1) Anlage 7
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 44. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. Mai 2010 4491
(A) (C)
(D)(B)
Anlagen zum Stenografischen Bericht
Anlage 1
Liste der entschuldigten Abgeordneten
Anlage 2
Erklärungen nach § 31 GO
zur namentlichen Abstimmung über den Ent-
wurf eines Gesetzes zur Übernahme von Ge-
währleistungen im Rahmen eines europäischen
Stabilisierungsmechanismus (Zusatztagesord-
nungspunkt 13)
Veronika Bellmann (CDU/CSU): Ich kann dem vor-
liegenden Gesetzentwurf nicht zustimmen. Dem Grie-
chenland-Paket habe ich nur zugestimmt, weil die Zeit
für die Erarbeitung einer in den EU-Verträgen fehlenden
Rechtsgrundlage für ein geordnetes Restrukturierungs-
verfahren für Griechenland gefehlt hat. So wurde zumin-
dest argumentiert. Nun muss ich aber sehen, dass für die
Erarbeitung einer viel weitreichenderen Rechtsgrund-
lage offenbar zehn Tage vollkommen ausreichend wa-
ren. Ich fühle mich dadurch im Nachhinein gewisserma-
ßen getäuscht.
Man beachte, dass allein der Finanz- und Garantie-
umfang des Griechenland-Pakets für Deutschland bei
22 Milliarden Euro zuzüglich Zinsrisiken liegt, der des
Gewährleistungsgesetzes bei 147 Milliarden Euro ein-
schließlich einer zusätzlichen Garantieermächtigung.
Der Zeitfaktor gilt auch noch für einen anderen Fakt, al-
lerdings in ganz anderer Hinsicht. Die Konstruktion der
noch zu gründenden milliardenschweren Zweckgemein-
schaft – 440 Milliarden Euro – liegt nur in groben Zügen
vor. Die vertraglichen Grundlagen sind nicht hinrei-
chend bestimmt, sodass es für Parlamentarier schwierig
ist, verantwortlich zu entscheiden. Den acht in der Ab-
stimmungserklärung der Abgeordneten Klaus-Peter
Willsch und Manfred Kolbe genannten Punkten stimme
ich vollinhaltlich zu.
Alles in allem hoffe ich dennoch, dass trotz aller Be-
schwernisse meinerseits meine Vermutungen im Hin-
blick auf die Entwicklung der EU nicht eintreffen mö-
gen, nach denen es eine EU mit Stabilitäts- und
Wachstumskriterien und einer Leitwährung deutscher
Prägung im Sinne eines Staatenbundes nicht mehr geben
wird, stattdessen der Weg in einen europäischen Bundes-
staat als Transferunion auf Grundlage einer Durch-
Abgeordnete(r)
entschuldigt bis
einschließlich
Bender, Birgitt BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
21.05.2010
Binder, Karin DIE LINKE 21.05.2010
Binding (Heidelberg),
Lothar
SPD 21.05.2010
Bollmann, Gerd SPD 21.05.2010
Bosbach, Wolfgang CDU/CSU 21.05.2010
Buchholz, Christine DIE LINKE 21.05.2010
Gloser, Günter SPD 21.05.2010
Goldmann, Hans-
Michael
FDP 21.05.2010
Groschek, Michael SPD 21.05.2010
Höger, Inge DIE LINKE 21.05.2010
Hönlinger, Ingrid BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
21.05.2010
Humme, Christel SPD 21.05.2010
Kühn, Stephan BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
21.05.2010
Nietan, Dietmar SPD 21.05.2010
Petermann, Jens DIE LINKE 21.05.2010
Pflug, Johannes SPD 21.05.2010
Reichenbach, Gerold SPD 21.05.2010
Dr. Riesenhuber, Heinz CDU/CSU 21.05.2010
Roth, Michael SPD 21.05.2010
Schmidt (Eisleben),
Silvia
SPD 21.05.2010
Dr. Schwanholz, Martin SPD 21.05.2010
Schwanitz, Rolf SPD 21.05.2010
Steinbach, Erika CDU/CSU 21.05.2010
Weinberg, Harald DIE LINKE 21.05.2010
Winkler, Josef Philip BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
21.05.2010
Wunderlich, Jörn DIE LINKE 21.05.2010
Abgeordnete(r)
entschuldigt bis
einschließlich
4492 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 44. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. Mai 2010
(A) (C)
(D)(B)
schnittswahrung durch das Gewährleistungsgesetz vor-
programmiert ist.
Rechtliche Bedenken: Das vorgesehene Hilfssystem
verstößt gegen geltendes EU-Recht. Das gilt sowohl für
die Finanzierung durch EU-Anleihen als auch für die
Abgabe von bilateralen Garantien durch Mitgliedstaaten.
Es ist auch kein singuläres Ereignis im Sinne des
Art. 122 AEUV – Vertrag über die Arbeitsweise der Eu-
ropäischen Union –, da die Lage hilfebedürftiger Mit-
gliedstaaten zu großen Teilen von ihnen selbst ver-
ursacht wurde Diese liegt in der Situation der
Staatshaushalte begründet. Das Budgetrecht obliegt den
jeweiligen Parlamenten. Ferner hat gemäß Stabilitäts-
pakt die EU ebenfalls eine Überwachungsfunktion. Inso-
fern ist die Bestimmung des Art. 122, dass die Union
Beistand gewähren kann, wenn einem „Mitgliedsstaat
aufgrund von Naturkatastrophen oder außergewöhnli-
chen Ereignissen, die sich seiner Kontrolle entziehen ...“,
nicht anwendbar. Auf ein singuläres Ereignis, das sich
der eigenen Kontrolle entzieht, kann man sich nicht be-
rufen, wenn auf Staatspapiere, die man aus einem Ge-
winnmotiv heraus gekauft hat, Abschreibungsverluste
drohen. Die Unabhängigkeit der EZB wird infrage ge-
stellt, da sie sich an dem Beistand im Rahmen des Hilfs-
systems beteiligt. Der Erwerb von Staatsanleihen am of-
fenen Markt ist ein direkter Verstoß gegen Art. 123
AEUV.
Die in Art. 125 – Haftungsausschlüsse – Abs. 2 dem
Rat zugeteilte Ermächtigung in Art. 123 – Verbot von
Kreditfaszilitäten für öffentliche Einrichtungen –
Art. 124 – Verbot zu berechtigtem Zugang von Finanzin-
stituten für öffentliche Einrichtungen – und Art. 125 be-
inhaltet lediglich, die Definition der Anwendung vor-
gesehener Verbote näher zu bestimmen. Sie erlaubt nicht
die gänzliche Aufhebung dieser Verbote. Durch das Ge-
währleistungsgesetz wird aber ein echtes Gemein-
schaftsinstrument geschaffen. Das heißt, die in vorge-
nannten Artikeln verankerten Verbote werden
aufgehoben. Das halte ich für rechtswidrig.
Grundsätzliche Bedenken: Ich stimme der Aussage
des Bundesbankpräsidenten Axel Weber ausdrücklich
zu, wenn er sagt, dass die Beschlüsse die Fundamente
der Wahrungsunion in ganz erheblicher Weise strapazie-
ren. Die Vorstellung, die prekäre finanzielle Situation
einzelner Mitgliedstaaten der Euro-Gruppe könnte mit
Milliardengarantien und Krediten abgewendet und da-
durch der Euro gestärkt werden, halte ich für illusorisch.
Auch das riesige Hilfspaket saniert deren Staatsfinanzen
nicht; es schwächt vielmehr. Selbst die kurzfristige Ab-
schwächung der Spekulations- und Nervositätsdynamik
an den Finanzmärkten kann nicht darüber hinwegtäu-
schen, dass durch eine derartige Ad-hoc-Politik langfris-
tig mehr Vertrauen zerstört wird und keine echte Stabili-
sierung erzielt werden kann.
Der Euro droht von einer Leitwährung zu einer
Durchschnitts- bzw. Weichwährung zu werden, die Sta-
bilitätsgemeinschaft der Euro-Zone zu einer Schulden-,
Haftungs- und Transfergemeinschaft zu verkommen.
Das ist ein weiterer Grund, dass sich an den Märkten
kaum Vertrauen herstellen lassen wird.
Die Teilnahme des IWF im vorliegenden Maßnahme-
paket ist im Unterschied zum Griechenland-Paket keine
Bedingung. Der IWF stellt lediglich Zahlungsunfähig-
keit fest und muss das Sparprogramm billigen. Damit
fehlen ein notwendiges Korrektiv und ein Mitfinanzie-
rer.
Die beabsichtigte Zweckgesellschaft ist mit einem eu-
ropäischen Währungsfonds vergleichbar. Im Übrigen
teile ich nicht die Hoffnung, dass deren Existenz ledig-
lich drei Jahre plus vielleicht noch einmal soviel für die
Abwicklung betragen wird. Europäische Realitäten ha-
ben uns gezeigt, dass sich einmal eingerichtete Instituti-
onen selten an Befristungen halten. Für problematisch
erachte ich, dass die EU-Kommission die Möglichkeit
erhalt, im eigenen Namen Kredite aufzunehmen.
Ich bleibe bei meiner Überzeugung, die ich bereits im
Zuge der Verabschiedung des Griechenland-Pakets ge-
äußert habe, dass die Banken viel zu wenig am Rettungs-
paket beteiligt wurden. Es bleibt abzuwarten, welchen
Grad der Verbindlichkeit deren angebotene freiwillige
Hilfen erreichen. Die unisono erfolgte Befürwortung der
Banken zum Rettungspaket ist ein deutliches Zeichen
dafür, dass das Gewährleistungsgesetz eigentlich ein
Bankenpaket ist, das bei Androhung der Systemrelevanz
die Gewähr bietet, auch weiterhin Gewinne privatisieren
und Verluste sozialisieren zu können.
Hinter der auffälligen Überaktivität einiger EU-Mit-
gliedstaaten, insbesondere Frankreichs, das schon im
Falle Griechenlands eine Restrukturierung unbedingt
verhindern wollte, steht offenbar das Interesse, die Kapi-
talanleger vor Schuldenmoratorien und nachrangiger
Positionierung ihrer Ansprüche hinter denen des IWF
und damit vor Neubewertung der Risiken zu schützen.
Das hätte zu Schwierigkeiten der französischen Banken
geführt. Deutsche Banken hätten unter das Dach der
SoFFin schlüpfen müssen. Das hätte zwar Kapitalhilfe,
aber auch staatlichen Einfluss und Kontrolle bedeutet,
was keines dieser Kreditinstitute will.
Wenn ein angemessener Forderungsverzicht der
Gläubiger realisiert wird, bevor internationale Hilfe ein-
setzt, können sogar die Märkte als Instrument zum Errei-
chen von Schuldendisziplin wirken. Leider hat der IWF
einen solchen, für ihn sonst üblichen Forderungsver-
zicht, weder im Falle von Griechenland noch für den
EU-Gewährleistungsmechanismus gefordert. Auch des-
halb wird das vorliegende Gesetz nicht zur notwendigen
Schuldendisziplin in den Ländern führen.
Durch den Wegfall von Wechselkursmechanismen bei
Einführung der einheitlichen Währung für den Euro-
Raum, gibt es nur noch wenige Instrumente, auf Wettbe-
werbsfähigkeit, Bonität, Schuldendisziplin der Mitglied-
staaten zu reagieren. Wenn die Preisstabilität erhalten
bleiben soll, so bleibt da nur noch die unterschiedliche
Zinsbewertung. Zinssteigerung infolge unsolider Haus-
haltpolitik kann sehr disziplinierend wirken. Durch das
Gewährleistungsgesetz wird auch dieser Bewertungsme-
chanismus ausgehebelt, praktisch Zinskonvergenz her-
gestellt. Deutschland, das die Hauptlast der Gewährleis-
tung zu tragen hat, hilft seinen Konkurrenten am
Kapitalmarkt, sich wieder billiger zu verschulden. Das
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(A) (C)
(D)(B)
ist meines Erachtens falsch verstandene Solidarität. Die
europäische Schuldenblase wird weiter aufgeblasen. Das
beflügelt Abwertungserwartungen für den Euro. Die Sta-
bilisierung des Euro-Kurses ist nicht zu erwarten, was
schon dessen nur kurzer Aufwärtstrend nach Ankündi-
gung des Rettungspaketes an den Börsen deutlich
machte. Was ohne das Gewährleistungsgesetz nur zur
Abwertung der Staatsschuldentitel einzelner Euro-Län-
der geführt hätte, kann nun zur Abwertung der ganzen
Währung führen. Das wiederum bedeutet einen allge-
meinen Anstieg des Zinsniveaus auch für Deutschland
sowie ein erhöhtes Inflationsrisiko. Damit wird das Ge-
währleistungsgesetz auch noch zur Wachstumsbremse
für Deutschland.
Sonstige Bewertungen: Anzuerkennen ist, dass sich
die Bundesregierung bemüht, dem Gewährleistungspa-
ket eine grundlegende Reform des Stabilitäts- und
Wachstumspaktes an die Seite zu stellen. Diese Reform
einstimmig in der Union von 27 Staaten, bei denen ei-
nige die Vertragsänderungen per Referendum ratifizieren
lassen müssen, und in einem wegen der Dringlichkeit
der Haushaltkonsolidierung und der daraus resultieren-
den Finanzausstattung nahen Zeithorizont umzusetzen,
halte ich allerdings für illusorisch.
Anzuerkennen ist ferner, dass endlich notwendige
Maßnahmen der Finanzmarktregulierung in Angriff
genommen wurden, wobei ich hoffe, dass die jetzige Dy-
namik in diesem Prozess anhält und nicht nur dem
Leidensdruck, die notwendige Zustimmung zum vorlie-
genden Gesetz zu bekommen, geschuldet ist. Die Unter-
stützung für die Finanztransaktionsteuer ist mir aber ein-
deutig zu halbherzig. Außerdem fehlt mir die unbedingt
erforderliche Trennung des klassischen Bankgeschäftes
vom risikoreichen Investmentbanking und dessen Unter-
legung mit Eigenkapital.
Thomas Dörflinger (CDU/CSU): Dem von den
Koalitionsfraktionen vorgelegten und heute nach 2. und
3. Lesung zur Abstimmung stehenden Gesetzentwurf zur
Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines
europäischen Stabilisierungsmechanismus werde ich
meine Zustimmung erteilen. Ich stelle für diese Zustim-
mung folgende Bedenken zurück:
Erstens. Ich hege Zweifel, ob einerseits die bisher aus
guten Gründen völlig unabhängige Rolle der Europäi-
schen Zentralbank, EZB,) angesichts ihrer Absicht, beim
Ankauf von Staatsanleihen aktiv zu werden, nicht min-
destens temporär beeinträchtigt wird, und andererseits
diese Praxis ohne Auswirkung auf die Geldwertstabilität
in der Euro-Zone bleibt.
Zweitens. Die von der Europäischen Union, EU, be-
reitgestellten 60 Milliarden Euro dürfen weder als Ein-
fallstor für eine zusätzliche Steuerfinanzierung für die
EU begriffen werden, noch darf dies als Einstieg in eine
Kreditfinanzierung der EU führen.
Drittens. Angesichts der Höhe der bereitzustellenden
Bürgschaften wäre nicht nur ein Mitwirkungsrecht, son-
dern ein Zustimmungsvorbehalt des Haushaltsausschus-
ses des Deutschen Bundestages angezeigt.
Alexander Funk (CDU/CSU): Hiermit teile ich mit,
dass ich mich dem Mehrheitsvotum der Regierungsko-
alition zum Stabilisierungsgesetz bei der Abstimmung
im Deutschen Bundestag am 21. Mai 2010 nicht an-
schließen werde. Ich habe diese Entscheidung nach reif-
lichem Überlegen, intensiver Prüfung aller mir zugängli-
chen Informationen und in der Konsequenz meiner
massiven Bedenken gegen den eingeschlagenen finanz-
und europapolitischen Weg getroffen.
Bereits anlässlich der Abstimmung über das Gesetz
zum Erhalt der Währungsunion vom 7. Mai 2010 habe
ich meine Befürchtung kundgetan, dass mit der Über-
nahme von Kreditbürgschaften für Griechenland nicht
nur formalrechtlich, sondern auch inhaltlich gegen zen-
trale Regularien der einschlägigen europäischen Gesetze
verstoßen und der Weg zu einer mit unkalkulierbaren Ri-
siken verbundenen Uminterpretation der Europäischen
Union zu einer Transferunion eröffnet wird.
Bedauerlicherweise muss ich feststellen, dass sich,
wenige Tage nach der Beschlussfassung des Deutschen
Bundestages in Sachen Griechenland, meine Befürch-
tungen und Bedenken in jeglicher Form bestätigt haben.
Die besonders betonte Singularität der Hilfsmaßnahmen
für Griechenland wird durch die beabsichtigte, exorbi-
tante Garantiesumme von mindestens 123 Milliarden
Euro zum Dauerrisiko für den Haushalt der Bundesrepu-
blik.
Der vorgelegte Gesetzesentwurf sieht einen potenziel-
len Beistand der Union für Mitgliedstaaten vor, die
„durch außergewöhnliche Ereignisse, die sich ihrer Kon-
trolle entziehen, von gravierenden Schwierigkeiten
ernstlich bedroht sind.“ Unter dieser Maßgabe werden in
unüberschaubarer Größenordnung finanzpolitische Miss-
wirtschaft, Haushaltsdefizite sowie das Unterlaufen des
Stabilitätspaktes zu einer höheren Gewalt, die sich dem
Einfluss der Staaten entzöge, uminterpretiert und nach-
träglich legitimiert. Eine tatsächliche ökonomische Ge-
fährdung des Euro kann meines Erachtens gewiss nicht
durch die potenziellen Abschreibungsverluste der Inha-
ber von Staatsanleihen begründet und zu einem „außer-
gewöhnlichen Ereignis“ stilisiert werden, das die Kap-
pung der No-bail-out-Klausel unerlässlich mache.
Ich hege erhebliche Zweifel an der vorgebrachten
Einschätzung, dass durch die implementierten Kontroll-
mechanismen ein nachhaltiger Konsolidierungserfolg
der etwaig betroffenen Länder erreicht werden kann,
ebenso bezweifele ich die Dauerhaftigkeit der intendier-
ten marktberuhigenden Effekte des Stabilisierungsgeset-
zes. Im Gegenteil sind meines Erachtens ein weiterer
Kursverfall des Euros, eine stetig steigende Inflationsge-
fahr sowie mittelfristig zu erwartende Zinserhöhungen
direkte wirtschaftliche Effekte der jetzigen Maßnahmen
und insbesondere die Degradierung der Europäischen
Zentralbank zu einem Instrumentarium tagespolitischen
Opportunismus'.
Ich bedauere ausdrücklich, dass die vielfältigen und
wissenschaftlich renommierten Kritiker dieses einge-
schlagenen Weges bisher keine Gelegenheit erhalten ha-
ben, mit uns über Alternativstrategien fachlich fundiert
zu beraten. Andere und gangbare Wege der Krisenbe-
4494 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 44. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. Mai 2010
(A) (C)
(D)(B)
wältigung sind indes in den Wirtschaftsteilen der seriö-
sen Tages- und Fachpresse für jeden Bürger nachlesbar
und meines Erachtens mindestens bedenkenswert und
diskussionsfähig. Auch aus diesem Grunde hege ich
massive Zweifel an der immer wieder monierten Alter-
nativlosigkeit des Programmes und warne mit Nach-
druck vor den Konsequenzen dieser Ausblendung von
Exit-Strategien.
Mitunter wird der berechtigten Kritik an der Außer-
kraftsetzung aller finanzpolitischen Grundüberzeugun-
gen unserer CDU und insbesondere der Väter der Wäh-
rungsunion inzwischen unterstellt, einen aktiven Beitrag
an der zu erwartenden ausbleibenden Marktberuhigung
zu leisten. Ich verwehre mich in aller Schärfe gegen
diese Argumentationsführung. Das berechtigte und von
den Bürgerinnen und Bürgern auch erwartete Ringen um
den besten Weg in einer für uns alle entscheidenden
Situation gehört zur guten Tradition der christlichen
Unionsparteien. Unsere Partei war immer der Garant für
fiskal- und finanzpolitische Vernunft und Seriosität und
nicht zuletzt deshalb der entscheidende bundespolitische
Akteur der Europäischen Integration.
Ich versichere Ihnen, dass ich mich nach Kräften für
die Menschen in unserem Land und für eine starke und
erfolgreiche Arbeit unserer CDU einsetzen werde.
Überdies schließe ich mich der vorgelegten Erklärung
meiner Fraktionskollegen Klaus-Peter Willsch und
Manfred Kolbe ausdrücklich an.
Dem vorgelegten Gesetzentwurf der Bundesregierung
kann ich daher am 21. Mai 2010 nicht zustimmen.
