinem liberalen Interesse ist. Diese Regelung belastet die Reimporteure von Arz- neimitteln unverhältnismäßig stark und hätte zudem gra- vierende wirtschaftliche Folgen: Allein im Saarland sind aufgrund dieser Regelung sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze direkt gefährdet. Gleichwohl erkenne ich an, dass die christlich-libe- rale Koalition, die erste Koalition ist, die eine struktu- relle Reform des Arzneimittelmarktes geleistet hat und somit einen wesentlichen Beitrag, die unkontrolliert stei- genden Kosten im Arzneimittelmarkt zu begrenzen, wo- von im Wesentlichen die Patienten und die Krankenkas- sen profitieren. Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstim- mung über den Antrag: Freiheit für Gilad Shalit (Tagesordnungspunkt 11 a) Dem Antrag „Durch einen humanitären Akt Frieden befördern – Gilad Shalit freilassen“ (Antrag der Fraktion Die Linke; Bundestagsdrucksache 17/3431) kann ich nicht zustimmen. Der Antrag unterschlägt den entscheidenden Fakt, dass der junge israelische Soldat Gilad Shalit bei einem Angriff militanter Palästinensergruppen verletzt und auf israelischem Boden gekidnappt wurde. Dieser Tatbe- stand unterstreicht die Völkerrechtswidrigkeit des Fest- haltens von Gilad Shalit und muss daher in einem Antrag, in dem die Freilassung von Gilad Shalit gefordert wird, erwähnt werden. Ebenso wenig kann ich dem Passus „Der Zusammen- hang zwischen israelischer Besatzungspolitik und der Gefangennahme des israelischen Soldaten Gilad Shalit liegt auf der Hand“ zustimmen. Dieser wirkt wie eine Rechtfertigung für das verbrecherische Kidnapping des 19-jährigen Soldaten. Diese Tat ist aber ein völkerrechts- widriges Verbrechen, das durch nichts zu rechtfertigen ist. Auch die Forderung der Linkspartei, dass die Freilas- sung von Gilad Shalit als humanitäres Zeichen für die Freilassung palästinensischer Häftlinge genutzt werden soll, kann ich in diesem Kausalzusammenhang nicht un- terstützen, auch nicht, dass in diesem Zusammenhang der inhaftierte Generalssekretär der Fatah, Marwan Barghuthi, genannt wird. Marwan Barghuthi ist von is- raelischen Gerichten wegen der Verantwortung für die Ermordung von 26 Menschen sowie wegen der Mit- gliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu fünf- mal lebenslanger Haft verurteilt worden. Amnesty Inter- national, die zu Recht humane Haftbedingungen und die Aufklärung von Foltervorwürfen im Fall des inhaftierten Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. November 2010 7803 (A) (C) (D)(B) Marwan Barghuthi fordern, schreiben zum Hintergrund seiner Inhaftierung: „Die Fatah wiederum ist für zahlrei- che Anschläge in den besetzten Gebieten, darunter auch auf israelische Zivilisten, verantwortlich. Marwan Barghuthi soll außerdem enge Verbindungen zu den Al- Aksa-Brigaden haben, einer bewaffneten palästinensi- schen Gruppierung mit Kontakten zur Fatah, die für viele bewaffnete Angriffe und Selbstmordattentate auf israelische Staatsbürger, darunter auch Zivilisten, in Is- rael und den besetzten Gebieten verantwortlich ist.“ Aus diesem Grund ist es nicht statthaft, die Freilas- sung des 19-jährigen Soldaten Gilad Shalit, der völker- rechtswidrig auf israelischem Staatsgebiet entführt wurde, mit der Freilassung des Fatah-Generalsekretärs Barghuthi in Verbindung zu bringen. Auch die wichtigste Forderung im interfraktionellen Antrag „Gilad Shalit muss umgehend zu seiner Familie zurückkehren dürfen“ wird in dieser Klarheit im Antrag der Partei Die Linke nicht ausgesprochen. Unter diesen Voraussetzungen, kann ich den Antrag der Linkspartei nicht unterstützen. Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung des Schutzes von Vertrauensverhält- nissen zu Rechtsanwälten im Strafprozessrecht (Tagesordnungspunkt 9) Dr. Peter Danckert (SPD): Der vorliegende Gesetz- entwurf (Drucksache 17/2637) vom 22. Juli 2010 der Regierung zur Stärkung des Schutzes von Rechtsanwälten im Strafprozessrecht ist – wie in meiner Rede im Rah- men der ersten Lesung am 30. September bereits unter- strichen – eine wichtige und notwendige Maßnahme, um die bestehende Differenzierung zwischen Strafverteidi- gern und Rechtsanwälten – Initiativgrund – des § 160 a StPO in Ihrer Funktion als Berufsgeheimnisträger zu nivellieren. Ursprünglich war der § 53 a der StPO einschlägig, der dann durch einen – von meiner Fraktion mitgetragenen Änderungsantrag – in den § 160 a StPO Abs. 1 überge- gangen ist. Dieser wurde in seiner jetzigen Form von der Großen Koalition in der 16. Wahlperiode eingeführt. Was ist Sinn und Zweck dieser Änderung? In der Praxis ist es äußerst problematisch, zwischen Strafverteidiger einerseits und Rechtsanwalt andererseits zu unterscheiden, da die beruflichen Übergänge fließend sind. Sowohl die anwaltliche wie auch die strafverteidi- gende Tätigkeit wird überwiegend von derselben Berufs- gruppe ausgeübt. Ein vertrauensvolles Gespräch über Zi- vilsachen zwischen Rechtsanwalt und Mandant kann schnell in ein Gespräch über strafrechtliche Vorwürfe münden. Im Hinblick auf den höchstmöglichen Mandan- tenschutz müssen diese Informationen, unabhängig vom jeweiligen Berufsgeheimnisträger, unter den Schutz des § 53 a StPO fallen. Der Gesetzentwurf sieht vor, das für die in § 53 a und § 160 a Abs. 1/2 StPO aufgelisteten Be- rufsgeheimnisträger – Geistliche, Strafverteidiger und Abgeordnete – geltende absolute Erhebungs- und Ver- wertungsverbot von Ermittlungsmaßnahmen aus den ge- nannten Gründen auf Rechtsanwälte im Sinne der §§ 206, 209 Bundesrechtsanwaltsordnung, BRAO, aus- zuweiten. Die Neufassung des § 160 a StPO sieht demnach eine Erweiterung der in § 53 Abs. 1. Satz 1 Nr. 1, 2, 4 ge- nannten Personen um einen Rechtsanwalt, eine nach § 206 der BRAO in eine Rechtsanwaltskammer aufge- nommene Person oder einen Kammerrechtsbeistand vor. Bisher galt für Rechtsanwälte das relative Erhebungs- und Verwertungsverbot – § 160 a StPO Abs. 2 – von Be- weismaterial, was jedoch eine – im Einzelfall geltende – Verhältnismäßigkeitsprüfung voraussetzt. Maßstab die- ser Prüfung ist das Vorliegen „einer Straftat von erhebli- cher Bedeutung“. Dieses abgestufte System erscheint vor dem Hintergrund der beruflichen Schnittmengen nicht mehr sachgerecht. Stellungnahmen dazu: Der Bundesrat hat in seiner Empfehlung – 229/1/10 – vom 21. Mai 2010 und in seiner Stellungnahme – Be- schluss 229/10 – vom 4. Juni 2010 keinerlei Einwände hinsichtlich des Gesetzesentwurfs 17/2637 geäußert. Der Bundesrat bittet jedoch darum, eine analoge Anpassung bzw. Beseitigung der Vorschriften in § 20 u Bundes- kriminalgesetz – BKAG – und die darin enthaltene Dif- ferenzierung zwischen Verteidigern und Rechtsanwälten zwecks Angleichung vorzunehmen. Die SPD-Fraktion hat im Rahmen ihrer Klausursit- zung dieses Jahres beschlossen, der Erweiterung des Regierungsentwurfs zu § 160 a StPO zuzustimmen, die- sen allerdings bewusst auf die Berufsgruppe der Rechts- anwälte zu beschränken. Der Änderungsantrag der Grünen und der Entschlie- ßungsantrag der Linken, über die heute abgestimmt wird, sind daher in Ihrer aktuellen Form – ohne intensive Beratungen – abzulehnen. Ob der Einwand der beruf- lichen Ungleichbehandlung und der Verweis auf eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes (Art. 3 GG) gegebenenfalls gerechtfertigt ist, erfordert eine sorgfältige Prüfung. Die von den Grünen und der Linken geforderten Erweiterung auf die verbleibenden Berufs- gruppen ist derartig komplex, dass es einer sorgfältigen Abwägung – je nach Berufsgruppe – bedarf. Steuerbera- ter, Wirtschaftsprüfer und Psychologen sind keineswegs gleich zu behandeln. Ich stimme dem Gesetzentwurf zur Stärkung des Schutzes von Vertrauensverhältnissen zu Rechtsanwäl- ten im Strafprozessrecht in meiner Funktion als Bericht- erstatter der SPD-Fraktion aus den erläuterten Beweg- gründen daher zu. 7804 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. November 2010 (A) (C) (D)(B) Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Widerstand von Kommunistinnen und Kommunisten gegen das NS-Regime anerkennen (Tagesordnungspunkt 14) Klaus-Peter Willsch (CDU/CSU): Warum geben Sie eigentlich immer wieder Steilvorlagen? Auf der ei- nen Seite versuchen Sie, als ganz normale Partei wahr- genommen zu werden, aber immer wieder machen Sie es jedem klar denkenden Menschen so einfach, die offen- sichtliche Kontinuität von Linke über PDS weiter über SED zur KPD zurück zu verfolgen. Wann werfen Sie endlich ihren ideologischen Ballast über Bord und beläs- tigen nicht immer wieder dieses Haus mit ihrer kommu- nistischen Traditionspflege? Sie haben doch selbst die vierzig Jahre DDR perfekt dazu genutzt, das von ihnen favorisierte System bestmöglichst zu desavouieren. Aus Vertriebenen haben Sie Umsiedler gemacht. Widerständ- ler haben Sie danach unterteilt, ob sie der DDR geson- nen waren oder nicht. Wenn nicht, durften sie ihre Kar- riere als Widerständler gerne auch in der DDR fortsetzen, nur jetzt eben nicht mehr in Sachsenhausen oder Dachau, sondern in Hohenschönhausen und Baut- zen. Das, was Sie als kommunistischen Widerstand gegen das NS-Regime bezeichnen, ist – zumindest 1933/34 – die Fortsetzung der bürgerkriegsähnlichen Auseinander- setzung zwischen Kommunisten und Nationalsozialisten aus der Zeit vor Hitlers Ernennung zum Reichskanzler, nur mit dem Unterschied, dass NSDAP und KPD nicht länger in Konkurrenz hinsichtlich der Beseitigung der jungen Weimarer Demokratie standen, sondern die Na- tionalsozialisten die Macht mittlerweile erobert hatten. Dass die Nazis Kommunisten verfolgten, macht die Kommunisten noch lange nicht zu Verteidigern der Wei- marer Ordnung: Sie wollten diese ja selbst beseitigen! Selbst nach dem 30. Januar 1933 stellten die Kommunis- ten nicht ihre ideologische Engstirnigkeit zurück, son- dern sahen in der SPD weiterhin ihren Hauptfeind, Stichwort: Sozialfaschisten. Denn die SPD stand eben für die Weimarer Demokratie. Friedrich Ebert war ihr ersten Präsident. Mit Scheidemann hat ein SPDler die Republik von diesem Hause aus ausgerufen. Diese SPD wollten die Kommunisten nicht in Ihrem Kampf gegen Hitler unterstützen, weil die KPD ja selbst eine Diktatur errichten wollte. Nach dem Vorbild der Sowjetunion sollte ein Sowjet-Deutschland entstehen. Und dabei war die Abhängigkeit vom großen, roten Bruder in Moskau so überdeutlich. Einen kommunistischen Satelliten woll- ten die von ihnen hoch geehrten Widerständler aus Deutschland machen! Die, die Hitler stürzen wollten, verherrlichten gleichzeitig den zweiten Tyrannen Josef Stalin. Denken Sie doch einmal an die sogenannten Säu- berungen Ende der 30er in der Sowjetunion. 20 Millio- nen Menschen hat Stalin auf dem Gewissen. Hier kann und darf „Der Feind meines Feindes ist mein Freund“ nicht gelten. Das Dilemma des kommunistischen Widerstands wurde dann vollends offensichtlich, als Hitler und Stalin 1939 begannen, miteinander auf Kosten anderer zu pak- tieren. Auf einmal verschwand die ganze antifaschisti- sche Propaganda aus den kommunistischen Postillen, die Alliierten waren plötzlich Schuld am Ausbruch des Krie- ges. Das Kapital hatte die Völker geknechtet und das passte auf einmal sehr gut mit der Nazi-Propaganda von den Plutokratien des Westens zusammen. Niemals zuvor waren die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland einerseits und der UdSSR/Russland ande- rerseits so gut und intensiv wie zwischen 1939 und 1941. Nachdem Deutschland den Nichtangriffspakt mit der Sowjetunion 1941 gebrochen hatte, änderte sich das na- türlich wieder. Dass Kommunisten zwar zweifelsfrei die nationalso- zialistische Gewaltherrschaft bekämpften, steht außer Frage. Aber wofür? Was vorher sprichwörtlich nur Pro- gramm war, wurde nach Kriegsende sehr schnell Wirk- lichkeit. Jene, die vorher gemütlich in ihrem östlichen Widerstandsnestern bei Väterchen Stalin ausgeharrt hat- ten, kamen nun nach Ostberlin zurück und errichteten dort genau das, was sie wollten: die zweite Diktatur auf deutschem Boden. Professor Wolfgang Leonhardt hat es als Mitglied der Gruppe Ulbricht anschaulich beschrie- ben. Aber das ging nicht nur den Menschen in der SBZ so. Sämtliche Staaten des Ostblocks wurden unterjocht. Von Befreiung oder Freiheit keine Spur. Vom Regen in die Traufe, von der Elbe ostwärts. Jeder Unrechtsstaat braucht einen Entstehungsmy- thos. Wo demokratischen Staaten eine verfassungsge- bende Versammlung und freie Wahlen genügt, da brau- chen Diktaturen immer eine ordentliche Brise Heroisierung. Und es war eben der kommunistische Wi- derstand der von der SED-Führung zum Gründungsmy- thos der DDR gemacht wurde. Und es hat sich ja auch angeboten! Es gab ja keinen einzigen, der in der DDR politische Karriere gemacht hat und vorher nicht im Wi- derstand, Entschuldigung im kommunistischen Wider- stand, gegen Hitler aktiv war. Aber gerade diese personelle Kontinuität ist doch der Beweis dafür, dass die kommunistischen Widerständler nicht für ein sozialistisches Arbeiter- und Bauernpara- dies gekämpft haben, sondern für eine Diktatur, ein kri- minelles Unrechtsregime namens DDR, das seine Bürger einsperren musste, weil diese nicht in der Wahlkabine abstimmen durften, sondern ihr Kreuz mit den Füßen machen mussten. Es ist genauso wahnsinnig, die Mauer einen antifaschistischen Schutzwall zu nennen, wie Honecker, Ulbricht und all die anderen, die aus dem Exil die Errichtung der kommunistischen Gewaltherrschaft geplant haben, dafür zu adeln, dass sie eine Diktatur durch eine andere ersetzt haben. Das ist doch blanker Irr- sinn. Wenn in Moskau einer gehustet hat, haben die sich in Ostberlin mit Fieber ins Bett gelegt. Verschließen Sie doch bitte nicht weiter die Augen davor, fahren Sie doch einmal nach Hohenschönhausen. Ihr Antrag ist nur ei- nes: Eine Verhöhnung derer, die wirklich gegen Tyrannei und für die Freiheit gekämpft haben! Bettina Kudla (CDU/CSU): Der Antrag der Linken „Widerstand von Kommunistinnen und Kommunisten Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. November 2010 7805 (A) (C) (D)(B) gegen das NS-Regime anerkennen“ beinhaltet zwei For- derungen: die Anerkennung des Widerstandes von Kom- munistinnen und Kommunisten gegen das NS-Regime durch eine öffentliche Geste der Bundesregierung und die Einrichtung eines Härtefonds für NS-Verfolgte, die nach § 6 Bundesentschädigungsgesetz (BEG) ausge- schlossen sind. Der Antrag und damit beide Forderungen sind abzulehnen. Für die genannten Fälle gibt es eine klare Gesetzeslage, niedergelegt im Bundesgesetz zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Ver- folgung (BEG). Die Ablehnung dieses Antrags hat nichts zu tun mit dem Kalten Krieg, sondern begründet sich mit harten Fakten, die ich Ihnen im Folgenden darlegen möchte. Zum Anliegen nach einer öffentlichen Geste. Der Wider- stand verschiedener Gruppen – auch gegen das NS-Re- gime – wird bereits anerkannt und gewürdigt, nämlich in der Neuen Wache hier in Berlin. Sie ist die „Zentrale Ge- denkstätte der Bundesrepublik Deutschland für die Op- fer von Krieg und Gewaltherrschaft“. Damit geht die Würdigung der Opfer unserer Geschichte sehr viel wei- ter als zu Zeiten der totalitären Herrschaft der SED. In der DDR war die Neue Wache ein „Mahnmal für die Op- fer des Faschismus und des Militarismus“. Das Leid zahlreicher Personen wurde hierdurch bewusst ausge- klammert. Alle diejenigen, die vor 1933 und nach 1945 Leid erfahren mussten, hatten hier keinen Ort des Ge- denkens. Dies hat sich nach der Wiedervereinigung ge- ändert. Am 27. Januar eines jeden Jahres gedenken wir im Deutschen Bundestag und im ganzen Land aller Opfer eines beispiellosen totalitären Regimes der nationalso- zialistischen Gewaltherrschaft. Ein solches Gedenken hat es in der DDR in dieser Form nicht gegeben. Einen öffentliche Geste seitens der Bundesregierung bedarf es daher nicht. Sie hat ihren Ausdruck in der „Zentralen Gedenkstätte“ gefunden und sie wird jedes Jahr am 27. Januar in besonderer Weise betont. Zur Einrichtung eines Härtefonds. Bei diesem Punkt muss man sich die Frage stellen, wer diese Leute waren, die jetzt nach Wunsch der Fraktion Die Linke eine Ent- schädigung bekommen sollen. Ich will es Ihnen sagen: Die Kommunistinnen und Kommunisten haben in der Zeit der Weimarer Republik versucht, die „Diktatur des Proletariats“ zu errichten, und haben damit die freiheit- lich-demokratische Ordnung der ersten deutschen Repu- blik bekämpft. Somit haben die Kommunisten auch ein Stück weit auf den Zusammenbruch dieser Republik ein- gewirkt wie andere Gruppen dieser Zeit. Hierzu gehörte auch der „Rote Frontkämpferbund“ der KPD, ein circa 130 000 Mann starker paramilitärischer Verband mit ge- heimen Waffenlagern. Nach 1945 haben eben diese Kommunisten unter der schützenden Hand der Sowjetunion in der späteren Deut- schen Demokratischen Republik einen stalinistischen, totalitären Unterdrückungsapparat aufgebaut. Anders- denkende wurden inhaftiert oder mundtot gemacht. Ob- gleich freiheitliche Rechte in der DDR-Verfassung dem Einzelnen zugestanden wurden, war der Alltag ein ande- rer. Spätestens hier haben viele Kommunisten gezeigt: Sie haben nichts mit unserer freiheitlich-demokratischen Ordnung gemein. Dass die Bundesrepublik als freiheit- lich-demokratischer Rechtsstaat Anhängern des Stalinis- mus die Opferrolle in Form opulent gefüllter Entschädi- gungsfonds versagt, ist konsequent und eine Würdigung von zig Millionen wirklichen Opfern. Von Ausgrenzung kann man daher nicht sprechen, sondern vielmehr von einem klaren Bekenntnis zu unserer freiheitlichen Grundordnung. In der DDR behauptete die Geschichtsschreibung und -propaganda der SED, allein die KPD sei die „führende Kraft“ im Widerstand gewesen und habe ununterbrochen von 1933 bis 1945 organisiert gegen das NS-Regime ge- kämpft. Die SED verbreitete, die KPD habe schon in der Weimarer Republik konsequent gegen die NSDAP ge- stritten und allen NS-Gegnern, insbesondere der Sozial- demokratie, „Einheitsfront“-Angebote gemacht. Mit die- sen Legenden wollte die SED vertuschen, dass die kommunistische Politik indirekt dazu beitrug, dass die Nationalsozialisten an die Macht kamen und Widerstand überhaupt erst notwendig wurde. Zum Abschluss möchte ich noch meine Verwunde- rung zum Ausdruck bringen, mit welcher Hartnäckigkeit jetzt plötzlich die Linke – Ex-PDS, Ex-SED – auf Ent- schädigungen drängt, insbesondere vor dem Hinter- grund, wie NS-Opfer in der DDR behandelt wurden. Hierzu zitiere ich den Bericht des Bundesministeriums der Finanzen „Entschädigung von NS-Unrecht, Rege- lungen zur Wiedergutmachung“ vom Dezember 2009: „In der ehemaligen sowjetischen Besatzungszone und späteren Deutschen Demokratischen Republik gab es Leistungen für Opfer des Faschismus, die hauptsächlich an systemkonforme Opfer gezahlt wurden.“ Darüber sollten die Damen und Herren der Linkspartei nachden- ken. Für sie gab es offensichtlich Opfer erster und zwei- ter Klasse. Wir wollen die Bundesrepublik heute nicht mit der DDR vergleichen. Aber auf einen Unterschied muss hin- gewiesen werden: in der DDR wurde unterschieden, ob jemand systemkonform war oder nicht. In der Bundesre- publik wird gefragt, ob jemand gegen die freiheitlich-de- mokratische Ordnung kämpft oder nicht. Gabriele Fograscher (SPD): Zum wiederholten Male beraten wir heute einen Antrag der Linksfraktion zur Entschädigung von Kommunistinnen und Kommu- nisten, die im NS-Regime Widerstand geleistet haben. Mit dem Antrag wollen Sie 54 Jahre nach dem Verbot der KPD erreichen, dass ehemalige Mitglieder dieser Partei und politisch tätige Kommunistinnen und Kom- munisten ihnen versagte Entschädigungsansprüche nach erlittener Verfolgung durch das nationalsozialistische Regime geltend machen können. In der vergangenen Wahlperiode haben Sie von der Linksfraktion eine Ent- schädigung nach dem Bundesentschädigungsgesetz ge- fordert, heute soll es mal ein Härtefonds sein. Uns ist durchaus bewusst, dass Kommunistinnen und Kommunisten während der NS-Zeit zu den aktivsten Widerstandskämpfern gehört haben. Sie unterstellen aber in Ihrem Antrag, dass ehemalige Mitglieder der ver- 7806 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. November 2010 (A) (C) (D)(B) botenen KPD generell keine Entschädigung nach dem Bundesentschädigungsgesetz erhalten haben. Das ist schlichtweg falsch. Eine Mitgliedschaft in der KPD oder in einer anderen kommunistischen Organisation führte zu keiner Zeit zu einem Ausschluss von Entschädigungs- leistungen. Die Vorschrift, die den Ausschluss von Leis- tungen festschreibt, zielt nicht auf die Parteimitglied- schaft oder die Funktion in der Partei ab, sondern auf die Aktivitäten des Einzelnen. § 6 Abs. 1 Nr. 2 und 3 Bundesentschädigungsgesetz regelt den Ausschluss von der Entschädigung. Er bezieht sich nicht auf die Mitgliedschaft in der KPD als Aus- schlussgrund, sondern auf die Aktivitäten von einzelnen Personen, die Mitglied in dieser Partei waren, aber nicht sein mussten. Danach ist „von der Entschädigung ausge- schlossen …, wer nach dem 23. Mai 1949 die freiheit- lich demokratische Grundordnung im Sinne des Grund- gesetzes bekämpft hat; 3. wer nach dem 8. Mai 1945 wegen eines Verbrechens rechtskräftig zu einer Frei- heitsstrafe von mehr als drei Jahren verurteilt worden ist.“ Weiter heißt es in § 6 Abs. 3 Bundesentschädigungs- gesetz: „Der Anspruch auf Entschädigung ist verwirkt, wenn nach Festsetzung oder nach rechtskräftiger richter- licher Entscheidung eines der Ausschließungsgründe des Absatzes 1 Nr. 2 und 3 eintritt. Die nach Eintritt eines Verwirkungsgrundes bewirkten Leistungen können zu- rückgefordert werden.“ Wenn Sie von der Linkspartei diese Vorschrift richtig gelesen und verstanden hätten, müssten wir dieses Thema heute nicht diskutieren. In der Begründung des Bundesentschädigungsgesetzes wurde vom Gesetzgeber klargestellt, dass eine bloße Mitgliedschaft in einer Par- tei noch kein Bekämpfen der freiheitlich demokratischen Grundordnung sei, aktives Handeln sei nötig. Dort heißt es ausdrücklich: „Es sei staatspolitisch geboten und rechtlich vertretbar, Verfolgte von der Entschädigung auszuschließen, die durch ihr Verhalten die politische Ordnung des heutigen Staates gestört haben. Doch liege in einer bloßen Mitgliedschaft in einer Partei, zum Bei- spiel in der KPD oder SED, noch kein bekämpfen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung; dieser Tatbestand sei nur bei aktivem Verhalten erfüllt.“ Auch der Bundesgerichtshof hat in einem Urteil klar- gestellt, dass der Betroffene bewusst das Ziel verfolgt haben muss, mit seiner Tätigkeit zum Kampf gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung beizutragen. Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsmä- ßigkeit der Ausschlussformel bestätigt; es reiche aber nicht aus, wenn jemand nur Mitglied in einer damals noch nicht verbotenen Partei ist. Einen pauschalen Aus- schluss von Parteimitgliedern von Entschädigungsleis- tungen hat es nicht gegeben. Sie haben, im Verhältnis zu Ihrem Antrag aus der ver- gangenen Wahlperiode, immerhin gelernt, dass eine Ent- schädigung nach dem Bundesentschädigungsgesetz nicht mehr möglich ist. Denn 1965 wurde das Bundes- entschädigungsgesetz-Schlussgesetz verabschiedet, das die Ausschlussfrist auf den 31. Dezember 1969 festge- legt hat. Deshalb besteht heute keine Möglichkeit mehr, Ansprüche geltend zu machen. Nun wollen Sie einen Härtefonds. Doch Härtefallregelungen sieht das Bundes- entschädigungsgesetz in § 171 sowieso schon vor. Laut einer Umfrage unter den Bundesländern Ende der 1990er-Jahre erhielten viele nach § 6 Bundesentschädi- gungsgesetz Ausgeschlossene in Härtefällen finanzielle Unterstützung. Das hatten die Länder 1968 gemeinsam beschlossen. Baden-Württemberg hat meines Wissens allen Betroffenen einen solchen Ausgleich nach § 171 Bundesentschädigungsgesetz gewährt. Deshalb kann ich die Aussage in Ihrem Antrag, dass jede Form der Rehabilitierung für die nach § 6 Bundes- entschädigungsgesetz ausgeschlossenen Kommunistin- nen und Kommunisten bis heute ausgeblieben sei, nicht nachvollziehen. Niemand ist pauschal von Entschädi- gungsleistungen ausgeschlossen worden, nur weil er Mitglied der KPD war. Sie sprechen davon, dass die damaligen politischen Umstände dazu geführt haben, dass es Unrecht gegen- über kommunistischen Opfern des NS-Regimes gab durch die Verweigerung bzw. Aberkennung von Ent- schädigungsansprüchen, und fordern eine Rehabilitie- rung der Kommunistinnen und Kommunisten. Es gab aber keine pauschale Verweigerung von Entschädi- gungsleistungen nach dem Bundesentschädigungsge- setz, wie Sie versuchen, durch Ihren Antrag zu unterstel- len. Deshalb werden wir Ihren Antrag ablehnen. Dr. Stefan Ruppert (FDP): Die Befassung mit Ge- schichte ist immer lehrreich. Jedoch dauert der Lernpro- zess bei den Kollegen von der Fraktion Die Linke scheinbar etwas länger. Denn mit Regelmäßigkeit legt die Fraktion hier im Deutschen Bundestag Anträge vor, welche angebliche Ungerechtigkeiten bei der Entschädi- gung von Kommunisten, die sich dem NS-Regime wider- setzt haben, beseitigen wollen. Die Anträge der Links- fraktion fielen schon in der Vergangenheit durch viele historische Unwahrheiten und verfahrenstechnische Feh- ler auf. Diese habe ich mit großer Verwunderung in den Plenar- und Ausschussprotokollen nachlesen können. Auch bei dem heute vorgelegten Antrag hat die Linke in beiden Punkten wenig dazugelernt, weshalb meine Frak- tion den Antrag erneut ablehnen wird. Doch bevor ich auf die genauen Gründe unserer Ablehnung eingehen will, möchte ich ein paar Sätze zum Entschädigungs- recht in der Bundesrepublik verlieren. Wir allen wissen, dass das Recht der Wiedergutma- chung im Allgemeinen und das Bundesentschädigungs- gesetz, BEG, im Speziellen im Kontext der deutschen Geschichte nach 1945 gesehen werden muss. Da stimme ich dem Antrag der Linksfraktion sogar zu. Wir alle wis- sen auch, dass in der Frage der Entschädigung von Op- fern des nationalsozialistischen Terrors Fehler gemacht worden sind. Und diese sind auf allen Ebenen gesche- hen: bei der Gesetzgebung, in der Verwaltung und in der Rechtsprechung. Denn – und hier zitiere ich einen durchaus streitbaren Aufsatz von Walter Schwarz aus dem Jahr 1986 – die „Wiedergutmachung hat sich nicht auf dem Papier, sondern im Tun und Lassen von Men- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. November 2010 7807 (A) (C) (D)(B) schen verwirklicht … Die auf der Geberseite waren nicht alle Genies; die auf der Nehmerseite nicht alle Heilige.“ Die frühe bundesrepublikanische Gesellschaft hat Fehler in ihrer – um ein Wort des Zeithistorikers Norbert Frei zu verwenden – „Vergangenheitspolitik“ gemacht. Einzelentscheidungen in Entschädigungsfragen – egal, welche Gruppe von Opfern sie betroffen haben – waren nicht immer richtig. Kollege Wolfgang Wieland von den Grünen hat in der Debatte der letzten Wahlperiode einige bedauerliche Fälle geschildert. Aber man muss auch ganz klar sagen, dass es im Gegensatz zum systemimma- nenten Unrecht in der DDR – liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linksfraktion – im Rechtsstaat der Bundesrepublik keine einseitige Rechtssetzung und Rechtsprechung gegen politische Gruppen gab. Kommu- nisten, die gegen das NS-Regime Widerstand geleistet haben, wurden nicht grundsätzlich von Entschädigungen nach 1945 ausgeschlossen. Diese Behauptung, die in Ih- rem Antrag zu finden ist, ist schlicht falsch. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BEG wurden nur die Personen nicht berücksichtigt, die entweder nach dem 23. Mai 1949 die freiheitlich demokratische Grundordnung bekämpft hat- ten oder nach dem 8. Mai 1945 wegen eines Verbrechens zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verur- teilt wurden. Selbst Kommunisten, die nach 1949 Mit- glied der KPD waren und die bis zum Verbot der Partei im Jahr 1956 die Ziele der KPD mit allgemein erlaubten Mitteln vertreten haben, wurden nicht von Entschädi- gungen ausgeschlossen. Dies hat das Bundesverfas- sungsgericht in seinem Urteil von 1961 klargestellt. Die Karlsruher Richter haben damit die Rechtsposition von im Nationalsozialismus verfolgten Kommunisten ge- stärkt. Wenn man sich dann noch anschaut, wie extensiv der Ausschlusstatbestand nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BEG für ehemalige Mitglieder der NSDAP formuliert und rich- terlich ausgelegt wurde, widerlegt das allemal die Be- hauptung der Linksfraktion eines einseitigen Vorgehens gegen Kommunisten in der Bundesrepublik. Weshalb legt die Linke nun trotzdem einen Antrag vor? Sie wollen einen Härtefonds für Kommunisten ein- richten, denen nach § 6 BEG eine Entschädigung ver- wehrt worden ist. Dieser ist aber vollkommen unnötig. Denn es hat seit Mitte der 1980er-Jahre bereits außerge- setzliche Härtefallregelungen in den einzelnen Bundes- ländern wie Berlin und Baden-Württemberg gegeben. Hier wurden beispielsweise Kommunisten, die wegen ihrer Tätigkeit für die KPD keine Entschädigungen nach dem BEG erhalten haben, durch Einmalzahlungen und auch laufende Beihilfen finanziell rehabilitiert. Diese Tatsache wurde in den vergangenen Debatten hier im Deutschen Bundestag immer wieder hervorgehoben. Aber die Kolleginnen und Kollegen von der Linksfrak- tion wollen das anscheinend nicht zur Kenntnis nehmen. Zudem fordern Sie in ihrem Antrag eine öffentliche Geste, die die Zugehörigkeit von Kommunisten zum Erbe des Widerstandes gegen den Nationalsozialismus zum Ausdruck bringt. Mir als Liberalem ist es immer fremd, wenn Sie von der Linksfraktion die Ehrung der Leistungen von Kommunisten gesetzlich verordnen wol- len. Aber das entspricht nun einmal ihrem Staatsver- ständnis. Eine Vorschrift ist auch hier gar nicht notwen- dig. Denn ranghohe Politiker haben beispielsweise in öffentlichen Reden immer wieder die Leistungen von Kommunisten im Widerstand hervorgehoben und aller Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft ge- dacht. Richard von Weizsäcker hat dies als Bundespräsi- dent in seiner viel beachteten und gelobten Rede zum 40. Jahrestag der Beendigung des Krieges in Europa ge- tan. Bundespräsident Horst Köhler hat in seiner Rede zum selben Anlass 20 Jahre später die Geschichte des deutschen Kommunisten Hermann Matzkowski beschrie- ben. Warum wollen Sie diese Gesten nicht sehen? Wa- rum wollen Sie die moralische Eigenverantwortung von Politik und Gesellschaft nicht anerkennen? Die Antwor- ten bleiben Sie uns schuldig. Zuletzt will ich noch einmal einen Punkt hervorhe- ben, der sich im Demokratieverständnis der Linksfrak- tion scheinbar noch nicht festgesetzt hat. Es ist richtig, dass diejenigen Kommunisten, die sich aktiv gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung der Bundesre- publik und unseren Rechtsstaat gewendet haben, die von einem Totalitarismus in den anderen wollten, keine Ent- schädigungen nach dem BEG erhalten. Soll ein Staat wirklich Menschen entschädigen, die diesen Staat be- kämpfen? Ich fordere deshalb die Kolleginnen und Kol- legen der Linksfraktion auf: Kommen Sie endlich mit beiden Beinen in unserem demokratischen Rechtsstaat an und zeigen Sie, dass Sie aus der Geschichte und aus eigenen Fehlern etwas lernen wollen. Ihren Antrag leh- nen wir aus den genannten Gründen ab. Jan Korte (DIE LINKE): Die Studie zur NS-Vergan- genheit des Auswärtigen Amtes hat die Diskussion und Aufarbeitung über die Rolle der ehemaligen Nazi-Eliten in Ministerien und Behörden der Bundesrepublik erneut auf die Tagesordnung gesetzt. Mittlerweile gibt es her- vorragende Forschungsergebnisse zu der Frage, in wel- chem Umfang die ehemaligen Träger des Nationalsozia- lismus, besonders aus den Reihen von Wirtschaft, Wehrmacht, Ministerien und Justiz, mit Gründung der Bundesrepublik zurückkehrten in Amt und Würden . Die verbreitete Abwehr und Verdrängung der unvorstellba- ren Menschheitsverbrechen der Nazis in den 50er- und 60er-Jahren hat die demokratische Entwicklung der Bundesrepublik beschädigt. Namen wie Globke und Oberländer waren nur die Spitze des Eisberges. Begründet und ideologisch getragen wurde diese Rückkehr maßgeblich durch einen fast religiöse Züge annehmenden Antikommunismus, der, verstärkt durch den Kalten Krieg, zur wesentlichen Leitlinie der damali- gen Politik gehörte. Überhaupt war die Zeit geprägt nicht nur durch Abwehr und Verdrängung, sondern auch durch Diffamierung des Widerstandes gegen den National- sozialismus. Die Widerständler des 20. Juli 1944 galten damals als Hochverräter, nicht jedoch als vorbild- und gedenkwürdig. Erst das Engagement unter anderem des hessischen Generalstaatsanwalts Fritz Bauer führte dazu, dass der Widerstand Stück für Stück anerkannt wurde und heute zum offiziellen Gedenkkanon der Bundesre- publik Deutschland gehört. Das belegt sehr anschaulich, wie jeder Fortschritt hin zu einem kritischen Umgang 7808 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. November 2010 (A) (C) (D)(B) mit der NS-Vergangenheit engagiert erstritten werden musste. Bis hinein in die konservative Geschichtswissen- schaft gibt es die Erkenntnis, dass es eine Unteilbarkeit des Widerstandes gibt. Diese Unteilbarkeit schließt eben auch den Widerstand und den unfassbaren Blutzoll ein, den Kommunistinnen und Kommunisten zahlen muss- ten. Sie waren die ersten, die damals in die Konzentra- tionslager wanderten. Sie saßen zum Teil die gesamte Zeit des Nationalsozialismus in Haft, wurden gefoltert und ermordet. Diese Opfer und ihr Widerstand sollen mit dem vorliegenden Antrag gewürdigt werden. Daher heißt es in unserem Antrag: „Der Bundestag ehrt in be- sonderer Weise die Leistungen der Frauen und Männer, die sich aktiv gegen das NS-Regime gewandt haben und in zahlreichen Fällen ihr Leben eingesetzt haben, um Widerstand gegen die Naziherrschaft in Deutschland zu leisten. Er sieht diesen, nicht sehr zahlreichen, Wider- stand gegen das Hitler-Regime in seiner Integrität als un- teilbar an.“ Ich hoffe, dass dieser Satz die Zustimmung des ganzen Hauses findet. Nun müssen wir uns in diesem Zusammenhang daran erinnern, wie mit dem kommunistischen Widerstand in der Bundesrepublik umgegangen wurde. Es ist heute un- umstritten, dass der Kalte Krieg und der Antikommunis- mus in Deutschland zu ungerechtfertigten Ausgrenzun- gen und auch zu juristischen Verurteilungen von Menschen aufgrund ihrer politischen Einstellung führ- ten, die nach heutigen Maßstäben als übertrieben und unangemessen anzusehen sind. Zwischen 7 000 und 10 000 vermeintliche oder reale Kommunisten wurden zwischen 1950 und 1968 verurteilt. Ein besonders skan- dalöser Vorgang in der jungen Bundesrepublik war der Umgang mit kommunistischen Widerstandskämpfern. Ihnen wurde nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 BEG die Entschädi- gung für die erlittenen Qualen aberkannt. Die Entschädi- gungen waren als Wiedergutmachung und Anerkennung der Haft, zum Beispiel in einem Konzentrationslager ge- dacht. Der Rechtswissenschaftler Alexander von Brünneck hat in seiner umfangreichen Untersuchung über die poli- tische Justiz gegen Kommunisten in der Bundesrepublik Deutschland diesen heute unglaublichen Vorgang darge- stellt. Von Brünneck schreibt: „Viele ältere Kommunis- ten bezogen für die Verfolgung von 1933 bis 1945 Wie- dergutmachungsleistungen, insbesondere nach dem Bundesentschädigungsgesetz (BEG) … Nach § 6 Abs. 1 Ziff. 2 BEG war von der Entschädigung ausgeschlossen, wer nach dem 23. Mai 1949 die freiheitliche demokrati- sche Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes be- kämpft hatte.“ Und von Brünneck bringt es auf den skandalösen Punkt: „Diese Vorschriften bedeuteten, dass bei Kommunisten die Zahlung der Entschädigung vom politischen Wohlverhalten abhängig gemacht werden konnte.“ Übersetzt gesagt bedeutete dies eine Demüti- gung und Ausgrenzung von schwer gezeichneten Wider- ständlern und Opfern des NS-Terrorregimes. Hinter diesen juristischen Fakten stehen ganz kon- krete Menschen, und ich möchte Ihnen an einem Bei- spiel verdeutlichen, wie sich die Atmosphäre des Anti- kommunismus für diese Menschen auswirkte: Karl Stiffel, geboren 1929, kommt aus einem kommunistischen Elternhaus. Sein Vater wurde von den Nazis wegen Hochverrats zu einer Zuchthausstrafe verurteilt. Karl Stiffel wird 1946 Mitglied der KPD. 1957, nach dem Verbot der KPD, wird er verhaftet und schließlich zu einem Jahr und sechs Monaten Gefängnis, bei gleichzei- tiger Aberkennung seiner Grundrechte für drei Jahre, verurteilt. Im Prozess führt der Staatsanwalt aus, der An- geklagte sei seit Gründung der Bundesrepublik Mitglied der KPD, weshalb auch 1958 noch davon auszugehen sei, dass er dazu gehöre. Bei seinem Elternhaus sei es nicht verwunderlich, dass er keine Aussagen machen wolle, denn schon sein Vater sei in den 30er-Jahren wegen Hochverrats verurteilt worden. Und so habe auch der Angeklagte sein Vaterland, die Bundesrepublik, verraten und müsse entsprechend verurteilt werden. Der Wider- stand des Vaters gegen die Nazis wurde also als strafver- schärfend für den Sohn gewertet, womit sich die dama- lige Justiz die Rechtsauffassungen der Nazis zu Eigen machte – jedenfalls wenn es gegen Kommunisten ging. Von solchen Urteilen waren auch direkt Menschen be- troffen, die Widerstand gegen die Nazis geleistet haben. Es müsste jedem klar sein, dass wir heute nach so vie- len Jahrzehnten endlich auch dieses traurige Kapitel auf- arbeiten und die Würde und den Kampf dieser Menschen anerkennen müssen. Der Skandal wird umso größer, als damals die alten Nazis üppige Leistungen erhielten und wieder in Amt und Würden kamen. Oftmals richteten dieselben Richter, die schon während der NS-Zeit blutig über Widerständler geurteilt hatten, abermals über Kom- munisten. Ich darf nochmal von Brünneck zitieren, der diesen politischen und moralischen Skandal nüchtern nachgezeichnet hat: „Da viele der Betroffenen aufgrund der gesundheitlichen Schäden auf die Rente angewiesen waren, stürzte sie der Entzug oder die Rückforderung von Leistungen in materielle Not. Die Aberkennung wi- dersprach überdies dem Sinn der Wiedergutmachung. Denn die Entschädigung wurde als Ausgleich für früher erlittenes Unrecht gezahlt, das nicht mit Maßstäben spä- terer politischer Loyalität zu messen ist.