1) Anlage 7
Berichtigung
45. Sitzung, Seite 4554 B, letzter Absatz, der dritte
Satz ist wie folgt zu lesen: „Ich habe in Busan beim Tref-
fen der Finanzminister zumindest darüber Klarheit gefor-
dert, dass sie auf absehbare Zeit nicht eingeführt wird.“
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 46. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Juni 2010 4785
(A) )
)(B)
Süßmair, Alexander DIE LINKE 10.06.2010
der UNO-Sicherheitsrat das „Bekenntnis aller Mitglied-
der Flüchtlinge in ein sicheres Umfeld in ihre Heimat
und die territoriale Unversehrtheit Jugoslawiens zu ge-
währleisten.
Schon in der Präambel dieser Resolution formuliert
Schmidt (Fürth),
Christian
CDU/CSU 10.06.2010
Anlage 1
Liste der entschuldigt
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Abgeordnete(r)
entschuldigt bis
einschließlich
Beck (Köln), Volker BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
10.06.2010
Bender, Birgitt BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
10.06.2010
Bosbach, Wolfgang CDU/CSU 10.06.2010
Glos, Michael CDU/CSU 10.06.2010
Göring-Eckardt,
Katrin
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
10.06.2010
Goldmann, Hans-
Michael
FDP 10.06.2010
Groschek, Michael SPD 10.06.2010
Hasselfeldt, Gerda CDU/CSU 10.06.2010
Hempelmann, Rolf SPD 10.06.2010
Hintze, Peter CDU/CSU 10.06.2010
Höfken, Ulrike BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
10.06.2010
Juratovic, Josip SPD 10.06.2010
Kopp, Gudrun FDP 10.06.2010
Maurer, Ulrich DIE LINKE 10.06.2010
Nestle, Ingrid BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
10.06.2010
Nietan, Dietmar SPD 10.06.2010
Paus, Lisa BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
10.06.2010
Pieper, Cornelia FDP 10.06.2010
Piltz, Gisela FDP 10.06.2010
Remmers, Ingrid DIE LINKE 10.06.2010
Schlecht, Michael DIE LINKE 10.06.2010
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Anlagen zum Stenografischen Bericht
en Abgeordneten
nlage 2
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Hans-Christian Ströbele und
Beate Müller-Gemmeke (beide BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) zur namentlichen Abstimmung
zu dem Antrag: Fortsetzung der deutschen
Beteiligung an der internationalen Sicherheits-
präsenz im Kosovo auf der Grundlage der Reso-
lution 1244 (1999) des Sicherheitsrates der Ver-
einten Nationen vom 10. Juni 1999 und des
Militärisch-Technischen Abkommens zwischen
der internationalen Sicherheitspräsenz (KFOR)
und den Regierungen der Bundesrepublik Jugo-
slawien (jetzt: Republik Serbien) und der Repu-
blik Serbien vom 9. Juni 1999 (Tagesordnungs-
punkt 7)
Dem Antrag der Bundesregierung auf Fortsetzung des
insatzes der Bundeswehr im Kosovo stimmen wir nicht
u.
Dieser militärische Einsatz ist politisch falsch, ihm
ehlt die völkerrechtliche Legitimation.
Auf die UN-Resolution kann der militärische Einsatz
er NATO im Kosovo schon lange nicht mehr gestützt
erden. Ganz im Gegenteil – von der Bundeswehr wird
in Rechtszustand aufrechterhalten, der mit dem Be-
enntnis des Sicherheitsrates und dessen Auftrag an die
ölkergemeinschaft nicht zu vereinbaren ist: die Loslö-
ung des Kosovo aus der Bundesrepublik Jugoslawien
nd dessen staatliche Selbstständigkeit.
In der Überschrift des Antrags und mehrfach im An-
rag selbst wird Bezug genommen auf die Resolution der
ereinten Nationen 1244 vom 10. Juni 1999. Mit dieser
rhält die Völkergemeinschaft vom Sicherheitsrat die
ufgabe, die multiethnische Gesellschaft, die Rückkehr
r. Tackmann, Kirsten DIE LINKE 10.06.2010
icklein, Andrea SPD 10.06.2010
apf, Uta SPD 10.06.2010
immermann, Sabine DIE LINKE 10.06.2010
bgeordnete(r)
entschuldigt bis
einschließlich
4786 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 46. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Juni 2010
(A) )
)(B)
staaten zur Souveränität und territorialen Unversehrtheit
der Bundesrepublik Jugoslawien“.
In der UN-Resolution und ihrer Anlage I wird mehr-
fach „die Förderung der Herstellung substantieller Auto-
nomie und Selbstverwaltung im Kosovo unter voller Be-
rücksichtigung der Prinzipien der Souveränität und
territorialen Unversehrtheit der Bundesrepublik Jugosla-
wien“ und „die sichere und freie Rückkehr aller Flücht-
linge“ als Hauptaufgabe genannt.
Für diese Aufgaben sollten die internationalen Trup-
pen, einschließlich die der NATO, eingesetzt werden.
Nur dazu hatte die Regierung und das Parlament Ser-
biens im Juni 1999 nach der Bombardierung Serbiens
seine Zustimmung gegeben. Dieser Aufgabenstellung
hatten auch die Kosovo-Albaner zugestimmt.
Diese Vereinbarung wurde im Februar 2008 einseitig
mit der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo aufge-
kündigt und mit der Anerkennung durch Deutschland
der UN-Resolution zuwider gehandelt. Mit der Fortset-
zung des Bundeswehreinsatzes wird somit die UN-wid-
rige Loslösung des Kosovo und dessen Unabhängigkeit
gesichert.
Aber auch weitere Aufgaben aus der UN-Resolution
wurden durch den NATO-Einsatz in elf Jahren nicht er-
füllt: Nicht alle Flüchtlinge und Vertriebenen konnten in
eine sichere Heimat im Kosovo zurückkehren. Nach Be-
ginn des Einsatzes wurden noch fast 100 000 Roma und
andere Minderheiten verfolgt, beraubt, getötet und ver-
trieben. Noch heute geht es vielen zurückgekehrten
Roma schlecht. Zehntausende müssen weiter in Lagern
in anderen Ländern leben.
Sicherheit wird im Kosovo mehr und mehr von der
dortigen Polizei garantiert. Nach Auskunft der Bundes-
regierung mussten selbst bei den jüngsten gewaltsamen
Auseinandersetzungen am 30. Mai dieses Jahres in Mit-
rovica die anwesenden KFOR-Kräfte nicht eingreifen.
Die Fortsetzung des Militäreinsatzes der Bundeswehr
im Kosovo auf der Grundlage der UN-Resolution 1244
ist das falsche Mittel zur Gewährleistung von Sicherheit,
Rückkehr der Flüchtlinge und Wiederaufbau im Kosovo.
Soweit überhaupt noch internationale Sicherheitskräfte
erforderlich sind, sollte in erster Linie nichtmilitärische
Unterstützung auf der Grundlage einer neuen Resolution
der Vereinten Nationen und mit Zustimmung der Ver-
waltung im Kosovo und der serbischen Regierung ge-
leistet werden.
Deshalb stimmen wir zum Antrag der Bundesregie-
rung mit Enthaltung.
Anlage 3
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Antrags: Die Fußballwelt-
meisterschaft – Eine Chance für Südafrika (Ta-
gesordnungspunkt 17)
Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU): Am heu-
tigen Abend debattieren wir zu später Stunde einen SPD-
Antrag zu den Chancen Südafrikas aufgrund der Fuß-
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allweltmeisterschaft. Ich werde mich in meiner Rede
uf die entwicklungs- und außenpolitische Zusammenar-
eit zwischen Südafrika und der Bundesrepublik
eutschland beziehen, da mein Kollege Stephan Mayer
ich den sportlichen Beziehungen widmen wird.
So sehr ich das Anliegen des Antrages teile, umso
erwunderter bin ich über den Inhalt und den Zeitpunkt
es Antrages der SPD. Zum einen sind viele Punkte be-
eits Bestandteil des entwicklungs- und außenpolitischen
frika-Antrages der Großen Koalition aus der vergange-
en Wahlperiode, der ja bekanntlich auch die SPD ange-
ört hat. Zum anderen ist fraglich, ob einen Tag vor Be-
inn der Fußballweltmeisterschaft ein Antrag Sinn
acht, der auch auf die Arbeit verschiedener Organisa-
ionen während der Weltmeisterschaft abzielt.
Ich hatte Anfang April 2010 die Freude, unseren Bun-
esaußenminister Dr. Guido Westerwelle und unseren
undesentwicklungsminister Dirk Niebel auf ihrer ge-
einsamen Reise nach Südafrika, Tansania und Dschi-
uti begleiten zu dürfen. Diese Reise hat gezeigt, dass
er afrikanische Kontinent eine wichtige Rolle in der
olitik der Bundesregierung einnimmt und man gegen-
ber den Partnerländern „einheitlich“ auftritt.
Südafrika ist Wirtschaftslokomotive in der Region
nd Stabilitätsanker mit signifikanten Beiträgen zu Frie-
en, Sicherheit, Entwicklung und Integration auf dem
esamten afrikanischen Kontinent. In Südafrika wird
010 die erste FIFA-Fußballweltmeisterschaft auf afri-
anischem Boden ausgetragen, und dies ist allein schon
in Erfolg an sich. Ich bin mir sicher, dass nach der Fuß-
allweltmeisterschaft die Welt mit anderen Augen auf
en Kontinent Afrika schaut.
Die seit dem beispiellosen demokratischen Wandel
üdafrikas 1994 bestehende entwicklungspolitische Zu-
ammenarbeit, EZ, ist Teil einer umfassenden deutschen
ußen-, Sicherheits-, Entwicklungs-, Umwelt- und Au-
enwirtschaftspolitik. Deutschland und Südafrika vertre-
en in multilateralen Foren viele gemeinsame Positionen.
ie Entwicklungspartnerschaft mit einem der bevölke-
ungsreichsten, politisch bedeutsamsten und stabilsten
änder Afrikas soll zweierlei leisten: erstens einen Bei-
rag zur Bewältigung der historischen Lasten Südafrikas
ei der Überwindung der strukturellen Ursachen von Ar-
ut und extremer Ungleichheit und zweitens einen Bei-
rag zur Erreichung regionaler und/oder globaler Ent-
icklungsziele.
Auch 15 Jahre nach dem Ende der Apartheid ist die
ehrheit der Bevölkerung von Wohlstand und Zukunfts-
hancen abgekoppelt: 42,9 Prozent der 49 Millionen
üdafrikaner leben von weniger als 2 US-Dollar am Tag.
xtreme Einkommensunterschiede – Gini-Koeffizient
on 57,8 – und hohe Arbeitslosigkeit – offiziell:
3,6 Prozent, inoffiziell: rund 40 Prozent – lassen die
nzufriedenheit vor allem in den ehemaligen Townships
achsen. Dort sind auch die Defizite in Kernbereichen
er öffentlichen Ordnung (durchschnittlich 75 Morde,
50 Einbrüche pro Tag), bei der Erbringung öffentlicher
ienstleistungen (etwa 61 Prozent der Kommunen nah-
en 2005/2006 weniger als 50 Prozent ihrer Aufgaben
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 46. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Juni 2010 4787
(A) )
)(B)
wahr) und HIV/Aids-Bekämpfung (Prävalenzrate 15- bis
49-Jährige: 18,1 Prozent) am größten.
Aufgrund seiner kohlebasierten Wirtschaft (92 Prozent
der Stromversorgung) ist Südafrika einer der weltweit
größten CO2-Emittenten (Rang 11 absolut, 10 Tonnen pro
Kopf) und muss in die Verantwortung zum Schutz globa-
ler öffentlicher Güter eingebunden werden. Zugleich
müssen die großen konjunkturgefährdenden Energie-Ver-
sorgungslücken, beispielsweise „black outs“, die auch
die Nachbarländer betreffen, geschlossen werden.
Alle zwei Jahre finden zwischen der Bundesregierung
und Südafrika Regierungsverhandlungen statt. 2010
wurden in Südafrika Vorhaben in Höhe von 2,5 Millio-
nen Euro vereinbart. Zusätzlich fördert das BMZ Aktivi-
täten von politischen Stiftungen, Kirchen und privaten
Trägern/Nichtregierungsorganisationen in Südafrika.
Bei der Zusammenarbeit konzentriert sich die Bun-
desregierung auf bestimmte Kernbereiche:
Erstens. Beseitigung der Defizite in Kernbereichen
der öffentlichen Ordnung und Verbesserung öffentlicher
Dienstleistungen auf allen Ebenen (National-, Provinz-
und Kommunalverwaltung).
Beispiele: Mit Unterstützung des Programms „Ge-
waltprävention in städtischen Armenvierteln“, das unter
anderem die soziale und wirtschaftliche Infrastruktur in
einem der größten Kapstädter Townships, Khayelitsha,
ausbaut, hat sich die Sicherheitswahrnehmung der Bevöl-
kerung von 2,3 auf 4,8 – auf einer Skala von 1 bis 10 –
verbessert.
Durch das „Programm zur Stärkung lokaler Regie-
rungsführung“ nehmen Kommunalregierungen ihre Auf-
gaben effizienter, wirksamer und stärker an den Bedürf-
nissen der Bürger und Privatwirtschaft ausgerichtet
wahr; beispielsweise wurde in circa 20 Partnergemein-
den nachweislich das Geschäfts- und Investitionsklima
verbessert.
Zweitens. Ausbau erneuerbarer Energiequellen und
Erhöhung der Energieeffizienz zur Abfederung der stei-
genden Nachfrage sowie zur Verbesserung des Klima-
schutzes.
Beispiel: Mit deutscher Unterstützung werden über
südafrikanische Institutionen zinsverbilligte Darlehen an
die südafrikanische Privatwirtschaft für Investitionen in
Erneuerbare Energien und Energieeffizienzmaßnahmen
vergeben. Dies stärkt die Energiesicherheit, fördert die
Wirtschaft und schützt das Klima. So wurde auf der ge-
meinsamen Reise von Bundesminister Westerwelle und
Bundesminister Niebel in Südafrika ein Sonderpro-
gramm für regenerative Energien in Höhe von 75,5 Mil-
lionen Euro verkündet.
Drittens. Prävention von HIV/Aids, dessen Ausbrei-
tung alle übrigen Entwicklungserfolge zu konterkarieren
droht.
Beispiel: Über das Programm „Freiwilliges Beraten
und Testen“ werden in den drei am stärksten von HIV/
Aids betroffenen südafrikanischen Provinzen 400 Bera-
tungs- und Testzentren gebaut oder rehabilitiert. Seit Be-
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inn des Programms ist die Zahl der Tests sprunghaft an-
estiegen, mancherorts um bis zu 80 Prozent.
Viertens. Verbesserung des Systems der beruflichen
ildung als Voraussetzung für die nachhaltige Schaffung
on Arbeitsplätzen.
Beispiel: Über das Berufsbildungsprogramm konnten
eit 2001 6,3 Millionen Arbeitnehmer fortgebildet und
00 000 Menschen in Langzeitkursen für den formellen
rbeitsmarkt ausgebildet werden, die zu 79 Prozent in-
erhalb von sechs Monaten einen Arbeitsplatz bekamen.
7 Prozent der Ausgebildeten haben ein Einkommen
eutlich über der Armutsgrenze von 2 US-Dollar pro
ag. Weitere 323 000 Arbeitslose wurden für den infor-
ellen Arbeitsmarkt ausgebildet.
Fünftens. Vorbereitung der WM 2010, der ersten Fuß-
allweltmeisterschaft auf dem afrikanischen Kontinent.
Beispiel: Über ein Austauschprogramm zwischen den
M-Austragungskommunen 2006 und 2010 und einen
eratungsfonds konnten deutsche Experten in bislang
ehr als 170 Beratungseinsätzen ihr 2006 erworbenes
issen zu Themen wie Unterkunftsplanung, Abfallma-
agement, „Fan-Parks“, Verkehrsplanung, Feuerwehr-
nd Notarzteinsätzen oder Katastrophenvorsorge an süd-
frikanische WM- „Host Cities“ weitergeben. Dies trägt
azu bei, dass die Städte mit den Vorbereitungen gut im
eitplan sind und die Mitarbeiter der Kommunen nach-
altig Kompetenzen aufbauen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wie Sie sehen, ist
nd bleibt Südafrika ein Schwerpunktland für Deutsch-
and. Dafür steht auch die neue Bundesregierung.
Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU): Wenn mor-
en die Fußballweltmeisterschaft in Südafrika mit dem
röffnungsspiel der Bafana Bafana gegen Mexiko be-
innt, wird über eine Milliarde Menschen weltweit einen
nmittelbaren Blick auf das heutige Südafrika werfen.
Sie werden feststellen, dass sich trotz der vielen Kri-
ik von Bedenkenträgern im Vorfeld der Weltmeister-
chaft bereits Vieles gewandelt und verändert hat. Süd-
frika hat sich längst auf den Weg gemacht, die Risse,
ie durch die jahrzehntelange Apartheid in der Bevölke-
ung entstanden sind, wieder zu schließen.
Die Fußballweltmeisterschaft und die vielen gemein-
amen Sportförderprojekte, seien sie staatlich oder auch
on nichtstaatlichen Organisationen durchgeführt, tragen
ierzu bei.
So hat das Auswärtige Amt im Jahr 2010 unter dem
otto „Menschen bewegen – Grenzen überwinden“ die
eltweite Förderung des Sports noch einmal verstärkt.
iele Sportprojekte davon finden in Afrika, wie beispiels-
eise in Simbabwe, Namibia, Madagaskar und Süd-
frika, statt. Die meisten sind auch nachhaltige Langzeit-
rojekte, die bereits vor der Fußballweltmeisterschaft
egonnen haben und mehrere Jahre über sie hinausgehen
erden.
Lassen Sie mich im Folgenden eines dieser Projekte
etaillierter vorstellen.
4788 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 46. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Juni 2010
(A) )
)(B)
Seit Oktober 2008 unterstützt der Fußballexperte
Michael Nees im südafrikanischen Johannesburg für die
Dauer von zunächst zwei Jahren den Südafrikanischen
Fußball-Verband (SAFA) als technischer Berater. Die in-
haltlichen Schwerpunkte des Projekts liegen auf der Mo-
dernisierung des bestehenden Trainerausbildungssys-
tems und der strukturellen und administrativen Beratung
des Verbandes. Mit Blick auf die Fußballweltmeister-
schaft 2010 spielte dabei auch die Talentförderung eine
große Rolle.
Dieses Langzeitprojekt, welches nun in enger Zusam-
menarbeit mit dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) und
der deutschen Botschaft in Pretoria realisiert wird, zeigt die
gute und wichtige Zusammenarbeit zwischen Deutschland
und Südafrika im Bereich des Sports.
Aber auch viele Projekte im unmittelbaren Zusam-
menhang mit der Fußballweltmeisterschaft werden durch
die Sportförderung des Auswärtigen Amtes unterstützt.
So veranstalten beispielsweise unter dem Motto
„football meets culture“ die Deutsche Botschaft und das
Goethe-Institut von Mai bis August Deutschlandwochen
in Johannesburg. Sie sollen den Begegnungscharakter
der Fußballweltmeisterschaft unterstreichen.
Im Herbst 2010 finden dann in Kapstadt Deutschland-
wochen unter dem Motto „20 Jahre Deutsche Einheit“
statt. Der Bogen zum Thema Fußball wird durch ein Ju-
gend-Fußballturnier diverser Schulen mit unterschiedli-
chem sozialen Hintergrund in Kapstadt unter Leitung der
New World Foundation in Kooperation mit der Deut-
schen Schule in Kapstadt geschlagen.
Der Sport leistet damit aus meiner Sicht einen un-
schätzbaren Beitrag zur Völkerverständigung. Werte wie
Fairness, Toleranz und Weltoffenheit können so spiele-
risch übermittelt werden. Er nimmt aber zugleich auch
eine besondere Rolle im Rahmen der Entwicklungshilfe
ein.
Durch die Förderung des Breitensports in vielen afri-
kanischen Ländern wird automatisch auch für mehr Inte-
gration von Minderheiten und marginalisierten Gruppen
in den jeweiligen Gesellschaften geworben. Der Dialog
zwischen den Kulturen wird angeregt, um bestehende
Vorurteile abzubauen und neuen vorzubeugen.
Dass bereits ein starker Schwerpunkt der internatio-
nalen Sportförderung des Auswärtigen Amtes bei Afrika
liegt, zeigen auch die nachfolgenden Zahlen.
2009 förderte das Auswärtige Amt im Rahmen der
Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik Sportmaßnah-
men in Afrika mit 3,5 Millionen Euro. Dies entspricht
etwa 70 Prozent der für die Internationale Sportförde-
rung zur Verfügung stehenden Mittel. Es wurden alleine
in Kooperation mit dem DOSB und dem DFB 13 Lang-
zeitprojekte in Afrika – weltweit: 17 – und 36 Kurzzeit-
projekte in Afrika – weltweit: 47 – durchgeführt.
Aus dem Vorgesagten können Sie entnehmen, dass
das Auswärtige Amt bereits sehr intensive Sportförde-
rung gerade auch mit und in Afrika betreibt. Die zusätz-
liche Aufmerksamkeit für internationale Sportförderung
und gemeinsame Projekte durch die Fußballweltmeister-
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chaft in Südafrika im Jahr 2010 wurde rechtzeitig er-
annt, und viele kurz- und langfristige Projekte konnten
nitiiert werden. Eines weiteren Antrages oder gar einer
ufforderung durch den Deutschen Bundestag bedarf es
aher aus meiner Sicht nicht. Lassen Sie uns stattdessen
ie hoffentlich sportlichen fairen Spiele bei der Fußball-
eltmeisterschaft 2010 in Südafrika genießen und uns
ber die Lebensfreude und Weltoffenheit Südafrikas
reuen.
Dagmar Freitag (SPD): Natürlich fällt nicht erst
orgen, dem Tag des Eröffnungsspiels der Fußballwelt-
eisterschaft in Südafrika, der Blick der Welt auf den
frikanischen Kontinent.
Aber für die nächsten vier Wochen geschieht das
chon in einem besonderen Maße; Grund genug, dass
ir uns dem Land mit einem Antrag widmen, der nicht
ur, aber auch die Chancen, die Sport im Rahmen der
uswärtigen Kultur- und Bildungspolitik bietet, aufzeigt.
Unbestritten ist: Die Republik Südafrika hat in den
etzten Jahren einen erkennbaren Wandel vollzogen, der
icht nur Wohlwollen, sondern weitere konkrete Unter-
tützung verdient. Mit der Überwindung des Apartheid-
egimes 1994 konnte sich Südafrika wirtschaftlichen
eziehungen öffnen. Die Fortschritte gipfeln sichtbar für
lle in dem Zuschlag zur Austragung der Fußballwelt-
eisterschaft, dem nach den Olympischen Spielen be-
eutendsten Sportereignis der Welt. Erstmalig findet
olch eine Veranstaltung auf dem afrikanischem Konti-
ent statt – eine Chance weit über Südafrika hinaus.
Die südafrikanische Wirtschaft hat sich seit 1994 er-
eblich stabilisiert; die ökonomischen Kennziffern spre-
hen für sich: Die Inflation ist kontinuierlich zurückge-
angen, ein hohes Haushaltsdefizit von 7 Prozent des
ruttoinlandsprodukts konnte in einen Haushaltsüber-
chuss umgewandelt werden. Bis zur weltweiten Finanz-
rise war für Südafrika bis 2008 ein jährliches Wachs-
um von bis zu 5 Prozent zu verzeichnen; die
usländischen Direktinvestitionen sind kontinuierlich
estiegen. Deutschland ist zusammen mit China wich-
igster Handelspartner.
Zweifellos hat die Ausrichtung der Fußball-WM In-
estitionsanreize in vielen Bereichen ausgelöst: Infra-
trukturausgaben wurden erhöht, die Anzahl der Polizis-
en gesteigert, der Transportsektor ausgebaut, und
eutsche Architekten waren am Bau der Stadien in Kap-
tadt, Durban und Port Elizabeth beteiligt. Deutsch-afri-
anische Wirtschaftsbeziehungen profitieren von diesem
ositiven Trend, erstmals auch im Bereich erneuerbare
nergien. – Auch der Tourismus, ebenfalls wichtiger
irtschaftsfaktor für Südafrika, befindet sich im Auf-
ind: Die Zahl der Touristen hat sich seit 1994 fast ver-
reifacht, trotz bekannter problematischer Sicherheits-
age. Das WM-Austragungsland Südafrika wird alles da-
ansetzen, sich in den kommenden vier Wochen als ein
odernes, stabiles und gastfreundliches Land zu präsen-
ieren.