Josef Göppel (CDU/CSU): Eine dauerhafte Siche-
rung unserer gemeinsamen Währung Euro kann nur ge-
lingen, wenn Haushaltskonsolidierung der Euro-Staaten
und Regulierung der Finanzmärkte gemeinsam angegan-
gen werden. Dabei müssen die Finanzmärkte an den
Kosten der Bankenkrise und der Sanierung der Staats-
haushalte angemessen beteiligt werden. Mit dem Gesetz
zum europäischen Stabilisierungsmechanismus über-
nimmt Deutschland konkrete finanzielle Verpflichtun-
gen, doch die Beteiligung der Finanzmärkte bleibt weiter
unbestimmt.
Nur eine Finanztransaktionsteuer bringt einen nen-
nenswerten Ertrag und dämmt gleichzeitig kurzfristige
Spekulation ohne Bezug zur Realwirtschaft wirkungs-
voll ein. Sparkassen und Genossenschaftsbanken, die
sich in ihrem Geschäftsmodell auf die Finanzierung von
Unternehmensinvestitionen konzentrieren, haben in der
Bundestagsanhörung vom 17. Mai 2010 der Finanztrans-
aktionsteuer den Vorzug vor Bankenabgabe und Finanz-
aktivitätsteuer gegeben. Investmentbanken und Hedge-
fonds würden hingegen aufgrund des schnellen Umschlags
ihres Vermögens durch eine Finanztransaktionsteuer in
ihren krisenverstärkenden Aktivitäten gebremst. Die seit
1986 existierende britische Börsenumsatzsteuer beweist,
dass bei geringen Steuersätzen auf Transaktionen keine
Schwächung des Finanzplatzes eintritt. Durch die Anhö-
rung des Finanzausschusses sehe ich mich darin be-
stärkt, dass eine Umsetzung der Finanztransaktionsteuer
in der Euro-Zone möglich ist.
Die Bankenkrise des Jahres 2008 wurde mit den Steu-
ermitteln aller Bürger eingegrenzt. Ohne die damit ver-
bundene Kreditaufnahme hätte Deutschland im Jahr
2010 einen Haushalt ohne Neuverschuldung erreicht.
Nach dem Löschen des spekulativen Flächenbrands im
Bankensektor wurde international zu wenig für die Be-
kämpfung der Ursachen getan. Eine erneute Belastung
der Steuerzahler ohne Einbeziehung des Finanzsektors
kann ich nicht mittragen. Dem Entschließungsantrag mit
der Drucksachennummer 17/1809 zur Einführung einer
Finanztransaktionsteuer stimme ich zu.
Dr. Lutz Knopek (FDP): Bevor wir heute über einen
Gesetzentwurf mit so weitreichenden Folgen entschei-
den, mache ich von meinem Recht Gebrauch, mein Ab-
stimmungsverhalten zu begründen.
Ungleiche wirtschaftliche Entwicklungen in unter-
schiedlichen Staaten erfordern eine Anpassung des re-
alen Wechselkurses. In einem gemeinsamen Währungs-
raum sind die Handlungsspielräume einzelner Staaten,
kurzfristig auf länderspezifische Entwicklungen zu re-
agieren, jedoch beschränkt, da der nominale Wechsel-
kurs als Anpassungsinstrument nicht mehr zur Verfügung
steht. Verschiedene Sprachen und kulturelle Unter-
schiede schränken die Faktormobilität ein, sodass ein
Ausgleich über eine Zu- oder Abwanderung von Kapital
und Arbeitskräften nur eingeschränkt infrage kommt.
Die anhaltenden Proteste in Griechenland zeigen, dass
die Faktorpreisflexibilität ebenfalls erheblich einge-
schränkt ist. Keine demokratisch gewählte Regierung
wird in kurzer Zeit die zur Herstellung der Wettbewerbs-
fähigkeit erforderlichen drastischen Lohnsenkungen
durchsetzen können. Als letztes Mittel – wird der Weg in
die geordnete Insolvenz ausgeschlossen – verbleibt da-
her nur noch die Möglichkeit, eine reale Ungleichge-
wichtssituation im Rahmen umfassender interstaatlicher
Transfers abzubauen. Ein solches Finanzausgleichssys-
tem in einer Währungsunion politisch selbstständiger
Staaten gefährdet aufgrund fehlender Anreize zur finan-
ziellen Solidität nicht nur die Anpassungsfunktion über
die Märkte, es macht auch eine glaubhafte Gelddisziplin
schwierig. Bereits 1990 hat die Europäische Kommis-
sion in ihrem vorbereitenden Bericht zur Europäischen
Währungsunion mit dem Titel „One Market, One Mo-
ney“ dazu Folgendes festgestellt:
Die Schaffung der Währungsunion setzt die lang-
fristige Vereinbarkeit zwischen der gemeinsamen
Geldpolitik und der Haushaltspolitik in den einzel-
nen Mitgliedstaaten voraus. Untragbare Haushalts-
situationen in einem Mitgliedstaat würden die mo-
netäre Stabilität in der Gemeinschaft insgesamt
ernsthaft bedrohen. Durch hohe und wachsende
Schuldenquoten würde Druck auf die Gemeinschaft
ausgeübt, finanzielle Hilfestellung zu leisten. Da
Geld- und Haushaltspolitik langfristig interdepen-
dent sind, führt dies letztlich zu einer Inflationsfi-
nanzierung der Staatsschuld.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 44. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. Mai 2010 4495
(A) (C)
(D)(B)
Mit der heutigen Entscheidung tritt Deutschland da-
her den unweigerlichen Weg in eine europäische Trans-
ferunion an. Damit übernimmt Deutschland de facto die
Gewährleistung der Schulden derjenigen europäischen
Staaten, die über einen langen Zeitraum unsolide gewirt-
schaftet haben. Verantwortungslosigkeit wird somit be-
lohnt. Die Entscheidung der Europäischen Zentralbank,
erstmals Staatsanleihen aufzukaufen – wenn auch zu-
nächst einmal geldmengenneutral – lässt an der Unab-
hängigkeit der EZB erhebliche Zweifel aufkommen.
Langfristig wird mit der heutigen Entscheidung die
Geldwertstabilität des Euro wesentlich gefährdet.
Diese Entscheidung kann ich daher nicht mittragen.
Ich stimme gegen diesen Gesetzentwurf.
Patrick Kurth (Kyffhäuser) (FDP): Die zahlreiche
Kritik an dem Gesetz muss von der Bundesregierung in
erheblichem Maße ernst genommen werden. Auch ich
kann zahlreiche Details des Gesetzes nicht nachvollzie-
hen oder bin bei Einzelfragen dagegen.
In der Hauptsache lehne ich die Finanzmarkttrans-
aktionsteuer ab. Sie kann nur global eingefühlt wirken,
ansonsten bleibt sie wirkungslos. Zumal lehne ich es ab,
dass vor allem Kleinsparer belastet werden.
Fragen bleiben bestehen: Was passiert, wenn Defizit-
staaten gegen Auflagen verstoßen? Was folgt, wenn der
IWF abzieht? Die genaue Garantie dazu bleibt fraglich.
Der Eindruck bleibt, dass Schulden mit Schulden be-
kämpft werden.
Trotz dieser bestehenden Einzelfragen und nicht
nachvollziehbaren Details stimme ich diesem Gesetz zu.
Letztlich muss ich mich allerdings auf die Richtigkeit
der Maßnahme verlassen, die von Experten und der Bun-
desregierung vorgeschlagen werden.
Für mich ist dabei aber entscheidend: Mit dem heuti-
gen Tag wird ausdrücklich nicht ein Vorgang abge-
schlossen. Nein! Aus meiner Sicht haben wir die Lösung
eines Problems nur verschoben und ein wenig Zeit ge-
wonnen. Die Uhr läuft zur Lösung des Problems rück-
wärts. Deshalb muss der heutige Beschluss der Start
einer intensiven europäischen Politik zur Rettung des
Euro. Jetzt muss die Bundesregierung Führungsverant-
wortung übernehmen und insbesondere eine Politik des
Schuldenabbaus und ordentlicher Haushalte in der Euro-
Zone und bei den Mitgliedstaaten einfordern.
Drastische Maßnahmen stehen an, für die der Bundes-
tag und die Bundesregierung bei der deutschen Bevölke-
rung und die europäischen Mitgliedstaaten intensiv wer-
ben müssen. Mit anderen Worten: Wenn die gewonnene
Zeit nicht für drastische Reformen in der Euro-Zone ge-
nutzt wird, ist der Euro in Gefahr.
Dr. Norbert Lammert (CDU/CSU): Dem Gesetz zur
Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines
europäischen Stabilisierungsmechanismus stimme ich
zu, weil ich auch unter Berücksichtigung ernst zu neh-
mender Zweifel an Art und Umfang der vorgesehenen
Maßnahmen die Risiken einer Verweigerung dieser ge-
meinsamen Bemühungen für unabsehbar und daher un-
vertretbar halte.
Für meine Zustimmung sind die gesetzliche Bindung
der Finanzierungsmaßnahmen an ein zwischen dem be-
troffenen Mitgliedstaat mit dem Internationalen Wäh-
rungsfonds, der Europäischen Kommission und der Eu-
ropäischen Zentralbank vereinbartes und von allen
Staaten des Euro-Raumes gebilligtes wirtschafts- und fi-
nanzpolitisches Programm sowie die nun endlich ein-
geleiteten Regulierungen spekulativer Finanzgeschäfte
wesentlich. Dagegen bedaure ich, dass das Gesetz keine
Regelungen für die zu gründende Zweckgesellschaft zur
Gewährung von Krediten enthält, sondern der Deutsche
Bundestag sich mit der Vorlage der für diese Zweck-
gesellschaft noch in Vorbereitung befindlichen Vertrags-
gestaltung begnügt, die nach meiner Überzeugung seiner
Zustimmung unbedingt bedurft hätte.
Paul Lehrieder (CDU/CSU): Bei der Abstimmung
in der Fraktion am 20. Mai 2010 hatte ich dem Gesetzes-
vorhaben meine Zustimmung verweigert.
Nach Überprüfung aller Beweggründe für und wider
das Gesetzesvorhaben in materieller und formeller Hin-
sicht habe ich nunmehr trotz fortbestehender Bedenken
am Freitag, den 21. Mai 2010, dem Gesetz zur Über-
nahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäi-
schen Stabilisierungsmechanismus meine Zustimmung
erteilt.
Immer mehr Bürger dieses Landes fragen sich, ob es
denn richtig sei, quasi in jeder Sitzungswoche neue mil-
liardenschwerer Rettungspakete – Rettung der Länder,
des Euro und der EU, der Banken – auf den Weg zu brin-
gen. Der Politik kommt gerade in Anbetracht dieser fi-
nanziellen Dimensionen eine besondere Verantwortung
zu, Zusammenhänge und Entscheidungsprozesse nach-
vollziehbar und transparent zu gestalten. Deshalb muss
das Parlament genau wissen, worüber es abstimmt.
Durch die Eilbedürftigkeit des Verfahrens hat die
Bundesregierung den Bundestag nicht so umfassend be-
teiligt, wie es angesichts der Bedeutung des Gesetzes
notwendig gewesen wäre. Grundlegende Informationen
über Organisationsstrukturen, Verfahren und Techniken
des geplanten finanziellen Beistands für Mitgliedstaaten
der Euro-Zone wurden den Volksvertretern nur unzurei-
chend und unter Zeitdruck zugeleitet. Die vertraglichen
Grundlagen müssen aber klar sein – eine Blankovoll-
macht darf keinesfalls erteilt werden.
Im Vertrauen auf den Finanzminister und die Bundes-
regierung stimme ich dem Gesetzentwurf trotz der ge-
nannten Bedenken zu. Grund ist der Ernst der Lage: Der
Vertrauensverlust der Finanzmärkte in die Solvenz von
Euro-Ländern ist nicht auf Griechenland beschränkt ge-
blieben. Erste Ansteckungseffekte auf andere Euro-Län-
der waren zu verzeichnen. Wäre es zum Verlust des Ver-
trauens in die Zahlungsfähigkeit mehrerer Euro-Länder
gekommen, hätte das den Anfang vom Ende der Wäh-
rungsunion bedeuten können, mit unverantwortbaren
volkswirtschaftlichen und sozialen Kosten für Deutsch-
land und Europa.
4496 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 44. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. Mai 2010
(A) (C)
(D)(B)
Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU): Wer dem heute zu
beschließenden Gesetz nicht zustimmt, müsste in der
Lage sein, die Alternativen zu skizzieren – Alternativen,
deren Konsequenzen überschaubar und beherrschbar
sein müssten. Ich gebe freimütig zu, dass ich mich dazu
außerstande sehe. Deshalb werde ich dem Gesetz zu-
stimmen müssen.
Allerdings will ich hier nochmals deutlich zu Proto-
koll geben, dass ich das grundsätzliche Vorgehen aus-
drücklich nicht billige. Das Fehlen der Vertragsgrundla-
gen für die zu gründende Zweckgesellschaft ist zu
bemängeln. Ich erwarte hier die Umsetzung der Verspre-
chen, insbesondere dass diese Einrichtung befristet be-
steht.
Für unangemessen halte ich auch die Beschneidung
des Haushalts- und Mitspracherechtes des Parlamentes.
Die Handlungsfähigkeit der Regierung und das Ver-
trauen der Märkte wären meines Erachtens durch die
Ausnahmeregelung, sprich den Verweis auf die – freilich
dann darzulegenden – zwingenden Gründe für eine erst
nachträgliche Einbindung des Haushaltsausschusses, in
jedem Fall gesichert. Ich halte es für ausgesprochen we-
nig souverän, dass die Formulierungen im Gesetz quasi
lauten sollen: Erstens. Der Haushaltsausschuss muss
nicht unbedingt zustimmen. Zweitens. Im Ausnahmefall
muss er gar nicht zustimmen. – Mag sein, dass das über-
spitzt formuliert ist. Mag sein, dass die CSU gegenüber
der bloßen „Unterrichtung des Haushaltsausschusses“
hier Entscheidendes verbessert hat. Aber: Europapolitik
muss künftig parlamentarisch kontrolliert werden. Das
Bundesverfassungsgericht hat zu Recht diese Kontrolle
als Ergänzung zum Lissabon-Vertrag verlangt, und ich
habe zuvor mit Verweis auf diesen Mangel wohlüberlegt
nicht zugestimmt. Dass wir heute die auf bloßes Bemü-
hen reduzierte Formulierung aus dem Begleitgesetz
übernehmen, ist die Fortschreibung eines Fehlers, den
wir bewusst begangen haben. Ich empfehle einen Ver-
gleich unserer Forderungen zu Oppositionszeiten, darge-
legt in Drucksache 15/4716 vom 25. Januar 2005, und
dessen, was wir uns dann selbst zugebilligt haben, wohl-
gemerkt nachdem uns das Verfassungsgericht zur Wah-
rung unserer eigenen parlamentarischen Rechte gezwun-
gen hat.
Mir stellt sich die Frage, wie lange wir eine Europa-
politik machen wollen, die auf Messers Schneide an der
Verfassungswidrigkeit entlangbalanciert, bei der sich das
nationale Parlament in bemerkenswerter Gleichmütig-
keit selbst kastriert, bei der am Ende die Exekutive De-
mokratie und Gewaltenteilung ersetzt, bei der Verant-
wortung und Kompetenz extrem auseinanderfallen. Es
kann ja sein, dass eine Notfallsituation wie die vorlie-
gende nicht Raum für eine so grundsätzliche Diskussion
lässt. Ein Weiter-so kann es aber auch nicht geben. Die
Beratung durch das Parlament war im Rahmen der Krise
hilfreich. Ohne uns hätte es die notwendige Beteiligung
des IWF nicht gegeben, und ohne sie bliebe nicht die
kleine Chance, dass die mit deutschen Garantien gewon-
nene Zeit genutzt wird, um endlich auf einen europäi-
schen Stabilitätskurs zu kommen. Stattdessen hätten wir
einen europäischen Währungsfonds und eine Transfer-
union bekommen. Wer wie ich keinen europäischen
Bundesstaat, keine gemeinsame, französisch dominierte
Wirtschaftsregierung will, der tut in den nächsten Wo-
chen und Monaten gut daran, unsere Regierung in diesen
Fragen eng zu begleiten.
Frank Schäffler (FDP): Wir entscheiden gleich über
das sogenannte Euro-Stabilisierungsgesetz. Dieses Gesetz
ist einmalig in der deutschen Geschichte. Diese Einma-
ligkeit veranlasst mich, von meinem parlamentarischen
Recht Gebrauch zu machen, mein Abstimmungsverhal-
ten vor dem Deutschen Bundestag zu begründen.
Ich werde dem vorliegenden Gesetzentwurf nicht zu-
stimmen. Denn dieses Gesetz ist kein Rettungspaket für
den Euro und Europa.
Das vereinte Europa ist von seinen Gründungsvätern
Konrad Adenauer, Robert Schumann, Jean Monnet,
Alcide de Gasperi und anderen als ein Hort der Freiheit
gegen alle Formen von Diktatur, Unfreiheit und Plan-
wirtschaft erträumt worden. Das heutige Europa ist auf
dem Weg in die monetäre Planwirtschaft und den politi-
schen Zentralismus.
Die Gründungsväter Europas wollten ein Europa des
Rechts und der Rechtsstaatlichkeit. Die heutigen Regie-
rungen des Euro-Raums, die EU-Kommission und die
EZB verabreden sich hingegen zum kollektiven Rechts-
bruch, obwohl die EU-Kommission als Hüterin der Ver-
träge und die nationalen Regierungen zum Schutz des
Rechts verpflichtet sind.
Es gibt Alternativen zum derzeitigen planwirtschaftli-
chen und rechtswidrigen Handeln der europäischen Re-
gierungen und der EU-Kommission. Planwirtschaft und
Rechtsbruch sind nicht alternativlos. Wir müssen uns je-
doch trauen, die Alternativen zu bedenken, zu wählen
und anschließend mutig umzusetzen. Vor allem müssen
wir anfangen, die heute wieder vielfach geschürte Angst
vor der Freiheit zu bekämpfen. Dieser Kampf beginnt
mit einem freien Denken: Wir müssen uns trauen, die
Ursachen unserer Finanz- und Überschuldungskrise zu
benennen.
Die Hauptursache der Finanz- und Überschuldungs-
krise von Staaten und Banken liegt in der Geld- und Kre-
ditschöpfung aus dem Nichts und der Möglichkeit, staat-
liches ungedecktes Zwangspapiergeld unbegrenzt zu
vermehren. Ohne diese Alchemie des Geldes hätte kein
weltweites Schneeballsystem aus ungedeckten zukünfti-
gen Zahlungsverpflichtungen entstehen können.
Dieses Schneeballsystem ist nur möglich, weil der
Staat aus Gründen der leichteren Finanzierung von
Staatsausgaben den Banken Privilegien verliehen hat,
die gegen die Grundprinzipien jeder marktwirtschaftli-
chen Ordnung verstoßen.
Zum einen handelt es sich um das Teilreserveprivileg,
mit dem die Geschäftspraktik der Geld- und Kredit-
schöpfung legalisiert worden ist.
Zum anderen wurde durch die Gründung von Zentralban-
ken der Zusammenhang von Haftung und Entscheidung für
den Bankensektor außer Kraft gesetzt. Zentralbanken wird
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 44. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. Mai 2010 4497
(A) (C)
(D)(B)
die Hauptaufgabe zugewiesen, als Kreditgeber letzter
Hand die Insolvenz von Banken zu verhindern. Eine
Marktwirtschaft ohne Insolvenzrichter ist jedoch keine
Marktwirtschaft. Zudem zerstören Zentralbanken durch
ihre Zinspolitik das Preissystem von Gesellschaften. Des-
halb wird diese Art der Marktwirtschaft ständig von Kri-
sen – boom and bust – heimgesucht. Die marktwirtschaft-
lichen Selbstreinigungs- und Lenkungskräfte sind durch
staatlichen Zwang im höchst wichtigen Finanzbereich
weitgehend außer Kraft gesetzt.
Die Vorschläge über neue Finanzmarktsteuern sind
deshalb ein Ablenkungsmanöver, das vom eigentlichen
Problem unserer Geldordnung ablenken soll.
Darüber hinaus führt dieses Geldsystem fast zwangs-
läufig zur Überschuldung von Staaten und Banken, die
sich in diesem Prozess gegenseitig decken, stützen und
erpressen. Die Erpressung lautet: Werden die Zahlungen
für uns eingestellt, fällt das gesamte Finanzsystem zu-
sammen.
Ich stimme dem vorliegenden Gesetz nicht zu.
Dieses Gesetz verstößt gegen europäisches Recht. Die
Institutionen, die zum Schutz des Rechts verpflichtet
sind, erfüllen ihre Aufgabe nicht.
Zweitens wird durch diesen Rechtsbruch nicht der
Euro gerettet, sondern zerstört.
Und drittens wird die Überschuldungskrise von Staa-
ten und Banken durch dieses sogenannte Rettungspaket
nicht entschärft, sondern verschärft.
Durch diese Maßnahmen lösen wir unsere derzeitigen
Probleme nicht. Was wir zur Lösung unser derzeitigen
Probleme in Europa brauchen, ist eine neue Geldord-
nung, eine marktwirtschaftliche Geldordnung und nicht
Planwirtschaft. Deshalb sage ich: Nein!
