Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 41. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Mai 2010 4095
(A) (C)
(D)(B)
Insofern hätte Griechenland stärker von Zinsen für seine
Schulden entlastet werden müssen. Die Entlastung desZimmermann, Sabine DIE LINKE 07.05.2010
Anlage 1
Liste der entschuldigten Abgeordneten
Abgeordnete(r)
entschuldigt bis
einschließlich
Becker, Dirk SPD 07.05.2010
Behm, Cornelia BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
07.05.2010
Binder, Karin DIE LINKE 07.05.2010
Brinkmann
(Hildesheim),
Bernhard
SPD 07.05.2010
Bulmahn, Edelgard SPD 07.05.2010
Connemann, Gitta CDU/CSU 07.05.2010
Dr. Fuchs, Michael CDU/CSU 07.05.2010
Gehrcke, Wolfgang DIE LINKE 07.05.2010
Jelpke, Ulla DIE LINKE 07.05.2010
Kauder (Villingen-
Schwenningen),
Siegfried
CDU/CSU 07.05.2010
Krischer, Oliver BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
07.05.2010
Ostendorff, Friedrich BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
07.05.2010
Dr. Ott, Hermann BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
07.05.2010
Remmers, Ingrid DIE LINKE 07.05.2010
Scharfenberg, Elisabeth BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
07.05.2010
Schmidt (Eisleben),
Silvia
SPD 07.05.2010
Werner, Katrin DIE LINKE 07.05.2010
Dr. Wiefelspütz, Dieter SPD 23.04.2010
Zapf, Uta SPD 07.05.2010
Anlagen zum Stenografischen Bericht
Anlage 2
Erklärung nach § 31 GO
zur namentlichen Abstimmung über den Ent-
wurf eines Gesetzes zur Übernahme von Ge-
währleistungen zum Erhalt der für die Finanz-
stabilität in der Währungsunion erforderlichen
Zahlungsfähigkeit der Hellenischen Republik
(Währungsunion-Finanzstabilitätsgesetz – WFStG)
(Tagesordnungspunkt 23)
Christian Ahrendt (FDP): Wenngleich ich das Ge-
setz zu diesem Zeitpunkt für alternativlos erachte und
diesem deswegen zustimme, folgt hieraus nicht, dass das
dem Gesetz zugrundeliegende Handlungskonzept ohne
Alternativen gewesen ist.
Erstens. Die Griechenland-Krise ist kein unerwartetes
Ereignis. Sie hat sich seit langem angekündigt. Schon zu
Beginn des Jahres 2009 erreichte das Zinsniveau für
griechische Staatsanleihen an den Märkten fast sieben
Prozent. Über mögliche Zahlungsschwierigkeiten südeu-
ropäischer Staaten ist schon damals öffentlich berichtet
und spekuliert worden. Indes hat weder die Europäische
Kommission noch der Europäische Rat gehandelt. We-
der wurden Prüfungen zu konkreten Haushaltslagen an-
gestellt, noch wurden Konsequenzen erwogen. Die
Chance einer frühzeitigen Reaktion auf eine sich konkret
verschlechternde Haushaltslage in Griechenland wurde
durch passives Abwarten der künftigen Entwicklung
vertan. Wichtige Handlungsspielräume wurden so fahr-
lässig verspielt und schlussendlich die seit langem
schwelende Krise dem heutigen dramatischen Hand-
lungsnotstand zugeführt.
Zweitens. Die nach Verabredung mit dem IWF und
der Europäischen Kommission vom griechischen Parla-
ment beschlossenen Konsolidierungsmaßnahmen für die
öffentlichen Haushalte der Hellenischen Republik be-
gegnen Bedenken. Es steht zwar völlig außer Frage, dass
nur klare Ausgabenkürzungen dem griechischen Staat
seine finanzielle Handlungsfähigkeit mittelfristig zu-
rückzugeben vermögen. Die Rigorosität der Ausgaben-
kürzungen steht aber in einem Gegensatz zur Anhebung
von Konsumsteuern, über die auf der Einnahmeseite
ein weiterer zentraler Beitrag zur Konsolidierung der
Haushaltslage erreicht werden soll. 72 Prozent der grie-
chischen Wirtschaftsleistung beruhen auf der Binnen-
nachfrage. Wenn aber durch die Kürzungen von Er-
werbseinkommen Kaufkraft entzogen wird, beschädigt
dies die Nachfrage. Folglich ist fraglich, ob über die An-
hebung von Konsumsteuern überhaupt ein signifikanter
Beitrag zur Haushaltskonsolidierung erreicht werden
kann. Dieses Sanierungsprogramm steht auch der in der
Eurozone überwiegend vertretenen Auffassung entge-
gen, dass eine Haushaltskonsolidierung allein über Aus-
gabenkürzungen nicht erreicht werden kann, sondern ei-
nes nachhaltigen wirtschaftlichen Wachstums bedarf.
4096 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 41. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Mai 2010
(A) (C)
(D)(B)
Haushaltes über eine Umschuldung, was eine Reduzie-
rung des Zinsaufkommens bedeutet hätte, wäre weniger
wachstumshemmend gewesen, hätte mit einer moderate-
ren Kürzung der Erwerbseinkommen und damit einem
nicht so einschneidenden Kaufkraftverlust verbunden
werden können. Insofern vermag die Konsolidierung des
Haushaltes der hellenischen Republik ohne Beteiligung
der Gläubiger und damit ohne eine Umschuldung nicht
zu überzeugen.
Drittens. Dies führt zu einem dritten Aspekt. Die
finanziellen Hilfen für Griechenland werden gerade da-
mit begründet, dass aufgrund der labilen Verfassung der
internationalen Finanzmärkte eine Umschuldung und da-
mit ein bedingter Zahlungsausfall als Risiko angesehen
werden. Diese Argumentation verfängt allein vor dem
Hintergrund des zeitlichen Drucks, Griechenland wegen
am 19. Mai zur Rückzahlung fällig werdender Anleihen
mit Liquidität ausstatten zu müssen. Indes verändert die
Griechenland-Hilfe nicht die Erkenntnis, sondern ver-
schärft zusätzlich die Sorge, dass auch andere Staaten
trotz besserer Strukturdaten in Zahlungsschwierigkeiten
kommen können. Denn die Griechenland-Krise offen-
bart über die Hellenische Republik hinaus, dass auch für
andere Staaten angesichts ausgeweiteter Staatsschulden
einerseits und geringen wirtschaftlichen Wachstums ande-
rerseits ein Risiko für den Ausfall von Staatsanleihen
besteht. Die von Griechenland ausgehende Ansteckungs-
gefahr besteht deswegen ungeachtet der Hilfe fort. Sie
verschärft sich, weil über das Hilfsprogramm die ge-
samte Verschuldung in der Euro-Zone weiter zunimmt
und damit die finanziellen Gestaltungsspielräume der
Regierungen weiter abnehmen. Insofern sind die Pro-
bleme Griechenlands eher ein Indiz für eine sich weiter
verschärfende Schuldenkrise. Diese klare Indizwirkung
entfällt nicht durch die Griechenland-Hilfe, sie ver-
schärft diesen Effekt.
Christine Aschenberg-Dugnus (FDP): Angesichts
der heutigen Entscheidung des Deutschen Bundestages
zugunsten einer finanziellen Hilfe für Griechenland er-
kläre ich, dass ich dem Gesetz mit Bedenken zustimme.
Mir ist bewusst, dass es inzwischen unausweichlich ist,
zur Sicherung der Währungsstabilität in Europa Grie-
chenland zu helfen. Die von der Bundesregierung nun
eingeleiteten Maßnahmen sind alternativlos, um eine be-
vorstehende Kettenreaktion zu verhindern.
Gleichwohl ist daran zu erinnern, dass zunächst jedes
Land selbst für seine eigene Volkswirtschaft, den eige-
nen Staatshaushalt und somit die strenge Einhaltung der
Stabilitätskriterien verantwortlich ist. Für die Mitglieder
der Währungsunion ist jede nationale Verantwortung
gleichzeitig eine gesamteuropäische Verantwortung. Die
Zugehörigkeit zur Euro-Zone darf keinen Automatismus
zu bedingungsloser Solidarität vonseiten der anderen
Mitglieder bewirken. Zunächst muss jedes betroffene
Land alle erdenklichen Maßnahmen zur Stabilisierung
der eigenen Volkswirtschaft selbst ergreifen. Erst in Ver-
bindung mit diesen kann es zur Unterstützung vonseiten
der anderen Mitgliedstaaten kommen. Solidarität ist
keine Einbahnstraße, sondern eine Verpflichtung auf Ge-
genseitigkeit. Ein Unterlassen von möglichen Maßnah-
men muss zur Sanktionierbarkeit durch die anderen Mit-
gliedstaaten führen können.
Griechenland ist ein Präzedenzfall, der schnell zu kla-
ren Regeln und eindeutigen Sanktionsmechanismen füh-
ren muss.
Veronika Bellmann (CDU/CSU): Die Griechen ha-
ben jahrelang über ihre Verhältnisse gelebt. Zum Zeit-
punkt der Aufnahme in die EU und die Währungsunion
war Griechenland weder für die eine noch die andere
Gemeinschaft beitrittsreif. Aber die „Euroromantiker“ in
Europa, unter anderem die der der rot-grünen Bundes-
regierung setzten sich über alle Bedenken und Vorbe-
halte hinweg. Das Land hat bis heute nicht die nötige
Wettbewerbsfähigkeit erreicht. Die Finanz- und Wirt-
schaftskrise verschärfte diese Lage. Griechenland wurde
zur Angriffsfläche von Spekulanten. Mit Griechenlands
Zukunft steht die Zukunft der EU als Friedensgemein-
schaft genauso auf dem Spiel wie die gemeinsame
Währung. Deshalb ist das Ziel die Verteidigung der
Europäischen Union. Das Währungsunion-Finanzmarkt-
stabilisierungsgesetz kann ein Weg sein, um dieses Ziel
zu erreichen. Allerdings sind dafür die europarechtlichen
Voraussetzungen sehr lückenhaft.
Nur das offensichtliche Vorhandensein einer Rege-
lungslücke im Primärrecht, das heißt, weil es auf unions-
rechtlicher Ebene an institutionellen Regelungen für den
Fall eines Staatsbankrottes fehlt, veranlasst mich dem
Gesetz nach anfänglicher Ablehnung doch zuzustim-
men. Allerdings haben meine grundsätzlichen Bedenken
und Feststellungen weiterhin Bestand.
Die der Begründung zugrunde liegende Interpretation
der No-bail-out-Klausel, des Ausschlusses der gegensei-
tigen Beistandspflicht, des Haftungsausschlusses und
der Pflicht zur Solidarität auf Unionsebene, halte ich für
durchaus kritikwürdig.
Die Bundesregierung ist nun der Ansicht, dass ihr
Handeln an dem gemessen werden muss, was passieren
würde, wenn sie untätig bliebe. Sie will eine Krise der
Währung verhindern und damit Schaden vom deutschen
Volk abwenden, in dem im Zusammenwirken mit dem
Internationalen Währungsfonds, IWF, Kredite zur Verfü-
gung gestellt werden. Ich bin nach wie vor davon über-
zeugt, dass eine größere Beteiligung der Gläubiger an
der Rettung Griechenlands notwendig wäre und das eine
Restrukturierung bzw. Umschuldung wenn nicht jetzt, so
doch in absehbarer Zeit folgen wird.
Zu den Gläubigern Griechenlands zählen ausländi-
sche Banken mit einem Anteil von 302 Milliarden Dol-
lar. Davon französische Institute 75,5 Milliarden Dollar,
Schweiz 64 Milliarden Dollar und Deutschland 43,2 Mil-
liarden Dollar. Bei einem Staatsbankrott müssten schät-
zungsweise 30 bis 40 Prozent der Forderungen abge-
schrieben werden. Das würde das Eigenkapital belasten.
Die deutschen Banken könnten beim staatlichen Finanz-
marktstabilisierungsfond, SoFFin, Eigenkapitalhilfen
beantragen. Die Bundesregierung würde dadurch Mitei-
gentümerin der Banken und könnte zum Beispiel Bonus-
zahlungen beeinflussen, was diese Institute mit aller
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 41. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Mai 2010 4097
(A) (C)
(D)(B)
Macht vermeiden wollen. Eine staatliche Rettung Grie-
chenlands erspart zwar den Banken den Gang zum
SoFFin, sozialisiert aber die Verluste.
Der deutsche Steuerzahler bürgt damit bzw. reicht
Kredite aus, für die wir uns verschulden müssen, nicht
nur für die Misswirtschaft in Griechenland und die nach-
lässige Kontrolle des Stabilitätspaktes der EU, sondern
auch wiederum für riskante Geschäfte und Spekulatio-
nen des Finanzmarktsektors. Zahlen die Griechen Kre-
dite nicht zurück, muss die Bundesrepublik die Verluste
übernehmen. Das wiederum würde die Bonität Deutsch-
lands belasten und höhere Zinsen nach sich ziehen. Inso-
fern bestünde eine gewisse „Nachschusspflicht“, für die
der deutsche Steuerzahler zurecht befürchtet, immer
wieder in Haftung genommen zu werden.
Fraglich ist, ob die Finanzhilfen Griechenland tat-
sächlich helfen. Denn Griechenlands Wirtschaft muss
wachsen, was eine mehrjährige Prozedur mit niedrigen
Löhnen und steigernder Produktivität erfordert. Die Hil-
fen setzen den Sanktionsmechanismus der Märkte außer
Kraft. Damit steigt der Druck auf Griechenland, den
Staatshaushalt zu sanieren. Ob der IWF und die Euro-
Länder dauerhaft die Härte aufbringen, gegen die grie-
chische Bevölkerung die notwendigen Reformen zu er-
zwingen, ist ebenfalls fraglich. Es steigt die Gefahr, dass
andere Länder dem Beispiel Griechenlands folgen und
möglicherweise auch nicht den notwendigen Änderun-
gen der europäischen Verträge zustimmen. Die Wäh-
rungsunion droht so zu einer Schulden- und Transfer-
union zu verkommen, die die Kraft der leistungsstarken
Länder aushöhlt. Der wachsende Schuldenberg wäre
dann nur durch eine höhere Zinsbelastung abzutragen.
Der politische Druck in den Ländern mit Stabilitätstradi-
tion, die Währungsunion zu verlassen, wird wachsen.
Wenn behauptet wird, die Rettungsaktion Griechenlands
auch durch oben benanntes Gesetz sei für die Existenz
der Währung als fundamentale Grundlage eines Staats-
wesens momentan alternativlos, so müssen dennoch die
beschriebenen Szenarien deutlich benannt werden.
Insofern steht meine Zustimmung zum Gesetz unter
dem Vorbehalt, dass umgehend, wie im Entschließungs-
antrag der Koalitionsfraktionen dargelegt, folgende
Maßnahmen umgesetzt werden: Versetzung der zustän-
digen europäischen Institutionen in die Lage, wirksame
Maßnahmen ergreifen zu können, die für eine effektivere
Überwachung der Haushalts- und Finanzpolitiken der
Mitgliedstaaten sorgen; Einrichtung eines effektiven
Frühwarnmechanismus, der im Fall drohender Über-
schuldung von Staaten eine Warnung auslöst; Stärkung
des Stabilitäts- und Wachstumspaktes in seiner Funktion,
Beschleunigung des Defizitverfahrens, damit Sanktio-
nen zu einem früheren Zeitpunkt verhängt werden; Hür-
den für politische Einflussnahme gegen zu verhängende
Sanktionen möglichst hoch legen; Modifizierung des
Stabilitäts- und Wachstumspaktes, so dass deutlich spür-
barere Sanktionen verhängt werden können; Entwick-
lung neuer Instrumentarien für überschuldete Staaten,
für den Aufbau eines Restrukturierungs- und Insolvenz-
systems; Durchführung eines ausreichend langen Moni-
toringverfahrens bei zukünftigen Beitrittsanträgen zur
Währungsunion; Schaffung einer unabhängigen europäi-
schen Ratingagentur und Verbesserung der Regulierung
für diese, damit mögliche Marktmanipulationen durch
die Finanzaufsicht streng kontrolliert werden können;
Änderungen, damit zukünftig kein Finanzmarkt, kein Fi-
nanzmarktakteur und kein Finanzmarktprodukt ohne Re-
gulierung, Aufsicht und Haftung bleibt; Verbot von un-
gedeckten Leerverkäufen; zukünftige Regulierung aller
Finanzprodukte und aller Finanzmarktteilnehmer, zum
Beispiel Hedgefonds; umgehendes Verbot für den Kauf
von Kreditausfallversicherungen, CDS, die nicht zur Ab-
sicherung eigener oder mandatierter Risiken dienen;
Schaffung von verbindlichen Standards für Verbriefun-
gen; Prüfung des Vorschlags des IWF, der ein abge-
stimmtes Vorgehen zur Beteiligung des Finanzsektors an
den Kosten der Krise vorsieht.
Zusätzlich fordere ich eine Differenzierung des Ban-
kensektors weg von den sogenannten Universalbanken
hin zu einer Trennung des klassischen Bankengeschäfts
vom risikoreichen Investmentbanking. Eine Bankenab-
gabe und eine Finanzmarkttransaktionssteuer für die risi-
koreichen Investmentbankgeschäfte zu erheben, halte
ich für dringend notwendig. Sie werden zwar keine Spe-
kulationen verhindern, aber sie beteiligen die jeweiligen
Akteure an der Refinanzierung künftiger Restrukturie-
rungs- und Abwicklungsmaßnahmen. Die Systemrele-
vanz der Banken und damit die Haftung des Staates bzw.
des Steuerzahlers schlagen nicht mehr durch.
Vielleicht ist die Rettungsperspektive durch das Wäh-
rungsunions-Finanzstabilisierungsgesetz die beste unter
den schlechtesten Lösungen. Ich hoffe, dass wir die da-
durch „gekaufte Zeit“ als Chance begreifen, notwendige
Reformen auf EU-Ebene durchzusetzen und endlich
strengere Regelungen für den Finanzmarktsektor einzu-
führen, sowie diejenigen schleunigst in die Haftung neh-
men bzw. sanktionieren, die für die Krise verantwortlich
sind – national, europäisch und international.
Lothar Bindig (Heidelberg) (SPD): Diese Erklärung
entsteht wenige Minuten nach den Äußerungen des
FDP-Vorsitzenden Westerwelle am 6. Mai 2010 in den
ARD-Spätnachrichten. Ich war zutiefst erschrocken, mit
welcher Kaltschnäuzigkeit sich Westerwelle gegen unse-
ren Staat stellt.
Auf die Frage, warum sich die FDP-Bundestagsfraktion
selbst der vorsichtigen Forderung der SPD-Bundestags-
fraktion nach einer „Prüfung der Finanztransaktionsteuer“
im Zusammenhang mit der Unterstützung Griechenlands
verweigert habe, kam die scheinheilige Antwort, die
Finanztransaktionsteuer belaste die kleinen Sparer, die
Riester-Sparer etc., und das wolle die FDP natürlich
nicht zulassen. Kein Wort zu den Händlern am Finanz-
markt, die mehrere Tausend Geschäfte am Tag abwi-
ckeln, Kurse hinauf- und hinunter treiben, gegen Staaten
und Währungen wetten und spekulieren und so die Er-
sparnisse des Kleinsparers bzw. der Kleinsparerin ent-
weder direkt oder über eine steuerliche Beteiligung zur
Überwindung der so erzeugten Krisen indirekt vernich-
ten. Die Antwort folgte dem Motto: „Ich fürchte, der
Kompromiss wird scheitern – und wenn ich selber dafür
Sorge tragen muss.“
4098 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 41. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Mai 2010
(A) (C)
(D)(B)
Auf die Frage nach den dramatischen Ergebnissen der
Steuerschätzung – bis zum Jahr 2014 werden gesamt-
staatlich über 50 Milliarden Euro weniger Steuereinnah-
men erwartet als bisher geplant – der magere, eindimen-
sionale Hinweis, der Staat nehme doch mehr ein als in
der Vergangenheit und deshalb könnten die Steuern auf
der Grundlage der Koalitionsvereinbarung gesenkt wer-
den. Selbst der Hinweis der Moderatorin auf die Schul-
denbremse und die riesige neue Staatverschuldung im
schwarz-gelben Haushalt im Jahr 2010 konnte die vier
Grundrechenarten bei Westerwelle nicht aktivieren.
Nach den Steuergeschenken an Hotels in Höhe von
etwa 1 Milliarde Euro und Steuererleichterungen für
Konzerne und reiche Erben sind dies zwei weitere Be-
lege dafür, wie zielstrebig die FDP unseren Staat ruiniert
und die CDU/CSU unfähig ist, diesen Prozess zu stop-
pen.
So erklärt sich auch die heutige Abstimmungssitua-
tion zur Hilfe für Griechenland im Bundestag, in die uns
eine zerstrittene CDU/CSU/FDP unter einer zögerlichen
Kanzlerin gebracht hat. Nachdem der mögliche Kom-
promiss mit der SPD-Fraktion, der neben der Hilfe für
Griechenland auch die Verursacher der Finanzkrisen in
der Welt und die Verstärker der Finanzkrise in Griechen-
land in die Verantwortung nehmen wollte, der Kompro-
missunfähigkeit der schwarz-gelben Koalition absichts-
voll zum Opfer gefallen ist, bleiben fast nur noch zwei
Alternativen: ein dramatisch schlechtes Gesetz oder die
Ablehnung der Hilfe.
Ich will aber Griechenland helfen und einem guten
Gesetz zustimmen. Es bleibt die Aufgabe, den nicht zu
beziffernden finanziellen Schaden für Deutschland zu
beheben, der durch das Zögern und den Zickzackkurs
von Kanzlerin Merkel und des Finanzministers Schäuble
durch voreilige und falsche Äußerungen über die deut-
sche Hilfsbereitschaft entstanden ist. Außerdem enthält
das Gesetz unkalkulierbare Risiken durch den Zinsaus-
gleichsmechanismus.
Nachdem die SPD-Fraktion mit Blick auf die „plötz-
lich“ besonders schwierige und eilige internationale Auf-
gabe auf „Fristeinrede“ verzichtet und damit der schwarz-
gelben Koalition ein verkürztes Gesetzgebungsverfahren
ermöglicht hat, führt diese Großzügigkeit bzw. unser
Kooperationsverständnis nun dazu, dass die SPD-Frak-
tion aus Fristgründen heute keinen eigenen Gesetzent-
wurf einbringen kann. So viel zur Fairness.
Nun zu den Hintergründen, die in dieser Situation zu
meiner Stimmenthaltung wider Willen führen:
Wenn wir den einfachen Weg gingen, Hilfe für Grie-
chenland ablehnten und alles in Europa und Deutschland
ohne Probleme weiter ginge wie gewohnt, wäre unsere
harte Haltung anscheinend eine gute Lösung. Das haben
Kanzlerin Merkel und „Bild“-Zeitung immerhin eine
ganze Weile öffentlich propagiert. Damit würde Grie-
chenland aus der Euro-Zone gedrängt. Rückkehr zur
Drachme – das klingt doch verlockend. Griechenland
könnte über eine Abwertung seiner Währung die Preise
der eigenen Produkte senken und deren Absatzchancen
verbessern, die heimische Wirtschaft könnte sich lang-
sam erholen, die Griechen würden wieder mehr eigene
Produkte kaufen, man könnte kleine Pflänzchen in der
Industrielandschaft pflegen, den Export stärken etc., etc.
Für Deutschland wäre das natürlich eine schlechte
Lösung; denn wir leben sehr stark vom Export nach
Europa, auch in den Süden. Und wenn wir glaubten,
diese Therapie sei gut für Griechenland, dann würde dies
ja auch für andere Länder gelten, und unser EU-Handel
käme unter starken Druck – zum Nachteil der anderen
Länder und zum Nachteil Deutschlands. Die deutsche
Wirtschaft profitiert also von einer stabilen Nachfrage
aus Griechenland, aus ganz Südeuropa. Vielleicht ist das
auch einer der Gründe, warum die Kanzlerin inzwischen
eine andere Meinung vertritt.
Oft lese ich zwar: Es müssten in Griechenland Inves-
titionsanreize geschaffen werden, statt den Konsum zu
reduzieren. Die derzeitige Entwicklung, vorangetrieben
von den Verhandlungen – eigentlich: dem Spardiktat –
des Internationalen Währungsfond, IWF, der Europäi-
schen Zentralbank, EZB, und der EU-Kommission mit
Griechenland, weist allerdings in eine andere gefährliche
Richtung: Die Löhne in Griechenland geraten unter
Druck, Stellen im öffentlichen Dienst sollen abgebaut
werden – müssen sie auch, aber mit Blick auf die Konse-
quenzen –, Renten sollen sinken, die Mehrwertsteuer
wird angehoben, den öffentlichen Haushalten wird die
Luft abgeschnürt, und das 13. und 14. Monatsgehalt soll
abgeschafft werden. All das dämpft die Binnennachfrage
in Griechenland und unseren Export.
Außerdem frage ich mich, welche Regierung eine sol-
che von Europa und dem IWF verordnete Rosskur über-
haupt überleben kann. Die Regierung in Griechenland
hatte ein strukturelles und finanzielles Desaster von der
Vorgängerregierung übernommen, und nun geriet Grie-
chenland durch Aktivitäten am Weltfinanzplatz zusätz-
lich in existenzielle Probleme. Deshalb betrachte ich die
gegenwärtige Entwicklung auch mit Sorge um die politi-
sche Stabilität im Land, um den sozialen Frieden und die
wirtschaftliche Lage.
In einer solchen Lage sind Proteste der Betroffenen
verständlich. Die Demonstranten wollen erreichen, dass
das so geschnürte Paket von Maßnahmen neu gepackt
werden soll. Dafür gibt es einige Ansatzpunkte. Denn in
einer fast industriefreien Landschaft mit monostrukturel-
ler Konzentration auf den Tourismus wird das mit den
Investitionsanreizen kurzfristig schwierig – wäre aber
notwendig und möglich, wenn man die Einnahmeseite
des griechischen Haushalts in den Blick nimmt: Men-
schen mit großem Einkommen und Vermögen, die Ober-
schicht, Selbstständige zahlen praktisch keine Steuern.