Erinnern wir uns an die Fußballweltmeisterschaft
006 in Deutschland: Wer hätte uns zugetraut, dass wir
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 46. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Juni 2010 4789
(A) )
)(B)
als Gastgeber derart ausgelassen die WM feiern und
weltoffen und herzlich auf die ausländischen Gäste zu-
gehen? Deutschland hat in vielfältiger Hinsicht von der
Austragung profitiert. Nur ein Beispiel: der ungezwun-
gene, fröhliche Stolz, mit dem deutsche Flaggen das
Straßenbild prägten, verbunden mit einem nachhaltigen
positiven Eindruck, den unsere ausländischen Besucher
mit in ihre Heimatländer nahmen. Wir haben innen- wie
außenpolitisch von der WM 2006 profitiert. Vergleichba-
res ist auch Südafrika zu wünschen. Zur Rückschau ge-
hört aber auch die Erkenntnis, dass es Verlierer bei der
Austragung solcher Sportgroßveranstaltungen gibt. Die
Macht der Vermarkter im Auftrag der internationalen
Sportverbände, in diesem Fall der FIFA, engt die Mög-
lichkeiten der Local Organising Committees in der Re-
gel in einem nicht zu akzeptierenden Maße ein. Der
Kampf um Vermarktungsrechte und die damit verbunde-
nen Erlöse kennt viele Verlierer und nur wenige Gewin-
ner. In den nächsten Wochen werden beispielsweise die
kleinen Straßenhändler, die den Lebensunterhalt ihrer
Familien sichern müssen, aus dem Umfeld der Stadien
vertrieben, mit Verlusten von mindestens einem Monats-
einkommen.
Bei aller Vorfreude: 16 Jahre nach der Überwindung
der Apartheid stehen immer noch viele Südafrikaner am
Rande der Gesellschaft, mit nur geringen Aussichten auf
Bildung und damit ein selbstbestimmtes Leben. 7 Mil-
lionen Menschen gehören zu den Langzeitarbeitslosen,
die Arbeitslosenquote der schwarzen Bevölkerung liegt
bei 40 Prozent, täglich infizieren sich 1 000 Südafrikaner
mit HIV, Südafrika gehört zu den Ländern mit den
höchsten Mord-, Raub- und Vergewaltigungszahlen
weltweit, Energiekrisen prägen den Alltag, Spannungen
und Ausschreitungen in den Townships sind keine Sel-
tenheit.
Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung schrieb:
Südafrika ganz unten: Den Menschen in den Town-
ships von Johannesburg bringt die WM nichts –
keine Arbeit, nicht einmal Strom.
Demnach hat die südafrikanische Regierung umge-
rechnet 40 Milliarden Euro im Zusammenhang mit der
Weltmeisterschaft in die Infrastruktur gesteckt; in den
Townships jedoch herrscht weiterhin Armut. Große Teile
der schwarzen Mehrheit Südafrikas finden kaum Zugang
zur Marktwirtschaft. Ihre Chancen auf geregelte Arbeit
sind auch aufgrund unzureichender Bildungsvorausset-
zungen schlecht. Daher fordern wir die Bundesregierung
auf, Südafrika weiterhin bei der Bekämpfung dieser Pro-
bleme zu unterstützen und das Engagement, das der da-
malige Außenminister Frank-Walter Steinmeier während
seiner Amtszeit entscheidend vorangetrieben hat, fortzu-
setzen. Diese Unterstützung kann auf vielfältige Weise
geschehen. Ich möchte in diesem Zusammenhang auch
auf den Sport als aus unserer Sicht unverzichtbaren Be-
standteil einer erfolgreichen auswärtigen Kultur- und
Bildungspolitik verweisen. Er ist geeignet, langfristige
und nachhaltige Beziehungen aufzubauen und zu nutzen.
Auswärtige Kulturpolitik leistet einen erheblichen
Beitrag zur Festigung von Demokratie. Das Auswärtige
Amt setzt rund 70 Prozent der Sportfördermittel im Rah-
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en der auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik in
portprojekte auf dem afrikanischen Kontinent ein.
Der Deutsche Olympische Sportbund und seine Spit-
enverbände haben allein seit der Jahrtausendwende
und 20 Sportprojekte in Südafrika unterstützt. Die in-
altliche Bandbreite ist beeindruckend: Vom Auf- und
usbau des Fußballsports auf Regional- und Verbands-
bene über Triathlon-, Handball-, Hockey- und Ten-
isprojekte und Projekte im Sport von Menschen mit Be-
inderungen und explizit an Frauen und Mädchen ge-
ichtete Sportangebote bis hin zu sozialpädagogisch
eprägten Projekten im Bereich der Arbeit mit Straßen-
indern und zur Prävention von Gewalt und Kriminalität
ei Kindern und Jugendlichen waren viele der Bereiche
bgedeckt, in denen Sport als Entwicklungsinstrument
irken kann.
Insgesamt stand Südafrika im Zentrum von rund
0 Sportprojekten seit Aufnahme der Sportförderung
urch das Auswärtige Amt Anfang der 60er-Jahre; ins-
esamt wurden weltweit über 1 300 Langzeit- und Kurz-
eitmaßnahmen in über 100 Ländern durchgeführt. Für
as Auswärtige Amt zählt die Sportförderung zu den ab-
olut erfolgreichsten Instrumenten, und das mit einem
ehr geringen Mittelanteil von nur 0,7 Prozent des Ge-
amthaushalts der Kultur- und Kommunikationsabtei-
ung des Auswärtigen Amtes. Umso unverständlicher ist,
ass die schwarz-gelbe Koalition ausgerechnet im „Jahr
es Sports und der Außenpolitik“ 350 000 Euro weniger
ür die Sportförderung des Auswärtigen Amtes zur Ver-
ügung stellt.
Südafrika und der gesamte Kontinent verdienen wei-
erhin unsere Aufmerksamkeit und unsere Unterstüt-
ung.
Marina Schuster (FDP): Die Fußball-WM in Süd-
frika – ein wunderbares Debattenthema, auf das ich
ich die ganze Woche gefreut habe. Denn hier geht es
m gute Nachrichten aus Afrika, um eine Chance.
Erinnern Sie sich an folgende Schlagzeilen? „Das Ti-
ketsystem ist zu kompliziert. Die Stadien sind nicht si-
her. Es schneit. Die Heimmannschaft gibt ein erbärmli-
hes Bild ab. Es gibt Orte, wo man keinem, der eine
ndere Hautfarbe hat, raten würde, hinzugehen. Die Welt
st zu Gast im Jammertal.“
Das sind Zitate aus der Vorberichterstattung über die
ußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland, die die
erliner Zeitung zusammengestellt hat. Wenn man nun
ergleicht, welchen Heldenstatus dieses Turnier rückbli-
kend genießt, dann darf man mal festhalten: Südafrika
st auf einem guten Weg. Es haben noch vor jedem sport-
ichen Großereignis der Neuzeit die Panikmacher am
autesten geschrien, nur um sich wenig später mit Plas-
ikfähnchen und Fanschal am Bierstand anzustellen.
Die Entwicklungen der vergangenen sechs Jahre ha-
en gezeigt: Afrika kann es! Das hat Südafrika stellver-
retend für den gesamten Kontinent eindrucksvoll bewie-
en, trotz aller Skepsis, Widrigkeiten und Hindernisse,
ie das Land in der Vorbereitung des Turniers aus dem
eg räumen musste. Seit der Vergabe der WM an Süd-
4790 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 46. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Juni 2010
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afrika im Jahr 2004 hatte es immer wieder geheißen: Es
war ein Fehler, ein zu großes Risiko, die Ausrichtung
dieser Großveranstaltung an ein afrikanisches Land zu
vergeben. Afrika-Pessimisten überall.
Der Vorwurf bezog sich erstens auf die organisatori-
schen Fähigkeiten der Südafrikaner. „Können die so-
was?“ lautete die Frage. Welch Arroganz wurde da sicht-
bar! Dabei wurde mal eben übergangen, dass Südafrika
bereits 1995 und 2003 die Cricket- und Rugby-Welt-
meisterschaften organisiert hat. Ja, sicher, im Vorfeld
dieser WM gab es Schwierigkeiten und Verzögerungen
beim Bau der Stadien und der nötigen Infrastruktur. Ich
selbst habe mich als Teil der Delegation von Bundes-
kanzlerin Merkel im Jahre 2007 vor Ort vom Stand der
Bauarbeiten überzeugen können. Erst kürzlich konnte
ich das fertige „Cape Town Stadium“ bewundern. Neben
den damals schon unübersehbaren Fortschritten an den
insgesamt neun Spielorten war es vor allem beeindru-
ckend zu beobachten, mit welchem Engagement und
welch einer Begeisterung alle Beteiligten – unter ande-
rem auch eine Menge freiwilliger Helfer – bei der Sache
waren. Spätestens da hatte ich keine Zweifel mehr, dass
alles termingerecht fertig sein würde.
Der zweite Vorwurf lautete, das Sicherheitsrisiko sei
zu groß. Geradezu grotesk war es, als der Überfall auf
den togolesischen Mannschaftsbus Anfang des Jahres im
Norden Angolas als Beleg für das angeblich unzurei-
chende Sicherheitskonzept bei der WM im rund
2 500 Kilometer entfernten Südafrika herangezogen
wurde. Keine Frage: Südafrika hat eine erschreckend
hohe Kriminalitätsrate, insbesondere bei Gewaltverbre-
chen – das belegen die Statistiken. Aber auch hier hat die
Regierung, mit der Unterstützung der FIFA und der Teil-
nehmerländer – unter anderem hat auch das Bundeskri-
minalamt daran mitgewirkt –, ein umfassendes Sicher-
heitskonzept erarbeitet, über 100 Millionen Euro
investiert und mehr als 50 000 Polizisten neu eingestellt.
Diese bleiben übrigens auch über die WM hinaus im
Dienst, sind also nicht bloß eine kurzfristige Placebo-
maßnahme.
Das bringt mich abschließend zum Antrag der SPD-
Fraktion. Sie listen da eine Reihe von Maßnahmen auf,
die schon längst im Gange sind und auch selbstverständ-
lich über das Ende der WM hinaus fortgeführt werden.
Da will ich nur beispielhaft auf die bereits existierende
Einbindung der Goethe-Institute und die Stärkung der
Sicherheitskapazitäten der Afrikanischen Union verwei-
sen, was ebenfalls bereits im Gange ist. Südafrika ist un-
ser strategischer Partner in Afrika. Dies hatten die Mi-
nister Westerwelle und Niebel bei ihrer gemeinsamen
Reise betont. Das gilt besonders für unseren Einsatz für
Frieden und Sicherheit auf dem Kontinent. Wir haben
uns im Koalitionsvertrag darauf verständigt, ein neues,
ressortübergreifendes Afrika-Konzept vorzulegen. Es
wird den sicherheitspolitischen, gesellschaftlichen, öko-
logischen und ökonomischen Herausforderungen ebenso
Rechnung tragen wie den großen Entwicklungspotenzia-
len des afrikanischen Kontinents.
Wir wollen diese positiven Kräfte auf dem Kontinent
stärken und den Aufbruch Afrikas unterstützen – mit
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iner Politik, die auf Partnerschaft für Frieden und Stabi-
ität setzt, auf wirtschaftliche Entwicklung und auf kul-
urelle Verständigung. Lassen Sie uns diese Aufbruch-
timmung, die die anstehende Fußballweltmeisterschaft
pürbar werden lässt, nutzen, um gemeinsam für einen
euen Blick auf den Kontinent zu werben.
Ich bin mir sicher, dass Südafrika in allen Bereichen
ür die WM gut vorbereitet ist, und hoffe auf ein Fuß-
allfest wie vor vier Jahren in Deutschland. Ein Som-
ermärchen – auf der Südhalbkugel in diesem Fall als
intermärchen –, wie wir es erlebt haben, wünsche ich
er Regenbogennation. Und wenn ich mir ein Traumfi-
ale wünschen darf, dann findet es mit einer afrikani-
chen und der deutschen Mannschaft statt!
Jens Petermann (DIE LINKE): Südafrika hat unter
räsident Nelson Mandela wichtige Sportereignisse aus-
erichtet: 1995 die Rugbyweltmeisterschaft, 1997 den
frica Cup of Nations. Beide Turniere haben die Gastge-
er überraschend gewonnen. Beide Turniere haben Süd-
frika wichtige Impulse gegeben mit Blick auf eine ge-
einsame „Nation“.
Morgen wird die Fußballweltmeisterschaft in Süd-
frika eröffnet. Ab morgen könnten also Zeichen gesetzt
erden. Zum ersten Mal wird ein echtes sportliches
roßereignis auf dem afrikanischen Kontinent stattfin-
en. Die Südafrikaner haben große Hoffnung in diese
eltmeisterschaft gelegt: wirtschaftlicher Fortschritt,
ine deutlich verbesserte Infrastruktur und – und das vor
llem – wieder ein stärkeres Gefühl, zusammenzugehö-
en.
All das wäre diesem Land zu wünschen. Noch nie wa-
en die Blicke der Welt so sehr auf diesen Kontinent ge-
ichtet wie jetzt. Aber was sind das für Blicke? Da
chwang und schwingt eine Menge Afrika-Pessimismus
it. Es gab und gibt ein Negativbild vom Krisen-, Kata-
trophen- und Hungerkontinent Afrika – gerade auch
ier, in Europa.
Eigentlich ist Südafrika ein wohlhabendes Land mit
llen seinen Naturschönheiten, seiner Fauna, seinen
einbergen; aber das ist das Land, das die Touristen se-
en. Und die meisten Fans werden auch während der
M vieles nicht sehen. Hier irrt der SPD-Antrag: Es ist
icht gewollt, dass Townships an den touristischen Ver-
ehrsadern sichtbar sind. Deshalb hat es Umsiedlungen
egeben. In „Tin Can City“ wohnen die Menschen in
infachen Wellblechhütten, ohne sanitäre Versorgung.
nd es ist auch nicht gewollt, dass es – aus Sicherheits-
ründen? – Versammlungen in der Nähe der WM-Sta-
ien gibt. Nur leider betrifft dies auch Fußball- und
olzplätze. Junge, vor allem schwarze Freizeitkicker
ind so vier Wochen lang, auf Geheiß der FIFA, ohne
portliche Heimat, eine an sich absurde Maßnahme.
Fast 50 Prozent der Menschen in Südafrika leben un-
erhalb der Armutsgrenze – im dennoch wohlhabendsten
and des afrikanischen Kontinents. Fast alle diese Men-
chen sind schwarz. Die politische Apartheid mag been-
et sein, die ökonomische ist es längst nicht. Nirgendwo
n Afrika klafft die Schere zwischen arm und reich so
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 46. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Juni 2010 4791
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weit auseinander wie im gastgebenden Land der Fuß-
ball-WM 2010.
Fraglos wird insbesondere die Verkehrsinfrastruktur
in Südafrika nach der WM besser sein als zuvor. Vorher
gab es keine. Es sollte keine geben. Im Rassismus war
die Mobilität der schwarzen Bevölkerung nicht er-
wünscht. Ja, es ist sehr viel Geld in die Infrastruktur ge-
flossen. Aber wer kann sich ein Auto oder ein Ticket für
den Super-Schnellzug leisten? Die meisten Schwarzen
fahren mit dem Sammeltaxi oder dem „Armen-Zug“ –
zehn Stunden für umgerechnet sechs Euro. Allerdings
muss ein Drittel der Bevölkerung mit weniger als
15 Rand am Tag auskommen, umgerechnet 1 Euro
35 Cent.
Gerne wird vom „schönen Schein“ gesprochen, wenn
die Rede von Südafrika ist. Nicht wenige vermuten, dass
nach dem Abpfiff der Weltmeisterschaft zumindest Ka-
terstimmung aufkommt. Einige Anzeichen dafür sind
bereits offenkundig: 1 Million Jobs sollte die WM Süd-
afrika bringen. Stattdessen sind anscheinend genauso
viele Jobs im vergangenen Jahr verloren gegangen. Die
streng begrenzten Zonen – vorbehalten den FIFA-Spon-
soren – schließen die einheimischen Händler aus. Kein
Fan-Tourist wird in Stadionnähe in den Genuss einer au-
thentischen südafrikanischen Garküche kommen.
Der Zuschlag für Südafrika hat bei vielen – zu
Recht – Begehrlichkeiten auf Teilhabe geweckt. Denn
auch zwanzig Jahre nach Ende der politischen Apartheid
leben die Südafrikaner in Parallelgesellschaften – viele
Schwarze in Blechhüttendörfern irgendwo im „Regen-
bogenland“. Wie echt ist die Einheit, die wir in den kom-
menden vier Wochen in Südafrika sehen werden? Ist
eine Einheit bei einer derartigen ökonomischen Un-
gleichheit überhaupt möglich?
Als Sportler und Fußballfan bin ich froh, dass die WM
zum ersten Mal auf dem afrikanischen Kontinent stattfin-
den wird. Zudem hoffe ich, dass dieses Sportereignis ei-
nen kleinen Teil dazu beitragen wird, den Rassismus ein
wenig zurückzudrängen. Aber ich warne davor, in einem
derart kommerzialisierten Event einen Heilsbringer zu
sehen, der es nicht sein kann, so sehr ich das bedaure.
Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Davor
können wir Deutsche uns kaum schützen: Sobald es um
die Fußballweltmeisterschaft geht, tritt bei den Jüngeren
das Sommermärchen 2006 ins Gedächtnis, und ältere
Semester erinnern sich an 1954 oder zumindest an die
Erzählungen daran. Das morgen beginnende Fest wird
vermutlich wieder weit mehr als eine Milliarde Men-
schen in seinen Bann ziehen, und wir wünschen uns alle,
dass damit ein Sommermärchen 2010 beginnt.
Es stellt sich allerdings die Frage, ob das Fest in der
Lage sein kann, unser oftmals sehr negativ geprägtes
Bild von Afrika zu überlagern. Afrika hat einen An-
spruch darauf, dass wir diesen Kontinent differenziert
betrachten. Leider haben sich bei uns über Jahre hinweg
Klischees vom verlorenen, hoffnungslosen Schwarzen
Kontinent verfestigt. Zum Teil ist dies verständlich, oft-
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als hat es allerdings mit den Realitäten in den 53 unter-
chiedlichen Staaten nur wenig zu tun.
Afrika ist schon lange mehr als eine entwicklungspo-
itische Herausforderung, denn das Afrika von heute ist
n Bewegung. Das zeigt zum Beispiel die Gründung der
frikanischen Union und eine Vielzahl von regionalen
ntwicklungsinitiativen. Auch gibt es immer mehr de-
okratische Wahlen. Bei Reisen nach Afrika kann man
eute fast überall deutlich vernehmen: Afrika entwickelt
in positives Selbstbewusstsein. Die vielen Menschen
ort haben erkannt, dass Afrika sein Schicksal selbst in
ie Hand nehmen und kann und muss. Dabei dürfen wir
nsere historisch begründete Verantwortung nicht außen
or lassen.
Die Weltmeisterschaft ist zweifellos geeignet, diese
ositive Entwicklung zu verstärken. Der WM-Titel 1954
at auf die ganze deutsche Nation durchaus positiv ge-
irkt, hat die Verkrampfung gelöst und das Selbstbe-
usstsein gestärkt. Die Afrikaner sind im Allgemeinen
enauso fußballverrückt. Deshalb könnte Ähnliches pas-
ieren.
Aber verschließen wir trotzdem nicht die Augen vor
en negativen Realitäten: Tatsächlich relevante wirt-
chaftliche Verbesserungen von der Fußballweltmeister-
chaft zu erhoffen, wäre angesichts der Probleme, mit
enen Südafrika zu kämpfen hat, vermessen: Noch nie
eit dem Ende der Apartheid-Ära 1994 hat es in den
tädten so viele Proteste gegen die schlechte öffentliche
ersorgung und die Korruption auf lokaler und nationa-
er Ebene gegeben. Die inoffizielle Arbeitslosenquote
iegt bei 40 Prozent, es geschehen im Schnitt 50 Morde
m Tag, 21 Prozent der erwachsenen Bevölkerung ist
IV-positiv und 70 Prozent der Kinder leben in Armut.
ie Probleme sind jedoch nicht nur wirtschaftlich: Seit
em Mord an dem ultrarechten weißen Politiker
erre’Blanche am 3. April dieses Jahres geht das Ge-
penst des Rassenkonflikts wieder um. Julius Malema,
er 29-jährige Chef der ANC-Jugendliga, hat das alte
ampflied „Bringt die Buren um, sie sind Vergewalti-
er“ wieder ausgepackt und ist damit zu einem der be-
iebtesten Politiker des Landes aufgestiegen. Rassismus
st in Südafrika weit verbreitet. Pretoria leugnet die
remdenfeindlichkeit, obwohl im Frühjahr 2008 bei ei-
er Hetzjagd auf Arbeitsimmigranten 60 Menschen zu
ode kamen. Zigtausende wurden aus Südafrika vertrie-
en.
Mit großer Traurigkeit müssen wir zur Kenntnis neh-
en, dass Mandelas hervorragende Ansätze zur Versöh-
ung nach seinem politischen Abgang nicht intensiv ge-
ug weiter verfolgt wurden. Die Gründe hierfür liegen
um Teil auch in unserer Verantwortung. 1993 hat der
WF Pretoria gezwungen, Schulden in Höhe von 25 Mil-
iarden Euro zu übernehmen. Dieses Geld war Geld von
eißen für Weiße. Gleichzeitig wurde Südafrika ein
eoliberales Wirtschaftsmodell aufgezwungen, das heißt
eitgehende Privatisierung von Staatsvermögen. Der
ersönliche Reichtum ist zur Triebfeder der politischen
aste geworden.
Wenn wir uns die Verhandlungen zu einem Wirt-
chaftspartnerschaftsabkommen zwischen der EU und
4792 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 46. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Juni 2010
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dem südlichen Afrika oder das bestehende Freihandels-
abkommen zwischen der EU und Südafrika anschauen,
können wir feststellen, dass die EU und damit auch
Deutschland auch heute noch der Logik der bedingungs-
losen Liberalisierung von Handelsbeschränkungen frönt.
Nur ein Beispiel für die negativen Auswirkungen einer
solchen Handelspolitik sind Hähnchen. Wir erinnern uns
ja, wie berechnend und unverantwortlich wir die Hähn-
chenmast in Ghana und Kamerun mit unseren subventio-
nierten, billigen Hähnchenteilen zerstört haben. Im Han-
delsabkommen mit Ghana sind Hähnchenteile nun nach
massiven Protesten von der Liberalisierung ausgenom-
men; im südlichen und östlichen Afrika drohen hingegen
weiterhin lokale Märkte zerstört zu werden.
Ich habe positiv begonnen, und ich möchte meine
kleine Rede auch positiv beenden: Die Fußballweltmeis-
terschaft kann schaffen, was im Alltag vieler Südafrika-
ner noch die Ausnahme ist: Begegnungen zwischen
Schwarz und Weiß, zwischen Arm und Reich, nicht als
Bergarbeiter oder Dienstmädchen, nicht als Hausherr
oder Managerin, sondern schlicht als Fußballfans. 1995
gab der Slogan „One team – one country“ bei der dama-
ligen Rugby-Weltmeisterschaft in Südafrika den Start-
schuss in eine weltweit beachtete und sehr erfolgreiche
Versöhnungsarbeit. Nelson Mandela gelang es damals,
die Weltmeisterschaft zu nutzen, um die noch kurz vor-
her durch die Apartheid gespaltene Nation zu einen.
Dies zeigt auch die Chancen dieser WM für Südafrika.
1995 wurde das südafrikanische Rugby-Team übrigens
Weltmeister.
Anlage 4
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur
Änderung des Gesetzes über die Einsetzung
eines Nationalen Normenkontrollrates (Zusatz-
tagesordnungspunkt 10)
Kai Wegner (CDU/CSU): Wir sind uns sicherlich in
diesem Hause alle einig: Ohne Regelungen ist kein Staat
zu machen!
Aber wie immer geht es um die richtige Dosis, um die
Balance zwischen dem, was geregelt werden muss, und
dem, was nicht geregelt werden soll. Sie kennen alle das
Zitat Lord Dahrendorfs. Er hat einmal gesagt: „Wir brau-
chen Bürokratie, um unsere Probleme zu lösen. Aber
wenn wir sie erst mal haben, hindert sie uns, das zu tun,
wofür wir sie brauchen.“ Das ist – wie ich finde – genau
die richtige Beschreibung dafür, dass wir – dass die Poli-
tik – die Balance finden muss, zwischen dem, was von
staatlicher Seite geregelt werden muss, wo möglicher-
weise eine Überregulierung stattfindet und wo nützliche
Regelungen fehlen. Diese Balance zwischen diesen drei
Feldern müssen wir finden.
Aber dabei muss immer eines das Ziel bleiben, näm-
lich: Umfang und Nebenwirkungen der Regelungen so
gering wie möglich zu halten. Denn zu viele und zu auf-
wendige Regelungen und ihre häufig komplizierte Um-
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etzung stehlen Bürgern, Unternehmen und der Verwal-
ung zu viel Zeit und zu viel Geld – auch wenn schon
rste Fortschritte erreicht wurden. Deshalb wird oft auf
ie Bürokratie geschimpft, auch wenn im Grundsatz ein
ewisses Maß an Regelungen und Gesetzen notwendig
nd sinnvoll ist.
