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    Plenarprotokoll 17/49 a) – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines … Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 91 e) (Drucksachen 17/1939, 17/2183) . . . . – Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 91 e) (Drucksachen 17/1554, 17/2183) . . . . b) – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Weiterent- wicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende (Drucksachen 17/1940, 17/2057) . . . . Angelika Krüger-Leißner (SPD) . . . . . . . . . . Christian Ahrendt (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Katja Kipping (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Thomas Dörflinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Gabriele Lösekrug-Möller (SPD) . . . . . . . . . Max Straubinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Katja Kipping (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 4: 4950 C 4950 C 4950 D 4959 B 4960 C 4961 A 4961 D 4963 C 4964 C 4965 C 4966 A 4966 D Deutscher B Stenografisc 49. Sit Berlin, Donnerstag, I n h a Glückwünsche zum Geburtstag des Abgeord- neten Hans-Ulrich Klose . . . . . . . . . . . . . . . . Erweiterung und Abwicklung der Tagesord- nung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Absetzung der Tagesordnungspunkte 26, 28, 32 c, 35 n und 36 l sowie eines für morgen angekündigten Zusatztagesordnungspunktes Aktuelle Stunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachträgliche Ausschussüberweisungen . . . . Begrüßung des Parlamentspräsidenten der Ukraine, Herrn Wolodymyr Lytwyn . . . . . . . Tagesordnungspunkt 3: 4949 A 4949 A 4949 D 4950 A 4963 B – Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines undestag her Bericht zung den 17. Juni 2010 l t : Gesetzes zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende (Drucksachen 17/1555, 17/2188) . . . . – Bericht des Haushaltsausschusses ge- mäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 17/2190) Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anette Kramme (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Sabine Zimmermann (DIE LINKE) . . . . . . . . Karl Schiewerling (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4950 D 4951 A 4951 B 4952 B 4953 B 4955 B 4956 B 4957 C Beschlussempfehlung und Bericht des Au schusses für Arbeit und Soziales zu dem A trag der Abgeordneten Klaus Ernst, Jut s- n- ta II Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 49. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2010 Krellmann, Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Mit guter Arbeit aus der Krise (Drucksachen 17/1396, 17/2069) . . . . . . . . . . Paul Lehrieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Sabine Zimmermann (DIE LINKE) . . . . . Ottmar Schreiner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Pascal Kober (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sabine Zimmermann (DIE LINKE) . . . . . Dr. Lukrezia Jochimsen (DIE LINKE) . . . . . . Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Paul Lehrieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Gitta Connemann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Ottmar Schreiner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Josip Juratovic (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sebastian Blumenthal (FDP) . . . . . . . . . . . . . Stefan Liebich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Sebastian Blumenthal (FDP) . . . . . . . . . . . . . Dr. Carsten Linnemann (CDU/CSU) . . . . . . . Katja Mast (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gabriele Molitor (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Matthias Zimmer (CDU/CSU) . . . . . . . . . Ulrich Lange (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 35: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Protokoll vom 15. Mai 2003 zur Änderung des Europäischen Über- einkommens vom 27. Januar 1977 zur Bekämpfung des Terrorismus (Drucksache 17/2067) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Übereinkommen vom 9. Juni 2006 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaa- ten, der Republik Albanien, Bosnien und Herzegowina, der Republik Bulga- rien, der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien, der Republik Island, der Republik Kroatien, der Re- publik Montenegro, dem Königreich Norwegen, Rumänien, der Republik Serbien und der Übergangsverwaltung der Vereinten Nationen in Kosovo zur Schaffung eines gemeinsamen europäi- schen Luftverkehrsraums (Vertragsge- setz ECAA-Übereinkommen – ECAA- ÜbkG) (Drucksache 17/2068) . . . . . . . . . . . . . . . . 4969 B 4969 C 4971 B 4972 A 4973 B 4973 C 4974 D 4976 B 4977 A 4978 C 4979 B 4980 C 4981 C 4982 C 4983 B 4983 C 4984 D 4986 A 4986 D 4987 D 4988 D 4988 D c) Antrag der Abgeordneten René Röspel, Dr. Marlies Volkmer, Dr. Ernst Dieter Rossmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Öffentlichen Zugang zu Informationen über klinische Stu- dien umfassend sicherstellen (Drucksache 17/1768) . . . . . . . . . . . . . . . d) Antrag der Abgeordneten Heinz Paula, Dr. Wilhelm Priesmeier, Petra Crone, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Bessere Haltung von Kaninchen zu Erwerbszwecken – Konkrete Hal- tungsbedingungen in die Tierschutz- Nutztierhaltungsverordnung aufneh- men (Drucksache 17/2017) . . . . . . . . . . . . . . . e) Antrag der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann, Karin Binder, Alexander Süßmair, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Die Haltung von Mast- und Zuchtkaninchen in Deutsch- land und der Europäischen Union tier- gerechter regeln – Mindestanforderun- gen unverzüglich auf den Weg bringen (Drucksache 17/1601) . . . . . . . . . . . . . . . f) Antrag der Abgeordneten Friedrich Ostendorff, Undine Kurth (Quedlinburg), Bärbel Höhn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Die gewerbliche Haltung von Mast- und Zuchtkaninchen in Deutsch- land und der Europäischen Union deut- lich verbessern (Drucksache 17/2006) . . . . . . . . . . . . . . . g) Antrag der Abgeordneten Klaus Riegert, Eberhard Gienger, Stephan Mayer (Altöt- ting), weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der CDU/CSU sowie der Abgeordne- ten Joachim Günther (Plauen), Dr. Lutz Knopek, Gisela Piltz, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion der FDP: Europa in Bewegung – Mit Kompetenz und Ver- antwortung für einen europäischen Mehrwert im Sport (Drucksache 17/2129) . . . . . . . . . . . . . . . h) Antrag der Abgeordneten Dorothea Steiner, Sylvia Kotting-Uhl, Hans-Josef Fell, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Bür- gerfreundliches Rücknahmesystem für gebrauchte Energiesparlampen im Handel einrichten (Drucksache 17/1583) . . . . . . . . . . . . . . . i) Antrag der Abgeordneten Elvira Drobinski-Weiß, Petra Crone, Petra Ernstberger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Verbraucherinfor- mationsgesetz zügig reformieren (Drucksache 17/2116) . . . . . . . . . . . . . . . 4989 A 4989 A 4989 B 4989 C 4989 C 4989 D 4989 D Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 49. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2010 III j) Antrag der Abgeordneten Ute Kumpf, Sönke Rix, Petra Crone, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der SPD: Stär- kung der Jugendfreiwilligendienste – Platzangebot ausbauen, Qualität erhö- hen, Rechtssicherheit schaffen (Drucksache 17/2117) . . . . . . . . . . . . . . . . k) Antrag der Abgeordneten Ottmar Schreiner, Anette Kramme, Petra Ernstberger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Demokratische Teilhabe von Belegschaften und ihren Vertretern an unternehmerischen Ent- scheidungen stärken (Drucksache 17/2122) . . . . . . . . . . . . . . . . l) Antrag der Abgeordneten Heinz Paula, Dr. Wilhelm Priesmeier, Petra Crone, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Obligatorische Prüf- und Zulas- sungsverfahren für Haltungseinrich- tungen für Nutztiere – Tierschutz-TÜV zügig einführen (Drucksache 17/2143) . . . . . . . . . . . . . . . . m) Antrag der Abgeordneten Karin Binder, Ralph Lenkert, Caren Lay, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion DIE LINKE: Verbraucherfreundliche Rücknahme- pflicht des Einzelhandels für Energie- sparlampen durchsetzen (Drucksache 17/2121) . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 2: a) Antrag der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Cornelia Möhring, Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Versorgung durch Hebam- men und Entbindungshelfer sicherstel- len (Drucksache 17/2128) . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 36: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung einer Muster- widerrufsinformation für Verbraucher- darlehensverträge, zur Änderung der Vorschriften über das Widerrufsrecht bei Verbraucherdarlehensverträgen und zur Änderung des Darlehensvermitt- lungsrechts (Drucksachen 17/1394, 17/1802, 17/2095) b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Güter- kraftverkehrsgesetzes und des Fahrper- sonalgesetzes (Drucksachen 17/1395, 17/1903, 17/1835) 4990 A 4990 A 4990 B 4990 B 4990 C 4990 C 4991 A c) – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zu dem Staats- vertrag vom 16. Dezember 2009 und 26. Januar 2010 über die Verteilung von Versorgungslasten bei bund- und länderübergreifenden Dienst- herrenwechseln (Drucksachen 17/1696, 17/2014) . . . . – Bericht des Haushaltsausschusses ge- mäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 17/2048) . . . . . . . . . . . . . d) Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Ver- trag vom 27. November 2008 über die Änderung des Vertrags vom 11. April 1996 über die Internationale Kommis- sion zum Schutz der Oder gegen Verun- reinigung (Drucksachen 17/1702, 17/2144) . . . . . . . e) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie auf dem Ge- biet des Umweltrechts sowie zur Ände- rung umweltrechtlicher Vorschriften (Drucksachen 17/1393, 17/1904, 17/2148) f) – Zweite Beratung und Schlussabstim- mung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Abkommen vom 2. März 2009 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Insel Man über die Unterstützung in Steuer- und Steuerstrafsachen durch Auskunfts- austausch (Drucksachen 17/1698, 17/2168) . . . . – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zu dem Abkom- men vom 2. März 2009 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Insel Man zur Vermeidung der Dop- pelbesteuerung von im internationa- len Verkehr tätigen Schifffahrtsun- ternehmen (Drucksachen 17/1697, 17/2168) . . . . g) – Zweite Beratung und Schlussabstim- mung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Abkommen vom 26. März 2009 zwischen der Regie- rung der Bundesrepublik Deutsch- land und der Regierung von Guern- sey über den Auskunftsaustausch in Steuersachen (Drucksachen 17/1699, 17/2090) . . . . 4991 B 4991 B 4991 C 4991 D 4992 A 4992 B 4992 D IV Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 49. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2010 – Zweite Beratung und Schlussabstim- mung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Abkommen vom 13. Au- gust 2009 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung von Gibraltar über die Unterstützung in Steuer- und Steuerstrafsachen durch Aus- kunftsaustausch (Drucksachen 17/1700, 17/2090) . . . . – Zweite Beratung und Schlussabstim- mung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 2. Septem- ber 2009 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung des Fürstentums Liechtenstein über die Zusammen- arbeit und den Informationsaus- tausch in Steuersachen (Drucksachen 17/1701, 17/2090) . . . . h) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Betriebsprämiendurchführungsgesetzes und des Agrarstatistikgesetzes (Drucksachen 17/1703, 17/2109) . . . . . . . i) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Kat- zen- und Hundefell-Einfuhr-Verbotsge- setzes und zur Änderung des Seefische- reigesetzes (Drucksachen 17/1704, 17/2110) . . . . . . . j) Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu der Verordnung der Bundesregierung: Neununddreißigste Ver- ordnung zur Durchführung des Bundes- Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emis- sionshöchstmengen – 39. BImSchV) (Drucksachen 17/1900, 17/2175) . . . . . . . k) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadt- entwicklung zu dem Antrag der Fraktio- nen der CDU/CSU und der FDP: Modell- versuch „Begleitetes Fahren mit 17“ in das Dauerrecht überführen (Drucksachen 17/1573, 17/2147) . . . . . . . m) Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP: Herstellung des Einverneh- mens zu den erwarteten Ergebnissen der Regierungskonferenz im Hinblick auf die Zusammensetzung des Europäi- schen Parlaments nach Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon 4992 D 4992 D 4993 B 4993 C 4994 A 4994 A hier: Erklärung des Deutschen Bundes- tages nach § 10 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angele- genheiten der Europäischen Union (Drucksache 17/2127) . . . . . . . . . . . . . . . n) Antrag der Abgeordneten Dr. Diether Dehm, Alexander Ulrich, Andrej Konstantin Hunko, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion DIE LINKE: Verän- derung der Zusammensetzung des Europäischen Parlaments in der laufen- den Wahlperiode (Drucksache 17/2049) . . . . . . . . . . . . . . . o) Antrag der Abgeordneten Dietmar Nietan, Axel Schäfer (Bochum), Dr. Rolf Mützenich, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Den Europäischen Auswärtigen Dienst im Dienste aller EU-Institutionen handlungsfähig und wirkungsvoll ausgestalten (Drucksache 17/2118) . . . . . . . . . . . . . . . p) – v) Beschlussempfehlungen des Petitionsaus- schusses: Sammelübersichten 97, 98, 99, 100, 101, 102 und 103 zu Petitionen (Drucksachen 17/1990, 17/1991, 17/1992, 17/1993, 17/1994, 17/1995, 17/1996) . . . Zusatztagesordnungspunkt 3: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der SPD: Auswirkungen des gescheiterten Bildungsgipfels auf die gemeinsame Bil- dungspolitik von Bund und Ländern . . . . . Ulla Burchardt (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Thomas Feist (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Dr. Rosemarie Hein (DIE LINKE) . . . . . . . . Patrick Meinhardt (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Annette Schavan, Bundesministerin BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU) . . Swen Schulz (Spandau) (SPD) . . . . . . . . . . . Dr. Martin Neumann (Lausitz) (FDP) . . . . . . Klaus Hagemann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Eckhardt Rehberg (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) . . . . . . . . . Albert Rupprecht (Weiden) (CDU/CSU) . . . . 4994 C 4994 C 4994 C 4994 D 4995 C 4995 C 4996 D 4997 D 4999 A 5000 B 5001 C 5003 A 5004 C 5005 D 5006 D 5007 D 5008 D 5010 A Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 49. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2010 V Tagesordnungspunkt 5: Erste Beratung des vom Bundesrat einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ände- rung des Strafrechtlichen Rehabilitie- rungsgesetzes (Drucksache 17/1215) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Marco Buschmann (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Sonja Steffen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Andrea Astrid Voßhoff (CDU/CSU) . . . . . . . Halina Wawzyniak (DIE LINKE) . . . . . . . . . Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Halina Wawzyniak (DIE LINKE) . . . . . . . Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE) . . . . . . . . Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arnold Vaatz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Joachim Hacker (SPD) . . . . . . . . . . . . . Arnold Vaatz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 6: a) Antrag der Abgeordneten Dr. Sascha Raabe, Lothar Binding (Heidelberg), Dr. h. c. Gernot Erler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Herausforde- rung Millenniums-Entwicklungsziele (Drucksache 17/2018) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Niema Movassat, Heike Hänsel, Annette Groth, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Steigerung der Entwick- lungshilfequote auf 0,7 Prozent gesetz- lich festlegen (Drucksache 17/2024) . . . . . . . . . . . . . . . . c) Antrag der Abgeordneten Thilo Hoppe, Uwe Kekeritz, Ute Koczy, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Mit dem Global Green New Deal die Millenniumsentwick- lungsziele erreichen (Drucksache 17/2132) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Sascha Raabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dagmar Wöhrl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Niema Movassat (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Dr. Christiane Ratjen-Damerau (FDP) . . . . . . Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Johannes Selle (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Karin Roth (Esslingen) (SPD) . . . . . . . . . . . . 5011 A 5011 B 5012 B 5013 B 5015 A 5015 D 5016 B 5017 B 5017 C 5017 D 5019 B 5020 A 5020 D 5021 A 5021 A 5021 B 5022 D 5024 C 5025 C 5026 D 5028 A 5029 C Tagesordnungspunkt 7: – Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der United Nations Inte- rim Force in Lebanon (UNIFIL) auf Grundlage der Resolution 1701 (2006) vom 11. August 2006 und folgender Re- solutionen, zuletzt 1884 (2009) vom 27. August 2009 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (Drucksachen 17/1905, 17/2171) . . . . . . . – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 17/2177) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Rainer Stinner (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Günter Gloser (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peter Beyer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . Inge Höger (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Holger Haibach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Karin Evers-Meyer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Ingo Gädechens (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 8: Erste Beratung des von den Abgeordneten Katja Dörner, Ekin Deligöz, Kai Gehring, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Ände- rung des Achten Buches Sozialgesetzbuch – Aufhebung der Ankündigung eines Betreu- ungsgeldes (Drucksache 17/1579) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Katja Dörner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Norbert Geis (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Diana Golze (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Caren Marks (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Marlene Rupprecht (Tuchenbach) (SPD) . . . Miriam Gruß (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Katja Dörner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5030 C 5030 D 5030 D 5032 B 5033 B 5034 C 5035 C 5036 D 5037 C 5038 B 5039 C 5044 C 5039 D 5040 A 5041 A 5041 D 5042 C 5043 A 5046 B 5047 D 5048 A VI Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 49. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2010 Diana Golze (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . Norbert Geis (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Diana Golze (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . Marco Wanderwitz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Christel Humme (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Norbert Geis (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 9: a) – Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem An- trag der Bundesregierung: Fortset- zung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der Frie- densmission der Vereinten Nationen im Sudan (UNMIS) auf Grundlage der Resolution 1590 (2005) des Si- cherheitsrates der Vereinten Natio- nen vom 24. März 2005 und Folgere- solutionen (Drucksachen 17/1902, 17/2172) . . . . – Bericht des Haushaltsausschusses ge- mäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 17/2178) . . . . . . . . . . . . . b) – Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem An- trag der Bundesregierung: Fortset- zung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der AU/ UN-Hybrid-Operation in Darfur (UNAMID) auf Grundlage der Re- solution 1769 (2007) des Sicherheits- rates der Vereinten Nationen vom 31. Juli 2007 und Folgeresolutionen (Drucksachen 17/1901, 17/2173) . . . . – Bericht des Haushaltsausschusses ge- mäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 17/2179) . . . . . . . . . . . . . Marina Schuster (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) . . . . . . . . Florian Hahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU) . . . Namentliche Abstimmungen . . . . . . . . . . . . . Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 10: Große Anfrage der Abgeordneten Ute Kumpf, Ingrid Arndt-Brauer, Doris Barnett, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: 5048 C 5049 C 5049 D 5050 A 5051 B 5051 D 5053 B 5053 C 5053 C 5053 C 5053 D 5054 D 5056 B 5057 A 5058 B 5059 B 5660 C, D 5063 D, 5066 C Sicherung der Technologieführerschaft Deutschlands im Verkehrs- und Baube- reich (Drucksache 17/931) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 11: a) – Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung wehr- und zivildienstrechtlicher Vorschriften 2010 (Wehrrechtsänderungsgesetz 2010 – WehrRÄndG 2010) (Drucksachen 17/1953, 17/2174) . . . . – Bericht des Haushaltsausschusses ge- mäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 17/2180) . . . . . . . . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Verteidigungsausschusses – zu dem Antrag der Abgeordneten Paul Schäfer (Köln), Jan van Aken, Matthias W. Birkwald, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion DIE LINKE: Abschaffung der Wehrpflicht – zu dem Antrag der Abgeordneten Agnes Malczak, Omid Nouripour, Kai Gehring, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Wehrpflicht beenden (Drucksachen 17/1736, 17/1431, 17/2174) Markus Grübel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Sönke Rix (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Joachim Spatz (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE) . . . . . . . . Agnes Malczak (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Reinhard Brandl (CDU/CSU) . . . . . . . . . Lars Klingbeil (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Namentliche Abstimmungen . . . . . . . . . . . . . Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 12: a) Antrag der Abgeordneten Christine Lambrecht, Petra Crone, Dr. Peter Danckert, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Gleichstellung einge- tragener Lebenspartnerschaften (Drucksache 17/2113) . . . . . . . . . . . . . . . 5061 A 5061 A 5061 B 5061 C 5061 C 5062 D 5068 B 5068 D 5069 D 5071 A 5072 B 5073 B 5074 C, D 5078 D, 5081 C 5075 A Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 49. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2010 VII b) Antrag der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Jan Korte, Cornelia Möhring, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Öffnung der Ehe (Drucksache 17/2023) . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 13: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes für bessere Beschäftigungschancen am Ar- beitsmarkt – Beschäftigungschancengesetz (Drucksache 17/1945) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 14: Antrag der Abgeordneten Dr. Rosemarie Hein, Diana Golze, Dr. Petra Sitte, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Fachkräfteprogramm – Bildung und Erzie- hung – unverzüglich auf den Weg bringen (Drucksache 17/2019) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 15: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die aufsichtsrechtli- chen Anforderungen an die Vergü- tungssysteme von Instituten und Versi- cherungsunternehmen (Drucksachen 17/1291, 17/1457, 17/2181) b) Beschlussempfehlung und Bericht des Fi- nanzausschusses – zu dem Antrag der Abgeordneten Nicolette Kressl, Joachim Poß, Ingrid Arndt-Brauer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Maßnah- menbündel gegen Spekulationen auf den Finanzmärkten und ungerecht- fertigte Banker-Boni – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Dr. Axel Troost, Richard Pitterle, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion DIE LINKE: Dem Vorbild Großbritanniens und Frank- reichs folgen – Boni-Steuer für die Finanzbranche einführen – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Gerhard Schick, Fritz Kuhn, Kerstin Andreae, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Gehaltsexzesse nicht länger auf Kosten der Allgemeinheit (Drucksachen 17/526, 17/452, 17/794, 17/2181) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5075 A 5075 B 5075 C 5075 D 5076 B Ralph Brinkhaus (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Manfred Zöllmer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Björn Sänger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 16: Erste Beratung des von den Abgeordneten Markus Kurth, Josef Philip Winkler, Fritz Kuhn, weiteren Abgeordneten und der Frak- tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhe- bung des Asylbewerberleistungsgesetzes (Drucksache 17/1428) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 17: a) Zweite und dritte Beratung des vom Bun- desrat eingebrachten Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung des Bundes- waldgesetzes (Drucksachen 17/1220, 17/2184) . . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirt- schaft und Verbraucherschutz – zu dem Antrag der Abgeordneten Petra Crone, Dirk Becker, Gerd Bollmann, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der SPD: Bundeswaldgesetz nachhaltig gestalten – Schutz und Pflege des Ökosystems für heutige und künftige Generationen – zu dem Antrag der Abgeordneten Cornelia Behm, Undine Kurth (Qued- linburg), Ulrike Höfken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das Bundeswaldgesetz novellieren und ökologische Mindeststandards für die Waldbewirtschaftung einführen – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann, Dr. Gesine Lötzsch, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Bundeswaldgesetz ändern – Naturnahe Waldbewirtschaftung fördern – zu der Unterrichtung durch die Bun- desregierung: Waldbericht der Bun- desregierung 2009 (Drucksachen 17/1050, 17/1586, 17/1743, 16/13350, 17/2184) . . . . . . . . . . . . . . . . . 5076 B 5083 B 5085 A 5086 B 5087 B 5088 C 5088 D 5089 A VIII Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 49. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2010 Tagesordnungspunkt 18: Zweite und dritte Beratung des von den Frak- tionen der CDU/CSU und der FDP einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ver- meidung kurzfristiger Marktengpässe bei flüssiger Biomasse (Drucksachen 17/1750, 17/2182) . . . . . . . . . . Dr. Maria Flachsbarth (CDU/CSU) . . . . . . . . Josef Göppel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Dirk Becker (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Kauch (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . . Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 19: a) Antrag der Fraktionen SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Todesstrafe welt- weit abschaffen (Drucksache 17/2114) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Fraktion der SPD: Folter be- kämpfen und Folteropfer unterstützen (Drucksache 17/2115) . . . . . . . . . . . . . . . . c) Antrag der Abgeordneten Annette Groth, Katrin Werner, Jan van Aken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Abschaffung der Todesstrafe weltweit (Drucksache 17/2131) . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 20: Zweite und dritte Beratung des von den Frak- tionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Ent- wurfs eines Sechsten Gesetzes zur Ände- rung des Weingesetzes (Drucksachen 17/1749, 17/2108) . . . . . . . . . . Dr. Erik Schweickert (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 21: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Umwelt, Naturschutz und Reak- torsicherheit – zu dem Antrag der Abgeordneten Oliver Kaczmarek, Dirk Becker, Marco Bülow, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Hochwasserschutz europäisch und ökologisch nachhaltig umsetzen – Für ein integriertes Hochwasserschutz- konzept 5089 D 5090 A 5090 D 5091 B 5091 D 5092 B 5093 A 5094 A 5094 A 5094 A 5094 B 5094 C – zu dem Antrag der Abgeordneten Oliver Kaczmarek, Dirk Becker, Marco Bülow, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Naturnahen Wasserhaushalt durch Schutz und Renaturierung von Nass- und Feuchtgebieten fördern – Hochwassergefahren mindern, Klima schützen – zu dem Antrag der Abgeordneten Nicole Maisch, Undine Kurth (Quedlinburg), Dorothea Steiner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Auenschutzprogramm vorle- gen (Drucksachen 17/1974, 17/1748, 17/1760, 17/2176) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 22: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Ge- setze (Drucksachen 17/1684, 17/2169) . . . . . . . . . . Peter Wichtel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Max Straubinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Anette Kramme (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Johannes Vogel (Lüdenscheid) (FDP) . . . . . . Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) . . . . . . . Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 23: Antrag der Abgeordneten Caren Lay, Herbert Behrens, Dr. Ilja Seifert, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion DIE LINKE: Fluggast- rechte stärken (Drucksache 17/2021) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Marco Wanderwitz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Lucia Puttrich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Marianne Schieder (Schwandorf) (SPD) . . . . Heinz Paula (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Marco Buschmann (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . Caren Lay (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . Markus Tressel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 24: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Verkehr, Bau und Stadtentwick- 5096 A 5096 B 5096 C 5097 B 5098 B 5099 B 5100 A 5100 C 5101 B 5101 C 5102 C 5103 D 5104 C 5105 A 5105 C 5106 A Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 49. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2010 IX lung zu der Unterrichtung durch die Bundes- regierung: Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialaus- schuss und den Ausschuss der Regionen – Aktionsplan „Urbane Mobilität“ (inkl. 14030/09 ADD 1 und 14030/09 ADD 2) (ADD 1 in Englisch) KOM(2009) 490 endg.; Ratsdok. 14030/09 (Drucksachen 17/136 Nr. A.92, 17/815) . . . . Veronika Bellmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Sören Bartol (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Oliver Luksic (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thomas Lutze (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 25: Antrag der Abgeordneten Undine Kurth (Quedlinburg), Ulrike Höfken, Thilo Hoppe, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Biodiversität national und international konsequent schützen (Drucksache 17/2005) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Josef Göppel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Matthias Miersch (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Angelika Brunkhorst (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Sabine Stüber (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Undine Kurth (Quedlinburg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 27: Antrag der Abgeordneten Karin Binder, Caren Lay, Dr. Martina Bunge, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion DIE LINKE: Nährwert-Ampel bundesweit einführen (Drucksache 17/2120) . . . . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 4: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zu dem Antrag der Abge- ordneten Ulrike Höfken, Nicole Maisch, Cornelia Behm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die „Information der Verbrau- cher über Lebensmittel“ KOM(2008) 40 5107 B 5107 C 5109 C 5110 C 5111 B 5111 D 5112 B 5112 C 5113 A 5114 B 5115 B 5115 D 5117 A hier: Stellungnahme gegenüber der Bun- desregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes Lebensmittelinformation verbessern – Ver- bindliche Ampelkennzeichnung einführen (Drucksachen 17/1987, 17/2185) . . . . . . . . . . Carola Stauche (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Iris Gleicke (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Christel Happach-Kasan (FDP) . . . . . . . Karin Binder (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 29: Antrag der Abgeordneten Oliver Krischer, Sven-Christian Kindler, Hans-Josef Fell, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Aufhebung der Haushaltssperre und Weiterführung des Marktanreizprogramms und der nationa- len Klimaschutzinitiative zur Förderung erneuerbarer Energien (Drucksache 17/2007) . . . . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 5: Antrag der Abgeordneten Dr. Bärbel Kofler, Sören Bartol, Dirk Becker, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der SPD: Marktan- reizprogramm und nationale Klimaschutz- initiative fortsetzen (Drucksache 17/2119) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bernhard Schulte-Drüggelte (CDU/CSU) . . . Bettina Kudla (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Sören Bartol (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Heinz-Peter Haustein (FDP) . . . . . . . . . . . . . Michael Leutert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Thomas Dörflinger (CDU/CSU) zur nament- lichen Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung wehr- und zivildienst- 5117 A 5117 B 5118 C 5119 A 5120 A 5120 D 5121 C 5121 C 5121 D 5122 B 5123 B 5124 A 5125 A 5125 C 5126 D 5127 A X Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 49. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2010 rechtlicher Vorschriften 2010 (Wehrrechts- änderungsgesetz 2010 – WehrRÄndG 2010) (Tagesordnungspunkt 11 a) . . . . . . . . . . . . . . Anlage 3 Erklärung nach § 31 Abs. 2 GO des Abgeord- neten Hans-Ulrich Klose (SPD) zur namentli- chen Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung wehr- und zivildienst- rechtlicher Vorschriften 2010 (Wehrrechtsän- derungsgesetz 2010 – WehrRÄndG 2010) und über den Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Tagesord- nungspunkt 11 a und b) . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 4 Erklärung nach § 31 Abs. 1 GO der Abgeord- neten Jens Ackermann, Daniel Bahr (Müns- ter), Florian Bernschneider, Sebastian Blumenthal, Marco Buschmann, Dr. Bijan Djir-Sarai, Patrick Döring, Manuel Höferlin, Sebastian Körber, Horst Meierhofer. Björn Sänger, Florian Toncar, Serkan Tören und Johannes Vogel (Lüdenscheid) (alle FDP) zur namentlichen Abstimmung über den Ent- schließungsantrag der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung wehr- und zivildienst- rechtlicher Vorschriften 2010 (Wehrrechts- änderungsgesetz 2010 – WehrRÄndG 2010) (Tagesordnungspunkt 11 b) . . . . . . . . . . . . . . Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Großen Anfrage: Sicherung der Technolo- gieführerschaft Deutschlands im Verkehrs- und Baubereich (Tagesordnungspunkt 10) Steffen Bilger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Karl Holmeier (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Ute Kumpf (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Tiefensee (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Petra Müller (Aachen) (FDP) . . . . . . . . . . . . Herbert Behrens (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Anträge: – Gleichstellung eingetragener Lebenspart- nerschaften – Öffnung der Ehe (Tagesordnungspunkt 12) 5127 C 5128 A 5128 B 5128 D 5129 D 5130 D 5132 A 5133 C 5134 B 5134 D Ute Granold (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Christine Lambrecht (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Stephan Thomae (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Kauch (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes für bessere Be- schäftigungschancen am Arbeitsmarkt – Be- schäftigungschancengesetz (Tagesordnungs- punkt 13) Paul Lehrieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Gabriele Lösekrug-Möller (SPD) . . . . . . . . . Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Johannes Vogel (Lüdenscheid) (FDP) . . . . . . Sabine Zimmermann (DIE LINKE) . . . . . . . . Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Fachkräfteprogramm – Bildung und Erziehung – unverzüglich auf den Weg bringen (Tagesordnungspunkt 14) Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU) . . Ewa Klamt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . Marianne Schieder (Schwandorf) (SPD) . . . . Caren Marks (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sylvia Canel (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Rosemarie Hein (DIE LINKE) . . . . . . . . . Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung des Asylbewerberleistungsgesetzes (Tages- ordnungspunkt 16) Mechthild Heil (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Johann Wadephul (CDU/CSU) . . . . . . . . Gabriele Hiller-Ohm (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 5135 B 5137 C 5138 B 5138 D 5139 C 5140 A 5141 B 5142 B 5143 C 5144 C 5145 B 5145 D 5146 C 5147 C 5148 D 5150 C 5151 C 5152 B 5152 D 5153 D 5154 D 5155 C 5156 B Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 49. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2010 XI Miriam Gruß (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: Frank Heinrich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Angelika Graf (Rosenheim) (SPD) . . . . . . . . . Marina Schuster (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Annette Groth (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5157 C 5158 A 5158 D 5164 D 5166 C 5167 C 5168 B 5169 B – Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Bundeswaldgesetzes – Beschlussempfehlung und Bericht: – Antrag: Bundeswaldgesetz nachhaltig gestalten – Schutz und Pflege des Öko- systems für heutige und künftige Ge- nerationen – Antrag: Das Bundeswaldgesetz novel- lieren und ökologische Mindeststan- dards für die Waldbewirtschaftung ein- führen – Antrag: Bundeswaldgesetz ändern – Naturnahe Waldbewirtschaftung för- dern – Unterrichtung: Waldbericht der Bun- desregierung 2009 (Tagesordnungspunkt 17 a und b) Alois Gerig (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . Petra Crone (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Christel Happach-Kasan (FDP) . . . . . . . Alexander Süßmair (DIE LINKE) . . . . . . . . . Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Anträge: – Todesstrafe weltweit abschaffen – Folter bekämpfen und Folteropfer unter- stützen – Abschaffung der Todesstrafe weltweit (Tagesordnungspunkt 19 a bis c) 5159 D 5161 B 5162 A 5163 B 5164 A Anlage 12 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Sechsten Gesetzes zur Än- derung des Weingesetzes (Tagesordnungs- punkt 20) Norbert Schindler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Gustav Herzog (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Alexander Süßmair (DIE LINKE) . . . . . . . . . Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 13 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts zu den Anträgen: – Hochwasserschutz europäisch und ökolo- gisch nachhaltig umsetzen – Für ein inte- griertes Hochwasserschutzkonzept – Naturnahen Wasserhaushalt durch Schutz und Renaturierung von Nass- und Feucht- gebieten fördern – Hochwassergefahren mindern, Klima schützen – Auenschutzprogramm vorlegen (Tagesordnungspunkt 21) Ingbert Liebing (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Josef Göppel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Oliver Kaczmarek (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Horst Meierhofer (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Sabine Stüber (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5170 D 5171 D 5172 A 5172 C 5173 B 5174 A 5174 C 5175 C 5176 B 5177 B Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 49. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2010 4949 (A) (C) (D)(B) 49. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2010 Beginn: 10.00 Uhr
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    Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 49. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2010 5127 (A) (C) (D)(B) der im Interesse der Zivildienstleistenden noch der Ein-Schipanski, Tankred CDU/CSU 17.06.2010 nunmehr geltenden Dauer des Zivildienstes überhaupt umsetzbar ist. Steinke, Kersten DIE LINKE 17.06.2010 richtungen liegen kann. Es stellt sich zudem die Frage, ob die vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vorgelegte und begrüßenswerte Kon- zeption zum „Zivildienst als Lerndienst" innerhalb der Schmidt (Eisleben), Silvia SPD 17.06.2010 Anlage 1 Liste der entschuldi Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich van Aken, Jan DIE LINKE 17.06.2010 Bätzing-Lichtenthäler, Sabine SPD 17.06.2010 Bender, Birgitt BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 17.06.2010 Bülow, Marco SPD 17.06.2010 Fischer (Karlsruhe- Land), Axel E. CDU/CSU 17.06.2010** Fischer (Hamburg), Dirk CDU/CSU 17.06.2010 Fritz, Erich G. CDU/CSU 17.06.2010** Groschek, Michael SPD 17.06.2010 Hempelmann, Rolf SPD 17.06.2010 Höger, Inge DIE LINKE 17.06.2010 Hörster, Joachim CDU/CSU 17.06.2010** Koczy, Ute BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 17.06.2010 Kunert, Katrin DIE LINKE 17.06.2010 Dr. Merkel, Angela CDU/CSU 17.06.2010* Nahles, Andrea SPD 17.06.2010 Nietan, Dietmar SPD 17.06.2010 Pflug, Johannes SPD 17.06.2010** Polenz, Ruprecht CDU/CSU 17.06.2010 Sager, Krista BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 17.06.2010 Anlagen zum Stenografischen Bericht gten Abgeordneten * für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver- sammlung des Europarates ** für die Teilnahme an den Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Thomas Dörflinger (CDU/ CSU) zur namentlichen Abstimmung über den Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung wehr- und zivildienstrechtlicher Vorschriften 2010 (Wehr- rechtsänderungsgesetz 2010 – WehrRÄndG 2010) (Tagesordnungspunkt 11 a) Dem Gesetzentwurf über die Verkürzung von Wehr- und Zivildienst auf sechs Monate werde ich heute unter Zurückstellung großer Bedenken meine Zustimmung er- teilen. Aus jahrelanger Tätigkeit als Berichterstatter für den Bereich Zivildienst weiß ich um den Umstand, dass schon die Verkürzung des Zivildienstes auf neun Monate und die damit entstehende Unterjährigkeit zu großen Problemen bei der Umsetzung sowohl bei den Zivil- dienststellen als auch bei den Zivildienstleistenden ge- führt hat. Es besteht die berechtigte Befürchtung, dass sich diese Probleme durch die neuerliche Verkürzung nochmals vergrößern. Zwar sorgt die Option, die Dauer des Zivildienstes freiwillig zu verlängern, im Interesse der Einrichtungen für eine gewisse Entspannung der Situation. Es ist aber schlecht zu bestreiten, dass nach Abzug von Einfüh- rungslehrgang, staatsbürgerlichem Unterricht und even- tuellen Rüstzeiten für die eigentliche Dienstzeit nur ein überschaubarer Zeitraum zur Verfügung steht, was we- Dr. Tackmann, Kirsten DIE LINKE 17.06.2010 Wolff (Wolmirstedt), Waltraud SPD 17.06.2010 Zapf, Uta SPD 17.06.2010 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich 5128 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 49. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2010 (A) (C) (D)(B) Anlage 3 Erklärung nach § 31 Abs. 2 GO des Abgeordneten Hans-Ulrich Klose (SPD) zur namentlichen Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung wehr- und zivil- dienstrechtlicher Vorschriften 2010 (Wehrrechts- änderungsgesetz 2010 – WehrRÄndG 2010) und über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (Tagesordnungspunkt 11a und b) An den namentlichen Abstimmungen a) auf Antrag der SPD zur 2./3. Lesung des CDU/CSU- und-FDP-Entwurfs eines Wehrrechtsänderungsgeset- zes 2010 und b) zum Antrag der Grünen „Wehrpflicht beenden" werde ich mich nicht beteiligen, und zwar aus folgenden Gründen: Ich bin Mitglied der vom Bundesverteidigungsminis- ter berufenen Strukturkommission, die sich unter ande- rem auch mit der Wehrpflicht und der Wehrverfassung beschäftigt. Vor Abschluss der Beratungen in der Kom- mission möchte ich mich in der Sache nicht festlegen; ich kann mich aber auch nicht enthalten, weil ich zu bei- den Punkten eine Meinung habe. Daher die mit meinem Fraktionsvorsitzenden abgesprochene Nichtbeteiligung an der Abstimmung. Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO, Absatz 1 der Abgeordneten Jens Ackermann, Daniel Bahr (Münster), Florian Bernschneider, Sebastian Blumenthal, Marco Buschmann, Dr. Bijan Djir- Sarai, Patrick Döring, Manuel Höferlin, Sebastian Körber, Horst Meierhofer, Björn Sänger, Florian Toncar, Serkan Tören und Johannes Vogel (Lüdenscheid) (alle FDP) zur namentlichen Abstimmung über den Entschlie- ßungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grü- nen zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung wehr- und zivildienstrechtlicher Vor- schriften 2010 (Wehrrechtsänderungsgesetz 2010 – WehrRÄndG 2010) (Tagesordnungs- punkt 11 b) Die Verkürzung der Wehrpflicht von neun auf sechs Monate ist das Ergebnis einer Abwägung zwischen den Grundrechten der von der Wehrpflicht betroffenen jun- gen Männer und den sicherheitspolitischen Erfordernis- sen unseres Landes in der derzeitigen Struktur unserer Streitkräfte. Dies ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass die Wehrpflicht einen massiven Grundrechteingriff darstellt und wichtige Kapazitäten in den Strukturen der Bundeswehr, die längst eine Armee im internationalen Einsatz geworden ist, bindet. Deswegen bleiben wir der Meinung, dass diese Abwägungsfrage auch grundsätz- lich im Sinne der Grundrechte der jungen Männer ent- schieden werden kann. Daher ist und bleibt die Aussetzung der Wehrpflicht unser Ziel. Wir brauchen stattdessen eine moderne Frei- willigenarmee, die Schaffung sozialversicherungspflich- tiger Arbeitsplätze anstelle von Zivildienststellen im So- zialbereich und die Förderung freiwilligen Engagements für die Gesellschaft im Rahmen eines freiwilligen sozia- len Jahres oder verwandter Modelle. Aus unserer Sicht ist jeder Monat Pflichtdienst, der wegfällt, für die jungen Männer und gleichermaßen für das Gemeinwesen selbst ein Freiheitsgewinn. Schon jetzt haben wir also mehr erreicht als Bündnis 90/Die Grünen in ihrer Regierungszeit, in der die Wehrpflicht nur von zehn auf neun Monate verkürzt werden konnte. Diese Errungenschaft der jetzigen Koalition werden wir auch durch ein gemeinsames Abstimmungsverhalten in dieser Frage unterstreichen. Daher lehnen wir den An- trag von Bündnis 90/Die Grünen samt Entschließungs- antrag ab. Die Ablehnung des Antrags der Linken ist schon allein wegen der Unterstellung einer „Kriegspoli- tik“ geboten, die nichts mit dem Dienst unserer Soldatin- nen und Soldaten im Ausland zu tun hat. Sollte davon abgesehen beim Koalitionspartner noch ein Umdenken einsetzen und dieser sich einer Aussetzung der Wehr- pflicht nicht mehr in den Weg stellen, würden wir dies ausdrücklich begrüßen und in guter Zusammenarbeit schnellstmöglich umsetzen. Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Großen Anfrage: Sicherung der Technologieführerschaft Deutschlands im Verkehrs- und Baubereich (Tagesordnungs- punkt 10) Steffen Bilger (CDU/CSU): Vor zwei Monaten habe ich im Deutschen Bundestag schon einmal zum Thema alternative Antriebe gesprochen. Vieles von dem damals Gesagten ist auch heute noch aktuell. Anlass waren da- mals ein umfassender Antrag der Grünen und ein Antrag der SPD-Fraktion zu nachhaltiger Mobilität. Bei dem SPD-Antrag fehlte allerdings – wie ich es damals schon kritisiert hatte – jeder Bezug zur Elektromobilität. Umso mehr freut es mich, dass wir heute über eine Große An- frage der Sozialdemokraten zu diesem Thema diskutieren können. Um es aber gleich vorwegzunehmen: Außer ei- nem Haufen Fragen an die Bundesregierung ist den Kol- legen von der SPD zur Elektromobilität nichts eingefal- len. Die christlich-liberale Koalition macht das anders: Wir geben Antworten und handeln. Am 3. Mai haben wir mit dem Kanzlergipfel den Startschuss für die Natio- nale Plattform Elektromobilität gelegt. Ich habe im März gesagt, dass wir nach dem Kanzlergipfel loslegen. Das halten wir auch so. Derzeit arbeiten wir sehr konkret an einem Koalitionsantrag zur Elektromobilität. Die Ar- beitsgruppen der Nationalen Plattform sitzen mit Hoch- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 49. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2010 5129 (A) (C) (D)(B) druck an ihren Empfehlungen. Dies alles dient dem Ziel, Deutschland zum Leitmarkt und Leitanbieter für alterna- tive Antriebe und CO2-arme Fahrzeuge zu machen. Dieses Ziel sollte ein gemeinsames Ziel von uns allen sein. Daher habe ich auch erfreut zur Kenntnis genom- men, dass Sie in Ihrem Antrag durchaus Positives am bisherigen Vorgehen der Bundesregierung sehen. Die Elektromobilität hat für uns allein schon einen hohen Stellenwert, weil sie ein Beitrag sein kann zum Schutz der Umwelt, zur Schonung von Ressourcen und damit letztendlich zur Bewahrung der Schöpfung. In der Anfrage geht es aber in erster Linie um die Si- cherung der Technologieführerschaft Deutschlands im Verkehrsbereich. Konkret bedeutet das, Deutschland zum Leitanbieter für alternative Antriebe zu machen. Die Elektromobilität ist eine große Chance für den Wirt- schaftsstandort Deutschland – und eine große Herausfor- derung: Immer mehr neue Autos werden in Zukunft elektrisch fahren oder zumindest über einen zusätzlichen Elektromotor verfügen. Der Bau von Elektrofahrzeugen, innovativen Energiespeichersystemen und Ladestellen wird in Deutschland in den nächsten Jahrzehnten Marktchancen eröffnen und Arbeitsplätze schaffen. Diese werden allerdings nicht nur auf Automobilkon- zerne und Zulieferindustrie beschränkt sein. Dabei ver- steht sich von selbst, dass wir einen technologieoffenen Ansatz verfolgen. Insgesamt gilt es, heute schon an die genannten Punkte zu denken und die Weichen richtig zu stellen. Mit der bereits erwähnten Gründung der Nationalen Plattform Elektromobilität wurde eine Arbeitsstruktur geschaffen, um den Nationalen Entwicklungsplan Elek- tromobilität der Bundesregierung von 2009 fortzuentwi- ckeln. Darüber hinaus ist es ihre Aufgabe, konkrete Kon- zepte zu seiner praktischen Umsetzung vorzulegen. Bis Ende 2010 werden eine Zwischenbilanz der Arbeits- gruppen und erste Vorschläge vorliegen. Wir begrüßen diese Initiativen der Bundesregierung ausdrücklich. Ins- gesamt muss die Politik gemeinsam mit Verbrauchern, Wirtschaft und Wissenschaft eine Strategie für diese wichtige Zukunftstechnologie erarbeiten. Ich will nicht verschweigen, dass wir noch viel vor uns haben. Es ist noch viel zu tun in den Bereichen Aus- und Weiterbildung, bei der Grundlagenforschung in der Speichertechnologie, der Vernetzung von Forschungs- projekten, beim Bilden von Forschungsclustern, der Ein- beziehung von Verkehrstelematik, beim Recycling, den Rohstoffabhängigkeiten, bei intelligenten Netzen, der Auswertung der Modellregionen, der Ausweitung von Elektromobilität auf andere Verkehrsträger und und und. Wir wissen das und arbeiten an Antworten. Außerdem kann sicherlich auch die Koordinierung der vier beteilig- ten Ressorts noch verbessert werden. Der Gemeinsamen Geschäftsstelle Elektromobilität der Bundesregierung je- denfalls sollten durchaus mehr Kompetenzen übertragen werden. Unsere Aufgabe als Parlament ist es, die Arbeit der Gemeinsamen Geschäftsstelle intensiv zu begleiten. Für Deutschland die Technologieführerschaft zu si- chern, geht nicht ohne finanzielle Förderung. Dabei ist für uns als Union klar, dass es sich bei dieser Förderung nicht um eine Kaufprämie handeln kann. Klar ist aber auch, dass wir bei der Forschung und Entwicklung för- dern müssen. In Zeiten des Sparens und der Haushalts- konsolidierung geht es um besonders effektiven Einsatz von staatlichen Fördermitteln. Wir müssen die For- schungsförderung über 2011 hinaus fortsetzen und zu- sätzliche Fördermöglichkeiten prüfen. Dabei hilft das klare Bekenntnis der Bundesregierung zu weiteren inten- siven Investitionen in Forschung und Bildung. Von den im Koalitionsvertrag erwähnten zusätzlichen 12 Milliar- den Euro bis 2013 sollten meiner Meinung nach umfang- reiche Mittel für Elektromobilität bereitgestellt werden. Damit könnte das erfolgreiche 500-Millionen-Paket aus dem zweiten Konjunkturprogramm über 2011 hinaus fortgesetzt werden. Da die Elektromobilität für die Bun- desregierung Priorität hat, wäre das nur folgerichtig. Wir haben einen Nationalen Entwicklungsplan Elek- tromobilität und eine Nationale Plattform. Die Elektro- mobilität macht aber nicht an nationalen Grenzen halt. Wir brauchen multinationale Vereinbarungen bei der Standardisierung, der Rechtssicherheit und der Verbrau- cherfreundlichkeit. Sprich: Wir brauchen Europa! Des- halb sind wir hierzu mit unseren französischen Kollegen im Gespräch. Wir begrüßen auch im Großen und Ganzen die Strategie der Kommission für saubere und energieef- fiziente Fahrzeuge und unterstützen die Arbeit in den zu- ständigen Standardisierungsgremien. National handeln, aber europäisch denken, ist das Gebot der Stunde. Da- rauf kommt es ganz besonders beim weiteren Ausbau der Elektromobilität an. Karl Hohlmeier (CDU/CSU): „Sicherung der Tech- nologieführerschaft Deutschlands im Verkehrs- und Baubereich“ – ein bedeutendes Thema, das die Kollegin- nen und Kollegen von der SPD hier aufgegriffen haben. Ich finde es nur schade, dass sie es in ihrer Großen Anfrage so auffällig einseitig darstellen. Aus meiner Sicht und der Sicht meiner Fraktion umfasst dieses große Thema doch etwas mehr als nur Klima- und Energiefragen, alternative Antriebstechnologien und ein Tempolimit von 130 km/h auf Autobahnen. Meine begrenzte Redezeit erlaubt es mir leider nicht, hier heute für umfassende Aufklärung bei den Kollegen der Opposition zu sorgen. Das will ich auch gar nicht, die Anfrage richtet sich schließlich an die Regierung. Aber erlauben Sie mir doch den Hinweis auf unseren Koalitionsvertrag. Dort steht sehr viel Wichtiges zu die- sem Thema. Ich möchte mich gern auf ein paar Bereiche beschrän- ken, die aus meiner Sicht besonders hervorzuheben sind und in denen ich dringenden Handlungsbedarf zur Siche- rung der Technologieführerschaft Deutschlands sehe. Zum Thema Verkehr/Infrastruktur. Für den Verkehrs- bereich will ich zunächst einmal auf eine Grundvoraus- setzung für die Sicherung der Technologieführerschaft Deutschlands hinweisen: die uneingeschränkte Mobili- tät. Es geht, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kol- legen von der SPD, nicht darum, Mobilität zu verhin- dern, sondern sie uneingeschränkt zu ermöglichen. 5130 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 49. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2010 (A) (C) (D)(B) Wir müssen sicherstellen, dass die Verkehrsströme in unserem Land reibungslos fließen können. Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund stetig steigender Wachs- tumsraten im Frachtbereich. Hierfür brauchen wir eine optimale Funktionsfähigkeit aller Verkehrsträger und eine gute Vernetzung. Hierzu brauchen wir intelligente Verkehrslenkungs- und Verkehrsmanagementsysteme, und hierzu brauchen wir vor allem Maßnahmen zum Erhalt sowie zum Neu- und Ausbau der Verkehrsinfrastruktur. Zu den konkreten Infrastrukturmaßnahmen. Lassen Sie mich kurz auf den konkreten Nachholbedarf in der Verkehrsinfrastruktur eingehen. Wir brauchen dringend ein Straßenbauprogramm West. Der Zustand zahlreicher Bundestraßen und Bundesautobahnen im Westen Deutschlands ist schlecht und bedarf der Verbesserung. Hier hat das SPD-geführte Verkehrsministerium viel zu lange geschlafen und den Anschluss verpasst. Das wer- den wir nun nachholen. Natürlich bedeutet das nicht, dass wir Abstriche in den neuen Ländern machen dürfen. Die Verkehrspro- jekte „Deutsche Einheit“ werden wir ohne Wenn und Aber abschließen. Hier darf Ost und West nicht gegen- einander ausgespielt werden, sondern wir brauchen eine vernünftige Balance. Der Verkehrsminister, Peter Ramsauer, hat dies ganz klar betont. Wir müssen außerdem den zunehmenden Verkehrs- strömen im Zusammenhang mit der EU-Osterweiterung auf Schiene und Straße gerecht werden. Hier ist voraus- schauendes Handeln gefragt, um nicht später der Ent- wicklung hinterherzuhinken. Als konkretes Beispiel kann ich hier aus eigener Er- fahrung aus meinem Wahlkreis in Ostbayern, an der Grenze zur tschechischen Republik berichten. Beim Bahnausbau sind uns unsere tschechischen Nachbarn schon etwas voraus. Sie haben längst die Notwendigkeit erkannt, dass die direkte Bahnverbindung von Prag nach München über Pilsen, Furth im Wald, Schwandorf und Regensburg ausbaut werden muss. In Gesprächen mit dem tschechischen Verkehrsministerium haben die Kol- legen aus dem Nachbarland klargemacht, dass für sie eine optimale Vernetzung der europäischen Zentren Grundvoraussetzung für den innergemeinschaftlichen Handel ist. Wenn wir unsere Stellung als Technologie- und Lo- gistikstandort langfristig sichern und weiterentwickeln wollen, müssen wir hier mitziehen, und zwar voraus- schauend. Wir müssen politisch gestalten und dürfen uns nicht allein auf die Aussagen von Gutachtern zu Kosten- und Nutzenberechnungen zurückziehen. Zum Thema Bauen und Wohnen. Vorausschauendes Handeln ist auch die Maxime für die Bau- und insbeson- dere die Wohnungsbaupolitik. Hier sind wir auf einem sehr guten Weg, den wir dank des Einsatzes unseres Ver- kehrs- und Bauministers auch konsequent weitergehen. In Deutschland entfallen immer noch 40 Prozent des gesamten Energieverbrauchs auf das Heizen und Kühlen von Gebäuden. Das zeigt uns, dass hier ein enormes Ein- sparpotenzial besteht. Peter Ramsauer hat daher durch- gesetzt, dass die Maßnahmen zur energetischen Gebäu- desanierung weitergeführt werden. Das CO2-Gebäudesanierungsprogramm bleibt uns auch in dieser historisch schwierigen Finanzlage weiter erhalten. Das war nicht einfach und ein gewaltiger Kraft- akt, für den ich den Minister ausdrücklich lobe und Kritik an seinem Handeln entschieden zurückweise. Wir sind weiterhin auf einem sehr guten Weg, das er- folgreiche Marktanreizprogramm fortzuführen. Wir brin- gen die Entwicklungen zum Passivhaus stetig voran, denn Energie, die gar nicht erst verbraucht wird, ist im- mer noch die beste. Lassen Sie mich abschließend an dieser Stelle auch einmal die immer wieder vergessene Bedeutung der Roll- laden- und Sonnenschutzbranche hervorheben. Wärme, die an kalten Tagen durch eine intelligente automatische Steuerung von Rollläden nicht nach außen verloren geht, braucht nicht durch Heizungen ersetzt zu werden. Und Wärme, die an warmen Tagen gar nicht erst in die Ge- bäude eindringt, muss auch nicht gekühlt und abgeführt werden. Wir haben in Deutschland exzellente Technologien im Rollladen- und Sonnenschutzbereich. Genauso, wie wir exzellente Technologien in zahlreichen anderen Bereichen haben. Zur Sicherung unserer Technologieführerschaft müssen wir daher auch weniger bekannte Branchen unter- stützen und dürfen uns nicht nur auf bestimmte Techno- logien konzentrieren und verlassen. Die Technologieführerschaft Deutschlands ruht auf mehreren Säulen. Eine einseitige Betrachtung sichert diese Führerschaft mit Sicherheit nicht. Ute Kumpf (SPD): Klimawandel und Klimaschutz gehören zu den größten Herausforderungen unserer Zeit. Klimaschutz ist auch die soziale Frage dieses Jahrhun- derts. In diesem Bereich wird entschieden, ob wir das Ziel einer gerechten Teilhabe – weltweit und national – erreichen. Auch nach dem Scheitern der Klimakonferenz von Kopenhagen muss Deutschland seine Vorreiterrolle beim Klimaschutz in Europa weiter ausbauen. Bis 2020 sollen die Treibhausgasemissionen in Deutschland um mindestens 40 Prozent, bis 2050 um 80 bis 95 Prozent gegenüber 1990 vermindert werden. Aktuell verursa- chen die Sektoren Gebäude und Verkehr rund 40 Prozent des CO2-Ausstoßes in Deutschland. Das ist eine Heraus- forderung für die Baupolitik, Energie- und Klimakon- zepte zu entwickeln, eine Herausforderung für die Ver- kehrspolitik, CO2-freie Mobilität zu organisieren, mit Energieeffizienz, Elektromobilität und nachhaltigen Ver- kehrskonzepten. In der rot-grünen Bundesregierung und der Großen Koalition haben wir die Weichen dafür gestellt, und zwar mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, dem Integrierten Energie- und Klimaprogramm, der Schaffung der Natio- nalen Plattform für Wasserstoff- und Brennstoffzellen- technologie NOW, dem Nationalen Entwicklungsplan Elektromobilität und dem Ziel, bis 2020 1 Million Elek- troautos auf deutsche Straßen zu bringen, den 500 Mil- lionen Euro an Fördergeldern im Konjunkturprogramm II Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 49. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2010 5131 (A) (C) (D)(B) für die Forschung, Entwicklung und Erprobung von Elektromobilität in acht Modellregionen bis 2011. Blei- ben wir beim Verkehr und dem Thema Elektromobilität. Was macht die schwarz-gelbe Bundesregierung unter Kanzlerin Merkel? Eigene Ideen? Fehlanzeige! Sie macht Produktpiraterie, was uns ehren sollte, gibt aber unsere Projekte und Maßnahmen als ihre aus. Sie insze- niert einen Elektroautogipfel Anfang Mai mit viel Blitz- lichtgewitter und legt dann im Anschluss alles in die Hände der Automobilindustrie. Vier Ministerien und Mi- nister machten sich beim Gipfel den Platz auf dem Po- dium gegenseitig streitig, sprachen mit vielen Zungen, sind aber bis heute nicht in der Lage, unsere Große An- frage, gestellt im März, zu beantworten. Leadership und eine nachhaltige Verkehrspolitik im Interesse der Men- schen sieht anders aus. So verspielt die Bundesregierung Merkel auch hier Vertrauen – bei den Verbrauchern, bei der Wirtschaft, bei der Industrie. Die Menschen sind offen für Elektromobilität und für nachhaltige Verkehrskon- zepte. Das belegen Umfragen. 85 Prozent würden beim nächsten Mal ein Elektrofahrzeug kaufen, so eine Studie der Münchener Unternehmensberatung Barkawi vom Oktober 2009; bei einer Umfrage des ADAC bei seinen Mitgliedern im September 2009 waren es 75 Prozent. Die deutsche Automobilindustrie ist auf diese Nach- frage und auf diese Erwartungen nicht vorbereitet. Es gibt noch keine alltagstauglichen deutschen Produkte, die einem Pkw mit Verbrennungsmotor gleichkommen; der Preis bei den Erprobungsfahrzeugen stimmt noch nicht, denn circa 40 Prozent der Befragten wollen und können nicht mehr Geld für ein Elektroauto als für ein Auto mit Verbrennungsmotor ausgeben. Eine nationale Plattform Elektromobilität der Automobilindustrie al- leine reicht also nicht aus. Die Politik versagt, wenn wir alles der Automobilindustrie überlassen. Wir brauchen eine nationale Kraftanstrengung, wir brauchen eine kon- zertierte Aktion für eine CO2-freie Mobilität, und wir brauchen politische Rahmenbedingungen für Elektromo- bilität. Ein Leitmarkt Elektromobilität fällt nicht vom Himmel. Ein Leitmarkt braucht Leitplanken, wie ein Förderkonzept für Forschung und Entwicklung, eine Qualifizierungsstrategie in Ausbildung, Studium und Lehre, ein Förderkonzept für die Infrastruktur in den Kommunen und in der Fläche, Normen, Standards und Vorgaben, damit wir die Vorreiter im internationalen Wettbewerb in der Automobilindustrie bleiben. Wir tun uns keinen Gefallen, wenn wir uns schöner reden als wir sind. Die Automobilindustrie hat in den 90er-Jahren durch Outsourcing viele Kompetenzen nach Asien verlagert, gerade bei der Batterietechnologie. Schlüsseltechnologien für die Elektromobilität sind Fahrzeugbatterien, elektrische Motoren, mechanische Antriebsstränge und Leistungselektronik. Deutschland ist gerade in diesen Schlüsselbereichen schlecht aufge- stellt. Japan, Korea und China laufen uns hier den Rang ab, so die Einschätzung der Expertenkommission „For- schung und Innovation“ in ihrem Gutachten 2010 an die Bundesregierung. Und wir laufen Gefahr, weiter zurück- zufallen: So fördert China mit einer Milliarde Euro, in Korea forschen 8 000 Wissenschaftler an der Weiterent- wicklung der Batterietechnologie, die USA stecken 2 Milliarden Euro in die Forschung und Entwicklung. Und wo sind die Konzepte der deutschen Regierung? Deutschland muss starke Anstrengungen unternehmen, um gerade in der Batterietechnologie wieder eigene Stär- ken zu entwickeln, um wieder Produktionsstätte für Bat- terien zu werden. Was macht die Regierung? Die SPD fordert von der Bundesregierung, noch in diesem Jahr auch die Frage zu beantworten, wie es 2011 in den acht Modellregionen weitergeht, wenn die Förde- rung durch das Konjunkturprogramm aus der Großen Koalition ausläuft. Wie wird das Wissen, werden die Er- fahrungen und Konzepte zugänglich gemacht, damit an- dere Regionen davon profitieren und ein Wissenstransfer möglich wird? Wissensmanagement muss organisiert werden. Wie geht es vor Ort weiter? Wie wird die Infra- struktur, ein enges Netz an Ladestationen vorangetrie- ben? Ohne Infrastruktur kann Elektromobilität nicht flä- chendeckend organisiert werden. Die Experten sind sich weltweit seit langem einig: Batteriefahrzeuge werden si- cherlich billiger werden, die Zahl der Ladezyklen wird genauso wie die Zuverlässigkeit steigen, ihre Reichweite wird aber nie die von Verbrennungsmotoren sein. Nur den Antrieb zu wechseln, reicht also nicht aus. Elektro- autos brauchen ein neues Fahrzeug- und Mobilitätskon- zept. Es ist die Chance für eine neue Mobilitätskultur. Das zeigen die Modellversuche in London oder auch bei uns, das Projekt car2go in Ulm. Mehr Menschen werden in naher Zukunft das Auto nutzen, jedoch nicht zwangs- läufig eines besitzen wollen. Da schlägt die Stunde für Carsharing, für ein nachhaltiges Mobilitätsmanagement in den Städten mit der Vernetzung der Verkehrsträger. Dieses muss mit politischen Maßnahmen begleitet wer- den: mit Privilegierung von Elektromobilität im öffentli- chen Raum. Stichwort: Parkplätze, Benutzen von Bus- spuren und Ladestationen im Parkhaus. Die öffentliche Hand muss mit ihren Fuhrparks Vorreiter werden. Diese Maßnahmen sind für die SPD sinnvoller, bevor wir die Forderung nach einer Prämie in Höhe von 5 000 Euro beim Kauf eines Elektroautos, wie es die Grünen for- dern, unterstützen. Da sind wir ganz auf der Seite von Bremens grünem Umweltsenator Loske, der von einer „unnötigen Zweitwagenprämie“ spricht. Was wir jetzt vor allem brauchen, ist eine handlungs- fähige Bundesregierung, keine Regierung, die alles dem Markt und der Automobilbranche überlassen will und die hinter einer Plattform in Deckung geht und abwartet. Wir brauchen eine konzertierte Aktion für die Elektro- mobilität, die nicht an unserer nationalen Grenze endet. Wir brauchen diese auch für Europa. Die nationale Brille alleine reicht nicht. Die unterschiedlichen Industrien und Forschungsdisziplinen müssen miteinander reden, bran- chenübergreifende und internationale Forschungs- und Umsetzungsprogramme festlegen, neue strategische Al- lianzen schmieden. Die SPD hat den Weg vorgezeichnet. Jetzt muss die Bundesregierung zeigen, was ihre schö- nen Worte wert sind! Um mit Weert Canzler und Andreas Knie, zwei renommierten Mobilitätsforschern, zu enden: „Der angestrebte Leitmarkt von morgen kann nicht mit Geschäftskonzepten von gestern gesichert wer- den. Es braucht zukunftsfähige Mobilitätsangebote für die regenerativ versorgte Metropole und ihre anspruchs- 5132 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 49. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2010 (A) (C) (D)(B) vollen, aber nicht mehr autoabhängigen Bewohner.“ Wir brauchen keine Gipfelinszenierung, sondern politische Rahmenbedingungen, damit wir keine Spätzünder beim Elektroauto werden und Weltspitze beim Auto und im Verkehrssektor bleiben. Wolfgang Tiefensee (SPD): Deutschland steht vor einer Richtungsentscheidung: Wollen wir in der Elektro- mobilität eine Revolution anschieben, oder lediglich ein paar Forschungsprojekte fördern? Schreitet die Bundes- regierung mit beherzten, mutigen Maßnahmen voran oder verliert sie sich wieder im Klein-Klein, wie bei an- deren Themen auch? Mit dem Elektromobilitätsgipfel am 3. Mai 2010 hat sie wieder einmal eine Chance ver- passt, einen Aufbruch in ein neues Zeitalter zu wagen. Dabei müssen jetzt die Weichen für die Zukunft gestellt werden, weil sich Mobilität grundlegend verändern wird. Ich weiß, dass sich das nur wenige vorstellen können; denn seit unserem ersten Kindheitsblick auf eine Welt- karte steht Europa im Mittelpunkt; Deutschland ist im Zentrum, Asien und die USA kleben am Rand. Das Land der Dichter, Denker und Ingenieure steht naturgemäß für Weltgeltung. Beispiel Autoindustrie: Autos wurden hier erfunden und vervollkommnet, Deutschland ist seit Carl Benz Autonation Nummer eins. Es geht um eine Revolution. Was aber, wenn sich die Koordinaten rasend schnell und dramatisch verschieben würden? Was, wenn Asien ins Zentrum rückte, die Land- karten korrigiert werden müssten, wenn dort ein Know- how versammelt wäre, das einen Sprung in ein neues Zeitalter ermöglichte, in die Epoche der Elektromobili- tät? Das Thema ist absolut in – noch; denn wie üblich wird das Interesse bald erlahmen; die Medienkarawane zieht weiter. Nach gründlicher Beschäftigung mit der Materie ist es nichtsdestotrotz meine Überzeugung, dass wir dran- bleiben müssen, weil es hier entgegen aller Unkenrufe um eine Revolution geht. Sie steht der in der Kommuni- kationsbranche in nichts nach. Wer nun glaubt, mit zag- haften Schritten mithalten zu können, wird im Wettbe- werb dramatisch an Boden verlieren. Umgekehrt kann, wer die Zeichen der Zeit erkennt, wer kraftvoll inves- tiert, riesige PotenZiale heben. Worum geht es? Verkehrsadern werden wieder be- wohnbar, Abgase verschwinden. Auch in 30 Jahren wird der gute alte Ottomotor sei- nen Platz haben, weil Effizienzsteigerungen machbar sind. Biogas, synthetische Kraftstoffe, die Wasserstoff- und Brennstoffzelle vervollkommnen die Palette der Zu- kunft. Im Zentrum steht jedoch die Elektromobilität. Sie führt nicht nur zu einem Paradigmenwechsel in der Mo- bilität selbst – man kauft kein Auto mehr, sondern Mobi- lität – sondern sie ermöglicht auch Umweltfreundlich- keit neuer Qualität, greift man auf grünen Strom zurück. Sie generiert neuartige Werkstoffe, die Einfluss auf Ge- wicht und Design haben werden. Es entwickelt sich eine Verschränkung von Kraftfahr- zeug und Energiewirtschaft. Ein Auto steht bisher zu 95 Prozent seiner Lebenszeit einfach nur platzver- schwendet herum. Mit den Batterien gibt es plötzlich ein Speichermedium, das die dezentrale Speicherung von Strom aus Wind und Sonne in völlig neuer Weise zu- lässt. Verkehrsadern werden wieder bewohnbar, weil Lärm und Abgase verschwinden. Skeptiker werfen ein – und die erheischen immer große Aufmerksamkeit –, das zentrale Problem der Batterie sei in naher Zukunft nicht lösbar. Zu schwach auf der Brust, heißt es da, zu schwer, zu teuer, zu gefährlich, mit ewigen Ladezeiten, nicht recycelbar. Deren Fazit: Macht mal halblang, das wird dauern. In diesem Geist agiert auch die deutsche Bundesre- gierung. Sie ließ eine schnelle und direkte Zusage für eine bessere staatliche Förderung von Forschung und Entwicklung verstreichen; denn im Rahmen der Neu- gründung der „Nationalen Plattform Elektromobilität“ wurden keine konkreten Maßnahmen festgelegt. Dass die Bundesregierung aus ihrer lahmen Forschungspolitik schon erste Konsequenzen zieht, hat sich leider in der Abschlusserklärung nach dem Mobilitätsgipfel gezeigt. Das Ziel von einer Million Elektroautos aus heimischer Produktion im Jahr 2020 wird nun nicht mehr ange- strebt. Stattdessen wird nun nur noch von einer Million Elektroautos auf deutschen Straßen gesprochen, egal ob diese in Deutschland produziert wurden oder nicht. Dies zeigt wiederum, dass mit dieser Bundesregierung keine zukunftsgerichtete Technologiepolitik zu machen ist. Damit die nächste Welle an Elektroautos aus Deutsch- land kommt, muss sofort und mit mehr Dynamik und Innovation auf die grundlegenden Veränderungen re- agiert werden. Noch hat Deutschlands Automobilindustrie eine Chance, ihren Rückstand auf die ausländische Konkur- renz im Bereich der Elektromobilität aufzuholen. Doch um dies zu schaffen, muss eine erhöhte Forschungsför- derung Kernpunkt aller politischen Steuerung sein. Der Evonik-Chef und Leiter der Arbeitsgruppe Batterietech- nologie sagt: „Wenn wir international vorne mitspielen wollen, brauchen wir gezielte Unterstützung“, und: „Entscheidungen muss es so schnell wie möglich ge- ben.“ In Asien geht man schrittweise vor. Laut einer Studie von McKinsey wird jedoch die staatliche Förderung von FuE und der Infrastruktur von Elektroautos in Deutschland innerhalb der nächsten fünf Jahre weit hinter der von anderen wichtigen Automobil- nationen zurückbleiben. So belegt Deutschland in der vorliegenden Untersuchung mit 0,615 Milliarden Euro nur den fünften Platz. Die USA mit 22,187 Milliarden Euro, China mit 3,337 Milliarden Euro, Frankreich mit 2,182 Milliarden Euro und selbst Spanien mit 1,390 Mil- liarden Euro fördern deutlich stärker die FuE von Elek- troautos. Diese Zahlen machen deutlich, dass vor allem in China und den USA die Elektromobilität als Möglich- keit angesehen wird, die eigene Automobilindustrie an die Spitze des neu entstehenden Massenmarktes Elektro- auto zu katapultieren. Daher unterstützen die dortigen Regierungen auch in solch erheblichem Umfang und mit solch hoher Umsetzungsgeschwindigkeit die heimische Automobilindustrie. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 49. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2010 5133 (A) (C) (D)(B) In Asien kann man exemplarisch sehen, wie es anders gehen kann. Dort peilt man derweil mit deutschen Batte- rieexperten an, in etwa fünf Jahren den Elektroantriebs- strang für 7 000 Euro anzubieten: vergleichbar dem her- kömmlichen Motor- und Getriebepaket, Reichweite über 300 Kilometer, kurze Ladezeiten und höchste Sicherheit. Vorreiter ist SB LiMotive in Stuttgart, eine koreanisch- deutsche Kooperation, in Sachsen die Firma Li-Tech. Deutsche Automobilhersteller warnen zu Recht: Dros- selt nicht den Kauf herkömmlicher Autos durch das Ge- rede vom verfügbaren Elektroauto. Sie suchen die perfekte Lösung. So liegen unsere Tugenden und Wett- bewerbsnachteile eng beieinander. Hierzulande werden sämtliche Schritte einer Neuentwicklung von heute bis zum fernen Ziel als gerade Linie mit allen Risiken vor- bedacht. In Asien setzt man Schritt für Schritt, kalkuliert den Irrtum ein und korrigiert sich. Über 70 Prozent der Pa- tente werden nicht etwa in der Grundlagenforschung, sondern in der Produktion generiert. Unterstreicht das nicht die Notwendigkeit, Forschung und Fertigung von Beginn an zu verschränken? Die jetzige Bundesregie- rung tut alles, die Erwartung tief zu hängen und das Bud- get überschaubar klein zu halten. In ihrer Geschäftsstelle Elektromobilität mühen sich Beamte – dreieinhalb Stel- len – um die Koordinierung komplizierter Projekte. Vier Ministerien streiten um Kompetenzen. Begleitet von ei- nem Geldministerium, das die Taschen zuhält, wo visio- närer Umgang mit Finanzen nötig wäre. In Asien und Amerika werden ehrgeizige Ziele ge- setzt. Innenstädte abgasfrei, öffentliche Wagenparks komplett elektromobil. Mit Milliardenbeträgen wird die Grundlagenforschung angetrieben, die öffentliche Hand zum Kauf animiert, der Kunde mit Prämien geködert. Ihr Credo: Die Europäer sind bei den herkömmlichen Tech- nologien nicht zu toppen, also schlagen wir sie durch ei- nen Paradigmenwechsel. Das wollen und müssen wir verhindern. Aber wie? Stichworte: Deutschland wird Technologieführer Elektroenergie. Das sollte das große Ziel sein. Der Begriff Leitmarkt verwirrt, denn nicht die Anzahl gekaufter Fahrzeuge am Markt steht im Vorder- grund. Wir brauchen einen europäischen Pakt Elektromobili- tät. Statt des x-ten deutschen Gipfels aller ohnehin Über- zeugten ist ein europäisches Projekt, ein europäischer Pakt Elektromobilität vonnöten. Er zielt auf klare Ar- beitsteilung, kluge Standardisierung der wesentlichen Komponenten und auf beherzte öffentliche Förderung, die sich an den außereuropäischen Wettbewerbern misst, ohne im Brüsseler Notifizierungsdschungel stecken zu bleiben, auf Bündelung der industriellen, wissenschaftli- chen und öffentlichen Ressourcen zu einem Gesamtpa- ket auf milliardenschwere Förderung der Grundlagenfor- schung jetzt, statt der Bezuschussung von Autokäufen, auf Unterstützung der Kommunen beim Aufbau der Strominfrastruktur durch gesetzliche Flankierung, Stan- dards und Finanzen, auf Ausbau der Bildungszweige auf dem Felde der Elektrochemie, auf Verschränkung der Energiewirtschaft, Automobilindustrie und Kommunen zu einem schlagkräftigen Ganzen. Eine Herkulesaufgabe ist das, aber das lohnenswert! Petra Müller (Aachen) (FDP): Klimaschutz und Energieeinsparungen gehören zu den großen Herausfor- derungen. In diesem Punkt sind wir uns wohl alle einig, fraktionsübergreifend. Deutschland hält seine Spitzenposition in der Techno- logieführerschaft. Genau deshalb müssen wir weiterhin durch eine verstärkte Forschungsförderung die Techno- logieentwicklung und Innovationskraft und damit die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft stärken. Der sauberen Energie wird die Zukunft gehören. Auch im Hinblick auf die Öl-Katastrophe am Golf. Der Baubereich spielt neben dem Verkehr bei der Energieeinsparung eine zentrale Rolle. Durch nachhalti- ges Bauen und Sanieren erreichen wir eine Reduzierung des CO2-Ausstoßes und kommen somit unseren ambitio- nierten Klimaschutzzielen immer näher. Deshalb bin ich auch sehr glücklich, dass das CO2-Gebäudesanierungs- programm auch über 2011 hinaus seine Erfolgsgeschichte weiterschreiben kann. Die heißt: Gebäude sanieren, Klima schützen, Geld sparen. Die energetische Gebäude- sanierung entlastet dabei nicht nur die Umwelt, sondern auch die Geldbörse der Bürgerinnen und Bürger, zum Beispiel bei den Heizkosten. Als stadtentwicklungspolitische Sprecherin meiner Fraktion möchte ich die Weichen stellen und über das einzelne energetische Gebäude hinausblicken. Die FDP strebt eine quartiersbezogene Lösung an, die energe- tisch-dynamische Stadtentwicklung. Wir wollen Ver- kehr, Wohnen und Leben in der Stadt harmonisieren. Das trägt zu einer ressourcenschonenden Stadtentwick- lung bei, etwa über kürzere Wege und weniger Erschlie- ßungsflächen und geringere Wärmeverluste durch kom- paktere Baustrukturen. Bei der Zertifizierung von Gebäuden und Quartieren – es geht um die Bereiche Klimawandel, Energiekosten, demografischer Wandel, altersgerechtes Bauen – werden kontinuierlich neue Qualitätsstandards entwickelt und fortgeführt. Wir, die Koalition, haben durch das aktuelle Sparpaket bewiesen, dass wir den Bundeshaushalt stärker auf die Zukunft ausrichten können, indem wir die Investitionen in die Zukunft unseres Landes trotz Konsolidierungs- druck – erhalten und weiter ausbauen. Heute leben über 6 Milliarden Menschen auf dieser Erde, in 40 Jahren wer- den es wohl 9 Milliarden sein, die alle danach streben, an der Entwicklung teilzuhaben. Allein aus Gründen der Ressourcenverknappung sind wir gezwungen, in vielen Bereichen neue Wege zu gehen. Aber das ist auch die Chance. In den rasant wachsenden Ländern wie China und Indien wird individuelle Mobilität genauso eingefor- dert, wie es bei uns der Fall ist. Es ist unsere Aufgabe in Deutschland, dass wir im Verkehrs- und Baubereich ressourcenunabhängiger, um- weltfreundlicher und nachhaltiger agieren. Im Koalitionsvertrag bekennen wir uns zum einen zur regenerativen Energie, zum anderen zur Elektromobili- tät. Die christlich-liberale Koalition möchte dazu beitra- 5134 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 49. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2010 (A) (C) (D)(B) gen, dass Deutschland Leitmarkt für Elektromobilität wird und dass bis 2020 eine Millionen Elektrofahrzeuge auf unseren Straßen fahren. Das ist ein ehrgeiziges Ziel. Das unterstützen wir durch eine leistungsfähige und gut vernetzte Verkehrs, Stadt- und Energieinfrastruktur. Wir im Bund sind dazu Impuls- und Innovationsgeber. Wir brauchen ein umfassendes Konzept über Strom- erzeugung und -verteilung, die Entwicklung einer Lade- infrastruktur, intelligente Verkehrsleitsysteme. Auch oder gerade weil ich von der Zukunft der Elektrofahr- zeuge überzeugt bin, weiß ich dass letztlich nicht der Staat darüber entscheidet, in welchem Maße sich am Markt bestimmte Fahrzeugtypen durchsetzen, sondern einzig und allein der Verbraucher, die Nutzer. Das ist li- berale Politik. Der technische Fortschritt stellt uns aber auch vor neue Anforderungen an die Berufsbilder. Denn, wenn wir keine Ingenieure oder Kfz-Mechaniker mehr ausbil- den können, können wir auch nicht die Führung, bei- spielsweise in der Elektromobilität, übernehmen. Genau deshalb wird auch nicht im Haushalt in den Punkten Bil- dung und Forschung gespart. Nur wenn wir das alles bedenken, wird eine neue Wertschöpfungskette entstehen, und wir können Techno- logieführer für alternative Antriebe, CO2-arme Fahr- zeuge und eine energetisch-dynamische Stadtentwick- lung sein. Wir haben den Mut, die Weichen richtig zu stellen. Deutschland wird zu den Gewinnern der multipolaren Welt gehören. Wir sind schon auf einem guten Weg. Das zeigen die aktuellen Zahlen der Wirtschaftsinstitute. Herbert Behrens (DIE LINKE): Heute geht es um die Technologieführerschaft der Bundesrepublik. Was heißt denn eigentlich Technologieführerschaft eines Landes? Ich kenne sie bislang von Unternehmen, zum Beispiel von OHB-System GmbH in Bremen, die in der Weltraumtechnologie ganz vorne sind und Satelliten für den militärischen Einsatz entwickelt haben, oder von Rheinmetall Defence, die mit ihrer Bremer Drohne, dem Flugroboter für den Kriegseinsatz, führend sind. Techno- logieführerschaft ist kein Wert an sich. Wir müssen fra- gen: Wem nützt eine Technologie? Ich will nicht unfair sein: In diese Richtung zielt diese große Anfrage nicht. Sondern? Ihnen geht es um das Erneuerbare-Energien- Gesetz, um das Integrierte Energie- und Klimapaket und den Nationalen Entwicklungsplan Elektromobilität. Er- staunlicherweise beziehen sich zwölf Ihrer 27 Fragen auf Elektroautomobilität. Ich frage Sie: Gehen wir wirklich einen innovativen Weg, wenn wir den Individualverkehr mit dem Auto auf Stromantrieb umstellen? Ich finde, wir begeben uns auf den technologischen Holzweg, wenn wir jetzt deutsche Unternehmen, gefördert mit Millio- nenbeträgen aus dem Bundeshaushalt, zu Technologie- führern in der Elektroautomobilität entwickeln wollen. Es geht meiner Meinung nach um etwas anderes: Die Umwelt kann nur nachhaltig geschützt werden, wenn man, statt am Auto rumzuschrauben, nach umweltver- träglichen Alternativen sucht. Wir bleiben dabei: Wir wollen eine sozial und ökologisch nachhaltige Verkehrs- politik. Das bedeutet keine Technologieführerschaft, aber unsere Alternativen sind hochinnovativ. Dazu brau- chen wir ein sicheres und kundenfreundliches Verkehrs- system mit Bus und Bahn; wir brauchen kundenfreund- liche Angebote der Bahn AG im Güterverkehr, die von den Unternehmen angenommen werden. Wie gesagt, das hat nichts mit High-Tech oder Technologieführerschaft zu tun, aber es senkt den CO2-Ausstoß und wirkt gegen den Klimawandel. Selbstverständlich werden weiter Autos auf unseren Straßen unterwegs sein. Aber ein innovatives Verkehrs- konzept darf diesen Verkehr nur als einen Teil begreifen. Statt Milliarden ins Elektroautos zu investieren, braucht es effektive Maßnahmen: Tempolimit, Einsatz von schad- stoffarmen Verbrennungsmotoren, Carsharing – auch das ist heute schon machbar. Die Technologie ist vorhanden. All die Maßnahmen, die ich hier angesprochen habe, sind aktive Beiträge zum Klimaschutz und zur Verbesse- rung des Verkehrssektors, womit Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, Ihre große Anfrage begründen. Was wir wirklich brauchen, ist eine Grundlagenforschung für erneuerbare Energien und für moderne Transport- und Logistikketten. Also, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, nicht bei Großen Anfragen stecken bleiben. Schauen Sie in den Sachstandsbericht des Umweltbun- desamtes mit dem Titel „CO2-Emissionsminderung im Verkehr in Deutschland“. Da steht ja drin, was wir tun müssen, um dieses Ziel zu erreichen: Verkehrsvermeidung, Verkehrsverlagerung, Verkehrsoptimierung, ökonomische Maßnahmen, und direkte Emissionsvermeidung, alles Maßnahmen, die wir als Linke-Fraktion in unser Konzept für eine „ökologisch und sozial nachhaltige Verkehrs- wende“ aufgenommen haben. Statt Milliarden für Brennstoffzellenforschung wollen wir mehr Geld für die Entwicklung alternativer Energieerzeugung; statt Tech- nologieführerschaft bei Elektroautos wollen wir innova- tive Mobilität und Klimaschutz, und das nicht morgen, sondern heute. Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mit der großen Anfrage zielt die SPD-Fraktion auf die Nichtaktivitäten der Bundesregierung zum Klima- schutz. Zu Recht wird danach gefragt, was die Bundes- regierung konkret tut, wie und wann sie welche Maßnah- men ergreifen will, um den selbstgesteckten Zielen nä- her zu kommen. Die Fragen zur Umsetzung des IKEP, des Integrierten Klimaschutz- und Energieprogramms der Bundesregie- rung, sind so berechtigt wie die Fragen zur Festlegung und Realisierung der Sektorziele im Bau- und Verkehrs- bereich. Denn leider war die Koalition in all diesen Fel- dern bisher eher untätig. Beispiel: Elektromobilität und der Elektromobilitäts- gipfel der Kanzlerin. Alle waren gespannt, was die Bun- desregierung am 3. Mai 2010 vor der versammelten Pro- minenz aus Politik, Wirtschaft und Medien vorstellen würde. Präsentiert wurde das Logo für die nationale Plattform Elektromobilität, sieben Arbeitsgruppen und Politik im Talkshowstil auf Unterhaltungsniveau. Keine Konzeption! Das war eine große Luftnummer ohne Sub- stanz. Auch die Koalitionsfraktionen haben in dieser Sa- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 49. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2010 5135 (A) (C) (D)(B) che keine Eile. Den angekündigten Antrag wird es erst nach der Sommerpause geben – wenn überhaupt. Meine Damen und Herren von der Koalition: Klima- schutz ist kein Thema von übermorgen. Technologiefüh- rerschaft bei der Elektromobilität gewinnt man nicht im Schlafe. Auch nette Bekenntnisreden des Ministers, „wir wollen Deutschland zum Leitmarkt für Elektromobilität machen“, helfen da nicht weiter. Während man in China, USA, Japan und Frankreich mit kräftigen Marktanreizprogrammen die E-Mobility vorantreibt, um die Technologieführerschaft zu gewin- nen, wartet die Bundesregierung auf die Ergebnisse der Arbeitsgruppen in einem Jahr. So wird man die Zukunft nicht gewinnen. Das Argument, in diesen Zeiten knapper Kassen und großer Schuldenberge verbieten sich teure Marktanreiz- programme, lassen wir nicht gelten. Wir wollen keine Subvention des Kaufs von E-Autos wie bei der Ab- wrackprämie. Wir wollen den Kaufanreiz für klima- freundliche Autos dadurch finanzieren, dass wir die Kfz- Steuer für Spritschlucker, SUVs und andere große Wa- gen deutlich erhöhen. Wir wollen das Dienstwagensteu- erprivileg, das den Kauf und Betrieb von Fahrzeugen mit drei bis vier Milliarden Euro steuerlich begünstigt, korri- gieren. Klimaschädliche und teure Wagen sollen nicht mehr voll abgeschrieben werden können. Mit den so erzielten Einnahmen wollen wir Forschung und Ent- wicklung von klimafreundlichen Mobilitätstechnolo- gien, insbesondere Speichertechniken, fördern. Wer die Arbeitsplätze in der Autoindustrie in Deutschland erhal- ten will, der muss den technologischen Wandel zu klima- freundlichen Fahrzeugen massiv vorantreiben. Die Debatte zum Nichtstun der Bundesregierung beim Klimaschutz ist überfällig. Die große Anfrage der SPD gibt dazu einen Anstoß. Man hätte sicher allerdings gewünscht, dass die SPD in diesem Sinne schon als Re- gierungspartei gehandelt hätte. Notwendig ist ein umfassender Klimaschutz-Aktions- plan mit klaren Zielen und Maßnahmen für die Bereiche Verkehr und Bauen. Klimaschutz kann nur gelingen, wenn wir in diesen Bereichen ansetzen. Während frü- here Regierungen sich bemühten, die Vorreiterrolle zu übernehmen, hat man bei dieser Regierung den Ein- druck, sie wolle sich die rote Laterne erschlafen. Wir werden alles tun, sie aufzuwecken. Wir sind gespannt auf die Antworten der Bundesregierung. Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Anträge: – Gleichstellung eingetragener Lebenspart- nerschaften – Öffnung der Ehe (Tagesordnungspunkt 12) Ute Granold (CDU/CSU): Wir beraten heute einmal mehr über die rechtliche Besserstellung eingetragener Lebenspartnerschaften. Bei dieser Gelegenheit sollten wir uns einmal vor Augen halten, was in diesem Bereich bereits geschehen ist. Vor nunmehr fast zehn Jahren hat die damalige rot-grüne Koalition das Lebenspartner- schaftsgesetz verabschiedet. Nachdem die verfassungs- rechtlichen Fragen durch die Entscheidung des Bundes- verfassungsgerichts im Jahr 2002 geklärt wurden, ist Anfang 2005 das Gesetz zur Überarbeitung des Lebens- partnerschaftsgesetzes in Kraft getreten. Dabei wurde – neben der politisch sehr umstrittenen Einführung der Stiefkindadoption – das Unterhalts-, Güter- und Versor- gungsausgleichsrecht auf eingetragene Lebenspartner- schaften übertragen und eine Gleichstellung bei der Hinterbliebenenversorgung in der gesetzlichen Renten- versicherung vollzogen. Eingetragene Lebenspartner- schaften sind damit im Zivilrecht weitestgehend gleich- gestellt. Das sollte auch einmal von den Kolleginnen und Kollegen der Opposition positiv zur Kenntnis genom- men werden. Des Weiteren haben zahlreiche Bundesländer in den vergangenen Jahren ihre Landesbeamten im Bereich des Familienzuschlages, der Hinterbliebenenversorgung und der Beihilfe gleichgestellt. Für den Bereich des öffentli- chen Dienstrechts hat es zudem mehrere Gerichtsent- scheidungen gegeben, die wir als Gesetzgeber selbstver- ständlich zu beachten haben: Eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 2007 hatte die Frage zum Gegenstand, ob das öffentliche Dienstrecht in Deutschland gegen das gemeinschaftsrechtliche Diskri- minierungsverbot verstößt. Im vergangenen Jahr hat zu- dem der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts in Bezug auf die betriebliche Hinterbliebenenversorgung für Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes ganz explizit entschieden, dass die Benachteiligung eingetragener Le- benspartner verfassungswidrig sei, soweit es nicht einen gewichtigen Grund für die Differenzierung gebe. Unabhängig von der Frage, inwiefern aus besagten Entscheidungen konkrete gesetzgeberische Maßnahmen abgeleitet werden können, haben wir im Koalitions- vertrag vereinbart, die familien- und ehebezogenen Re- gelungen bei Besoldung, Versorgung und Beihilfe im Bereich der Bundesbeamten auf die eingetragenen Le- benspartnerschaften zu übertragen. Das federführende Bundesministerium des Innern hat hierzu bereits im April dieses Jahres einen entsprechenden Gesetzentwurf auf den Weg gebracht, der eine vollständige Gleichstel- lung im öffentlichen Dienstrecht zum Gegenstand hat. Das Gesetz befindet sich derzeit in der Abstimmung mit den Verbänden, wobei noch einige rechtliche Details zu klären sind, wie zum Beispiel die Frage einer etwaigen Rückwirkung. Es ist geplant, das Gesetz in der zweiten Jahreshälfte in den Bundestag einzubringen. Wenn alles klappt, wird es bereits zum Jahreswechsel eine entspre- chende gesetzliche Regelung geben. Dieser Aspekt des SPD-Antrags hat sich also erübrigt. Ein weiterer Punkt im Antrag der SPD betrifft die Frage des Steuerrechts. Auch dazu haben wir eine Ver- einbarung im Koalitionsvertrag: „Wir wollen gleich- heitswidrige Benachteiligungen im Steuerrecht abbauen und insbesondere die Entscheidungen des Bundesverfas- sungsgerichts zur Gleichstellung von Lebenspartnern 5136 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 49. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2010 (A) (C) (D)(B) mit Ehegatten umsetzen.“ Soweit die Antragsteller der SPD nun auch im Steuerrecht eine vollständige Gleich- stellung, das heißt insbesondere eine Ausweitung des Ehegattensplittings auf eingetragene Lebenspartner- schaften anmahnen, möchte ich zunächst auf das kürz- lich vom Bundeskabinett verabschiedete Jahressteuerge- setz 2010 hinweisen: Das sieht für die Bereiche Erbschaft-, Schenkung- und Grunderwerbsteuer eine vollständige Gleichbehandlung von eingetragenen Le- benspartnerschaften mit der Ehe vor. Bei Schenkungen und Erbschaften gilt folglich für Lebenspartner künftig die gleiche Steuerklasse wie bei Eheleuten. Darüber hi- naus soll wie bei Eheleuten bei Grundstücksübertragun- gen keine Grunderwerbsteuer mehr anfallen. Diese Änderungen bedeuten erhebliche Verbesserun- gen, die für die Betroffenen im Ergebnis in der Praxis mehr bringen als die hier von Ihnen geführten symboli- schen Debatten über Änderungen des Art. 3 des Grund- gesetzes oder die Frage, ob das Institut der Ehe auch für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet werden sollte. Mit diesen Maßnahmen haben wir unsere Koalitionsverein- barung bereits in zentralen Punkten umgesetzt. Darüber hinaus wird aber nun auch gefordert, das Ehegattensplit- ting auf eingetragene Lebenspartnerschaften auszuwei- ten. Hier wundert es mich schon, dass ausgerechnet die Parteien, die seit Jahren bei jeder Gelegenheit mit der Behauptung, dass es sich hierbei um ein „anachronisti- sches Instrument“ handele, das Frauen von der Erwerbs- tätigkeit abhalte und sie auf die Rolle der Hausfrau redu- ziere, die Abschaffung des Ehegattensplittings fordern, nunmehr die Ausweitung auf eingetragene Lebenspart- nerschaften wollen. Das erscheint mir mehr als paradox. Vielleicht gelingt es Ihnen, diesen Widerspruch in den anstehenden Beratungen aufzuklären. Natürlich erkennen auch wir an, dass die eingetragene Lebenspartnerschaft wie die Ehe eine auf Dauer ge- schlossene solidarische Einstandsgemeinschaft bildet. Indem die Menschen füreinander eintreten und sorgen, entlasten sie an vielen Stellen die Gemeinschaft; damit ist diese Form des Zusammenlebens und des Füreinan- derdaseins auch Ausdruck der gerade von uns immer wieder eingeforderten Subsidiarität. Wo steuerliche oder sonstige staatliche Privilegien ausschließlich an diese Einstandspflicht anknüpfen, bedürfen Differenzierun- gen zwischen Ehe und eingetragener Lebenspartner- schaft daher einer genauen Prüfung und gegebenenfalls einer Anpassung. Eben aus diesem Grund haben wir jetzt die hier beschriebenen Änderungen auf den Weg gebracht. Auf der anderen Seite ist jedoch auch zu berücksichti- gen, dass die deutsche Rechtsordnung den verschiede- nen Formen familiären Zusammenlebens gerade nicht wertneutral gegenübersteht. Das Grundgesetz trifft viel- mehr eine Grundentscheidung zugunsten der Ehe als Leitbild des familiären Zusammenlebens, indem es diese unter den besonderen verfassungsrechtlichen Schutz stellt. Soweit ein steuerliches Privileg Ausdruck der ge- zielten Förderung eben dieser speziellen Form des Zu- sammenlebens ist, ist eine Differenzierung auch weiter- hin geboten. Es gilt vor diesem Hintergrund, das Verhältnis von Förderung einer besonderen, verfas- sungsrechtlich geschützten Form des Zusammenlebens auf der einen Seite und der steuerlichen Freistellung konkreter Einstandspflichten als Ausdruck der steuerli- chen Leistungsgleichheit auf der einen Seite ganz gene- rell zu überprüfen und gegebenenfalls neu auszutarieren. Diese Prüfung darf sich allerdings nicht auf das Verhält- nis von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft be- schränken, sondern muss sich vielmehr ganz generell auf alle Unterhaltspflichten, die aus einer familiären Bezie- hung resultieren, erstrecken. Deshalb plädieren wir be- reits in unserem Grundsatzprogramm für eine Prüfung, ob sich das Ehegattensplitting zu einem Familien- splitting weiterentwickeln lässt. Wir sehen daher für eine kurzfristige, zumindest so weitreichende Änderung zu- gunsten einer einzelnen Gruppe innerhalb des geltenden Einkommensteuersystems derzeit keinen Bedarf und lehnen insbesondere die Ausweitung des Ehegattensplit- tings ab. Ähnlich wie jetzt im Bereich der Schenkung- und Erbschaftsteuer sollten wir uns vielmehr auf notwendige punktuelle, kurzfristig zu realisierende Anpassungen be- schränken. So wird jetzt zum Beispiel über Angleichun- gen bei der einkommensteuerlichen Höchstgrenze für Zuwendungen an politische Parteien diskutiert. Darüber hinaus gibt es eine Reihe weiterer vergleichbarer Rege- lungen, beispielsweise bei den Sonderausgabenpausch- beträgen, den Vorsorgeaufwendungen oder den Freibe- trägen bei Kapitalerträgen. Soweit Forderungen nach einer vollständigen Gleichstellung immer wieder verfas- sungsrechtlich abgeleitet bzw. begründet werden, möchte ich in Erinnerung rufen, dass das Bundesverfas- sungsgericht in seiner Grundsatzentscheidung von 2002 ganz explizit festgestellt hat, dass das Grundgesetz nicht gebietet, die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft bis ins Detail dem Institut der Ehe anzupassen. Das soll- ten auch die Kolleginnen und Kollegen der Opposition einmal zur Kenntnis nehmen. Hieran ändert auch die jüngste – bereits erwähnte – Entscheidung des Bundes- verfassungsgerichts aus dem letzten Jahr nichts; denn hier ging es – wie gesagt – lediglich um die spezielle Frage der betrieblichen Hinterbliebenenversorgung für Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes. Unmittelbare Rückschlüsse auf andere Rechtsbereiche sind daher nicht zulässig. Im Bereich des Adoptionsrechts lehnen wir auch zu- künftig jede Weiterung, also insbesondere das Recht zur Volladoption, entschieden ab. Da gibt es mit uns keine Diskussionen; denn anders als bei der rechtlichen Aus- gestaltung der Lebenspartnerschaften stehen die Interes- sen der Kinder und nicht die Interessen der betroffenen Erwachsenen im besonderen Fokus. Kinder haben ein Recht auf Vater und Mutter. Die unterschiedliche Ge- schlechtlichkeit ist für die Erziehung und Persönlich- keitsentwicklung der Kinder von besonderer Bedeutung. Kinder sind daher – bei vergleichbaren sozialen Verhält- nissen – im Zweifel bei Vater und Mutter grundsätzlich besser aufgehoben als bei gleichgeschlechtlichen Paa- ren. Vieles spricht dafür, dass Kinder von gleichge- schlechtlichen Ehen häufiger Stigmatisierungen erfahren und Opfer von Mobbing werden. Die Auswirkungen da- von können insbesondere bei sensiblen und labilen Kin- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 49. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2010 5137 (A) (C) (D)(B) dern sowie in der Pubertät für die betroffenen Kinder und Jugendlichen gravierend sein. Der Staat hat hier eine Schutzpflicht und muss im Zweifel von entsprechenden Gesetzesänderungen absehen. Nach der vom Bundesjus- tizministerium veröffentlichte Studie „Die Lebenssitua- tion von Kinder in gleichgeschlechtlichen Lebenspart- nerschaften“ haben 47 Prozent der Kinder und Jugendlichen angegeben, aufgrund ihrer Lebenssituation Benachteiligungen erfahren zu haben. Hier haben wir als Gesetzgeber einen eindeutigen Schutzauftrag. Soweit die Studie an anderer Stelle zu dem Ergebnis kommt, dass Kinder und Jugendliche aus gleichge- schlechtlichen Familien im Vergleich zu den Kindern aus verschiedengeschlechtlichen Familien in ihrer Ent- wicklung angeblich keine Nachteile haben, ist darauf hinzuweisen, dass die Studie diesbezüglich nur be- grenzte Aussagekraft hat; denn insbesondere die soziale Herkunft der Kinder wird nicht berücksichtigt. Diese ist jedoch für den Bildungsstatus, die familiäre sowie psy- chologische Situation und damit für die persönliche Ent- wicklung der Kinder von entscheidender Relevanz. Man kann dabei durchaus unterstellen, dass gleichgeschlecht- liche Eltern häufig einen überdurchschnittlich hohen sozialen Status haben. Um eine belastbare Aussage zu etwaigen Nachteilen von Kindern in gleichgeschlechtli- chen Familien zu erhalten, hätte man also die soziale Herkunft in die Untersuchung einbeziehen müssen bzw. die Situation bei verschieden- und gleichgeschlechtli- chen Familien in jeweils gleichen sozialen und wirt- schaftlichen Verhältnissen miteinander vergleichen müs- sen. Dies ist aber leider nicht geschehen. Die Ergebnisse der Studie sind in Bezug auf das jetzt geforderte gemeinsame Adoptionsrecht auch aus einem anderen Grund nicht aussagekräftig. Kinder, die im Wege der Fremdkindadoption angenommen worden sind, bilden in der Gesamtstichprobe seltene Ausnahme- fälle. Gerade einmal 13 von 693 Familien, also weniger als 2 Prozent, haben ihr Kind im Wege der Fremdkind- adoption angenommen. Entsprechend bewertet die Stu- die selbst die Aussagekraft ihrer Ergebnisse für diese spezielle Familienform infolge der geringen Datenbasis als eingeschränkt. Auch die Befunde der Studie zur Ent- wicklung dieser Kinder können aufgrund der Stichpro- bengröße nicht verallgemeinert werden. Darüber hinaus steht ein vollständiges Adoptionsrecht im Widerspruch zum Europäischen Übereinkommen vom 24. April 1967 über die Adoption von Kindern. Dies hat das Bundesjustizministerium jetzt noch einmal in seiner Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion der Grü- nen betont. Abschließend möchte ich noch kurz auf den zweiten heute zur Beratung stehenden Antrag der Fraktion Die Linke eingehen. Der Antrag fordert im Wesentlichen, das Institut der Ehe für gleichgeschlechtliche Lebens- partner zu öffnen und gleichzeitig das Institut der einge- tragenen Lebenspartnerschaften abzuschaffen. Allein aus verfassungsrechtlichen Gründen ist dieser Vorschlag abwegig. Zwar enthält das Grundgesetz selbst keine De- finition der Ehe, sondern setzt diese vielmehr als beson- dere Form des menschlichen Lebens voraus; das Bun- desverfassungsgericht hat jedoch diesbezüglich in seiner Entscheidung aus dem Jahr 2002 ganz klar festgestellt – ich zitiere –: „Zum Gehalt der Ehe, wie er sich unge- achtet des gesellschaftlichen Wandels und der damit ein- hergehenden Änderungen ihrer rechtlichen Gestaltung bewahrt und durch das Grundgesetz seine Prägung be- kommen hat, gehört, dass sie die Vereinigung eines Mannes mit einer Frau zu einer auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft ist, begründet auf freiem Ent- schluss unter Mitwirkung des Staates, in der Mann und Frau in gleichberechtigter Partnerschaft zueinander ste- hen und über die Ausgestaltung ihres Zusammenlebens frei entscheiden können.“ Die Ehe ist also von Verfas- sungs wegen der Beziehung von Frau und Mann vorbe- halten. Eine Öffnung gegenüber gleichgeschlechtlichen Beziehungen scheidet damit aus. Ich denke, dass damit zum Antrag der Fraktion Die Linke alles gesagt ist. Ich wünsche mir nun sachliche Beratungen in den Ausschüs- sen, die sich ausschließlich an den Bedürfnissen der Menschen orientieren und nicht in ideologischen Gra- benkämpfen erschöpfen. Christine Lambrecht (SPD): Man mag sich fragen, warum wir gerade jetzt einen Antrag zur vollständigen Gleichstellung von Lebenspartnerschaften vorlegen. Der Zeitpunkt ist jedoch nicht zufällig gewählt; denn, wie viele von Ihnen wissen, werden in nächster Zeit zahlrei- che Veranstaltungen anlässlich des Christopher Street Days stattfinden. Auch in den Straßen von Berlin wer- den in zwei Tagen wieder die Regenbogenfahnen wehen. Ich habe mich gefreut, sehr geehrte Frau Bundesjustiz- ministerin, dass Sie die Schirmherrschaft über diese Ver- anstaltung übernommen haben. Aber wenn Sie sich so engagiert für die Rechte der Lesben und Schwulen ein- setzen, dann frage ich mich schon, warum Ihren Anträ- gen aus der letzten Legislaturperiode und den Ankündi- gungen aus dem Koalitionsvertrag bisher keine Taten gefolgt sind. Der Koalitionsvertrag sieht vor, im öffentli- chen Dienst die Ausgewogenheit von Rechten und Pflichten von Eingetragenen Lebenspartnern zu verbes- sern. Dazu sollen die familien- und ehebezogenen Rege- lungen über Besoldung, Versorgung und Beihilfe auf Le- benspartner übertragen werden. Der Koalitionsvertrag sieht ebenfalls den Abbau gleichheitswidriger Benach- teiligungen im Steuerrecht und insbesondere die Umset- zung der Entscheidungen des Bundesverfassungsge- richts zur Gleichstellung von Lebenspartnern mit Ehegatten vor. Noch in Ihrer Regierungserklärung vom 11. November 2009 haben Sie Verbesserungen im öf- fentlichen Dienstrecht und im Steuerrecht angekündigt. Sie hatten sich hiernach in der Gesellschaftspolitik nach eigenen Aussagen viel vorgenommen. Passiert ist jedoch nichts! Nach sieben Monaten des Wartens sehen wir uns jetzt veranlasst, die Bundesregierung an die Realisierung ihrer Ankündigungen zu erinnern. Seit August 2001 bie- tet das Institut der Eingetragenen Lebenspartnerschaft gleichgeschlechtlichen Paaren die Möglichkeit, ihrer Partnerschaft einen gesicherten Rechtsrahmen zu geben. Eingetragene Lebenspartnerinnen und Lebenspartner sind Eheleuten jedoch bis heute nicht in allen Bereichen gleichgestellt. In den vergangenen Legislaturperioden scheiterten die Bemühungen der SPD-Bundestagsfrak- tion um weitere Angleichungen häufig am Bundesrat, in 5138 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 49. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2010 (A) (C) (D)(B) der vergangenen Wahlperiode an unserem Koalitions- partner, der Union. Zurzeit ist zwar die Adoption von leiblichen Kindern des Lebenspartners zulässig – die so- genannte Stiefkindadoption –, nicht jedoch die gemein- same Adoption eines Kindes durch beide Lebenspartner. Bisher wurde von Kritikern des großen Adoptionsrechts gerne eingewendet, das Aufwachsen von Kindern bei gleichgeschlechtlichen Partnern sei der Kindesentwick- lung abträglich. Das Ergebnis der von unserer damaligen Bundesjustizministerin in der vergangenen Legislaturpe- riode in Auftrag gegebenen Studie „Die Lebenssituation von Kindern in gleichgeschlechtlichen Lebenspartner- schaften“ widerlegt diese These. Demnach ist der be- deutsame Einflussfaktor für die kindliche Entwicklung in allen Familienformen die Beziehungsqualität in der Familie. Der Studie zufolge wachsen Kinder in gleichge- schlechtlichen Partnerschaften genauso gut auf wie bei heterosexuellen Eltern. Das Ergebnis der Untersuchung fordert eindeutig: Die gemeinsame Adoption für Lebens- partner ist jetzt endlich zuzulassen. Frau Justizministe- rin, das Ergebnis der Studie liegt seit Juli 2009 vor. Dür- fen wir noch mit einer Vorlage Ihres Hauses rechnen? Auch im Einkommen- und Grunderwerbsteuerrecht steht die Gleichstellung noch aus. Im Erbschaft- und Schen- kungsteuerrecht ist die Angleichung der Steuersätze nicht erfolgt. Im öffentlichen Dienst werden Lebenspart- ner bisher nur in Teilbereichen berücksichtigt. Auch hier scheint vollkommener Stillstand eingetreten zu sein in Ihrer Koalition und in Ihrem Ministerium. Weiterhin begrüßen wir zwar, dass der Bundesinnen- minister für das öffentliche Dienstrecht einen Referen- tenentwurf zur Übertragung ehebezogener Regelungen auf Lebenspartnerschaften vorgelegt hat. Der Entwurf sieht ein Inkrafttreten am Tag nach der Verkündung vor. Um den Vorgaben der umzusetzenden Richtlinie 2000/ 78/EG Genüge zu tun, müsste das Gesetz jedoch rück- wirkend mit Ablauf der Umsetzungsfrist in Kraft treten. Auch dies lässt auf Stillstand im Handeln der Bundesre- gierung schließen. Der ebenfalls im Koalitionsvertrag angekündigte Abbau von Benachteiligungen im Steuer- recht und insbesondere die Umsetzung der Entscheidun- gen des Bundesverfassungsgerichts zur Gleichstellung von Lebenspartnern mit Ehegatten ist nicht erfolgt. Im Einkommensteuerrecht werden eingetragene Lebens- partnerschaften aber entgegen den Ankündigungen im Koalitionsvertrag insbesondere beim Ehegattensplitting immer noch gegenüber Ehegatten benachteiligt. Der gleichheitswidrige Zustand hält für die Lebenspartner- schaften damit an. Ihre Schirmherrschaft allein wird den Stillstand nicht beenden. Wir fordern Sie daher auf, end- lich einen Gesetzentwurf vorzulegen, der Eingetragene Lebenspartnerschaften in allen Bereichen mit der Ehe gleichstellt und bestehende Benachteiligungen abschafft. Stephan Thomae (FDP): Ihnen allen ist bekannt, dass die FDP immer beharrlich und unbeirrbar dafür ein- getreten ist, dass jeder Mensch seinen Lebensentwurf verwirklichen kann. Dies galt immer und gilt weiterhin, auch im Hinblick auf unterschiedliche sexuelle Orientie- rungen. Die FDP hat dabei immer ihr Augenmerk auf das Machbare gelegt. Es war und ist uns immer wichtig, zu fragen, was politisch umsetzbar ist. Mit Schaufenster- anträgen kann man manchmal Teile der Öffentlichkeit beeindrucken. Aber entscheidend ist, sein Ziel im Auge zu behalten und – wenn man es nicht sofort erreichen kann – sich ihm Schritt für Schritt zu nähern. Dies tut die FDP. Wir haben in unserem Koalitionsvertrag mit der CDU und der CSU vereinbart, den nächsten Schritt zu unter- nehmen, um die Schlechterstellung gleichgeschlechtli- cher Paare im Beamtenrecht zu korrigieren. Neben der Gleichstellung von Lebenspartnern im BAföG haben wir im Jahressteuergesetz 2010 sowohl die Gleichstellung von Lebenspartnern bei den Steuersätzen der Erbschaft- und Schenkungsteuer als auch die Befreiung des Lebens- partners bei der Grunderwerbsteuer vorgesehen. Das ist pragmatische Politik, die den Betroffenen mehr nützt als zur Schau getragene Maximalforderungen, wie zum Bei- spiel im Antrag der Linken, der vielleicht viel Beifall finden mag und hohe Erwartungen weckt, aber dann in der gesellschaftlichen und politischen Diskussion Wi- derstand hervorruft. Und auch der SPD vermag ich heute kein viel besse- res Zeugnis auszustellen. Heute beglückt uns die SPD mit ihren guten Ideen. Das Lebenspartnerschaftsgesetz ist 2001 zu rot-grüner Regierungszeit in Kraft getreten. Und es fällt uns Liberalen auch gar kein Zacken aus der Krone, das anzuerkennen. Die FDP hat damals dem Ge- setz nicht zugestimmt, weil sie 1999 selbst schon einen eigenen Vorschlag in den Bundestag eingebracht hatte. Es ist allerdings, in manchen Teilen, unvollständig ge- blieben. Ich nenne hier Lücken in den Bereichen des Ad- optionsrechts, des Beamtenrechts, des Einkommensteu- errechts und des Erbschaftsteuerrechts. 2004 hat die FDP dem Lebenspartnerschaftsergänzungsgesetz zuge- stimmt. Umstrittenster Punkt darin war die Stiefkindad- option. Der Freistaat Bayern hatte deshalb damals auch gegen dieses Ergänzungsgesetz einen Normenkontroll- antrag vor dem Bundesverfassungsgericht erhoben. Nachdem sich nunmehr die FDP in der bayerischen Staatsregierung befindet, hat der Freistaat Bayern diesen Normenkontrollantrag zurückgezogen. Daran, dass die Union mit uns nun in dieser Legislatur die nächsten Schritte tun wird, kann man erkennen: CDU, CSU und FDP tun gemeinsam weitere Schritte. Summa summarum kann ich Ihnen versichern, dass diese Regierung einen klaren rechts- und innenpoliti- schen Kompass besitzt und eine Justizministerin, die mit diesem Kompass umzugehen versteht. Ein Kompass ist kein Zauberstab, der den Wanderer gleich ans Ziel zau- bert. Aber wer seinem Kompass vertraut und unbeirrt Schritt für Schritt macht, der nähert sich unweigerlich seinem Ziel. Seien Sie gewiss: Die Regierungskoalition befindet sich auf dem richtigen Weg. Michael Kauch (FDP): Die FDP hat Wort gehalten. In den zurückliegenden Monaten hat die FDP in der Gleichstellungspolitik für Lesben und Schwule mehr durchgesetzt als die SPD in den vier Jahren Regierung zuvor. Deshalb ist es schon sehr fragwürdig, dass die SPD kurz vor den Christopher Street Days in den großen Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 49. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2010 5139 (A) (C) (D)(B) Städten Deutschlands diesen Antrag vorlegt. Mit der hei- ßen Nadel gestrickt, will sie der FDP Nachhilfe geben. Diese Nachhilfe hätte eher die SPD in der Großen Koalition gebraucht, meine Damen und Herren von den Sozialdemokraten. Wir Liberale stehen für Stärkung der Bürgerrechte. Wir haben mit dem gleichen Koalitions- partner, den die SPD in den letzten Jahren hatte, erheb- lich mehr für Lesben und Schwule durchgesetzt; denn wir haben uns nachdrücklich engagiert, hatten Erfolg und arbeiten diesbezüglich alle Punkte des Koalitions- vertrages ab, Schritt für Schritt. FDP und Union haben vereinbart: „Wir wollen die Ausgewogenheit von Rech- ten und Pflichten von Eingetragenen Lebenspartner- schaften verbessern. Dazu werden wir die familien- und ehebezogenen Regelungen über Besoldung, Versorgung und Beihilfe auf Lebenspartnerschaften übertragen.“ Zur Umsetzung befindet sich ein Gesetzentwurf in der Res- sortabstimmung. FDP und Union haben weiter verein- bart: „Wir werden gleichheitswidrige Benachteiligungen im Steuerrecht abbauen und insbesondere die Entschei- dungen des Bundesverfassungsgerichts zur Gleichstel- lung von Lebenspartnern mit Ehegatten umsetzen.“ Als ersten Schritt hat das Bundeskabinett im Mai be- schlossen, dass Eingetragene Lebenspartner bei Grund- erwerb- und Erbschaftsteuer völlig mit Ehegatten gleich- gestellt werden. Das erfolgt im Jahressteuergesetz. Die Änderung bei der Erbschaftsteuer bringt eingetragenen Lebenspartnern nun nicht nur gleiche Freibeträge, son- dern auch gleiche Steuersätze wie Ehegatten. Durch die Änderung bei der Grunderwerbsteuer wird die Übertra- gung von Grundstücken zwischen Lebenspartnern steu- erfrei. Gleiches gilt für den Grundstückserwerb aus dem Nachlass bei Tod eines der Lebenspartner. Jetzt gilt auch im Steuerrecht zunehmend: Wer gleiche Pflichten hat, muss auch gleiche Rechte bekommen. Hier werden wir weiter machen, auch bei den verbleibenden Benachteili- gungen im Steuerrecht. Bereits von der Bundesregie- rung beschlossen und in das parlamentarische Verfahren eingebracht ist die BAföG-Reform. Lebenspartner wer- den bei der Ausbildungsförderung und bei den Auf- stiegsfortbildungen gleichbehandelt. Die Gleichstel- lung hat übrigens für die Betroffenen zwei Seiten, nämlich bei Rechten und Pflichten. Einerseits werden künftig die Partnereinkommen bei der Berechnung der BAföG-Leistungen angerechnet, andererseits werden dem Paar auch die gleichen Freibeträge bei Einkom- mensberechnung, Darlehensrückzahlung und sonstigen Abzugsmöglichkeiten wie bei Ehegatten eingeräumt. Zudem – und das ist ein bedeutsamer Fortschritt – wer- den auch ausländische Lebenspartner künftig förderbe- rechtigt sein. Sie sehen, welche Fortschritte die FDP be- reits erreicht hat. Die FDP setzt in der Regierung das um, was sie vor der Wahl versprochen hat. Schritt für Schritt zur Gleichstellung, das ist der Weg der FDP-Bundestagsfraktion und von Bundesjustiz- ministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Klar ist aber auch: Nicht alle Forderungen der FDP konnten in der Koalition umgesetzt werden. Wir treten weiterhin für das volle gemeinsame Adoptionsrecht eingetragener Lebenspartner ein, auch wenn wir wissen, dass die Union diesen Weg noch nicht mitgehen will. Wir werden auf diesem Weg weiter vo-ranschreiten. Unser Ziel ist die vollständige Gleichstellung Eingetragener Lebens- partner mit der Ehe. Welchen Namen sie trägt, ist dann nicht mehr entscheidend. Die Liberalen sind der Motor für Bürgerrechte in der Koalition mit der Union. Der Stillstand aus der Zeit von Schwarz-Rot wurde beendet. Dr. Barbara Höll (DIE LINKE): Am kommenden Wochenende findet der 32. Christopher Street Day in Berlin statt. Der CSD gedenkt alljährlich dem Aufstand von Schwulen und Transgendern. Sie rebellierten gegen einen brutalen Polizeiüberfall am 27. Juni 1969 auf das Lokal „Stonewall Inn“ in der Christopher Street in New York. Der Berliner CSD erwartet mehr als eine halbe Mil- lion Teilnehmer und Teilnehmerinnen, die bunt, vielfäl- tig und schrill demonstrieren werden. Lesben, Schwule, Transsexuelle, Transgender und Intersexuelle gehen selbstbewusst auf die Straße. Sie fordern endlich in allen Bereichen „normal“, das heißt gleichbehandelt zu wer- den. Sie fordern ein Ende der vielen kleinen und großen Diskriminierungen, denen sie sich immer noch im tägli- chen Leben ausgesetzt sehen. Viele Berlinerinnen und Berliner werden sich dieses Ereignis nicht entgehen las- sen und damit ihre Solidarität ausdrücken. Sicher ist vieles erreicht worden; Homosexualität wird nicht mehr strafbewehrt oder als Krankheit klassifiziert. Als vorläufigen Höhepunkt jahrzehntelangen Kamp- fes beschloss der Deutsche Bundestag im Jahre 2001 das Lebenspartnerschaftsgesetz. Dieses Gesetz ermöglichte erstmals eine staatlich anerkannte Partnerschaft von Les- ben und Schwulen. Der deutsche Gesetzgeber entschloss sich zu einem sehr mutigen und wichtigen Schritt. Doch von Beginn an war dieses Gesetz mit einem Makel be- haftet. Es schuf ein eigenes Rechtsinstitut für Lesben und Schwule, das deutlich weniger Rechte, aber nahezu alle Pflichten der Ehe vorsah. Einige europäische Staaten gingen einen anderen Weg. Die Niederlande, Belgien, Spanien, Norwegen, Schweden und Portugal öffneten die Ehe. Dieser Schritt ist konsequent, denn er schafft nicht eine Sondergesetz- gebung, die sich durch zahlreiche Einzelgesetze zieht und – wie im Fall des Transsexuellengesetzes – zu er- heblichen rechtlichen Problemen führt. Am 7. Juli 2009 entschied das Bundesverfassungs- gericht, dass es verfassungsrechtlich nicht begründbar sei, aus dem besonderen Schutz der Ehe abzuleiten, dass andere Lebensgemeinschaften im Abstand zur Ehe aus- zugestalten und mit geringeren Rechten zu versehen sind. Es schloss sich in der Argumentation dem soge- nannten Maruko-Urteil des EuGH vom 1. April 2009 an. Das Urteil des BVerfG ist fundamental. Es erteilt dem Gesetzgeber den Auftrag die Diskriminierung der einge- tragenen Lebenspartnerschaft endlich zu beenden. Wir könnten nun das Lebenspartnerschaftsgesetz in allen Bereichen der Ehe gleichstellen, wie es die SPD fordert. Dies ist ein möglicher, aber sehr mühevoller Weg und erfordert die Änderung einer Vielzahl von Gesetzen und Verordnungen sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene. Darüber legt die heutige, in den 5140 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 49. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2010 (A) (C) (D)(B) einzelnen Bundesländern sehr unterschiedliche Situation ein beredtes Zeugnis ab. Fast zehn Jahre nach der Einführung des Lebenspartnerschaftsgesetzes haben es einige Bundesländer immer noch nicht in Landesrecht überführt. So darf der Akt der Verpartnerung in Baden- Württemberg nicht in den Standesämtern vollzogen wer- den, sondern wird in die Ordnungsämter verbannt. Zum Teil verlangen Kommunen für eine Verpartnerung dop- pelt so hohe Gebühren wie für eine Eheschließung. Zu- dem würden wir weiterhin zwei Rechtsinstitute haben, eines für heterosexuelle Menschen und eines für homo- sexuelle Menschen. Dies ist nicht mehr zeitgemäß. Tun wir es dem isländischen Parlament gleich, das sich am vergangenen Wochenende einstimmig für die Öffnung der Ehe entschied und zugleich die seit 1996 geltende eingetragene Lebenspartnerschaft außer Kraft setzte. Auch der Berliner Senat wird demnächst eine Ini- tiative zur Öffnung der Ehe in den Bundesrat einbringen. Diskriminierung ist nicht mehr zeitgemäß, und die Öffnung der Ehe wäre ein wesentlicher Baustein, um die Diskriminierung von Lesben und Schwulen endlich zu beenden. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das Bundesverfassungsgericht hat 2009 die Gleichstel- lung von eingetragener Lebenspartnerschaft und Ehe vom Gesetzgeber verlangt. Was ist seither geschehen? Nichts. Die Gleichstellung bei der Erbschaftsteuer? – Die wurde im November 2009 von der schwarz-gelben Koalitionsmehrheit abgelehnt. Die Gleichstellung bei der Einkommensteuer? – Fehlanzeige! Die Gleichstel- lung bei der Beamtenversorgung? – Die verfassungswid- rige Benachteiligung von Soldatinnen und Soldaten und Beamtinnen und Beamten, die in einer Lebensgemein- schaft leben, dauert bis zum heutigen Tag an. Und wo ist die Bundesjustizministerin? Mehr als warme Worte sind nicht zu hören. Die Ratifizierung des revidierten euro- päischen Übereinkommens über die Adoption von Kin- dern, das die Adoption durch Lebenspartner endlich zu- lässt, steht noch immer aus, und dies obwohl Deutschland bis zum Jahr 2008 besonders hartnäckig – auch in Person der früheren Bundesjustizministerin Zypries – dafür gearbeitet hat! Die Ermöglichung der ge- meinschaftlichen Adoption, die von der FDP zehn Jahre lautstark gefordert wurde, wird offensichtlich nicht ein- mal vorbereitet. Die Fraktionen der SPD und der Linken legen heute zwei Anträge vor, die im Ergebnis zum selben, richtigen Schluss kommen und deshalb von der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen in der Sache unterstützt werden. Ich freue mich, dass gerade die SPD jetzt auch für die volle Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartner- schaft mit der Ehe inklusive des Adoptionsrecht für les- bische und schwule Paare eintritt. In der Vergangenheit, insbesondere in der gemeinsamen Regierungszeit, war die Haltung der Sozialdemokraten in dieser Frage nicht immer eindeutig. Deswegen begrüße ich die Klarstel- lung, die dieser Antrag für die zukünftige Zusammenar- beit mit sich bringt. Die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen hat bereits in der vergangenen Legislaturperiode Initiativen eingebracht, die die vollständige rechtliche Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaft mit der Ehe bzw. die Öffnung der Ehe für Lesben und Schwule gefordert haben. Im Gegensatz zu den jetzt vor- gelegten Anträgen handelte es sich jedoch um ausformu- lierte, umfassende Gesetzentwürfe, die wir der Bundes- regierung gern zur Verfügung stellen, um die heute von der SPD und den Linken geforderten Anliegen umzuset- zen. Die Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartner- schaft mit der Ehe ist aus verfassungsrechtlichen Grün- den nicht nur möglich, sondern sogar zwingend erforder- lich. Dies hat das Bundesverfassungsgericht am 7. Juli des letzten Jahres in einem Entscheid zur Hinterbliebe- nenversorgung deutlich gemacht. Das Gericht hat festge- stellt, dass eingetragene Lebenspartnerschaft und Ehe ju- ristisch vergleichbar sind, weil sie – ich zitiere – „eine auf Dauer übernommene, auch rechtlich verbindliche Verantwortung für den Partner“ begründeten – BVerfG, 1 BvR 1164/07 Rn. 102ff. Und – das sage ich insbeson- dere in Richtung der Konservativen in CDU/CSU und in der FDP –: „Ein Grund für die Unterscheidung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft kann nicht darin gesehen werden, dass typischer Weise bei Eheleuten auf- grund von Kindererziehung ein anderer Versorgungsbe- darf entstünde als bei Lebenspartnern. Nicht in jeder Ehe gibt es Kinder. Es ist auch nicht jede Ehe auf Kinder aus- gerichtet.“ Und das Gericht weiter: „In zahlreichen ein- getragenen Lebenspartnerschaften leben Kinder.“ Das Bundesverfassungsgericht ist hier in seiner Wahr- nehmung der gesellschaftlichen Realität sehr viel weiter als große Teile der Regierungskoalition. Während das Justizministerium und die Bundesregierung es noch nicht einmal schaffen, das revidierte europäische Über- einkommen über die Adoption von Kindern zu zeichnen, erkennt das Bundesverfassungsgericht die gelebte Wirk- lichkeit von liebevollen Regenbogenfamilien an. Wieder einmal ist es Karlsruhe, das der Regierung den Weg wei- sen muss. Das Gericht ist zum Ergebnis gekommen, dass Unterscheidungen zwischen den Instituten der Ehe und der eingetragenen Lebenspartnerschaft sachlich nur dann zulässig sind, wenn diese Unterschiede in der Natur der Beziehungen selbst liegen. Meine Fraktion hat die Bun- desregierung in einer Kleinen Anfrage aufgefordert, zu zeigen, welche Unterscheidungen das sein könnten. Die einzige Unterscheidung, die den Beamten eingefallen ist: Auch in Zukunft soll es kein Lebenspartnerschafts- befähigungszeugnis analog zum Ehebefähigungszeug- nis geben. Da kann man doch nur sagen: Selbst Ihnen von der CDU/CSU und der FDP fehlt es inzwischen an Fantasie, wie man die von Ihnen betriebene Diskriminie- rung noch seriös begründen kann! Die Schlussfolgerungen aus dem Entscheid des Bun- desverfassungsgerichts sind klar: Der Gesetzgeber ist verpflichtet, sämtliche Ungleichbehandlungen zwischen Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft zu beseiti- gen. Dies gilt insbesondere für das Steuerrecht, das Beamtenrecht und auch für das Adoptionsrecht. Diese Auffassung bestätigen auch mehrere Gutachten des Wis- senschaftlichen Dienstes des Bundestages. Die Bundes- regierung und die Koalitionsfraktionen bleiben jedoch untätig. Auch ein Jahr nach dem Entscheid liegen dem Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 49. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2010 5141 (A) (C) (D)(B) Parlament keine Gesetzentwürfe vor, welche die Miss- stände beseitigen. Die Bundesregierung behält sich vor, nur bei Neuregelungen von bestimmten Sachgebieten die Rechtsprechung des Verfassungsgerichts zu berück- sichtigen. Das genügt nicht. Es kann nicht sein, dass die Grund- und Bürgerrechte von Lesben und Schwulen weiter ignoriert werden, weil es nicht in das gemächliche Arbeitstempo, um es höflich zu formulieren, der schwarz-gelben Regierung passt. Als Deutscher Bundes- tag ist es unsere Pflicht, selbst tätig zu werden; denn je- der Tag ohne rechtliche Gleichstellung verletzt die Ver- fassung unseres Landes. Es gibt verschiedene Wege zur Gleichberechtigung. Die Öffnung der Ehe für Schwule und Lesben wäre der einfachste und gradlinigste Weg: Diesen Weg sind zahl- reiche europäische Nachbarn gegangen, darunter die ka- tholisch geprägten Staaten Portugal und Spanien. Die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare aner- kennt, dass Liebe, Fürsorge und gegenseitige Ver- antwortung nicht in einer heterosexuellen und einer ho- mosexuellen Ausprägung existieren. Es sind dieselben gelebten Werte und deswegen sollte es auch nur ein Institut geben. Dennoch: Bis zur Öffnung der Ehe und der Neudefinition des Ehebegriffs als eine auf Lebens- zeit geschlossene Verbindung zweier Menschen, die für- einander Verantwortung übernehmen, muss das Parla- ment seiner Aufgabe gerecht werden und gleiche Rechte schaffen. Deswegen ist es konsequent, jetzt die Gleich- stellung der eingetragenen Lebenspartnerschaft mit der Ehe vorzunehmen. Dieser Weg ist vom Verfassungsge- richt vorgezeichnet, und deswegen kann und muss er jetzt gegangen werden. Meine Fraktion hat in den ver- gangenen Wochen weitere Gesetzentwürfe eingebracht: zur Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartner- schaft im Adoptionsrecht und im Beamtenrecht. Auch im Detail werden wir diese Regierung stellen, wo es not- wendig ist. In diesen Tagen finden überall in der Republik De- monstrationen und Paraden für die Rechte von Schwu- len, Lesben, Trans- und Intersexuellen statt. Nunmehr 41 Jahre dauert der Kampf um Anerkennung und gleiche Rechte. Mit der eingetragenen Lebenspartnerschaft und der Möglichkeit der Stiefkindadoption haben insbeson- dere wir Grünen unseren Beitrag dazu geleistet. Die Große Koalition aus SPD und CDU und auch die jetzige schwarz-gelbe Mehrheit haben in der Bürgerrechtspoli- tik vor allem Stillstand bedeutet. Es ist an der Zeit, den nächsten Schritt zu gehen. Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes für bessere Beschäftigungschancen am Arbeits- markt – Beschäftigungschancengesetz (Tages- ordnungspunkt 13) Paul Lehrieder (CDU/CSU): Noch ist die derzeitige Wirtschafts- und Finanzkrise nicht überwunden, aber wir sind hier auf einem sehr guten Weg. Jetzt ist nicht die Zeit, resigniert auf der Stelle zu treten, sondern die Zeit des Vorwärtsschauens. Bei der Opposition, vor allem bei den Linken, ist aber das Schlechtreden der gegenwärti- gen Situation symptomatisch. Sie verhält sich damit sta- tisch und rückwärtsgewandt. Aus vielerlei Gründen ist die Stimmung derzeit oft schlechter als die Lage. Statt hier gegenzusteuern, gießen gerade die Linken mit ihrer Angstrhetorik hier immer wieder Öl ins Feuer. Zwei gegensätzliche Tendenzen sind derzeit sichtbar: Einerseits bewegen sich viele Unternehmen mit ihren Haltekosten noch immer an den Grenzen der Belastbar- keit, andererseits beginnt allmählich die wirtschaftliche Erholung. Manche Unternehmen erreicht die Krise ver- mutlich erst in den nächsten Monaten und wird sie über 2010 hinaus vor Herausforderungen stellen. Hier greift die Bundesregierung mit dem Beschäfti- gungschancengesetz ein. So wird die Sonderregelung zur Förderung der Kurzarbeit bis März 2012 verlängert und den Unternehmen damit Planungssicherheit gege- ben. Darüber hinaus verlängern wir die Sonderregelung, dass Kurzarbeitergeld für Zeitarbeitnehmer unter glei- chen Voraussetzungen wie für andere Arbeitnehmer möglich ist. Für Qualifizierungsmaßnahmen während der Kurzar- beit werden den Arbeitgebern die vollen Sozialversiche- rungsbeiträge erstattet, wenn die Arbeitnehmer während mindestens der Hälfte der ausgefallenen Arbeitszeit qua- lifiziert werden. Die volle Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge für Kurzarbeit ab dem 1. Januar 2009 erfolgt ab dem siebten Kalendermonat des Bezugs; die Erstattung er- folgt arbeitgeberbezogen. Dabei darf die Kurzarbeiterregelung aber nicht den Charakter einer Dauersubvention bekommen. Deshalb soll zum Beispiel auch die Konzernklausel nicht verlän- gert werden, nach der Unternehmen Sozialabgaben so- fort erstattet wurden, wenn an einem anderen Standort schon die Kurzarbeit eingeführt war. Im Krisenjahr 2009 sind wir wegen des klugen Kri- senmanagements der Bundesregierung gut gefahren. Das ist vor allem auch der Kurzarbeit zu verdanken, sozusa- gen dem Kriseninstrument Nummer eins. Kurzarbeit verhindert Arbeitslosigkeit zum einen dank der Arbeitgeber, die ihren Beitrag geleistet haben, indem sie die Haltekosten getragen haben, und zum anderen dank der Politik, die das Kurzarbeitergeld bewilligt hat. Kurzarbeitergeldregelung und flexiblere Tarifvertrags- gestaltung haben es vielen Unternehmen erlaubt, ihre Arbeitnehmer auch in der Krise weiterzubeschäftigen. Vor allem können sich aber auch die Beschäftigten, die Lohneinbußen auf sich genommen haben, um ihre Ar- beitsplätze zu behalten, diesen Erfolg zurechnen. Vor allem vom Mittelstand wird die Kurzarbeit ge- nutzt. Sie sichert Unternehmen ihre gut eingespielte Be- legschaft, die sie für den nächsten Auftrag braucht. Zu beobachten ist in diesen Zeiten auch: Viele Betriebe ste- hen zu ihren Beschäftigten, insbesondere zu den älteren 5142 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 49. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2010 (A) (C) (D)(B) unter ihnen. Es gab keine Entlassungs- und auch keine Frühverrentungswellen. Gerade vor dem Hintergrund des sich wieder verstär- kenden Fachkräftemangels war und ist es ein Gebot der ökonomischen Vernunft, zumindest die Stammbeleg- schaften zu halten. Hunderttausende Arbeitsplätze konnten so gerettet werden, zwei Drittel davon vor allem in kleinen und mittleren Unternehmen. Laut DGB gäbe es ohne Kurzar- beit jetzt wahrscheinlich 200 000 bis 300 000 Arbeits- lose mehr. Drei Aspekte möchte in diesem Zusammenhang be- sonders hervorheben: Erstens. Gerade kleine und mittelständische Betriebe profitieren von der Regelung. Über die Hälfte der Kurz- arbeit, 52 bis 56 Prozent, wird in mittelständischen Be- trieben zwischen 20 und 500 Mitarbeitern geleistet. Zweitens. Durch Kurzarbeit werden auch innovative Betriebe mit hochqualifizierten Arbeitskräften gefördert. Müsste ein Teil dieser Belegschaft gehen, ginge den Un- ternehmen Innovationspotenzial verloren. Drittens. Viele Betriebe bilden weiter aus, statt die Ausbildung im Zuge der Krise und vor dem Hintergrund drohender Entlassungen einzustellen. Der derzeitige Rückgang der Kurzarbeit beweist noch einmal, wie wichtig es ist, sie als Instrument zur Bewäl- tigung der Krise einzusetzen. Laut dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsfor- schung, IAB, belief sich die Zahl der Kurzarbeiter im Monatsdurchschnitt des ersten Quartals 2010 auf rund 933 000 Personen, nach 1,12 Millionen im dritten und 984 000 im vierten Quartal des Jahres 2009. Sie sehen: Das Beschäftigungschancengesetz ist ein weiteres Instrument, um der Wirtschafts- und Finanz- krise entschlossen entgegenzutreten. Unser Ziel ist es, aus der Krise heraus neue Brücken zu mehr Beschäfti- gung zu bauen und gezielt die zu unterstützen, die es auf dem Arbeitsmarkt besonders schwer haben. Jetzt ist nicht die Zeit der Zauderer und Bedenkenträ- ger, sondern die Zeit derjenigen, die Mut zum Handeln haben. Springen Sie deshalb über Ihren Schatten und stimmen Sie unserem Maßnahmenpaket zu! Gabriele Lösekrug-Möller (SPD): Gut, dass ein Gesetz gilt, von niemandem angezweifelt, nicht beklagt und als absolut verfassungskonform bewertet. Es ist nicht das Beschäftigungschancengesetz, das wir heute in erster Lesung behandeln, sondern es ist das sogenannte Struck’sche Gesetz. Denn für den Entwurf eines Geset- zes für bessere Beschäftigungschancen am Arbeitsmarkt muss es dringend Anwendung finden. Kein Gesetz kommt so aus dem Bundestag heraus, wie es hereinge- kommen ist. Warum ist das so wichtig in diesem Fall? Vom Ent- wurf sind viele arbeitsmarktrelevante Maßnahmen be- rührt. Zusammengefasst sollen sie dem Ziel dienen, die Chancen auf Beschäftigung zu verbessern. Daran möchte ich die geplanten Veränderungen messen und sie auf Folgendes hin prüfen: Was wird besser, was ver- schlechtert sich – und für wen? Beginnen wir mit der freiwilligen Versicherung in der Arbeitslosenversicherung, § 28 a SGB III. Es ist richtig, diese Möglichkeit zu entfristen. Es ist nachvollziehbar, dass die Beiträge erhöht werden sollen. Aber die Bei- träge für eine Gründungsphase nur ein Jahr lang auf 50 Prozent zu reduzieren, das scheint mir zu wenig. Der DGB schlägt 24 Monate vor; das finde ich angemessen. Schon die Umbenennung in „Versicherungspflicht- verhältnis auf Antrag“ dokumentiert Ihren lobenswerten Willen zur Neustrukturierung. Ich möchte Ihnen Mut machen, noch einen weiteren Punkt einer besseren Lö- sung zuzuführen. Es geht dabei um mehr Gerechtigkeit bei der Leistung aus diesem Versicherungsverhältnis. Wenn die Beitragshöhen gleich sind, sollte beim Leis- tungsanspruch in der Höhe nicht nach sogenannten Qua- lifizierungsstufen differenziert werden. Im Übrigen plä- diere ich für ein wesentlich größeres Zeitfenster für einen möglichen Beitritt nach Inkrafttreten des Gesetzes. Geben Sie auch den langjährig Selbstständigen eine Chance! Wesentliche Änderungen nehmen Sie beim Kurzar- beitergeld vor. Ihre Verlängerung der flexibleren und kraftvolleren Kurzarbeitergeldregelung findet sich da; meines Erachtens wäre sie unter Fortführung der gelten- den Bedingungen besser. Von herausragender Bedeutung sind jedoch die Ver- änderungen, die Sie für Transfergesellschaften vorneh- men wollen. Wir wissen, Transfergesellschaften sind ein bewährtes arbeitsmarktpolitisches Instrument. Sie die- nen als Brücke von und in Beschäftigung. Sie haben sich bewährt, wenn es darum geht, strukturelle Umbrüche so- zialverträglich zu gestalten. Sie erlauben, stichtagbezo- gen und unabhängig von individuellen Kündigungster- minen Strukturveränderungen umzusetzen. Ihr Ziel ist es, die Betroffenen für eine weitere, der Qualifikation entsprechende oder auf ihr aufbauende Tätigkeit zu qua- lifizieren und in eine entsprechende Tätigkeit zu vermit- teln. Wenn wir Ihre Novellierung an diesen Kriterien mes- sen, stellen wir fest, dass nicht alle zielführend sind. Da- für drei Beispiele: So ist die Regelung „Profiling durch BA“ eine Einla- dung zur Doppelarbeit, also besser zu modifizieren. So wäre die Erweiterung des Transferkurzarbeitergel- des von 12 auf bis zu 24 Monate jetzt zu diskutieren und gegebenenfalls einzubringen. Dazu findet sich jedoch nichts. So fehlt es insgesamt an Klarheit in den Regelungen zu Erfolg und Qualität. Ich hoffe, dass die geplante Anhörung Ihnen auch hier Gelegenheit gibt, die jetzt vorliegenden Regelungen zu verbessern. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 49. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2010 5143 (A) (C) (D)(B) Lassen Sie uns gemeinsam auch noch einmal auf § 131 Abs. 3 SGB III schauen, das sogenannte Bemes- sungsentgelt. Sollte es nicht unser gemeinsames Ziel sein, Teilnehmer an Transfergesellschaften bei Eintritt von Arbeitslosigkeit so zu stellen, als hätten sie unmit- telbar Arbeitslosengeld in Anspruch genommen? Bei mehreren Förderinstrumenten im SGB III schla- gen Sie eine Verlängerung der Laufzeit vor. Das bewer- ten wir positiv. Hier greife ich drei heraus: die Verlänge- rung des Programms WeGebAU; noch besser wäre die Entfristung dieses erfolgreichen Instrumentes, § 417 SGB III; die Verlängerung des Eingliederungszuschus- ses für Ältere, §421 f SGB III; die Verlängerung des Ausbildungsbonus im Zusammenhang mit Insolvenz oder Stilllegung, § 421 r SGB III. Aber Sie wissen, dass es zum Ausbildungsbonus weitaus mehr zu sagen und zu regeln gäbe. Leider konnten Sie sich – bis jetzt – nicht entschlie- ßen, andere Instrumente über Dezember 2010 hinaus zu verlängern, so zum Beispiel den Ausbildungsbonus für Altbewerber. Junge Menschen, die es besonders schwer haben, in Ausbildung zu kommen, dürfen wir nicht ab- schreiben; vielmehr müssen wir uns verstärkt um sie kümmern. In den Reden der Ministerin höre ich das im- mer wieder. Recht hat sie. Setzen Sie es in die Tat um! Ein Problem will, nein: muss ich hier ansprechen. Es ist das Ende der Förderung des dritten Ausbildungsjah- res in der Altenpflege. Dazu haben wir im Ausschuss den Parlamentarischen Staatssekretär Brauksiepe gehört. In Ihrem Gesetzentwurf finde ich keine Verlängerung dieser Förderung, § 421 t Abs. 5 Nr. 6 SGB III. Ich schließe da- raus, dass die Bundesregierung beabsichtigt, tatsächlich „auszusteigen“. Ich halte das für grundfalsch. Die Ausbildungsanfängerzahlen lagen 2009 noch un- ter denen des Jahres 2001/2002. Die Ausbildungskosten in der Altenpflege werden von den Bundesländern nur bei den öffentlichen Schulen übernommen. In Nieder- sachsen zum Beispiel ist jedoch jeder zweite Ausbil- dungsplatz in einer privaten Schule. Hier fällt Schulgeld von circa 260 Euro im Monat an. Das sogenannte Pfle- gepaket in Niedersachsen sieht keine Lösung vor, und ich fürchte, Niedersachsen ist nicht das einzige Bundes- land, das belastbare Antworten nicht liefert. Ja, es stimmt: Der Streit um die Finanzierung der Altenpflege- ausbildung dauert bereits viele Jahre. Ja, dafür brauchen wir eine bundesweite Lösung. Ja, wir dürfen die Bundes- länder nicht aus der Verantwortung entlassen. Aber wol- len Sie das auf dem Rücken potenzieller Fachkräfte aus- tragen? Wollen Sie den Fachkräftemangel tatsächlich auf diese Weise befeuern? Schon diese Beispiele zeigen: Das Struck’sche Gesetz muss angewendet werden, damit aus diesem Entwurf et- was werden kann, das den Namen „Chancengesetz“ ver- dient. Die SPD-Bundestagsfraktion wird Ihre parlamen- tarische Nacharbeit kritisch-konstruktiv begleiten. Die Arbeitsuchenden werden Sie daran messen, ob ihre Chancen auf Arbeit tatsächlich steigen. Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung, das Beschäftigungschancengesetz, ist ein wichtiger Beitrag zur wirtschaftlichen Entwick- lung am Ende der Krise in Deutschland. Hierbei möchte ich insbesondere den Aspekt des Kurzarbeitergeldes beleuchten. Mein Kollege Johannes Vogel wird sich den Fragen des privaten Vermittlungs- gutscheins widmen. Grundsätzlich muss man sagen, dass das Kurzarbei- tergeld ein wichtiges arbeitsmarktpolitisches Instrument in der Krise war und ist. Die Zahl der Arbeitslosen wäh- rend der größten Wirtschafts- und Finanzkrise Deutsch- lands ist stabil geblieben; es kam – im Gegensatz zu unseren europäischen Nachbarländern – in deutschen Unternehmen kaum zu Massenentlassungen, und die Zahl der Arbeitslosen geht beständig zurück – nicht so schnell, wie wir uns das gewünscht hätten, aber doch zü- giger als erwartet. Das ist auch gerade angesichts des bevorstehenden, ja schon aktuellen Fachkräftemangels enorm wichtig. Die Betriebe wissen, dass es für sie unerlässlich ist, Wissen in den Betrieben zu halten und es nicht durch Entlassun- gen zu verlieren. Hierbei hat das Kurzarbeitergeld gehol- fen. Gerade die Erleichterungen beim Kurzarbeitergeld haben dazu geführt, dass es von den Unternehmen so gut angenommen wurde. Die Lockerungen bei den Anforde- rungen an die Anspruchsstellung, aber natürlich insbe- sondere die Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge hat das Kurzarbeitergeld für die Unternehmen attraktiv gemacht. Es hat viele Menschen damit vor der Arbeitslosigkeit geschützt, die gerade in der Krise vermutlich Schwierig- keiten gehabt hätten, einen neuen Job zu finden. Wir alle wissen, dass die Gefahr der Verfestigung der Langzeitar- beitslosigkeit mit jedem Tag ohne Beschäftigung steigt. Dadurch wurde auch die Bundesagentur für Arbeit bei den Arbeitslosengeldzahlungen erheblich entlastet. Denn es ist klar, dass das Kurzarbeitergeld im Endeffekt günstiger ist als die Finanzierung der Arbeitslosigkeit und die Vermittlungsbemühungen der Bundesagentur für Arbeit, zumindest dann, wenn sich nicht doch noch Ar- beitslosigkeit an die Kurzarbeit anschließt. Trotz allem ist beim Einsatz dieses Mittels auch Vor- sicht geboten. Nicht aus einer Befürchtung des Miss- brauchs hinaus – da habe ich großes Vertrauen in unsere Unternehmen –, sondern um einen notwendigen Struk- turwandel in den Unternehmen zu ermöglichen. Eins ist klar: Mit der FDP wird es keine Verlängerung der gesetzlichen Bezugsfrist geben. Das würde Sinn und Systematik des Kurzarbeitergeldes widersprechen, weil der Arbeitsausfall gerade nicht mehr „vorübergehend“ ist. Das ist aber das gesetzliche Erfordernis, das über- haupt eine solche staatliche Unterstützung rechtfertigt. Bei einer 36-monatigen Bezugsdauer ließe sich der maß- gebliche vorübergehende Arbeitsausfall kaum noch von dauerhafter Verminderung des Arbeitsvolumens abgren- zen. Eine seriöse Marktprognose und personalwirt- schaftliche Planung ist auf eine so lange Frist kaum zu 5144 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 49. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2010 (A) (C) (D)(B) erstellen. Belastbare betriebswirtschaftliche Prognosen zum zukünftigen Arbeitsvolumen erscheinen über einen Zeitraum von 36 Monaten nahezu ausgeschlossen. Das haben auch alle Experten bei der entsprechenden Anhö- rung im Ausschuss gesagt. Genau aus diesen Gründen beträgt der gesetzliche Grundfall der Bezugsfrist für das Kurzarbeitergeld sechs Monate. Kurzfristig in der Krise kann die Solidargemeinschaft für angeschlagene Unternehmen einstehen; aber bei wirtschaftlichen Problemen von bis zu oder sogar mehr als drei Jahren – denn die Unternehmen beginnen ja nicht am ersten Tag der Schwierigkeiten mit Kurzarbeit, sondern gehen verantwortungsbewusst mit diesem Mit- tel als Ultima Ratio um – muss sich ein Unternehmen auch der Realität stellen, dass gewisse strukturelle Ver- änderungen wohl unvermeidlich sind. Vor allem soll das Kurzarbeitergeld die Beschäfti- gungsverhältnisse sichern, die auch langfristig Bestand haben, und keine abzusehende Arbeitslosigkeit verzö- gern. Denn das ist ein Punkt, der häufig vergessen wird: Die Kurzarbeit wird durch Mittel der Beitragszahler finanziert, und die Kosten sind insbesondere seit der Er- stattung der Sozialversicherungsbeiträge beachtlich. Deshalb haben wir nützliche Maßnahmen im Be- schäftigungschancengesetz befristet verlängert und wer- den weniger hilfreiche Maßnahmen auslaufen lassen. Denn wichtiger als die Quantität ist der richtige Einsatz der Mittel. Einzelne Regelungen haben nicht den ge- wünschten Erfolg gezeigt. Daher soll die 100-prozentige Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge ab dem sieb- ten Monat künftig betriebsbezogen und nicht mehr kon- zernbezogen möglich sein. Damit schaffen wir die soge- nannte Konzernklausel ab, die Konzerne bevorzugt und kleine und mittlere Unternehmen ohne Grund benachtei- ligt hat. Die 100-prozentige Erstattung der Sozialversiche- rungsbeiträge bei Qualifizierungsmaßnahmen war je- doch eine bewusste Entscheidung, die wir als Liberale getroffen haben. Wir haben immer die Relevanz von Bil- dung und Weiterbildung im (Berufs-)Leben anerkannt und gefördert. Dabei muss klar sein, dass es eine Exit-Strategie gibt. Wir sind in einer Erholungsphase; es gibt einen deutli- chen Ausblick auf das Ende der Krise. Daher gibt es in dem Beschäftigungschancengesetz keine vollständige Synchronisierung der möglichen verlängerten Bezugs- fristen des Kurzarbeitergeldes und der Erstattung der So- zialversicherungsbeiträge. Diese Erstattung wird bis Frühling 2012 verlängert. Nicht zuletzt müssen die Un- ternehmen langsam wieder an die Erhöhung der Rema- nenzkosten gewöhnt werden. Als Fazit lässt sich zusammenfassen, dass das Kurzar- beitergeld ein wichtiges Instrument ist, das maßvoll ein- gesetzt werden muss. Haltlose Ausweitungen der Be- zugsfrist oder ein Systemwechsel zur gesetzlich festgeschriebenen Erstattung der Sozialversicherungs- beiträge hilft nicht den Unternehmen und vor allem nicht den Arbeitnehmern. Unsere Strategie steht; unser Au- genmerk muss in Zukunft noch mehr auf den Anstren- gungen zur wirtschaftlichen Erholung liegen. Denn trotz aller Effizienz wünschen wir uns doch alle eine wirt- schaftliche Situation, die den Einsatz solcher Maßnah- men überflüssig macht. Johannes Vogel (Lüdenscheid) (FDP): Es wird Sie wenig überraschen, aber ich kann mich den Argumenten meines Fraktionskollegen Herrn Dr. Kolb nur anschlie- ßen. Wir leisten mit dem Beschäftigungschancengesetz einen wichtigen, entscheidenden Beitrag zum Ende der Krise auf dem deutschen Arbeitsmarkt. Ich will noch einmal kurz und abschließend die zen- tralen Punkte mit Blick auf das Kurzarbeitergeld bekräf- tigen: Das Kurzarbeitergeld war in der Krise wirklich das Mittel der Wahl. Nur durch seinen Einsatz konnten wir verhindern, dass sich auf dem deutschen Arbeits- markt dieselben schwerwiegenden Einbrüche gezeigt ha- ben, wie wir es im europäischen Ausland erlebt haben. Man kann es gar nicht oft genug betonen: Es gibt ein einziges Land in der Europäischen Union, das im Jahres- verlauf 2008 bis 2009 nicht nur keinen Anstieg der Ar- beitslosigkeit erlebt hat, sondern sogar einen leichten Rückgang, nämlich Deutschland. Das ist nicht nur, aber zu ganz wesentlichen Teilen auch dem Kurzarbeitergeld zu verdanken. Allerdings – und darauf haben wir Liberale auch schon immer hingewiesen – sollte uns diese Erfolgsge- schichte nicht übersehen lassen, dass wir nun die ersten deutlichen Aufschwungsindikatoren haben. Das heißt, eine Verlängerung des Kurzarbeitergelds ohne Augen- maß wäre fatal. Deswegen haben wir eine Regelung ge- wählt, die die Unternehmen unterstützt, aber auch dafür sorgt, dass sie nicht einen möglicherweise notwendigen Strukturwandel vernachlässigen. Außerdem haben wir schlichtweg Unsinniges abgeschafft, etwa die Konzern- klausel. Sie sehen, wir waren uns hier im Hause nicht im Prinzip uneinig, wohl aber in den Details, und da haben wir unsere Hausaufgaben besser gemacht. Abgesehen davon gehen wir mit dem Beschäfti- gungschancengesetz noch eine ganze Reihe anderer ar- beitsmarktpolitischer Aufgaben an. Denn es wäre wenig hilfreich, im anstehenden Aufschwung arbeitsmarktpoli- tische Instrumente, deren Befristung zum Jahresende an- steht, ohne nähere Prüfung auslaufen zu lassen. Grund- sätzlich bleibt an dieser Stelle erst einmal festzuhalten, dass die christlich-liberale Koalition bis Ende des Jahres 2011 alle – ich betone: alle – arbeitsmarktpolitischen In- strumente evaluieren wird. Bei dieser Evaluation kann es für uns nur einen Maßstab geben. Dieser Maßstab wird die Frage sein: Was bringt Menschen in Arbeit? Wir werden dies keinesfalls kurzfristig und einseitig verste- hen, sondern langfristig und umfassend. Der Maßstab muss also ein Augenmerk auf die Eröffnung von Chan- cen legen. Mit Blick auf die konkreten Maßnahmen will ich Fol- gendes festhalten: Die Möglichkeit der freiwilligen Wei- terversicherung in der Arbeitslosenversicherung stellen wir auf eine neues, solides Fundament. Außerdem ist es uns gelungen, die bisherigen Erfahrungen einfließen zu Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 49. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2010 5145 (A) (C) (D)(B) lassen, weswegen wir beispielsweise die Antragsfrist auf drei Monate verlängern und so Existenzgründern ganz praktisch das Leben leichter machen. Ferner verlängern wir die Entgeltsicherung für ältere Arbeitnehmer, den Eingliederungszuschuss für Ältere, die Weiterbildung beschäftigter älterer Arbeitnehmer in kleinen und mittle- ren Unternehmen, die erweiterte Berufsorientierung so- wie den Ausbildungsbonus bei Insolvenz. Wie gesagt, hierbei geht es vor allem darum, nicht den ersten Schritt vor dem zweiten zu tun. Alle Maßnahmen werden im nächsten Jahr überprüft, und dann werden wir in Ruhe entscheiden, was Sinn hat und was nicht. Abgesehen davon werden wir noch Änderungsan- träge zum Beschäftigungschancengesetz einbringen, bei- spielsweise, um den Vermittlungsgutschein nach § 421 g SGB III zu verlängern. Darüber hinaus wollen wir ihn dahin gehend umgestalten, dass er gleich zu Beginn der Arbeitslosigkeit von Erwerbslosen in Anspruch genom- men werden kann. Auch der Vermittlungsgutschein wird sich natürlich der neutralen Evaluation des nächsten Jahres stellen müssen. Aber ich möchte doch einmal festhalten, dass es ein Grundanliegen der rot-grünen Ar- beitsmarktreformen gewesen ist, auch private Arbeits- vermittlung zuzulassen, womit ein Markt- und Wettbe- werbselement in den Bereich der Arbeitsvermittlung Einzug gehalten hat. Als Liberaler kann ich das nur be- grüßen, auch weil ich persönlich bisher den Eindruck ge- wonnen habe, dass der Vermittlungsgutschein ein erfolg- reiches Instrument ist. Abschließend bleibt also festzuhalten, dass das Be- schäftigungschancengesetz ein gutes Beispiel dafür ist, dass man auch mit einer Summe im Einzelnen wenig spektakulären gesetzgeberischen Maßnahmen gute Ar- beitsmarktpolitik betreiben kann. Das Beschäftigungs- chancengesetz zeichnet sich durch Bedacht und Ausge- wogenheit aus. Nach den Änderungen der zweiten Lesung werbe ich für breite Zustimmung in der dritten Lesung. Sabine Zimmermann (DIE LINKE): Das Beschäfti- gungschancengesetz, das die Regierung heute in den Bundestag einbringt, ist ein Scheingesetz. Denn so sinn- voll einzelne Regelungen dieses Gesetzes sein mögen: Durch das zeitgleich von der Bundesregierung angekün- digte Sparpaket wird die Axt bei der aktiven Arbeits- marktpolitik angelegt. 