Während der Staat extreme Liquiditäts- und Zahlungs-
probleme hat, gibt es gleichzeitig privaten Reichtum.
Eine vernünftige Besteuerung von hohen Einkommen,
Vermögen oder Erbschaften wäre sicher angemessen und
würde die Lasten gerechter auf viele Schultern verteilen.
Bei dem ganzen, stark von außen dominierten „Sparpro-
zess“, der offiziell Konsolidierung heißt, geraten auch
die Arbeitnehmerrechte unter Druck, es drohen soziale
Konflikte und Verteilungskämpfe. Wir sehen uns in
Deutschland mit Blick auf die sinkenden Reallöhne und
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 41. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Mai 2010 4099
(A) (C)
(D)(B)
die steigenden Erträge aus Vermögen ähnlichen Vertei-
lungsproblemen gegenüber. Ich hoffe auf eine Lösung
dieser Probleme in Griechenland durch Einbeziehung al-
ler Griechen, auch der Wohlhabenden.
Die sozialen und ökonomischen Folgen für Griechen-
land und Europa verfolge ich hier nicht weiter, obwohl
sie wichtiger sind als bloße Geldfragen.
Hier geht es aber um mehr als um eine reine Geld-
frage. Es geht auch um die europäische Einigung, um
wirtschaftliche Entwicklung, um unsere gemeinsame
Währung und um Unterstützung, Solidarität mit anderen
und soziale Gerechtigkeit. Es geht um Europas Zukunft
und die Zukunft seiner Währung. Peer Steinbrück und
Frank-Walter Steinmeier haben diese sozialdemokrati-
schen Wertvorstellungen in einem Beitrag für den Spie-
gel vom 4. Mai 2010 unterstrichen – leider sind viele in
der Regierung offensichtlich nicht bereit, unser europäi-
sches Wirtschafts- und Sozialmodell gegen die unregu-
lierten Finanzmärkte, gegen Spekulanten und High Fre-
quently Trader zu verteidigen.
Zustimmen oder nicht zustimmen? Einem solchen
Gesetz? Ich fühle mich durch die Politik des Versagens
der Kanzlerin erpresst. Es liegt ein Gesetz vor, das prak-
tisch nichts weiter regelt als dies: Deutschland zahlt. Ich
finde im Gesetzentwurf unter der Überschrift: „Finan-
zielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte“:
„Es entstehen keine unmittelbaren Ausgaben. Die mittel-
baren Auswirkungen sind nicht bezifferbar.“ Nicht bezif-
ferbar – und das bei einem Gesamtfinanzierungsbedarf
von 110 Milliarden Euro und einem deutschen Anteil in
Höhe von 22,4 Milliarden? Wie kann ich mit gutem Ge-
wissen einem Gesetz zustimmen, dem zu den finanziel-
len Folgen für den deutschen Steuerzahler nichts Besse-
res einfällt als „nicht bezifferbar“? Diesem Gesetz darf
ich also nicht zustimmen. Aber dann bin ich der „Feind
Griechenlands“, der „Totengräber des Euro“, der „Zer-
störer Europas“, eine „Blamage für die Kanzlerin“ – die
Regierungsfraktionen haben mit solchen vorsorglichen
Schuldzuweisungen enormen Druck aufgebaut, um das
Gesetz durch das Parlament zu prügeln. Aber schließlich
drängt ja auch die Zeit – kein Wunder, nachdem die
Kanzlerin und ihr Finanzminister die Krise erst mal wie-
der aussitzen wollten, dann auf das Verstreichen der
Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen hofften, schließ-
lich den Karren mit großer Entschlossenheit und Aus-
dauer in völlig unterschiedliche Richtungen gezogen ha-
ben, um dem Parlament dann quasi in letzter Minute
einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die eigentlichen
Fragen nicht beantwortet.
Außerdem hat die Bundesregierung die Kosten für die
Hilfe durch die Staatengemeinschaft leichtfertig, unver-
antwortlich, fahrlässig nach oben getrieben. Blicken wir
zurück und ein wenig auf die Praxis: Griechenland gibt
Anleihen aus; der Staat bekommt Geld, die Käufer die-
ser Schuldverschreibungen ein Papier, das ihnen Zins-
und Tilgungszahlungen zusichert. Der Geldgeber be-
kommt also Zinsen und zum vereinbarten Zeitpunkt das
geliehene Geld zurück. Benötigt ein Land mehr Geld
– etwa um alte Schulden zu begleichen oder Investitio-
nen zu tätigen – begibt es neue Anleihen, die aktuelle
Zinslast steigt. Entscheidend für die Höhe der Zinsen,
die ein Staat zu bezahlen hat, wenn er sich Geld leiht, ist
die Beurteilung seiner Kreditwürdigkeit
Als die Schwierigkeiten Griechenlands vor einiger
Zeit offenkundig wurden und der Staat in Zahlungsnot
geriet, kam eine folgenschwere Entwicklung in Gang:
Kanzlerin Merkel ließ sich in der Bild-Zeitung als „ei-
serne Kanzlerin“ feiern: Keinen Cent für die Griechen!
Das Volk jubelte: Merkel spart, alle Griechen sind kor-
rupt und Verschwender. Diese unüberlegte, lautstarke
Verweigerung jeglicher Hilfe hat der Zahlungsfähigkeit
Griechenlands schwer geschadet: Die Kreditwürdigkeit
des griechischen Staates wurde schlechter beurteilt, er
wird von Ratingagenturen heruntergestuft. Damit galt
der Staat als weniger zuverlässig; es wurde für die Geld-
geber riskanter, diesem Staat ihr Geld zu leihen. Sie
wollten sich daher dieses Risiko wenigstens mit höheren
Zinsen vergüten lassen. Die Zinsen stiegen sehr schnell
und sehr stark an, das Land geriet noch stärker unter
Druck, der Finanzbedarf wuchs weiter, bis Griechenland
die Notbremse zog und die anderen Staaten des Euro-
Raums um höhere Finanzhilfen bat, als es zuvor notwen-
dig gewesen wäre.
Mit ihrer „Strategie“ hat die Bundesregierung – be-
wusst oder unbewusst – auch Spekulanten am Finanz-
markt in die Hände gespielt, wie man mit Blick auf die
sogenannten Kreditausfallversicherungen oder Credit
Default Swaps, CDS, erkennt. Sie funktionieren – sehr
vereinfacht gesagt – im Grundsatz wie eine Versiche-
rung, mit der sich ihr Käufer gegen den Ausfall von
Schuldnern absichern kann, denen er einen Kredit gege-
ben oder eine Anleihe abgekauft hat. Credit Default
Swaps, außerhalb der Börsen gehandelt, dienen der Wei-
tergabe finanzieller Risiken an eine andere Person, den
sogenannten Sicherungsgeber. Um mich also gegen den
Zahlungsausfall Griechenlands abzusichern, schließe
ich, beispielsweise als Bank, eine solche Versicherung
ab. Fällt der Schuldner aus, soll die Versicherung die
fehlende Rückzahlung ausgleichen. Natürlich bekommt
die Versicherung im Gegenzug eine „Gebühr“.
Ein Beispiel mit fiktiven Zahlen: Ein Staat braucht
100 Millionen und begibt Staatsanleihen. Diese Anleihen
werden versichert. Die Versicherung für die 100 Millio-
nen kostet 3 Millionen Gebühr. Wenn es dem Staat all-
mählich schlechter geht, er ständig mehr Geld braucht, die
Zuverlässigkeit seiner Rückzahlung in Zweifel gezogen
wird, dann kostet die Versicherung plötzlich nicht mehr
3 Millionen, sondern 20 Millionen. Es gibt also am Markt
Kreditausfallversicherungen für 100 Millionen und An-
leihegeschäfte, die 3 Millionen und welche, die 20 Mil-
lionen kosten. Wer nun mit solchen Versicherungsver-
trägen handelt und einen Versicherungsvertrag für
3 Millionen hat, der kann ihn zum richtigen Zeitpunkt
für 20 Millionen verkaufen – an jemanden, der dringend
eine Versicherung braucht, weil er frisches Geld – neue
Anleihen ausgibt – braucht. Wenn Kanzlerin Merkel sich
bei der Bild-Zeitung unterhakt und verkündet: „Keinen
Cent für die Griechen!“, schnellen die Gebühren für die
Versicherung, die Credit Default Swaps, CDS, in die
Höhe. Die Händler solcher Derivate reiben sich die
Hände, weil der Wert der CDS steigt, und freuen sich,
4100 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 41. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Mai 2010
(A) (C)
(D)(B)
weil sie dieses Geschäft den Äußerungen der Kanzlerin
der wichtigsten Volkswirtschaft in Europa verdanken.
Es gibt allerdings auch Banken oder Hedgefonds, die
sich freuen, wenn der Wert der CDS sinkt. Auch diese
professionellen Zocker hat die Bundesregierung mit ih-
rer Blockade-Hinhalte-Strategie belohnt: Diese Unter-
nehmen haben oder leihen sich ein Bündel dieser CDS.
Dann verkaufen sie die CDS mit einem vertraglich ver-
einbarten Rückkaufdatum; sagen wir die CDS sind
10 Millionen wert. Nun merkt die Kanzlerin plötzlich,
dass es international, europäisch und für Deutschland ein
schwerer Fehler war, jegliche Hilfe zu verweigern; Grie-
chenland kann endlich mit unserer Unterstützung rech-
nen und gilt wieder als zuverlässiger Zahler, die Gebüh-
ren für die Kreditausfallversicherungen sinken. Zum
Rückkauftag sind dann die CDS nicht mehr 10 Millionen
wert, sondern vielleicht nur noch 2 Millionen, macht für
den Käufer einen satten Gewinn von 8 Millionen. Der
vertraglich zuvor festgelegte Rückkauf zum Stichtag ist
ein sehr lohnendes Geschäft.
Üblicherweise hat bei diesem Handel einer den Ge-
winn, ein anderer den Verlust. Nun werden diese Wettge-
schäfte aber durch öffentliches Handeln beeinflusst:
Keine Hilfe für Griechenland – Zickzackkurs – schließ-
lich doch Hilfe für Griechenland. Und deshalb hängen
öffentliche Kosten und private Gewinne stark davon ab,
wer und insbesondere zu welchem Zeitpunkt die Ge-
schäfte mit den Krediten und den Versicherungen ge-
macht hat. Wenn wir Pech haben, bezahlen wir sowohl
den Gewinn der Bank, die auf steigende CDS gewettet
hat, als auch den Gewinn desjenigen Hedgefonds, der
auf sinkende CDS gewettet hat.
Der Schaden, den die Kanzlerin angerichtet hat, ist si-
cher nicht leicht zu beziffern. Ganz abgesehen von dem
politischen Schaden, dass die Regierung Merkel interna-
tional keine klare Linie verfolgt. Mit dieser „Wackelstra-
tegie“, Zögerlichkeit und falschen Äußerungen, die dem
Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen geschuldet sind, ha-
ben Kanzlerin Merkel und Finanzminister Schäuble sehr
viele Partner in Europa irritiert und die große finanzpoli-
tische Reputation, die Peer Steinbrück aufgebaut hatte,
in kurzer Zeit verspielt. Das ist nicht die politische Füh-
rung, die man sich in einer solchen Krise von einer
Bundesregierung erhofft und erwartet. Und wo sind ei-
gentlich unser Außenminister Westerwelle und sein
Bundeswirtschaftsminister Brüderle?
Kann ich die Hilfe jetzt noch ablehnen, nachdem wir,
unsere Regierung, solchen Schaden angerichtet haben?
Eine Zwickmühle nach der anderen. Also doch zustim-
men?
Natürlich darf man nicht nur auf den Finanzmarkt
schauen – wir müssen auch nach Griechenland schauen,
um die Ursachen für die Krise zu analysieren: Fälschun-
gen in der Statistik und den Finanzdaten, Korruption,
systematische Klientelpolitik, schwache Bekämpfung
der Steuerhinterziehung, Fehlverwendung von EU-Gel-
dern, sehr hohe Militärausgaben und, last but not least,
ein riesiger öffentlicher Sektor. Griechenland hat einiges
getan, um seine Staatsfinanzen zu ruinieren, und es ver-
säumt, seine strukturellen Wirtschaftsprobleme zu lösen.
Deshalb sind harte Auflagen in Verbindung mit der inter-
nationalen Hilfe gerechtfertigt und notwendig. Aber
viele Griechen haben mit der Krise viel weniger zu tun
als so mancher Finanzjongleur an den internationalen
Finanzmärkten. Deshalb ist es ungerecht, mit diesem
Gesetz und seinen Folgewirkungen die einen schwer zu
belasten und die anderen zu verschonen – auch wenn
dies dem neoliberalen Zeitgeist entspricht.
In meine Abwägung fließt außerdem Folgendes ein:
Die Kosten unserer Hilfe sind nicht bezifferbar. Tatsäch-
lich sind aber auch die Kosten einer unterlassenen Hilfe
kaum abschätzbar. Denn nicht zu helfen, schadet
Deutschland auch ganz direkt: Viele Bürgerinnen und
Bürger haben, wie auch die Banken, griechische Papiere
gekauft. Manche Bürger werden vielleicht gar nicht wis-
sen, dass mit Ihrem Geld in Rentenfonds, Lebensversi-
cherungen oder Aktiendepots auch griechische Papiere
gekauft wurden. Wenn wir nun Griechenland abstürzen
lassen, gibt es in den Banken gravierende Wertberichti-
gungen, die Anlagen verlieren drastisch an Wert – und
das gesparte Geld für die Altersvorsorge, die Ausbildung
der Kinder, den sorgenfreien Lebensabend ist verloren.
Wenn Griechenland seine Schulden nicht zurückzah-
len kann, trifft das auch die Spareinlagen der Bankkun-
den in Deutschland. Denn Banken benötigen mehr Ei-
genkapital, um Kredite abzusichern, die sie mit dem
Geld der Sparer ausgereicht haben. Wenn aber das Ei-
genkapital für diese Besicherung gebraucht wird, kann
die Bank weniger Kredite an die heimische Wirtschaft
und an Privatpersonen vergeben. Es fehlt an Investitio-
nen, an Konsum, an Vertrauen in die Banken – die Kre-
ditklemme geht um. Dass manche Banken – selbst sol-
che, die der deutsche Staat in der Finanzkrise unterstützt
oder sogar gerettet hat – sich bei der EZB „billiges“
Geld für weniger als 2 Prozent Zinsen besorgen können
und dies dann zu viel höheren Kreditzinsen weitergeben,
steht auf einem anderen Blatt. Natürlich sollen die Ban-
ken Gewinne machen, um wieder selbstständig auf die
Beine zu kommen; aber wenn der Staat schon hilft, pri-
vates Fehlverhalten und Versagen im Finanzmanage-
ment zu kompensieren, um das Geld der Sparerinnen
und Sparer zu schützen, dann sollten die Banken wenigs-
tens bei der Vergabe von Krediten an die heimische
Wirtschaft Maß und Ziel halten.
Es gibt noch eine schreckliche Entwicklung: Um
Griechenland am Finanzmarkt zu stützen, verletzt die
Europäische Zentralbank eherne Grundsätze und setzt
– nur für Griechenland – eine wichtige Regel außer
Kraft: Sie akzeptiert Staatsanleihen als Sicherheit für
Kredite auch dann, wenn sie kein befriedigendes Rating,
also mindestens BBB, haben. Bisher wurden nur Staats-
anleihen mit einem mindestens befriedigenden Rating
als Sicherheit akzeptiert.
Und nun das Schlimmste: Das Gesetz reflektiert die
Krise nicht, nicht die Verursacher, nicht die Profiteure,
nicht die internationalen Finanzbeziehungen, nicht die
Verhältnisse in Griechenland, natürlich auch nicht die
Bedeutung der Reallöhne für unseren Exportüberschuss
und die fehlende Binnennachfrage. Es gibt keine Überle-
gung für die Zukunft. Das „Modell Griechenland“,
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 41. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Mai 2010 4101
(A) (C)
(D)(B)
dieses magere Gesetz, über das hier abgestimmt wird,
enthält keine Komponente der Prophylaxe. Der Finanz-
markt agiert wie bisher und kann ein Land nach dem an-
deren in seinen Fokus rücken.
Deshalb hat die SPD-Fraktion Vorschläge einge-
bracht, um dieses Gesetz besser zu machen. Ein eigenes
Gesetz ist leider nicht möglich, weil die ungeheuerliche
Hektik der Regierung ein geordnetes Verfahren nicht er-
laubt. Noch vor zwei Wochen war Schäuble sowohl im
Finanzausschuss als auch im Haushaltsausschuss. Wer
sich Aufklärung, Sachinformation oder gar ernsthafte
Zusammenarbeit erwartet hatte, wurde enttäuscht. Der
Bundesfinanzminister hat Nebel verbreitet. Er hat es bei
vagen Andeutungen belassen, statt mit klarer Sicht die
Probleme anzupacken. Diese Zeit fehlt uns nun. Ich un-
terstelle, dass CDU/CSU und FDP auch dieses Thema
hinter die Wahlen in Nordrhein-Westfalen schieben
wollten. Ein teurer Plan. Aber noch eine Zickzack-
schleife hätte wohl international noch größeren Schaden
angerichtet.
Das Gerede davon, dass „die Verursacher der Krise an
ihrer Überwindung beteiligt werden sollen“, wird in kei-
ner Formulierung der Regierung konkret. Im Gegenteil:
Die freiwillige oder angekündigte gesetzlich definierte
Bankenabgabe ist ein Werbegag von Ackermann. Er
kümmert sich um 2 Milliarden Euro, alle freuen sich, sind
dankbar, die Bild-Zeitung hat eine tolle Schlagzeile – der
Schaden von einigen 100 Milliarden gerät in Vergessen-
heit. Und es soll doch niemand an einen plötzlichen „An-
fall“ von Wohltätigkeit der Banken glauben: Die freiwil-
ligen Abgaben werden einfach auf die Preise, sprich:
Zinsen der Kreditnehmer oder der Einleger und Sparer,
abgewälzt.
Nein, unsere Überlegungen müssen auf das Verhalten
von Bankern, Finanzberatern, Fondsmanagern etc. wir-
ken: Einige Produkte müssen auch verboten und die
Finanzmärkte wirksam reguliert werden, damit sich so
etwas nicht wiederholt. Auch wenn sich Kanzlerin und
Finanzminister bisher mit eigenen Vorschlägen und For-
derungen national wie international nicht leichtgetan ha-
ben – wann, wenn nicht jetzt, wollen wir entscheidende
Fortschritte erzielen?
Nachfolgend ein Ausschnitt aus unseren Forderun-
gen, die wir national und international umsetzen wollen:
Einführung einer Finanztransaktionsteuer. Warum geht
es hierbei nicht um den einmaligen Kredit für ein Häus-
chen? Die Steuer hat eine Größenordnung von 0,05 Pro-
mille. Bedeutung hat die Steuer an anderer Stelle: Ein
Aktienhändler kommt auf 5 000 Geschäfte pro Tag. In-
zwischen ist ein sogenannter Hochfrequenz-Trader, eine
Software, die 60 Millionen Kauf- und Verkaufsaufträge
pro Tag erledigt, in der Entwicklung. Hier lohnt sich die
Steuer schon kräftiger und steuert vielleicht sogar. Mehr
unter den Stichwörtern „Cross Asset Strategie“, „Pairs-
Trading“ oder „Block-Trades“ etc.
Einschränkung oder Verbot des CDS-Handels, Aufle-
gen einer Euro-Anleihe zu niedrigen Zinsen, Prüfung der
Gründung einer EU-Bank für öffentliche Anleihen, die
ihre Anleihen über die EZB platziert – Vorschlag des
DGB –, Aufbau einer europäischen Ratingagentur mit
transparenten Verfahren, Überwachung der Leistungs-
bilanzdefizite und -Überschüsse, Einführung einer
schärferen Aufsicht über alle Produkte und Anbieter
durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsauf-
sicht, BaFin, Einführung strengerer Haftungsvorschrif-
ten für Vorstände und Aufsichtsräte, Reform der Vergü-
tungssysteme von Bankvorständen und -mitarbeitern
und Verbesserung der Beratung und des Verbraucher-
schutzes.
Das schlechte Krisenmanagement der Bundesregie-
rung hat mich in eine Situation gebracht, in der meine
Zustimmung zu einem untauglichen Gesetzentwurf er-
wartet wird. Gleichzeitig allerdings blockiert die Bun-
desregierung jegliche Zusammenarbeit auf der Grund-
lage guter Vorschläge zur Vermeidung künftiger Krisen.
Wir müssen Griechenland, den Griechen, helfen, weil
wir in Europa eine befreundete Zukunftsgemeinschaft
bilden. Wir müssen helfen, um uns zu helfen. Aber wir
müssen auch die Verursacher von Krisen in die Pflicht
nehmen. Diese Chance, endlich den zerstörerischen
Kräften auf den internationalen Finanzmärkten Einhalt
zu gebieten und sie in Verantwortung zu nehmen, ver-
geudet die Bundesregierung durch die Floskel, zu die-
sem Gesetz gebe es keine Alternative – ein schwerer
Irrtum, wie der Entschließungsantrag der SPD-Bundes-
tagsfraktion zeigt.
Mit der Unfähigkeit der schwarz-gelben Koalition
zum Kompromiss und meinem Willen, Griechenland zu
helfen, begründet sich meine Enthaltung zum Gesetzent-
wurf der CDU/CSU-FDP-Koalition.
Sebastian Blumenthal (FDP): Die Notwendigkeit
der heutigen Abstimmung ist das Ergebnis einer Politik,
die ökonomische Notwendigkeiten vor dem Hintergrund
des Ziels der europäischen Einigung ausgeblendet hat.
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf und den Maßnah-
men, die er unterstützen soll, kann lediglich ein Zeitge-
winn zur Reparatur des ökonomisch missglückten
Maastricht-Vertrags erreicht werden.
Um diesen Zeitgewinn durch eine kurzfristige Stabili-
sierung unserer gemeinsamen Währung geht es bei die-
ser Abstimmung. Ginge es nur um Griechenland, stünde
meine Entscheidung fest.
Einem Partner, der von Beginn an durch Abgabe fal-
scher Daten das Vertrauen der Mitstreiter in der Schick-
salsgemeinschaft Euro missbraucht hat, der über Jahre
hinweg deutlich über seine Verhältnisse gelebt hat, kann
auch mit viel gutem Willen nicht geholfen werden.
Als Ultima Ratio muss es der Staatengemeinschaft in
der Euro-Zone möglich sein, ein Mitglied auch auszu-
schließen. Das Selbstbestimmungsrecht der Völker ist
ein hohes und wichtiges Gut. Es endet aber dort, wo das
eigene jahrelange Fehlverhalten die Existenzgrundlagen
anderer Völker innerhalb der Währungsunion bedroht.
Im Vertrauen darauf, dass die nunmehr verbleibende
Zeit genutzt wird, um den Maastricht-Vertrag so zu än-
dern, dass aus der Währungsunion nicht eine dauerhafte
Transferunion wird, werde ich diesem Gesetzentwurf
4102 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 41. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Mai 2010
(A) (C)
(D)(B)
zustimmen, um in der jetzigen Situation dauerhaften und
nicht absehbaren Schaden von der gemeinsamen Wäh-
rung Euro und der deutschen Bevölkerung kurzfristig
abzuwenden.
Diese Entscheidung ist kein Freibrief für eventuell
anstehende ähnliche Entscheidungen in der Zukunft.
Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU): In die-
ser Entscheidung heute geht es nicht nur um unseren eu-
ropäischen Partner Griechenland. Es geht letztlich um
die Zukunft unseres gemeinsamen Europas. Es geht um
die Stabilität des Euros, unserer Währung. Es geht um
die wirtschaftliche Situation unseres Landes und um die
Existenzsicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger in
Deutschland. Wir dürfen nicht verkennen, dass fast
70 Prozent unseres Handels auf EU-Länder entfallen
und jeder fünfte Arbeitsplatz davon abhängig ist. Bricht
ein Glied aus der europäischen Kette, setzen wir den ge-
samten Handelsraum aufs Spiel. Griechenland hat in den
vergangenen Jahren schwere Fehler gemacht. Das gilt
auch für andere Staaten, und auch wir sitzen im Glas-
haus. Im Jahr 2000, als Rot-Grün den Antrag zur Auf-
nahme Griechenlands in die Währungsunion stellte,
habe ich dagegengestimmt. Erst sollte finanziell, wirt-
schaftlich und politisch Klarheit herrschen. Meine Frak-
tion und ich unterlagen damals. Trotzdem, bei der Ab-
wägung des Für und Wider, werde ich aus
Verantwortung für unser Land und für die Europäische
Gemeinschaft für die Griechenland-Hilfe stimmen – un-
ter der Voraussetzung, dass alle Staaten sowie die Ban-
ken sich beteiligen und wir in Europa wie weltweit
schnellstmöglich Institutionen schaffen, die Staaten wie
Banken einer laufenden Kontrolle unterziehen, um im
Vorwege eine Krise dieser Art zu unterbinden. Nicht
Kartelle und Monopolisten, sondern das Primat der Poli-
tik, die von den Bürgern gewählten Parlamente und da-
mit die Regierungen haben zu herrschen. Weltweit ist
unverzüglich ein Finanzsystem sicherzustellen, das
Transparenz und Überprüfbarkeit bis hin zu Verboten er-
möglicht.
Nicole Bracht-Bendt (FDP): Bundestag und Bun-
desrat entscheiden heute über das Rettungspaket für
Griechenland. Es sieht Kredite im Umfang von 22,4 Mil-
liarden Euro in den nächsten drei Jahren vor. Das Ret-
tungspaket für Griechenland halte ich für notwendig,
aber nicht ausreichend.