Dr. Hermann Otto Solms (FDP): Die Stabilität des
europäischen Banken- und Finanzsystems ist von über-
ragender volkswirtschaftlicher Bedeutung. Wenn akute
Gefahr im Verzuge ist, muss gehandelt werden. Die Be-
mühungen der Bundesregierung, Zeit zu gewinnen, um
größeren Schaden abzuwenden, verdienen unsere Unter-
stützung. Das war bei der Abstimmung zur Griechen-
land-Hilfe am 7. Mai der Fall. Deswegen konnte man ihr
noch zustimmen. Dazu verweise ich auf meine schriftli-
che Erklärung zur Abstimmung.
Der jetzt in Europa ausgehandelte Rettungsschirm
setzt dagegen nicht allein auf Zeitgewinn. Er verändert
gleichzeitig die Architektur der Europäischen Wäh-
rungsunion fundamental. Die Einhaltung des ohnehin
aufgeweichten Stabilitäts- und Wachstumspaktes wird
für die Zukunft allein in die Verantwortung der Politik
gelegt. Statt die disziplinierende Kraft der Märkte in Zu-
kunft klüger zu nutzen, müssen wir Europäer mehr denn
je darauf vertrauen, dass die Politik die Kraft aufbringen
wird, allein durch politischen Druck, durch Pflichten und
Vorschriften die Schuldensünder zu disziplinieren. Dass
dieses Vertrauen die Politik überfordert, hat aber die Ver-
gangenheit gezeigt.
Die Europäische Union hat mit dem vereinbarten Ret-
tungsschirm das Tor zur Transferunion aufgestoßen. An-
ders als bei der zuvor beschlossenen Griechenland-Hilfe
wird mit der Verordnung zur Aufnahme von Gemein-
schaftsanleihen, dem Aufkauf schlecht besicherter
Staatsanleihen durch die EZB und dem vorliegenden Ge-
währleistungsgesetz die Übernahme von Risiken institu-
tionalisiert. Der sogenannte Rettungsschirm organisiert
und besiegelt die Mitverantwortung aller europäischen
Partnerländer für die unsolide Finanzpolitik Einzelner.
Die Tatsache, dass die Haftung formal nur „pro rata“ or-
ganisiert wird und zumindest die Zweckgesellschaft zeit-
lich befristet ist, ändert nichts an diesem grundlegenden
Befund. Indem wir die wirtschaftspolitischen Probleme
einzelner Länder zulasten der Steuerzahler der Übrigen
sozialisieren, verändern wir den Charakter der Wäh-
rungsunion grundlegend. Wir begeben uns auf einen
Weg, der langfristig zu einer erheblichen Destabilisie-
rung der Währungsordnung führen kann und die Wachs-
tumsperspektiven Deutschlands deutlich verschlechtert.
Wer ein stabiles Europa und einen stabilen Euro ha-
ben will, darf nicht allein auf die Bindekraft politischer
Willensbekundungen vertrauen. Der Stabilitäts- und
Wachstumspakt war für Deutschland die unabdingbare
Voraussetzung für die Zustimmung zur Einführung des
Euro. Er setzte auf eine doppelte Absicherung, eine poli-
tische und eine marktwirtschaftliche – mittels der
Maastricht-Kriterien durch politische Selbstbindung ei-
nerseits und mittels der No-Bail-out-Bestimmung durch
die disziplinierende Kraft der Märkte und die Vermei-
dung von Moral-Hazard-Effekten andererseits. Die poli-
tische Selbstbindung wurde bereits 2005 von der Regie-
rung Schröder aufgeweicht. Jetzt wird auch die zweite
Absicherungslinie, das marktwirtschaftliche Korrektiv
der Währungsunion, außer Kraft gesetzt.
Der Ausschluss einer gegenseitigen Haftung der EU-
Länder sorgt dafür, dass Kapitalanleger einen permanen-
ten Anreiz haben, Risiken realistisch einzuschätzen, die
fiskalische Entwicklung der Länder genau zu beobach-
ten und Risikovorsorge zu treffen. Das schlägt sich
zwangsläufig nieder in einer divergierenden Zinsent-
wicklung je nach Bonität der Staaten. Mit der jetzt in die
Wege geleiteten Aushebelung der No-Bail-out-Klausel
wird die Zinsdifferenz eingeebnet, der Kauf einer Staats-
anleihe für die Anleger zu einem risikofreien Geschäft
und die Ausweitung der Staatsverschuldung den hoch-
verschuldeten Ländern ökonomisch erleichtert. Das be-
deutet nicht nur eine erhebliche potenzielle Belastung
der garantiegebenden Länder und deren Steuerzahler,
sondern die Gefahr einer Fehlallokation und der Ver-
schwendung von Kapital. Die fiskalische Disziplin des
Systems wird gelockert, die Fliehkräfte der Währungs-
union nehmen zu.
Wer hohe Risiken eingeht, muss dafür auch haften.
Die No-Bail-out-Bestimmung war Ausdruck dieses Prin-
zips. Der mit dem Rettungsschirm institutionalisierte
Ausstieg der europäischen Finanzpolitik aus dem No-
Bail-out-Prinzip ist ein grundlegender Fehler. In dem
Moment, wo dieses Prinzip nicht mehr gilt, kommt es zu
einer dauerhaften Asymmetrie der Risiken. Entgegen
4498 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 44. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. Mai 2010
(A) (C)
(D)(B)
fundamentalen marktwirtschaftlichen Prinzipien haften
die Staaten Europas dann für die Risiken der privaten
Marktteilnehmer. Das bedeutet, dass letztlich systema-
tisch die Steuerzahler für die Fehlinvestitionen von Ban-
ken, Versicherungen und anderen privaten Marktteilneh-
mern geradestehen.
Die ökonomischen Grundprobleme der gegenwärti-
gen Verwerfungen werden durch den Rettungsschirm
nicht gelöst. Anders als bei der Griechenland-Hilfe geht
der notwendige Gewinn an Zeit einher mit einer massi-
ven Veränderung des Charakters der Währungsunion.
Der Zusammenhang zwischen Marktreaktionen und na-
tionalen Stabilitätsbemühungen wird weiter gelockert.
Die Stabilität der Währung wird in Zukunft in erster Li-
nie von den jeweiligen politischen Kräfteverhältnissen
und den vermeintlichen politischen Notwendigkeiten ab-
hängig sein. Die ökonomische Institutionalisierung einer
Stabilitätsordnung gerät dagegen ins Abseits. Die insti-
tutionellen Veränderungen bedeuten einen irreversiblen
Schritt hin zur Transferunion, bei der die Steuerzahler
der stabilitätsorientierten Länder automatisch für die
Disziplinlosigkeit und Verschwendungssucht der ande-
ren haften. Deshalb wäre es gerade Aufgabe der Bundes-
regierung, die deutschen Steuerzahler vor diesen Gefah-
ren zu bewahren.
Angesichts dieser nicht nur von mir, sondern auch
von vielen namhaften Experten aus Wissenschaft und
Praxis genannten Einwände, kann ich dem Gesetzent-
wurf nicht zustimmen. Wegen der gebotenen Solidarität
mit meiner Fraktion werde ich mich, statt abzulehnen,
der Stimme enthalten.
Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN): Dem Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen
stimme ich nicht zu. Ich stimme mit Enthaltung.
Ich halte es für richtig, dass die europäischen Länder
gemeinsam vorsorgen. Nach Griechenland drohen nun
auch andere europäische Länder, zahlungsunfähig zu
werden. Die Schuldenentwicklung und die unverant-
wortlichen Spekulationen haben zu einer unerträglichen
Situation geführt. Die Entwicklung der Finanzmärkte
und die rasanten Währungsschwankungen waren und
sind alarmierend. Die bekannt gewordene Finanzlage
und Verschuldung mehrerer europäischer Länder lässt
Schlimmes befürchten. Die Bereitstellung von staatli-
chen Garantien für Kredite an notleidende Länder kann
ein Weg sein, um Zeit zu gewinnen und den Ländern so
die Möglichkeit zu verschaffen, mit internationaler Hilfe
ihre Wirtschaft zu konsolidieren und ihre Finanzen in
Ordnung zu bringen. Aber der vorgelegte Gesetzentwurf
ist ungenügend und verstößt gegen das Grundgesetz. Die
Beteiligungsrechte des Deutschen Bundestages nach
Art. 23 Abs. 2 und 3 sind nicht gewahrt.
Der Gesetzentwurf enthält eine Generalermächtigung
für die Bundesregierung, Garantien in unfassbarer Höhe
aus Finanzen des Bundes sollen zur Verfügung gestellt
werden, ohne dass ausreichend klar und bestimmt ist, zu-
gunsten welchen Staates unter welchen Bedingungen so-
wie durch wen und wie kontrolliert die Garantien gege-
ben werden dürfen. So bleibt völlig unklar, wie eine
nach dem Gesetzentwurf einzurichtende Zweckgesell-
schaft zur europäischen Finanzstabilisierung aussehen
soll. Ein Entwurf für die rechtliche und inhaltliche Ge-
staltung liegt bis heute nicht vor. Eine Zustimmung des
Deutschen Bundestages vor der Übernahme von konkre-
ten Garantien für einzelne Länder ist nicht vorgesehen.
Das Haushaltsrecht des Parlaments wird damit verletzt.
Eine bloße Unterrichtung allein des Haushaltsausschus-
ses kann das Budgetrecht des ganzen Parlaments nicht
ersetzen, auch nicht Bemühungen zum Einvernehmen
mit diesem Ausschuss. Mir wird damit ein fundamenta-
les parlamentarisches Recht genommen, denn jeder Ab-
geordnete hat das Recht zur Mitentscheidung über Haus-
haltstitel von existentieller Größe.
Aber auch inhaltlich habe ich durchgreifende Beden-
ken gegen den Gesetzentwurf. Falsch und unverantwort-
lich ist wiederum, dass es keine Vorsorge dagegen gibt,
dass die Garantien aus Steuermitteln nicht den privaten
großen Gläubigerbanken zugute kommen. Diese werden
in erster Linie Nutznießer der Garantien sein, denn ihre
Risiken werden übernommen und Renditen sowie Spe-
kulationsgewinne garantiert. Staatliche Garantien dürf-
ten meines Erachtens deshalb nur gegeben werden, wenn
sie im Rang vor den Krediten der Großbanken und priva-
ten Gläubiger bedient werden. Alle Kredite, die aus
staatlichen Mitteln garantiert werden, nebst Zinsen, soll-
ten also zurückgezahlt sein, bevor die privaten Gläubiger
Geld erhalten.
Auf meine parlamentarische Anfrage hat die Bundes-
regierung am 19. Mai 2010 geantwortet, dass jedes Dar-
lehen an notleidende Staaten
… gleichgestellt [ist] mit allen anderen gegenwärti-
gen und zukünftigen ungedeckten und nicht nach-
rangigen Darlehen und Verbindlichkeiten des Dar-
lehensnehmers … Lediglich die Darlehen des
Internationalen Währungsfonds haben eine vorran-
gige Sicherung. Dies entspricht dem seit Gründung
des Internationalen Währungsfonds weltweit übli-
chen Verfahren bei ähnlichen Unterstützungen
durch den Internationalen Währungsfonds. Dieser
bevorrechtigte Gläubigerstatus wird Einzelstaaten
oder einer Gruppe von Einzelstaaten in der bisheri-
gen Rechts- und Kreditpraxis globaler Finanzierun-
gen nicht zugesprochen.
Eine solche Bevorzugung des IWF ist nicht gerecht-
fertigt. Ein Vorrang der Tilgung von Krediten, die aus
Steuermitteln der europäischen Länder garantiert wer-
den, ist genauso notwendig, richtig und gerechtfertigt
wie bei Krediten des IWF. Bisherigen privaten Groß-
gläubigern dagegen ist zuzumuten, dass sie das Risiko
weiter tragen, das sie sehenden Auges bei Hingabe der
Kredite eingegangen sind. Sie lassen sich das erhöhte
Risiko ja auch durch hohe Zinsen bezahlen. Ohne die
staatlichen Kredite hätten die bisherigen privaten Groß-
gläubiger das eingesetzte Kapital ja schließlich ganz
oder zum großen Teil verloren.
Außerdem dürften meines Erachtens Garantien in
Milliardenhöhe aus Steuermitteln nur gegeben werden,
wenn die privaten Großbanken zur Kasse gebeten und an
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 44. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. Mai 2010 4499
(A) (C)
(D)(B)
der Bezahlung der Hilfen echt beteiligt werden. Dazu
muss der Bankensektor reguliert und eine Finanztransak-
tionsteuer eingeführt werden. Eine vage Absichtserklä-
rung der Bundesregierung für dahingehende Bemühun-
gen auf internationaler Ebene reicht nicht aus. Konkrete
Vorschläge müssten jetzt vorgelegt werden.
Auch für mich ist das Bekenntnis zur Europäischen
Union und zum Prinzip der innereuropäischen Solidari-
tät zentral wichtig. Auch ich halte es für notwendig, dass
die EU-Länder sich gegenseitig helfen, wenn ein Land in
Not gerät. Auch ich will der Bevölkerung notleidender
Mitgliedstaaten in einer jetzigen Finanzkrise beistehen.
Staatlich garantierte deutsche Kredite können ein Mittel
sein, um der Finanznot dieser Staaten entgegenzuwirken
und sollten dann vor allem eingesetzt werden, um dort
den sozial Benachteiligten zu helfen.
Karl-Georg Wellmann (CDU/CSU): Ich kann dem
Gesetz unter anderem aus folgenden Gründen nicht zu-
stimmen:
Erstens. Mit dem Gesetz wird faktisch eine Garantie
für Haushaltsdefizite von Mitgliedstaaten gegeben, bei
denen gegenwärtig zweifelhaft ist, ob sie die volkswirt-
schaftlichen Voraussetzungen erfüllen, gleichberechtigt
an der Währungsgemeinschaft teilzuhaben. Dieses kann
sowohl zu einer Schwächung des Euro insgesamt als
auch zu einer Verschlechterung des deutschen Ratings
und damit zu einer Erhöhung der Zinslasten in einem
zweistelligen Milliardenbereich führen.
Zweitens. Mit den gegenwärtigen Stützungsaktionen
erreichen wir nur einen begrenzten Zeitgewinn. Dies
machte nur Sinn, wenn es in einem überschaubaren Zeit-
raum zu einer Umstrukturierung des Mechanismus zur
Überwachung und Verhinderung von Haushaltsdefizi-
ten in Mitgliedstaaten käme, wenn die zu stützenden
Volkswirtschaften die Kraft zu drastischen Restrukturie-
rungsmaßnahmen fänden und es gleichzeitig zu einem
nachhaltigen Abbau der Haushaltsdefizite in allen Mit-
gliedsländern, auch in der Bundesrepublik Deutschland,
käme. Ich habe Zweifel, ob alle betroffenen Staaten die
Kraft für ein solches Vorgehen finden werden.
Drittens. Ich bin der Auffassung, dass die Instrumente
zur Überwachung der Finanzmärkte nachhaltig ausge-
baut werden müssen. Erforderlich wäre eine Entkoppe-
lung des Spiel- und Wettsystems internationaler Finanz-
jongleure von der Realwirtschaft. Seit der Bankenkrise
2008 wird die Notwendigkeit solcher Maßnahmen her-
vorgehoben. Die aktuellen Erscheinungen auf den Fi-
nanzmärkten zeigen aber, dass wirksame Maßnahmen
bisher nicht eingeleitet wurden. Ich bin skeptisch, ob die
internationale Gemeinschaft diesbezüglich in absehbarer
Zeit zu koordinierten Maßnahmen finden wird.
Viertens. Die deutschen Institutionen der Finanzauf-
sicht, BaFin und Bundesbank, sind nach eigener Darstel-
lung von den Ereignissen überrascht worden. Diese Tat-
sache ist ebenso besorgniserregend wie der Umstand,
dass dem Marktgeschehen offenbar kein Ordnungsrah-
men gesetzt werden konnte. Angesichts der Personalaus-
stattung der Bundesbank ist dies offensichtlich kein
quantitatives Problem. Deshalb sind Maßnahmen zur
qualitativen Stärkung der Aufsichtsbehörden vordring-
lich.
Fünftens. Ich halte ein Zustimmungserfordernis des
Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages für
notwendig. Eine solche Konditionierung würde nach
meiner Auffassung das Vertrauen der Finanzmärkte in
den Euro stärken, weil es die Befürchtung entkräften
kann, die Europäische Kommission könnte von den jetzt
geschaffenen Instrumenten im Übermaß Gebrauch ma-
chen.
Anlage 3
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Steffen Bockhahn und
Dr. Barbara Höll (beide DIE LINKE) zur nament-
lichen Abstimmung über den Entwurf eines Ge-
setzes zur Übernahme von Gewährleistungen
im Rahmen eines europäischen Stabilisierungs-
mechanismus (Zusatztagesordnungspunkt 13)
Wir stimmen dem Antrag nicht zu, weil wir eine Fest-
legung auf eine Entschuldung oder Teilentschuldung
europäischer Länder zum jetzigen Zeitpunkt nicht für
richtig halten. Weder sind Modalitäten dieser Entschul-
dung im abgestimmten Antrag geklärt, noch kann ausge-
schlossen werden, dass ein solches Vorgehen zu unkal-
kulierbaren Risiken führt. Die Botschaft, dass Schulden
nicht werthaltig sind, wäre ein fatales Signal, weil sie
den Schluss zulassen könnte, dass verliehenes Geld
wertlos würde. Ein solches Vorgehen wäre geeignet,
Vertrauen in die europäische Gemeinschaftswährung,
die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit in der Europäi-
schen Union sowie in die Liquidität der betroffenen
Staaten ernsthaft zu gefährden.
Zudem wäre bei einer sofortigen Entschuldung offen,
ob nicht Geldinstitute und Finanzinvestoren durch die
Nutzung von Kreditausfallversicherungen erneut erheb-
liche Gewinne zulasten der Staaten und von Kleinanle-
gern machen würden. Vielmehr entsteht die Gefahr, dass
es attraktiv wird, sich mit Staatsanleihen und Kreditaus-
fallversicherungen spekulativ auf eine Entschuldung
vorzubereiten, um dann zu profitieren. Eine solche Ent-
wicklung lehnen wir strikt ab.
Möglichkeiten zur teilweisen oder vollständigen Ent-
schuldung von Staaten, beispielsweise durch ein Insol-
venzrecht für Staaten, müssen seriös und sorgfältig ge-
prüft werden. Erst in Kenntnis dieser Untersuchungen
könnte begründet eine solche Forderung erhoben wer-
den.
Aus den oben genannten Gründen haben wir uns zum
Antrag enthalten.
4500 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 44. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. Mai 2010
(A) (C)
(D)(B)
Anlage 4
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Dr. Valerie Wilms und Bettina
Herlitzius (beide BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
zur namentlichen Abstimmung über den Ent-
wurf eines Gesetzes zur Übernahme von Ge-
währleistungen im Rahmen eines europäischen
Stabilisierungsmechanismus (Zusatztagesord-
nungspunkt 13)
Als überzeugte Europäerinnen und Europäer befür-
worten wir die Grundidee eines Euro-Stabilitätspaktes.
Er ist ein Signal zu stärkerer europäischer Integration. Er
gibt den Finanzmärkten eine von mehreren notwendigen
Antworten auf die ungehemmten Spekulationen der letz-
ten Jahre, die zum Zusammenbruch großer Banken und
Volkswirtschaften geführt haben und deren Kosten auf
die Allgemeinheit abgewälzt wurden. Der Stabilitätspakt
kann ein Aufbruch zu nachhaltiger Haushaltsführung
und verstärkter Sparsamkeit sein.
In den letzten Tagen kam es innerhalb der Regierung
und Koalition zu einem Meinungswechsel, der endlich
auch die Notwendigkeit stärkerer Regulierungen am Fi-
nanzmarkt anerkennt. Nun sollen auch endlich Maßnah-
men wie die Transaktionsteuer, das Verbot von Leerver-
käufen und Kreditausfallversicherungen, sofern sie nicht
der Absicherung eigener Risiken dienen, sowie die
strenge Regulierung von Hedgefonds erfolgen.
Angesichts dieser Schritte der Regierungskoalition
hin zu den von meiner Fraktion schon lange geforderten
Maßnahmen bleibt es absolut unverständlich, wieso sie
dem Parlament keinen Vorschlag für einen interfraktio-
nellen Beschluss unterbreitet. Eine breite Mehrheit wäre
möglich gewesen. Wir hätten klarmachen können, dass
wir als verantwortungsvolle Politikerinnen und Politiker
das Allgemeingut schützen und die ungebremste Größe
eines völlig überdimensionierten und bislang weitestge-
hend unregulierten Finanzmarktes beschränken wollen.