Dieses, seit vielen, vielen Jahren bekannten Dilem-
as hat sich die Bundesregierung angenommen, und mit
u ihren Prioritäten politischen Handelns erklärt. Mit
en „Eckpunkten zum Bürokratieabbau und zur besseren
echtsetzung“ hat die christlich-liberale Bundesregie-
ung am 27. Januar dieses Jahres „Bürokratieabbau“ und
bessere Rechtsetzung“ als eigenständige Politikziele
erankert. Dies zeigt sich unter anderem auch in dem
uftrag an den Koordinator der Bundesregierung für
ürokratieabbau und bessere Rechtsetzung, Eckart von
laeden, regelmäßig im Kabinett über den Stand der
msetzung des Programms zu informieren.
Dass die Bundesregierung in diesem Feld auf dem
ichtigen Weg ist, bestätigt uns zum Beispiel die OECD,
ie am 28. April 2010 ihren „Länderbericht über den
tand der besseren Rechtsetzung in Deutschland“ an die
undeskanzlerin übergeben hat. Darin wird die Bundes-
egierung für ihr Engagement ganz ausdrücklich gelobt.
ie Koordination im Bundeskanzleramt und die Kon-
rolle durch den Normenkontrollrat sowie eine klare Me-
hodik und verbindliche Ziele sorgten – nach OECD-
eobachtungen – dafür, dass die Rechtsetzung in
eutschland immer besser wird. Das ist ein großer Fort-
chritt im Vergleich zum Bericht aus dem Jahr 2003.
Und um den Erfolg des Regierungsprogramms wei-
erhin sicherzustellen, wollen wir unsere Anstrengungen
erstärken, den eingeschlagenen Weg konsequent wei-
ergehen, ja sogar ausbauen. Die Fraktionen von CDU/
SU und FDP im Deutschen Bundestag haben dazu
eute einen Entwurf zur „Änderung des Gesetzes zur
insetzung eines Nationalen Normenkontrollrates,
KR-Gesetz“ auf den Weg gebracht.
Wie in der Kabinettsklausur im November vergange-
en Jahres beschlossen, bezieht die Koalition mit dieser
esetzesnovelle den Normenkontrollrat, NKR, umfas-
ender in die Rechtsetzung mit ein. Der unabhängige
ormenkontrollrat bleibt die zentrale Institution des Bü-
okratieabbaus, wird jedoch erheblich gestärkt, indem
as Mandat und die Kompetenzen des NKR ausgeweitet
erden.
Der Normenkontrollrat – ein mit Experten aus Wirt-
chaft und Verwaltung besetztes unabhängiges Bera-
ungsgremium der Bundesregierung – wurde bereits im
ahr 2006 im Zusammenhang mit der Verabschiedung
es Regierungsprogramms „Bürokratieabbau und bes-
ere Rechtsetzung“ eingesetzt. Bisher prüft der NKR bei
llen Gesetzentwürfen der Bundesregierung die Darstel-
ung des bürokratischen Aufwands, der durch die Befol-
ung sogenannter Informationspflichten bei Bürgern,
irtschaft und öffentlicher Verwaltung entsteht, und
egt gegebenenfalls die Erarbeitung kostengünstigerer
lternativen an.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 46. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Juni 2010 4793
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)(B)
Künftig soll diese Begutachtung auf den gesamten
Aufwand ausgedehnt werden, der für die Betroffenen bei
der Erfüllung bundesrechtlicher Vorschriften anfällt. Das
ist im § 2 unter dem sogenannten „Erfüllungsaufwand“
zu verstehen. Während bisher zum Beispiel nur der
Nachweis über den Einbau eines Abgasfilters in die Be-
trachtung bürokratischer Belastungen eingeflossen ist,
werden künftig auch dessen Preis und die Kosten für den
Einbau berücksichtigt, die sogenannten sonstigen Kos-
ten der Wirtschaft.
Neben den Regelungsentwürfen der Bundesministe-
rien soll der NKR künftig außerdem Gesetzesentwürfe
des Bundesrates und Regelungsvorhaben aus der Mitte
des Bundestages, soweit eine Fraktion dies beantragt,
prüfen können. Was heißt, dass auch Oppositionsfraktio-
nen einen Entwurf der Koalition dem NKR vorlegen
könnte. Damit wäre das Schlupfloch gestopft, dass in der
Vergangenheit Vorhaben über Regelungen am NKR
„vorbeigemogelt“ werden konnten. Jeder Initiator – egal,
ob Regierungsfraktion oder Opposition – wäre dann also
gut beraten, die Gesetzentwürfe regelmäßig vorab auf
ihre Auswirkungen hinsichtlich der Bürokratiebelastung
abzuschätzen.
Das entscheidend neue Element des Regierungspro-
gramms ist die Betrachtung des gesamten Aufwands, der
zur Erfüllung einer gesetzlichen Verpflichtung notwen-
dig ist. Diese Ausweitung des Programms auf den ge-
samten Erfüllungsaufwand bringt einen Perspektiv-
wechsel mit sich: Das Recht wird aus der Sicht aller
Betroffenen untersucht und weiterentwickelt. Damit
betritt die Bundesregierung – auch im internationalen
Vergleich – methodisches Neuland. Mit diesem neuen
Ansatz entfällt die bisherige Trennung von Informations-
pflichten und anderen zur Normerfüllung auferlegten
Pflichten; denn man misst die Gesamtbelastung, die sich
für Bürger, Wirtschaft und Verwaltung durch die Recht-
setzung ergibt.
Die bisherige Beschränkung auf Informationspflich-
ten war häufig ein Kritikpunkt aus der Wirtschaft und
den Verbänden. Aber auch die Bürger bemängelten, dass
beispielsweise Umstellungs- oder Anschaffungskosten
als Teil ihrer durch die Befolgung von Vorschriften aus-
gelösten Belastung bei der Darstellung von Gesetzesfol-
gen nicht berücksichtigt wurden. Die Bundesregierung
hat daher beschlossen, künftig den gesamten Aufwand
für alle Betroffenen in den Blick zu nehmen. Dabei be-
treten wir Neuland und entwickeln die bewährten Mess-
und Schätzinstrumente weiter.
Bisher sind wir in der Frage des Standardkosten-Mo-
dells und der Informationspflichten dem Beispiel ande-
rer Länder, insbesondere den Niederlanden, gefolgt.
Wenn wir jetzt ein ähnlich objektives Messverfahren für
den Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger, die
Wirtschaft und die Verwaltung erarbeiten, dann sind wir
an der Spitze der internationalen Entwicklung.
Die Bereiche, in denen der Erfüllungsaufwand ermit-
telt und Reduzierungen aufgezeigt werden sollen, sind in
der jetzt anstehenden ersten Phase: Planungs- und Bau-
recht von Infrastrukturvorhaben; Steuererklärungen,
steuerliche und zollrechtliche Nachweispflichten; Har-
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onisierung und Verkürzung der Aufbewahrungs- und
rüfungsfristen nach Handels-, Steuer-, und Sozialrecht;
etriebliche Beauftragte; Antrag auf gesetzliche Leistun-
en, insbesondere für Existenzgründer und Kleinunter-
ehmen sowie bei drohender Firmeninsolvenz, die Si-
uation von Menschen, die pflegebedürftig, chronisch
rank oder akut schwer krank sind, Familien und Allein-
rziehende; Erleichterung der elektronischen Übermitt-
ung der Gewerbeanzeige. Damit sind Bereiche ange-
prochen, die jeweils einen großen Teil der Wirtschaft
nd der Bevölkerung betreffen, oder aber Bereiche, in
enen Betroffene in einer besonders schwierigen Situa-
ion sind.
Konkret heißt das: Im Vordergrund der Betrachtung
teht das, was bei den Betroffenen passiert. Wir stellen
ns während des Gesetzgebungsverfahrens, an dem der
KR im Verfahren stets beteiligt ist, ex ante, sowie beim
bbau bestehender Bürokratie, an dem der NKR in der
egel methodisch an den Prozessen beteiligt ist, ex post,
ie Frage: Was löst das Recht bei den Betroffenen in der
ealität aus? Also bei den Bürgerinnen und Bürgern so-
ie bei der Wirtschaft, den Unternehmen und Betrieben
nd bei der Verwaltung.
Das heißt weiterhin: Wir untersuchen nicht mehr nur
ine abstrakte isolierte Norm, sondern – wenn man so
ill – das wahre Leben! Und wie Sie wissen, wirken im
ahren Leben stets viele Normen gleichzeitig. Die Ver-
altung ist beispielsweise in aller Regel eine Länder-
der Kommunalverwaltung. Da wirken meist Bund,
änder, Kommunen und gegebenenfalls andere Selbst-
erwaltungsträger, zum Beispiel Krankenkassen, Ren-
enversicherung oder berufständische Kammern, zusam-
en. Und das bedeutet auch, dass die Bundesregierung
nd damit auch der NKR künftig sehr viel intensiver als
isher ebenen- und rechtsbereichsübergreifend arbeiten
üssen.
Allerdings gebietet die Vernunft auch Grenzen. Ein
eispiel dazu: Wenn eine vierspurige Straße gebaut wer-
en soll und man dort den Erfüllungsaufwand um
5 Prozent reduzieren will, dann ist damit nicht gemeint,
ass man statt einer vierspurigen nur eine dreispurige
traße baut. Mit Erfüllungsaufwand ist also all das ge-
eint, was an Aufwand betrieben werden muss, um die
traße bauen zu können. Mir ist natürlich aber auch be-
usst, dass die Fragen, wo die Grenze des Messbaren
iegt und welcher Aufwand gesetzlich veranlasst ist, in
er Abgrenzung schwierig bleiben. Die Initiative der Re-
ierungsfraktionen im Deutschen Bundestag zeigt deut-
ich, dass Parlament und Regierung zur Steigerung der
echtsetzungsqualität in Deutschland an einem Strang
iehen. Staatliche Regulierungen soll es nur dort geben,
o es unbedingt erforderlich ist. Der daraus entstehende
ufwand muss für die Betroffenen so gering wie mög-
ich sein.
Eines will ich sagen: Den Bürgerinnen und Bürgern
owie der Wirtschaft ist es zu Recht egal, ob nun das
arlament oder die Regierung oder alle gemeinsam bü-
okratische Belastungen verursachen. Ich begrüße es
eshalb sehr, dass das Prüfungsrecht des NKR entspre-
hend erweitert wird. Die geplante Mandatserweiterung
4794 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 46. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Juni 2010
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ist auch Ausdruck der hohen Wertschätzung für die Ar-
beit des NKR. An dieser Stelle möchte ich mich deshalb
ganz herzlich bei allen bedanken, die im Normenkon-
trollrat mitarbeiten – sowohl bei denen, die den Normen-
kontrollrat selbst bilden, als auch bei den Mitarbeiterin-
nen und Mitarbeitern.
Die kleinen und mittleren Unternehmen sind dennoch
nach wie vor durch staatliche Regulierung besonders
stark belastet. Sie können sich keine große Verwaltung
leisten, die „nur“ damit beschäftigt ist, die häufigen und
kleinteiligen Änderungen des sowieso schon komplizier-
ten Rechts in Deutschland nachzuvollziehen, Meldungen
abzugeben und Anträge zu stellen.
Bislang hat die Bundesregierung Maßnahmen mit
Entlastungen von rund 7 Milliarden Euro jährlich auf
den Weg gebracht. Das sind knapp 15 Prozent der Ge-
samtbelastung. Wie beim Langstreckenlauf wird die
zweite Hälfte der Strecke sicherlich schwerer als die
erste. Dennoch sind weitere Entlastungen möglich und
nötig. Jetzt muss es endlich zu wirklich spürbaren Ent-
lastungen kommen.
Das Ziel, 25 Prozent der Bürokratiekosten der Wirt-
schaft im Vergleich zum Stand vom 30. September 2006,
rund 47 Milliarden Euro jährlich, bis 2011 abzubauen,
ist deshalb im Kabinettsbeschluss vom 27. Januar 2010
als Netto-Vorgabe formuliert worden. Das heißt, die be-
reits erzielten Entlastungen von rund 7 Milliarden Euro
pro Jahr dürfen nicht durch neue Belastungen an anderer
Stelle wieder aufgezehrt werden. Nach jetzigem Stand
weitere rund 5 Milliarden Euro an jährlichen Bürokosten
der Wirtschaft bis 2011 abzubauen, ist zwar ehrgeizig,
aber erreichbar.
Denn nur wenn die Menschen in unserem Land das
Gefühl haben, dass es den tatsächlichen Willen gibt, Bü-
rokratie auf ein Minimum zu reduzieren, dann wächst
auch die Akzeptanz staatlichen Handelns, und zwar auf
allen Ebenen.
Die Erfahrungen der Vergangenheit, insbesondere im
Hinblick auf das Steuerrecht, haben dazu geführt, dass
die Unternehmer erhebliche Zweifel daran haben, ob die
Politik tatsächlich jemals die Kraft zum spürbaren Büro-
kratieabbau findet. Aber wir müssen die Kraft dafür fin-
den und dafür aufbringen; denn Bürokratieabbau ist ein
dringend erforderlicher Beitrag zu mehr Wachstum und
Beschäftigung in Deutschland, sozusagen ein Konjunk-
turprogramm zum Nulltarif. Und dieses Potenzial wollen
und werden wir nutzen.
Andrea Wicklein (SPD): Der Abbau von Bürokratie,
die Unternehmen und Bürger belastet, ist ein wichtiges
Ziel unserer Wirtschaftspolitik. Wir wollen, dass sich
Unternehmer auf die Erreichung ihrer wirtschaftlichen
Ziele konzentrieren, anstatt sich mit dem Ausfüllen von
umständlichen Anträgen beschäftigen zu müssen oder
Berichte zu schreiben. Darin sind wir uns hier sicher alle
einig. Gerade in der jetzigen wirtschaftlichen Lage ist es
wichtig, unnötige Bremsen in der Wirtschaft zu lösen.
Dazu gehört der Abbau von Bürokratie.
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Den Aufwand an Bürokratie zu reduzieren, war ein
ind der Großen Koalition. Mit dem „Programm für Bü-
okratieabbau und bessere Rechtsetzung“ und den drei
ittelstandsentlastungsgesetzen hatte die letzte Bundes-
egierung gezeigt, dass sie es damit ernst meint. Es ist
er Großen Koalition gelungen, Belastungen von rund
Milliarden Euro abzubauen. In Anbetracht der kurzen
eit kann sich das Ergebnis sehen lassen.
Schon im Jahr 2006 hatten wir den Normenkontrollrat
ingesetzt und damit eine Überprüfung und Messung der
ürokratischen Lasten unserer Unternehmen eingeführt.
s wurde eine Bestandsaufnahme eingeleitet, die inzwi-
chen abgeschlossen ist. Gleichzeitig schufen wir damit
in Instrument, um die Gesetzgebung – also uns selbst –
u kontrollieren. Mit der Überprüfung von Gesetzen
onnte der Kontrollrat eine Netto-Entlastung von
,6 Milliarden Euro erreichen.
Ziel der SPD ist aber nicht nur ein Abbau bürokrati-
cher Lasten, der zu Einsparungen führt. Es ging auch
mmer um die Praxis einer besseren Rechtsetzung. Das
erhältnis der Bürgerinnen und Bürger zu den staatli-
hen Stellen soll verbessert werden. An diesem über-
eordneten Ziel halten wir als SPD fest. Uns geht es
arum, Verwaltungsabläufe zu überprüfen und zu mo-
ernisieren, wenn möglich zu vereinfachen. Für uns be-
eutet Bürokratieabbau aber nicht, bewährte soziale oder
esellschaftliche Standards zu reduzieren oder notwen-
ige Aufgaben des Staates infrage zu stellen. Ob im Um-
eltschutz, beim Steuerrecht oder beim Arbeitsrecht:
ine effiziente Verwaltung ist notwendig, um die Inte-
essen der Bürgerinnen und Bürger und des Staates zu
ichern. Daher haben wir ein Interesse an gut ausgebil-
etem und motiviertem Personal in der öffentlichen Ver-
altung. Das möchte ich ausdrücklich klarstellen. In
iesem Sinn begrüßen wir nochmals die Einigung zur
eform der Arbeitsverwaltung. Eine Zerschlagung der
obcenter hätte Langzeitarbeitslose mit neuen Formula-
en belastet und sie zu unterschiedlichen Stellen ge-
chickt. Das verhindern wir nun durch eine Änderung
es Grundgesetzes.
Noch immer kostet die deutsche Bürokratie die Wirt-
chaft rund 48 Milliarden Euro. Bis Ende 2011, so das
iel, soll ein Viertel davon abgebaut sein. Die bisher
ntersuchten Informationspflichten machen aber nur
5 Prozent der Bürokratiekosten insgesamt aus. Die ge-
lante Stärkung des Kontrollrates und die Ausdehnung
einer Zuständigkeiten ist daher nachvollziehbar. Da
eht der vorliegende Gesetzentwurf in die richtige Rich-
ung. Eine Ausweitung der Untersuchung über Informa-
ionspflichten hinaus ist richtig. Die Überprüfung von
esetzentwürfen gewinnt damit eine neue Qualität. Es
ird nicht mehr nur unnötige Bürokratie abgebaut, son-
ern auch eine effektive Verwaltung ermöglicht.
eutschland nimmt damit eine Vorreiterrolle in Europa
in.
Diese Vorreiterrolle muss Deutschland stärker nutzen.
ereits mehrfach hat der Normenkontrollrat in seinen
tellungnahmen darauf hingewiesen, dass die europäi-
che Ebene in die Anstrengungen zum Bürokratieabbau
it einbezogen werden muss. Bereits die Hälfte aller
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 46. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Juni 2010 4795
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)(B)
Bürokratiekosten wird in Deutschland durch europäische
Regelungen verursacht. Hier muss die Bundesregierung
in den Gremien der EU aktiver werden und zum Beispiel
eine Folgekostenabschätzung für alle europäischen
Rechtsakte erreichen.
National können wir durch eine Ausdehnung der Be-
fugnisse des Nationalen Normenkontrollrates voran-
schreiten. Das setzt aber voraus, dass der Normenkon-
trollrat auch zu dieser Arbeit befähigt wird. Der
Gesetzentwurf der Koalition sieht zwar eine Ausdeh-
nung der Mitglieder des Rates auf zehn Personen vor,
sagt aber nichts über die Mitarbeiterausstattung im Se-
kretariat des Normenkontrollrates. Es wird zu überprü-
fen sein, ob zwei weitere Stellen im Sekretariat ausrei-
chend sind, um die Aufgaben zu erfüllen.
Das Gleiche gilt für den Faktor Zeit. Nur wenn Ge-
setzentwürfe rechtzeitig dem Normenkontrollrat zugelei-
tet werden, kann er sich überhaupt damit beschäftigen.
Sicher gibt es Ausnahmesituationen, in denen ein
schnelles Handeln des Gesetzgebers unabdingbar ist.
Das zeigen Beispiele in den letzten zwei Jahren, als es
um die Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise ging. Trotz-
dem stellen wir immer wieder fest, dass Gesetzentwürfe
in nächtlichen Runden endverhandelt werden, die dann
eine Stellungnahme des Normenkontrollrates vor der
Einbringung in den Bundestag ausschließen.
Wichtig ist auch, dass die neuen Aufgaben des Nor-
menkontrollrates hinreichend definiert werden. Die De-
finition und das Verständnis des Begriffs „Erfüllungsauf-
wand“, den der Rat ermitteln soll, bedarf der genauen
Erörterung. Ob die im vorliegenden Gesetzentwurf ge-
fundene Formulierung ausreichend und abschließend ist,
muss diskutiert werden. Es wird nicht mehr nur das
Standardkosten-Modell anzuwenden sein, wir brauchen
einen neuen Ansatz. In der Schweiz ist unlängst vom
Schweizerischen Gewerbeverband ein Modell entwi-
ckelt worden. Der Deutsche Bundestag kann jedoch
Stellungnahmen des Normenkontrollrates nur dann in
seiner Arbeit berücksichtigen, wenn eindeutig erkennbar
ist, auf welcher Grundlage überprüft wurde.
Geplant ist ebenfalls, Gesetzesvorlagen der Fraktio-
nen in die Prüfungen mit einzubeziehen. Das ist eine
konsequente Schlussfolgerung der bisherigen Zielset-
zung. Die Erfahrungen des Nationalen Normenkontroll-
rates sind inzwischen dafür ausreichend. Vorgeschlagen
wird, dass auf Antrag einer Fraktion – damit auch gegen
den Willen der Einbringer – Gesetzentwürfe überprüft
werden. Es muss aber sichergestellt werden, dass der
Normenkontrollrat nicht zu einem Verschiebebahnhof
der Regierungsfraktionen für unliebsame Oppositions-
entwürfe wird. Ebenso sollten die Entscheidungen des
Bundesrates in die Bemessung einbezogen werden. Hier
sind die Länder gefragt.
Der jetzt vorliegende Gesetzentwurf bedeutet für uns
nicht das Ende der Anstrengungen zum Bürokratieab-
bau. In seiner Arbeit hat der Normenkontrollrat deutlich
gemacht, dass es sinnvoll erscheint, auch über den Tel-
lerrand der Gesetzgebung hinaus zu schauen. Der Voll-
zug der Gesetze bei Ländern, Gemeinden oder Sozial-
verbänden ist ebenso entscheidend. Dort ist nämlich der
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rt, an dem Formulare erstellt werden und der eigentli-
he Kontakt mit den Bürgerinnen und Bürgern stattfin-
et. Die Zusammenarbeit mit diesen Stellen ist daher un-
bdingbar.
Wir begrüßen daher die Modellprojekte, die der Nor-
enkontrollrat in diesem Bereich unternommen hat. Es
ing um die Anträge zum Elterngeld, zum Wohngeld
nd zum BAföG. Damit hat der Normenkontrollrat ganz
irekt den Sinn des Bürokratieabbaus für die Bürgerin-
en und Bürger in den Fokus genommen. Daran sollte er
eiter arbeiten. Er wird so auch zu einem Beratungsgre-
ium für untergeordnete Ebenen.
So wissen wir jetzt, dass das Ausfüllen eines BAföG-
ntrages 335 Minuten dauert, also rund 5½ Stunden.
abei halten die Hälfte aller Antragsteller die Formulare
n Teilen für unverständlich. Die BAföG-Ämter brau-
hen dann mindestens 1½ Monate zur Bearbeitung, in
renzfällen sogar ½ Jahr. Da bleibt für den Bürokratie-
bbau viel zu tun! Der Normenkontrollrat hat dazu Vor-
chläge zusammengetragen, die sicher eine nähere Be-
rachtung wert sind.
Am Ende sind jedoch alle Anstrengungen umsonst,
enn aufgrund schlechter Politik ständig neue bürokrati-
che Hürden für die Bürgerinnen und Bürger hinzukom-
en. Ein Beispiel ist das sogenannte Wachstumsbe-
chleunigungsgesetz. Der ermäßigte Mehrwertsteuersatz
ür Hotelübernachtungen hat am Ende mehr Bürokratie
rzeugt, bei den Hotels genauso wie bei den Ämtern.
as kann jeder nachvollziehen, der seit 1. Januar in ei-
em Hotel übernachtet hat und dort auch ein Frühstück
estellte. Dieses Beispiel zeigt, dass auch beim Abbau-
iel von 25 Prozent auf der Basis des Jahres 2006 nicht
ur abgeschaffte, sondern auch neue Regelungen in die
ilanz einfließen müssen. Außerdem müssen wir selbst
eim Formulieren von Gesetzen die damit verbundenen
ürokratischen Belastungen immer mitdenken. In den
ergangenen Jahren haben wir da einen Bewusstseins-
andel ausgelöst, den wir alle verinnerlichen müssen.
Frank Schäffler (FDP): Seit 2006 unterstützt der
ationale Normenkontrollrat, NKR, die Bundesregie-
ung beim Bürokratieabbau. Er hat sich dabei als unab-
ängige und kompetente Institution einen Namen ge-
acht und ist allgemein anerkannt. Mit dem vor-
iegenden Gesetzentwurf wollen wir ihn erheblich stär-
en. Er soll künftig nicht mehr nur die Entwürfe der
undesregierung, sondern auch Vorhaben des Bundesra-
es und aus der Mitte des Bundestages – auf Antrag einer
raktion – prüfen. Die inhaltlichen Prüfungskompeten-
en des NKR werden durch § 4 Abs. 2 NKRG erweitert.
anach kann der NKR beispielsweise die Eins-zu-eins-
msetzung von EU-Richtlinien oder Erwägungen zur
efristung und Evaluierung von Gesetzen prüfen.
