Rede:
ID1703400500

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 16
    1. Ich: 1
    2. eröffne: 1
    3. die: 1
    4. Aussprache: 1
    5. und: 1
    6. erteile: 1
    7. das: 1
    8. Wort: 1
    9. zu-nächst: 1
    10. der: 1
    11. Kollegin: 1
    12. Dr.: 1
    13. Angelica: 1
    14. Schwall-Düren: 1
    15. für: 1
    16. dieSPD-Fraktion.\n: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 17/34 handlungsfähige Städte, Gemeinden Tagesordnungspunkt 4: Abgabe einer Regierungserklärung durch die Bundeskanzlerin: zum Europäischen Rat am 25./26. März 2010 in Brüssel . . . . . . . . . Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Angelica Schwall-Düren (SPD) . . . . . . . . Birgit Homburger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Volker Kauder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Volker Kauder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . und Landkreise (Drucksache 17/1152) . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Katrin Kunert, Dr. Axel Troost, Harald Koch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Verbindliches Mitwirkungs- recht für Kommunen bei der Erar- beitung von Gesetzentwürfen und Verordnungen sowie im Gesetzge- bungsverfahren (Drucksache 17/1142) . . . . . . . . . . . . . . . c) Antrag der Abgeordneten Katrin Kunert, Dr. Axel Troost, Harald Koch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Zukunft der Kommunalfinan- zen – Transparenz gewährleisten und Öffentlichkeit herstellen 3093 D 3094 A 3098 A 3100 A 3101 C 3104 B 3106 B 3106 D 3119 B 3119 B Deutscher B Stenografisc 34. Sit Berlin, Donnerstag, I n h a Wahl des Abgeordneten Klaus-Peter Willsch zum Mitglied des Kuratoriums des Wissen- schaftszentrums Berlin für Sozialfor- schung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erweiterung und Abwicklung der Tagesord- nung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Absetzung des Zusatztagesordnungspunktes 1 sowie der Tagesordnungspunkte 23 c, 28 f und 28 g . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 3: Wahlvorschlag der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP: Wahl des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages (Drucksache 17/1160) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3091 A 3091 A 3092 C 3092 C Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE) . . . . . . . . . 3107 A 3107 C undestag her Bericht zung den 25. März 2010 l t : Michael Link (Heilbronn) (FDP) . . . . . . . . . . Axel Schäfer (Bochum) (SPD) . . . . . . . . . . . Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Eva Högl (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Stübgen (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stefan Liebich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 5: a) Antrag der Fraktion der SPD: Rettungs- schirm für Kommunen – Strategie für 3109 C 3110 D 3112 B 3115 A 3116 C 3117 A 3117 B (Drucksache 17/1143) . . . . . . . . . . . . . . d) – Zweite und dritte Beratung des von d Fraktion der SPD eingebrachten En . er t- 3119 C II Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2010 wurfs eines … Gesetzes zur Ände- rung des Umsatzsteuergesetzes (Drucksachen 17/520, 17/869) . . . . . . – Bericht des Haushaltsausschusses ge- mäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 17/872) . . . . . . . . . . . . . . e) Beschlussempfehlung und Bericht des Fi- nanzausschusses zu dem Antrag der Frak- tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Um- satzsteuerermäßigung für Hotellerie zurücknehmen (Drucksachen 17/447, 17/869) . . . . . . . . . Bernd Scheelen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Antje Tillmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . Dr. Birgit Reinemund (FDP) . . . . . . . . . . . . . Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leo Dautzenberg (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU) . . . . . Sabine Bätzing (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gisela Piltz (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gisela Piltz (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ingrid Remmers (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Thomas Gambke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bernhard Kaster (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Joachim Poß (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Mathias Middelberg (CDU/CSU) . . . . . . Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 28: a) Bericht des Ausschusses für Bildung, For- schung und Technikfolgenabschätzung gemäß § 56 a der Geschäftsordnung: Technikfolgenabschätzung (TA) Zukunftsreport – Ubiquitäres Computing (Drucksache 17/405) . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten René Röspel, Dr. Ernst Dieter Rossmann, Dr. Hans- Peter Bartels, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Adulte Stammzell- forschung ausweiten, Forschung in der 3119 C 3119 C 3119 D 3120 A 3122 C 3124 B 3125 C 3127 A 3129 A 3130 A 3131 C 3133 C 3135 C 3135 D 3136 B 3137 C 3139 A 3139 D 3141 B 3142 B 3143 C 3148 D 3144 A regenerativen Medizin voranbringen und Deutschlands Spitzenposition aus- bauen (Drucksache 17/908) . . . . . . . . . . . . . . . . c) Antrag der Abgeordneten Nicole Maisch, Bärbel Höhn, Kerstin Andreae, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Verbraucher- freundliche kostenfreie Warteschleifen bei telefonischen Dienstleistungen einfüh- ren (Drucksache 17/1029) . . . . . . . . . . . . . . . d) Antrag der Abgeordneten Dr. Diether Dehm, Alexander Ulrich, Andrej Hunko, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Verhandlungen über die Aufnahme Islands in die Europäische Union eröffnen (Drucksache 17/1059) . . . . . . . . . . . . . . . e) Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP: Einvernehmensherstellung von Bundestag und Bundesregierung zum Beitrittsantrag der Republik Island zur Europäischen Union und zur Empfehlung der EU-Kommission vom 24. Februar 2010 zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen hier: Stellungnahme des Deutschen Bundestages nach Artikel 23 Absatz 3 GG i. V. m. § 10 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angele- genheiten der Europäischen Union (Drucksache 17/1190) . . . . . . . . . . . . . . . h) Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP: Übergangsmaßnahmen zur Zusammensetzung des Europäischen Parlamentes nach dem Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon (Drucksache 17/1179) . . . . . . . . . . . . . . . i) Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP: Gewährleistung der Sicherheit der Eisenbahnen in Deutschland (Drucksache 17/1162) . . . . . . . . . . . . . . . j) Antrag der Abgeordneten Angelika Krüger-Leißner, Martin Dörmann, Siegmund Ehrmann, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion der SPD: Für eine Kinodigitalisierung, die den Erhalt un- serer Kinolandschaft sichert (Drucksache 17/1156) . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 3: a) Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Partei-Sponsoring transpa- renter gestalten (Drucksache 17/1169) . . . . . . . . . . . . . . . 3144 A 3144 B 3144 B 3144 C 3144 D 3144 D 3144 D 3145 A Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2010 III b) Antrag der Abgeordneten Halina Wawzyniak, Ulrich Maurer, Jan Korte, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Parteien-Sponsoring im Parteiengesetz regeln (Drucksache 17/892) . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 29: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Ab- kommens vom 15. Dezember 1950 über die Gründung eines Rates für die Zu- sammenarbeit auf dem Gebiete des Zollwesens (Drucksachen 17/759, 17/1207) . . . . . . . . b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu den Änderungsurkun- den vom 24. November 2006 zur Kon- stitution und zur Konvention der Inter- nationalen Fernmeldeunion vom 22. De- zember 1992 (Drucksachen 17/760, 17/1197) . . . . . . . . c) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Achten Gesetzes zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Drucksachen 17/800, 17/1198) . . . . . . . . d) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für wirtschaftliche Zusam- menarbeit und Entwicklung zu dem An- trag der Abgeordneten Uwe Kekeritz, Ute Koczy, Thilo Hoppe, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Beschlagnahmung von Ge- nerika in Europa stoppen – Versorgung von Entwicklungsländern mit Gene- rika sichern (Drucksachen 17/448, 17/871) . . . . . . . . . e) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Technolo- gie zu der Verordnung der Bundesregie- rung: Achtundachtzigste Verordnung zur Änderung der Außenwirtschafts- verordnung (Drucksachen 17/441, 17/1136) . . . . . . . . f) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Technolo- gie zu der Verordnung der Bundesregie- rung: Neunundachtzigste Verordnung zur Änderung der Außenwirtschafts- verordnung (Drucksachen 17/442, 17/1136) . . . . . . . . g) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Techno- logie zu der Verordnung der Bundesre- gierung: Einhundertneunundfünfzigste 3145 A 3145 C 3145 D 3146 A 3146 D 3146 C 3146 D Verordnung zur Änderung der Einfuhr- liste – Anlage zum Außenwirtschaftsge- setz – (Drucksachen 17/443, 17/1136) . . . . . . . . h) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu der Verordnung der Bundesregierung: Verordnung zur Um- setzung der Dienstleistungsrichtlinie auf dem Gebiet des Umweltrechts sowie zur Änderung umweltrechtlicher Vor- schriften (Drucksachen 17/862, 17/940 Nr. 2, 17/1212) Zusatztagesordnungspunkt 4: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses: zu dem Streitverfah- ren vor dem Bundesverfassungsgericht 2 BvG 1/10 (Drucksache 17/1192) . . . . . . . . . . . . . . . b)–k) Beschlussempfehlungen des Petitionsaus- schusses: Sammelübersichten 61, 62, 63, 64, 65, 66, 67, 68, 69 und 70 zu Petitionen (Drucksachen 17/1180, 17/1181, 17/1182, 17/1183, 17/1184, 17/1185, 17/1186, 17/1187, 17/1188, 17/1189) . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 5: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Konsequen- zen aus den zahlreichen bekannt geworde- nen Fällen sexuellen Missbrauchs in kirch- lichen und weltlichen Einrichtungen . . . . . Renate Künast (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Olaf Scholz (SPD). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . Diana Golze (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU) . . . . . . Marlene Rupprecht (Tuchenbach) (SPD) . . . Christian Ahrendt (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dorothee Bär (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Sonja Steffen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michaela Noll (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 3147 A 3147 A 3147 B 3147 C 3151 A 3151 A 3152 B 3153 C 3154 D 3156 B 3157 B 3158 C 3159 B 3160 B 3161 B 3162 C 3163 C 3164 D IV Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2010 Tagesordnungspunkt 6: a) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und der FDP eingebrachten Entwurfs eines … Gesetzes zur Ände- rung des Erneuerbare-Energien-Geset- zes (Drucksache 17/1147) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Dorothee Menzner, Eva Bulling-Schröter, Ralph Lenkert, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Solarstromförde- rung wirksam ausgestalten (Drucksache 17/1144) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Maria Flachsbarth (CDU/CSU) . . . . . . . . Dirk Becker (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Kauch (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . . Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ernst Hinsken (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD) . . . . . . . Horst Meierhofer (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Hermann Scheer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Horst Meierhofer (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Ulrich Kelber (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dirk Becker (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thomas Bareiß (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 7: Antrag der Abgeordneten Michael Schlecht, Alexander Ulrich, Dr. Barbara Höll, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Eurozone reformieren – Staatsbankrotte verhindern (Drucksache 17/1058) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Schlecht (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Peter Aumer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . Manfred Zöllmer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Volker Wissing (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leo Dautzenberg (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 3166 A 3166 A 3166 B 3167 B 3168 D 3170 A 3171 C 3172 A 3173 D 3175 B 3176 A 3177 C 3178 D 3179 A 3179 C 3180 A 3180 D 3181 C 3182 B 3182 C 3183 C 3184 C 3185 D 3187 C 3188 D Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Barbara Hendricks (SPD) . . . . . . . . . . Lothar Binding (Heidelberg) (SPD) . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 8: a) Antrag der Abgeordneten Klaus Riegert, Holger Haibach, Peter Altmaier, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/ CSU sowie der Abgeordneten Harald Leibrecht, Helga Daub, Joachim Günther (Plauen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Haiti eine langfristige Wiederaufbauperspektive geben (Drucksache 17/1157) . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für wirtschaftliche Zusam- menarbeit und Entwicklung zu dem An- trag der Abgeordneten Dr. Sascha Raabe, Klaus Barthel, Lothar Binding (Heidel- berg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Zukunft für Haiti – Nachhaltigen Wiederaufbau unterstüt- zen (Drucksachen 17/885, 17/1214) . . . . . . . . c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für wirtschaftliche Zusam- menarbeit und Entwicklung – zu dem Antrag der Abgeordneten Heike Hänsel, Sevim Dağdelen, Jan van Aken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Nachhal- tige Hilfe für Haiti: Entschuldung jetzt – Süd-Süd-Kooperation stär- ken – zu dem Antrag der Abgeordneten Thilo Hoppe, Tom Koenigs, Ute Koczy, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Haiti entschulden und lang- fristig beim Wiederaufbau unter- stützen (Drucksachen 17/774, 17/791, 17/1099) . Harald Leibrecht (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Sascha Raabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Joachim Günther (Plauen) (FDP) . . . . . . . Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus Riegert (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 3189 B 3189 D 3190 A 3191 B 3192 D 3192 D 3193 A 3193 B 3194 B 3196 B 3196 D 3198 A 3199 C Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2010 V Thilo Hoppe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Frank Heinrich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 9: Antrag der Abgeordneten Dr. Gerhard Schick, Dr. Hermann Ott, Kerstin Andreae, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Finanzmärkte öko- logisch, ethisch und sozial neu ausrichten (Drucksache 17/795) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus-Peter Flosbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . Kerstin Tack (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Frank Schäffler (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ralph Brinkhaus (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Dr. Carsten Sieling (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 10: Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Freie und faire Wahlen im Sudan sicherstellen, den Friedensprozess über das Referendum 2011 hinaus begleiten sowie die humanitäre und menschenrechtliche Situation verbes- sern (Drucksache 17/1158) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Johannes Selle (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Christoph Strässer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Marina Schuster (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Niema Movassat (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU) . . . Tagesordnungspunkt 11: a) Antrag der Abgeordneten Uwe Beckmeyer, Sören Bartol, Martin Burkert, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Mobilität nachhaltig gestalten – Erfolgreichen Ansatz der integrierten Verkehrspolitik fortentwickeln (Drucksache 17/1060) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Winfried Hermann, Dr. Valerie Wilms, Hans-Josef Fell, weiterer Abgeordneter und der Frak- 3200 D 3202 B 3203 D 3204 A 3204 D 3206 B 3207 D 3208 D 3209 C 3210 C 3211 C 3212 D 3212 D 3214 A 3215 C 3216 D 3217 D 3219 A 3219 D tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Mit grüner Elektromobilität ins postfossile Zeitalter (Drucksache 17/1164) . . . . . . . . . . . . . . . Kirsten Lühmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Gero Storjohann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Herbert Behrens (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Werner Simmling (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Steffen Bilger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 12: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Menschenrechte und Hu- manitäre Hilfe zu dem Antrag der Fraktio- nen der CDU/CSU und der FDP: Men- schenrechte weltweit schützen (Drucksachen 17/257, 17/1135) . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Christoph Strässer, Angelika Graf (Rosenheim), Iris Gleicke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Menschenrechtsver- teidiger brauchen den Schutz der Euro- päischen Union (Drucksache 17/1048) . . . . . . . . . . . . . . . c) Antrag der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Marieluise Beck (Bremen), Viola von Cramon-Taubadel, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Mehr Schutz für Menschen- rechtsverteidigerinnen und Menschen- rechtsverteidiger (Drucksache 17/1165) . . . . . . . . . . . . . . . Serkan Tören (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Christoph Strässer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Erika Steinbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sevim Dağdelen (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 17: a) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines … Ge- setzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 28 Absatz 1) (Drucksache 17/1047) . . . . . . . . . . . . . . . 3220 A 3220 A 3221 D 3223 B 3224 C 3225 D 3226 D 3227 D 3228 A 3228 A 3228 B 3229 D 3231 C 3232 C 3233 C 3234 A 3235 B 3237 A VI Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2010 b) Erste Beratung des von den Abgeordneten Memet Kilic, Josef Philip Winkler, Ingrid Hönlinger, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN eingebrachten Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung des Grundge- setzes (Artikel 28 Absatz 1 – Kommuna- les Ausländerwahlrecht) (Drucksache 17/1150) . . . . . . . . . . . . . . . . c) Antrag der Abgeordneten Sevim Dağdelen, Katrin Kunert, Jan Korte, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Kommunales Wahlrecht für Drittstaatsangehörige einführen (Drucksache 17/1146) . . . . . . . . . . . . . . . . Rüdiger Veit (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reinhard Grindel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Sevim Dağdelen (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Serkan Tören (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Memet Kilic (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU) . . . . . Sevim Dağdelen (DIE LINKE) . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 14: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Umwelt, Naturschutz und Reak- torsicherheit zu der Unterrichtung der Bundesregierung: Vorschlag für eine Ver- ordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das Inverkehrbringen und die Verwendung von Biozidprodukten (Text von Bedeutung für den EWR) (inkl. 11063/09 ADD 1 und 11063/09 ADD 2) (ADD 1 in Englisch) KOM(2009) 267 endg.; Ratsdok. 11063/09 (Drucksachen 17/136 Nr. A.94, 17/1218) . . . Tagesordnungspunkt 15: Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Klaus Ernst, Heidrun Dittrich, wei- terer Abgeordneter der Fraktion DIE LINKE: Zur Stabilisierung des Rentenniveaus: Riester-Faktor streichen – Keine nachho- lenden Rentendämpfungen vornehmen (Drucksache 17/1145) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 16: Antrag der Abgeordneten Ulrike Höfken, Cornelia Behm, Bärbel Höhn, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Anbau von gentechnisch verän- derter Kartoffel Amflora verhindern (Drucksache 17/1028) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3237 A 3237 B 3237 C 3239 A 3240 B 3241 B 3242 C 3243 B 3244 B 3245 C 3246 A 3246 A Tagesordnungspunkt 13: Antrag der Fraktion der SPD: Modernisie- rungspartnerschaft mit Russland – Ge- meinsame Sicherheit in Europa durch stär- kere Kooperation und Verflechtung (Drucksache 17/1153) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 18: Antrag der Abgeordneten Heidrun Bluhm, Dr. Gesine Lötzsch, Dr. Dietmar Bartsch, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Altschulden der ostdeutschen Wohnungsunternehmen streichen (Drucksache 17/1148) . . . . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 6: Antrag der Abgeordneten Hans-Joachim Hacker, Sören Bartol, Uwe Beckmeyer, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Altschuldenentlastung für Wohnungsun- ternehmen in den neuen Ländern (Drucksache 17/1154) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Volkmar Vogel (Kleinsaara) (CDU/CSU) . . . Hans-Joachim Hacker (SPD) . . . . . . . . . . . . Petra Müller (Aachen) (FDP) . . . . . . . . . . . . Heidrun Bluhm (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jan Mücke, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 7: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zu dem Antrag der Abge- ordneten Undine Kurth (Quedlinburg), Cornelia Behm, Alexander Bonde, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Europäische Tier- versuchsrichtlinie muss ethischem Tier- schutz Rechnung tragen – Stellungnahme des Deutschen Bundestages gemäß Arti- kel 23 Absatz 3 Grundgesetz (Drucksachen 17/792, 17/1208) . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 19: Antrag der Abgeordneten Dr. Rosemarie Hein, Agnes Alpers, Nicole Gohlke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Kooperationsverbot in der Bildung unver- züglich aufheben (Drucksache 17/785) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tankred Schipanski (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Marianne Schieder (Schwandorf) (SPD) . . . . 3246 B 3246 C 3246 C 3246 D 3247 B 3248 A 3248 D 3249 C 3250 A 3251 A 3251 C 3251 C 3252 D Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2010 VII Swen Schulz (Spandau) (SPD) . . . . . . . . . . . . Patrick Meinhardt (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Rosemarie Hein (DIE LINKE) . . . . . . . . . Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 20: Antrag der Abgeordneten Dr. Petra Sitte, Agnes Alpers, Dr. Martina Bunge, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Verpflichtung zur Registrierung aller klini- schen Studien und zur Veröffentlichung al- ler Studienergebnisse einführen (Drucksache 17/893) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Rolf Koschorrek (CDU/CSU) . . . . . . . . . . René Röspel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Marlies Volkmer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Lars Lindemann (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Petra Sitte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 21: a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Sabine Zimmermann, Jutta Krellmann, Klaus Ernst, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Entfristung der freiwilligen Weiterversicherung in der Arbeitslosenversicherung (Drucksache 17/1141) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Brigitte Pothmer, Fritz Kuhn, Katrin Göring- Eckardt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Freiwillige Arbeitslosenversicherung für Selbständige entfristen und aus- bauen (Drucksache 17/1166) . . . . . . . . . . . . . . . . Paul Lehrieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Gabriele Lösekrug-Möller (SPD) . . . . . . . . . . Johannes Vogel (Lüdenscheid) (FDP) . . . . . . Sabine Zimmermann (DIE LINKE) . . . . . . . . Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 22: Antrag der Abgeordneten Sevim Dağdelen, Alexander Ulrich, Jan van Aken, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion DIE LINKE: Für die Demokratisierung des Gewerkschafts- rechts in der Türkei (Drucksache 17/1101) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Wolfgang Götzer (CDU/CSU) . . . . . . . . . 3253 B 3254 A 3254 D 3255 D 3256 B 3256 C 3257 A 3257 D 3258 D 3259 C 3260 D 3261 D 3262 A 3262 A 3263 D 3264 C 3265 C 3266 A 3266 D 3266 D Uta Zapf (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Serkan Tören (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sevim Dağdelen (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Claudia Roth (Augsburg) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . Anlage 2 Namensverzeichnis der Mitglieder des Deut- schen Bundestages, die an der Wahl des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages teilgenommen haben (Tagesordnungspunkt 3) Anlage 3 Mündliche Frage 87 Ute Koczy (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zusage für eine Exportbürgschaft zum Weiterbau des Atomkraftwerks Angra 3 durch Siemens in Brasilien Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi (33. Sitzung, Tagesordnungspunkt 2) . . . . . . Anlage 4 Mündliche Frage 91 Dr. Hermann Ott (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Förderung des Exports deutscher Atom- technologie statt Technologien im Bereich erneuerbarer Energien nach Brasilien Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi (33. Sitzung, Tagesordnungspunkt 2) . . . . . . Anlage 5 Mündliche Frage 92 Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Polnische Pläne zum Bau von Atomkraft- werken in Polen sowie Unterstützung durch deutsche oder europäische Finanz- hilfen Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi (33. Sitzung, Tagesordnungspunkt 2) . . . . . . 3268 B 3269 B 3269 D 3271 D 3272 C 3273 A 3273 B/D 3276 A 3276 B 3276 B VIII Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2010 Anlage 6 Mündliche Frage 114 Caren Marks (SPD) Konsequenzen einer Verlagerung der Pflege in die Familien und Konzeption der Pflegeteilzeit Antwort Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ (33. Sitzung, Tagesordnungspunkt 2) . . . . . . . Anlage 7 Erklärung der Abgeordneten Dr. Ursula von der Leyen (CDU/CSU) zur namentlichen Ab- stimmung über den Entwurf eines … Geset- zes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (Tagesordnungspunkt 5 d) . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung: – Beschlussempfehlung und Bericht: Men- schenrechte weltweit schützen – Antrag: Menschenrechtsverteidiger brau- chen den Schutz der Europäischen Union – Antrag: Mehr Schutz für Menschenrechts- verteidigerinnen und Menschenrechtsver- teidiger (Tagesordnungspunkt 12 a bis c) Dr. Egon Jüttner (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Anlage 9 Zu Protokoll gegebenen Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts: Vorschlag für eine Verordnung des Europäi- schen Parlaments und des Rates über das In- verkehrbringen und die Verwendung von Bio- zidprodukten (Text von Bedeutung für den EWR) (inkl. 11063/09 ADD 1 und 11063/09 ADD 2) (ADD 1 in Englisch) (Tagesord- nungspunkt 14) Ingbert Liebing (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Josef Göppel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Bärbel Kofler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Lutz Knopek (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Ralph Lenkert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Zur Stabilisierung des Renten- niveaus: Riester-Faktor streichen – Keine 3276 C 3277 A 3277 A 3277 D 3279 D 3280 B 3282 A 3282 D 3283 B nachholenden Rentendämpfungen vornehmen (Tagesordnungspunkt 15) Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) . . . . Max Straubinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Anton Schaaf (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) . . . . . . . Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Anbau von gentechnisch verän- derter Kartoffel Amflora verhindern (Tagesordnungspunkt 16) Carola Stauche (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Josef Rief (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elvira Drobinski-Weiß (SPD) . . . . . . . . . . . . . Dr. Christel Happach-Kasan (FDP) . . . . . . . Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) . . . . . . . Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 12 Zu Protokoll gegebenen Reden zur Beratung des Antrags: Modernisierungspartnerschaft mit Russland – Gemeinsame Sicherheit in Eu- ropa durch stärkere Kooperation und Ver- flechtung (Tagesordnungspunkt 13) Karl-Georg Wellmann (CDU/CSU) . . . . . . . . Franz Thönnes (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Bijan Djir-Sarai (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 13 Zu Protokoll gegebenen Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts: Europäische Tierversuchsrichtlinie muss ethi- schem Tierschutz Rechnung tragen – Stel- lungnahme des Deutschen Bundestages gemäß Artikel 23 Absatz 3 Grundgesetz (Zu- satztagesordnungspunkt 7) Dieter Stier (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . Heinz Paula (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Christel Happach-Kasan (FDP) . . . . . . . Alexander Süßmair (DIE LINKE) . . . . . . . . . Undine Kurth (Quedlinburg) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3284 A 3285 A 3285 D 3287 C 3288 B 3289 A 3289 C 3290 C 3291 B 3292 A 3293 A 3293 D 3294 D 3296 D 3298 D 3299 D 3300 C 3301 C 3303 B 3304 C 3305 C 3306 B Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2010 3091 (A) (C) (D)(B) 34. Sit Berlin, Donnerstag, Beginn: 9