Die Koalition hatte ganz offensichtlich kein Interesse,
dieses starke und gegenüber allen Akteuren auch not-
wendige Signal zu setzen. Damit werden die Bürgerin-
nen und Bürger Europas und Deutschlands weiter im
Unklaren gelassen, ob den Ankündigungen zu stärkerer
Regulierung auch Taten folgen. Diese Regierung unter-
gräbt damit ihre Glaubwürdigkeit – und die Glaubwür-
digkeit der Politik insgesamt. Eine Zustimmung zum
vorgelegten – und in vielen Punkten noch unklaren – Ge-
setzentwurf ist uns daher nicht möglich. Deswegen wer-
den wir uns der Stimme enthalten.
Anlage 5
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Dr. Peter Gauweiler, Manfred
Kolbe und Klaus-Peter Willsch (alle CDU/CSU)
zur namentlichen Abstimmung über den Ent-
wurf eines Gesetzes zur Übernahme von Ge-
währleistungen im Rahmen eines europäischen
Stabilisierungsmechanismus (Zusatztagesord-
nungspunkt 13)
Erstens. Der bereits mit dem „Griechenland-Hilfege-
setz“ eingeschlagene Irrweg einer Bekämpfung der zu
hohen Staatsverschuldung durch eine noch höhere
Staatsverschuldung wird mit diesem Gesetz mit großem
Tempo und drastisch erhöhtem Risiko für die deutschen
Steuerzahler weitergegangen. Nach der Übernahme ei-
nes Haftungsrisikos in Höhe von 22,4 Milliarden Euro
für Haushaltsfehlbeträge Griechenlands wird nunmehr
den Deutschen ein zusätzliches Haftungsrisiko in Höhe
von bis zu 150 Milliarden Euro für die Unterstützung
weiterer Länder mit Haushaltsschwierigkeiten im Euro-
Raum aufgebürdet.
Zweitens. Die europäische Einigung ist eine großar-
tige Leistung der Politik im Europa der Zeit nach dem
Zweiten Weltkrieg. Die Währungsunion ist politisches
Symbol der höchsten Ausprägungsstufe dieses Prozes-
ses. Für uns Deutsche war es wichtig, die Erfolgsge-
schichte der Deutschen Bundesbank durch die Unabhän-
gigkeit der Europäischen Zentralbank auf den gesamten
Euro-Raum zu übertragen. Durch Errichtung des Stabili-
tätspaktes hofften wir, Vorsorge dafür zu treffen, den ge-
samten Euro-Raum auf das Ziel der nachhaltigen Haus-
haltspolitik und der Preiswertstabilität zu verpflichten.
In den europäischen Verträgen ist hierzu festgelegt, dass
im Euro-Raum kein Staat für die Schulden des anderen
aufkommen muss, ja nicht einmal darf – Bail-out-Ver-
bot. Dies ist der Kern des Vertrauens in den Euro ange-
sichts der sehr unterschiedlichen Volkswirtschaften in
diesem gemeinsamen Währungsraum. Schon die vorge-
sehene Hilfe für Griechenland, erst recht aber die neu
aufgerufene Summe verstößt offenbar gegen die Buch-
staben, in jedem Falle aber gegen den Geist der gültigen
europäischen Verträge. So wird die langfristige Stabilität
des Euro nicht gesichert, sondern nachhaltig gefährdet.
Drittens. Der Weg ist auch ökonomisch falsch. Man
wirft dem schlechten Geld kein gutes hinterher. Der rich-
tige Weg zur Lösung der griechischen Finanzkrise wäre
ein Schuldenmoratorium und ein Teilverzicht der Gläubi-
ger auf ihre Forderungen. Dadurch trügen einerseits die-
jenigen Anleihengläubiger zur Sanierung Griechenlands
bei, die teilweise spekulativ griechische Anleihen mit ho-
hen Zinsen gekauft haben und deren erhöhtes Risiko sich
jetzt realisierte. Andererseits hätte Griechenland alleine
bei einer Teilentschuldung eine echte Chance, da die
derzeitige über dem jährlichen Bruttosozialprodukt von
240 Milliarden Euro liegende Staatsschuld von über
300 Milliarden Euro nach Ansicht fast aller Experten
nicht zu bewältigen ist.
Viertens. Am Sonntag, dem 9. Mai 2010, hat der Eu-
ropäische Rat für Wirtschaft und Finanzen unter der Be-
teiligung Deutschlands die Errichtung eines Finanzstabi-
lisierungsmechanismus mit einem Finanzvolumen von
60 Milliarden Euro beschlossen. Dies hätte nach deut-
schem Recht nicht ohne vorherige Befassung des Deut-
schen Bundestages erfolgen dürfen. Die Einrichtung die-
ses Finanzstabilisierungsmechanismus verstößt gegen
das Bail-out-Verbot der europäischen Verträge. Hier ist
geregelt, dass weder die Gemeinschaft noch einzelne
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 44. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. Mai 2010 4501
(A) (C)
(D)(B)
Mitgliedstaaten für Haushaltsdefizite anderer Länder
einstehen dürfen. Da für die Verwendung dieser Mittel
nicht einmal der Einstimmigkeitszwang besteht, sondern
mit qualifizierter Mehrheit entschieden wird, kann eine
Mehrheit von Haushaltsdefizitstaaten über die Verwen-
dung dieser Mittel entscheiden.
Fünftens. Nun soll durch Veränderung der europäi-
schen Verträge erreicht werden, dass Defizitsünder unter
den Euro-Ländern durch Stimmrechtsentzug und Aus-
schluss aus der Währungsunion bestraft werden können.
Wer sich des langen Verfahrens für die endgültige Ratifi-
zierung des heute gültigen Vertrages von Lissabon erin-
nert, wird zumindest einräumen, dass dies ein unabseh-
bar langer Weg sein wird, mit vielfältigen Risiken des
Scheiterns; alle 27 Staaten müssen nach ihren Regeln zu-
stimmen, unter anderem Volksabstimmungserfordernis
in mehreren Mitgliedsländern der EU.
Sechstens. Weiterhin möchte man die Defizitsünder
zukünftig in ihrem Haushaltsgebaren kontrollieren. Dazu
ist nur anzumerken, dass wir als Deutscher Bundestag uns
verbitten würden, dass die EU-Kommission in unser
Budgetrecht eingreift. Wie können wir realistischerweise
von den nationalen Parlamenten der „Defizitsünder“ er-
warten, dass diese sich das gefallen lassen, wenn sie es
mit einem einfachen Nein verhindern können? Nichts dis-
zipliniert Haushaltssünder mehr als die Furcht vor Zins-
steigerungen infolge unsolider Haushaltspolitik. Genau
dieses Instrument wird durch das vorgesehene Gesetz
ausgehebelt.
Siebtens. Wir können in der derzeitigen Situation der
deutschen Staatsfinanzen dem Steuerzahler keine weite-
ren Belastungen in diesem Ausmaß zumuten, ohne die
Einhaltung der gerade in das Grundgesetz aufgenomme-
nen Schuldenbremse zu gefährden. Auch werden künftig
notwendige Einsparungen in Deutschland kaum noch
politisch zu vermitteln sein, wenn wir hier Garantien für
ganz Europa in dreistelliger Milliardenhöhe übernom-
men haben.
Achtens. Der Euro-Raum wird durch den Haftungs-
verbund für Haushaltsdefizite anderer Mitgliedstaaten
zur dauerhaften Transferunion umgebaut. Das ist das Ge-
genteil von dem, was Bundeskanzler Kohl, Finanzminis-
ter Waigel und die gesamte CDU/CSU den Deutschen bei
Aufgabe der D-Mark und Übergang zum Euro verspro-
chen haben. Das ist das Gegenteil von unserer Überzeu-
gung, dass Leistung sich lohnen muss. Dem können wir
uns nicht anschließen.
Deshalb können wir diesen Weg nicht mitgehen.
Anlage 6
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Entwurfs eines Sechsten Ge-
setzes zur Änderung des Weingesetzes (Tages-
ordnungspunkt 31)
Gustav Herzog (SPD): Wir haben eine Zeit der gro-
ßen Entscheidungen. Wir sind gefordert, uns als Parla-
mentarier zu streiten, bis der beste – der richtige Weg ge-
funden ist. Die Schwierigkeit der aktuellen Themen
bringt die zum Teil doch sehr deutlichen Unterschiede
unserer Parteien zutage, tatsächliche oder auch nur rein
taktisch motivierte.
Jetzt beraten wir aber ein angenehmes Thema. Auch
wenn der Gesetzestext recht trocken wirkt, so geht es
letztendlich dann doch um die Qualität im Glase. Mit der
letzten Weingesetzänderung haben wir insbesondere die
Reform der europäischen Weinmarktordnung in nationa-
les Recht umgesetzt und uns gleichzeitig Zeit verschafft,
die verhandelten Spielräume zu nutzen. So werden wir
das komplizierte Bezeichnungsrecht so gestalten, dass
wir sowohl Bewährtes erhalten als auch die neuen Chan-
cen ergreifen können. Deshalb zitiere ich den VDP-
Präsidenten Steffen Christmann, der sagte, dass „der
Systemwechsel von der Oechsle-Pyramide hin zur Her-
kunfts-Pyramide den richtigen Weg weise“. Verbrauche-
rinnen und Verbraucher kennen und vertrauen in den
Zusammenhang zwischen Herkunft und Qualität der
Weine. Über zweieinhalb Tausend Einzellagen in
Deutschland sind ein Garant für die Vielfältigkeit und
einzigartige Charaktere der Deutschen Weine.
Um dies zu erhalten, haben wir uns bei der Wein-
marktreform und der nationalen Umsetzung eingesetzt.
Dabei waren und sind wir erfolgreich, hier im Hohen
Haus als auch im Schulterschluss mit den Weinbau trei-
benden Bundesländern und der Weinwirtschaft. Bei allen
Differenzen in anderen Bereichen, beim Wein kommen
wir zusammen, nicht nur nach getaner Arbeit sondern
auch hier bei der heute beratenen Weingesetzänderung.
Gemeinsamkeit und Erfolg gehören zusammen, wie
wir im Bereich Weinpolitik mittlerweile aus persönlicher
Erfahrung sagen können. Das 2003 gegründete Parla-
mentarische Weinforum ist unsere überfraktionelle Platt-
form. In guter Zusammenarbeit mit der Weinwirtschaft
kommen wir als Berichterstatter dort im Vorfeld zu der
Lösung, die dem Zweck dient, die Weinbaukultur und
die Qualität der Weine zu erhalten und auszubauen, re-
gionale und nachhaltige Kreisläufe zu stärken, den Be-
trieben ein gesichertes Einkommen zu bieten und den
Tourismus zu stärken. Wir stehen vor großen Herausfor-
derungen, die es zu meistern gilt. Der Klimawandel birgt
nicht absehbare Risiken, der Weg zur Agrarreform 2013
ist noch nicht geebnet, dem Trend zum Billigkonsum
und der Geiz-ist-geil-Mentalität auch beim Wein ist un-
bedingt entschieden entgegenzutreten. Hier macht nicht
nur das zentrale Weinmarketing eine gute Arbeit, auch
sonst haben wir beste Voraussetzungen. Wir haben quali-
fizierte Winzerinnen und Winzer – das beste Fundament
für die Herstellung und den Vertrieb hervorragender
Weine. Wir haben beste Lagen, gutes Klima und großes
Vertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher. Unser
Weinrecht ist auf Qualität ausgerichtet und es sorgt für
faire Wettbewerbsbedingungen unter den Weinbaube-
trieben. In letzter Zeit hat sich allerdings ein Verfahren
verbreitet, das mir ernste Sorgen bereitet. In „Koopera-
tion“ von Traubenerzeugern und Traubenverarbeitern
wird die Hektarertragsregelung umgangen. Somit ent-
steht ein zwar legaler, aber unfairer und daher uner-
wünschter Wettbewerbsvorteil!
4502 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 44. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. Mai 2010
(A) (C)
(D)(B)
Bereits in der letzten Legislatur, bei der fünften Ge-
setzesänderung haben wir darauf hingewiesen, dass dem
Treiben ein Ende zu setzen ist. Sinn der Hektarertragsre-
gelung ist, die Menge pro Hektar im Dienste der Qualität
und der Preisstabilität zu begrenzen. Mit dem vorliegen-
den Gesetzentwurf, der in enger Abstimmung aller Be-
teiligten erarbeitet wurde, sorgen wir für klare Verhält-
nisse. Den Vorwurf, dass wir damit die Bürokratie
aufbauen, lasse ich nicht gelten, insbesondere nicht von
denen, die von der derzeitigen Rechtslage einseitig pro-
fitieren. Lassen Sie uns den Gesetzentwurf sorgfältig im
Ausschuss beraten und schnell eine gute Lösung für den
deutschen Wein beschließen.
Dr. Erik Schweickert (FDP): Heute geht es um ein
Thema, mit welchem ich nicht nur in der Funktion des
Berichterstatters für Weinbaupolitik der FDP-Bundes-
tagsfraktion zu tun habe, sondern es betrifft mich auch
als Professor für Internationale Weinwirtschaft am Cam-
pus Geisenheim.
Und deshalb freue ich mich gar nicht darüber, heute
und hier dieses Gesetz beraten zu müssen. Warum? Ich
habe nämlich den Anspruch an mich – wie sicherlich
viele von Ihnen hier auch –, die Ursachen eines Pro-
blems erst zu analysieren und dieses Problem im An-
schluss daran zu beseitigen.
Und da bin ich es nicht gewohnt, nur an den Sympto-
men herumzudoktern. Das Problem, das wir haben, be-
steht darin, dass diese Symptome schon lange augenfäl-
lig sind. Ich war damals noch gar nicht Mitglied dieses
Hohen Hauses, als meine Fraktion in der 16. Wahl-
periode am 17. Juni 2009 einen Entschließungsantrag
zur Änderung des Weingesetzes im Ausschuss für Er-
nährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz einge-
bracht hat.
Das damals schon zu beobachtende Problemfeld war
ein sprunghafter Anstieg von Betriebsgründungen in der
Weinwirtschaft. Nun heißen wir es ja in aller Regel gut,
wenn jemand ein Unternehmen gründet, weil damit
Wirtschaftswachstum, Dynamik und Arbeitsplätze ver-
bunden sind. Allerdings zeigte sich bei der Analyse
dieser Betriebe und Geschäftsmodelle, dass sie nur des-
halb gegründet wurden, um – ich nenne es mal –
„schlitzohrig“ die bestehenden rechtlichen Rahmenbe-
dingungen zum Hektarhöchstertrag „clever zu gestal-
ten“.
Dies sieht folgendermaßen aus: Nach gegenwärtiger
Gesetzeslage erfolgt die Quotierung des Weines nur im
ersten Produktionsprozess, also bei der Traubenerzeu-
gung, wo das Traubengewicht maßgeblich ist. Bemes-
sungsgrundlage ist bislang nur die im Betrieb erzeugte
Weinmenge, die den quotierten Gesamthektarertrag ei-
nes Betriebes nicht übersteigen darf. Für die Hektar-
ertragsreglung ist bislang also nur der Traubenerzeuger
verantwortlich. Mehrerträge einzelner Weinlagen oder
Rebsorten können mit Mindermengen anderer Lagen
und Sorten innerhalb des Betriebes ausgeglichen wer-
den. Dies ist die Einbetriebsregelung, die für uns Libe-
rale so wichtig ist.
An die alte Hektarertragsregelung sind neben den rei-
nen Traubenerzeugern – also Weinbaubetriebe, die Reb-
flächen bewirtschaften und die Trauben nicht selbst ver-
arbeiten – auch Trauben-, Most- und Weinerzeuger
– Weinbaubetriebe, die Trauben aus selbst bewirtschaf-
teten Rebflächen verarbeiten und in der Regel als Most
oder Wein vermarkten – gebunden.
Zwischenverarbeiter, zum Beispiel Kelterstationen,
die die Trauben kaufen, keltern und weiterverkaufen, un-
terliegen dieser Regelung bislang nicht. Sie müssen mit
theoretischen Umrechnungsfaktoren rechnen. Genauso
verhält es sich bei reinen Weinerzeugern – Betrieben
ohne Rebflächen –, die Trauben, Most und Wein kaufen
und weiterverarbeiten. So kommt es, dass diejenigen, die
nicht an die Hektarertragsregelung gebunden sind, mehr
Wein in den Verkehr bringen dürfen als ein Erzeuger
oder eine Erzeugergemeinschaft, wenn diese aus der
gleichen Menge Trauben oder Most selbst Wein herstel-
len.
Hierdurch werden die abnehmenden Betriebe gegen-
über den Erzeugerbetrieben oder Erzeugergemeinschaf-
ten, die selbst Wein herstellen und vermarkten, bevor-
teilt. Und aus dieser Situation heraus werden die neuen
Geschäftsmodelle gegründet, um hieraus einen Vorteil
zu haben. Wenn nun ein oder zwei Unternehmen hier
eine Regelungslücke entdeckt hätten, die sich durch
Gründung einer „speziellen Unternehmensstruktur“,
man könnte aber auch Scheinfirma sagen, positiv nutzen
lässt, kann man das noch als „cleverer als der Gesetzge-
ber“ abtun. Wenn es aber die ersten Anzeichen gibt, dass
es hier in einigen b.A.-Gebieten zu einer Art Massenbe-
wegung kommt, müssen wir hier als Gesetzgeber reagie-
ren. Wir müssen als Mitgliedsstaat der EU dafür Sorge
tragen, dass in Deutschland die Regelungen nicht um-
gangen werden.
Wir dürfen aber auch nicht vergessen: Wir befinden
uns in der Weinwirtschaft in einem sehr stark regulierten
Bereich. Der Staat schreibt vor, auf welcher Fläche der
Winzer seinen Wein anbauen darf; der Staat schreibt vor,
welche Rebsorten angebaut werden dürfen. Und der
Staat schreibt vor, wie viel vom Traubenertrag der Win-
zer ernten und vermarkten darf – um ihm dann auch
noch zu sagen, wie der Wein schmecken und welche
staatlichen Regelungen er beim Marketing beachten
muss. Freie Entfaltungsmöglichkeiten für einen Unter-
nehmer sehen anders aus! Als Liberalen sind mir das
deutlich zu viele Staatseingriffe. Aber die werden wir
heute und an dieser Stelle nicht modifizieren können,
sondern wir werden nur dafür sorgen können, dass in ei-
nem – sagen wir mal – „suboptimal“ regulierten Markt
durch eine weitere Regulierung das Suboptimale etwas
abgeschwächt wird.
Aber diese notwendige Verbesserung an der einen
Stelle darf nicht dazu führen, dass wir an einer anderen
Stelle einen Wirtschaftszweig über Gebühr belasten. Da-
mit meine ich die Weinkellereien und Weinhandelskelle-
reien, die sich aufgrund ihrer Orientierung an der soge-
nannten „Wine-Chain“, also der Versorgungskette für
Wein vom Erzeuger bis zum Endkunden, arbeitsteilig
spezialisiert haben. Weil sich diese Unternehmen im sehr
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 44. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. Mai 2010 4503
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preisaggressiven internationalen Weinmarkt bewegen,
brauchen sie Effizienz – auch, um an die freien Trauben-
erzeuger ordentliche Traubengelder zahlen zu können.
Diese Weinkellereien sind sicherlich alles andere als
Scheinfirmen und werden trotzdem durch diese Rege-
lung negativ getroffen. Deshalb war es wichtig und not-
wendig, hier Spielräume zu eröffnen. Mit der Möglich-
keit der nachträglichen Herabstufung bis zum 15. Januar
des Erntefolgejahres sollte hier ein Instrumentarium ge-
schaffen werden, um gewisse wirtschaftliche Härten zu
entschärfen. Allerdings muss hier ein Verfahren gefun-
den werden, das tatsächlich auch ohne viel Bürokratie
von den Betrieben in der Praxis umsetzbar ist.
Auch aufgrund eigener langjähriger Erfahrungen in
diesem Bereich gehe ich davon aus, dass wir hier, wenn
wir an die Ursache des Problems gehen wollen, deshalb
an die Umrechungsfaktoren ran müssen. Diese sind his-
torisch tradiert und längst durch den tatsächlichen tech-
nischen Fortschritt in der Weinwirtschaft obsolet. Die
Grundlage des Wiegens ist heute, unter anderem durch
den Einsatz des Vollernters, entrapptes Lesegut.
Deshalb habe ich schon bei der ersten Runde zu die-
sem Thema in diesem Jahr vom BMELV gefordert, dass
die durchschnittlichen tatsächlichen Auspressquoten der
letzten Jahre erhoben werden. Diese Ergebnisse liegen
anscheinend leider bisher noch nicht vor. Ich habe aber
eine gewisse Vorstellung, wie das Ergebnis aussehen
wird – bei bis zu 80 Prozent inklusive Anreicherung.
Aus diesem Grund bleibt uns, unter der Prämisse, die
Entwicklungen bei den Firmenkonstrukten für den
Herbst diesen Jahres nicht noch weiter anzufeuern, nur
die Möglichkeit, jetzt in die erste Lesung zu gehen, so-
dass das Gesetz noch rechtzeitig vor der Ernte 2010
rechtskräftig werden kann.
Alexander Süßmair (DIE LINKE): Das erste Wun-
der Jesus, von dem Johannes berichtet, ist die Geschichte
von einem Freudenfest, einer Hochzeit. Allerdings ist
die Freude getrübt; denn beizeiten geht der Wein aus.