Wichtig ist dabei jedoch, dass der NKR nach wie vor
uf eine Plausibilitätsprüfung und die Prüfung der Me-
hodengerechtigkeit beschränkt ist. Die Ziele und Zwe-
ke der jeweiligen Regelung sind nicht Gegenstand der
ontrolle durch den NKR, sondern unterliegen weiter-
in der politischen Entscheidung der Rechtsetzungsor-
ane. Das Primat der Politik bleibt selbstverständlich ge-
4796 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 46. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Juni 2010
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)(B)
wahrt. Der NKR wird in seiner beratenden Rolle
gestärkt, behält aber seine politische Neutralität und Un-
abhängigkeit.
Die christlich-liberale Koalition bekräftigt das Ziel,
die Informationspflichten für die Wirtschaft um 25 Pro-
zent abzubauen. Wir wollen aber nun beim Bürokratie-
abbau einen entscheidenden Schritt weitergehen. Bisher
wurden nur die Informationspflichten in den Blick ge-
nommen. Allerdings begegnet Bürokratie Bürgern und
Unternehmen vielfach auch in anderen Bereichen. Wir
wollen den Ansatz deshalb ausweiten und mit dem Er-
füllungsaufwand den gesamten messbaren Zeitaufwand
und die Kosten, die durch die Befolgung einer bundes-
rechtlichen Vorschrift entstehen, darstellen.
Auch Vertragspflichten zwischen Privaten werden
künftig einbezogen. Dabei werden solche Erklärungen,
die für das Vertragsverhältnis grundlegend sind, also bei-
spielsweise Angebot und Annahme oder eine Kündigung
eines Vertrages, nicht einbezogen. Berücksichtigt wer-
den aber jene von den Bürgern als Bürokratie empfunde-
nen Informationspflichten wie beispielsweise Warnhin-
weise oder Begründungspflichten.
Die sich aus den Stellungnahmen des NKR ergebende
umfassende Kenntnis der Folgen, die ein Gesetz für die
Betroffenen hat, erleichtert dem Gesetzgeber eine be-
wusste und verantwortungsvolle Entscheidung bei der
Rechtsetzung und leistet somit einen wichtigen Beitrag
zur besseren Rechtsetzung. Bürokratieabbau und bessere
Rechtsetzung wirken wie ein Wachstumsprogramm zum
Nulltarif. Wie im Koalitionsvertrag angekündigt, wollen
CDU/CSU und FDP dieses Potenzial nutzen.
Michael Schlecht (DIE LINKE): Keine Bundesre-
gierung der Nachkriegszeit hat die Wirtschaft so an die
Wand gefahren. Um das wirtschaftliche Desaster perfekt
zu machen, lassen Sie mitten in der Krise die Bevölke-
rung das radikalste Sparprogramm der Nachkriegsge-
schichte bezahlen. Dies wird die Inlandsnachfrage
abwürgen und insbesondere den Mittelstand in Deutsch-
land treffen. Alles, was ihnen zu Wirtschaft noch ein-
fällt, sind daher Sonntagsreden über Bürokratieabbau.
Sie konnten bislang nicht einmal nachweisen, dass die
bisherigen Befugnisse des Normenkontrollrates einen
wesentlichen Beitrag zur Effizienz der Gesetzgebung
oder der Belebung der Wirtschaft geleistet haben. Der
Normenkontrollrat soll zukünftig nicht nur die Kosten
der Informationspflichten durch Gesetze überprüfen,
sondern die Kosten des Vollzugs. Außerdem sollen nicht
nur Gesetzesvorlagen der Bundesregierung, sondern
auch des Bundesrates bzw. des Bundestages überprüft
werden. So weit, so gut. Die Linke unterstützt selbstver-
ständlich effiziente Gesetze, die keine sinnlosen Kosten
verursachen.
Das Problem ist, was Sie unter Bürokratie verstehen.
Dazu reicht ein Blick in das Steuerkonzept der FDP. Die
FDP will ihre Steuergeschenke für Besserverdiener etwa
durch die Senkung der Standards beim Straßenbau finan-
zieren. Das hätte sich Berlusconi nicht besser ausdenken
können. Viele Länder beneiden uns um Bauvorschriften
zur Wärmedämmung. Damit wird viel Energie gespart.
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us Sicht eines Bauunternehmens entstehen aber Kos-
en. Bedeutet dies nach dem hier vorgelegten Gesetz,
ass solche Vorschriften unter Bürokratiekosten fallen
der nicht? Früher kamen Ausländer nach Deutschland
nd lobten die deutsche Infrastruktur, die übrigens eine
oraussetzung für wirtschaftlichen Erfolg ist. Heute sind
iele Besucher unseres Landes schockiert, wie sehr un-
ere Straßen, Verkehrsmittel oder Universitäten verlot-
ern. Der Skandal um die Kölner U-Bahn ist nur ein Bei-
piel, dass Sie mit Bürokratie nicht die Kosten für die
llgemeinheit sondern die Kosten für schlampige Unter-
ehmen meinen. Damit benachteiligen Sie auch jene Be-
riebe, die auf hohem Niveau arbeiten.
Der Bürokratieabbau der Bundesregierung ging im-
er mit dem Abbau der Qualität amtlicher Statistiken,
it geringeren Umweltstandards oder Datenschutz ein-
er. Ich habe von Ihnen auch noch nie etwas zu der un-
äglichen Bürokratie gehört, die Sie etwa Menschen
umuten, die ihre Arbeit verloren haben und zur Arbeits-
gentur müssen. Das alles verstecken Sie hinter nebulö-
en Konzepten wie der Standardkostenmessung.
Der vorliegende Gesetzentwurf ist daher nur die
00. Fortsetzung einer schlechten Seifenoper. Jedes Jahr
ällt den Arbeitgeberverbänden etwas Neues ein, was ih-
en das Leben schwer macht. Und jedes Mal legt die
undesregierung einen neuen Gesetzentwurf vor, der
ichts anderes ist als der Wunschzettel der Arbeitgeber-
erbände in Form einer Bundestagsdrucksache. Ihnen
eht es beim Bürokratieabbau nur darum, Gesetze der
olitik, die den Lobbyisten nicht schmecken, den Stem-
el bürokratisch zu verpassen. Daran ändert auch das
ippenbekenntnis nichts, dass es sich hierbei nicht um
inen Eingriff in die Politik, sondern nur um die Bewer-
ung von Bürokratiekosten handelt.
Die Praxis zeigt etwas anderes: In der Modellregion
um Bürokratieabbau Ostwestfalen-Lippe stiegen Um-
eltverbände und Gewerkschaften aus dem Projekt aus.
hr Vorwurf lautet: Unter dem Deckmantel des Bürokra-
ieabbaus wird der Naturschutz demontiert und einseitig
olitik für die Wirtschaft gemacht, nämlich auf Kosten
er Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und ihrer
echte.
Ich habe daher einen ganz praktischen Vorschlag: Vor
rei Jahren versorgten Sie Edmund Stoiber mit einem
ob in Brüssel. Er ist dort ehrenamtlicher Leiter einer
rbeitsgruppe zum Bürokratieabbau. Ich würde gerne
issen, was er dort eigentlich macht und wie viel Ton-
en Papier und Geld mit dieser Arbeitsgruppe verbrannt
urde? Das wäre doch einmal eine schöne Aufgabe für
en Normenkontrollrat.
Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
unächst einmal begrüße ich es sehr, dass endlich ein
esetzentwurf vorgelegt wird, den wir im Wirtschafts-
usschuss federführend beraten können. Daran herrscht
ämlich Mangelware, seit Rainer Brüderle als Bundes-
irtschaftsminister im Amt ist. Und ich freue mich, dass
chwarz-Gelb erste Vorbereitungen macht, um Bürokra-
ie abzubauen, wie im Koalitionsvertrag versprochen.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 46. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Juni 2010 4797
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Leider war es das auch schon mit der Freude, denn der
Gesetzentwurf bleibt leider auf halbem Wege stehen.
Union und FDP lassen die Chance verstreichen, den
Normenkontrollrat viel stärker in den Dienst der Abge-
ordneten zu stellen. Das ist sehr bedauerlich. Denn was
nutzt es, wenn die Fraktionen den Normenkontrollrat zu
einer Stellungnahme auffordern können, diese Stellung-
nahme aber im Zweifel erst erfolgt, wenn das Gesetzge-
bungsverfahren abgeschlossen ist? Das ist ein Placebo,
und ich hoffe, dass wir hier im Ausschuss noch eine bes-
sere Lösung finden werden. Es sollte die Regel und nicht
die Ausnahme sein, dass der Normenkontrollrat eine ab-
schließende Stellungnahme abgibt, bevor ein Gesetzge-
bungsverfahren abgeschlossen wird.
Ganz ähnlich ist es mit dem Nettoziel zum Bürokra-
tieabbau. Die Regierung hat sich in ihrem 2009er Be-
richt zum Stand des Bürokratieabbaus zum Nettoziel be-
kannt, und das haben wir auch sehr begrüßt. Die kleinen
und mittleren Unternehmen haben nichts davon, wenn
wir hier im Bundestag an der einen Stelle unnütze Belas-
tungen streichen, aber an anderer Stelle doppelt und
dreifach neue Pflichten aufbauen. Das zeigt sich zum
Beispiel bei dem missglückten Reparaturversuch für die
Sofortabschreibungen für geringwertige Wirtschaftgüter.
Da steht jetzt zwar wieder die alte Wertgrenze von
410 Euro drin, aber daneben existiert ein Wahlrecht für
die vorherige Sammelpostenregelung. Das ist alles sehr
kompliziert und unnötig aufwendig für die Unterneh-
men. Oder auch die Steuerermäßigung für Hoteliers und
das dann folgende Hickhack mit getrennter Abrechnung
von Übernachtung und Frühstück und so weiter.
Das Nettoprinzip für den Bürokratieabbau macht also
durchaus Sinn. Allerdings steht im Gesetzentwurf von
Schwarz-Gelb von einem Nettoziel nichts drin. Dieses
Nettoziel sollten wir unbedingt noch in die Berichts-
pflichten der Bundesregierung hineinschreiben. Damit
wäre gesichert, dass künftig entlastende und belastende
Maßnahmen im Jahresbericht der Bundesregierung zum
Bürokratieabbau gegenübergestellt werden. Wir hätten
endlich ein klares Bild, wie sich die Bürokratielasten tat-
sächlich entwickeln. Ich bin mir sicher, wir werden uns
die Augen reiben, wie wenig sich im Saldo bisher verän-
dert hat.
Für die Bürgerinnen und Bürger, für Selbstständige
und Mittelständler geht es darum, dass Bürokratieabbau
für sie wirklich spürbar wird. Bisher ist diese Spürbarkeit
aber eher gering. Das hat auch der Normenkontrollrat be-
reits angemahnt. Deshalb sehe ich es als großen Fort-
schritt an, dass wir Abgeordneten künftig mit dem ge-
samten Erfüllungsaufwand konfrontiert werden, den die
Vorschläge der Bundesregierung, der Länder und auch
Vorschläge aus der Mitte des Bundestages heraus für die
Bürger und für die Unternehmen auslösen. An diesem
gesamten Erfüllungsaufwand sollten dann aber auch die
Bürokratieabbauziele gemessen werden. Ansonsten er-
gibt sich ein falsches Bild: Im letzten Bericht hat sich die
Regierung nämlich noch gefeiert, dass sie bis Ende 2009
die Bürokratiekosten der Wirtschaft aus Informations-
pflichten von 47,6 Milliarden Euro pro Jahr bereits um
rund 6,6 Milliarden Euro abgebaut habe. Damit wäre das
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tappenziel auf dem Weg zur angestrebten Netto-Entlas-
ung der Wirtschaft um 25 Prozent bis Ende 2011 im Ver-
leich zu 2006 erreicht. Dabei geht es aber nur um die In-
ormationspflichten, keineswegs um die tatsächlichen
ürokratiekosten, die zum Beispiel durch Behörden-
änge, Genehmigungs- und Zertifizierungsverfahren aus-
elöst werden. Hier sollte nicht weiter Zeit vertan wer-
en. Zum Beispiel sollten die Ministerien bei ihren
orschlägen zum Bürokratieabbau, die sie bis zum 1. Juli
orlegen müssen, bereits auf die Reduzierung des gesam-
en Erfüllungsaufwands abzielen.
Dieser Gesetzentwurf schafft einen Rahmen, um den
ürokratieabbau voranzubringen. Die konkreten Maß-
ahmen müssen folgen. Hier bleibt die Regierung in einer
ringschuld. Nötig wäre ein umfassendes Bürokratieab-
auprogramm, das unnötige bürokratische Belastungen
us allen geltenden gesetzlichen Regelungen zusammen-
tellt und Vorschläge zum Abbau entwickelt. Fakt ist
uch, dass die Bundesebene allein keinen Erfolg haben
ird, die Bürokratielasten entscheidend abzubauen. Wir
rauchen eine gemeinsame Initiative von Bund, Ländern
nd Kommunen. Bürokratieabbau muss von einer politi-
chen Floskel zu einem verbindlichen Ziel werden. Denn
eniger Bürokratie ist ein langfristig wirksames Kon-
unkturprogramm, das zudem wenig kostet. Die Ministe-
ien sollten deshalb für jedes Jahr verbindliche Bürokra-
ieabbauziele für ihr Haus formulieren, und die Minister
ollten jährlich mit den Haushaltsberatungen im Deut-
chen Bundestag und seinen Ausschüssen zur Einlösung
ieser Ziele sowie zu den Zielen des Folgejahres Rede
nd Antwort stehen.
nlage 5
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Antrags: Unsere Meere brau-
chen Schutz (Tagesordnungspunkt 18)
Ingbert Liebing (CDU/CSU): Täglich erschüttern
ns die Nachrichten und Bilder von der Ölkatastrophe
or der Südküste der USA. So erfährt derzeit ein Thema
ine hohe Aufmerksamkeit: der Schutz der Meere, ein
ichtiges Anliegen. Die Berichte, die uns tagtäglich aus
em Golf von Mexiko erreichen, machen deutlich, welch
ravierenden Einfluss menschliche Aktivitäten auf das
arine Ökosystem haben können und wie wichtig ein ef-
ektiver Schutz der Meere ist. Auf schmerzliche Art und
eise werden wir daran erinnert, wie groß die Bedeu-
ung der Ozeane und Meere für unser tägliches Leben
st.
Zwar wurde dem Meeresschutz in den vergangenen
ahren auf verschiedenen Ebenen verstärkt Rechnung
etragen. Es wurde bereits viel Gutes erreicht, dennoch
eben wir uns mit dem bisher Erzielten noch nicht zu-
rieden. Noch lange nicht wurden alle Probleme einer
ufriedenstellenden Lösung zugeführt.
Vor diesem Hintergrund ist es bedauerlich, dass der
orliegende Antrag der SPD-Fraktion eine wahllose An-
inanderreihung meerespolitischer Aspekte darstellt. Ein
4798 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 46. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Juni 2010
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umfängliches Sammelsurium, ohne jede Form der Prio-
risierung. Teilweise werden nur Themen benannt, aber
keine Lösungen. Zudem lässt er wesentliche Bereiche
ganz aus, zum Beispiel die Auswirkungen der illegalen
Fischerei, Fragen der in Nord- und Ostsee versenkten
Munition oder Wechselwirkung von Schifffahrt und
Meeresumwelt. Ihr Antrag benennt ein wichtiges
Thema, ist aber mit ganz heißer Nadel gestrickt.
Erstaunlich finde ich auch die Forderungen der SPD,
wofür sich die Bundesregierung alles verstärkt einsetzen
soll. Wo waren Sie denn in den vergangenen elf Regie-
rungsjahren, Ihr SPD-Umweltminister in den vergange-
nen vier Jahren? Im Grunde ist Ihr Antrag eine schal-
lende Ohrfeige für Gabriel, wenn so viel zu kritisieren
und so wenig zu loben ist. Dabei ist doch auch viel Gutes
auf dem Weg.
Gerne möchte ich drei Forderungen aus Ihrem Antrag
exemplarisch herausgreifen:
Erstens. Meeresschutzgebiete. Im Bereich der Mee-
resschutzgebiete ist Deutschland Vorreiter. Im Jahr 2010,
das durch die Generalversammlung der Vereinten Natio-
nen zum „Internationalen Jahr der biologischen Vielfalt“
ausgerufen wurde, erfüllt die Ostseeregion als erste
Meeresregion weltweit die Zielvorgabe der UN-Konven-
tion zur Biologischen Vielfalt. Sie ist weltweit die erste
Meeresregion, die es geschafft hat, mindestens 10 Pro-
zent der Meeresfläche als Meeresschutzgebiete vorwei-
sen zu können. Innerhalb des deutschen Ostseegebietes
sind sogar mehr als 35 Prozent als Meeresschutzgebiete
ausgewiesen.
Die Deutsche Nationale Meeresstrategie setzt klare
Akzente für eine integrierte Meeresschutzpolitik und bil-
det eine wesentliche Grundlage für die Mitwirkung auf
regionaler und europäischer Ebene. Nicht zuletzt be-
treibt Deutschland im Rahmen von OSPAR die Identifi-
zierung und Ausweisung von Meeresschutzgebieten im
Nordostatlantik auf hoher See. Diese Liste ließe sich be-
liebig fortsetzen, aber schon jetzt ist deutlich geworden:
Im Bereich der Meeresschutzgebiete hat Deutschland
eindeutige Erfolge vorzuweisen.
Aber es geht nicht nur um die Ausweisung von Mee-
resschutzgebieten, sondern viel wichtiger sind die kon-
kreten Rechtsetzungen, was in diesen Schutzgebieten
künftig erlaubt und was verboten sein soll. Es geht um
konkrete Maßnahmenprogramme. Dafür war gerade im
vergangenen Monat die HELCOM-Konferenz in Mos-
kau ein wichtiger Fortschritt für die Ostsee.
Zweitens. Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (MSRL).
Das Ziel der MSRL, die am 15. Juli 2008 in Kraft trat, ist
es, Meeresschutz und Meeresnutzung in eine Balance zu
bringen. Der integrative Politikansatz, der der Richtlinie
zugrunde liegt, dient dem Schutz des marinen Ökosys-
tems als Ganzes. Dies schließt die biologische Vielfalt
und die Meeresschutzgebiete als Unterpunkte ein. Priori-
täres Ziel der Richtlinie ist es, bis 2020 einen guten Um-
weltzustand der europäischen Meere zu erreichen. Dazu
hat die Richtlinie im Anhang I elf qualitative Deskripto-
ren entwickelt, die den Zustand bzw. die Gesundheit der
Meere messen sollen. Der Eintrag von Müll in die Meere
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tellt dabei ein Kriterium dar („Die Eigenschaft und
engen der Abfälle im Meer haben keine schädliche
uswirkungen auf die Küsten- und Meeresumwelt“) –
eben zehn weiteren. Der vorliegende Antrag, der in Be-
ug auf die MSRL ausschließlich von Müll spricht,
reift somit zu kurz und wird dem umfassenden Ansatz
er MSRL in keiner Weise gerecht.
Drittens. Vermüllung der Meere. Die Vermüllung der
eere bringt mich zu meinem dritten Punkt. Mit Blick
uf die Forderung in Ziffer 6, die Bundesregierung möge
ich stärker auf europäischer und internationaler Ebene
afür einsetzen, dass der Eintrag gefährlicher und radio-
ktiver Stoffe, von Nährstoffen und Abfällen so weit wie
öglich gesenkt wird, bitte ich Folgendes zu beachten:
eutschland ist seit den 1970er-Jahren Mitglied der
ELCOM (Ostsee) und der OSPAR (Nordsee und des
ordostatlantiks). Das bedeutet, dass sich unser Land im
ahmen regionaler Kooperationen bereits seit vielen
ahren intensiv dieser Problematik widmet. Dieser regio-
ale Ansatz ist deshalb so wichtig, da Lösungen am bes-
en dort entwickelt und am effektivsten umgesetzt wer-
en, wo die Probleme entstehen.
Beim Thema „Vermüllung der Meere“ helfen aber
berdramatisierungen nicht weiter. Plastik und anderer
üll in den Meeren ist ein Problem, aber wenn gerade in
en vergangenen Tagen Meldungen durch die Medien
eisterten, allein die Reinigung des sieben Kilometer
angen Strandes von Westerland auf Sylt erbringe täglich
is zu zwei Tonnen Müll, jährlich 23 000 Müllsäcke,
ann muss man sich dies schon etwas genauer ansehen.
as ist vor allem die Menge Müll, die die Strandbesu-
her hinterlassen – unter anderem in Müllbehältern, wie
s sich gehört. Müll aus dem Meer wird zwar nicht sepa-
at erfasst, aber dürfte örtlichen Schätzungen zufolge
ielleicht gerade 1 Prozent umfassen. Wenn das UBA
it diesen argumentiert, aber den Eindruck erweckt, es
ehe um Müll aus dem Meer, wird dies also den Fakten
icht gerecht. Dem Thema helfen wir mit solchen Dis-
ussionen nicht weiter.
Dabei gibt es natürlich auch an den Stränden Pro-
leme mit Müll aus dem Meer. Ich nenne immer wieder
orkommende Anlandungen von Öl aus illegaler Öl-Wä-
che auf dem Meer, oder das Paraffin-Problem: kein
chädlicher Stoff, aber ein Stoff, der eben nicht an die
trände gehört und deshalb von den Kommunen teuer
ntsorgt werden muss.
Insgesamt zeichnet der Antrag ein falsches Bild, denn
r zeichnet ein Bild deutscher Passivität mit Blick auf
en Meeresschutz. Wir sollten es aber vermeiden, den
indruck zu erwecken, als dass alles schlecht sei und
islang nichts substanziell Gutes erreicht worden sei. Ich
abe anhand einiger ausgewählter Beispiele deutlich ge-
acht, dass dem Schutz der Meere in den vergangenen
ahren verstärkt Rechnung getragen wurde. Auch in Zu-
unft werden wir weiter dafür sorgen, dass den Meeren
ie Aufmerksamkeit zuteilwird, die sie um ihrer selbst
illen verdienen, aber die wir ihnen auch aus Eigeninte-
esse zukommen lassen müssen.
Diese Absicht möchte ich mit einem Beispiel unter-
treichen, das aktueller nicht sein könnte: Es erfüllt mich
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 46. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Juni 2010 4799
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mit großer Freude, dass es uns anlässlich der aktuellen
internationalen Verhandlungen zur Zukunft der IWC am
heutigen Tag gelungen ist, einen fraktionsübergreifenden
Antrag für die Fortsetzung und Verbesserung eines kon-
sequenten Walschutzes zu verabschieden. Das ist ein
starkes Votum des Deutschen Bundestages für den
Schutz der großen Meeressäuger, ein wichtiger Beitrag
zum Meeresschutz.
Josef Göppel (CDU/CSU): Der Antrag „Unsere
Meere brauchen Schutz“ fasst die Vorschläge zum Mee-
resschutz zusammen. Viele bekannte Probleme werden
in der Tat richtig angesprochen; die Dinge müssen den-
noch im Einzelnen abgearbeitet werden.
Ihr Antrag folgt im Wesentlichen der Rede von Bun-
desminister Röttgen zum Meeresschutz vom 12. Mai
dieses Jahres. Ich darf den Bundesumweltminister zitie-
ren: „Die Meere sind ein kostbares Naturerbe. Sie bilden
die größten zusammenhängenden Ökosysteme der Erde.
99 Prozent des Lebensraumes, den unser Planet zur Ver-
fügung stellt, ist hier angesiedelt. Es ist deshalb unser ur-
eigenes Interesse, biologische Vielfalt und dynamische
Meeresökosysteme in einem sicheren, sauberen, gesun-
den und produktiven Zustand zu erhalten.“ Um die Viel-
falt der Meeresökosysteme und ihren Artenreichtum zu
erhalten und zu sichern, haben die Europäische Union
und die Bundesregierung bereits gehandelt. Seit dem
15. Juli 2008 ist die Europäische Meeresstrategie-Rah-
menrichtlinie 2008/56/EG, MSRL, in Kraft. Ziel der
Richtlinie ist es, den Meeresschutz und die Meeresnut-
zung in eine Balance zu bringen. Bis zum Jahr 2020 soll
damit ein „guter Umweltzustand“ der europäischen
Meere erreicht werden.
Am 1. Oktober 2008 hat die Bundesregierung die
„Nationale Strategie für die nachhaltige Nutzung und
den Schutz der Meere“, kurz „Nationale Meeresstrate-
gie“, beschlossen. Damit wird die Europäische Richtli-
nie in deutsches Recht umgesetzt. Für den Schutz der
biologischen Vielfalt der Meere soll bis 2012 ein welt-
weites Netz von Meeresschutzgebieten geschaffen wer-
den. Deutschland wird zu diesem Ziel 10 000 Quadratki-
lometer ausgewiesener Natura-2000-Gebiete beisteuern.