“ Daher ist es heute an der Zeit, endlich durch eine öf- fentliche Geste die Zugehörigkeit deutscher Kommunis- ten und Kommunistinnen zum Erbe des Widerstandes gegen das NS-Regime zum Ausdruck zu bringen, wie wir es im Antrag formulieren. Es gilt, endlich anzuerken- nen, dass die Auseinandersetzung mit der NS-Vergan- genheit in der Bundesrepublik Deutschland eben nicht nur eine Erfolgsgeschichte war. Im Gegenteil: Klären wir auf, wie sich die Täter einrichteten, die für tausend- fachen Mord verantwortlich waren, und gedenken wir der Opfer und derer, die mutig Widerstand leisteten – egal, ob sie Kommunisten, Sozialdemokraten oder Kon- servative waren. Wenn das Nachrichtenmagazin Der Spiegel 2009 feststellt: „Die Zahl der zwischen 1951 und 1968 gefällten Urteile gegen Kommunisten lag fast sieben- mal so hoch wie die gegen NS-Täter – obwohl die Nazis Millionen Menschen ermordet hatten, während man westdeutschen Kommunisten politische Straftaten wie Landesvorrat vorwarf“, dann muss es dem Bundestag ein Anliegen sein, die gröbsten Verfehlungen im Um- gang mit Opfern des NS-Regimes anzuerkennen und diesem Antrag zuzustimmen. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. November 2010 7809 (A) (C) (D)(B) Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Geschichte des Entschädigungsrechts für Opfer von NS-Unrecht in Deutschland ist in vielen Bereichen wahrlich kein Ruhmesblatt. Es hat jahrzehntelang ge- dauert, bis einige Opfergruppen in den Kreis der Leis- tungsberechtigten – auf unterschiedlichster rechtlicher Grundlage – miteinbezogen wurden. Viele Überlebende wurden so erst kurz vor ihrem Tod zu Anspruchsberech- tigten. Dies ist eine Schande, und das muss an dieser Stelle noch einmal klipp und klar gesagt werden! Das Bundesentschädigungsgesetz (BEG) von 1956 war ein Gesetz, das Diskriminierung unzweifelhaft fest- geschrieben hat. Sozusagen spiegelverkehrt gegenüber der DDR, wo willkürlich und teilweise mit antisemiti- scher Motivation in sogenannte Kämpfer gegen den Fa- schismus und sogenannte Opfer des Faschismus unter- teilt wurde, hatte auch die Bundesrepublik eine Zwei- Klassen-Opferentschädigung. Das BEG benachteiligte vor allem ausländische Verfolgte und verschiedene deut- sche Verfolgtengruppen, wie Sinti und Roma, Wehr- dienstverweigerer, Homosexuelle, vom NS-Erbgesund- heitsgesetz Betroffene, sogenannte Asoziale und durch eine eigene Ausschlussklausel eben die Kommunistin- nen und Kommunisten. Meine Damen und Herren, das im Kalten Krieg be- findliche Nachkriegsdeutschland hat sich immer wieder geweigert, überhaupt anzuerkennen, dass ganze Opfer- gruppen in Deutschland von der Entschädigung ausge- schlossen wurden. Später kamen dann verschiedene ge- setzliche und außergesetzliche Regelungen zustande, auch in vielen Bundesländern auf Landesebene. Unter Rot-Grün haben wir neben der Zwangsarbeitsstiftung auch die Regelungen beim Härtefonds für NS-Opfer nach dem Allgemeinen Kriegsfolgengesetz deutlich ver- bessert. Dennoch bleiben viele Opfer bis heute von einer Ent- schädigung, die diesen Namen auch verdient, ausge- schlossen. Die Landeshärtefonds haben bislang ausge- grenzte Kommunistinnen und Kommunisten in der Regel mitbedacht. Leider gibt es aber nicht in allen Bun- desländern solche Fonds. Hier sollte das Bundesfinanz- ministerium uns eine Aufstellung geben, in welchen Bundesländern NS-Verfolgte, die durch § 6 Abs. 1 Nr. 2 BEG vom Bundesentschädigungsgesetz ausgeschlossen wurden, Härteleistungen erhalten können und in wel- chen nicht. Im Falle der als Kommunistinnen und Kommunisten politisch Verfolgten, um die es heute geht, war es damals wie heute ein ganz bewusstes Außenvorlassen, weil man diese Menschen einer Entschädigung nicht für würdig erachtete. Der Bundestag hat nachträglich in das Ent- schädigungsgesetz geschrieben, dass diese NS-Opfer keinen Anspruch auf Entschädigung hätten, wenn sie auch nach 1949 Kommunistinnen und Kommunisten ge- blieben waren. Und das, obwohl die US-Militärregie- rung in ihrem ersten Entschädigungsgesetz von 1947, an das sich das Bundesentschädigungsgesetz laut Vertrag ja eigentlich anlehnen sollte, die Kommunisten nicht aus- genommen hatte. Mit dem 1969 in Kraft getretenen BEG-Schlussgesetz ist das Bundesentschädigungsgesetz ein totes Gesetz. Es werden danach zwar noch Leistungen ausgezahlt, eine Neuantragstellung ist jedoch heute nicht mehr möglich. Deshalb ist die Forderung nach einem Härtefonds nur zu begrüßen. Die Fraktion der Linken hat vollkommen recht, dass es nicht zuletzt die historische Verpflichtung der Bun- desrepublik ist, das Unrecht dieses Ausschlusses einer Entschädigung für Kommunistinnen und Kommunisten auszusprechen. Und es sollte auch ein Weg gefunden werden, dass diejenigen, die damals ihre Entschädigung wegen Unwürdigkeit zurückzahlen mussten, dieses Geld wiederbekommen. Lassen Sie mich noch einen anderen aktuellen Punkt aus dem Bereich NS-Entschädigung nennen. Es kann nicht sein, dass, je nach Lust und Laune eines Verwal- tungsbeamten, russische Sonderrenten als Einkommen von der deutschen Sozialhilfe abgezogen werden und die Ministerin von der Leyen mir mitteilt, dass sie daran nichts ändern will. Frau von der Leyen, während der deutschen Belagerung der Stadt Leningrad starben zwi- schen 1941 und 1944 über eine Million Menschen, weil die Wehrmacht sie in der Stadt aushungern ließ. Es ist zynisch von Ihnen, dass Sie jenen, die diesen Naziterror überlebten und sich trotzdem dafür entschieden, in Deutschland zu leben, nun ihre spärliche Opferrente von etwa 150 Euro als Einkommen von ihrer Rente abziehen. Dass kann doch nicht Ihr Ernst sein!? Kommunistinnen und Kommunisten gehörten wäh- rend der Nazidiktatur zu den aktivsten Widerstands- kämpfern; sie wurden in den Konzentrationslagern ge- schunden, gequält und ermordet. Es gab und gibt keinerlei Grund, Menschen aus dieser Opfergruppe eine Entschädigung vorzuenthalten. Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts: Bildung in Entwicklungs- und Schwel- lenländern stärken – Bildungsmaßnahmen an- passen und wirksamer gestalten (Tagesord- nungspunkt 15) Anette Hübinger (CDU/CSU): Wir entscheiden heute abschließend über den Antrag der CDU/CSU- FDP-Koalition zu Bildung in Entwicklungs- und Schwellenländern. Dieser Antrag greift ein entwick- lungspolitisch äußerst wichtiges Thema auf, das Minis- ter Niebel gemeinsam mit der Koalition zu einem Schwerpunkt der deutschen Entwicklungszusammenar- beit ausbauen wird. Denn Bildung – da sind wir uns fraktionsübergreifend einig – ist der Schlüssel für Ar- mutsreduzierung. Sie eröffnet Lebenschancen für jeden einzelnen, die ohne Bildung nie ergriffen werden könn- ten. Bildung ist aber auch eine wichtige Voraussetzung für die Entwicklung eines Landes per se, für mehr Ver- teilungsgerechtigkeit, für die Teilhabe an politischen und 7810 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. November 2010 (A) (C) (D)(B) gesellschaftlichen Prozessen und für die wirtschaftliche Prosperität und Innovation eines Landes. Ohne Bildung gibt es keine Zukunft. Diese Erkenntnis wird immer wieder von Vertretern aus Entwicklungs- und Schwellenländern betont. Den- noch wächst der Großteil der Kinder und Jugendlichen in Ländern auf, wo das Recht auf Bildung nicht gewähr- leistet ist. 72 Millionen Kinder, mehr als die Hälfte da- von Mädchen, besuchen keine Grundschule. Ein Drittel der eingeschulten Kinder in Afrika bricht die Grund- schule ab. Das bedeutet, dass weltweit 776 Millionen Ju- gendliche und Erwachsene weder schreiben noch rech- nen können. Investitionen in den Bildungsbereich sind aber auch entscheidend für den Erfolg von Programmen und Pro- jekten in anderen Bereichen der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit. Auch deshalb ist es der richtige Schritt, dass die Mittel für Bildung und Ausbildung im Entwicklungsetat in 2010 auf 200 Millionen Euro fast verdoppelt wurden, und dass dies 2011 weiter ausgebaut wird. Das zeigt deutlich, dass wir, die christlich-liberale Koalition, den Bildungsbereich und die Entwicklungszu- sammenarbeit insgesamt in den kommenden Jahren quantitativ aber auch qualitativ deutlich voranbringen wollen. Denn der Blick auf die Einschulungsquote ent- hält keine Aussage darüber, wie viele Kinder die Schule abbrechen und mit welchem Bildungsstand sie die Schule verlassen. Daher ist Qualität ein Kernpunkt in unserem Antrag. Er reicht von der Verbesserung der Lehrerausbildung bis hin zur Ausgestaltung von Curri- cula. Wir müssen uns jedoch auch kritisch fragen, in wel- chen Bildungsbereichen wir in der deutschen Entwick- lungszusammenarbeit besser sind als andere Geber, und wir müssen unsere Arbeit auf unsere Stärken fokussie- ren. Weiter müssen wir uns kritisch fragen, mit welchen Partnern wir welche Projekte nachhaltig aufbauen und unterstützen können. Bildung, als staatliche Basisleistung, liegt in der Ver- antwortung unserer Partnerländer. Dieser Meinung sind wir auch, liebe Kollegen der SPD-Fraktion und der Frak- tion Die Linke. Nur wenn diese originär staatliche Auf- gabe eben nicht oder nur ungenügend von den Regierun- gen wahrgenommen wird, dann werden wir im Sinne der Menschen Unterstützung leisten und nach Alternativen suchen. Eine Alternative können auch private Träger wie zum Beispiel die Kirchen sein. Warum sollten wir dann nicht mit diesen zusammenarbeiten? Wir müssen diese sogar unterstützen, wenn wir es ernst mit unserer Ent- wicklungszusammenarbeit meinen. Ideologisch vorge- fasste Muster wie die Ihren helfen den jungen Menschen nicht. So wichtig und richtig die Verbesserung der Grund- bildung in den Entwicklungsländern ist, so wird eine nachhaltige Entwicklung in unseren Partnerländern je- doch nur gelingen, wenn eine gleichmäßige Entwicklung der verschiedenen Bildungsbereiche – frühkindliche Bil- dung, Primar- und Sekundarbildung, berufliche Bildung, Hochschulbildung und Erwachsenenbildung – gewähr- leistet wird. Junge Menschen in den Entwicklungslän- dern brauchen wie bei uns Perspektiven – Perspektiven, die in weiterführenden Schulen bis hin zur Berufs- und Hochschulausbildung zu finden sind. Während unserer Ausschussreise nach Madagaskar und Lesotho in der letzten Woche konnten wir erfahren, dass in Lesotho zwar die Grundbildung gut funktioniert, aber die Sekundarbildung, die Hochschulbildung und die Berufsbildung dringend ausgebaut werden müssen. In Madagaskar informierten wir uns über die Initiative der IHK Hamburg, gemeinsam mit den örtlichen Handels- kammern ein duales Ausbildungssystem in nachgefrag- ten Berufen aufzubauen, ebenso wie über die Anstren- gungen der Access Bank, Bankkaufleute sowohl theo- retisch als auch praktisch auszubilden. Beeindruckend war auch der Besuch bei SOLTEC, einer Privatinitiative aus Baden-Württemberg, die in mehreren Handwerksbe- rufen fundiert ausbildet. Das sind Beispiele, wie wir un- ser Know-how nutzen können. Deshalb werden wir un- sere Expertise, die wir im Bereich der dualen Berufs- ausbildung haben, bei unseren Partnerländern stärker einbringen. Die Wirtschaft ist in vielen Partnerländern in den letz- ten zehn Jahren deutlich gewachsen. Das heißt aber auch, dass der Bedarf an gut ausgebildeten Arbeitskräf- ten ständig wächst. Die technologischen Entwicklungen und der auch dort einsetzende Strukturwandel verlangen nach gezielter Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter. Vielen Unternehmen vor Ort fehlt aber noch das Ver- ständnis dafür, für die Aus- und Weiterbildung von Mit- arbeitern Geld in die Hand nehmen zu müssen. Deshalb ist es sinnvoll, wie auch von Minister Niebel vorgeschla- gen, in Zusammenarbeit mit deutschen Unternehmen in- novative Angebote aus dem Bereich der beruflichen Bil- dung in Entwicklungs- und Schwellenländern zu för- dern. Unter der Einbeziehung von deutschen Berufsbildungs- einrichtungen, wie dem Bundesinstitut für Berufsbildung, und der deutschen Industrie- und Handelskammer, kann der Auf- und Ausbau des dualen Berufsausbildungssys- tems an die Bedürfnisse vor Ort angepasst werden Des- halb begrüßen wir, dass die berufliche Bildung mit einem Volumen von 83 Millionen Euro ein Förderschwerpunkt unserer entwicklungspolitischen Bildungsarbeit ist. Im Bereich der Hochschul- und Wissenschaftskoope- rationen leistet Deutschland schon seit vielen Jahren ei- nen wichtigen Beitrag für den globalen Wissensaus- tausch. Ich nenne hier den DAAD, die Stiftungen, Kirchen, GTZ, KfW, InWEnt und den DED, die mithilfe von unterschiedlichsten Fördermaßnahmen jungen Men- schen den Zugang zu einer Universitätsausbildung er- möglichen. Dabei ist uns besonders wichtig, dass wir vor Ort in den Partnerländern die Kapazitäten im Wissen- schafts- und Forschungsbereich gezielt unterstützen. Da- her verwundert mich die Meinung der Opposition, dass Studienplätze für junge Menschen aus Entwicklungslän- dern in Deutschland nicht entwicklungsunterstützende Maßnahmen wären, also nicht ODA-fähig seien. Zum ei- nen gibt es hierfür klare Kriterien der Anrechnungsfä- higkeit, und zum anderen ist es für die jungen Menschen Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. November 2010 7811 (A) (C) (D)(B) die beste Ausbildung, die wir als Partnerland anbieten können. Wie man erkennen kann, betrifft allein der Bildungs- bereich in der Entwicklungszusammenarbeit vier ver- schiedene Ressorts. Die Abstimmung untereinander ist deshalb von zentraler Bedeutung. Die von Minister Niebel ambitioniert angegangene Strukturreform der technischen Zusammenarbeit ist ein wichtiger Schritt, unsere Zusammenarbeit effizienter zu gestalten. Die zu- nehmende Aufgabenbeteiligung der anderen Ressorts im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit ist sehr be- grüßenswert, erfordert aber auch mehr Koordination. Deshalb wäre es wünschenswert, dass das BMZ auf- grund seiner originären Aufgabe von Entwicklungszu- sammenarbeit auch die Koordinationsaufgabe bei res- sortübergreifenden Projekten übernimmt. Der Bildungsbereich ist ein Schlüsselsektor für nach- haltige Entwicklung und Wachstum – sowohl in unserem Land als auch in unseren Partnerländern. Dass er zu ei- nem Schwerpunktbereich ausgebaut wird, lag immer im fraktionsübergreifenden Interesse. Eine Ablehnung des Antrags seitens der Opposition bedeutet die Ablehnung des Ausbaus deutscher Entwicklungszusammenarbeit auf dem Bildungssektor. Das kann nicht gewollt sein. Des- halb bitten wir als CDU/CSU-Fraktion: Springen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, über Ihren Schatten und stimmen Sie diesem Antrag zum Wohle junger Menschen in unseren Partnerländern zu. Dr. Bärbel Kofler (SPD): Den heute vorliegenden Bildungsantrag der schwarz-gelben Koalition mit dem schönen Titel „ Bildung in Entwicklungs- und Schwel- lenländern stärken – Bildungsmaßnahmen anpassen und wirksamer gestalten“ habe ich mir sorgfältig durchgele- sen und mit dem entwicklungspoltischen Bildungsantrag verglichen, der vor zwei Jahren in der Großen Koalition geschrieben wurde. Ich möchte mein Fazit gleich voranstellen: Der alte Antrag war und ist gut und der jetzt vorliegende schwarz-gelbe Bildungsantrag ein Rückschritt für die Erreichung des Millenniumsziels 2 „Grundbildung für alle“. Denn Bildung ist ein Menschenrecht und Voraus- setzung für die Bekämpfung globaler Armut. Diesem Ziel aber wird der schwarz-gelbe Bildungsantrag nicht gerecht. Die SPD forderte damals wie heute, Bildung, insbe- sondere Grundbildung und Weiterbildung, als Schwer- punktbereich der deutschen EZ auszubauen, die Fast- Track-Initiative mit ihrem Ziel „Bildung für alle“ finan- ziell und organisatorisch zu fördern, Grundbildung zu verstärken und insbesondere dazu beizutragen, dass die Qualität des Unterrichts verbessert wird. Das heißt, es muss in die Lehrerausbildung und -bezahlung investiert werden. Besonders wichtig ist uns Sozialdemokraten, dass Bildung kostenfrei zur Verfügung steht. Diese Kernforderungen waren Beschlusslage des 16. Deutschen Bundestags und Leitlinie guter Bildungs- zusammenarbeit der deutschen Entwicklungspolitik. Das wären sie auch besser geblieben. Dem neuen Antrag fehlt es an einer klaren Linie. Das Einzige, was klar wird, ist, dass Grundbildung zu kurz kommt. Im Einleitungstext des schwarz-gelben Antrags ist zwar von der Wichtigkeit der Primarschulbildung die Rede – soweit kann ich zustimmen –, und zu Recht weist der Antrag darauf hin, dass es in den vergangenen Jahren eine Verbesserung im Bereich des Millenniumsziels 2 gab. Enttäuscht hat mich beim Weiterlesen dann aber der Forderungskatalog des schwarz-gelben Bildungsantrags: Der Antrag enthält 44 Forderungen an die Bundesregie- rung, und nicht in einer dieser Forderungen wird das Wort „Grundbildung“ genannt. Überhaupt stellen die Forderungen eine wilde Ideensammlung dar, aus der keine klare Linie für die Bildungszusammenarbeit er- kennbar wird. Ein schlüssiges Konzept, wie das Millen- niumsziel 2 „Grundbildung für alle“ zu erreichen ist, er- gibt sich aus diesem bunten Strauß nicht! Offensichtlich soll sich jeder aus diesem Forderungskatalog seine Lieb- lingsforderung selber heraussuchen. In jedem Fall ist für alle etwas dabei. Aus der öffentlichen Anhörung unseres entwicklungs- politischen Ausschusses zu den Millenniumszielen im Juni dieses Jahres ist mir ein Kernsatz der Bildungsex- pertin Frau Assibi Napoe, der Vorsitzenden der Global Campaign for Education, in deutlicher Erinnerung ge- blieben. Sie sagte sehr eindringlich, dass Bildung öffent- lich und kostenlos sein muss. Damit stimmt die SPD überein, denn Bildung ist staatliche Aufgabe und muss ohne Gebühren zugänglich sein. Nur so erreicht Bildung alle Menschen und jedes Kind. Nur so wird Bildung zu einer Chance für jeden in einer Gesellschaft und hilft dem Einzelnen, sich vor Ar- mut zu schützen. Grundbildung ist dabei nicht alles, aber alles ist nichts ohne Grundbildung. Schaue ich mir jetzt die einzelnen Forderungen von Schwarz-Gelb im vorliegenden Antrag nochmal an, heißt es da in Forderung 28, „Bestrebungen von privat- wirtschaftlichen Institutionen im Bereich der beruflichen Bildung weiter ausbauen und fördern“ oder bei Forde- rung 32 „… das Netzwerk und die Erfahrung der deut- schen Auslandsschulen und des Goethe-Instituts nutzen und einbeziehen“. Weiter wird der Aufbau von Alumni-Netzwerken ge- fordert, der Aufbau von Berufsakademien im Rahmen von PPP-Projekten sowie der Ausbau von Möglichkeiten des E-Learnings. Das ist ja ganz nett, aber es kommt da- rauf an, staatliche Strukturen und Bildungsangebote in den Entwicklungsländern zu stärken. Die SPD hat sich schon immer für Grundbildung und auch Weiterbildung eingesetzt. Dies umfasst sowohl die frühkindliche Bildung als auch die Primarschulbildung und Angebote der beruflichen Bildung bis hin zur Hoch- schulbildung. Es bedarf eines ganzheitlichen Ansatzes. Aber erst umfassende Grundbildung, die für alle zu- gänglich ist, gewährleistet, dass auch weiterführende Bildung in Entwicklungsländern für jeden erreichbar ist und zur Chance wird. Sonst wird Weiterbildung zum Ex- 7812 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. November 2010 (A) (C) (D)(B) klusivangebot für Privilegierte, die sich Grundbildung kaufen können. Unsere staatlichen Entwicklungsgelder sollen aber bei den Armen und weniger Privilegierten ankommen und nicht zur Elitenförderung verwendet werden. Der schwarz-gelbe Bildungsantrag verfehlt die- ses Ziel. Es gibt allerdings eine Forderung aus dem schwarz- gelben Antrag, die ich in diesem Zusammenhang doch für sehr wichtig halte, und zwar gerade um „Grundbil- dung für alle“ zu erreichen. In Forderung 9 heißt es: „Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich aktiv an der Reform der Fast-Track-Initiative zu beteiligen!“ Die Fast-Track-Initiative will das Millenniumsziel 2 „Grund- bildung für alle“ umsetzen. Sie hat bisher gute Fort- schritte im Bereich der Grundbildung gemacht. Die mul- tilaterale Initiative hat also den richtigen Ansatzpunkt. Allerdings hemmen bürokratische Hindernisse und Kon- ditionalitäten der Weltbank derzeit den Erfolg der Fast- Track-Initiative. Hier muss sich Minister Niebel tatsäch- lich verstärkt dafür einsetzen, dass die Reform voran- geht, damit die Mittelvergabe zügiger wird. Um Mittel zu vergeben, müssen aber auch Mittel vor- handen sein. Bisher ist es nicht gelungen, im ange- strebten Ausmaß Mittel für den Catalytic Fund, dem zentralen Topf der Fast-Track-Initiative, zu generieren und mehr Geber einzubinden. Auch hier muss die schwarz-gelbe Regierung nachlegen. Im Haushaltsjahr 2010 wurden 6,8 Millionen US-Dollar für den Catalytic Fund eingestellt, noch im Jahr 2009 waren es 7,4 Mil- lionen US-Dollar. Deutschland ist damit auf Platz 12 von 18 Gebern. Eine Vorreiterrolle im Bereich der Bil- dung, insbesondere Grundbildung, lässt sich daran nicht festmachen. Dabei hatte Minister Niebel noch vor einem Jahr in seiner Amtsantrittsrede die Förderung der Bildung zum Schwerpunkt seiner Arbeit erklärt. Ich darf wörtlich zi- tieren: „Die Förderung der Grundbildung und Weiterbil- dung sind für uns ebenso wichtig, denn Armut und Bil- dungsarmut sind zwei Seiten derselben Medaille.“ Auch in seiner Jahresbilanz vom Oktober dieses Jah- res betonte Minister Niebel wieder: „Wir konzentrieren uns auf Schlüsselsektoren wie Bildung, ländliche Ent- wicklung, gute Regierungsführung und Gesundheit und setzen dort gezielt Mittel in innovativen Ansätzen ein.“ Allerdings ist die Schwerpunktsetzung auf Bildung bisher weder konzeptionell noch finanziell erkennbar. Minister Niebel hat zwar ein neues Sektorkonzept Bil- dung für Februar 2011 in Aussicht gestellt, jedoch hat die Unterrichtung des BMZ im Ausschuss vom 27. Ok- tober kein Licht ins Dunkel gebracht. Bisher hat keiner auch nur einen Entwurf des Konzepts gesehen, und in der Unterrichtung blieb unklar, wo der inhaltliche Schwerpunkt des Konzepts liegen soll. Gestern in der Fragestunde im Plenum blieb auch Frau Kopp mir eine klare Antwort zu den Inhalten des Bildungskonzepts schuldig. Vielmehr sprach Frau Kopp von der Wichtig- keit der staatlichen Grundbildung und von Erwachsenen- bildung, von der Qualität der Bildung und der berufli- chen Weiterbildung in der Entwicklungszusammenarbeit. Mir kam es vor, als würde Frau Kopp gute sozialdemo- kratische Bildungsarbeit beschreiben. Freuen würde es mich, wenn das alles im neuen Bildungskonzept von Minister Niebel steht, nur neu ist es halt nicht. Neu ist allerdings seit Amtsantritt von Minister Niebel, dass das Freiwilligenprogramm „weltwärts“ we- niger Mittel als geplant erhält. Vollkommen unklar ist, warum es zu diesen Kürzungen kam. Offensichtlich hat Minister Niebel nicht verstanden, dass auch der Freiwil- ligendienst „weltwärts“ einen Beitrag zur entwicklungs- politischen Bildung leistet. Warum sonst würde er diesen guten Freiwilligendienst seit seinem Amtsantritt kaputt- sparen, während er andererseits Bildung als Schwer- punktthema seiner Entwicklungspolitik ankündigt? Auch der schwarz-gelbe Bildungsantrag beinhaltet keine Forderung zur entwicklungspolitischen Bildungsarbeit in Deutschland, dabei gilt der Lerndienst „weltwärts“ heute unter Entwicklungsexperten als unverzichtbarer Teil einer solchen politischen Bildungsarbeit. Denn das Konzept von „weltwärts“ geht auf: Junge Menschen werden in Partnerorganisationen in Entwick- lungsländer integriert und lernen dort die Arbeit im Kampf gegen Hunger und Armut hautnah kennen. Eine solche Erfahrung schärft das Bewusstsein für globale Verantwortung und weltweite Solidarität sowie für Zu- kunftsfragen und bürgerschaftliches Engagement in Deutschland. Das im Jahr 2007 ins Leben gerufene entwicklungs- politische Freiwilligenprogramm „weltwärts“ hat bisher großen Anklang bei jungen Menschen gefunden und wird von deutschen Entsendeorganisationen gelobt. Die schwarz-gelbe Regierungskoalition hat bereits für das laufende Haushaltsjahr 2010 den „weltwärts“-Etat um 10 Millionen Euro geringer angesetzt, als 2009 geplant. Auch für das Jahr 2011 wird diese Kürzung fortge- setzt. Das hat schwere Konsequenzen für die deutschen Entsendeorganisationen und hat bereits in diesem Jahr dazu geführt, dass viele interessierte junge Menschen nicht weltwärts gehen konnten. Die kurzfristige Ankün- digung von Kürzungen rief bei den Entsendeorganisatio- nen allgemeines Unverständnis hervor, zumal die Ju- gendlichen bereits ein Jahr vor der Entsendung mit Schulungen auf ihr „weltwärts“-Jahr vorbereitet werden. Zwar hat Minister Niebel noch im Mai und sogar Juni dieses Jahres betont, dass kein Jugendlicher weniger ent- sendet wird, nur weil es am Geld fehle. Wie ich jetzt von Entsendeorganisationen hörte, hat Minister Niebel aber auch diese Versprechen gebrochen. Beispielsweise hat das Welthaus Bielefeld im April dieses Jahres den Bescheid des BMZ erhalten, dass von ihren 67 Jugendlichen, die bereits auf die Entsendung vorbereitet waren und unter Vertrag standen, nur 44 Frei- willige entsendet werden könnten, also de facto eine Kürzung von 67 auf 44 vorgenommen werden müsste. Mit gleichem Schreiben wurde mitgeteilt, das der maxi- male Barmittelbetrag für das Welthaus Bielefeld im Jahre 2010 156 640 Euro betrage und nicht überschrit- ten werden dürfe. Zu Recht fragte das Welthaus Biele- feld nun: Wie sollen wir 23 jungen Leuten, die sich in- tensiv auf das Jahr vorbereitet haben, und unseren Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. November 2010 7813 (A) (C) (D)(B) Partnern mitteilen, dass es leider nichts mit dem „welt- wärts“-Jahr wird? Aus der Not geboren hat das Welthaus Bielefeld die Entsendung dieser 23 Jugendlichen dann selber bezahlt, vorfinanziert aus dem „weltwärts“-Etat für das Jahr 2011. Das heißt aber nun, dass nächstes Jahr weniger Ju- gendliche über das Welthaus entsendet werden können. Nach eigenen Schätzungen spricht das Welthaus von noch 80 Prozent im Vergleich zum jetzigen Jahrgang. Das Freiwilligenprogramm „weltwärts“ wird in die- sem Jahr evaluiert, so war es seit Programmstart geplant. Die Ergebnisse der Evaluation sollen im Frühjahr 2011 vorgestellt werden. Aber noch vor der Evaluierung des „weltwärts“-Programms wurde durch die Mittelkürzung der dynamische Aufbau des neuen Freiwilligendienstes gedrosselt. Bevor eine Bewertung des „weltwärts“-Pro- gramms vorliegt, wird das Programm von Schwarz-Gelb kaputtgekürzt. Das ist inakzeptabel! Abschließend kann ich nur sagen: Die schwarz-gelbe Regierung setzt für das wichtige Thema der Bildung in der Entwicklungszusammenarbeit keine neuen Impulse. Der heute beschlossene Koalitionsantrag bietet für eine nachhaltige und umfassende Bildungsarbeit in Entwick- lungsländern keine solide Grundlage. Harald Leibrecht (FDP): Nachhaltige Entwicklung hängt – und da sind wir uns wohl alle fraktionsübergrei- fend einig – in wesentlichem Maße vom Zugang der Menschen zu Bildung ab. Wenn wir den Entwicklungs- ländern eine Perspektive geben wollen, ist das Thema Bildung in Entwicklungsländern von zentraler Bedeu- tung. Vor allem im Bereich der Grundbildung hat es in den letzten Jahren durchaus Erfolge gegeben. Und wir sind dem Jahrtausendziel der allgemeinen Grundschul- bildung für alle Kinder bis zum Jahr 2015 ein gutes Stück nähergekommen. Um ein Land aber auf lange Sicht erfolgreich aus der Armut zu befreien, müssen wir in Zukunft noch mehr als bisher auf eine qualifizierte und nachhaltige Bildung in den Entwicklungsländern setzen. Grundbildung ist dafür natürlich eine fundamen- tale Voraussetzung. Die Kritik der Oppositionsparteien an unserem An- trag ist für mich daher nicht nachvollziehbar. Grundbil- dung ist und bleibt ein sehr wichtiges Anliegen. Aber ich möchte Sie auch fragen: Was wollen Sie anschließend den Grundschulabgängern als Perspektive bieten? Hier muss es doch in allen Bildungssektoren zu vermehrten Anstrengungen kommen. Die Behauptung von SPD und Linke, wir würden in Sachen Bildung in Entwicklungs- ländern rein auf private Anbieter setzen, ist falsch. Ne- ben dem staatlichen Bildungssystem muss es aber auch private Anbieter geben. Ich kenne viele nichtstaatliche Bildungseinrichtungen, die in Entwicklungsländern ganz hervorragende Arbeit leisten. SPD und Linke sollten hier endlich ihre ideologische Brille ablegen. In vielen Ent- wicklungsländern versagt der Staat in Sachen Bildung. Nach der Ideologie der Opposition haben die Kinder in diesen Ländern keine Chance auf Bildung. Das können Sie doch nicht wirklich wollen. Nur wenn Menschen eine solide Bildung bekommen, haben sie die Chance, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen und sich von Abhängigkeiten zu befreien. Und darum geht es uns mit unserem Antrag. Bildung hat also auch mit Freiheit zu tun. Über eine umfangreiche Bil- dung kann das Verständnis untereinander und zu anderen Kulturen oftmals auch konfliktpräventiven Charakter ha- ben. Multikulturelle Wertegemeinschaften sind weniger konfliktanfällig, und in gebildeten Gemeinschaften kön- nen sich Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte und Mei- nungsfreiheit besser entfalten. Dies ist ein ganz wichti- ger Effekt, der oftmals keine ausreichende Beachtung findet. Und darum ist für den Aufbau von Justiz, Demo- kratie, Rechtsstaatlichkeit und Marktwirtschaft eine breite Bildungsschicht, ja eine Bildungselite, die ihr Land in eine bessere Zukunft führt, unbedingt nötig. Junge Menschen – Männer und Frauen gleicherma- ßen – müssen die Chance haben, nach der allgemeinen Schulbildung einen qualifizierten Beruf zu erlernen oder eine höhere Schulbildung bis hin zur Universität zu er- halten. Und da der Lehrerausbildung zur Erreichung die- ser Ziele eine große Bedeutung zukommt, haben wir in unserem Antrag auch an mehreren Stellen die Forderung nach einer qualitativen Verbesserung der Lehrerausbil- dung erhoben. Lehrer sind die Basis für eine erfolgreiche Schulbildung in einem funktionierenden Schulsystem. Deutschland leistet mit weltweiten Bildungskooperatio- nen einen bedeutenden Beitrag. Auch über die Auswär- tige Kultur- und Bildungspolitik erhalten viele junge Menschen in der Welt durch die Hilfe unseres Landes eine bessere Bildung. Ich bin froh, dass unter der jetzigen Bundesregierung die Zusammenarbeit zwischen dem Auswärtigen Amt, dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammen- arbeit und Entwicklung und dem Ministerium für Bil- dung und Forschung funktioniert und ineffiziente Paral- lelstrukturen abgebaut werden. Aus-, Fort- und Hoch- schulbildung sind die beste langfristige Hilfe zur Selbst- hilfe und Voraussetzung für eine nachhaltige Entwick- lungspolitik. Mit unserem Antrag legen wir die Basis, um die Bildungssituation in Entwicklungsländern lang- fristig zu verbessern, und er ist ein wichtiger Schritt hin zur Erreichung der Millenniumsziele zur Verwirklichung der allgemeinen Grundschulbildung, MDG 2, und zur Förderung der Gleichstellung der Geschlechter, MDG 5. In elf Jahren, in denen die SPD das Entwicklungsmi- nisterium geleitet hat, wurde im Bildungsbereich für Entwicklungsländer leidlich wenig erreicht. Die jetzige Regierung handelt, und unser Antrag ist die richtige Weichenstellung für eine effektive und nachhaltige Ent- wicklungspolitik. Darum bitte ich Sie, unserem Antrag zuzustimmen. Heike Hänsel (DIE LINKE): Weltweit gibt es rund 780 Millionen Analphabeten, über 1,4 Milliarden Men- schen leben in Armut. Bildungsarmut und damit einher- gehender Hunger sind vor allem ein Problem in den ländlichen Regionen der Entwicklungsländer. Dort aber, wo Frauen und Männer lesen und schreiben können, sinkt der Grad an Unterernährung, steigen die Einkom- 7814 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. November 2010 (A) (C) (D)(B) men sowie die Produktivität der Kleinbauern und erge- ben sich Wege aus der Armut. Bildung ist der Schlüssel zur Teilnahme am gesellschaftlichen Leben und ist ein in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte sowie der UN-Kinderrechtskonvention verankertes Menschen- recht. Die Millenniumsentwicklungsziele 2 und 3 bezie- hen sich auf Bildung, Grundbildung für alle Kinder und Aufhebung der Benachteiligung von Mädchen. Von der Verwirklichung dieses Rechts sind wir allerdings weit entfernt. Die Bundesregierung macht vollmundige An- kündigungen, dass Bildung zum Schwerpunktthema ih- rer Entwicklungspolitik gemacht werden soll, um das Ziel „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ zu veran- kern. Aber was sehen wir hinter der Fassade dieses Ver- sprechens? Der Antrag der Regierungskoalition zum Thema stellt einen erheblichen Rückstand bei der Grund- und Se- kundarbildung fest. Das deutsche Modell der dualen Ausbildung wird als Vorbild angeboten und die Einbe- ziehung der deutschen Wirtschaft, etwa durch PPP – Public-Private-Partnership-Projekte – empfohlen. Im Bereich der beruflichen Bildung sollen vor allem privat- wirtschaftliche Institutionen gestärkt werden. Hoch- schulbildung wird vor allem unter dem Gesichtspunkt der Elitenrekrutierung und wirtschaftlichen Innovations- fähigkeit betrachtet. Beim Wissensaustausch wird die stärkere Zusammenarbeit der Universitäten mit dem Pri- vatsektor empfohlen. Dieser Fokus auf Privatisierung ist genau das Gegenteil von Bildung für alle! In dem Antrag wird festgehalten, dass die Lehrerge- hälter oft zu niedrig seien und die Regierungen im Süden oft „nicht imstande“ seien, „ihre Hoheitsaufgaben im Bildungsbereich zu erfüllen“. Daraus wird aber nicht die naheliegende Schlussfolgerung gezogen, die Partnerre- gierungen seien durch die Stärkung der staatlichen Strukturen, zum Beispiel durch Budgethilfe, zu unter- stützen, um effektive staatliche Systeme aufbauen zu können, sondern es wird daraus eine Daseinsberechti- gung für die vielen privaten Angebote in diesem Bereich abgeleitet. Welchen finanziellen Beitrag die Bundesregierung zur Bildungsförderung in den Partnerländern künftig leisten will, wird mit keiner Silbe erwähnt. Das muss aber konkret benannt werden, wenn man sich ernsthaft für die weitere Unterstützung für Bildungssysteme ein- setzt. Das Gegenteil scheint jedoch der Fall zu sein. Die Finanzmittel für die „Internationalisierung von Bildung“ – Stipendien etc. – stagnieren seit Jahren oder sind sogar leicht rückläufig. Die Linke hätte es auch sehr begrüßt, wenn die Koali- tion etwas zur Anerkennung von in Partnerländern er- zielten Abschlüssen hier in Deutschland gesagt hätte. Wichtig wäre auch gewesen, das große Problem von Schul- und Studiengebühren anzusprechen, das ja maß- geblich den Zugang zu Bildung blockiert. Stattdessen wird „innovativen Finanzierungselementen“ und einer Förderung der Privatwirtschaft das Wort geredet. Natür- lich sollen auf diese Weise für die deutsche Wirtschaft durch sogenannte Bildungsdienstleister lukrative Märkte erschlossen werden. Die Linke will stattdessen staatliche Strukturen stär- ken. Wir brauchen ein öffentliches, allgemein zugängli- ches Bildungssystem, anstatt eine beliebige Trägerviel- falt zu finanzieren und die Regierungen in den Entwicklungs- und Schwellenländern so bildungspoli- tisch zu entmündigen. Die Linke empfiehlt außerdem, auf dem Feld der Bil- dungspolitik in eine trilaterale Kooperation einzutreten. Es gibt gute Süd-Süd-Initiativen, die oft angepasster ar- beiten als die Initiativen aus dem Norden und dabei be- eindruckende Erfolge bei der Alphabetisierung erzielen. Dabei möchte ich insbesondere die erfolgreiche kubani- sche Kampagne „Yo si puedo“ erwähnen, die auch von den UN entsprechend gelobt wurde. Hier könnte die in- ternationale Unterstützung gut ansetzen. Wir fordern die Bundesregierung auf, Entwicklungs- hilfeleistungen für Bildung deutlich zu erhöhen und dazu beizutragen, dass die Ziele des Weltbildungsforums 2000 in Dakar erreicht und das Millenniumsziel univer- saler Grundbildung bis 2015 umgesetzt wird. Die Indus- trieländer müssen ihre finanziellen Ausgaben für Bil- dung erhöhen, damit jedem Kind bis 2015 zumindest eine Primärschulbildung gewährleistet werden kann. Die ärmsten Länder müssen in die Lage versetzt werden, ge- nügend Lehrkräfte auszubilden und einzustellen, Schu- len mit ausreichend Klassenräumen zu bauen und Schul- bücher für jedes Schulkind anzuschaffen. Wir müssen das Menschenrecht auf Bildung endlich verwirklichen, statt nur leere Versprechen zu machen! Der Schlüssel hierzu ist der politische Wille. Herr Niebel, wenn Sie Bildung wirklich zum Schwer- punktthema machen wollen, ist es an der Zeit, so lang- sam den schönen Worten auch mal Taten folgen zu las- sen. Ute Koczy (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Bildung ist kein Geschenk, das nur Auserwählten zukommt. Nein: Bildung ist ein Menschenrecht für alle. Daher stehen die Regierungen in allen Ländern der Welt in der Pflicht, das Recht auf Bildung umzusetzen und zu garantieren. Es stimmt: Beim zweiten Millenniumsentwicklungs- ziel – dem Zugang zu Grundbildung – wurden bereits viele Fortschritte erzielt. Und doch ist leider offensicht- lich: Bis 2015 wird das zweite Millenniumsentwick- lungsziel nicht erreicht. Gerade die ärmsten Länder wer- den das Ziel verfehlen. Besonders Kinder aus ländlichen Gebieten haben schlechte Bildungschancen – sie besu- chen nur halb so oft die Grundschule wie Kinder aus städtischen Gebieten. Neben der Frage des Zugangs zu Bildung quält uns insbesondere die Frage der Qualität der Bildung. Lehrer und Lehrerinnen sind weltweit die bedeutendste Res- source für das Lernen. Und gute Lehrerinnen und Lehrer sind eine der wichtigsten Voraussetzungen für den Lerner- folg. An beidem herrscht gerade in armen Ländern ein großer Mangel. Allein in Subsahara-Afrika müsste bei- spielsweise zur Erreichung des Grundbildungsziels die Zahl der Lehrer und Lehrerinnen verdoppelt werden. Und viel muss investiert werden in Lehrerausbildung; Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. November 2010 7815 (A) (C) (D)(B) denn besonders in ländlichen Gebieten mangelt es nicht nur an Lehrpersonal, sondern vor allem an qualifiziertem Lehrpersonal. Wir wissen alle, dass Bildung eine Grundvorausset- zung zur Überwindung von Armut ist. Alle entwick- lungspolitische Erfahrung lehrt uns, dass Frauen und Mädchen bei der Überwindung von Armut eine zentrale Rolle spielen. Doch noch immer sind Frauen bei der Bil- dung stark benachteiligt. Während sich in den Grund- schulen schon einiges verbessert hat für Mädchen, stellt der Gender Gap im Bereich der Sekundarbildung ein noch viel größeres Problem dar. In Mosambik habe ich Anfang des Jahres erfahren, dass zwar immerhin 95 Prozent aller Kinder eingeschult werden. Doch die Hälfte davon schafft den Primarschul- abschluss nicht, und nur eine kleine Minderheit, 5 Prozent, geht bis zum Abschluss der Sekundarschule zur Schule. So erwerben nur sehr wenige Menschen in Mosambik die Qualifikation für eine Universitäts- bzw. Fachhoch- schulbildung oder einen höheren Ausbildungsberuf. Die- ses Problem ist viel zu lange vernachlässigt worden. Da die Sekundarbildung in der Regel kostenpflichtig ist, werden große Bevölkerungsgruppen vom Zugang ausgeschlossen. So auch in Mosambik: Die Regierung unterstützt den Besuch der Primarstufe für alle Kinder bis zur siebten Klasse. Doch ab der achten Klasse müs- sen Familien die Schulkosten für ihre Kinder komplett selbst übernehmen, das Schulgeld, die Unterbringung in einer weiter entfernten Stadt – oftmals sind Sekundar- schulen bis zu drei Stunden von zu Hause entfernt – und die Kosten für Schulmaterial und Uniformen sind für viele Familien in Mosambik eine nicht zu bewältigende Anstrengung. Und da die Gesellschaft in Mosambik noch immer meist patriarchalisch organisiert ist, scheiden gerade Mädchen und junge Frauen besonders häufig und früh- zeitig aus der Schule aus. Argument: Sie werden für die Familienarbeit in der Landwirtschaft gebraucht. Es er- gibt sich ein Kreislauf, in dem Frauen zu einer frühzeiti- gen Heirat gedrängt werden, früh viele Kinder bekom- men und ihnen damit ein Lebensweg vorgeschrieben wird, der sich vor allem um die land- und hauswirtschaft- liche Tätigkeit und die Versorgung der Kinder unter prekä- ren sozioökonomischen Bedingungen dreht. Ein Leben in Armut ist damit auch für die nächste Generation so gut wie vorprogrammiert. Um diesen Kreislauf zu durchbrechen und die struk- turelle Benachteiligung von Frauen abzumildern, bedarf es der Förderung von Bildungschancen für junge Frauen, gerade auch in der Sekundarbildung. Zum Antrag der Koalition. Viele der angesprochenen Fragen thematisieren Sie in Ihrem Antrag. Das ist gut. Doch gerade dort liegt auch das Problem: Sie thematisie- ren so viele dieser Fragen, ohne konkrete Lösungsan- sätze zu präsentieren, dass im Fazit der Antrag ein zahn- loser Tiger bleibt. Wir können uns daher nur enthalten. Was zum Beispiel in Ihrem Antrag fehlt, sind konkrete Zahlen. Es ist schön, dass Sie die dringend nötige Reform der Fast Track Initiative für Bildung unterstützen. Doch wenn die Fast Track Initiative greifen soll und die Grundbildungssituation in den ärmsten Ländern verbes- sern soll, dann muss sie – insbesondere ihr Catalytic Fund – mit ausreichender und vorhersehbarer Finanzie- rung ausgestattet sein. Hier ist Ihr Antrag eine Fehlan- zeige. Wir Grünen haben im Entwicklungsausschuss Än- derungsanträge zum Haushaltsplan des Entwicklungs- ministeriums eingebracht, unter anderem zur Aufsto- ckung der Mittel des Catalytic Fund. Und was machen Sie von der Koalition? Für 2010 und 2011 fährt Deutsch- land seine Zusagen für den Catalytic Fund sogar noch zurück, und auch unsere Haushaltsanträge haben Sie leider abgelehnt. Aus Ihrem Antrag spricht, dass Sie viel Hoffnung in die Privaten stecken. Nach Ihren Vorstellungen soll sich die deutsche Wirtschaft auch im Bildungssektor in Ent- wicklungsländern einbringen können. Doch es ist eine grundlegende Aufgabe des Staates, für ein funktionie- rendes Bildungssystem zu sorgen und Bildung für alle zu garantieren – Private können höchstens als Ergänzung, aber nicht als Ausrede dienen! Und vor allem: Es geht hier nicht in erster Linie um die Förderung der deutschen Wirtschaft, sondern um die Verwirklichung des univer- sellen Menschenrechts auf Bildung! Sie haben Recht damit, dass auch in die berufliche Bildung investiert werden muss. Doch darüber darf der enorme Nachholbedarf bei Grundbildung, insbesondere bei der bereits angesprochenen Qualität der Grundbil- dung, und bei der Sekundarbildung nicht vergessen wer- den. Wenn die Basis nicht stimmt, dann macht auch be- rufliche Bildung keinen Sinn! Das haben Sie leider in Ihrem Antrag vernachlässigt. Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Rohstoffförderung im Meer – Aus der Katastrophe lernen (Tages- ordnungspunkt 16) Ingbert Liebing (CDU/CSU): Mit der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko verbinden wir schreckliche Bilder, die die Medien wochenlang beherrscht haben: Die Ex- plosion und das Sinken der Ölplattform „Deepwater Ho- rizon“ am 20. und 22. April 2010. Insgesamt flossen 780 Millionen Liter Rohöl damals verteilt über mehrere Monate, in den Golf von Mexiko – ein quälend langer Zeitraum. Versuche, das Leck abzudichten, misslangen ein ums andere Mal, erst drei Monate nach der Explo- sion der „Deepwater Horizon“ strömte endlich kein Öl mehr aus dem Bohrloch. Das Ergebnis sind verheerende Auswirkungen auf die genauso empfindlichen wie einzigartigen Ökosysteme an der US-amerikanischen Küste. Durch die Meeresver- schmutzung sind nicht nur Delfine und Meeresschildkrö- ten, auch Seevögel, Fisch- und Austernbestände gefähr- det, irreparable Schäden drohen. Aus dem ökologischen 7816 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. November 2010 (A) (C) (D)(B) Schaden ist zudem ein horrender ökonomischer Schaden geworden, insbesondere für den Tourismus. Diese Kata- strophe macht deutlich, dass der Mensch mit seiner Technik die Natur keinesfalls immer zu kontrollieren vermag. Zu den Ursachen der Explosion gibt es unterschiedli- che Darstellungen, die sowohl technisches wie mensch- liches Versagen nahelegen. Es ist aber offensichtlich, dass der Konzern BP an seine Grenzen gestoßen ist. Es sind Fehler gemacht worden, und man kann nicht gerade sagen, dass damals alles Menschenmögliche getan wurde, um diese Katastrophe zu vermeiden. Diese Fehler, für die das Unternehmen nun geradeste- hen muss, sollen uns eine Warnung sein: Die Förderung von Erdöl in derart großen Wassertiefen, hier waren es circa 1 500 Meter, ist äußerst riskant. Unternehmen und Regierungen müssen mit diesem Risiko verantwortlich umgehen. Dazu gehört, das Geschehen umfassend aus- zuwerten, um ein weiteres Unglück dieser Art in der Zu- kunft verhinden zu können. In diesem Zusammenhang begrüße ich die Bemühun- gen im Rahmen der OSPAR-Konvention, deren Mitglie- der sich vom 20. bis 24. September 2010 auf einer Kon- ferenz im norwegischen Bergen trafen: Als erste vorläufige Konsequenz aus der Havarie der Bohrplattform im Golf von Mexiko haben sich die OSPAR-Staaten auf einen Fahrplan für eine umfassende Defizitanlayse der Katastrophe verständigt. Dazu gehört, dass die Staaten ihre einschlägigen nationalen Regel- werke analysieren. Ergänzend werden externe Berichte einer umfassen- den Bewertung unterzogen. Abhängig von der Auswertung der genannten Ergeb- nisse ist anlässlich der nächsten turnusmäßigen Sitzung der OSPAR-Kommission im Juni 2011 geplant, über mögliche Verbesserungsmaßnahmen zu entscheiden. Nun müssen wir aber aufpassen, dass wir die richti- gen, nicht die falschen Schlüsse aus der Katastrophe zie- hen. So fordert der Antrag der Grünen ein Verbot neuer Bohrungen und Ölförderungen in geschützten Meeresge- bieten in Deutschland, wie dem Wattenmeer. Das wird den Tatsachen nicht gerecht. Es ist unred- lich, die grauenhaften Bilder von den Ölverschmutzun- gen im Golf von Mexiko in Deutschland zu instrumenta- lisieren und damit die Situation in Deutschland zu dramatisieren. Der Vergleich, den der Antrag der Grünen zwischen der Situation im Golf von Mexiko und der Öl- förderung im deutschen Wattenmeer herstellt, ist so nicht haltbar. Eine solche Ölkatastrophe, wie im Golf von Me- xiko geschehen, ist vor unserer Haustür so nicht denkbar. Weil ich eine sachliche Diskussionsgrundlage in dieser wichtigen Angelegenheit für notwendig erachte, möchte ich die Unterschiede deutlich machen: Die Bohr- und Förderinsel „Mittelplate“ vor der schleswig-holsteinischen Westküste – genauer gesagt auf einer Sandbank vor der Dithmarscher Küste am süd- lichen Rand des Nationalparks Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer – ist die einzige deutsche Produktionsanlage zur Förderung von Öl im Meer. Und obwohl auch hier Öl gefördert wird, bestehen ganz wesentliche Unter- schiede zwischen „Mittelplate“ und „Deepwater Hori- zon“: Im Gegensatz zur Situation am Golf von Mexiko, wo mit einem ungeheuren natürlichen Druck riesige Ölmen- gen ins Meer sprudelten, muss bei der Förderung durch die „Mittelplate“ das Öl aktiv hochgepumpt werden, da es hier keinen natürlichen Druck gibt. Für den Fall, dass es zu einem Ölverlust kommen sollte, steht die „Mittelplate“ in einer Stahlwanne, die auslaufendes Öl auffangen kann von wo es dann abge- pumpt würde. Die Bohr- und Förderinsel „Mittelplate“ ist auf dem Wattboden gegründet, kann daher nicht sinken, wie es bei der „Deepwater Horizon“ leider passiert ist. Hinzu kommt, dass im Bereich des Nordostatlantiks, zu dem auch der deutsche Bereich zu zählen ist, die In- dustrie auf der Basis der besten verfügbaren Technik ar- beitet. Ferner haben die jahrelangen Erfahrungen bei der Ölförderung bei „Mittelplate“ gezeigt, dass der Betreiber ein Höchstmaß an Sicherheit und Verantwortungsbe- wusstein walten lässt. Auch die Mechanismen der Not- fallvorsorge, deren Überprüfung die Grünen in ihrem Antrag fordern, stehen aufgrund der internationalen Zu- sammenarbeit in Nord- und Ostsee auf einer soliden Ba- sis. Für die „Mittelplate“ und auch für die von der Win- tershall betriebene Gasplattform A6-A gibt es Nofall- pläne und Ölwehrpläne. Bei Schäden, die den Austritt von Öl in das Meer zur Folge haben, wird das Havarie- kommando in Cuxhaven informiert. Das ist gut so. Entscheidend aber ist in diesem Zusammenhang das „Vorsorgeprinzip“, dass es keine neuen Fördereinrich- tungen im Watt geben wird. Das ist durch das schleswig- holsteinische Nationalparkgesetz bereits klargestellt. Da bedarf es keiner neuen Forderungen der Grünen. Die Bundesregierung wird ihrer internationalen Ver- pflichtung gerecht und hat im Rahmen des bereits er- wähnten OSPAR-Treffens einen Entwurf für eine Emp- fehlung vorgelegt, die nach Durchführung der Defizit- analyse die Option eines Moratoriums für neue Ölerkun- dungsbohrungen vorsah. Zwar konnte dieser Entwurf gegen den Widerstand insbesondere der betroffenen Staaten nicht durchgesetzt werden, der Antrag hat aber gleichwohl einen Prozess eröffnet, der OSPAR veranlas- sen wird, sich weiter mit dem Thema auseinanderzuset- zen. Insofern bedarf es auch hier keiner Aufforderung durch die Grünen. Eine weitere Kernforderung des Antrages der Frak- tion der Grünen ist die nach eindeutigen und umfassen- den Haftungsregelungen. Allerdings haben die Grünen den Nachweis versäumt, dass tatsächlich Defizite beste- hen. Das Verursacherprinzip ist klar geregelt, die Not- wendigkeit für weitere gesetzliche Präzisierungen kann ich derzeit nicht erkennen. Zusammenfassend ist festzustellen, dass der Antrag der Fraktion der Grünen voreilige Schlussfolgerungen Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. November 2010 7817 (A) (C) (D)(B) zieht, unnötige Forderungen stellt, wo die Regierung be- reits handelt, und falsche Antworten auf sicherlich be- rechtigte Sorgen gibt. Völlig unstrittig ist, dass der Wert des Ökosystems Tiefsee zukünftig einen weitaus größeren Stellenwert ha- ben muss, als dies in der Vergangenheit der Fall war. Hier gilt es auch, die technischen Errungenschaften – zum Beispiel in Form von Tiefseerobotern – konse- quent zugunsten der wertvollen maritimen Ökosysteme zu nutzen. Dafür lassen Sie uns gemeinsam kämpfen! Franz Obermeier (CDU/CSU): Der Antrag ist banal, da er Selbstverständlichkeiten beinhaltet: Ja, aus Fehlern soll man lernen, auch wenn andere sie gemacht haben. Ja, Nachhaltigkeit und Umweltschutz sind auch bei der Rohstoffförderung zu achten. Das Meer ist ein be- sonders sensibles Ökosystem, auf das die Menschheit angewiesen ist. Die Folgen von Umweltkatastrophen und negativen Eingriffen überqueren buchstäblich die Ozeane. Wir alle sind gegen eine hemmungslose Aus- beutung von Rohstoffen ohne Rücksicht auf die Folgen für Menschen und Umwelt. Ja, unsere gemeinsame Aufgabe ist es, weltweit Re- geln für die Rohstoffgewinnung aufzustellen und für deren Einhaltung zu sorgen. Das gilt nicht nur für die Gewin- nung aus dem Meer, auch auf dem Land gibt es hierbei verheerende Umweltzerstörungen. Umweltschutz gilt genauso für die Errichtung von Windkraftanlagen im Meer. Hier gibt es erhebliche nega- tive Auswirkungen auf das ökologische Gleichgewicht, angefangen von der Zerstörung des Meeresbodens bis hin zur Beeinträchtigung des Schiffsverkehrs, der Geräusch- entwicklung, die Meerestiere wie Wale gesundheitsge- fährdend irritiert. Das dürfen wir bei Betrachtung Ihres Antrags auch nicht ausklammern. Denn das soll direkt vor unserer Küste passieren. Selbstverständlich sind internationale Vereinbarungen und Standards zum Meeresschutz nötig. Hierzu sind be- reits verschiedene Initiativen auf den Weg gebracht, und das nicht erst seit Mexiko. Ich danke Ihnen, dass Sie mir Gelegenheit geben, einige diese Aktivitäten vorzustel- len. Zu den EU-Aktivitäten: Circa 30 Prozent der welt- weiten Erdölreserven liegen im Offshore-Bereich. Die EU-Kommission beabsichtigt, die Ölindustrie stärker zu kontrollieren. In einem ersten Schritt hat die Kommis- sion am 13. Oktober eine umfassende Mitteilung zu Off- shore-Aktivitäten bei Öl und Gas vorgelegt. Darin greift sie die Themen Lizenzvergabe, Sicherheitsstandards, Haftungsrecht, Verantwortung der Betreiber, staatliche Aufsicht und Kontrolle, Notfallreaktionsfähigkeit sowie internationale Aspekte auf. Sie will bis spätestens Sommer 2011 – möglichst gebündelt – Vorschläge zur Präzisierung und Ergänzung des EU-Rechtsrahmens vorlegen. Deutschland unterstützt grundsätzlich das Ein- treten der Kommission für höchste Sicherheitsstandards sowie eine stärkere Harmonisierung in EU und gegebe- nenfalls darüber hinaus, da Schäden grenzüberschreitend sein können. Auf globaler Ebene wurde auf dem G-20-Gipfel in Toronto eine „Global Marine Environment Protection Initiative“, GMEP-Initiative, vorgeschlagen. Ziel ist die Einrichtung eines internationalen Mechanismus zur Vor- beugung von Katastrophen und Schadensbeseitigung in Festlandsockelgewässern bei der Offshore-Förderung von Öl und Gas. Eckpunkt der GMEP-Initiative ist eine international abgestimmte Regulierung von Aktivitäten in Festlandsockelgewässern, die stattfinden durch ein Netz regional zuständiger „International Shelf Regula- tors“. Konkret geht es um die Prüfung der Auswirkung von Exploration, Förderung und Lagerung, die Entwick- lung effektiver Gefahrenabwehrmaßnahmen, die Risiko- abschätzung und -beurteilung möglicher Störfälle, die Sicherung biologischer Ressourcen und den Technolo- gietransfer in von Ölkatastrophen betroffene Entwick- lungsländer. Dieser internationale Mechanismus soll finanziert werden über nationale bzw. regionale Fonds, die aus ver- pflichtenden Abgaben der Förderunternehmen – Versi- cherungsbeiträge oder Steuern – gespeist werden, ent- sprechend dem in der deutschen Umweltpolitik geltenden Verursacherprinzip. Auch die sonstigen in Ihrem Antrag aufgestellten For- derungen sind schon längst erkannt und in Angriff ge- nommen. Es soll eine internationale Kooperation und ei- nen Austausch von Erfahrungen geben zur Krisen- prävention und Sicherheit der maritimen Umwelt ein- schließlich der Reaktion auf Unfälle. Konkret geht es um Zulassungsverfahren – einschließ- lich Umweltverträglichkeitsprüfungen und Lizenzierungs- verfahren), Sicherheitsstandards, Krisenplanung – unter anderem Einführung internationaler Konventionen, Ent- wicklung einer Krisenpräventionsinfrastruktur, Zivil- schutz, Umweltverträglichkeit der Schadensbeseitigung, Erhalt biologischer Ressourcen, Notfallübungen –, Scha- densersatzregelungen – Haftung, Haftungsbesicherung, Ver- sicherung, Haftungsbeschränkung, Schadenstypen –, Über- wachungsmechanismen, Regelungen zum Transfer von Umweltsanierungstechniken, Verhaltensregeln für Ener- gieunternehmen und einen regionalen Erfahrungsaus- tausch – freiwillige Unterstützung, spezifische technische Standards. Deutschland setzt sich bei diesem Vorhaben beson- ders für eine stärkere Berücksichtigung von Sicherheits- anforderungen, einen erhöhten Bezug zu bestehenden in- ternationalen Organisationen und die Offenhaltung des Themas ein, will also keine Beschränkung auf die G-20- Länder. Die Konferenz der Vertragsstaaten des Übereinkom- mens über die biologische Vielfalt am 29. Oktober in Nagoya, Japan, ist ein weiterer Schritt. Man einigte sich auf einen weiteren Ausbau eines globalen Netzes von Meeresschutzgebieten innerhalb und außerhalb nationa- ler Hoheitsgebiete. Abschließend möchte ich bemerken: Umweltschutz gilt für alle Arten der Rohstoff- und Energiegewinnung, nicht nur bei Öl und Gas. Auch Rohstoffe für erneuer- bare Energien, beispielsweise die speziellen Metalle für 7818 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. November 2010 (A) (C) (D)(B) Photovoltaikanlagen, müssen umweltgerecht gefördert, entsorgt und möglichst umfassend recycelt werden. Das Meer ist besonders sensibel. Aber auf dem Land ist Um- weltschutz genauso wichtig. Wenn wir wirklich etwas bewirken wollen, brauchen wir internationale Vereinba- rungen. Und nicht zu vergessen: Wir dürfen den Meeres- schutz nicht auf die Rohstoffgewinnung allein verkür- zen. Auch der Plastikmüll in den Weltmeeren ist ein weiteres Umweltthema. Frank Schwabe (SPD): Am 20. April explodierte die vom Ölkonzern BP gecharterte Bohrplattform Deep- water Horizon und sank zwei Tage später. In knapp drei Monaten strömten etwa 800 Millionen Liter Rohöl in gut 1 500 Metern Tiefe ins Meer. Tausende Schiffe und Zehntausende Helfer waren im Golf von Mexiko im Ein- satz, um die Folgen der Katastrophe einzudämmen. Zwar beherrschen heute andere Schlagzeilen die Me- dien, die Folgen der Ölkatastrophe werden uns aller- dings noch lange beschäftigen. Der größte Teil des aus- gelaufenen Öls ist immer noch im Meer, und es braucht wahrscheinlich Jahre, bis es abgebaut ist. Wir sind noch weit davon entfernt, die Auswirkungen vollständig zu verstehen. Die mittel- und langfristigen Schäden sind noch nicht absehbar. Wir dürfen uns diesem wichtigen Thema nicht nur annehmen, wenn es große Schlagzeilen in den Medien gibt. Denn die größte Bedrohung der Meere sind nicht nur die spektakulären Umweltkatastro- phen, wie wir sie gerade im Golf von Mexiko erlebt ha- ben, sondern die alltägliche Verschmutzung, die es nicht auf die Titelseiten der Zeitung schafft, die aber umso verheerender ist. Wir dürfen nicht weitermachen wie bisher, als ob nichts geschehen sei. Wir müssen aus der Katastrophe lernen und Konsequenzen ziehen. Dies greift auch der Antrag der Grünen auf. Wir müssen die Fragen diskutie- ren, wie die Schäden beseitigt werden können und ob es überhaupt möglich ist, dass wirklich alle Schäden besei- tigt werden können? Wie hat sich der massive Einsatz von Chemikalien zur Ölbekämpfung ausgewirkt? Bis heute weiß niemand, ob die drei Millionen Liter Corexit, die im Meerwasser verteilt wurden, ihren Zweck erfüllt haben. Es gibt Berichte, dass sich das Lösungsmittel nicht besonders gut mit dem Öl vermischt hat. Gibt es Techniken, die mögliche Unfälle bei Tiefsee- bohrungen beherrschbar machen, oder müssen wir Tief- seebohrungen untersagen? Als SPD fordern wir die Bun- desregierung auf, sich für ein Moratorium für Öl- Tiefseebohrungen einzusetzen, solange die Technolo- gien noch nicht verfügbar sind, um auftretende Unfälle zu beherrschen. Die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko zeigt aber auch, dass es richtig war, dass sich die SPD schon vor einigen Jahren für eine Strategie „weg vom Öl“ entschieden hat – und das nicht nur aus Gründen des Klimaschutzes, sondern weil das „schwarze Gold“ auf der ganzen Welt dreckige Spuren hinterlässt. Leider scheiterte die US-Regierung mit dem Versuch, ein Moratorium für Tiefsee-Ölbohrungen durchzusetzen, bis die Ursachen für die Katastrophe im Golf von Me- xiko geklärt sind. So wird heute im Golf von Mexiko weiter gebohrt, auch Genehmigungen für neue Bohrun- gen werden erteilt. Der Unfall auf der Bohrinsel Deep- water Horizon war ein Schuss vor den Bug. Die Frage ist, ob die Politik die Kraft hat, darauf zu reagieren. Mit Hinblick auf den Ausgang der jüngsten OSPAR-Konfe- renz bin ich sehr skeptisch. Es ist enttäuschend, dass auf der OSPAR-Konferenz kein Moratorium für Tiefsee-Öl- bohrungen beschlossen wurde. So können die Ölbohrun- gen weitergehen, als hätte es die Katastrophe im Golf von Mexiko niemals gegeben. Auf der OSPAR-Konfe- renz haben die beteiligten Staaten beschlossen, dass eine Entscheidung über ein Moratorium erst gefällt werde, wenn ein Untersuchungsbericht zur Ölpest im Golf von Mexiko von US-Präsident Barack Obama im Januar vor- gelegt wird. Dabei ist die Gefahr in Europa genauso groß wie im Golf von Mexiko, wobei zu berücksichtigen ist, dass das Gebiet der OSPAR auch arktische Gewässer umfasst. Die Gewässer der Arktis sind besonders sensibel. Hier wird Öl wegen der kalten Temperaturen viel langsamer abgebaut als zum Beispiel im Golf von Mexiko. Die Bundesregierung hat es allerdings nicht für nötig gehal- ten, auf Ministerebene zur OSPAR-Konferenz zu kom- men, um mit allem Druck für ein Moratorium zu werben. Umweltminister Röttgen konnte im Vorfeld der Konfe- renz nicht durchsetzen, dass Deutschland auf der OSPAR-Konferenz ein sofortiges Moratorium für Tief- see-Ölbohrungen fordert. Ihm gelingt es auch hier nicht, seine schönen Worte in Taten umzusetzen. Auch die Europäische Union reagiert nicht so auf die Ölkatastrophe wie sie sollte. Kommissar Oettinger hat zwar ein Moratorium für neue Tiefsee-Ölbohrungen an- gekündigt. In einen Forderungskatalog hat es das Mora- torium jedoch nie geschafft. Es bedarf jedoch nicht nur eines Moratoriums für Tiefsee-Ölbohrungen, sondern auch eines hieb- und stichfesten Anforderungskatalogs zur Erteilung von Bohrgenehmigungen. Die bestehenden Zuständigkeits- und Gesetzeslücken bei den Sicherheits- und Haftungsfragen von Ölbohrungen in großen Mee- restiefen müssen geschlossen werden. Bis dahin rufen wir die betroffenen EU-Mitgliedstaaten dazu auf, neue Tiefseebohrungen auszusetzen. Wir brauchen Mechanis- men, die eine Katastrophe wie die im Golf von Mexiko zuverlässig verhindern. Zur Einhaltung gemeinsamer höchster Sicherheitsstandards sind eine bessere Zusam- menarbeit von nationalen Kontrollinstanzen in der EU sowie in den Nachbarstaaten notwendig. Das Mandat der Europäischen Agentur für Meeressicherheit, EMSA, muss entsprechend angepasst und auf Ölplattformen aus- geweitet werden. Auch muss national und auf EU-Ebene überprüft werden, ob das Unfall- und Katastrophenma- nagement gegen Ölunfälle noch effektiver gestaltet wer- den kann und alle denkbaren Gefahrenlagen umfasst. Doch wir brauchen nicht nur für europäische Gewäs- ser schärfere Vorschriften. Auch für die Tiefsee sind klare Spielregeln notwendig. In der Tiefsee besteht höchstwahrscheinlich die Gefahr, dass viele Arten vom Aussterben bedroht sind, obwohl sie von der Wissen- schaft noch gar nicht entdeckt wurden. Wir wissen bis heute sehr wenig über die Tiefsee, obwohl fast 70 Pro- zent der Erde von Ozeanen bedeckt sind. Vier Fünftel Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. November 2010 7819 (A) (C) (D)(B) davon sind tiefer als 1 000 Meter. So gesehen könnte man fast sagen, das wir auf dem „Planet Tiefsee“ leben. Die tiefste Stelle unter dem Meeresspiegel, die bis heute gemessen wurde, liegt auf unter 11 034 Meter, das Chal- lenger-Tief im Marianengraben. Ein imposantes Ge- birge, der Mittelozeanische Rücken, erstreckt sich über etwa 60 000 Kilometer durch die Tiefsee. Es sind unter- meerische Vulkanketten, aus deren Zentralspalten sich glühende basaltische Schmelze aus dem Erdmantel schiebt. Allein im Pazifik sind bislang 30 000 vulkani- sche Seeberge kartiert. Seeberge und Kaltwasserkoral- lenriffe gelten als besonders artenreiche Lebensräume. Doch wir wissen immer noch extrem wenig über die Ar- tenvielfalt und die Lebensräume dieser Unterwasserwelt. Die Tiefsee ist ein Erbe der Menschheit. Sie ist kein rechtsfreier Raum. In zähen Verhandlungen bei den Ver- einten Nationen einigte man sich schließlich auf das heute gültige Seerechtsübereinkommen. Es teilt zu- nächst die Ozeane in verschiedene Bereiche ein. Zwölf Seemeilen breit sind demnach die Küstenmeere, in de- nen nationales Recht verbindlich ist. Es folgen bis zu 188 Seemeilen an „ausschließlicher Wirtschaftzone“, in der dem jeweiligen Land vielfältige Nutzungsmöglich- keiten zustehen. Alles was außerhalb dieser Gebiete liegt, und damit auch große Teile der Tiefseeböden, wird in der Charta als „gemeinsames Erbe der Menschheit“ bezeichnet. Durch das Seerechtsübereinkommen wurden sowohl geltendes Seevölkerrecht kodifiziert als auch neue seevölkerrechtliche Normen geschaffen wie bei- spielsweise im Bereich des Meeresumweltschutzes. Sei es auf nationaler Ebene, sei es in europäischen oder internationalen Verhandlungen – Ziel muss sein, den Schutz der Tiefsee sicherzustellen und die Nutzung und Bewahrung der Meere wieder miteinander zu ver- binden. Ansonsten verspielen wir leichtfertig das ge- meinsame Erbe der Menschheit. Aufgabe der Politik ist hierbei, in einen engen Dialog mit den relevanten Akteu- ren zu treten und kurzfristiges Profitdenken durch lang- fristige Verantwortung abzulösen. Angelika Brunkhorst (FDP): Der Wettlauf um die Rohstoffe der Tiefsee wird nicht aufzuhalten sein. Da die klassischen Ölquellen nach und nach versiegen, werden zunehmend Ölvorkommen in unwägbareren Gebieten gesucht. Noch vor 20 oder 30 Jahren galt die Tiefsee als nicht erschließbar. Aufgrund des steigenden Ölpreis und der hohen Nachfrage nach Erdöl werden die Tiefseevor- kommen nun attraktiver. Unsere Industriestaaten hängen immer noch stark vom Erdöl ab. Öl bedeutet nicht nur Energie. Viele unse- rer modernen Produkte basieren auf dem Rohstoff. Die Palette reicht von EDV-Hardware bis hin zu kosmeti- schen und medizinischen Produkten. Zwar haben die westlichen Industriestaaten der OECD ihre Abhängigkeit von Rohöl seit den 70er-Jahren etwa halbiert. Schwel- lenländer hingegen wachsen mit einem enormen Ener- giehunger. Die Katastrophe im Golf von Mexiko hat uns jedoch aufgerüttelt. Die Gefahr der Verschmutzung des Meeres und besonders der Küstenzonen durch Öl ist ein großes Problem. Bedroht sind hierbei nicht nur die Natur mit ih- ren Ökosystemen, sondern auch Fischerei, Tourismus und Küstenschutz. Trotz der Risiken darf die Erdölför- derung in der Tiefsee nicht per se als unsicher erklärt werden. Wir können und müssen jedoch dazu beitragen, dass die Zukunft der Offshore-Ölförderung noch siche- rer gestaltet wird. So konnten beispielsweise seit den ersten großen Tankerunfällen sowohl in technischen als auch gesetzlichen Bereichen der Sicherheit deutliche Fortschritte erzielt werden. Die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko muss einen Wendepunkt markieren – so wie der Untergang des Öl- tankers „Exxon Valdez“ 1989 vor Alaska. Auch für die deutschen Küsten wäre eine Ölkatastrophe in der Nord- see bzw. Ostsee verheerend. Seit der Havarie des Holz- frachters „Pallas“ im Herbst 1998, der letzten großen Öl- katastrophe in der Nordsee, haben wir uns jedoch gut vorbereitet. Der Bund und die Küstenländer haben im Jahr 2003 das Havariekommando in Cuxhaven ins Leben gerufen. Dieses sorgt im Notfall für ein koordiniertes Unfallma- nagement und ist Tag und Nacht besetzt. Sollte es zu kleineren Ölunfällen kommen, sind die lokalen Behör- den in der Pflicht. Bei größeren Unfällen koordiniert ein Havariestab die Einsatzkräfte von Bund und Land. Ein solcher Einsatz wird von dem Havariekommando in re- gelmäßigen Abständen trainiert. Begleitend stehen Spe- zialschiffe bereit, die bei einer Ölpest eingesetzt werden können. Mit ihnen ist es möglich, Ölteppiche aufzusau- gen bzw. einzufangen. Mit all diesen Maßnahmen stehen wir im Vergleich zu den USA deutlich besser vorbereitet und ausgerüstet da. International werden wir jedoch darauf drängen, dass bei der Ölförderung in der Tiefsee die Sicherheitsvorkehrun- gen verbessert werden, damit sich ein solcher Unfall nicht noch einmal wiederholen kann. Eines ist jedoch klar: Eine Vergleichbarkeit der Ölför- derung in der Nordsee zum Golf von Mexiko ist nicht gegeben. In der Nordsee sind deutlich geringere Wasser- tiefen. Daher können die im Golf von Mexiko aufgetre- tenen Probleme in der Nordsee nicht auftreten. Ein even- tuelles Leck würde sofort durch Taucher abgedichtet werden. Schlussendlich kann dem Antrag der Grünen nicht zu- gestimmt werden, da bei einer vernünftigen Abwägung von Chancen der Tiefseeexploration – Öl und Rohstoffe – und notwendiger Regulation der Antrag der Grünen weit über das Ziel hinausschießt. Er zielt letztendlich auf ein Verbot unterseeischer Nutzung. Wir Liberalen wollen auch unseren kommenden Generationen die Chance las- sen, die Schätze des Meeres mit Maß und Vernunft nach- haltig zu nutzen. Sabine Stüber (DIE LINKE): Risiken und Gefahren für unsere Meere kommen aus allen Richtungen. Nähr- und Schadstoffe, Müllverkippung und maßlose Überfi- schung belasten die Meere weltweit. John Irving sieht das so: „Die Zukunft der Menschheit hängt nicht mehr 7820 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. November 2010 (A) (C) (D)(B) davon ab, was sie tut, sondern mehr denn je davon, was sie unterläßt.“ Für unseren hemmungslosen Rohstoffverbrauch muss es auch das Erdöl aus der Tiefsee sein. Vielleicht sollte man das unterlassen, vor allem nach der Havarie im Golf von Mexiko. Am Bohrloch trat am 20. April Gas aus und explodierte, elf Menschen starben, und zwei Tage später ging die Plattform unter. Was keiner von uns zu diesem Zeitpunkt wusste: Es gibt keine Technik für den Super- gau. Das Öl floss über drei Monate ins Meer, bis das Bohrloch versiegelt war. Insgesamt traten etwa 780 Mil- lionen Liter Rohöl aus. Zusätzlich wurden Tausende Tonnen Chemikalien ins Meer gekippt, damit das Öl nicht an die Wasseroberfläche steigt und an Land ge- schwemmt wird. BP arbeitete, laut eigener Aussage, nach internationa- len technischen Standards. Was bedeutet das eigentlich? Das bedeutet: Wenn es eine Panne auf einer Ölplattform gibt, ein Fehler auftritt oder es geht etwas kaputt, kann beim Ölbohren in der Tiefsee überall das Gleiche wieder passieren. Und dann? Der Havariedienst kommt, zuckt mit den Schultern und fängt an auszuprobieren, was hel- fen könnte. Natürlich soll dieses Bild provozieren. Aber wer von uns würde mit einem Auto fahren, das keine Bremsen hat? Und jetzt wissen wir, dass es keine ausgereifte Technik für die Tiefsee gibt. Die falschen Angaben von BP zur Menge des ausgetretenen Öls, das Herunterspie- len der Gefahren bis hin zu gefälschten Fotos im Juli dieses Jahres für die Medien sprechen eine eindeutige Sprache. Hinzu kommt, dass damals interne Papiere des BP-Konzerns besagen, dass zur Abdichtung des Bohr- lochs, trotz der Bedenken von Experten, eine kosten- günstige Methode angewendet wurde. Wie kann man das Meer vor den Menschen retten? Die Frage wurde in der letzten Zeit öfter gestellt. Von den Öl-Konzernen ist in dieser Richtung nichts zu erwar- ten. Ganz offensichtlich sind klare gesetzliche Vorgaben und strenge Sicherheitsauflagen erforderlich – im eige- nen Land und international. Der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ent- hält dringend notwendige Maßnahmen, wie die Klärung von Haftungsfragen, Notfallpläne, bis hin zu Meeres- schutzgebieten. Die Linke unterstützt den Antrag. Es geht um die Verhinderung von Ölkatastrophen im Meer. Vorsorge und Nachsorge sind verbindlich zu regeln. Vor allem muss erreicht werden, dass neue Tiefseebohrungen überhaupt erst wieder genehmigt werden, wenn eine Fördertechnik entwickelt ist, die den Austritt von Öl aus- schließt. Diese Forderung, wie auch die meisten ande- ren, sind nur im internationalen Kontext zu klären. Trotzdem oder gerade deswegen sollte Deutschland da- mit beginnen, die national möglichen Regelungen zu treffen. Das sind die richtigen Schlüsse aus dem Desas- ter im Golf von Mexiko. Zum Schluss möchte ich ihnen einen Satz von Willy Brandt mit auf den Heimweg geben: „Der beste Weg, die Zukunft vorauszusagen, ist, sie zu gestalten.“ Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Am Jahresende gibt es viele Fernsehsendungen, die das Jahr mit Rückblicken Revue passieren lassen. Ich er- spare mir die Polemik, wer dieses Mal der Verlierer des Jahres wird, obwohl ich da ein paar Vorschläge machen könnte. Erst dann wird wohl wieder vielen Verantwortlichen ins Bewusstsein rücken, was in diesem Jahr im Golf von Mexiko passiert ist: Monatelang mussten wir eine der größten – wenn nicht gar die größte – Ölkatastrophe der Geschichte sehen, live übertragen im Internet. Damals haben sich viele mit Versprechen und Beteue- rungen zu Wort gemeldet: Umweltminister Röttgen und Energiekommissar Oettinger standen ganz vorn mit der Forderung nach einem Moratorium für neue Ölbohrun- gen. Als es ernst wurde, fehlte jedoch der Umweltminis- ter bei der entscheidenden Konferenz. Die Briten schick- ten dagegen alles, was zur Verfügung stand. Das Ergebnis kennen wir: Ein Moratorium gibt es für Europa nicht. Ich frage mich, wie ernst der Minister seine An- kündigungen nimmt! Das Gegenteil einer vernünftigen Bestandsaufnahme ist nun der Fall – es geht einfach weiter mit den Ölboh- rungen in unseren Meeren. BP hat inzwischen sogar die Genehmigung erhalten, um vor Libyen in der Tiefsee zu bohren. Hier frage ich mich, wie das mit allen Berichten zusammenpasst, die wir inzwischen von der Katastrophe kennen: BP selbst und auch eine Kommission der US-Regierung haben zahlreiche Fehler festgestellt. Wenn man den Untersuchungsbericht von BP liest, fragt man sich, wie man überhaupt wieder einen Bohrer in die Tiefsee lassen kann: Hier ist die Rede von fehler- hafter Zementierung, nicht funktionstüchtigen Dichtun- gen, falsch interpretierten Druckproben oder einem nicht funktionierenden Ableitsystem. In aller Breite wird die Komplexität der Technik und Verantwortung geschil- dert. Ich bin für diesen Bericht außerordentlich dankbar. Er gibt uns vielfältige Informationen, wie riskant das Bohren nach Öl in großen Tiefen ist. Gleichzeitig bin ich ehrlich entsetzt, wie man jetzt – nach nicht einmal einem halbem Jahr – wieder mit dem Bohren beginnen kann. Ist mit einem Mal dieses komplexe Risiko kleiner ge- worden? Der Verdacht drängt sich auf, dass hier die Risiken eingepreist werden. Die Entschädigungszahlungen im Golf von Mexiko sind offensichtlich für einen Konzern dieser Größe tragbar. Und auch der Imageschaden wird mit der Zeit vergessen werden. Das ist es, worauf man hofft. Wir wollen und wir werden nicht vergessen und wir müssen national und international zu neuen Vereinbarun- gen kommen. Wir müssen aus dieser Katastrophe lernen. Noch immer sind die Regelungen für unsere Meere sehr schwammig. Deswegen müssen wir aktiv werden und zum Beispiel klare Haftungsregelungen für Schäden durch Ölplattformen schaffen. Es kann nicht sein, dass Fischer oder Gemeinden nach einer Ölkatastrophe erst nach jahrelangem Rechtsstreit zu ihrem Recht kommen Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. November 2010 7821 (A) (C) (D)(B) und Geld für entstandene Schäden erhalten. Wir müssen deswegen national und international zu Vereinbarungen kommen. Wir müssen wissen, was zu tun ist, wenn zum Beispiel Öl aus britischen oder norwegischen Plattfor- men deutsche Küsten verschmutzt. Ölkatastrophen sind nur die eine Seite der Medaille. Der Golf von Mexiko muss für uns Anlass sein, weiter- zudenken. Denn in den Tiefen der Ozeane liegen viele andere Rohstoffe, die Begehrlichkeiten wecken. Wenn wir hier keine Regeln schaffen, gewinnt der, der zuerst in diese Tiefen vorstoßen kann. Deswegen müssen wir heute diskutieren, wem die Ozeane gehören und wie wir diese einzigartigen Lebensräume erhalten. Noch haben wir die Möglichkeit, hier an Regeln mitzuarbeiten. Diese Chance müssen wir nutzen. Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Unterrichtung: Bericht über den Stand des Ausbaus für ein bedarfsgerechtes Angebot an Kindertagesbetreuung für Kinder unter drei Jahren für das Berichtsjahr 2009 (Ers- ter Zwischenbericht zur Evaluation des Kin- derförderungsgesetzes) – Antrag: Faire Teilhabechancen von Anfang an – Frühkindliche Betreuung und Bildung fördern (Tagesordnungspunkt 17, Zusatztagesordnungs- punkt 5) Dorothee Bär (CDU/CSU): Im September 2008 hat die damalige Familienministerin Ursula von der Leyen bei der Verabschiedung des Kinderförderungsgesetzes gesagt: Das Kinderförderungsgesetz wird unser Land spür- bar verändern. Es setzt Meilensteine für mehr Ver- einbarkeit von Familie und Beruf, für mehr Bildung für unsere Kinder und für mehr Zukunft in unserem Land. Und der bislang zurückgelegte Weg zeigt, dass sie mit dieser Einschätzung richtig lag. Wir haben damals gewusst, dass auf Bund, Länder und Gemeinden ein ehrgeiziger Arbeitsplan wartet, wenn wir bis 2013 für circa 35 Prozent der unter Drei- jährigen einen Betreuungsplatz – entweder in der Tages- pflege oder in Kindertagesstätten – zur Verfügung stellen wollen. Aber wir sind nach einer gemeinsamen Kraftan- strengung ein gutes Stück vorangekommen. Die Finanzierung und die Bedarfsplanung der Kinder- betreuung fallen im föderalen System der Bundesrepu- blik eigentlich in die Zuständigkeit der Länder und Kommunen. Doch wegen der großen gesamtgesell- schaftlichen Bedeutung hat sich der Bund bereit erklärt, Länder und Kommunen beim massiven Ausbau der Be- treuungsplätze für die Kleinsten zu unterstützen. Der Bund beteiligt sich an den Kosten des Ausbaus bis zum Jahr 2013 zu einem Drittel mit insgesamt 4 Mil- liarden Euro – 2,15 Milliarden Euro für die Investitions- und 1,85 Milliarden Euro für die Betriebskosten. Ab dem Jahr 2014 unterstützt er die Länder dann mit jähr- lich 770 Millionen Euro bei der Finanzierung der Be- triebskosten – und damit bei der Steigerung der Qualität. Mit dem Geld investieren wir nicht nur in die frühe Bildung aller Kinder, sondern auch in die echte Wahl- freiheit der Eltern: Bis heute haben – vor allem in vielen Bundesländern in Westdeutschland – Eltern kleiner Kin- der keine tatsächliche Wahlfreiheit: Da es an vielen Or- ten immer noch kein bedarfsdeckendes Angebot an Be- treuungsplätzen gibt, stehen die Eltern oft gar nicht vor der Wahl „Familie und Beruf“ oder „Familie oder Be- ruf“. Für viele Paare gibt es nur ein Entweder-oder. Der erste Evaluationsbericht zum KiföG, den wir heute diskutieren, zeigt, dass zwar alle Bundesländer die Ver- sorgungsquote im Vergleich zum Vorjahr verbessert ha- ben: Im März 2009 wurden immerhin bereits 20 Prozent der unter dreijährigen Kinder in ganz Deutschland in Kin- dertageseinrichtungen oder in der Kindertagespflege be- treut. Doch der Bericht zeigt auch, dass viele – vor allem westdeutsche – Bundesländer ihre Anstrengungen erheb- lich steigern müssen, damit das Ausbauziel erreicht wer- den kann. Dass es auch anders geht, zeigt das Beispiel des Frei- staates Bayern. Dort wird das angestrebte Ausbauziel bereits 2012 erreicht. Anders als andere Länder schöpft der Freistaat Bayern die Mittel des Bundes voll aus und legt noch Geld drauf, um ohne Deckelung fördern zu können. Kein anderes Bundesland hat den Kommunen bisher so viele Mittel bewilligt wie Bayern. Nur wenn wir ein bedarfsgerechtes Angebot an Be- treuungsplätzen aufbauen, werden alle Eltern, die das wünschen, einen Kinderbetreuungsplatz in Anspruch nehmen können. Dann haben alle Eltern wirkliche Wahl- freiheit. Echte Wahlfreiheit heißt für mich auch: Es liegt alleine im Ermessen der Eltern, wo und wie sie ihre Kin- der betreuen: zu Hause, zu Hause und auch in der Kita, überwiegend in der Kita oder in der Kindertagespflege. Um den Wünschen vieler Eltern nach einer familien- nahen Betreuung zu entsprechen, streben wir an, ein Drittel der Betreuungsplätze in der Tagespflege anbieten zu können. Wir haben bereits viel dafür getan, den Beruf der Tagesmutter oder des Tagesvaters attraktiver zu ge- stalten. Zur Steigerung der Qualität hat auch das „Ak- tionsprogramm Kindertagespflege“ beigetragen. Für Union und FDP – das haben wir auch in unserem Antrag herausgestellt – haben nicht Kita oder Schule den stärksten Einfluss auf die Erziehung und Bildung der Kinder, sondern die Eltern. Kompetente Eltern können das, was in Kinderbetreuungseinrichtungen vermittelt wird, mindestens ebenso gut leisten. Die Grundlagen für soziale Kompetenzen und Bildungsfähigkeit werden in der Familie gelegt. Noch so gute Bildungsangebote in den Betreuungseinrichtungen sind wirkungslos, wenn sie nicht auf fruchtbaren Boden fallen. Die eigenen El- tern sind die besten Experten für ihr Kind, und da, wo sie 7822 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. November 2010 (A) (C) (D)(B) es objektiv nicht sind, müssen wir ihnen auf dem Weg zu ihrem Kind helfen, ohne sie von ihrer Elternrolle selbst auszuschließen. Das heißt – und das haben wir auch in unserem Antrag formuliert: Wenn Eltern Begleitung und Unterstützung brauchen, weil sie verunsichert oder tem- porär überfordert sind mit der Erziehung ihrer Kinder, müssen wir sie stärken, statt als Staat selbst die Rolle der Eltern übernehmen zu wollen. Wir brauchen vielmehr niedrigschwellige Angebote zur Vermittlung von Erzie- hungskompetenz, die die Eigenverantwortung der Eltern stärken, ihnen Erziehungssicherheit vermitteln und Überforderungen abbauen. Das ist für mich auch ein ganz wichtiger Punkt der neuen Qualifizierungsoffen- sive „Frühe Chancen“ des BMFSFJ: In den 4 000 Schwerpunkt-Kitas soll nicht nur die Sprache und die In- tegration gefördert werden, sondern in örtlicher Nähe zu diesen Kitas werden haupt- und ehrenamtliche Elternbe- gleiter aufsuchende Hilfen für Familien anbieten. Wenn Kindertagesstätten die Erziehung der Eltern ergänzen sollen, müssen wir dafür sorgen, dass sie qualitativ hoch- wertig sind. Eltern möchten und müssen auch die Ge- wissheit haben, dass ihre Kinder in der Kindertagesstätte und auch bei Tagespflegepersonen gut betreut und geför- dert werden. Wir wollen die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass sich Eltern und Kinderbetreuungseinrich- tungen als Partner verstehen, die gemeinsam durch eine gute frühkindliche Förderung die Bildungs- und Teilha- bechancen der Kinder verbessern. Lassen Sie uns ge- meinsam daran arbeiten. Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU): Die zentrale Bedeutung der frühkindlichen Förderung ist un- bestritten. Diese wird durch zahlreiche allgemein be- kannte Studien belegt. Von der frühkindlichen Erziehung und Bildung wird es also im Wesentlichen abhängen, ob die heranwachsenden Generationen den Herausforderun- gen und Belastungen der Welt von morgen gewachsen sein werden, betont der renommierte Entwicklungspsy- chologe Professor Wassilios Fthenakis. Deshalb ist die Förderung von Anfang an für uns unabdingbar und hat sowohl in der Familien- als auch der Bildungspolitik oberste Priorität. Die frühkindliche Förderung beginnt in der Familie, in der erste grundlegende Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt und gestärkt werden. Viele Eltern erfüllen die- sen Erziehungsauftrag kompetent. Nicht wenige benöti- gen jedoch ergänzende Unterstützung, wenn es darum geht, berufliches Fortkommen und Familie in Einklang zu bringen. Ihnen soll ein Betreuungsangebot eröffnet werden, ebenso aber auch denjenigen Eltern, die mit der Förderung ihrer Kinder zuweilen überfordert sind. Um nunmehr den Zugang für möglichst alle Kinder zu Betreuungseinrichtungen zu ermöglichen, haben Bund, Länder und Kommunen vor drei Jahren den mas- siven Ausbau der Betreuungsplätze beschlossen. Dass die vorhandene Struktur der Kindertagesstätten in Deutschland zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf beträgt, bestätigte die OECD, indem sie ausdrücklich den Dreiklang von Bildung, Betreuung und Erziehung in den Kindertagesstätten in Deutschland lobt. Die Erfolge, die die CDU-geführte Große Koalition bei dem Ausbau der Kinderbetreuung bis zum Jahr 2009 herbeigeführt hat, sprechen für sich: 130 000 neue Ange- bote entstanden im Bereich der Kinderbetreuung, davon 102 000 in Einrichtungen und rund 28 000 in der Tages- pflege. Die Betreuungsquote stieg bundesweit von durchschnittlich 13,5 Prozent auf 20,4 Prozent. Bis 2013 soll die Zielquote von 35 Prozent erreicht werden. An den Kosten des Ausbaus beteiligt sich der Bund bis da- hin zu einem Drittel in Höhe von Milliarden Euro. Ab 2014 unterstützt er die Länder darüber hinaus mit 770 Millionen Euro zusätzlich für die Betriebskosten. Darüber hinaus fließen Mittel in Projekte der Weiterbil- dung, Qualifizierung, Bildungsforschung und Evaluie- rung. Der Bund hat seine Hausaufgaben gemacht, die Län- der und Kommunen sind nun am Zug. Der Stand des Ausbaus ist jedoch in den Ländern sehr unterschiedlich. Die Bertelsmann-Stiftung stellte im „Ländermonitor Frühkindliche Bildung 2010“ fest, dass in der Höhe der Investitionen für frühkindliche Bildung eine große Lü- cke zwischen den einzelnen Ländern klafft. Hamburg ist das Land, das mit am meisten für die frühkindliche Bil- dung ausgibt. Damit ist die CDU-geführte Hansestadt eine gute Adresse, was die aktuellen Entwicklungen in der Kita-Politik angeht. Trotz eines strengen Konsolidie- rungskurses wurden die Kosten für die Kinderbetreuung nicht gekürzt oder eingefroren, nein ganz im Gegenteil: Sie stiegen um 10 Prozent von 411 Millionen Euro im Jahr 2008 auf knapp 460 Millionen Euro im vergange- nen Jahr. Im Jahr 2001 waren es noch 298 Millionen Euro – als Hamburg übrigens von der SPD regiert wurde. Derzeit liegt die Quote im Krippenbereich bei 27,3 Prozent. Das SPD-regierte Rheinland-Pfalz als Ver- gleich erreicht im Moment nur eine Betreuungsquote von 17,6 Prozent. Für die Zielquote von 32 Prozent muss das Land seine Anstrengungen also nahezu verdoppeln. So wie die Länder und Kommunen gemeinsam mit dem Bund bisher den quantitativen Ausbau vorangetrie- ben haben, setzen wir in Zukunft verstärkt auf den quali- tativen Durchbruch, da sich Kindertagesstätten längst als Bildungsorte etabliert haben. Aus diesem Grund fokus- sieren sich die aktuellen Anstrengungen auf die Erfül- lung des Bildungsauftrags, verbunden mit einem starken qualitativen Ausbau der Kinderbetreuung. Wir setzen daher verstärkt und gezielt auf eine Qualitätsinitiative, das heißt auf die Verbesserung der Ausbildung des päda- gogischen Personals, die Verbesserung der Betreuungs- relationen sowie der Bildungsinhalte und eine bestmög- liche Standardisierung in Kooperation aller Beteiligter. Dabei wollen wir die Länder mit allen Kräften unterstüt- zen. Dazu zählen unter anderem Bindungs- und Bil- dungsforschung, Bildungspartnerschaften zwischen Bund, Ländern und Kommunen, vor allem auch die Stärkung der Dynamik beim Ausbau und die Verbesserung der Personaleinsatzschlüssel. Darüber hinaus erachten wir angesichts der Vielfalt der Kinderbetreuungseinrichtun- gen freiwillige Zertifizierungen mit Blick auf die Quali- tät der Einrichtung als sehr sinnvoll. Die bisherigen Maßnahmen zeigen, dass der Bund je- derzeit bereit ist, in Kooperation mit den Ländern ge- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. November 2010 7823 (A) (C) (D)(B) meinsame Strategien zu entwickeln, die den Bildungs- auftrag umsetzen und den Ausbau noch schneller vorantreiben. Die Eltern unterstützt der Bund mit zahl- reichen Projekten wie dem „Familienwegweiser“, dem „Kompass Erziehung“, den Elternbriefen, Elternkursen und Telefonberatungen – durch praktische Begleitung in den ersten Lebensjahren. Zur Verbesserung der Qualität der frühkindlichen Betreuung startete im Januar 2009 unter anderem die „Weiterbildungsinitiative Frühpäda- gogische Fachkräfte“ (WiFF) des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Diese dient der Verbesse- rung von Qualität, Transparenz und Durchlässigkeit des Systems der Weiterbildung für die bereits tätigen Fach- kräfte. Das Programm bietet Erkenntnisse aus der Prä- ventionsforschung für Erzieherinnen und Erzieher. Zu- sätzlich fördert der Bund begleitend bis 2014 ein Projekt, um zu erforschen, welche Qualitätsanforderun- gen im Arbeitsfeld von Kindertageseinrichtungen und zur Ausbildung frühpädagogischer Fachkräfte bestehen. Um gerade Männer zu gewinnen, startete in diesem Jahr das Programm „Mehr Männer in Kitas“. Damit sollen auch Männer in ihrer Vorbildfunktion für die persönliche Entwicklung zur Komplettierung der pädagogischen Konzepte beitragen. Ebenso fördert der Bund seit sieben Jahren gezielt die Forschung im Bereich Sprachdiagnostik und Sprachför- derung und entwickelt gemeinsam mit den Ländern Maßnahmen für Sprachtests, Qualifizierung von Erzie- hern sowie für die Unterstützung der Eltern. In den nächsten vier Jahren werden zusätzlich rund 400 Millionen Euro in die frühkindliche Bildung inves- tiert. Dieses Geld wird für zusätzliches qualifiziertes Personal, insbesondere zur Integrations- und Sprachför- derung, eingesetzt. Die Mittel fließen in circa 4 000 Schwerpunkt-Kitas und sollen vor allem in sozialen Brennpunkten dazu beitragen, faire Chancen für alle Kinder zu schaffen. Der Bund will und wird die Länder und Kommunen auch weiter darin unterstützen, bedarfsgerechte Ausbau- konzepte zu entwickeln, die den qualitativen und quanti- tativen Anforderungen gerecht werden. Und das – und das gilt es noch einmal zu betonen –, weil er die Wich- tigkeit erkannt hat und mit den richtigen, zielgerichteten Maßnahmen fördert. Es geht einzig und allein um das Ziel, bestmögliche Betreuung und Bildung zu erzielen für die wichtigste Ressource, die Deutschland besitzt: unsere Kinder. Marlene Rupprecht (Tuchenbach) (SPD): Es freut mich, dass die Familienministerin ihre Pressemitteilung zu den neuen Zahlen des Statistischen Bundesamtes mit der Überschrift „Der Ausbau der Kinderbetreuung muss noch weiter an Dynamik gewinnen“ versieht. In der Tat: Ihre Appelle an die Länder, den Ausbau der Kinderbe- treuung zu beschleunigen, reichen nicht. Sie müssen endlich einen neuen Krippengipfel einberufen. 23,1 Prozent der Kinder unter drei Jahren nehmen ak- tuell Angebote der frühkindlichen Bildung und Betreu- ung in Anspruch. Zwar konnten 55 000 zusätzliche Plätze innerhalb eines Jahres geschaffen werden, doch nach wie vor ist die Betreuungsquote in den meisten westdeutschen Ländern nicht zufriedenstellend. Wir, die SPD-Bundestagsfraktion, fordern die Frau Ministerin seit Monaten auf, eine aktuelle ehrliche Be- darfsanalyse vorzulegen. Wenn wir den Rechtsanspruch 2013 wirklich umsetzen wollen – und das wollen wir – brauchen wir genauere Zahlen von den Eltern, wie hoch der tatsächliche aktuelle Bedarf ist. Deshalb fordern wir eine jährliche unabhängige Bedarfsanalyse zur Feststel- lung des Bedarfs an frühkindlichen Bildungs- und Be- treuungsangeboten. Seit Monaten fordern wir die Regierung auch auf, sich erneut mit Ländern und Kommunen an den Ver- handlungstisch zu setzen. Die Bundesregierung darf die Hilferufe der Kommunen nicht länger ignorieren. Die den Kommunen durch das sogenannte Wachstumsbe- schleunigungsgesetz entstandenen Einnahmeausfälle von 1,6 Milliarden Euro jährlich müssen vollständig kompensiert werden, und weitere Belastungen durch die verfehlte Steuerpolitik der Regierung müssen verhindert werden. Spannen Sie lieber mit uns den Rettungsschirm für die Kommunen, statt sie weiter im Regen stehen zu lassen. Es ist schön, dass die Koalition mit ihrem Antrag, den wir heute debattieren, im Wesentlichen den SPD-Antrag „Frühkindliche Bildung und Betreuung verbessern – Für Chancengleichheit und Inklusion von Anfang an“ vom Juni dieses Jahres nachahmt. Doch leider bleibt er hinter unserem Antrag zurück. Das Konzept der Inklusion soll nach unserer Vorstel- lung grundlegend für das Bildungssystem für alle Kinder von Anfang an sein. Die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen fordert ein inklusives Bildungssys- tem für alle Kinder. Der inklusive Ansatz geht dabei weiter als der integrative. Es geht nicht darum, Kinder mit Behinderungen in Klassen oder Gruppen mit über- wiegend nichtbehinderten Kindern einzugliedern. Es geht vielmehr darum, dass alle Kinder, Kinder mit und ohne Behinderungen, deutsche Kinder und Kinder mit Migrationshintergrund sowie Kinder aus allen sozialen Schichten, selbstverständlich gemeinsam unterrichtet und betreut werden. Inklusive Bildung heißt konkret: Alle Kinder werden in allgemeinbildenden Kindertages- einrichtungen und Schulen in heterogenen Lerngruppen den eigenen Fähigkeiten entsprechend gefördert. Die er- forderliche individuelle Unterstützung wird durch die Bildungseinrichtung zum Kind gebracht. Das System passt sich so dem Menschen an, nicht der Mensch dem System. Wenn es jetzt in dem Antrag von CDU und FDP heißt, Kinder mit Behinderung seien „nach Möglichkeit“ in Kindertagesstätten zu fördern, dann haben die Koali- tionsparteien das Konzept Inklusion entweder nicht ver- standen oder wollen Inklusion nicht. Auf jeden Fall blei- ben sie hinter den Forderungen der UN-Behinderten- rechtskonvention und der pädagogischen Fachleute zu- rück. 7824 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. November 2010 (A) (C) (D)(B) Der Antrag der Regierungskoalition spricht auch von besserer Qualität bei der Betreuung, bleibt aber vage, wie dies zu erreichen ist. Wir wollen eine Fachkräfteof- fensive. In Zusammenarbeit mit den Ländern müssen die Aus-, Fort- und Weiterbildung von pädagogischen Fach- kräften gefördert und mehr Fachkräfte für den vorschuli- schen Bereich gewonnen werden. Ein Schwerpunkt un- serer Fachkräfteoffensive ist die Gewinnung von deutlich mehr männlichen Erziehern. Die Vermittlung von bereits ausgebildeten Fachkräften auf offene Stellen muss zügig erfolgen, der Betreuungsschlüssel in Tages- einrichtungen für Kinder verbessert und die bedarfsge- rechte und intensivierte Sprachförderung flächende- ckend sichergestellt werden. Noch ein Wort zum Betreuungsgeld: Das Betreuungs- geld schafft falsche Anreize, indem es den Verzicht auf frühkindliche Bildungsangebote fördert. Alle Fachleute quer durch die Parteien halten es für kontraproduktiv. Ich erinnere da nur an die frühere Familienministerin von der Leyen, die das Betreuungsgeld „eine bildungs- politische Katastrophe“ nannte. Dennoch fehlt der Ver- zicht auf die gesetzliche Umsetzung des Betreuungsgel- des in dem Antrag, und wir müssen leider davon ausgehen, dass die Regierung weiterhin daran festhält. Noch einmal appelliere ich an die Regierung: Führen Sie das Betreuungsgeld nicht ein, und fördern Sie stattdes- sen den Ausbau der frühkindlichen Bildungsinfrastruk- tur. Miriam Gruß (FDP): Lassen Sie mich beginnen mit der wichtigsten Aussage des ersten Zwischenberichts zur Evaluation des Kinderförderungsgesetzes: Die Befra- gung der Jugendämter hat ergeben, dass die heutigen Planungen zum Ausbau der Betreuung zur Einhaltung des 35-Prozent-Zieles im Jahr 2013 führen werden. Sie sehen: Diese Regierung erreicht, was sie sich vorgenom- men hat. Wir setzen konkrete Maßnahmen wie den Aus- bau der Kindertagesbetreuung zur besseren Vereinbar- keit von Familie und Beruf für alle Eltern um. Der Bericht zeigt auch, dass der Betreuungsbedarf ab Vollendung des zweiten Lebensjahres am größten ist: In Deutschland werden fast 40 Prozent der Zweijährigen außerhalb der Familie betreut. Hier wird deutlich: Der Bedarf, auf den wir uns vorbereiten, ist da. Wir sorgen nun dafür, dass er auch bedient wird. Laut einer Studie, die das Statistische Bundesamt diese Woche zur Kinderbetreuung vorgestellt hat, steigt die Zahl der Kinder unter drei Jahren in Kindertagesbe- treuung weiter an. Das sind gute Nachrichten, und das zeigt, dass die Entscheidung der christlich-liberalen Ko- alition, am Betreuungsanspruch für die unter Dreijähri- gen bis 2013 festzuhalten, richtig ist. Bei allen Bemühungen zum quantitativen Ausbau ist für uns aber auch die Qualität der Betreuung von ent- scheidender Bedeutung; denn Eltern wollen ihre Kinder nicht nur verwahrt, sondern bestens versorgt wissen. Die Vernetzung von Kindertageseinrichtungen und ihr Aus- bau mit anderen familienunterstützenden Angeboten zu sogenannten Familienzentren sind hier ein sehr guter Ansatz, den wir weiter fördern werden. Diese Regierung hat ihre Prioritäten bei der Familien- förderung richtig gesetzt: Gespart werden muss überall, auch in der Familienpolitik. Das sind wir zukünftigen Generationen schuldig. Aber bei Investitionen in Bil- dung und Betreuung und damit Investitionen in das Po- tenzial und in die Zukunft unserer Kinder wird nicht ge- spart. Hier fördern wir die frühkindliche Bildung zusätzlich, und zwar genau da, wo es ganz besonders notwendig ist, wie bei der Sprachförderung in Schwer- punktkitas. In unserem heute vorgelegten Antrag konzentrieren wir uns noch einmal ganz bewusst auf die Rolle von Kindertageseinrichtungen als frühkindliche Bildungsein- richtungen; denn frühkindliche Bildung ermöglicht Chancengerechtigkeit für alle Kinder von Anfang an, und das ist Schwerpunkt einer christlich-liberalen Fami- lienpolitik. Dabei ist es wichtig, zu betonen: Die Familie legt den Grundstein für die frühe Entwicklung der Kin- der. Stabile Bindungen und ein vertrauensvolles Mitei- nander sind unersetzlich; dadurch können Kinder sich zu starken Persönlichkeiten entwickeln. Wir wollen deshalb den Eltern in den entscheidenden Phasen vor und nach der Geburt die Begleitung und Unterstützung geben, die sie benötigen. Durch niedrigschwellige Angebote der Familienberatung und -bildung wie den Einsatz von Fa- milienhebammen können Eltern in ihrer Erziehungs- kompetenz gestärkt werden und praktische Hilfen für den Umgang mit neuen Situationen vermittelt bekom- men. Die zentrale Bedeutung der ersten Lebensjahre für die körperliche und geistige Entwicklung der Kinder wird durch die aktuelle Entwicklungsforschung belegt. Früh- kindliche Bildungs- und Betreuungsangebote müssen also auch qualitativ so gut aufgestellt sein, dass sie der Wichtigkeit der ersten Lebensjahre angemessen sind. Es braucht individuelle Förderung, um Begabungen und Ta- lente bereits im frühen Alter zu fördern und zu unterstüt- zen. So kann ein besonderer Förderbedarf frühzeitig er- kannt und darauf gezielt eingegangen werden. Die Fachkraft-Kind-Relation stellt jedoch bundesweit nach wie vor eine Herausforderung dar. Durch den steigenden Ausbau der Kinderbetreuung wächst natürlich auch der Bedarf an pädagogischem Per- sonal. Wir wollen daher mehr Erzieherinnen, vor allem aber auch mehr männliche Erzieher einstellen. Das Mo- dellprojekt „MEHR Männer in Kitas“ ist ein Schritt in diese Richtung. Auch hier achten wir aber nicht nur auf Quantität, sondern verstärkt auch auf Qualität beim Er- zieherpersonal. Wir werden das Ausbildungsniveau stei- gern und Aus- und Weiterbildungsangebote ausbauen. Durch die Qualifizierungsoffensive „Frühe Chancen“, die die christliche-liberale Koalition auf den Weg ge- bracht hat, sollen außerdem Kindertagesstätten mit be- sonderem Bedarf an Sprachförderung eine zusätzliche Fachkraft zur Verfügung gestellt bekommen. Diese Fachkraft kann somit ganz gezielt auf die Sprachent- wicklung der Kinder und bestehenden Förderbedarf ein- gehen. Auch Kinder mit Behinderungen gilt es in Kinderta- gesstätten frühkindlich zu fördern. Die Ergebnisse des Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. November 2010 7825 (A) (C) (D)(B) 13. Kinder- und Jugendberichts machen deutlich: Eine kompetenzengerechte Förderung von Kindern mit Be- hinderungen in einer frühen Altersphase verbessert Chancen für die spätere Entwicklung. Wir werden ge- meinsam mit den Ländern Inklusionsstrategien bei Bil- dung und Betreuung für Kinder mit Behinderungen ent- wickeln und auch die allgemeine Gesundheitsförderung stärker in den Betreuungsalltag einbeziehen. Wir sind auf einem guten Weg, was den Ausbau der Kindertagesbetreuung betrifft, sowohl quantitativ als auch qualitativ. Unsere Zusage gilt: Diese Regierung wird sich gemeinsam mit den Ländern und den Kommu- nen auch in Zukunft für mehr Betreuungsplätze, mehr Qualität und die Erweiterung von frühkindlichen Bil- dungsangeboten einsetzen. Diana Golze (DIE LINKE): Der vorgelegte Bericht zum Erreichen der Ziele des Kinderförderungsgesetzes zeichnet im Großen und Ganzen ein realistisches Bild der Situation im Bereich des Ausbaus der Kindertages- betreuung. Doch aus unserer Sicht ist dies kein Grund, den derzeitigen Stand des Ausbaus der Kinderbetreuung in der Bundesrepublik zu feiern oder hochzujubeln. Viel- mehr erscheinen uns die lobenden Töne von der Regie- rungsbank und aus den sie tragenden Fraktionen als Schönfärberei und Verklärung der tatsächlichen Situa- tion. Dies wird zum Beispiel daran deutlich, dass der Be- richt auf das sehr unterschiedliche Niveau in Ost und West hinweist bzw. auf das immer noch zu geringe Aus- bautempo in den alten Bundesländern. Auch wenn in den letzten Tagen häufiger über eine positive Entwick- lung zu lesen war, bleibt es ein Fakt, dass der auch im Antrag der CDU/CSU-Fraktion gefeierte Anstieg der Betreuungsquote von bundesweit durchschnittlich 13,6 Pro- zent auf 20,4 Prozent noch immer auf das vergleichs- weise hohe Platzangebot in den neuen Bundesländern zurückzuführen ist. Hier möchte ich die Betreuungssituation von Kindern mit Migrationshintergrund hervorheben. Diese ist mit 9 Prozent der unter Dreijährigen in Westdeutschland und mit 16 Prozent in Ostdeutschland sehr niedrig; und dies, obwohl gerade in dieser Phase das Erwerben von sprach- lichen Fähigkeiten sehr wichtig ist, eine Frage, die auch im vorliegenden Antrag aufgeworfen wird. Es ist also dringend geboten, hier politische Mittel zu finden, um diese Kinder besser einzubinden bzw. den Familien ent- sprechende Angebote zu machen. Doch diese fehlen an allen notwendigen Stellen. Ja, wir haben zur Kenntnis genommen, dass das Fa- milienministerium in den kommenden Jahren insgesamt rund 400 Millionen Euro zusätzlich in die Verbesserung der Qualität der frühkindlichen Bildung investieren will. Das klingt schön – aber nur so lange, wie man die Reali- täten in puncto Ausbau von Kindertagesbetreuung aus- blendet, wie es die Bundesregierung nun schon seit eini- gen Jahren und auch weiterhin tut. Denn diese Mittel sind erstens auf mehrere Jahre aufgesplittet, werden zweitens gleich für mehrere Förderbereiche ausgeschrie- ben und wirken somit drittens wie ein Universalheilmit- tel aus dem Billigladen. Mal ist es die Gewinnung von jungen Männern für den Erzieherberuf, dann sind es die Kinder aus bildungsfernen Schichten, dann wieder Kin- der mit Migrationshintergrund. Und weil man das Ganze am ehesten in sozialen Brennpunkten findet, werden die gleich als Zielort des Programmes festgemacht. Genau diese Projektpolitik, die schon Ursula von der Leyen zur Maxime des Familienministeriums gemacht hat, wird nicht zur Lösung des Problems führen. Dies reicht bes- tenfalls für eine positive Pressemitteilung – gegen die wirklichen Probleme hilft es nicht. Es täuscht darüber hinweg, dass es die Elternbeiträge sind, die Familien mit keinem oder geringem Einkom- men davon abhalten, ihre Kinder in einer Kita betreuen zu lassen. Hierzu schweigen sowohl der vorliegende An- trag als auch der Bericht der Bundesregierung – und dies, obwohl genau diese Frage immense Auswirkungen darauf hat, ob Kinder aus einkommensschwachen Fami- lien in den Genuss von frühkindlicher Bildung kommen. Der Bericht zeichnet zwar ein kritisches Bild des der- zeitigen Standes des Ausbaus, stellt das Erreichen des Zieles aber nicht infrage; aus meiner Sicht eine sehr mu- tige These, betrachtet man die Menge der notwendigen zu schaffenden Plätze und das derzeitige Niveau, vor al- lem in den westdeutschen Bundesländern. Dort müsste man in den nächsten Jahren die Platzzahlen nur für das Erreichen der 35-Prozent-Marke mindestens verdoppeln. Zahlreiche Umfragen in den Ländern deuten sogar da- rauf hin, dass mehr als die Hälfte der Eltern ihre Kinder in eine Tagesstätte bringen würden – wenn es denn ge- nug Plätze gäbe. Die Mittel in den Ländern und in den Kommunen aber sind knapper denn je. Was sich dazu im Antrag der CDU/CSU findet, ist nichts anderes als die Wiederholung der fast unver- schämten Forderung, die Länder müssten sich nur ein wenig mehr anstrengen, mehr finanzielle Mittel in die Hand nehmen, um „die Vernetzung eines breiten und fle- xiblen Angebots von Kindertagesbetreuungsangeboten und anderen familienunterstützenden Angeboten im Sinne von Familienzentren auszubauen“, während Sie sich auf ein Engagement im Rahmen der finanziellen Mittel des Bundes zurückziehen. Mit Ihrem Antrag machen Sie deutlich, dass Sie auch in Zukunft immer mehr Aufgaben auf die Länder und Kommunen abschieben werden, ohne dafür den notwen- digen finanziellen Ausgleich zu schaffen. Dafür gibt es dann Alibiprogramme wie das vorhin erwähnte Päckchen für soziale Brennpunkte. Ob dies allerdings Bürgermeis- tern, wie dem der Stadt Meerbusch, weiterhelfen wird, ist fraglich. Diesem Bürgermeister fehlt es nicht an Engage- ment, auch nicht in puncto finanzieller Eigenbeteiligung seiner Stadt, ihm fehlen die Mittel, die aufgrund eines Förderstopps nicht fließen werden! Diese Situation wird nicht aufgelöst, indem die CDU/CSU-Fraktion deutlich macht, dass sie genau weiß, was die Länder und Kommu- nen eigentlich alles machen müssten – und vor allem wo. Die Linke fordert seit langem, dass der Bund sich endlich dauerhaft und in größerem Umfang als bisher an der Fi- nanzierung der Kindertagesbetreuung beteiligen muss. Er darf Länder und Kommunen mit dieser Aufgabe nicht 7826 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. November 2010 (A) (C) (D)(B) länger allein lassen: weder mit der zahlenmäßigen Auf- stockung der Betreuungsplätze noch mit dem zukünftig fehlenden Personal noch mit dessen Qualifizierung. Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der KiFöG-Zwischenbericht und auch der von den Regie- rungsfraktionen vorgelegte Antrag sind leider keine Gründe, Sektkorken knallen zu lassen. Ich möchte zunächst etwas zur Zahl 35 sagen. Sie ist ja mittlerweile im Zusammenhang mit dem Kita-Ausbau fast zu einer magischen Zahl geworden. Wir sollten sie von zwei Seiten betrachten: Erstens. Kann der Ausbau auf 35 Prozent bis 2013 ge- schafft werden? Die Ministerin hat in ihrer gestrigen Pressemitteilung selbst die Antwort gegeben: „Der Aus- bau der Kinderbetreuung muss noch weiter an Dynamik gewinnen.“ Sonst klappt es offensichtlich nicht. Sie appelliert insbesondere an die Länder, ihre Finanzie- rungszusagen wahrzumachen. Ich nehme einmal NRW. In NRW hatte die ehemalige schwarz-gelbe Landesre- gierung die Mittel, die über Neuverteilung der Umsatz- steuer für die Betriebskosten in den Kitas zur Verfügung gestellt werden, komplett im Landeshaushalt versickern lassen. So hat sie den Kitas in den letzten Jahren circa 70 Millionen Euro gestohlen. Ich habe die Bundesregie- rung mehrfach gefragt, wie sie sicherstellt, dass die Mit- tel auch zweckgebunden in den Kitas ankommen, aber die Regierung hat nur den Kopf in den Sand gesteckt. Jetzt soll es – endlich – ein Gutachten zur Frage der Ver- wendung der Mittel geben; wir können gespannt sein. In NRW korrigiert jetzt Rot-Grün die Absahnerpolitik der vorherigen Regierung. Und CDU und FDP sind sich nicht zu blöde, in diesem Zusammenhang „Neuverschul- dung“ zu schreien. Zweitens. Ist der Bedarf mit 35 Prozent gedeckt? Zur Erinnerung: Ab 2013 gibt es einen Rechtsanspruch. Aber nur für einen Bedarf von 35 Prozent ist Geld da. Die Annahme, dass der Bedarf aber mehr als 35 Prozent beträgt und er zudem über 2013 hinaus noch steigen wird, ist sehr berechtigt. Deshalb ist es verantwortungs- los, dass die Regierung sich unserer Forderung nach ei- ner soliden Bedarfsberechnung verweigert. Es ist unumgänglich, dass auf der Grundlage einer vernünftigen Bedarfserhebung eine neue Finanzierungs- vereinbarung zwischen Bund, Ländern und Kommunen geschlossen wird, damit nicht die Kommunen – oder das Land NRW aufgrund der Konnexität in der Landesver- fassung – alleine auf den zusätzlichen Kosten hängen bleiben. Es ist auch überfällig, im Gesetz festzuschreiben, dass es sich beim Recht auf einen Betreuungsplatz um ein Recht auf einen Ganztagsplatz handelt, und zwar für alle Kinder. Diese Klarstellung muss der Bund dringend vor- nehmen. Ein riesiges Problem ist es, dass der Ausbau der Plätze faktisch zulasten der Qualität in den Einrichtun- gen geht. Dabei brauchen wir dringend mehr Qualität in den Einrichtungen, und die hängt ganz wesentlich an der Fachkraft-Kind-Relation. Im KiFög-Zwischenbericht heißt es sogar, dass in einigen Bundesländern die „Perso- naleinsatzschlüssel in einer Größenordnung liegen, die unter fachlichen Gesichtspunkten als bedenklich einzu- stufen“ sei. Da müssen die Alarmglocken läuten. Nun verweist sogar der Koalitionsantrag darauf, dass der Personaleinsatzschlüssel verbessert werden müsste. Hierzu soll die Bundesregierung „prüfen“ und „hinwir- ken“. Hierfür soll sie – bitte schön – kein Geld ausgeben. Das ist Augenwischerei. Wenn ich so etwas lese, werde ich richtig sauer, weil die Qualität der frühkindlichen Förderung zu wichtig ist, um derartige Spielchen damit zu treiben. Es muss mal Schluss sein mit den ewigen Ausreden: Das Geld für die Kitas ist durchaus vorhanden. Durch das Abschmelzen des Ehegattensplittings könnten sehr bald und jährlich mindestens 5 Milliarden Euro inves- tiert werden. Kinder fördern, Kitas fördern statt der Pri- vilegierung der Ehe von anno dazumal, das sind die Zei- chen der Zeit. Wer angesichts der beschriebenen Herausforderungen immer noch plant, jährlich 2 Milliar- den Euro für ein Betreuungsgeld aus dem Fenster zu werfen, dem ist nicht mehr zu helfen. Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden Zur Beratung des Antrags: Existenzgründun- gen aus Forschung und Wissenschaft fördern – Für einen starken deutschen Innovationsstand- ort (Tagesordnungspunkt 20) Dr. Heinz Riesenhuber (CDU/CSU): Im Erfinden sind wir gut: 2009 lagen die Anmeldungen beim Deut- schen Patent- und Markenamt mit 47 859 Patenten aus Deutschland auf Rekordniveau, und auch die Anmelde- zahlen in den ersten neun Monaten dieses Jahres sind sehr gut. Aber im Umsetzen neuer Ideen in den Markt, in neue Produkte, Verfahren und Dienstleistungen sind wir bis jetzt nicht so erfolgreich, wie wir sein könnten – und sein müssten, wenn wir mit Zukunftstechniken weiterhin die Weltmarktführerschaft und damit Wachstum und Ar- beit bei uns im Land sichern wollen. Neue Ideen, die bei uns entwickelt werden, sollten auch bei uns produziert werden – und nicht, wie beim MP3-Player, nur im Aus- land zu Milliardenumsätzen führen. Eine wesentliche Voraussetzung, um den Wissens- und Technologietransfer zu verbessern, ist die Förderung von Unternehmensgründungen im Hightechbereich, denn sie sind wichtige Treiber für den technischen Fort- schritt hin zu den gefragten Spitzentechnologien. „Deutschland muss wieder zum Gründerland werden!