Jesus schafft Abhilfe und verwandelt Wasser in Wein –
und nicht zu knapp, sondern wohl um die 600 Liter. Den
antiken Hörern dieser Geschichte war die Handlung ver-
traut; denn auch dem griechischen Gott Dionysos wur-
den Weinwunder nachgesagt.
Heutige Weinwunder sehen allerdings anders aus.
Erst einmal haben wir in Deutschland und Europa nicht
mehr das Problem, dass uns der Wein ausgeht wie in der
Bibel beschrieben, sondern genau das Gegenteil. Zu viel
Wein im Angebot führt zu sinkenden Preisen und zu ne-
gativen Auswirkungen auf das Einkommen der Winzer.
Die Gegensteuerung über die Hektarertragsregelung bei
den Winzern, also die Beschränkung der Menge an
Wein, die pro Hektar erzeugt werden darf, ist dabei rich-
tig. Sie fördert die Qualität des Weines und wirkt redu-
zierend auf das Weinangebot.
Die jetzt vorgeschlagene Gesetzesänderung ist folge-
richtig, da nicht nur die Winzer an die Ertragsregelung
gebunden werden, sondern auch die Verarbeitungsbe-
triebe, also die, die die Trauben von den Winzern auf-
kaufen, ohne selber Weinreben zu bewirtschaften. Hier
war eine den Markt zunehmend verzerrend wirkende Re-
gelungslücke entstanden, die geschlossen werden muss,
wenn alle in der Logik der Weinmarktordnung bleiben
wollen. Dass die LINKE an der Einbringung des Geset-
zesvorschlags nicht beteiligt wird, liegt allein an dem
undemokratischen Gehabe der Koalition, insbesondere
der CDU/CSU-Fraktion. Dafür kann die Linke nichts.
Sie unterstützt den Gesetzesentwurf trotzdem.
Aber zurück zum Thema: Uns allen ist klar, dass die
gemeinsame Marktordnung planwirtschaftliche Elemente
beinhaltet. Dem folgt das Weingesetz. Diese sechste Än-
derung des Weingesetzes ergibt sich aus Sicht der Lin-
ken zwingend aus der fünften Änderung. Geht es doch
schließlich um verlässliche Qualität für die Verbraucher
und verlässliche Preise für Verbraucher und Erzeuger.
Deutscher Wein darf nicht durch Menge, er muss durch
Qualität punkten!
Durch Werbung für diese Qualität kann die Weinwirt-
schaft versuchen, die gesunkene Nachfrage, bei gleich-
zeitig gestiegener Produktion, wieder zu erhöhen. Wir
schlagen allerdings einen anderen Weg vor: Wir wollen
regionale Wertschöpfungsketten fördern und ökologisch
unsinnige Transporte verteuern. Denn es ist nicht einzu-
sehen, warum Wein, der mehrere 10 000 Kilometer ent-
fernt industriell von prekär Beschäftigten hergestellt
wurde, nur ein Drittel des hier bei uns sozial und ökolo-
gisch nachhaltig produzierten Weins kostet. Hier müssen
wir ansetzen, um die europäische und deutsche Wein-
wirtschaft zu stärken.
Die Frage ist auch, inwieweit die bisherigen Änderun-
gen des Weinrechts zielführend waren. War es richtig,
die Differenzierung zwischen den Rebsorten bei der
Hektarertragsregelung zu streichen? Oder hat diese
Streichung die Entwicklung, die nun mit der sechsten
Änderung eingedämmt werden soll, erst begünstigt?
Allgemeiner gesprochen: Erschwert nicht die Intrans-
parenz des Weinrechts, seine Zerstückelung durch zahl-
reiche Verordnungen auf regionaler, nationaler und euro-
päischer Ebene seine faktische Umsetzung? Und ist das,
was hier beschlossen werden soll, nicht Flickschusterei
auf dem Rücken von Erzeugern und Verbrauchern? Er-
zeuger und Verbraucher benötigen Sicherheit. Mein
Wunsch wäre ein mit Weitblick verfasstes neues Wein-
recht. Aber das käme wohl schon einem Weinwunder
gleich.
Ulricke Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Qualität ist die Grundlage für den Erfolg unseres Wein-
baus. Deshalb ist es auch richtig, gegen eine Aufwei-
chung der Hektarertragsregelung durch vermehrte Aus-
pressung vorzugehen. Wir würden uns allerdings
manchmal wünschen, dass die Bundesregierung auch in
anderen Produktbereichen so engagiert für Mengenbe-
grenzungen eintritt wie beim Weinbau, ich nenne hier
nur das Stichwort Milch.
Aber zurück zum Wein: Die Gefahr von Umgehungs-
möglichkeiten, Betriebsteilungen und daraus resultieren-
den Wettbewerbsverzerrungen muss gebannt werden.
4504 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 44. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. Mai 2010
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(D)(B)
Deswegen ist die vorliegende Regelung vernünftig –
auch wenn dies vielleicht schon früher hätte geschehen
sollen. Die Kritik der Kellereien und der Fassweinanbie-
ter ist zwar verständlich, aber angesichts der anstehen-
den Probleme ist es gut, dass wir mit der vorliegenden
Änderung des Weingesetzes eine Regelungslücke schlie-
ßen.
Ansprechen möchte ich aber noch weitere Herausfor-
derungen im Weinbau:
Thema unseres letzten, von Professor Schweickert
organisierten Parlamentarischen Weinforums war der
Klimawandel. Seit Jahren verzeichnen die Winzer deut-
liche Veränderungen bei Vegetationsphasen, Reifedau-
ern und -terminen oder Lesebeginn. Untersuchungen der
Forschungsanstalt Geisenheim belegen, dass die Tem-
peraturänderungen der letzten 50 Jahre bereits zu Verän-
derungen im Rebsortenspektrum verschiedener Anbau-
regionen geführt haben, die sich bei ungebremster
Erderwärmung noch ausweiten werden. In Rheinhessen
wird heute Cabernet Sauvignon kultiviert, was noch vor
zehn Jahren undenkbar gewesen wäre. Gleichzeitig wer-
den im Rheingau mit deutschen Rebsorten wie Müller-
Thurgau immer seltener gute Ergebnisse erzielt. Mel-
dungen, die man vor kurzem als Scherz abgetan hätte,
werden plötzlich erschreckend real: Weinimporteure
sprechen offen über die mittelfristige Aufgabe des Wein-
baus in Australien und eine „Verlagerung“ nach Indien,
britische Medien berichten irritiert von Rekorderträgen
der Winzer in Südengland. Wein ist ein Indikator, der
uns eindrücklich vor Augen führt, welche wirtschaftli-
chen, ökologischen, aber auch kulturellen Folgen uns
drohen, wenn wir dem Klimawandel nicht entschieden
begegnen. Die Ablehnung des von uns in der letzten Sit-
zungswoche eingebrachten Klimaschutzgesetzes und die
unsägliche Diskussion über neue Kohlekraftwerke oder
die Verlängerung von Laufzeiten der Atomkraftwerke ist
deshalb ebenso verantwortungslos wie die von FDP und
CDU/CSU beschossenen Kahlschläge bei der Solarför-
derung und die Sperre des Marktanreizprogramms für
Pelletheizungen, Solarthermie etc. Das ist ein Schlag
nicht nur gegen den Klimaschutz, sondern vor allem ge-
gen Mittelstand, Handwerk, Landwirtschaft, Garten- und
eben auch Weinbaubetriebe.
Auch die faktische Schließung des Julius-Kühn-Insti-
tuts für Pflanzenschutz im Obst- und Weinbau in Bern-
kastel durch die Bundesregierung ist angesichts des mas-
siven Forschungsbedarfs speziell auch zu Klimaschutz,
Steillagen und Biowein ein Skandal. Genau dort soll
stattdessen mit dem „Hochmoselübergang“ ein giganti-
sches Monster-Straßenbauprojekt realisiert werden, dass
die Zerstörung der besten Rieslinglagen der Welt bedeu-
ten könnte. Wir fordern die Bundesregierung auf, sofort
einen umfassenden Baustopp zu veranlassen! Solche
Projekte sind im wahrsten Sinne ein Angriff auf die
Wurzeln unserer Weinkultur – da hilft auch keine konse-
quentere Umsetzung bei Umrechnungsfaktoren mehr.
In diesen Tagen diskutieren wir viel über Einsparun-
gen in den öffentlichen Haushalten. Unser Vorschlag
dazu: statt bei Kitas und Bildung zu kürzen, könnten Sie
allein durch den Stopp des unsinnigen Hochmosel-
brückenprojekts sofort circa 400 Millionen Euro einspa-
ren. Und bei solchen sinnvollen Initiativen dürfen Sie
natürlich gerne mit unserer interfraktionellen Unterstüt-
zung rechnen.
Julia Klöckner, Parl. Staatssekretärin bei der Bun-
desministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Ver-
braucherschutz: Unter deutschen Winzerinnen und Win-
zern machen sich zunehmend Unmut und Verärgerung
breit. Aber auch der eine oder andere Weinliebhaber
macht sich inzwischen so seine Gedanken. Und das nicht
ganz zu Unrecht. Denn aus einigen deutschen Weinan-
baugebieten kommt vermehrt Wein auf den Markt, der
nicht von der Hektarertragsregelung erfasst wird. Wir ge-
hen davon aus, dass es sich dabei in einigen Anbaugebie-
ten inzwischen um rund 5 bis 7 Prozent des vermarkteten
Weins handelt. Bezogen auf einzelne Rebsorten – wie
zum Beispiel der Rotweinsorte Dornfelder – dürfte dieser
Anteil teilweise regional sogar schon bis zu 10 Prozent
betragen.
Was ist der Grund für die Aufregung? Die Hektarer-
tragsregelung ist ein wesentliches Element zur Siche-
rung der hohen Qualität deutschen Weins. Damit trägt
sie zur Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähig-
keit des deutschen Weinbaus bei. Dieses Ziel gerät in
Gefahr, wenn die Regelung nicht mehr richtig greifen
kann, weil sie gewisse Lücken aufweist. Was aber viel-
leicht noch viel gravierender zu Buche schlägt: Die Ent-
wicklung führt zu Wettbewerbsverzerrungen zwischen
den einzelnen Weinerzeugergruppen.
Worin liegen die Ursachen? Grundsätzlich gilt die
Hektarertragsregelung für alle Betriebe, die Weintrauben
erzeugen. Die Betonung liegt dabei auf „Trauben erzeu-
gen“. Die Regelung setzt also beim Traubenerzeuger an.
Begrenzt wird allerdings nicht unmittelbar die Trauben-
erzeugung, sondern die Vermarktung des hieraus erzeug-
ten Weins. Die Ertragsbegrenzung ist demnach in Litern
Wein festgelegt. Das hat im Vergleich zu einer Begren-
zung der Traubenerzeugung den Vorteil, dass wir – bezo-
gen auf das Enderzeugnis Wein – eine höhere Zielgenau-
igkeit erreichen und die Regelung dennoch mit einem
vertretbaren Aufwand zu verwalten ist. Solange die Win-
zer – wie in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle –
ihre Trauben selbst zu Wein verarbeiten und vermarkten
oder an eine Genossenschaft angeschlossen sind, ist dies
alles unproblematisch, weil die Betriebe genau wissen,
wie viel Wein sie sozusagen im Keller liegen haben.
Folglich geben diese Betriebe bei der Ermittlung ihres
Hektarertrags die von ihnen erzeugte Weinmenge an.
Ein Winzer, der seine Trauben vielleicht noch über ei-
nen Kommissionär oder Zwischenhändler an eine Kelle-
rei oder einen anderen Traubenverarbeiter abgibt, weiß
dagegen nicht, wie viel Wein aus seinen Trauben erzeugt
wird. Deswegen muss er zur Ermittlung seines Hektarer-
trags die abgegebenen Trauben in eine fiktive Wein-
menge umrechnen. Dafür verwendet er bundeseinheitlich
festgesetzte Umrechnungsfaktoren, die den durchschnitt-
lichen Ausbeutesatz von Trauben widerspiegeln. Oder
anders ausgedrückt: Die Faktoren geben an, wie viel
Wein aus 1 Kilogramm Trauben im Normalfall hergestellt
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 44. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. Mai 2010 4505
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(D)(B)
wird. Während also für einen selbst vermarktenden Wein-
baubetrieb oder eine Winzergenossenschaft die tatsäch-
lich erzeugte Weinmenge zur Feststellung des Hektarer-
trags maßgebend ist, ist es beim reinen Traubenerzeuger
nur eine rechnerisch ermittelte Größe. Auf dieses Um-
rechnungssystem hatte man sich bei der Einführung der
Hektarertragsregelung aus Gründen der Verwaltungsver-
einfachung verständigt, weil man davon ausging, dass es
in der Praxis zu keinen großen Abweichungen von den
Faktoren kommen würde.
Lange Zeit war dies auch der Fall. Doch gerade in den
letzten Jahren haben wir festgestellt, dass aus 1 Kilo-
gramm Trauben teilweise deutlich mehr Wein erzeugt
worden ist, als den Umrechnungsfaktoren entspricht.
Diese Mehrmengen waren so auffällig, dass man nicht
mehr von natürlichen Schwankungen sprechen konnte.
Vielmehr werden diese Mehrmengen inzwischen syste-
matisch erzeugt. Ermöglicht wird dies zum einen durch
ein stärkeres Auspressen der Trauben, zum anderen aber
auch durch moderne Ernte- und Verarbeitungsverfahren
und den Anbau ausbeutereicher Rebsorten. Das Ganze
ist wirtschaftlich deshalb so interessant, weil für die
Mehrmengen der gleiche Preis am Markt erzielt werden
kann wie für Wein aus normal ausgepressten Trauben.
Den Nutzen haben sowohl die verarbeitenden Betriebe
als auch die abgebenden Traubenerzeuger, weil sie sich
die zusätzlichen Erlöse untereinander aufteilen. Die an
sich unter Qualitätsgesichtspunkten sinnvollen Trauben-
ablieferungen werden dadurch infrage gestellt oder sogar
ad absurdum geführt.
Der wirtschaftliche Vorteil ist offensichtlich so groß,
dass inzwischen immer mehr Weinbaubetriebe dazu über-
gehen, die Traubenerzeugung von der Weinerzeugung zu
trennen, indem sie eigens zu diesem Zweck Tochterunter-
nehmen gründen. Wenn sich also – nur um ein Beispiel zu
nennen – in einem bestimmten Anbaugebiet ein Fami-
lienbetrieb mit 10 Hektar Rebfläche formal in zwei Ein-
heiten teilt, sodass etwa der Vater die Trauben und der
Sohn den Wein erzeugt, können beide in dieser Konstel-
lation bei einer unterstellten Weinausbeute von 85 Pro-
zent insgesamt 119 000 Liter Qualitätswein vermarkten.
Dies wären 14 000 Liter oder umgerechnet über 13 Pro-
zent mehr Wein, als dieser Betrieb ohne Teilung vermark-
ten dürfte. Und dies alles ganz legal! Eine derartige
Diskrepanz ist nicht nur mit den Prinzipien der Wettbe-
werbsgerechtigkeit unvereinbar, sondern auch unter Qua-
litätsgesichtspunkten kaum zu vermitteln. Denn wir för-
dern – oder klar gesagt: Wir provozieren geradezu – mit
dieser Regelung ein zu starkes Auspressen der Trauben.
Wie wollen wir dieses Problem nun lösen? Ganz ein-
fach: Wir verpflichten alle Betriebe, die Trauben abneh-
men und zu Wein verarbeiten, die vorgegebenen Umrech-
nungsfaktoren einzuhalten. Zwar ist die Neuregelung mit
einem zusätzlichen Verwaltungs- und Kontrollaufwand
verbunden, weil nun wirklich alle Weinerzeuger von der
Hektarertragsregelung erfasst werden. Aber das Ziel,
nämlich eine hohe Weinqualität bei zugleich fairem Wett-
bewerb, rechtfertigt diesen zusätzlichen Aufwand. Und
das sehen auch die größten Weinbau treibenden Länder in
Deutschland so.
Was erreichen wir mit der Neuregelung? Erstens. Wir
schließen bestehende Lücken in der Hektarertragsrege-
lung und sorgen damit für mehr Wettbewerbsgerechtig-
keit. Das heißt, Betriebe, die von der jetzigen Situation
in besonderem Maße profitieren, werden diesen Vorteil
in Zukunft nicht mehr haben. Umgekehrt wird die große
Mehrheit selbst vermarktender Weinbaubetriebe, Win-
zergenossenschaften und Trauben abgebender Winzer,
deren Abnehmer schon in der Vergangenheit die Um-
rechnungsfaktoren eingehalten haben, im Wettbewerb
gestärkt.
Zweitens. Wenn die Trauben weniger stark ausge-
presst werden, kommt dies der Weinqualität zugute. Das
ist auch im Interesse des Verbrauchers. Und drittens trägt
die Maßnahme zur Marktstabilisierung bei. Denn die
Trauben verarbeitenden Betriebe müssen künftig je nach
Rebsorte zwischen 5 und 10 Prozent – teilweise sogar
15 Prozent – mehr Trauben als bisher verarbeiten, wenn
sie die Weinerzeugung auf gleichem Niveau aufrechter-
halten wollen. Eine höhere Nachfrage könnte dann allen
Winzerinnen und Winzern zugutekommen.
Ich bitte Sie daher um Unterstützung des Vorhabens.
Anlage 7
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung der Anträge:
– Gute Lehre an allen Hochschulen garantie-
ren – Eine dritte Säule im Hochschulpakt
verankern und einen Wettbewerb für he-
rausragende Lehre auflegen
– Qualitätsoffensive für die Lehre starten –
Einheit von Forschung und Lehre sichern
(Tagesordnungspunkt 32 a und b)
Monika Grütters (CDU/CSU): Rituale sind ja etwas
Schönes, es gibt sie, weil die Menschen sich einrichten
wollen in Bewährtem, in Erprobtem, in lieb gewordene
Gewohnheiten. So ist das manchmal auch in der Politik.
Und so ist das ganz offensichtlich vor allem bei Ihnen,
den Grünen, den grünen Bildungspolitikern, dem verehr-
ten Kollegen Gehring. Denn langsam, aber sicher wird
das Reden hier mit Ihnen über die Verbesserung der
Lehre ja zum richtigen Plenarritual: Alle zwei Jahre neh-
men Sie Ihren alten Antrag, verändern heimlich ein paar
Formulierungen, alle zwei Jahre stellen wir uns alle dann
am Ende einer langen Sitzungswoche zu guter Letzt
noch einmal hier in den Plenarsaal und sagen uns die
gleichen Sätze wie ehedem – und alle zwei Jahre haben
Sie vor allem deshalb einen Anlass, Ihren alten Antrag
mal wieder aufzumöbeln, weil wir, die Regierungspar-
teien und die Ministerin Schavan, einmal mehr gehan-
delt haben. Und auch hier ist die Reaktion fast gebets-
mühlenartig dieselbe, also auch schon ritualverdächtig:
Die Opposition merkt, dass sich mal wieder etwas getan
hat in der Bildungs-, in der Hochschulpolitik, zur Ver-
besserung der Lehre in diesem Fall. Und dann wärmt
diese Opposition ihre alten Sachen auf und ruft: Regie-
4506 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 44. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. Mai 2010
(A) (C)
(D)(B)
rung tut was, die CDU unterstützt die Studierenden (das
ist aber doch eigentlich unsere Domäne, was fällt denen
ein???), also schnell noch den Zusatz angehängt: Aber
was die Regierung tut, das ist noch nicht genug. Könnt
Ihr nicht noch mehr Geld geben?
So, genau so, klingt das auch jetzt schon wieder – und
kommt uns sehr, sehr bekannt vor. Zuletzt haben Sie die-
ses Ritual am 7. März 2008 abgefeiert, davor war es am
16. Februar 2006. Auch damals haben wir hier gestanden
und mit Ihnen um „mehr Qualität für die Hochschulen“
gerungen. Lieber Herr Gehring, bei allem Respekt vor
der Bedeutung der Hochschulen, bei aller Einsicht in die
schwierigen Situationen da, bei allem Engagement vor
allem für die Lehre – ich erinnere daran: Wir sind es ja,
die hier mal wieder handeln! Wir haben verstanden! –
Manche Rituale ermüden.
Nun könnte man sagen: Prächtige Grüne, die lassen
einfach nicht locker. – Ich erlaube mir nur, Sie einmal
mehr darauf aufmerksam zu machen, dass Sie aber auch
jetzt mal wieder nur hinterherhinken. Sie wissen ja, dass
Bundesbildungsministerin Annette Schavan gerade in
der vergangenen Woche einen Qualitätspakt für die
Lehre verkündet hat: 2 Milliarden Euro will der Bund in
den kommenden zehn Jahren für mehr Personal, bessere
Qualifizierung und Betreuung ausgeben, also 200 Mil-
lionen Euro jährlich für die Hochschulen, für die be-
kanntlich die Länder zuständig sind! „Zu wenig“, sagen
die Studierenden und die Grünen, „ein Anfang“, sagen
die Rektoren.