Zurzeit werden im Bundesumweltministerium die not-
wendigen Schutzverordnungen und die Bewirtschaf-
tungspläne erarbeitet, um die Nachhaltigkeit sicherzu-
stellen.
Das Wattenmeer, das zum Großteil im vergangenen
Jahr in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufge-
nommen wurde, ist eines der größten Feuchtgebiete der
Erde und ein einzigartiger Lebensraum. Hier kooperie-
ren wir bereits jetzt erfolgreich und grenzüberschreitend
mit unseren Nachbarstaaten.
Auch im Punkt Klimaschutz möchte ich Herrn
Röttgen zitieren, der sagt: „Klimaschutz bedeutet Mee-
resschutz. Aber es gilt auch: Meeresschutz bedeutet Kli-
maschutz.“
Ich unterstreiche ausdrücklich die Notwendigkeit,
zum Schutz der Meere aktiv zu handeln. Sie sehen, der
vorliegende Antrag rennt offene Türen ein. Viele der in
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hrem Antrag geforderten Punkte befinden sich bereits in
msetzung. Ich glaube, wir sind uns einig, dass wir im
eeresschutz noch viel erreichen müssen. Unterstützen
ie deshalb den Bundesumweltminister bei der Umset-
ung seiner Pläne zum internationalen Meeresschutz und
ei der Umsetzung der Nationalen Meeresstrategie.
Frank Schwabe (SPD): Wir haben als SPD-Bundes-
agsfraktion diese Debatte nicht zufällig für heute bean-
ragt. Denn heute ist der Weltozeantag und es ist wichtig,
ass heute diese Debatte zum Thema Meere und deren
chutz geführt wird. Den Weltozeantag gibt es nun
chon seit einigen Jahren, seit letztem Jahr ist er offiziell
on der UN anerkannt. Der diesjährige Tag der Ozeane
teht unter dem Motto „Unsere Ozeane: Möglichkeiten
nd Herausforderungen“.
Wie wichtig die Meere sind, erschließt sich mit einem
lick, wenn man unseren Planeten aus dem Weltall be-
rachtet. Wir leben auf dem Blauen Planeten. Die Meere
edecken 71 Prozent der Erdoberfläche, bieten volumen-
äßig 99 Prozent des Lebensraumes auf dem Planeten
nd stellen somit das größte Ökosystem dar. Die Meere
ind Ursprung allen Lebens, sie sind Regulator für das
lima unserer Erde, sie bergen gewaltige Energieres-
ourcen und sind eine wichtige Nahrungsquelle. Die
eere sind ein kostbares Naturerbe. Sie bilden die größ-
en zusammenhängenden Ökosysteme der Erde.
Der Schutz der Meere ist deshalb besonders wichtig.
ange Zeit wurden die Meere in einem Irrglauben an die
nerschöpflichkeit der Ressourcen und eine grenzenlose
egenerationsfähigkeit genutzt. Die Folgen dieses Han-
els wurden viel zu spät erkannt. Heute drohen ökologi-
che Risiken und negative Auswirkungen auf die Meeres-
mwelt. In nur wenigen Jahrzehnten hat der Mensch es
eschafft, die ältesten Lebensräume unseres Planeten bis
n die Belastungsgrenze und darüber hinaus auszubeu-
en. Der faszinierenden Vielfalt der Ozeane droht die
ernichtung. Damit wird aber auch gleichzeitig die Nut-
ung der Meere durch den Menschen beeinträchtigt.
eeresumweltschutz dient also auf der einen Seite dazu,
chädigungen des Ökosystems Meer zu verhindern und
leichzeitig das Potenzial für seine nachhaltige Nutzung
u sichern. Dieses Ziel kann am besten durch die Inte-
ration meeresschutzrelevanter Aspekte in andere Poli-
ikbereiche wie Fischerei, Landwirtschaft, Industrie,
erkehr usw. erreicht werden.
Deshalb sprechen wir in unserem Antrag verschie-
enste Aspekte an. Einen anderen Aspekt haben wir vor
inigen Stunden schon besprochen, deshalb möchte ich
en Schutz der Wale nur kurz anreißen. Es ist gut, dass
ich der Deutsche Bundestag geschlossen für einen kon-
equenten Schutz von Walen ausgesprochen hat. Somit
aben wir der Bundesregierung für die Verhandlungen in
gadir in Marokko den Rücken gestärkt. Obwohl von
roßer Bedeutung ist, dass sich die Internationale Wal-
angkommission – IWC – auf ein Verbot von Walfang
inigen wird, dürfen wir jedoch nicht aus den Augen
erlieren, dass der Bestand der Wale nicht nur durch
ücksichtslose Jagd massiv gefährdet wurde und immer
och gefährdet ist. Neben dem Walfang werden die
4800 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 46. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Juni 2010
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größten Säugetiere unserer Erde durch viele Gefahren
bedroht. Dabei spielt die Verschmutzung der Umwelt
eine große Rolle wie beispielsweise Belastungen mit
Dauergiften.
Die Auswirkungen chemischer Verschmutzung auf
Wale und Delfine gehen von direkten Vergiftungen bis
hin zur Beeinträchtigung und Zerstörung wichtiger Le-
bensräume. Langlebige organische Verbindungen wie
zum Beispiel Pestizide, etwa DDT, oder Industriechemi-
kalien wie die Polychlorierten Biphenyle gelangen in die
marine Umwelt und reichern sich bis zum Ende der Nah-
rungskette an. Und wer steht am Ende der Nahrungs-
kette? Es sind die Wale und Delfine. In einigen Gebieten
der Welt sind die an den Strand gespülten toten Körper
von Walen und Delfinen so stark kontaminiert, dass sie
als Giftmüll gesondert entsorgt werden müssen. Aber
auch der Klimawandel, militärische Sonare und der
zehntausendfache Tod der Wale als sinnloser Beifang in
den Netzen der Weltfischerei stellen das Überleben der
Meeressäuger infrage. Um die Wale umfassend zu schüt-
zen, müssen wir gleichzeitig auch stärker ihren Lebens-
raum schützen. Womit wir wieder beim Thema unseres
Antrags wären.
In zunehmenden Maße wächst die Bedrohung der
Meere durch den Klimawandel. Die Folgen des Klima-
wandels werden voraussichtlich immens sein. Wenn die
globale Erwärmung nicht auf unter zwei Grad Celsius
begrenzt wird, drohen ganze marine Ökosysteme zu ver-
schwinden. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen
auf, dass der Klimawandel große Veränderungen und
Schäden für die Meeresumwelt und die Küsten verursa-
chen wird, die erhebliche Folgen für den Menschen ha-
ben dürften. Die Oberflächenschichten erwärmen sich,
der Meeresspiegel steigt immer rascher an, die Meere
versauern zunehmend und die Meeresökosysteme sind
bedroht. Die Menschheit ist dabei, Prozesse im Meer an-
zustoßen, die in den letzten Jahrmillionen ohne Beispiel
sind, gleichzeitig aber wegen der erheblichen geophysi-
kalischen Verzögerungseffekte den Zustand der Welt-
meere für Jahrtausende bestimmen werden. Damit greift
der Mensch an entscheidender Stelle in die Funktions-
weise des Erdsystems ein, wobei viele Folgen noch nicht
genau vorhersehbar sind. Deshalb ist Klimaschutz für
den Schutz und Erhalt des Lebens in den Meeren unab-
dingbar. Wir brauchen möglichst schnell ein Kioto-An-
schlussabkommen, das Minderungsverpflichtungen ent-
hält, mit denen das Zwei-Grad-Ziel erreicht werden
kann.
Um den Umfang und die Konsequenzen des Klima-
wandels auf die maritime Umwelt zu untersuchen, star-
tete das Forschungsschiff „Polarstern“ gestern eine vier-
monatige Reise in arktische Gewässer. Die Erwärmung
und Versauerung der Meere sowie ein deutlicher Anstieg
des Meeresspiegels sind heute bereits messbar. Auch die
Umweltschutzorganisation Greenpeace ist mit ihrem
Schiff „Esperanza“ unterwegs im hohen Norden. Wis-
senschaftler sollen für Greenpeace untersuchen, wie sich
die Eisschmelze und die Ozeanversauerung in der emp-
findlichen Polarregion auswirken. Hintergrund dieser
Untersuchungen ist, dass die Ozeane einen großen Teil
des von Menschen verursachten Kohlendioxids spei-
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hern und damit der Erderwärmung entgegenwirken.
eit Beginn der Industrialisierung haben sie bereits so
iel Kohlendioxid aufgenommen, dass der Säuregrad
es Wassers um 30 Prozent angestiegen ist. Bis 2100
ird er voraussichtlich um weitere 100 Prozent wach-
en, falls der CO2-Ausstoß in seiner derzeitigen Höhe
ortgesetzt wird. Konsequenzen hat das vor allem für
alkbildende Organismen wie Muscheln, Schnecken,
eeigel, Kalkalgen oder kalkhaltiges Plankton.
Die Folgen der Versauerung der Weltmeere gehören
edoch zu den bislang noch am wenigsten erforschten
limaproblemen. Für den Schutz der Arktis sind jedoch
icht nur Maßnahmen gegen den Klimawandel notwen-
ig. Wir brauchen einen internationalen Vertrag zum
chutz der Arktis nach dem Vorbild des Antarktisvertra-
es. Um die Schaffung vollendeter Tatsachen zu verhin-
ern, muss sich die Bundesregierung nachdrücklich und
nverzüglich für ein Moratorium einsetzen mit dem Ziel,
ämtliche Gebietsansprüche oder sonstigen Ansprüche
m Hinblick auf die arktischen Ressourcen bis zu einem
ndgültigen Schutzabkommen zurückzustellen.
Die Arktis und ihr Schutz sind keine Themen, die es
uf die Titelseiten der Zeitungen schaffen. Sie sind je-
och genauso wichtige Themen wie die Verschmutzung
er Meere durch Öl. Natürlich haben wir in unserem An-
rag auch die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko ange-
prochen. Wir fordern die Bundesregierung auf, sich für
in Moratorium für Öl-Tiefseebohrungen einzusetzen,
olange die Technologien noch nicht verfügbar sind, um
uftretende Unfälle zu beherrschen. Auch haben wir das
roblem der Meeresverschmutzung durch Produktions-
asser der Bohrplattformen angesprochen. Die Bundes-
egierung muss sich auf europäischer und internationaler
bene dafür einzusetzen, dass beim Betrieb von Ölplatt-
ormen die Techniken zur Reinigung der Produktions-
asser verbessert werden. Der Haupteintrag von Öl in
ie Meere durch Ölplattformen erfolgt nicht durch spek-
akuläre Unfälle, sondern durch den täglichen Betrieb
uf den Ölplattformen. Um diesen Eintrag zu vermin-
ern, ist beim Betrieb der Ölplattformen darauf hinzuar-
eiten, dass der Ölanteil im Produktionswasser weiter
bgesenkt wird, bis eine Produktionsweise erreicht wird,
ei der keinerlei umweltbelastende Stoffe mehr in die
mwelt abgegeben werden.
Auch fragen wir an, ob denn alles getan wird, damit
ich so ein schrecklicher Unfall, wie wir ihn gerade im
olf von Mexiko erleben, nicht vor der deutschen Küste
reignen kann. Und sollte doch so ein Unfall passieren,
b das Unfall- und Katastrophenmanagement gegen Öl-
nfälle effektiv genug gestaltet ist und alle denkbaren
efahrenlagen umfasst.
Wenn wir heute über den Schutz der Meere reden, so
uss auch der Schutz der marinen Artenvielfalt im Zen-
rum stehen. Die Vereinten Nationen haben 2010 als In-
ernationales Jahr der biologischen Vielfalt ausgerufen.
iese Proklamation dient dazu, das Thema biologische
ielfalt mit seinen vielen Facetten weltweit stärker ins
ffentliche Bewusstsein zu rücken. Zurzeit schwindet
ie biologische Vielfalt weltweit in einer Geschwindig-
eit, wie sie in der Geschichte vorher nicht beobachtet
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 46. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Juni 2010 4801
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wurde. Die aktuelle Rate des globalen Artensterbens
übersteigt die angenommene natürliche Aussterberate
um das 100- bis 1 000-fache. Nach Daten der Weltnatur-
schutzorganisation IUCN sind derzeit weltweit mehr als
16 000 Arten vom Aussterben bedroht, darunter etwa ein
Viertel aller Säugetiere, ein Drittel aller Amphibienarten
und 12 Prozent der Vogelarten. Bei den Ökosystemen
zeigt sich ein ähnliches Bild: Karibische Korallenriffe
sind bereits zu 80 Prozent zerstört, 35 Prozent aller Man-
groven wurden innerhalb der letzten 20 Jahre vernichtet.
Nach Angaben der Sachverständigenrates der Bun-
desregierung gelten 88 Prozent der Fischbestände in den
europäischen Meeren als übernutzt, 30 Prozent der Be-
stände als bedroht. Deshalb ist es von höchster Wichtig-
keit, dass ein globales Netzwerk von Meeresschutzge-
bieten durch das UN-Übereinkommen über Biologische
Vielfalt, CBD, geschaffen wird. Meeresschutzgebiete
sind Gebiete, in denen die wirtschaftlichen Nutzungsin-
teressen aufeinander abgestimmt sind und ihre Ausbrei-
tung dem Schutzauftrag entsprechend begrenzt wird.
Dazu gehören Fischerei, Öl- und Gasförderung sowie
Sand- und Kiesabbau. Meeresschutzgebiete sind ein
Schlüsselinstrument gegen den Verlust der marinen Ar-
tenvielfalt und für den Schutz der Meere und ihrer Be-
wohner. In Meeresschutzgebieten können sich über-
fischte Bestände erholen, und die Fischerei profitiert von
wachsenden Populationen. Ein effektives Netzwerk von
Meeresschutzgebieten muss groß genug sein, um Arten
und ökologische Prozesse nachhaltig zu sichern und zu
erhalten. Wichtig dabei ist auch eine wirkungsvolle und
effiziente Kooperation bei der Ausweisung und dem Ma-
nagement von grenzüberschreitenden Schutzgebieten.
Sei es beim Artenschutz, bei der Fischerei oder dem
Klimaschutz: Ziel muss sein, die Nutzung und Bewah-
rung der Meere wieder miteinander zu verbinden. Wir
müssen den Schutz der Meere vermehrt auf die politi-
sche Agenda setzen und hartnäckig und mit langem
Atem für Verbesserungen kämpfen. Als Politik müssen
wir hierfür den Dialog suchen und dafür eintreten, dass
kurzfristiges Profitdenken durch langfristige Verantwor-
tung abgelöst wird.
Angelika Brunkhorst (FDP): Der Schutz der Meere
ist insgesamt nach wie vor eine große Herausforderung.
Die Erhaltung der Ökosysteme und der biologischen
Vielfalt der Meere dient dem Schutz der gemeinsamen
natürlichen Ressourcen. Davon wollen letztendlich auch
wir immer wieder profitieren.
Es ist ganz richtig, die Wichtigkeit des Lebensraums
Meer hervorzuheben. Da stimme ich Ihnen voll und ganz
zu. Ihre im Antrag angesprochenen Verlustszenarien
sind nachvollziehbar, dennoch ist die daraus entstandene
Projektion von absoluten Vernichtungsszenarien mir zu
dramatisch.
Die FDP sieht in der verantwortungsvollen Nutzung
der Meeresressourcen eine besondere Herausforderung.
Meeresschutz und Meeresnutzung sollen in Balance ge-
bracht werden.
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Auf europäischer Ebene gilt seit 2008 die Meeresstra-
egie-Rahmenrichtlinie, die den Ordnungsrahmen für die
otwendigen Maßnahmen für alle EU-Mitglieder
chafft. Bis 2020 soll ein „guter Zustand der Meeresum-
elt“ in allen europäischen Meeren erreicht bzw. erhal-
en werden. Hier existiert schon einmal eine Strategie,
ie den Schutz des Meeres vorantreibt. Sie legt den Öko-
ystemansatz zugrunde und wählt den integrativen Poli-
ikansatz.
Die Vertragsstaaten der Konvention über die Biologi-
che Vielfalt, CBD, haben bereits 2004 das Ziel formu-
iert, bis 2012 ein Netzwerk von Meeres- und Küsten-
chutzgebieten einzurichten. Auf der Landfläche der
rde sind derzeit etwa 10 Prozent unter besonderen
chutz gestellt. Bei den Meeren sind es weltweit nur
,5 Prozent. Daher bin ich ganz auf Ihrer Seite, dass der
atur auch hier die notwendigen Schutzräume einzuräu-
en sind. Deutschland ist auf einem guten Weg, da wir
ereits etwa 10 000 Quadratkilometer als Natura-2000-
ebiete ausgewiesen haben.
Wir werden uns für den Aufbau eines globalen Sys-
ems von Meeresschutzgebieten gerade im Hinblick auf
ie 10. Vertragsstaatenkonferenz in Nagoya/Japan ein-
etzen. Momentan haben wir noch den Vorsitz der Kon-
erenz.
Die Forderung der Einrichtung eines weltweiten Net-
es von Meeresschutzgebieten haben wir ausdrücklich
m Koalitionsvertrag festgehalten. Wir setzen uns gerade
m Jahr der Biologischen Vielfalt dafür ein, dass der Ver-
ust der Artenvielfalt gestoppt wird, so auch der marinen
rten. Der Artenschutz ist eine globale Aufgabe. Inter-
ationale Natur- und Artenschutzabkommen sind bedeu-
end für die Koordination der Maßnahmen. Internatio-
ale Maßstäbe zur Bewertung der Biodiversität müssen
tärker erforscht werden. Eine ständige Verbesserung der
issensgrundlage in Bezug auf die Meere ist Vorausset-
ungen für die Gestaltung von wirkungsvollen Schutz-
aßnahmen.
Auch der Klimawandel mit einem weltweiten Anstieg
er Temperatur wirkt sich auf die Meeresumwelt aus.
in steigender CO2-Gehalt der Luft führt zur Versaue-
ung der Meere. Saures Wasser erschwert den minerali-
chen Aufbau neuer Korallen, Muscheln oder Schnecken
nd kann zu deren Zerstörung führen.
Liebe Kollegen von der SPD, die von Ihnen angespro-
hene Forderung, sich verstärkt für den Abschluss eines
nternationalen Kioto-Anschlussabkommens einzuset-
en, damit das Zwei-Grad-Ziel erreicht werden kann, ist
ünschenswert, aber in der Umsetzung schwierig. Wie
ir in Kopenhagen gesehen haben, war eine Einigung
erade mit den großen Schwellenländern und den USA
uf derartige Ziele momentan nicht möglich. Nicht alle
änder fühlten sich diesem Ziel gleichermaßen ver-
flichtet und wollten mit einer ambitionierteren Klima-
chutzpolitik beispielsweise die Meere schützen. Leider
aben nur 25 der 193 Teilnehmerstaaten sich auf der Kli-
aschutzkonferenz in Kopenhagen verständigt, die glo-
ale Erwärmung auf zwei Grad zu begrenzen.
4802 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 46. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Juni 2010
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Liebe Kollegen von der SPD, Sie fordern den Ab-
schluss eines internationalen Vertrags zum Schutz der
Arktis nach dem Vorbild des Antarktisvertrags und die
Einsetzung eines Moratoriums. Der Antarktisvertrag
kann aus unserer Sicht nicht ohne Weiteres auf die Ark-
tis übertragen werden, da die Gebietsansprüche inner-
halb der Arktis noch nicht eindeutig geklärt sind. Es ist
völkerrechtlich noch völlig unklar, ob der Nordpol – und
vor allem das Nordpolarmeer – überhaupt von einer Na-
tion beansprucht werden kann: 1994 trat die Seerechts-
konvention der Vereinten Nationen in Kraft, nach der
Staaten Anspruch auf Meeresregionen erheben können,
die bis zu 200 Seemeilen vor ihrer Küste liegen. Eine
Entscheidung der Vereinten Nationen, wer wo seine
Grenzen rund um den Nordpol ziehen darf, steht noch
aus. Die betreffenden Staaten müssen wissenschaftliche
Belege vorweisen, die ihre Ansprüche stützen.
Der Schutz der Meeresumwelt und des Nordostatlan-
tiks ist in dem OSPAR-Abkommen geregelt, bei dem
Deutschland Mitglied ist. Hier sind schon eindeutige
Schutzregelungen bis hin zur Arktis getroffen worden.
Der Schutz der Meere, die Nutzung der Meeresressour-
cen und die Entwicklung der maritimen Wirtschaft sehen
wir als eine große Herausforderung an.
Sabine Stüber (DIE LINKE): Das Thema Meeres-
schutz hatten wir in den letzten Monaten häufiger im
Bundestag auf der Tagesordnung. Die unterschiedlichen
Anlässe waren die 11. Trilaterale zum Wattenmeerschutz
im März, der internationale Tag der Biologischen Viel-
falt im Mai und in dieser Woche zum Tag des Meeres. In
ihren Inhalten ähneln sich die Anträge. Warum wohl?
Der Zustand unserer Meere ist nicht erst seit heute be-
sorgniserregend. Die Meere werden als Lebensraum sys-
tematisch zerstört durch Unmengen Müll am Meeresbo-
den und in den Küstenregionen, durch Überfischung,
Ölverschmutzung und anderen Schadstoffeintrag. Das
zunehmende Vordringen des Menschen mit seinen Akti-
vitäten in der Tiefsee lässt selbst diesen ganz speziellen
Lebensräumen kaum eine Chance. Sei es die industrielle
Fischerei mit Grundschleppnetzen oder die Erdölförde-
rung in der Tiefsee: Die Ressourcenausbeutung erfolgt
ohne Rücksicht auf Verluste.
Mit der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie der EU
sollte 2008 die Notleine zumindest für die europäischen
Meeresgebiete gezogen werden. Hohe Ziele sind ge-
steckt. Bis 2020 soll sich die Situation ins Positive um-
kehren. Das kann anhand festgeschriebener Kriterien
auch überprüft werden.
Jetzt daran zu erinnern und Maßnahmen zur konse-
quenten Umsetzung der Meeresstrategie der EU einzu-
fordern, können wir nur unterstützen. Und gerade weil
uns die Realität mal wieder eingeholt hat: Meeresschutz
braucht Internationalität.
Seit dem 20. April fließt Erdöl in den Golf von Me-
xiko. Die Schätzungen der täglichen Menge reichen von
1 500 Tonnen bis 3 400 Tonnen. Ein Vergleich in Güter-
zügen für meine und Ihre Vorstellungskraft, Kolleginnen
und Kollegen: Ein Kesselwagen fasst 60 Tonnen und ein
Güterzug zieht circa 20 solcher Wagen. Nehmen wir den
mittleren Wert von 2 500 Tonnen, dann strömen täglich
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wei Güterzüge mit 20 Kesselwagen Öl in den Golf von
exiko. Das sind jetzt, nach mehr als sieben Wochen,
30 000 Tonnen. Die Versuche des Mineralölkonzerns,
as ausströmende Öl irgendwie aufzuhalten, scheitern
isher. Wir sind so erschrocken, dass wir gar nicht rich-
ig mitbekommen haben, dass am 21. Mai knapp
000 Kilometer vor der deutschen Küste ein ähnlicher
nfall geschah. Die größte norwegische Bohrinsel
Gullfaks C“ musste 89 Mitarbeiter evakuieren. Ein Si-
herheitsventil versagte. Mit mehr als 600 Kubikmeter
chlamm konnte das Förderloch versiegelt werden.
Mitte Mai sind an Rügens Nordstränden und wenig
päter auch vor Usedom etwa 100 Kubikmeter Paraffin
ngelandet. Das waren mehr als 2 000 Küchenmülleimer
oll, die von vielen Helfern weggetragen wurden. Die
asserschutzpolizei vermutet, dass das Wachs beim
uswaschen eines Schifffrachtraums illegal in der Ost-
ee entsorgt wurde. Das ist jetzt ein kleines Beispiel für
eeresverschmutzung vor unserer Haustür. Fast unbe-
erkt passieren die kleinen Verschmutzungen täglich
berall und belasten in der Summe die Meere ebenfalls
eltweit.
Ich habe das schon vor einer Woche gesagt, Euro-
rise hin oder her: Unsere natürlichen Lebensgrundla-
en befinden sich ebenfalls in einer Krise. Ein wirksa-
er Meeresschutz duldet keinen Aufschub. Dazu sind
lare Prioritäten mit knappen zeitlichen Vorgaben uner-
ässlich. Und darum werden wir uns als Linke in den
achausschüssen bemühen.
Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
ch freue mich ganz ehrlich über den Antrag der SPD: Er
eckt sich in seinen Positionen mit unseren Vorstellun-
en von nachhaltiger Meerespolitik. Er ergänzt, was hier
ereits vor zwei Wochen mit unserem Antrag themati-
iert wurde. Dennoch hat diese Debatte etwas sehr Bitte-
es: Zum Welttag der Ozeane sollte man eigentlich die
chönheit und Größe dieser wichtigen Ressource feiern.
ber wir alle wissen: Zu feiern gibt es nichts. Zum ei-
en, weil trotz aller Bemühungen der Zustand der Meere
eiter schlecht ist, vor allem jedoch, weil wir täglich
chreckliche Bilder vom Meeresboden sehen. Das Öl
prudelt jetzt seit sieben Wochen unaufhörlich und ver-
eucht Meer und Küsten.
Die schöne saubere und grüne Welt, die uns BP in sei-
en Kampagnen vorgegaukelt hat, ist endgültig passé.
Zum Glück“ kann ich nur sagen! Wer Dreck macht,
uss auch dazu stehen. Es kann nicht sein, dass Milliar-
en mit Öl verdient werden, und man gleichzeitig mit
ampagnen aus der Portokasse Umweltschützer sein
ill. Bei fast 17 Milliarden Dollar Gewinn allein im letz-
en Jahr hat BP seit 1997 etwa 200 Millionen Dollar für
eine Imagekampagne ausgegeben. Für den Einstieg in
en klimaschädlichen Ölsandabbau wurde dagegen das
ünfzigfache bezahlt.
Kurz nach der Explosion der Ölplattform im Golf von
exiko haben wir Grünen vor den dramatischen Folgen
ewarnt. In der Debatte hier im Haus hat die Union sich
vor gerade mal vier Wochen – darüber gewundert, dass
ir hier über die Zukunft der Energieversorgung reden
ollen. Und den Kolleginnen und Kollegen der FDP war
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 46. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Juni 2010 4803
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es nicht einmal wert, überhaupt an dieser Debatte teilzu-
nehmen.
Es ist letztendlich erschütternd, dass es immer solche
Katastrophen braucht, um zur Einsicht zu kommen.
Denn wir müssen mit aller Konsequenz sagen: Das
Ganze ist ein GAU der Ölindustrie! Klar ist jetzt: Wir
müssen weg vom Öl! Ich freue mich sehr, dass inzwi-
schen auch die FDP dieser Forderung folgt.
Immerhin hat es bei diesem GAU der Ölindustrie nur
vier Wochen gedauert, um aus einer Katastrophe die
richtigen Konsequenzen zu ziehen. Ich hoffe, dass Sie
Ihren verbalen Ankündigungen jetzt auch Taten folgen
lassen und unserem und dem Antrag der SPD folgen.
Der GAU von Tschernobyl macht mir da nicht gerade
Mut: Hier haben Sie ja auch nach 25 Jahren den Irrweg
noch nicht erkannt.
Wir sehen hier ganz klar: Maximales Gewinnstreben
geht viel zu schnell auf Kosten der Allgemeinheit. Und
deswegen muss es jetzt eine eindeutige Botschaft an alle
Marktliberalen geben. Wir alle müssen sagen: Angebot
und Nachfrage nach Erdöl dürfen nicht länger einzige
Handlungsmaxime sein. Wir als Politik müssen eindeu-
tig festlegen, wann Schluss ist mit der rücksichtslosen
Ausbeutung unseres Planeten. Wir müssen sagen, wie
unsere Energieversorgung ohne Öl aussehen kann – und
welchen Beitrag die Energiekonzerne hierzu zu leisten
haben.
Nur mit dieser Ehrlichkeit wird sich wirklich etwas
ändern. Nur wenn wir wirklich den Schritt hin zu einer
weitestgehend erdölfreien Wirtschaft machen, werden
wir die Meere schützen und den Klimawandel men-
schenverträglich halten können.
Nach jüngsten Berechnungen wird in der Folge der
Katastrophe im Golf von Mexiko die Ölknappheit dras-
tisch steigen, und zwar schon zwischen 2013 und 2015 –
also noch im Laufe dieser Legislatur. Wer jetzt noch so
weitermachen will wie bisher, der ist mindestens genau
so wenig dicht wie das Loch im Golf von Mexiko.
Reißen wir das Ruder herum und investieren in die
einzige Möglichkeit, die uns bleibt: Fördern wir die er-
neuerbare Energien!
Anlage 6
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung der Beschlussempfehlung und des
Berichts zu den Anträgen:
– Menschenrechtsverteidiger brauchen den
Schutz der Europäischen Union
– Mehr Schutz für Menschenrechtsverteidige-
rinnen und Menschenrechtsverteidiger
(Tagesordnungspunkt 21)
Frank Heinrich (CDU/CSU): Der weltweite Schutz
der Menschenrechte war und ist ein zentrales Anliegen
bundesdeutscher Politik. Dazu gemahnt uns unsere Ge-
schichte, die leuchtenden wie auch die finsteren Kapitel
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ieser wechselhaften Geschichte. Und dazu beauftragt
ns unsere Verfassung. Das Anliegen dieses Tagesord-
ungspunktes wiegt schwer genug, um das Grundgesetz
n dieser Stelle auch zu zitieren: „Die Würde des Men-
chen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist
erpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ Menschenwürde
u schützen heißt, Menschenrechte zu schützen, und es
eißt vor allem, diejenigen zu schützen, die den Schutz
er Würde und der Rechte anderer Menschen verteidi-
en und dadurch selber in Gefahr geraten. Dazu ist die
enkungsmacht der staatlichen Gewalt, die Politik, ver-
flichtet. Alle demokratischen Kräfte und Parteien in
iesem Land stehen hier auf einem gemeinsamen Boden.
Die Koalition aus CDU/CSU und FDP weiß sich da-
über hinaus einem gemeinsamen Wertekodex verpflich-
et, der in der jüdisch-christlichen Tradition ebenso wur-
elt wie im aufklärerischen Humanismus des liberalen
ürgertums. Diese Werte haben zur Ausprägung des Be-
riffes der Menschenwürde und zur Formulierung der
enschenrechte geführt. So wird es nicht überraschen,
ass ich mich namens meiner Fraktion im Ausschuss für
enschenrechte und Humanitäre Hilfe positiv und zu-
timmend zum Anliegen der heute zu beschließenden
nträge geäußert habe. Menschenrechte und der Schutz
on Verteidigerinnen und Verteidigern dieser Rechte ste-
en in unserer Prioritätenliste weit oben. Auch inhaltlich
ibt es in beiden Anträgen Passagen, die wir begrüßen,
nsbesondere im SPD-Antrag. Ich zitiere aus dem Be-
icht: „Die Fraktion der CDU/CSU erklärt, dass die
chnittmenge mit dem Antrag der SPD-Fraktion sehr
roß sei.“ Zu dieser Aussage stehe ich und stehen wir,
ach wie vor.
Zugleich machen mir die beiden Anträge Bauch-
chmerzen, denn sie suggerieren unterschwellig, dass die
undesregierung und die Regierungskoalition sich dem
hema zu wenig widmen würden. Beide Anträge unter-
chlagen die Ergebnisse der bisherigen Debatten und Be-
chlüsse dieser Legislaturperiode.
Ich darf daher erinnern: Für die Regierungskoalition
st das Thema Menschenrechte von zentraler Bedeutung,
eil es als ein Querschnittsthema alle Politikbereiche
etrifft. Darum haben wir bereits zu Beginn der Legisla-
urperiode zügig zum Thema gearbeitet und am 16. De-
ember 2009 den umfassenden Antrag „Menschenrechte
eltweit schützen“ in den Deutschen Bundestag einge-
racht, der am 22. März 2010 beschlossen wurde. Dieser
eschluss musste gegen die Stimmen der Fraktionen der
PD, von Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke gefasst
u werden, und das zeigt leider, dass es hier nicht nur um
ie Sache selbst, nämlich den Schutz der Menschen-
echte, sondern um eine parteipolitisch gefärbte Instru-
entalisierung des Themas ging. Ähnlich lesen sich die
euerlichen Anträge. Sie enthalten Forderungen, die im
on der CDU/CSU eingebrachten und vom Deutschen
undestag beschlossenen Antrag bereits enthalten sind.
Ich darf noch einmal erinnern: Wir haben einen
7 Punkte umfassenden Forderungskatalog an die Bun-
esregierung formuliert, der zum Ziel hat, „konsequent
ür die Menschenrechte in allen Politikbereichen einzu-
reten“. Diese Forderungen umfassen Themenbereiche
4804 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 46. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Juni 2010
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)(B)
wie: Rechtsstaatlichkeit und Demokratie in der Entwick-
lungszusammenarbeit, die weltweite Abschaffung von
Todesstrafe, Folter und unmenschlicher Behandlung,
den Einsatz gegen die Beschränkungen der Presse- und
Meinungsfreiheit, den Kampf gegen Sklaverei, Ausbeu-
tung und Menschenhandel, den Einsatz gegen Kinderar-
beit, Kindersoldaten, Zwangsprostitution, Zwangsheirat
und Praktiken wie Genitalverstümmelung, den Einsatz
gegen jegliche Benachteiligung aufgrund von Religion,
ethnischer Herkunft, Geschlecht oder sexueller Orientie-
rung weltweit, den Kampf für Religionsfreiheit und die
Lage christlicher Minderheiten.
Dazu forderten wir auf institutioneller Ebene: die
Rücknahme der Vorbehaltserklärung zur Kinderrechts-
konvention der Vereinten Nationen – was im Übrigen
mittlerweile erreicht worden ist –, den Einsatz bei den
Nichtunterzeichnerstaaten des Römischen Statuts des
Internationalen Strafgerichtshofs für eine baldige Ratifi-
zierung – was ich persönlich übrigens durch meine Teil-
nahme an der Konferenz zur Überprüfung des Römi-
schen Statuts in Kampala/Uganda unterstützt habe – und
die Unterstützung des Europäischen Gerichtshof für
Menschenrechte bei der Ausübung seiner Aufgaben.
Damit diese Forderungen auch wirklich mit Leben er-
füllt werden können, braucht es – wie Sie, meine Damen
und Herren der SPD und von Bündnis 90/Die Grünen zu
Recht betonen – die Beobachter und Verteidiger der
Menschenrechte vor Ort. Dass Menschenrechtsverteidi-
ger dabei vielerorts unter Gefahr für ihr eigenes Leben
agieren, ist ein trauriger, skandalöser und nicht hinnehm-
barer Zustand. Ich denke an die großen Menschenrechts-
verteidiger des 20. Jahrhunderts: Mahatma Ghandi in In-
dien oder Martin Luther King in den Vereinigten
Staaten, die für ihre Sache mit dem Leben bezahlen
mussten. Aber ich denke auch an Begegnungen hier in
Berlin mit Menschenrechtsverteidigern aus Honduras,
aus Israel/Palästina und vielen anderen Ländern mehr,
die vor Mitgliedern des Menschenrechtsausschusses die
gefährlichen Umstände ihres Wirkens geschildert haben.
Diese Menschen sind in Gefahr!
Darum hat sich der Deutsche Bundestag bereits 2003 in
einem interfraktionellen Antrag – Drucksache 15/2078 –
zum Schutz von bedrohten Menschenrechtsverteidigern
verpflichtet.
Darum hat die spanische EU-Ratspräsidentschaft in
Rücksprache mit der Bundesregierung das Vorhaben ei-
ner Verbesserung des Schutzes von Menschenrechtsver-
teidigern angekündigt.
Darum ist die Unterstützung von Menschenrechtsver-
teidigern seit langem fester Bestandteil der EU-Men-
schenrechtspolitik. Die Leitlinien zu Menschenrechts-
verteidigern wurden bereits am 14. Juni 2004 vom
Allgemeinen Rat der Außenminister angenommen. Da-
mit wurde ein genereller Bezugsrahmen mit Empfehlun-
gen für konkrete Maßnahmen der EU beim Einsatz für
den Schutz dieser Personengruppe geschaffen. Am
12. Juni 2006 verabschiedete der Rat der Außenminister
infolge der umfassenden Evaluierung zur Umsetzung der
Leitlinien Empfehlungen, die eine Verbesserung der Im-
plementierung zum Ziel hatten. Deutschland setzte sich
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n der Dauer der deutschen EU-Ratspräsidentschaft im
rsten Halbjahr 2007 für die konsequente Umsetzung der
eitlinien zu Menschenrechtsverteidigern ein und ergriff
ie Initiative zur weltweiten Erarbeitung lokaler Imple-
entierungsstrategien der EU.
Und darum, eben weil wir dem Los der Verteidigerin-
en und Verteidiger von Menschenrechten nicht tatenlos
usehen können und dürfen, enthält unser Antrag „Men-
chenrechte weltweit schützen“ – welchen, um es noch
inmal zu betonen, die gesamte Opposition in diesem
ohen Hause abgelehnt hat – eine explizite Aufforde-
ung an die Bundesregierung, die betroffenen Menschen
u schützen. Ich zitiere: „Der Deutsche Bundestag for-
ert die Bundesregierung auf, ... über die deutschen Aus-
andsvertretungen in akuten Fällen die notwendigen
aßnahmen zum Schutz von Menschenrechtsverteidi-
ern zu ergreifen und diese gegebenenfalls auch unter
utzung der entsprechenden Vorschriften des geltenden
usländerrechts kurzfristig zeitweilig in der Bundesre-
ublik Deutschland aufzunehmen.“
Damit sind viele Forderungen der beiden vorliegen-
en Anträge obsolet. Entweder sind sie bereits Bestand-
eil bundesdeutscher und europäischer Menschenrechts-
olitik. Oder sie sind im Antrag „Menschenrechte
eltweit schützen“ enthalten.
Auch gibt es im Detail einige abweichende Positionen
er CDU/CSU-Fraktion zu den vorliegenden Anträgen.
ch beschränke mich auf drei davon:
Erstens. Die SPD fordert in Punkt 3 die Einbeziehung
on Menschenrechtsverteidigern und Menschenrechtsor-
anisationen in die Diskussion der Vorschläge des Rates
er EU. Diese Forderung ist unangemessen, da sie ent-
eder bereits in der Vorfeldarbeit durch das Auswärtige
mt geleistet wird oder aber in einen Bereich eingreifen
ill, der dem Auswärtigen Amt vorbehalten ist.
Zweitens. Im Antrag von Bündnis 90/Die Grünen
ird unter Bezugnahme auf die Antwort der Bundesre-
ierung auf die Kleine Anfrage von Bündnis 90/Die
rünen dargestellt, die Bundesregierung hätte trotz ihrer
enntnis der Bedrohung von Menschenrechtsverteidi-
ern in Honduras keine notwendigen Maßnahmen zu
eren Schutz unternommen. Dabei wird in der Antwort
rläutert, dass Vertreter der deutschen Botschaft fortlau-
end die Situation der Menschenrechte in Honduras be-
bachten sowie bilateral, im EU-Rahmen und in der
oordinierungsgruppe der wichtigsten Geber, G 16,
ontakt mit Menschenrechtsverteidigern haben. Deren
ngehörige werden durch die Botschaft zu Gesprächen
mpfangen, womit der Schutz dieses Personenkreises
eutlich wird.
Drittens. Gefordert wird im selben Antrag, das Amt
ines Verbindungsbeamten für Menschenrechtsverteidi-
er beim Auswärtigen Amt einzusetzen und in den
uslandsvertretungen zu gewährleisten, dass ein Ver-
indungsbeamter vor Ort für die aktiven Menschen-
echtsverteidiger unter Ausstattung notwendiger Kapazi-
äten zur Verfügung steht. Wir sehen darin eine unnötige,
ehr teure Aufblähung eines auch ohne dieses Amt gut
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 46. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Juni 2010 4805
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)(B)
funktionierenden Verwaltungsapparates und damit die
Vergeudung finanzieller Ressourcen.
Damit komme ich zum Schluss. Liebe Kolleginnen und
Kollegen der Fraktionen der SPD und von Bündnis 90/
Die Grünen, ich achte und ehre Ihr Engagement für den
Schutz von Menschenrechtsverteidigern. Die Anträge in
der vorliegenden Form lehnt meine Fraktion ab. Statt-
dessen fordere ich Sie auf, Ihrerseits die Schnittmenge
mit dem Antrag „Menschenrechte weltweit schützen“ zu
erkennen und mit der Regierungskoalition gemeinsam
die Beschlüsse daraus umzusetzen.
Christoph Strässer (SPD): Nach 13-jährigen Ver-
handlungen ist am 9. Dezember 1998 die Erklärung der
Vereinten Nationen zu Menschenrechtsverteidigern ver-
abschiedet worden. Die langen Verhandlungen machen
deutlich, wie schwierig es war, sich auf einen allgemein
verbindlichen Konsens zu einigen, was Menschenrechts-
verteidiger eigentlich sind. In der Erklärung heißt es:
„Menschenrechtsverteidiger ist grundsätzlich jeder, der
sich friedlich für die Förderung und den Schutz von
Menschenrechten einsetzt.“
Der Deutsche Bundestag hat sich bereits in einer Ent-
schließung im Jahr 2003 für einen intensiveren Schutz
von Menschenrechtsverteidigern stark gemacht, im Jahr
2005 hat die EU Richtlinien zum Schutz von Menschen-
rechtsverteidigern verabschiedet. Gerade in Zeiten des
internationalen Terrorismus ist es wichtig, den Schutz
von Menschenrechtsverteidigern zu verstärken; denn
manche Regierung nutzt die Auseinandersetzung mit
dem Terrorismus auch als Vorwand, um Menschenrechte
einzuschränken oder außer Kraft zu setzen.
Deshalb ist es gut und richtig, dass die spanische EU-
Ratspräsidentschaft anregt, das vorhandene Instrumenta-
rium zu überprüfen und die Umsetzung bereits beschlos-
sener Maßnahmen zu beschleunigen.
Immer wieder, in der letzten Zeit zunehmend, errei-
chen uns Berichte des Büros der Sonderberichterstatterin
der VN für Menschenrechtsverteidiger, wonach die Ge-
fährdung von Menschenrechtsverteidigern zunimmt und
die Bereitschaft der Staaten zur Kooperation sinkt.
Immer wieder erreichen uns auch in Deutschland er-
schütternde Mitteilungen über das Schicksal von Rechts-
anwälten, Journalisten, Parlamentariern, Gewerkschafts-
mitgliedern oder Vertretern von Frauenorganisationen
oder Minderheiten, die nichts weiter getan haben, als
sich für die unveräußerlichen Rechte Anderer einzuset-
zen und die dann selbst Opfer staatlicher Repression
oder paramilitärischer Gruppierungen werden. Deshalb
ist Unterstützung für Menschenrechtsverteidiger nach
wie vor dringend erforderlich; deshalb unterstützten wir
die Initiativen der spanischen Ratspräsidentschaft nach-
drücklich. Denn es sind Menschenrechtsverteidiger, die
die friedliche Entwicklung zu mehr Demokratie und
Rechtsstaatlichkeit weltweit konkret und unter Einsatz
ihres Lebens tatsächlich voranbringen.
Zu unser aller Erschrecken und Bedauern sind Men-
schenrechtsverteidiger oft auch Opfer von Gewalttaten
und politischen Morden, so zum Beispiel Floribert
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hebeya, der bekannteste Menschenrechtler der Demo-
ratischen Republik Kongo. Er wurde vor vier Tagen tot
ufgefunden. Zuvor war er in Kinshasa einer Polizeivor-
adung gefolgt. Nun ist er tot. Es wird davon ausgegan-
en, dass er Opfer eines Gewaltverbrechens geworden
st. Wir sind zutiefst erschüttert und empört über diese
at. Er war der international bekannteste Vorkämpfer für
ie Menschenrechte in der Demokratischen Republik
ongo. Als Präsident der Menschenrechtsorganisation
Voix de Sans-Voix“, VSV, auf Deutsch „Stimme der
timmlosen“, setzte er sich für mehr Freiheit der
enschen im Kongo, also für mehr Demokratie und
echtsstaatlichkeit, ein. Mit Chebeya verliert die Demo-
ratische Republik Kongo eine ihrer wenigen unbestech-
ichen Stimmen, die beharrlich auf staatliche Willkür
nd Gewalt und Missachtung der Menschen- und Bür-
errechte aufmerksam machten. Chebeyas Tod ist für die
enschen im Kongo eine Katastrophe und für uns eine
raurige Mahnung, in unserem Engagement für den
chutz von Menschenrechtsverteidigern nicht nachzuge-
en und alles für ihre Sicherheit zu tun. Deshalb fordern
ir auch eine rückhaltlose Aufklärung des Falles.
Dieses Beispiel steht für viele, in denen sich Men-
chenrechtsverteidiger trotz der Gefahr für ihr eigenes
eben für Menschenrechte und Demokratie einsetzen.
erade uns Demokraten sollte das dazu bringen, diese
rbeit zu unterstützen und zu würdigen.
Deshalb hat die SPD-Bundestagsfraktion diesen An-
rag eingebracht. Bevor ich auf einige Inhalte zu spre-
hen komme, möchte ich diesbezüglich die Regierungs-
oalition fragen, wo denn ihr parlamentarischer Beitrag
um Schutz und zur Unterstützung von Menschenrechts-
erteidigern verblieben ist. Oder anders und deutlicher
ormuliert: Es ist wirklich ein Armutszeugnis sonder-
leichen, dass von Union und FDP zu diesem wichtigen
ereich der Menschenrechtspolitik nichts kommt. Und
iebe Kolleginnen und Kollegen von Union und FDP,
ommen Sie mir bitte in diesem Zusammenhang nicht
it dem Abschnitt zu den Menschenrechtsverteidigern
n ihrem total substanzlosen Antrag „Menschenrechte
eltweit schützen“. Denn die Forderung unter Punkt 17
ich zitiere –, „über die deutschen Auslandsvertretun-
en in akuten Fällen die notwendigen Maßnahmen zum
chutz von Menschenrechtsverteidigern zu ergreifen
nd diese gegebenenfalls auch unter Nutzung der ent-
prechenden Vorschriften des geltenden Ausländerrechts
urzfristig zeitweilig in der Bundesrepublik Deutschland
ufzunehmen“, ist erstens aus einem interfraktionellem
ntrag einfach abgeschrieben, und zum Zweiten haben
ie sich seinerzeit auch nur auf diesen Passus im inter-
raktionellen Antrag eingelassen, weil wir Sie dazu ge-
rängt haben. Des Weiteren ist diese auf Ihr Verlangen
chwammig formulierte Einzelforderung natürlich viel
u wenig, um der Wichtigkeit des Themas wirklich ge-
echt zu werden. Außerdem: Was heißt Ihre Forderung
igentlich konkret? Heißt es, wie im Fall von Syrien,
ücknahmeabkommen zu schließen obwohl dort Men-
chenrechtsverteidiger wie Herr Labwani oder Anwar el-
unni nachweislich rechtswidrig inhaftiert, gefoltert und
isshandelt werden?
4806 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 46. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Juni 2010
(A) )
)(B)
Es ist leider so, dass auch im Fall der Menschen-
rechtsverteidiger Ihre menschenrechtspolitischen Aussa-
gen entweder gar nicht vorhanden oder völlig unzurei-
chend sind und zu allem Überfluss die konkrete Politik
ihren vermeintlichen Ansprüchen sogar zuwider ist.
Warum sonst unterstützen Sie nicht unseren Antrag,
das Rückübernahmeabkommen mit Syrien sofort aufzu-
kündigen? Rückführungen in einen Staat, in dem Folter
nicht nur nicht untersagt, sondern aktiv eingesetzt wird,
dürfen unter Geltung des absoluten Folterverbots nicht
hingenommen werden.
Was wir brauchen, sind konkrete, menschenrechtlich
und politisch pragmatisch schnell umsetzbare Vor-
schläge wie die Schaffung eines Amtes einer Verbin-
dungsbeamtin oder eines Verbindungsbeamten für
Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechts-
verteidiger beim Auswärtigen Amt und in den deutschen
Auslandsvertretungen, ausgestattet mit den erforderli-
chen Kapazitäten und Kompetenzen.
Außerdem ist es unabdingbar, über die deutschen
Auslandsvertretungen die notwendigen Maßnahmen
zum Schutz von Menschenrechtsverteidigerinnen und
Menschenrechtsverteidigern zu ergreifen, diese in Fällen
akuter Bedrohung für 12 bis 24 Monate in der Bundesre-
publik Deutschland aufzunehmen und sie während die-
ser Zeit finanziell mit einem deutlich über der Grund-
sicherung liegenden Betrag zu unterstützen.
Weil dies auch in dem Antrag „Mehr Schutz für Men-
schenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsvertei-
diger“ der Grünen gefordert wird, werden wir auch die-
sen Antrag unterstützen.
Wer schützen will, muss konkrete Schritte zu deren
Schutz vorschlagen und vor allem auch im eigenen Land
durchführen. Weder das eine noch das andere macht die
Regierungskoalition. Deshalb bitte ich alle ernsthaft
menschenrechtlich engagierten Kollegen von Union und
FDP, die Anträge von Grünen und SPD zu unterstützen.
Aber vermutlich wird auch die Menschenrechtspolitik
ihrem Parteikalkül geopfert, wie so einiges andere ver-
mutlich auch.