“ heißt es deshalb auch in unserem Koalitionsvertrag, da- mit „Deutschland verstärkt Innovationen hervorbringen und Leitmärkte prägen kann“. An der Umsetzung dieses Ziels müssen wir noch hart arbeiten. Denn im internatio- nalen Vergleich ist die Gründungsquote in Deutschland – trotz einiger Fortschritte – mit 4,1 Prozent Anteil an den Erwerbstätigen zu niedrig. Nach dem Global Entrepre- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. November 2010 7827 (A) (C) (D)(B) neurship Monitor, GEM, 2009 belegen wir nur Platz 15 von 20 innovationsbasierten Industriestaaten. Nach den Studien des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung, ZEW, erreichen gerade Hightech- gründungen im Jahr 2008 in Deutschland mit rund 15 300 einen neuen Tiefpunkt. Im Vergleich zum Vorjahr bedeutet das einen Rückgang um 11 Prozent. Dabei sank die Zahl der Gründungen im Bereich Spitzentechnolo- gien, die für den technologischen Fortschritt besonders wichtig sind, sogar um 12 Prozent auf rund 600. Auch 2009 ist der Abwärtstrend bei den Spitzentechnologien noch nicht durchbrochen, während sich die Gründungs- aktivitäten im Hightechbereich allgemein wieder leicht verbessert haben. Als große Gründungshemmnisse in Deutschland identifiziert der GEM schon seit Jahren ein im Vergleich zu anderen Ländern ungünstiges Grün- dungsklima und insbesondere zu hohe bürokratische Hürden und Probleme bei der Finanzierung, die für die teuren Hightechgründungen besonders relevant sind. Schon unter den vergangenen Regierungen wurden ganz erhebliche Anstrengungen unternommen, um diese Gründungshemmnisse abzubauen. So profitieren auch Gründer von den Mittelstandsentlastungsgesetzen und dem Abbau der Bürokratie durch Anwendung des Stan- dardkostenmodells mit dem Ziel, rund ein Viertel der Bürokratiekosten, die deutsche Unternehmen mit insge- samt 48 Milliarden Euro jährlich belasten, bis 2012 ein- zusparen. Ein besonderer Schub für Gründungen ist jetzt schon sichtbar durch die GmbH-Reform, die wir 2008 durch- geführt haben. Bei Gründung einer haftungsbeschränk- ten Unternehmergesellschaft oder „Mini-GmbH“ wer- den, ähnlich wie bei der englischen Limited, geringere Anforderungen an die Gründungsformalien und speziell an das Mindeststammkapital gestellt, das bei einer Mini- GmbH nur noch 1 Euro pro Gesellschafter betragen muss. Diese Reform hat auch im Hightechbereich ver- hindert, dass die Gründungszahlen noch weiter zurück- gegangen sind. Die Gründungs- und Anschubfinanzierung junger Technologieunternehmen haben wir insbesondere durch staatlich (mit-)finanzierte Fonds, durch spezielle Förder- programme, und auch durch beratende Begleitung der Gründer verbessert. Strategisch sind diese Fonds und Programme ganz unterschiedlich angelegt: Die EXIST- Programme des BMWi zielen speziell auf die Förderung von Gründungen aus Hochschulen, mit den Modulen „Gründerstipendium“ und „Forschungstransfer“ sowie dem neuen Wettbewerb „Gründungskultur – Die Grün- derhochschule“. Der Wettbewerb „Go Bio“ des BMBF unterstützt gründungsbereits Forscherteams im Bereich Biowissenschaften, die kommerzielle Verwertung neuer Verfahren zielgerichtet vorzubereiten. Mit dem ERP-Startfonds stellt die KfW im Auftrag des BMWi Wagniskapital für innovative Technologieun- ternehmen in der Entwicklungs- und Aufbauphase zur Verfügung. Der ERP/EIF-Dachfonds des BMWi und des Europäischen Investitionsfonds (EIF) beteiligt sich als Dachfondsinvestor an professionellen Wagniskapital- fonds in Deutschland, die die Wachstumsphase von Hightechunternehmen unterstützen. Der vom BMWi mit Partnern aus der Wirtschaft und der KfW finanzierte Hightechgründerfonds unterstützt technologieorientierte Unternehmensgründungen durch die Bereitstellung von Beteiligungskapital bis zu 500 000 Euro in der ersten Phase und mit bis zu weiteren 500 000 Euro für die An- schlussfinanzierung. Gerade dieser Fonds hat sich als besonders wirksam für Gründer in der Frühphase erwie- sen und geholfen, die in diesem Bereich vorherrschende strukturelle Finanzierungslücke zu überwinden. Alle diese Maßnahmen haben aber noch nicht die Dynamik erreicht, die wir eigentlich brauchen, und mit den hervorragenden staatlichen Fondsengagements hat der Staat inzwischen die Grenzen dessen erreicht, was der Staat hier leisten kann. Denn die wichtigste Finan- zierungsquelle für Hightechgründungen – die oft beson- ders risikoreich sind und für eine Kreditfinanzierung nicht in Frage kommen – ist und bleibt das private Wag- niskapital. Und genau dieses müssen wir noch stärker mobilisieren, denn der Markt für Wagniskapital ist und bleibt in Deutschland nahezu ausgetrocknet. Traditionell gibt es in diesem Bereich bei uns zu wenige Kapitalge- ber. Die Finanzkrise und ihre Folgen haben zu einer weite- ren Verunsicherung geführt. Das belegt auch die Statistik des Bundesverbandes Deutscher Kapitalbeteiligungsge- sellschaften BVK: Danach gingen die Wagniskapitalin- vestitionen im Jahr 2009 gegenüber 2008 von 1 107 Mil- lionen Euro auf 611 Millionen Euro zurück und haben sich damit fast halbiert. Die Wagniskapitalinvestitionen im ersten Halbjahr 2010 liegen ebenfalls nur knapp über dem gleichen Zeitraum im Vorjahr. Allerdings gibt ein Anstieg im 2. Quartal, und hier gerade im wichtigen Be- reich Start-up-Finanzierung, Anlass zur Hoffnung. Spe- ziell in der Biotechnologiebranche scheint sich der Finan- zierungsengpass langsam aufzulösen, wie der Verband BIO Deutschland Anfang des Monates berichtet hat. Ins- gesamt bleiben die Wagniskapitalinvestitionen in Deutschland mit 0,027 Prozent des BIP jedoch weiter auf zu niedrigem Niveau und liegen immer noch unter dem EU-Durchschnitt von 0,03 Prozent. In Großbritannien ist ihr Anteil am Bruttoinlandsprodukt mit 0,05 Prozent dop- pelt so hoch und in den USA mit 0,125 Prozent mehr als viermal so hoch wie bei uns. Uns fehlt auch eine ausgewiesene „Business Angels“- Kultur wie in den angelsächsischen Ländern. Business Angels kommt eine besondere Rolle in der Gründungs- phase zu, da Fonds hier nur selten aktiv sind. Als erfah- rene Unternehmerpersönlichkeiten helfen sie mit finan- ziellem Engagement und mit gutem Rat, jungen Unternehmen den Weg in die Märkte zu eröffnen. In Deutschland gibt es nur rund 5 000 dieser Engel, die rund 200 Millionen Euro jährlich in Gründer investieren. In Großbritannien dagegen gibt es 20 000 Engel – und in den USA 260 000, mit einem Investitionsvolumen von 18 Milliarden Euro jährlich. Um eine neue Dynamik bei Hightechgründungen zu erreichen, werden wir in dieser Legislaturperiode viel- fältige Maßnahmen ergreifen. Wir werden die bewährte staatliche Gründerförderung fortsetzen, allen voran den 7828 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. November 2010 (A) (C) (D)(B) Hightechgründerfonds, dessen zweite Auflage Mitte nächsten Jahres starten wird. Das Konzept dafür wird demnächst vorgelegt, und dann dürfte auch die jetzt noch vorliegende qualifizierte Haushaltssperre dafür fristgerecht aufgehoben werden. Die Verhandlungen mit privaten Koinvestoren sind auf gutem Weg – und wir hoffen hier auf eine rege Beteiligung. Wir wollen die Gründungsberatung noch weiter ver- bessern, den Bürokratieabbau beschleunigen und den Zeit- und Kostenaufwand für Gründer weiter verringern. Dazu gehört auch die weitere Vereinfachung von An- trags- und Genehmigungsverfahren. Wir wollen einen schnellen Neuanfang nach einem potenziellen Scheitern junger Unternehmen möglich machen, zum Beispiel durch ein stärker auf Sanierung und Neustart ausgerich- tetes Insolvenzverfahren und – wenn möglich – durch die Halbierung der Frist zur Restschuldbefreiung auf drei Jahre. Wir wollen die Förderung von Kompetenznetzen und Clustern fortsetzen, denn in enger Zusammenarbeit von Forschern und Unternehmern und lokalen Behörden ent- steht nicht nur eine Brutstätte für Innovationen, sondern auch ein ideales Umfeld für innovative Gründer. Wir wollen prüfen, den europäischen Status „Young Innova- tive Company“, YIC, auch für Deutschland einzuführen. An diesen Status kann EU-konform eine besondere För- derung, zum Beispiel die Befreiung von Steuern und Sozialabgaben, geknüpft werden. Das verbessert die Wettbewerbsfähigkeit junger forschungsintensiver Unter- nehmen gerade in der Anfangsphase und kann als Mar- kenzeichen verstärkt private Investoren anziehen. Frank- reich geht hier mit seinem Programm „Jeune Entreprise Innovante“, JEI, mit gutem Beispiel voran. Wir wollen auch für Deutschland entsprechend den Festlegungen des Koalitionsvertrags die Einführung einer steuerlichen Forschungsförderung prüfen. Diese kann auch für Gründer attraktiv sein, wenn sie auf Steuergut- schriften für Forschungsausgaben basiert, die auch dann ausgezahlt werden, wenn das neue Unternehmen noch Verluste macht. Ein solches Konzept wird unter Berück- sichtigung des gebotenen Konsolidierungskurses und der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung in ein haushalts- und steuerpolitisches Gesamtkonzept einzupassen sein. Eine besondere Aufgabe liegt darin, Hightechgrün- dern und jungen Technologieunternehmen den Zugang zu privatem Wagniskapital zu erleichtern. Dabei wird ent- scheidend sein, dass wir die Rahmenbedingungen – auch die steuerlichen Rahmenbedingungen – für Wagniskapital- investoren, Wagniskapitalfonds und Business Angels, ver- bessern. In der letzten Legislaturperiode haben wir versucht, dies mit dem Wagniskapitalbeteiligungsgesetz im Rah- men des MoRaKG – Gesetz zur Modernisierung der Rahmenbedingungen für Kapitalbeteiligungen – zu er- reichen. Unser Vorhaben ist jedoch am Einspruch und an den hohen Anforderungen der EU gescheitert. Mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz zu Beginn des Jahres haben wir die Möglichkeiten zur Verlustverrechnung für Wagniskapitalinvestoren wieder verbessert, die sich an jungen verlustreichen Hightechunternehmen, zum Bei- spiel Biotechunternehmen, beteiligen und deren Verlust- verrechnungspotenzial durch das Unternehmensteuerre- formgesetz stark eingeschränkt worden war. Hier bleiben die Verluste künftig anteilsmäßig in Höhe der stillen Reserven erhalten. In Vorbereitung ist aktuell außerdem ein Konzept für eine anteilige Garantiemöglichkeit zur Risikoabsiche- rung der Fondseinlagen institutioneller Investoren, die sich an Wagniskapitalfonds beteiligen. Damit wollen wir mehr Leadinvestoren anziehen. Das BMWi wird hierzu bald eine entsprechende Studie vorlegen. In den nächs- ten Monaten werden wir intensiv weitere Möglichkeiten untersuchen, wie die zielgenaue steuerliche Förderung von Wagniskapitalinvestitionen in junge Technologieun- ternehmen möglich ist. Zielgenau heißt dabei auch, dass unsere Pläne nicht mit den Vorbehalten der EU gegen eine diskriminierende Förderung kollidieren. In diesem Zusammenhang werden wir insbesondere prüfen, wie wir im Zusammenhang mit der neuen europäischen AIFM-Richtlinie zur aufsichtsrechtlichen Regulierung von „Alternativen Investmentfondsmanagern“ – die wir in den nächsten zwei Jahren umsetzen müssen – auch die steuerlichen Bedingungen für Hightechgründer und ihre Investoren, einschließlich der Business Angels, verbes- sern können. Damit Deutschland im globalen Innovationswettlauf auch künftig bestehen kann, brauchen wir eine neue Gründerwelle im Hightechbereich. Wir haben deshalb zahlreiche Maßnahmen für Hightechgründer auf den Weg gebracht, aber wesentliche Schritte liegen noch vor uns, von der steuerlichen Forschungsförderung über die bessere Gründungsausbildung in Schulen und Hoch- schulen bis hin zur Erhöhung der Anzahl der MINT-Ab- solventen, um für den „Unternehmer“ zu werben und das Hightech-Gründerpotenzial zu erhöhen. Ein zentrales Ziel ist und bleibt die stärkere Mobili- sierung von privatem Wagniskapital durch international attraktive Rahmenbedingungen für Investoren, damit Deutschland zu einer blühenden „Hightech-Gründer- landschaft“ werden kann, in dem immer neues Wachs- tum in Zukunftsmärkten entsteht und Arbeit und Wohl- stand dynamisch sichert. Lassen Sie uns gemeinsam an diesem Ziel arbeiten. Dr. Philipp Murmann (CDU/CSU): Im Koalitions- vertrag haben wir vereinbart, ich zitiere: „Deutschland muss wieder zum Gründerland werden.“ Mit dem vorlie- genden Antrag wollen wir dieses Vorhaben angehen und erste Schwerpunkte setzen. Denn wir sind überzeugt da- von, dass dies eine Schlüsselfrage für die Zukunft unse- res Landes ist. Deshalb bedaure ich es besonders, diese Rede nur zu Protokoll geben zu können! Für mich persönlich ist dies auch eine Herzensangele- genheit. Denn es waren unternehmerischer Mut und der persönliche Einsatz von vielen Unternehmern, die Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg zu einer füh- renden Industrienation gemacht haben, getragen durch den Mittelstand und unzählige Familienunternehmen, die über viele Generationen geführt wurden und werden. Ein Wirtschaftswunder, wie wir es in Deutschland erlebt Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. November 2010 7829 (A) (C) (D)(B) haben, wäre ohne diese Unternehmensgründer nicht möglich gewesen. Eine solche Unternehmerpersönlichkeit war zum Bei- spiel Rudolf Hell aus meiner Heimatstadt Kiel. Schon in der Schule waren Mathematik und Physik seine Lieb- lingsfächer. Nach seinem Studium meldete er zahlreiche Patente an und gründete 1929 sein erstes Unternehmen, das selbstentwickelte Peil- und Morsegeräte produzierte und verkaufte. Nach dem 2. Weltkrieg wagte er 1947 einen Neuanfang in Kiel. Sein Unternehmen wurde zu einem der führenden deutschen Unternehmen im Bereich Ko- pier- und Drucktechnik und ist nach seinem Tod – auch mangels Nachfolger – in verschiedenen anderen Unter- nehmen aufgegangen. Warum erzähle ich das? Wir alle wissen: Deutschland lebt von seinen Hochtechnologieprodukten. Forschung, Innovation und neue Technologien sind die Grundlage für unseren Wohlstand. Wir alle sprechen von Nachhal- tigkeit, aber es sind eben gerade die Forschung und neue Technologien, die entscheidend sind für nachhaltige Pro- duktion, für nachhaltigen Konsum und für Ressour- ceneffizienz. In Deutschland, dem Land der Ideen, müs- sen neue Technologien nicht nur entwickelt, sondern auch produziert und angewandt werden. Gute Rahmenbedingungen und der erfolgreiche Tech- nologiertransfer aus Forschung und Wissenschaft in die Wirtschaft machen Deutschland zu einem international erfolgreichen Hightechstandort. Doch wir bekommen auf den Weltmärkten immer stärkere Konkurrenz. Be- sonders der Wettbewerb durch Schwellenländer wie China und Indien nimmt zu. Angesichts der globalen Herausforderungen muss Deutschland mehr Innovatio- nen hervorbringen und Leitmärkte prägen. Unterneh- mensgründungen spielen dabei eine wichtige Rolle. Der Handlungsbedarf ist groß. Deutschland liegt im internationalen Vergleich der Unternehmensgründungen weiterhin auf einem der hinteren Plätze, Platz 15 von 20 gemäß Global Entrepreneurship Monitor 2009. Laut der ZEW-Studie Hightech-Gründungen in Deutschland, Juli 2009 erreichten Hightechgründungen im Jahr 2008 in Deutschland mit rund 15 300 einen neuen Tiefpunkt. Im Vergleich zum Vorjahr bedeutet das einen Rückgang um 11 Prozent. Dabei sank die Zahl der Gründungen im Bereich Spitzentechnologien, die für den technologi- schen Fortschritt besonders wichtig sind, sogar um 12 Prozent auf 600. Gegenüber 1995 haben wir heute nur einen Anteil von rund 70 Prozent Unternehmens- gründungen. Dabei liegen wir bei den Patenten gar nicht so schlecht. So wurden in 2009 47 859 Patente aus Deutschland beim Deutschen Patentamt angemeldet. Aber nur ein sehr geringer Teil davon ging in die volks- wirtschaftliche Verwertung, denn nur relativ wenige Patente erreichen eine Inkubationsphase, in der aus dem Patent ein Produkt entsteht. Laut dem Expertengutachten für Forschung und Innovation aus 2010 werden „viele Er- folg versprechende Forschungsergebnisse der öffentlich finanzierten Forschung in Deutschland nicht effektiv vermarktet“. Das heißt für uns: Die Verwertung von For- schungsergebnissen und Patenten, insbesondere durch Ausgründung neuer Unternehmen, muss verbessert wer- den. Wir brauchen mehr Persönlichkeiten wie Rudolf Hell, die aus ihren Patenten erfolgreiche Produkte ma- chen und Unternehmen gründen. Und noch eine andere Erkenntnis in diesem Zusam- menhang ist wichtig: Bis in die achtziger Jahre galt in den meisten europäischen Ländern, dass volkswirt- schaftlicher Wohlstand durch große Unternehmen und Konzerne erreicht wird. Das hat sich entscheidend geän- dert: KMU stellen über 99 Prozent aller Unternehmen in Deutschland, erwirtschaften fast 40 Prozent des Umsat- zes, beschäftigen rund 70 Prozent der Arbeitnehmer und über 80 Prozent der Auszubildenden. Wie sieht es aber im Bereich der Forschung und Ent- wicklung bei den KMUs aus: Die deutsche Wirtschaft hat im Jahr 2008 insgesamt 57,3 Milliarden Euro für FuE ausgegeben, aber nur ein geringer Teil davon ent- fällt auf die KMUs, nämlich rund 9 Prozent. Beim FuE- Personal halten KMU immerhin einen Anteil von 15 bzw. rund 20 Prozent, je nach KMU-Definition. Was heißt das für uns: Mit der Erkenntnis, dass kleine und mittlere Unternehmen eine entscheidende Rolle für un- sere Gesamtwirtschaft spielen, muss die Politik gerade auch die Rahmenbedingungen für Forschung und Ent- wicklung stärker auf die KMU und das damit verbun- dene Unternehmertum ausrichten. Was müssen wir also tun, um einerseits eine bessere Verwertung unserer Forschungsergebnisse und anderer- seits mehr Unternehmensgründungen in Deutschland zu erreichen? Zunächst einmal können wir feststellen, dass es be- reits zahlreiche gute Programme gibt, um diesen Bereich zu fördern. Professor Riesenhuber hat bereits einige In- strumente aus dem Bereich des BMWi genannt. Auch im Bereich des BMBF gibt es gute Beispiele: das Förder- programm „ForMat“, Forschung für den Markt im Team, mit dem Ergebnisse aus der öffentlichen Forschung bes- ser und schneller für die Wirtschaft nutzbar gemacht ma- chen werden sollen; der Wettbewerb „GO-Bio“, der grün- dungsbereite Forscherteams in den Lebenswissenschaften unterstützt, um technisch anspruchsvolle Ideen zu einer tragfähigen Unternehmensgründung reifen zu lassen; das Programm „Power für Gründerinnen“ fördert Projekte, um Frauen auf ihrem Weg in die Selbstständigkeit be- sonders zu unterstützen; der bundesweite Wettbewerb „Jugend gründet“, bei dem Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe II im Rahmen eines internetbasierten Planspiels ein Unternehmen gründen und so ihre Wirt- schafts- und Gründungskompetenzen stärken können. Immerhin beteiligen sich rund 4 500 Jugendliche jähr- lich an diesem Wettbewerb. Im Rahmen des Wettbewer- bes werden übrigens auch freiwillige Fortbildungen für Lehrerinnen und Lehrer angeboten. Nicht zuletzt gehört auch das neue Programm zur Validierungsförderung, über das wir erst vor einigen Wochen hier im Bundestag debattiert haben, dazu. Aber es stellt sich natürlich die Frage, inwieweit es sinnvoll ist, dass der Staat sich immer neue Programme ausdenkt. Kann mutiges Unternehmertum, wie das von Rudolf Hell durch staatliche Programme erzeugt wer- 7830 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. November 2010 (A) (C) (D)(B) den? Nein, sicher nicht! Es geht vielmehr darum, die Rahmenbedingungen so zu setzen, dass sich junge Unter- nehmer mit guten Ideen frei entfalten können und von unserer Gesellschaft dafür anerkannt und unterstützt werden. Lassen Sie mich dazu auf vier Schwerpunktfelder ein- gehen, die auch in unserem Antrag zum Ausdruck kom- men: Erstens. Eine solide Finanzierung mit Eigen- und Fremdkapital ist die Lebensquelle eines jeden jungen Unternehmens und die fehlende zugleich ihre häufigste Todesursache. Hier liegt eines unserer größten Probleme in Deutschland: Der Markt für Wagniskapital in Deutschland ist nahezu ausgetrocknet. Vielen Gründern fehlt eine Finanzierung zum Erreichen der Marktreife oder einer kritischen Größe, zum Beispiel durch Venture Capital oder Seed Funding. Gerade jungen Unternehmen im Hightechbereich muss der Zugang zu Wagniskapital erleichtert werden. Dabei sollten auch die erfolgreichen Modelle unserer Nachbarländer geprüft werden, wie zum Beispiel die Marke einer „Young Innovative Com- pany, YIC“. Da der Staat selbst nur begrenzt Wagniska- pital zur Verfügung stellen kann – und sollte –, muss er die Bedingungen für Banken und Private so gestalten, dass ausreichend Kapital für Unternehmensgründungen zur Verfügung steht. Ohne diese notwendige Bedingung werden wir unser Ziel, Deutschland wieder zu einem Gründerland zu machen, nicht erreichen. Zweitens. „Business Angels“ können für die Unter- nehmensgründung eine entscheidend wichtige Rolle spielen. Während der Gründer selbst, zum Beispiel als Ingenieur oder Naturwissenschaftler, häufig eher mit dem Produkt vertraut ist, bringt ein „Business Angel“ Markt- und Betriebserfahrung mit ein. Das ist für die Ausgestaltung und Umsetzung des Geschäftsmodells häufig der entscheidende Beitrag. Um hier besser zu werden, müssen wir den Anreiz für „Business Angels“ zur Beteiligung an jungen Unternehmen deutlich erhö- hen, zum Beispiel durch eine Verbesserung von steuerli- chen Rahmenbedingungen. Das wird übrigens – bei rich- tiger Ausgestaltung – auch einen wichtigen Beitrag zur besseren Finanzierung von Gründungsunternehmen leis- ten. Drittens. Gründungen aus Hochschulen und For- schungseinrichtungen heraus müssen erleichtert werden; dazu sollten auch mehr Möglichkeiten zur Lizensierung und Ausgründungen geschaffen werden, zum Beispiel im Rahmen des anstehenden Wissenschaftsfreiheitsge- setzes. Warum sollten wir nicht auch der Wissenschaft und den Forschungseinrichtungen erlauben, sich stärker an Unternehmensgründungen zu beteiligen oder Toch- tergesellschaften zu gründen. Die Hürden hierfür sind noch zu hoch. Weiterhin sollte geprüft werden, inwie- weit der von der EFI-Kommission vorgeschlagene „Kommerzialisierungsfonds“ zur Anschubfinanzierung der Inkubationsphase umsetzbar ist. Auch eine stärkere Ausrichtung auf die Prüfung von Anwendungsmöglich- keiten für Forschungsergebnisse ist ein wichtiger Schritt, der durch das kürzlich beschlossene Programm zur Vali- dierungsförderung erleichtert wird. Viertens. Ganz wichtig ist in meinen Augen die grün- dungsbezogene Aus- und Weiterbildung innerhalb der Schulen und Universitäten: Sie muss unbedingt verstärkt werden, da hier eine Quelle des unternehmerischen Be- wusstseins liegt. Ich halte zum Beispiel eine Lehreraus- bildung in Anlehnung an das Projekt NFTE, Network for Teaching Entrepreneurship, das konkrete Hilfe für Jugend- liche mit der Vermittlung unternehmerischen Denkens vereint, für einen sehr guten Ansatz. Auch in den techni- schen und naturwissenschaftlichen Studiengängen der Hochschulen sollten durch verstärkte Angebote für Stu- dierende die nötigen Kenntnisse für eine Unternehmens- gründung und -führung vermittelt werden, um schon früh Alternativen zur abhängigen Beschäftigung aufzu- zeigen, zum Beispiel durch ergänzende „Unternehmer- kurse“ für Studierende der naturwissenschaftlichen und technischen Fächer. Eine wichtige Antriebskraft für Un- ternehmertum ist schließlich der Drang zur Selbststän- digkeit und Freiheit der Lebensgestaltung. Unternehmerpersönlichkeiten wie Rudolf Hell gibt es viele – auch in unserer heutigen Zeit. Wir müssen sie fin- den, anspornen und unterstützen, damit gute Ideen und gute Forschungsergebnisse überall in Deutschland eine wirkliche unternehmerische Chance bekommen. Das schafft neue wertvolle Arbeitsplätze und stärkt unsere Position im internationalen Wettbewerb. Innovative Unternehmensgründer müssen im beson- deren Fokus der Politik stehen, denn sie sind eine wich- tige treibende Kraft für unser Land. Lassen Sie uns ge- meinsam für ein Leitbild der unternehmerischen Selbstständigkeit werben, damit Deutschland wieder zu einem Gründerland wird. Peter Friedrich (SPD): Existenzgründungen aus Forschung und Wissenschaft sind wichtig für den Inno- vationsstandort Deutschland; das steht außer Frage. Wirtschaftliche Stärke basiert auch auf der Fähigkeit, aus guten Ideen innovative Produkte und Dienstleistun- gen zu erstellen. In Deutschland wird ein Großteil der gesamten Forschungs- und Entwicklungsarbeiten in Un- ternehmen durchgeführt. Ein Antrag, der Existenzgrün- dungen aus Forschung und Wissenschaft und damit den Innovationsstandort Deutschland fördern will, könnte deshalb durchaus Sinn machen. Er könnte Sinn machen für Großunternehmen genauso wie für kleine und mitt- lere Unternehmen. Doch auch in der Politik braucht es gute Ideen, damit innovative Ergebnisse entstehen können. Dazu muss man aber erst einmal gute Ideen haben. Auch dieser Zu- sammenhang dürfte ein Teil der Erklärung dafür sein, warum wir bislang unter dieser Regierung von einer inno- vativen Politik so weit entfernt sind. Gerade dieser Antrag verdeutlicht auf frappierende Art und Weise die Ideenlosigkeit der beiden Koalitionsfraktionen. Viel schlimmer noch: Wenn man den Antrag liest, meine Da- men und Herren von CDU, FDP und CSU, fragt man sich sogar, was Sie mit Ihrem Antrag überhaupt bezwe- cken wollen. Sie beschreiben zunächst einmal ausführlich Maßnah- men der Bundesregierung aus der Vergangenheit, darun- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. November 2010 7831 (A) (C) (D)(B) ter den ganzen Katalog der rot-grünen Regierungszeit und der Großen Koalition. Das stimmt; unter sozialdemo- kratischer Führung ist zwischen 1998 und 2009 viel Richtiges beschlossen und auf den Weg gebracht wor- den. Wir wissen das, Sie wissen das; wir freuen uns aber darüber, dass Sie das auch noch einmal zu würdigen wis- sen. Danke schön. In einem zweiten Schritt tragen Sie zahlreiche Forde- rungen und mögliche Ansätze einer Förderpolitik zu- sammen, verkünden aber lediglich Allgemeinplätze. Die Aussagen zu Förderprogrammen klingen gut, sind aber viel zu vage. Gleiches gilt für die Aussage zu dem ge- planten Wissenschaftsfreiheitsgesetz: Klingt gut, ver- bleibt aber unkonkret und ist damit wertlos – von Inno- vationen ganz zu schweigen. Aber dafür bräuchte es eben auch gute Ideen; das hatte ich bereits ausgeführt. Der zweifelhafte Höhepunkt Ihres Antrags ist jedoch die Aufforderung an die Bundesregierung – ich zitiere – „entsprechend den Festlegungen des Koalitionsvertrags die Entscheidung über die Einführung einer steuerlichen Forschungsförderung unter Berücksichtigung des gebo- tenen Konsolidierungskurses und der weiteren wirt- schaftlichen Entwicklung in ein haushalts- und steuer- politisches Gesamtkonzept einzupassen“. Was genau heißt das denn, meine Damen und Herren von CDU, FDP und CSU? Das ist doch die Leerformel für Ihre Verschlep- pungsgarantie. Sie wollen die steuerliche Forschungsför- derung, wir auch. Sie können sich aber schlicht und er- greifend bei Herrn Schäuble nicht durchsetzen. In Ihrer Koalitionsvereinbarung waren Sie noch muti- ger; denn da stand immerhin, dass Sie eine solche Förde- rung „anstreben“ wollen. Das, was Sie uns jetzt vorle- gen, ist aber weder Fisch noch Fleisch. Wie, bitte schön, sollen wir in diesem Hause und die staunende Öffent- lichkeit draußen diesen Satz denn verstehen? Heißt das, was ich gerade zitiert habe, dass Sie eine steuerliche For- schungsförderung schaffen wollen? Oder heißt das, dass nach all den millionen- und milliardenschweren Ge- schenken an einzelne Branchen wie den Kernkraftwerks- betreibern und dem Hotelgewerbe kein Geld mehr da ist, mit dem man den Innovationsstandort Deutschland steuer- lich sinnvoll fordern könnte, Sie aber nicht den Mut be- sitzen, dies einzugestehen? Ist also für die Entwicklung der Technologien von morgen kein Geld mehr da, weil Sie und die Bundesregierung, die Sie tragen, an der fal- schen Stelle Milliardensummen hinterherschmeißen? Meinen Sie das, wenn Sie von „gebotenem Konsolidie- rungskurs“ und der Einbettung in ein „haushalts- und steuerpolitisches Gesamtkonzept“ sprechen, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen? Aber warum stellen Sie denn überhaupt diesen Antrag, wenn zur steu- erlichen Förderung sowieso kein Geld mehr da ist? Was, bitte schön, wollen Sie mit diesem Antrag bezwecken? Gleich zu Beginn dieser Legislaturperiode, im De- zember des vergangenen Jahres, hat meine Fraktion ei- nen Antrag gestellt, in dem die Bundesregierung aufge- fordert werden sollte, einen „forschungspolitisch substanziellen und finanzpolitisch soliden Entwurf für die Einführung einer steuerlichen Förderung von For- schungs- und Entwicklungsausgaben vorzulegen“. Lei- der wurde der Antrag damals im federführenden Finanz- ausschuss mehrheitlich abgelehnt. Wir bedauern das nach wie vor; denn dies wäre ein klares Signal für die steuerliche Förderung von Forschung und Entwicklung in Deutschland gewesen. In der zugehörigen Beschluss- empfehlung des Finanzausschusses betonten die Koali- tionsfraktionen zwar noch die „zusätzlichen Impulse ins- besondere für kleinere und mittlere Unternehmen“, die durch die im Koalitionsvertrag vereinbarte steuerliche Förderung von Forschung und Entwicklung gesetzt wer- den würden, doch nach den Klientelgeschenken der ver- gangenen Wochen und Monate ist hierfür eben kein Spielraum mehr da. Warum aber dann – ich wiederhole mich – dieser Antrag? Technologie- und wissensintensive Unternehmens- gründungen sind von großer Bedeutung für den Innova- tionsfortschritt einer Gesellschaft. Die Rahmenbedin- gungen hierfür sind gut, aber können zweifellos weiter verbessert werden. Dass wir im internationalen Ver- gleich mit anderen innovationsbasierten Volkswirtschaf- ten nur den 17. von 18 Plätzen einnehmen, kann uns nicht zufriedenstellen. Gerade kleinen und mittleren Unternehmensgründun- gen sollten wir eine stärkere Hilfestellung auf dem Weg in die wissensbasierte Gesellschaft geben. Gerade inno- vative Existenzgründungen leiden häufig unter unzurei- chenden kaufmännischen und branchenspezifischen Kenntnissen; da kann ein besseres Beratungsangebot sehr hilfreich sein. Auch die professionelle Hilfestellung bei der Positionierung des Unternehmens am Markt sollte verbessert werden; denn die Auftragsakquisition und der Aufbau eines Kundenstamms ist für viele neue Unternehmen eine zentrale Schwierigkeit. Wichtig ist zudem, dass wir mehr Wagniskapital be- reitstellen. Hier ist vieles denkbar, auch eine steuerliche Förderung von Wagniskapitalfonds. Sie haben das in Ih- rem Antrag drin, machen aber keine näheren Ausführun- gen. Dabei wissen wir, dass die Sicherung der Finanzie- rung das zentrale Hindernis für insbesondere innovative Existenzgründungen darstellt, und zwar sowohl in der Gründungs- als auch in der Wachstumsfrage. Die Rah- menbedingungen für Venture-Capital-Unternehmen soll- ten verbessert werden, um die Finanzierungsbedingun- gen für innovative Existenzgründungen insgesamt zu verbessern. Wichtig wäre darüber hinaus, die ERP-Wirt- schaftsförderung genauer auf ihre Wirksamkeit zu unter- suchen. Im ERP-Abschluss für das Jahr 2009 fällt auf, dass die Inanspruchnahme von Kapital im Programm „Gründung und Wachstum“ weit unter den Erwartungen geblieben ist. Dr. Martin Lindner (Berlin) (FDP): Die Förderung von Existenzgründungen aus Forschung und Wissen- schaft ist das richtige Zeichen. Die Phase einer der größten Wirtschaftskrisen seit 50 Jahren ist überwunden und wir starten mit über 3,5 Prozent geschätzten BIP- Wachstum in das nächste Jahr. Es ist nun an uns, die Weichen für unsere Zukunft zu stellen. Zukunftsinvesti- tionen in Bildung und Forschung haben höchste Priori- tät, denn gerade in diesen Bereichen stellen wir die Wei- 7832 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. November 2010 (A) (C) (D)(B) chen für unsere Zukunft. Sie sind unsere Chance, mit neuer Kraft und neuen Ideen auf den internationalen Märkten auch in den nächsten Jahren wettbewerbsfähig zu bleiben. Dazu leistet die Bundesregierung einen wichtigen Beitrag: Der Haushaltsentwurf des Bundesministeriums für Bildung und Forschung für das Jahr 2011 sieht mit einem Gesamtvolumen von 11,6 Mil- liarden Euro einen Zuwachs von rund 746 Millionen Euro gegenüber dem Jahr 2010 vor; das sind mehr als 7,2 Prozent. Damit wird es gelingen, trotz der schwieri- gen finanziellen Situation Bildung und Forschung nach- haltig im Bundeshaushalt zu verankern. Jetzt darf man sich nicht zurücklehnen und auf bessere Zeiten warten. Die bürgerliche Koalition aus CDU/CSU und FDP ist sich der großen Bedeutung der Wissenschaft und For- schung gerade auch für unsere Wirtschaft bewusst. Weil die Gründung und der Ausbau von innovativen Unter- nehmen die Mobilisierung erheblicher Anstrengungen erfordern, stellen wir die Weichen für neue Ideen und mehr Unternehmergeist. Die jungen, innovativen Grün- der und Selbstständige sind das Rückgrat der Forschung und auch der Wirtschaft. Denn jedes Unternehmen, auch unsere jetzigen Global Player, musste einmal klein be- ginnen: Am Anfang ist immer eine Idee. So fördert die schwarz-gelbe Koalition wagemutige und innovative Menschen mit Visionen. Denn wir brauchen in Deutsch- land mehr Menschen, die mit Mut und guten Ideen den Schritt in die Selbstständigkeit wagen. Da private Inves- toren sich im Vergleich zum Ausland sehr zurückhalten, führt unser Engagement nicht zu einem Verdrängungs- wettbewerb, sondern ist sinnvoll und marktkonform. Dies zeigt sich an der Vielzahl von Fördermaßnah- men, die auf die speziellen Umstände der Existenzgrün- dungen angemessen angepasst sind. Der Nachschub jun- ger innovativer Unternehmen und deren Wachstum ist der Schlüssel für die künftige technologische Wettbe- werbsfähigkeit Deutschlands auf den internationalen Märkten. Doch der Markt für Wagniskapital zur Finan- zierung dieser Unternehmen ist in Deutschland noch schwach entwickelt: In anderen Industrieländern wie Großbritannien, Frankreich, Skandinavien und den USA liegen die relativen Wagniskapitalinvestitionen beim Zwei- bis Dreifachen des deutschen Wertes. Die schwarz-gelbe Regierungskoalition hat sich dazu ent- schlossen, das Umfeld für die Tätigkeiten von Business Angels in Deutschland deutlich zu verbessern. Den jun- gen Technologieunternehmen wird der Zugang zu Wag- niskapital erleichtert und durch geeignete Maßnahmen dringend benötigtes privates Kapital für deutsche Ven- ture-Capital-Fonds mobilisiert. Die schwarz-gelbe Ko- alition ergreift große Anstrengungen zur Innova- tionsförderung. Diese Politik ist in einer Zeit, in der sich der internationale Wettbewerb verschärft, von großer Bedeutung. Deutschland braucht wieder ein positives For- schungsklima, frei von bürokratischen Hürden und ideo- logischen Debatten. Deshalb geht es uns darum, dass in Deutschland neue Technologien entwickelt und auch an- gewandt werden. Wir wollen wieder eine vorwärtsge- wandte technik- und innovationsfreundliche Gesell- schaft. So sollten die erfolgreiche Förderprogramme der Bundesregierung für Hightechgründer und junge Tech- nologieunternehmen fortgeführt werden. Erfolgreiche Innovationen sind ein wichtiger Grund- stein für Wirtschaftswachstum und steigenden Wohl- stand. Innovative Unternehmen erweitern das Produkt- und Dienstleistungsspektrum und fordern etablierte Un- ternehmen zum Wettbewerb heraus. Sie schaffen deut- lich mehr Arbeitsplätze als nicht innovative Unterneh- men und erschließen neue Märkte. Unternehmergeist, Innovation und Einsatz neuer Technologien sind heute wesentliche Faktoren für Wettbewerbsfähigkeit, Wachs- tum und Beschäftigung. Innovation erfordert einen kom- plexen Prozess und ein umfassendes Vorgehen in den Unternehmen und an den Universitäten. Im Vordergrund stehen die Förderung neuer Kenntnisse und Technolo- gien, der Erwerb neuer Kompetenzen, die Entwicklung neuer Produkte, Verfahren oder Dienstleistungen, An- meldung von Patenten etc. Deutschland verfügt heute über grundlegende Vor- teile: eine Ausbildungslandschaft und eine wissen- schaftliche Forschung auf hohem Niveau, eine immense Unterstützung von Forschung und Innovation durch die öffentliche Hand sowie wettbewerbsfähige Unterneh- men, die in vielen Branchen an der Spitze des Fortschritts stehen. An den Hochschulen und in Unter- nehmen gibt es zahlreiche Initiativen, in deren Gefolge innovative Projekte mit jungen Unternehmern entstehen. Gründungen schaffen Beschäftigung und Wachstum. Deutschland braucht deshalb eine stärkere Gründungs- kultur. Initiativen wie die „Initiative Gründerland“ des Bundeswirtschaftsministeriums sollen dies verbessern und die Menschen für unternehmerisches Denken und Handeln sensibilisieren. Die Chancen und Möglichkei- ten der Selbstständigkeit werden ihnen dadurch besser vermittelt. Politik und Wirtschaft arbeiten eng zusam- men, um Gründerinnen und Gründer zielgerichtet zu un- terstützen. Gerade dies ist wichtig, um den Ruf der deut- schen Unternehmen und Erfinder zu bewahren. Genauso wichtig sind für private Investoren in innovative und prosperierender Erfindungen die Rechtssicherheit in Deutschland und das große Vertrauen von Anlegern aus der ganzen Welt – und nicht das Schüren von Ängsten, wie es von der Opposition durch ihre aggressive Anti- haltung in allen wesentlichen Infrastruktur- und sonsti- gen Zukunftsfragen gepflegt wird. Dr. Petra Sitte (DIE LINKE): Als ich die Ankündi- gung eines Koalitionsantrages zur Gründungstätigkeit im Hochtechnologiebereich las, vermutete ich zuerst zu- mindest eine neue Idee, ein neues Förderprogramm oder Ähnliches. Leider ist dieser Antrag nur das sprichwörtli- che Schaufenster, in dem alles ausgestellt wird, was die Regierung so im Bereich der Gründungsförderung zu bieten hat: vom Hightech-Gründerfonds über die Exist- Programme bis zum Wettbewerb „Jugend gründet“. Dann wird die Bundesregierung aufgefordert, die Finan- zierungs- und Rahmenbedingungen für Gründungen un- ter anderem in der Initiative „Gründerland Deutschland“ zu verbessern. Diese wurde bereits im Januar 2010 vor- gestellt, jetzt soll sie, so der Antrag, „zeitnah“ umgesetzt Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. November 2010 7833 (A) (C) (D)(B) werden; und zu guter Letzt erinnert man noch einmal da- ran, dass diese Koalition wie auch die Vorgängerin ei- gentlich die Einführung von Steuerzuschüssen für den FuE-Aufwand privater Unternehmen geplant hatte. So einfallslos werden Sie potenziellen Gründerinnen und Gründern keinen Mut machen, meine Damen und Herren. Im Gegenteil: Die eigentlichen Probleme spre- chen Sie gar nicht an. Gründungen sind ein risikobehaf- teter Schritt, der zwar mit der Lösung von Abhängigkei- ten etwa vom Arbeitgeber beginnt, aber bei vielen in neue Abhängigkeiten – etwa von Kreditgebern oder In- vestoren – führt. Daher sind Ihre Zahlen im Antrag, die sich auf die Zeit vor der Krise beziehen, auch veraltet. Schauen Sie einmal in das Gründungspanel der KfW: Durch krisenbedingte Unsicherheit sehen viele Arbeit- nehmer die Unternehmerrolle als Alternative zum Ange- stelltenstatus und machen sich selbstständig. Schon in den Jahren 2003 und 2004 führte die Einführung der so- genannten Ich-AG zu einem Gründungsboom, der ganz sicher nicht einem plötzlich überbordenden Ideenüber- schuss geschuldet war. Unternehmensgründungen haben laut KfW im Jahr 2009 krisenbedingt 560 000 Arbeitsplätze geschaffen – mehr als je zu vor. Die durchschnittliche Zahl der Stellen in neu gegründeten Unternehmen hat sich sprunghaft von 2,3 auf 3 – inklusive des Gründers oder der Gründe- rin – erhöht. Dass dieser Anstieg durchaus auch etwas mit prekären Verhältnissen zu tun hat, wird durch die zeitgleich dramatisch steigenden Insolvenzzahlen belegt. Gründungen sind einerseits ein Zeichen für Erneuerung; andererseits sind sie auch aus einer wirtschaftlichen Kri- sensituation heraus geboren. Nicht alle, aber einige der jungen Firmen treffen in der Gründungsphase auf Schwierigkeiten bei der Finan- zierung; das haben Sie zu Recht in Ihrem Antrag er- wähnt. Ein Viertel der neu gegründeten FuE-intensiven Hightech-Unternehmen gab bei den Befragungen durch die KfW Finanzierungsprobleme zu Protokoll, deutlich seltener übrigens im Bereich innovativer Dienstleistun- gen und Software. Das entscheidende Problem sind je- doch nicht die fehlenden Wagniskapitalgeber. Der Markt für Private Equity und Wagniskapital sei wieder auf dem Vorkrisenstand angekommen, so teilte der Bundesver- band Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften im August mit. Man sei auf dem bestem Wege zu einer Boomphase, insbesondere durch krisenbedingt günstige Einstiege in die Unternehmen. Hier liegen die Probleme also nicht, zumal bereits die letzte Koalition mit dem Wagniskapitalbeteiligungsgesetz den entscheidenden Durchbruch erzielen wollte und der Venture-Capital- Branche Steuergeschenke gemacht hat. Für die große Menge der Gründerinnen und Gründer kommen Venture-Capital-Fonds gar nicht als Finanzierer in Betracht. Am häufigsten tragen Bankkredite zur Gründungsfinanzierung bei. Dies bestätigen nicht nur di- verse Studien, sondern auch ein Bericht des Büros für Technikfolgenabschätzung beim Bundestag zu akademi- schen Spin-offs. Dazu schweigt der schwarz-gelbe An- trag. Doch an diesem Punkt hat sich die Lage tatsächlich verschlechtert und bleibt auch im Aufschwung proble- matisch. Obwohl Geld von den Zentral- und Notenban- ken so billig ist wie noch nie, verlangen die Banken hohe und höchste Sicherheiten gerade von jungen und kleinen Unternehmen. Dies bestätigen auch die Aussagen der Gründerinnen und Gründer im Gründungspanel der KfW: Sie nannten vor allem zu hohe geforderte Sicher- heiten und zu hohe Zinsen als Gründe für die Ablehnung von Kreditfinanzierungsangeboten. Meine Fraktion hat bereits im vergangenen Dezember einen Antrag eingebracht, der die Bundesregierung auf- fordert, endlich etwas gegen die Kreditklemme zu tun. Die Lage heute wird zwar unterschiedlich beurteilt. Als sicher kann jedoch gelten, dass die neuen Finanzierungs- regeln nach Basel III mit noch einmal verschärften Si- cherheitsanforderungen die Lage verschlechtern werden. Wenn Sie etwas für die Finanzierung von Gründungen tun wollen, dann verbessern Sie die Kreditversorgung von kleinen und mittleren Unternehmen. Warum erlau- ben Sie etwa der KfW nicht, Förderkredite direkt auszu- zuzahlen, ohne über Pleitegeier wie die IKB gehen zu müssen? Der Kern Ihres Antrags scheint jedoch darin zu beste- hen, sich gegenseitig noch einmal zu versichern, dass eine steuerliche Förderung privater Forschungs- und Entwick- lungstätigkeit noch nicht ganz vom Tisch ist. Wir Linke unterstützen die öffentliche Gründungsförderung von KMU, insbesondere in strukturschwachen Regionen. Viele Studien zeigen, wie wichtig staatliche Unterstüt- zung bei den ersten Schritten in die Selbstständigkeit ist. Auch und gerade deswegen sind wir gegen eine steuerli- che FuE-Subvention. Natürlich nehmen die Unternehmen diese gern mit. Aber das geringste Problem, das Gründe- rinnen und Gründer in der verlustreichen Anfangszeit ha- ben, sind zu hohe Steuern. Und auch ein kleiner Bonus hilft ihnen wenig. Was jedoch nachweislich über diese Gründungsphase hilft, ist eine beratungsintensive Förde- rung, wie sie in vielen Programmen des Wirtschafts- und des Forschungsministeriums, etwa im Rahmen des High- tech-Gründerfonds, der Programme „Unternehmen Re- gion“ oder des Zentralen Innovationsprogramms für den Mittelstand, ZIM, vorgesehen ist. Besonders im Osten sind diese Programme nicht nur aus finanziellen Gründen überlebenswichtig für die kleinen und mittleren Unter- nehmen. Wenn Sie im Rahmen der steuerlichen For- schungsförderung Milliarden Steuermindereinnahmen hinnehmen, dann lässt das unschwer erraten, welche Res- sorts und welche Förderprogramme dafür im Rahmen der Haushaltskonsolidierung bezahlen werden. Da die Koali- tion auf Drängen der Arbeitgeber- und Industrieverbände unbedingt auch die Großunternehmen mit den Segnungen der Steuerboni beschenken will, wird eine solche Förde- rung eine glatte Umverteilung von den KMU hin zu den ohnehin profitablen großen Technologiekonzernen sein. Bei all dem ist keineswegs sicher, dass die Anreize ausreichen, um diese Konzerne wirklich zu noch mehr Investition in Forschung und Entwicklung zu bewegen. Das Wort Mitnahmeeffekt ist zwar nicht ganz präzise, trifft aber in der Sache das Problem. Lassen Sie uns also gemeinsam über eine Verbesserung der Bedingungen für innovative Gründungen in Deutschland streiten; allge- 7834 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. November 2010 (A) (C) (D)(B) mein formulierte Schaufensteranträge voller Gemein- plätze helfen dabei nicht weiter. Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mit Ihrem Antrag stellen Sie der Regierung ein Zeugnis der Untätigkeit aus. Es ist nett, dass Sie sich selbst die Mühe machen, auf diese Mängel hinzuweisen, und dies nicht gänzlich der Opposition oder den Wirtschaftsweisen überlassen. Diese haben ja gestern deutliche Worte der Kritik gefunden, dass der momentane Aufschwung noch auf die Vorarbeit der vorigen Bundesregierungen zu- rückzuführen ist und echte Strukturreformen überfällig sind. Dieser Antrag ist leider keinesfalls ein energischer Schritt in die richtige Richtung. Nach einem langen Jahr leerer Versprechungen und mutloser Politik legen Sie nun dieses „Anträgchen“ vor. Eine Aneinanderreihung von Allgemeinplätzen und An- kündigungen. Gänzlich ohne konkrete Vorschläge. Wem wollen Sie denn mit diesen müden Absichtserklärungen noch etwas vormachen? Sie kümmern sich mit Ihrer Politik nicht um den Mittelstand, Sie kümmern sich nicht um die Gründer, Sie kümmern sich nicht um die kleinen, mutigen, innovativen Unternehmen in unserem Land. Sie kümmern sich gewöhnlich lieber um die großen Fische: um die Autoindustrie, die Energiekonzerne und die Hoteliers. Aber das reicht nicht. Wer Innovationen haben will, wer für Beschäftigung und Wachstum sorgen will, wer neue Ideen verwirkli- chen und Potenziale heben will, der braucht den Mittel- stand und die Existenzgründungen. Und der muss es ernst meinen. Sie nehmen die kleinen und mittleren Un- ternehmen, die mutigen Gründer aus Forschung und Wissenschaft und die innovativen Unternehmen mit die- sem Antrag nicht ernst. Denn Ernstnehmen heißt Ver- sprechen halten. Und Sie lösen die entsprechenden Ver- sprechen aus Ihrem Koalitionsvertrag immer noch nicht ein. Wir wollen aber nicht länger warten. Deshalb haben wir heute einen Antrag in die Bereinigungssitzung zum Bundeshaushalt 2011 im Haushaltsausschuss einge- bracht, dem die Regierungsfraktionen zustimmen müss- ten, wenn sie ihren eigenen Koalitionsvertrag ernst neh- men würden. Darin fordern wir eine Steuergutschrift von 15 Prozent auf alle Forschungs- und Entwicklungsausga- ben von Unternehmen bis 250 Mitarbeitern. So können wir gezielt forschungsintensive, innovative kleine und mittlere Unternehmen fördern und unterstützen Ideen dort, wo sie entstehen und zügig umgesetzt werden kön- nen. Für eine Existenzgründung bedeutet die Steuergut- schrift in einer anfänglichen Verlustphase zusätzliches Kapital und erleichtert somit die Gründungsfinanzie- rung. Die bestehende Forschungsförderung benachteiligt massiv kleine und mittlere Unternehmen. Antragsver- fahren sind aufwendig und kompliziert, viele innovative Ideen können nicht gefördert werden, weil es kein ent- sprechendes Programm gibt. Das Ergebnis: Kleine und mittlere Unternehmen bestreiten nur 15 Prozent der For- schungs- und Entwicklungsausgaben der Wirtschaft in Deutschland, obwohl sie über 95 Prozent aller Unterneh- men ausmachen. So verspielen Sie mit Ihrer Politik der Untätigkeit wertvolle Potenziale und Wachstumschan- cen. Mit der Hightech-Strategie startete die große Koali- tion 2006 ein ehrgeiziges Projekt, um ein nationales Ge- samtkonzept für Forschung und Innovation voranzubrin- gen. Leider haben Sie sich an diesem Projekt etwas verhoben. Denn weder Schwarz-Rot noch Schwarz-Gelb haben sich getraut, ihre Förderung auf einzelne strate- gisch wichtige Projekte zu konzentrieren, sondern woll- ten es wieder allen recht machen. Dieses Gießkannen- prinzip ist aber heute nicht mehr finanzierbar. Deshalb ist erst einmal gar nichts passiert. Wiederholt mahnte die unabhängige Expertenkommission Forschung und Inno- vation (EFI) deutlich mehr Konzentration an. Aber das Förderungsprofil blieb leider sehr diffus. Tonangebend scheint bei der Themenfindung nicht die Politik, nicht Ihre parlamentarische Arbeit zu sein, sondern das Minis- terium mit den jeweils im Hintergrund stark vernetzten Lobbygruppen. Und weil die Regierung kein offenes Ohr für den Mittelstand fand, blieb für ihn leider wenig übrig. Sie schlagen in ihrem Antrag vor, den jungen Techno- logieunternehmen den Zugang zu Wagniskapital zu er- leichtern und privates Kapital für den Venture-Capital- Markt zu mobilisieren. Aber dann verraten Sie uns doch bitte, wie sie dies machen wollen. Die grüne Bundes- tagsfraktion hat die große Koalition vor über drei Jahren aufgefordert, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die steuerlichen Bedingungen für Hochtechnologie-Grün- dungen, junge hochinnovative Unternehmen und der sie finanzierenden Wagniskapitalgeber verbessert. Durch ein solches Vorgehen könnte man die innovativen und forschungsintensiven kleinen und mittelständischen Un- ternehmen gezielt bei ihrer Finanzierung und auf ihrem mutigen Weg unterstützen. Auch hierauf gibt Ihr Antrag keine Antwort. Sie wollen den Wissens- und Technologietransfer aus den Hochschulen in Form von Existenzgründungen ver- bessern. Aber ohne eine zusätzliche finanzielle und per- sonelle Ausstattung der Universitäten ist dies als neue in Ihrem Antrag geforderte „Kernaufgabe“ der Hochschu- len kaum zu leisten. Auch hier fehlt eine konkrete Um- setzungsstrategie in ihrem Antrag. Sie nennen in Ihrem Antrag das Ziel, das Insolvenz- verfahren stärker auf Sanierung und Neustart auszurich- ten. Mit einer kontrollierten Neuordnung des Unterneh- mens in einem Insolvenzplanverfahren kann vieles gerettet werden. Aber warum wird in Ihrem Antrag kein einziges, von Ihnen angekündigtes, Instrument genannt? Und warum schwächen Sie mit Ihren Beschlüssen im Haushaltsbegleitgesetz die Position des Insolvenzver- walters, indem der Fiskus insolventen Unternehmen Liquidität entzieht? Dies ist der falsche Weg, weil da- durch die Sanierung und Fortführung von Betrieben ge- fährdet wird. Die Fleißarbeit dieser mehrseitigen Aufzählung von vagen Absichtserklärungen hätten Sie sich sparen kön- nen und hätten uns stattdessen lieber konkrete Vor- schläge geboten. Es ist Ihnen auf jeden Fall nicht gelun- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. November 2010 7835 (A) (C) (D)(B) gen, von der Untätigkeit ihrer eigenen Fraktionen und ihrer Regierung abzulenken, die sich weder für die klei- nen und mittleren Unternehmen noch für die Gründer stark macht und somit ein großes Potenzial innovativer Lösungen und Produkte aus Forschung und Wissen- schaft verschenkt. Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Schutz der biologi- schen Vielfalt – Die Taxonomie in der Biologie stärken (Tagesordnungspunkt 19) Ewa Klamt (CDU/CSU): Der Verlust der biologi- schen Vielfalt stellt gemeinsam mit dem Klimawandel das größte Umweltproblem des 21. Jahrhunderts dar. In beiden Feldern stehen wir nicht nur vor einer komplexen Aufgabe, sondern zudem unter enormem Zeitdruck, denn der Verlust zahlreicher Arten schreitet stetig voran. Die Taxonomie der Biologie leistet einen wichtigen Beitrag zum Schutz der Biodiversität. Beide, Taxonomie und Biodiversitätsforschung, sind wichtige Bereiche der Grundlagenforschung. Sowohl das Bundesministerium für Bildung und Forschung als auch das Bundesumwelt- ministerium tragen dieser Bedeutung mit einer Vielzahl von Programmen und Initiativen bereits Rechnung. So fördert das Bundesministerium für Bildung und For- schung seit circa 10 Jahren im Rahmen der Projektförde- rung den Biodiversitätsbereich mit einem Jahresbudget von über 10 Millionen Euro. Unter anderem wird das Projekt „Netzwerk & Forum zur Biodiversitätsfor- schung“ als strukturelle Unterstützung der deutschen Wissenschaft gefördert. Zum einen bietet dieses Projekt Informationen und Hilfestellungen zur Verknüpfung ver- schiedener Disziplinen sowie Zugang zu nationalen und internationalen Forschungsprogrammen an. Zum anderen wird eine direkte Schnittstelle zu Politik und Öffentlich- keit geschaffen, die die Wahrnehmung von Biodiversi- tätsforschung maßgeblich erhöhen soll. Denn zu Recht versteht sich die Biodiversitätsforschung als interdiszi- plinäre Wissenschaft, die neben den klassischen biolo- gisch orientierten Disziplinen wie der Taxonomie oder Ökologie auch einen starken Anteil gesellschaftswissen- schaftlicher und ökonomischer Aspekte und Disziplinen einbezieht. Mit der Konferenz „Biodiversitätsforschung – Mei- lensteine zur Nachhaltigkeit“ vom März dieses Jahres hat das Ministerium für Bildung und Forschung die öf- fentliche Wahrnehmung gezielt auf das Thema der Bio- diversität gelenkt. Im Blickpunkt dieser Konferenz stand das Forschungsprogramm BIOLOG, „Biodiversität und globaler Wandel“, des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, das die biologische Vielfalt unter dem Einfluss von Klima- und Landnutzungsänderungen un- tersucht hat. Die aus diesem Programm erlangten Er- kenntnisse wurden in Handlungsoptionen zusammenge- tragen, die sowohl den Schutz der Biodiversität als auch die Einkommenssicherung im Blick haben. Die Biodiversitätsforschung ist zudem ein wichtiger Bestandteil des Forschungsrahmenprogramms „For- schung für nachhaltige Entwicklung“, welches das Bun- desministerium für Bildung und Forschung mit 2 Mil- liarden Euro fördert. 2008 wurde außerdem der Leibniz-Verbund Biodiver- sität, LVB, gegründet. Dieser bündelt die Kompetenzen von 28 Leibniz-Einrichtungen der Umwelt-, Sozial-, Lebens-, Raum- und Wirtschaftswissenschaften. Wis- senschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Instituten und Forschungsmuseen erfassen und dokumentieren die Viel- falt des Lebens, forschen an Themen von großer gesell- schaftlicher Relevanz, informieren kompetent die Öf- fentlichkeit und beraten die Politik bei der Entwicklung und Umsetzung ihrer Biodiversitätsziele. Von zentraler Bedeutung bei Entscheidungsprozessen in den Bereichen Natur- und Artenschutz ist der Zugriff auf Informationen über Vielfalt und Verschiedenartigkeit von Genen, Arten, Tier- und Pflanzengesellschaften. Deshalb fördert das BMBF bereits seit 2002 im Bereich der Mobilisierung von Biodiversitätsdaten und Biodiver- sitätsinformatik den Auf- und Ausbau der deutschen Komponenten der Global Biodiversity Information Faci- litiy, GBIF. Die internationale Initiative zu GBIF hat die Vernet- zung und freie Verfügbarmachung der weltweit vorhan- denen Daten zur biologischen Vielfalt per Mausklick und für jedermann über das Internet zum Ziel. GBIF soll zunächst vor allem wissenschaftliche Biodiversitätsda- ten, primär mit Bezug auf Arten, liefern. Weiterhin soll GBIF die Zusammenstellung, Verknüpfung, Standardi- sierung, Digitalisierung und globale Verbreitung der Bio- diversitätsdaten der Welt fördern, koordinieren, entwi- ckeln und einführen. Deutschland ist eines der Grün- dungsmitglieder von GBIF. Unter Federführung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung werden derzeit in Deutschland sieben GBIF-Knoten eingerich- tet, die sich an großen Organismengruppen orientieren. Mithilfe dieser Knoten werden die in Deutschland vor- handenen Biodiversitätsinformationen erfasst, digitali- siert, angeboten und durch Vernetzung mit weiteren Da- tenbanken vereint. Im Bereich der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses insgesamt sind seit der vergangenen Legis- laturperiode die Maßnahmen erheblich ausgebaut wor- den: Mit dem Pakt für Forschung und Innovation sollen die Zuschüsse für die gemeinsam mit den Bundesländern geförderten Forschungseinrichtungen in den Jahren 2011 bis 2015 jährlich um fünf Prozent steigen. Dazu gehören Fraunhofer-Gesellschaft, Helmholtz-Gemeinschaft, Max- Planck-Gesellschaft und Leibniz-Gemeinschaft sowie die Deutsche Forschungsgemeinschaft. Von der Erhö- hung dieser Zuschüsse profitieren indirekt auch die DFG- Programme zur Förderung des wissenschaftlichen Nach- wuchses. Zusätzlich wurden die Promotionsstipendien der zwölf durch das Ministerium für Bildung und For- schung unterstützten Begabtenförderungswerke qualita- tiv wie quantitativ ausgebaut. In diesem Jahr ging zudem die Exzellenzinitiative in die dritte Runde. Das Fördervo- lumen wurde um 30 Prozent auf rund 2,7 Milliarden Euro 7836 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. November 2010 (A) (C) (D)(B) mit einer Laufzeit bis 2017 gesteigert. Die Bundesregie- rung will mit der Fortsetzung der Exzellenzinitiative den Wissenschaftsort Deutschland nachhaltig stärken, seine internationale Wettbewerbsfähigkeit verbessern und Spit- zenforschung an deutschen Hochschulen sichtbar ma- chen. Mit ihren Vorgaben haben Bund und Länder dafür gesorgt, dass auch die „kleinen Fächer“ profitieren und eine faire Chance erhalten. Die Bedingungen für den wissenschaftlichen Nach- wuchs insgesamt, also auch im Bereich der Taxonomie, sind in Deutschland daher so gut wie nie. Davon profi- tiert auch die taxonomische Forschung. Ein „Sonderpro- gramm“ für den Taxonomie-Nachwuchs halten wir vor diesem Hintergrund für ein falsches Signal. Eine Verla- gerung von Kapazitäten und begrenzten Mitteln könnte nur zulasten anderer wichtiger Forschungsbereiche voll- zogen werden. Dies erscheint uns in Anbetracht der be- reits bestehenden Programme nicht angemessen. Josef Göppel (CDU/CSU): Vor nicht einmal zwei Wochen ging die Konferenz zum Schutz der biologi- schen Vielfalt in Japan mit einem Erfolg zu Ende. In Na- goya konnte ein strategischer Plan für die Jahre 2011 bis 2020 beschlossen werden, und bei dem ABS-Protokoll zum gerechten Vorteilsausgleich ist man ein gutes Stück vorangekommen. Das ABS-Protokoll ermöglicht Zu- gang zu den Ressourcen in den tropischen Regionen, eine Beteiligung der Länder des Südens am ökonomi- schen Gewinn und für die Unternehmen Rechtssicher- heit, wie zum Beispiel für die Pharmaindustrie, die den Artenreichtum der Regenwälder zur Entwicklung neuer Medikamente nutzen möchte. Mit diesem Vorteilsaus- gleich ist auch eine Bewahrung und Weiterentwicklung des traditionellen Wissens verbunden. Ich selbst konnte an der Konferenz in Nagoya und an der Gründung eines internationalen Netzwerkes der Sa- toyama-Initiative teilnehmen. „Satoyama“ ist eine Initia- tive aus Japan, die zum Ziel hat, den Artenschutz in Kul- turlandschaften zu fördern. Als politischer Begriff meint „Satoyama“ die Nutzung des Landes in Harmonie mit der Natur, das, was die westliche Welt „nachhaltige Nut- zung“ nennt. Ich hatte Gelegenheit, bei einer Exkursion ein typisches Satoyama-Projekt kennenzulernen, „Sen- maida“: die „Tausend Reisfelder“ von Yotsuya im Gebiet der Stadt Shinshiro östlich von Nagoya. Von vier steilen und bewaldeten Bergen umgeben, liegen dort 420 Ter- rassenreisfelder, die im Einklang mit der Natur bewirt- schaftet werden. Eine Initiative mit Vorbildcharakter, die Mut macht. Das darf uns nicht darüber hinwegtäuschen, dass Ja- pan die gleichen Probleme mit dem Verlust der biologi- schen Vielfalt hat wie Deutschland, wie Europa und all die anderen Länder. Das Artensterben ist vor allem auf landwirtschaftlichen Flächen besonders ausgeprägt und schreitet mit dem Verlust ursprünglicher und naturnaher Wälder sowie mit der Überfischung der Weltmeere wei- ter voran. Das Satoyama-Beispiel zeigt mir deutlich, wie wich- tig es ist, den Biodiversitätsschutz in den Alltag und un- ser wirtschaftliches Handeln einzubetten. Biologische Vielfalt ist nichts Entferntes; der Artenreichtum der Erde ist das Netz, das uns täglich trägt. Es muss deshalb in un- serem Interesse liegen, die Natur und unsere Lebens- grundlagen zu schützen. Unser fraktionsübergreifender Antrag „Biologische Vielfalt für künftige Generationen bewahren und die natürlichen Lebensgrundlagen si- chern“ hat gezeigt, dass wir als Abgeordnete im Deut- schen Bundestag mit so wichtigen Fragen wie dem Schutz der Artenvielfalt verantwortungsvoll umgehen und gemeinsam handlungsfähig sind. Was den Schutz der biologischen Vielfalt angeht, sollten wir nicht hinter die Forderungen dieses Antrags zurückgehen. Genau diese Gefahr sehe ich in dem Antrag „Die Taxonomie in der Biologie stärken“. Fast alles, was Sie in dem Antrag zu biologischer Vielfalt geschrieben haben, könnte ich sofort unter- schreiben. Dennoch sehe ich zwischen dem, was Sie zur biologischen Vielfalt schreiben, und dem, was Ihre da- raus abgeleiteten Handlungsempfehlungen sind, eine Diskrepanz. Ob die Stärkung der Taxonomischen Lehr- stühle die richtige Antwort auf die Herausforderungen des Artenschwundes ist, darüber kann man streiten. Die Taxonomie wurde von Carl von Linné im 18. Jahrhun- dert begründet, einer Zeit, in der die Grundlagenfor- schung in der Botanik und Zoologie in den Kinderschu- hen steckte. Mit der von ihm geschaffenen Einteilung der Pflanzen und Tiere hat er Grundlagen für die heutige Forschung und das Verständnis für Natur und die Zu- sammenhänge zwischen den einzelnen Arten gelegt. Die naturkundlichen Sammlungen entstanden in dieser Zeit und sind ein wertvolles wissenschaftliches und kulturel- les Erbe. Ich finde Ihren Antrag vor dem Hintergrund diskussionswürdig, dass das Leipziger Naturkundemu- seum wegen Geldmangel geschlossen werden soll. Wenn Sie mit Ihrem Antrag darauf abzielen, sollte man an an- derer Stelle darüber reden. Meine Kollegin Frau Klamt hat bereits deutlich gemacht, wie der Schutz der biologi- schen Vielfalt und der entstehende Forschungsbedarf ab- gedeckt werden sollen. Der beste Weg zum Schutz des Artenreichtums in Deutschland ist die Umsetzung der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt, NBS. Die Umsetzung dieser Nationalen Strategie soll in den kommenden Jahren aus Sicht des Bundesumweltministeriums durch ein neues Bundesförderprogramm gezielt unterstützt werden. Als mögliche Förderschwerpunkte werden „Arten in beson- derer Verantwortung Deutschlands“, „Hotspots der biolo- gischen Vielfalt in Deutschland“ und „Ökosystemdienst- leistungen“ genannt. Mit der Artenvielfalt setzen sich viele Wissenschaftszweige auseinander. Es ist schwer zu vermitteln, warum hier der Bereich Taxonomie eine be- sondere Bevorzugung erhalten soll. Zu den Projektförder- aktivitäten kommt ganz maßgeblich die institutionelle Förderung der Forschungsmuseen der Leibniz-Gemein- schaft mit 50 Prozent des dortigen Forschungsaufwandes durch den Bund hinzu. Diese Museums- und Bildungsbe- reiche können aufgrund der Zuständigkeit der Länder nicht weitergehend mit Bundesmitteln gefördert werden. Wir sollten unsere Kräfte auf die wesentlichen Aufga- ben konzentrieren. Dazu gehört die Umsetzung der na- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. November 2010 7837 (A) (C) (D)(B) tionalen Biodiversitätsstrategie. Ich empfehle deshalb, den Antrag an die entsprechenden Ausschüsse zu über- weisen. Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Die General- versammlung der Vereinten Nationen hat im Dezember 2006 beschlossen, das Jahr 2010 zum Internationalen Jahr der Biodiversität zu erklären. Sie tat dies aus tiefer Besorgnis über die sozialen, ökonomischen, ökologi- schen und kulturellen Konsequenzen des Biodiversitäts- verlustes und mit der Hoffnung, dass die Staaten und anderen Akteure von dieser Gelegenheit profitieren wür- den, um das Bewusstsein für die Wichtigkeit der Biodi- versität zu stärken und lokale, regionale und internatio- nale Aktionen durchzuführen. Biodiversität meint die Vielfalt des Lebens und damit insbesondere auch die Vielfalt der Arten (Tiere, Pflanzen, Pilze). Die SPD- Bundestagsfraktion hat nicht zuletzt auch das Internatio- nale Jahr der Biodiversität 2010 zum Anlass genommen, um mit ihrem Antrag „Stärkung der Grundlagenfor- schung der biologischen Taxonomie und Stärkung der Biodiversitätsforschung zum Schutz der biologischen Vielfalt“ das Thema auf die politische und parlamentari- sche Agenda zu setzen. Lassen Sie mich eingangs eine Frage stellen: Was schätzen Sie, wie viele Tierarten es in Deutschland gibt? Laut einer Untersuchung des Bundesamtes für Natur- schutz gab es 2004 in etwa 48 000 Tierarten in Deutsch- land. Davon zählen allein 33 300 Arten zu den Insekten. Wirbeltierarten, also zum Beispiele Rehe, Füchse, Frösche, Vögel oder Fische, existieren bei uns hingegen nur knapp über 700. Verglichen mit anderen Regionen auf dieser Erde, wie zum Beispiel den Tropen, zählt Deutschland eher zu den Gebieten mit einer geringeren Artenvielfalt. Zur Orientierung: Von den zehn Staaten auf der Erde mit der reichsten Tier- und Pflanzenwelt lie- gen allein fünf Länder im Amazonasbecken: Venezuela, Kolumbien, Ecuador, Peru und Brasilien. Nachgewiesen sind auf unserer Erde circa 1,5 bis 1,75 Millionen Pflanzen- und Tierarten. Schätzungen ge- hen aber davon aus, dass es weltweit mindestens zwi- schen 13 und 20 Millionen Arten gibt. Denn viele sind einfach noch nicht entdeckt und wissenschaftlich einge- ordnet worden. Gleichzeitig sterben täglich auch 2 bis 130 Arten aus. Da jede Art ihre Rolle innerhalb des Öko- systems hat, geht dabei nicht nur die Art in ihrer Einzig- artigkeit unwiderruflich verloren, sondern kann im Zweifel auch das gesamte System geschwächt werden. Taxonomie in der Biologie ist die systematische Be- stimmung und Einteilung von Tieren und Pflanzen in Kategorien wie Familie, Gattung und Art. Viele andere Wissenschaftsdisziplinen bauen auf deren Erkenntnissen auf. Taxonomie ist also zumeist Grundlagenforschung, die allerdings vor besonderen Herausforderungen steht. Aufgrund der vorwiegend beschreibenden Arbeit über vorhandene Arten in einem bestimmten Gebiet ohne die ansonsten in der Wissenschaft übliche Forschungshypo- these ist es für Vertreterinnen und Vertreter der Taxono- mie in Deutschland besonders schwierig, Forschungs- mittel einzuwerben. Durch den Föderalismus und die daraus resultierenden unterschiedlichen Ansprechpartner und Forschungsförderer wird die Arbeit der Taxonomen in Deutschland ebenfalls erschwert. Aus diesem Grund sind spezielle auf die Taxonomie zugeschnittene For- schungsprogramme notwendig. Zudem macht sich be- reits heute ein Mangel an wissenschaftlichem Nach- wuchs in der Taxonomie bemerkbar. Auch diesem Trend muss entgegengewirkt werden. Die SPD-Bundestagsfraktion fordert mit diesem An- trag, den wir heute in erster Lesung beraten, die Bundes- regierung auf, sich gemeinsam mit den Bundesländern auf ein Konzept für eine bessere Ausstattung der natur- kundlichen Museen und Sammlungen zu verständigen. Darüber hinaus wird die Bundesregierung aufgefordert, Strukturen zu unterstützen und gegebenenfalls aufzu- bauen, die den wissenschaftlichen Nachwuchs im Be- reich der Taxonomie unterstützen und fördern. Letztlich können wir diese Fragen aber nicht allein auf nationalstaatlicher Ebene lösen. Daher wird die Bun- desregierung darüber hinaus aufgefordert, ein mit den Bundesländern und der Europäischen Kommission abge- stimmtes Bundesforschungsprogramm für die biologische Taxonomie ins Leben zu rufen, welches Infrastrukturen, Datenbanken, Forschungsprojekte und Koordinierungs- strukturen langfristig finanziell unterstützt. Auf europäi- scher Ebene beginnen derzeit die Verhandlungen zum 8. Forschungsrahmenprogramm. Die Bundesregierung wird daher mit diesem Antrag aufgefordert, dass die Biodiversitätsforschung und dabei auch die Taxonomie im 8. Forschungsrahmenprogramm sichtbar ausgebaut wird. Ich freue mich auf die gemeinsamen Beratungen in den Ausschüssen und möchte schon heute bei allen Frak- tionen um die Zustimmung zu diesem Antrag werben. Dr. Matthias Miersch (SPD): Die 10. Vertragsstaa- tenkonferenz des Übereinkommens über die biologische Vielfalt in Nagoya hat sehr deutlich gemacht, wie eng der Schutz von terrestrischen und marinen Lebensräu- men und Arten, ihre nachhaltige Nutzung und vor allem der gerechte Vorteilsausgleich zwischen Industrie- und Entwicklungsländern zusammenhängen. Ohne eine faire Regelung über den Zugang zu genetischen Ressourcen und der gerechten Gewinnbeteiligung bei der Nutzung dieser Ressourcen wird es langfristig keinen Schutz der Lebensräume und Arten, vor allem in den Entwicklungs- und Schwellenländern, geben. Dieser Erkenntnis haben sich die Vertragsstaaten in Nagoya verpflichtet; diese gilt es jetzt auch endlich mit Leben zu füllen und umzuset- zen. Diese Erkenntnis setzt aber inhaltlich voraus, dass es genug Haupt- und Ehrenamtliche gibt, die eine gute Ar- tenkenntnis besitzen und sich in der Pflanzen- und Tier- systematik auskennen. Ohne den Unterbau an fundierter Sachkunde sind die ehrgeizigen Ziele zum Schutz und Erhalt der Natur nicht zu halten. Hier gibt es zunehmend Engpässe – sowohl bei der Erfassung der Arten außer- halb Deutschlands, insbesondere in tropischen Gebieten, als auch innerhalb Deutschlands. Hier sind es hauptsäch- lich die Ehrenamtlichen, die das Arteninventar in schüt- zenswerten Gebieten kennen, aufnehmen und an die zu- 7838 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. November 2010 (A) (C) (D)(B) ständigen Naturschutzbehörden weiterleiten und so eine Bestandsaufnahme und darauf aufbauende wirkungs- volle Kontrolle erst möglich machen. Die Naturschutzbehörden haben durch Stellenstrei- chungen massiv an qualifizierten Mitarbeitern und Mit- arbeiterinnen verloren. Der Trend hält leider nach wie vor an. Das führt dazu, dass die Erstellung der Roten Listen ohne die Zuarbeit der ehrenamtlichen Naturschüt- zer und Naturschützerinnen heutzutage gar nicht mehr möglich ist. Ein herzliches Dankeschön an alle ehren- amtlichen Naturschützer und ihre Dachverbände; aber langfristig ist das, bei steigenden Anforderungen an die Naturschutzbehörden, natürlich keine Lösung. Dieses Problem betrifft die Länder- und Kommunalverwaltun- gen, aber auch der Bund ist betroffen. Das Bundesamt für Naturschutz und die Naturschutzabteilung im Bun- desumweltministerium arbeiten bereits jetzt am Rande ihrer Kapazität. Wie soll auf dieser Basis ein wirksamer Schutz der biologischen Vielfalt erreicht werden? Wie meint die Bundesregierung, mit diesen Ressourcen ihre internationalen Zusagen einhalten zu können? Leider hat die Bundesregierung das Problem noch nicht angepackt. Im Bereich der Taxonomie muss ent- schieden gegengesteuert werden. Beim Bundesamt für Naturschutz fallen 2011 acht Stellen weg. Vor dem Hin- tergrund neuer Aufgaben, zum Beispiel beim Meeresnatur- schutz, oder durch die neuen Anforderungen, die sich aus dem Verhandlungsergebnis der 10. Vertragsstaaten- konferenz von Nagoya ergeben, ist dies ein Unding. Eine Entwicklung in die gegenteilige Richtung wäre das poli- tische Gebot der Stunde. Es bleibt zu hoffen, dass die Bundesregierung in Zukunft dem Schutz der Biodiversi- tät und der Bedeutung des Themas Taxonomie als Grundstein für den Erhalt der Natur einen größeren Stel- lenwert zuschreibt. Angelika Brunkhorst (FDP): Seit Jahren beklagen gerade die Naturkundemuseen ihre schlechte finanzielle und sächliche Ausstattung. Dies führt dazu, dass ihre Sammlungen infolge Geldmangels größtenteils nicht ge- zeigt und erforscht werden können. Noch viel gravieren- der ist jedoch, dass der Nachwuchs bei den Taxonomen fehlt. Bundesweit mangelt es an Lehrstühlen, die eine ganzheitliche Forschung und Lehre der Artenvielfalt an- bieten. Taxonome klassifizieren Lebewesen aus Flora und Fauna nach ihren Merkmalen in ein Ordnungssys- tem. Nur wer umfassend um die Arten und deren Funk- tion innerhalb der Ökosysteme weiß, kann sie bewahren. Die Wissenschaftler leisten damit einen bedeutenden Beitrag zum Artenschutz. Rund zwei Millionen Arten sind bis heute bestimmt und erfasst. Schätzungen gehen davon aus, dass über 90 Prozent aller Arten weltweit noch immer unbekannt sind. Millionen von Tieren und Pflanzen sind somit un- beschrieben. Dies hat zur Folge, dass die meisten Arten, unerforscht und unbekannt aussterben. Im Hinblick auf die Verfügbarkeit pflanzlicher Wirk- stoffe als Heilmittel ist der Schutz der Artenvielfalt ein wichtiger Beitrag zur Bekämpfung von Krankheiten. Be- reits heute ist die Natur Vorbild für Hightechprodukte und hält Optionen für innovative Produkte in der Zu- kunft bereit. Viele Pflanzen- und Tierarten beinhalten oder produzieren Wirkstoffe, die uns neue Ansätze bei der Behandlung von Erkrankungen eröffnen könnten. Diese gilt es zu erforschen, bevor sie uns verloren gehen. Jährlich werden alleine in Lebewesen der Meere Hun- derte Naturstoffe entdeckt, die beispielsweise bei der Krebstherapie, im Kampf gegen das HI-Virus oder den Malariaerreger neue Perspektiven eröffnen. Die Vereinten Nationen haben das Jahr 2010 zum In- ternationalen Jahr der Biodiversität erklärt. Ziel ist es, eine größere Sensibilität für die Vielfalt und die Schutz- bedürftigkeit des Lebens auf der Erde zu schaffen. Nach langen vergeblichen Bemühungen um ein tragfähiges Konzept gegen das Artensterben konnten wir vor weni- gen Tagen beim UNO-Gipfel in Nagoya einen großarti- gen Erfolg für mehr internationalen Artenschutz verbu- chen. Dies war dringend notwendig, da alle bisherigen Anstrengungen im Sande verliefen. Die Natur ist unser größter Schatz. Wir stehen unverändert in der Pflicht, entschlossen und umsichtig die natürlichen Lebens- grundlagen zu schützen und die Lebensqualität nachfol- gender Generationen in ökologischer, ökonomischer und sozialer Hinsicht zu bewahren und weiterzuentwickeln. Auch ist es unsere Aufgabe unseren Kindern und Kin- deskindern eine artenreiche Natur zu hinterlassen, so- dass auch sie noch von den Ökosystemdienstleistungen der Natur profitieren können. Hierfür benötigen wir hochqualifizierte Spezialisten im Bereich der Taxono- mie. Der Nachwuchsmangel in Deutschland ist eklatant. Die vielen zoologischen und botanischen Einrichtungen haben es verdient, dass ihre Arbeit auch weiterhin wis- senschaftlich fundiert untermauert wird. Dr. Petra Sitte (DIE LINKE): 2010 wurde von den Vereinten Nationen zum Jahr der biologischen Vielfalt ausgerufen. Die durch den Menschen verursachte Zer- störung der Artenvielfalt hat ein dramatisches Ausmaß angenommen. Bis zu 130 Arten sterben jeden Tag aus. Wie der vorliegende Antrag richtig beschreibt, zieht die- ser Prozess Konsequenzen für viele weitere Bereiche nach sich. So ist die Welternährung betroffen, weil Monokulturen, die übermäßige Bodennutzung und die Einengung des Sortenspektrums die Nahrungsketten vie- ler Millionen Menschen bedroht. 75 Prozent der im 19. Jahrhundert noch bekannten Kulturpflanzen und Nutztierarten sind inzwischen ausgestorben. Der Verlust an Biodiversität steht auch in engem Zu- sammenhang mit Themen der Energieversorgung, der Gesundheit und nicht zuletzt des Klimawandels. So ist etwa die biologische Vielfalt der Regenwälder essenziell für eine Abpufferung der klimatischen Veränderungen. Artenvielfalt sichert Schädlingsarmut, unterstützt die Kreisläufe von Wasser und Kohlenstoff und verhindert Bodenerosion. Es geht also, wenn wir die Dringlichkeit politischen Handelns gegen den Verlust der Artenvielfalt begründen, nicht nur um ethische Fragen. Die Forschung spricht in- zwischen von Biodiversitätsgütern und -dienstleistun- gen, also ganz utilitaristisch von Dingen, die wir als Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. November 2010 7839 (A) (C) (D)(B) Menschen existenziell zum Leben brauchen. Es ist zwar traurig, dass immer wieder in Studien der Wert der Bio- diversität in Dollar und Euro ausgerechnet werden muss, um die Gesellschaft für das Problem wachzurütteln. Diese Methode hat jedoch auch beim Klimawandel er- folgreich gewirkt. Trotz des komplexen Beziehungsgeflechts der Biodi- versität steht sie in der öffentlichen Aufmerksamkeit hinter Themen wie dem Klimawandel oder der Energie- versorgung zurück. Bereits 2001 hatte die EU den Stopp des Verlustes der Artenvielfalt bis 2010 beschlossen, ein Jahr später setzten sich die Vertragsstaaten des Überein- kommens über die biologische Vielfalt (CBD) das glei- che Ziel. Vor drei Wochen nun vereinbarten die Vertrags- staaten im japanischen Nagoya erneut, den weltweiten Artenschwund in den kommenden zehn Jahren zu stop- pen. Es bleibt jedoch unklar, wie diese hehren Vorhaben eigentlich überprüft werden können. Denn es fehlt an Wissen und Kategorien für die Artenvielfalt. Der Antrag der SPD-Fraktion weist daher zu Recht da- rauf hin, dass diese Lücken bestehen. Auch Institute der Forschungsorganisationen, namentlich der Helmholtz- und der Leibniz-Gemeinschaft, machen immer wieder darauf aufmerksam, wie wichtig es ist, die Prozesse des Verlustes der Biodiversität wissenschaftlich zu erfassen. Die sprichwörtliche Schmetterlings- und Schlangen- sammlung, die wir aus der Kolonialzeit kennen, hatte eher eine kulturelle Dimension der Entdeckung fremder Welten. Heute kommt der Taxonomie, die eine moderne, mit IT und Raumfahrt verknüpfte Wissenschaftsdisziplin ist, eine grundlegende Bedeutung im Kampf um unsere Lebensgrundlagen zu. Je fundierter die Kenntnis über die Prozesse der Pflanzen- und Tierwelt ist, um so präziser können wir Maßnahmen gegen das Artensterben planen und umsetzen. Trotz dieser Bedeutung ist die Taxonomie, also die Kartografie der Biodiversität, selbst eine fast vom Aus- sterben bedrohte Art der Biologie. Sie hat Schwierigkei- ten, sich im Kampf um Mittel und Ausstattung zu be- haupten. Ihre Forschungsgebiete können zumeist keine unmittelbare Anwendungsrelevanz behaupten. Wenn dieses Problem des wissenschaftlichen Substanzverlus- tes ernsthaft angegangen werden soll, muss der wissen- schaftliche Nachwuchs besonders gestärkt werden. Zwar gibt es auf deutscher und internationaler Ebene durchaus schlagkräftige Netzwerke der Biodiversitäts- forschung. Allerdings werden diese in Umfang und The- menstellung der Breite und Bedeutung des Themas noch nicht gerecht. Das BMBF etwa hat neben der institutio- nellen Förderung im laufenden Haushaltsjahr nur 8,5 Millionen Euro für Projekte der Biodiversitätsfor- schung verausgabt. Viele der im Antrag benannten For- schungsmuseen kämpfen gegen Mittelkürzungen. Wir unterstützen die Forderung der SPD, Forschungsinfra- strukturen und Datenbanken im Rahmen eines Bundes- forschungsprogramms langfristig finanziell abzusichern. Aber die Politik sollte nicht nur Geld für die Erfas- sung der Artenvielfalt und das Monitoring beisteuern. Wir müssen auch sagen, welchen Wissensbedarf wir selbst haben. Die Umsetzung der Strategie zur Erhaltung der Biodiversität muss auf der Grundlage des neuesten Standes wissenschaftlicher Erkenntnisse erfolgen. Denn solch eine Strategie wird in viele Bereiche unserer Le- bens- und Produktionsweise eingreifen, angefangen von der Flächennutzung bis zur Landwirtschaft oder dem lär- mintensiven Verkehrswesen. Forschung für Artenschutz ist mehr als Taxonomie. Wir brauchen auch eine ange- wandte Nachhaltigkeitsforschung und die enge Zusam- menarbeit von Wissenschaft und Politik. Krista Sager (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Taxonomie gehört zum Basiswissen für die Biodiversi- tätsforschung und damit für alle praktischen Maßnah- men, die auf biologische und ökologische Systeme zielen. Das Erkennen von Veränderungen im Ökosystem zum Beispiel bei der Artenzusammensetzung, beim Ver- schwinden von Arten oder dem Auftauchen von invasi- ven, gebietsfremden Arten und die Beurteilung ihrer Folgen sind wichtige Voraussetzungen dafür, dass Bio- diversitätsforschung als Frühwarnsystem funktionieren kann. Die Kenntnis der Arten und ihrer Eigenschaften in Inter- aktion mit ihrem Lebensraum ist unverzichtbar für jedes nachhaltige Populationsmanagment, ob im Naturschutz oder bei der Schädlingsbekämpfung. Artenkenntnis ist auch eine wichtige Grundlage, um zum Beispiel bei der Kooperation mit Entwicklungsländern, den optimalen Einsatz knapper Ressourcen für die Biodiversitätsfor- schung zu erreichen. Wenn für diese Aufgaben zuneh- mend die Expertinnen und Experten fehlen, wird Deutschland es schwer haben, seine Verpflichtungen aus dem Übereinkommen über die biologische Vielfalt (CBD) von 1993 zu erfüllen. Denn dieses hat im Prinzip die hinreichende Bereitstellung von Forschungsinfra- struktur und Forschungsressourcen zur Voraussetzung. Die wachsende Bedeutung der Biodiversitätsfor- schung nicht nur für den Erhalt der Artenvielfalt, son- dern auch für Ernährung, Land- und Forstwirtschaft, Kli- maschutz, Medizin, Pharmazie, Bionik bis hin zur Vorbereitung internationaler Schutzabkommen wird in- zwischen allgemein anerkannt. Die Biodiversitätsdebatte bietet im Prinzip auch gute Voraussetzungen, um die Taxonomie von ihrem etwas angestaubten Image zu be- freien und für wissenschaftliche Nachwuchskräfte wie- der interessanter zu machen. Das Handwerkszeug der Taxonomie ist zudem vielfältiger und anspruchsvoller geworden und reicht von der Molekulargenetik bis zur Teilnahme an Freilandexperimenten. Das Hauptproblem in der Biodiversitätsforschung ist sicherlich das Auseinanderklaffen von wissenschaftlicher Erkenntnis und praktischem