Dem Gesetz werde ich zustimmen, weil es keine Al-
ternative gibt, um die Stabilität der Gemeinschaftswäh-
rung Euro nicht zu gefährden.
Dennoch möchte ich an dieser Stelle deutlich zum
Ausdruck bringen, dass aus meiner Sicht Griechenland
für die derzeitige Notlage maßgeblich selbst verantwort-
lich ist. Ich bedaure, dass die Verhandlungen der letzten
Wochen nicht vorrangig eine geregelte Insolvenz oder
eine Umschuldung zum Ziel hatten. Deshalb gibt es im
Moment keine andere Möglichkeit als das Rettungspa-
ket, um einen Staatsbankrott Griechenlands zu verhin-
dern.
Es ist mir ein Anliegen, darauf hinzuweisen, dass ich
mich als Bundestagsabgeordnete in der Verantwortung
gegenüber dem deutschen Steuerzahler sehe, der letzt-
lich für die Kredite der Kreditanstalt für Wiederaufbau
haftet. Die Entscheidung, für das Rettungspaket zu stim-
men, ist mir außerordentlich schwergefallen.
Ich fordere Griechenland auf, alles in seiner Macht
Stehende zu unternehmen, um sein Staatsdefizit in den
Griff zu bekommen.
Darüber hinaus halte ich es für unverzichtbar, den
EU-Staaten, die das Rettungspaket gewährleisten, mehr
Möglichkeiten der Kontrolle und Überprüfung einzuräu-
men. Es müssen Sanktionsmöglichkeiten sichergestellt
werden, um weitere Entwicklungen, die für die Gemein-
schaftswährung ein Risiko darstellen, einzudämmen.
Das heutige Gesetz muss ein Einzelfall bleiben.
Elke Ferner (SPD): Die Bundesregierung, allen vo-
ran Bundeskanzlerin Angela Merkel und Außenminister
Guido Westerwelle, haben unser Land auf der internatio-
nalen und europäischen Ebene durch ihre Verzögerungs-
taktik isoliert und die Spekulationen der Finanzmärkte
angeheizt. Der einzige Grund war: Sie wollten vor den
Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen keine Position
beziehen.
Sie haben mit ihrem unverantwortlichen Verhalten in
Kauf genommen, dass die internationalen Finanzmärkte
zunächst gegen Griechenland und dann gegen Portugal
und Spanien spekuliert haben. Dies hat dazu geführt,
dass Griechenland wegen der ständig steigenden Zinsen
am Kapitalmarkt keine Kredite mehr aufnehmen konnte
und dass die Euro-Zone insgesamt in Schwierigkeiten zu
geraten drohte.
Jeder Versuch der Länder der Euro-Zone oder der
Kommission, die Spekulanten durch Hilfszusagen für
Griechenland zu stoppen, wurde von der Bundesregie-
rung torpediert. Durch die gebetsmühlenhaften Behaup-
tungen, Griechenland müsse erst einmal seine Hausauf-
gaben machen und ein Sparpaket vorlegen, wurden die
Hilfen infrage gestellt und die Spekulanten geradezu ein-
geladen, weiter auf einen Staatsbankrott zu wetten.
Anstatt die deutsche Bevölkerung über die Fakten
und die Notwendigkeit zur Hilfe aufzuklären, wurde sei-
tens der Bundesregierung und der sie tragenden Parteien
keine Gelegenheit ausgelassen, die billigsten Ressenti-
ments und Vorurteile, Falsch- und Fehlmeldungen, die in
einer beispiellosen Hetzkampagne einiger deutschen
Medien über Wochen publiziert wurden, zu bedienen
und zu verstärken. Jeder, der es wissen wollte, hätte wis-
sen können, dass die griechische Regierung und das
griechische Parlament seit Beginn dieses Jahres bereits
zahlreiche und sehr weit reichende Maßnahmen be-
schlossen haben – zuletzt gestern – und dass weitere in
Kürze beschlossen werden. Diese Maßnahmen verlan-
gen der griechischen Bevölkerung viel ab, manchen viel-
leicht zu viel.
Die jetzige griechische Regierung unter Ministerprä-
sident Giorgos Papandreou war und ist fest entschlossen,
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 41. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Mai 2010 4103
(A) (C)
(D)(B)
Griechenland eine neue und bessere Perspektive zu ge-
ben. Die Maßnahmen, die für die Erreichung dieses Zie-
les ergriffen werden, sind tiefgreifend und ohne Beispiel
und es ist nicht auszuschließen, dass der politische Preis
dafür hoch sein kann. Anstatt der griechischen Regie-
rung den Rücken zu stärken, ihre Anstrengungen zu
würdigen und der griechischen Bevölkerung die Zu-
sicherung zu geben, dass die europäische Familie dem
Treiben der Finanzmärkte ein Ende setzt und den Weg
Griechenlands in eine neue Zukunft unterstützt, hat die
Bundesregierung den guten Beziehungen zwischen
Deutschland und Griechenland massiv geschadet und
das Vertrauen der griechischen Bevölkerung in die euro-
päische Idee geschwächt. Niemand weiß besser als die
Griechinnen und Griechen selbst, dass Veränderungen
notwendig sind, auch wenn sie hart sind. Die griechische
Bevölkerung wird zuallererst die Fehler der früheren
griechischen Regierungen, insbesondere die der konser-
vativen Regierung Karamanlis, aber auch die Hinhalte-
taktik der Regierung Merkel teuer bezahlen müssen. Die
Hinhaltetaktik der Deutschen Bundesregierung hat nicht
nur dazu geführt, dass für die zuletzt ausgegebenen grie-
chischen Staatsanleihen durch Spekulationen getriebene
überhöhte Zinsen bezahlt werden müssen, sondern auch
dazu, dass der Hilfsmechanismus in Gang gesetzt wen-
den musste und die daraus resultierenden Bürgschaften
höher ausfallen, als sie sonst ausgefallen wären.
Bis vor wenigen Tagen hat die Bundesregierung den
Eindruck erweckt, dass es sich bei dem Hilfspaket um
direkte Zahlungen aus dem Bundeshaushalt handelt und
nicht um eine Bürgschaft für Kredite, an denen die KfW
und damit die deutschen Steuerzahler und Steuerzahle-
rinnen verdienen werden. Und sie hat den Eindruck er-
weckt, als ob nicht die griechische Regierung und das
griechische Parlament weit reichende Maßnahmen er-
griffen haben, sondern dass erst die Verweigerungshal-
tung der deutschen Regierung dazu geführt hat, dass
überhaupt Maßnahmen ergriffen wurden.
Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat auch aus der
Finanz- und Wirtschaftskrise keine Lehren gezogen. Sie
weigert sich aus ideologischen Gründen, die Verursacher
und Profiteure der Krise an den Kosten zu beteiligen. Sie
weigert sich, die Finanzmärkte so zu regulieren, dass
Spekulationen eingedämmt werden und vom Finanzsek-
tor künftig keine Gefahren für die Realwirtschaft oder
ganze Währungsräume mehr entstehen können. Es ist
schwer zu ertragen, dass diejenigen, die die Finanz- und
Wirtschaftskrise verursacht haben, auch jetzt wieder in
der Krise, in die sie die Euro-Zone hineinmanövriert ha-
ben, von den Hilfsmaßnahmen profitieren werden, weil
Deutschland keinerlei ernsthafte Anstrengungen unter-
nimmt, die Kapitalmärkte zu regulieren und den Finanz-
sektor an den Kosten zu beteiligen.
Bei der heutigen Entscheidung geht es nicht mehr um
Griechenland, sondern es geht um eine Stabilisierung
der gesamten Euro-Zone. Leider ist die schwarz-gelbe
Koalition nicht willens, über das konkrete Hilfspaket hi-
naus ihrer Verantwortung für Europa gerecht zu werden.
Das ist zu wenig.
lch unterstütze das Hilfspaket und hätte dem Gesetz
auch gerne meine Zustimmung gegeben. Allerdings hat
eine sehr sehr deutliche Mehrheit meiner Fraktion ent-
schieden, sich der Stimme zu enthalten. Ich respektiere
diese Auffassung, sehe mich aber nicht in der Lage, die-
ses Votum mitzutragen. Ich werde mich deshalb nicht an
der Abstimmung zum Gesetzentwurf beteiligen.
lch wünsche der griechischen Regierung, vor allem
aber dem griechischen Volk und meinen Freundinnen
und Freunden in Griechenland, dass die Anstrengungen
sich auszahlen werden und Griechenland eine bessere
und neue Perspektive erhält.
Dr. Peter Gauweiler (CDU/CSU): Bei der heutigen
Abstimmung zum Finanzstabilitätsgesetz werde ich dem
Gesetzentwurf der Bundesregierung nicht zustimmen,
weil er für die Erreichung seiner Hauptziele – Stabili-
sierung des Euro und Wiederherstellung der Zahlungs-
fähigkeit Griechenlands – kontraproduktiv ist: Weitere
Kredite der vorgesehenen Art bzw. die Bürgschaften für
Kredite der KfW stellen nicht die Zahlungsfähigkeit
Griechenlands wieder her, sondern erhöhen die für das
Land heute nicht mehr zu bewältigende Kreditlast. Sie
dienen nur der Absicherung spekulativer Kreditge-
schäfte internationaler Großbanken und der Verlänge-
rung dieser Geschäfte. Die eingeleiteten Sparmaßnah-
men dienen auch nicht der Stimulierung der griechischen
Wirtschaft, sondern beinhalten eine Entsagungs- und
Rosskurpolitik, die nicht zur wirtschaftlichen Gesun-
dung des Landes führen kann. Deutschland hatte sich
eine derartige „Sparpolilik“ zum Ende der Weimarer Re-
publik aufgelegt – die Ergebnisse sind bekannt.
Verhindert bzw. hinausgeschoben würde durch die
Annahme des Entwurfs auch das notwendige – zumin-
dest zeitweise – Ausscheiden Griechenlands aus dem
Euro-System und damit eine vom IWF zu unterstützende
Entschuldung – sogenanntes Haircut –, die mit einer Ab-
wertung verbunden sein müsste, um griechische Pro-
dukte, Leistungen und Angebote – insbesondere auch im
Tourismus – weltweit wieder attraktiv zu machen.
Es ist auch gegen jede Wahrscheinlichkeit, dass der
Beschluss zur Stabilisierung des Euro beiträgt. Wahr-
scheinlich ist vielmehr, dass der Beschluss andere Staa-
ten der Euro-Zone, die mit vergleichbaren Schwierig-
keiten wie Griechenland belastet sind, animiert,
vergleichbare „Rettungsprogramme“ zu verlangen, die
die Leistungsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland
endgültig überspannen dürften. Es besteht deshalb die
Gefahr, dass das beschlossene „Sanierungskonzept“ die
Krise nicht beseitigt, sondern vergrößert.
Nicht zuletzt verstößt das „Rettungspaket“ gegen das
europarechtliche Bail-out-Verbot, Art. 125 AHUV. Das
Vertrauen der Märkte in die stabilitätssichernde Funktion
dieser Vorschrift wird damit dauerhaft erschüttert. Auf
diese Weise wird eine der tragenden rechtlichen Säulen,
die aus der Währungsunion eine Stabilitätsunion machen
sollten, zum Einsturz gebracht.
Dr. Wolfgang Gerhardt (FDP): Angesichts der Ent-
scheidung des Bundestages zugunsten einer finanziellen
4104 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 41. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Mai 2010
(A) (C)
(D)(B)
Hilfe für Griechenland ist daran zu erinnern, dass die
Mitglieder der Europäischen Union und besonders die
Mitgliedsländer der Euro-Zone eine eigene sozusagen
ganz persönliche politische, wirtschaftliche und gesell-
schaftliche Verantwortung in ihren nationalen Angele-
genheiten zum Zusammenhalt Europas und zur Stabilität
des Euro haben.
Die Euro-Länder insgesamt müssen sich darüber im
Klaren sein, dass ihre Währung in ihrem Ansehen und in
ihrer Stabilität von ihrer Wettbewerbsfähigkeit, der Kraft
ihrer Marktwirtschaften, den zwischen ihnen vereinbar-
ten Spielregeln und den Fähigkeiten ihrer Gesellschaften
abhängt. Mit der Mitgliedschaft in der Europäischen
Union oder der Zugehörigkeit zur Euro-Zone allein ist es
nicht getan. Sie sind eine Chance, zugleich aber auch
eine Herausforderung, die bisher zweifellos nicht bei al-
len – und nicht nur in Griechenland – in der nötigen
Deutlichkeit das Bewusstsein bestimmt hat und be-
stimmt. Darauf erneut aufmerksam zu machen, ist ge-
rade aufgrund der Bereitschaft zur Hilfe für Griechen-
land dringend notwendig.
Die zu treffende Entscheidung des Deutschen Bun-
destages zur Hilfe für Griechenland treffe ich im Be-
wusstsein der europäischen Verantwortung Deutsch-
lands, die uns selbst aus der größten Katastrophe unserer
Geschichte herausgebracht und in den Kreis der aner-
kannten demokratischen Nationen hineingeführt hat. Ich
treffe sie aber zugleich unter Zurückstellung erheblicher
europapolitischer und wirtschafts- und finanzpolitischer
Bedenken; denn die europäischen Institutionen, vor al-
lem die Europäische Zentralbank, haben in dem gesam-
ten Ablauf, der sie dazu geführt hat, zur Rettung Europas
im gleichen Atemzug sozusagen aus Gründen eines
übergreifenden Notstandes einige der Spielregeln Euro-
pas außer Kraft zu setzen, an Glaubwürdigkeit und im
Falle der letzteren an Unabhängigkeit verloren. Deshalb
kann und darf der Vorgang nicht zu einer unendlichen
Geschichte mit dauerhafter Inanspruchnahme für Politi-
ken führen, die sich mit der eigenen Verantwortung und
dem Einhalten von Spielregeln schwertun. Solidarität ist
keine Einbahnstraße, sondern eine Verpflichtung auf Ge-
genseitigkeit. Sie entlastet nicht von einer Verantwor-
tung, und sie entschuldigt nicht eigene Versäumnisse.
Die im vorliegenden Fall zu gewährende Hilfe für
Griechenland, die jetzt unumgänglich geworden ist,
muss deshalb in der Erwartung geschehen, dass Grie-
chenland seine eigenen nun notwendigen und unum-
gänglichen Entscheidungen in Wirtschaft, Gesellschaft
und Politik auch in einem Bewusstsein seiner eigenen
Verantwortung für den europäischen Zusammenhalt und
eine stabile Währung trifft. Griechenland ist sich das in
allererster Linie selbst schuldig und nicht allein dem In-
ternationalen Währungsfonds und den weiteren Gläubi-
gern.
Robert Hochbaum (CDU/CSU): Nach den parla-
mentarischen Beratungen, insbesondere der Anhörung,
bin ich zum Schluss gekommen, dass die Zahlungsunfä-
higkeit Griechenlands, ein Staatsbankrott, die europäi-
sche Währungsunion in höchste Not bringen, eine neuer-
liche internationale Bankenkrise auslösen und für andere
ebenfalls höher verschuldete Länder weitere Schwierig-
keiten bei der Refinanzierung mit möglichen weiteren
Folgen bedeuten würde. Eine kaum mehr vorhersehbare
und steuerbare Kettenreaktion würde ausgelöst werden.
Diese würde Deutschland als Euro-Land und Land, das
seinen Wohlstand massiv auf Exporten gerade in den
umgebenden Euro-Raum begründet, empfindlich und für
alle Bürger spürbar treffen. Dies zu verhindern, stimme
ich dem vorliegenden Gesetzentwurf, dem deutschen
Beitrag der Hilfe der Euro-Staaten und des Internationa-
len Währungsfonds, als Utima Ratio, als letztes Mittel,
zu. Es ist von einer Reihe schlechter Varianten nach mei-
ner Überzeugung die beste.
Ein früheres Eintreten, das vor allem die Bundesre-
gierung in Europa verhindert hat, wäre entgegen den Äu-
ßerungen der Opposition nicht billiger und besser, son-
dern teurer und schlechter gewesen. Die wichtige
Einbeziehung des IWF und damit der Weltgemeinschaft
und das Aufzwingen nötiger harter Sparmaßnahmen ge-
genüber Griechenland, das Gewinnen von Akzeptanz für
das Bestehen von Fehlentwicklungen in der griechischen
Bevölkerung waren nur so überhaupt erst möglich. An-
dere Euro-Länder wollten schneller unbedingter eintreten –
das wäre falsch gewesen und teurer geworden.
Dass die Kopplung der in Tranchen auszureichenden
Hilfen anders als noch im Entwurf nun im Gesetz an die
Bedingungen der Einigung zwischen Griechenland und
den Hilfsgebern gebunden und tranchiert ist, war mir
sehr wichtig, zeigte es doch, dass es keinen Freifahrt-
schein gibt, sondern Griechenland sich redlich halten
muss, will es diesen Weg gehen.
Durch gefälschte Statistiken hat die politische Elite
Griechenlands lange Jahre bewusst die europäischen
Partner getäuscht und sich den Zugang zum Euro-Raum
erschlichen. Die Griechen insgesamt haben seit länge-
rem über ihre Verhältnisse gelebt; die Defizite sind nicht
durch Spekulanten entstanden oder vom Himmel gefal-
len. Eine drastische Verringerung des griechischen
Haushaltsdefizits ist daher unumgängliche Vorausset-
zung für Hilfe. Das nochmals nachgebesserte griechi-
sche Sparprogramm geht in die richtige Richtung. Unbe-
dingte Transparenz und absolute Kontrolle der
Einhaltung sind vereinbart und zwingend.
Die No-bail-out-Klausel in Art. 125 der Europäischen
Verträge als Haftungsausschluss stellt klar, dass ein
Euro-Teilnehmerland nicht für Verbindlichkeiten und
Schulden anderer Teilnehmerländer aufkommen muss.
Diese Klausel soll gewährleisten, dass für die Rückzah-
lung öffentlicher Schulden die jeweiligen Staaten selbst
verantwortlich bleiben. Die Übertragung von Risiken in-
folge einer nicht tragfähigen Haushaltspolitik einzelner
Staaten auf die Partnerländer soll damit vermieden wer-
den. Das ist richtig, war eine der Grundvoraussetzungen
für den Beitritt Deutschlands zur Währungsunion. Die
abgestimmten freiwilligen Hilfen der Euro-Länder un-
terfallen diesem Szenario nicht, da sie nur Kredite und
keine Schuldenübernahme sind.
Das Instrumentarium der Währungsunion, das offen-
sichtlich nicht ausreicht, für die Zukunft zu schärfen und
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 41. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Mai 2010 4105
(A) (C)
(D)(B)
Lücken zu schließen bzw. bei faktisch unpraktikablen
Regelungen nachzusteuern, ist absolut unumgänglich.
Mehr Transparenz, frühere Eingriffs- und härtere Sank-
tionsmöglichkeiten und -automatismen, die politisch
nicht einfach abdingbar sind, sind erforderlich. Was nun
hier gerade passiert, widerspricht dem Geist des Euro
und darf sich nie wiederholen, soll der Euro, der, wenn
er stark und hart ist, allen Euro-Ländern weit überwie-
gend Vorteile bringt, bestehen.
Unverantwortlichen Spekulanten, die auch in dieser
Krise Treiber waren, müssen wir das Handwerk legen.
Der zum Gesetz vorgelegte Entschließungsantrag der
Koalitionsfraktionen zeigt hierzu die richtigen, notwen-
digen Maßnahmen auf. Die allermeisten dieser bedürfen
europäischer Lösungen oder solcher der Staatengemein-
schaft. Wir müssen größte Anstrengungen unternehmen,
diese schnellstens zu erreichen.
Dr. Eva Högl (SPD): Die Bundesregierung hat durch
ihr unverantwortliches Verhalten, ihre Verzögerung, ihr
Taktieren und die fehlende Einsicht, dass Griechenland
dringend unsere Hilfe braucht, unser Land international
und in Europa isoliert und die Spekulationen der Finanz-
märkte angeheizt. Anstatt den Deutschen Bundestag und
die deutsche Bevölkerung über die Fakten und notwen-
dige Maßnahmen aufzuklären, wurde seitens der Bun-
desregierung und der sie tragenden Parteien keine Gele-
genheit ausgelassen, Vorurteile und Falschmeldungen zu
bedienen und zu verstärken. Dadurch wurden die not-
wendigen Hilfsmaßnahmen für Griechenland nicht nur
schwieriger, sondern auch unsicherer in ihrer Wirkung
und nahmen ein immer größeres Ausmaß an. Ich kriti-
siere besonders, dass die Bundesregierung aus der Fi-
nanz- und Wirtschaftskrise keine Lehren gezogen hat.
Sie weigert sich aus ideologischen Gründen, die Verur-
sacher und Profiteure der Krise an den Kosten zu beteili-
gen. Und sie weigert sich, die Finanzmärkte wirksam zu
regulieren, um künftigen Krisen vorzubeugen.
Bei der heutigen Entscheidung geht es nicht nur um
Griechenland, sondern um die Stabilisierung der Euro-
Zone und die Zukunft und Handlungsfähigkeit Europas.
Leider ist die schwarz-gelbe Koalition nicht in der Lage,
ihrer Verantwortung für Europa gerecht zu werden, und
weitere notwendige Maßnahmen zur Bewältigung der
gegenwärtigen Krise und zur Vermeidung künftiger Kri-
sen zu beschließen. Das ist zu wenig.
Gleichwohl unterstütze ich das geplante Hilfspaket
für Griechenland, weil ich es für alternativlos halte. Die
Mitgliedstaaten der EU sind jetzt gefordert, der griechi-
schen Regierung mit dem vereinbarten Hilfspaket zur
Seite zu stehen. Es geht um die Stabilisierung des Euro
und des europäischen Wirtschaftsraumes, von dem maß-
geblich Deutschland dank seiner Exporte profitiert. Mil-
lionen Arbeitsplätze in Deutschland wären bedroht,
wenn es zu einem Flächenbrand käme, der sich bei-
spielsweise auf Spanien, Portugal oder gar Großbritan-
nien ausdehnte.
Die Europäische Union und der IWF haben sich nun-
mehr auf ein Hilfspaket verständigt. Es muss umgehend
in Kraft treten und wirken. Aber es trägt wenig zur Ver-
hinderung ähnlicher Krisen in der Zukunft bei. Hierzu
hat die SPD eine Reihe von Vorschlägen unterbreitet.
Spekulationen auf Währungen und Staaten sind einzu-
dämmen, die internationalen Finanzmärkte sind auch
durch eine entsprechende Steuer an den Kosten der Krise
zu beteiligen, eine stärkere Kontrolle und Regulierung
des internationalen Banken- und Finanzsystems ist über-
fällig. Die Staatsfinanzen müssen von den Kapitalmärk-
ten weitgehend entkoppelt werden. Die Euro-Zone leidet
auch unter den massiven wirtschaftlichen, beschäfti-
gungspolitischen und sozialen Ungleichgewichten. Aus
ideologischen Gründen verschließen sich CDU/CSU und
FDP dieser Einsicht.
Dennoch erteile ich dem Gesetzesentwurf meine Zu-
stimmung. Ich bin davon überzeugt, dass es unter den
obwaltenden Umständen die notwendige Antwort auf
die Krise ist. Ein deutliches, auch von der deutschen So-
zialdemokratie als der Europapartei getragenes Zeichen
der Solidarität in Richtung Griechenland und Europäi-
sche Union halte ich für zwingend. Deshalb stimme ich
zu, unabhängig davon, dass die Bundesregierung und die
sie tragenden Fraktionen europapolitisch versagt und
sich zur zukünftigen Verhinderung solcher Krisen soli-
darischen, gerechten und europäischen Antworten ver-
weigert haben.
Dr. Egon Jüttner (CDU/CSU): Nach reiflicher
Überlegung und sorgfältiger Abwägung aller Argumente
für und gegen das Gesetz zur Sicherung der Finanzstabi-
lität in der Euro-Zone habe ich mich entschieden, dem
Gesetz zuzustimmen. Ausschlaggebend für meine Ent-
scheidung ist die Tatsache, dass es nicht allein um die
Zahlungsunfähigkeit Griechenlands aufgrund selbstver-
schuldeten Verhaltens geht, sondern in erster Linie um
die Stabilität der gemeinsamen europäischen Währung.
Der Verlust von Stabilität des Euro hätte gefährliche
Auswirkungen auf die Wirtschaftskraft und den Wohl-
stand Deutschlands. Insofern liegt es im nationalen Inte-
resse unseres Landes, die Insolvenz Griechenlands abzu-
wenden und die Finanzstabilität der Europäischen
Währungsunion zu erhalten.
Ich erwarte, dass nicht nur die griechische Regierung
die mit der Europäischen Union und dem Internationalen
Währungsfonds vereinbarten Maßnahmen zur Sicherstel-
lung der Rückzahlungsfähigkeit Griechenlands nachvoll-
ziehbar umsetzt. Ich erwarte ebenso Maßnahmen
Deutschlands und der Europäischen Union, die künftige
Fehlentwicklungen vermeiden. So beispielsweise ein ge-
ordnetes Insolvenzverfahren, die Einführung eines Früh-
warnsystems bei möglicher Überschuldung eines Mit-
gliedslandes, eine Bankenabgabe zur Einführung eines
Stabilitätsfonds, eine europäische Ratingagentur, die
Überprüfung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes, da-
mit Sanktionen früher greifen können, das Verbot unge-
deckter Leerverkäufe von Finanzmarktinstrumenten, ein
effektiveres Monitoringverfahren bei Anträgen auf Bei-
tritt zur Währungsunion.
Manfred Kolbe (CDU/CSU): Dem Währungsunion-
Finanzstabilitätsgesetz kann ich nicht zustimmen, da die
finanziellen Lasten allein den europäischen Steuerzah-
4106 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 41. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Mai 2010
(A) (C)
(D)(B)
lern auferlegt werden, ohne dass die internationale Fi-
nanzwirtschaft irgendeinen echten Beitrag leistet.