  • folderAnlagen
    Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2010 3273 (A) (C) (D)(B) Norbert Barthle Günter Baumann Clemens Binninger Peter Bleser Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Peter Altmaier Peter Aumer Dorothee Bär Thomas Bareiß Manfred Behrens (Börde) Veronika Bellmann Dr. Christoph Bergner Peter Beyer Steffen Bilger (Bönstrup) Wolfgang Bosbach Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Gitta Connemann Leo Dautzenberg Alexander Dobrindt Dreibus, Werner DIE LINKE 25.03.2010 Erdel, Rainer FDP 25.03.2010 Gabriel, Sigmar SPD 25.03.2010 Götz, Peter CDU/CSU 25.03.2010 Golze, Diana DIE LINKE 25.03.2010 Gottschalck, Ulrike SPD 25.03.2010 Granold, Ute CDU/CSU 25.03.2010 Groth, Annette DIE LINKE 25.03.2010 Hempelmann, Rolf SPD 25.03.2010 Hintze, Peter CDU/CSU 25.03.2010 Keul, Katja BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 25.03.2010 Klöckner, Julia CDU/CSU 25.03.2010 Anlage 2 Namensve der Mitglieder des Deutschen Bundestages des Deutschen Bundestages teilgenom CDU/CSU Ilse Aigner Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen) * für die Teilnahme an der 122. Jahreskonferenz der Interparlamenta- rischen Union Lötzer, Ulla DIE LINKE 25.03.2010 Pflug, Johannes SPD 25.03.2010 Polenz, Ruprecht CDU/CSU 25.03.2010 Pronold, Florian SPD 25.03.2010 Roth (Esslingen), Karin SPD 25.03.2010 Dr. Steffel, Frank CDU/CSU 25.03.2010 Ulrich, Alexander DIE LINKE 25.03.2010* Werner, Katrin DIE LINKE 25.03.2010 Winkler, Josef Philip BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 25.03.2010* Zimmermann, Sabine DIE LINKE 25.03.2010 rzeichnis , die an der Wahl des Wehrbeauftragten men haben (Tagesordnungspunkt 3) Dr. Maria Böhmer Wolfgang Börnsen Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Helge Braun Burchardt, Ulla SPD 25.03.2010 Burkert, Martin SPD 25.03.2010 Dr. Danckert, Peter SPD 25.03.2010 DIE GRÜNEN Kunert, Katrin DIE LINKE 25.03.2010 Dr. Lehmer, Max CDU/CSU 25.03.2010 Bernschneider, Florian FDP 25.03.2010 Krumwiede, Agnes BÜNDNIS 90/ 25.03.2010 Anlage 1 Abgeordnete(r) Liste der entschuldi entschuldigt bis einschließlich Anlagen zum S gten Abgeordneten Abgeordnete(r) tenografischen Bericht entschuldigt bis einschließlich 3274 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2010 (A) (C) (D)(B) Dr. Thomas Feist Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Hartwig Fischer (Göttingen) Axel E. Fischer (Karlsruhe- Land) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Herbert Frankenhauser Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Michael Frieser Erich G. Fritz Hans-Joachim Fuchtel Alexander Funk Ingo Gädechens Dr. Peter Gauweiler Dr. Thomas Gebhart Norbert Geis Alois Gerig Eberhard Gienger Michael Glos Josef Göppel Dr. Wolfgang Götzer Reinhard Grindel Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Monika Grütters Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg Olav Gutting Florian Hahn Holger Haibach Dr. Stephan Harbarth Jürgen Hardt Gerda Hasselfeldt Dr. Matthias Heider Mechthild Heil Ursula Heinen-Esser Frank Heinrich Rudolf Henke Michael Hennrich Jürgen Herrmann Ansgar Heveling Ernst Hinsken Christian Hirte Robert Hochbaum Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Joachim Hörster Anette Hübinger Thomas Jarzombek Dr. Dieter Jasper Dr. Franz Josef Jung Andreas Jung (Konstanz) Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Steffen Kampeter Alois Karl Bernhard Kaster Volker Kauder Siegfried Kauder (Villingen- Schwenningen) Dr. Stefan Kaufmann Roderich Kiesewetter Eckart von Klaeden Volkmar Klein Jürgen Klimke Axel Knoerig Jens Koeppen Manfred Kolbe Dr. Rolf Koschorrek Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Dr. Martina Krogmann Rüdiger Kruse Bettina Kudla Dr. Hermann Kues Günter Lach Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) Andreas G. Lämmel Dr. Norbert Lammert Katharina Landgraf Ulrich Lange Paul Lehrieder Dr. Ursula von der Leyen Ingbert Liebing Matthias Lietz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Dr. Jan-Marco Luczak Dr. Michael Luther Karin Maag Dr. Thomas de Maizière Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Stephan Mayer (Altötting) Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Dr. Mathias Middelberg Philipp Mißfelder Dietrich Monstadt Marlene Mortler Dr. Gerd Müller Stefan Müller (Erlangen) Nadine Müller (St. Wendel) Dr. Philipp Murmann Bernd Neumann (Bremen) Michaela Noll Dr. Georg Nüßlein Franz Obermeier Eduard Oswald Henning Otte Dr. Michael Paul Rita Pawelski Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Beatrix Philipp Ronald Pofalla Christoph Poland Eckhard Pols Lucia Puttrich Daniela Raab Thomas Rachel Dr. Peter Ramsauer Eckhardt Rehberg Katherina Reiche (Potsdam) Lothar Riebsamen Josef Rief Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Johannes Röring Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Erwin Rüddel Albert Rupprecht (Weiden) Anita Schäfer (Saalstadt) Dr. Wolfgang Schäuble Dr. Annette Schavan Dr. Andreas Scheuer Karl Schiewerling Norbert Schindler Tankred Schipanski Georg Schirmbeck Christian Schmidt (Fürth) Patrick Schnieder Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Ole Schröder Dr. Kristina Schröder (Wiesbaden) Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Armin Schuster (Weil am Rhein) Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Jens Spahn Carola Stauche Erika Steinbach Christian Freiherr von Stetten Dieter Stier Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Karin Strenz Thomas Strobl (Heilbronn) Lena Strothmann Michael Stübgen Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Volkmar Vogel (Kleinsaara) Stefanie Vogelsang Andrea Astrid Voßhoff Dr. Johann Wadephul Marco Wanderwitz Kai Wegner Peter Weiß (Emmendingen) Sabine Weiss (Wesel I) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Elisabeth Winkelmeier- Becker Dagmar Wöhrl Dr. Matthias Zimmer Wolfgang Zöller Willi Zylajew SPD Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Heinz-Joachim Barchmann Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Klaus Barthel Sören Bartol Bärbel Bas Sabine Bätzing Dirk Becker Uwe Beckmeyer Lothar Binding (Heidelberg) Gerd Bollmann Klaus Brandner Willi Brase Bernhard Brinkmann (Hildesheim) Edelgard Bulmahn Marco Bülow Petra Crone Elvira Drobinski-Weiß Sebastian Edathy Siegmund Ehrmann Dr. h. c. Gernot Erler Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Elke Ferner Gabriele Fograscher Dr. Edgar Franke Dagmar Freitag Peter Friedrich Sigmar Gabriel Michael Gerdes Martin Gerster Iris Gleicke Günter Gloser Angelika Graf (Rosenheim) Michael Groschek Michael Groß Wolfgang Gunkel Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Michael Hartmann (Wackernheim) Hubertus Heil (Peine) Dr. Barbara Hendricks Gustav Herzog Gabriele Hiller-Ohm Petra Hinz (Essen) Frank Hofmann (Volkach) Dr. Eva Högl Christel Humme Josip Juratovic Oliver Kaczmarek Johannes Kahrs Dr. h. c. Susanne Kastner Ulrich Kelber Lars Klingbeil Hans-Ulrich Klose Dr. Bärbel Kofler Daniela Kolbe (Leipzig) Fritz Rudolf Körper Anette Kramme Nicolette Kressl Ute Kumpf Christine Lambrecht Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2010 3275 (A) (C) (D)(B) Christian Lange (Backnang) Dr. Karl Lauterbach Steffen-Claudio Lemme Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Kirsten Lühmann Caren Marks Katja Mast Hilde Mattheis Petra Merkel (Berlin) Ullrich Meßmer Dr. Matthias Miersch Franz Müntefering Dr. Rolf Mützenich Andrea Nahles Dietmar Nietan Manfred Nink Thomas Oppermann Aydan Özoğuz Heinz Paula Joachim Poß Dr. Wilhelm Priesmeier Dr. Sascha Raabe Mechthild Rawert Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Sönke Rix René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Michael Roth (Heringen) Marlene Rupprecht (Tuchenbach) Anton Schaaf Axel Schäfer (Bochum) Bernd Scheelen Dr. Hermann Scheer Marianne Schieder (Schwandorf) Werner Schieder (Weiden) Ulla Schmidt (Aachen) Silvia Schmidt (Eisleben) Carsten Schneider (Erfurt) Olaf Scholz Ottmar Schreiner Swen Schulz (Spandau) Ewald Schurer Dr. Angelica Schwall-Düren Dr. Martin Schwanholz Rolf Schwanitz Stefan Schwartze Dr. Carsten Sieling Sonja Steffen Peer Steinbrück Dr. Frank-Walter Steinmeier Christoph Strässer Kerstin Tack Dr. h. c. Wolfgang Thierse Franz Thönnes Wolfgang Tiefensee Rüdiger Veit Dr. Marlies Volkmer Andrea Wicklein Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Dieter Wiefelspütz Waltraud Wolff (Wolmirstedt) Uta Zapf Dagmar Ziegler Manfred Zöllmer Brigitte Zypries FDP Jens Ackermann Christian Ahrendt Christine Aschenberg- Dugnus Daniel Bahr (Münster) Florian Bernschneider Sebastian Blumenthal Claudia Bögel Nicole Bracht-Bendt Klaus Breil Rainer Brüderle Angelika Brunkhorst Ernst Burgbacher Marco Buschmann Sylvia Canel Helga Daub Reiner Deutschmann Dr. Bijan Djir-Sarai Patrick Döring Mechthild Dyckmans Jörg van Essen Ulrike Flach Otto Fricke Paul K. Friedhoff Dr. Edmund Peter Geisen Dr. Wolfgang Gerhardt Hans-Michael Goldmann Heinz Golombeck Miriam Gruß Joachim Günther (Plauen) Dr. Christel Happach-Kasan Heinz-Peter Haustein Manuel Höferlin Elke Hoff Birgit Homburger Dr. Werner Hoyer Heiner Kamp Michael Kauch Dr. Lutz Knopek Pascal Kober Dr. Heinrich L. Kolb Hellmut Königshaus Gudrun Kopp Dr. h. c. Jürgen Koppelin Sebastian Körber Patrick Kurth (Kyffhäuser) Heinz Lanfermann Sibylle Laurischk Harald Leibrecht Sabine Leutheusser- Schnarrenberger Lars Lindemann Christian Lindner Dr. Martin Lindner (Berlin) Michael Link (Heilbronn) Dr. Erwin Lotter Oliver Luksic Horst Meierhofer Patrick Meinhardt Gabriele Molitor Jan Mücke Petra Müller (Aachen) Burkhardt Müller-Sönksen Dr. Martin Neumann (Lausitz) Dirk Niebel Hans-Joachim Otto (Frankfurt) Cornelia Pieper Gisela Piltz Dr. Birgit Reinemund Dr. Peter Röhlinger Dr. Stefan Ruppert Björn Sänger Frank Schäffler Christoph Schnurr Jimmy Schulz Marina Schuster Dr. Erik Schweickert Werner Simmling Judith Skudelny Dr. Hermann Otto Solms Joachim Spatz Dr. Max Stadler Torsten Heiko Staffeldt Dr. Rainer Stinner Carl-Ludwig Thiele Stephan Thomae Florian Toncar Serkan Tören Johannes Vogel (Lüdenscheid) Dr. Daniel Volk Dr. Guido Westerwelle Dr. Claudia Winterstein Dr. Volker Wissing Hartfrid Wolff (Rems-Murr) DIE LINKE Jan van Aken Agnes Alpers Dr. Dietmar Bartsch Herbert Behrens Karin Binder Matthias W. Birkwald Heidrun Bluhm Steffen Bockhahn Christine Buchholz Eva Bulling-Schröter Dr. Martina Bunge Roland Claus Dr. Diether Dehm Heidrun Dittrich Dr. Dagmar Enkelmann Wolfgang Gehrcke Nicole Gohlke Dr. Gregor Gysi Dr. Rosemarie Hein Inge Höger Dr. Barbara Höll Andrej Konstantin Hunko Ulla Jelpke Dr. Lukrezia Jochimsen Katja Kipping Harald Koch Jan Korte Jutta Krellmann Caren Lay Sabine Leidig Ralph Lenkert Michael Leutert Stefan Liebich Dr. Gesine Lötzsch Thomas Lutze Ulrich Maurer Dorothée Menzner Cornelia Möhring Kornelia Möller Niema Movassat Wolfgang Nešković Thomas Nord Petra Pau Jens Petermann Richard Pitterle Yvonne Ploetz Ingrid Remmers Paul Schäfer (Köln) Michael Schlecht Dr. Herbert Schui Dr. Ilja Seifert Kathrin Senger-Schäfer Raju Sharma Dr. Petra Sitte Sabine Stüber Alexander Süßmair Dr. Kirsten Tackmann Dr. Axel Troost Kathrin Vogler Sahra Wagenknecht Halina Wawzyniak Harald Weinberg Jörn Wunderlich BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Marieluise Beck (Bremen) Volker Beck (Köln) Cornelia Behm Birgitt Bender Alexander Bonde Viola von Cramon-Taubadel Ekin Deligöz Katja Dörner Hans-Josef Fell Dr. Thomas Gambke Kai Gehring Katrin Göring-Eckardt Britta Haßelmann Bettina Herlitzius Winfried Hermann Priska Hinz (Herborn) Ulrike Höfken Dr. Anton Hofreiter Bärbel Höhn Ingrid Hönlinger Thilo Hoppe Uwe Kekeritz Memet Kilic Sven-Christian Kindler Maria Anna Klein-Schmeink Ute Koczy Tom Koenigs Sylvia Kotting-Uhl Oliver Krischer Fritz Kuhn Stephan Kühn Renate Künast Markus Kurth Undine Kurth (Quedlinburg) 3276 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2010 (A) (C) (D)(B) auch auf Brasilien bezogen. sechs Monaten einen Anspruch, vollständig oder teil- weise von der Arbeitsleistung freigestellt zu werden, um Anlage 5 Antw des Parl. Staatssekretärs H Frage des Abgeordneten Han DIE GRÜNEN) (33. Sitzung ge 92): ort ans-Joachim Otto auf die s-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ , Drucksache 17/1107, Fra- nächsten Bericht über die En cherung evaluiert. Die Bundesregierung prüf Koalitionsvereinbarung das von Frau Bundesministerin D Ende der Prüfung wird unter September 2010 ein Eckpunk twicklung der Pflegeversi- t vor dem Hintergrund der Familien-Pflegezeitkonzept r. Kristina Schröder. Nach Einbindung der Ressorts im tepapier vorgelegt. Angehörige zu pflegen. Die Regelungen werden im Monika Lazar Nicole Maisch Agnes Malczak Jerzy Montag Kerstin Müller (Köln) Beate Müller-Gemmeke Ingrid Nestle Dr. Konstantin von Notz Omid Nouripour Friedrich Ostendorff Dr. Hermann Ott Lisa Paus Brigitte Pothmer Tabea Rößner Claudia Roth (Augsburg) Krista Sager Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die Frage der Abgeordneten Ute Koczy (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (33. Sitzung, Drucksache 17/1107, Frage 87): Wie begründet die Bundesregierung die Zusage der Ex- portbürgschaft in Höhe von knapp 2,5 Milliarden Euro für Zu- lieferungen des Siemens-Konzerns für den Weiterbau des Atomkraftwerkes Angra 3 in Brasilien? Das Geschäft hält internationale Standards ein und hat für den Exporteur eine hohe beschäftigungspolitische Bedeutung. Hinzu kommt die Bedeutung des Auftrages für die Auslastung der am Projekt beteiligten kleinen und mittleren Zulieferanten aus ganz Deutschland. Dies sichert auch in den jetzigen Krisenzeiten hochqualifi- zierte Arbeitsplätze. Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die Fra- gen des Abgeordneten Dr. Herman Ott (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (33. Sitzung, Drucksache 17/1107, Frage 91): Warum fördert die Bundesregierung den Export deutscher Atomtechnologie nach Brasilien und nicht den Export deut- scher Technologien im Bereich der erneuerbaren Energien? Deutsche Exporte sind von außerordentlicher wirt- schafts- und arbeitsmarktpolitischer Bedeutung. Daher sichert die Bundesregierung auch Exporte im Bereich der erneuerbaren Energien mit dem Instrument der Export- kreditgarantien unter anderem für das Zielland Brasilien ab. Die rechtlichen Voraussetzungen für die Indeckung- nahme müssen hierfür jeweils vorliegen. Außerdem för- dert die Bundesregierung den Export deutscher Techno- logien speziell für erneuerbare Energien im Rahmen der Exportinitiative Erneuerbare Energien insgesamt und Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Christine Scheel Dr. Gerhard Schick Dr. Frithjof Schmidt Dorothea Steiner Dr. Wolfgang Strengmann- Kuhn Hans-Christian Ströbele Dr. Harald Terpe Markus Tressel Jürgen Trittin Daniela Wagner Wolfgang Wieland Dr. Valerie Wilms Befürwortet die Bundesregierung die Pläne der polnischen Regierung, den Bau von Atomkraftwerken in Polen zuzulas- sen, und schließt die Bundesregierung generell deutsche oder europäische Finanzhilfen für polnische Atomkraftwerke aus? Nach Auffassung der Bundesregierung steht es jedem Staat frei, über die Zusammensetzung seines Energiemi- xes einschließlich des Einsatzes der Kernenergie selbst zu entscheiden. Dies gilt auch für die Pläne Polens zur Nutzung der Kernenergie. Anträge auf Finanzhilfen für den Bau von Kernkraft- werken in Polen sind der Bundesregierung nicht be- kannt. Anlage 6 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hermann Kues auf die Frage der Abgeordneten Caren Marks (SPD) (33. Sit- zung, Drucksache 17/1107, Frage 114): Inwieweit sieht die Bundesregierung durch die mit der Pflegeteilzeit angestrebte Verlagerung der Pflege in die Fami- lien und der damit einhergehenden Privatisierung und Entsoli- darisierung eine angemessene Lösung bezüglich der immer größer werdenden gesellschaftlichen Herausforderungen in der Pflege, und welche Lösungsvorschläge hat die Bundesre- gierung bei der Konzeption einer Pflegeteilzeit bezüglich der bekannten psychischen und physischen Überlastung pflegen- der Angehöriger? Die Regierungsparteien haben im Koalitionsvertrag folgendes vereinbart: „Um den Familien die Chance zu geben, Erwerbstätigkeit und die Unterstützung der pfle- gebedürftigen Angehörigen besser in Einklang zu brin- gen, wollen wir mit der Wirtschaft und im öffentlichen Dienst bei Pflege- und Arbeitszeit verbesserte Maßnah- men zur Förderung der Vereinbarkeit von Pflege und Be- ruf entwickeln.“ Die derzeitigen Regelungen des Pflegezeitgesetzes sind ein wichtiger und richtiger Schritt auf diesem Weg. Danach haben Beschäftigte für eine Dauer von bis zu Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2010 3277 (A) (C) (D)(B) Anlage 7 Erklärung der Abgeordneten Dr. Ursula von der Leyen (CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung über den Entwurf eines … Gesetzes zur Ände- rung des Umsatzsteuergesetzes (Tagesord- nungspunkt 5 d) In der Ergebnisliste ist mein Name nicht aufgeführt. Mein Votum lautet „Nein“. Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung: – Beschlussempfehlung und Bericht: Menschen- rechte weltweit schützen – Antrag: Menschenrechtsverteidiger brauchen den Schutz der Europäischen Union – Antrag: Mehr Schutz für Menschenrechts- verteidigerinnen und Menschenrechtsvertei- diger (Tagesordnungspunkt 12 a bis c) Dr. Egon Jüttner (CDU/CSU): „Menschenrechte weltweit schützen“. So lautet der Titel des Antrags der Fraktionen von CDU/CSU und FDP. Der Antrag bringt zum Ausdruck, dass wir uns uneingeschränkt zu den Menschenrechten bekennen und dass wir sie auch ein- fordern – bei uns und überall in der Welt. Der Antrag be- nennt die zentralen Handlungsfelder der Menschen- rechtspolitik der christlich-liberalen Koalitionen. In den 17 Forderungen unseres Antrags an die Bundesregierung kommt zum Ausdruck, dass es uns ernst ist, alles zu tun, um die Menschenrechte weltweit durchzusetzen. Die Forderung nach Einhaltung der Presse- und Meinungs- freiheit ist uns ebenso wichtig wie die Forderung nach Stärkung der Menschenrechtsschutzsysteme, die welt- weite Abschaffung von Todesstrafe und Folter ebenso wie die Bekämpfung von Sklaverei, Ausbeutung und Menschenhandel. Aber auch der Schutz von Frauen und Kindern ist uns ein wichtiges Anliegen. Bei Menschenrechtsverletzungen dürfen wir nicht schweigen. Wir müssen uns einmischen und in einen ständigen Dialog mit den Verantwortlichen jener Staaten treten, die Menschenrechte verletzen. Die Menschen- rechte haben deshalb in unserer Außenpolitik einen hohen Stellenwert. Im Koalitionsvertrag wird die Einhaltung der Menschenrechte ausdrücklich als eine Grundlage deut- scher Außenpolitik bezeichnet. „Interessengeleitete Au- ßenpolitik muss auch wertegeleitete Politik sein“, sagte die Bundeskanzlerin beim Tag der Konrad-Adenauer- Stiftung im Jahre 2008 anlässlich der damals 60 Jahre zuvor von den Vereinten Nationen verabschiedeten All- gemeinen Erklärung der Menschenrechte. Sie machte zu Recht deutlich, dass zu einer wertegeleiteten Außenpoli- tik auch die Anmahnung der Menschenrechte gehört. Wenn wir Menschenrechte einklagen, dann darf es sich nicht um Lippenbekenntnisse handeln. Eine wertegeleitete Außenpolitik darf sich nicht scheuen, auch wirtschaftlichen Druck auf ein Land aus- zuüben, wenn dieses die Menschenrechte massiv ver- letzt. Aber auch in der Entwicklungspolitik müssen wir menschenrechtliche Anforderungen stärker in den Vor- dergrund stellen. Wir dürfen in der Entwicklungszusam- menarbeit nicht nur Menschenrechtsprojekte fordern. Wir müssen die Entwicklungszusammenarbeit auch als Instrument zur Einhaltung von Menschenrechten einset- zen. Ich nenne das Beispiel Uganda. Dort konnte dank massiven Drucks seitens der Europäischen Union, aber auch auf Druck des deutschen Ministers für Entwick- lungszusammenarbeit zumindest vorläufig ein Gesetzes- verfahren gestoppt werden, das die Todesstrafe für Ho- mosexuelle vorsieht. Handfeste wirtschaftliche Interessen dürfen nicht dazu führen, menschenrechtliche Prinzipien zu vernachlässi- gen oder gar aufzugeben. Gerade in einer globalisierten Welt mit ihren wirtschaftlichen Interessen müssen wir uns energisch für die Einhaltung menschenrechtlicher Prinzipien einsetzen. Sie müssen für uns eine besondere Herausforderung sein. Wirtschaftlicher Erfolg und Werte wie Demokratie und Menschenrechte dürfen nicht gegen- einander ausgespielt werden. Deshalb stehen wir klar zu unseren Forderungen, zu denen auch die weltweite Ab- schaffung der Todesstrafe gehört. Allein im Jahre 2008 wurden mindestens 2 390 Menschen hingerichtet. Todes- strafe und Menschenrechte sind unvereinbar. Diese Hal- tung müssen wir Ländern wie China oder dem Iran, aber auch demokratischen Ländern wie den USA oder Japan deutlich machen. Unser Respekt gilt jenen, die sich oft unter Gefahr für das eigene Leben beharrlich für die elementaren Men- schenrechte anderer einsetzen: den Menschenrechtsver- teidigern und -verteidigerinnen. Wir müssen sie überall dort, wo uns dies möglich ist, unterstützen, sie schützen und ihre Arbeit fördern. Ohne ihr Wirken wäre die welt- weite Durchsetzung von Menschenrechten nicht denk- bar. Mit unserem Antrag wollen wir die Bundesregie- rung nicht nur auffordern, sondern ihr auch den Rücken stärken in ihrem Bemühen, sich weltweit für den Schutz der Menschenrechte einzusetzen. Wir bitten um Zustim- mung zu unserem Antrag. Anlage 9 Zu Protokoll gegebenen Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts: Vorschlag für eine Verordnung des Eu- ropäischen Parlaments und des Rates über das Inverkehrbringen und die Verwendung von Bio- zidprodukten (Text von Bedeutung für den EWR) (inkl. 11063/09 ADD 1 und 11063/09 ADD 2) (ADD 1 in Englisch) (Tagesordnungspunkt 14) Ingbert Liebing (CDU/CSU): Wir beraten heute über den Entwurf einer EU-Verordnung zu Biozidpro- dukten. Biozidprodukte sind wichtig, sie dienen dem 3278 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2010 (A) (C) (D)(B) Schutz des Menschen und seiner Umwelt. Biozide haben – bei sachgerechter Anwendung – einen positiven Nut- zen, sie sind unverzichtbar für einen hohen Gesundheits- und Hygienestandard. Aber sie provozieren auch Kritik; denn sie verfügen auch über Eigenschaften, von denen eine Gefahr für Mensch und Umwelt ausgehen kann. Deshalb muss ihrem Einsatz stets eine sorgfältige Abwä- gung des individuellen Risikos und des zu erwartenden Nutzen vorausgehen. Nun wird der vorliegende Verordnungsentwurf, den die Europäische Kommission dem Rat und dem Europäi- schen Parlament am 12. Juni 2009 präsentierte, von allen Seiten kritisiert, von Verbraucherschützern genauso wie von der chemischen Industrie. Auch wir sehen Hand- lungsbedarf, den Verordnungsentwurf noch zu verbes- sern. Die europäische Biozidrichtlinie von 1998, die 2002 mit dem Biozidgesetz in deutsches Recht umge- setzt wurde, hat sich einfach nicht bewährt. Sie ist viel zu bürokratisch. Aufwand und Kosten stehen in keinem ausgewogenen Verhältnis zueinander. Ein konkretes Bei- spiel: Derzeit beträgt die Bearbeitungsdauer für die Auf- nahme eines Wirkstoffes ganze vier Jahre – mit der Folge, dass bis 2008 überhaupt nur 14 Wirkstoffe bear- beitet wurden und Biozidwirkstoffe und -produkte, die noch benötigt werden, vom Markt verschwinden. Die wesentliche Ursache dieses unbefriedigenden Zustandes ist das parallele Zulassungsverfahren auf der nationalen Ebene, das eine zu lange Bearbeitungsdauer erfordert und zu bürokratisch ist. Aus diesem Grund verfolgt die EU-Kommission mit ihrem Vorschlag folgendes Ziel: Harmonisierung der Re- gelungen und Vereinfachung der Verfahren für Biozide in der EU. Diese Zielsetzung findet unsere Unterstüt- zung – auch weil die Kommission mit ihrer Initiative eine Richtung einschlägt, die im Einklang steht mit den Bestimmungen des Koalitionsvertrages der neuen christ- lich-liberalen Bundesregierung. Dieser legt fest, dass die bürokratischen Hürden für die Zulassung von Biozidpro- dukten abgebaut werden sollen. Bürokratische Erleichte- rungen dürfen allerdings nicht mit der Absenkung von Inhalten einhergehen. Es muss sichergestellt sein, dass die bestehenden, insbesondere hohen deutschen Sicher- heits- und Umweltstandards in vollem Umfang aufrecht- erhalten und ebenfalls auf europäischer Ebene verankert werden. Kurz gefasst: Hohe Sicherheitsstandards bei Verfahrenserleichterungen. Obwohl die Zielsetzung der Europäischen Kommis- sion unsere Unterstützung findet, sind die Ausführungen des Verordnungsvorschlags nicht zufriedenstellend. In unserem Entschließungsantrag haben wir daher in zwei wesentlichen Bereichen, den Ausschlusskriterien und dem gemeinschaftlichen Zulassungsverfahren, konkrete Verbesserungsvorschläge formuliert: Erstens. Gemein- schaftliches Zulassungsverfahren. Wir unterstützen den Vorschlag der Europäischen Kommission, eine Gemein- schaftszulassung einzuführen; denn die bislang genutzten nationalen Zulassungsverfahren sind zu aufwendig – mit den zuvor beschriebenen Folgen, also der Nicht-Anmel- dung von Produkten, weil sich der Aufwand nicht lohnt. Nach den Vorstellungen der Europäischen Kommission soll die Gemeinschaftszulassung nur für zwei Fallgrup- pen, die der neuen Wirkstoffe und die der Niedrig-Risiko- Wirkstoffe, eingeführt werden. Das bringt uns zu der For- derung, dass die Gemeinschaftszulassung gegenüber dem vorliegenden Vorschlag ausgeweitet werden soll. Das Ziel muss darin bestehen, die Gemeinschaftszulassung grundsätzlich auf alle Produktkategorien auszudehnen. Die aktuelle Beschränkung des Verfahrens ist unsachge- mäß, löst nicht das Problem und macht das Verfahren für die Praxis de facto bedeutungslos. Darüber hinaus unter- stützen wir ausdrücklich den Vorschlag der Bundesregie- rung für die Einführung eines Verfahrens der sogenannten „Gleichzeitigen gegenseitigen Anerkennung“. Die bishe- rige aufwendige Praxis paralleler eigenstaatlicher Zulas- sungsverfahren muss in jedem Fall beendet werden. Zweitens. Ausschlusskriterien. In Art. 5 des Verord- nungsvorschlages der Europäischen Kommission werden sogenannte Ausschlusskriterien definiert, wonach karzi- nogene, mutagene oder reproduktionstoxische Stoffe bzw. Stoffe mit endokrinschädigenden Eigenschaften nur dann in die Positivliste aufgenommen werden, wenn sie eine der Voraussetzungen erfüllen. Wir begrüßen aus- drücklich die Einführung von Ausschlusskriterien, denn dieses Instrument dient der Verbesserung des Schutz- niveaus für Mensch und Umwelt. Und weil wir es ernst meinen mit der Stärkung des Gesundheits- und Umwelt- schutzes, enthält unser Entschließungsantrag die Forde- rung, die Ausschlusskriterien sogar um wichtige Um- weltaspekte zu erweitern, die im Verordnungsentwurf bisher außer Acht bleiben: bioakkumulative, persistente und toxische Stoffe sowie persistente organische Verbin- dungen. Allerdings ist in Zusammenhang mit der Einfüh- rung von Ausschlusskriterien sicherzustellen, dass zu jeder Zeit alle notwendigen Biozidprodukte in ausrei- chender Anzahl auf dem Markt zur Verfügung stehen, um auch weiterhin hohe Gesundheits- und Hygienestandards zu garantieren. Dieser Zielsetzung widerspricht jedoch Art. 5, der von vorneherein „Wirkstoffe für die Produkt- arten 4 sowie 14 bis 19“ ausnimmt. Diese Regelung hätte möglicherweise zur Folge gehabt, dass beispielsweise die für Schädlingsbekämpfungsmittel benötigten Wirkstoffe nicht mehr auf die Positivliste aufgenommen und Pro- dukte mit diesen Wirkstoffen dann nicht mehr hätten her- gestellt werden können. Eine nicht hinnehmbare Ein- schränkung des bestehenden Schutzniveaus. Aus dieser Problematik resultiert unsere Forderung an die Bundesre- gierung, sich auf europäischer Ebene für eine entspre- chende Präzisierung des unkonkreten Art. 5 einzusetzen. Die Präzisierung dient dazu, Ausnahmeentscheidungen an klare Kriterien zu binden und den generellen Aus- schluss von Produktarten überflüssig zu machen. Wenn wir die Ausnahmen so klar und stringent formulieren, dann brauchen wir nicht den generellen Ausschuss von Produktarten. Hinsichtlich der Problematik „Ausschlusskriterien“ sind wir zusammenfassend der Ansicht, dass wir durch die Erweiterung der Ausschlusskriterien um wichtige Umweltbelange auf der einen Seite und die Erleichte- rung, die sich auf der anderen Seite durch die Umformu- lierung des Art. 5 ergibt, eine Ausrichtung der Verord- nung erzielen, die in ihrer Ausgewogenheit überzeugt. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2010 3279 (A) (C) (D)(B) Neben der Einführung eines gemeinschaftlichen Zu- lassungsverfahrens und der Präsizierung der Ausnahme- möglichkeiten von Ausschlusskriterien, möchte ich zu- dem noch auf den Punkt „Transparenz für den Verbraucher“ zu sprechen kommen. Um eine Verbesse- rung der Bereitstellung von Informationen auf europäi- scher Ebene zu erzielen, welche meiner Meinung nach angestrebt werden sollte, könnte man sich auf EU-Ebene an den Regelungen der deutschen Gesetzgebung im Be- reich Biozide orientieren. Hier weise ich auf das im deut- schen Biozidrecht verankerte Produktverzeichnis hin, das als Vorbild dienen kann. Damit habe ich den aus unserer Sicht bestehenden Nachbesserungsbedarf am vorliegen- den Verordnungsentwurf umfassend beschrieben. In die- sem Zusammenhang freut es mich, dass mit dem Bericht der Berichterstatterin des Europäischen Parlaments, Christa Klass, EVP, eine gute Stellungnahme vorliegt, die verschiedene Aspekte ausgewogen behandelt. Unser Antrag benennt klare Ziele und Maßnahmen: Erhaltung des hohen Schutzniveaus, das wir in Deutsch- land kennen; Harmonisierung des europäischen Biozid- rechts mit dem Ziel der Erleichterung der Verfahren bei der Zulassung sowie damit verbunden die Anforderung an den positiven Nutzen einer sicheren Anwendung von Biozidprodukten. Dabei will ich auch darauf hinweisen, dass bei der Ausformulierung dieser Ziele es nicht die Aufgabe des Bundestages sein kann, ins letzte Detail zu gehen und sich so zu überheben. Das übergeordnete Ziel der Formulierung der oben genannten Ziele in Form ei- nes Entschließungsantrages, verbunden mit einem ent- sprechenden Votum des Deutschen Bundestages, besteht darin, die Bundesregierung in den Verhandlungen durch die Vorgabe klarer Ziele auf europäischer Ebene den Rü- cken zu stärken. Das ist uns mit diesem Entschließungs- antrag gelungen. Dafür bitte ich um Ihre Zustimmung. Josef Göppel (CDU/CSU): Schon der Begriff „Bio- zide“ unterstreicht die Notwendigkeit einer strengen Zu- lassungsregelung. Der Begriff für Materialschutz- und Schädlingsbekämpfungsmittel ist abgeleitet vom grie- chischen Wort für Leben „bios“ und dem lateinischen Wort für töten „caedere“. Desinfektionsmittel, Holz- schutzmittel und Insektengifte bergen für Mensch und Natur erhebliche Gefahren. Viele Biozide sind langlebig, reichern sich in den natürlichen Kreisläufen an und kön- nen Erbgut verändern. Entsprechend hoch ist das Ge- sundheitsrisiko für den Menschen. Besonders die schlei- chende Wirkung einiger Biozide ist äußerst tückisch, Krebs die Langzeitfolge. Ich erinnere hier nur an die leidvollen Erfahrungen aus früheren Zeiten mit PCP, DDT und Lindan in Holzschutzmitteln. Der Staat steht hier ganz besonders in der Pflicht, Vorsorge für die Ge- sundheit der Bürger zu treffen. Deshalb steht für die Re- gierungsfraktionen an vorderster Stelle, dass eine euro- päische Harmonisierung und der Abbau bürokratischer Hürden keinesfalls zu einer Aufweichung des hohen deutschen Schutzniveaus führen dürfen. Grundsätzlich begrüße ich den Ansatz der EU-Kom- mission, die zehn Jahre alte Biozidrichtlinie nach dem Vorbild der europäischen Chemikalienpolitik zu überar- beiten. Strengere Regeln für mit Bioziden behandelte Kleidung, Teppiche und Möbel oder Materialien, die mit Lebensmitteln in Kontakt kommen, sind mehr als über- fällig. Durch den europaweiten Austausch von Test- ergebnissen werden weniger Tierversuche notwendig sein. Im Detail gibt es aber noch Nachbesserungsbedarf. Wenn die Bewertung eines Wirkstoffes positiv abge- schlossen worden ist, begann bisher auf der Basis von Anträgen bei den zuständigen Behörden der Mitglied- staaten das nationale Produktzulassungs- oder Registrie- rungsverfahren für Biozidprodukte, die diesen Wirkstoff enthalten. Bei dieser zweiten Verfahrensstufe werden die produktspezifischen Risiken bewertet. Die Regierungs- fraktionen unterstützen die Bundesregierung in ihrer Verhandlungsposition, dass künftig auch die Zulassung aller Produkte auf europäischer Ebene möglich sein soll. Die Kommission sieht dies in ihrem Entwurf nur für neue Produkte und Produkte mit geringem Risiko vor. Dieser Ansatz entlastet die Unternehmen von Bürokra- tie. Ich halte es aber für unabdingbar, auch künftig Zu- lassungen mit Auflagen zur Eindämmung regionaler Ri- siken verbinden zu können. Diese Unterschiede können für den Schutz der regionalen Bevölkerung oder emp- findlicher Ökosysteme erforderlich sein. Die Bundesre- gierung muss bei den Verhandlungen in Brüssel außer- dem darauf achten, dass die grundsätzlich sinnvolle Ausweitung des Verfahrens zur gegenseitigen Anerken- nung nationaler Zulassungen auf alle Produkte nicht so weit geht, dass Deutschland sein höheres Schutzniveau nicht mehr durchsetzen kann. Standardabsenkungen leh- nen wir ab. Auch die Transparenz des Verfahrens und die Infor- mation der Öffentlichkeit sind verbesserungswürdig. Die Daten zu Zulassung, Vermarktungsmengen, Anwen- dungsintensität, den Regeln der guten fachlichen Praxis, zu Vergiftungsfällen und Umwelt- und Gesundheitsbe- lastungen müssen den Bürgern zugänglich sein. Ich wünsche mir in diesem Zusammenhang auch, dass die zuständigen Behörden über alternative Methoden zur Schädlingsbekämpfung und zum Materialschutz infor- mieren. Bei der Komplexität natürlicher Kreisläufe bleibt auch beim sorgfältigsten Zulassungsverfahren ein Restrisiko. Der beste Schutz vor den Risiken von Biozi- den ist, wenn sie erst gar nicht zum Einsatz kommen. CDU/CSU und FDP wollen mehr Transparenz im Zulas- sungsverfahren. Wir fordern deshalb in unserem Antrag ein europaweites, öffentliches Produktverzeichnis nach dem Vorbild des deutschen Biozidrechts. Zum Vorsorgeprinzip gehört, dass besonders gefährli- che Stoffe, die zum Beispiel Krebs erregen können, von der Anwendung ausgeschlossen werden. Der Verord- nungsentwurf sieht hier Kriterien vor, die noch nicht ausreichen. Wir fordern die Bundesregierung deshalb in unserem Antrag auf, sich für einen Ausschluss von Stof- fen einzusetzen, die sich in der Natur anreichern, beson- ders langlebig oder giftig sind. Das ist ich für mich ein ganz wesentlicher Punkt, warum ich den Antrag unter- stütze. Solche Stoffe bergen die Gefahr, die natürlichen Kreisläufe nachhaltig zu stören. Wir reden hier von Ein- griffen, die nicht einfach durch einen Stopp der Anwen- dung rückgängig zu machen sind. Als Förster weiß ich um die dramatischen Folgen für das biologische Gleich- 3280 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2010 (A) (C) (D)(B) gewicht. Als christlicher Politiker erinnere ich hier ganz besonders an unsere Verantwortung für die Bewahrung der Schöpfung. Deshalb halte ich unsere Forderung für richtig, dass die Ausnahmeregelungen in Art. 5 des Ver- ordnungsentwurfs für diese besonders gefährlichen Bio- zide präziser gefasst werden müssen. Mir ist es zum Bei- spiel zu schwammig formuliert, wenn der Ausschluss von Wirkstoffen ohne bekannten Ersatz aufgehoben wer- den kann, wenn sich – ich zitiere – „verglichen mit dem Risiko für die menschliche Gesundheit oder die Um- welt … nachweislich unverhältnismäßig negative Fol- gen“ ergeben. Das ist nicht nur ein Schlupfloch, sondern eine riesige Bresche, mit der letztendlich auch der krebserregendste Stoff noch zugelassen werden kann. Die Bundesregierung muss hier dringend auf einer Nachbes- serung bestehen. In diesem Zusammenhang will ich aber auch auf ei- nen Punkt hinweisen, in dem ich mir im Antrag der Re- gierungsfraktionen eine zurückhaltendere Formulierung gewünscht hätte. Die Kommission sieht im Verord- nungsentwurf vor, dass für bestimmte Produktgruppen keine Ausnahmeregelungen für besonders gefährliche Stoffe möglich sind. Für mich haben selbst bei einer eng gefassten Präzisierung der Ausnahmeregelungen krebs- erregende Stoffe als Desinfektionsmittel im Lebensmit- tel- und Futtermittelbereich nichts zu suchen. Dieses ein- deutige Verbot sollte in der Verordnung erhalten bleiben. Zum Abschluss meiner Rede möchte ich aber noch auf etwas wirklich Erfreuliches hinweisen: Die Biozid- verordnung ist ein gutes Beispiel dafür, wie wichtig es ist, dass der Deutsche Bundestag nun durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts und den Vertrag von Lis- sabon schon zu einem frühen Zeitpunkt die Möglichkeit hat, Entscheidungen auf europäischer Ebene zu beein- flussen. Das deutsche Parlament unterstreicht mit die- sem Antrag, dass es beim Schutz der Bevölkerung vor den Gefahren von Bioziden keine Rückschritte zulässt. Das Signal ist klar: Unser Recht auf Mitsprache bei eu- ropäischen Entscheidungen werden wir selbstbewusst wahrnehmen. Dr. Bärbel Kofler (SPD): Die Revision der europäi- schen Biozidrichtlinie, unser heutiges Thema, ist ein weites Feld für naturwissenschaftliche Experten. Im Umweltausschuss haben wir Fachpolitiker den vorlie- genden Entwurf mehrfach und auf hohem Niveau bera- ten. In der heutigen Plenardebatte geht es darum, nicht in eine Chemievorlesung zu verfallen, sondern für die Bür- gerinnen und Bürger verständlich zu machen, worum es eigentlich geht: Um Produkte, die sich in jedem Haus- halt finden, wie antibakterielle Putzmittel, Mücken- sprays und Holzschutzmittel. Die Verbraucher haben also im Alltag direkten Kontakt mit Bioziden, das heißt mit Substanzen, die unerwünschte Organismen vernich- ten und die zum Teil dieselben Wirkstoffe wie Pestizide enthalten. Wichtig für die Verbraucher ist dabei, dass Produkte wie Holzschutzmittel, Desinfektionsmittel und Rattengift aber auch das Risiko unerwünschter Neben- wirkungen für Mensch und Umwelt haben. Sie können Wirkstoffe enthalten, die Krebs erzeugen, das Erbgut verändern, die Fruchtbarkeit herabsetzen oder das Hor- monsystem stören. Daher gibt es in Deutschland eine Zulassungspflicht für Biozidprodukte vor deren erstma- ligem Inverkehrbringen. Auf europäischer Ebene wird der Umgang mit Biozidprodukten bisher durch eine EU- Richtlinie aus dem Jahr 1998 geregelt, die jetzt überar- beitet werden soll. Das ist auch dringend notwendig; denn diese Produkte sind auf dem Vormarsch. Der Ab- satz von Insektensprays und Haushaltsdesinfektionsmit- teln steigt in Deutschland und Europa ungebrochen an. Auf dem Markt sind innerhalb der EU derzeit etwa 400 000 Tonnen Wirkstoffe in insgesamt 50 000 Produk- ten. Deutschland nimmt mit rund 20 000 verschiedenen Biozidprodukten einen Spitzenrang unter den Mitglied- staaten ein. Diese Zahlen zeigen deutlich, dass wir handeln müs- sen, wenn wir unser Leitprinzip für Reformen – die Idee der nachhaltigen Entwicklung – ernst nehmen. Nachhal- tigkeit heißt, dass wir einen fairen Interessenausgleich zwischen Ökonomie, Sozialem und Ökologie suchen. Nachhaltigkeit heißt, dass wir Verantwortung für das Le- ben künftiger Generationen übernehmen. Insofern ist sie nicht vereinbar mit der heutigen Kurzfristigkeit, die be- triebswirtschaftliche Entscheidungen prägt. Das bedeutet für unser heutiges Beratungsthema: Bei der Revision der europäischen Biozidrichtlinie müssen wir sicherstellen, dass die angestrebten Vereinfachungen und ein gewünschter Bürokratieabbau nicht auf Kosten des Umwelt- und Verbraucherschutzes gehen. Der Hauptzweck der Verordnung sollte der Schutz der Um- welt und der menschlichen Gesundheit vor den mögli- chen negativen Folgen der Verwendung von Bioziden sein. Wenn man sich den vorliegenden Entwurf aber ge- nau ansieht, scheint das vorrangige Ziel der EU-Kom- mission bei der neuen Verordnung zu sein, den freien Verkehr von Biozidprodukten innerhalb der Gemein- schaft zu steigern. Im Gesetzestext finden sich zahlrei- che Änderungen, die die Zulassung und das Inverkehr- bringen von Biozidprodukten vereinfachen sollen. Auch laut Koalitionsvertrag der schwarz-gelben Bundesregie- rung soll die Zulassung von Bioziden erleichtert werden. Auch wir von der SPD setzen uns für einen modernen Industriestandort Deutschland, für Forschung und Inno- vationen ein. Aber wir sagen auch deutlich: Es darf kei- nen einseitigen Blick auf die Förderung der Biozidver- marktung geben. Unser Hauptaugenmerk muss weiterhin auf einen vorsorgeorientierten Schutz von Mensch, Um- welt und Tier gerichtet sein. Das ist aus unserer Sicht auch der Hauptzweck bei der Revision der europäischen Bio- zidrichtlinie. Aber leider wird er durch den heute zu be- ratenden Vorschlag nicht erfüllt. Lassen Sie mich konkret auf die Beratungsvorlage eingehen. Die SPD-Bundestagsfraktion begrüßt grund- sätzlich die Revision der europäischen Biozidrichtlinie. Im vorliegenden Vorschlag werden etliche zutage getre- tene Schwachstellen der vorherigen Regelung beseitigt und eine Reihe von Elementen, insbesondere zum Um- gang mit Daten und Verfahrensvorschriften, verbessert und harmonisiert. Wir freuen uns, dass wichtige Prinzi- pien aus der neuen Verordnung zur europäischen Chemi- kalienpolitik, REACH, übernommen wurden. Beispiels- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2010 3281 (A) (C) (D)(B) weise wurde der Geltungsbereich auf Gegenstände und Materialien erweitert, die mit Biozidprodukten behan- delt wurden. Das heißt konkret, dass Erzeugnisse wie Farben, Textilien, Teppiche oder Lederwaren mit Biozi- den ausgerüstet sind und durch den Import aus Drittlän- dern in die EU gelangen. Durch die Revision wird end- lich eine relevante Lücke im bisherigen Biozidrecht geschlossen. Wir begrüßen ausdrücklich, dass zukünftig in der EU nur Erzeugnisse vermarktet werden dürfen, deren Biozidausrüstung auch in der EU zugelassen ist. Das ist vor allem für die europäischen Verbraucherinnen und Verbraucher eine erfreuliche Verbesserung des Schutzes vor gefährlichen Stoffen. Die SPD-Bundestagsfraktion sieht jedoch noch einen deutlichen Änderungsbedarf des vorliegenden EU-Ent- wurfs, da in der bisherigen Fassung dem vorsorgenden Umwelt- und Gesundheitsschutz noch nicht genügend Rechnung getragen wird. Mit dieser Forderung stehen wir nicht alleine da. Ein breites Bündnis von Umwelt-, Naturschutz- und Verbraucherschutzverbänden haben Vorschläge und Forderungen für ein besseres Biozid- recht vorgelegt. Die SPD-Bundestagsfraktion hat daher einen Entschließungsantrag in die Beratungen im Um- weltausschuss eingebracht. Wir fordern die Bundesre- gierung auf, sich bei den Verhandlungen im Umweltmi- nisterrat für folgende Änderungen einzusetzen. Das Vorsorgeprinzip muss auch in dieser neuen Regelung zur Anwendung kommen, wie bei der Chemikalien- und Pestizidgesetzgebung. Dieses Prinzip bedeutet, vorsorg- lich Schutzmaßnahmen zu ergreifen, auch wenn der Um- fang der Gefahr noch nicht vollständig abzuschätzen ist. Nur so können wir das hohe Schutzniveau für die Um- welt und die Gesundheit von Mensch und Tier auch wei- terhin gewährleisten. Die geplante Biozidverordnung muss mit geltenden Umweltschutzgesetzen und Umweltschutzstandards ver- knüpft werden, zum Beispiel die Umweltqualitätsziele der Wasserrahmenrichtlinie. Auch die Definition des so- genannten Schadorganismus muss enger gefasst werden. Es muss klargestellt werden, dass Biozide nur zur Schädlingsbekämpfung eingesetzt werden dürfen – und nicht auch gegen sogenannte unerwünschte Lebewesen, die nicht schädlich sind. Wir fordern darüber hinaus ei- nen strikten Ausschluss von besonders gesundheits- und umweltgefährlichen Stoffen. Wir unterstützen den Vor- schlag, dass künftig Biozidwirkstoffe mit krebserregen- den, fortpflanzungsschädigenden, erbgutverändernden oder hormonell wirksamen Eigenschaften ausgeschlos- sen werden sollen. Diese Regelung sollte aber erweitert werden. Es gibt noch zahlreiche Stoffe, die von der