Ja, ein Anfang – genau das ist es, und genau so ist die-
ser Qualitätspakt gemeint. Auch wir wissen, dass der
Wissenschaftsrat eine ganz andere Dimension nennt.
Aber auch Sie, die Opposition, die SPD, die Grünen, die
Linken, die meinen, auch eben noch schnell einen An-
trag zusammenschustern zu müssen, Sie alle wissen ge-
nauso gut wie wir, dass die Bundesländer zuständig sind
für die Unis, für die Studis, für die Lehre dort. Und Sie
wissen ebenfalls, dass dieses Paket in Zeiten, in denen
wir ganz andere Aufgaben mit ganz anderen Summen zu
bewältigen haben, für den Bildungsbereich geradezu ein
Meilenstein für die Verbesserung der Lehre ist. Wenn Sie
alle, auch Herr Gehring, tatsächlich an der Sache und
nicht nur am ritualisierten Geschrei interessiert wären,
dann würden Sie auch mal mithelfen, derartige Quali-
tätsoffensiven, derartige Haushaltsentscheidungen, derar-
tige Initiativen der Regierung für die deutschen Hoch-
schulen – in allen Ihren Bundesländern und Wahlkreisen –
zu unterstützen!
Herr Gehring, noch kurz zu Ihrer Forderung, der
Bund solle einen Wettbewerb für herausragende Lehre
auflegen: Auch das ist natürlich nicht Sache des Bundes,
sondern originäre Aufgabe der Länder oder auch mal der
Hochschulen. Es bleibt ihnen ja unbenommen, die Gel-
der des Bundes für die Verbesserung der Lehrqualität ge-
nau dafür zu verwenden. Im Übrigen darf ich daran erin-
nern, dass die KMK – wie Sie wissen – eine gemeinsame
Initiative mit dem Stifterverband für einen „Wettbewerb
exzellente Lehre“ gestartet hat. Im Rahmen des Wettbe-
werbs sollen Konzepte von Hochschulen zur Strategie-
entwicklung im Bereich Studium und Lehre ausgezeich-
net werden. Für die Finanzierung sind 10 Millionen Euro
für drei Jahre vorgesehen, je zur Hälfte vom Stifterver-
band und dem jeweiligen Sitzland finanziert. Der Wett-
bewerb wird zunächst einmalig durchgeführt, soll aber
bei positiver Evaluierung fortgesetzt werden. Ein solcher
Wettbewerb ist ein erster Schritt, der die Länder – nicht
den Bund – aber nicht von der Notwendigkeit weiterer
Maßnahmen entbindet, um auch in der Breite gute Be-
dingungen für exzellente Lehre zu schaffen.
Außerdem haben die Hochschulen in den letzten Jah-
ren in hohem Umfang damit begonnen, Lehrpreise ein-
zuführen. Darüber hinaus gibt es mehrere hochschul-
übergreifende Ansätze zur Etablierung von Lehrpreisen,
wie zum Beispiel den seit 2006 von HRK und Stifter-
verband gemeinsam vergebenen „ars-legendi-Preis für
exzellente Hochschullehre“ (Preisgeld: 50 000 Euro),
der im jährlichen Rhythmus alternierend für eine be-
stimmte Disziplin ausgelobt wird (2008: Wirtschaftswis-
senschaften); den „Exzellenz-in-der-Lehre-Preis“ des
hessischen Wissenschaftsministeriums, der 2007 zum
ersten Mal vergeben wurde und mit einem Preisgeld von
250 000 Euro (plus 125 000 Euro der Hertie-Stiftung)
nach eigenen Angaben die höchste staatliche Ehrung
dieser Art in Deutschland ist; den Medidaprix (Preisgeld
100 000 Euro), der speziell für mediendidaktisch heraus-
ragende Ansätze der Hochschullehre abwechselnd vom
BMBF und dem österreichischen Wissenschaftsministe-
rium finanziert wird. Solche Lehrpreise sind eine schöne
Komponente in den Bemühungen um eine Aufwertung
der Hochschullehre. Ihren Wirkungsgrad sollte man mit
Blick auf die angemahnte Verbesserung der Hochschul-
lehre in der Breite aber auch nicht überschätzen.
Und selbst die schwerfällige KMK hat ja erkannt,
dass die Länder sich des Themas Hochschullehre anneh-
men sollten, und hat im Juni 2007 die Amtschef-Kom-
mission „Qualitätssicherung in Hochschulen“ beauf-
tragt, unter Einbeziehung des Stifterverbands eben auch
ein Konzept für eine Qualitätsoffensive in der Lehre zu
entwickeln. Die Rektoren haben dann auch zur aktuellen
Initiative der Bundesbildungsministerin gesagt, das sei
ein guter Anfang – auch sie lernen also dazu.
Nehmen Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen von
der Opposition, sich daran mal ein Beispiel.
Wir halten am Ende doch noch einmal fest, auch das
nicht zum ersten, sondern zum wiederholten Mal – Ri-
tuale haben ja auch etwas Verbindendes –, dass wir uns
alle darin einig sind, wie wichtig die Hochschulen für
unser Land sind, dass sie für die Studierenden da sind
und wir eben dies nie aus dem Blick verlieren dürfen,
dass deren Situation schwierig genug ist, dass zwar die
Länder zuständig sind, wir aber über Mittel verfügen, die
genau dafür zur Verfügung gestellt werden sollten, und
dass wir eben das genau deshalb tun. 200 Millionen im
Jahr vom Bund für die Verbesserung der Lehre an den
Hochschulen in den Ländern, 2 Milliarden in diesen Zei-
ten für diesen Zweck – das ist ein notwendiges, ein
wichtiges, ein gutes Signal.
Es wäre aber ein föderales Missverständnis, zu glau-
ben, der Bund habe die Rolle eines Wächters darüber
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 44. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. Mai 2010 4507
(A) (C)
(D)(B)
inne, wie die Länder dann zu Hause ihre – ja noch viel
weitergehenden – Aufgaben erfüllen.
Tankred Schipanski (CDU/CSU): Liest man die
Überschriften zu den heute zu debattierenden Anträgen,
so kann wohl jede Fraktion der Forderung nach guter
Lehre zustimmen. Die fraktionellen Unterschiede ste-
cken wie immer im Detail. Auch sind unsere Vorstellun-
gen, was eine gute Lehre ausmacht, doch ein ganzes
Stück weit entfernt von dem, was wir in den Anträgen
von den Linken und Bündnis 90/Die Grünen präsentiert
bekommen.
Die Linken singen wieder das Lied von mehr Geld für
alles; wenig Leistung um Abschlüsse zu erreichen; man-
gelnde Mitbestimmungsrechte – anscheinend bestimmen
nun die „bösen“ Hochschulräte auch noch die Lehrin-
halte; und man höre und staune: Mit der Forderung nach
der Abschaffung des Präsenzstudiums wollen sie die
Studierenden gar aus den Hörsälen und Seminarräumen
treiben, rätselhaft, wofür sie dann noch eine gute Lehre
benötigen. Für die Linken behindern Abgabe- und Mel-
defristen für Bachelor- und Masterarbeiten sowie Prü-
fungstermine den Verlauf des Studiums. Sie wollen am
liebsten – ich zitiere aus dem Antrag: mit „unabhängigen
Lerngruppen“ – ein „selbstbestimmtes Projektstudium“,
das heißt, wir treffen uns alle unter einem Baum, sitzen
im Kreis, rauchen ein bisschen und lassen unseren fach-
lichen Gedanken freien Lauf. Die Ergebnisse dieser Vor-
stellung von Lehre, verbunden mit ideologischer Ver-
blendung, haben wir auf dem Bologna-Gipfel gesehen.
Die sozialistischen Studentengruppen verließen die Kon-
ferenz, sie sind und waren nicht in der Lage, an einer
Diskussion teilzunehmen. Ihnen ging es nicht darum, mit
den beteiligten Bildungspartnern über konkrete Maßnah-
men zur Weiterentwicklung des Bologna-Prozesses zu
diskutieren. Für sie stellte der Gipfel offenbar nur eine
Plattform für ihre Provokationen dar. Das zeigt wieder
einmal mehr: Die Linken sind nicht dialogfähig und le-
ben scheinbar in einer eigenen, entrückten Welt.
Die Vorschläge der Linken führen nicht zu einer „gu-
ten Lehre“! Sie verstehen nicht, was das Prinzip der Wis-
senschaftsfreiheit mit „Einheit von Forschung und
Lehre“ sowie „Freiheit von Forschung und Lehre“
meint. Es ist für uns erschreckend, was sich hinter der
bürgerlich wirkenden Überschrift des Antrags der Lin-
ken versteckt. Sie sind und bleiben als Nachfolger der
SED der Wolf im Schafspelz! Insofern beziehe ich
meine folgenden Ausführungen auf den Antrag von
Bündnis 90/Die Grünen.
Wir wissen, wie auch der Antrag von Bündnis 90/Die
Grünen richtig erkennt, dass die Lehre eine wichtige
Leistung in unserer Hochschulausbildung ist, die es an-
zuerkennen und zu stärken gilt. Wir wissen, dass ein per-
sönlicher Kontakt mit dem Lehrenden, das Erleben einer
Vorlesung oder eines Seminars, der Aufbau eines sozia-
len Umfeldes elementare Bestandteile von studentischer
und universitärer Kultur sind.
Doch, verehrte Kollegen der Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen, sind wir uns auch mit Ihnen über den Weg hin
zu einer guten Lehre nicht vollends einig. Ich bin der
Überzeugung, dass Ihre Forderung nach speziellen Lehr-
professuren sowie Lehrjuniorprofessuren falsch ist. Dies
widerspricht unserem Humboldt’schen Ansatz von Ein-
heit von Forschung und Lehre. Unserer Überzeugung
nach kann nur jemand eine gute Lehre machen, der auch
in der Forschung stark ist. Denn genau darin besteht ja
das Ziel unserer Hochschulausbildung: Wir möchten
Studierende so früh wie möglich mit der aktuellen For-
schung in Kontakt bringen und ihr Interesse und ihre Be-
geisterung dafür wecken.
Deshalb sollte nach unserer Überzeugung bei den Be-
rufungen von Professoren und der Einstellung von wis-
senschaftlichem Personal der Aspekt der „guten Lehre“
stärker in den Mittelpunkt rücken. Ich selbst habe in Be-
rufungskommissionen mitgewirkt und weiß aus der Pra-
xis, dass die Lehrleistung der Bewerber in der Gesamt-
bewertung viel zu wenig ins Gewicht fällt. Hier ist
jedoch der Landesgesetzgeber gefordert, klare Kriterien
für Berufungsverfahren aufzustellen, insbesondere die
Lehrleistung von Bewerbern viel stärker zu berücksichti-
gen. Die bisher übliche Praxis, vorrangig nach dem
Publikationsverzeichnis und der Drittmittelquote einer
Bewerberin oder eines Bewerbers zu schauen, ist jeden-
falls nur bedingt zielführend, wenn wir eine Qualitäts-
verbesserung in der Lehre erreichen wollen. Neben die-
sen durchaus wichtigen Kriterien muss stärker ins
Gewicht fallen, ob die Bewerberin oder der Bewerber
über didaktische Kompetenzen verfügt und in der Lage
ist, Studieninhalte anschaulich und nachvollziehbar zu
vermitteln.
Unsere Exzellenzinitiative darf nicht dazu führen,
dass sich Spitzenforscher aus der Lehre „freikaufen“.
Richtig ist, dass wir bei der Exzellenzinitiative auch
Lehrleistungen berücksichtigen müssen, denn eine Spit-
zenuniversität macht nicht nur eine gute Forschung, son-
dern eben auch eine gute Lehre aus.
Nun zu ihrer aus der US-amerikanischen Hochschul-
landschaft stammenden Idee, Juniorprofessuren für Lehre
obligatorisch mit einer „Tenure Track“-Option zu verse-
hen. Eine gute Lehre wird dadurch meines Erachtens
nicht automatisch befördert. Auch hier gilt: Gute Lehre
geht nicht ohne gute Forschung. Und die „Tenure Track“-
Option sollte das bleiben, was sie ist: ein Anreizsystem,
um die besten und geeignetsten Wissenschaftler an den
Hochschulen zu halten. Diese nur für die Juniorprofessu-
ren in der Lehre obligatorisch einzuführen, setzt eindeu-
tig die falschen Signale.
Wir müssen die Antragssteller von einem Irrglauben
abbringen: Gute Lehre kann man nicht allein mit Geld
kaufen! Die christlich-liberale Koalition investiert im
Rahmen des Qualitätspakts Lehre in den nächsten zehn
Jahren pro Jahr 200 Millionen Euro, also insgesamt rund
2 Milliarden Euro in die Förderung der Lehre. Das Geld
wird direkt für Personal, für vorgezogene Berufungen,
für Einstellungen im Mittelbau, Tutorenprogramme und
Weiterbildungsangebote zur Verfügung stehen. Dabei
werden wir aber auch den Gedanken der Exzellenz nicht
außen vor lassen. Wissenschaftler und Hochschulen sol-
len ihre Konzepte vorlegen und aus diesen sollen dann
– ebenso wie das bei der Bewerbung um Drittmittel üb-
4508 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 44. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. Mai 2010
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(D)(B)
lich ist – die besten Konzepte ausgewählt und gefördert
werden.
Auch die immer wieder beschworenen Betreuungs-
schlüssel für Studierende pro Hochschullehrer können
nicht das Allheilmittel sein. Bei der klassischen Lehr-
methode des Frontalunterrichts sowie einer guten Vor-
und Nachbereitung einer Lehrveranstaltung konnten wir
die Erfahrung machen, dass der Notendurchschnitt bei
einer Klausur völlig identisch ist, egal ob in einer Semi-
nargruppe 15 oder 80 Studierende saßen. Sie sehen: Die
besten Lehren für die Zukunft ziehen wir aus der eigenen
Erfahrung.
Gute Lehre kann man auch nicht gesetzlich verord-
nen! Das Einzige, was wir machen können, ist, gute
Rahmenbedingungen zu schaffen. Viele Ihrer Forderun-
gen aus dem Antrag werden völlig freiwillig bereits
praktiziert. Viele Hochschulen loben selbst Lehrpreise
aus, evaluieren ihre Lehre, stehen im ständigen Dialog
mit den Studierenden. Auch bundesweite oder lokale
Hochschulzeitschriften wählen die besten Lehrenden
aus. Jedoch wird ein begabter Rhetoriker immer einen
Hörsaal voller Studenten in seinen Bann ziehen können,
er wird seine Vorlesung immer mit Scherzen würzen und
den Dialog mit den Studierenden suchen. Den Wissen-
schaftlern, die keine Lehrerfahrung haben, geben wir be-
reits viele Hilfestellungen an die Hand. Dem wissen-
schaftlichen Personal werden umfangreiche Angebote
für didaktische Weiterbildungen gemacht. Als Beispiele
verweise ich hier auf das vielfältige Veranstaltungsange-
bot des Hochschuldidaktikzentrums Baden-Württem-
berg oder auf die Hochschuldidaktik-Initiative Thürin-
gen. Gemeinsam mit den Ländern wird der Bund
nunmehr Zentren für Studium und Lehre einrichten, die
neue Impulse zur Professionalisierung und Qualitätssi-
cherung der Lehre geben. Zudem wird es eine Akademie
für Lehre geben, die die neusten Erkenntnisse in der
Lehrforschung aufbereitet und an die Hochschulen ver-
mittelt. Somit ergänzt der Qualitätspakt Lehre die vor-
handenen Strukturen und Programme. Zu wenig Fortbil-
dungszentren, wie von der Opposition behauptet, haben
wir diesbezüglich in keinem Fall!
Didaktische Schulungen, Beamer, Power-Point-Prä-
sentationen, Mikrofone, Kopien können aber die wich-
tigsten Bausteine „guter Lehre“ nicht ersetzen: Engage-
ment des Lehrenden in Vorlesungen bzw. Seminaren und
Lernmotivation aufseiten der Studierenden. Engagement
und Motivation sind die Schlüsselkompetenzen guter
Lehre. Und wir müssen gemeinsam nach Wegen suchen,
diese Kompetenzen bei unseren Hochschullehrern, dem
akademischen Mittelbau und unseren Studierenden wie-
der zu stärken.
Tauglich sind die Vorschläge der Fraktion Bündnis 90/
Die Grünen bezüglich der Bewertung „guter Lehre“. Wir
brauchen, ich zitiere aus dem Antrag, „einen Methoden-
mix, der die Bewertung von Lehrveranstaltungen durch
Studierende, Peer-Review-Verfahren sowie Absolven-
ten- und Abbrecherbefragungen umfasst“. Wir suchen
also einen Dialog zwischen Studierenden und Lehren-
den. Dieser muss aber nicht verordnet werden, sondern
dieser wächst an einer guten Hochschule!
Da ich ja direkt von einer Universität komme, lassen
Sie mich abschließend noch ein Beispiel von meiner
Heimatuniversität, der TU Ilmenau, aufzeigen: Dort
wird bereits innovative und gute Lehre gelebt. Gegen-
wärtig wird dort ein spannendes E-Learning-Projekt ge-
testet. Die Entwicklung kreativer Lernsoftware ist zwi-
schenzeitlich so weit, dass sich Studenten auf ihr
Mobiltelefon Lernmaterialen laden und bearbeiten kön-
nen. Doch – und lassen Sie mich dies abschließend noch
einmal betonen – ersetzt dies nicht den persönlichen
Kontakt zwischen Lehrkräften und Studierenden. Denn
es ist schließlich im ureigenen Interesse des Lehrenden,
frühestmöglich in den Kontakt mit engagierten und mo-
tivierten Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissen-
schaftlern zu kommen und einen Austausch zu ent-
wickeln, von dem beide Seiten profitieren: Lehrkräfte
ebenso wie die Studierenden.
Swen Schulz (Spandau) (SPD): Die Anträge der
Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke zur
Verbesserung der Hochschullehre enthalten viele Über-
legungen und Forderungen, die auch wir von der SPD in
unserem bereits im Dezember letzten Jahres vorgelegten
Antrag „Studienpakt für Qualität und gute Lehre jetzt
durchsetzen“ formuliert haben. Es gibt die eine oder an-
dere unterschiedliche Akzentsetzung in den Anträgen –
das ist gut so; denn das gibt Stoff für anregende und wei-
terführende Diskussionen in den Ausschüssen. So legen
etwa Bündnis 90/Die Grünen schon im Titel ihres Antra-
ges einen stärkeren Akzent auf die Ausrufung eines
neuen Wettbewerbes für herausragende Lehre. Wir ha-
ben im Grundsatz nichts gegen dieses Instrument einzu-
wenden. Doch ein Wettbewerb sollte nur eine Ergänzung
sein für die viel wichtigere Verbesserung der Grund-
finanzierung aller Hochschulen gleichermaßen. Die
Hochschulen sollten sich endlich mehr mit den Studie-
renden befassen als mit aufwendigen Antragsverfahren.
Doch insgesamt – ich betone das ausdrücklich – ge-
hen die Anträge in die richtige Richtung. Das politische
Problem ist vielmehr, dass es der Regierungskoalition
aus CDU/CSU und FDP entgegen allen öffentlichen Be-
teuerungen am entschiedenen Willen zu einer starken
Initiative zugunsten der Hochschullehre fehlt. Die groß
angekündigte Bologna-Konferenz, zu der Bundesminis-
terin Schavan eingeladen hat, ist der vorläufige Höhe-
punkt einer Reihe von Scheinaktivitäten. Die propagierte
Beteiligung der Studierenden ist letztlich nur der Form
nach erfolgt. Ihre zentralen Forderungen wurden igno-
riert. Das Abschlusskommuniqué ist an Belanglosigkeit
nicht zu überbieten. Vor allem aber: Die Ansage der
Bundesministerin, 2 Milliarden Euro für verbesserte
Lehre ausgeben zu wollen, hört sich zunächst gewaltig
an. Doch bei näherem Hinsehen wird klar, dass damit
nicht ernsthaft Probleme gelöst werden können. Denn
die 2 Milliarden Euro sollen auf zehn Jahre gestreckt
werden, macht also nur noch 200 Millionen jährlich. Das
macht auf den einzelnen Studierenden, pro Semester
umgerechnet, gerade einmal 45 Euro. Dabei wären in je-
dem einzelnen Jahr 1,1 Milliarden Euro nötig, wie der
Wissenschaftsrat den Verantwortlichen in Bund und
Ländern unlängst ins Stammbuch geschrieben hat.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 44. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. Mai 2010 4509
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Leider ist zu befürchten, dass selbst die unzureichen-
den Planungen der Frau Schavan sich letztlich als Sei-
fenblase entpuppen werden – wenn die Herren Koch und
Schäuble den Haushalt zurechtgestutzt haben. Jetzt rächt
sich die verantwortungslose Steuer- und Haushaltspoli-
tik der Regierungskoalition. In der Tat stehen wir vor ei-
ner gewaltigen Herausforderung: Die Krisen im Banken-
und Finanzbereich belasten den Bundeshaushalt enorm.