Erstens. Wir müssen Griechenland helfen, aber bitte
unter Einbeziehung der Banken und Spekulanten, die
von hohen griechischen Zinsen profitieren. Griechische
Anleihen brachten wegen des höheren Risikos höhere
Zinsen – bis zu 9 Prozent. Ohne europäische Hilfe wären
die Gläubiger voll ausgefallen. Dann kann man jetzt aber
von ihnen eine Beteiligung an den Kosten der Rettungs-
aktion durch einen teilweisen Forderungsverzicht im
Rahmen einer Umschuldung verlangen. Der Steuerzah-
ler muss nach der US-Immobilienkrise vor zwei Jahren
jetzt zum zweiten Mal bei Griechenland die Risiken der
Gläubigerbanken übernehmen. Dies kann nicht zum Re-
gelfall werden: In einer Marktwirtschaft hat ein Investor
die Chancen, trägt aber eben auch die Risiken.
Zweitens. Nur bei einer Reduzierung seiner Staats-
schulden von circa 300 Milliarden Euro als Folge einer
Umschuldung hat Griechenland eine echte Chance. Die
jetzigen Schulden wird Griechenland aller Voraussicht
nach nicht zurückzahlen können. In Griechenland kön-
nen wir nicht einerseits der Bevölkerung große Opfer zu-
muten und andererseits griechischen Milliardären hohe
Zinseinnahmen durch den europäischen Steuerzahler ga-
rantieren.
Drittens. Die heute beschlossene Griechenland-Hilfe
ist keine nachhaltige Lösung. Auch weitere europäische
Länder haben über ihre Verhältnisse gelebt und zu hohe
Schulden aufgetürmt. Bei weiteren Folgefällen ist der
europäische Steuerzahler überfordert. Deshalb brauchen
wir eine nachhaltige Lösung durch eine Umschuldung,
verbunden mit einem teilweisen Forderungsverzicht der
Gläubigerbanken. Sonst wird der Euro nicht zum Inte-
grationsfaktor, sondern eher zum Spaltpilz für Europa.
Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP): In der Anhörung
des Haushaltsausschusses erklärte Professor Dr. Weber,
Präsident der Deutschen Bundesbank:
Griechenland hat über viele Jahre grob und unver-
antwortlich gegen europäische Vereinbarungen und
Vorgaben verstoßen. Die Haushalts- und Wirt-
schaftspolitik war den Stabilitätserfordernissen ei-
nes gemeinsamen Währungsraums nicht angemes-
sen ...
Als Mitglied des Haushaltsausschusses des Deut-
schen Bundestages bin ich erschüttert darüber, dass erst
jetzt die dramatische Situation bekannt wird. Ich hätte
erwartet, dass uns die Bundesfinanzminister früherer Re-
gierungen schon viel früher umfassend informiert hätten.
Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass das
Wissen über die erheblichen Zahlungsschwierigkeiten
Griechenlands den Bundesfinanzministern Hans Eichel
und Peer Steinbrück durchaus bekannt gewesen waren.
Es war eine politische Entscheidung, Griechenland
seit dem 1. Januar 2001 in die Euro-Gruppe zu nehmen.
Es stellt sich immer mehr die Frage, ob schon damals
beim Beitritt das griechische Finanzsystem erheblich ge-
fährdet war.
Es war eine völlige Fehleinschätzung des Bundesfi-
nanzministers Hans Eichel, als er am 29. Juni 2000 im
Deutschen Bundestag erklärte:
Ich freue mich, dass Griechenland mit seiner langen
Geschichte und seinem großen Beitrag, den es zur
europäischen Kultur geleistet hat, Mitglied der
Euro-Zone wird. Sie sehen darin übrigens, welche
Stabilitätsgemeinschaft die Euro-Zone inzwischen
ist.
Ebenso hat nach meiner Auffassung die von Bundes-
finanzminister Hans Eichel und Bundeskanzler Gerhard
Schröder und der rot-grünen Koalition im März 2005 ge-
wollte flexiblere Auslegung des Euro-Stabilitätspakts er-
heblichen Schaden angerichtet und Griechenland mit in
die Situation geführt, mit der sich heute der Deutsche
Bundestag beschäftigen muss.
Die Kritik der Oppositionsparteien an der Aufwei-
chung des Stabilitätspaktes wies der damalige Bundes-
kanzler Schröder öffentlich mit den Worten:
Die Kritik der Opposition beruht auf der Kenntnis-
losigkeit der ökonomischen Zusammenhänge
zurück. Die Fehleinschätzungen der früheren rot-grünen
Koalition und ihres Bundeskanzlers Schröder muss die
jetzige Koalition in einer beispiellosen Rettungsaktion
für Griechenland bezahlen.
Ich habe erhebliche Zweifel, ob jetzt die finanz- und
wirtschaftspolitischen griechischen Daten belastungsfä-
hig sind. Ebenso muss ich anzweifeln, dass allein die Be-
schlüsse der griechischen Regierung zu den notwendi-
gen Konsolidierungen führen. Ohne Entschuldung ist
nach meiner Auffassung kein wirtschafts- und haushalts-
politischer Neuanfang in Griechenland möglich.
Trotz dieser Bedenken werde ich dem Gesetz zustim-
men. Ich stimme auch deshalb zu, weil bei der Anhörung
der Sachverständigen durch den Haushaltsausschuss auf
die dringende Notwendigkeit der Maßnahmen, wie sie
die Bundesregierung vorgeschlagen hat, hingewiesen
wurde.
Dr. Rolf Koschorrek (CDU/CSU): Die Entschei-
dung über das Währungsunion-Finanzstabilitätsgesetz
ist nicht leicht zu treffen. Ich stimme dem Gesetz mit
großen Bedenken zu.
Chancen und Risiken unseres Vorgehens sind man-
gels historischer Vergleiche und Erfahrungen nur einge-
schränkt abzuwägen. Im Mittelpunkt dieser für mich
persönlich mit vielen Unsicherheiten behafteten Abwä-
gung steht der mit dem griechischen Staatsbankrott im
Euro-Raum mit relativ höherer Wahrscheinlichkeit ver-
bundene Dominoeffekt und die zu befürchtende neuerli-
che Vertrauenskrise. Die Möglichkeit, eine solche Krise
zu verhindern, müssen wir wahrnehmen. Gelingen die
ergriffenen Hilfsmaßnahmen, geht dies ohne Belastung
unserer Steuerzahler, weil dann die auf Basis unserer
Garantien gewährten Kredite verzinst und zurückgeführt
werden.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 41. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Mai 2010 4107
(A) (C)
(D)(B)
Das Gelingen hängt ab vom Verhalten der Kreditge-
ber, von der Einigkeit der Regierungen im Euro-Raum,
von der Entschlossenheit der Griechen und der Durch-
setzungsfähigkeit des IWF. Der IWF spielt meines Er-
achtens eine Schlüsselrolle. Ohne ihn wäre ich in noch
größerer Sorge, ob es gelingen kann, die Griechen auf
den Pfad haushaltspolitischer Tugend zu führen.
Entscheidend für meine Zustimmung ist auch, dass
wir die Bundesregierung nicht einfach ermächtigen, Ga-
rantien zu geben, sondern diese auch an den Reformfort-
schritt binden. Eine Generalermächtigung kam für mich
nicht infrage. Mein Vertrauen in die Gestaltungskraft des
krisenerfahrenen IWF ist jedenfalls ausgeprägter als das
in den Durchsetzungswillen etlicher – wegen eigener
Haushaltsdefizite befangener – europäischer Regierun-
gen. Meine Zustimmung zu dem Gesetz wird damit auch
getragen von der Hoffnung, dass wir unsere Lehren zie-
hen und sich unsere Europapolitik grundlegend ändert.
Es ist mir an dieser Stelle ein ausdrückliches Anliegen,
klarzustellen, dass der Euro selbst nicht das Problem ist.
Problematisch ist der Umgang mit dem Stabilitätspakt.
In Kenntnis der Haushaltslagen anderer Euro-Staaten
– auch der in Deutschland – darf man nicht nur mit dem
Finger auf Griechenland zeigen. Wenn es uns mit dieser
Ermächtigung und der konsortialen Kreditgewährung
durch die übrigen Euro-Staaten tatsächlich gelingt, Ver-
trauen zu schaffen, haben wir Zeit gewonnen, aber nicht
alles erreicht. Wir müssen den Waigel’schen Stabilitäts-
pakt nachschärfen und durchsetzen. Dies ist unverzicht-
bar, bei uns in Deutschland wie in allen anderen EU-Mit-
gliedstaaten. Anfangen sollten wir hier bei uns – in
Deutschland.
Patrick Kurth (Kyffhäuser) (FDP): Ich stimme dem
Gesetz – trotz erheblicher Bedenken – zu. Die geplanten
Kredithilfen an Griechenland sind ein nicht unerhebli-
cher Eingriff in die Marktmechanismen und schon des-
halb kritisch zu bewerten. Das Problem Griechenlands
ist gerade die enorme Schuldenlast. Ich schließe nicht
aus, dass eine geordnete Insolvenz Griechenlands oder
andere diskutierte Maßnahmen eine wirksamere Me-
thode zur Überwindung der Krise wären.
Letztlich muss ich mich allerdings auf die Richtigkeit
der vorgetragenen Argumente seitens der Bundesregie-
rung und der Experten aus der Europäischen Union bzw.
der Deutschen Bundesbank/Europäische Zentralbank
verlassen. Voraussetzung für meine Entscheidung stell-
ten die Maßnahmen im Entschließungsantrag der CDU/
CSU und FDP dar. Demnach würde ein Zahlungsausfall
Griechenlands ein erhebliches Risiko für die Stabilität
der Währungsunion und des Finanzsystems darstellen.
Dies ist zu verhindern. Außerdem muss ein Domino-
effekt verhindert werden, der andere fragile Staaten in
den Abgrund reißt.
Die strengen Richtlinien für die Finanzverfassung im
Euro-Raum müssen wieder solide, und deren Umsetzung
muss mit aller Konsequenz durchgesetzt werden. Dazu
gehört vor allem, dass auf den Bruch dieser Richtlinien
Sanktionen erfolgen müssen.
Die jetzigen Hilfen für Griechenland entbinden den
Bundestag und die Bundesregierung nicht von der
Pflicht, die Umstände der Aufnahme Griechenlands in
den Euro-Raum sowie dessen Verhalten seitdem aufzu-
klären. Dazu gehört auch die Frage, warum Stabilitäts-
kriterien aufgeweicht bzw. deren Anwendung nicht oder
nur nachlässig durchgesetzt wurden. Dies darf sich nicht
ausschließlich auf Griechenland konzentrieren, sondern
muss insbesondere auch die beteiligten Euro-Staaten und
insbesondere die Bundesrepublik Deutschland einbezie-
hen.
Mit der Abstimmung verbinde ich die Hoffnung da-
rauf, dass auch in Deutschland die Einsicht darüber ein-
kehrt, dass nur solide Finanzen, ein durchschaubares
Steuersystem und die konsequente Durchsetzung von
Kontrollmechanismen langfristig das Überleben der
Währungsunion sichern kann. Der Fall Griechenland
zeigt, dass unfinanzierbare Tagträume, die beständig im
politischen Meinungsprozess Einzug oder Wiederkehr
feiern, fatale Folgen haben.
Darüber hinaus müssen wir uns vor Augen führen,
dass auch Deutschland nicht ohne Weiteres die Über-
nahme solch enormer finanzieller Risiken leisten kann.
Deutschland muss sich trotz seiner im Vergleich zu Grie-
chenland besseren Finanzausstattung bewusst sein, das
es selbst immense Hausaufgaben in dieser Beziehung
vor sich hat. Erhebliche Einsparmaßnahmen, die Re-
formierung des Steuersystems und die Bekämpfung der
Bürokratie bleiben auf der Tagesordnung. Diese Not-
wendigkeiten sind auch im Lichte der griechischen Ver-
hältnisse nicht relativierbar und müssen weiterhin mit
Nachdruck verfolgt werden.
Paul Lehrieder (CDU/CSU): Trotz größter Beden-
ken habe ich zur Stützung der Geldwertstabilität unserer
gemeinsamen Euro-Währung am Freitag, den 7. Mai
2010, dem sogenannten Währungsunion-Finanzstabili-
tätsgesetz meine Zustimmung erteilt.
Eine Abwertung der griechischen Staatsanleihen bzw.
eine Umschuldung Griechenlands mit entsprechenden
Verlusten bei den gezeichneten Staatsanleihen hätte kei-
nesfalls eine gangbare Alternative darstellen können, zu-
mal auch Staatsanleihen weiterer Euro-Länder – Portu-
gal, Spanien, Irland – in der Folge unverzüglich Gefahr
gelaufen wären, ebenfalls nicht mehr akzeptiert bzw. als
Anlage nicht mehr gezeichnet werden zu können mit der
Folge, dass neben dem relativ kleinen Griechenland ein
weiterer Teil des Euro-Landes sehr kurzfristig erhebliche
Finanzprobleme dergestalt leiden würde – Spanien –,
dass hier eine Hilfe wie im Fall Griechenlands bei den
übrigen Ländern schlichtweg aus haushaltstechnischen
Gründen nicht mehr infrage kommen könnte. Man
würde mit großer Wahrscheinlichkeit hier Gefahr laufen,
dass beispielsweise ein Land wie Spanien „too big to
fail“ wäre und hierdurch erhebliche Stabilitätsprobleme
der gesamten Euro-Währung entstehen würden.
Ich sehe mich außerstande, unseren Mitbürgerinnen
und Mitbürgern einen Währungsschnitt bzw. eine ähn-
lich drastische Einschnittsmaßnahme in ihre Spargutha-
ben zu erklären bzw. zuzumuten.
4108 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 41. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Mai 2010
(A) (C)
(D)(B)
Mir ist sehr wohl bekannt und bewusst, dass die Be-
reitstellung der im eingangs genannten Gesetz vorgese-
henen Finanzmittel mit erheblichen Risiken verbunden
ist. Ebenfalls ist mir durchaus ein Ärgernis, dass in un-
vermeidbarer Weise die relativ hochverzinsten griechi-
schen Staatsanleihen letztendlich über deutsche Steuer-
mittel abgesichert werden und die Risiken von uns als
Mittelbereitsteller getragen werden, die Rendite jedoch
bei den Zeichnern der Staatsanleihen verbleibt.
Dies stellt jedoch im Verhältnis zu der eingangs ge-
nannten Problematik eines sogenannten Flächenbrands
des Misstrauens unserer Gemeinschaftswährung von im-
merhin etwa einem halben Dutzend der Euro-Länder das
aus meiner Sicht geringere Risiko im Verhältnis zu einer
Geldentwertung des Euro dar.
Die absichtlich falschen Daten Griechenlands vor
Aufnahme in die Euro-Gruppe im Jahr 2000/2001, viele
Entscheidungen griechischer Regierungen seitdem, das
Übersehen von Warnhinweisen im Jahr 2005 durch die
rot-grüne Regierung in Deutschland sowie die andau-
ernde Verschleierung und Beschönigung der griechi-
schen Wettbewerbsfähigkeit und Staatsfinanzen haben
ein tiefsitzendes Misstrauen gegenüber der griechischen
Politik geschürt, das auch jetzt noch Zweifel am Willen
Griechenlands hegt, Kredite ernsthaft zurückzuzahlen.
Ebenfalls begegnet das Verhalten der Sozialdemokra-
tischen Partei Deutschlands erheblichem Befremden,
wenn sie einerseits im Jahr 2001 gegen bestehende Be-
denken maßgeblich den Beitritt Griechenlands zur Euro-
Zone forciert hatte, nunmehr offensichtlich in der Ab-
stimmung unsere Kanzlerin im Regen stehen lässt und
mit einer Enthaltung von der historischen Verantwortung
der SPD offensichtlich nichts mehr wissen will.
Dennoch komme ich nach Abwägung aller Umstände
zu dem Ergebnis, dass die mit dem Währungsunion-
Finanzstabilitätsgesetz möglicherweise verbundenen
Folgen eher zu verantworten sind als ein Nichthandeln
und ein griechischer Staatsbankrott. Die Gefahr für die
Stabilität unserer Währung, die Gefahr für Aufschwung
und Arbeitsplätze in Deutschland durch einen Staats-
bankrott Griechenlands bedrohen die Bürger Deutsch-
lands unmittelbarer und härter.
Bei meiner Entscheidung, meine Bedenken zurückzu-
stellen, habe ich mich von folgenden Überlegungen lei-
ten lassen:
– Die Nothilfe für Griechenland ist ein absoluter Aus-
nahmefall. Aus der Europäischen Union darf und
wird keine Transferunion werden.
– Die Bundesregierung wird alles daransetzen, zu einer
Stärkung der Kontroll- und Eingriffsbefugnisse der
Europäischen Union gegenüber Mitgliedstaaten zu
kommen, die ihre Verpflichtungen nicht erfüllen.
– Die Bundesregierung wird alles daransetzen, im eu-
ropäischen Stabilitätspakt schärfere, nach verbindlich
beschriebenen Kriterien eintretende und damit von
politischen Rücksichtnahmen unabhängigere Sank-
tionen zur Ahndung von Verstößen zu verankern.
– Das Sanierungsprogramm der Regierung Griechen-
lands wird vom IWF und den europäischen Institutio-
nen strikt überwacht. Die Bundesregierung unterrich-
tet den Bundestag laufend über die Einhaltung der
getroffenen Vereinbarungen.
– Künftigen Krisen wird wirksamer als in der Vergan-
genheit vorgebeugt: durch strengere Regeln für Fi-
nanzinstitutionen und Finanzmärkte, die derzeit erar-
beitetet und in den nächsten Monaten in Deutschland,
Europa und möglichst weltweit in Kraft gesetzt wer-
den, und durch Reformen, die dem europäischen Sta-
bilitätspakt mehr Biss geben.
– In Europa werden Instrumente für eine geordnete
Staatsinsolvenz überschuldeter Staaten entwickelt.
Das Restrukturierungs- und Insolvenzsystem wird
eine systemische Risiken vermeidende Heranziehung
der Gläubiger entsprechend der von ihnen eingegan-
genen Risiken sicherstellen.
Dr. Erwin Lotter (FDP): Der Deutsche Bundestag
beschließt am heutigen Tage eine milliardenschwere Un-
terstützung für das in Not geratene EU-Mitglied Grie-
chenland. Dem entsprechenden Gesetz habe ich aus
übergeordneten Gesichtspunkten zugestimmt, insbeson-
dere um die Stabilität der Gemeinschaftswährung Euro
nicht zu gefährden und einen europaweiten finanzpoliti-
schen Flächenbrand zu verhindern.
Dessen ungeachtet möchte ich festhalten, dass Grie-
chenland einen Großteil der Verantwortung für die der-
zeitige Situation trägt. Ich bedaure. dass die Verhandlun-
gen der letzten Wochen nicht primär in Richtung einer
geregelten Insolvenz oder einer Umschuldung geführt
worden sind. Als Konsequenz steht das jetzige Vorgehen
ohne Alternative da, um einem ungeregelten Staatsbank-
rott Griechenlands zu entgehen. Es ist auch im Hinblick
auf die vertraglichen Regelungen zur Einführung des
Euro nicht unproblematisch, die eine „Rettung“ ver-
schuldeter Staaten durch die anderen Mitglieder der
Euro-Zone nicht vorsehen.
Es ist mir wichtig, die besondere Verantwortung zu
unterstreichen, die ich als Bundestagsabgeordneter ge-
genüber dem deutschen Steuerzahler habe, der letztlich
für die Kredite der Kreditanstalt für Wiederaufbau haf-
tet. Die Entscheidung ist mir daher persönlich schwerge-
fallen.
Ich fordere einen nachdrücklichen Einsatz des grie-
chischen Staates, der wirksame Maßnahmen ergreifen
muss, um sein Staatsdefizit in den Griff zu bekommen,
auch wenn dies bedauerlicherweise mit harten Einschnit-
ten für die griechischen Staatsbürger verbunden ist. Hier
ist ein Mentalitätswandel erforderlich, den Griechenland
sich selbst schuldig ist. Die jüngsten Ausschreitungen
haben leider Bedenken hinsichtlich der Zuverlässigkeit
der griechischen Zusagen geweckt. Es bleibt fraglich, ob
die Maßnahmen der Regierung von der Bevölkerung
mitgetragen werden. Die Umsetzung der Reformen und
entsprechenden Gesetze im Sinne der europäischen Ver-
antwortung und der Einhaltung vereinbarter Spielregeln
werden von uns selbstverständlich unterstützt.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 41. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Mai 2010 4109
(A) (C)
(D)(B)
Nach meiner Überzeugung ist es unverzichtbar,
bessere Überprüfungsmaßnahmen einzuführen und
Sanktionsmechanismen zu etablieren, um derartigen
Entwicklungen, die für die Gemeinschaftswährung be-
drohlich sind, künftig Einhalt zu gebieten. Es darf nicht
geschehen, dass das im Falle von Griechenland gewählte
Verfahren sich bei anderen gefährdeten Staaten der
Euro-Zone wiederholt; der übergreifende Notstand kann
keinesfalls zum Normalfall werden. Die Stabilitätsanfor-
derungen des Maastricht-Vertrages müssen das Bewusst-
sein aller europäischen Regierungen bestimmen und dür-
fen nicht zur bloßen Absichtserklärung verkommen. Das
heutige Gesetz muss auch in diesem Sinne als Warnung
verstanden werden und ein Einzelfall bleiben.
Oliver Luksic (FDP): Zur Abstimmung zum
Entwurf eines Gesetzes zur Übernahme von Gewährleis-
tungen zum Erhalt der für die Finanzstabilität in der
Währungsunion erforderlichen Zahlungsfähigkeit der
Hellenischen Republik (Währungsunion-Finanzstabili-
tätsgesetz – WFStG) der Fraktionen der CDU/CSU und
FDP auf Drucksache 17/1544 erkläre ich Folgendes:
Da es zum jetzigen Zeitpunkt kein Zeitfenster für Al-
ternativen mehr gibt, gilt es nicht nur aus Gründen der
europäischen Solidarität, die mögliche Destabilisierung
Griechenlands der Finanzmärkte und der europäischen
Wirtschaft zu verhindern, sondern auch deshalb, weil
dies wohl unkalkulierbare Kosten vor allem für den
deutschen Steuerzahler verursachen würde. Ich stimme
dem Gesetz trotz folgender Bedenken zu. Die Bundesga-
rantie für einen Kredit der KfW von bis zu 22,4 Milliar-
den Euro im Rahmen der von EU, EZB und IWF koordi-
nierten bilateralen Hilfe für die Hellenische Republik
halte ich politisch, ökonomisch und rechtlich für in ho-
hem Maße bedenklich. Aus guten Gründen haben die
Väter des Maastricht-Vertrages vermeiden wollen, dass
es zu einer Haftungs- bzw. einer Transferunion kommt.
Das WFStG ist de facto ein Bail-out Griechenlands und
stellt europapolitisch, ökonomisch und juristisch eine
Zäsur dar.
Kurzfristig mag der Euro so gestützt werden, mittel-
und langfristig wird die Stabilität des Euro durch diesen
Beschluss jedoch geschwächt. Die Akzeptanz des Euro
und der europäischen Integration in der Bevölkerung
wird durch diesen Beschluss nicht gefördert, insbeson-
dere wenn es trotz aller Bemühungen und Beteuerungen
dazu kommen sollte, dass Griechenland die Kredite
nicht zurückzahlen kann. Wenn Schulden geteilt werden,
sinkt die Eigenverantwortung. Ein Bail-out oder gar ein
wie auch immer gearteter „permanenter Krisenlösungs-
mechanismus“ führen meiner Überzeugung nach zu
weniger fiskalischer Disziplin und damit zu einer
Schwächung unserer gemeinsamen Währung, die für
Deutschland und Europa von großer Bedeutung und gro-
ßen Nutzen war und ist.
Nicht nur das Maastricht-Urteil des BVerfG, sondern
vor allem das europäische Recht mit Art. 125 AEUV
setzt den Hilfsmaßnahmen klare Grenzen. Was verfas-
sungsrechtlich vielleicht noch möglich ist, ist europa-
rechtlich jedoch in äußerstem Maße fragwürdig. Wenn
weder Art. 122 noch Art. 136 AEUV als Ausnah-
mebestimmungen hier greifen, ist die Vereinbarkeit des
WFStG mit EU-Recht weder was den Wortlaut, noch,
was den Geist des AEUV angeht, gegeben. Da diese Prü-
fung dem EuGH obliegt, könnte es zu dem Fall kom-
men, dass es ohne Kläger keinen Richter gibt, was recht-
lich und politisch hochproblematisch wäre. Gerade weil
die EU im Kern eine Rechtsgemeinschaft ist, halte ich
das vorliegende Gesetz für äußerst bedenklich.
Entscheidend ist, alles dafür zu tun dass die Kredite
zurückbezahlt werden und dass sich ein solcher Fall
nicht wiederholt. Vor allem durch die konsequente Hal-
tung der Bundesregierung kam es zu einer Beteiligung
des IWF und dem zweiten Sparpaket Griechenlands, was
im Rahmen der Möglichkeiten das wohl bestmögliche
Verhandlungsergebnis ist. Trotz meiner grundsätzlichen
Bedenken und meiner Zweifel, ob Griechenland aus der
Schuldenspirale herauskommt, stimme ich aus oben ge-
nannten Gründen dem vorliegenden Gesetz zu.
Die von EU und Bundesregierung angekündigte Stär-
kung des Stabilitätspaktes, der in der Vergangenheit auf-
geweicht und nun gebrochen wird, ist unabdingbar. Ne-
ben der Krisenprävention muss die Durchsetzbarkeit des
Paktes gestärkt werden. Auch der rechtlich bisher nicht
mögliche Ausschluss aus der Währungsunion als
schärfstes disziplinierendes Instrument darf in der Zu-
kunft europapolitisch jedoch nicht weiter tabuisiert wer-
den, wenn der Euro eine dauerhaft stabile Währung blei-
ben soll. Griechenland muss ein Sonderfall bleiben und
darf nicht zum Präzedenzfall werden.