Re- gelung noch nicht erfasst sind, aber eine besonders ge- fährdende Wirkung haben, wie die sogenannten PBT- Stoffe, vPvB-Stoffe und POPs-Stoffe. Auch die Anwen- dung des Substitutionsprinzips, also der Ersatz von ge- fährlichen Chemikalien durch sichere Alternativen, sollte konsequenter durchgeführt werden. Innovationen für Alternativen sollten gefördert werden. Die Zulas- sung, Vermarktung und Verwendung von Bioziden muss transparent sein. Die Verbraucherinnen und Verbraucher müssen aktiv über die Vorsorgemaßnahmen und unbe- denkliche neue Alternativverfahren informiert werden. Auch aus Tierschutzsicht besteht dringender Nach- besserungsbedarf. So sollten zum Beispiel tierversuchs- freie Alternativen – als Ersatz für die in den Datenanfor- derungen vorgeschriebenen Tierversuche – für die Antragsteller attraktiver werden. Für die SPD steht der Mensch im Mittelpunkt. Des- halb geht es uns bei der Revision der europäischen Bio- zidrichtlinie auch in erster Linie um den gesundheitli- chen Schutz für die Verbraucherinnen und Verbraucher und nicht vorrangig um den Schutz der Unternehmen, die Biozidprodukte herstellen, wie es die Regierungs- fraktionen in ihrem Entschließungsantrag darlegen. Es ist den Regierungsfraktionen leider nicht gelungen, mit ihrem Entschließungsantrag an unser Niveau heranzu- kommen. In der heute zur Abstimmung stehenden Beschluss- empfehlung gibt es keinen Satz zur Vorsorge, keinen Satz zur Substitution, keinen Satz zum Tierschutz. Für die weiteren Beratungen auf europäischer Ebene bedeu- tet das, dass die schwarz-gelbe Bundesregierung leider ihre Chance verspielt, sich für das hohe Schutzniveau für die Umwelt, die Gesundheit der Menschen und den Tier- schutz als Hauptzweck der Verordnung einzusetzen. Aus diesem guten Grund lehnt die SPD-Bundestagsfraktion auch den vorliegenden Entschließungsantrag der CDU/ CSU und FDP ab. Lassen Sie mich zum Schluss noch ein paar grund- sätzliche Gedanken zum heutigen Thema formulieren. Wir alle können froh sein über unseren heutigen hohen Standard im Bereich der Hygiene und Gesundheit. Auch in Deutschland produzieren Unternehmen Produkte, die für unser tägliches Leben eine echte Bereicherung dar- stellen. So fortschrittlich die Innovationen im Bereich der Biozidprodukte heutzutage auch sind, stellt sich doch für die Verbraucher trotzdem häufig die einfache Frage: Muss das alles sein? Ob keimfrei sprühen, wi- schen oder waschen, ob Badewannen, Müllsäcke oder Socken mit antibakterieller Ausstattung – wer will, kann den Kampf gegen Keime an jeder Front im Haushalt auf- nehmen. Aber wie wirksam die Produkte sind und inwie- weit Infektionskrankheiten dadurch vereitelt werden, das bleibt dem Hoffen der Verbraucher überlassen. Das Um- weltbundesamt, das Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin sowie das Robert Koch-Institut bewerten die chemische Entkei- mung im Haushalt als „überflüssig“ und extrem schäd- lich. Es gibt natürlich eine Existenzberechtigung für echte Desinfektionsmittel – in Krankenhäusern, Lebens- mittelbetrieben, in der Veterinärmedizin. Aber dort soll- ten Biozide nur von ausgebildeten Personen angewendet werden, die sich mit Konzentration, Wirkungsspektrum und Einwirkzeiten auskennen. Ein Wissenschaftler des Instituts für Umweltmedizin und Krankenhaushygiene der Uniklinik Freiburg hat es auf den Punkt gebracht: „Das Szenario der allgemeinen Bedrohung durch Keime ist Panikmache und eine Erfindung von Marketingstrate- gen.“ Die Bundesregierung sollte bei den Beratungen auf europäischer Ebene das nicht aus dem Auge verlieren. Sie handeln im Auftrag der Konsumentinnen und Kon- 3282 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2010 (A) (C) (D)(B) sumenten unseres Landes und nicht im Auftrag der Wirt- schaftsverbände. Dr. Lutz Knopek (FDP): Biozide sind Stoffe oder Zubereitungen, denen bestimmungsgemäß die Eigen- schaft innewohnt, Lebewesen abzutöten oder zumindest in ihrer Lebensfunktion einzuschränken. Aufgrund die- ser potenziell gefährlichen Eigenschaften von Bioziden ist die Begrenzung des mit der Verwendung von Biozid- produkten einhergehenden Risikos für den Menschen und für Organismen von besonderer Bedeutung. Der am 12. Juni 2009 vorgelegte Verordnungsentwurf der Kom- mission zur Revision der Biozid-Produkte-Richtlinie strebt dazu eine Vereinfachung und Harmonisierung der Biozidgesetzgebung in der Europäischen Union an. Ziel der Verordnung ist es, der laufenden technischen Ent- wicklung Rechnung zu tragen sowie die in der bisheri- gen Anwendung der Biozid-Produkte-Richtlinie festge- stellten Schwächen und Probleme zu beheben. Der Kommissionsentwurf wird diesen Zielen leider nicht ge- recht. Die Koalition aus CDU, CSU und FDP hat daher einen gemeinsamen Entschließungsantrag vorgelegt, mit dem die Bundesregierung beauftragt wird, sich für eine Überarbeitung auf europäischer Ebene einzusetzen. Uns geht es dabei vor allem um zwei Punkte: Erstens. Die bisherige aufwendige Praxis paralleler eigenstaatli- cher Zulassungsverfahren ist zu teuer und zu bürokra- tisch. Wir machen uns daher stark für eine Ausweitung und Stärkung der neuen Gemeinschaftszulassung. Die vorgesehene Beschränkung des Verfahrens auf zwei Fallgruppen, Produkte mit neuen Wirkstoffen und Nied- rig-Risiko-Produkte, ist unsachgemäß und macht das Verfahren für die Praxis bedeutungslos. Mit der Auswei- tung der Gemeinschaftszulassung erhalten die Unterneh- men Anreize zur Produktinnovation, da sie ihre Produkte dann europaweit vermarkten können. Kleine, national segmentierte Märkte haben ein zu geringes Umsatzpo- tential, um eine solche Wirkung zu entfalten. Neue, we- niger gefährliche Wirkstoffe werden aber nur dann ent- wickelt werden, wenn es betriebswirtschaftlich Sinn macht. Zweitens. Da wir Liberale grundsätzlich einen ganz- heitlichen Bewertungsansatz verfolgen, ist eine Erweite- rung der Ausschlusskriterien um Umweltkriterien, na- mentlich bioakkumulative, persistente und toxische Stoffe sowie um persistente organische Verbindungen, wichtig und sinnvoll. Damit wird den vielfältigen ökoto- xikologischen Risiken, die beim Einsatz von Bioziden entstehen können, Rechnung getragen. Jedoch lehnen wir das faktische Verbot bestimmter Produktgruppen, wie sie in Art. 5 des Verordnungsentwurfs vorgesehen sind, ab. Die Nichtaufnahme von Wirkstoffen in die Po- sitivliste auf Anhang 1 der Verordnung kann nur dann begründet werden, wenn eine individuelle, expositions- basierte Risikoabwägung zu dem Schluss kommt, dass Risiko und Nutzen in keinem vernünftigen Verhältnis zueinander stehen. Gerade bei den Schädlingsbekämp- fungsmitteln, die aufgrund ihrer Stoffeigenschaften pau- schal ausgeschlossen werden sollten, muss bedacht wer- den, dass ihre Verwendung immer im Rahmen eines integrierten Schädlingsbekämpfungskonzeptes erfolgt. Der Einsatz von Giften ist immer nur Ultima Ratio. Die meiste Schädlingsbekämpfung kommt heute ohne sie aus. Erst wenn der Einsatz von Köderboxen nicht zum Erfolg führt, kommen Biozide zum Einsatz. Eine Kon- trolle im Anschluss und ein Einsammeln der Kadaver und nicht gebrauchter Köder sind Teil des sachgerechten Einsatzes, der der Risikominimierung dient. Zum Abschluss meiner Rede will ich noch kurz auf einen Kritikpunkt der Opposition eingehen. SPD, Links- partei und Grüne haben – auf Zuruf des Tierschutzver- bandes – im Ausschuss und in ihren Entschließungsan- trägen suggeriert, dass der Verordnungsentwurf den Tierschutz nicht ernst genug nimmt und dass auf Tier- versuche praktisch ganz verzichtet werden könnte. Die- sem Eindruck will ich an dieser Stelle entschieden entge- gentreten. Der Einsatz von Tierversuchen ist – leider – auch weiterhin unvermeidlich. Zur Feststellung von Re- produktionstoxizität und Teratogenität reichen In-vitro- Versuche grundsätzlich nicht aus. Schädigungen, die am Ende eines Lebenszyklus oder sogar erst nach mehr als einer Generation auftreten, können nur am lebenden Or- ganismus festgestellt werden. Deshalb sind Forderungen nach einem zu weitgehenden Verbot von Tierversuchen deplatziert. Zudem sind die Bestimmungen zur Minimie- rung von Tierversuchen und zum Austausch von Ver- suchsdaten im Verordnungsentwurf bereits ausreichend. In Art. 51 heißt es dazu: „Versuche an Wirbeltieren wer- den nur als letzter Ausweg durchgeführt. Versuche dür- fen nicht mehrfach ausgeführt werden.“ Der Datenaus- tausch ist bei Tierversuchen außerdem ohnehin obligatorisch. Für uns ist die Kritik der Opposition an dieser Stelle daher nicht nachvollziehbar. Sie dient offensichtlich nur als vorgeschobener Grund, um einen ausgewogenen und differenzierten Antrag ablehnen zu können. Wir machen lieber konstruktive Politik. Ralph Lenkert (DIE LINKE): Mit der Biozidrichtli- nie stellen EU und Bundesregierung Industrieinteressen über Gesundheitsschutz der Bevölkerung. Biozide sind Gifte, die Lebewesen töten oder massiv beeinträchtigen. Der notwendige, auch unvermeidbare Einsatz von Biozi- den zur Bekämpfung von schädlichen Insekten und Na- gern, Pilzen, Bakterien, Viren und auf anderen Gebieten muss deshalb mit Vorsicht erfolgen und auf das notwen- dige Mindestmass begrenzt werden. Rattengifte töten auch Menschen, Insektengifte schädigen die Fortpflan- zungsfähigkeit von Frauen und Männern, und Anti-Pilz- mittel lösen Atemwegserkrankungen und Krebs aus. Eine strenge Reglementierung der Zulassung von Biozi- den, Einsatz von gut geschultem Personal bei der Nut- zung von Bioziden sowie klare Verwendungsrichtlinien wie bei der Pestizidverordnung wären erforderlich. Statt den bestmöglichen Schutz von Mensch und Na- tur sichert diese Richtlinie eine einfache EU-weite Zu- lassung dieser gefährlichen Stoffe. In Kopplung mit der EU-Dienstleistungsrichtlinie wird das erwähnte Fach- kräftegebot jedoch zur Farce. Die Einhaltung von An- wendungsvorschriften und Einsatzbeschränkungen wird kaum überprüft. Hier handeln EU und Bundesregierung Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2010 3283 (A) (C) (D)(B) grob fahrlässig. So kann Maries Opa weiter nach dem Motto „Viel hilft viel“ gegen Mehltau spritzen, Oma sprüht gegen Essigfliegen, Papa pinselt gegen Schim- mel, und Mama wäscht die Haare ihres Kindes mit Lin- dan, als Pestizid wegen der Giftigkeit verboten, gegen Kopfläuse in der Bundesrepublik bis 2007 noch zugelas- sen. 20 Jahre später braucht Marie keine Verhütungsmit- tel – sie wurde durch diese Biozide unfruchtbar –, weil ihre Eltern und Großeltern der staatlichen Zulassung ver- trauten – skandalös. Gefährliche Biozide müssten schnellstmöglich ersetzt werden. Was passiert jedoch? Ausnahmeregelungen für altbekannte Wirkstoffe werden so lange verlängert, wie es keine alternativen Wirkstoffe gibt. Da die Hersteller bei fehlenden ungefährlicheren Bioziden problemlos und ohne Kosten die Zulassung ihrer vorhandenen Biozide verlängert bekommen, haben sie kein Interesse an Neu- entwicklungen zur Verminderung von unerwünschten Nebenwirkungen der Biozide. 50 000 Biozide gibt es in der EU – 20 000 in der Bun- desrepublik, die meisten mit Bestandsschutz. Die Zahl möglicher Wechselwirkungen ist höher als die mögli- chen Kombinationen beim Lotto. Der sachgerechte Ein- satz dieser Mittel würde herausragend geschultes Perso- nal benötigen. Wie das bei einem Fachvortrag bei einem Apotheker in Portugal oder bei einem zweiwöchigen Crashkurs in der Bundesrepublik vermittelt werden soll ist fraglich. Die Linke sieht die Notwendigkeit einer Biozidverordnung. Wir fordern, die Ausnahmeregelun- gen aufzuheben. Die Industrie wird, wenn unter Druck gesetzt, neue Wirkstoffe mit geringerem Gefahrenpoten- zial entwickeln. Beim FCKW-Kühlschrank konnten nach dem Durchbrechen der Blockade durch die kleine Firma Foron die Marktführer Siemens und Miele dann in nur sechs Monaten auch FCKW-frei produzieren, was vorher laut Industrie nicht möglich war. Wir fordern, den Beruf des Schädlingsbekämpfers mit den hohen bundesdeutschen Standards europaweit ver- bindlich zu machen. Nur so kann das notwendige Fach- wissen bei dem Biozideinsatz gesichert werden. Um den regionalen Besonderheiten entsprechen zu können und damit jeder EU Staat das Recht hat, über die Mindest- schutzstandards für seine Bürger hinauszugehen, fordern wir, dass jedes Land das Recht hat, Zulassungen von Bioziden zu verweigern. Diese Richtlinie erfüllt leider umfänglich den An- spruch der Industriefreundlichkeit, statt den Anspruch zu erheben, den bestmöglichen Schutz von Mensch und Na- tur zu sichern. Das ist nicht der Weg für die Linke. Für uns stehen Mensch und Natur an erster Stelle. Deshalb lehnen wir diese Vorlage ab. Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der vorgelegte Vorschlag zur EU-Biozidverordnung schützt Mensch, Tier und Umwelt nicht ausreichend. Vielmehr ist er ein weiterer Beweis dafür, dass die Re- gierungskoalition den Schutz der Herstellerinteressen über den Schutz der Verbraucher und Verbraucherinnen stellt. Die Regelung zum Einsatz von Biozidprodukten muss zum Ziel haben, Mensch, Tier und Umwelt wirk- sam vor giftigen Biozidprodukten zu schützen. Das Motto kann nicht sein: Alle notwendigen Biozidpro- dukte, gleich wie risikobehaftet, müssen jederzeit auf dem Markt verfügbar sein. Die Marktverfügbarkeit und die Verfahrensvereinfachung stehen im Mittelpunkt ihres Vorschlages, der vorsorgende Schutz der Verbraucher spielt jedoch eine sehr geringe Rolle. Ich muss schon sa- gen: Die Schädlingsbekämpfungslobby hat sich durchge- setzt. Wenn man den Vorschlägen vonseiten der FDP zu- hört, bekommt man den Eindruck, dass es wichtiger sei, Bürgerinnen und Bürger vor Rattenplagen zu schützen als vor besonders gesundheits- und umweltgefährdenden Stoffen. Für meine Fraktion hingehen ist unabdingbar, dass die Anwendung von besonders risikoreichen Sub- stanzen, wie beispielsweise PBT- und POP-Stoffe, aus- geschlossen wird und problematische Biozidprodukte nicht generell, sondern nur in Ausnahmen zugelassen werden können. Das wird die erfolgreiche Bekämpfung von Rattenplagen nicht verhindern, die Menschen aber wirksam vor Risikoprodukten schützen. Wir hören, dass insbesondere die FDP einen Innova- tionsschub für den deutschen Biozidmarkt fordert. Das sehen wir auch so. Allerdings heißt Innovation für uns: Entwicklung von Niedrigrisikoprodukten. Die von Ihnen geforderte gemeinschaftliche Zulassung für alle Pro- dukte in der EU schafft Anreize ab, Niedrigrisikopro- dukte auf den Markt zu bringen. Wir fordern Sie auf: Pri- vilegieren sie Niedrigrisikoprodukte und fördern Sie damit Innovationen, die zum Schutz von Umwelt und Mensch beitragen. Wir kritisieren, dass mit diesem Ent- wurf der EU-Verordnung die Bevölkerung nicht ausrei- chend vor Risikoprodukten geschützt wird. Wenn Sie der Verordnung so trotzdem unverändert zustimmen wollen, dann sollten Sie zumindest alles tun, um die Verbraucher über mögliche Risiken von und Alternativen zu Biozid- produkten zu informieren. Aber auch hier vermissen wir weitergehende Forderungen. Sorgen Sie für Transpa- renz, setzen Sie sich dafür ein, dass die Bevölkerung eu- ropaweit über die Risiken von Biozidprodukten, über Vorsorgemaßnahmen und über unbedenkliche Alterna- tivverfahren informiert wird. Als Letztes noch ein Wort zum Tierschutz. Sie sagen, grundsätzlich sei es richtig, Tierversuche weitgehend zu reduzieren. Leider findet sich davon wenig in ihrem Ver- ordnungsvorschlag. Klare Leitlinien zur Verhinderung von Tierversuchen und Anreize zur Verwendung von Al- ternativmethoden fehlen. Und wenn sie sagen, wie die Kollegen von der FDP das im Ausschuss getan haben, dass der Verzicht auf Tierversuche mit massiven Risiken für den Menschen verbunden ist, dann sage ich Ihnen: Nehmen Sie den Tierschutz endlich ernst und setzen Sie für die Anwendung bereits bestehende zuverlässige und EU-weit anerkannte Alternativmethoden ein. Der vorge- legte Verordnungsvorschlag und der Entschließungsan- trag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP schützen Mensch, Tier und Umwelt nicht wirksam vor gefährli- chen Biozidprodukten. Nicht zum ersten Mal stellt die Koalition ihre Umweltpolitik unter das Motto Entbüro- kratisierung, Marktfreiheit und Schutz der Hersteller. Der Verbraucherschutz hingegen bleibt auf der Strecke. 