16 Milliarden Euro sollen hier bis 2014 gekürzt werden. So wird den Arbeitsmarktmaßnah- men, die die Bundesregierung mit dem Gesetz verlän- gern will, die finanzielle Grundlage entzogen. Zum Gesetzentwurf konkret. Dieser enthält drei zen- trale Punkte: Erstens. Die Bundesregierung will die Kurzarbeiter- regelungen verlängern. Das ist vernünftig. Aber leider hat sie es abgelehnt, die Bezugsdauer des Kurzarbeiter- geldes auf 36 Monate zu verlängern und die steuerliche Benachteiligung von Kurzarbeiterinnen und Kurzarbei- tern, den Progressionsvorbehalt, zu beseitigen. Auch Vorschläge der IG Metall, tarifliche Regelungen mit gesetzlichen Maßnahmen zu unterstützen, wurden nicht aufgegriffen. Zweitens. Die Möglichkeit für eine bestimmte Gruppe von Selbstständigen, sich freiwillig in der Ar- beitslosenversicherung zu versichern, soll bestehen blei- ben. Hier sind Sie dem Druck der Linken und den Grü- nen gefolgt, die dies schon vor drei Monaten in den Bundestag eingebracht hatten. Nicht aufgegriffen haben Sie jedoch unsere Vor- schläge, die Arbeitslosenversicherung für weitere Grup- pen von Selbstständigen zu öffnen. Und Sie können nicht nachvollziehbar begründen, warum Sie die Bei- träge für Selbstständige in dieser Form erhöhen. Drittens. Die Regierung will bestimmte zeitlich be- fristete Regelungen verlängern, bis die Überprüfung der Instrumente der Arbeitsförderung abgeschlossen ist. Es geht hier zum Beispiel um Beschäftigungshilfen und die Weiterbildung älterer Arbeitnehmer. Es geht um Maß- nahmen zur Berufsorientierung oder den Ausbildungs- bonus, der es Auszubildenden von pleitegegangenen Betrieben ermöglichen soll, ihre Ausbildung abzuschlie- ßen. So weit, so gut. Das Absurde an der Politik der Bun- desregierung ist: Sie will Maßnahmen verlängern und streicht zugleich die Gelder, mit denen diese Maßnah- men finanziert werden. Union und FDP betreiben damit eine Placebopolitik auf dem Rücken der Erwerbslosen. Unsere Arbeitsministerin Frau von der Leyen hat ihr Wort gebrochen. Noch Ende April kündigte Sie an: „Wir werden nicht sinnlos kürzen.“ Nun soll genau das statt- finden. Unsere Arbeitsministerin entpuppt sich immer mehr als Ankündigungsministerin; sie tritt in der Öffentlich- keit mit schönen Worten auf, aber die Taten bleiben aus. Das erleben wir auch bei dem Thema Leiharbeit. Auf- grund des öffentlichen Drucks kündigte sie Maßnahmen gegen den Missbrauch von Leiharbeit an. Nun kursiert in ihrem Haus ein dürftiger Gesetzentwurf, mit dem weder die Benachteiligung der Leiharbeiterinnen und Leihar- beiter beseitigt noch das Lohndumping mittels Leihar- beit unterbunden wird. Diese schwarz-gelbe Regierung braucht Druck inner- und vor allem außerhalb des Parlaments. Dafür wird die Linke in den nächsten Monaten streiten. Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Name Beschäftigungschancengesetz ist Etiketten- schwindel. Denn die Chancen Arbeitsloser, auf Basis dieses Gesetzes einen neuen Job zu bekommen, sind gleich Null. Die Verlängerung der Sonderregelungen zur Kurzarbeit wird vielleicht weiterhin einem Anstieg der Arbeitslosigkeit entgegenwirken, obwohl die Kurzarbeit gerade deutlich zurückgeht – neue Impulse für Beschäf- tigung entstehen dadurch aber nicht. Für einzelne Bran- chen und Unternehmen kann im Gegenteil eine zu lange Entlastung der Arbeitgeber im Falle von Kurzarbeit, die zudem noch nicht einmal einen Anreiz für mehr Quali- 5146 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 49. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2010 (A) (C) (D)(B) fizierung setzt, dazu führen, dass der notwendige Strukturwandel behindert und so ein nachhaltiger Auf- schwung gehemmt wird. Neue Beschäftigungschancen, meine Damen und Herren von Union und FDP, und neue zukunftstaugliche Jobs entstehen nur, wenn die Arbeitsplatzpotenziale in den Zukunftsbranchen Umwelt, Bildung, Gesundheit und Pflege erschlossen werden. Dafür brauchen wir eine Neuausrichtung der Aus- und Weiterbildung. Genau das leisten Sie aber nicht. Im Gegenteil, viele der mit den Konjunkturpaketen eingeführten Qualifizierungsanreize sollen nicht fortgeführt werden. Das gilt beispielsweise für die komplette dreijährige Förderung von Umschulun- gen in den Bereichen Kranken- und Altenpflege. Auch die Sonderregelung, mit der Arbeitnehmer gefördert werden können, deren Berufsabschluss länger zurück- liegt, wird gestrichen. Ich finde: Zumindest solange es die krisenbedingten Sonderregelungen für das Kurzar- beitergeld gibt und die Arbeitgeber bei den Sozialabga- ben entlastet werden, sollten auch diese Sonderregelun- gen weitergelten. Auch andere arbeitsmarktpolitische Instrumente lau- fen Ende des Jahres aus, beispielsweise die Vermitt- lungsgutscheine und der Qualifizierungszuschuss für Jüngere. Die Bundesregierung selbst weist in dem vor- liegenden Gesetzentwurf darauf hin, dass eine ganzheit- liche Überprüfung aller Arbeitsmarktinstrumente im Jahr 2011 ansteht. Da wäre es nur folgerichtig, alle Maß- nahmen, die 2010 auslaufen, um ein Jahr zu verlängern. Dann ließe sich tatsächlich fachlich beurteilen, welche Instrumente geeignet sind, um die Menschen zügig und dauerhaft wieder in Arbeit zu bringen. Verehrte Kolle- ginnen und Kollegen von Union und FDP, ich befürchte, dass Sie das aber gar nicht wirklich wissen wollen. Bei Ihnen geht es nur noch um kurzfristig wirksame Einspar- effekte. Das wird aber langfristig eine teure Sache; denn nur wenn es gelingt, die Arbeitslosigkeit nachhaltig ab- zubauen, wird auch der Etat dauerhaft entlastet. Mit dem Beschäftigungschancengesetz soll auch die freiwillige Arbeitslosenversicherung für Selbstständige entfristet werden. Das fordern wir seit langem; aber Sie, meine Damen und Herren von CDU, CSU und FDP, ver- binden damit eine Vervierfachung der Beiträge. Das werden sich viele Gründerinnen und Gründer nicht leis- ten können. Die Solo-Selbstständigen gehören nicht zu den Besserverdienern. Diese Menschen, die sich eine neue Existenz mit ihrer Selbstständigkeit aufbauen und die in den ersten Jahren oft nur ein sehr bescheidenes Einkommen erzielen, wollen Sie jetzt mit höheren Bei- trägen abzocken. Dem Finanztableau des Beschäfti- gungschancengesetzes ist doch zu entnehmen, dass die Selbstständigen mittelfristig ein 11-Millionen-Euro-Plus für die Kasse der Bundesagentur für Arbeit bringen sol- len. Das ist unanständig, und ich sage Ihnen: So wird Deutschland nicht zum Gründerland, und Sicherheit bleibt für viele Menschen ein Fremdwort. Dieses Gesetz werden wir im Ausschuss ausführlich debattieren müssen. Ich setze darauf, dass es noch Ände- rungen geben wird. Das hoffe ich insbesondere für die freiwillige Arbeitslosenversicherung für Selbstständige, damit diese Versicherungsoption auch zukünftig für Solo-Selbstständige mit kleinen Einkommen bezahlbar bleibt. Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Die Entwick- lung des Arbeitsmarktes in der Wirtschaftskrise zeigt, dass mit den richtigen arbeitsmarktpolitischen Maßnah- men Beschäftigung und Wirtschaftswachstum gesichert werden können. Dieser Erfolg, der allen zugutekommt, wird mit dem Beschäftigungschancengesetz fortgeführt. Im Jahr 2009 ging die wirtschaftliche Produktion in Deutschland in bisher nicht gekanntem Ausmaß zurück. Der deutsche Arbeitsmarkt hat sich jedoch als stabil er- wiesen. Es ist weder zu dem erwarteten massiven Rück- gang der Beschäftigung noch zu einem sprunghaften An- stieg der Arbeitslosigkeit gekommen. Nach der für uns alle überraschend geringfügigen Eintrübung der Arbeits- marktlage im Jahr 2009 verbessert sich die Situation zu- sehends. Im Mai gab es erstmals wieder mehr sozialver- sicherungspflichtig Beschäftigte als im Vorjahresmonat. Auch die Zahl der arbeitslosen und unterbeschäftigten Personen – ohne Kurzarbeiter – ist geringer als noch vor einem Jahr. Nach der letzten Meldung von Eurostat ist die Arbeitslosigkeit in 26 Mitgliedstaaten gestiegen, ein- zig in Deutschland ist sie gesunken. Das Instrument Kurzarbeit hat den deutschen Arbeits- markt stabilisiert und verhindert nach wie vor Arbeitslo- sigkeit in größerem Umfang. Im März 2010 gab es noch knapp 700 000 konjunkturelle Kurzarbeiter. Allein ge- genüber dem Vormonat ist dies ein Rückgang um rund 100 000 Kurzarbeiter. Es zeigt sich, dass die Kurzarbeit kontinuierlich zurückgeht und gleichzeitig die Arbeitslo- sigkeit sinkt. Die Befürchtung, Kurzarbeit könne Ar- beitslosigkeit nicht verhindern, sondern nur verzögern, ist bislang unbegründet. Trotz der positiven Entwicklung deutet die hohe Zahl an Kurzarbeitern auf eine immer noch anhaltende Unterauslastung der Betriebe hin, die weiterhin eine Gefährdung für den Arbeitsmarkt dar- stellt. Es muss den Betrieben daher frühzeitig signalisiert werden, dass ihr Bemühen um ein Festhalten an ihren Mitarbeitern auch zukünftig unterstützt wird. Mit dem Beschäftigungschancengesetz verlängern wir die im Jahr 2009 eingeführten Sonderregelungen beim Kurzarbeitergeld bis Ende März 2012. Sie sind bis- lang bis Ende 2010 gültig. Dies betrifft die Erleichterun- gen bei den gesetzlichen Voraussetzungen und die Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge. Die Maß- nahmen haben maßgeblich dazu beigetragen, dass der Arbeitsmarkt sich in der Krise äußerst stabil zeigt. Ich nenne Ihnen drei wesentliche Vorteile der Kurzarbeit: Erstens. Arbeitslosigkeit, die viel teurer geworden wäre als die Kosten, die für die Kurzarbeit anfielen, wurde vermieden; Zweitens. Das für die Betriebe wichtige Know-how wurde in den Betrieben erhalten Drittens. Die Kaufkraft der Kurzarbeiter wurde gesi- chert. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 49. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2010 5147 (A) (C) (D)(B) Auch im nächsten Jahr werden Teile der Wirtschaft von Auftragsausfällen betroffen sein. Diesen Unterneh- men und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wollen wir helfen, die Phase mit Auftragsrückgängen möglichst ohne Entlassungen zu überstehen. Welchen Betrieben wird damit geholfen? Teilweise wurde vermutet, es seien vor allem Großunternehmen. Im Gegenteil: Wir wissen inzwischen, zwei Drittel der Kurzarbeiter arbeiten in kleinen und mittelständischen Unternehmen. Lediglich ein Drittel der Kurzarbeiter ist in Großbetrieben ab 500 Mitar- beitern beschäftigt. Der Fokus auf kleine und mittelstän- dische Unternehmen wird durch die Verlängerung noch einmal gestärkt. Die sogenannte Konzernklausel werden wir nicht verlängern. Betriebe mit mehreren Standorten sind somit künftig Betrieben mit einem Standort gleich- gestellt. Ich bin überzeugt, dass wir so weiterhin die Krise meistern können. Und gerade in Zeiten knapper Kassen ist es sozialpolitisch verantwortungsvoll, Beschäftigung in den Unternehmen zu sichern statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren. Die Geschichte der Kurzarbeit ist eine Er- folgsgeschichte. Vielfach war vom deutschen Beschäfti- gungswunder die Rede. Lassen Sie uns diese deutsche Erfolgsstory weiterschreiben. In diesen schwierigen Zeiten haben wir auch die älte- ren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Blick. Speziell für Ältere werden drei arbeitsmarktpolitische Instrumente verlängert: die Weiterbildung beschäftigter älterer Arbeitnehmer, der Eingliederungszuschuss für Ältere und die Entgeltsicherung für ältere Arbeitnehmer. Damit werden Beschäftigungschancen für Ältere auf- rechterhalten. Diese arbeitsmarktpolitischen Instrumente werden bis Ende des Jahres 2011 verlängert. Auch der Vermittlungsgutschein soll zunächst um ein Jahr verlän- gert werden. Wie es danach weitergehen wird, werden wir im Zusammenhang mit der für das Jahr 2011 vorge- sehenen Überprüfung aller arbeitsmarktpolitischen In- strumente zu entscheiden haben. Besonders wichtig ist es, jungen Menschen beim Start in das Berufsleben die erforderlichen Hilfen zu geben. Deshalb wird die erweiterte Berufsorientierung bis Ende des Jahres 2013 verlängert. Sie unterstützt junge Men- schen bei der Berufswahl. Außerdem wollen wir den Ausbildungsbonus für Auszubildende insolventer Be- triebe bis Ende des Jahres 2013 verlängern. Dies sichert den erfolgreichen Abschluss von Berufsausbildungen in den von der Wirtschaftskrise beeinflussten Jahren. Im Jahr 2009 wurden 2 456 Ausbildungsboni in Insolvenz- fällen bewilligt. Wir wollen weiterhin auch denjenigen einen verbes- serten sozialen Schutz bieten, die eine „Anwartschaft“ auf Arbeitslosengeld erworben haben und den Schritt in die Selbständigkeit wagen. Deshalb soll die bis Ende des Jahres 2010 befristete Möglichkeit für Existenzgründer und Auslandsbeschäftigte, ein Versicherungsverhältnis auf Antrag einzugehen, fortgeführt werden. Aber wir vergessen auch nicht diejenigen, die keine Beschäftigung mehr haben. Neue Ansätze wie die „Bür- gerarbeit“ werden ab Juli 2010 bundesweit erprobt. Die Modellprojekte werden im regionalen Konsens entwi- ckelt. Denn alle Arbeitsmarktpartner sollen sich für die Bezieher von Arbeitslosengeld II verantwortlich fühlen und entsprechend handeln. Es ist nicht das Hauptziel, möglichst viele Bürgerarbeitsplätze zu besetzen. Haupt- ziel ist, durch eine gute Betreuung und Vermittlung mög- lichst vielen Betroffenen vorher zu einer Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verhelfen. Und nur für diejenigen, die trotz intensiver Hilfen keine Ar- beit finden können, stehen die Bürgerarbeitsplätze be- reit. Ich bin überzeugt, dass wir mit diesen Regelungen für die nächste Zeit zur Sicherung von Beschäftigung und Wirtschaftswachstum gut aufgestellt sind. Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Fachkräftepro- gramm – Bildung und Erziehung – unverzüglich auf den Weg bringen (Tagesordnungspunkt 14) Marcus Weinberg (CDU/CSU): Die christlich-libe- rale Koalition legt Priorität auf Bildung. Das haben wir mit den Aussagen im Koalitionsvertrag, mit der Aufsto- ckung des Haushalts und dem Festhalten am 10-Prozent- Ziel bis 2015 mehr als deutlich gemacht, und zwar weil wir davon überzeugt sind, dass wir in die Zukunft unse- res Landes, in die Köpfe unseres Landes investieren wollen und müssen. Dabei haben wir uns auch zum Ziel gesetzt: Bildung von Anfang an mit gerechten Chancen für alle. Lebenslanges Lernen, die Berücksichtigung he- terogener Lerngruppen, Durchlässigkeit der Bildungs- wege und Transparenz des Bildungssystems dienen als Eckpfeiler einer modernen Bildungspolitik; denn in den vergangenen Jahren und auch zukünftig haben wir mit diesen neuen Herausforderungen zu kämpfen. Es gilt, im immer schnelleren weltweiten Wissenszu- wachs zu bestehen, soziale Aufstiegschancen zu ermög- lichen, Migrantinnen und Migranten mit hohem Qualifi- kationsniveau zu integrieren und dem aufgrund des demografischen Wandels drohenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Bildungspolitik muss deshalb am Anfang ansetzen und alle Stationen der Bildungsbiogra- fie begleiten. Dass wir auf dem richtigen Weg sind, be- stätigt der dritte nationale Bildungsbericht „Bildung in Deutschland 2010“, der heute veröffentlicht wurde – und zwar mit vielen positiven Ergebnissen. Danach lagen die Bildungsausgaben je Bildungsteilnehmer in 2009 über dem OECD-Durchschnitt und waren damit höher als in 2006. Es gab einen Rückgang der Schulabgänger ohne Hauptschulabschluss. Die ganztägige Bildung und Be- treuung im Schulalter wurde erheblich ausgeweitet. Da- rüber hinaus ist der Hochschulpakt laut Bildungsbericht nachweislich ein Erfolgsrezept. Die Studienanfängerzahl erreichte in 2009 einen Höchststand. Sie stieg von 2006 bis 2009 um 23 Prozent auf rund 423 000. Die Zielgröße des Hochschulpaktes von 91 000 zusätzlichen Studien- anfängern bis 2010 gegenüber dem Basisjahr 2005 wurde damit bereits 2009 überschritten. Die Studienan- fängerquote lag mit 43 Prozent über der hochschulpoli- 5148 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 49. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2010 (A) (C) (D)(B) tisch angestrebten Marke von 40 Prozent. Die Zahl der Bildungsausländer erhöhte sich in 2008 ebenfalls. Und schließlich etablierte sich entgegen aller Unkenrufe die Studienaufnahme in den Bachelorstudiengängen. Nun gilt es, diese Anstrengungen fortzuführen, und zwar in den Bereichen frühkindliche Bildung, Sprach- förderung und Berufsorientierungsprogramm. Im Be- reich der frühkindlichen Bildung legen wir neben der Schaffung der Infrastruktur besonderes Augenmerk auf die Qualifizierung der Erzieherinnen und Erzieher. Die Schulleistungsuntersuchungen der jüngsten Vergangen- heit zeigten mehrfach, dass eine entsprechende Ausbil- dung des pädagogischen Personals eine Grundvorausset- zung für ein erfolgreiches Bildungssystem ist. Um sowohl Quantität als auch Qualität zu verbessern, hat der Bund, auch wenn die Frage der Kapazitäten, Ausbildung und Weiterbildung in die Zuständigkeit der Länder fällt, unterstützend Maßnahmen ergriffen: Das Kinderförde- rungsgesetz sichert neben einem Betreuungsplatzausbau die Verbesserung der Qualität der Erziehungsangebote zu. Mit der Qualifizierungsinitiative für Deutschland „Aufstieg durch Bildung“ für die Ausbildung von Erzie- herinnen und Erziehern unterstützt der Bund die Länder in der Verbesserung der Ausbildung der Fachkräfte, un- ter anderem durch zusätzliche Weiterbildungsangebote. Die Bundeskanzlerin und die Regierungschefs der Län- der beschlossen auf dem Bildungsgipfel im Dezember 2009 die Durchführung von Maßnahmen in den Berei- chen frühkindliche Sprachförderung und Bildung, För- derung von benachteiligten Kindern und Jugendlichen sowie vertiefte Berufsorientierung. Die „Weiterbildungs- initiative Frühpädagogische Fachkräfte“ erarbeitet Qua- lifizierungsansätze für die Fort- und Weiterbildung von pädagogischen Fachkräften in Kindertageseinrichtun- gen. Und das „Aktionsprogramm Kindertagespflege“ unterstützt seit 2008 die Länder beim quantitativen und qualitativen Ausbau im Bereich der Kindertagespflege. In Zahlen ausgedrückt, lassen sich laut nationalem Bildungsbericht bereits positive Entwicklungen für den qualitativen und quantitativen Ausbau festmachen. So standen rund 47 000 Tageseinrichtungen für Kinder zur Verfügung, und das Personal in den Kindertagesstätten wurde um 42 000 Personen erhöht. Weiter heißt es, dass das Angebotsprofil, vor allem in den alten Bundeslän- dern, gestiegen sei, und im Bereich der Dreijährigen am stärksten ausgebaut wurde. Dabei wurde eine Steigerung zwischen 2006 und 2009 von 167 Prozent erreicht – von 20 000 auf 53 000 Kinder. Ebenso fand eine Steigerung in der Bildungsbeteiligung der Vier- bis Fünfjährigen von 74 Prozent in 2006 zu bundesweit 95 Prozent in 2009 statt. Bei den unter Dreijährigen stieg die Quote der Bildungsbeteiligung im Westen auf 15 Prozent in 2009, 2006 waren es noch 8 Prozent. Folglich wurden hier innerhalb von drei Jahren 100 000 Plätze geschaf- fen. Was die Frage der Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern auf Hochschulniveau angeht, so bleibt festzu- stellen, dass eine wissenschaftliche Unterlegung in der frühen Bildung eine von mehreren sinnvollen und wich- tigen Zielsetzungen sein sollte. Die tatsächliche pädago- gische Befähigung drückt sich jedoch nicht allein durch die Erlangung eines akademischen Abschlusses aus. Hier widerspreche ich den Aussagen der Kollegen der Linken. Der von mir eingangs genannte Begriff der Durchlässigkeit sollte eine größere Gewichtung erhalten. Aufgrund einer flexibleren Handhabung sollten unter Einhaltung der Qualitätsstandards Quereinstiege ermög- licht werden. Und damit ich nicht missverstanden werde: Ich bin nicht gegen eine universitäre Ausbildung, aber ich halte nichts von einer Konzentration auf eine gene- relle Hochschulausbildung, sondern vielmehr von einer dauerhaften begleitenden Qualifizierung. Das würde auch kurzfristigere Lösungen für die Erwerbssuchenden und den Arbeitsmarkt schaffen, der an pädagogischen Fachkräften unterbesetzt ist. Zur Verbesserung aller frühkindlichen, schulischen und außerschulischen Angebote halten wir als Union auch weiterhin die Fortführung und Erweiterung von Leistungsstanduntersuchungen für unerlässlich. Es gilt, die vereinbarten Bildungsstandards in ihrer Bedeutung für die „Bildungsrepublik“ zu stärken und umzusetzen und eine Gleichwertigkeit der Bildungsabschlüsse inner- halb Deutschlands zu gewährleisten. Hierzu sollte nach Möglichkeit über weitere Fachbereiche in der Hoch- schulreifeprüfung und einen verstärkten Einsatz verein- heitlichter Lehr- und Lernmittel nachgedacht werden. All diese Maßnahmen zeigen, dass wir kein neu aufge- legtes Fachkräfteprogramm – wie hier von den Linken gefordert – benötigen. Wir werden die bestehenden Pro- gramme umsetzen, ob Bildungsbündnisse, Bildungsket- ten oder eine Weiterentwicklung des Ausbildungspaktes. Die von mir angesprochenen neuen bildungspoliti- schen Ansätze werden wir zukünftig ebenso energisch und mit hervorgehobener Bedeutung weiterverfolgen, wie wir bisher damit erfolgreich begonnen haben. Durchlässigkeit und individuelle Förderung sehen wir dabei als Treiber einer modernen Bildungspolitik an statt überholter Diskussionen um Strukturen oder Gleichma- cherei. Wir setzen auf Qualität statt auf rückwärtsge- wandte Verteilungspolitik. Die regional unterschiedlich gewachsenen Strukturen der Bildungslandschaft erken- nen wir an. Zur Bewältigung der neuen Herausforderun- gen und gesellschaftlichen Veränderungen werden wir allerdings eine offene Diskussion mit allen Betroffenen und Beteiligen darüber führen, was Bildung in Zukunft bedeutet, und darüber, was die Politik auf welcher Ebene zu leisten hat. Ewa Klamt (CDU/CSU): Die Bundesregierung und die Länder haben mit dem Hochschulpakt die Vorausset- zung für die Aufnahme neuer Studierender an den Hoch- schulen geschaffen. Die Hochschulen werden bis 2010 insgesamt 91 370 zusätzliche Studienanfänger gegen- über 2005 aufnehmen. Dementsprechend erfolgt selbst- verständlich auch eine Erhöhung der Anzahl der Lehr- amtsstudienplätze. Bereits jetzt können die Länder für den Ausbau des Lehramtes Unterstützung des Bundes aus dem Hochschulpakt erhalten. Der Hochschulpakt sichert mit der ersten Säule der Vereinbarung ein be- darfsgerechtes Studienangebot. Hierbei leistet der Bund einen Beitrag pro zusätzlichen Studienanfänger von 13 000 Euro, einen vergleichbaren Beitrag stellen die Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 49. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2010 5149 (A) (C) (D)(B) Länder bereit. Die fächerspezifische Steuerung des Aus- baus – in den Jahren 2011 bis 2015 sollen 275 000 zu- sätzliche Studienmöglichkeiten entstehen – obliegt den Ländern. Wenn die Länder den Lehramtsbereich aus- bauen wollen, dann erhalten Sie für jeden zusätzlichen Studienanfänger im Lehramt den oben genannten Betrag vom Bund. Darüber hinaus besteht aus hochschulpoliti- scher Sicht derzeit keine Notwendigkeit für zusätzliche Maßnahmen. Die Länder können zudem jetzt schon Mit- tel für zusätzlich geschaffene Studienmöglichkeiten im Zuge einer Akademisierung von Erziehungsberufen er- halten. Eine Weiterentwicklung der Erzieherausbildung an Hochschulen und der Ausbau der vorhandenen Kapa- zitäten werden entsprechend dem Zuwachs der Studien- anfängerinnen und Studienanfänger in diesem Bereich im Hochschulpakt berücksichtigt. Auch hier steuert der Bund für jeden zusätzlichen Studienanfänger insgesamt 13 000 Euro bei. Die Bundesregierung hat mit einer Vielzahl von Pro- grammen und einem immensen finanziellen Aufwand verbesserte Rahmenbedingungen in den Bereichen Bil- dung und Erziehung geschaffen. Beispielhaft genannt werden können hier folgende Projekte: die Weiterbil- dungsinitiative frühpädagogische Fachkräfte zur För- derung der Anschlussfähigkeit zwischen Aus-, Fort- und Weiterbildung, um individuelle Bildungs- und Kar- rierechancen in der Frühpädagogik zu verbessern, Mo- delle der Anerkennung und Anschlussfähigkeit bei Aus-, Fort- und Weiterbildung zu unterstützen und aus- zuweiten. Der Expertenkreis zum Qualifikationsprofil Frühpädagogik – Fachschule/Fachakademie beabsichtigt die horizontale und vertikale Durchlässigkeit zu verbes- sern. Das wissenschaftlich begleitete Projekt „BIBER – Netzwerk Frühkindliche Bildung“ bietet Fachkräften In- formationen zu aktuellen Fragestellungen und Themen sowie die Möglichkeiten der Vernetzung und Weiterbil- dung. Die Qualifizierung von Erzieherinnen und Erzie- hern im MINT-Bereich wird im Zuge der Initiative „Haus der kleinen Forscher“ gefördert. Anders als im so- zialistischen Einheitsstaat ist es im föderalistischen Sys- tem der Bundesrepublik Deutschland aus gutem Grund die Aufgabe der Länder, innerhalb dieses Rahmens und unterstützt durch die begleitenden Maßnahmen des Bun- des mit konkreten Maßnahmen auf den regionalen Be- darf zu reagieren. Grundsätzlich sind es die Länder, die für die Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern und anderer Fachkräfte sowie die Festlegung der Einstel- lungsvoraussetzungen zuständig sind. Der Bedarf an Er- zieherinnen und Erziehern – auch an akademisch qualifi- ziertem Personal – wird vor Ort durch Länder, Kommunen und Träger der Einrichtungen ermittelt und gedeckt. Nun gehen die Länder zugegebener Maßen sehr unter- schiedlich mit dieser Verantwortung um. Deshalb erlaube ich mir, mein Bundesland Niedersachsen exemplarisch zu nennen, um zu erläutern, wie verantwortungsvoll und vorausschauend Maßnahmen ergriffen werden können, um die Lehrerausbildung nachhaltig zu verbessern und den Bedarf an Lehrkräften zu sichern. Entsprechend dem gestiegenen Bedarf an neuen Lehrkräften wurde bezogen auf das Jahr 2002 die Zahl der Auszubildenden im Vorbe- reitungsdienst bis 2009 um fast 35Prozent gesteigert. Für das Lehramt an Gymnasium ist eine weitere Anhebung im Jahr 2009 erfolgt. Seit 2006 wurden in jedem Jahr mehr Einstellungen an öffentlichen allgemeinbildenden Schulen vorgenommen als Abgänge zu verzeichnen wa- ren, und dies bei gleichzeitig sinkenden Schülerzahlen. 1 200 Stellen, die wegen sinkender Schülerzahlen einge- spart werden sollten verblieben im Schulbereich. Im Jahr 2008 wurden alle durch Pensionierung frei werdenden Lehrerstellen wieder besetzt. Diese werden zur Verbesserung der Qualität in allen Bildungsberei- chen eingesetzt. Die Zahl der Einstellungen in den Schuldienst an öffentlichen allgemeinbildenden Schulen ist im Jahr 2009 auf 3 374 Lehrkräfte gestiegen. Mit über 86 000 Lehrkräften hat Niedersachsen im Jahr 2009 da- mit die höchste Zahl in der Geschichte des Landes er- reicht. Die Zahl der Vollzeiteinheiten für Lehrerinnen und Lehrer ist von 2003 bis 2009 um fast 300 erhöht worden. So sind in den sogenannten Berufswissenschaf- ten der Lehrerbildung an den niedersächsischen Hoch- schulen erhebliche positive Veränderungen eingetreten. Dies betrifft sowohl strukturelle Aspekte als auch die in- haltliche Profilbildung. Niedersachsen ist in den letzten Jahren der Überzeugung gefolgt, dass eine kompetenz- orientierte und forschungsbasierte Ausbildung unerläss- lich für die Gewinnung guter Lehrkräfte ist. Deshalb hat mein Bundesland die berufsfeldbezogene Professionali- sierung, die Forschungsorientierung, das exemplarische Lernen und die Fähigkeit zum lebenslangen Lernen in den Mittelpunkt der Ausbildung zukünftiger Lehrkräfte gestellt. Das Land hat mit der Verordnung über Master- abschlüsse für Lehrämter eine bundesweit beachtete Vorreiterrolle bei der kompetenzorientierten Formulie- rung von Anforderungen an zukünftige Lehrerinnen und Lehrer übernommen. In Niedersachsen werden damit die von der Kultusministerkonferenz im Herbst 2008 be- schlossenen „Ländergemeinsamen inhaltlichen Anforde- rungen für die Fachwissenschaften und Fachdidaktiken in der Lehrerbildung“ bereits umgesetzt. Damit ist Leh- rerbildung eines der zentralen Handlungsfelder der Hochschulentwicklung in Niedersachsen. Im Rahmen des Hochschulpaktes werden außerdem zusätzliche Studienplätze in Studiengängen mit Lehr- amtsoption geschaffen werden. So standen beispiels- weise im Wintersemester 2009/10 bereits 413 zusätzli- che Studienplätze in Zwei-Fach-Bachelorstudiengängen mit Lehramtsoption zur Verfügung, die im Rahmen des Hochschulpaktes 2020 geschaffen wurden. Im Bereich der frühkindlichen Bildung sind bundesweit bereits eine Vielzahl von verschiedenen Institutionen, Projekten und Ausbildungsgängen entstanden, die sich zum Ziel ge- setzt haben, die Bildung und Betreuung von Kindern in Deutschland sowohl quantitativ wie qualitativ auszu- bauen und zu verbessern. Seit knapp fünf Jahren erfolgt in Deutschland ein rascher Aufbau zahlreicher Bachelor- und Master-Studiengänge im Bereich Pädagogik der frü- hen Kindheit an deutschen Fachhochschulen, Universi- täten und Fachakademien. Auch hier ist Niedersachsen hervorragend aufgestellt. Im Rahmen des Projektes „Professionalisierung, Trans- fer und Transparenz im frühpädagogischen Praxis- und 5150 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 49. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2010 (A) (C) (D)(B) Ausbildungsumfeld“ des Niedersächsischen Instituts für frühkindliche Bildung und Entwicklung, nifbe, soll exemplarisch die Professionalisierung der Erzieher und Frühpädagogen vorangetrieben und Modelle für eine Verbesserung von Transparenz und Durchlässigkeit im System der Aus- und Weiterbildung von Fachkräften in Kindertageseinrichtungen entwickelt werden. Das Pro- jekt fügt sich ein in die Qualifizierungsinitiative „Auf- stieg durch Bildung“ der Bundesregierung, in dessen Rahmen unter anderem seit 2008 auch 80 000 Erziehe- rinnen und Erzieher sowie Tagesmütter und -väter er- reicht und die frühpädagogische Forschung gestärkt wer- den sollen, ein weiteres Beispiel für die positive Wirkung bereits bestehender Förderungsmaßnahmen des Bundes. Das wissenschaftlich begleitete Projekt soll als Beispiel für andere Bundesländer dienen und zeichnet sich durch eine frühzeitige Kontaktaufnahme und Ver- netzung mit den zuständigen Ministerien der Bundeslän- der, auch mit den von Ihnen mit regierten, aus. Die Ausgaben für frühkindliche Bildung wurden seit 2003 verdoppelt: Bis 2013 werden sie verdreifacht. Den Ausbau der Qualität in der Kindertagespflege hat Niedersachsen bereits 2007 mit dem Landesprogramm „Familien mit Zukunft“ in Angriff genommen. Hier hat das Land bis 2010 100 Millionen Euro für die Verbesse- rung von Betreuungsangeboten für Kinder zur Verfü- gung gestellt. Das Niedersächsische Ministerium für So- ziales, Frauen, Familie und Gesundheit fördert mit 80 Millionen Euro den flächendeckend qualitativen Be- treuungsausbau vor allem für die unter Dreijährigen. Mit dem Projekt „Brückenjahr“ soll die Kontinuität des Ler- nens beim Übergang vom Kindergarten in die Grund- schule gesichert werden. Bis Ende 2010 stellt das Nie- dersächsische Kultusministerium dafür 20 Millionen Euro bereit, um alle Kinder vor der Einschulung best- möglich zu fördern. Die Zusammenarbeit von Kinderta- geseinrichtungen und Grundschule wird gezielt ausge- baut und optimiert, Bildungsziele und -inhalte aufeinander abgestimmt. Mit dem Modellvorhaben „Offene Schule Nieder- sachsen“ werden aufbauend auf dem Projekt „Anrech- nung beruflicher Kompetenzen“ Studienangebote für neue Zielgruppen mit beruflichen Abschlüssen und de- ren Anrechenbarkeit auf das Studium erprobt, um damit die Durchlässigkeit zwischen beruflicher und schuli- scher Bildung sowie die Anerkennung beruflicher Quali- fikation zu verbessern. Auch hier werden zusätzliche Projektmittel durch das Land investiert. Entsprechend haben wir seit mehreren Jahren eine Steigerung berufs- begleitender Studien- und Weiterbildungsangebote zu verzeichnen. Um den Zugang zu diesen Weiterbildungs- angeboten zu verbessern, wurde ein entsprechendes Por- tal im Internet eingerichtet. Die Bundesregierung hat in der Krise und trotz eines Sparpakets in Höhe von 80 Milliarden Euro von Einspa- rungen im Bildungsbereich ausdrücklich abgesehen. Stattdessen wird zu Recht an dem Beschluss festgehal- ten, 12 Milliarden Euro in Bildung und Forschung zu in- vestieren. Die Rahmenbedingungen für die Bildung zu- sätzlichen pädagogischen Nachwuchses für den frühkindlichen und schulischen Bereich sind geschaffen worden. Nun liegt es bei den Ländern, ihre Fachkräfte auf Bildungseinrichtungen für die Herausforderungen des demografischen Wandels zu rüsten. Das von CDU und FDP regierte Land Niedersachsen hat bewiesen, dass dies möglich ist. Marianne Schieder (Schwandorf) (SPD): Die Bun- desregierung wird nicht müde, immer und immer wieder zu betonen, dass im Bereich Bildung nicht gespart wer- den dürfe, ja sogar mehr Geld zur Verfügung gestellt werden müsse. Doch was nützt dies, wenn durch die ver- fehlte Politik der Bundesregierung den Bundesländern, die bei den meisten Fragen entweder ganz das Sagen haben oder zumindest ein gewichtiges Wort mitzureden haben, das Geld dafür entzogen wird. Durch Aktionen wie das Wachstumsbeschleunigungs- gesetz oder das unsoziale Sparprogramm wird die Situa- tion immer schwieriger. So ist eher davon auszugehen, dass die Ausgaben der öffentlichen Hand für Bildung insgesamt weniger werden, auch wenn der Bund zulegt. Nicht zuletzt der gescheiterte Bildungsgipfel von letzter Woche macht deutlich, wie ernst die Lage ist und wie sehr die Länder von Finanznöten geplagt sind. Der gescheiterte Gipfel zeigt aber auch, wie wenig ernst es der Bundesregierung tatsächlich mit der Bildung in un- serem Land ist, denn sonst hätte man schon längst dieses grundlegende Problem in Angriff genommen. Daher ist es begrüßenswert, wenn mit dem vorliegenden Antrag der Fraktion Die Linke ein Fachkräfteprogramm „Bil- dung und Erziehung“ gefordert wird. Bei allem Verständnis dafür, dass das im Grundgesetz verankerte Kooperationsverbot beseitigt werden muss und mehr Zusammenarbeit zwischen den Ländern und mit dem Bund dringend nötig ist, kann es aber nicht das Ziel sein, jetzt die ureigenen Aufgaben der Länder auf den Bund zu übertragen. Ziel eines Bund-Länder-Pro- gramms kann es meines Erachtens nicht sein, zusätzliche Lehramtsstudienplätze für alle Schularten zur Verfügung zu stellen, wie im Antrag gefordert, um schließlich in spätestens sieben bis acht Jahren den Ländern 10 000 zu- sätzliche Lehrerinnen und Lehrer zur Verfügung stellen zu können, um 25 000 zusätzliche vollzeitschulische Ausbildungsplätze für Erzieherinnen und Erzieher ein- zurichten. Sinnvoll ist auch nicht, eine bessere Ver- gleichbarkeit der Statistiken zu fordern, um zukünftig die Modellberechnungen für den Lehrerbedarf zu verein- fachen. Ich gebe zu, dass auch ich noch nie nachvollziehen konnte, warum zum Beispiel mein Bundesland, der Frei- staat Bayern, es bislang nie fertig gebracht hat, seinen Lehrerbedarf richtig zu berechnen, wo doch jedes Kind sechs Jahre alt wird, bis es zur Schule kommt, und jedes Kind standesamtlich gemeldet ist, also die Zahl der Kin- der dem Ministerium lange vor dem Einschulungstermin bekannt ist. Aber diesen Mangel zu beseitigen, ist nicht Aufgabe eines Bund-Länder-Programms. Besonders drängend ist, dass wir endlich mehr Gleichklang bei den Schulsystemen bekommen und der ständige Reformaktionismus, den so manches Bundes- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 49. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2010 5151 (A) (C) (D)(B) land seit Jahren an den Tag legt, endlich ein Ende hat. Gerade im Bereich der schulischen Bildung brauchen wir ein viel stärkeres Zusammenwirken der Bundeslän- der und eine vernünftige Finanzausstattung. Ein gutes Bildungsangebot erreicht man nicht nur durch Quantität, sondern vor allem durch Qualität. Wir brauchen eine massive Verbesserung der kompletten Bildungskette, von der frühkindlichen Bildung über den Ausbau der Ganztagsschulen bis hin zur Ausstattung der Hochschu- len. Wir brauchen einen nationalen Pakt von Bund, Län- dern und Kommunen, der bundesweit einheitliche Stan- dards festschreibt, um die Teilhabe an Bildung für alle sicherzustellen. Erzieherinnen und Erziehern kommt da- bei zwar eine Schlüsselstellung zu, doch sie brauchen ideale Rahmenbedingungen in den verschiedensten Ein- richtungen, um eine optimale Betreuung zu gewährleis- ten. Nicht zuletzt braucht es eine bessere Entlohnung für die Berufsgruppe der Erzieherinnen und Erzieher. Auch hierzu kann ich leider nichts im vorliegenden Antrag finden. Kommen wir zum Bereich der Schule. Ich stimme da- mit überein, dass wir mehr Lehrerinnen und Lehrer brau- chen. Doch einfach eine Zahl in den Raum zu stellen, ist mir zu wenig. Vielmehr müssen wir die Qualität und die Kompatibilität der Lehrerausbildung in den Blick neh- men. Es kann doch nicht sein, dass jemand, der in Ba- den-Württemberg studiert hat, in Bayern keine Chance hat, als Lehrer zu arbeiten, oder dass die Ausbildung so auf eine Schulart zugeschnitten ist, dass die Verwendung in einer anderen Schulart nicht möglich ist. Da bringt es wenig, wenn der Bund jetzt einseitig mehr Fachkräfte anordnet und deren Ausbildung qualifiziert. Es braucht vielmehr ein abgestimmtes Vorgehen auf breiter Front. Darüber hinaus dürfen wir die Kommunen nicht ver- gessen. Insbesondere im Bereich der frühkindlichen Bil- dung kommt ihnen eine wichtige Rolle zu. Wenn es da- rum geht, mehr und besser qualifizierte Fachkräfte einzusetzen, dann darf auch die Frage der Finanzierung nicht ausgeklammert werden. Vollmundige Forderungen nach mehr Personal sind nur mit einer soliden Finanzie- rung realistisch. In dem von der SPD-Fraktion in der vergangenen Wo- che vorgelegten Antrag zur Verbesserung der frühkindli- chen Betreuung und Bildung haben wir deshalb auch diese Frage aufgegriffen. Wir halten fest an unserer For- derung, einen Aufschlag auf den Spitzensteuersatz zu- gunsten der Bildung einzuführen. Es darf nicht sein, dass die Leistungen für sozial Schwache von der Bundesre- gierung gekürzt werden, um damit zum Beispiel ein- kommensunabhängige Stipendien für Studierende aufzu- legen. Da im vorliegenden Antrag viele Bereiche angespro- chen werden, die in der Finanzierungsverantwortung der Länder liegen, muss auch die Frage geklärt werden, wie wir deren Kassen wieder füllen können. In unserem An- trag von vergangener Woche fordern wir daher, die durch das sogenannte Wachstumsbeschleunigungsgesetz bei den Kommunen entstandenen Einnahmeausfälle von 1,6 Milliarden Euro jährlich vollständig zu kompensie- ren und damit die Kommunen, die eine wichtige Verant- wortung zum Ausbau der frühkindlichen Bildung und Betreuung tragen, zu entlasten. Außerdem muss die Bundesregierung auf weitere Steuerermäßigungen, die zu zusätzlichen Belastungen der Kommunen führen, ver- zichten und den von der SPD geforderten Rettungs- schirm für Kommunen zeitnah angehen. Den Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion Die Linke sage ich: Der vorliegende Antrag geht in seiner grundsätzlichen Intention zwar in die richtige Richtung. Er klammert leider viele Bereiche, die für eine tatsächli- che Verbesserung der Bildungsinfrastruktur erforderlich sind, aus und gibt insbesondere auf die Frage nach den notwendigen Finanzmitteln keine Antwort. Gerade bei der Bildungsfinanzierung gilt es aber, der Bundesregie- rung auf den Zahn zu fühlen. Wir als Opposition dürfen es nicht zulassen, dass sich Schwarz-Gelb mit einer Er- höhung des Bundesetats für Bildung brüsten, während sie andernorts Familien und Bildungsträgern Milliarden wegnehmen, um sie an Hoteliers und andere Günstlinge zu verteilen. Caren Marks (SPD): Heute debattieren wir über den drohenden Fachkräftemangel in Schulen und Kinderta- gesstätten, dem Schwarz-Gelb bislang in keiner Weise entgegenwirkt; denn wo bleibt die Initiative der Bundes- regierung, damit die offenen Fachkräftestellen schnell besetzt werden können? Wo ist das Engagement der Bundesfamilienministerin, den Ausbau der frühkindli- chen Bildung und Betreuung voranzutreiben und mehr Erzieherinnen und Erzieher zu gewinnen? Wo sind die Rettungsmaßnahmen für die Kommunen, damit diese fi- nanziell in der Lage sind, den Betreuungsausbau zu stemmen? Weit und breit ist nichts in Sicht. In den letz- ten Wochen und Monaten hatten wir es mit einer Reihe von Rettungspaketen zu tun: Rettungspakete für die Sta- bilisierung der Banken, für Griechenland, für den Euro. Große Gesetzespakete sind in Windeseile durch den Bundestag gepeitscht worden. Aber bei der Verbesse- rung der Bildung und der Qualifizierung von Menschen, die im sozialen Bereich arbeiten wollen, hat die Bundes- regierung keine Eile. Der Bildungsgipfel letzte Woche, meine Damen und Herren von der Bundesregierung, war eine große Chance, die Sie verpasst haben. Ich möchte daran erin- nern: 2008 hat die Kanzlerin die „Bildungsrepublik“ ausgerufen. Sie hat die Steigerung der Ausgaben für Bil- dung und Forschung auf 10 Prozent des Bruttoinlands- produkts bis 2015 versprochen. Doch was ist letzte Wo- che passiert? Die Bundesregierung hat konkrete Verabredungen wieder auf die lange Bank geschoben, die CDU-Länder haben wieder einmal gebockt. Der Spiegel titelte zum Scheitern des Bildungsgipfels tref- fend „Vertagen, verschleppen, vertrösten“. Ich sage Ih- nen: Wenn das Thema Bildung vertagt und verschleppt wird, ist dies ein Armutszeugnis für unser Land. Die Zu- kunftschancen der Kinder und Jugendlichen stehen auf dem Spiel. Um nichts Geringeres geht es dabei. Was den Fachkräftemangel in den Kitas betrifft, fehlt es der Re- gierung nicht an Erkenntnissen. Die Bundesregierung selbst hat auf eine Kleine An- frage der SPD geantwortet, dass sie mit einem Bedarf von bis zu 40 000 Erzieherinnen und Erzieher bis 2013 rechnet. Der Fachkräftemangel ist heute schon in einigen 5152 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 49. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2010 (A) (C) (D)(B) Regionen spürbar. Ein weiteres Vertagen und Verschlep- pen ist daher absolut unverständlich. Nicht nur in dem Antrag der Linken wird zu Recht ein Fachkräftepro- gramm gefordert. Auch die SPD fordert in ihrem Antrag zum Thema frühkindliche Bildung und Betreuung, den wir vergangene Woche eingebracht haben, eine Fach- kräfteoffensive. Wir sagen klar: Kinder können nur dann optimal ge- fördert werden, wenn es eine ausreichende Zahl an qua- lifizierten Fachkräften in Kitas gibt. Das macht eine gute Betreuungs- und Bildungsinfrastruktur aus, und das er- warten auch die Eltern zu Recht. Als Sofortmaßnahme müssen arbeitslose und arbeitsuchende Erzieherinnen und Erzieher möglichst schnell und unbürokratisch auf offene Stellen vermittelt werden. Der Beruf der Erziehe- rin bzw. des Erziehers muss attraktiver werden; daher sind Aus-, Fort- und Weiterbildung zu verbessern. Wich- tig sind auch eine gerechte Bezahlung von Erzieherinnen und Erziehern und gute Arbeitsbedingungen in Kitas. Weil in Kitas nur 3 Prozent männliche Erzieher beschäf- tigt sind, müssen deutlich mehr Männer motiviert wer- den, sich für diesen Beruf zu entscheiden. Das alles geht nur mit einer klugen Arbeitsmarktpoli- tik. Aber der von der Regierung angekündigte Kahl- schlag bei den Qualifizierungsmaßnahmen für Arbeits- lose wird die Lage verschlimmern. Mehr Arbeitslose mit weniger Chancen wird das Ergebnis dieser Politik sein, nicht aber mehr qualifizierte Erzieherinnen und Erzieher. Es geht auch anders. SPD-geführte Länder haben längst erkannt, dass gehandelt werden muss. Die Qualitätsof- fensive „Zukunftschance Kinder – Bildung von Anfang an“ in Rheinland-Pfalz unterstützt angehende und ausge- bildete Erzieherinnen und Erzieher landesweit mit einem vorbildlichen Aus- und Fortbildungsprogramm. Wir sagen klar: Der Bund darf die Länder mit der He- rausforderung, den Fachkräftemangel in Kitas zu bewäl- tigen, nicht alleine lassen. Daher muss die Bundesregie- rung endlich aktiv werden und konkrete Maßnahmen mit den Ländern verabreden, um mehr Personal für Kitas zu gewinnen. Es ist eine Zukunftsaufgabe, mehr Menschen für die Arbeit mit Kindern zu begeistern und somit dem Fachkräftemangel in Kitas und Schulen entgegenzuwir- ken. Vor dieser Aufgabe darf sich Schwarz-Gelb nicht länger drücken, die zuständigen Ministerinnen dürfen dies erst recht nicht. Sylvia Canel (FDP): Der Fachkräftebedarf in den Kindertagesstätten und den Schulen ist nicht von der Hand zu weisen. Die Situationsbeschreibung und die Be- darfsprognosen des Antrags der Linken sind stichhaltig. Die Verfehlungen einer irregeleiteten Bildungspolitik mit ihren verheerenden Auswirkungen lassen sich be- sonders schön und plakativ am Beispiel des rot-rot re- gierten Berlins nachvollziehen. Die Defizite in der Betreuungsqualität in den Kindertagesstätten, der Unter- richtsausfall, die Probleme bei der Lehrergewinnung und -versorgung und eine stetige Verschlechterung der Hoch- schulfinanzierung lassen vor allem eines zurück: eine desaströse Situation und unzufriedene Schüler, Studie- rende, Eltern, Lehrer und Hochschulangehörige. Das Land Berlin und andere Bundesländer kommen ihrer Kernaufgabe offensichtlich nicht gewissenhaft und zuverlässig nach. Der heute veröffentlichte Bildungs- bericht zeigt, dass wir alle zusammen, Bund und Länder, unsere Anstrengungen intensivieren müssen, wenn solche schlechten Ergebnisse endlich der Vergangenheit angehö- ren sollen. Professor Weishaupt, unter dessen Leitung der Bildungsbericht erstellt wurde, erklärt als dessen wichtige Botschaft an die Bildungspolitik, dass die Entwicklungen im Bildungswesen es erforderlich machten, die Mittel für Bildung mindestens auf dem gegenwärtigen Niveau zu erhalten und für neue Aufgaben zusätzliche Mittel be- reitzustellen seien. Der Präsident des Deutschen Studentenwerkes, Pro- fessor Dobischat, äußerte sich heute in einer Pressemit- teilung mit folgenden Worten: „Bessere Bildung für alle, bessere Zukunftschancen für alle – das ist eine gesamt- gesellschaftliche Aufgabe, hier stehen die Länder in der Pflicht, dem Bund zu folgen.“ Der Bund investiert schon jetzt tatkräftig in den Bildungsbereich. Die zusätzlichen Investitionen belaufen sich auf 12 Milliarden Euro. Das ist eine bislang unerreichte Summe für den Bildungsbe- reich und zeigt deutlich unsere Prioritätensetzung. Im Bund haben wir große Projekte auf den Weg gebracht und deren Finanzierung sichergestellt. Der Bildungsgip- fel am 10. Juni hat gezeigt, dass die Punkte, die vonsei- ten des Bundes zugesagt wurden, eingehalten werden. Am 10-Prozent-Ziel halten wir fest, und 40 Prozent der Finanzierungslücke von 13 Milliarden Euro für Bil- dungsausgaben werden übernommen, und zwar durch konkrete Projekte: die Erhöhung des BAföG, das Stipen- dienprogramm und vor allem der Qualitätspakt Lehre, als dritte Säule des Hochschulpaktes. Der Qualitätspakt Lehre führt zu einer Verbesserung der Studienbedingungen und zur Weiterentwicklung guter Lehre in der gesamten Breite der Hochschullandschaft. Bis 2020 wird der Bund rund 2 Milliarden Euro hierfür bereitstellen. Diese einmalige und zuvor noch nie unternommene Kraftanstrengung kann jedoch nicht dazu führen, dass die Länder aus ihrer Verantwortung entlassen werden. Sie stehen in der Pflicht, die ihnen vom Grundgesetz zu- gesprochene Kernaufgabe verantwortungsvoll wahrzu- nehmen. Es kann nicht sein, dass die Länder Mittel vom Bund einfordern, ohne ihre eigenen Hausaufgaben zu machen, also durch eine eindeutige Prioritätensetzung die entsprechenden Mittel im Landeshaushalt freizuma- chen. Es kann nicht sein, dass sich die Länder mit ihrem Ausgabenverhalten verzetteln, nachrangige Politikfel- der hochpäppeln und schließlich die Ausfälle im Bil- dungsbereich dann über Bundesmittel begleichen wollen. Bundesmittel sind keine Kompensationsmittel! Bundes- mittel sollen Investitionen und Bildungsausgaben der Länder sinnvoll ergänzen, um unser Land voranzubrin- gen und unsere Zukunftschancen zu verbessern. Die Zu- sammenarbeit von Bund und Ländern darf nicht zu ei- nem Nullsummenspiel werden. Wir benötigen frisches Geld im System. Gerade deswegen ist die derzeitige Un- beweglichkeit der Länder so enttäuschend. Die Minister- präsidenten werden derzeit ihrer Verantwortung nicht gerecht. Mit den elenden Erpressungsversuchen in Sa- chen Umsatzsteuerpunkte muss Schluss sein. Es ist Zeit für eine konstruktive Zusammenarbeit! Damit muss end- lich begonnen werden. Dr. Rosemarie Hein (DIE LINKE): Eine alte Volks- weisheit sagt: „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 49. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2010 5153 (A) (C) (D)(B) nimmermehr“ oder in neue, aus Finnland kommende Er- kenntnisse und geschlechtergerecht übersetzt: „Auf den Anfang kommt es an“. Diese Einsicht hat sich in den letzten Jahren auch in Deutschland durchgesetzt. Aber von der Einsicht bis zur Besserung ist es noch ein weiter Weg. Wir stellen uns die Frage, wie viele internationale Studien noch erhoben und ausgewertet werden müssen, bis klar ist, dass man gegen den aktuellen und den dro- henden Mangel an pädagogischem Personal in Kinder- einrichtungen und Schulen etwas tun muss. Da hat die Bundesregierung vor Jahren endlich einen Rechtsan- spruch auf frühkindliche Bildung und Betreuung einge- räumt, und Länder und Kommunen tun sich schon schwer damit, den Ausbau der Platzzahlen entsprechend voranzubringen. Dass es aber für eine qualitativ hoch- wertige Betreuung auch gut ausgebildeten Personals be- darf, ist in der Euphorie untergegangen. Zwar wird etwas nebulös auf Bildungsgipfeln von Qualifizierung und Weiterbildung geredet, aber frühkindliche Bildung braucht hochwertig und vollwertig ausgebildetes Perso- nal. Allein für das Ausbauziel der Bundesregierung, von dem wir heute schon wissen, dass es nicht reicht, und für den Ersatz älterer Kolleginnen, die heute schon das 50. Lebensjahr überschritten haben und in absehbarer Zeit nicht mehr zur Verfügung stehen, werden in den nächsten Jahren 130 000 zusätzliche Fachkräfte in der Kinderbetreuung benötigt. Etwa die Hälfte davon müsste bereits in zwei Jahren zur Verfügung stehen. Diese Auf- gabe zu erfüllen, sind Bund, Länder und in der Folge Kommunen weit entfernt. In meinem Bundesland, Sach- sen-Anhalt, in dem es seit 20 Jahren einen Rechtan- spruch für alle Kinder unter drei Jahren gibt, liegt die Betreuungsquote bei den Jüngsten bei 55 Prozent. Wenn man diese Betreuungszahlen bundesweit hochrechnet, fehlen mehr als doppelt so viele Erzieherinnen und Er- zieher für die Krippenkinder. Nicht besser wird es in der Schule. Zwar glaubt man heute noch in einigen Bundesländern, dass man, zumin- dest in der Summe ausreichend, teilweise sogar zu viele Lehrerinnen und Lehrer habe, tatsächlich sind aber heute schon vielerorts nicht genügend Lehrerinnen und Lehrer da, um den Unterricht zu 100 Prozent abzudecken. Zu- dem sind mehr als die Hälfte der Kolleginnen und Kolle- gen in den Ländern älter als 50 Jahre, werden also in absehbarer Zeit den Schuldienst verlassen. Nach Erhe- bungen auf Bundesebene werden aber in fast allen Län- dern zu wenige Lehrerinnen und Lehrer ausgebildet, um diesen Bedarf rechtzeitig zu ersetzen. Auch Referendariatsplätze stehen nicht genügend zur Verfügung. Die Länder können zwar mehr Stellen für Lehrerinnen und Lehrer in ihren Landeshaushalten ein- planen, sie werden aber schon die heute vorhandenen nicht mehr besetzen können. Dann wird sich die Perso- nalsituation an den Schulen dramatisch verschärfen, und es müssen womöglich Klassen zusammengelegt und Un- terricht gekürzt werden, oder aber die Lehrerarbeitszeit muss noch weiter erhöht werden. Das alles sind untaug- liche Maßnahmen, wenn die Bildungsqualität verbessert werden soll. Der Bundesregierung und den Ländern blieben dann nur weitere Hilfsprogramme wie das Programm mit den Berufseinstiegsbegleitern, die Qualität schulischer Bil- dung würde sich weiter verschlechtern, und die soziale Schieflage beim Bildungszugang würde weiter zuneh- men. Dies gilt es zu verhindern, sofern das überhaupt noch möglich ist. Deshalb fordert die Linke, umgehend ein Fachkräfteprogramm „Bildung und Erziehung“ zwi- schen Bund und Ländern zu vereinbaren, das den zügi- gen Ausbau der Ausbildung von Lehrerinnen und Leh- rern sowie Erzieherinnen und Erziehern zum Ziel hat. Dabei geht es sowohl um Lehramtsstudienplätze für alle Schularten und um die frühkindliche Bildung, die in ei- ner – nunmehr vierten – Säule des Hochschulpaktes zu vereinbaren wären, als auch um die vollzeitschulische Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern und natür- lich um berufsbegleitende Weiterbildung, die zum Be- rufsabschluss führt, und zwar für alle diejenigen in der Kinderbetreuung Tätigen, die heute noch keinen solchen Abschluss haben. Auch wenn wir perspektivisch für die Arbeit im früh- kindlichen Bereich eine Ausbildung auf Hochschulni- veau für alle dort Beschäftigten anstreben, muss in einer längeren Übergangszeit noch die tradierte vollzeitschuli- sche Ausbildung an Berufsfachschulen genutzt werden. Das sind zwar noch nicht alle Aufgaben, die bei der Aus- bildung pädagogischen Personals für Kinderbetreuung und Schule anstehen, wenn die Qualität der Bildung ver- bessert werden soll, aber es sind die dringendsten. Da- rum beschränken wir uns in unserem Antrag zunächst auf diese. Sie zu ignorieren, in dieser Sache auf die Län- der zu verweisen und im Übrigen nach der Devise zu verfahren „Kommt Zeit, kommt Rat“, wäre eine fahrläs- sige Unterlassung politischen Handelns, die von der jun- gen Generation bezahlt werden muss. Das darf nicht hingenommen werden, darum stimmen sie unserem Antrag nach Beratung in den Ausschüssen zu. Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): In dem Antrag der Linken wird die Einsetzung eines Fachkräfteprogramms „Bildung und Erziehung“ gefordert. Sie schreiben in ihrem Antrag, die Bundesre- gierung solle dieses Programm „in Abstimmung mit den Ländern“ aufsetzen. Doch hier ergibt sich schon das erste Problem: Spätestens nach dem Scheitern des Bil- dungsgipfels am 10. Juni ist dieses Ansinnen zwar nett gemeint, läuft politisch aber ins Leere. Ein echter Bil- dungsgipfel hätte für diese ohne Frage äußerst relevan- ten Problemstellungen Lösungsstrategien aufzeigen müssen. Passiert ist in dieser Hinsicht jedoch nichts. Zum inhaltlichen Sachstand lässt sich festhalten: Seit Jahren ist klar, dass Deutschland auf einen riesigen Man- gel an pädagogischen Fachkräften zusteuert, sei das in Schulen oder in Einrichtungen der Kindertagesbetreu- ung. Laut nationalem Bildungsbericht 2010 sind 50 Prozent der Lehrkräfte im Schulbereich 50 Jahre und älter. Im internationalen Vergleich liegt Deutschland hin- ter Italien und Schweden hier an dritter Stelle. Obwohl die Pensionierungswelle von Lehrerinnen und Lehrern 5154 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 49. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2010 (A) (C) (D)(B) gerade erst anrollt, fehlen schon heute bundesweit Tau- sende von Lehrkräften, fallen Woche für Woche zig Tau- sende Unterrichtsstunden aus. Bis 2015 werden, so bele- gen es Studien unter anderem von Bildungsforscher Klaus Klemm, 10 000 Junglehrerinnen und -lehrer jähr- lich fehlen. Um dem Lehrermangel entgegenzutreten, hat die KMK nach etlichen Anläufen Vereinbarungen getroffen, um das Lehramtsstudium zu verbessern, unter anderem um die länderübergreifende Vergleichbarkeit zu fördern. Diese Vereinbarung ist gut und richtig, heraus- gekommen ist bisher allerdings nichts. Da fragt man sich schon, was KMK-Beschlüsse überhaupt wert sind. Zudem müssen Mobilitätshindernisse für Lehrerinnen und Lehrer zwischen den Ländern abgebaut werden, wo- bei klar sein muss, dass dies nicht zu einem Wettkampf um Lehrerinnen und Lehrer führen darf. Auch für Sei- teneinsteiger wird von den Ländern viel zu wenig getan. Wir wollen, dass Quereinsteiger, die über relevante Fachkompetenzen verfügen, ein verkürztes Lehramtsstu- dium absolvieren und auch berufsbegleitend qualifiziert werden können. Für junge Menschen, die Lehrerin oder Lehrer werden wollen, müssen ausreichend viele Lehr- amtsstudienplätze zur Verfügung stehen. Wir halten je- doch nichts davon, wie von der Linken gefordert, eine weitere Säule im Hochschulpakt 2020 für die Lehreraus- bildung zu schaffen. Im Rahmen einer dritten Säule im Hochschulpakt fordern wir eine Gesamtstrategie für gute Lehre, zu der unter anderem der Ausbau von zusätzlichen Studienplätzen gehört. Darüber hinaus muss gewährleis- tet sein, dass jede und jeder, der ein Lehramtsstudium beendet hat, seine Ausbildung im Rahmen des Referen- dariats fortsetzen und beenden kann. Hier liegt zurzeit das eigentliche Problem. Für uns Grüne ist es wichtig, den Schwerpunkt nicht nur auf die Quantität des pädagogischen Personals, son- dern auch auf die Qualität zu legen. Hier möchte ich ei- nige Stichpunkte nennen: Eine elementare Frage ist die Akquisition geeigneter Lehrkräfte. Werbung für den Lehrerberuf sollte bereits in der Schule in der gymnasia- len Oberstufe beginnen, gezielt sollten Studienberech- tigte mit Migrationshintergrund angesprochen werden. Vor dem Studium ist es notwendig, beispielsweise über Praxisphasen und intensive Beratung, die Eignung der Lehramtsstudiumsinteressierten zu überprüfen. Für die Lehrerausbildung gilt, dass wir eine Reform der Ausbil- dung brauchen: hin zur frühzeitigen Heranführung an die Praxis. Ein stärkerer Praxisbezug, der früh im Studium beginnt, könnte zudem die hohe Zahl der Studienabbre- cher erheblich verringern. Die Studierenden müssen so ausgebildet werden, dass sie den Anforderungen, die im späteren Berufsleben an sie gestellt werden, begegnen können. Dazu gehören die individuelle Förderung aller Schülerinnen und Schüler, die Gestaltung eines moder- nen inklusiven Schulsystems und ein an dem einzelnen Schüler orientierter Unterricht. Die Zukunftsperspektiven eines Kindes werden maß- geblich geprägt von den Förder- und Bildungsangeboten in frühen Jahren. Daher fordern wir ein bedarfsgerechtes Angebot an Kindertagesbetreuung und die Verbesserung des Personals in der Kindertagesbetreuung durch wissen- schaftliche Ausbildung. Seit Jahren fällt im Vergleich zu anderen Bildungsbereichen der geringe Akademisierungs- grad auf: Seit 2006 hat sich dieser nur um 0,4 Prozent- punkte auf 3,2 Prozent erhöht. Der Beruf der Erzieherin bzw. des Erziehers muss dringend ergänzt werden durch akademisch qualifizierte Frühpädagoginnen und -päda- gogen. Erzieherinnen und Erziehern soll die Möglichkeit eröffnet werden, sich zu Frühpädagoginnen und Früh- pädagogen weiterzubilden. Ein weiterer wichtiger Ansatzpunkt, um dem Mangel an pädagogischem Personal zu begegnen, ist die Weiter- bildung. Hier liegt die Bundeskompetenz beim Bund und beim Bildungsministerium. Das Scheitern des Bil- dungsgipfels zwischen Bund und Ländern lässt einen da- ran zweifeln, wie der Bund jetzt seine Aufgaben in die- sem Bereich wahrnehmen soll. Wir brauchen aber einen wirklichen Aufbruch hin zu mehr Weiterbildung! Das bestehende Meister-BAföG, mit dem auch Erzieherinnen und Altenpfleger gefördert werden können, ist nur ein Trippelschritt in die richtige Richtung. Um jedem Men- schen eine Weiterbildung zu ermöglichen, fordern wir ein neues Erwachsenen-BAföG, das in dem bisherigen Meister-BAföG aufgehen soll. Im Bereich der Kinderta- gespflege fordern wir von der Bundesregierung, wie im Koalitionsvertrag angekündigt, eine Weiterentwicklung der Qualifikationen. Laut Bildungsbericht entspricht das Qualifikationsniveau des Tagespflegepersonals häufig nicht den fachlichen Anforderungen. 55 Prozent des Per- sonals verfügen noch nicht einmal über die Minimalqua- lifikation eines 160-Stunden-Kurses, für Ostdeutschland ist der Anteil sogar noch höher! Hier sind dringend Ver- besserungen notwendig. Der Bund sollte im Rahmen des Kinder- und Jugendhilfegesetzes seine Möglichkeiten ausnutzen, hier bessere Standards zu setzen. Der ge- wünschte Prozess der Verberuflichung der Kindertages- pflege muss auch zu einer angemessenen Entlohnung der Tätigkeit führen. Abschließend lässt sich sagen: Vieles kann von Bun- desseite nur angeregt, aber nicht umgesetzt oder durch- gesetzt werden. Der Antrag, den wir heute diskutieren, hat vieles Richtige benannt, läuft aber in großen Teilen leider ins Leere. Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung des Asylbewerberleistungsgesetzes (Tagesordnungspunkt 16) Mechthild Heil (CDU/CSU): Seit seiner Entstehung kritisieren Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, das Asylbewerberleistungsgesetz. Eine Aus- nahme bildet nur die Zeit, in der Sie an der Regierung waren. In dieser Zeit gab es dazu keine Initiative von Ih- nen, den als so schlecht gebrandmarkten Zustand zu än- dern. Der uns heute vorliegende Antrag ist zuletzt vor ei- nem Jahr hier im Hohen Hause gescheitert. Sie versuchen es erneut. Immerhin haben Sie den Antrag überarbeitet und aktualisiert. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 49. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2010 5155 (A) (C) (D)(B) Sie kritisieren wieder, dass Asylsuchende nicht die gleichen Sozialhilfeleistungen wie deutsche Staatsbürger bekommen. Als „Ausschluss“ bezeichnen Sie dies und als „sozialrechtlich diskriminierend“. Das sehe ich nicht so! Asylsuchende und bedürftige Bürger unseres Landes werden im Sinne des Staatsbürgerrechts unterschieden. Das Gesetz versteht unter Asyl einen zunächst begrenz- ten Aufenthalt in Deutschland, bei dem es um eine vorübergehende Versorgung der Betroffenen geht und deren Schutz vor politischer Verfolgung und unmensch- licher Behandlung in ihrem Herkunftsland, bis über den Asylantrag entschieden wird, um nicht mehr, aber auch nicht weniger. Folglich müssen Menschen, die sich wo- möglich nur kurz in unserem Land aufhalten, nicht um- gehend sozial integriert und mit inländischen Bedürfti- gen gleichgestellt werden. Sobald Asylbewerber sich aus von ihnen nicht zu vertretenden Gründen länger als vier Jahre in der Bundesrepublik aufhalten, erhalten sie die gleichen Leistungen wie deutsche Staatsangehörige. Sie werden gleich behandelt. Von Diskriminierung kann keine Rede sein. Zuvor erhalten sie Leistungen nach dem Asylbewer- berleistungsgesetz, die geringer als die Leistungen für Sozialhilfeempfängerinnen und -empfänger sind. Ja, Asylsuchende und Geduldete erhalten medizinische Ver- sorgung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, die auf die unabweisbar notwendige Behandlung „akuter Schmerzzustände“ beschränkt ist. Das Gesetz garantiert darüber hinaus auch beispielsweise eine Impfvorsorge oder umfassende Leistungen bei Schwangerschaft und Geburt. Die Menschen werden also ausreichend ver- sorgt. Das Asylbewerberleistungsgesetz ist vor allem nach dem Sachleistungsprinzip aufgebaut. Die Sachleistungen folgen der Preisentwicklung. Steigende Preise werden vom Staat getragen, nicht von Asylsuchenden. Hinzu kommt, dass Leistungen für Asylbewerber nicht – wie im SGB XII und im SGB II – pauschaliert werden, son- dern im Einzelfall individuelle Beihilfen – zum weit überwiegenden Teil ebenfalls als Sachleistungen – etwa für Bekleidung, Hausrat usw. gewährt werden. Auch diese einmaligen Beihilfen folgen der Preisentwicklung und belasten die Tasche der Asylanten nicht. Soviel zu Ihrem Vorwurf, die Leistungen wären seit 1993 nicht mehr angepasst worden. Für mich ist das Asylbewerberleistungsgesetz kein „ungeeignetes, überflüssiges und unverhältnismäßiges Gesetz“, wie Sie es in Ihrem Antrag bezeichnen. Im Ge- genteil: Das Gesetz hat seinen Zweck voll erfüllt und erfüllt ihn noch heute. Das Ziel der damaligen Bundesre- gierung war es vor allem, den Missbrauch des Asyl- rechts einzuschränken und damit den Zustrom von Flüchtlingen in die Bundesrepublik Deutschland zu be- grenzen. Anfang der 90er-Jahre des letzten Jahrhunderts hat unser Land europaweit den Hauptanteil der Flücht- lingsströme aufgenommen. Dies hat unsere sozialen Si- cherungssysteme in Deutschland enorm belastet. In die- sen Zustand wollen wir von der christlich-liberalen Koalition nicht zurück. Wir wollen auch die Kommunen, die die Träger der Asylhilfe sind, nicht mit höheren Kos- ten belasten. Ein Weiteres: Im Jahre 1992 hatten 438 191 Men- schen Asyl in Deutschland beantragt. 95 Prozent wurden nicht als Asylberechtigte anerkannt. Das zeigt: Ein gro- ßer Teil der Asylsuchenden berief sich auf das Asyl- recht, ohne tatsächlich politisch verfolgt oder einer un- menschlichen Behandlung ausgesetzt gewesen zu sein. Viele kamen über sichere Drittstaaten zu uns. Wirt- schaftliche Gründe waren also oft das ausschlaggebende Motiv für die Einreise und den Aufenthaltswunsch. Um diesem Asylmissbrauch entgegenzutreten, einigten sich CDU/CSU, SPD und FDP im Jahr 1992 im Asylkompro- miss, Regelungen zum Mindestunterhalt von Asyl- bewerbern zu schaffen, und im Folgenden wurde das Asylbewerberleistungsgesetz erlassen. Dass diese Idee richtig war, zeigt uns die Entwicklung der letzten Jahre. Das Gesetz verhindert Missbrauch und gewährt politisch Verfolgten und unmenschlich Behandelten die nötige Unterstützung. Wir lehnen Ihren Antrag ab. Dr. Johann Wadephul (CDU/CSU): Ihr Gesetzent- wurf, den Sie fast wortgleich schon im November 2008 in den Deutschen Bundestag eingebracht haben, enthält in der Sache keine neuen überzeugenden Argumente. In- sofern interpretieren Sie wieder einmal ein Bundesver- fassungsgerichtsurteil nach eigenem Gutdünken, obwohl Ihnen alle Argumente seit den Antworten auf Ihre Anfra- gen vom Dezember 2007 und März dieses Jahres be- kannt sind. Es handelt sich vielmehr wieder einmal um einen typischen Oppositionsentwurf, der die Realität ausblendet. Dabei tun die Grünen so, als ob sie schon immer in der Opposition gewesen wären und nicht sie- ben lange Jahre mit der SPD in der Regierungsverant- wortung gestanden hätten. Die Bundesregierung prüft genau, welche Bedeutung die Entscheidung des Bun- desverfassungsgerichtes vom 9. Februar 2010 zu den Hartz-IV-Regelsätzen für die Leistungen nach dem Asylbewerbergesetz hat. In der Antwort auf Ihre Kleine Anfrage im März dieses Jahres hat die Bundesregierung bereits deutlich gemacht, dass es sich dabei um kompli- zierte Sach- und Rechtsfragen handelt, deren Prüfung noch nicht abgeschlossen ist. Keineswegs ist seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts klar, wie es der vorliegende Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen suggeriert, dass die Leistungen für Asylbewerber nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen. Das Bundesverfassungsgericht führt in seinen Entschei- dungsgründen eben aus, dass der Gesetzgeber für die Hilfeleistung gruppenbezogene Differenzierungen vor- nehmen kann. Eine solche Differenzierung liegt dem Asylbewerberleistungsgesetz zugrunde. Wir reden hier von Asylbewerbern. Das bedeutet, dass es also nicht um einen dauerhaften Aufenthalt in Deutschland geht, son- dern um eine vorübergehende Versorgung der Betroffe- nen bis zu einer Entscheidung über ihren Asylantrag. Leistungen für eine Integration sind daher nicht erforder- lich. Aus diesem Grund dürfen die Grundleistungen für eine eingeschränkte Zeit geringer ausfallen. Außer Frage steht dabei natürlich, dass die Asylbewerber gerade im Vergleich zu anderen Nationen ausreichend unterstützt werden. Dies beinhaltet selbstverständlich auch den Be- reich der medizinischen Versorgung. 5156 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 49. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2010 (A) (C) (D)(B) Um auf die eingangs erwähnte Realitätsferne der Grü- nen zurückzukommen, möchte ich auf den Ursprung des Asylbewerberleistungsgesetzes zu sprechen kommen. Unter dem damaligen Eindruck massiv steigender Asyl- bewerberzahlen haben sich CDU/CSU, SPD und FDP im Jahr 1992 auf einen Asylkompromiss geeinigt, auf dessen Grundlage dann ein Jahr später das Asylbewer- berleistungsgesetz entstanden ist. Hauptanliegen dieses Gesetzes war und ist es, die Leistungen für Asylbewer- ber gegenüber der Sozialhilfe zu vereinfachen und auf die notwendigen Bedürfnisse eines vorübergehenden Aufenthaltes in Deutschland abzustimmen. Dieses Ge- setz war notwendig und richtig und erfüllt nach wie vor seinen Anspruch. Zum einen gewährleistet es eine aus- reichende Versorgung der Asylbewerber für die Dauer ihres Aufenthalts in der Bundesrepublik, zum anderen reduziert es aber auch die Zahl der Einreisen von Asyl- suchenden nach Deutschland und bewegt die bereits abgelehnten Asylsuchenden bzw. Geduldeten zu einer schnellen Ausreise aus Deutschland. Aber noch einen weiteren wichtigen Punkt dürfen wir in dieser Debatte nicht vergessen: Letztendlich kommt es auch hier wie in so vielen Bereichen auf einen angemessenen Ausgleich zwischen den Leistungszahlungen und den Steuerzah- lern an. Das heißt in diesem Fall konkret, einen Aus- gleich zwischen den Leistungen der asylsuchenden Men- schen auf der einen und den Steuerzahlern auf der anderen Seite zu schaffen. So können wir doch die Au- gen nicht davor verschließen, dass in Deutschland die steuerzahlenden Leistungsträger unserer Gesellschaft bereits jetzt bis an die Schmerzgrenze belastet werden. Erklären Sie, meine Damen und Herren von den Grünen, einem Hartz-IV-Empfänger einmal, warum er ebenso viele Leistungen empfangen soll wie ein Asylbewerber, der bedingt durch den nur vorübergehenden Aufenthalt in Deutschland ganz andere finanzielle Ansprüche hat. Die ohnehin schon strapazierten sozialen Sicherungssys- teme würden durch die Abschaffung des Asylbewerber- leistungsgesetzes noch mehr unter Druck geraten. Die Forderung einer Abschaffung des Asylbewerberleis- tungsgesetzes durch den Entwurf der Grünen entbehrt somit jeglicher Grundlage und dient wohl eher der Pflege der eigenen Klientel als einem konstruktiven Bei- trag zum Umgang mit Asylbewerbern. Fazit: Das globale und schwerwiegende Problem stei- gender Flüchtlingsströme lösen wir nicht dadurch, dass wir die Leistungen für Asylbewerber generell anheben und dadurch unser schlechtes Gewissen zu beruhigen versuchen. Eine ausreichende Versorgung der Asylbe- werber bei uns in Deutschland steht dabei jedoch außer Frage. Deshalb sollten wir die Prüfung der Bundesregie- rung im Hinblick auf das Bundesverfassungsgerichts- urteil abwarten. Erst dann gibt es eine neue Sachlage. Eine vorherige Diskussion ist völlig überflüssig. Gabriele Hiller-Ohm (SPD): Schade, dass wir die Debatte zum Asylbewerberleistungsgesetz heute nur zu Protokoll führen. Aber besser spät als nie. Auch wir sehen – genau wie die Antragsteller – dringenden Handlungsbedarf. Das Bundesverfassungsgericht hat am 9. Februar 2010 ein wegweisendes Urteil gesprochen. Es geht darum, was ein Mensch braucht, um in Würde leben zu können. Art. 1 des Grundgesetzes spricht dabei von allen Men- schen, nicht nur von deutschen Staatsbürgern! Leider gelten hinsichtlich der Absicherung des Existenzmini- mums unterschiedliche Regeln für deutsche und für viele nicht deutsche Bürgerinnen und Bürger in unserem Land. Für alle, die unter das Asylbewerberleistungsge- setz fallen, gab es seit seiner Einführung im Jahr 1993 keinerlei Erhöhung der Regelsätze. Der tatsächliche Kaufkraftverlust beläuft sich für diesen Zeitraum auf rund 25 Prozent. Schon 2001 haben wir gemeinsam mit den Grünen versucht, die Leistungen für Asylsuchende wenigstens geringfügig heraufzusetzen. Die damalige Mehrheit im Bundesrat von CDU, CSU und FDP brachte unsere Gesetzesinitiative allerdings zum Scheitern. In der Großen Koalition hat sich die Situation für Bezieher nach dem Asylbewerberleistungsgesetz leider weiter verschlechtert. Sie müssen seither nicht mehr nur drei, sondern jetzt vier Jahre im niedrigen Leistungsniveau des Asylbewerberleistungsgesetzes verbleiben, ehe sie Anspruch auf Sozialhilfe haben. Diese Kröte haben wir geschluckt, um dafür im Gegenzug Verbesserungen für geduldete Ausländer beim Zugang zum Arbeitsmarkt durchzusetzen. Das Bundesverfassungsgericht hat jetzt sehr klare Worte zu Regelsätzen und Härtefällen in der Grund- sicherung gesprochen. Wir erwarten, dass nicht nur die Regelsätze in der Sozialhilfe und im Arbeitslosengeld II, sondern auch im Asylbewerberleistungsgesetz entspre- chend angepasst werden. Wir haben diese Forderung in unserem Antrag zur Neufestsetzung der Regelsätze vom 2. März 2010 formuliert. Wir wollen, dass die Regelleis- tung in voller Höhe bar ausgezahlt und nicht als Sach- leistung zur Verfügung gestellt wird. 1,34 Euro am Tag – das ist der durchschnittliche gesetzliche Barbetrag, wo- von Flüchtlinge und Asylbewerber im Leistungsbezug heute in Deutschland leben müssen. Einer vierköpfigen Familie mit zwei Kindern zwischen 6 und 13 Jahren ste- hen im Monat 736 Euro zu. Diesen Betrag erhält die Fa- milie aber nicht zwangsläufig in voller Höhe. Die Bun- desländer sind nur verpflichtet, einen Barbetrag von lediglich 81,80 Euro auszuzahlen. Der Rest kann in Sachleistungen erbracht werden. Auf das Jahr gerechnet beträgt die Regelleistung – in Bar- und Sachleistungen – für vier Personen 8 832 Euro. Zum Vergleich: Das säch- liche Existenzminimum liegt für einen alleinstehenden deutschen Mitbürger im Jahr 2010 bei 7 656 Euro, für Paare bei 12 996 Euro und für Kinder bei 3 864 Euro. Wir hatten im Mai 2009 eine Anhörung zum Asylbe- werberleistungsgesetz. Die Sachverständigen waren sich einig: Insbesondere die Sachleistungen, die von der schwarz-gelben Bundesregierung gerne bei jeder Gele- genheit für die Sozialpolitik propagiert werden, erweisen sich als ineffizient, stigmatisierend und schikanierend. Das Zusammenstellen von Essenspaketen entspricht we- der einem würdigen Umgang mit den Hilfebedürftigen, noch ergibt es aus finanzieller Sicht Sinn; denn durch den logistischen Aufwand fallen erhebliche Verwal- tungskosten an, die eingespart werden könnten. Eine Er- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 49. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2010 5157 (A) (C) (D)(B) höhung der Regelsätze für Asylbewerber ist von der Union immer wieder mit dem Argument ausgebremst worden, dass durch höhere Leistungen ein wirtschaftli- cher Anreiz, nach Deutschland zu kommen, geschaffen würde. Schlepperbanden würden dadurch Tor und Tür geöffnet. Warum aber flüchten Menschen aus ihrer Heimat, und warum suchen sie in einem fremden Land Asyl? In der Regel sind diese Menschen in ihrem Heimatland massiv bedroht. Sie müssen um das eigene Leben und um das ihrer Familie fürchten. In einer solchen existenziellen Si- tuation fragt man nicht danach, wie hoch die Sozialleis- tungen in dem Land sind, in das man flüchten kann. Man geht dorthin, wo man sicher leben kann. In der Europäischen Union ist darüber hinaus gere- gelt, dass nur in einem Staat Asyl beantragt werden darf. Das Übereinkommen von Dublin regelt klar, dass das der EU-Staat ist, den der Flüchtling zuerst betritt, und das ist normalerweise nicht Deutschland! Deswegen ist die Zahl der Leistungsberechtigten nach dem Asylbe- werberleistungsgesetz seit Jahren stark rückläufig: Im Jahr 1996 hatten wir in Deutschland rund 490 000 Leis- tungsberechtigte, Ende des Jahres 2008 waren es nur noch knapp 128 000. Das wirkt sich natürlich auch auf die Ausgaben für die Leistungen nach dem Asylbewer- berleistungsgesetz aus: Hatten wir im Jahr 1996 noch Ausgaben von knapp 2,9 Milliarden Euro, lag diese Summe für das Jahr 2008 bei rund 842 Millionen. Euro. Aber nicht nur die Regelsätze nach dem Asylbewer- berleistungsgesetz und die Zuteilung von Lebensmitteln oder Gutscheinregelungen sind menschenunwürdig. Es gibt nach wie vor Bundesländer, die Asylbewerbern keine eigene Wohnung zugestehen, sondern lediglich Sammelunterkünfte anbieten. Auch dies müssen wir än- dern! Eine nicht hinnehmbare Ungleichbehandlung von deutschen Sozialleistungsempfängern und Asylbewer- bern zeigt sich auch bei der medizinischen Versorgung. Ein Beispiel: Einem Kind von Asylsuchenden wird in der Regel ein dringend notwendiges Hörgerät verwei- gert. Eine massive sprachliche Entwicklungsstörung wird dabei in Kauf genommen. Traumatisierte Flücht- linge erhalten keinerlei psychologische Betreuung. Auch die Kinder nicht. Das hat mit Menschenwürde nichts zu tun. Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, auch wir sehen dringenden Handlungsbedarf und werden einen Gesetzentwurf einbringen. Wir möchten die Miss- stände im Asylbewerberleistungsgesetz verändern. Das bedeutet: Anpassung der Regelsätze an die Sozialhilfe- sätze, Barauszahlung statt Sachleistungen, gleichwertige medizinische Versorgung. Sie fordern eine komplette Aufhebung des Asylbewerberleistungsgesetzes. Dafür sehen wir keine politischen Mehrheiten, nicht hier im Bundestag – das könnte sich allerdings bei dem derzeiti- gen Regierungschaos schnell ändern –, aber es müssen auch die Länder zustimmen. Sie fordern in Ihrer Gesetzesinitiative, dass für Asyl- suchende und deren Angehörige die Rechtskreise der Grundsicherung für Arbeitsuchende bzw. der Sozialhilfe gelten sollen. Das würde bedeuten, dass erwerbsfähige Asylsuchende sofort eine Förderung zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erhalten. Bei ungeklärtem Aufent- haltsstatus ist das aus unserer Sicht kein geeigneter Weg. Zu diesem Schluss kommt auch das Bundesamt für Mi- gration und Flüchtlinge. Deswegen spricht sich die SPD- Bundestagsfraktion dafür aus, das Asylbewerberleis- tungsgesetz als Rechtskreis beizubehalten. Man muss aber, wie bereits ausgeführt, das Asylbewerberleistungs- gesetz grundgesetzkonform und menschenwürdig ausge- stalten. Miriam Gruß (FDP): Asylbewerbern muss bestmög- lich geholfen werden. In erster Linie brauchen sie eine wirkliche Perspektive für ihr weiteres Leben. Ihr Antrag bietet da leider keine Lösungen. Eines ist klar: Viele Zu- stände, in denen Asylbewerber leben, sind nicht akzepta- bel, so bei Teilen ihrer Unterbringung. Was hier man- chenorts lange Zeit Alltag war und teilweise noch ist, war und ist nicht hinnehmbar. Wir setzen uns jetzt inten- siv für eine Verbesserung dieser Verhältnisse ein. Die Koalition befasst sich deshalb mit unterschiedlichen Ansätzen, um die Situation von Asylbewerbern zu opti- mieren. Im Folgenden möchte ich Ihnen diese gern skiz- zieren. Uns Liberalen war es wichtig, die Prüfung des Sachleistungsprinzips im Koalitionsvertrag zu veran- kern. Die Bundesregierung wird dies umsetzen, um dann den Asylbewerbern möglichst eine schnelle Hilfe zuteil werden zu lassen. Dass es immer Spielräume gibt für praktische Verbesserungen, beweist mein Heimatland Bayern. Die ersten Korrekturen sind dort eingeleitet. Künftig dürfen Familien und Alleinerziehende nach Ab- schluss ihres Asylverwaltungsverfahrens in eine eigene Wohnung ziehen. Das ist ein erster, wichtiger Schritt. Außerdem sieht der Koalitionsvertrag auf Bundes- ebene vor, die Residenzpflicht so auszugestalten, dass eine hinreichende Mobilität, insbesondere im Hinblick auf eine zugelassene Arbeitsaufnahme, möglich ist. Das ist ein Beispiel, das Schule machen kann. Auch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Hartz-IV- Regelsätzen ist im Zusammenhang mit der Höhe der Leistungen für Asylbewerber zu beachten. Das Bundes- verfassungsgericht hat mit seinem Urteil vom 9. Februar 2010 entschieden, dass die Regelleistung für Erwach- sene und Kinder nicht den verfassungsrechtlichen An- spruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums erfüllen. Dieses Urteil hatte bereits die Fraktion Die Linke zum Anlass genommen, die Bun- desregierung im Rahmen einer Kleinen Anfrage vom 17. Februar 2010 nach den Auswirkungen auf das Asyl- bewerberleistungsgesetz zu fragen. Das BVerfG hat mit seinem Urteil den Gesetzgeber beauftragt, dieses Grund- recht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum zu konkretisieren. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ist mit der Ausarbeitung eines Lösungsansatzes betraut, der für Herbst dieses Jahres zu erwarten ist. Für uns Liberale ist neben der rechtlichen Situation von Asylbewerbern eines besonders wichtig: Wir möch- ten die Möglichkeit fördern, dass Asylbewerber mög- lichst schnell einen Zugang zum Arbeitsmarkt finden. Es ist Teil des liberalen Selbstverständnisses, dass die Men- schen ihren Lebensunterhalt ganz oder teilweise selbst 5158 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 49. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2010 (A) (C) (D)(B) erwirtschaften können. Durch einen solchen Schritt würde man den Asylbewerbern wirklich eine Perspek- tive bieten. Ihr Gesetzentwurf führt gerade in diesem zentralen Bereich nicht zu einer Verbesserung. Vielmehr geht es auch hier darum, die Anspruchsberechtigten in finanzieller Abhängigkeit des Staates zu halten. Lassen Sie mich eines noch zum Ende sagen: Es ist schon er- staunlich, dass Sie jetzt das fordern, was Sie in Ihrer Re- gierungszeit längst hätten umsetzen können. Sie entlar- ven damit Ihren Antrag als einen reinen Scheinantrag. Wir als Regierungskoalition halten uns lieber an die Re- alität und machen eine Politik, die sich am Menschen ori- entiert, damit die Asylbewerber eine echte Chance auf ein eigenständiges Leben bekommen. Ulla Jelpke (DIE LINKE): Das Asylbewerberleis- tungsgesetz wurde 1993 beschlossen, um Asylbewerber von einer Flucht nach Deutschland abzuschrecken. Es war Teil des sogenannten Asylkompromisses, also der faktischen Abschaffung des Rechts auf Asyl in Deutsch- land. Dieses Gesetz arbeitet mit der Unterstellung, Asyl- bewerber kämen ohnehin nur wegen des Bezugs von So- zialleistungen nach Deutschland. Es bedient rassistische Vorstellungen von vermeintlichen Wirtschaftsflüchtlin- gen und Sozialschmarotzern, gegen die sich Deutschland endlich zur Wehr setzen müsse. Und es wurde noch ein weiteres Argument ins Feld geführt. Da die Betroffenen ja sowieso nur kurze Zeit in Deutschland bleiben wür- den, brauchten sie auch nur das Allernötigste zum Le- ben. Die verringerten Sozialleistungen sollen auch eine Integration in die Gesellschaft verhindern. Dieses Gesetz ist nicht nur in seinen Grundannahmen rassistisch, es be- fördert auch Rassismus in der Gesellschaft; denn in die- sem Gesetz ist auch die Unterbringung von Asylbewer- bern in Wohnheimen geregelt. Damit trägt dieses Gesetz zur Stigmatisierung von Asylsuchenden aktiv bei. Sie werden zum leichten Ziel für rassistische Attacken und Pöbeleien bis hin zu gewalttätigen Angriffen. Die Serie von Brandanschlägen auf Asylbewerberunterkünfte zu Beginn der 90er-Jahre hat dies auf erschreckende Art vor Augen geführt. Der größte Skandal an diesem gesamten Gesetz ist aber, dass hier eine ganze Menschengruppe allein auf- grund ihrer Herkunft und ihres Aufenthaltsstatus weit unter dem Existenzminimum vegetieren muss. Diese Menschen erhalten nur 60 Prozent des Satzes, den Emp- fänger von Hartz-IV-Leistungen erhalten. Zudem gilt das diskriminierende Sachleistungsprinzip. Neben der Un- terbringung in Wohnheimen bedeutet das Ausgabe von Kleidung und Nahrungsmittelpaketen oder Gutschei- nen. Damit wird diesen Menschen jede Möglichkeit ge- nommen, selbst zu bestimmen, was sie essen und welche Kleidung sie tragen. Und das gilt nicht nur vorübergehend. Zuletzt hat die Koalition aus SPD und Union das Gesetz dahin gehend geändert, dass die Betroffenen nun vier Jahre lang unter dieses Sonderregime fallen, vier Jahre, in denen keine Integration dieser Menschen stattfinden soll, vier Jahre, in denen sie übrigens auch nicht durch eigene Arbeits- leistung ihre Situation verbessern können, weil sie einem Arbeitsverbot unterliegen. Wir alle wissen, wie schwer es für Langzeitarbeitslose ist, wieder in das Berufsleben einzusteigen. Bei diesen Menschen kommen noch sprachliche Schwierigkeiten hinzu; denn Sprachkurse und Ähnliches können sie nicht besuchen. Dieses Gesetz dient also der systematischen Ausgren- zung von Asylsuchenden und geduldeten Flüchtlingen, soweit sie auch unter die Regelungen des Gesetzes fallen. Es zielt darauf, eine Integration dieser Menschen zu ver- hindern und das Abschreckungspotenzial dieser Regelun- gen aufrechtzuerhalten. Das Asylbewerberleistungsge- setz verletzt eklatant das Recht jedes Menschen auf ein Leben in Würde. Diese und alle vorhergehenden Bun- desregierungen stellen dieses Menschenrecht unter einen Kostenvorbehalt. Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister des Innern Ole Schröder hat zu Be- ginn dieser Woche bei einem Symposium des UN-Flücht- lingshilfswerks weiteren Widerstand Deutschlands gegen neue EU-Regelungen angekündigt, Asylbewerber und Be- zieher von Sozialleistungen gleichzustellen. Selbst Ver- besserungen beim Zugang zum Arbeitsmarkt werden von dieser Bundesregierung abgelehnt. Die Bundesregierung ignoriert dabei im Übrigen das Urteil des Bundesverfas- sungsgerichts zur Festlegung der Hartz-IV-Sätze für Kin- der. Das Gericht hat den Gesetzgeber aufgefordert, ein transparentes und sachgerechtes Verfahren zur realitätsge- rechten Bedarfsermittlung zu wählen. Das betrifft Asylbe- werber ganz offensichtlich genauso wie die Kinder von Hartz-IV-Empfängern. Denn in diesem Fall hat der Ge- setzgeber einfach einmal vor 18 Jahren einen Regelsatz festgeschrieben. Der Bedarf wurde also nicht ermittelt, sondern schlicht politisch festgelegt. Darüber hinaus wurde er niemals erhöht, sondern stattdessen wurde die Bezugsdauer immer weiter ausgedehnt. Legt man die Maßstäbe des Bundesverfassungsgerichts in dem ge- nannten Urteil an das Asylbewerberleistungsgesetz an, ist vollkommen klar: Dieses Gesetz ist verfassungs- widrig und muss endlich abgeschafft werden. Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die schwarz-gelbe Koalition beschwört jetzt die bürgerli- chen Tugenden, entnehme ich der Presse. Eine dieser Tugenden ist, sich an Gesetze zu halten, zuvörderst an das Grundgesetz, dort an Art. 1, der die Grundrechte ein- leitet und gleichzeitig programmatische Grundaussage unserer Verfassung ist. Dort heißt es: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Es heißt nicht: Die Würde der Deutschen ist unantastbar.“ – Dementsprechend gel- ten die Leitsätze des Urteils des Bundesverfassungsge- richts vom 9. Februar zu den ALG-II-Regelsätzen nicht nur für Deutsche, sondern für alle Menschen im Gel- tungsbereich des Grundgesetzes. Das menschenwürdige Existenzminimum ist zu ge- währleisten und nach einem transparenten und nachvoll- ziehbaren Verfahren zu ermitteln. Das Bundesverfas- sungsgericht sagt ganz klar, dass das soziokulturelle Existenzminimum nicht „ins Blaue hinein“ zu schätzen ist. Es dürfte doch hier allen einleuchten, dass das selbst- verständlich ein universaler Anspruch ist, der nicht nur für das Zweite Buch Sozialgesetzbuch gilt. Dieser gilt für alle Menschen, und deshalb brauchen wir kein Son- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 49. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2010 5159 (A) (C) (D)(B) dergesetz, das Menschenwürde für Flüchtlinge separiert und im Ergebnis Menschen in ihrer Würde herabsetzt. Doch seit es das Asylbewerberleistungsgesetz gibt, seit 17 Jahren, geschieht genau dies mit vielen Men- schen. Ob asylsuchend, ob geduldet oder bleibeberech- tigt, der Aufenthaltstitel unterscheidet sich, nicht aber die Unterversorgung. Die Leistungen des Asylbewerber- leistungsgesetzes liegen um ein Drittel unter den ohne- hin schon zu niedrig bemessenen Sätzen des SGB II. Und sie sind, entgegen geltender Rechtslage, nach § 3 Abs. 3 Asylbewerberleistungsgesetz nie angepasst wor- den – nicht ein einziges Mal in 17 Jahren. Da sage ich nur: Bürgerliche Tugenden? Von wegen. Stattdessen will ich die Kolleginnen und Kollegen hier in diesem Hause fragen, die alle erkennbar keinen Hunger leiden: Wie soll man mit 40,90 Euro „Taschengeld“ und 184,07 Euro für Ernährung, Kleidung, Gesundheits- und Körper- pflege und Gebrauchs- und Verbrauchsgüter des Haus- halts im Monat als erwachsener Haushaltsvorstand aus- kommen? Und dann noch ein Hinweis: Das Geld wird nicht unbedingt auf das Girokonto überwiesen. Stattdes- sen gibt es regelmäßig Gutscheine und Sachleistungen. Was für ein Unsinn und was für ein Bürokratiewahn! Schon all dies rechtfertigt die sofortige Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes. Einen weiteren wichtigen Punkt darf ich mir nicht er- sparen: Zum Gesundheitssystem in Deutschland haben Menschen, die Leistungen nach dem Asylbewerberleis- tungsgesetz bekommen, keinen Zugang. Nur bei akuten Erkrankungen und Schmerzzuständen gibt es Hilfe. Konkret heißt das: keine Prävention, keine Untersuchun- gen. Es muss schon erst so schlimm sein, dass der Kran- kenwagen vorfahren muss, bevor es Hilfe gibt. Überle- gen Sie sich einmal, welche Situationen in Ihrem Leben bei einer solchen medizinischen Versorgung schon ganz anders hätten ausgehen können! Ich denke, einige hier hätten Chancen, diese Debatte aus dem Jenseits zu be- trachten. Besonders unmenschlich ist, dass die Bundesregie- rung bewusst die sogenannte EU-Aufnahmerichtlinie nicht umsetzt. Deshalb gibt es für von physischer, psy- chischer oder sexueller Gewalt betroffene Flüchtlinge auch keinen Therapieanspruch, der garantiert ist. Die Menschen sind auf den guten Willen angewiesen. Auch Leistungsbeziehende nach dem Asylbewerberleistungs- gesetz brauchen endlich eine vernünftige Krankenversi- cherung, so wie wir alle sie haben. Angeblich hat das wohl auch die Bundesregierung verstanden. Sonst wäre gar nicht zu erklären, dass sie auf europäischer Ebene im Stockholmer Programm zur EU-Rechtspolitik erst im Dezember zugestimmt hat, dass Flüchtlinge in der EU überall ähnliche Lebensbedingungen haben sollen. Aber an der praktischen Umsetzung hapert es dann gewaltig. Das ist das übliche System dieser Bundesre- gierung: Sonntagsreden, wenn man zu Gast in Europa ist, hier in Deutschland nichts tun, wenn es um Men- schen geht, die Hilfe benötigen. Staatssekretär Ole Schröder geht es aber nur um angeblich anfallende Kos- ten, weil „die Vorschläge der EU-Kommission … die Asylverfahren verlängern und verteuern“ würden – so zitiert in der taz vom 15. Juni 2010). Ein merkwürdiges Politikverständnis. Geht es doch beim Asyl häufig um Leben und Tod. Von christlicher Nächstenliebe zeugt diese Haltung nicht. Diesmal sollte der Gesetzgeber das Heft des Handelns nicht aus der Hand geben. Anders als beim ALG-II-Regelsatz hat er die Möglichkeit, einen of- fensichtlichen Verfassungsbruch selbst zu heilen. Wir alle sollten sie nutzen. 17 Jahre nach Inkrafttreten des Asylbewerberleis- tungsgesetzes ist es Zeit, einen Schlussstrich zu ziehen, Schluss zu machen mit einem Gesetz, das Menschen ausgrenzt, Schluss zu machen mit einem Gesetz, das dis- kriminiert und extrem bürokratisch ist, Schluss zu ma- chen mit einem Gesetz, dass Menschen das Existenzmi- nimum vorenthält und ihnen nicht die Möglichkeit gibt, in Deutschland ihren Lebensunterhalt selbst zu bestrei- ten. Sagen Sie Nein zur Diskriminierung und damit Ja zur Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes. Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Bundeswaldgesetzes – Beschlussempfehlung und Bericht: – Antrag: Bundeswaldgesetz nachhaltig gestalten – Schutz und Pflege des Öko- systems für heutige und künftige Genera- tionen – Antrag: Bundeswaldgesetz ändern – Na- turnahe Waldbewirtschaftung fördern – Antrag: Das Bundeswaldgesetz novellie- ren und ökologische Mindeststandards für die Waldbewirtschaftung einführen – Unterrichtung: Waldbericht der Bundes- regierung 2009 (Tagesordnungspunkt 17 a und b) Alois Gerig (CDU/CSU): Bei der Novellierung des Bundeswaldgesetzes biegen wir heute auf die Zielgerade ein. Der heute zur abschließenden Beratung stehende Gesetzentwurf wurde vom Land Niedersachsen über den Bundesrat eingebracht. Die Koalitionsfraktionen haben am Gesetzentwurf wichtige Ergänzungen vorgenommen. Mit dem Gesetzentwurf wollen wir notwendige Ände- rungen am Bundeswaldgesetz vornehmen und gleichzei- tig an Bewährtem festhalten. Die Koalition lässt sich bei der Bundeswaldgesetzno- velle von der Zielsetzung leiten, die vielfältigen Funktio- nen des Waldes für Pflanzen, Tiere und den Menschen zu erhalten. Intakte Wälder sind notwendig, um die bio- logische Vielfalt zu bewahren. Als CO2-Speicher sind unsere Wälder zudem aktive Klimaschützer. Für den Menschen leistet der Wald nicht nur einen wichtigen 5160 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 49. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2010 (A) (C) (D)(B) Beitrag für die Trinkwasserversorgung und zum Immis- sionsschutz; der Mensch findet im Wald auch Ruhe und Erholung. Daneben hat der Wald eine zunehmend große wirt- schaftliche Bedeutung: Die Forst- und Holzwirtschaft sorgt nicht nur für Wertschöpfung im ländlichen Raum, sie ist dort auch ein wichtiger Arbeitgeber. Die Aufgabe der Waldpolitik ist, die unterschiedlichen Waldfunktio- nen in einen vernünftigen Ausgleich zu bringen. Dies ist vor dem Hintergrund des Klimawandels keine leichte Aufgabe. Ich bin überzeugt, dass wir mit dieser Bundes- waldgesetznovelle die richtige Richtung einschlagen, um dieser Aufgabe gerecht zu werden. Der Gesetzentwurf sieht als Erstes vor, den Waldbe- griff zu präzisieren. Künftig sollen Kurzumtriebsplanta- gen nicht unter den Waldbegriff des Bundeswaldgeset- zes fallen. Auf Kurzumtriebsplantagen werden schnell wachsende Bäume und Sträucher angebaut, um inner- halb weniger Jahre den nachwachsenden Rohstoff Holz ernten zu können. Kurzumtriebsplantagen sind kein Wald, weil sie nicht auf dauerhafte und nachhaltige Nut- zung ausgelegt sind. Diese Kulturform ist eindeutig landwirtschaftlich geprägt. Es ist deshalb richtig, Kurz- umtriebsplantagen vom Waldbegriff auszunehmen. Mit der angestrebten Gesetzesänderung werden bes- sere Bedingungen für Kurzumtriebsplantagen geschaf- fen. Holz ist der mit Abstand wichtigste erneuerbare Energieträger in Deutschland. In den kommenden Jahren ist mit steigender Nachfrage nach Energieholz zu rech- nen. Kurzumtriebsplantagen können dazu beitragen, das Potenzial an Energieholz zu vergrößern, ohne dass wir die Nachhaltigkeit der Waldbewirtschaftung gefährden. Beim Waldbegriff muss noch an einer weiteren Stelle nachgebessert werden. Wir wollen, dass mit Forstpflan- zen teilweise bestockte Flächen, die landwirtschaftlich genutzt werden und deshalb unter die InVeKoS-Verord- nung fallen, kein Wald im Sinne des Bundeswaldgeset- zes sind. Die bessere Abgrenzung zwischen landwirt- schaftlichen und forstwirtschaftlichen Flächen dient dem Ziel, Almen aus dem Waldbegriff herauszunehmen und ihre Bewirtschaftung dauerhaft zu ermöglichen. Dies ist im Alpenraum nicht nur für die betroffenen landwirt- schaftlichen Betriebe von Bedeutung. Die Almwirtschaft leistet seit Generationen einen wertvollen Beitrag zur Pflege der Kulturlandschaft und für die Offenhaltung der Flächen. Almen sind aus diesem Grund auch für den Tourismus äußerst wichtig. Mit dem Gesetzentwurf wollen wir des Weiteren er- reichen, dass forstwirtschaftliche Vereinigungen das Holz ihrer Mitglieder vermarkten dürfen. Forstwirt- schaftliche Vereinigungen sind Zusammenschlüsse von Forstbetriebsgemeinschaften, die wiederum Zusammen- schlüsse von Waldeigentümern sind. Zu den Aufgaben der forstwirtschaftlichen Vereinigungen gehört beispiels- weise die Beratung ihrer Mitglieder. Die Vermarktung von Holz ist ihnen bislang nicht erlaubt. Die Entwicklung der Holzindustrie ist seit einigen Jahren durch Konzentrationsprozesse geprägt. Den rund 2,9 Millionen Waldbesitzern und Kleinstwaldbesitzern in Deutschland stehen immer weniger – aber dafür mächtige – Holzabnehmer gegenüber. Damit sich Erzeu- ger und Abnehmer auf Augenhöhe begegnen können, wollen wir es den forstwirtschaftlichen Vereinigungen ermöglichen, das Holz ihrer Mitglieder zu vermarkten. Mit der Gesetzesänderung will die Koalition dazu beitra- gen, dass sich die forstwirtschaftlichen Strukturen marktgerecht entwickeln können und die Forstwirtschaft ein starkes wirtschaftliches Standbein des ländlichen Raums bleibt. Eine weitere Neuregelung betrifft die Verkehrssiche- rungspflicht im Wald. Es geht um die Frage, wer haftet, wenn Besucher im Wald zu Schaden kommen. Von Wald- besitzern wird aus Naturschutzgründen verlangt, ver- mehrt Totholz – umgefallene Bäume oder abgefallene Äste – im Wald zu belassen. Dadurch ergeben sich mehr Gefahrensituationen für Erholungssuchende. Dies ist deshalb problematisch, weil die Anzahl der Erholungs- suchenden zugenommen hat und sich auch die Erho- lungsformen ändern; Beispiele hierfür sind Joggen und Mountainbikefahren. Der Wald ist als Erholungsraum unverzichtbar. Die erfreulich vielen Waldbesucher sind ein wesentlicher Grund dafür, dass der Wald in Deutschland eine hohe Wertschätzung genießt und der Schutz des Waldes in der gesamten Gesellschaft unumstritten ist. Da der Wald für alle zugänglich ist und dies auch bleiben soll, kann der Waldbesitzer seiner Verkehrssicherungspflicht nicht da- durch nachkommen, dass er den Zutritt zum Wald ver- wehrt. Deshalb muss im Bundeswaldgesetz nun klarge- stellt werden, dass Waldbesitzer für waldtypische Gefahren nicht haften. Im Gesetzgebungsverfahren hat die Koalition geprüft, ob der niedersächsische Gesetzentwurf ausreichend ist. Neben der bereits angesprochenen Herausnahme der Al- men aus dem Waldbegriff halten wir weitere Änderun- gen am Bundeswaldgesetz für erforderlich. So wird der Begriff Staatswald eindeutiger definiert, weil viele Forstverwaltungen in Körperschaften des öffentlichen Rechts oder andere Rechtsformen umgewandelt wurden. Da viele Wälder Bodendenkmäler aufweisen oder aus Parkanlagen oder Friedhöfen hervorgegangen sind, stel- len wir sicher, dass in Zukunft der Denkmalschutz im Wald berücksichtigt wird. Unser Wald ist ein Kulturgut. Damit Deutschland seine Berichtspflichten gegenüber der Europäischen Union und gegenüber dem Klima- sekretariat der UN-Klimarahmenkonvention besser er- füllen kann, wird zudem die Bundeswaldinventur zu ei- nem umfassenden Waldmonitoring ausgeweitet. Die Vorschläge der Opposition haben wir geprüft. Die Forderung, die gute fachliche Praxis im Bundeswaldge- setz zu verankern, kann die Union nicht unterstützen. Wir sehen uns in unserer Auffassung durch die Anhö- rung bestätigt. Aufgrund der regionalen Besonderheiten in der Waldstruktur ist es zweckmäßig, dass die ord- nungsgemäße Waldbewirtschaftung wie bisher durch die Länder geregelt wird. Da die Holzvorräte der Wälder in den vergangenen Jahren zugenommen haben und unsere Wälder bereits jetzt einen unverzichtbaren Beitrag zum Erhalt der biolo- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 49. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2010 5161 (A) (C) (D)(B) gischen Vielfalt leisten, halte ich eine bundeseinheitliche Festlegung der guten fachlichen Praxis für entbehrlich. Wichtiger als neue bürokratische Vorschriften erscheint mir, dass in der Forstwirtschaft und in der Forstverwal- tung gut ausgebildete Fachkräfte eingesetzt werden. Dies stellt sicher, dass das Holz fachgerecht dem Wald entnommen wird und die Wälder naturnah und nachhal- tig weiterentwickelt werden. Meinungsverschiedenheiten in der Frage, ob die gute fachliche Praxis ins Waldgesetz gehört, haben in der Großen Koalition eine Novellierung des Bundeswaldge- setzes blockiert. Die Koalition aus Union und FDP nimmt nun die notwendigen Änderungen vor und leistet damit einen wichtigen Beitrag, unseren Wald auf die Zu- kunft vorzubereiten. Dies zeigt einmal mehr: Die christ- lich-liberale Koalition zahlt sich für unser Land aus. Mit der Änderung des Bundeswaldgesetzes nehmen wir wichtige Weichenstellungen vor: Wir stellen den An- bau von Energieholz auf eine neue Rechtsgrundlage und unterstützen so den Ausbau erneuerbarer Energien. Für Waldbesitzer schaffen wir mehr Rechtssicherheit in Haf- tungsfragen und stärken zudem ihre Stellung auf dem Holzmarkt. Wir sichern die Almwirtschaft und sorgen dafür, dass in unserem Kulturgut Wald der Denkmal- schutz größere Beachtung findet. Dies sind alles gute Gründe, die Bundeswaldgesetznovelle heute zu be- schließen. Mit der Gesetzesänderung erreichen wir, dass unser Wald – immerhin 31 Prozent der Fläche Deutsch- lands – zukünftig neben allen angesprochenen Funktio- nen auch als grüne Lunge für unsere Bevölkerung dienen kann. Ich bitte um Ihre Zustimmung. Petra Crone (SPD): Der dritte Anlauf, das Bundes- waldgesetz zeitgemäß und nachhaltig zu gestalten, ist gescheitert. Union und FDP verweigern sich ihrer Ver- antwortung für unsere Lebensgrundlage Wald, indem sie naturschutzfachlichen Aspekten im Bundeswaldgesetz eine klare Absage erteilen. Starrsinnig verneinen die Re- gierungskoalitionen die ökologischen und ökonomi- schen Zusammenhänge im Wald. Dadurch liefern sie ein Bundeswaldgesetz ab, das weit hinter den Erwartungen vieler forstlicher Akteure und Akteure des Naturschutzes zurückbleibt. Für die SPD-Bundestagsfraktion war und ist die Inte- gration eines Mindestmaßes an Naturschutz auf der ge- samten Waldfläche unabdingbar. Gemeinsam mit Ver- bändevertretern fordern wir weiterhin die Verankerung der guten fachlichen Praxis im Bundeswaldgesetz. Nach der erfolgten Anhörung sprach noch mehr für die Auf- nahme der Zielstellung einer guten fachlichen Praxis in die Bundesgesetzgebung als bereits vorher. Union und FDP haben nur mit einem Ohr den Sachverständigen zu- gehört. Auf dem naturschutzfachlichen Ohr sind sie taub. Dabei liegt eine ressourcenschonende und nachhal- tige Bewirtschaftung klar im ureigenen, ja gar existen- ziellen Interesse des Waldbesitzers. Erfreulicherweise hat sich in den letzten Jahren einiges getan. Die Ent- wicklung geht weg von reinen Nadelbaumkulturen hin zu mit Laubbäumen durchsetzten Mischwäldern. Ich be- grüße dies ausdrücklich; denn Mischwälder sind stabiler gegen Witterungsverhältnisse und Baumschädlinge als die Nadelbaumkulturen der Vergangenheit. Mischwälder machen deshalb sowohl für die Umwelt als auch unter forstwirtschaftlichen Gesichtspunkten Sinn. Des Weiteren wirtschaftet eine hohe Zahl von Betrie- ben der Forstwirtschaft bereits auf einem hohen ökologi- schen Standard, einem Standard, der oftmals über die naturschutzfachlichen Mindestanforderungen laut GfP hinausreicht. Ökologische Waldnutzung und die Ver- marktung ökologischer Holzprodukte gehen Hand in Hand. Umso unverständlicher ist, dass Union und FDP in den 70er-Jahren feststecken. Ich bin schon enttäuscht, dass das Gesprächsangebot aus meiner ersten Rede kei- nen Widerhall fand, liebe Frau Kollegin Happach- Kasan, meine von Ihnen so gelobte Charmeoffensive hin oder her. Nicht jeder Waldbesitzer achtet seinen Besitz. Auch das ist eine Tatsache, die man dem Waldbericht der Bun- desregierung entnehmen kann. Sie scheinen immer noch glauben zu wollen, liebe Kollegen und Kolleginnen der Koalition, dass gierige Investoren vor der Natur haltma- chen. Wer schnelles Geld verdienen will, dem ist egal, dass nach einem Kahlschlag die Waldfläche für Jahr- zehnte keine Nutzungen mehr abwirft und die Leistungs- fähigkeit des Waldbodens empfindlich zerstört wird. Be- richte, in denen unseriöse Holzeinschlagsunternehmen den Waldbesitzern einen Kahlschlag empfehlen oder pri- vate Investoren innerhalb weniger Tage so viel Holz ein- schlagen, dass eine weitere nachhaltige Entwicklung des Waldes auf lange Sicht nicht mehr möglich ist, sind lei- der keine Seltenheit mehr. Daraus resultierend ist es eine Bagatellisierung, wenn vonseiten der Koalitionsfraktio- nen immer wieder gesagt wird, dass in unseren Wäldern die Dinge zum Besten stünden. Die Mindestanforderungen der guten fachlichen Pra- xis, verankert in einem Bundesgesetz, könnten in diesen Fällen entsprechende Sanktionierungen nach sich zie- hen, die der bezweckten Garantiewirkung einer ökologi- schen Mindestsicherung Rechnung tragen. Häufig sind die Landeswaldgesetze eben nicht ausreichend hinsicht- lich ihrer mit Ordnungswidrigkeiten belegten Regelun- gen oder diese fehlen in einigen Ländern in Gänze. Es kann auch nicht trösten, dass das Bundeswaldgesetz an der einen oder anderen Stelle an Effizienz gewinnt. Als Resultat aus naturschutzfachlicher Sicht bleibt es ein Fos- sil aus dem Jahre 1975. Mit keinem Federstrich werden die Ursachen der Missstände in unseren deutschen Wäl- dern bekämpft. Ich bin verwundert, dass sich die Kolle- gen und Kolleginnen der Linken durch ihre Zustimmung zum Gesetz mit so wenig zufrieden geben, zumal sie in ihrem Antrag ein anderes, besseres Bundeswaldgesetz fordern. Diese Gesetzesänderung begünstigt alleinig Waldnutzer. Sie vernachlässigt komplett den Adressaten von Waldpolitik, sprich: den heimischen Wald selbst mit seinen 4 000 Pflanzen- und rund 7 000 Tierarten. Wir lehnen auch die Änderung hinsichtlich der Alm- flächen ab. Diese Ergänzung führt dazu, dass in den bayerischen Alpen circa 7 000 Hektar Bergwald und da- von die Hälfte ausgewiesener Schutzwald aus der Wald- 5162 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 49. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2010 (A) (C) (D)(B) definition herausfallen. Damit unterliegen sie nicht mehr dem Schutz des Bundeswaldgesetzes. Berg- und Schutz- wälder haben eine zentrale Bedeutung für den Erosions-, Lawinen- und Hochwasserschutz. Hier wird auf dem Umweg über Berlin ureigene bayerische Landespolitik erledigt, um vor Ort keine Aufregung zu verursachen und geräuschlos die Klientel zu bedienen. Auch dem Ausgleich zwischen Almbauern und Waldschützern, der von der Kollegin Cornelia Behm beantragt wurde, ver- weigerten Sie Ihre Zustimmung. Die Bitte der Almbauern haben Sie aber gern erfüllt. Um unseren Wald, dessen Erzeugnisse und Leistungen offenkundig immens sind, haben sich Union und FDP hingegen nicht bemüht. Der Wald ist mit seinen Multi- funktionen unersetzbar, und es bedarf für seine Zu- standsverbesserung verstärkt einer nationalen und inter- nationalen Politik für Nachhaltigkeit. Ein gesunder Wald muss Zielmarke von Waldpolitik sein. Dr. Christel Happach-Kasan (FDP): Ich freue mich sehr, dass es der christlich-liberalen Koalition gelungen ist, die überfällige Änderung des Bundeswald- gesetzes zum Abschluss zu bringen. Es ist der dritte An- lauf: Rot-Grün ist gescheitert, Schwarz-Rot ist geschei- tert, jetzt klappt es. Das ist ein schöner Erfolg für den Wald, die Waldbesitzer, die nachhaltige Produktion von Biomasse und die bessere wissenschaftliche Begleitung der vom Klimawandel verursachten Änderungen im Wald. Ich bedanke mich für die Zustimmung der Linken, deren Anregung aus der Anhörung wir gern umgesetzt haben. Das Bundeswaldgesetz hat sich insgesamt bewährt; aber vor allem in drei Bereichen ist eine Ergänzung er- forderlich geworden: bei der Verkehrssicherungspflicht, der Walddefinition und der Holzvermarktung durch forstwirtschaftliche Zusammenschlüsse. Durch die multifunktionale Nutzung der Wälder erge- ben sich verschiedene Zielkonflikte zwischen Waldbesit- zern und Erholungssuchenden. Im Interesse der faunisti- schen Biodiversität sind in den vergangenen Jahren die Totholzanteile im Wald gesteigert worden. Damit ist die Gefahr gestiegen, dass Menschen durch abfallende Äste oder umstürzende Bäume zu Schaden kommen. Für die Waldbesitzer, die den Wald bewirtschaften, entstehen hierdurch spezielle Anforderungen. Sie sind durch das Gesetz verpflichtet, das freie Betretungsrecht zu gestat- ten; allerdings erfolgt das Betreten auf eigene Gefahr. Wir wollen, dass Waldbesitzer nicht für ihre Dienste zum Wohle der Allgemeinheit belastet werden. Die Ver- kehrssicherungspflicht an Waldwegen bleibt bestehen; aber waldtypische Gefahren werden in Zukunft von der Haftung ausgeschlossen sein. Ein Blick auf verschiedene Gerichtsurteile der letzten Jahre zeigt, dass wir mit die- ser Formulierung Waldbesitzer entlasten können. Wir sind uns allerdings bewusst: Wir können durch Regelun- gen im Bundeswaldgesetz nicht die Haftungsregelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches aushebeln. Die Holznutzung hat in den letzten Jahren enorm zu- genommen. Es ist davon auszugehen, dass sich dieser Trend in Zukunft noch verstärkt. Die Produktion von Biomasse in Kurzumtriebsplantagen, KUP, hat gegenüber Monokulturen wie dem Maisanbau ökologische Vorteile: Sie zeigen eine deutlich höhere Biodiversität und benöti- gen weniger Dünge- und Pflanzenschutzmittel. Der Wis- senschaftliche Beirat des Agrarministeriums hatte schon im Jahr 2007 in seinem Gutachten auf die ökologischen und ökonomischen Vorteile der Nutzung von Holz aus Kurzumtriebsplantagen hingewiesen. In verschiedenen Regionen Deutschlands gibt es daher Projekte, in KUP Holz für die energetische und stoffliche Nutzung zu pro- duzieren. Diese Projekte können Wettbewerbsfähigkeit mit anderen Produktionen von Biomasse nur erreichen, wenn sie Rechtssicherheit haben. Dafür müssen Kur- zumtriebsplantagen und auch Agroforstsysteme vom Waldbegriff ausgenommen werden. Angesichts der deut- lichen ökologischen und ökonomischen Vorteile der Produktion von Biomasse in Agroforstsystemen gegen- über dem Maisanbau ist diese Weichenstellung überfäl- lig. Die Herausnahme der licht bewaldeten Bergalmen im Alpenraum erfolgte auf bayrischen Wunsch. Um die tra- ditionelle Bewirtschaftungsform zu gewährleisten, ha- ben wir einen vernünftigen Weg gefunden, der sich an einer fortdauernden landwirtschaftlichen Nutzung der betroffenen Flächen orientiert. Bei Aufgabe der land- wirtschaftlichen Nutzung und zunehmender Bestockung werden diese Almen zu Wald. Die Umsetzung der Al- penkonvention wird durch diese Klarstellung gestärkt. Schutzwälder sind keine landwirtschaftlich genutzten Flächen und daher von der Regelung nicht betroffen. Wälder sind ein Archiv der Kulturgeschichte. Der Li- mes, slawische Wallanlagen, mittelalterliche Pflugspu- ren sind Beispiele für kulturgeschichtliche Entwicklun- gen, die in Wäldern bewahrt wurden. Historische Parkanlagen und Friedhöfe sind mit ihrem teilweise gro- ßen Baumbestand ebenfalls Wälder. Der Denkmalcha- rakter dieser Anlagen verdient besonderen Schutz. Wir wollen, dass die Bewirtschaftung der Wälder auch ihre kulturgeschichtliche Dimension berücksichtigt, und ha- ben dafür den § 11 ergänzt. Diese Anpassung wird die Pflege und den Erhalt der bedeutenden Kulturgüter im Rahmen des Waldgesetzes vereinfachen. Die multifunk- tionale Nutzung unserer Wälder gibt Freiräume, auch denkmalpflegerische Aspekte bei der Waldnutzung zu berücksichtigen. In einem Aufsatz, veröffentlicht in Band 55 der Schriftenreihe des Deutschen Nationalkomi- tees für Denkmalschutz, wurde die Forstwirtschaft pau- schal als Monokultur-Kahlschlag-Methode bezeichnet. Ein solches Zerrbild hat nichts mit der forstwirtschaftli- chen Realität in Deutschland zu tun und kann daher auch eine Herausnahme von historischen Parkanlagen aus dem Geltungsbereich des Bundeswaldgesetzes nicht be- gründen. Im Bereich der Sägewerke hat in den letzten Jahren eine erhebliche Konzentration stattgefunden. Der Privat- wald ist dagegen überwiegend klein strukturiert. Fast 60 Prozent der Waldbesitzer bewirtschaften Wälder, die kleiner als 20 Hektar sind. Wir wollen deren Möglich- keiten, ihr Holz gemeinsam zu vermarkten, verbessern. Um die nachhaltige und wirtschaftliche Nutzung dieser Ressourcen zu verbessern, wollen wir die forstwirt- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 49. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2010 5163 (A) (C) (D)(B) schaftlichen Vereinigungen in die Lage versetzen, diese Waldbesitzer bei der Vermarktung des bedeutendsten nachwachsenden Rohstoffes Holz zu unterstützen. Zu diesem Zweck haben wir mit Änderungen in § 37 und § 40 die forstwirtschaftlichen Vereinigungen besserge- stellt. Dies wird eine größere Flexibilität schaffen und gleichzeitig den Verwaltungsaufwand deutlich reduzie- ren. Insbesondere die Holzvermarktung der privaten Kleinwaldbesitzer wird gestärkt und kann helfen, die wirtschaftliche Nutzung des Rohstoffes Holz aus diesen Waldflächen unter nachhaltigen Gesichtspunkten zu ver- bessern. Die insbesondere von den Naturschutzverbänden er- hobene Forderung nach der gesetzlichen Festlegung ei- ner guten fachlichen Praxis im Bundeswaldgesetz sehen wir nicht als notwendig an. In den meisten Landeswald- gesetzen gibt es dazu bereits Regelungen. Gesetzliche Regelungen für Selbstverständlichkeiten wie die Ver- meidung des flächigen Befahrens der Waldfläche helfen nicht weiter. Detailliertere Regelungen können nicht all- gemeingültig für alle Wälder von der norddeutschen Tiefebene über die Mittelgebirge bis zum Alpenrand festgelegt werden. Viele Waldeigentümer haben zudem bereits freiwillig höhere Kosten akzeptiert, um höheren Standards in der Waldbewirtschaftung zu genügen. So sind fast 70 Prozent der Waldfläche in Deutschland zerti- fiziert. Die Ergebnisse der letzten Bundeswaldinventur zeigen, dass die Waldbesitzer sehr verantwortlich mit ih- ren Wäldern umgehen. Der Waldumbau hin zu stabilen, naturnahen Mischwäldern geht voran, und auch der Schutz von Primärwäldern wird verstärkt. Der Anteil von Totholzanteilen im Wald steigt und leistet einen Bei- trag zur Biodiversität. Der Bundeswaldbericht zeigt, dass im Wald ein wesentlich geringerer Artenschwund zu verzeichnen ist als auf der Freifläche. Untersuchungen zeigen uns, dass in den letzten Jah- ren Erkenntnisse der Wissenschaft vergleichsweise schnell von der Praxis übernommen worden sind. Dabei leistet die gute forstliche Ausbildung der Forstmitarbei- terinnen und -mitarbeiter einen wichtigen Beitrag. Wir brauchen eine wissenschaftsbasierte Weiterent- wicklung unserer Wälder. Dafür müssen wir verschie- dene Daten erheben, die den jetzigen Zustand beschrei- ben. Durch Vergleich mit früheren Waldinventuren lässt sich die Entwicklung unserer Wälder aufzeigen. Daraus lassen sich Prognosen für die Waldentwicklung ableiten und Handlungsoptionen für Eingriffe ausarbeiten. Dafür haben wir auch Änderungen bei der Waldinventur durch- gesetzt. Nur eine breite Wissensbasis ermöglicht sachge- rechte Entscheidungen. Neben den Daten zum Holzbe- stand, dem Baumartenbestand und der Baumgesundheit wollen wir vor allem die Erkenntnisse aus der Bodenzu- standserhebung mit einbeziehen. Ebenso soll im Rah- men von internationalen Verpflichtungen der Kohlen- stoffbestand, also die Holzmenge, im Abstand von fünf Jahren erhoben werden. Diese Maßnahmen sollen das Monitoring unserer Wälder verbessern und noch aussa- gekräftiger machen. Alexander Süßmair (DIE LINKE): Die gute Nach- richt zuerst: Der heute zu beschließende Gesetzentwurf zur Änderung des Bundeswaldgesetzes, BWaldG, hat ge- zeigt, dass die Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen lernfähig sind. Wie ich mir von Kolleginnen und Kollegen, die bereits länger im Agrarausschuss des Bundestages sitzen, habe sagen lassen, kommt es selten bis nie vor, dass die Regierung aus einer Anhörung lernt und Erkenntnisse aus einer Anhörung in ihren Gesetz- entwurf einfließen lässt. Doch dieses Mal ist genau das passiert. Der von der Linken benannte Sachverständige Enno Rosenthal, Vor- sitzender des Brandenburger Waldbauernverbandes, machte in der Anhörung deutlich, dass Änderungen im § 37 BWaldG zur Erleichterung der Arbeit der forstwirt- schaftlichen Vereinigungen unbedingt auch Folgeände- rungen im § 40 nach sich ziehen müssen. Der Hinweis war berechtigt, was man schon an den offenen Mündern und staunenden Blicken auf der Regierungsbank bemer- ken konnte. Gut, dass Herr Rosenthal die Bundesregie- rung noch rechtzeitig darauf hingewiesen hat, dass ihr bei einem Gesetzentwurf, über welchen bereits gefühlte 100 Jahre debattiert wird, ein dicker Patzer passiert ist. Eine andere zentrale Forderung aus der Anhörung – die Definition der „ordnungsgemäßen Forstwirtschaft“ im Sinne einer naturnahen Waldbewirtschaftung – wurde natürlich nicht aufgenommen. Genau an diesem Punkt streiten sich die jetzigen Regierungsfraktionen und die jetzigen Oppositionsfraktionen bereits seit Jahren. Für SPD und Grüne ist das ein Grund, die komplette Gesetzesnovelle nun abzulehnen. Wir als Linke wollen uns dieser Totalverweigerung nicht anschließen, denn der Gesetzentwurf enthält viele Forderungen, welche auch bereits in unserem Antrag 17/1743 „Bundeswaldgesetz ändern – Naturnahe Wald- bewirtschaftung fördern“ aufgelistet sind: Erleichterun- gen bei der Verkehrssicherungspflicht, Neudefinition des Waldbegriffes zur Unterstützung der Agroforstwirtschaft – meine Kollegin Dr. Kirsten Tackmann hat speziell zu diesem Thema bereits mehrfach im Bundestag gespro- chen – und die Aufgabenerweiterung der forstwirtschaft- lichen Vereinigungen. Richtig sind darüber hinausgehende Forderungen, wie sie nicht nur in unserem Antrag, sondern auch in den an- deren beiden Oppositionsanträgen zu finden sind. Daher werden wir auch allen drei Anträgen zustimmen. Ich kann nicht verstehen, warum SPD und Grüne nicht diesen wenigstens kleinen Schritt in die richtige Richtung mitgehen wollen und den Gesetzentwurf der Koalition unterstützen. Wenn Ihnen eine Novelle des Bundeswaldgesetzes mit naturschutzfachlichen Anfor- derungen so wichtig gewesen wäre, dann hätten Sie dazu von 1998 bis 2005 gemeinsam Zeit gehabt. Damals war, wenn ich das richtig in Erinnerung habe, die SPD der große Blockierer. Doch zurück zum Wald: Die Linke steht für eine na- turnahe Waldbewirtschaftung. Daran halten wir fest. Da- her werden wir auch weiterhin an der Notwendigkeit ei- ner Novelle des Bundeswaldgesetzes mit dem Ziel einer sinnvollen Definition der „ordnungsgemäßen Forstwirt- schaft“ festhalten. Liebe SPD, liebe Grüne: Vielleicht sind die Mehrheitsverhältnisse ab 2013 so, dass wir dies dann mit Ihren Stimmen erreichen können. 5164 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 49. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2010 (A) (C) (D)(B) Zu einer naturnahen Waldbewirtschaftung gehört für uns, dass eine größere Naturnähe durch die Wahl stand- ortgerechter einheimischer Baumarten, kahlschlagsfreies Wirtschaften, Waldrandgestaltung, Reduzierung der Bo- denbearbeitung und Bodenverdichtung, Vermeidung des Einsatzes von Herbiziden, Pestiziden und Düngemitteln, waldverträgliche Wilddichten und Verzicht auf gentech- nisch verändertes Pflanz- und Saatgut erreicht wird. Darüber hinaus sind soziale und Qualifizierungsstan- dards für die Erholungs- und Bildungsfunktion des Wal- des sowie für die in der Forstwirtschaft Beschäftigten zu entwickeln. Alle Aufgaben sind durch qualifiziertes forstliches Personal abzusichern. Heute haben wir einen längst fälligen ersten Schritt getan. Die Linke wird weiter dafür werben, dass diesem weitere Schritte folgen. Einer könnte eine Novelle des Bundesjagdgesetzes sein. Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nach der Expertenanhörung war klar, dass die Bundes- regierung den unzureichenden Bundesratsentwurf für eine Waldgesetznovelle nachbessern musste. Das betraf selbst Punkte, über die im Grundsatz parteiübergreifend Einigkeit besteht. Mit den vorgelegten Änderungsanträgen sind den Re- gierungsfraktionen allerdings nur teilweise befriedi- gende Lösungen gelungen. An manchen Stellen wurden sie den Anforderungen nicht gerecht. Wie von dieser Regierung nicht anders zu erwarten, betrifft das in erster Linie die von allen drei Oppositions- fraktionen geforderten ökologischen Mindeststandards für die Waldbewirtschaftung. Diese werden im Bundes- waldgesetz auch zukünftig fehlen. Für Bündnis 90/Die Grünen ist das Bundeswaldgesetz angesichts gestiege- nen Nutzungsdrucks so nicht zustimmungsfähig. Wir werden aber den beiden anderen Oppositionsanträgen zustimmen, die wie unser Antrag ebenfalls Mindeststan- dards fordern. Nun komme ich zur Abgrenzung von Wald und Agro- forstsystemen. Auch aus bündnisgrüner Sicht ist es rich- tig, das Flächenidentifizierungssystem von InVeKoS zu nutzen, um Wälder im Regelfall klar und eindeutig von Agrarflächen abzugrenzen. Aber es gibt in den Alpen eine Schnittmenge von Almweiden und Schutzwäldern. Es ist nicht nachvollziehbar, warum die CSU bestreitet, dass es diese Schnittmenge gibt. Alle Beteiligten, die sich in dieser Streitfrage mit ihren gegensätzlichen Inte- ressen geäußert haben, gehen davon aus, dass es viele Flächen gibt, die sowohl Schutzwald als auch von Alm- bauern genutztes Weideland sind. Angesichts der grundlegenden Bedeutung von Schutzwäldern muss das Gesetz klarstellen: Schutzwäl- der müssen Wald bleiben, so wie wir Bündnisgrüne es gestern im Agrarausschuss beantragt haben. Da das Land Bayern aber per Gesetz viele Almen zu Schutzwäldern erklärt hat, die auch aus Sicht der biolo- gischen Vielfalt zukünftig kein Wald sein sollten, ist es Aufgabe des Landes Bayern, das einzelflächenbezogen zu ändern. Stattdessen, wie es die Koalition tut, im Bun- deswaldgesetz pauschal für alle als Almweide genutzten Schutzwälder den Waldstatus aufzuheben, ist jedenfalls der für den Schutz der Berge falsche Weg. Denn nun- mehr steht zu befürchten, dass viele Bergwälder, die das auch bleiben sollten, ihren Waldstatus verlieren. Auch beim Thema Verkehrssicherungspflicht lässt sich bereits heute vorhersagen, dass die Diskussion da- rüber unter Waldbesitzern und unter Naturschützern mit Sicherheit weitergehen wird. Denn eine Lockerung war nicht das Ziel der vom Bundesrat vorgelegten und von der Koalition nunmehr unverändert übernommenen Ergänzung dieser Regelung um den Verweis auf wald- typische Gefahren. Hier wird lediglich das derzeit ausge- übte Richterrecht festgelegt, wie aus der Gesetzesbe- gründung hervorgeht. Sowohl Waldbesitzer als auch Naturschützer haben eine Lockerung der Verkehrssiche- rungspflicht erwartet. Genau deswegen wird die Diskus- sion darüber weitergehen. Hinzu kommt, dass die Verantwortung und die Kos- tenträgerschaft für die Verkehrssicherungspflicht an Straßen gemäß dem Verursacherprinzip dem Straßen- baulastträger zuzuweisen ist. Wer Straßen baut, muss auch die Folgekosten tragen. Es kann nicht sein, dass sie weiterhin auf die Waldbesitzer abgewälzt werden. Das sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, selbst wenn man feststellt, dass das für die leidgeprüften öf- fentlichen Haushalte eine große Herausforderung ist. Sachdienlicher und kostenschonender wäre es, wenn we- niger Straßen und Wege durch Wälder geführt würden. Zwar hat der Gesetzentwurf den Aufgabenbereich der forstwirtschaftlichen Vereinigungen um die Holzver- marktung erweitert, nicht aber auch um die Durchfüh- rung forstwirtschaftlicher Maßnahmen. Ich bedaure sehr, dass die Regierungskoalition diese Anregung aus der Expertenanhörung nicht aufgegriffen hat; denn das wäre im Interesse einer effizienten Bewirtschaftung des Kleinprivatwaldes gewesen. Die Behauptung von Frau Happach-Kasan, die meisten forstwirtschaftlichen Verei- nigungen würden das ja bereits heute tun, obwohl sie dazu eigentlich nicht ermächtigt sind, kann ja wohl nicht das letzte Wort gewesen sein. Gerne hätten wir diesem Gesetz zugestimmt. Aber die Mängel bei den vorgelegten Änderungen und der völlige Verzicht auf die Vorgaben für die nachhaltige und ord- nungsgemäße Waldwirtschaft lassen das nicht zu. Die Novellierung des Bundeswaldgesetzes bleibt daher wei- terhin auf der Tagesordnung. Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Anträge: – Todesstrafe weltweit abschaffen – Folter bekämpfen und Folteropfer unter- stützen – Abschaffung der Todesstrafe weltweit (Tagesordnungspunkt 19 a bis c) Frank Heinrich (CDU/CSU): In diesen Tagen ist man als Mitglied des Menschenrechtsausschusses versucht, der Opposition ein herzliches Dankeschön zu sagen. Wir ha- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 49. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2010 5165 (A) (C) (D)(B) ben Woche für Woche die Gelegenheit, unsere Positio- nen zu den wesentlichen Menschenrechtsthemen coram publico neu zu erklären. Dass wir diese bereits im Dezember 2009 in einem Antrag formuliert und im März 2010 hier im Bundestag beschlossen haben, ent- bindet uns nicht von der Aufgabe, den Stellenwert und die konkrete Ausgestaltung der Menschenrechte in den verschiedenen Themenfeldern wieder und wieder zu be- tonen, und dadurch ins kollektive Bewusstsein zu trans- portieren. In diesem Sinne, liebe Freunde von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und auch von der Linkspartei: Herzlichen Dank für ihre Vorlage zu einer neuen De- batte! Die CDU/CSU hat als christliche Partei dezidiert zu Menschenrechten Stellung genommen und wird es weiter Doch das ist nur eine Perspektive auf die Sache, ich möchte mein Unverständnis zu einer anderen Perspek- tive nicht verhehlen. Hier werden wichtige, ja wesentli- che Sachthemen parteipolitisch instrumentalisiert. Der Bundestag hat beschlossen, die Menschenrechte welt- weit zu schützen. Die Themen Todesstrafe und Folter sind ausdrückliche Bestandteile dieses Beschlusses. Wenn Sie nun Antrag auf Antrag zu diesen Themen for- mulieren, kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass Sie von der eigentlichen Arbeit ablenken wollen. Polemik statt Tagesgeschäft, darin kann sich doch die Rolle einer Opposition nicht erschöpfen! Wie wenig Ihnen an dieser Stelle an einer konstrukti- ven Zusammenarbeit gelegen ist, zeigt das Scheitern eines interfraktionellen Antrags zur Ächtung der Todesstrafe. Trotz unserer eindeutigen Beschlüsse zum Thema wollte die CDU/CSU-Fraktion gemeinsam mit der FDP und der SPD einen Antrag von Bündnis 90/Die Grünen als ge- meinsamen Antrag auf den Weg bringen, um der beson- deren Bedeutung des Themas Ausdruck zu verleihen. Was in den vergangenen Legislaturperioden noch mög- lich war, ist diesmal an der Sturheit und Verbissenheit der Bündnisgrünen gescheitert. Wir bedauern es außer- ordentlich. Hier noch einmal der Kern unserer unterschiedlichen Auffassungen: Ihr Antrag nennt Namen einzelner betrof- fener Menschen und einzelne Staaten, die bestimmte Konventionen oder Protokolle nicht ratifiziert haben, aber eine positive Entwicklung aufweisen. So wichtig jedes einzelne Schicksal eines Menschen ist, der in einer Todes- zelle sitzt – und wir sind dankbar für die hervorragende Arbeit der Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidi- ger, die diese Namen international bekanntmachen, kein Mensch ist eine Nummer, auch ein Todeskandidat bleibt ein Geschöpf mit persönlicher Würde –, so wenig dürfen wir die Augen vor einer bitteren Realität nicht verschlie- ßen: Insbesondere politische Häftlinge in autoritären Re- gimen sind immer wieder zusätzlichen Repressionen ausgesetzt, wenn sie exemplarisch als Regimeopfer be- nannt werden. Die Nennung von Namen in ihrem Antrag ist daher menschlich absolut verständlich und doch in der Sache nicht zweckdienlich. Gestern war der Bundesaußenminister im Menschen- rechtsausschuss. Sehr glaubwürdig hat er den Einsatz der Bundesrepublik für die Rechte der Menschen als prioritä- res Ziel deutscher Außenpolitik betont. Zugleich hat er dabei den unschätzbaren Wert der „Stillen Diplomatie“ herausgestellt. Ja, Politik muss Missstände auch anpran- gern. Aber einzelne Schicksale werden gefährdet, wenn sie mit Sanktionsandrohungen und öffentlichen Bloß- stellungen einhergehen. Das Gleiche lässt sich von ein- zelnen Ländern sagen. Wenn wir diese Länder auf dem Weg zu Ratifizierungen internationaler Abkommen vor- schnell an den Pranger stellen, geht dieser Schuss nach hinten los. Lassen Sie es mich als Pädagoge sagen: Ver- stärkung und Unterstützung heißen die Zauberworte, nicht Ermahnung und Entmutigung. Ein Antrag, der die Todesstrafe weltweit ächtet, sollte daher aus unserer Sicht generelle, ja universelle Forderungen und Feststel- lungen enthalten, um so den Charakter einer Resolution zu erfahren. Konkrete Bezichtigungen dagegen kommen einem politischen Tribunal gleich und können, wie so- eben ausgeführt, letztlich das genaue Gegenteil des Be- absichtigten bewirken. Lassen Sie mich zur Position der CDU/CSU zurück- kommen. Ich zitiere aus dem Antrag und Beschluss „Menschenrechte weltweit schützen“. Gleich im ersten Punkt äußern wir uns klar und unmissverständlich zur Todesstrafe. „Unveräußerliche Prinzipien wie körperliche und geistige Unversehrtheit, Gedanken- und Meinungs- freiheit und die Freiheit von Diskriminierung sind in vielen Teilen der Welt gefährdet. Die grausamste und un- menschlichste Form der Bestrafung, die Todesstrafe, wurde in vielen Staaten der Welt abgeschafft. Darunter sind alle Staaten der Europäischen Union. Doch immer noch wird die Todesstrafe verhängt bzw. vollstreckt, und dies nicht nur in autoritären Regimen wie Iran, China oder Sudan, sondern auch in Demokratien wie den USA und Japan. Es gibt keinen rechtsstaatlichen Grund, der die Todesstrafe rechtfertigt; zudem können Fehlurteile nie ganz ausgeschlossen werden. Ein Grundanliegen deutscher Menschenrechtspolitik bleiben deshalb die Aussetzung und in letzter Konsequenz die Abschaffung der Todesstrafe.“ Deutlicher und eindeutiger kann man die Todesstrafe nicht ablehnen. Menschenrechtliche, rechtsstaatliche und humanitäre Gründe sprechen unisono gegen die Todes- strafe. Die Damen und Herren von der Opposition haben unserem Antrag die Zustimmung verweigert. Auch zur Ächtung der Folter nimmt unser Beschluss Stellung und führt eindeutige, evidente Gründe ins Feld – ich zitiere –: „In mehr als 150 Staaten der Welt sind Menschen Folter sowie grausamster und unmenschlicher Behandlung ausgesetzt. In Konfliktsituationen sind in den letzten Jahren verstärkt auch Kinder, Jugendliche und Frauen Opfer von Folter geworden. Aber auch Tau- sende von politischen Dissidenten sind in den Gefäng- nissen weltweit tagtäglich Folter und Misshandlungen ausgesetzt. All dies geschieht, obwohl die Folter völker- rechtlich in einer Vielzahl internationaler Abkommen verboten wurde. Seit 1984 ist mit dem ,Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung‘ der Vereinten Nationen das Folterverbot für die Vertragsstaaten bindend und die Überwachung des Verbots von unabhängigen Stellen vorgesehen. Das Folterverbot gilt absolut und darf nicht gegen andere Rechtsgüter abgewogen werden.“ 5166 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 49. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2010 (A) (C) (D)(B) Mit diesem Beschluss haben wir dezidierte Grundla- gen, Folter als Menschenrechtsverletzung zu benennen und zu bekämpfen, und wir tun es auch. Allerdings nicht nur in den Ländern, die uns eine Folterpraxis vermuten lassen. Nein, wie ernst wir uns als Bundesrepublik und als Mitglied der Europäischen Union selber nehmen müssen und nehmen, zeigt ein Bespiel aus der jüngsten Vergangenheit. Der Fall Gäfgen ging zu Genüge durch den Medienwald. Ich zitiere eine Meldung der dpa vom 10. Juni diesen Jahres: „Kindermörder Gäfgen erzielt juristischen Teil- erfolg. Straßburg. Der Kindsmörder Magnus Gäfgen hat einen Teilerfolg mit seiner Folterbeschwerde gegen Deutschland erreicht. Mit der Gewaltandrohung gegen Gäfgen bei der Fahndung nach einem entführten Kind habe Deutschland gegen das Folterverbot der Menschen- rechtskonvention verstoßen, befand der Europäische Ge- richtshof für Menschenrechte (EGMR) am Dienstag in Straßburg. Die Richter warfen Deutschland eine man- gelnde juristische Aufarbeitung dieser Folterandrohung vor.“ Dass der EGMR der Bundesrepublik vorwirft, gegen das Folterverbot verstoßen zu haben, mag auf den ersten Blick erschüttern: In Deutschland wird gefoltert. Doch auf den zweiten und dritten Blick sieht das Bild ganz an- ders aus. Der zweite Blick: Wer kann emotional nicht nachempfinden, wie die Gewaltandrohung zustande kam. Ein Entführer verbirgt sein grausames Geheimnis, ein Kind könnte vielleicht noch gerettet werden. Ich ver- stehe die Drohung gut. Doch eben hier zeigt sich die sitt- liche Reife einer Gesellschaft. Folter ist grundsätzlich falsch, auch wenn sie emotional verständlich ist, und da- her lehnen wir sie ab. Der dritte Blick: Es ist ein Beweis wahrer Rechtstaatlichkeit, auch unangenehme Urteile zu akzeptieren. Wer sich dem Urteil eines EGMR stellt, er- wirbt sich auch das Mandat, selber für die Einhaltung von Menschenrechten zu werben und zu kämpfen. Wer Standards im Ernstfall gelten lässt, kann sie im Regelfall proklamieren. Ein letzter Gedanke. Todesstrafe und Folter stehen im Zusammenhang mit anderen Menschenrechtsthemen, auch dazu führt unser Antrag einiges aus: „Folter und Misshandlungen stehen in engem Zusammenhang mit Formen der Sklaverei und des Menschenhandels. Sklave- rei ist kein Übel der Vergangenheit, sondern den Angaben der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zufolge Schicksal von zwölf Millionen Menschen weltweit – hauptsächlich von Frauen und Kindern. 70 Prozent der gehandelten Menschen werden als Zwangsprostituierte Opfer sexueller Ausbeutung. Die übrigen Betroffenen werden als Zwangsarbeitskräfte, Kindersoldaten, unfrei- willige Organspender und zu Zwecken illegaler Adop- tion verkauft. Sklaverei und Menschenhandel sind seit Beginn des 20. Jahrhunderts auf Grundlage internationa- ler Abkommen geächtete Verbrechen. Im Rahmen des Protokolls zur Konvention der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität aus dem Jahr 2000 wird ein notwendiger Schritt getan, um Menschenhandel zum Zweck der Prostitution und der Sklavenarbeit zu bekämpfen.“ Internationale Unternehmen dürfen in ihrem Engage- ment nicht wertfrei handeln und stehen in der Pflicht, in ihrer unternehmerischen Tätigkeit die Menschenrechte zu achten. Bereits heute gibt es Mechanismen, die ge- währleisten, dass Produkte und Dienstleistungen nicht unter Verletzung der Menschenrechte erbracht werden. Initiativen, wie der von Kofi Annan begründete Global Compact, durch den sich Unternehmen freiwillig ver- pflichten, Menschenrechtsprinzipien in ihrem Engage- ment zu achten, sind von herausragender Bedeutung. Aber auch andere freiwillige Selbstverpflichtungen, Ver- haltenskodizes und Zertifizierungsmaßnahmen haben gezeigt, dass Unternehmen ihre Verantwortung erkannt haben und bereit sind, diese wahrzunehmen. Mittel- bis langfristig werden sich konkrete Außenwirtschaftsinte- ressen besser verwirklichen lassen, wenn Rechtsstaat- lichkeit und Menschenrechte beachtet werden. Angelika Graf (Rosenheim) (SPD): Mehrmals haben wir parteiübergreifend im Deutschen Bundestag be- schlossen, die jeweilige Bundesregierung aufzufordern, sich für die weltweite Ächtung und Abschaffung der To- desstrafe einzusetzen. Das tun wir aus gutem Grund; denn die Todesstrafe verstößt gegen das Recht auf Le- ben, ein elementares Grundrecht jedes Menschen. Der Staat ist verpflichtet, dieses Grundrecht zu sichern. In exakt 58 Ländern gibt es derzeit noch die Todes- strafe. Im Jahr 2007 sind Schätzungen von Amnesty In- ternational zufolge 1 252 Menschen hingerichtet wor- den; im Jahr 2008 waren es 2 390 Menschen, das heißt, weltweit wurden täglich sieben Menschen hingerichtet, davon allein mindestens 1 700 in China. Hinter vorge- haltener Hand spricht man allerdings von jährlich circa 8 000 Hinrichtungen in diesem Land. Sollte sich der Ein- druck des Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregie- rung, Markus Löning, bestätigen, scheint sich in China derzeit etwas zu verändern, nicht nur, was die Delikte, welche zur Todesstrafe führen, betrifft, sondern auch be- züglich der Rechte der Angeklagten, der Abkehr von der Erpressung von Geständnissen durch Folter sowie von der Öffentlichkeit von Hinrichtungen. Doch klar ist: Die Bedingungen der Todesstrafe zu verbessern ist keine Lö- sung; die Todesstrafe gehört abgeschafft. Im Iran ist die Lage weiter dramatisch. Die Todes- strafe droht nicht nur bei Gewaltverbrechen, sondern auch bei politischer Meinungsäußerung. Die Befürch- tungen, dass der Jahrestag der umstrittenen Wiederwahl von Präsident Ahmadinedschad am 12. Juni 2010 von ei- ner Hinrichtungswelle begleitet würde, haben sich leider bestätigt. Nicht vergessen sollten wir die unerträgliche Vielzahl von Todesurteilen nach dem Scharia-Recht: we- gen Homosexualität, Ehebruchs oder Apostasie, also dem Abfall vom wahren Glauben. Entsetzt bin ich nach wie vor über die Situation in den USA, die ebenfalls zu den fünf Staaten gehören, welche weltweit die meisten Hinrichtungen zu verantworten ha- ben. Im vergangenen Jahr waren es 52 Menschen. Zu- dem sitzen mehr als 1 000 Häftlinge in Todestrakten; häufig tun sie das mehrere qualvolle Jahre, manche jahr- zehntelang, und ohne, dass man ihnen mitteilen würde, Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 49. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2010 5167 (A) (C) (D)(B) wann die Todesstrafe vollstreckt wird. Meines Erachtens ist das eine unmenschliche Behandlung, die der Folter gleichgesetzt werden kann. Dass auch Präsident Obama sich öffentlich für die To- desstrafe ausgesprochen hat, zum Beispiel für Terroris- ten und für Kinderschänder, entsetzt mich nicht nur, weil er wissen sollte, dass es auch bei Gerichtsverfahren, die zur Todesstrafe führen, Fehlurteile gibt. Seit 1973 wur- den in den USA 139 zum Tode verurteilte Menschen we- gen erwiesener Unschuld entlassen; für 23 andere Men- schen kam die Einsicht in ihre Unschuld zu spät. Besonders tragisch an der Tatsache, dass die USA in der Spitzengruppe der Todesstrafenverhänger und -an- wender sind, ist insbesondere, dass die USA global für die Entwicklung von Menschenrechten und Demokratie eintreten wollen. Gelten sie in diesem Bereich als Vor- bild, dann haben wir es schwerer, weiterhin für die Ab- schaffung und Ächtung der Todesstrafe einzutreten. Immerhin ist im Kampf gegen die Todesstrafe Bewe- gung. Vor nur 20 Jahren hatten noch zwei Drittel aller Staaten die Todesstrafe. Heute haben sie bereits zwei Drittel aller Staaten abgeschafft. Das macht Mut – hof- fentlich auch allen Nichtregierungsorganisationen, die sich für den Kampf gegen die Todesstrafe einsetzen. Wir reden heute auch über eine andere schwere Men- schenrechtsverletzung, nämlich die Folter. Hierzu haben wir ebenfalls einen SPD-Antrag eingebracht, zum einen um auf den internationalen Tag zur Unterstützung von Folteropfern am 26. Juni aufmerksam zu machen und zum anderen um die wichtige Arbeit der psychosozialen Behandlungszentren für Folteropfer zu würdigen. Ein besonderer Grund ist aber auch, dass nun der 5. Staatenbericht Deutschlands zur Umsetzung der UN- Anti-Folter-Konvention, CAT, vorliegt. Darin wird be- mängelt, dass Deutschland den vorgeschriebenen nationa- len Präventionsmechanismus nicht ausreichend umsetzt. Wie wichtig dieser ist, haben wir in den letzten Tagen gesehen. Zudem kritisieren wir die schrittweise Aushöhlung des nach der Genfer Flüchtlingskonvention gültigen Non-Refoulement-Prinzips (Art. 33). Es verbietet, Flüchtlinge in Länder aus- oder zurückzuweisen, in de- nen ihnen Verfolgung oder Gefahr für Leben und Frei- heit drohen würde. Ich appelliere wie bereits vor einigen Wochen eindringlich an die Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen: Lösen Sie das aktuelle Rücknah- meübereinkommen mit Syrien auf! Lassen Sie mich abschließend noch einen traurigen Punkt ansprechen: Leider ist es – im Gegensatz zu früher – nicht möglich gewesen, einen fraktionsübergreifenden Antrag zur Ablehnung der Todesstrafe vorzulegen, vor allem wegen der Unionspolitiker im Menschenrechts- ausschuss. Sie sollten sich ein Beispiel an den Entwick- lungspolitikern nehmen, die ganz selbstverständlich eine gemeinsame fraktionsübergreifende Erklärung zur Ver- hängung der Todesstrafe wegen homosexueller Hand- lungen in Uganda verabschieden. Im Menschenrechts- ausschuss hatten wir übrigens auch versucht, gemeinsam gegen diese schlimme Menschenrechtsverletzung vorzu- gehen. Das ist leider – wie so vieles – an Ihrem Starrsinn und Ihrer Überheblichkeit gescheitert. Kehren Sie um auf diesem Weg! Die Türe zwischen der ersten und der zweiten Lesung ist noch offen: Sie können sich dem Antrag von SPD und Grünen noch an- schließen. Marina Schuster (FDP): Weltweit werden weiterhin Menschen gehängt, erschossen, vergast, mittels Injektion vergiftet, gesteinigt, geköpft oder auf andere Weise hin- gerichtet. Die Liste der Straftaten, die mit dem Tode geahndet werden können, reicht in den Ländern mit To- desstrafe von Mord, Vergewaltigung, Landesverrat, Ent- führung, Veruntreuung bis zu Dingen wie Abfall vom Glauben, Homosexualität und sogar außerehelichem Se- xualverkehr. Bei Letzterem gilt in manchen Ländern so- gar das vergewaltigte Opfer als Täterin oder Täter, die oder den es hinzurichten gilt. All diese Fälle zeugen von tiefer Menschenverachtung. Aus tiefster Überzeugung, dass die Todesstrafe eine unmenschliche und grausame Strafe ist, treten wir für ihre weltweite Ächtung und Ab- schaffung ein. Die Bundesregierung hat im Kampf gegen die Todes- strafe bereits konkrete Erfolge erzielt. Ich möchte an die- ser Stelle besonders das Engagement von Dirk Niebel herausstellen: Als bekannt wurde, dass in Uganda ein Gesetzentwurf zur Einführung der Todesstrafe auf Ho- mosexualität in das Parlament eingebracht wurde, hat er gegenüber der ugandischen Regierung umgehend deut- lich gemacht, dass eine Verabschiedung des Gesetzes spürbare Folgen für die Entwicklungszusammenarbeit haben werde. Auch der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning, war selbst in Uganda vor Ort und hat das Gespräch mit Menschenrechtsakti- visten und Regierungsvertretern gesucht. In der letzten Sitzung des Menschenrechtsausschusses konnte er be- richten, dass dieses Gesetz aufgrund des internationalen Drucks und infolge der anstehenden Wahlen in Uganda vom Tisch sei. Das ist eine Nachricht, die uns alle erleichtert. Denn wir kämpfen alle hier im Haus für die Abschaffung der Todesstrafe weltweit. Der Fall belegt aber auch, dass der Kampf genauso geboten ist, damit nicht noch mehr Län- der auf die furchtbare Idee kommen, die Todesstrafe für immer mehr oder neue Tatbestände einzuführen. Denn eines ist für uns klar: Wir wollen nicht, dass der Gesetz- entwurf des Abgeordneten Bahati in anderen afrikani- schen Staaten Nachahmung findet. Ich danke allen, die sich deutlich dagegen positioniert haben, und ich freue mich, dass die Opposition das Engagement von Markus Löning in ihrem Antrag ausdrücklich lobt. Die Todesstrafe ist grausam, unmenschlich und mit unserem Wertesystem nicht vereinbar. Sie ist ein anti- quiertes Relikt eines primitiven Verlangens nach Rache. Doch Rache steht einem aufgeklärten Staat nicht zu. Hier darf ich Thomas Dehler zitieren: "Wie der Staat seine Rechtsbrecher behandelt, kennzeichnet seinen Geist.“ Die Todesstrafe gehört abgeschafft. Ob ein Staat die Todesstrafe abschafft oder nicht, das hängt nicht da- von ab, ob dieser arm oder reich ist; die Abschaffung 5168 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 49. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2010 (A) (C) (D)(B) hängt einzig vom politischen Willen der Verantwortli- chen ab. Der Kampf gegen die weltweite Ächtung und Ab- schaffung der Todesstrafe ist ein gemeinsamer Kraftakt. Umso bedauerlicher finde ich es, dass es keinen inter- fraktionellen Antrag dazu geben wird. Der rot-grüne Antrag führt einige Einzelfälle auf. Das Nennen von Einzelfällen bringt aber gerade bei diesem Thema erhebliche Probleme mit sich. Denn es ist nicht an uns, einzelne Verfahren, die zu einem Todesurteil ge- führt haben, zu evaluieren. Unsere Kernaussage muss vielmehr lauten, dass jedes Todesurteil, egal wo, egal wie zustande gekommen und egal gegen wen, falsch ist. Das muss doch das klare Signal sein! Der Antrag von SPD und Grünen bekommt ein Ge- sicht, nämlich jenes der Symbolfigur der Linken. Unser Antrag umfasst aber auch die vielen gesichts- und na- menlosen Hingerichteten weltweit, die keine prominente Stimme haben. Mehrere Tausend Menschen sind nach Schätzungen von Amnesty International allein in China hingerichtet worden. Genaue Zahlen kennt man nicht; sie werden von der chinesischen Staatsführung geheim gehalten. Der Antrag der Linken enthält einen begrifflichen Fehler. Die sogenannten gezielten Tötungen sind nicht mit der Tötung aufgrund einer verhängten Todesstrafe gleichzusetzen. Gleiches gilt für die extralegalen Tötun- gen. Selbstverständlich sind beide Handlungen ethisch- moralisch verwerflich und verstoßen gegen geltendes Recht. Extralegale Tötungen erwähnt die Linke zu meiner großen Verwunderung nur in Kolumbien. Die alleinige Bezugnahme auf Kolumbien wird der globalen Proble- matik nicht gerecht. Erst diese Woche haben wir die Menschenrechtssituation im Nordkaukasus geschildert bekommen. Dass Sie hier nur Kolumbien erwähnen, zeigt, dass Sie auf einem Auge blind sind. Abschließend möchte ich noch kurz auf den Antrag der SPD eingehen. Die SPD hat eine etwas missver- ständliche Formulierung im zweiten Absatz. Da wir ih- ren Antrag aber in den Ausschuss überweisen, werden wir dort die Diskussion dazu mit den Kolleginnen und Kollegen der SPD führen. Für die FDP ist klar: Das Folterverbot gilt umfassend und absolut. Die Koalition fährt hierzu auch einen klaren Kurs. Im Koalitionsvertrag heißt es auf Seite 150 auch ganz klar: In unserem Regierungshandeln treten wir für die weltweite Abschaffung von Todesstrafe, Folter und unmenschlicher Behandlung ein. Auch in dem Antrag „Menschenrechte weltweit schützen“, den die Koalitionsfraktionen im Dezember 2009 eingebracht haben, haben wir bereits klare Aussa- gen dazu getroffen. Annette Groth (DIE LINKE): Wir fordern in unse- rem Antrag die weltweite Abschaffung der Todesstrafe. Die Todesstrafe ist eine durch nichts zu rechtfertigende Form grausamer und unmenschlicher Strafe. Sie ist bei Fehlurteilen nicht korrigierbar und wird oftmals rassis- tisch motiviert verhängt. Darüber hinaus lehnen wir die Todesstrafe ab, weil sie politisch immer wieder dazu missbraucht werden kann und missbraucht wird, um politische Gegner und Oppositionelle auszuschalten. Neben der klassischen, legalisierten Form der Todes- strafe hat die Anzahl der extralegalen Tötungen in den letzten Jahren – auch im Zusammenhang mit dem soge- nannten Krieg gegen den Terror – in besorgniserregen- dem Ausmaß zugenommen. Die extralegalen Tötungen werden entweder durch staatliche Sicherheitsorgane oder durch parastaatliche Gruppen vollsteckt. Extrale- gale Tötungen sind Ausdruck einer menschenverachten- den Willkür und gehen meist Hand in Hand mit der An- wendung von Folter und dem Verschwindenlassen der betreffenden Personen. Obwohl es – übrigens im Gegen- satz zur Todesstrafe, die grundsätzlich völkerrechtlich nicht verboten ist – völkerrechtliche Instrumente gibt, fehlt eindeutig der politische Wille zu deren Anwen- dung. Die UN-Generalversammlung hat 2008 erneut mit einer Resolution, 63/182, ihre Grundsätze hinsichtlich der Verhütung und Untersuchung von außergesetzlichen, willkürlichen und summarischen Hinrichtungen bekräf- tigt und die wichtige Rolle des Sonderberichterstatters hervorgehoben. Jedoch wird dieser Mechanismus nicht genutzt und scheint somit politisch nicht gewollt zu sein. Ich fordere an dieser Stelle die Bundesregierung aus- drücklich auf, das Thema der extralegalen und gezielten Tötungen international auch bei ihren Verbündeten auf die Tagesordnung zu setzen. Zurück zur klassischen Form der Todesstrafe: Aktuell haben 139 Länder die Todesstrafe per Gesetz oder de facto abgeschafft, während 58 Staaten weiterhin an der Todesstrafe festhalten. Weltweit gibt es einen erfreuli- chen Trend zur Abschaffung der Todesstrafe. So haben in den letzten 15 Jahren 54 Staaten die Todesstrafe abge- schafft, davon allein 15 Länder in den letzten drei Jah- ren. Am 18. Dezember 2007 gab es in der Generalver- sammlung der Vereinten Nationen erstmalig die notwen- dige Mehrheit zur Verabschiedung einer Resolution, die zu einem sofortigen weltweiten Hinrichtungsmoratorium als erstem Schritt zur Abschaffung der Todesstrafe auf- ruft. In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass ein Mo- ratorium häufig der erstes Schritt zur tatsächlichen Ab- schaffung der Todesstrafe in vielen Ländern war. Ich fordere die Bundesregierung auf, weitere Länder als Un- terstützer für diese wichtige Resolution zu gewinnen. Trotz dieser positiven Initiative werden weltweit mehrere tausend Menschen jährlich hingerichtet und zum Tode verurteilt. Die Länder, in denen die meisten Exekutionen stattfinden, sind China, der Iran, der Irak, Saudi-Arabien, die USA und der Jemen. Mit den vier letztgenannten Staaten unterhält Deutschland umfangrei- che Programme zur Polizei- und Militärkooperation und liefert Technologie zur Ausrüstung der Sicherheitskräfte. In China werden mit Abstand die meisten Todesurteile weltweit vollstreckt. Da Exekutionen in China als Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 49. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2010 5169 (A) (C) (D)(B) Staatsgeheimnis behandelt werden, gibt es keine ge- nauen Angaben. Nachdem der Oberste Chinesische Ge- richtshof 2008 alle Todesurteile aus dem Jahr 2007 über- prüft hat und 15 Prozent aller Urteile als fehlerhaft eingestuft hat, wurde dieses Jahr ein neues Gesetz einge- führt, das unter anderem durch Folter erzwungene Ge- ständnisse als ungültig für die Urteilsfindung, besonders bei der Verhängung von Todesurteilen erklärt. Experten erwarten dadurch eine deutliche Reduzierung der Todes- urteile. Vor allem möchte und muss ich an dieser Stelle die Vollstreckung von Todesurteilen an zwei besonders vul- nerablen Gruppen, nämlich an Kindern bzw. Minderjäh- rigen und an Personen mit geistiger Behinderung oder psychisch kranken Personen als unmenschliche Praxis verurteilen. Zu den Ländern, die in diesem oder im letz- ten Jahr die Todesstrafe an Minderjährigen vollzogen ha- ben, gehören Afghanistan, China, der Iran und Saudi- Arabien. Die Praxis der Hinrichtung von Kindern und Jugendlichen ist durch die UN-Kinderrechtskonvention international geächtet, die auch von den betreffenden Ländern ratifiziert worden ist. Zu den Ländern, die die Todesstrafe an Personen mit geistiger Behinderung oder an psychisch kranken Personen vollziehen, gehören ne- ben China, dem Iran und Japan auch die USA. Obwohl der Oberste Gerichtshof der USA 2002 die Hinrichtung von Straftätern mit einem gestörten geistigen Entwick- lungsstand für verfassungswidrig erklärt hat, ist dagegen die Vollstreckung der Todesstrafe an geistig kranken Personen in den USA weiterhin erlaubt. Ich fordere von der Bundesregierung, sich gegenüber den betreffenden Ländern deutlich gegen die Vollstreckung von Todesur- teilen an Kindern und Menschen mit geistiger Behinde- rung bzw. psychisch Kranken einzusetzen. Darüber hinaus verfolge ich mit großer Besorgnis die Entwicklung im Iran, wo allein in diesem Monat rund 20 Todesurteile vollstreckt worden sind. Am 9. Mai wur- den in Teheran vier Männer und eine Frau kurdischer Abstammung gehängt. Bereits Anfang des Jahres wurde die Hinrichtung von zwei Männern bekannt, die im Zuge der Unruhen nach den Präsidentschaftswahlen vor einem Jahr in Schauprozessen zum Tode verurteilt worden wa- ren. Gegenwärtig befinden sich mindestens neun weitere Personen, die in ähnlichen Prozessen verurteilt worden sind, im Todestrakt. Als menschenrechtliche Sprecherin meiner Fraktion verurteile ich jede Anwendung der Todesstrafe ebenso wie jede Form von extralegalen Tötungen weltweit und werde weiterhin für deren Abschaffung kämpfen. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Todesstrafe muss weltweit abgeschafft werden. – Das ist keine Floskel und keine Binsenweisheit; die For- derung nach der Abschaffung der Todesstrafe ist eine der, wenn nicht gar die zentrale Forderung der weltwei- ten Menschenrechtspolitik. Es war deshalb in den vergangenen Legislaturperio- den nur folgerichtig und auch der Sache angemessen, dass die Fraktionen der CDU/CSU, SPD, der FDP und von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in dieser allzu wichti- gen Sache gemeinsam Anträge gestellt haben. Hierdurch konnte der Deutsche Bundestag ein starkes Zeichen an all jene Staaten senden, die nach wie vor auf der Todes- strafe beharren. Wir konnten ein starkes Zeichen an jene Menschen senden, die von der Todesstrafe bedroht sind. Und wir konnten ein starkes Zeichen an jene Nichtregie- rungsorganisationen senden, die tagtäglich für die Ab- schaffung und Zurückdrängung der Todesstrafe kämpfen und dafür unsere Unterstützung benötigen. Dieses starke Zeichen bleibt in dieser Wahlperiode unter Schwarz-Gelb aus – unter einer Koalition, die sich christliche Werte und liberale Freiheitsrechte auf ihre Fahnen geschrieben hat. Das ist eine Schande für diese Koalition und blamiert den Deutschen Bundestag. Ein gemeinsamer Antrag konnte nicht zustande kom- men, weil die Abgeordneten der Koalitionsfraktionen, insbesondere die angeblichen Menschenrechtspolitikerin- nen und -politiker der Union, nicht mit den Oppositions- fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zusammenarbeiten wollten. In der Finanzpolitik, der In- nenpolitik, der Wirtschaftspolitik – auf vielen Politikfel- dern – kann, vielleicht sogar: muss die Koalition ihren Weg alleine gehen. In der Menschenrechtspolitik aber ist eine solche Verweigerungshaltung schlicht borniert und zeugt von der mangelnden Souveränität, sich Diskussio- nen und Argumenten zu stellen. Die Arroganz der Macht können in einer Demokratie jene zeigen, die die Mehr- heit haben. In einer Diskussion über die Abschaffung der Todesstrafe kostet sie jedoch möglicherweise Menschen- leben. Diese Verweigerungshaltung hat zwei überaus bittere Facetten: Erstens ist die Sache, um die es hier geht, viel zu wichtig, um sich einer Diskussion einfach zu verschlie- ßen. Die Forderung nach der Abschaffung der Todes- strafe folgt unmittelbar aus der Menschenwürde. Dies kann in zahlreichen Menschenrechtspakten nachgelesen werden; zumindest sei den Koalitionsabgeordneten aber ein Blick in das Grundgesetz empfohlen: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt“, steht dort als allererstes in Art. 1 Abs. 1. Das scheint bei den vermeintlichen Menschenrechtspolitikern von Schwarz-Gelb in Vergessenheit geraten zu sein. Denn was, wenn nicht die Drohung mit dem Tod macht den Menschen mehr zum Objekt staatlichen Handelns und beraubt ihn damit seiner Würde? Für was, wenn nicht die Abschaffung der Todesstrafe lohnt es sich als aufge- klärter Mensch und Menschenrechtspolitiker mehr zu streiten? Zweitens betreibt die Koalition parteipolitische Machtspielchen, zum einen mit den Oppositionsfraktio- nen – was nur ein wenig peinlich, aber nicht weiter schlimm ist –, zum anderen aber auf dem Rücken der von der Todesstrafe bedrohten Menschen. Ich werfe kurz einen Blick zurück: Wir haben gemeinsam an einem An- tragsentwurf gearbeitet, lange und intensiv, haben die Änderungswünsche der Koalition berücksichtigt und eingearbeitet und uns bei Zahlen und Fakten immer wie- der bei Amnesty International rückversichert. In alle 5170 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 49. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2010 (A) (C) (D)(B) Entscheidungsprozesse war die Koalition eingebunden – bis schließlich und plötzlich der Rückzieher kam. Dies war ein Schlag ins Gesicht für alle von der Todesstrafe bedrohten Menschen, für alle NGOs, die gegen die To- desstrafe kämpfen, und für Amnesty International, die kurz zuvor den Bericht zur Todesstrafe veröffentlicht hatte. Freuen dürften sich dagegen all jene, die an der Todesstrafe weiter festhalten, die Regimes in China, dem Iran oder Sudan beispielsweise. Was tun nun wir Men- schenrechtspolitiker, wenn wir in diese Länder reisen und Vertreter der dortigen Regierungen treffen? Ein star- kes und einstimmiges Votum des Bundstages können wir ihnen nicht vorhalten. Nur einen Oppositionsantrag, der von der Mehrheit des Hauses überstimmt wurde, oder ein gespaltenes Votum, wenn der Antrag der Koalition in der nächsten Woche kommt. Als ob wir in dieser Frage unüberbrückbare Differenzen hätten. Eine Schande ist das. Ich kenne ja die Argumente der Koalition. Sie hat sie lapidar vorgetragen, als sie erklärte, bei einem gemeinsa- men Antrag nicht weiter mitarbeiten zu wollen. Erstens sagte die Koalition, sie wolle keine Einzelfall- politik betreiben. Sieben Einzelfälle aus drei verschiede- nen Staaten haben wir exemplarisch aufgeführt. Waren dies sieben zu viel oder 10 000 zu wenig? Keiner konnte es uns erklären. Wer aber wie die Koalitionsfraktionen meint, Menschenrechtspolitik könne man losgelöst von Einzelschicksalen betreiben, der hat das Wesen und den Sinn der Menschenrechte nicht verstanden. Denn Men- schenrechtspolitik hat immer zwei Dimensionen, einer- seits die Strategie der Verrechtlichung und der Durchset- zung der Menschenrechtsabkommen, andererseits den Kampf um Einzelschicksale. Denn wenn Staaten zu gro- ßen rechtlichen und politischen Veränderungen noch nicht willens oder in der Lage sind, bleibt uns nichts an- deres übrig, als uns um die einzelnen Betroffenen zu kümmern. Das mag exemplarisch sein und muss deshalb Stückwerk bleiben. Vielleicht ist es auch nicht ganz ge- recht gegenüber denjenigen Menschen, für die man sich nicht hat einsetzen können, weil ihr Einzelfall nicht be- kannt geworden ist. Doch diesem moralischen Dilemma kann man nicht dadurch begegnen, rein gar nichts zu un- ternehmen. Denn im Einsatz für die Menschenrechte geht es in erster Linie immer um die Menschen, nicht nur um große politische Ziele oder pathetische Reden. Einzelschicksale exponiert herauszuheben wird also nie obsolet werden, andernfalls würden viele Chancen, Menschen zu helfen und Menschenleben zu retten unge- nutzt verstreichen, während wir auf den großen Wurf warten. Wer da behauptet, sie oder er könne einem An- trag zur Abschaffung der Todesstrafe aus dem Grund nicht zustimmen, es gehe darin um Menschen und Indi- viduen, der ist schlichtweg zynisch und an der Sache nicht wirklich interessiert. Zweitens sagt die Koalition, sie fordere die Abschaf- fung der Todesstrafe ja auch, nur halt nicht so explizit. Die Forderung stünde schließlich in dem Antrag von CDU/CSU und FDP mit dem schönen Titel „Menschen- rechte weltweit schützen“. Natürlich steht sie dort drin. Als dritte von siebzehn Forderungen. Diese versteckte Forderung ist ein politisches Nullum, und die Koalition unterstreicht diese Einstellung durch ihr Verhalten in der hiesigen Debatte. Nun hat sie einen Antrag zur Abschaf- fung der Todesstrafe für die nächste Sitzungswoche an- gekündigt, ohne Debatte und Aussprache. Der Bundes- tag zerfällt also in dieser Wahlperiode bei der Forderung nach der Abschaffung der Todesstrafe erstmalig seit lan- ger Zeit in Koalition und Opposition. Das ist blamabel. Denn nur ein klares gemeinsames Signal hätte eine große Wirkung erzielen können. Wem die Zurückdrängung und Abschaffung der To- desstrafe wirklich ein politisches Anliegen ist, der muss aufstehen und sich aktiv dafür engagieren. Selbst unser Antrag ist hierbei nur ein kleiner Beitrag. Aber er ist wertvoll und wichtig, um den Kampf gegen die Todes- strafe zu unterstützen. Wir fordern etwa, China an die Umsetzung seiner Selbstverpflichtung zur Ratifizierung zu erinnern und auf die chinesische Führung einzuwirken, die Verhän- gung und Vollstreckung der Todesstrafe sukzessive ein- zuschränken. Eine Forderung, die es Amnesty Internatio- nal deutlich erleichtern würde, im kommenden Jahr wieder einen Bericht über die Todesstrafe vorlegen zu können, in dem auch valide Zahlen zu China genannt werden können. Durch diesen Bericht wiederum würde sich die weltweite Aufmerksamkeit auf die immense Zahl an Exekutionen in China richten und viele Men- schenleben retten. Auch fordern wir, gegenüber Russ- land auf die Ratifikation des 6. Zusatzprotokolls zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe zu drän- gen. Schließlich ist Russland nach wie vor das einzige Land im Europarat, das sich dem verweigert. Bundes- außenminister Westerwelle propagiert momentan, mit seinem russischen Amtskollegen Lawrow über eine Mo- dernisierungspartnerschaft zu verhandeln. Warum sollte er diese Forderung also im Rahmen dessen nicht erhe- ben? Warum soll der Bundestag in vorauseilendem Ge- horsam darauf verzichten, ihn hierzu zumindest aufzu- fordern? Der Iran richtet Minderjährige hin und bricht dadurch seine eigenen völkerrechtlichen Verpflichtun- gen. Die Bundesregierung muss gegenüber Iran darauf drängen, dass dies beendet wird. Und auch auf die USA sollte die Bundesregierung einwirken, damit die Todes- strafe in allen Bundesstaaten abgeschafft und die zum Tode verurteilten Menschen begnadigt werden. – Viele kleine Schritte sind dies, zugegeben. Aber es wären enorm wichtige. Es geht hier um einen langen Atem. Es geht um kon- sistente und kohärente Politik. Es geht um den Wesens- kern unseres Grundgesetzes und aller Menschenrechts- pakte. Ich bitte Sie daher herzlich und nachdrücklich, dem Antrag von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zuzustimmen. Alles andere wäre fatal. Anlage 12 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Sechsten Ge- setzes zur Änderung des Weingesetzes (Tages- ordnungspunkt 20) Norbert Schindler (CDU/CSU): Wir beraten heute eine Änderung des Weingesetzes. Mit dieser Änderung Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 49. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2010 5171 (A) (C) (D)(B) soll wieder mehr Gerechtigkeit für alle weinerzeugenden Betriebe geschaffen werden. Wir wollen bislang beste- hende Möglichkeiten einer Umgehung der qualitäts- orientierten Mengenbegrenzung im Weinbau ab der Ernte 2010 verhindern. Ich sehe darin das Schließen ei- ner Lücke, die es bislang ermöglicht hat, mehr Wein auf den Markt zu bringen, als die bestehende Hektarhöchst- ertragsregelung zulässt. Mit der Novellierung des Weingesetzes wird die von unterschiedlichsten Verbänden und Interessengruppen der Weinwirtschaft in der Vergangenheit mehrfach vor- getragene Forderung erfüllt, wonach der gesetzlich vor- geschriebene Hektarertrag nicht nur von den Erzeugern, sondern auch von allen nachfolgenden Handelsstufen einzuhalten ist. Wenn Umrechnungsfaktoren von Trauben in Kilo- gramm zu Wein in Liter oder von Most in Liter zu Wein in Liter verwendet werden, müssen diese realistisch defi- niert und von allen eingehalten werden. Jeder Winzer muss sich an die gesetzliche Vorgabe halten, pro Hektar Rebfläche nicht mehr als die erlaubte Menge an Wein in Litern zu erzeugen. Werden geerntete Trauben zur Wei- terverarbeitung etwa an eine Kellerei verkauft, wird de- ren Gewicht in Liter umgerechnet, um die Übereinstim- mung mit der Höchstertragsregel festzustellen. Dies geschieht der Einfachheit halber nach dem generellen Schlüssel: 100 Kilogramm Trauben = 75 Liter Wein. Im Gegensatz zu diesem theoretischen Umrechnungs- faktor 0,75 konnten bisher aber in der Praxis auch deut- lich darüber liegende Mengen als Qualitätswein ver- marktet werden. Die Hektarertragsregelung muss heute daher im Weingesetz so verankert werden, dass eine Umgehung künftig ausgeschlossen ist. Der Verkauf von Trauben hat sich in den letzten fünf Jahren fast verdoppelt und belief sich in der Ernte 2009 bereits auf 10 Prozent der rheinland-pfälzischen Ge- samterntemenge von 6,1 Millionen Hektoliter. Die mehr- jährige Statistik des Genossenschaftsverbandes zu den Auskelterungsergebnissen der größten Winzergenossen- schaften in Rheinland-Pfalz belegt, dass der geltende Umrechnungsfaktor 0,75 in diesen Betrieben nach wie vor dem tatsächlichen Ergebnis entspricht. Eine Erhöhung auf einen durch intensive Auspres- sung erzielbaren Wert von 0,80 oder mehr widerspricht unserem konsequenten Qualitätsstreben. Deshalb bleibt es heute beim für alle Rebsorten gültigen Umrechnungs- faktor 0,75 von Trauben zu Wein. Die Abgabe von Most durch Erzeuger an nachfol- gende Handelsstufen lag in den letzten Jahren bei etwa 18 Prozent der Gesamterntemenge. Aufgrund der durch Einsatz schonender Ernte- und Verarbeitungstechnik nur noch niedrigen Trubanteile im Most wollen wir die Än- derung des Umrechnungsfaktors 0,95 von Most – in Li- ter – zu Wein – in Liter – auf 0,97 im jetzigen Gesetzge- bungsverfahren festlegen. Als Auswirkung der Änderung des Mostfaktors er- warte ich, dass vor allem die aufkaufenden Kellereien bei der Weinbereitung aus Most nicht in die missliche Lage kommen, erzeugte Mehrmengen in die Destillation abführen zu müssen. Weiterhin wird erst der aufnehmen- den Hand eine Abstufung in niedrigere Qualitätsstufen analog zum Winzerbetrieb ermöglicht, damit Gerechtig- keit für alle Wettbewerber auf gleichem Niveau herge- stellt ist. Ich denke, dass die oben angegebenen Maßnahmen ein richtiger und wichtiger Schritt zur Wiederherstellung der Chancengleichheit im Weinbau sind. Ich möchte mich ausdrücklich für die gute Zusammenarbeit mit der SPD-Fraktion und auch der Landesregierung in Mainz bedanken, aber auch bei der Bundesministerin Ilse Aigner, MdB, und der Parlamentarischen Staatssekretä- rin Julia Klöckner, MdB, für ihre konstruktive Hilfe bei der Überarbeitung dieses fraktionsübergreifenden An- trags, der jetzt beschlossen werden soll. Ich bedanke mich auch bei den Bundesländern, die für eine abschlie- ßende Beratung im Bundesrat ihre Zustimmung signali- siert haben und so den Wünschen des Landes Rheinland- Pfalz und der Weinwirtschaft entsprechen. Sie alle haben eingesehen, dass Qualität unser bestes Verkaufsargument ist. Dieses Gesetz dient der Qualitätssicherung, wenn nicht sogar der Qualitätsverbesserung. Damit sind wir auch auf gutem Weg, wenn es bei der Umsetzung der Weinmarktreform der Europäischen Union darum geht, unseren deutschen Wein entsprechend positiv herauszu- stellen. Hierzu erwarte ich auch konstruktive Vorschläge der Weinbau- und Kellereiverbände. Ich freue mich, gleich im Anschluss auf dem Sommerfest meines Hei- matlandes ein Glas hochwertigen Weins zu genießen und danke allen, die daran beteiligt waren, dieses Qualitäts- niveau zu bewahren. Gustav Herzog (SPD): Wir beraten heute in zweiter und dritter Lesung das sechste Gesetz zur Änderung des Weingesetzes. Seit der ersten Lesung am 21. Mai hat sich nicht wirklich viel getan, doch auch heute hat sich das Struck’sche Gesetz wieder einmal bewahrheitet: Kein Gesetz kommt ins Parlament und verlässt es unver- ändert. Bereits vor der ersten Lesung haben wir uns so eng sowohl mit der Weinwirtschaft als auch mit den Landes- regierungen der Weinbau betreibenden Länder abge- stimmt, dass wir das Gesetz überfraktionell einbringen konnten. Wir waren uns alle einig, die notwendigen und längst überfälligen Änderungen in der Hektarertragsre- gelung schnell und unkompliziert in Kraft zu setzen, da- mit sie pünktlich zur Lese 2010 rechtskräftig werden. Besonders hilfreich war hier die gute Zusammenar- beit mit dem Ministerium in Mainz und die Beratungen mit der Weinwirtschaft. Die Ergebnisse mündeten dann auch im Änderungsantrag der Koalition, dem wir nach einer kurzen aber fruchtbaren Ausschusssitzung zustim- men konnten. Alles in allem ein schnelles und konstruk- tives Gesetzesverfahren, gut vorbereitet, klar in der Sa- che und schnell durchgesetzt. Das hätte die Koalition alleine sicher nicht so reibungslos hinbekommen, auch wenn sie im Nachhinein so tut, als hätte sie es alleine ge- tan. Ich muss schon sagen, dass das, was ich am 9. Juni in der Presse vom Kollegen Bleser gelesen habe, schon 5172 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 49. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2010 (A) (C) (D)(B) recht peinlich war. Ich zitiere: „Die christlich-liberale Koalition hat heute eine dringend notwendige Korrektur des Weingesetzes vorgenommen und damit auf Fehlent- wicklungen der vergangenen Jahre reagiert.“ Hier wurden so oft das Koalitionshandeln und die Wichtigkeit des Vorhabens beschworen, dass es schon verdächtig ist. Herr Bleser, nur um es gerade zu rücken: Dieses Gesetz haben wir überfraktionell eingebracht und beschlossen. Ohne Ihre ganz persönliche Blockade hät- ten wir es schon 2009 erledigt, und auch in diesem Ver- fahren haben Sie sich sicher nicht als Öl im Getriebe her- vorgetan. Die Lorbeeren Ihrer Fraktion darf sich Ihr Kollege Schindler abholen, der eine gute und konstruk- tive Zusammenarbeit im Interesse der deutschen Wein- wirtschaft geleistet hat. Alexander Süßmair (DIE LINKE): Vor wenigen Wochen, im Mai, haben wir eine Gesetzesänderung be- raten, die sowohl Erzeugern wie Verbrauchern nutzen sollte und die eigentlich auch alle wollten. Die Hektar- ertragsregelungen sollten nicht nur für Winzer, sondern für alle Wein verarbeitenden Betriebe gelten. Unsere Fraktion wurde an der Erarbeitung der Geset- zesnovelle aufgrund des immer noch geltenden Unver- einbarkeitsbeschlusses der CDU/CSU nicht beteiligt. Dieses parlamentarisch unwürdige und undemokratische Verhalten kennen wir bereits. Inhaltlich allerdings trennt uns in der Weingesetzfrage nur wenig von den Fraktio- nen, die auf dem Antrag stehen; wir sind uns eigentlich einig: Deutscher Wein soll nicht durch Menge, er soll durch Qualität punkten. Um dies zu ermöglichen – ich hatte bereits in der ersten Lesung darauf hingewiesen – will die Linke regionale Wertschöpfungsketten fördern und ökologisch unsinnige Transporte teurer machen. Denn es ist nicht einzusehen, warum Wein, der mehrere 10 000 Kilometer entfernt industriell von prekär Be- schäftigten hergestellt wurde, nur ein Drittel des hier bei uns sozial und ökologisch nachhaltig produzierten Weins kostet. Hier müssen wir ansetzen, um unsere europäi- sche, unsere deutsche Weinwirtschaft zu stärken. Damit wäre eigentlich alles gesagt. Aber plötzlich kommt die CDU/CSU mit einem Än- derungsantrag zur Novelle heraus, die sie selbst mit ein- gebracht und verfasst hatte. Der Umrechnungsfaktor von Most zu Wein soll von 95 auf 97 erhöht werden. Sind wir denn in Auerbachs Keller? Genau so, wie Mephisto in Goethes Faust dort jedem den gewünschten Wein aus dem Tisch herauszaubert, scheint es, dass Sie es allen recht machen wollen; denn was bedeutet denn Ihre Än- derung faktisch? Durch die Anhebung des Umrech- nungsfaktors für Most zu Wein von 95 auf 97 kann nun mehr Wein aus dem Most hergestellt werden als bisher. Damit machen Sie die ursprüngliche Änderung, nämlich die Hektarertragsregelung auch auf Betriebe anzuwen- den, welche selbst keine Weintrauben produzieren, wie- der zunichte. In der Novelle sollte nun erst die Weinqualität gesi- chert werden, damit deutscher Wein eben durch Qualität punkten kann. Vor wem aber knicken Sie hier nun wie- der ein? Reicht es aus, wenn ein paar Lobbyisten oder Unternehmen sich beklagen, damit Sie eine Änderung, die vielen nutzen würde, auch dem Verbraucher, wieder zurücknehmen? Bei Ihnen verwandelt sich der Wein in Wasser; denn sie wollen einfach den Umrechnungsfaktor von Most zu Wein anheben. Wie ich schon bei der ersten Lesung befürchtete, geht es hier um Flickschusterei. Da- bei haben wir davon im Weinrecht wirklich schon genug. Was wir brauchen, ist keine Zahlenklauberei, sondern ein mit Weitblick verfasstes neues Weinrecht innerhalb der Gemeinsamen Marktordnung. Darüber hinaus scha- den Sie mit Ihrem legislativen „Gepansche“ der Qualität und dem Ruf des deutschen Weins. Ihr Zickzackkurs mag gut sein für den Wahlkampf in Rheinland-Pfalz, er mag einigen Winzern und Kellereien Hoffnung machen. Das, was die Gesetzesnovelle aber bewirken sollte, nämlich Verlässlichkeit und Sicherheit für Erzeuger und Verbraucher, das konterkarieren Sie mit Ihrem Hin und Her. Die Linke kann und will sich dem nicht anschließen. Die Linke tritt aber genau so, wie es im ursprünglichen Antrag vorgesehen war, für die Verbindlichkeit der Hektarertragsregelungen ein. Wir werden deshalb den Änderungsantrag ablehnen und uns bei der Abstimmung über die Novelle enthalten. Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Be- reits in unserer Stellungnahme zur ersten Lesung hatten wir den Ansatz einer sinnvollen Mengenregulierung bei den Weinerträgen begrüßt und deshalb aktiv die inter- fraktionelle Initiative zur Änderung des Weingesetzes in den relevanten Punkten mitgetragen. Es ist äußerst be- dauerlich, dass die Regierungsfraktionen und hier spe- ziell die Union durch einen formalen wie inhaltlichen Zickzackkurs diese seltene interfraktionelle Geschlos- senheit jetzt aufbricht, so dass uns eine Zustimmung lei- der nicht mehr möglich ist. Der deutsche Weinbau hätte eine fraktionsübergreifende Unterstützung verdient, aber wie sollen wir dem Aufruf der Regierungsfraktionen zur Zustimmung entgegenkommen, wenn diese offenbar selbst nicht so genau wissen, was Sie eigentlich wollen?! Der quasi in letzter Minute eingebrachte Änderungs- antrag der Unionsfraktion im AfELV ist ein Signal an die Branche, dass in Sachen Umrechnungsfaktoren und damit der tatsächlichen Mengenbegrenzung noch nicht das letzte Wort gesprochen ist. Statt ein klares Bekennt- nis zur Qualitätsausrichtung – und damit zu einer geziel- ten Mengenregulierung – abzugeben, ermuntern die Re- gierungsfraktionen damit die Profiteure der Mehrungen, an ihrer Strategie der Ausreizung aller Möglichkeiten zur Volumensteigerung festzuhalten. Abschließend noch eine kurze Bemerkung zu einem aktuellen Thema, dass vielen Winzern auf der Seele liegt: in vielen Regionen gibt es zurzeit Unmut über die laufende Registrierung von Flächen im neuen Erosions- kataster. Wir finden es bedauerlich, wenn die an sich sehr sinnvolle Erfassung potenziell erosionsgefährdeter Flächen und deren Einstufung in verschiedene Risiko- kategorien durch handwerkliche Fehler in der Umset- zung auf Landesebene als bürokratische Eingriffe wahr- genommen werden. Auch wenn es für die Betriebe kein Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 49. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2010 5173 (A) (C) (D)(B) Trost sein dürfte: zu den jetzigen Problemen hat maß- geblich auch die Verzögerungstaktik von Union und DBV beigetragen. Jahrelang hat man sich auf die Ver- schleppung und Verdrängung der Thematik konzentriert. Diese Zeit hätte man besser nutzen können und müssen, um die Betriebe und Behörden auf das Erosionskataster vorzubereiten. Wir fordern die Bundesregierung und die Landesregierungen deshalb auf, jetzt schleunigst die Be- triebe bei der konkreten Umsetzung der neuen Vorgaben zu unterstützen und sie nicht in einem bürokratischen Chaos allein zu lassen! Anlage 13 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts zu den Anträgen: – Hochwasserschutz europäisch und ökolo- gisch nachhaltig umsetzen – Für ein inte- griertes Hochwasserschutzkonzept – Naturnahen Wasserhaushalt durch Schutz und Renaturierung von Nass- und Feuchtge- bieten fördern – Hochwassergefahren min- dern, Klima schützen – Auenschutzprogramm vorlegen (Tagesordnungspunkt 21) Ingbert Liebing (CDU/CSU): In den vergangenen Wochen kam niemand umhin, über die Fernseher den abermaligen rasanten Anstieg der Pegel am deutschen Lauf der Oder verfolgen zu müssen. Die Bilder des Jahr- hunderthochwassers an der Oder im Jahr 1997 sind nach wie vor in unseren Köpfen präsent. Doch obwohl sich auch in diesem Jahr wieder eine außergewöhnliche Flut- welle ankündigte, unterschied sich die diesjährige Situa- tion doch grundlegend von der vor 13 Jahren: Das Gros der Deiche ist seit 1997 fast durchweg von Grund auf sa- niert worden, und die Schäden der diesjährigen Flut fie- len erheblich geringer aus als noch 1997. Die daraus resultierende grundlegende Verbesserung der Hochwassersituation in Deutschland ist Ergebnis entschiedenen Handelns aller politisch Verantwortli- chen: Die Hochwasserproblematik wurde erkannt, es wurden zeitnah die richtigen Maßnahmen ergriffen, und der Hochwasserschutz befindet sich in Deutschland heute auf dem richtigen Weg. Diese Ansicht äußerte im Übrigen auch der ehemalige Bundesumweltminister Sigmar Gabriel in einer Pressemitteilung vom 26. April 2007 anlässlich der Verabschiedung der europäischen Hochwasserschutzrichtlinie. Aus diesem Grund über- rascht die Kritik, die die SPD in ihrem der heutigen De- batte zugrunde liegenden Antrag „Hochwasserschutz eu- ropäisch und ökologisch nachhaltig umsetzen“ übt. Bis vor einem guten halben Jahr war doch ein SPD-Umwelt- minister für den Hochwasserschutz verantwortlich! Dabei will ich den Kollegen von der SPD grundsätz- lich durchaus zustimmen, belegt durch das von mir ein- gangs bereits skizzierte Beispiel: Hochwasserschutz ist und bleibt wichtig! An dieser Stelle möchte ich auf zwei Anträge zurück- kommen, mit denen wir uns in der vergangenen Sit- zungswoche im Plenum beschäftigt haben: zum einen auf einen Antrag von der SPD zum Wasserhaushalt in Feuchtgebieten, Drucksache 17/1748, zum anderen auf einen Antrag von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Vorlage eines Auenschutzprogramms, Drucksache 17/1760. Da diese drei Vorlagen durchaus grundsätzlich wich- tige Anliegen aufgreifen und auch der Koalitionsvertrag der christlich-liberalen Bundesregierung die Reaktivie- rung natürlicher Auen für den Natur- und Hochwasser- schutz sowie die Renaturierung von Flusstälern, wo im- mer möglich, beabsichtigt, möchte ich zusammen mit meinem Kollegen Josef Göppel anbieten, dass wir hier zu einem gemeinsamen Beschluss kommen und diesen Themenkomplex erneut behandeln. Bis dahin widerspreche ich allerdings entschieden dem Eindruck, den der vorliegende SPD-Antrag vermit- telt, Hochwasserschäden würden immer dramatischer und die Bundesregierung arbeite diesen nicht entschie- den und aktiv genug entgegen. Einige ausgewählte Bei- spiele belegen das Engagement der Bundesregierung: Umsetzung der EU-Hochwasserrisikorichtlinie durch das neue Wasserhaushaltsgesetz, wobei der Kernbe- standteil ein integrierter Ansatz im Bereich der Hoch- wasserrisikovorsorge ist; Förderung von Maßnahmen zur Verbesserung des Wasserrückhalts in der Landschaft und Rückbau von Deichen zur Wiedergewinnung von Überschwemmungsgebieten im Rahmen der Gemein- schaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“; Weiterentwicklung der deutschen An- passungsstrategie an den Klimawandel, die im Dezem- ber 2009 verabschiedet wurde und an deren Weiterent- wicklung die Bundesressorts derzeit mit der Zielsetzung arbeiten, im Frühjahr 2011 einen mit den Bundesländern abgestimmten Aktionsplan vorzulegen. Neben dem falschen Eindruck, den der vorliegende Antrag bezüglich des Hochwassermanagements der Bundesregierung erweckt, gibt es einen weiteren we- sentlichen Grund, warum wir diesen ablehnen: Er ver- kennt in wesentlichen Punkten die kompetenzrechtlichen Rahmenbedingungen, aufgrund derer die Zuständigkeit für Planung und Umsetzung der Maßnahmen des vorsor- genden Hochwasserschutzes bei den Bundesländern lie- gen. Beispielsweise ist ein eigenes Auenschutzpro- gramm der Bundesregierung verfassungsrechtlich nicht möglich. Abschließend möchte ich festhalten: Deutschland be- findet sich beim Hochwasserschutz auf dem richtigen Weg; das letzte Oder-Hochwasser hat dies eindrücklich belegt. Es wurde bereits viel Gutes auf den Weg ge- bracht; wir nehmen die Thematik dennoch weiterhin ernst. Aus diesem Grund sind auch wir an einer noch besseren Verknüpfung der Bereiche naturnaher Wasser- haushalt, Renaturierung von Feuchtgebieten und Schutz der Auen interessiert; denn davon würde wiederum auch 5174 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 49. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2010 (A) (C) (D)(B) der Hochwasserschutz profitieren. Das Angebot an die Oppositionsfraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen zu gemeinsamen Gesprächen ist hiermit gemacht. Josef Göppel (CDU/CSU): Wir haben die Bilder der Hochwasser an Weichsel und Oder der letzten Wochen und Monate vor Augen. Die Zahl der Todesopfer in un- serem Nachbarland Polen ist indes auf 15 angestiegen. Tausende Häuser und Straßen stehen unter Wasser. Für Polen sind es die schlimmsten Überschwemmungen seit über 100 Jahren. Polens Regierungschef Donald Tusk beziffert die Schäden auf 2,5 Milliarden Euro. In Deutschland nehmen die Hochwasserschäden nicht zu. Nach der Flutkatastrophe von 1997 und den Hoch- wassern an Elbe und Oder 2002 wurden alte Dämme und Deiche saniert und neue gebaut. In Deutschland ist viel für den Hochwasserschutz getan worden. Alle Regierun- gen der vergangenen Jahre, gleich welcher politischen Konstellation, haben zu dieser Verbesserung beigetra- gen. Die jetzige Koalition steht ebenfalls für einen konse- quenten Hochwasserschutz. Ich darf hierzu aus dem Ko- alitionsvertrag zitieren: Frei fließende Flüsse haben einen hohen ökologi- schen Wert. … Für den Natur- und Hochwasser- schutz sollen natürliche Auen reaktiviert und Fluss- täler, wo immer möglich, renaturiert werden. Vor dem Hintergrund des Klimawandels und der sich ergebenden Folgen für den Wasserhaushalt wird sowohl der Hochwasserschutz als auch der Schutz der Ressource Trinkwasser immer bedeutender. Hochwasserschutz meint dabei nicht nur technischen Schutz und Verbauun- gen. Der effektivste Hochwasserschutz ist unbestritten der Schutz der natürlichen Flusslandschaften und der Flussauen mit allen positiven Nebeneffekten für den Grundwasser- und Naturschutz. Wir müssen den Flüssen wieder mehr Raum geben, damit Flüsse ihrer natürlichen Dynamik folgen können und Rückhalteflächen geschaf- fen werden. Deshalb bin ich aktives Mitglied der parla- mentarischen Arbeitsgruppe „Frei fließende Flüsse“. Die am 7. November 2007 verabschiedete Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt umfasst auch den Au- enschutz. Das Bundesumweltministerium hat den Auen- zustandsbericht im Oktober 2009 vorgelegt. Es ist ver- einbart, dass im Rahmen der Umsetzung der Nationalen Strategie ein Bundesprogramm „Biologische Vielfalt“ erarbeitet werden soll. Das Bundesumweltministerium arbeitet an der Vorbereitung dieses Bundesprogramms. Es sieht einen Förderschwerpunkt beim Schutz der Flussauen vor. Ein nur auf die Kompetenzen des Bundes bezogenes Auenschutzprogramm ist nicht sinnvoll, weil die Kom- petenzen nicht alleine beim Bund liegen, sondern sich auf Bund, Länder und Gemeinden verteilen. Dennoch greifen die Anträge wichtige Anliegen auf. Dazu gehö- ren die Reinhaltung des Grundwassers, die Sicherung der Trinkwasservorräte und die Sicherung der Artenviel- falt. Es ist allgemein bekannt, dass gerade in den Feucht- gebieten, Flussauen und Mooren die Artenvielfalt am meisten bedroht ist. Die Forderung, den Erhalt und die Renaturierung von Feuchtgebieten bei der Neuregelung der Gemeinsamen Agrarpolitik einzubeziehen, ist sinnvoll. Ich persönlich unterstütze die Forderung nach der Schaffung einer Ge- nehmigungspflicht für den Umbruch von Grünland und ein Umbruchverbot auf feuchten und anmoorigen Stand- orten. Genauso sinnvoll ist die bekannte Forderung, die Ausweisung von Bauland in der Aue zu unterlassen. Bauland in der Aue provoziert Hochwasserschäden und erzwingt teure technische Schutzmaßnahmen, die sich volkswirtschaftlich nicht rechnen. Wir benötigen durchaus bundesweite Lösungsansätze. Ein Hochwasser macht nicht an einer Landesgrenze halt. Die Themen, die wir auf Bundesebene anpacken können, sollten wir gemeinsam in Angriff nehmen und zielorien- tiert diskutieren. Ökologischer Hochwasserschutz und Auenschutz gehen dabei Hand in Hand. Ich möchte deshalb mein Angebot für einen gemein- samen Antrag zum Schutz des Wasserhaushaltes und der Feuchtgebiete erneuern. Oliver Kaczmarek (SPD): Wir reden nicht häufig über Wasser in Deutschland. Hohe Standards in der Was- serwirtschaft, der Trinkwasserversorgung und der Ab- wasserbeseitigung gehören zum Alltag. Der damit ver- bundene Aufwand wird zu häufig nicht gesehen. Gesprochen wird über Wasser meist im Zusammenhang mit Bedrohungen oder manchmal auch Katastrophen. Diese Ereignisse stellen uns immer wieder vor die He- rausforderung, neu über den Gewässerschutz und den Schutz vor Hochwassern zu debattieren. Vor allem vor dem Hintergrund des Klimawandels spielt der ökologische Gewässerschutz eine immer wich- tigere Rolle. Naturnahe Gewässer sind der beste Schutz vor Hochwasser und somit auch ein Schutz des Men- schen. Die jüngsten Hochwasser an Weichsel und Oder mit ihren Nebenflüssen haben deutlich gemacht, welche He- rausforderungen infolge klimatisch bedingter Extrem- wetterereignisse zukünftig zu erwarten sind: Hochwas- ser folgen nicht nur in immer kürzeren Abständen; auch die Sachschäden für die Bürgerinnen und Bürger werden von Mal zu Mal schwerwiegender. Der Klimawandel verschärft durch zunehmenden Starkregen die Probleme. In der Folge werden in Deutschland die Niederschläge im Winter zu-, im Sommer jedoch abnehmen. Als mögliche Auswirkungen auf den Wasserhaushalt ist von einer steigenden Hoch- wasserwahrscheinlichkeit im Winter und im Frühjahr – unter anderem durch die geringere Niederschlagsspei- cherung als Schnee – auszugehen. Wir müssen jetzt konsequent handeln, um auf diese Herausforderung zu reagieren: Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 49. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2010 5175 (A) (C) (D)(B) Erstens. Nachhaltiger Hochwasserschutz ist ökologi- scher Hochwasserschutz. Naturnahe Wasserspeicher leisten den nachhaltigsten Beitrag zum effektiven Schutz vor Hochwassern in den Siedlungsgebieten. Zweitens. Wir müssen uns stärker als bisher bewusst machen, dass Programme und Maßnahmen nicht singu- lär zu betrachten sind. Die Formel ist: Naturschutz ist Klimaschutz und Klimaschutz ist Hochwasserschutz. Deswegen ist Hochwasserschutz auch untrennbarer Teil der Strategie zur Bewältigung des Klimawandels. Drittens. Europäisch denken heißt: Wir müssen mitei- nander über ökologischen Hochwasserschutz einen Kon- sens finden. Das haben uns die Ereignisse an der Weich- sel noch einmal deutlich vor Augen geführt. Der Wasserhaushalt hat sich in der gesamten Land- schaft drastisch verändert. In den letzten 100 Jahren wurden Flüsse und Bäche begradigt, Auen ausgedeicht und landwirtschaftlich genutzt oder bebaut, Moore und Feuchtgebiete entwässert, Böden verdichtet und versie- gelt und Wälder zu nicht standortgerechten artenarmen Forsten umgebaut. Wer allerdings verheerende Hochwasser nachhaltig vermeiden möchte, der kommt nicht umhin, den Flüssen ihren Raum zurückzugeben. Die Fehler der Vergangen- heit wie Kanalisierung und Begradigung der Flüsse, Wiesenumbruch in den Talauen und Bodenverdichtung werden mittlerweile gebietsweise rückgängig gemacht. Aber bis heute setzen sich die Flächenversiegelung und der Zugriff auf Überschwemmungs- und Flusseinzugs- gebiete für neue Straßen, Bau- und Gewerbegebiete fort. Natürliche Wasserspeicher wie Auen und Moore sind gegenwärtig zu einem Großteil zerstört. Sie schützen aber wirksamer vor Hochwasser als technische Lösun- gen wie Stahlmauern oder immer höhere Deiche. Hinzu kommt, dass Auen und Moore natürliche CO2-Senken sind und damit einen wichtigen Beitrag zum Kampf ge- gen den Klimawandel leisten. Außerdem findet sich in keinem anderen Ökosystem eine so eindrucksvolle Viel- falt an Tier- und Pflanzenarten wie in naturnahen Flüs- sen und Flussauen. Über 12 000 Arten kommen hier vor, darunter viele ausgesprochene Seltenheiten wie Biber, Pirol oder der Schwarzstorch. In einem landwirtschaftlich und industriell genutzten Raum sind immer wieder Kompromisse zwischen ökolo- gischer und ökonomischer Nutzung notwendig. Seit der Industrialisierung bis heute hat die einseitige Fokussie- rung jedoch nicht nur zu einem Verlust der Artenvielfalt und Biodiversität geführt, sondern auch zu einer Ver- schärfung der Hochwassergefahr. Umso wichtiger ist es, Industrie, Landwirtschaft und Binnenschifffahrt in die Planung von wirkungsvollen Hochwasserschutzmaßnah- men mit einzubeziehen. Hochwasserschutz darf nicht auf den Deichbau ver- engt werden. Auch beim letzten Hochwasser an der Oder vor einigen Wochen haben Behördenvertreter und Politi- ker fast ausnahmslos darüber geredet, ob die Deiche halten oder nicht. Kaum jemand spricht über die Not- wendigkeit, im Einzugsbereich der Flüsse den ursprüng- lichen natürlichen Zustand wiederherzustellen und mehr Überschwemmungsflächen zu schaffen. Hier wird auch ein offensichtlicher Mangel der Bundesregierung deut- lich: Mit dem Hinweis auf Länderzuständigkeiten zieht man sich aus der Verantwortung. Dabei wäre es richtig, wenn die Bundesregierung ein Bündnis für den Hoch- wasserschutz und für den Schutz des naturnahen Wasser- haushalts anführen würde, und zwar sowohl auf Bundes- wie auch auf europäischer Ebene. Denn es ist banal: Flüsse machen an keiner Landes- grenze halt. Dennoch muss darauf hingewiesen werden, weil heute kaum ein gemeinsames Verständnis über den ökologischen Hochwasserschutz in den Regierungen Eu- ropas herrscht. Deshalb ist es unabdingbar, nachhaltigen Hochwasserschutz stärker auf der europäischen Ebene zu verankern und zu kontrollieren. Wir müssen gemein- sam dafür werben, nachhaltigem Hochwasserschutz durch natürliche Wasserspeicher den Vorrang vor kurz- fristigen Maßnahmen, wie der Errichtung von Rückhal- tebecken oder Stahlmauern, zu geben. In der Debatte im Umweltausschuss habe ich dazu parteiübergreifend viel Zustimmung gesehen. Daher bin ich hoffnungsfroh, dass wir das Thema nun nicht einfach wieder beiseitelegen und beim nächsten Hochwasser erneut aufrufen, sondern es kontinuierlich bearbeiten und am Ende über Wasser in Deutschland tatsächlich nicht nur reden, wenn es uns be- droht. Horst Meierhofer (FDP): Wir werden die Qualität der Gewässer weiter ver- bessern. Hierzu werden wir die Anforderungen der Wasserrahmenrichtlinie an die Gewässergüte ge- meinsam mit unseren Nachbarn zügig umsetzen, Schadstoffeinträge weiter vermindern und den Ge- wässern mehr Raum geben. Die Förderung von Agrar-Umweltmaßnahmen ist stärker auf die Ver- ringerung der Einträge von Nährstoffen und Pflan- zenschutzmitteln in Gewässer auszurichten. Soweit das Zitat auf Seite 25 des Koalitionsvertrages. Inhaltlich begrüße ich die Vorschläge der SPD und der Grünen. Allerdings zeigt das Zitat auf, dass die An- träge keine Fortentwicklung unserer Pläne bringen. Ich möchte anhand einzelner Bereiche hervorheben, welche Bemühungen bisher getroffen wurden, und aufzeigen, dass wir hier keineswegs untätig bleiben. Hinsichtlich der Grundwasserqualität werden wir uns bald mit der neuen Grundwasserverordnung auf einem Schutzniveau bewegen, das höher ist als jemals zuvor. Die europäischen Vorgaben der Wasserrahmenrichtlinie werden mehr als nur eingehalten. Mit der FDP-Fraktion wird es keine Verringerung des Grundwasserschutzstan- dards geben. Zweiter Bereich: Oberflächengewässer. Selbstver- ständlich ist es richtig, wenn im Antrag der Grünen der Auenschutz als eines der zentralen Themen für eine an- gemessene Hochwasservorsorge hervorgehoben wird. Der Auenschutz liegt uns ohnehin besonders am Herzen. „Für den Natur- und Hochwasserschutz sollen natürliche Auen reaktiviert und Flusstäler, wo immer möglich, re- 5176 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 49. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2010 (A) (C) (D)(B) naturiert werden.“ Auch dies ist ein wörtliches Zitat aus dem Koalitonsvertrag. Unser gemeinsames Ziel muss es sein, darüber hinaus Auenschutz, mehr Retentionsräume und weniger Ver- bauung nicht nur an Donau, Rhein, Elbe oder Oder im Blick zu haben, sondern das Hochwasserproblem am Ort seiner Entstehung zu verhindern oder zumindest zu redu- zieren. Das heißt im Klartext: Wenn Bächen und kleinen Zuflüssen genügend Raum gegeben ist, nimmt auch der Druck auf die großen Ströme ab. Auch ein Blick zurück zeigt, dass dieser Bereich seit Jahren und über Parteigrenzen hinweg immer im Fokus stand. Erwähnenswert ist zum Beispiel die Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt aus dem Jahr 2007: Wir wollen bis 2020 die Fließgewässer und ihre Auen in der Funktion als Lebensraum soweit sichern, um den ge- samten Naturraum in seiner Vielfalt wiederherzustellen. Gleichzeitig soll die Anzahl der Überflutungsräume deutlich erhöht werden. Weiter haben wir pünktlich am 22. März 2010 für alle relevanten Flussgebietseinheiten die Bewirtschaftungs- pläne an die Europäische Kommission übermittelt und eine Planung für die Verbesserung der Fließgewässer vorgenommen. Hier muss erwähnt werden, dass alleine die Umset- zung der Wasserrahmenrichtlinie bis Ende 2015 ge- schätzte 9,4 Milliarden Euro kosten wird. Wie Sie hieran erkennen können, zeigt sich auch auf haushalterischer Ebene der politische Wille der Regierung, den Natur- schutz trotz finanzieller Sparzwänge hoch zu gewichten. Erneut darf ich Ihnen erfreut mitteilen, dass die Arbeit der Wasser- und Schifffahrtsverwaltungen auch auf- grund unseres politischen Drängens mittlerweile be- inhaltet, bei der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie einen ökologischen Part zu übernehmen und sich aktiv für den Umweltschutz einzusetzen – eine sehr erfreuliche Entwicklung! Lassen Sie mich noch in aller Kürze auf Schutzmaß- nahmen vor Hochwasser eingehen, die trotz aller erforder- lichen natürlichen Maßnahmen hilfreiche und sinnvolle Ergänzungen darstellen. Ein Deich wird nicht vollständig durch Auen ersetzbar sein. Technische Lösungen sind bis zu einem gewissen Grad gerade in dicht besiedelten Gebieten erforderlich. Wie Sie anhand des letzten Hoch- wassers an der Oder sehen konnten, ist der Zustand und die Pflege dieser Konstruktionen in keinem schlechten Zustand, auch wenn an manchen Stellen noch Verbesse- rungsbedarf besteht. Ich begrüße die Debatte um das elementarste aller Güter und bin stets bereit, gute Ideen aufzunehmen, will Ihnen aber auch sagen: Die Koalition hat dieses Thema im Griff. Sabine Stüber (DIE LINKE): Das Thema Gewässer- und Hochwasserschutz wird immer dann aktuell, wenn die Resultate von jahrelangen Versäumnissen in aller Härte spürbar werden, nämlich dann, wenn es Hochwas- ser gibt. Das Vorsorgeprinzip verlangt aber, vor Eintre- ten der Katastrophe Maßnahmen zu ergreifen, die diese zumindest eindämmen oder bestenfalls sogar ganz ver- hindern. Deshalb würde ich mir eine Beschäftigung des Parlaments mit dem für viele Menschen existenziellen Thema „Hochwasserschutz“ auch einmal unabhängig von aktuellen Hochwasserereignissen wünschen. Die bedeutendsten Klimaprognosen für den mittel- europäischen Raum sagen voraus, dass sich fortschrei- tend die Jahresniederschlagsmengen auf immer weniger, aber umso heftigere Niederschlagsereignisse verteilen werden. Das stellt bereits heute, da wir die ersten Aus- wirkungen dieser Entwicklung zu spüren bekommen, besondere Herausforderungen und Ansprüche an den Gewässer- und Hochwasserschutz. Die Forderungen nach einem integrierten Hochwas- serschutzkonzept sind sinnvoll und begrüßenswert, in der vorliegenden Form aber nicht konsequent genug. Sie wären besser angelegt in konkreten Gesetzesänderungen oder Programmen. In den Anträgen findet sich unserer Meinung nach auch die europäische Komponente nicht ausreichend wieder. Eine bessere Koordinierung als bloße Formulierung reicht nicht aus; denn hier muss schnellstens gehandelt werden. Höhere Deiche in Bran- denburg allein sind zwar gut für die örtliche Bevölke- rung. Sie können aber nicht die Lösung des Problems sein, wenn auf der anderen Seite der Oder ganze Dörfer unter Wasser stehen. Hochwasser kennt keine Grenzen. Grenzenloses Denken und Planen muss auch Leitschnur jeder Hochwasserpolitik sein. Die Wechselwirkungen zwischen Fluss und Aue be- einflussen maßgeblich den ökologischen Zustand beider Lebensräume. Flussauen haben vielfältige Funktionen. Sie dienen als Lebensraum, als Biotopverbundachsen, sie sorgen für sauberes Grundwasser und sind Erho- lungsräume. Als Retentionsräume für Flüsse dienen sie auch dem Hochwasserschutz. Der Schutz von Flussauen ist daher ein wichtiger Be- standteil zur Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtli- nie, die uns verpflichtet, bis 2015 für einen guten ökolo- gischen und chemischen Zustand der Gewässer zu sorgen. Aus dem Auenschutzbericht geht allerdings her- vor, dass die Auen in Deutschland ihre Funktion als Le- bensraum, Wasserfilter und Überflutungsfläche nicht ausreichend erfüllen. Deshalb begrüßt Die Linke den Antrag von Bünd- nis 90/Die Grünen, der die Bundesregierung auffordert, die Ergebnisse des Auenschutzberichtes endlich in kon- kretes Handeln umzusetzen. Wir stimmen zu, dass die Einbeziehung der verschie- denen Akteure zum überregionalen Ausgleich unter- schiedlicher Nutzungsinteressen erforderlich ist. Ge- nauso hoch schätzen wir auch den jeweiligen regionalen Interessenausgleich ein. Hier erinnere ich noch einmal an das geglückte Beispiel der Deichrückverlegung an der Elbe bei Lenzen. Dort entstanden 425 Hektar Überflu- tungsfläche und nach Initialpflanzung wächst seit zehn Jahren auf 300 Hektar Auwald. Das ist ein gutes Beispiel dafür, dass es gehen kann, wenn der politische Wille vor- handen ist. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 49. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2010 5177 (A) (C) (D)(B) Dass es aber gravierende Defizite gibt, zeigen die Ziele für Feuchtgebiete und Moore in der nationalen Strategie zur Biologischen Vielfalt, die bis heute nicht erreicht sind. Deshalb geht uns der Antrag der SPD zum Schutz von Nass- und Feuchtgebieten auch nicht weit genug. Für uns ist es wichtig, dass Prioritäten gesetzt werden, die in konkretem Handeln münden statt allge- meiner Erklärungen zum Ernst der Lage. Um ein Beispiel zu nennen: Moore bedecken nur 3 Prozent der Landfläche, binden aber 30 Prozent des terrestrischen Kohlenstoffs in sich. Das zeigt, welche der Abstimmung unseres Antrages im Agrarausschuss enthalten. Hat Ihre interne Abstimmung nicht funktioniert oder hat die Agrarlobby erfolgreich ihre Muskeln spielen lassen? Dann hätten Sie sich aber auch bei Ihrem eigenen Antrag zum Wasserhaushalt enthalten müssen, dessen Forderungen sich weitgehend mit unseren decken. Der SPD-Antrag für ein integriertes Hochwasserkon- zept beinhaltet viele richtige Ansätze, die wir bereits for- muliert und in die Debatten im Deutschen Bundestag eingebracht haben. Aber er geht nicht weit genug. Es muss eine klare Priorität für den naturnahen Hochwasser- Bedeutung ihnen nicht nur für die Artenvielfalt, sondern auch für den Klimaschutz zukommt. Moorschutz hat da- her höchste Priorität! Die Länder sind aufgefordert, Moorschutzkonzepte zu erstellen. Als Grundlage müs- sen Zustandsbewertungen her als Basis für einen flä- chendeckenden Moorschutz. Ein Umbruchverbot von Moorböden kann nur ordnungsrechtlich durchgesetzt werden. Dazu muss die Bundesregierung für eine konse- quente Umsteuerung der EU-Agrarpolitik in diesem Punkt einsetzen. Intensive Landnutzung, Begradigung von Flüssen und Dezimierung natürlicher Auenflächen muss mit konkre- ten Programmen begegnet werden – durch Renaturie- rung von Gewässern, Rückverlegung von Deichen und Verbesserung der Wasserrückhaltefähigkeit von Mooren und Feuchtgebieten. Die Bundesregierung ist gefordert, endlich die notwendigen gesetzlichen Rahmenbedingun- gen zu schaffen, es ist höchste Zeit. Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Unser Antrag zum Auenschutzprogramm und der SPD-Antrag zum Wasserhaushalt wurden hier im Plenum bereits ein- mal beraten. Herr Liebing und Herr Göppel von der Unionsfraktion hatten sich in dieser Debatte für einen gemeinsamen Beschluss im Bundestag ausgesprochen. Schade nur, dass sie dann in den Ausschüssen unseren Antrag mit fadenscheinigen Argumenten abgelehnt ha- ben. Wir hätten gemeinsam einen sinnvollen Beitrag zu Artenschutz, Hochwasserschutz und Gewässerschutz leisten können. Stattdessen hören wir von Schwarz-Gelb in Sachen Auenschutz bisher nur Sonntagsreden, obwohl der Koali- tionsvertrag die Renaturierung von Auen und Flusstälern verspricht. Mit der Zustimmung zu unserem Antrag hät- ten sie beweisen können, dass sie es damit ernst meinen. Auch über die SPD habe ich in diesem Zusammen- hang gestaunt. Denn wider Erwarten haben Sie sich bei schutz vor dem technischen Hochwasserschutz geben. Natürliche Rückhalteflächen müssen konsequent geschützt werden, und verloren gegangene Rückhalteflächen müssen als Überschwemmungsgebiete zurückgewonnen werden. Die jüngsten Überschwemmungen in Frankreich, Polen und Tschechien haben uns wieder vor Augen geführt, wie gefährlich Hochwasser sein kann. In Folge des Klima- wandels werden wir immer häufiger starke Überschwem- mungen erleben. Darauf müssen wir uns vorbereiten, und dazu reichen die bisherigen Maßnahmen nicht aus. Naturnaher Hochwasserschutz braucht gesellschaftliche Akzeptanz. Die Landwirtschaft, die Waldwirtschaft und die Menschen in den Flusstälern müssen für dieses Kon- zept gewonnen werden. Wir sind davon überzeugt: Auen- schutz und damit Hochwasserschutz sind ein Gewinn für alle, für Mensch und Natur. Dabei ist die Rolle der Flussgebietsgemeinschaften besonders wichtig, vor allem international. Denn die Überschwemmungen in Polen haben dazu geführt, dass bei uns das Hochwasser nicht mehr so mächtig war. Un- sere Deiche wurden entlastet. Wenn die Polen ihren tech- nischen Hochwasserschutz verbessern, bleiben sie beim nächsten Mal verschont, und wir haben wieder mit ver- schärften Problemen zu rechnen. Höhere Deiche und ein schnellerer Abfluss des Wassers verlagern die Probleme immer nur flussabwärts. Dabei wächst die Gewalt der Wassermassen. Aus dieser Spirale müssen wir ausbrechen, und das geht nur mit einer mo- dernen naturnahen Hochwasserpolitik, die auf Wasser- rückhalt, Wasserspeicherung und langsamere Abfluss- geschwindigkeiten setzt, und das in der gesamten Flussgebietsgemeinschaft. Dafür brauchen wir die nöti- gen Flächen, die nötigen Mittel und ein ressortübergrei- fendes, stimmiges Konzept. Darauf werden wir weiter- hin drängen. 49. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 17. Juni 2010 Inhalt: Redetext Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4 Anlage 5 Anlage 6 Anlage 7 Anlage 8 Anlage 9 Anlage 10 Anlage 11 Anlage 12 Anlage 13
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Diana Golze