Horst Meierhofer (FDP): Als Mitglied der FDP-
Bundestagsfraktion werde ich dem Gesetz zur Über-
nahme von Gewährleistungen zum Erhalt der für die Fi-
nanzmarktstabilität in der Währungsunion erforderlichen
Zahlungsfähigkeit der Hellenischen Republik, 17/1544,
sowie dem dazugehörigen Entschließungsantrag von
CDU/CSU und FDP zustimmenden. Ich möchte auf die-
sem Wege jedoch meine Bedenken mitteilen: Durch die
Hilfen erhöht sich die Verschuldung Griechenlands zu-
sätzlich; wie auf diese Weise die Zahlungsfähigkeit ver-
bessert werden kann, erscheint zumindest offen. Ob nach
der zugesagten Gewährleistung für drei Jahre eine Stabi-
lisierung erreicht sein wird, ist ebenso fraglich – ein Au-
tomatismus, dass die Hilfen danach fortgesetzt werden
müssen, darf sich hieraus nicht ergeben. Ob die Stabilität
des Euro dadurch gewinnt, dass die EU ihre Stabilitäts-
kriterien ignoriert bzw. Verstöße nicht sanktioniert, son-
dern heilt, wird sich auch erst zeigen müssen. Die wich-
tigste Lehre muss aber sein, schnellstmöglich dafür zu
sorgen, dass alle EU-Länder wissen, dass sie zukünftig
selbst für ihre finanziellen Verpflichtungen verantwort-
lich sind – zum Schutz des Euro.
Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU): Die Entscheidung
über das Währungsunion-Finanzstabilitätsgesetz, WFStG,
ist nicht leicht zu treffen. Ich stimme dem Gesetz mit
großen Bedenken zu. Eine Transferunion darf nicht ent-
stehen. Wie sie aber angesichts der Zwangssituation zu
vermeiden ist, bleibt abzuwarten. Aber: Es geht hier um
4110 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 41. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Mai 2010
(A) (C)
(D)(B)
Deutschland und nicht darum, griechischen Schlendrian
mit deutschem Steuergeld zu finanzieren.
Allerdings: Chancen und Risiken unseres Vorgehens
sind mangels historischer Vergleiche und Erfahrungen
nur eingeschränkt abzuwägen. Im Mittelpunkt dieser für
mich persönlich mit vielen Unsicherheiten behafteten
Abwägung steht der mit dem griechischen Staatsbank-
rott im Euro-Raum mit relativ höherer Wahrscheinlich-
keit verbundene Dominoeffekt und die zu befürchtende
neuerliche Vertrauenskrise. Nach reiflicher Überlegung
bin ich zu dem Schluss gekommen: Den Versuch, eine
solche Krise zu verhindern, muss man wagen. Gelingt er,
geht dies ohne Belastung unserer Steuerzahler, weil dann
die auf Basis unserer Garantien gewährten Kredite ver-
zinst und zurückgeführt werden.
Das Gelingen hängt ab vom Verhalten der Kreditge-
ber, von der Einigkeit der Regierungen im Euro-Raum,
von der Entschlossenheit der Griechen und der Durch-
setzungsfähigkeit des IWF. Der IWF spielt meines Er-
achtens eine Schlüsselrolle. Ohne ihn wäre ich in noch
größerer Sorge, ob es gelingen kann, die Griechen auf
den Pfad haushaltspolitischer Tugend zu führen. Hier
liegen meine eigentlichen Befürchtungen, befeuert durch
die Demonstrationen, Brände und Straßenschlachten in
der Hellenischen Republik.
Entscheidend für meine Zustimmung war auch, dass
wir die Bundesregierung nicht einfach ermächtigen, Ga-
rantien zu geben, sondern diese auch an den Reformfort-
schritt binden. Eine Generalermächtigung kam für mich
nicht infrage. Ich bin dem Bundestagspräsidenten für
seinen Einsatz an dieser Stelle ausdrücklich dankbar.
Europapolitik entkoppelt sich über viele Jahre von der
legislativen Kontrolle und vermeidet vorsätzlich – als
Handlungsfeld der Exekutive – die demokratische Rück-
bindung an die Parlamente. Das habe ich insbesondere
bei meiner Ablehnung des Lissabon-Vertrages bemän-
gelt. Vom Bundesverfassungsgericht wurde diese Sicht-
weise zwischenzeitlich bestätigt. Es möge sich jeder
selbst Gedanken machen, wie viel Anteil an den jetzt of-
fenkundigen Fehlentwicklungen darin zu suchen ist.
Ich kann mir aber an dieser Stelle einen weiteren
europapolitischen Seitenhieb nicht verkneifen: Es
stimmt, die Griechen haben beim Euro-Beitritt betrogen.
Die entscheidende Frage heißt aber: Wer war wirklich
gutgläubig? Klar könnte man die Schuld für die Zulas-
sung Griechenlands der damaligen rot-grünen Bundes-
regierung zuweisen. So einfach will ich es mir aber nicht
machen, auch wenn das taktische, unverantwortliche
Abstimmungsverhalten der SPD am heutigen Tage dazu
reizen würde.
Diese Entscheidung passt nämlich in eine Reihe von
europapolitischen Entscheidungen, bei denen Europa-
pathos und der Blick auf das „geschichtsträchtige große
Ganze“ Fakten und Realitäten verdrängten. Ich verweise
ausdrücklich auf die von mir mehrfach angemerkte zu
frühe Aufnahme Rumäniens und Bulgariens in die EU,
die Verhandlungen mit der Türkei, die weder geogra-
fisch noch kulturell zu Europa gehört. Auch der – Gott
sei Dank verhinderte – aktuelle Versuch, die Beteiligung
des IWF nicht zuzulassen, weil die Euro-Zone angeblich
ihre Probleme eigenständig lösen müsse, passt in diese
Reihe eines überhöhten Europaverständnisses. Mein
Vertrauen in die Gestaltungskraft des krisenerfahrenen
IWF ist jedenfalls ausgeprägter als das in den Durchset-
zungswillen etlicher, wegen eigener Haushaltsdefizite
befangener europäischer Regierungen. Meine Zustim-
mung zu dem Gesetz wird damit auch getragen von der
Hoffnung, dass wir unsere Lehren ziehen und sich un-
sere Europapolitik grundlegend ändert.
Es ist mir an dieser Stelle ein ausdrückliches Anlie-
gen, klarzustellen, dass der Euro selbst nicht das Pro-
blem ist. Problematisch ist der Umgang mit dem von
Finanzminister Dr. Theo Waigel in genialer Weise ver-
handelten Stabilitätspakt. Eigentlich hätte dieses Über-
einkommen die Basis und nicht das Anhängsel der Euro-
Einführung sein müssen, zu dem es nicht zuletzt die Re-
gierung Schröder gemacht hat. Ich schäme mich dafür,
dass es eine deutsche Bundesregierung, nämlich die von
Gerhard Schröder, war, die damit den Anstoß für die
Aufweichung des Stabilitätspaktes geliefert hat.
In Kenntnis der Haushaltslagen anderer Euro-Staaten
– und auch der in Deutschland – darf man nicht nur mit
dem Finger auf Griechenland zeigen. Wenn es uns mit
dieser Ermächtigung und der konsortialen Kreditgewäh-
rung durch die übrigen Euro-Staaten tatsächlich gelingt,
Vertrauen zu schaffen, haben wir Zeit gewonnen, aber
nicht alles erreicht. Wenn wir den Waigel’schen Stabili-
tätspakt nicht nachschärfen und durchsetzen, ist nichts
gewonnen. Anfangen sollten wir hier bei uns – in
Deutschland.
Gisela Piltz (FDP): Dem Währungsunion-Finanz-
stabilitätsgesetz stimme ich zu, weil ich die Notwendig-
keit erkenne, rasche Maßnahmen zur Stabilisierung der ge-
meinsamen Währung und mithin zur Sicherung auch der
deutschen Wirtschaft und zum Schutz der deutschen
Bürgerinnen und Bürger zu ergreifen, und davon über-
zeugt bin, dass Deutschland seinen Teil hierzu beitragen
muss.
Zugleich stelle ich aber fest, dass die Krise der ge-
meinsamen Währung aufgrund der Misswirtschaft in
Griechenland und die daraus folgenden Risiken auch für
die deutsche Wirtschaft und die deutschen Bürgerinnen
und Bürger mindestens teilweise hätten vermieden wer-
den können. Die Krisenmechanismen der EU im Bezug
auf die Überschuldung ihrer Mitgliedstaaten und die
Kontrolle der Einhaltung der Stabilitätskriterien durch
die einzelnen Mitgliedstaaten sind offensichtlich nicht
ausreichend. Es kann und darf nicht ohne Konsequenzen
bleiben, dass einzelne Mitgliedstaaten auf Kosten und
zulasten der übrigen Mitgliedstaaten – insbesondere auf
Kosten und zulasten der Menschen, die, wie in Deutsch-
land, selbst harte Einschnitte zu schultern haben und mit
ihrer Arbeit und ihren Steuern die finanzielle Hand-
lungsfähigkeit des Staates sicherstellen – über ihre Ver-
hältnisse leben. Es kann weiterhin nicht ohne Konse-
quenzen bleiben, dass einzelne Mitgliedstaaten die EU
darüber täuschen, wie die finanzielle Lage des Staats-
haushalts tatsächlich ist. Schließlich kann und darf es
nicht ohne Konsequenzen bleiben, dass diejenigen, die
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 41. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Mai 2010 4111
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(D)(B)
durch die Gewährung von riskanten und nicht gedeckten
Krediten Griechenland die immer weitere Aufnahme
von Schulden ermöglicht haben, hierfür die Verantwor-
tung auf die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler abwäl-
zen. Die Verantwortung der Finanzwirtschaft für die Ri-
siken spekulativer Geschäfte kann und darf nicht der
Staat übernehmen.
Ich stimme dem Gesetz zu, weil ich erwarte, dass den
Ankündigungen der Bundesregierung Taten folgen, sich
auf EU-Ebene für Regularien einzusetzen, die künftig
derartige Lagen erst gar nicht entstehen lassen. Ich er-
warte weiterhin, dass die Finanzwirtschaft in die Pflicht
genommen wird, künftig ihrer Verantwortung gerecht zu
werden und nicht durch spekulative Geschäfte die Fi-
nanz- und Währungsstabilität erneut zu gefährden.
Michael Roth (Heringen) (SPD): Europa ist wohl
endlich in der Mitte der nationalen Politik angekommen.
Daran ändern auch die hilflosen Versuche von CDU/
CSU und FDP nichts, im Begleitzug des medialen Bou-
levards wieder Mauern hochzuziehen und sich abzu-
schotten. Wir Europäer sitzen in einem Boot. Mit dem
internationalen Hilfspaket zur Stabilisierung Griechen-
lands wird nicht nur Solidarität geübt. Es geht ebenso
um die Stabilisierung des Euro und des europäischen
Wirtschaftsraumes, von dem maßgeblich Deutschland
dank seiner Exporte profitiert. Millionen Arbeitsplätze
in Deutschland wären bedroht, wenn es zu einem Flä-
chenbrand käme, der sich beispielsweise auf Spanien,
Portugal oder gar Großbritannien ausdehnte.
Die Europäische Union ist bislang daran gescheitert,
entsprechende Strategien und Instrumente zur Verhinde-
rung solcher Krisen zu entwickeln. Die absurden Vor-
schläge aus den Reihen von CDU/CSU und FDP sind
ein Zeichen von Renationalisierung und Entsolidarisie-
rung: Ausschluss Griechenlands aus der Euro-Zone oder
der EU, Verkauf von Inseln etc. Die Bundeskanzlerin hat
versagt, weil sie über Wochen blockiert und gezaudert
hat. Das hat die Krise unnötig verschärft und Griechen-
land weiter an den Abgrund getrieben. Bereits vor Mo-
naten hat die griechische Regierung erste massive Spar-
und Konsolidierungspakete geschnürt. Man muss sich
die Ausmaße dieser Anstrengungen einmal verdeutli-
chen: Hochgerechnet auf Deutschland wären von uns
100 Milliarden Euro Einsparungen jährlich zu erbringen.
Wären wir dazu wirklich bereit und in der Lage, solche
Einschnitte zu realisieren und unserer Bevölkerung zu-
zumuten?
Die Europäische Union und der IWF haben sich nun-
mehr auf ein Hilfspaket verständigt. Es muss umgehend
in Kraft treten und wirken. Aber es trägt wenig zur Ver-
hinderung ähnlicher Krisen in der Zukunft bei. Hierzu hat
die SPD eine Reihe von Vorschlägen unterbreitet: Speku-
lationen auf Währungen und Staaten sind einzudämmen,
die internationalen Finanzmärkte sind auch durch eine
entsprechende Steuer an den Kosten der Krise zu beteili-
gen, eine stärkere Kontrolle und Regulierung des interna-
tionalen Banken- und Finanzsystems ist überfällig. Die
Staatsfinanzen müssen von den Kapitalmärkten weitge-
hend entkoppelt werden. Die Euro-Zone leidet auch unter
den massiven wirtschaftlichen, beschäftigungspoliti-
schen und sozialen Ungleichgewichten. – Aus ideologi-
schen Gründen verschließen sich CDU/CSU und FDP
dieser Einsicht.
Dennoch erteile ich dem Gesetzesentwurf meine Zu-
stimmung. Ich bin davon überzeugt, dass er unter den
obwaltenden Umständen die notwendige Antwort auf
die Krise ist. Ein deutliches, auch von der deutschen So-
zialdemokratie als der Europapartei getragenes Zeichen
der Solidarität in Richtung Griechenland und Europäi-
sche Union halte ich für zwingend. Deshalb stimme ich
zu, unabhängig davon, dass die Bundesregierung und die
sie tragenden Fraktionen europapolitisch versagt und
sich zur zukünftigen Verhinderung solcher Krisen soli-
darischen, gerechten und europäischen Antworten ver-
weigert haben.
Björn Sänger (FDP): Die Notwendigkeit der heuti-
gen Abstimmung ist das Ergebnis einer Politik, die öko-
nomische Notwendigkeiten vor dem Hintergrund des
Ziels der europäischen Einigung ausgeblendet hat. Mit
dem vorliegenden Gesetzentwurf und den Maßnahmen,
die er unterstützen soll, kann lediglich ein Zeitgewinn
zur Reparatur des ökonomisch missglückten Maastricht-
Vertrags erreicht werden. Um diesen Zeitgewinn durch
eine kurzfristige Stabilisierung unserer gemeinsamen
Währung geht es bei dieser Abstimmung.
Ginge es nur um Griechenland, stünde meine Ent-
scheidung fest. Einem Partner, der von Beginn an durch
Abgabe falscher Daten das Vertrauen der Mitstreiter in
der Schicksalsgemeinschaft Euro missbraucht hat, der
über Jahre hinweg deutlich über seine Verhältnisse ge-
lebt hat, kann auch mit viel gutem Willen nicht geholfen
werden. Trotz der anerkennenswerten erheblichen und
für die griechische Bevölkerung schmerzhaften Konsoli-
dierungsschritte der griechischen Regierung haben die
Griechen zum Teil Errungenschaften, die es in Deutsch-
land bei wesentlich höherer wirtschaftlicher Ertragskraft
niemals gegeben hat. Das Motto „Wer arbeitet, muss
mehr haben als der, der nicht arbeitet“ muss nicht nur
unter den Bürgern innerhalb eines Landes gelten, muss
auch in der Gemeinschaft der Staaten der Europäischen
Union seine Anwendung finden.
Durch die im Gesetzentwurf vorgesehenen Maßnah-
men wird aus meiner Sicht ein Zeitgewinn von drei Jah-
ren erzielt. Er ist die einzige Chance, nicht abseh- und
beherrschbare Verwerfungen auf den Finanzmärkten ab-
zuwenden, und bietet Griechenland die Möglichkeit,
verlorenes Vertrauen wiederzugewinnen. Die Einbin-
dung des IWF, der den mit den Griechen vereinbarten
eingeschlagenen Konsolidierungskurs regelmäßig über-
wacht und die Daten auf ihre Validität überprüft, sorgt
dafür, dass das Risiko der Inanspruchnahme der im Ge-
setz gewährten Bürgschaften minimiert ist. Diese Siche-
rungen sind das absolute Minimum dessen, worauf der
deutsche Steuerzahler einen Anspruch hat.
Der durch die Hilfsmaßnahmen erwirtschaftete Zeit-
gewinn muss zwingend dazu genutzt werden, die Kon-
struktionsfehler des Maastricht-Vertrags zu beseitigen.
Hierzu gehören Sanktionsmaßnahmen, die bei der Ver-
4112 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 41. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Mai 2010
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letzung bestimmter Kriterien automatisch greifen. Eine
den Sanktionen vorgeschaltete, politische Debatte mit
Abstimmung etwa auf EU-Ebene darf es in diesen Fra-
gen nicht geben. Der Verstoß gegen die vereinbarten Re-
geln muss durch eine unabhängige Institution festgestellt
werden, die sodann die festgelegten Sanktionen einleitet.
Zu den möglichen Sanktionen muss auch ein Sonderbe-
auftragter gehören, der für einen bestimmten Zeitraum in
den währungsrelevanten Politikfeldern die alleinigen
Befugnisse erhält. Als Ultima Ratio muss es der Staaten-
gemeinschaft in der Euro-Zone möglich sein, ein Mit-
glied auch auszuschließen. Das Selbstbestimmungsrecht
der Völker ist ein hohes und wichtiges Gut. Es endet
aber dort, wo das eigene jahrelange Fehlverhalten die
Existenzgrundlagen anderer Völker innerhalb der Wäh-
rungsunion bedroht.
Im Vertrauen darauf, dass die nunmehr verbleibende
Zeit genutzt wird, um den Maastricht-Vertrag so zu än-
dern, dass aus der Währungsunion nicht eine dauerhafte
Transferunion wird, werde ich diesem Gesetzentwurf zu-
stimmen, um in der jetzigen Situation dauerhaften und
nicht absehbaren Schaden von der gemeinsamen Wäh-
rung Euro und der deutschen Bevölkerung kurzfristig
abzuwenden. Diese Entscheidung ist kein Freibrief für
eventuell anstehende ähnliche Entscheidungen in der
Zukunft.
Frank Schäffler (FDP): Bevor wir hier über so ei-
nen wichtigen Gesetzentwurf abstimmen, mache ich von
meinem Recht Gebrauch, mein Abstimmungsverhalten
zu begründen:
Das gemeinsame Europa hat gemeinsame Ziele, die
durch gemeinsame Regeln erreicht werden sollen. Diese
Regeln sollten für alle gleich sein. Sonderrechte zerstö-
ren die europäische Idee. Die Stabilität des Euro ist eine
tragende Säule unserer marktwirtschaftlichen Ordnung.
Die Solidarität bewährt sich in der Solidität der Mit-
gliedsländer des Euro-Raumes. Deshalb ist nicht der un-
solidarisch, der Sonderrechte verweigert, sondern der,
der zulasten anderer Regeln dauerhaft verletzt hat und
damit den Euro insgesamt in Gefahr bringt.
Die rechtliche Bewertung: Die Vereinbarungen vom
11. Februar, 25. März und 11. April 2010 der Staats- und
Regierungschefs und der Finanzminister des Euro-Rau-
mes zerstören diese Solidarität und brechen die gemein-
samen Regeln. Nach Art. 125 AEUV haften weder die
Union noch einzelne Mitgliedstaaten für Verbindlichkei-
ten eines Mitgliedstaates und treten auch nicht für dessen
Verbindlichkeiten ein. Ein Bail-out Griechenlands wi-
derspricht dieser Klausel. Er widerspricht der Stabilitäts-
orientierung des Euro. EU und Regierungen sind dafür
da, Recht zu sichern und es nicht zu schleifen.
Die ökonomische Bewertung: Das ist aber nur die
eine Seite der Medaille. Die andere Seite ist, dass damit
die Wirtschaftsverfassung geändert wird. Mit dem Bail-
out werden Verantwortung und Haftung außer Kraft ge-
setzt und die Risiken sozialisiert. Nicht die Spekulanten
sind das Problem, sondern der Bai-out ist das Problem.
Nur durch den Bail-out lohnt es sich für Geschäftsban-
ken, griechische Anleihen zu kaufen, weil diese dann
wissen, dass dieses Geschäftsmodell nicht zusammen-
brechen kann. Das pervertiert die marktwirtschaftliche
Ordnung, und es setzt Anreize für einzelne Staaten, sich
weiter zu verschulden.
Das vereinbarte Sparpaket des IWF und der Euro-
Zone wird Griechenland nicht helfen, da es die Ursache
der Probleme Griechenlands nicht löst.
Erstens. Selbst wenn das Sparpaket bis 2014 vollstän-
dig umgesetzt wird, steigt die Verschuldung Griechen-
lands gegenüber 2009 weiter an. Griechenland steckt in
der Verschuldungsfalle. Diese wird dazu führen, dass
sehr wahrscheinlich die Staatsverschulung am Ende des
Hilfspaketes eher bei 130 Prozent im Verhältnis zum
Bruttoinlandsprodukt liegt, als bei 115 Prozent (2009).
Rund 10 Milliarden Euro des Sparpaketes sind ausdrück-
lich nicht spezifizierte Kürzungen im Haushalt Grie-
chenlands. Also ein Drittel des Sparpaketes liegt im Ne-
bel.
Zweitens. Griechenland wird nicht in der Lage sein,
mit seiner Wirtschaft die Mittel zu erwirtschaften, die
zur Schuldenreduzierung notwendig sind, solange Grie-
chenland Mitglied der Euro-Zone ist. Notwendig wäre
dafür ein Produktivitätsfortschritt der griechischen Wirt-
schaft von mindestens 30 Prozent, der in dieser kurzen
Zeit nicht erreicht werden kann.
Beides sind die notwendigen Bedingungen, dass Grie-
chenland überhaupt in die Lage versetzt wird, sich wie-
der ausreichend an den Finanzmärkten zu refinanzieren.
Deshalb ist die Hilfe der Einstieg in die Transferunion,
der die Stabilität des Euro gefährdet und damit die kol-
lektive Verantwortungslosigkeit im Euro-Raum beför-
dert. Dies wird unweigerlich Einfluss auf die Geldwert-
stabilität in unserem Land haben. Damit werden das
Sparvermögen von Millionen Menschen und die Investi-
tionsentscheidungen von Tausenden von Unternehmen
infrage gestellt.
Diesem Handeln kann ich im Interesse unserer Bürge-
rinnen und Bürger nicht meine Zustimmung erteilen.
Deshalb stimme ich gegen diesen Gesetzentwurf.
Dr. Angelica Schwall-Düren (SPD): Die Bundes-
regierung hat durch ihr unverantwortliches Verhalten,
ihre Verzögerung, ihr Taktieren und die fehlende Ein-
sicht, dass Griechenland dringend unsere Hilfe braucht,
unser Land international und in Europa isoliert und die
Spekulationen der Finanzmärkte angeheizt.
Ich halte es für völlig unzureichend, dass die Koali-
tionsfraktionen nicht bereit sind, entscheidende Maßnah-
men zur Vermeidung von zukünftigen Krisen des inter-
nationalen Finanzsystems, daraus folgenden Krisen in
der Realwirtschaft und Krisen bei den Staatshaushalten
zu beschließen.
Die Krise des griechischen Staatshaushalts ist eine
Krise, die Bedeutung weit über die kleine griechische
Volkswirtschaft hinaus hat. Abgesehen von den hausge-
machten Ursachen einer nicht tragfähigen Verschuldung,
einer Verschleppung von Modernisierungsprojekten und
einer überhöhten Inflationsrate, war Griechenland in den
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 41. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Mai 2010 4113
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(D)(B)
letzten Monaten Spekulationsangriffen der internationa-
len Finanzakteure ausgesetzt. Wenn die Krise und die
Spekulationen nicht eingedämmt werden, besteht die
Gefahr, dass ein Flächenbrand entsteht und weitere Län-
der in den Fokus der Hedgefonds geraten und schließlich
die gesamte Währungsunion destabilisiert wird.
Jeder Versuch der Länder der Euro-Zone oder der
Kommission, die Spekulanten durch Hilfszusagen für
Griechenland zu stoppen, wurde von der Bundesregie-
rung torpediert. Durch die gebetsmühlenhaften Behaup-
tungen, Griechenland müsse erst einmal seine Hausauf-
gaben machen und ein Sparpaket vorlegen, wurden die
Hilfen infrage gestellt und die Spekulanten geradezu ein-
geladen, weiter auf einen Staatsbankrott zu wetten.
Anstatt die deutsche Bevölkerung über die Fakten
und die Notwendigkeit zur Hilfe aufzuklären, wurde sei-
tens der Bundesregierung und der sie tragenden Parteien
keine Gelegenheit ausgelassen, die billigsten Ressenti-
ments und Vorurteile, Falsch-und Fehlmeldungen, die in
einer beispiellosen Hetzkampagne einiger deutscher Me-
dien über Wochen publiziert wurden, zu bedienen und zu
verstärken. Der einzige Grund war: Sie glaubten, damit
in den Landtagswahlen NRW punkten zu können.
Die Hinhaltetaktik der deutschen Bundesregierung
hat nicht nur dazu geführt, dass für die zuletzt ausgege-
benen griechischen Staatsanleihen durch Spekulationen
getriebene überhöhte Zinsen bezahlt werden müssen,
sondern auch dazu, dass der Hilfsmechanismus in Gang
gesetzt werden musste und die daraus resultierenden
Bürgschaften höher ausfallen, als sie sonst hätten ausfal-
len müssen.
Bis vor wenigen Tagen hat die Bundesregierung den
Eindruck erweckt, dass es sich bei dem Hilfspaket um
direkte Zahlungen aus dem Bundeshaushalt handelt und
nicht um eine Bürgschaft für Kredite, an denen die KfW
und damit die deutschen Steuerzahlerinnen und Steuer-
zahler gut verdienen werden. Und sie hat den Eindruck
erweckt, als ob nicht die griechische Regierung und das
griechische Parlament weitreichende Maßnahmen ergrif-
fen haben, sondern dass erst die Verweigerungshaltung
der deutschen Regierung dazu geführt hat, dass über-
haupt Maßnahmen ergriffen wurden.
Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat auch aus der
Finanz- und Wirtschaftskrise keine Lehren gezogen. Sie
weigert sich aus ideologischen Gründen, die Verursacher
und Profiteure der Krise an den Kosten zu beteiligen. Sie
weigert sich, die Finanzmärkte so zu regulieren, dass
Spekulationen eingedämmt werden und vom Finanzsek-
tor künftig keine Gefahren für die Realwirtschaft oder
ganze Währungsräume mehr entstehen können. Es ist
schwer zu ertragen, dass diejenigen, die die Finanz-und
Wirtschaftskrise verursacht haben, auch jetzt wieder von
der Krise, in die sie die Euro-Zone hineinmanövriert ha-
ben, von den Hilfsmaßnahmen profitieren werden, weil
Deutschland keinerlei ernsthafte Anstrengungen unter-
nimmt, die Kapitalmärkte zu regulieren und den Finanz-
sektor an den Kosten zu beteiligen.
Dabei ist es höchste Zeit, dass die Bundesregierung
aktiv wird, um die Finanzmärkte zu regulieren, die
Finanzakteure an den durch sie verursachten Kosten zu
beteiligen und für eine wirtschaftspolitische Koordinie-
rung in der EU zu sorgen, damit auf Dauer Leistungs-
bilanzungleichgewichte eingedämmt werden – siehe
Forderungen im Entschließungsantrag der SPD. Dies ist
im gesamteuropäischen und damit im deutschen Inte-
resse.
Ich bin darüber hinaus der Überzeugung, dass die
Mitgliedstaaten der Währungsunion und Deutschland
dringend gefordert sind, der griechischen Regierung
jetzt mit dem vereinbarten Hilfspaket zur Seite zu ste-
hen. Die Bundesregierung hat aus meiner Sicht mit ihrer
über viele Wochen wahltaktisch bedingt zögerlichen und
widersprüchlichen Haltung massiv die bereits verab-
schiedeten tiefgreifenden Sparmaßnahmen der griechi-
schen Regierung gefährdet. Sie hat es zugelassen, dass
der Euro immer stärker unter Druck gerät. Damit wird
der Wohlstand der gesamten Währungsunion und damit
auch Deutschlands in Gefahr gebracht. Jüngste Herab-
stufungen Griechenlands, Portugals und Spaniens durch
Ratingagenturen zeigen die Dramatik der Situation auf.
Hilfe ist nötig, damit diese Entwicklungen gestoppt wer-
den.
Die von Giorgos Papandreou geführte sozialdemokra-
tische Regierung in Athen hat im vergangenen Oktober
von den Konservativen eine noch nie dagewesene
Staatsverschuldung übernommen und das tatsächliche
griechische Haushaltsdefizit veröffentlicht. Papandreou
hat dadurch die politische Verantwortung für die Miss-
stände der vergangenen Jahrzehnte übernommen. Seit-
dem befindet sich das Land in einem Rennen gegen die
Zeit und gegen die Spekulation. Die griechische Regie-
rung hat in kürzester Zeit eine ganze Serie von Gesetzen
mit drastischen Maßnahmen verabschiedet, um die
Staatsverschuldung zu verringern. Diese Reformen wer-
den tiefgreifende Auswirkungen auf die Menschen in
Griechenland haben. Griechenland benötigt jetzt drin-
gend die Unterstützung der EU-Staaten. Mit meiner Zu-
stimmung zum Gesetz möchte ich ein Zeichen der Soli-
darität mit dem griechischen Volk setzen.
Dr. Hermann Otto Solms (FDP): Erstens. Ange-
sichts der Situation in Griechenland muss festgestellt
werden, dass der Europäische Stabilitäts- und Wachs-
tumspakt nicht in der Lage war, die in ihn gesetzten Er-
wartungen zu erfüllen. Der Versuch, die Mitgliedstaaten
auf eine nachhaltige Finanzpolitik zu verpflichten, ist
gescheitert. Die griechische Haushalts- und Finanzpoli-
tik hat die europäischen Stabilitätserfordernisse nicht er-
füllt. Überdies hat das Land nach wie vor große Struk-
turprobleme. Diese Umstände waren den zuständigen
Institutionen seit langem bekannt, ohne dass daraus an-
gemessene Konsequenzen gezogen worden wären. Spä-
testens als infolge der Finanzkrise die Märkte auf die
sich verschlechternde Zahlungsfähigkeit Griechenlands
reagierten, wäre es höchste Zeit gewesen, dem Stabili-
täts- und Wachstumspakt nachdrücklich Geltung zu ver-
schaffen und die unumgänglichen strukturellen Anpas-
sungsmaßnahmen zur Konsolidierung der griechischen
Staatsfinanzen zu ergreifen. Es ist meine persönliche
Überzeugung, dass ein Strukturanpassungsprogramm
4114 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 41. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Mai 2010
(A) (C)
(D)(B)
und eine Umschuldung mithilfe des IWF – so wie es
Griechenland in der Vergangenheit vor dem Beitritt zur
Euro-Zone mehrfach gemacht hat – bereits damals gebo-
ten war. Das hätte das Vertrauen der Märkte wieder her-
gestellt. Aber weder die europäischen Institutionen noch
die damalige schwarz-rote Bundesregierung haben auf
die Situation in Griechenland angemessen reagiert. Eine
Umschuldung hätte im Übrigen die Anleger, wie zum
Beispiel Banken und Versicherungen, die in griechische
Staatsanleihen investiert haben, automatisch mit in die
Haftung genommen. Dieser Weg ist jetzt versperrt.
Durch Untätigkeit ist nun eine Lage entstanden, aus der
sich Griechenland aus eigener Kraft nicht mehr befreien
und in der eine Umschuldungsvereinbarung die kurzfris-
tige krisenhafte Zuspitzung nicht mehr verhindern kann.
Zweitens. Mit den heute zu beschließenden Bürg-
schaften kaufen wir für die nächsten drei Jahre eine
Frist, um den drohenden Zahlungsausfall Griechenlands
abzuwenden. Das Problem ist damit nicht gelöst. Aber
wir gewinnen Zeit, um einen Lösungsweg zu eröffnen.
Griechenland muss dieses Zeitfenster nutzen, um die mit
dem IWF und der Europäischen Kommission im Auftrag
der Mitgliedstaaten unter Mitwirkung der Europäischen
Zentralbank vereinbarten Auflagen zu erfüllen. Nur so
kann das verloren gegangene Vertrauen der Märkte wie-
der hergestellt werden.
Drittens. Die Finanzhilfen durch IWF und Währungs-
union setzen den Druck der Märkte auf die griechischen
Finanzierungsbedingungen vorübergehend außer Kraft.
Das darf nicht zu einem Präzedenzfall für die Zukunft
werden, sondern muss eine einmalige Notfallaktion blei-
ben. Wir müssen mit aller Kraft verhindern, dass es
innerhalb der Euro-Zone zu einer Finanzausgleichs-
automatik kommt. Deshalb ist ein europäischer Wäh-
rungsfonds abzulehnen. Wir wollen keine Transferunion,
die die schädlichen Wirkungen des deutschen Länder-
finanzausgleichs auf europäische Dimensionen über-
trägt. Damit würden die Steuerzahler der stabilitätsorien-
tierten Länder zur Kasse gebeten und müssten für den
Schlendrian und die Schulden der übrigen Länder auf-
kommen. Es ist Aufgabe der Bundesregierung, die deut-
schen Steuerzahler vor einem solchen Mechanismus zu
schützen.
Viertens. Die Glaubwürdigkeit des Stabilitäts- und
Wachstumspaktes ist durch die unsolide Finanzpolitik
Griechenlands und anderer Unionsstaaten massiv er-
schüttert worden. Dem hat die rot-grüne Bundesregie-
rung durch die Aufweichung der Stabilitätskriterien im
Frühjahr 2005 Vorschub geleistet. Schon der Aufnahme
Griechenlands in den Währungsverbund hätte der dama-
lige Bundeskanzler Schröder widersprechen müssen.
Europa als Ganzes muss jetzt den Stabilitäts- und
Wachstumspakt von Grund auf erneuern. Er wurde ur-
sprünglich nur als Präventionsinstrument konzipiert. Er
sollte verhindern, dass es überhaupt zu einer solchen Si-
tuation kommt. Die Krise in Griechenland hat offenbart,
dass es nicht ausreicht, allein auf Prävention zu setzen.
Neben einer verbesserten Prävention braucht die Euro-
päische Währungsunion neue Instrumente, die im Kri-
senfall stabilisieren, Sanktionen auslösen und gegebe-
nenfalls ein geregeltes Verfahren zur Umschuldung in
Gang setzen. Nur durch eine glaubwürdige No-bail-out-
Androhung können die einzelnen Staaten zu einer seriö-
sen und soliden Haushalts- und Finanzpolitik gezwun-
gen werden, weil sie dann nicht mehr mit Hilfsaktionen
der Partnerländer rechnen können.
Fünftens. Der von CDU/CSU und FDP vorgelegte
Entschließungsantrag macht in beide Richtungen kon-
krete Verhandlungsvorschläge. Außerdem erhöht er
grundsätzlich die Hürden für den Beitritt weiterer Län-
der in die Währungsunion. Insgesamt halte ich die im
Entschließungsantrag genannten Maßnahmen für eine
geeignete Verhandlungsgrundlage, endlich einen funk-
tionsfähigen Stabilitäts- und Wachstumspakt zu verein-
baren. Die konkrete Ausgestaltung muss allerdings erst
zwischen den europäischen Partnern verhandelt und be-
schlossen werden. Das ist noch ein langer Weg.
Sechstens. Der vorliegende Gesetzentwurf leistet kei-
nen Beitrag zur Lösung der ursächlichen Probleme, son-
dern verschafft Griechenland lediglich einen zeitlichen
Aufschub und eröffnet Handlungsspielräume. Das Hilfs-
paket für Griechenland ist ein Wechsel auf die Zukunft,
der große Hoffnungen und Vertrauen in das Handeln der
griechischen Regierung und Bevölkerung setzt. Ob die-
ser Aufschub genutzt wird, die zugrunde liegenden Pro-
bleme anzugehen, wird erst die Zukunft erweisen.
Ich stimme dem Gesetzentwurf in Verbindung mit
dem Entschließungsantrag trotz der oben genannten Be-
denken zu, weil dadurch die Chance eröffnet wird, end-
lich einen glaubwürdigen und tragfähigen Stabilitäts-
und Wachstumspakt auf den Weg zu bringen und die in
der Vergangenheit begangenen Fehler für die Zukunft
auszuschließen.
Torsten Staffeldt (FDP): Ich erkläre, dass ich trotz
schwerer Bedenken dem oben genannten Gesetzentwurf
zustimme.
Meine Bedenken resultieren aus meiner persönlichen
Einschätzung der mit der Ausführung dieses Gesetzes
verbundenen Risiken. Der hoffentlich nicht eintretende
Fall der Inanspruchnahme der Garantie – Bürgschaft –
durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau, KfW, für die
Finanzierung der griechischen Staatsschulden verursacht
eine Belastung der deutschen Steuerzahler von mindes-
tens 22,4 Milliarden Euro. Dies entspricht nach meiner
überschlägigen Berechnung dem Aufkommen aus der
Einkommensteuer von drei Monaten, bezogen auf alle
deutschen steuerpflichtig arbeitenden Menschen. Das
heißt, im schlimmsten Falle – der Inanspruchnahme der
Bürgschaft – müssen die Deutschen ein Vierteljahr ar-
beiten, um Griechenland zu helfen.
Des Weiteren bezweifele ich, dass die griechische Re-
gierung das nötige Durchhaltevermögen besitzt, die not-
wendigen Einsparungen konsequent umzusetzen. Ge-
rade als Abgeordneter aus einem Haushaltsnotlageland
weiß ich, dass die Verlagerung der Schulden auf andere
nicht unbedingt zu den Verhaltensänderungen führt, die
notwendig sind, um dauerhaft eine Krise zu bewältigen
und aus ihr die richtigen Lehren zu ziehen.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 41. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Mai 2010 4115
(A) (C)
(D)(B)
Schließlich halte ich es für falsch, dass durch diesen
Schritt die Tür für einen gravierenden Wechsel der Ziele
der Europäischen Union geöffnet wird. Die EU wurde
ursprünglich als Wirtschaftsunion mit dem Ziel gegrün-
det, durch den freien Handel ein Zusammenwachsen der
Europäer und damit dauerhaften Frieden in Europa zu
erreichen. Durch diesen – ersten – Schritt wandelt sich
die EU von einer Friedens- und Wirtschaftsunion mit
gemeinsamer Währung für einige Länder zu einer Trans-
ferunion. Dies kann und darf nicht das Ziel sein, da die
daraus resultierenden Begehrlichkeiten zu einer dauer-
haften Fehlorientierung verleiten. Diejenigen, die versu-
chen, sich an die Maastricht-Kriterien zu halten, werden
für ihre Anstrengungen bestraft, indem sie diejenigen
finanzieren, die diese Kriterien nicht einhalten können
oder wollen. Das ist nicht hinnehmbar.
Stephan Stracke (CDU/CSU): Griechenland ist fak-
tisch bankrott. Eine Refinanzierung ist an den Finanz-
märkten derzeit nicht möglich. Ursächlich hierfür ist ne-
ben einer aktuellen Spekulationswelle vor allem die
langjährige unverantwortliche Schuldenpolitik Grie-
chenlands über seine Verhältnisse.
Mit den deutschen Notkrediten für Griechenland mu-
ten wir unserer Bevölkerung viel zu; denn in letzter
Konsequenz ist es der deutsche Steuerzahler, der für die
falsche Finanz- und Wirtschaftspolitik Griechenlands
einsteht. Eine Transferunion darf nicht entstehen. Ein
Automatismus, dass ein notleidender Staat in der Euro-
Zone jederzeit auf die Unterstützung der anderen Mit-
gliedstaaten zählen kann, wäre fatal und im Grunde nicht
verantwortbar finanzierbar. Deshalb kann die Unterstüt-
zung für Griechenland nur das sein, was sie ist: ein Aus-
nahmefall.
Meine Entscheidung, dem Währungsunion-Finanz-
stabilisierungsgesetz zuzustimmen, ist das Ergebnis ei-
ner Abwägung. Historische Vergleiche und Erfahrungen
im Umgang mit einem Staatsbankrott in der Euro-Zone
bestehen nicht. Daher sind Chancen und Risiken nur ein-
geschränkt abzuwägen und eine Prognose nur schwer zu
treffen. Im Mittelpunkt meiner für mich persönlich mit
vielen Unwägbarkeiten behafteten Abwägung steht die
Überlegung, dass eine Insolvenz Griechenlands mit rela-
tiv höherer Wahrscheinlichkeit einen Flächenbrand auf
andere notleidende Staaten in der Euro-Zone und eine
neuerliche Vertrauenskrise auslösen würde. Die Auswir-
kungen auf Deutschland wären bei Weitem gravierender.
Daher bin ich persönlich zu dem Schluss gekommen:
Den Versuch, eine solche Krise zu verhindern, muss man
wagen.
Das Gelingen hängt maßgeblich von der Entschlos-
senheit der Griechen, der Durchsetzungsfähigkeit des
IWF, von der Geschlossenheit der Regierungen im Euro-
Raum und vom Verhalten der Kreditgeber ab. Dabei
kommt es vornehmlich auf die Griechen selbst an. Deren
bisheriges Verhalten schürt bei mir ein tiefsitzendes
Misstrauen, dass sie wirklich auf breiter gesellschaftli-
cher Basis willens sind, das wirtschafts- und finanzpoli-
tisch Notwendige dauerhaft zu leisten. Daher kommt
meines Erachtens dem IWF eine Schlüsselrolle zu. Er
hat die Erfahrung und die Gestaltungskraft im Umgang
mit notleidenden Staaten. Ohne ihn wäre ich in noch
größerer Sorge, dass die Nothilfe gelingen kann. Jeden-
falls ist mein Vertrauen in die Durchsetzungskraft des
IWF größer als in die etlicher Regierungen in der Euro-
Zone, die mit nicht unerheblichen eigenen Haushalts-
defiziten beschwert sind. Daher ist es gut und richtig,
dass der IWF nach anfänglichem Zögern so mancher
maßgeblich beteiligt ist.
Richtig und für meine Zustimmung unabdingbar ist
auch, dass die Bundesregierung nicht einfach ermächtigt
wird, Garantien zu geben, sondern dass der Reformfort-
schritt Geschäftsgrundlage für deren Handeln ist. Eine
solche Bindung hat vor allem mit dem Selbstverständnis
des Deutschen Bundestages selbst zu tun. Daher be-
danke ich mich ausdrücklich beim Bundestagspräsiden-
ten für seinen Einsatz an dieser Stelle.
Wenn es uns durch die konditionale Kreditgewährung
gelingt, Vertrauen zu schaffen, haben wir Zeit gewon-
nen. Diese gilt es unverzüglich zu nutzen. Wir müssen
den von Finanzminister Dr. Theo Waigel verhandelten
und von der Regierung Schröder maßgeblich aufge-
weichten Stabilitätspakt nachschärfen sowie passgenaue
Instrumente zu dessen Durchsetzung hinzufügen. Und
wir müssen – zumindest mittelfristig – auch denjenigen
einen Teil der Last aufbürden, die mit Staatsanleihen
notleidender Staaten viel Geld verdient haben. Nur so
lässt sich das Verantwortungsbewusstsein der Finanz-
investoren schärfen.
Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN): Dem Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen
stimme ich nicht zu. Ich stimme mit Enthaltung. Die Ge-
währung von Garantien für Kredite der staatlichen KfW-
Bank an Griechenland halte ich grundsätzlich für richtig
und notwendig – auch in der im Gesetzentwurf vorgese-
henen Höhe. Falsch und nicht zu verantworten ist aber,
dass die Kredite aus Steuermitteln den privaten Groß-
banken zugutekommen. Deren Risiken werden über-
nommen und Renditen sowie Spekulationsgewinne ga-
rantiert. Also Kredite für die griechische Bevölkerung:
Ja. Für die großen privaten Gläubiger: Nein. Dies mache
ich durch meine Enthaltung deutlich.
Kredite und Garantien in Milliardenhöhe aus Steuer-
mitteln dürfen nur gegeben werden, wenn die privaten
Großbanken zur Kasse gebeten und an der Bezahlung
der Hilfen echt beteiligt werden. Dazu muss die Bundes-
regierung die Initiative ergreifen, um den Bankensektor
zu regulieren und eine Finanztransaktionsteuer einzufüh-
ren.
Auch für mich ist das Bekenntnis zur Europäischen
Union und zum Prinzip der innereuropäischen Solidari-
tät zentral wichtig Auch ich halte es für notwendig, dass
die EU-Länder sich gegenseitig helfen, wenn ein Land in
Not gerät, und auch ich will der Bevölkerung Griechen-
lands in der jetzigen Notsituation beistehen. Staatlich ga-
rantierte deutsche Kredite können ein Mittel sein, um der
Finanznot Griechenlands entgegenzuwirken, und gerade
den sozial Schwachen helfen.
4116 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 41. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Mai 2010
(A) (C)
(D)(B)
Aber Hilfen aus Mitteln der deutschen Steuerzahler
müssen verantwortbar sein. Das sind sie nicht, wenn
diese wieder den privaten Großbanken zufließen. Die
staatlichen Kredite dürfen deshalb nur an Griechenland
geben werden, wenn sie im Rang vor den Krediten der
Großbanken und privaten Gläubiger bedient werden.
Alle staatlichen Kredite nebst Zinsen müssen also zu-
rückgezahlt sein, bevor die privaten Gläubiger Geld er-
halten. Die bisherigen Großgläubiger, also die Banken,
tragen so nur weiter das Risiko, das sie bei Hingabe der
Kredite an Griechenland eingegangen sind. Sie lassen
sich das erhöhte Risiko ja auch durch hohe Zinsen be-
zahlen. Ohne die staatlichen Krediten hätten die bisheri-
gen privaten Großgläubiger das eingesetzte Kapital jetzt
ganz oder zum großen Teil verloren, da Griechenland die
Kredite aus eigenen Kraft nicht mehr zurückzahlen
kann. Durch die internationalen staatlichen Kredithilfen
und die Garantien werden die Kapitaleinlagen der Groß-
banken und sogar deren hohe Rendite gerettet. Da ist es
recht und billig, wenn diese das höhere Risiko tragen
und vielleicht nicht alle Zinsen und alles Kapital zurück-
erhalten.
Die Kredite und Garantien aus Steuermitteln müssen
auch ordnungsgemäß in den Bundeshaushalt aufgenom-
men werden. Der Deutsche Bundestag ist nicht nur über
die Entwicklung des Kreditgeschäfts laufend zu unter-
richten. Ohne seine Zustimmung, dürfen die Kredite nicht
gewährt werden.
Dr. Johann David Wadephul (CDU/CSU): Dem
Gesetzentwurf stimme ich nur mit Bedenken zu.
Die europarechtliche Zulässigkeit ist Zweifeln ausge-
setzt. Art. 125 AEUV soll die Eigenverantwortung eines
einzelnen Mitgliedstaates für seine Staatsverschuldung
sichern. Die formale Freiwilligkeit von formal bilatera-
len Krediten aller anderen Mitgliedstaaten widerspricht
dieser Grundidee des Vertrages von Maastricht – zumal
wenn höhere Refinanzierungskosten einzelner Mitglied-
staaten zwangssolidarisch von den übrigen zu tragen
sind.
Die währungspolitische Wirksamkeit ist nicht so si-
cher, wie dies angesichts der hohen Garantierisiken für
den Bundeshaushalt wünschenswert wäre. Das Ver-
trauen der Märkte auf eine Wiederherstellung der Wett-
bewerbsfähigkeit Griechenlands und die langfristige Be-
wältigung von dessen immenser Schuldenlast ist
schwach. Manches spricht für weitere Hilfenotwendig-
keiten gegenüber Griechenland und weiteren Staaten der
Euro-Zone, was letztlich auch Deutschland angesichts
des eigenen Konsolidierungsbedarfs überfordern dürfte.
Andererseits muss ich das Urteil der Bundeskanzle-
rin, des Bundesfinanzministers und meines Fraktions-
vorsitzenden berücksichtigen, die mit Recht auf das ein-
hellige Votum zugunsten der jetzt in der Euro-Gruppe
geplanten Maßnahme von IWF, EZB und Bundesbank
verweisen. Auf deren Urteil und dasjenige der in den
Bundestagsausschüssen angehörten Fachleute, die eine
Umschuldung wegen unabsehbarer Folgen auf die Stabi-
lität des Euro insgesamt ablehnen, vertraue ich.
Die in den Gesetzestext aufgenommenen Hinweise
auf die quartalsweisen Kontrollen sowie der von mir
vollumfänglich begrüßte Text und Inhalt das Entschlie-
ßungsantrages ermöglichen mir die Zustimmung.
Marco Wanderwitz (CDU/CSU): Nach den parla-
mentarischen Beratungen, insbesondere der Anhörung,
bin ich zum Schluss gekommen, dass die Zahlungsunfä-
higkeit Griechenlands, ein Staatsbankrott, die europäi-
sche Währungsunion in höchste Not bringen, eine neuer-
liche internationale Bankenkrise auslösen und für andere
ebenfalls höher verschuldete Länder weitere Schwierig-
keiten bei der Refinanzierung mit möglichen weiteren
Folgen bedeuten würde. Eine kaum mehr vorhersehbare
und steuerbare Kettenreaktion würde ausgelöst werden.
Diese würde Deutschland als Euro-Land und Land, das
seinen Wohlstand massiv auf Exporten gerade in den
umgebenden Euro-Raum begründet, empfindlich und für
alle Bürger spürbar treffen. Dies zu verhindern, stimme
ich dem vorliegenden Gesetzentwurf, dem deutschen
Beitrag der Hilfe der Euro-Staaten und des Internationa-
len Währungsfonds, als Ultima Ratio, als letztes Mittel,
zu. Es ist von einer Reihe schlechter Varianten nach mei-
ner Überzeugung die beste.
Ein früheres Eintreten, das vor allem die Bundes-
regierung in Europa verhindert hat, wäre entgegen den
Äußerungen der Opposition nicht billiger und besser,
sondern teurer und schlechter gewesen. Die wichtige
Einbeziehung des IWF und damit der Weltgemeinschaft
und das Aufzwingen nötiger harter Sparmaßnahmen ge-
genüber Griechenland, das Gewinnen von Akzeptanz für
das Bestehen von Fehlentwicklungen in der griechischen
Bevölkerung, waren nur so überhaupt erst möglich. An-
dere Euro-Länder wollten schneller unbedingter eintre-
ten – das wäre falsch gewesen und teurer geworden.
Dass die Kopplung der in Tranchen auszureichenden
Hilfen anders als noch im Entwurf nun im Gesetz an die
Bedingungen der Einigung zwischen Griechenland und
den Hilfsgebern gebunden und tranchiert ist, war mir
sehr wichtig, zeigte es doch, dass es keinen Freifahrt-
schein gibt, sondern Griechenland sich redlich halten
muss, will es diesen Weg gehen.
Durch gefälschte Statistiken hat die politische Elite
Griechenlands lange Jahre bewusst die europäischen
Partner getäuscht und sich den Zugang zum Euro-Raum
erschlichen. Die Griechen insgesamt haben seit Länge-
rem über ihre Verhältnisse gelebt; die Defizite sind nicht
durch Spekulanten entstanden oder vom Himmel gefallen.
Eine drastische Verringerung des griechischen Haushalts-
defizits ist daher unumgängliche Voraussetzung für Hilfe.
Das nochmals nachgebesserte griechische Sparprogramm
geht in die richtige Richtung. Unbedingte Transparenz
und absolute Kontrolle der Einhaltung sind vereinbart
und zwingend.