Handeln. Gerade mit Blick auf die bevorstehende Umstellung der EU-Landwirt- schaftspolitik nach 2013 bekommen interdisziplinäre Praxisprojekte mit wissenschaftlicher Begleitung eine große Bedeutung. Gebraucht werden dafür zunehmend interdisziplinäre Teams mit Biologen, Taxonomen, Juris- ten und Ökonomen, die mit örtlichen politischen Akteu- ren und Praktikern kooperieren. Der Bund sollte durch ein entsprechendes Programm dafür sorgen, dass an Uni- versitäten und Forschungseinrichtungen in Deutschland 7840 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. November 2010 (A) (C) (D)(B) für jede Tier- und Pflanzenklasse mindestens ein spezifi- sches Kompetenzzentrum gesichert wird bzw. bestehende Lücken geschlossen werden. In diesem Kontext sollte die Nachwuchssicherung im Bereich Biotaxonomie gefördert werden. Für die Ausbil- dung und Forschung im Bereich Biotaxonomie, aber auch als DNA-Banken und Archive des Lebens haben Samm- lungen und Museen eine große Bedeutung. Der Leibniz- Verbund Biodiversitätsforschung umfasst 28 Leibniz- Einrichtungen. Es ist fraglich, ob eine fünfzigprozentige Bundesbeteiligung an der Finanzierung dieser nationalen Bedeutung noch entspricht, zumal der hohe Länderanteil zunehmend zur Entwicklungsbremse für diesen Bereich wird. Der Bund sollte auch auf internationaler Ebene ge- rade auch im Hinblick auf das deutsch-brasilianische Wissenschaftsjahr sich dafür einsetzen, dass die Möglich- keiten für die Grundlagenforschung für internationale Biodiversitätsforscher erleichtert und offener werden. Anlage 12 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2009/28/EG zur För- derung der Nutzung von Energie aus erneuer- baren Quellen (Europarechtsanpassungsgesetz Erneuerbare Energien – EAG EE) (Tagesord- nungspunkt 22) Dr. Maria Flachsbarth (CDU/CSU): Der Klima- schutz ist weltweit die herausragende umweltpolitische Herausforderung der Gegenwart. Er ist Vorsorge für eine langfristig tragfähige wirtschaftliche und ökologische Entwicklung. Um den Anstieg der durchschnittlichen Temperatur auf der Erde auf maximal 2 Grad Celsius ge- genüber dem vorindustriellen Niveau bis zum Ende die- ses Jahrhunderts zu begrenzen, ist es erforderlich, dass die Industriestaaten ihre Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2050 um mindestens 80 Prozent reduzieren. Deutschland verfolgt daher das Ziel, die nationalen Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2020 um 40 Pro- zent gegenüber 1990 und um 80 bis 95 Prozent bis zum Jahr 2050 zu reduzieren. Dies erfordert eine deutliche Steigerung der Energieeffizienz und Alternativen zu den herkömmlichen Energieträgern; diese Notwendigkeit wird auch durch die knapper werdenden fossilen Res- sourcen und den weltweit kontinuierlich steigenden Ener- giebedarf unterstrichen. Erneuerbare Energien sind nach menschlichen Maß- stäben unerschöpflich. In der Verantwortung gegenüber künftigen Generationen gilt es, vorhandene Ressourcen zu schonen und regenerative Energien zu nutzen. Durch die Nutzung heimischer erneuerbarer Energien wird zu- gleich die Importabhängigkeit von ausländischen Ener- gieträgern reduziert. Deutschland verfolgt daher das Ziel, den Weg in das regenerative Zeitalter zu gehen und zugleich die Technologieführerschaft bei den erneuerba- ren Energien auszubauen. Die christlich-liberale Koalition hat in Regierung und Parlament ein umfassendes Energiekonzept zur Sicher- stellung einer zuverlässigen, wirtschaftlichen und um- weltverträglichen Energieversorgung vorgelegt. Damit haben wir zum ersten Mal seit über 20 Jahren wieder ein ideologiefreies, technologieoffenes und marktorientier- tes Energieprogramm aus einem Guss, das alle energie- wirtschaftlich relevanten Bereiche anspricht und den Weg in das Zeitalter der erneuerbaren Energien weist. Mit dem Konzept soll das Energiesystem der Zukunft so gestaltet werden, dass Deutschland bei wettbewerbs- fähigen Energiepreisen und hohem Wohlstandsniveau eine der energieeffizientesten und umweltschonendsten Volkswirtschaften der Welt wird. Das Energiekonzept ist eine bis in das Jahr 2050 reichende Strategie, in der erst- malig der Weg in das Zeitalter der erneuerbaren Ener- gien konkret beschrieben wird. Ein hohes Maß an Ver- sorgungssicherheit, ein wirksamer Klima- und Umweltschutz sowie eine wirtschaftlich erfolgreiche Perspektive werden damit dauerhaft miteinander verbun- den. Wir holen das von der rot-grünen Bundesregierung Versäumte nach und stellen uns unserer Verantwortung. Im Energiemix der Zukunft sollen die erneuerbaren Energien den Hauptanteil übernehmen. Auf diesem Weg werden in einem dynamischen Energiemix die konven- tionellen Energieträger kontinuierlich durch erneuerbare Energien ersetzt. Dabei baut die Kernenergie eine Brü- cke auf dem Weg dorthin. Unser Konzept ist weltweit beispiellos, weil es lang- fristig angelegt ist und eine Vision für eine klimafreund- liche Energieversorgung bis zum Jahre 2050 schafft, weil es ein umfassendes und konkretes Maßnahmenpro- gramm enthält und seine Umsetzung solide finanziert ist. Wir zeigen damit konkret auf, wie wir den Weg in das Zeitalter der erneuerbaren Energien gehen wollen, wie er im Koalitionsvertrag festgelegt ist. Ein regelmäßiges und konsequentes Monitoring wird dazu dienen, Fehl- entwicklungen frühzeitig zu erkennen und zu korrigie- ren. Die neun Handlungsfelder des Energiekonzeptes der Bundesregierung beinhalten neben den Feldern Energie- effizienz, Kernenergie, Netzausbau, Herausforderung Mobilität oder energetische Gebäudesanierung die er- neuerbaren Energien. Letztere sollen als Ziel so dyna- misch ausgebaut werden, dass ihr Anteil am Energiever- brauch 30 Prozent bis 2030 und 60 Prozent bis 2050 beträgt. An der Stromversorgung soll der Anteil sogar auf 50 Prozent bis 2030 und 80 Prozent bis 2050 steigen. Im Zusammenhang mit dem Energiekonzept der Bun- desregierung wurde am 28. September 2010 auch das so- genannte Europarechtsanpassungsgesetz vom Bundeska- binett verabschiedet, dessen Entwurf wir heute beraten. Mit dem Europarechtsanpassungsgesetz setzen wir die EU-Richtlinie 2009/28/EG zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen – die sogenannte Erneuerbare-Energien-Richtlinie – in deutsches Recht um. Diese Richtlinie ist Teil des Europäischen Klima- und Energiepakets. Sie gibt als Ziel für das Jahr 2020 einen Anteil Erneuerbarer Energien von 20 Prozent am Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. November 2010 7841 (A) (C) (D)(B) Endenergieverbrauch der EU verbindlich vor. Für Deutschland ist ein nationales Ziel von 18 Prozent vor- gegeben. Mit der Richtlinie wird erstmals eine Gesamt- regelung in der EU für alle Energiesektoren, also Strom, Wärme/Kälte und Transport, eingeführt. Sie schafft hier- durch einen verlässlichen Rechtsrahmen für die notwen- digen Investitionen. Für die Zielerreichung können die Mitgliedstaaten ihre Förderinstrumente grundsätzlich selbst ausgestalten, um ihre Potenziale optimal zu errei- chen. Darüber hinaus führt die Richtlinie flexible Me- chanismen für eine Kooperation zwischen den Mitglied- staaten ein. Die Umsetzung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie ist in Deutschland bereits weit gediehen: Mit dem Erneu- erbare-Energien-Gesetz, EEG, dem Erneuerbare-Ener- gien-Wärmegesetz, EEWärmeG, der Biokraftstoffförde- rung und den Nachhaltigkeitsverordnungen sind bereits weite Teile der Erneuerbare-Energien-Richtlinie vorzei- tig umgesetzt worden. Das zeigt ganz besonders deut- lich, dass die deutschen Förderregelungen für erneuer- bare Energien ehrgeizig und europaweit vorbildlich sind. Deshalb passen wir das nationale Recht mit dem Europa- rechtsanpassungsgesetz nur in Details an die Erneuer- bare-Energien-Richtlinie an. Der Gesetzentwurf setzt die Richtlinie „eins zu eins“ um. Deshalb nehmen wir keine über eine solche Eins-zu-eins-Umsetzung hinausgehen- den Änderungen vor. Kern dieses Gesetzes sind die Ein- führung eines elektronischen Herkunftsnachweisregis- ters und die Vorbildfunktion öffentlicher Gebäude. Zum Herkunftsnachweisregister: Die Mitgliedstaaten müssen ein elektronisches Register für Herkunftsnach- weise für Strom aus erneuerbaren Energien einführen. Diese Nachweise werden für direkt vermarkteten Strom aus erneuerbaren Energien ausgestellt. Sie können für die Stromkennzeichnung genutzt werden. Gegenüber dem Verbraucher kann damit bewiesen werden, dass der genutzte Strom aus erneuerbaren Energien stammt. Zur Umsetzung wird § 55 EEG neu gefasst und eine Verord- nungsermächtigung geschaffen. Das Umweltbundesamt, UBA, soll das Register führen. Ich denke, dass wir mit diesem Register die Stromkennzeichnung für Strom aus erneuerbaren Energien marktnah verbessern und trans- parenter gestalten. Zur Vorbildfunktion: Die Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten, sicherzustellen, dass auch bestehende öffentliche Gebäude ab 2012 im Falle einer grundlegen- den Renovierung eine Vorbildfunktion für die Nutzung erneuerbarer Energien übernehmen. Um dies umzuset- zen, wird die bereits für Neubauten bestehende Nut- zungspflicht des EEWärmeG auf öffentliche Bestands- gebäude ausgedehnt. Bei der Ausgestaltung ist darauf geachtet worden, keine Privaten zu belasten; Wohnge- bäude sind vollständig ausgeklammert. Die Verpflich- tung gilt außerdem nur für öffentliche Gebäude, die im Eigentum der öffentlichen Hand stehen oder die künftig von der öffentlichen Hand angemietet werden. Gebäude, die die öffentliche Hand bereits von Privaten angemietet hat, werden nicht erfasst. Allerdings haben wir uns hier mit Härtefallregelungen für Kommunen stark gemacht. Klar ist: Die Mehrheit der öffentlichen Gebäude wird von den Kommunen genutzt. Eine Ausnahme für diese Gebäude ist mit der Erneuerbare-Energien-Richtlinie zwar nicht vereinbar. Um nun potenzielle finanzielle Be- lastungen der Kommunen auf ein Minimum zu reduzie- ren und zugleich den europarechtlichen Mindestanforde- rungen zu genügen, wollen wir Kommunen, die in einer akuten Haushaltsnotlage sind, von der Nutzungspflicht befreien. Ich freue mich, dass auch insgesamt gesehen die Kos- ten dieser Regelung im Rahmen bleiben. Natürlich ist Klimaschutz nicht ganz kostenlos zu haben: Die Kosten der Verpflichtung der öffentlichen Hand zu einer vor- bildlichen Nutzung erneuerbarer Energien sind von der öffentlichen Hand zu tragen, als Eigentümerin der öf- fentlichen Gebäude oder als Mieterin, weil der Mietver- trag zugleich die Kostenübernahme der Vorbildfunktion durch die öffentliche Hand regeln kann. Die Bundesregierung nimmt an, dass aufgrund der ak- tuellen Haushaltsnotlage deutlich weniger als jährlich knapp 2 500 öffentliche Gebäude aufgrund der Vorbild- funktion des neuen § 1 a EEWärmeG in erneuerbare Energien für die Wärme- oder Kälteversorgung investie- ren müssen. Da den Investitionen auch Einsparungen durch vermiedene Nutzung teurer werdender fossiler Brennstoffe entgegenstehen, können sich auf mittelfris- tige Sicht jedenfalls die anfänglichen Investitionskosten innerhalb der üblichen Betriebsdauer einer Anlage amor- tisieren und die Nutzung erneuerbarer Energien wird rentabel. Die Bundesregierung schätzt die maximale Ge- samtbelastung, Differenzkosten, auf 4,07 Millionen Euro. Davon entfallen circa 0,25 Millionen Euro, 6,1 Pro- zent, auf den Bund, circa 0,54 Millionen Euro, 13,3 Pro- zent, auf die Länder und circa 3,28 Millionen Euro, 80,6 Prozent, auf die Kommunen und ihre mittelbaren Einrichtungen bzw. sonstige Eigentümer von öffentli- chen Gebäuden. Ich betone, dass im Ergebnis mit keinen unmittelbaren oder abschätzbaren mittelbaren Kosten für Private oder für die Wirtschaft zu rechnen ist, die durch dieses Artikelgesetz ausgelöst werden. Dies gilt sowohl für den Herkunftsnachweis als auch für die Vorbildfunk- tion öffentlicher Gebäude. Schließlich beinhaltet der Gesetzentwurf zum Bei- spiel punktuelle Verbesserungen beim Netzanschluss von EEG-Anlagen, zur Sicherstellung einer ausreichen- den Datenlage im Wärme/Kälte-Bereich, in der Energie- statistik und bei der Fortbildung von Handwerkern sowie eine Vertrauensschutzregelung beim Einsatz von flüssi- ger Biomasse. Die flexiblen Kooperationsmechanismen, wie zum Beispiel gemeinsame Projekte mit anderen Ländern, set- zen wir nicht mit diesem Gesetz um. Sie sind eine zu- sätzliche, freiwillige Möglichkeit der Länder, ihre Ziele zu erfüllen. Deutschland wird sein nationales Ziel nach der Ende 2009 an die Kommission übermittelten Voraus- schätzung bereits ohne Nutzung dieser Mechanismen er- füllen. Insofern hängt die Frage, ob und in welchem Um- fang die Bundesregierung von den Kooperations- mechanismen Gebrauch machen wird und ob dies dann einer Umsetzung im EEG bedarf, zum einen von der tat- sächlichen Entwicklung des Ausbaus der erneuerbaren Energien in Deutschland ab. Zum anderen spielen auch 7842 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. November 2010 (A) (C) (D)(B) das Interesse anderer Mitgliedstaaten und schließlich eine gemeinsame, vertiefte Analyse der wirtschaftlichen und rechtlichen Implikationen im Einzelfall eine Rolle. Ich bin sicher, dass wir mit dem Europarechtsanpas- sungsgesetz einen ausgewogenen Gesetzentwurf vorlie- gen haben, mit dem wir unsere Klimaschutzziele in einem ehrgeizigen, aber dennoch realistischen Rahmen umsetzen. Dirk Becker (SPD): Die Einführung eines elektroni- schen Herkunftsnachweisregisters für Strom aus erneu- erbaren Energien erscheint sinnvoll, um die europaweite Vermarktung von grünem Strom zu vereinheitlichen. Noch bleibt allerdings abzuwarten, ob die neue Rechts- verordnung tatsächlich deutliche Verbesserungen gegen- über dem bisherigen System schafft. Die darin zu kon- kretisierenden Anforderungen an die Ausstellung, Anerkennung, Übertragung und Entwertung von Her- kunftsnachweisen müssen klar und unmissverständlich formuliert sein, sodass rechtliche Unsicherheiten nicht zu Investitionshemmnissen werden. Genau das ist der Bundesregierung allerdings beim Netzanschluss bereits misslungen. In § 5 Abs. 5 EEG soll es künftig heißen: „Netzbetreiber sind verpflichtet, Einspeisewilligen unverzüglich die für den Netzan- schluss erforderlichen Informationen vollständig zu übermitteln …“ Das klingt ja auf den ersten Blick gut und schön, auf den zweiten Blick frage ich mich aber, was ist hier eigentlich mit „unverzüglich“ gemeint? In der Begründung heißt es, dass die zeitliche Anforderung „unverzüglich“ – etwa bei der Übermittlung der Unterla- gen zur Prüfung des Verknüpfungspunkts seitens des Einspeisewilligen – nicht zwangsläufig eine Verschär- fung der bisher vorgesehenen acht Wochen darstellt. Hier frage ich mich dann doch, welchen Nutzen sich die Bundesregierung bezüglich der Beschleunigung des Netzzugangs verspricht. Die Bemühungen scheinen hier über Lippenbekenntnisse nicht hinauszugehen. Was wir beim Netzanschluss brauchen, sind klare Fristen, für de- ren schuldhafte Überschreitung der Netzbetreiber haften muss. Ich befürworte darüber hinaus, die Netzbetreiber zu verpflichten, auf ihrer Internetseite die aktuelle Netzaus- lastung und die bestehenden und zu erwartenden Eng- pässe zu veröffentlichen. Das schafft Transparenz, gibt der Öffentlichkeit Aufschluss darüber, wie viel Strom aus erneuerbaren Energien noch in die Leitungen passt, und erleichtert die Investitionsentscheidungen für Anla- genbetreiber. Außerdem müssen wir Klarheit darüber schaffen, wie die Gebühren für Netzverträglichkeitsprüfungen gestal- tet werden sollen. Die gegenwärtige Praxis ist rein will- kürlich und beruht auf keinen festen Regelungen. Insbe- sondere für Investoren in Kleinanlagen stellt dies ein weiteres Investitionshemmnis dar. Hier ist etwa zu über- legen, die Angemessenheit der Gebühren regelmäßig von der Bundesnetzagentur überprüfen zu lassen. Bisher habe ich in erster Linie von Versäumnissen der Bundesregierung bei der Beschleunigung des Netzzu- gangs von Erneuerbare-Energien-Anlagen gesprochen. Was mich aber besonders empört, ist, dass Sie mit § 64 Abs. 2 EEG versuchen, dem Parlament seine Mitsprache bei der Ergänzung der Positiv- und Negativlisten von nachwachsenden Rohstoffen zu entziehen. Mithilfe einer Rechtsverordnung wollen Sie die in Anlage 2 des EEG festgeschriebenen Listen zukünftig ohne Zustimmung des Deutschen Bundestages ergänzen. Das Parlament hat bei der letzten EEG-Novellierung im Jahr 2008 auf eben diese Mitbestimmung als eines der Kernelemente des EEG besonderen Wert gelegt. Mir erscheint das Misch- gebilde, das hier aus Gesetzestext und Rechtsverordnung entsteht, in seiner Verfassungsmäßigkeit äußerst frag- würdig. Dies gilt es im Rahmen des Gesetzgebungsver- fahrens unbedingt zu prüfen. Generell sollte gelten: Alles, was über die Anpassung nationalen Rechts an die EU-Richtlinie hinausgeht – wie etwa Ergänzungen der Positiv- und Negativlisten – sollte im Rahmen der EEG-Novelle 2012 geprüft werden. Das Europarechtsanpassungsgesetz darf nicht als Vorwand genutzt werden, heimlich, still und leise das Parlament in seinen Zuständigkeiten und Kontrollrechten zu be- schneiden. Über 50 Prozent der Energie wird in Deutschland im Wärmesektor verbraucht. Mit dieser Energie wird Brauchwasser erhitzt, werden Gebäude geheizt und ge- kühlt bzw. insgesamt klimatisiert. Rund 40 Prozent der Treibhausgasemissionen aus der energetischen Nutzung fossiler Energieträger fallen hier an. Der Anteil der er- neuerbaren Energien lag demgegenüber im vergangenen Jahr bei bescheidenen 8,4 Prozent. Alle sprechen vom „schlafenden Riesen“ Wärmesek- tor, aber die Bundesregierung und die sie tragende Ko- alition trauen sich nicht, ihn zu wecken. Die Bundesre- gierung hat bereits in ihrem Energiekonzept verpasst, für den Wärmemarkt einen stringenten und für alle Beteilig- ten transparenten Pfad für die Verringerung des Energie- bedarfs in diesem Bereich und die Steigerung des An- teils erneuerbarer Energien aufzuzeichnen. Lediglich für das Jahr 2050 wird ein ambitioniertes Ziel ausgerufen. Mit dem vorliegenden Entwurf für ein Europa- rechtsanpassungsgesetz wird eine weitere große Chance verpasst. Mit der Novelle des Erneuerbare-Energien- Wärmegesetzes, EEWärmeG, hätte man tatsächlich eine Initialzündung für mehr an erneuerbaren Energien auch in Bestandsgebäuden, aber auch für eine ambitionierte Steigerung der Sanierungsquote erreichen können. Doch vorgelegt wird dem Deutschen Bundestag ein Entwurf, über den es sich kaum zu diskutieren lohnt. Positiv sind zwar sicherlich die Gleichstellung von Wärme- und Kälteerzeugung und die Vorbildfunktion öffentlicher Gebäude im Bestand. Das ist aber in Hin- blick auf das Ausbauziel für erneuerbare Energien bis 2020 herzlich wenig. Der Großteil der vorgeschlagenen Änderungen des EEWärmeG beziehen sich darauf, die Anzahl der von den gesetzlichen Bestimmungen betrof- fenen Gebäuden zu minimieren. Denn es sind nicht alle öffentlich genutzten Gebäude betroffen. Kirchen, freie Träger von Kitas oder Kliniken fallen zum Beispiel raus. Auch die Länder fallen raus, sofern sie keine eigenen Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. November 2010 7843 (A) (C) (D)(B) Regelungen treffen. Skandalös ist, dass Kommunen ohne ausgeglichenen Haushalt das EEWärmeG nicht an- wenden müssen, obwohl gerade sie von verringerten Be- triebskosten der sanierten Gebäude in Zukunft finanziell entlastet werden. Die Nutzungsverpflichtung von erneuerbaren Ener- gien greift im Übrigen auch nur dann, wenn innerhalb von zwei Jahren sowohl die Heizungsanlage erneuert als auch mindestens ein Fünftel der Gebäudehülle saniert wird. Aber für die wenigen Gebäude, die dann wirklich vorbildhaft saniert werden müssen, soll laut Entwurf auch keine Nachweispflicht – und damit keine Kontroll- möglichkeit – bestehen, im Gegensatz zu privaten Bau- herren. Ob durch Schlampigkeit oder Vorsatz sind in dem Entwurf auch einige Verschlimmbesserungen enthalten. So soll die Fernwärme als Ersatzmaßnahme entfallen, falls sie aus einem öffentlichen Wärmenetz stammt. Die stiefmütterliche Behandlung der Kraft-Wärme-Kopplung im Energiekonzept und die jüngsten Änderungen im Energiesteuergesetz zuungunsten der Fernwärme drän- gen bei mir schon den Eindruck auf, dass hier konse- quent ein ganzes Marktsegment im Wärmebereich ka- puttgemacht werden soll. Mit diesem Entwurf kann die Bundesregierung ihre energie- und klimapolitischen Ziele im Wärmesektor bis 2020 nicht erreichen. An eine Zielerreichung 2050 ist mit diesem dürren Instrumentarium ebenfalls nicht zu denken. Wir bieten Ihnen nun im parlamentarischen Verfahren unsere Hilfe an, den schlafenden Riesen zu wecken. Wir werden Ihnen aufzeigen, wie man den Gebäudebestand in das EEWärmeG und das Ordnungsrecht integrieren kann, ohne die finanzielle Möglichkeiten privater Eigen- tümer zu überfordern. Wir werden Ihnen ein Modell für einen haushaltsunabhängigen und mit klaren Prioritäten ausgestatteten Förderanreiz präsentieren. Wir werden Ih- nen zeigen, wie man die verschiedenen Instrumente, wie zum Beispiel EEWärmeG, EnEG/EnEV, BauGB, Miet- recht, MAP und CO2-Gebäudesanierungsprogramm, zu einem wirkungsvollen Gesamtinstrumentarium und ei- nem abgestimmten Fahrplan in Richtung eines weitest- gehend CO2-freien Gebäudebestand 2050 zusammen- fügt. Denn eines ist klar: Alle Beteiligten, private Bauher- ren, gewerbliche Investoren, Mieter und Vermieter, die Baustoffindustrie, die Hersteller von Heiz- und Klima- anlagen sowie Handwerker aller betroffenen Gewerke müssen verlässlich wissen, wo die Reise hingeht und wie man dort hinkommt. Michael Kauch (FDP): Der vorliegende Gesetzent- wurf dient der Umsetzung der EU-Richtlinie zur Förde- rung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen. Unter anderem wird geregelt, dass die öffentliche Hand bei der Sanierung ihres Gebäudebestandes eine Vorbild- funktion einnimmt. Dies ist gut und richtig. Denn wir werden die Klimaschutzziele im Gebäudesektor nur er- reichen, wenn wir energetische Sanierung mit der Nut- zung erneuerbarer Energien beim Heizen verbinden. Uns als FDP ist es ein zentrales Anliegen, dass bei der Überarbeitung des Wärmegesetzes innerhalb des Euro- parechtsanpassungsgesetzes eine größere Technologie- offenheit, insbesondere für Biogas, geschaffen wird. Deshalb hat das FDP-geführte Wirtschaftsministerium in der Ressortabstimmung dieses Gesetzes schon dafür ge- sorgt, dass die KWK-Pflicht bei der Verwendung von Biogas im Gebäudebestand der öffentlichen Hand gestri- chen worden ist. Dies hat Signalwirkung für das Wärme- gesetz insgesamt. Der Grund für die Streichung der KWK-Pflicht ist einfach: die Differenzierung zwischen Biogas für die „gute“ KWK-Anlage und Biogas für den „bösen“ Heizkessel ist ideologisch. Ist es denn besser, im Heizkessel Erdgas zu nutzen? Auch wenn Biogas mit einem schlechteren Wirkungsgrad im Brennwertkessel verbrannt wird, so ist die CO2-Bilanz immer noch bei weitem besser als bei der Verwendung von Erdgas. Da- her führt die KWK-Pflicht letztendlich zu weniger Kli- maschutz. Zudem ist bei kleineren Gebäuden die KWK schlicht keine realistische Option. Im parlamentarischen Verfahren wird zu prüfen sein, ob die Technologieoffenheit in diesem Bereich weiter gestärkt werden kann und ob alle Zusatzauflagen, die im Gesetzentwurf für die Biogasnutzung noch stehen, not- wendig sind. Wir Liberale wollen die Chance ergreifen, um ein Zeichen für den unideologischen Einsatz von er- neuerbaren Energien und insbesondere Biogas zu setzen. Nur so werden wir der im Gesetzentwurf erwähnten Vor- bildfunktion der öffentlichen Hand tatsächlich gerecht. Darüber hinaus hat diese Koalition im Energiekon- zept vereinbart, eine haushaltsunabhängige Förderung der erneuerbaren Wärme zu prüfen. Das ist auch drin- gend erforderlich, um erneuerbare Wärme voranzubrin- gen. Denn Ordnungsrecht kann nur letztes Mittel sein, und die steuerfinanzierten Programme treffen auf stei- gende Finanzierungsprobleme, wenn wir zu Recht aus Gründen der Generationengerechtigkeit die Staatsver- schuldung absenken wollen. Horst Meierhofer (FDP): Mit dem Europarechtsan- passungsgesetz Erneuerbare Energien vollziehen wir ei- nen ersten Schritt, die ehrgeizigen Ziele des Energiekon- zepts in die Tat umzusetzen. Wir wollen den Anteil Erneuerbarer am Bruttoend- energieverbrauch deutlich steigern. Die Zielvorgabe für 2020 aus dem Nationalen Aktionsplan von 18 Prozent wird nach aktuellen Schätzungen mit 19,6 Prozent über- erfüllt werden. Allein im Stromsektor streben wir für diesen Zeithorizont mindestens 35 Prozent Erneuerbare an. Zielvorgaben sind aber nur die eine Seite der Me- daille. Wir wollen sicherstellen, dass keine statistischen Tricksereien dafür sorgen, dass diese Zielvorgaben er- reicht werden, sondern eine handfeste Berechnungs- grundlage Beleg für das Erreichen oder Nichterreichen ist. Vergangene Regierungen aller haben oftmals über 7844 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. November 2010 (A) (C) (D)(B) statistische Schönrechnerei Lobhudelei in eigener Sache betrieben. Das wollen wir hier ändern. Die Herkunftsnachweise werden in Zukunft nicht mehr durch Umweltgutachter, sondern durch das Um- weltbundesamt erbracht. Auch dies ist ein weiterer As- pekt, der mehr Transparenz und Verlässlichkeit bringt. Das Problem des Netzausbaus zieht sich wie ein roter Faden durch die Gesetzgebung und die Diskussionen der letzten Monate. Laut der aktuellen dena-Netzstudie be- nötigen wir bis 2015 900 Kilometer neue Hochspan- nungsnetze, von denen circa ein Neuntel bis zum heuti- gen Tag gebaut worden ist. Die Zahlen, die wir nach der neuen Studie erwarten dürfen, werden angesichts der ehrgeizigen Ziele für Erneuerbare voraussichtlich noch deutlich über den genannten liegen. Wie Sie sehen, be- steht massiver Handlungsbedarf, nicht zuletzt auch auf gesetzgeberischer Ebene. Mit der hier zu behandelnden Gesetzesinitiative lösen wir dieses Problem zwar nicht, aber wir tragen dazu bei, dieses Problem an einer kleinen, wenn auch keineswegs unbedeutenden Stelle anzupacken. Die Netzbetreiber werden verpflichtet, einen detaillierten Kostenvoran- schlag und Zeitplan für den Netzanschluss dem Anla- genbetreiber vorzulegen. Der Anlagenbetreiber erhält dadurch Rechtssicherheit und Planbarkeit. Von verschie- denen Seiten haben wir in letzter Zeit immer wieder die Sorge gehört, dass der Anschluss an das Netz nicht zeit- nah gewährleistet werde. Ob dies für Deutschland recht neue Projekte wie Interkonnektoren sind oder klassische Kleinanlagen, die um ihren Anschluss fürchten: Ange- sichts der angestrebten dezentralen Energieversorgung sind dies berechtigte Sorgen. Die Informationspflicht gibt den Betreibern eine Handhabe, ein Grundgerüst für ihr Vorhaben. Aus diesem Grund begrüßen wir die Ein- führung der Informationspflichten. Zum Abschluss möchte ich noch auf die Nutzungs- pflicht erneuerbarer Energien bei der Renovierung öf- fentlicher Gebäude eingehen. Wir können nicht die Um- stellung des Energiesystems von den Bürgern fordern und gleichzeitig zulassen, dass die öffentliche Hand sich aus ihrer Verantwortung stiehlt. Die Verwaltung und ins- besondere die öffentlichen Gebäude haben hier eine Vor- bildfunktion. Das gilt für den Einsatz von Erneuerbaren genauso wie für die Wärmedämmung und die Steigerung der Energieeffizienz, und zwar grundsätzlich sowohl für Bestandsgebäude als auch für Neubauten. Zumindest bei einer grundlegenden Renovierung von Bestandsgebäu- den stellen wir nun sicher, dass zukünftig die Nutzung Erneuerbarer erfolgen muss. Die Ausnahmeregelung für klamme Kommunen, nach der sie sich nicht daran betei- ligen müssen, sollte kritisch hinterfragt werden. Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass wir Wert da- rauf gelegt haben, nur die Gebäude zu erfassen, die im Eigentum der öffentlichen Hand stehen oder künftig von der öffentlichen Hand angemietet werden. Wir wollen den Systemwandel, aber nicht durch Zwang oder Pflicht, sondern durch die Schaffung von vernünftigen Anreiz- programmen und unter Mitwirkung der Bürger. Dorothee Menzner (DIE LINKE): Die Europäische Union hat sich darauf festgelegt, dass 20 Prozent des Endenergieverbrauchs bis zum Jahr 2020 aus erneuerba- ren Energiequellen gewonnen werden sollen. Frei nach dem Motto, das Wenigste ist für uns gut genug, geht die Bundesregierung auch hier einen Sonderweg: 18 Prozent Energie aus Erneuerbaren am Endenergieverbrauch plant die Bundesregierung für 2020, das steht bereits in ihrem Energiekonzept. Warum sie hier so unambitioniert auftritt, ist klar: Der Ausbau erneuerbarer Energien ge- fährdet die Stromerzeugung aus Kohle- und Atomkraft, also die dreckigen und strahlenden Profitschleudern der vier großen Energieversorger. Beim Lesen der Begründung Ihres Gesetzentwurfs fällt mir vor allem auf, dass für Sie wie immer kurzfris- tige wirtschaftliche Aspekte über ökologischen rangie- ren. Gerade diese Ignoranz gegenüber existenziellen Notwendigkeiten hat ja dazu geführt, dass wir heute froh sein müssen, wenn wir das 2-Grad-Ziel nicht noch über- schreiten. Ich fordere Sie auf, im Interesse der Menschen Ihr Wertesystem zu überprüfen. Sie sprechen allenthalben von der Notwendigkeit des Wachstums. Jedes Kind lernt in der Schule, dass es so etwas wie unbegrenztes Wachs- tum nicht gibt, das ist schier unmöglich. Das ist die sys- temimmanente Lüge vom Ausbruch der Armut bei aus- bleibendem Wirtschaftswachstum. Sie vertreten hier ökonomische Interessen, ohne die sozialen und ökologi- schen Zwänge zu beachten. Und damit verhindern Sie das, was die Menschheit zum Überleben braucht: den nachhaltigen Schutz der Biosphäre, der Atmosphäre und die Schonung natürlicher Ressourcen. Ein Beispiel: Öffentliche Gebäude zum Vorbild in Sa- chen Energieeffizienz und Nutzung erneuerbarer Ener- gien zu machen, ist prinzipiell ein guter Weg. Ihr Gesetz- gebungsentwurf liest sich aber so, dass es wiederum eine soziale Frage ist – diesmal in kommunalem Maßstab –, ob dieser Umbau auch gelingt. Es ist verheerend, die an- fallenden Kosten für die Sanierung der Gebäude in öf- fentlicher Hand allein den Kommunen überlassen zu wollen – im Rahmen Ihrer Verteilungspolitik. Da zeigt sich deutlich der Widerspruch, den Ihre Politik forciert und deren Folgen die Gesellschaft auszubaden hat. Was Sie endlich begreifen müssen, ist, dass Sie die Probleme der ökologischen Krise nicht gesondert von den Problemen der sozialen Krise in diesem Land lösen können. Es nützt nichts, Kommunen von der Verpflich- tung zur Gebäudesanierung freizustellen, wenn es eine Haushaltsnotlage gibt. Schauen Sie sich doch mal die Haushalte der Kommunen an. Die haben Ihretwegen für so etwas kein Geld übrig. Das ist eine Folge Ihrer Vertei- lungspolitik. Und dann schaffen Sie hier eine Ausnah- meregelung, die tatsächlich die Mehrheit der Kommu- nen in strukturschwachen Regionen treffen wird. Mit solcher Inkonsequenz verpufft die Wirksamkeit jeglicher Effizienzbestrebungen in Sachen Energie. Und nicht er- folgte Sanierung schafft die Haushaltsbelastungen der Kommunen von morgen. Sanieren Sie doch trotzdem alle öffentlichen Gebäude und zahlen Sie die Kosten aus den satten Steuereinnah- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. November 2010 7845 (A) (C) (D)(B) men, die Sie bekommen würden, wenn Sie allein der so- genannten Liberalisierung des Stromsektors eine stren- gere Regulierung verpassen würden. Tun Sie nicht so, als gefährde das die Existenz der großen Energieversor- ger. Geben Sie den Kommunen ihre Leitungsnetze zu- rück, dann haben Sie auch die Mittel, um die Vorgaben im Gesetzentwurf umzusetzen. Aber Sie ruhen sich aus auf Ihrem Marktvertrauen und torpedieren den mögli- chen Wettbewerb im Energiesektor mit der Laufzeitver- längerung für Atomkraftwerke und einem unsäglichen Lobbyistengehabe für die vier großen Energiekonzerne. Die Energiepolitik der Koalition und der schwarz-gel- ben Regierung wird nicht einmal die Minimalziele der Europäischen Vorgaben und der global notwendigen Emissionseinsparziele umsetzen können, dafür schaffen Sie hier im Land einfach nicht die Rahmenbedingungen. Die Linke fordert die Rekommunalisierung der Stromverteilnetze, die Besserstellung von Stadtwerken. Und weil es sich bei der Versorgung mit Energie um ein Instrument der öffentlichen Daseinsvorsorge handelt, muss dieser Sektor auch in öffentliche Hand überführt werden. Erst wenn diese Rahmenbedingungen geschaf- fen sind, wird eine auf die Zukunft ausgerichtete Politik für Energieeffizienz, für Ressourcenschutz und auch für die Sozialverträglichkeit der Energieversorgung Erfolg haben können. Und das nicht nur in unserem Land. Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das Europarechtsanpassungsgesetz Erneuerbare Ener- gien ist in erster Linie ein Gesetz der verpassten Gele- genheiten. Anstatt bei den erneuerbaren Energien Gas zu geben, wird weitgehend „business as usual“ betrieben. Tönte die Bundesregierung vor wenige Wochen noch von einem revolutionären Energiekonzept und einem Sofortplan, so hat sie jetzt ein Gesetz auf den Tisch ge- legt, das sich in einer Vielzahl teils kleinster Kleinigkeit aufhält. Aber ich will nicht nur allgemein die Mut- und Phan- tasielosigkeit dieser Regierung kritisieren, sondern auch auf einzelne Aspekte eingehen, die im Detail mitunter auch zu begrüßen sind. So ist die Ausweitung der Her- kunftsnachweise von Strom aus Erneuerbare-Energien- Anlagen ebenso grundsätzlich zu begrüßen wie die Kon- kretisierung von Nachhaltigkeitsvoraussetzungen bei Bio- gasanlagen. Das Bundesumweltministerium sollte mög- lichst kurz nach dem Inkrafttreten des Gesetzes einen Verordnungsentwurf vorlegen. Grundsätzlich zu begrüßen ist auch, dass beim Wär- megesetz endlich auch die öffentlichen Gebäude aufge- nommen werden. Dies hätte bereits die große Koalition tun können. Wir verstehen nicht, warum diese langjäh- rige grüne Forderung zur Vorbildfunktion der öffentli- chen Hand erst jetzt umgesetzt wird. Leider traut sich die Bundesregierung nicht, die Nutzungspflicht erneuerba- rer Energien auf den gesamten Gebäudebestand auszu- dehnen. Gestern hatte die Bundesregierung noch von Revolution gesprochen, und heute kneift sie bereits. Hinzu kommt, dass nächstes Jahr voraussichtlich noch weniger Mittel für das Marktanreizprogramm für erneu- erbare Energien ausgegeben werden als dieses Jahr; da- bei hatte Schwarz-Gelb die Mittel bereits dieses Jahr ge- kürzt. Die Glaubwürdigkeit des Aktionsprogramms für erneuerbare Energien wird dadurch jedenfalls nicht er- höht. Zurück zum Wärmegesetz. Wieder einmal lässt die Bundesregierung die Gelegenheit aus, wärmeerzeugende Kleinwindanlagen in das Erneuerbare-Energien-Wärme- gesetz mit aufzunehmen. Ursprünglich hatte die Bundes- regierung vorgehabt, Kleinwindanlagen in das Gesetz mit aufzunehmen. Leider wurde dieser Passus wieder gestrichen, weshalb die Windenergie im Wärmegesetz für Erneuerbare Energien weiterhin diskriminiert wird. Hier wiederholt die Bundesregierung die Fehler der gro- ßen Koalition. Unbefriedigend sind die Vorgaben für die elektrischen Wärmepumpen für die öffentlichen Gebäude. So sind Arbeitszahlen nicht anspruchsvoll genug und sollten er- höht werden. Zudem sollten die Anforderungen für Wär- mepumpen-Strom deutlich verschärft werden. Nur Wär- mepumpen, die mit Strom aus erneuerbaren Energien betrieben werden, können selbst als Erneuerbare-Ener- gien-Anlagen bewertet werden. Ansonsten handelt es sich hier um Kohle- und Atomstromwäsche. Die Wär- mepumpen sollten daher einen 100-prozentigen Strom- bezug aus erneuerbaren Energiequellen nachweisen. Ein weiterer Punkt bei den öffentlichen Gebäuden ist die Frage, ab wann die Nutzungspflicht erneuerbarer Energien ausgelöst wird. Der Moment der Nutzungs- pflicht sollte umfassender formuliert werden, um zu ver- hindern, dass Sanierungen aufgeschoben werden. Bei Gebäuden, die einen schlechten Dämmstandard haben, sollte die Nutzungspflicht bereits eintreten, wenn die Heizungsanlage saniert wird. Zumindest fragwürdig sind die Anforderungen an die im Gesetzentwurf formulierten Normen für Nullenergie- häuser, welche eine Ausnahme von der Nutzungspflicht erneuerbarer Energien begründen. Die hier formulierten Normen dürften deutlich unter den tatsächlichen Effi- zienzanforderungen an Nullenergiehäuser liegen. Eine Ausnahme von der Nutzungspflicht unter diesen laschen Vorgaben lädt damit nur zur Umgehung der Gesetzes- zielsetzung ein. Ich bin gespannt, wie die Experten dies in einer Anhörung einschätzen werden. Beim Netzanschluss von erneuerbaren Energien hat die Bundesregierung das Richtige im Sinn, wenn sie vor- gibt, dass dieser unverzüglich hergestellt werden soll. Nur was heißt im konkreten Fall „unverzüglich“? Dieser Begriff ist uns rechtlich zu unbestimmt. Zudem können die Anlagenbetreiber die Einhaltung auch kaum verifi- zieren. Es wäre daher sinnvoll eine konkrete Frist vorzu- geben. Zudem sind die Auskunftspflichten des Netzbe- treibers gegenüber dem Anlagenbetreiber auszuweiten. Spätestens nach zwei Monaten sollte dem Einspeisewil- ligen ein Zeitplan für die Erstellung des Netzanschlusses zugestellt werden. Wer darauf gehofft hat, dass die Bundesregierung vor der Klimakonferenz in Cancun ein ambitioniertes Gesetz auf den Tisch legen würde, muss enttäuscht sein. Aller Revolutionsrhetorik zum Trotz muss man sagen, dass in 7846 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. November 2010 (A) (C) (D)(B) der Bundesregierung weiterhin diejenigen das Sagen ha- ben, die wenig von Klimaschutz halten und die vor der Erdölverknappung beide Augen zudrücken, obwohl die Bürger wissen, dass das Erdöl in den nächsten Jahren wesentlich teurer werden wird. Bei der Laufzeitverlän- gerung für Atomkraftwerke zeigte die schwarz-gelbe Koalition großes Engagement für die Atomkonzerne. Der vorliegende Gesetzentwurf zeigt, dass Schwarz- Gelb gar nicht daran denkt, sich in vergleichbarem Aus- maß für die erneuerbaren Energien einzusetzen. 71. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 11. November 2010 Inhalt: Redetext Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4 Anlage 5 Anlage 6 Anlage 7 Anlage 8 Anlage 9 Anlage 10 Anlage 11 Anlage 12
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Christine Aschenberg-Dugnus