Marina Schuster (FDP): Der FDP ist der Schutz
von Menschenrechtsverteidigern ein wichtiges Anlie-
gen. Bereits im ersten Antrag zu „Menschenrechte welt-
weit schützen“ haben wir als Koalitionsfraktionen die
Menschenrechtsverteidiger erwähnt und beschlossen,
dass die Bundesregierung über die deutschen Auslands-
vertretungen in akuten Fällen die notwendigen Maßnah-
men zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern er-
greift und diese gegebenenfalls auch unter Nutzung der
entsprechenden Vorschriften des geltenden Ausländer-
rechts kurzfristig zeitweilig in der Bundesrepublik
Deutschland aufnimmt.
Oft führe ich Gespräche mit den mutigen Menschen,
die sich aus der Zivilgesellschaft heraus für den Schutz,
die Förderung und die Durchsetzung der Menschen-
rechte einsetzen, oft unter Einsatz ihrer körperlichen Un-
versehrtheit oder ihres eigenen Lebens. Ich bin sehr
dankbar und beeindruckt von der Leistung dieser muti-
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en Menschen. Menschenrechtsverteidiger bedürfen
eshalb eines besonderen Schutzes durch die internatio-
ale Gemeinschaft. Dieses Thema nehmen wir sehr
rnst:
Der Schutz und die Unterstützung von Menschen-
echtsverteidigern sind ein thematischer Schwerpunkt
ei der Projektförderung des Auswärtigen Amtes. Das
uswärtige Amt förderte unter anderem eine regionale
onferenz afrikanischer Menschenrechtsverteidiger in
ganda, auf der vom Auswärtigen Amt über die EU-
eitlinien informiert wurde. Neben dem ständigen Aus-
ausch mit Menschenrechtsverteidigern vor Ort und in
erlin, unter anderem über die Möglichkeit der verbes-
erten Umsetzung der Leitlinien, setzt sich das Auswär-
ige Amt – auch in konkreten Einzelfällen – in bilatera-
en Gesprächen auf allen Ebenen, einschließlich der
inister, für Menschenrechtsverteidiger ein.
Aktuell wird über die Aufnahme von circa 20 irani-
chen Oppositionellen, die in der „grünen Revolte“ eine
olle spielten und sich momentan noch in der Türkei be-
inden, gesprochen. Die Gespräche und Verhandlungen
ollen demnächst mit einem positiven Ergebnis und der
ufnahme der Oppositionellen beendet sein. Der Men-
chenrechtsbeauftragte Markus Löning hat sich erfolg-
eich beim Bundesinnenministerium eingesetzt, um die
ufnahme zu beschleunigen. Dafür möchte ich Markus
öning danken.
Sowohl der Antrag der SPD als auch der Antrag von
ündnis 90/Die Grünen lassen gerade im Feststellungs-
eil genau das vermissen, was bereits geleistet wird.
Die Bundesregierung setzt sich für die weitere Ver-
esserung von Monitoring- und Berichtssystemen zum
chutz von Menschenrechtsverteidigern ein, auch um
ie bereits existierende enge Zusammenarbeit mit Nicht-
egierungsorganisationen weiter zu vernetzen und damit
ffizienter zu gestalten. So verfolgt die Bundesregierung
eldungen von Nichtregierungsorganisationen über das
chicksal von Menschenrechtsverteidigern weltweit.
In der täglichen Praxis berichten die deutschen Aus-
andsvertretungen regelmäßig über die Situation von
enschenrechtsverteidigern. Darauf aufbauend setzt
ich Deutschland im Kontext bilateraler Dialoge mit
enschenrechtsverteidigern und durch förmlich politi-
che Demarchen für verfolgte Menschenrechtsverteidi-
er ein.
Ihre Forderungen, liebe Kollegen von der SPD, sind
ehr allgemein gefasst. Insbesondere Ihre Forderung 7
eigt, dass Sie sich noch nicht mit den Tätigkeiten der
undesregierung, insbesondere mit der Arbeit von
arkus Löning als Beauftragtem der Bundesregierung
ür Menschenrechte und Humanitäre Hilfe, auseinander-
etzen.
Auch der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen igno-
iert die bereits unternommenen Anstrengungen und Er-
olge der deutschen Bundesregierung in Bezug auf
chutz der Menschenrechte und von Menschenrechts-
erteidigern. Dies gilt insbesondere vor dem Hinter-
rund Ihrer Kritik, Herr Kollege Beck. Noch bevor
arkus Löning sein Amt überhaupt angetreten hat, hat-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 46. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Juni 2010 4807
(A) )
)(B)
ten Sie nichts besseres zu tun als gleich mal Kritik gegen
die Person und das Amt des Beauftragten der Bundesre-
gierung für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe zu
äußern.
Markus Löning hat lieber Taten sprechen lassen. So
hat sich Markus Löning nach seinem Amtsantritt mit ei-
nem Brief an alle Leiter der deutschen Auslandsvertre-
tungen gewandt und für besondere Aufmerksamkeit bei
der Umsetzung der EU-Leitlinien zu Menschenrechts-
verteidigern geworben. Die Unterstützung für Men-
schenrechtsverteidiger soll auch Thema bei der anste-
henden Botschafterkonferenz im Herbst sein. In allen
seinen bisherigen Reisen sind Treffen mit Menschen-
rechtsverteidigern erfolgt. Hierüber hat er in den Aus-
schusssitzungen ausführlich berichtet.
Die Bundesregierung zeigt mit all diesen Maßnahmen
die sichtbare Unterstützung von Menschenrechtsvertei-
digern nach außen und trägt der überragenden Bedeu-
tung von Menschenrechtsverteidigern für die weltweite
Durchsetzung der Menschenrechte Rechnung.
Ich danke all denen, die diesen Weg unterstützen.
Annette Groth (DIE LINKE): Menschenrechtsver-
teidigerinnen und Menschenrechtsverteidiger werden in
vielen Ländern der Erde bedroht und verfolgt. Men-
schenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsvertei-
diger sind als Anwältinnen und Anwälte, aktive Gewerk-
schafterinnen und Gewerkschafter, Sozialarbeiterinnen
und Sozialarbeiter oder in journalistischen Berufen tätig.
Aber auch viele Geistliche oder Studierende kämpfen
unter Einsatz ihres Lebens für die Rechte der Menschen.
Sie organisieren Demonstrationen, schaffen Öffentlich-
keit und untersuchen Menschenrechtsverletzungen in ih-
ren Ländern. Sie sind es, die Verletzungen der Men-
schenrechte trotz schwerer Repressionen in die
Öffentlichkeit bringen und Widerstand organisieren.
Durch ihre Informationen an internationale Gremien
oder Einrichtungen der Vereinten Nationen schaffen sie
vielfach die Grundlage für eine internationale Debatte
über diese Menschenrechtsverletzungen. Dabei setzen
sie häufig ihr Leben und ihre Gesundheit aufs Spiel, um
anderen Menschen zu helfen. Ohne diese mutige Arbeit
wäre die Durchsetzung der Menschenrechte undenkbar.
Deshalb brauchen sie einen intensiveren Schutz.
Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschen-
rechtsverteidiger werden verfolgt, obwohl sie sich mit
demokratischen und friedlichen Mitteln für ihre Ziele
einsetzen. Wir erwarten deshalb von der deutschen Au-
ßenpolitik, dass sie sich für den konkreten Schutz der
Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechts-
verteidiger einsetzt und konkrete Maßnahmen für ihren
Schutz ergreift. Um dies zu erreichen, können konkrete
Verbesserungen der bisherigen organisatorischen Aus-
stattungen in den Auslandsvertretungen und im Auswär-
tigen Amt ein wichtiger Schritt sein. Die beiden heute zu
diskutierenden Anträge zeigen hier konkrete Möglich-
keiten auf.
Die Fraktion Die Linke unterstützt den Vorschlag von
Bündnis 90/Die Grünen, eine Verbindungsbeamtin oder
einen Verbindungsbeamten für Menschenrechtsverteidi-
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erinnen und Menschenrechtsverteidiger beim Auswär-
igen Amt zu schaffen. Auch die Forderung, dass in den
eutschen Auslandsvertretungen eine Verbindungsbeam-
in oder ein Verbindungsbeamter als konkreter An-
prechpartner für die Menschenrechtsverteidigerinnen
nd Menschenrechtsverteidiger zur Verfügung stehen
uss, halten wir für unerlässlich. Die Argumentation der
egierungskoalition, dass hierfür finanzielle Engpässe
eständen, sind völlig inakzeptabel, da an dieser Frage
er konkrete Schutz von Gesundheit und Leben der Be-
roffenen hängen kann.
Wir wollen wirtschaftliche und menschenrechtliche
otwendigkeiten der Arbeit von Botschaften nicht ge-
eneinander ausspielen. Wenn aber auf der einen Seite
ittel für den Ausbau der Stellen für wirtschaftliche Be-
atung und Zusammenarbeit in den Botschaften zur Ver-
ügung gestellt werden können, für die konkrete Siche-
ung der Arbeit der Menschenrechtsverteidigerinnen und
enschenrechtsverteidiger jetzt aber fehlende Finanzen
ngeführt werden, ist das nicht akzeptabel. Die Fraktion
ie Linke wird sich dafür einsetzen, dass entsprechende
ittel im Haushalt zur Verfügung gestellt werden müs-
en, da wir den Schutz der Betroffenen für eine zentrale
enschenrechtspolitische Aufgabe der deutschen Au-
enpolitik halten.
Trotzdem müssen wir auch einige kritische Anmer-
ungen zu den beiden Anträgen machen. Wir unterstüt-
en das Anliegen beider Anträge völlig, finden es jedoch
roblematisch, dass in beiden Anträgen keine Aussagen
ber die schwierige Situation der Menschenrechtsvertei-
igerinnen und Menschenrechtsverteidiger in Deutsch-
and vorgenommen werden. Viele Verbände, Initiativen
nd Einzelpersonen setzen sich seit vielen Jahrzehnten
ür die Rechte der benachteiligten Menschen hier in
eutschland ein, ohne dass sie eine institutionelle Förde-
ung für ihre wertvolle Arbeit erhalten. Wenn wir uns
eispielsweise die wertvolle Arbeit der vielen antirassis-
ischen, antiziganistischen und migrationspolitischen
ruppen anschauen, die aufgrund einer fehlenden Finan-
ierung häufig nicht wissen, wie sie ihre Arbeit finanzie-
en können, besteht auch hier in Deutschland dringender
andlungsbedarf. Die Linke würde sich deshalb wün-
chen, dass im Rahmen dieser Diskussion auch eine kon-
rete Verbesserung der Finanzierung von Gruppen und
erbänden in Deutschland sichergestellt wird, da auf-
rund der fehlenden finanziellen Möglichkeiten notwen-
ige menschenrechtspolitische Arbeit real eingeschränkt
ird.
Beide Anträge machen deutlich, dass es innerhalb der
raktionen im Deutschen Bundestag wenige Unter-
chiede zu diesem Thema gibt. Aus diesem Grund ist die
blehnung der Anträge durch die Regierungsparteien in
en Ausschüssen völlig unverständlich. Hier wird mit
arteitaktischen Überlegungen verhindert, dass der
eutsche Bundestag eine klare Positionierung zur Wei-
erentwicklung der Arbeit des Auswärtigen Amtes vor-
immt. Die Regierungsfraktionen nehmen damit billi-
end in Kauf, dass mögliche Verbesserungen für die
enschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechts-
erteidiger nicht vorgenommen werden.
Die Fraktion Die Linke wird beiden Anträgen zustim-
en.
4808 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 46. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Juni 2010
(A) )
)(B)
Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechts-
verteidiger leisten zum Schutz und zur Förderung von
Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit einen un-
schätzbaren Beitrag. In Ausübung dieser wertvollen Ar-
beit werden sie jedoch häufig selber zur Zielscheibe von
Gewalt und Menschenrechtsverletzungen. Ganz beson-
ders davon bedroht sind jene Menschenrechtsverteidige-
rinnen und Menschenrechtsverteidiger, die selber diskri-
minierten Gruppen angehören: Frauen, Homo-, Bi- oder
Transsexuelle, Angehörige religiöser oder ethnischer
Minderheiten etwa werden als Menschenrechtsverteidi-
gerinnen und Menschenrechtsverteidiger häufig noch in-
tensiver diskriminiert und verfolgt als zuvor. Ihr Mut
und ihre Motivation, aktiv für den Schutz der Menschen-
rechte einzustehen, sind daher besonders schützens- und
unterstützenswert.
Zum Schutz von Menschenrechtsverteidigerinnen
und Menschenrechtsverteidigern hat die EU bereits im
Jahr 2004 Leitlinien, die „Guidelines on Human Rights
Defenders“, verabschiedet. Der spanische EU-Ratsvor-
sitz möchte diesen Schutz nun noch weiter ausbauen
und strebt an, dass sowohl auf EU-Ebene als auch in
den einzelnen Mitgliedstaaten jeweils ein Amt einer
Verbindungsbeamtin oder eines Verbindungsbeamten
für Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschen-
rechtsverteidiger geschaffen wird. Diese Verbindungsbe-
amten sollen eine koordinierende Funktion haben und
zur Durchsetzung der Leitlinien zum Schutz von Men-
schenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsvertei-
digern beitragen. Wir stellen daher in unserem Antrag
drei wesentliche Forderungen:
Erstens fordern wir die Bundesregierung auf, das Amt
einer Verbindungsbeamtin oder eines Verbindungsbeam-
ten für Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschen-
rechtsverteidiger beim Auswärtigen Amt einzusetzen
und damit der spanischen Initiative zu folgen. Der Be-
auftragte der Bundesregierung für Menschenrechtspoli-
tik und Humanitäre Hilfe, Herr Markus Löning, hat bei
seinem Besuch im Ausschuss für Menschenrechte und
Humanitäre Hilfe am 19. Mai dieses Jahres deutlich
seine Sympathie und Zustimmung für diesen Vorschlag
bekundet. Sie können dies in der Beschlussfassung nach-
lesen: Er sagte, der Vorschlag, im Auswärtigen Amt ei-
nen „Focal Point“ einzurichten, sei eine gute Idee. Es
stelle sich einzig die Frage, ob man diesen – wie in unse-
rem Antrag gefordert – dauerhaft einrichte oder ob man
nur für eine absehbare Zeit jemanden dafür abstelle, um
in dieser Zeit die Situation zu verbessern. Wir sind da-
rauf eingegangen, haben dem zugestimmt und dadurch
versucht, es den Menschenrechtspolitikern der Koalition
einfach zu machen: Bei der Abstimmung im Ausschuss
haben wir über diese Forderung aus unserem Antrag, die
Forderung unter II.1, einzeln und getrennt abstimmen
lassen. Die Abgeordneten der CDU/CSU- und der FDP-
Fraktion im Menschenrechtsausschuss haben dennoch
dagegengestimmt – gegen eine Forderung ihres eigenen
Menschenrechtsbeauftragten. Das ist schlichtweg pein-
lich. Menschenrechtspolitik bedeutet, zum Wohle der
Menschen arbeiten zu wollen. Den Koalitionsfraktionen
fehlt hierfür offensichtlich jedes Gespür. Sie scheitern
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ereits daran, eine Forderung zum Schutze engagierter
enschen zu unterstützen, einzig, weil sie formell von
er Opposition gestellt wurde. Was die Koalition hier be-
reibt, ist Menschenrechtsverhinderungspolitik.
Deutschland kann es sich keinesfalls leisten, auf das
mt einer Verbindungsbeamtin oder eines Verbindungs-
eamten zu verzichten. Bereits jetzt sind wir auf diesem
ebiet schlechter aufgestellt als viele unserer Partnerlän-
er in der EU. Würden wir die spanische Initiative igno-
ieren, gerieten wir noch weiter ins Hintertreffen. Viel
ichtiger als diese Überlegung ist aber, dass wir andern-
alls die Menschenrechtsverteidigerinnen und Men-
chenrechtsverteidiger im Stich ließen. Gerade von uns,
on Deutschland, sollten sie aber den Schutz erwarten
önnen, der notwendig ist, um ihre Sicherheit zu ge-
ährleisten und ihnen manchmal sogar Leib und Leben
u retten.
Unsere zweite zentrale Forderung ist, in den deut-
chen Auslandsvertretungen zu gewährleisten, dass eine
erbindungsbeamtin oder ein Verbindungsbeamter für
ie vor Ort aktiven Menschenrechtsverteidigerinnen und
enschenrechtsverteidiger und die für diese Tätigkeit
otwendigen Kapazitäten zur Verfügung stehen. Not-
endig ist nämlich nicht nur das Amt einer Verbin-
ungsbeamtin oder eines Verbindungsbeamten hier in
erlin. Mindestens ebenso wichtig ist, dass in den tat-
ächlich betroffenen Ländern unbürokratisch und schnell
ilfe geleistet wird. Hierzu ist es vonnöten, in den deut-
chen Auslandsvertretungen in zumindest jenen Staaten,
n denen Menschenrechtsprobleme zu befürchten sind,
erbindungsbeamtinnen oder Verbindungsbeamte einzu-
etzen. Derzeit wird diese Aufgabe in der Regel einzel-
en Referatsleiterinnen und -leitern übertragen und tritt
aher zuweilen aufgrund der Arbeitsbelastung zu weit in
en Hintergrund. Nicht dass Sie mich falsch verstehen:
ie Motivation und der Wille sind bei zuständigen und
otivierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den
otschaften schon jetzt vorhanden. Es fehlt ihnen je-
och schlichtweg die Zeit, sich neben ihren hauptamtli-
hen Aufgaben auch noch intensiv um den Schutz von
enschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechts-
erteidigern zu kümmern. Auch diese Forderung hat der
enschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung aus-
rücklich unterstützt.
Es geht bei dieser zweiten Forderung nicht um interne
ormalia des Auswärtigen Amtes. Sie entfaltet unmittel-
are Wirkung für das Leben vieler Menschen. Denn zum
chutz von Menschenrechtsverteidigerinnen und Men-
chenrechtsverteidigern werden seitens der Bundesrepu-
lik selbst in akuten Notfällen die notwendigen Maßnah-
en häufig nicht ergriffen. Ich gebe Ihnen ein Beispiel:
nfolge des Putsches in Honduras im vergangenen
erbst kamen mindestens 15 Menschenrechtsverteidige-
innen und Menschenrechtsverteidiger ums Leben. Die
otschaft in Tegucigalpa kannte diese Menschen und
annte auch die Gefahren, in denen sie steckten. Sie hat
ns dies auf eine Kleine Anfrage unserer Fraktion hin in
er Drucksache 17/729 bestätigt. Helfen konnte sie den
enschen jedoch nicht. Sie sind tot, weil sie sich für
enschenrechte eingesetzt haben. Das kann und darf
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 46. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Juni 2010 4809
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nicht Bestandteil deutscher Außen- und Menschen-
rechtspolitik sein!
Auch unsere dritte Forderung wird von dem Men-
schenrechtsbeauftragten der Bundesregierung ausdrück-
lich unterstützt. Wir fordern unter II.3 unseres Antrages,
Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechts-
verteidiger in Fällen akuter Bedrohung für 12 bis 24 Mo-
nate in der Bundesrepublik Deutschland aufzunehmen
und sie während dieser Zeit finanziell zu unterstützen.
Herr Löning sagte uns dazu, gegen die Aufnahme von
bedrohten Menschenrechtsverteidigern spreche nichts;
dies habe die Bundesregierung gerade im Bezug auf
20 Menschen aus dem Iran verkündet. Ich hoffe, dass die
Koalitionsabgeordneten im Menschenrechtsausschuss
diesen Worten aufmerksam zugehört haben. Denn über
genau diese Forderung wollen wir hier im Plenum eben-
falls einzeln und getrennt abstimmen.
Die Koalition sollte sich den ausdrücklichen Empfeh-
lungen der von ihr gewählten Regierungsvertreter nicht
ausgerechnet dann widersetzen, wenn es um Menschen-
rechte und das Wohl und Leben verfolgter Menschen
geht.
Anlage 7
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Antrags: Zukunft öffentlich-
rechtlicher Sparkassen sichern – Privatisierung
verhindern
Ralph Brinkhaus (CDU/CSU): Im vorliegenden
Antrag fordert die SPD-Fraktion vor dem Hintergrund
der aktuellen Entwicklungen in Schleswig-Holstein die
Bundesregierung auf, sich für die Stärkung der öffent-
lich-rechtlichen Sparkassen im deutschen Bankensystem
einzusetzen, sich gegen die Möglichkeit zur Bildung von
Stammkapital und dessen beschränkte Übertragbarkeit
einzusetzen und gegenüber der schleswig-holsteinischen
Landesregierung darauf zu drängen, einen entsprechen-
den Gesetzentwurf zurückzuziehen.
Hintergrund sind die Pläne der christlich-liberalen
Koalition in Schleswig-Holstein, das Sparkassengesetz
zu ändern. Durch diese Änderung soll den öffentlich-
rechtlichen Sparkassen in Schleswig-Holstein ermög-
licht werden, beschränkt übertragungsfähiges Stammka-
pital zu bilden – wohlgemerkt: Die Möglichkeit soll er-
öffnet werden. Über die tatsächliche Bildung entscheidet
der Verwaltungsrat nach vorheriger Zustimmung der
Vertreter des Trägers, also zum Beispiel der Kommunen
und Gemeinden.
Bis zu 25,1 Prozent dieses Stammkapitals sollen von
anderen öffentlich-rechtlichen Sparkassen, deren Trä-
gern oder vergleichbaren Trägern gehalten werden. Ver-
gleichbarer Träger ist nur, wer sich unter staatlicher
Aufsicht auf die Wahrung von sparkassentypischen Auf-
gaben verpflichtet hat sowie etwaige Ausschüttungen
und Liquidationserlöse gemeinnützigen oder mildtätigen
Zwecken zuführt. Darüber hinaus haben CDU und FDP
beantragt, dass die Beteiligung nur von Mitgliedern ei-
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es regionalen Sparkassen- und Giroverbandes gehalten
erden darf. Dies soll den Willen zur Beibehaltung des
ffentlich-rechtlichen Charakters der Sparkassen zusätz-
ich unterstreichen.
Damit soll den öffentlich-rechtlichen Sparkassen die
öglichkeit gegeben werden, ihre Eigenkapitalbasis ei-
enverantwortlich zu erhöhen. So weit die Ausgangs-
age. Dazu ist zunächst einmal festzustellen: Sparkassen-
echt ist Landesrecht und obliegt aus gutem Grund der
erantwortung der Entscheidungsträger vor Ort. Daran
erden wir als CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bun-
estag nicht rütteln.
Wir setzen deswegen darauf, dass Landtag und Lan-
esregierung in Schleswig-Holstein in einer für die dor-
ige Sparkassenorganisation anspruchsvollen Zeit die
ichtigen Entscheidungen treffen werden, Entscheidun-
en, die, wie bereits ausgeführt, notwendig sind, um das
parkassenwesen in Schleswig-Holstein zu stärken und
u stützen.
Die Veränderung der Regelungen hinsichtlich des Ei-
enkapitals ist im Übrigen kein neuer Vorgang. In ande-
en Ländern wurden Sparkassengesetze ebenfalls geän-
ert, um die Eigenkapitalbasis zu verbreitern, immer im
inblick darauf, die Rolle der Sparkassen im deutschen
rei-Säulen-System im Bankenwesen zu erhalten und zu
tärken.
Dieses Drei-Säulen-Modell, die Trennung in Privat-
anken, öffentlich-rechtliche Institute sowie Genossen-
chaftsbanken, hat sich durchaus bewährt. Es hat dazu
eigetragen, dass Deutschland relativ gut durch die
üngste Finanzkrise gekommen ist.
Die Sparkassen nehmen dabei eine wichtige Rolle
in:
Sie versorgen, wie im vorliegenden Antrag ganz rich-
ig ausgeführt wird, insbesondere mittelständische Un-
ernehmen mit Krediten. Wir haben es im Übrigen ganz
esentlich den Sparkassen und Genossenschaftsbanken
u verdanken, dass es bisher zu keiner Kreditklemme ge-
ommen ist.
Sie stellen gerade im ländlichen Raum die flächende-
kende Versorgung mit Finanzdienstleistungen sicher.
Sie genießen vor Ort großes Vertrauen bei Bürgern
nd Unternehmen und verfügen über exzellente Kennt-
isse der lokalen Besonderheiten.
Sie sind in vielfältiger Weise in das lokale Gemeinwe-
en eingebunden, nicht nur als Kreditgeber und als wich-
iger Arbeitgeber, sondern auch als Förderer von vielen
hrenamtlichen und gemeinnützigen Initiativen.