Die No-bail-out-Klausel in Art. 125 der Europäischen
Verträge als Haftungsausschluss stellt klar, dass ein
Euro-Teilnehmerland nicht für Verbindlichkeiten und
Schulden anderer Teilnehmerländer aufkommen muss.
Diese Klausel soll gewährleisten, dass für die Rückzah-
lung öffentlicher Schulden die jeweiligen Staaten selbst
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 41. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Mai 2010 4117
(A) (C)
(D)(B)
verantwortlich bleiben. Die Übertragung von Risiken in-
folge einer nicht tragfähigen Haushaltspolitik einzelner
Staaten auf die Partnerländer soll damit vermieden wer-
den. Das ist richtig, war eine der Grundvoraussetzungen
für den Beitritt Deutschlands zur Währungsunion. Die
abgestimmten freiwilligen Hilfen der Euro-Länder un-
terfallen diesem Szenario nicht, da sie nur Kredite und
keine Schuldenübernahme sind.
Das Instrumentarium der Währungsunion, das offen-
sichtlich nicht ausreicht, für die Zukunft zu schärfen und
Lücken zu schließen bzw. bei faktisch unpraktikablen
Regelungen nachzusteuern, ist absolut unumgänglich.
Mehr Transparenz, frühere Eingriffs- und härtere Sank-
tionsmöglichkeiten und -automatismen, die politisch
nicht einfach abdingbar sind, sind erforderlich. Was nun
hier gerade passiert, widerspricht dem Geist des Euro
und darf sich nie wiederholen, soll der Euro, der wenn er
stark und hart ist, allen Euro-Ländern weit überwiegend
Vorteile bringt, bestehen.
Dass Griechenland 2000 unreif in den Euro-Raum
eingelassen wurde, hat die damalige rot-grüne Bundesre-
gierung ebenso zu verantworten wie die Schwächung
des europäischen Stabilitätspakts in ihrer Regierungs-
zeit, ja auf ihr Betreiben in Europa, um national in die
Schuldenmacherei ausweichen zu können. Beides war
falsch, vor beidem haben CDU und CSU damals ge-
warnt. Das derzeitige Verhalten von SPD und Grünen ist
im Lichte dessen an Heuchelei kaum zu übertreffen.
Unverantwortlichen Spekulanten, die auch in dieser
Krise Treiber waren, müssen wir das Handwerk legen.
Der zum Gesetz vorgelegte Entschließungsantrag der
Koalitionsfraktionen zeigt hierzu die richtigen, notwen-
digen Maßnahmen auf. Die allermeisten bedürfen euro-
päischer Lösungen oder solcher der Staatengemein-
schaft. Wir müssen größte Anstrengungen unternehmen,
diese schnellstens zu erreichen.
Klaus-Peter Willsch (CDU/CSU): Erstens. Bereits
in der letzten Februarwoche habe ich in der Fraktion dar-
gelegt, dass ich die europäischen Strukturen für völlig
ungeeignet halte, der Überschuldungssituation und mög-
lichen Zahlungsunfähigkeit Griechenlands Herr zu wer-
den. Mit dieser Aufgabe ist der Internationale Wäh-
rungsfonds, IWF, betraut, nicht die Europäische Union.
Ich bin sehr froh, dass der IWF jetzt zumindest im Spiel
ist, aber der Anteil des IWF beträgt hierbei nur etwa
25 Prozent; die Mitgliedstaaten des Euro-Raumes tragen
nahezu 75 Prozent des Risikos. In realen Zahlen bedeu-
tet dies für den IWF ein Risiko von 30 Milliarden Euro,
für die Mitglieder der Euro-Gruppe 80 Milliarden Euro.
Zweitens. Griechenland hat in den vergangenen Wo-
chen ein beispielloses Sanierungsprogramm beschlos-
sen, um den Weg für die Kredithilfen vom IWF und aus
dem Euro-Raum zu bereiten. Übertragen auf Deutsch-
land würde dieses Sparprogramm bedeuten, dass wir bis
2014 rund 60 Milliarden Euro an Ausgabenabsenkungen
bzw. Einnahmesteigerungen jährlich in den öffentlichen
Haushalten erzielen müssten. Ich honoriere den guten
Willen der griechischen Regierung, sage jedoch gleich-
zeitig, dass ich sehr skeptisch gegenüber den Erfolgsaus-
sichten bin. Die derzeitigen Proteste und Streiks in Grie-
chenland, bei denen am Mittwoch drei Tote zu beklagen
waren, machen schon jetzt deutlich, dass die politische
Durchsetzbarkeit des Sanierungsprogramms nicht zu er-
warten ist.
Drittens. Der Weg ist auch ökonomisch falsch. Man
wirft dem schlechten Geld kein gutes hinterher. Ohne
Schuldenmoratorium und Teilverzicht auf Forderungen
wird die Sanierung der griechischen Staatsfinanzen nicht
gelingen. Nur so kann auch gewährleistet werden, dass
Gläubiger, die für ihre vermeintliche Risikobereitschaft
ordentliche Zinsen einstreichen, nun auch tatsächlich bei
Eintritt der Zahlungsunfähigkeit einen Beitrag leisten.
Unweigerlich wird der Garantiefall eintreten; und der
Garantiefall bedeutet, dass der deutsche Steuerzahler für
die griechische Überschuldungspolitik aufkommen muss.
Viertens. Es ist auch im griechischen Interesse, eine
geregelte Umschuldung und einen befristeten Ausstieg
aus dem Euro-Raum als Lösung anzustreben. Nur so hat
Griechenland die Chance, durch autonome währungs-
politische Entscheidungen (Abwertung) die Außenbilanz
zu verbessern und wieder an Wettbewerbsfähigkeit zu
gewinnen. Es gibt also Alternativen zum vorgeschlage-
nen Vorgehen. Wir können in der derzeitigen Situation
der deutschen Staatsfinanzen dem Steuerzahler keine
weiteren Belastungen in diesem Ausmaß zumuten, ohne
die Einhaltung der gerade in das Grundgesetz aufgenom-
menen Schuldenbremse zu gefährden.
Fünftens. Nun soll durch Veränderung der europäi-
schen Verträge erreicht werden, dass Defizitsünder unter
den Euro-Ländern durch Stimmrechtsentzug und Aus-
schluss aus der Währungsunion bestraft werden können.
Wer sich des langen Verfahrens für die endgültige Ratifi-
zierung des heute gültigen Vertrages von Lissabon erin-
nert, wird zumindest einräumen, dass dies ein unabseh-
bar langer Weg sein wird, mit vielfältigen Risiken des
Scheiterns (alle 27 Staaten müssen nach ihren Regeln
zustimmen, unter anderem Volksabstimmungserforder-
nis in mehreren Mitgliedsländern der EU).
Weiterhin möchte man die Defizitsünder zukünftig in
ihrem Haushaltsgebaren kontrollieren. Dazu möchte ich
nur anmerken, dass wir als Deutscher Bundestag uns
verbitten würden, dass die EU-Kommission in unser
Budgetrecht eingreift. Wie können wir realistischerweise
von den nationalen Parlamenten der Defizitsünder er-
warten, dass diese sich das gefallen lassen, wenn sie es
mit einem einfachen Nein verhindern können?
Viviane Reding, Vizepräsidentin der EU-Kommis-
sion, lehnt die deutschen Forderungen nach einer Ände-
rung der Verträge entschieden ab; Christine Lagarde,
französische Wirtschaftsministerin, meint, wir Deut-
schen müssten mehr für die Binnennachfrage im Euro-
Raum tun. Der Euro-Raum wird so umgebaut zum dau-
erhaften Sozialtransferraum.
Das ist das Gegenteil von unserer Überzeugung, dass
Leistung sich lohnen muss. Dem kann ich mich nicht an-
schließen.
Sechstens. Die europäische Einigung ist eine großar-
tige Leistung der Politik im Europa der Zeit nach dem
4118 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 41. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Mai 2010
(A) (C)
(D)(B)
Zweiten Weltkrieg. Die Währungsunion ist politisches
Symbol der höchsten Ausprägungsstufe dieses Prozes-
ses. Für uns Deutsche war es wichtig, die Erfolgsge-
schichte der Deutschen Bundesbank durch die Unabhän-
gigkeit der Europäischen Zentralbank auf den gesamten
Euro-Raum zu übertragen. Durch Errichtung des Stabili-
tätspaktes hofften wir, Vorsorge dafür zu treffen, den ge-
samten Euroraum auf das Ziel der nachhaltigen Haus-
haltspolitik und der Preiswertstabilität zu verpflichten.
In den europäischen Verträgen ist hierzu festgelegt, dass
im Euro-Raum kein Staat für die Schulden des anderen
aufkommen muss, ja nicht einmal darf, Bail-out-Verbot.
Dies ist der Kern des Vertrauens in den Euro angesichts
der sehr unterschiedlichen Volkswirtschaften in diesem
gemeinsamen Währungsraum. Die vorgesehene Hilfe für
Griechenland verstößt offenbar gegen die Buchstaben, in
jedem Falle aber gegen den Geist der gültigen europäi-
schen Verträge. So wird die langfristige Stabilität des
Euro nicht gesichert, sondern gefährdet.
Deshalb kann und will ich diesen Weg nicht mitge-
hen.
Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Der Bundestag stimmt heute über ein Gesetz ab, mit dem
Deutschland bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau,
KfW, für insgesamt 22,4 Milliarden Euro bürgt. Mit die-
sem Geld soll Griechenland in den nächsten drei Jahren
geholfen werden, um den Staatsbankrott abzuwehren.
Als überzeugte Europäerin ist diese Hilfe für mich
notwendig und alternativlos. Die europäische Solidarität
gebietet es, Partnern zu helfen, wenn sie in Not sind –
selbst wenn sie zuvor unsolidarisch waren, schlecht ge-
wirtschaftet haben und Statistiken geschönt wurden.
Griechenlands – zum großen Teil selbst verschuldete –
Not ist die eine Seite der Medaille. Die andere Seite sind
Finanzmärkte, die bereits mitten in der letzten Banken-
krise wieder mit Spekulationen begonnen haben. Nach
wie vor – und trotz der schon entstandenen Milliar-
denschäden – ist der internationale Finanzmarkt weitest-
gehend nicht reguliert. Die Schärfe der griechischen
Krise hat durch die internationale Finanzmarktspekula-
tion zugenommen.
Als Europäerinnen und Europäer müssen wir uns dem
entgegenstellen: Unsere Idee von einem gemeinsamen
Kontinent mit gemeinsamer Währung wird von Spekulan-
ten bedroht. Die Verbindung der Hilfe für Griechenland
mit einem Paket von Maßnahmen, um die Finanzmärkte
neu zu ordnen, ist deswegen zwingend notwendig. Wenn
die Politik hier nicht ordnend eingreift, sind die nächsten
Kredite für strauchelnde Volkswirtschaften absehbar.
Als Mitglied im parlamentarischen Beirat für nach-
haltige Entwicklung fühle ich mich in besonderer Ver-
antwortung gegenüber nachfolgenden Generationen.
Dem wäre der Bundestag nur gerecht geworden, wenn
durch einen interfraktionellen Entschließungsantrag der
Start in die wirksame Bankenregulierung erfolgt wäre.
Dies ist leider nicht gelungen und enttäuschend für das
ganze Haus. Unserer Verantwortung gegenüber den Bür-
gerinnen und Bürgern Deutschlands und Europas wer-
den wir damit nicht gerecht.
Anlage 3
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Ulrich Lange und Albert
Rupprecht (Weiden) (beide CDU/CSU) zur
namentlichen Abstimmung über den Entwurf
eines Gesetzes zur Übernahme von Gewährleis-
tungen zum Erhalt der für die Finanzstabilität
in der Währungsunion erforderlichen Zahlungs-
fähigkeit der Hellenischen Republik (Wäh-
rungsunion-Finanzstabilitätsgesetz – WFStG)
(Tagesordnungspunkt 23)
Die Entscheidung über das Währungsunion-Finanz-
stabilitätsgesetz habe ich trotz großer Bedenken getrof-
fen. Die Lage der griechischen Staatsfinanzen und ihre
Auswirkungen auf Währungsstabilität, Wachstumsaus-
sichten und Arbeitsplätze im ganzen Euro-Raum erfüllen
mich mit tiefer Sorge.
Die absichtlich falschen Daten Griechenlands vor der
Aufnahme in die Euro-Gruppe, viele Entscheidungen
griechischer Regierungen seitdem und die andauernde
Verschleierung und Beschönigung der Schwierigkeiten
in Bezug auf Wettbewerbsfähigkeit und Staatsfinanzen
haben ein tiefsitzendes Misstrauen gegenüber der grie-
chischen Politik geschürt, das auch jetzt noch Zweifel
am Willen Griechenlands weckt, Kredite zurückzuzah-
len. Zusätzlich muss in Zukunft bei der Aufnahme wei-
terer Staaten in die EU die finanzielle Basis genauer
geprüft werden und bei Nichteinhaltung der Stabilitäts-
kriterien auch eine Ablehnung ausgesprochen werden.
Dennoch komme ich nach Abwägung aller Umstände
zu dem Ergebnis, dass die mit dem Währungsunion-
Finanzstabilitätsgesetz möglicherweise verbundenen
Folgen eher zu verantworten sind als ein Nichthandeln
und ein griechischer Staatsbankrott. Die Gefahr für die
Stabilität unserer Währung, die Gefahr für Aufschwung
und Arbeitsplätze in Deutschland durch einen Staats-
bankrott Griechenlands bedrohen die Bürger Deutsch-
lands unmittelbarer und härter.
Bei meiner Entscheidung, meine Bedenken zurückzu-
stellen, habe ich mich von folgenden Überlegungen lei-
ten lassen:
Die Nothilfe für Griechenland ist ein absoluter Aus-
nahmefall. Aus der Europäischen Union darf und wird
keine Transferunion werden.
Die Bundesregierung wird alles daransetzen, zu einer
Stärkung der Kontroll- und Eingriffsbefugnisse der Eu-
ropäischen Union gegenüber Mitgliedstaaten zu kom-
men, die ihre Verpflichtungen nicht erfüllen.
Die Bundesregierung wird alles daransetzen, im Eu-
ropäischen Stabilitätspakt schärfere, nach verbindlich
beschriebenen Kriterien eintretende und damit von poli-
tischen Rücksichtnahmen unabhängigere Sanktionen zur
Ahndung von Verstößen zu verankern.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 41. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Mai 2010 4119
(A) (C)
(D)(B)
Das Sanierungsprogramm der Regierung Griechen-
lands wird vom IWF und den europäischen Institutionen
strikt überwacht. Die Bundesregierung unterrichtet den
Bundestag laufend über die Einhaltung der getroffenen
Vereinbarungen.
Künftigen Krisen wird wirksamer als in der Vergan-
genheit vorgebeugt: durch strengere Regeln für Finanz-
institutionen und Finanzmärkte, die derzeit erarbeitetet
und in den nächsten Monaten in Deutschland, Europa
und möglichst weltweit in Kraft gesetzt werden, und
durch Reformen, die dem Europäischen Stabilitätspakt
mehr Biss geben.
In Europa werden Instrumente für eine geordnete
Staatsinsolvenz überschuldeter Staaten entwickelt. Das
Restrukturierungs- und Insolvenzsystem wird eine syste-
mische Risiken vermeidende Heranziehung der Gläubi-
ger entsprechend der von ihnen eingegangenen Risiken
sicherstellen.
Anlage 4
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Lisa Paus, Monika Lazar
und Uwe Kekeritz (alle BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN) zur namentlichen Abstimmung über
den Entwurf eines Gesetzes zur Übernahme von
Gewährleistungen zum Erhalt der für die Fi-
nanzstabilität in der Währungsunion erforder-
lichen Zahlungsfähigkeit der Hellenischen Re-
publik (Währungsunion-Finanzstabilitätsgesetz –
WFStG) (Tagesordnungspunkt 23)
Für uns als engagierte und überzeugte Europäer ist es
selbstverständlich, dass die griechischen Bürgerinnen
und Bürger mit ihrer Schuldenkrise nicht alleingelassen
werden dürfen. Der Gedanke der europäischen Solidari-
tät muss gerade dann, wenn eine harte Bewährungsprobe
bevorsteht, besonders hochgehalten werden. Und wären
wir der Auffassung, dieses Gesetz würde tatsächlich
Griechenland aus der Krise helfen, würden wir ohne Zö-
gern dem Gesetz zustimmen. Doch wir können nicht da-
rüber hinwegsehen, dass die Kreditzusagen für Grie-
chenland als Antwort auf die Zuspitzung der Krise so
spät gekommen und deshalb schon wieder zu klein sind,
um diesen Zweck zu erfüllen. Wir sind, nach reiflicher
Überlegung und Abwägung, zu dem Schluss gekommen,
dass mit diesem Paket die Banken gerettet werden, nicht
aber die Griechen und auch nicht Europa.
Trotz anderslautender Versprechen wiederholt sich mit
dem vorliegenden Gesetz zur Rettung Griechenlands ge-
nau der Fehler, der schon bei der Bankenrettung gemacht
wurde. Schlimmer noch: Wenn die Banken wieder nicht
selbst für die Kosten ihrer Hochrisikogeschäfte aufkom-
men müssen, ist das für die Märkte eine Einladung zur
Spekulation auf die nächste Krise. Mit hochriskanten
Wetten auf die Pleite Griechenlands wurden Renditen
von bis zu 500 Prozent erzielt. In Kreditausfallversiche-
rungen – nach Warren Buffet „finanzielle Massenver-
nichtungswaffen“ – stecken heute 30 Billionen US-Dol-
lar, die als Munition für die nächste Attacke eingesetzt
werden können. Es gibt keine objektiven ökonomischen
Kriterien, ab welcher Höhe eine Staatsverschuldung kri-
tisch ist. Damit gibt es heute auch für keinen Staat einen
sicheren Schutz gegen den „Angriffskrieg“ der Spekulan-
ten, wie BaFin-Chef Sanio die Attacken auf die Euro-
Zone treffend bezeichnet. Ein Rettungspaket, das sich da-
rauf beschränkt, die Banken ein weiteres Mal herauszu-
hauen, löscht nicht das Feuer, sondern schafft die Öl-
kanne zur Befeuerung der nächsten Krise. Mit dem
Rettungspaket bekennt sich zwar die Euro-Zone zur
Schicksalsgemeinschaft. Sie gibt sich aber nicht die In-
strumente, die nötig wären, um wirksam den Angriffen
trotzen zu können.
Auch für Griechenlands aktuelle Probleme ist dieses
Paket keine stabile Lösung. Obwohl die Griechen sich
gegenüber dem IWF zu einem einzigartigen Austeritäts-
programm verpflichtet haben, wird nach Berechnungen
desselben IWF der griechische Schuldenberg bis 2014
dennoch auf mindestens 150 Prozent des BIP anwachsen
und die Wirtschaft massiv schrumpfen. Griechenland
muss dann immer noch jährlich 7 Prozent des BIP für
Zinszahlungen ausgeben. Und da es das Geld zu 75 Pro-
zent von ausländischen Kapitalgebern bekommt, muss
es allein zur Bedienung der Kredite jährlich dauerhaft ei-
nen Exportüberschuss von mindestens 5 Prozent erwirt-
schaften. Das kann man, wie der Chefvolkswirt der
Deutschen Bank Thomas Meyer, „sehr ehrgeizig“ nen-
nen. Man kann aber unter diesen Umständen auch be-
rechtigterweise argumentieren, für die Griechen sei eine
Umschuldung beim Verbleib in der Euro-Zone in der jet-
zigen Situation sogar der bessere und billigere Ausweg.
Nicht politische Luftschlösser, sondern die Finanz-
krise ist die Ursache für die Schuldenkrisen in Europa.
Konjunkturpakte, Rettungsschirme und Finanzspritzen
auf Kosten der Steuerzahler haben die Banken vor den
Folgen ihres unverantwortlichen Handelns bewahrt. Sie
stehen bei den Steuerzahlern in ganz Europa tief in der
Kreide. Mit dem Hilfspaket für Griechenland werden
jetzt vermeintliche Gläubiger belohnt, die in Wirklich-
keit Schuldner sind. Einen solchen Fehler dürfen wir uns
nicht erlauben.
Es ist eine Überlebensfrage für Europa, die Finanz-
märkte einer echten Regulierung und Kontrolle zu un-
terwerfen. Dazu gehört neben der Einführung einer
Finanztransaktionsteuer und einer europäischen Wirt-
schaftsregierung mit echten Kompetenzen vor allem ein
Verbot von spekulativen Kreditausfallversicherungen
und Leerverkäufen. Ohne eine effektive Eindämmung
der Spekulationsgeschäfte bis hin zur Zerschlagung gro-
ßer Banken wird es keine Stabilität auf den internationa-
len Märkten geben. Mit dem Hilfspaket für Griechen-
land gehen wir diesen Schritt nicht, sondern tun das
Gegenteil. Deswegen können wir diesem Gesetz nicht
zustimmen. Es gilt aber auch, in der Abstimmung deut-
lich zu machen, dass es ausschließlich darum geht, dass
die mit dem vorgelegten Gesetz von der Regierung ange-
legte Politik kontraproduktiv ist, wie im von der grünen
Bundestagsfraktion vorgelegten Entschließungsantrag
auf der Drucksache 17/1640 ausführlich dargestellt. Es
darf nicht darum gehen, Griechenland die Unterstützung
zu verweigern. Um dies deutlich werden zu lassen, wer-
den wir nicht dagegenstimmen, sondern enthalten uns
der Stimme.
4120 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 41. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Mai 2010
(A) (C)
(D)(B)
Anlage 5
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Christine Scheel, Kerstin
Andreae und Alexander Bonde (alle BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN) zur namentlichen Ab-
stimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur
Übernahme von Gewährleistungen zum Erhalt
der für die Finanzstabilität in der Währungs-
union erforderlichen Zahlungsfähigkeit der
Hellenischen Republik (Währungsunion-Fi-
nanzstabilitätsgesetz – WFStG) (Tagesord-
nungspunkt 23)
Unsere Zustimmung zum vorliegenden Gesetzent-
wurf ist allein in der Sache begründet und erfolgt trotz
erheblicher Kritik an der schwarz-gelben Regierung;
siehe auch den zum Gesetz eingebrachten Entschlie-
ßungsantrag der Grünen-Fraktion.
Die Schuldenkrise Griechenlands und die Probleme
weiterer europäischer Staaten sind die erste harte Be-
währungsprobe für die Euro-Zone. Zum ersten Mal seit
Einführung der Gemeinschaftswährung steht der Fortbe-
stand der Währungsunion auf dem Spiel. Scheitert die
Währungsunion, wäre das ein dramatischer Rückschlag
für das ganze europäische Projekt. Es ist ein Test für die
Europäische Union; aber es ist damit auch die Chance,
den Beweis anzutreten, dass das Projekt Europa funktio-
niert.
Daher müssen wir Europäer wesentliche Hilfen leis-
ten, um Griechenland und Europa nicht noch weiter zu
gefährden. Das ist nicht nur eine Frage europäischer So-
lidarität, sondern auch eine Frage der ökonomischen
Vernunft. Denn es sind besonders deutsche Unterneh-
men und deutsche Beschäftigte, die in den vergangenen
Jahren von der Währungsunion profitiert haben. Der
Euro muss seine Erfolgsgeschichte fortschreiben. Wir
müssen beweisen, dass die Währung stärker ist als die
Spekulationen auf ihr Scheitern.
Zudem würde jede alternative Lösung um ein Vielfa-
ches teurer werden und die ärmeren Menschen in der
griechischen Bevölkerung über Gebühr belasten. Bei ei-
nem Staatsbankrott wäre das innenpolitische Chaos in
Griechenland unkalkulierbar. Wetten gegen andere Staa-
ten würden in einem Dominoeffekt die Gemeinschafts-
währung und die Handlungsfähigkeit der Euro-Staaten
untergraben.
Griechenland hat sich mit dem IWF, der EZB und den
Euro-Staaten auf ein ambitioniertes Sparkonzept geei-
nigt. Es wird in den kommenden Jahren sehr schwer für
die griechische Bevölkerung, diese Verpflichtungen ein-
zuhalten. Die Griechen werden auf vieles verzichten
müssen.
Natürlich ist Griechenland alles andere als unschuldig
an der aktuellen Krise: Der griechische Staat hat mit
Klientelpolitik, Korruption, Fälschung von Statistiken,
Duldung von Steuerhinterziehung, Missbrauch von EU-
Fonds, schlechten Investitionen, durch hohe Militäraus-
gaben und besonders einen aufgeblähten öffentlichen
Sektor die Schuldenkrise maßgeblich selbst verursacht.
Das multilateral ausgehandelte Sparprogramm ist da-
her der richtige Weg, die Schulden des griechischen
Staates zurückzufahren und durch notwendige struktu-
relle Reformen die Produktivität der griechischen Wirt-
schaft und des öffentlichen Sektors zu steigern. Die mit
diesem Gesetz bewilligten Hilfen stehen in einem direk-
ten Zusammenhang mit dem Sparpaket. Die vierteljähr-
lichen Überprüfungen müssen die Einhaltung des Spar-
pakets kontrollieren und gegebenenfalls zu Sanktionen
führen. Es muss jedoch auch mit der nötigen Flexibilität
auf geänderte ökonomische und gesellschaftliche Rah-
menbedingungen reagiert werden. Die Sparanstrengun-
gen müssen schon mittelfristig zu einem gesunden
Wachstum der griechischen Wirtschaft führen.
Die Entscheidung über das Währungsunion-Finanz-
stabilitätsgesetz stellt einen Scheidepunkt in der europäi-
schen Entwicklung dar. Eine Zustimmung zu dem Ge-
setz ist mit dem Auftrag an die deutsche Regierung
verbunden, Strukturveränderungen in der Europäischen
Union und in den europäischen Finanzmärkten durchzu-
setzen. Die Krise muss genutzt werden, die offen zutage
getretenen fundamentalen Schwächen zu überwinden
und die Währungsunion langfristig zu stärken.