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)


    Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

    Kollegen! In der gängigen Fachliteratur der Politikwis-
    senschaft findet man zur Funktion und Rolle der Opposi-
    tion, sie müsse die Regierung kontrollieren und konkret
    Alternativen aufzeigen. Ich musste das hier einmal so
    deutlich sagen; denn die Tatsache an sich, dass Sie sich





    Christine Aschenberg-Dugnus


    (A) (C)



    (D)(B)

    jetzt beschweren und unser AMNOG kritisieren, ent-
    spricht natürlich voll der Rollenverteilung. In dieser
    Rolle gefallen Sie sich; darin gehen Sie voll auf: Frau
    Bender spricht von kleinen Schritten. Frau Vogler meint,
    wir hätten die Pharmaindustrie nicht ausreichend an die
    Kandare genommen. Wenn man Herrn Lauterbach zu-
    hört, stellt man fest, dass seine meistgenannten Vokabeln
    lauten: hätte, könnte, würde, sollte, möglicherweise. –
    Verkaufen Sie doch die Menschen bitte nicht für dumm!


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Dr. Karl Lauterbach [SPD]: Das machen doch Sie!)




Rede von Dr. Hermann Otto Solms
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

Frau Kollegin, darf ich Sie kurz unterbrechen? Frau

Kollegin Vogler möchte gerne eine Zwischenfrage stel-
len.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Christine Aschenberg-Dugnus


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)


    Ich bin gerade so in Schwung, bitte hinterher.


    (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)


    Sie müssen sich auch die Frage gefallen lassen: Wie
    ist es denn zu Ihrer Regierungszeit gelaufen? Da schaue
    ich Herrn Lauterbach ganz konkret an. Was haben Sie ei-
    gentlich getan, um das Preismonopol der Pharmaindus-
    trie zu brechen? Wie haben Sie es geschafft, die Kosten
    in den Griff zu bekommen? Gar nichts haben Sie ge-
    macht. Wenn jetzt an der Legende gestrickt wird, es habe
    an der FDP gelegen, kann ich dem nur entgegnen: Ent-
    schuldigen Sie bitte, es ist kein Gesetz verabschiedet
    worden, es ist nichts gemacht worden.


    (Dr. Marlies Volkmer [SPD]: Sie waren damals noch nicht dabei!)


    Das lag an dem ehemaligen Kanzler Gerhard Schröder,
    der in einer seligen Weinrunde für sich alleine beschlos-
    sen hatte, die Pharmaindustrie mit einer Einmalzahlung
    zu bedenken. Das haben wir Ihnen zu verdanken. Das
    war der Beitrag der Sozialdemokratie zur Stabilisierung
    der Kosten im Pharmabereich. Herzlichen Dank dafür!


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


    Meine Damen und Herren, Minister Rösler hat es Ih-
    nen ausführlich erläutert: Im Gegensatz zu Ihnen haben
    wir gehandelt. Wir haben konkret ein Gesetz auf den
    Weg gebracht, wir haben für die Millionen Versicherten,
    für die Patienten gehandelt und die Versorgung mit den
    bestmöglichen Arzneimitteln sichergestellt. Außerdem
    sparen wir jedes Jahr Milliardenbeträge ein. Sie ärgern
    sich doch nur darüber, dass wir in einem Jahr mehr er-
    reicht haben als Sie in zehn Jahren Regierungsbeteili-
    gung vorher.


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


    Außerdem haben wir im AMNOG die Zukunft der
    unabhängigen Patientenberatung gesichert. Die UPD
    leistet – darüber sind wir uns hier alle einig – einen un-
    verzichtbaren Beitrag zu Rechtssicherheit und Transpa-
    renz im Gesundheitswesen. Das Modellprojekt war gut,
    und deshalb überführen wir die Beratung nun in die Re-
    gelleistung. Aber nicht nur das: Wir verbessern auch die
    Struktur und die Leistung der UPD.

    Besonders wichtig war uns die wirkliche Unabhän-
    gigkeit der UPD. Wir haben ins Gesetz geschrieben – ich
    zitiere –:

    Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen darf
    auf den Inhalt oder den Umfang der Beratungstätig-
    keit keinen Einfluss nehmen.

    Meine Damen und Herren, das war auch notwendig;
    denn Gespräche vor Ort haben ergeben, dass die Kassen
    eben doch hier und da einmal versuchten, die Beratung
    zu beeinflussen. Das war nicht hinnehmbar. Wir haben
    die Neutralität gestärkt; das ist uns wichtig. Denn nur
    eine neutrale UPD wird ihrer wichtigen Seismografen-
    funktion gerecht. Darauf hat Kollege Zöller immer hin-
    gewiesen; dafür bin ich ihm sehr dankbar.


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


    Aber wir haben nicht nur die grundsätzliche Finanzie-
    rung sichergestellt, sondern auch die PKV mit ins Boot
    geholt, die mit einem Extrabeitrag gewährleistet, dass
    Menschen mit Migrationshintergrund nunmehr anstän-
    dige Beratungsleistungen erhalten können; denn die pri-
    vaten Kassen zahlen das muttersprachliche Angebot der
    UPD. Wir freuen uns über dieses Ergebnis.

    Tatsache ist: Wir haben die UPD auf eine solide ge-
    setzliche Grundlage gestellt und ihren Fortbestand gesi-
    chert.


    (Mechthild Rawert [SPD]: Das glauben auch nur Sie!)


    Zudem wird es eine noch bessere UPD sein, als es noch
    im Modellversuch der Fall war.


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


    Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen ein ver-
    trauensvolles Miteinander von Patienten, Ärzten, Klini-
    ken und Kassen. Das Gesundheitswesen braucht dafür
    Transparenz und Orientierung über Rechte und Pflichten
    aller Beteiligten. Wir wollen eine UPD, die als ehrlicher
    Makler zum Wohle der Patienten auftritt. Genau das ha-
    ben wir mit diesem Gesetz auch umgesetzt.


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)