Aber anstatt vorzusorgen und klug zu investieren, wur-
den Milliarden für Steuergeschenke an Hoteliers und Er-
ben herausgeschleudert. Ich habe bereits vor Monaten
im Deutschen Bundestag Frau Schavan aufgefordert,
endlich denen in der Regierungskoalition die Zähne zu
zeigen, die mit einer unseriösen Haushalts- und Finanz-
politik den Bildungsinvestitionen in den Kommunen, in
den Ländern und im Bund die Beine weghauen. Doch
die Bundesbildungsministerin hat es geschehen lassen.
Dann war zu lesen, dass Frau Schavan in einem Inter-
view sagte: „Jetzt zucke ich, wenn ich immer wieder das
Thema Steuersenkung höre“. Ja meine Güte, Frau Minis-
terin zuckt vor lauter Schreck. Wie das Kaninchen vor
der Schlange erstarrt sie und hofft, dass alles gutgehen
möge. Wann endlich sehen wir, sehen die Bürgerinnen
und Bürger eine Bildungsministerin, die kämpft? Statt-
dessen tingelt sie seit Wochen durch die Gegend mit ih-
rer neu gewonnenen Überzeugung, dass das Koopera-
tionsverbot von Bund und Ländern bei der Bildung
aufgehoben werden sollte. Wir freuen uns über diesen
Sinneswandel. Doch auch hier: Wo bleibt die konkrete
Aktivität? Wann kommt Frau Schavan aus ihrem Wol-
kenkuckucksheim herunter und macht mal etwas Kon-
kretes?
Ich habe Frau Schavan vor längerem im Bundestag
eine gemeinsame, überparteiliche Initiative im Deut-
schen Bundestag angeboten. Ich habe ihr danach noch-
mal geschrieben und konkrete Vorschläge gemacht. Die
Reaktion war: Ein Schreiben mit lapidaren Äußerungen
und schönen Worten. So schreibt Sie am 20. Mai 2010:
Bund und Länder sind sich der Verantwortung und
der Bedeutung dieser gesamtstaatlichen Aufgabe
sehr bewusst. Die Bundeskanzlerin, die Regierung-
schefin und die Regierungschefs der Länder haben
in ihrer Besprechung am 16. Dezember 2009 das
gemeinsame Ziel bekräftigt, die Ausgaben für Bil-
dung und Forschung bis 2015 auf 10 Prozent des
Bruttoinlandsprodukts zu steigern.
Dabei sitzen die Regierungschefs schon längst ohne
sie beisammen und planen die Einsparungen und Ein-
schnitte im Bildungsbereich – während Frau Schavan
ganz alleine weiter von der Erreichung des 10-Prozent-
Ziels träumt und philosophiert. Wenn es aber konkret
wird, duckt sich Frau Schavan weg. Das ist beim soge-
nannten Bologna-Gipfel so gewesen, das ist bei der
Haushalts- und Steuerpolitik so, und das ist beim Thema
Föderalismus so.
Auch bei der Verbesserung der Hochschullehre kom-
men wir nur dann weiter, wenn wir eine gute Zusam-
menarbeit von Bund und Ländern erreichen. Aber die
nächste große Show ist ja bereits angesagt: der „Bil-
dungsgipfel“ der Bundeskanzlerin. Die letzten zwei Gip-
fel waren ja mehr Maulwurfshügel. Jetzt verwenden die
Finanzer von Bund und Ländern alle Kraft darauf, das
Finanzierungsdefizit in Bildung und Forschung herun-
terzurechnen. Und das Chaos, das die Bundesregierung
mit dem Haushalt angerichtet hat, macht ein gutes Er-
gebnis des Bildungsgipfels leider umso unwahrscheinli-
cher.
Erst gestern haben die Bundesländer klargemacht,
was sie von Investitionen in die Bildungspolitik halten.
Auf Initiative von Bayern und Hessen haben die Finanz-
minister der Länder mit Mehrheit die vom Bund ge-
plante Erhöhung des BAföG abgelehnt. Was kommt als
Nächstes dran?
Die SPD-Fraktion setzt sich für die ordentliche Finan-
zierung besserer Lehre ein. Wir wollen, dass das auf dem
Bildungsgipfel vereinbart wird, und wir sagen auch, wo-
her wir das Geld nehmen wollen, nämlich durch einen
Bildungssoli, den wir von Spitzenverdienern durch die
Erhöhung des Spitzensteuersatzes erzielen. Die Regie-
rungskoalition ist leider weit davon entfernt, diesen rich-
tigen Weg einzuschlagen. Die Folgen tragen die Studie-
renden und in der Konsequenz die ganze Gesellschaft.
Dr. Martin Neumann (Lausitz) (FDP): Bologna se-
hen wir als einen Prozess, der mittlerweile bereits weit
vorangeschritten ist, aber noch lange nicht als abge-
schlossen bezeichnet werden kann. Nicht zuletzt die
erste nationale Bologna-Konferenz am vergangen
Montag – aus meiner Sicht eine erfolgreiche Veranstal-
tung – hat deutlich gemacht, dass Anpassungen zum
Wohle der Studierenden erforderlich sind. Deshalb ha-
ben wir uns bereits im Koalitionsvertrag mit der Union
darauf verständigt, gemeinsam mit den Ländern ein „Bo-
logna-Qualitäts- und Mobilitätspaket“ zu schnüren, in
welchem ein Kernelement die Verbesserung der Lehre
sein wird.
Es wird Sie nicht verwundern – dies sage ich insbe-
sondere mit Blick auf die Kolleginnen und Kollegen aus
den Fraktionen der SPD und der Grünen –, wenn ich an
dieser Stelle auch einmal darauf hinweisen muss, dass
die in den Anträgen der Fraktionen Die Linke und
Bündnis 90/Die Grünen dargestellten Defizite im Be-
reich der Hochschullehre, für die sie immer wieder auch
die Bologna-Reform verantwortlich machen, aufgrund
ihrer Versäumnisse während der rot-grünen Regierungs-
zeit – nämlich da, als Bologna auf den Weg gebracht
wurde – durch eine fehlende finanzielle Begleitung der
Reform erst verursacht bzw. verstärkt wurden.
Meine Damen und Herren von den Grünen, Sie sind
Ihrer Verantwortung damals nicht gerecht geworden und
kommen heute mit dem erhobenen Zeigefinger. Das mag
Ihrer Oppositionsrolle geschuldet sein, ist aus meiner
Sicht jedoch vollkommen unnötig. Heute nämlich wird
der Bund seiner Verantwortung gerecht. Die Bundesre-
gierung fördert mit dem Hochschulpakt II den systemati-
schen Ausbau der Studienplatzkapazitäten allein in 2010
mit 508 Millionen Euro. Die christlich-liberale Bundes-
regierung stellt für die Weiterentwicklung des Bologna-
Prozesses 33 Millionen Euro zur Verfügung und etati-
sierte bereits 760 Millionen Euro für einen Qualitäts-
4510 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 44. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. Mai 2010
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(D)(B)
pakt, welcher durch eine Kofinanzierung der Länder er-
gänzt werden soll. Hier können wir mit einem
beträchtlichen Zugewinn für die Hochschullehre rech-
nen.
Meine Damen und Herren von der Opposition, we-
nigstens darin sind Sie sich ja einig: Sie fordern immer
wieder die Abschaffung von Studienbeiträgen. Mittler-
weile fließen deutlich mehr als 1,2 Milliarden Euro aus
Erlösen der Studienbeiträge in die Hochschullehre.
Diese Einnahmen decken bundesweit mehr als ein Drit-
tel der Kosten zusätzlicher Hochschulinvestitionen.
Hochschulen im Verantwortungsbereich liberaler Minis-
ter konnten dadurch bemerkenswerte Verbesserungen er-
zielen. Während die Ausgaben der Hochschulen in Bay-
ern im Zeitraum von 2006 bis 2008 um 778 Millionen
Euro stiegen und die nordrhein-westfälischen Hochschu-
len im selben Zeitraum sogar 881 Millionen Euro mehr
investieren konnten, fiel der finanzielle Zugewinn in
Berlin und Brandenburg beschämend gering aus. Sie
wollen allen Hochschulen diese Einnahmequelle streitig
machen, ohne uns die Frage beantworten zu können, wie
Sie die zu erwartenden Einnahmeverluste für die Hoch-
schulen auffangen wollen. Stattdessen finden sich im
Antrag der Grünen diverse Vorschläge, die im Wesentli-
chen auf eine zentrale Steuerung des Hochschulwesens
abstellen. Sie setzen auf Gender- und Diversity-Kompe-
tenzen als zentrale Qualitätskriterien bei der Bewertung
guter Lehre und fordern flächendeckend Landeslehr-
preise. Dann beklagen Sie die Differenzierung der Perso-
nalkategorien an den Hochschulen und wollen aber
gleichzeitig zusätzliche Professuren und Juniorprofessu-
ren mit dem Schwerpunkt Lehre schaffen. Für mich lässt
sich dieses grüne Klein-Klein beim besten Willen nicht
mit einer modernen Wissenschaftspolitik vereinbaren.
Ich bin davon überzeugt: Mit dem von uns eingeschlage-
nen Weg, der eine Anerkennungskultur für die Lehre för-
dern wird, unterstützt der Bund die qualitative Weiter-
entwicklung des Bologna-Prozesses besser und wird
damit sicher mehr für die Hochschulen und vor allem für
die Studierenden erreichen.
Meine Damen und Herren, ich erwarte aber auch,
dass die Länder ihre Hausaufgaben machen. Wer die Zu-
ständigkeit für die Bildung bei sich sieht, muss auch die
dazugehörende Verantwortung übernehmen und schließ-
lich auch das dafür erforderliche Geld in die Hand neh-
men. Es empört mich daher, wenn ich von Vorschlägen
höre, bei der Bildung zu sparen. Wenn ich sehe, dass
zum Beispiel in meinem Bundesland, nämlich Branden-
burg – übrigens seit 20 Jahren von der SPD regiert – al-
lein darauf gesetzt wird, möglichst viele Bundesmittel
aus dem Hochschulpakt 2020 zu bekommen, indem
massiv Studierende ins Land gelockt werden, gleichzei-
tig aber nicht im gleichen Maße eigene Investitionen in
den Ausbau zusätzlicher Kapazitäten an den Hochschu-
len getätigt werden, dann ärgert mich das maßlos. Wenn
die dortige rot-rote Landesregierung in ihrem Koali-
tionsvertrag von der großen Bedeutung der Bildung phi-
losophiert, gleichzeitig aber tatenlos zusieht – nein, ich
behaupte: es mit ihrer soeben beschriebenen Strategie
sogar massiv befördert –, dass die Hochschulen im
Lande aus allen Nähten platzen, ohne auch nur ansatz-
weise etwas für die Lehre zu tun, empört mich das umso
mehr. Die Universität Potsdam, die größte Hochschule in
Brandenburg, hat mittlerweile über 20 000 Studierende
und ist damit längst an ihren Kapazitätsgrenzen ange-
langt. Überfüllte Seminare und „Massenabfertigungen“,
wie sie seitens der Bildungsstreikenden – auf die sich
Die Linke ja allzu gern beruft – immer wieder beklagt
wurden, sind in Potsdam Realität. Und die einzige Re-
aktion von Rot-Rot ist es, für noch mehr Studierende zu
werben, um möglichst viele Mittel aus dem Hochschul-
pakt zu ergattern!
Nicht anders sieht es übrigens im ebenfalls rot-rot-re-
gierten Berlin aus. Trotz erheblicher Beteiligung des
Bundes ist der durchschnittliche Landeszuschuss pro
Studierendem und Jahr an die Hochschulen seit 2006 um
mehr als 600 Euro eingebrochen.
Wenn im Bundestag dann Die Linke mit ihrem Antrag
einerseits Mittelsteigerungen für die Hochschulen for-
dert, um eine Steigerung der Lehrqualität zu erreichen,
und andererseits absurderweise auch noch die Abschaf-
fung von Studiengebühren fordert, wenngleich diese
mittlerweile eine erhebliche Bedeutung für die Finanzie-
rung von Hochschulen haben, kann man das ganze Papier
eigentlich nicht mehr ernst nehmen. Auch das Deutsche
Studentenwerk bestätigte doch, dass Studienbeiträge durch-
aus zielgerichtet zur Verbesserung der Betreuungs- und
Studiensituation der Studierenden eingesetzt werden und
damit eine erhebliche positive Wirkung auf die Situation
der Hochschulen entfalten.
Meine Damen und Herren von der Fraktion Die
Linke, mit Ihrem unsystematisch zusammengewürfelten
Forderungskatalog zur Deckung des Mittelbedarfs deut-
scher Hochschulen, welcher von einer Grundgesetzre-
form bis zur Erarbeitung von diversen Aktionsplänen
reicht, lassen Sie vollkommen außer Acht, dass der Bund
schon jetzt für den Hochschulbereich Mitwirkungs- und
Finanzierungsmöglichkeiten besitzt und diese auch
nutzt. Wir stellen bereits gemeinsam mit den Ländern er-
hebliche Mittel für den Ausbau zusätzlicher Studien-
platzkapazitäten über den Hochschulpakt zur Verfügung.
Mit dem Qualitätspakt Lehre stellt der Bund in den
nächsten zehn Jahren außerdem beträchtliche Mittel zur
Steigerung der Lehrqualität bereit. Sie hingegen zeigen
lediglich auf die Bundesregierung und fordern sie auf,
mehr für die Finanzierung der Hochschulen zu tun, und
dort, wo Sie selbst in Verantwortung sind, machen Sie
das genaue Gegenteil. Das ist nicht glaubwürdig, und die
Menschen im Land, vor allem die Studierenden, sehen
das auch.
Sehr geehrte Damen und Herren, Sie sehen, Koalition
und Bundesregierung setzen ihre Prioritäten bei Bildung
und Forschung. Unser Ziel bleibt es, Deutschland zur
Bildungsrepublik zu machen. Die Länder, aber auch die
Hochschulen haben in uns einen verlässlichen Partner.
An ihnen selbst ist es aber auch, mit eigenen Anstren-
gungen ihren Beitrag zu leisten, unserem gemeinsamen
Ziel noch näherzukommen.
Nicole Gohlke (DIE LINKE): Überfüllte Hörsäle,
Prüfungsstress, hohe Präsenzpflicht, Stellenabbau und
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 44. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. Mai 2010 4511
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(D)(B)
abstruse Betreuungsrelationen – eine Professorin oder
ein Professor ist durchschnittlich für 60 Studierende ver-
antwortlich! So kann man schlagwortartig die Lehr- und
Lernsituation an den Hochschulen umschreiben. Das
kommt nicht von ungefähr: Jahrzehntelang wurden die
Hochschulen unterfinanziert; zudem wurde der Bologna-
Prozess implementiert, nach dem Motto „Schaut doch,
wie ihr damit klarkommt!“ Und da ist es kein Wunder,
dass die Versprechen auf neue Lehr- und Lernformen,
wie etwa ein selbstbestimmtes Projektstudium, forschen-
des Lernen, die Anerkennung und Integration von unab-
hängigen Lerngruppen in den Lehrbetrieb oder E-Lear-
ning, nicht umgesetzt wurden.
Die Bologna-Konferenz vom vergangenen Montag
wäre eine gute Gelegenheit gewesen, mit allen Verant-
wortlichen gemeinsam Veränderungen zu beschließen.
Sie, Frau Schavan, haben sie nur dazu genutzt, Ihre alt-
bekannten Projekte erneut vorzustellen. Und es sollte Ih-
nen zu denken geben, meine Kolleginnen und Kollegen
von den Regierungsfraktionen, Frau Schavan, dass die
Bildungsstreikenden die Sitzung vorzeitig verlassen ha-
ben. Denn die Bildungsministerin ist wirklich mit kei-
nem Wort auf die Forderungen der Studierenden einge-
gangen, sie hat nicht mal die Gelegenheit genutzt, mit
den anwesenden Kultusminister und Kultusministerin-
nen und Hochschulrektoren und Hochschulrektorinnen
konkrete Vereinbarungen zu treffen.
Grundvoraussetzung für jede Verbesserung an der
Hochschule und in der Lehre ist Geld: Es ist nicht einzu-
sehen, dass die Krise und die Konsolidierung der Haus-
halte auf dem Rücken der Bildung ausgetragen werden
sollen, wie es nun Ihr Ministerpräsident Roland Koch in
Hessen fordert. 2 Milliarden will die Bundesregierung in
den nächsten zehn Jahren für die Verbesserung der Lehre
zur Verfügung stellen. Zum Vergleich: über 100 Milliar-
den Euro konnten schon wieder über Nacht für die
Schuldner Griechenlands mobilisiert werden, also für
die Banken. Sie handeln nach dem Motto: „Geld für
Banken statt für Bildung!“ Das ist ein Skandal! Und der
Anteil der öffentlichen Ausgaben pro Student am Brutto-
inlandsprodukt ist seit den 70er-Jahren um zwei Drittel
zurückgegangen! So schaut Ihre Bildungsrepublik aus!
Da müssen Sie sich nicht über weitere Proteste wundern!
Die Qualität von Lehre und Studium ist untrennbar
mit guten Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen ver-
knüpft. Sie reden doch immer von Exzellenz! Dann
schaffen Sie einfach mal exzellente Bedingungen! Ohne
hervorragende Arbeitsbedingungen wird es keine her-
vorragende Lehre geben. Ihre Politik führte geradewegs
in katastrophale Arbeits- und Beschäftigungsbedingun-
gen an den Hochschulen – besonders unterhalb der Pro-
fessur. Lehrbeauftragte sichern den laufenden Lehrbe-
trieb, sie tun dies völlig unterbezahlt und ohne gesicherte
Perspektiven. Drei Viertel aller wissenschaftlichen Mit-
arbeiterinnen und Mitarbeiter an Hochschulen sind nach
Angaben des Statistischen Bundesamtes befristet be-
schäftigt, die Hälfte davon in Teilzeit. Und dieser Trend
reicht bis zu den Professuren, deren Stellen 2008 bereits
zu 16 Prozent befristet waren, 1998 waren es noch
5 Prozent.
Wenn Sie an dieser Situation grundlegend etwas än-
dern wollen, sorgen Sie für mehr und vor allem für
kontinuierliche Mittel! Stellen Sie mehr Personal mit ge-
sicherten Arbeitsverhältnissen ein und schaffen Sie Qua-
lifizierungsmöglichkeiten! Der Wissenschaftsrat veran-
schlagt allein für die Verbesserung der Qualität der Lehr-
und Lernbedingungen ein jährliches Budget von 1,1 Mil-
liarden Euro. Sie bieten 200 Millionen Euro und wollen
dafür noch gefeiert werden. Mit Verlaub, aber das ist ab-
surd!
Und mit der Exzellenzinitiative verschärft die Bun-
desregierung dieses Problem noch. Nicht nur, dass
dadurch die Mittel konzentriert und einer breiteren
Finanzierung, von der alle Hochschulen etwas hätten,
entzogen werden, dazu kommt, dass diejenigen, die in
solchen Exzellenzprojekten forschen, sich doch kaum
noch an der Lehre beteiligen. Stattdessen gibt es dann
die reinen Lehrbeauftragten, die aber keine Zeit mehr
haben, zu forschen. Sie betreiben eine Ausdifferenzie-
rung in Forschungs- und Lehruniversitäten; Sie treiben
mit Ihrer Politik die Trennung von Forschung und Lehre
voran! Und das nennen Sie dann Wissenschaftsstandort.
Sie beschneiden und zerstören doch auf diese Weise die
Wissenschaft an der Wurzel!
Ich kann Ihnen nur sagen: Die richtige Antwort auf so
eine Politik heißt Protest! Dass man sich für gute Bil-
dung nicht auf Frau Schavan und die Landesregierungen
verlassen kann, hat der Bologna-Gipfel am Montag be-
wiesen. Ich hoffe, dass die Studierenden am 9. Juni vor
allem gemeinsam mit Lehrkräften und Beschäftigten der
Hochschulen die nächste Runde des Bildungsstreiks ein-
läuten. Es geht um nicht weniger als den freien und glei-
chen Zugang zu guter Bildung! Dafür braucht es auch
Bedingungen, unter denen man auch gut lehren und ler-
nen kann.
Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Gute
Studien- und Lernbedingungen entscheiden maßgeblich
über ein erfolgreiches Studium. Lehre muss Studierende
motivieren und inspirieren, Forschungsinteresse wecken,
Kreativität, eigenständiges Denken und wissenschaftli-
ches Arbeiten fördern. Steigende Studierendenzahlen
und eine fehlende Finanzierung der Bologna-Reform ha-
ben die Lehr- und Betreuungssituation an den Hochschu-
len aber vielerorts verschlechtert statt verbessert.