Diese wichtigen Funktionen der Sparkassen möchte
iemand antasten. Im Gegenteil, das Sparkassenwesen
ls wichtige Säule des deutschen Bankenwesens, gerade
n der Funktion als Partner des Mittelstandes, muss ge-
tützt und erhalten werden. Dafür steht die Bundesregie-
ung, dafür steht die CDU/CSU-Fraktion im Deutschen
undestag, und dafür steht auch – das wird in dem Ge-
etzentwurf des Landes Schleswig-Holstein zur Ände-
4810 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 46. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Juni 2010
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rung des Sparkassengesetzes deutlich – die christlich-li-
berale Koalition in Schleswig-Holstein.
Das Land Schleswig-Holstein will nicht die Sparkas-
sen gefährden, sondern im Gegenteil das für das Ge-
meinwohl wichtige Sparkassenwesen im Land schützen.
Dies wird im Gesetzentwurf zur Änderung des Sparkas-
sengesetzes auch noch einmal ausdrücklich betont.
Die Zweckbindung der Sparkassen soll durch die
Möglichkeit der Bildung von Stammkapital und deren
beschränkte Übertragbarkeit auf andere öffentlich-recht-
liche Sparkassen, deren Träger oder vergleichbare Trä-
ger nicht eingeschränkt werden. Die Fraktionen der
CDU und der FDP im Landtag von Schleswig-Holstein
verlangen darüber hinaus unter anderem, dass eine Min-
derheitsbeteiligung an einer Sparkasse an die Mitglied-
schaft in einem regionalen Sparkassen- und Giroverband
gebunden sein soll. Ein entsprechender Änderungsantrag
zum Gesetzesentwurf der Landesregierung wurde noch
in dieser Woche gestellt.
Wir nehmen das im ersten Teil des Antrages formu-
lierte Ansinnen der Antragsteller, das Sparkassenwesen
zu schützen, sehr ernst. Die aufgeworfenen Fragestellun-
gen sind diskussionswürdig und müssen beantwortet
werden. Wir bezweifeln aber, dass der vorliegende An-
trag dazu beiträgt.
Wir sind uns sicher, dass die Entscheidungsträger in
Schleswig-Holstein verantwortungsvoll mit der Zukunft
der dortigen Sparkassen umgehen. Auch die CDU- und
die FDP-Fraktion im Landtag in Schleswig-Holstein ha-
ben ihren Willen dazu erneut durch ihren in Detailfragen
klarstellenden Änderungsantrag gezeigt. Wir lehnen den
vorliegenden Antrag der SPD daher ab.
Wir lehnen den Antrag aber auch deswegen ab, weil
er sich der Einsicht verweigert, dass Sparkassen zukünf-
tig neue Wege bei der Beschaffung von Eigenkapital ge-
hen müssen. Nach den beiden Finanzkrisen kann und
wird die Finanzbranche nicht mehr bleiben, wie sie war.
Im Rahmen der diskutierten und der bereits auf den
Weg gebrachten Regulierungsmaßnahmen wird die Ver-
stärkung des Eigenkapitals für Banken eine entschei-
dende Rolle spielen. Die Überlegungen des Baseler Aus-
schusses zum Beispiel zur Leverage Ratio sind hierfür
nur ein Beispiel. Die Sparkassenorganisation wird also
die Frage beantworten müssen, wie sie dieses Eigenkapi-
tal generiert. Erschwerend kommt hinzu, dass sich die
kommunalen Träger der Sparkassen bundesweit ver-
mehrt in einer komplexen Finanzsituation befinden. Vor
diesem Hintergrund wird sich immer häufiger die Frage
stellen, inwieweit die Sparkassen zur Konsolidierung der
Haushalte ihrer jeweiligen Träger beitragen können. In-
sofern wird der Druck, soweit gesetzlich zulässig, an die
Kommunen als Träger auszuschütten, größer werden
und das Thesaurierungspotenzial mithin sinken.
Wir werden diesen Herausforderungen, bei allem Re-
spekt vor den im Antrag der SPD formulierten Beden-
ken, nicht dadurch begegnen können, dass wir so tun, als
dürfe sich nichts ändern. Sparkassen werden andere
Wege als bisher einschlagen müssen, um das für ihre
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ufgabe auskömmliche Eigenkapital zu generieren. Ei-
ige Bundesländer haben sich, wie bereits ausgeführt,
orsichtig auf diesen Weg gemacht. Schleswig-Holstein
ill dem folgen, und das ist auch gut so.
Wir sollten diesen Prozess als Bundespolitik daher
icht blockieren, sondern vielmehr kritisch konstruktiv
egleiten – in Schleswig Holstein und im Rest unseres
andes.
Bernd Scheelen (SPD): Im Bundestag hat es bisher
inen fraktionsübergreifenden Konsens über das deut-
che dreigliedrige Bankensystem gegeben. Dieser Kon-
ens schloss immer auch die Sparkassen mit ein. Es
uss deshalb den Bundestag beschäftigen, wenn die Zu-
unft der öffentlich-rechtlichen Sparkassen gefährdet
ird.
Eine solche Gefährdung geht aktuell von dem Gesetz-
ntwurf der schwarz-gelben Landesregierung in Schles-
ig-Holstein zur Änderung des dortigen Sparkassenge-
etzes aus. Der Gesetzentwurf droht zum Einfallstor für
ie Privatisierung der Sparkassen in Schleswig-Holstein
u werden. Dies würde den Bestand der gesamten Ver-
undorganisation der öffentlich-rechtlichen Sparkassen
nfrage stellen und hätte somit über das Land hinaus gra-
ierende negative Auswirkungen auf den gesamten
parkassensektor.
Die öffentlich-rechtlichen Sparkassen sind ein unver-
ichtbarer Teil des Bankensystems. Sie sind der Haupt-
reditgeber für die mittelständischen Unternehmen. Sie
tellen einen diskriminierungsfreien Zugang für alle
unden zu Finanzdienstleistungen sicher. Ohne sie wäre
ine flächendeckende geld- und kreditwirtschaftliche
ersorgung in ländlichen und strukturschwachen Regio-
en nicht gesichert.
Diese Funktion können Sparkassen aber nur aufgrund
hrer öffentlich-rechtlichen Struktur, der Einhaltung des
egionalprinzips und ihres öffentlichen Auftrags erfül-
en. Bei einer Privatisierung der öffentlich-rechtlichen
parkassen würden kurzfristige Renditeinteressen an die
telle der bisherigen Gemeinwohlorientierung treten.
ie SPD wendet sich deshalb gegen die Privatisierung
er Sparkassen!
Die schleswig-holsteinische Landesregierung betritt
it der in ihrem Gesetzentwurf enthaltenen Option zur
ildung beschränkt übertragungsfähigen Stammkapitals
ei öffentlich-rechtlichen Sparkassen leichtfertig Neu-
and. Nach Einschätzung der kommunalen Spitzenver-
ände und des Deutschen Sparkassen- und Giroverban-
es birgt diese Option die Gefahr eines Verstoßes gegen
uropäisches Wettbewerbsrecht. Der Gesetzentwurf
roht deshalb zu einem Dammbruch zur Privatisierung
er Sparkassen zu werden. Dies scheint Schwarz-Gelb in
iel nicht zu stören.
Bereits die Möglichkeit zur Bildung und Übertragung
on Stammkapital ist ein Schritt in Richtung Privatisie-
ung. Sparkassen werden dadurch zu Finanzbeteiligun-
en, die bei Nichterreichen einer gewünschten Rendite
eräußert werden können.
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Für die Stammkapitalbildung gibt es dabei keine
überzeugenden betriebswirtschaftlichen Argumente. Fu-
sionen von Sparkassen oder die Stärkung der Eigenmit-
telausstattung einer öffentlich-rechtlichen Sparkasse
sind mit den bestehenden sparkassenrechtlichen Mitteln
auch ohne den Einsatz von Stammkapital möglich.
Die größte Gefahr liegt aber darin, dass der Gesetz-
entwurf erstmals die Übertragbarkeit von Stammkapital
nicht auf öffentlich-rechtliche Sparkassen und kommu-
nale Träger beschränkt. Einbezogen wird nämlich mit
der HASPA Finanzholding die Trägerin einer freien
Sparkasse und damit ein privates Rechtssubjekt. Dies
wird von der schwarz-gelben Landesregierung zwar be-
stritten. Die EU-Kommission hat aber bereits deutlich
erkennen lassen, dass sie die Haspa als Privaten einord-
nen wird.
Wird die Übertragbarkeit nicht auf den öffentlich-
rechtlichen Bereich beschränkt, ist nach der Rechtspre-
chung des Europäischen Gerichtshofs eine Privilegie-
rung bestimmter Rechtsträger gegenüber anderen poten-
ziellen Investoren unzulässig. Es besteht somit das
Risiko, dass die EU-Kommission wegen der unzulässi-
gen Veräußerungsbeschränkung ein Vertragsverletzungs-
verfahren einleitet. Selbst wenn dies unterbleibt, könnten
sich private Investoren auf eine Gleichstellung mit der
HASPA Finanzholding berufen und sich damit in eine
Sparkasse hineinklagen.
Die SPD fordert deshalb die schleswig-holsteinische
Landesregierung auf, ihren Gesetzentwurf zurückzuzie-
hen. Der offensichtlich gegen das europäische Wettbe-
werbsrecht verstoßende Gesetzentwurf darf nicht zum
Einfallstor für die Privatisierung der Sparkassen werden!
Dr. Volker Wissing (FDP): Ein leistungsfähiges und
stabiles Finanzsystem ist für die wirtschaftliche Ent-
wicklung unseres Landes unerlässlich. Nicht zuletzt mit
dem Koalitionsvertrag erneuern Union und FDP daher
das gemeinsame Bekenntnis zum dreigliedrigen Banken-
system, bestehend aus Privatbanken, Volks- und Raiffei-
senbanken sowie Sparkassen. Privatpersonen und Unter-
nehmen profitieren von dieser wettbewerbsintensiven
Bankenlandschaft.
Die Bundesregierung setzt sich mit zusätzlichen An-
strengungen für die nachhaltige Stabilisierung des Fi-
nanzsektors ein. Hierzu zählt die strukturelle Verbesse-
rung privater und hoheitlicher Aufsichtssysteme ebenso
wie die Stärkung langfristiger Wachstumskräfte durch
wettbewerbsorientierte Reformen.
Unser Ziel ist es, die Widerstandsfähigkeit aller
Marktteilnehmer – unabhängig von der Rechtsform –
nachhaltig zu stärken. Als Fundament einer wirkungs-
volleren Bankenregulierung werden die Kapitalanforde-
rungen differenziert nach Risiko und Systemrelevanz
verstärkt. In Krisenzeiten auftretende Verluste werden
zukünftig in größerem Umfang selbst zu tragen sein. Die
Bildung von Stammkapital auch durch Sparkassen ent-
spricht dieser Zielsetzung einer effizienten Risikovor-
sorge durch Eigenkapitalbildung.
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Die SPD will diese Art der eigenen Vorsorge durch
ie Finanzmarktakteure unterbinden. Aus den schlechten
rfahrungen mit der Sparkasse Südholstein und der
ord-Ostsee Sparkasse sollen keine Lehren gezogen
erden. Die somit nur plakative Forderung der SPD,
ich bei den Bemühungen zur Stabilisierung und Stär-
ung von Finanzinstituten einseitig auf Sparkassen zu
okussieren, verkennt zudem den Reformbedarf auch in
en anderen kreditwirtschaftlichen Bereichen. Nicht zu-
etzt die mittlerweile bundeseigene Hypo-Real-Estate-
ruppe muss so gestärkt werden, dass von ihr keine
euen Gefahren für andere Marktteilnehmer ausgehen.
Schon vor dem Hintergrund des Beihilferechts ist
icht ersichtlich, warum die Bundesregierung sich ein-
eitig für die Stärkung von Sparkassen im Wettbewerb
eispielsweise mit Genossenschaftsbanken einsetzen
ollte. Die Koalition bekennt sich auch weiterhin zu ver-
leichbaren Wettbewerbsbedingungen für Institute aller
echtsformen.
Nicht nur deswegen ist die vorliegende Initiative der
PD abzulehnen. Vor allem die grundgesetzlich ge-
chützte Zuständigkeit der Landesparlamente für die
parkassengesetzgebung gilt es zu wahren. Allein aus
iesem Verfassungsprinzip kann die Bundesregierung
icht auf die freie Meinungsbildung der gewählten Ab-
eordneten im schleswig-holsteinischen Landesparla-
ent Einfluss nehmen.
Dr. Axel Troost (DIE LINKE): Machen wir uns doch
ichts vor: Der Hintergrund für den Vorstoß zur Ände-
ung des Sparkassengesetzes ist die desaströse Schief-
age der öffentlich-rechtlichen Finanzwirtschaft in
chleswig-Holstein. Durch die Risikogeschäfte der HSH
ordbank mussten die Sparkassen einen Vermögensver-
ust in dreistelliger Millionenhöhe hinnehmen. Als Ent-
astung schlägt die schwarz-gelbe Regierungsfraktion
un vor, dass fremde Kreditinstitute künftig Minder-
eitsbeteiligungen an den öffentlich-rechtlichen Kredit-
nstituten von bis zu 25,1 Prozent erwerben können. Vo-
aussetzung ist laut Gesetzentwurf, dass diese neuen
nteilseigner aus dem „öffentlichen Bereich“ stammen
üssen. Die Landesregierung beansprucht mit dem Ge-
etz, die Eigenkapitalausstattung der Institute zu stärken.
atsächlich aber wird einer Teilprivatisierung von Spar-
assen Tür und Tor geöffnet.
Elf Sparkassen in Schleswig-Holstein sind noch
echte“ Sparkassen: Sie sind öffentlich-rechtlich struktu-
iert, dürfen nur in einem bestimmten Gebiet tätig wer-
en und schütten ihre Gewinne an Stiftungen in der Re-
ion aus. 2009 waren das bei der Sparkasse Holstein
und 5,2 Millionen Euro. Mit der von CDU und FDP ge-
lanten Gesetzesänderung sollen sich nun auch anders
rganisierte, „unechte“ Sparkassen an den „echten“ be-
eiligen können. Das Gesetz bereitet den Weg für die
ASPA Finanzholding, Mutter der Hamburger Spar-
asse, Haspa, bei den schleswig-holsteinischen Sparkas-
en einzusteigen. Wenngleich die Haspa mit Verweis auf
hre öffentlichen Aufgaben gerne den Eindruck vermit-
elt, keine private Bank zu sein, ist sie doch auch keine
ffentliche. Denn das Hamburger Geldinstitut hat eine
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Sonderstellung inne. Für sie gilt das Regionalprinzip
nicht, und es ist unklar, wer eigentlich die Holding kon-
trolliert.
Der Deutsche Städte- und Gemeindebund, DStGB,
und der Sparkassen- und Giroverband für Schleswig-
Holstein, SGVSH, haben die schwerwiegenden Konse-
quenzen einer solchen Neuregelung bereits mehr als
deutlich gemacht: Wenn die Haspa bei den Sparkassen
einsteigen darf, dann ist die Option eröffnet, dass sich
Privatbanken dasselbe Recht erstreiten und damit das öf-
fentlich-rechtliche Finanzwesen in Richtung Privatisie-
rung treiben. Sparkassenfremde Anbieter könnten sich
auf die Kapitalverkehrsfreiheit und die Niederlassungs-
freiheit in den EU-Mitgliedstaaten berufen und hierüber
den Erwerb von Sparkassenanteilen in Schleswig-Hol-
stein erzwingen. Dies würde den Fortbestand des Spar-
kassenwesens – und damit das Rückgrat der Kreditver-
sorgung für kleinere und mittelständische Unternehmen –
massiv gefährden. Der Beitrag, den die Sparkassen nicht
zuletzt auf Grundlage ihrer kleinteiligen Strukturierung
und regionalen Verankerung zum wirtschaftlichen Leben
vor Ort leisten, würde dann bald der Vergangenheit an-
gehören.
Abzulehnen ist in der Tat bereits die Möglichkeit, bei
öffentlich-rechtlichen Sparkassen Stammkapital einzu-
führen und den Trägern der Institute die Option einzu-
räumen, Anteile zu veräußern. Hierdurch wird den Spar-
kassen kein frisches Kapital zur Verbesserung ihrer
Eigenmittelausstattung zugeführt. Das Gesetz würde
völlig falsche Anreizstrukturen für öffentliche Träger
schaffen, weil diese dann Sparkassenanteile veräußern
können, beispielsweise um sich finanziell zu entlasten.
Wäre der schleswig-holsteinischen Regierung an einer
Aufstockung der Kapitaldecke wirklich gelegen, könnte
dies im Übrigen auch mittels stiller Einlagen erfolgen.
Der jetzige Gesetzentwurf ist nichts anderes als ein Ein-
fallstor für die vor allem von der FDP geplante Zerstö-
rung des öffentlichen Finanzsektors. Dem erteilen wir
eine entschiedene Absage. Der Antrag der SPD geht in
die richtige Richtung. Die öffentlich-rechtlichen Spar-
kassen sind in ihren Strukturen zu erhalten. Wir wollen
keine Privatisierung durch die Hintertür und stimmen
heute dem Antrag der SPD zu. Allerdings fordert der
Antrag im letzten Spiegelstrich eine Intervention der
Bundesregierung in Richtung der Landesregierung von
Schleswig-Holstein. Dies ist natürlich nicht korrekt, weil
die Gesetzesvorlage nicht von der Landesregierung, son-
dern von den Koalitionsfraktionen eingereicht worden
ist. Deshalb kann die Landesregierung ihren Gesetzent-
wurf auch nicht zurückziehen, sondern nur die Fraktio-
nen von FDP und CDU können dies tun.
Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Was die schwarz-gelbe Landesregierung in Schleswig-
Holstein mit den Sparkassen vorhat, ist nichts anderes
als eine Trippelschrittprivatisierung durch die Hintertür.
Nicht die Frage nach dem Warum und Wofür leitet diese
Regierung, sondern eine fragwürdige und in anderen Be-
reichen schon vielfach gescheiterte Privatisierungsdok-
trin, die den privaten Banken ein Einfallstor zum Spar-
kassengeschäft öffnet. Die Absicht der Regierung
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arstensen, aus den Rücklagen der Sparkassen jetzt ver-
ußerbares Stammkapital zu machen, lenkt die Diskus-
ion um die Sparkassen in die falsche Richtung. So soll
ich einmal mehr die Auseinandersetzung in der vorder-
ründigen Frage erschöpfen: Privatisierung oder Teilpri-
atisierung – ja oder nein?
Dabei bestehen im Sparkassenbereich bereits ohnehin
roße Herausforderungen: Aus Brüssel droht Ungemach
it Reformen bei der Einlagensicherung, die einmal
ehr die Funktionsweise des öffentlich-rechtlichen Sek-
ors wie des genossenschaftlichen Sektors in Deutsch-
and ignorieren. Doch es ist nicht nur notwendig, Bedro-
ungen dieser Art zu thematisieren. Es geht nicht nur um
ie Abwehr unerwünschter Gesetzgebung in Europa
der einzelnen Bundesländern, sondern auch darum, die
emeinwohlorientierung angesichts neuer Herausforde-
ungen neu zu gestalten. Gemeinwohlorientierung darf
ich bei weitem nicht in Mittelstandsfinanzierung, Konto
ür jedermann und Mittelausschüttung für gemeinnüt-
ige Zwecke erschöpfen. Sosehr Bündnis 90/Die Grünen
on der Bedeutung eines öffentlichen Bankensektors in
eutschland und in Europa – und übrigens auch von der
olkswirtschaftlichen Richtigkeit – überzeugt sind, so-
ehr fordern wir eine Neuausrichtung der Sparkassen.
enn nur wenn sie der Gesellschaft Leistungen bieten,
ie Privatbanken nicht erbringen können oder wollen,
aben sie eine Daseinsberechtigung von öffentlichem In-
eresse und sind daher schützenswert.
Ich will also die Diskussion nicht in der Frage Eigen-
apital/Stammkapital vertiefen. Da stimmen wir dem
ntrag der SPD zu. Ich denke, die darin aufgeführten
edenken wird auch Schwarz-Gelb, im Land wie im
und, nicht von der Hand weisen können: Eine Stärkung
er Eigenkapitalbasis wird mit der Umwandlung von Si-
herheitsrücklagen in Stammkapital nicht erreicht. Im
egenteil: Bei einer Verzinsung des Stammkapitals
ürde die Eigenkapitalbasis sogar geschmälert. Auf den
rsten Blick vielleicht einleuchtend, langfristig aber pro-
lematisch und für die Zukunft der Sparkassen insge-
amt gefährlich ist der geplante Einstieg der Hamburger
parkasse Haspa. Schließlich bewertet die EU-Kommis-
ion deren Eigner, den Hanseatischen Sparkassen- und
iroverband, HSGV, als privatrechtlich. Wer also den
instieg der Haspa betreibt, der öffnet den Einstieg für
ndere Privatbanken. Nebenbei: Damit würde die FDP
usnahmsweise einmal der Erfüllung eines ihrer Wahl-
ersprechen wenigstens einen Schritt näherkommen, hat
ie FDP doch in ihrem Wahlprogramm die Umwandlung
er Sparkassen in Aktiengesellschaften gefordert. Wie
chon gesagt: Privatisierung um jeden Preis. Sparkassen
ls bloße Finanzbeteiligungen. Darauf läuft es hinaus.
as machen wir nicht mit, und das werden auch die Bür-
erinnen und Bürger nicht mitmachen, deren Restver-
rauen in die Finanzbranche neben dem genossenschaft-
ichen Bereich insbesondere den insgesamt soliden und
ürgernahen Sparkassen zu verdanken ist. Damit ist ge-
agt, was zu dieser falsch motivierten und zu erwarten-
en fatalen Änderung des Sparkassengesetzes in Schles-
ig-Holstein gesagt werden muss.
Ich will die Diskussion vielmehr auf die Funktion der
parkassen lenken. Ihre Rolle, die ihren öffentlich-recht-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 46. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Juni 2010 4813
(A) (C)
(D)(B)
lichen Status legitimiert, können sie unserem Verständ-
nis nach nur ausfüllen, wenn sie sich konsequent als mo-
derne, nachhaltig wirtschaftende Finanzdienstleister
aufstellen, die in ihren Investments konsequent auch
ökologische, soziale und ethische Kriterien berücksichti-
gen, und wenn sie zugleich den öffentlichen Auftrag ins
Zentrum ihres Geschäftsmodells stellen sowie in Bezug
auf Transparenz und Offenheit eine Vorreiterrolle ein-
nehmen. Im Zentrum der modernen Sparkasse stehen
für uns drei zentrale Eigenschaften: die ökologische und
die soziale Ausrichtung sowie Transparenz und demo-
kratische Verfasstheit.
Den Sparkassen öffnet sich eine Vielzahl von
ökologischen Handlungsmöglichkeiten: Unternehmens-
leitlinien, Umweltmanagement, Investitionsrichtlinien,
Produktgestaltung und Beratungskompetenz sowie Un-
terstützung nachhaltiger Unternehmen können zentrale
Ansatzpunkte einer ökologischen Ausrichtung einer
Sparkasse sein. Das am Finanzmarkt angelegte Kapital
sollte neben den übrigen Aspekten der Anlagestrategie
eben auch nachhaltige Gesichtspunkte umfassen. Spar-
kassen sollten sich verpflichten, Angebote nachhaltiger
Geldanlagen anzubieten, und entsprechende Kriterien
bei ihrer eigenen Anlagepolitik berücksichtigen. Dazu
wiederum bedarf es bundespolitischer Rahmensetzun-
gen. Das ist ein Thema, das die Bundesregierung völlig
ignoriert – dabei liegen gerade hier enorme Potenziale
für den deutschen Finanzmarkt, ganz abgesehen von der
schlichten Notwendigkeit einer Neuorientierung der Fi-
nanzströme zur Bewältigung von Finanz-, Klima- und
Hungerkrise.
Ein weiterer wichtiger Punkt, den die Koalition bis
heute nicht ernst genug nimmt, ist der Anlegerschutz.
Hier haben etliche Sparkassen in den vergangenen Jah-
ren nicht gerade geglänzt. Auch sie haben ihren Kundin-
nen und Kunden riskante, den Bedürfnissen des jeweili-
gen Kunden nicht entsprechende Produkte wie
Zertifikate aufgedrängt – und sich danach aus der Ver-
antwortung zu stehlen versucht. Dabei müssten die Spar-
kassen auch hier ihrer Vorbildfunktion gerecht werden,
wenn sie, was wir wollen, einen öffentlichen Auftrag
verfolgen. Bundes- und Landesgesetzgeber sind deshalb
aufgefordert, statt an neuen Privatisierungseinfallstüren
zu arbeiten, den gemeinwohlorientierten Fortbestand der
Sparkassen in einem Drei-Säulen-Bankensystem zu er-
möglichen.
46. Sitzung
Berlin, Donnerstag, den 10. Juni 2010
Inhalt:
Redetext
Anlagen zum Stenografischen Bericht
Anlage 1
Anlage 2
Anlage 3
Anlage 4
Anlage 5
Anlage 6
Anlage 7