So müssen die Rechte des europäischen Statistikamts
und des europäischen Rechnungshofes gestärkt werden.
Eine unabhängige europäische Ratingagentur muss ein-
gerichtet werden, und die Entscheidungen der marktbe-
herrschenden Ratingagenturen müssen transparenter
werden. Die Sanktionsmechanismen bei Verstößen ge-
gen den Stabilitäts- und Wachstumspakt müssen erneuert
und verschärft werden. Kreditausfallversicherungen,
Credit Default Swaps, müssen umgehend verboten wer-
den, sofern sie nicht zur Absicherung eigener Risiken
dienten. Außerdem muss eine europäische Finanztrans-
aktionsteuer eingeführt werden, damit Spekulationen
verteuert und eingedämmt werden.
Anlage 6
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Dr. Gerhard Schick, Thilo
Hoppe, Sven-Christian Kindler, Ute Koczy,
Stephan Kühn, Beate Müller-Gemmeke, Ingrid
Nestle, Dr. Hermann Ott, Dr. Wolfgang
Strengmann-Kuhn, Viola von Cramon-
Taubadel, Winfried Hermann, Maria Anna
Klein-Schmeink, Kerstin Müller (Köln), Ulrike
Höfken, Katja Dörner, Sylvia Kotting-Uhl,
Bettina Herlitzius, Thilo Hoppe, Tabea Rößner,
Agnes Krumwiede, Memet Kilic, Markus
Kurth, Agnes Malczak, Wolfgang Wieland,
Dr. Harald Terpe, Friedrich Ostendorff und
Claudia Roth (Augsburg) (alle BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) zur namentlichen Abstimmung
über den Entwurf eines Gesetzes zur Über-
nahme von Gewährleistungen zum Erhalt der
für die Finanzstabilität in der Währungsunion
erforderlichen Zahlungsfähigkeit der Helleni-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 41. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Mai 2010 4121
(A) (C)
(D)(B)
schen Republik (Währungsunion-Finanzstabili-
tätsgesetz – WFStG) (Tagesordnungspunkt 23)
Bei der Entscheidung über das Griechenland-Hilfspa-
ket geht es um die Zukunft Europas und um die Solidari-
tät in Europa. Als Europäerinnen und Europäer leitet uns
heute die Sorge um die Zukunft Europas in unserer Ent-
scheidung. Die Solidarität zwischen den Menschen in
Europa ist uns wichtig, gerade in schwierigen Zeiten.
Die gewalttätigen Konflikte in Griechenland haben deut-
lich gemacht, welche Bedeutung das Hilfspaket und die
Krise für die Menschen in Griechenland haben. Fas-
sungslos erleben wir eine national-populistische Kam-
pagne gegen Griechenland, befeuert nicht nur von man-
chen Medien, sondern auch von Politikerinnen und
Politikern aus CDU, CSU und FDP. Wir distanzieren uns
ausdrücklich davon und erinnern daran, dass gerade
Deutschland dem europäischen Einigungsprozess sehr
viel verdankt. Das sollte niemand in Deutschland leicht-
fertig aufs Spiel setzen.
Zu hinterfragen ist allerdings, ob das Hilfspaket und
das damit verbundene Konsolidierungsprogramm in
Griechenland seine beiden Ziele zu erfüllen vermag: die
Lösung des griechischen Schuldenproblems und die Sta-
bilisierung des europäischen Finanzmarkts.
Das Hilfspaket kommt viel zu spät und erreicht das
erste Ziel – die Überwindung des griechischen Schul-
denproblems – nicht. Eine Umschuldung, die dringend
nötig ist, damit Griechenland seine Schulden tragen
kann, ist nicht vorgesehen. Sie könnte aber eher früher
als später drohen. Wenn die Kredite über die KfW ohne
Vorrang gegenüber den bisherigen privaten Gläubigern
vergeben werden, ist klar, dass eine künftige Umschul-
dung Milliardenverluste für die Steuerzahlerinnen und
Steuerzahler verursachen würde. Wie schon bei der Ban-
kenrettung werden, während die Staaten voll ins Risiko
gehen, damit vor allem die privaten Gläubiger, also ins-
besondere Banken, Fonds und Versicherungen, ge-
schützt, ohne dass sie ihren Teil zur Lösung der Krise
beitragen würden. Die von Finanzminister Schäuble und
Deutsche-Bank-Chef Ackermann inszenierte Beteili-
gung der privaten Wirtschaft leistet das eindeutig nicht.
Das mit dem IWF vereinbarte Konsolidierungspro-
gramm für Griechenland ist in seiner Größenordnung
von 13 Prozent des Bruttoinlandsprodukts bis 2012,
6,5 Prozent davon im ersten Jahr, einzigartig. Klar ist:
Griechenland hat schlecht gewirtschaftet. Die Steuerein-
nahmen und die Staatsausgaben stehen in Griechenland
in keinem vernünftigen Verhältnis mehr zueinander, und
das schon seit Jahren. Ein Konsolidierungskurs ist not-
wendig. So richtig vor diesem Hintergrund viele ein-
zelne Maßnahmen sind, steht jedoch zu befürchten, dass
der griechische Schuldenberg dadurch nicht kleiner, son-
dern größer werden wird. Denn ein Konsolidierungspro-
gramm in dieser Größenordnung droht über viele Jahre
Griechenland in eine tiefe Rezession zu stürzen. Thomas
Meyer, Chefvolkswirt der Deutschen Bank, etwa schätzt,
dass der Schuldenstand bis 2014 auf 150 Prozent des
BIP anwachsen würde. Seinen jährlichen Kreditbedarf
würde das Land zu 75 Prozent von ausländischen Kapi-
talgebern decken lassen müssen. Es sei davon auszuge-
hen, dass ein Leistungsbilanzüberschuss von mindestens
5 Prozent allein zur Zinszahlung erwirtschaftet werden
müsse. Ob mit einem solchen Programm Griechenland
wirklich geholfen ist, bezweifeln wir. Zu sehr hat sich
die Bundesregierung von einer Bestrafungslogik leiten
lassen, als dass das von ihr mit verantwortete Programm
einen wirklichen Weg aus der Schuldenkrise weisen
würde. Hinzu kommt eine soziale Schieflage, die vor al-
lem die ärmeren Menschen treffen wird und zudem die
Chancen der politischen Durchsetzung mindert. Die
Mehrwertsteuererhöhung trifft alle Griechinnen und
Griechen. Eine notwendige Beteiligung der großen Ver-
mögen durch einen sozial gerechten Lastenausgleich bei
der Konsolidierung ist nicht vorgesehen. Profitiert von
Miss- und Günstlingswirtschaft und Spekulationen ha-
ben dagegen nur wenige. Weniger Investitionen, weniger
Nachfrage, geschweige denn ein ökologischer Umbau
von Wirtschaft und Tourismus: Griechenland steht vor
einer jahrelangen Rezession, die sich natürlich auch auf
den Arbeitsmarkt niederschlagen wird. Auch hier wer-
den die Verlierer bestimmt nicht jene sein, die die Misere
mitzuverantworten haben.
Auch das zweite Ziel, die Stabilisierung der Finanz-
markte, erreicht das Programm offenkundig nicht. Das
lange Zögern der Bundesregierung hat Spekulanten Tür
und Tor geöffnet und die Probleme verschärft. Die Ver-
werfungen an den Märkten und die Spekulation gehen
auch nach Verkündigung des Programms und der Zu-
stimmung durch die Regierungen ungemindert weiter.
Die Ansteckungsgefahr ist nicht gebannt. Nur eine
durchgreifende Reform der Finanzmärkte, wie sie die
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen nicht erst seit Aus-
bruch dieser Finanzkrise fordert, wird hier Abhilfe
schaffen. Doch fast drei Jahre nach Ausbruch der Krise
fehlen noch immer die Regeln die die Finanzmärkte bän-
digen würden. Die Bundesregierung blockiert immer
noch die Entwicklung einer europäischen Wirtschaftsre-
gierung sowie eine Ergänzung des Stabilitäts- und
Wachstumspakts und das Ziel außenwirtschaftlicher
Gleichgewichte steht ebenfalls aus. Wenn aber die struk-
turellen Probleme der Leistungsbilanzungleichgewichte
in der Währungsunion, die mitverantwortlich für die
griechische Krise sind, nicht behoben werden, kann sich
Stabilität in der Euro-Zone nicht einstellen.
Trotzdem stimmen wir zu. Denn wir stehen vor der
Alternative, entweder den Gewährleistungen zuzustim-
men, obwohl sie Teil eines Programms sind, das seine
Ziele zu verfehlen droht und für die Bürgerinnen und
Bürger in Deutschland zusätzliche Risiken bedeutet,
oder aber mit der Ablehnung dieses Gesetzes ohne Zwei-
fel eine weitere Verschärfung der Lage zu riskieren.
Denn Griechenland braucht schnelle Hilfe, unsere Soli-
darität. Europa und der Euro brauchen unsere Entschlos-
senheit – und die Gefahr ist einfach zu groß, dass der
Schaden, den eine Ablehnung des Hilfspakets verursa-
chen würde, in Griechenland wie in Europa und damit
letztlich auch in Deutschland noch zunehmen würde.
Das können wir aus europäischer Solidarität wie aus
wirtschaftlicher Vernunft nicht verantworten.
Der Zeitgewinn, den diese Hilfen von IWF und Euro-
Zone bringen, muss von der Bundesregierung nun drin-
4122 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 41. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Mai 2010
(A) (C)
(D)(B)
gend genutzt werden, umfassender und ohne Blick auf
kurzfristige parteipolitische Taktik, die Finanzmärkte zu
bändigen und Antworten auf die Schuldenkrise zu fin-
den.
Anlage 7
Zu Protokoll gegebene Rede
zur Beratung des Antrags: Tag der Befreiung
muss gesetzlicher Gedenktag werden (Tages-
ordnungspunkt 15)
Dr. Stefan Ruppert (FDP): Im 8. Mai 1945 verdich-
ten sich symbolisch wichtige Ereignisse der deutschen
Geschichte: Tag der Befreiung, Stunde null und Aus-
gangspunkt deutscher Teilung. Der Tag steht am Beginn
von Vertreibung und kommunistischer Diktatur. Die Er-
eignisse schafften aber vor allem die Voraussetzung für
die Errichtung einer stabilen Demokratie. Theodor
Heuss formulierte es mit dem ihm eigenen versöhnlichen
Ton: „Im Grunde genommen bleibt dieser 8. Mai 1945
die tragischste und fragwürdigste Paradoxie … für jeden
von uns. Warum denn? Weil wir erlöst und vernichtet in
einem gewesen sind.“
Die Vielschichtigkeit dessen, was an historischen Ent-
wicklungen im 8. Mai 1945 mündete und für die ebendie-
ser Tag Ausgangspunkt war, spiegelt sich auch in der Er-
innerungskultur in Deutschland wider. Mit der Rede des
damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker
am 8. Mai 1985 im Deutschen Bundestag, in der er den
Tag als Tag der Befreiung „von dem menschenverachten-
den System der nationalsozialistischen Gewaltherr-
schaft“ definierte, hatte sich ein bedeutsamer Wandel in
der Erinnerungskultur in Deutschland vollzogen. Später
zeichneten konservative Kreise ein anderes Bild vom
8. Mai, indem sie den Tag als Beginn für Flucht- und Ver-
treibungsbewegungen in Europa und als Anfang der Tei-
lung Deutschlands herausstellten. Dabei wurde glückli-
cherweise nur selten der Konsens infrage gestellt, dass
das Ende des Krieges keine Ursache für Flucht, Vertrei-
bung und Unterdrückung nach 1945 gewesen ist. Mit dem
50. und 60. Jahrestag des Kriegsendes trat in der jüngsten
Vergangenheit dann eher der Versöhnungsgedanke in den
Vordergrund, mit dem der friedliche Wandel in Europa
nach 1989/90 gewürdigt wurde.
All diese Veränderungen in der Erinnerungskultur des
8. Mai zeigen schon, dass sich im Laufe der Jahre rege
und offene Diskussionen in der Öffentlichkeit zu diesem
historischen Datum herausgebildet haben. Die zuneh-
mende historische Distanz erhöhte die Bereitschaft der
Deutschen, sich aktiv mit dem Nationalsozialismus aus-
einanderzusetzen. Schweigen und Beschönigung wurden
zunehmend durch eine aktive Vergangenheitspolitik ver-
drängt. Wir können selbstbewusst sagen, dass die Deut-
schen sich auf der Basis eines breiten gesellschaftlichen
Konsenses ihrer Vergangenheit gestellt haben. Braucht
es deshalb einen staatlich verordneten Gedenktag, um
den Dialog über diesen Tag anzuregen, wie es die Frak-
tion Die Linke in ihrem Antrag fordert? Wir Liberale
glauben: Nein! Ich möchte der Linkspartei gar nicht eine
politische Ideologisierung des 8. Mai unterstellen, ob-
wohl sich diese Verbindung bei der SED-Nachfolgepar-
tei durchaus auftun kann. Nein, ihren Antrag lehnen wir
aus anderen Gründen ab. In unseren gesellschaftlichen
Institutionen und Organisationen wie Schulen, Universi-
täten, Museen und Stiftungen, in der Politik, Publizistik
und Wissenschaft wird alljährig des 8. Mai und der mit
ihm verbundenen Ereignisse gedacht. In diesem Jahr
wird beispielsweise im Deutsch-Russischen Museum
Berlin-Karlshorst ein umfangreiches Museumsfest zur
Erinnerung an den 65. Jahrestag des Kriegsendes statt-
finden. Zudem knüpft das schon lange bestehende Pro-
jekt „Topographie des Terrors“ die Eröffnung seines
neuen Dokumentationszentrums bewusst an das Datum
des 8. Mai. Bei all diesen Veranstaltungen und Projekten
wird auch und gerade der Aspekt der Befreiung von der
nationalsozialistischen Schreckensherrschaft immer wie-
der hervorgehoben.
Was aber aus liberaler Sicht noch viel entscheidender
ist: Sie kommen aus freien Stücken ohne staatliche Vor-
gabe aus der Mitte unserer Gesellschaft. Für uns ist nicht
bedeutsam, ob an ein Ereignis aufgrund einer politischen
Anordnung gedacht wird. Wichtig ist, dass in unserer
Gesellschaft eine aktive Auseinandersetzung mit der ei-
genen Vergangenheit stattfindet und so die Ursachen und
Folgen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in
Erinnerung bleiben. Wir sind davon überzeugt, dass in
einer lebendigen Demokratie ein Gedenktag nicht durch
den Staat vorgeschrieben werden muss. Dass ein „staat-
lich verordneter Antifaschismus“ auch nicht funktionie-
ren kann, hat schon die Geschichte der DDR gezeigt.
Dort war der 8. Mai lange politisch auferlegt, aber in das
Bewusstsein der Bevölkerung ist er kaum getreten. Vor
allem aber hat er nicht die Bereitschaft staatlicher Insti-
tutionen geschaffen, Entschädigungen zu leisten und ak-
tiv zu versöhnen. Ein Datum wie der 8. Mai eignet sich
auch nicht, um parteipolitisch Profit herauszuschlagen.
Wir bedauern es ausdrücklich, dass die Fraktion Die
Linke mit ihrem Antrag den demokratischen Konsens
verlassen hat, die Frage von historischen Gedenktagen
interfraktionell zu diskutieren.
Nicht an einem Tag, sondern jeden Tag ist es unsere
Aufgabe, im täglichen Plebiszit die Errungenschaften ei-
ner freiheitlichen Ordnung neu zu festigen. Jeder Tag, an
dem die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land in
Freiheit leben können, ist ein besonderer Tag. Dies aber
kommt schon durch die lebendige Erinnerungskultur am
8. Mai und an anderen Tagen wie dem 9. November oder
dem 17. Juni – getragen von der Mitte der Gesellschaft –
zur Geltung. Eine zusätzliche staatliche Gedenkverord-
nung, wie es die Linkspartei in ihrem Antrag fordert,
bleibt hinter dem Erreichten zurück und ist deshalb über-
flüssig.
Anlage 8
Zu Protokoll gegebene Rede
zur Beratung des Antrags: Ölkatastrophen ver-
meiden – Raubbau an Mensch und Natur aus-
schließen (Zusatztagesordnungspunkt 10)
Angelika Brunkhorst (FDP): Seit der Explosion auf
der BP-Bohrinsel „Deepwater Horizon“ am 20. April hat
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 41. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Mai 2010 4123
(A) (C)
(D)(B)
das ausgetretene Öl schätzungsweise eine Fläche von
rund 210 mal 110 Kilometern verschmutzt. Es wird be-
fürchtet, dass die Katastrophe sich als folgenschwerer
erweisen könnte als die Havarie des Öltankers „Exxon
Valdez“ in Alaska 1989. Die Umweltschäden damals wa-
ren enorm und sind bis heute spürbar. Einige Tierarten
haben sich noch immer nicht von dieser Katastrophe er-
holt. Schätzungen zufolge starben 250 000 Seevögel,
2 800 Fischotter, 300 Seehunde, 250 Weißkopfseeadler
und bis zu 22 Orcas.
Aktuell hat man die Situation auf der Ölplattform
„Deepwater Horizon“ noch nicht im Griff; es gibt aber
Fortschritte: Das erste von drei Lecks ist abgedichtet.
Leider vermindert sich dadurch allerdings kaum die
Menge des austretenden Öls, da die anderen beiden Lö-
cher größer sind. Das größte Leck soll mithilfe eines py-
ramidenförmigen Stahlcontainers nächste Woche abge-
deckt werden. Es ist ein Wettlauf mit der Zeit, jede
Stunde weniger mindert das Ausmaß der Verschmut-
zung.
Sie, liebe Kollegen der Grünen, nehmen diese Kata-
strophe zum Anlass, um ihre Forderung „Weg vom Öl“
zu untermauern. Sie zielen darauf ab, sich nicht mehr auf
die Förderung von Erdöl zu fixieren, sondern auf
100 Prozent erneuerbare Energien umzustellen, und ma-
len ein düsteres Bild für Afrika, für die Nordsee usw.
Das hilft nicht weiter.
Der Rohstoff Öl ist als Energieträger, aber auch in der
chemischen Industrie für die Herstellung von Kunststof-
fen aktuell unverzichtbar. Erdöl ist derzeit der wichtigste
Rohstoff der modernen Industriegesellschaft. Die Ge-
winnung gänzlich infrage zu stellen, ist unrealistisch.
Aus Sicht des Meeresnaturschutzes bin ich auf Ihrer
Seite bei vielen Ihrer Forderungen. Eine solche Katastro-
phe auf einer Ölplattform, aber auch Tankerunglücke
müssen vermieden werden. Die Erdölförderung muss so
erfolgen, dass das Meeresökosystem vor Verschmutzun-
gen bewahrt wird. Hierfür sind entsprechende Standards
erforderlich, die auch kontrolliert gehören.
Weltweit ist die Offshore-Industrie durch die Förde-
rung von Erdöl und Erdgas geprägt. Es sind Umweltver-
träglichkeitsprüfungen notwendig, die bereits für die
Bauphase untersuchen, welche Gefahren, Verschmut-
zungen und Lärmbelästigungen entstehen. Der sichere
Betrieb der jeweiligen Anlagen muss ebenso gewährleis-
tet sein wie Unfälle möglichst zu vermeiden sind. Beim
weiteren Ausbau der unterschiedlichen Offshore-Pro-
jekte sind insbesondere auch die Auswirkungen dieser
Bauten auf die Sicherheit der Schifffahrt zu überprüfen.
In Deutschland gibt es nur eine Förderplattform, die
in der Elbmündung nördlich von Cuxhaven liegt. Sie ist
nicht mit den Bohrinseln vor der Küste der USA zu ver-
gleichen, da die Nordsee flacher ist. Die Bohrinsel steht
fest auf dem Meeresboden, und hohe Stahlspundwände
schützen die Umgebung.
Deutschland hat vorausschauende, praktikable Maß-
nahmen für mögliche Unfälle getroffen. Das Havariekom-
mando ist seit 2003 zuständig für das Unfallmanagement
auf See. Dazu gehört auch die Bekämpfung von großen
Ölverschmutzungen. Entlang der gesamten deutschen
Küstenlinie sind Materialdepots eingerichtet und Spezial-
schiffe für den Öleinsatz stationiert. 3 000 Einsatzkräfte
stehen an der gesamten deutschen Küstenlinie bereit.
Mithilfe von Notfallplänen und rund 160 praktischen
Übungen mit verschiedenen Organisationen pro Jahr ist
Deutschland für einen Ölunfall vorbereitet. Die Einsatz-
konzepte werden fortlaufend überprüft und an die neues-
ten Erkenntnisse angepasst. Eine Vernetzung mit den
Nachbarländern erleichtert die Zusammenarbeit auf in-
ternationaler Ebene.
Auch wir von der Koalitionsfraktion wollen die er-
neuerbaren Energien konsequent ausbauen und die Ener-
gieeffizienz weiter erhöhen. Auch unser Ziel ist es, dass
die erneuerbaren Energien sukzessive den überwiegen-
den Teil an der Energieversorgung übernehmen.
Die Nutzung erneuerbarer Energien nimmt in Europa
und weltweit weiter stark zu. Die Unternehmen der
Branche und deren Märkte haben sich in den vergange-
nen Jahren erheblich entwickelt. Gerade in Deutschland
haben sich zahlreiche mittelständische Unternehmen in
diesem Markt etabliert. Für die Küste kommt der Wind-
energie dabei eine besondere Bedeutung zu. Zum einen
ist Deutschland bei den Maschinen und Anlagen zur
Windenergieerzeugung Exportweltmeister, zum anderen
gibt es erhebliche Ausbaupläne für die Windkraft auf
dem Meer.
Wir Liberale sehen in einer verantwortungsvollen
Nutzung der Meere eine Herausforderung für Deutsch-
land und Europa. Die Erhaltung der Ökosysteme und der
biologischen Vielfalt der Meeresgebiete dient dem
Schutz der gemeinsamen natürlichen Ressourcen. Wir
setzen uns für eine bessere Vermeidungsstrategie ein, ge-
gen direkte Verunreinigungen der Meere durch Schiffe
aufgrund illegaler sowie legaler Einleitungen von Öl und
Chemikalien oder über den Schiffsanstrich.
Bei der Skandalierung der Erdölindustrie aufgrund ei-
nes Unfalls – so schlimm dieser auch sein mag – macht
die FDP nicht mit.
Anlage 9
Amtliche Mitteilungen
Die Fraktion der SPD hat mitgeteilt, dass sie den An-
trag Deutschland muss deutliche Zeichen für eine
Welt frei von Atomwaffen setzen auf Drucksache
17/242 zurückzieht.
Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses hat
mitgeteilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Absatz 3
Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung
zu der nachstehenden Vorlage absieht:
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Bericht der Bundesregierung über die Ergebnisse ihrer
Bemühungen um die Weiterentwicklung der politischen
und ökonomischen Gesamtstrategie für die Balkanstaa-
ten und ganz Südosteuropa
(Berichtszeitraum: 11. März 2008 bis 31. Januar 2009)
– Drucksachen 16/12252, 17/790 Nr. 3 –
4124 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 41. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Mai 2010
(A) (C)
(D)(B)
Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben
mitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden Uni-
onsdokumente zur Kenntnis genommen oder von einer
Beratung abgesehen hat.
Petitionsausschuss
Drucksache 17/504 Nr. A.1
EuB-EP 1988; P7_TA-PROV(2009)0066
Auswärtiger Ausschuss
Drucksache 17/720 Nr. A.1
EuB-BReg 71/2010
Innenausschuss
Drucksache 17/136 Nr. A.14
Ratsdokument 11480/1/09 REV 1
Drucksache 17/136 Nr. A.17
Ratsdokument 10972/09
Drucksache 17/136 Nr. A.18
Ratsdokument 11709/09
Drucksache 17/136 Nr. A.19
Ratsdokument 11722/09
Haushaltsausschuss
Drucksache 17/975 Nr. A.3
Ratsdokument 6243/10
Drucksache 17/1100 Nr. A.7
Ratsdokument 6559/10
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Drucksache 17/720 Nr. A.12
Ratsdokument 5406/10
Drucksache 17/1270 Nr. A.3
Ratsdokument 7060/10
Ausschuss für Gesundheit
Drucksache 17/178 Nr. A.27
Ratsdokument 14848/09
Drucksache 17/859 Nr. A.11
Ratsdokument 5834/10
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Drucksache 17/136 Nr. A.101
Ratsdokument 12382/09
Drucksache 17/504 Nr. A.22
Drucksache 17/136 Nr. A.20
Ratsdokument 11726/09
Drucksache 17/504 Nr. A.12
Ratsdokument 16870/09
Drucksache 17/790 Nr. 1.6
Ratsdokument 9042/09
Drucksache 17/1100 Nr. A.2
Ratsdokument 5842/10
Drucksache 17/1100 Nr. A.4
Ratsdokument 6898/10
Drucksache 17/1492 Nr. A.9
Ratsdokument 8151/10
Rechtsausschuss
Drucksache 17/859 Nr. A.5
Ratsdokument 5200/10
Offsetdruc
sellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Kö
EuB-EP 1987; P7_TA-PROV(2009)0065
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union
Drucksache 17/136 Nr. A.111
Ratsdokument 12061/09
Drucksache 17/859 Nr. A.15
Ratsdokument 12223/09
Drucksache 17/975 Nr. A.4
Ratsdokument 6956/10
Ausschuss für Kultur und Medien
Drucksache 17/136 Nr. A.117
Ratsdokument 12540/09
Drucksache 17/1100 Nr. A.14
Ratsdokument 7094/10
kerei, Bessemerstraße 83–91, 1
ln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de
22
41. Sitzung
Berlin, Freitag, den 7. Mai 2010
Inhalt:
Redetext
Anlagen zum Stenografischen Bericht
Anlage 1
Anlage 2
Anlage 3
Anlage 4
Anlage 5
Anlage 6
Anlage 7
Anlage 8
Anlage 9