Mit durchschnittlich 60 Studierenden pro Professorin
oder Professor – in einzelnen Fächern noch deutlich
mehr – lässt sich nur schwer eine Lehre organisieren, die
den Begabungen, Talenten und der Neugierde des Ein-
zelnen gerecht wird. Gute Lehre darf nicht länger Kür
für wenige, sondern muss Anspruch und Realität an al-
len Hochschulen werden. Wir brauchen von allen Ak-
teuren – im Bund, in den Ländern, an den Hochschulen –
gemeinsam getragene Strategien, wie wir für alle Studie-
renden endlich ein besseres Studium und einen transpa-
renten, mobilitätsfreundlichen europäischen Hochschul-
raum verwirklichen.
Akzeptanz und Erfolg der Bachelor- und Masterab-
schlüsse hängen maßgeblich von einem deutlich verbes-
serten Betreuungsschlüssel ab. Diese Botschaft setzen
4512 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 44. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. Mai 2010
(A) (C)
(D)(B)
wir Grüne und die Studierenden schon lange; sie muss
endlich von den Wissenschaftsministerinnen und -minis-
tern sowie der Bundesbildungsministerin nicht nur ge-
hört, sondern auch in die Realität übersetzt werden.
Wir Grüne haben bereits in der letzten Legislatur eine
umfassende Gesamtstrategie für gute Lehre gefordert
und ein Konzept vorgelegt. Es ist traurig, dass fast vier
Jahre verstrichen sind, bevor die Ministerin das Thema
endlich anpackt. Zu einer Gesamtstrategie für gute Lehre
gehört, dass der Hochschulpakt zwischen Bund und Län-
dern, der massiv unterfinanziert ist und noch nicht ein-
mal die Kosten für unterdurchschnittliche Studienbedin-
gungen trägt, endlich besser ausgestattet wird und dass
mehr Studienplätze geschaffen werden.
Seit Monaten kündigt die Bundesministerin nun zwar
ein „Qualitätsprogramm für die Lehre“ an, dies reicht
aber weder finanziell noch strukturell aus, die unzurei-
chende Förderung, Ausstattung und Wertschätzung der
Lehre zu überwinden. Schavans vages Bologna-Paket
und der vollmundig angekündigte 2-Milliarden-Euro-
„Qualitätspakt für die Lehre“ drohen nun dem Rotstift
der CDU-Ministerpräsidenten zum Opfer zu fallen. Wir
brauchen einen Rettungsschirm für Hochschulen, keinen
Koalitionskrach über Kürzungen.
Die Bildungsrepublik wird von Koch & Co abgeris-
sen, bevor mit ihrem Bau ernsthaft begonnen wurde.
Wer bei Bildungsinvestitionen kürzen will, versündigt
sich an jungen Generationen, verhindert Teilhabe, ver-
geudet Zukunfts- und Innovationsfähigkeit. Nur Länder,
die auch in Zeiten desolater Haushaltslagen die Priorität
auf ein leistungsfähigeres Bildungs- und Hochschulsys-
tem legen, können aus Krisen gestärkt hervorgehen.
Wenn Ministerin Schavan nicht als Ankündigungs-
ministerin enden möchte, dann muss sie im Schulter-
schluss mit Kanzlerin Merkel auf dem Bildungsgipfel
am 10. Juni einen festen Fahrplan für eine Reform der
Bologna-Reform vereinbaren und einen echten Quali-
tätspakt für die Lehre schließen. Schavan darf die Stu-
dien- und Lehrreform nicht allein den Ländern oder
Hochschulen überlassen, sondern muss ihrer Verantwor-
tung als Bundesbildungsministerin gerecht werden.
Wir fordern von der Bundesregierung in Zusammen-
arbeit mit den Ländern ein verlässliches Gesamtkonzept
zur Sicherung guter Lehrqualität. Zentrale Elemente sind
eine dritte Säule im Hochschulpakt und ein Bundeswett-
bewerb für herausragende und innovative Lehre. Durch
die dritte Säule sollen Bundesmittel zielgenau an die
Hochschulen fließen für Professuren und Junior-Profes-
suren mit dem Schwerpunkt Lehre, für Tutorien und
Mentoring-Programme sowie für didaktische Fort- und
Weiterbildung, Zentren für Fachdidaktik und für Perso-
nalmanagement, Qualitätssicherung sowie Lehrorganisa-
tion an den Hochschulen.
Nach all dem Gegenwind aus den Ländern hat Bun-
desministerin Schavan nun statt eines umfassenden Kon-
zepts zur Stärkung der Lehre eine „Akademie für gute
Lehre“ angekündigt. Diese Idee halten wir für verfehlt
und eindeutig zu kurz gesprungen. Durch die Einrich-
tung einer „Akademie“ will die Bundesministerin nur
die Mitsprache der Länder umgehen, indem sie die
Hochschulen direkt beteiligt. Das ist keine tragfähige
Lösung. Außerdem würde das, was die Ministerin bis-
lang lediglich skizziert hat, mit großer Wahrscheinlich-
keit dazu führen, dass die Förderung nicht an der Zahl
der Studierenden ausgerichtet würde, sondern nur einige
Hochschulen die Mittel unter sich aufteilten. Unser Vor-
schlag einer dritten Säule im Hochschulpakt bindet alle
Verantwortlichen mit ein und leitet die Mittel zielgerich-
tet dort hin, wo sie gebraucht werden.
Mit unserer Gesamtstrategie sorgen wir dafür, allen
Studierenden eine gute Lehre zu garantieren sowie die
Einheit von Forschung und Lehre zu stärken statt aufzu-
kündigen. Wir wollen die Reputation und Anerkennung
von Lehre stärken und sie damit perspektivisch endlich
auf Augenhöhe mit der Forschung bringen. Denn gute
Lehre muss sich lohnen, sie braucht mehr Wertschätzung
und klare Struktur- und Finanzentscheidungen der Poli-
tik. Daher bitte ich Sie: Stimmen Sie unserem Antrag zu.
Anlage 8
Amtliche Mitteilungen
Der Bundesrat hat in seiner 869. Sitzung am 7. Mai
2010 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzu-
stimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Absatz 2
des Grundgesetzes nicht zu stellen:
– Gesetz zur Abschaffung des Finanzplanungsrates
und zur Übertragung der fortzuführenden Aufga-
ben auf den Stabilitätsrat sowie zur Änderung wei-
terer Gesetze
Der Bundesrat hat ferner die nachstehende Entschlie-
ßung gefasst:
Die Bundesregierung wird gebeten, die Auswirkun-
gen der in diesem Gesetz vorgenommenen Änderung des
Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) zeitnah aus-
zuwerten und bei Bedarf eine einheitliche Regelung von
SGB XII und SGB II herbeizuführen.
Begründung:
Das SGB XII enthält bereits eine erprobte Regelung
für abweichende Bedarfe. Mit der betreffenden Rege-
lung dieses Gesetzes erfolgt eine unterschiedliche
Ausgestaltung der beiden Fürsorgesysteme SGB II
und SGB XII. Im Interesse einer Harmonisierung in
Fragen der existenzsichernden Bedarfe sollte jedoch
im SGB II eine dem SGB XII analoge Regelung für
atypische Bedarfslagen erfolgen.
Die Übernahme einer gleichlautenden Öffnungsklau-
sel auch in das SGB II würde der Rechtssicherheit
und Rechtsklarheit dienen.
– Fünftes Gesetz zur Änderung des Kraftfahrzeug-
steuergesetzes
– Achtes Gesetz zur Änderung des Bundes-Immis-
sionsschutzgesetzes
– Erstes Gesetz zur Änderung des Telemediengeset-
zes (1. Telemedienänderungsgesetz)
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 44. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. Mai 2010 4513
(A) (C)
(D)(B)
– Gesetz zur Änderung des Abkommens vom 15. De-
zember 1950 über die Gründung eines Rates für
die Zusammenarbeit auf dem Gebiete des Zollwe-
sens
– Gesetz zu den Änderungsurkunden vom 24. No-
vember 2006 zur Konstitution und zur Konvention
der Internationalen Fernmeldeunion vom 22. De-
zember 1992
– Gesetz zur Übernahme von Gewährleistungen zum
Erhalt der für die Finanzstabilität in der Wäh-
rungsunion erforderlichen Zahlungsfähigkeit der
Hellenischen Republik (Währungsunion-Finanzsta-
bilitätsgesetz – WFStG)
Der Bundesrat hat ferner die nachstehende Entschlie-
ßung gefasst:
In der aktuellen Krise geht es um Bestand und Zukunft
der Europäischen Union – nicht nur um Griechenland.
Der Bundesrat befasst sich in europäischer und gesamt-
staatlicher Verantwortung mit dem Gesetz zum Erhalt der
Stabilität der Währungsunion. Er erachtet die von Inter-
nationalem Währungsfonds, Europäischer Kommission,
Europäischer Zentralbank sowie den Euro-Staaten be-
schlossenen Maßnahmen für Griechenland als unabding-
bar. Eine stabile Wirtschafts- und Währungspolitik benö-
tigt ein klares Bekenntnis zur sozialen Marktwirtschaft
und dem damit verbundenen notwendigen Prinzip des
marktwirtschaftlichen Wettbewerbs. Deutschland braucht
den Euro – ebenso wie Europa. Ohne gemeinsame Wäh-
rung hätte die Wirtschafts- und Finanzkrise unseren Kon-
tinent noch härter getroffen.
Griechenland zu helfen ist notwendig, um eine Zah-
lungsunfähigkeit des Landes zu verhindern und die
Euro-Zone vor unkalkulierbaren Erschütterungen zu be-
wahren. Die Unterstützung ist ein Ausnahmefall, der
nicht in einen Mechanismus für weitere notleidende
Staaten führt. Die Währungsunion darf sich nicht suk-
zessive in eine Transferunion wandeln. Grundlage ist die
Stärkung und Verschärfung des bestehenden Stabilitäts-
und Wachstumspaktes.
Die international vereinbarten Maßnahmen sehen in
den nächsten Jahren einen strikten Sparkurs und struktu-
relle Reformen für Griechenland vor, mit denen das
Land schrittweise seine öffentlichen Finanzen wieder
stabilisieren und die Wettbewerbsfähigkeit seiner Wirt-
schaft verbessern soll. Die von Griechenland zu treffen-
den Entscheidungen zur Einhaltung des Sparkurses und
der strukturellen Reformen sind streng zu überwachen.
Grundlage bilden die zwischen dem Internationalen
Währungsfonds, der Europäischen Kommission im Auf-
trag der Mitgliedstaaten der Europäischen Union und
von Griechenland unter Mitwirkung der Europäischen
Zentralbank vereinbarten Maßnahmen. Der Bundesrat
fordert die Bundesregierung auf, über die diesbezügli-
chen Fortschritte bzw. über die Einhaltung dieser Verein-
barungen regelmäßig zu berichten.
Die Krise in Griechenland hat aber auch strukturelle
Schwächen der europäischen Währungsunion offenge-
legt. Der Bundesrat begrüßt daher, dass der Europäische
Rat seinen Präsidenten Herman Van Rompuy damit be-
auftragt hat, eine Task Force einzurichten, um Vor-
schläge für eine bessere Prävention und Krisenbewälti-
gung in der Eurozone zu erarbeiten.
Das aufwendige Maßnahmenpaket kann nur effektiv
und nachhaltig sein, wenn es dazu beiträgt, verlorenes
Vertrauen zurückzugewinnen und Lasten gerecht zu ver-
teilen.
Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, sich
auf europäischer Ebene dafür einzusetzen, dass
– die zuständigen europäischen Institutionen in die Lage
versetzt werden, wirksame Maßnahmen ergreifen zu
können, die für eine effektivere Überwachung der
Haushalts- und Finanzpolitiken der Mitgliedstaaten
sorgen. Insbesondere dem Europäischen Statistikamt
EUROSTAT muss ein Zugriffs-, Durchgriffs- und
Kontrollrecht gegenüber den nationalen Statistikäm-
tern eingeräumt werden. Der Europäische Rech-
nungshof ist durch erweiterte Prüfungsrechte zu stär-
ken.
– ein effektiver Frühwarnmechanismus eingerichtet wird,
der im Fall drohender Überschuldung von Staaten eine
Warnung auslöst. Defizitsünder sollten vor Verab-
schiedung ihrer Haushalte der Eurogruppe berichten
müssen und diese sollte dazu öffentlich Stellung bezie-
hen können.
– der Stabilitäts- und Wachstumspakt in seiner Funktion
gestärkt wird, indem Euro-Mitgliedstaaten, die wie-
derholt übermäßige Haushaltsdefizite aufweisen, ei-
nem beschleunigten Defizitverfahren unterworfen
werden, so dass Sanktionen früher greifen können.
Sanktionen müssen zu einem früheren Zeitpunkt ver-
hängt werden, und nicht erst, wenn ein Staat am Rande
der Zahlungsunfähigkeit steht und weitere Zahlungs-
verpflichtungen in der konkreten Situation keinen un-
mittelbaren Mehrwert bringen.
– die Hürden für politische Einflussnahme gegen zu
verhängende Sanktionen möglichst hoch gelegt wer-
den, etwa durch zu veröffentlichende Berichte der Eu-
ropäischen Zentralbank.
– der Stabilitäts- und Wachstumspakt so modifiziert
wird, dass deutlich spürbarere Sanktionen verhängt
werden können, z. B. Sperrung von Mitteln aus den
EU-Struktur- und Kohäsionsfonds für Euro-Mitglied-
staaten, die durch übermäßige Haushaltsdefizite die
Eurozone als Ganzes gefährden, Suspendierung der
Stimmrechte, und die Verhängung von Sanktionen,
die soweit möglich automatisch ausgelöst werden.
– neue Instrumentarien für überschuldete Staaten entwi-
ckelt werden, mit denen ein Restrukturierungs- und In-
solvenzsystem aufgebaut wird. Dieses Restrukturie-
rungs- und Insolvenzverfahren muss systemische
Risiken vermeiden und klar regeln, dass die Gläubiger
auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten müssen
(Umschuldung). Es muss sichergestellt sein, dass Re-
strukturierungs- und Insolvenzverfahren zügig und un-
ter Wahrung der Rechtssicherheit durchgeführt werden
können; damit soll treffsicher gewährleistet werden,
4514 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 44. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. Mai 2010
(A) (C)
(D)(B)
dass diejenigen, die spekulieren, entsprechend den von
ihnen eingegangenen Risiken herangezogen werden.
– der Anleger- und Verbraucherschutz in Europa verbes-
sert sowie insbesondere der sogenannte „graue Kapi-
talmarkt“ reguliert und beaufsichtigt wird. Künftig
darf kein Finanzmarkt, kein Finanzmarktakteur und
kein Finanzmarktprodukt ohne Regulierung, Aufsicht
und Haftung bleiben.
– bei zukünftigen Beitrittsanträgen zur Währungsunion
ein längeres, zum Beispiel fünfjähriges, Monitoring-
verfahren durchgeführt wird, in dem der Kandidat be-
weist, dass er in der Lage ist, eine dauerhaft stabili-
tätsorientierte Finanzpolitik zu führen, und dabei auch
auf seine Wettbewerbsfähigkeit achtet.
Die aktuelle Krise um Griechenland hat auch verdeut-
licht, dass im Finanzmarktsystem Änderungen dringend
erforderlich sind, um dessen Krisenresistenz zu stärken.
Daher fordert der Bundesrat die Bundesregierung dazu
auf,
– sich für die Schaffung einer unabhängigen europäi-
schen Rating-Agentur einzusetzen, die ihre Ratings
vollständig transparent macht.
– die Regulierung von Rating-Agenturen zu verbessern,
indem wirtschaftliche Verflechtungen von Rating-
Agenturen und Finanzmarktakteuren ausgeschlossen
und mögliche Marktmanipulationen durch die Fi-
nanzaufsicht streng kontrolliert werden.
– ein Verbot ungedeckter Leerverkäufe von Finanz-
marktinstrumenten einzuführen.
– alle Finanzprodukte und alle Finanzmarktteilnehmer,
zum Beispiel Hedge-Fonds, zu regulieren.
– den Kauf von Kreditausfallversicherungen (CDS), die
nicht zur Absicherung eigener oder mandatierter Risi-
ken dienen, umgehend zu verbieten. Der Bundesrat
spricht sich für die Schaffung europäischer Clearing-
stellen und Handelsplattformen aus, die wirksam re-
guliert werden.
– bei Verbriefungen einen signifikanten Selbstbehalt
einzuführen. Zugleich erwartet der Bundesrat die Er-
stellung verbindlicher Standards für Verbriefungen.
– die Erhebung einer risikoadjustierten Bankenabgabe
zur Errichtung eines Stabilitäts-Fonds zur Finanzie-
rung künftiger Restrukturierungs- und Abwicklungs-
maßnahmen bei Banken voranzutreiben, damit der Fi-
nanzsektor bei zukünftigen Krisen selbst gewappnet
ist und reagieren kann.
– sich in Europa und in der G-20-Gruppe für die Um-
setzung der jetzt vom Internationalen Währungsfonds
vorgelegten Vorschläge hinsichtlich eines abgestimm-
ten Vorgehens zur Beteiligung des Finanzsektors an
den Kosten der Krise einzusetzen.
Der Bundesrat hat in seiner 870. Sitzung am 21. Mai
2010 beschlossen, zu dem nachstehenden Gesetz einen
Antrag gemäß Artikel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes
nicht zu stellen:
– Gesetz zur Übernahme von Gewährleistungen im
Rahmen eines europäischen Stabilisierungsme-
chanismus
Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben
mitgeteilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Absatz 3 Satz 2
der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu der
nachstehenden Vorlage absieht:
Auswärtiger Ausschusses
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Bericht der Bundesregierung über die Ergebnisse ihrer
Bemühungen um die Weiterentwicklung der politischen
und ökonomischen Gesamtstrategie für die Balkanstaa-
ten und ganz Südosteuropa (Berichtszeitraum: 1. Februar
2009 bis 28. Februar 2010)
– Drucksachen 17/1200, 17/1485 Nr. 2 –
Ausschuss für Gesundheit
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Bericht zur Situation der Transplantationsmedizin in
Deutschland zehn Jahre nach Inkrafttreten des Trans-
plantationsgesetzes
– Drucksachen 16/13740, 17/591 Nr. 1.15 –
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Gutachten 2009 des Sachverständigenrates zur Begut-
achtung der Entwicklung im Gesundheitswesen
Koordination und Integration – Gesundheitsversor-
gung in einer Gesellschaft des längeren Lebens
– Drucksachen 16/13770, 17/591 Nr. 1.16 –
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Bericht der Bundesregierung zu Erfahrungen mit der
Erprobung von Arzneimitteln an Minderjährigen nach
Inkrafttreten des Zwölften Gesetzes zur Änderung des
Arzneimittelgesetzes
– Drucksachen 16/14131, 17/591 Nr. 1.33 –
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Bericht der Bundesregierung über die Umsetzung der
gesetzlichen Vorschrift zur Fortsetzung der Arzneimit-
teltherapie nach Krankenhausbehandlung
– Drucksachen 16/14137, 17/591 Nr. 1.34 –
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Bericht der Bundesregierung 2009 zur Anwendung des
Standardkosten-Modells und zum Stand des Bürokra-
tieabbaus
– Drucksachen 17/300, 17/591 Nr. 1.46 –
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Jahresgutachten 2009/10 des Sachverständigenrates zur
Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung
– Drucksache 17/44 –
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Bericht der Bundesregierung über den Stand der Doha-
Welthandelsrunde
– Drucksachen 17/316, 17/503 1.2 –
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 44. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. Mai 2010 4515
(A) (C)
(D)(B)
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Jahreswirtschaftsbericht 2010 der Bundesregierung
– Drucksache 17/500 –
Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben
mitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden Unions-
dokumente zur Kenntnis genommen oder von einer Bera-
tung abgesehen hat:
Auswärtiger Ausschuss
Drucksache 17/859 Nr. A.3
Ratsdokument 5935/10
Drucksache 17/859 Nr. A.4
Ratsdokument 5938/10
Drucksache 17/1100 Nr. A.1
Ratsdokument 17811/09
Drucksache 17/1492 Nr. A.1
EuB-BReg 82/2010
Drucksache 17/1492 Nr. A.3
EuB-BReg 85/2010
Drucksache 17/1492 Nr. A.5
EuB-EP 2008; P7_TA-PROV(2010)0017
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Drucksache 17/859 Nr. A.9
Ratsdokument 5662/10
Drucksache 17/859 Nr. A.10
Ratsdokument 15058/09
Drucksache 17/1100 Nr. A.8
EuB-BReg 77/2010
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Drucksache 17/1492 Nr. A.28
Ratsdokument 8174/10
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Drucksache 17/1270 Nr. A.6
Ratsdokument 6822/10
Drucksache 17/1270 Nr. A.7
Ratsdokument 6963/10
Drucksache 17/1492 Nr. A.37
Ratsdokument 7709/10
Ausschuss für Tourismus
Drucksache 17/1492 Nr. A.42
Ratsdokument 8253/10
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union
Drucksache 17/315 Nr. A.8
Ratsdokument 17196/09
44. Sitzung
Berlin, Freitag, den 21. Mai 2010
Inhalt:
Redetext
Anlagen zum Stenografischen Bericht
Anlage 1
Anlage 2
Anlage 3
Anlage 4
Anlage 5
Anlage 6
Anlage 7
Anlage 8