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DIE LINKE.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)


    Eigentlich könnte man das so stehen lassen; es spricht

    für sich.


    (Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Ich möchte Ihnen aber noch ein anderes Beispiel nen-
    nen. Ich hatte gestern in meinem Büro Besuch von einer
    jungen Frau, die in München geboren und aufgewachsen
    ist. Für ihre Eltern war ein Kindergartenplatz für sie wie
    ein Hauptgewinn im Lotto. Sie hat es dazu gebracht, Be-
    amtin zu werden und einer großen Organisation in
    Deutschland vorzustehen, die jungen Menschen hilft, für
    ihre Rechte zu streiten. Allein dieses Beispiel zeigt, dass
    es auch in den alten Bundesländern Menschen gab, die





    Diana Golze


    (A) (C)



    (D)(B)


    es als richtig empfunden haben, Kinder frühzeitig zu för-
    dern und miteinander aufwachsen zu lassen.

    Ich könnte Ihnen jetzt noch viele weitere Argumente
    nennen, will aber nur Folgendes sagen: Kommen Sie aus
    der Mottenkiste heraus; es würde Ihnen guttun!


    (Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)




Rede von Gerda Hasselfeldt
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

Nun hat der Kollege Marco Wanderwitz für CDU/

CSU das Wort.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Bijan Djir-Sarai [FDP])



  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Marco Wanderwitz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)


    Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-

    legen!

    Das Betreuungsgeld konterkariert zentrale bildungs-
    und sozialpolitische Zielstellungen. Qualitativ hoch-
    wertige frühkindliche Betreuung und Bildung sind
    der Schlüssel zu lebenslangem Bildungserfolg …

    Dieses Zitat stammt aus dem Antrag der Grünen.

    Der zweite Satz ist zweifellos richtig; den wird jeder
    in diesem Hause unterschreiben.

    Beim ersten Satz war ich mir anfänglich nicht sicher,
    ob ich Sie falsch verstanden habe. Jetzt weiß ich aber,
    dass ich Sie richtig verstanden habe. Mit dem ersten Satz
    machen Sie nichts anderes, als den Eltern, die ihre Kin-
    der zu Hause erziehen, die Kompetenz abzusprechen,
    dies mindestens genauso gut zu können, wie dies bei
    Einrichtungen der Fall ist. Nichts anderes meinten Sie.


    (Caren Marks [SPD]: Eltern, die ihre Kinder in der Kindertagesstätte betreuen lassen, erziehen ihre Kinder auch!)


    Ich sage Ihnen ganz offen, dass ich das für eine un-
    glaubliche Unterstellung halte.


    (Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch Quatsch!)


    Ehrlich gesagt, ich glaube, Sie träumen immer noch
    von der Lufthoheit über den Kinderbetten, von der Herr
    Scholz einmal gesprochen hat. Um nichts anderes
    scheint es Ihnen hierbei zu gehen.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Marlene Rupprecht [Tuchenbach] [SPD]: Merken Sie eigentlich, dass da drüben auch Frauen und Männer sitzen, die ihre Kinder betreuen ließen?)


    – Schreien Sie nur. Zuhören wäre auch nicht schlecht.
    Fünf Minuten lang müssen Sie das ertragen. Ich glaube,
    das ist nicht zu viel verlangt. Wenn Sie einen Antrag ein-
    bringen, dann müssen Sie damit leben, dass Sie sich
    auch die Argumente der anderen anhören müssen.

    Deshalb möchte ich mich nicht nur mit Ihrem Antrag
    befassen, sondern auch für unser Betreuungsgeld wer-

    ben. Unsere zentralen Ziele sind im Grunde die gleichen
    wie Ihre Ziele. Auch wir wollen die Vereinbarkeit von
    Familie und Beruf für diejenigen Eltern, die das möch-
    ten. Wir wollen keine Zwangsbeglückung für alle. Auch
    wir wollen eine bestmögliche frühkindliche Bildung.
    Wir sind aber offensichtlich im Gegensatz zu Ihnen der
    Meinung, dass auch Eltern das leisten können. Wir wol-
    len echte Wahlfreiheit für Familien.


    (Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben die Eltern jetzt schon!)


    Außerdem sind wir der Meinung, dass Eltern einen
    Ausgleich erhalten müssen, wenn sie sich gegen eine
    subventionierte Fremdbetreuung entscheiden.


    (Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Frau von der Leyen würde sich für Sie schämen!)


    Die 150 Euro – das sage ich ganz offen – sind für uns
    ein erster Schritt, nicht mehr und nicht weniger. Der
    Rechtsanspruch auf Betreuung wird dann zum Thema,
    wenn genügend Plätze vorhanden sind. Unser Ziel ist,
    ihn zu dem gesetzten Zeitpunkt umzusetzen. Den
    Rechtsanspruch auf Betreuung und das Betreuungsgeld
    sehen wir als zwei untrennbare Seiten einer Medaille an.
    Das eine zu tun und das andere zu lassen, wäre nichts an-
    deres als eine Diskriminierung derjenigen, die sich mit
    Herz und Seele der vollhäuslichen Erziehung und Be-
    treuung ihrer Kinder widmen.


    (Caren Marks [SPD]: Bitte? – Marianne Schieder [Schwandorf] [SPD]: Die eigenen CDU-Frauen sehen das doch auch anders!)


    – Frau Schieder, schreien Sie nur.

    Wir reden hier über nichts anderes als über das zweite
    und dritte Lebensjahr, also über die Zeit nach dem El-
    terngeld, wenn man sich für dieses entscheidet. Danach
    reden wir über den Kindergarten, dann vielleicht über
    die Vorschule, dann über die Schule, dann über die Aus-
    bildung und dann möglicherweise noch über ein Stu-
    dium. Ich bin fast geneigt zu sagen: Lassen Sie doch bei
    den ersten drei Jahren die Kirche im Dorf.


    (Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Ich fürchte, dass ich Sie damit zum nächsten Wider-
    spruch provoziere, weil ich alles andere als der Meinung
    bin, dass Ihre Positionen ideologiefrei sind, Frau Kolle-
    gin Rupprecht. Im Gegenteil, Ihre Ideologie zieht sich
    von vorne bis hinten durch. Sie vertreten eine Gesell-
    schaftspolitik, die Sie auch in jedem anderen Politikfeld
    vertreten.


    (Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da klatscht nicht einmal jemand! – Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Nun zu den Gutscheinen, die auch in Ihrem Antrag
    eine Rolle spielen. Ich sage ganz offen, dass wir sehr für
    Gutscheine sind, allerdings neben dem Betreuungsgeld.
    Lassen Sie uns darüber reden, welche Gutscheinmodelle
    umsetzbar sind. In manchen Ländern und Kommunen
    werden diese bereits umgesetzt.





    Marco Wanderwitz


    (A) (C)



    (D)(B)


    Ich möchte einen weiteren Punkt ansprechen. In der
    gesetzlichen Rentenversicherung honorieren wir Erzie-
    hungszeiten von Eltern. Diese Regelung haben wir
    mehrmals verbessert. Ich glaube, die Honorierung von
    Erziehungsleistungen innerhalb der gesetzlichen Renten-
    versicherung ist bei weitem noch nicht ausreichend.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


    Ich glaube, dass die zweite Säule unseres Generatio-
    nenvertrags in den Gesetzlichkeiten unterbelichtet ist.
    Beitragszahler mit Kindern werden dreifach belastet.
    Erstens zahlen sie Beiträge für die Rente ihrer Eltern und
    Großeltern. Das trifft alle. Zweitens tragen sie nicht un-
    erhebliche Kosten für das Großziehen der künftigen Bei-
    tragszahler. Das sind Kosten, die nicht bei allen anfallen.
    Diese werden bei weitem nicht ausgeglichen. Drittens
    verzichten sie durch Schwangerschaft, Geburt, Erzie-
    hungszeiten und Teilzeitarbeit auf Einkommen und Kar-
    rieresprünge und nehmen daraus resultierende niedrigere
    künftige Rentenzahlungen in Kauf. Das alles nehmen sie
    in Kauf. Ihre Kinder finanzieren dann später alle künfti-
    gen Rentenbezieher.

    Diese Konstruktion halte ich schlicht für nicht ge-
    recht. Die Gesellschaft honoriert die Leistungen der
    Menschen, die in diesem Land Kinder bekommen, nicht
    ausreichend. Man könnte das auch stärker über die Steu-
    ern machen; man muss es jedenfalls machen.


    (Beifall der Abg. Dorothee Bär [CDU/CSU])


    Die Bilanz von uns als Union in der Familienpolitik
    der letzten Jahre kann sich sehen lassen: Kindergelderhö-
    hungen, Elterngeld. Wir werden diesen Weg weiterge-
    hen, ob mit Ihnen oder ohne Sie.


    (Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das werden wir mal sehen!)


    Die Mehrheit sitzt auf dieser Seite des Hauses.

    Vielen Dank.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)