3284 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2010 (A) (C) (D)(B) Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Zur Stabilisierung des Rentenniveaus: Riester-Faktor streichen – Keine nachholenden Rentendämpfungen vor- nehmen (Tagesordnungspunkt 15) Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): Das Sys- tem der gesetzlichen Rentenversicherung erbringt in die- sem Jahr eine großartige Solidarleistung zugunsten der 20,2 Millionen Rentnerinnen und Rentner in Deutsch- land. Da die jeweils zum 1. Juli eines Jahres vorzuneh- mende Rentenanpassung gemäß der seit der Einführung der dynamischen Rente im Jahr 1957 geltenden Regeln der Lohnentwicklung des Vorjahres folgt, müssten ei- gentlich die Renten zum 1. Juli 2010 gesenkt werden. Denn die Auswirkungen der Finanz- und Kapitalmarkt- krise haben 2009 dazu geführt, dass wir leider eine ins- gesamt in Deutschland negative Lohnentwicklung hat- ten, nämlich um minus 0,4 Prozent. Die für die Rentenanpassung maßgebliche Lohnentwicklung beträgt für das Jahr 2009 in den alten Ländern minus 0,96 Pro- zent. In den neuen Ländern sind diese geringfügig um 0,61 Prozent gestiegen. Doch schon in der Großen Ko- alition haben wir für diese Situation vorgesorgt. Mit der neu ins Rentenrecht aufgenommenen Rentengarantie ha- ben wir eine klare und eindeutige Botschaft an die Rent- nerinnen und Rentner ausgesandt: Was auch immer an der Lohnfront geschehen mag, eine Rentenkürzung gibt es nicht. Deshalb gibt es trotz negativer Lohnentwick- lung im Jahr 2009 zum 1. Juli 2010 keine Rentenkür- zung, sondern eine Garantie, dass alle Renten auf der bisherigen Höhe bleiben. Auch für die Rentnerinnen und Rentner haben wir einen zusätzlichen Schutzschirm auf- gespannt, der vor den negativen Auswirkungen der Krise schützt. Diese großartige Solidarleistung der Rentenversiche- rung muss natürlich auch finanziert werden. Und diese Finanzierung erbringen die rund 35 Millionen aktuellen Beitragszahlerinnen und Beitragszahler zur gesetzlichen Rentenversicherung. Solidarität ist aber keine Einbahn- straße. Deshalb ist es mehr als recht und billig, dass in künftigen Jahren, wenn die Renten trotz positiver Lohn- entwicklung wieder steigen können, Stück für Stück diese zusätzliche Solidarleistung wieder ausgeglichen wird. Die gesetzliche Rentenversicherung in Deutsch- land ist grundlegend auf die Solidarität der Generationen aufgebaut. Wer diese Solidarität zerstört, zerstört die Rentenversicherung. Was die Fraktion Die Linke beantragt, bewirkt aber genau dieses: Die Solidarität zwischen den Generationen wird einseitig aufgekündigt. Die Rentenversicherung wird ihrer Basis beraubt, und das machen wir im Inte- resse der Rentnerinnen und Rentner wie der Beitragszah- lerinnen und Beitragszahler nicht mit. Nicht Entsolidari- sierung, nein, mehr Solidarität ist notwendig, wenn das Rentensystem auch in Zukunft funktionieren soll, wenn die Zahl der Älteren im Verhältnis zur Zahl der Jüngeren deutlich zunimmt. Wer entsolidarisiert, zerstört die ge- setzliche Rentenversicherung. Wir dagegen wollen die Rentenversicherung auch für die Zukunft leistungsfähig und sicher machen. Das Soli- daritätsprinzip in der Rente war und ist auch der Grund für die Einführung sogenannter Dämpfungsfaktoren in der Rentenformel, also Altersvorsorgefaktor, Riester- Faktor, und Nachhaltigkeitsfaktor. Es ist daher höchst problematisch, auf die Nachholung der wegen der An- wendung der Rentenschutzgarantie nicht realisierten An- passungsdämpfungen auf alle Zeiten einfach zu verzich- ten. Gerade bei der Rentenanpassung müssen die Belange der Rentnerinnen und Rentner mit denen der künftig Ver- sicherten vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung ausgelotet werden. Hier ist zu be- rücksichtigen, dass künftig – bedingt durch die geringe Geburtenrate und die steigende Lebenserwartung – im- mer mehr Rentner immer weniger Beitragszahlern gegen- überstehen, sodass die Beitragsbelastung ohne gegen- steuernde Maßnahmen erheblich steigen würde. Um eine generationengerechte Verteilung der mit einer älter wer- denden Gesellschaft verbundenen Ausgaben zu gewähr- leisten, hat der Gesetzgeber die Anpassungsformel in den vergangenen Jahren ergänzt: Der Faktor für die Verände- rung des Beitragssatzes zur Rentenversicherung und des Altersvorsorgeanteils sowie der Nachhaltigkeitsfaktor berücksichtigen sowohl die steigenden Aufwendungen der Jüngeren für ihre private zusätzliche Vorsorge als auch Veränderungen beim zahlenmäßigen Verhältnis von Rentnern zu Beitragszahlern. Eine Abschaffung der Dämpfungsfaktoren hätte dem- nach erhebliche Mehrausgaben zur Folge. Deren Finan- zierung würde die Betragszahler überfordern und die Rentnerinnen und Rentner nicht mehr angemessen an ei- ner generationengerechten Rentenpolitik beteiligen. Ohne Wirkung der Dämpfungsfaktoren würde der Bei- tragssatz zur Rentenversicherung weit über die gesetz- lich festgelegten Obergrenzen von höchstens 20 Prozent bis 2020 bzw. höchstens 22 Prozent bis 2030 hinaus an- steigen. Wegen der geltenden Fortschreibungsvorschrif- ten wäre dies nicht nur mit einer erheblichen Belastung der Versicherten und Arbeitgeber, sondern auch der Steuerzahler verbunden, weil mit einem höheren Bei- tragssatz auch höhere Bundesmittel verbunden sind. Auch der Präsident der Deutschen Rentenversiche- rung, Dr. Herbert Rische, hat in einem Interview mit dem Tagesspiegel am 22. März 2010 darauf hingewie- sen: „Ich muss aber darauf hinweisen: Wenn die unter- bliebenen Rentenanpassungen nicht nachgeholt werden, dann wird es nicht möglich sein, das angestrebte Bei- tragssatzziel von 22 Prozent im Jahr 2030 – das übrigens auch im Gesetz steht – einzuhalten.“ Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass diese Faktoren nicht aus- schließlich anpassungsdämpfend wirken; der Nachhal- tigkeitsfaktor hat bei den Rentenanpassungen der Jahre 2007 und 2008 mit rund plus 0,2 Prozent und im Jahr 2009 mit rund plus 0,3 Prozent rentensteigernd gewirkt. Eine Schutzklausel verhindert jedoch, dass es zu Renten- kürzungen kommt. Schließlich existieren klare, gesetz- lich festgeschriebene Vorgaben zur Rentenniveauhöhe, die nicht unterschritten werden dürfen und – wie der Rentenversicherungsbericht vom November vergange- nen Jahres zeigt – auch nicht unterschritten werden. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2010 3285 (A) (C) (D)(B) Im Übrigen ist der Antrag der Linken ein Nullantrag. Selbst wenn der Antrag der Linken angenommen würde, wäre nach der dann geltenden Rentenformel die Ren- tenanpassung 2010 bei null. Also, einen Antrag vorzule- gen, der suggeriert, es gäbe für die Rentnerinnen und Rentner mehr, der aber in Wahrheit nicht mehr bringt als null, das ist eine bewusste Rentnertäuschung, die hier die Linken inszenieren. Dass wir als Gesetzgeber die Interessen der Rentne- rinnen und Rentner dennoch stets im Blick haben, zeigt sich an den Rentenanpassungen der Jahre 2008 und 2009, bei denen die stufenweise Erhöhung der Riester- Treppe ausgesetzt wurde, um die Rentnerinnen und Rentner stärker am Wirtschaftsaufschwung teilhaben zu lassen. Dadurch fielen die Rentenanpassungen zum 1. Juli 2008 sowie zum 1. Juli 2009 um jeweils rund 0,65 Prozentpunkte höher aus. Und eben auch in Zeiten der Krise schützen wir mit der Rentengarantie die Rent- nerinnen und Rentner umgekehrt vor Rentenkürzungen. Generationengerechtigkeit und Generationensolidari- tät sind die Basis einer funktionierenden und zukunfts- festen Altersvorsorge. Generationengerechtigkeit und Generationensolidarität sind das Markenzeichen der Al- tersvorsorgepolitik der Bundesregierung. Und deshalb werden wir jeden Anschlag auf diese Prinzipien im Inte- resse der Rentnerinnen und Rentner wie der Beitragszah- lerinnen und Beitragszahler mit aller Entschiedenheit ab- wehren. Max Straubinger (CDU/CSU): Ich möchte heraus- stellen: Die gesetzliche Rentenversicherung ist die beste Grundlage dafür, dass es in Deutschland keine Altersar- mut gibt. Deutschland verfügt dank der rentenpoliti- schen Maßnahmen der vergangenen Jahre mit den drei Säulen gesetzliche Rentenversicherung, betriebliche Al- tersvorsorge und private Altersvorsorge über ein stabiles und zukunftsfähiges Altersvorsorgesystem. Gerade diese Bundesregierung hat die wesentlichen Grundlagen dafür geschaffen, dass die Menschen zukünftig nicht mit Al- tersarmut konfrontiert sein werden. Deutschland hat der- zeit die geringste Altersarmut aller europäischen Länder zu verzeichnen. Die Riester-Förderung gibt es gezielt für Geringver- diener: Die Förderquote für Niedrigverdiener beträgt 92 Prozent. Die staatliche Förderung kommt gerade Ge- ringverdienern zugute. Außerdem hat es die kluge Poli- tik dieser Bundesregierung ermöglicht, dass viele Men- schen in Arbeit und Brot gekommen sind. Dies bedeutet auch mehr Schutz vor Altersarmut. Grundlage für die Fi- nanzierung der Altersversorgung ist die Erwerbstätig- keit. Die Entwicklung am Arbeitsmarkt ist das Verdienst der von Dr. Angela Merkel geführten Bundesregierung und eine Grundlage dafür, dass die Altersversorgung weiterhin sicher ist. In den letzten Jahren mussten einige notwendige Ver- änderungen im Rentensystem durchgeführt werden. Man muss sehen, dass man in der Rentenpolitik aufgrund neuer Gegebenheiten immer wieder Veränderungen her- beiführen muss. Unsere Rentenpolitik, die auf Dauer an- gelegt ist, sichert die Renten in Deutschland. Es bleibt dabei auch bei der Leistungsorientierung in der Rente. Letztlich folgt sie den Löhnen. Und – das ist eine wichtige Botschaft für die Rentne- rinnen und Rentner in Deutschland – die Rente ist auch in der Krise verlässlich. Wir sind uns unserer sozialen Verantwortung bewusst und werden ihr gerecht. Obwohl die Löhne aufgrund der Wirtschaftskrise im vergangenen Jahr gesunken sind, müssen die Rentnerinnen und Rent- ner keine Rentenkürzung hinnehmen. Dies verhindert die gesetzliche Schutzklausel. Entscheidend für die Ren- tenentwicklung 2010 ist die Effektivlohnentwicklung, Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer, 2009. Durch die massive internationale Finanz- und Wirtschaftskrise sind die Bruttolöhne und -gehälter in Deutschland im Jahr 2009 erstmals seit über 50 Jahren gesunken. Die Wirtschaftskrise hat zu sinkenden Pro-Kopf-Löhnen ge- führt. Dies ist der Preis für den Erhalt Tausender Ar- beitsplätze gewesen. Neben den Konjunkturprogrammen war der entscheidende Stabilisator am Arbeitsmarkt die Kurzarbeit. Sie hat einerseits Arbeitsplätze gesichert bei drastischem Rückgang von Produktion und Arbeitsvolu- men. Andererseits hat die Kurzarbeit, die sich durch einen Teillohnausgleich für nicht geleistete Arbeit aus- zeichnet, in der Summe zu Lohneinbußen für Beschäf- tigte geführt. Damit die Rentengarantie nicht zulasten der jüngeren Generationen geht, werden unterbleibende Rentenmin- derungen in den Folgejahren mit künftigen Rentenerhö- hungen verrechnet. Die finanzielle Stabilität der Renten- versicherung bleibt damit auch künftig gewahrt. Das Ziel der Beitragssatzstabilität dürfen wir nicht aus den Augen verlieren. Das ist eine Frage der Generationenge- rechtigkeit. Die jungen Beitragszahler dürfen nicht Bei- tragssätze zahlen müssen, unter denen ihr Leistungswille zusammenbricht. Es ist eine Beitragssatzstabilität von 20 Prozent bis zum Jahr 2020 und von 22 Prozent bis zum Jahr 2030 vorgesehen. Damit soll nicht nur Leis- tungsgerechtigkeit, sondern auch Beitragsgerechtigkeit gewährleistet werden, besonders für die betroffenen Ar- beitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Das Rentenkonzept, das es angeblich bei der Linken gibt, würde dazu führen, dass die Beitragszahler mit bis zu 28 Prozent belastet würden. Angesichts der derzeiti- gen Höhe der Beiträge zur Krankenversicherung, zur Ar- beitslosenversicherung, zur Pflegeversicherung und der Höhe der Steuerbelastung wäre dies eine ungeheure Be- lastung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Da- her lehne ich Ihren Antrag ab. Anton Schaaf (SPD): Mit Ihrem Antrag wollen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Fraktion Die Linke, den Eindruck erwecken, die Dämpfungsfaktoren seien verantwortlich dafür, dass die Renten in diesem Jahr nicht steigen. Bewusst konstruieren Sie einen falschen Begründungszusammenhang, um Verwirrung zu stiften. Obwohl wir bereit sind, Ihre Sorge um die zukünftige Entwicklung der Rente nachzuvollziehen, können wir Ihre Forderungen, den Riesterfaktor zu streichen, auf nachholende Rentendämpfungen zu verzichten und die Ziele der Beitragssatzdeckelung aus dem SGB VI eben- 3286 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2010 (A) (C) (D)(B) falls zu streichen, nicht unterstützen. Unzweifelhaft wa- ren und sind die Belastungen für die Rentnerinnen und Rentner hoch. Die wenig erfreulichen Aussichten auf ge- ringe Rentenanpassungen oder Nullrunden verstärken diese noch. Ich kann mir deshalb vorstellen, in unsere Überlegungen für ein Gesamtkonzept einer nachhaltigen Alterssicherungspolitik auch die Verträglichkeit des Altersvorsorgeanteils in eine Prüfung einzubeziehen. Al- lerdings sehen wir die Hauptgefahr für das Alterssiche- rungssystem an anderer Stelle: Unsichere Arbeitsver- hältnisse und zu niedrige Löhne bedrohen die Rente. Die Medienberichte über Pläne aus dem BMAS, den Kündi- gungsschutz zu schleifen, bieten Anlass zur Sorge. Wir warnen die Koalition aus CDU/CSU und FDP eindring- lich davor, weiter Hand an den Kündigungsschutz zu le- gen – mit fatalen Folgen für die Alterssicherung: für die Rentenhöhe und das Renteneintrittsalter. Unsichere Ar- beitsverhältnisse führen unweigerlich zu einem früheren Ausstieg aus dem Arbeitsleben. Gerade ältere Arbeit- nehmerinnen und Arbeitnehmer haben es schwer, eine neue Beschäftigung zu finden. Auch der Gesundheit sind befristete Arbeitsverhältnisse nicht gerade zuträglich. Außerdem verhindern Sie weiterhin flächendeckende Mindestlöhne. Sie sind auf dem falschen Weg. Mehr Fle- xibilität bringt nicht automatisch mehr Arbeitsplätze. Und wie, liebe Kolleginnen und Kollegen von Union und FDP, gedenken Sie denn nun mit der angekündigten Angleichung der Renten in Ost und West umzugehen? Eine kürzlich erschienene DIW-Studie prognostiziert ge- rade für die Menschen in den neuen Bundesländern ein dramatisches Absinken der Renten. Es droht massenhaft Altersarmut. Von Ihrer Vereinbarung im Koalitionsver- trag, die Renten in Ost und West anzugleichen, rücken Sie nun aber doch wieder ab. Dies haben Sie zumindest auf Ihrem Parteitag Anfang dieser Woche erklärt. Vor dem Ende der Legislaturperiode können die Rentnerin- nen und Rentner also weder mit einem schlüssigen Kon- zept noch mit einer tatsächlichen Angleichung rechnen. War also alles nur Wahlkampf? Für die Rentenfinanzen gilt: Es ist weitgehend Planungssicherheit zu gewährleis- ten. Rentnerinnen und Rentner, Beitragszahlerinnen und Beitragszahler müssen davon ausgehen können, dass sie auch in 10, 20, 30 und in 40 Jahren eine angemessene Rente bekommen und diese auch finanzierbar bleibt. Das Umlageverfahren hat viele Vorteile, verlangt aber auch Disziplin von denen, die verantwortlich sind. Wer- den nur Verbesserungen im Rentensystem verlangt, wie die Fraktion Die Linke mit dem vorliegenden Antrag, ist noch nichts gegen die grundsätzlichen Probleme unserer sozialen Sicherungssysteme getan. Machen Sie Vor- schläge, wie sozialversicherungspflichtige Beschäfti- gung gestärkt werden kann, dann haben Sie uns auf Ihrer Seite. Wir sind davon überzeugt, dass der Modus der Rentenanpassung kein Dogma sein darf. Auch bisher ha- ben wir schon dementsprechend gehandelt, wenn wir es für erforderlich hielten. Die von uns durchgesetzte Ren- tengarantie oder die Aussetzung der Veränderung des Al- tersvorsorgeanteils – auch Riester-Treppe oder Riester- Faktor – für die Jahre 2008 und 2009 belegen dies. Tatsache ist: Den Rentnerinnen und Rentnern in Deutschland steht in diesem Jahr nach einer deutlichen Rentenerhöhung im vergangenen Jahr um ansehnliche 2,41 Prozent in den alten Bundesländern und 3,38 Pro- zent in den neuen Bundesländern eine Nullrunde bevor. Tatsache ist aber auch: Wir haben mit der im vergange- nen Jahr noch verabschiedeten Rentengarantie verhin- dert, dass auf sinkende Löhne auch sinkende Renten fol- gen. Ich bedaure für die rund 20 Millionen Rentnerinnen und Rentner, dass ihre Bezüge nicht steigen. Allerdings würde eine Rentensteigerung zum jetzigen Zeitpunkt die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler über Gebühr be- lasten. So viel nur zu Ihrer Forderung, die Beitragssatz- deckelung zu streichen. Ich will Ihnen erklären, warum die stagnierenden Renten in diesem Jahr zunächst nichts mit den Dämp- fungsfaktoren zu tun haben. Erstens. Die Rentenanpas- sung folgt – wie die meisten von uns wissen – der jewei- ligen Entwicklung der Löhne und Gehälter. Steigen diese nicht oder sinken sogar, so verharren die Renten auf dem alten Niveau. Wegen der von uns eingebauten Schutzmechanismen können die Dämpfungsfaktoren die Renten nicht vermindern. Zusätzlich bewirkt die Renten- garantie, dass auch eine negative Lohnentwicklung keine kürzende Wirkung entfalten kann. Dies ist in die- sem Jahr der Fall. Zweitens. Zugleich gilt: Die Dämpfungsfaktoren wir- ken nicht immer nur in eine Richtung. Sie sind keine Kürzungsmechanismen per se. So hat sich der Nachhal- tigkeitsfaktor schon mehrere Male 2007 wie auch 2008 positiv ausgewirkt – zuletzt noch im vergangenen Jahr mit 0,31 Prozent. Immer wenn sich die Zahl der Rentner zugunsten der Beitragszahler im Verhältnis verschiebt, hat dies einen positiven Einfluss auf die Rentenanpas- sung. Weil Ihnen das bewusst ist, geehrte Damen und Herren von der Linksfraktion, fordern Sie vermutlich nicht die Streichung des Nachhaltigkeitsfaktors, ver- schweigen aber wissentlich dessen Funktionsweise. Er passt offenbar nicht zu ihrer Argumentation. Drittens. Eine Beitragssatzdeckelung ist notwendig, weil wir Richtmarken brauchen. Neben dem Ziel, ein an- gemessenes Rentenniveau zu halten, sind auch stabile Beitragssätze wichtig. Das Alterssicherungssystem be- sonders in einem Umlageverfahren muss im Gleichge- wicht gehalten werden. Ursache der bevorstehenden Nullrunde ist die Entwicklung der Löhne und Gehälter. Diese sind zum ersten Mal seit über 50 Jahren gesunken. Dies stellt uns vor ungeahnte Probleme. Auch in der Al- terssicherung bekommen wir dies zu spüren. Löhne und Gehälter sind krisenbedingt geschrumpft bzw. im Osten nur gering gestiegen. Die für die Rentenanpassung maß- gebliche Lohnentwicklung beträgt für das Jahr 2009 in den alten Ländern minus 0,96 Prozent. In den neuen Ländern ist eine geringe Steigerung von 0,61 Prozent zu verzeichnen. Auch bei Aussetzung der Veränderung des Altersvorsorgeanteils in diesem Jahr wäre – zumindest im Westen – keine Rentensteigerung möglich. Im Ge- genteil: Die Renten müssten trotzdem um 1,46 Prozent gekürzt werden. In den neuen Bundesländern wäre eine Rentensteigerung von 0,1 Prozent möglich. Nur die von der SPD durchgesetzte Rentengarantie – erweiterte Schutzklausel – verhindert eine Kürzung. Nach Berück- sichtigung aller Elemente der Rentenformel müssten die Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2010 3287 (A) (C) (D)(B) Renten um insgesamt 2,1 Prozent im Westen und 0,55 Prozent in Osten abgesenkt werden. Die Verschie- bung des Riester-Faktors, die wir in der Großen Koali- tion 2008 beschlossen haben, hat ermöglicht, die Rent- nerinnen und Rentner in den Jahren 2008 und 2009 am Wirtschaftsaufschwung zu beteiligen, obwohl zu diesem Zeitpunkt noch nicht deutlich wurde, ob und wie stark sich dieser in steigenden Löhnen und Gehältern nieder- schlagen würde. Die nächsten Stufen der Riester-Treppe, die für die Rentenanpassungen 2008 und 2009 ausge- setzt wurden, sollten dann in den Jahren 2012 und letzt- malig 2013 berücksichtigt werden. Ein guter Zeitpunkt aus damaliger Sicht, weil dann die Beitragssätze sinken sollten und damit auch Rentensteigerungen wahrscheinli- cher wurden. Damit hatten wir nach mehreren Nullrunden und einer Minierhöhung im Jahr 2007 wieder deutliche Rentenerhöhungen erreicht, ohne die Beitragssatzziele aufzugeben. Durch die Aussetzung des Riester-Faktors im Zusam- menspiel mit der überraschend hohen Lohnsteigerung für 2009 hat sich auch das Rentenniveau wieder erhöht. Ergab sich aus den Modellrechnungen im Rentenversi- cherungsbericht 2008 noch ein absinkendes Rentenni- veau auf 50,5 Prozent, lag es nach dem Bericht 2009 bei 52 Prozent. Zu bedenken aber bleibt: Sollten in den nächsten Jahren die Löhne nicht deutlich steigen, sind kaum Rentensteigerungen möglich. Dies bedeutet da- rüber hinaus, dass der Ausgleichsbedarf – die aufgelau- fenen Dämpfungen, die bisher wegen der Schutzklausel nicht mindernd wirken konnten – nicht abgebaut werden kann, sondern noch weiterer Kürzungsbedarf entsteht. Dies kann dazu führen, dass auch weiter in der Zukunft liegende Rentenanpassungen geringer ausfallen werden. Neben den für das jeweilige Jahr geltenden Dämpfungs- faktoren wird der Ausgleichsbedarf die Rentenanpassun- gen zusätzlich schmälern. Der Sozialbeirat rechnet bis 2016 mit nur geringen Rentenanpassungen als auch mit Nullrunden. Daher müssen wir uns mit der Frage ausei- nandersetzen, ob und in welchem Umfang der Altersvor- sorgeanteil bei zukünftigen Rentenanpassungen zu be- rücksichtigen ist. Mit dem Faktor für die Veränderung des Altersvorsorgeanteils soll sichergestellt werden, dass die steigenden Aufwendungen der Jüngeren für ihre ge- förderte private Altersvorsorge bei der Anpassung be- rücksichtigt werden. Die Aussetzung des sogenannten Altersvorsorgeanteils in der Rentenanpassungsformel in Höhe von jährlich 0,5 Prozentpunkten war jedoch be- rechtigt, auch weil die Inanspruchnahme der geförderten Altersvorsorge zwar gut vorangekommen ist, aber im- mer noch nicht alle Menschen hiervon Gebrauch ma- chen. Im Jahr 2009 stieg die Zahl der Riester-Policen weiter um gut 1,1 Millionen auf nun 13,2 Millionen. Dies sind aber weiterhin nur etwas über ein Drittel der tatsächlich Berechtigten; deren Zahl kann aber nur nähe- rungsweise geschätzt werden. Unklar ist auch, mit welchem Beitrag die Sparer tat- sächlich privat für das Alter vorsorgen, und eine eben- falls nicht zu vernachlässigende Frage lautet: Bleiben die Sparer über die Jahre dabei bis zur Rente? Jeder Berech- tigte kann frei entscheiden, ob er über die Riester-Rente für das Alter vorsorgen will. Rentnerinnen und Rentner hingegen müssen den jeweiligen Altersvorsorgeanteil voll mittragen, profitieren selbst aber nicht mehr vom geförderten Sparen. Rentenbezieher sind schon in ho- hem Umfang an den Lasten, die die Beitragszahler zu leisten haben, beteiligt worden. Die Frage, inwiefern sie weiterhin bei sinkendem Rentenniveau die private Al- tersvorsorge mittragen sollen, muss deshalb neu gestellt, die Fakten neu bewertet werden. Ein dogmatisches Fest- halten am Altersvorsorgeanteil wäre falsch; das Ausset- zen bzw. eine dem tatsächlichen Aufwand entsprechende Berücksichtigung dieses Dämpfungsfaktors ist der rich- tige Weg. Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Die Linke startet unter dem Vorwand einer vermeintlich sozialen Politik einen Generalangriff auf unser stabiles Gemeinwesen. Sie re- det Konflikte herbei und dramatisiert Entwicklungen, wo immer es geht, weil sie ihr parteipolitisches Süpp- chen nur dann kochen kann, wenn es ihr gelingt, jede von einzelnen Gruppen der Bevölkerung empfundene Ungerechtigkeit hochzuspielen und zu instrumentalisie- ren. Die große Linie des neuen Grundsatzprogramms der Linken beinhaltet vergesellschaftete, also „volkseigene" Betriebe, eine 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnaus- gleich, Räte und runde Tische, mit denen die parlamen- tarische Demokratie unterwandert werden soll und jetzt auch den Test hinsichtlich der Belastungsfähigkeit unse- res stabilen Rentensystems. Das ist ein Irrweg, der nicht zum Erfolg führen wird. „Reichtum für alle“ kann man nicht beschließen. Genauso wenig kann man die demografische Ent- wicklung per Beschluss verändern. Sie verlangen von uns in Ihrem Antrag die Aufhebung des dringend not- wendigen demografischen Faktors bei der Rentenbe- rechnung. Das ist schlicht und einfach unseriös. Sie for- dern den Verzicht auf die zur Stabilisierung des Rentenbeitrags erforderliche Nachholung unterbliebe- ner Dämpfungen der Rentenanpassung. Kein Wort zur Finanzierung! Das sind völlig unseriöse Versprechun- gen! Wir dürfen aber die Fakten nicht ignorieren: Die von den Linken vorgeschlagenen Eingriffe in die Rentenfor- mel haben eine Gesamtwirkung von mehr als 10 Milliar- den Euro; denn es besteht folgender Nachholbedarf: 6,1 Milliarden Euro durch die unterbliebenen Renten- dämpfungen 2005, 2006 und 2010 – davon übrigens 85 Prozent bei den Rentnern in den westlichen Bundes- ländern, um die ständigen Andeutungen der Linken von Benachteiligungen für Rentner in den neuen Ländern mal zu relativieren –, 1,7 Milliarden Euro aufgrund der Rentengarantie – wirksam ausschließlich im Westen – und 2,9 Milliarden Euro durch Aussetzen der Riester- Treppe – betrifft zu 79,3 Prozent den Westen. Aus Sicht der FDP wäre es besser gewesen, den Riester-Faktor nicht auszusetzen. Die Folge des Nachho- lens ist jetzt eine bedauerliche Dämpfung der Renten- steigerungen, die sich über Jahre hinziehen wird. Haben die Antragsteller der Linken eigentlich auch nur ansatz- 3288 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2010 (A) (C) (D)(B) weise berechnet, was die Umsetzung ihres Antrags für die Beitragszahler bedeuten würde? Sie denken nie an die Arbeitgeber. Sie denken aber auch nie an die einzahlenden Arbeitnehmer. Wir hören immer nur Ihre Versprechungen zu höheren Sozialleistun- gen, höheren Renten usw. Was ein Beitrag zur Rentenver- sicherung von weit über 20 Prozent für den durchschnitt- lichen Einzahler bedeutet, interessiert Sie überhaupt nicht. Sie sägen an vielen Ästen, auf denen die Bürger sit- zen, und zerstören die Wurzeln unseres Sozialstaats. Von Generationengerechtigkeit haben Sie offensichtlich noch gar nichts gehört. Das ist schon zu viel Weitblick für Ihr einfach gestricktes Weltbild. Das Weltbild der christlich-liberalen Koalition ist dif- ferenzierter und sozialer. Eine Regierungskommission wird sich mit dem Risiko der Altersarmut befassen. Die FDP-Vorschläge dazu sind altbekannt: ein an- rechnungsfreier Grundfreibetrag von 100 Euro für die private und betriebliche Altersvorsorge, darüber hinaus gehende Beträge werden nur zu 60 Prozent angerechnet, Verträge zum Schutz gegen Erwerbsminderung werden voll Riesterförderungsfähig gemacht, Verbesserung der Altersvorsorge von Selbstständigen in Form einer Pflicht zur Versicherung bei weitgehendem Gestaltungs- und Wahlrecht. Im Übrigen liegt die Lösung des Strukturproblems bei der Alterssicherung sicher nicht allein in der gesetzli- chen Rentenversicherung. Diese muss nachhaltig stabil gehalten werden. Der vorliegende Antrag tut aber das Gegenteil. Aus unserer Sicht ist es darüber hinaus wich- tig, dafür sorgen, dass Vermögenseinkommen und be- triebliche Renten einen größeren Anteil an der Alters- vorsorge erhalten. Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): Die Rentenre- form von Walter Riester wird als Jahrhundertreform in die Geschichtsbücher eingehen, doch nicht als Erfolgs- geschichte. Wir werden leider nichts lesen können vom Wohlstand der vielen. Aber wir werden lesen müssen, dass die rot-grüne Bundesregierung Armut im Alter zum Programm erhoben hat. Zum Schulwissen wird ebenfalls gehören, dass auch die nachfolgenden Bundesregierun- gen – ob schwarz-rot oder schwarz-gelb – wider besseres Wissen und offenbar ohne schlechtes Gewissen den Le- bensabend der Meisten den Kräften des Marktes, den Banken und Versicherungen, ausgeliefert haben. Kom- mende Generationen werden uns fragen: Warum habt Ihr das alles nicht verhindert? Die Altersarmut von morgen ist die direkte Folge der falschen Rentenpolitik von heute. Wir haben zwei Mög- lichkeiten: Entweder wir verteilen morgen Trostpflaster an arme Rentnerinnen und Rentner, oder wir handeln heute und beugen der Altersarmut vor. Die Linke ist für den zweiten Weg. Wir wollen schwerwiegende Fehler in der Rentenpolitik von Rot-Grün bis heute beseitigen. Mit den Riester-Reformen wurde das Niveau der gesetz- lichen Rente bewusst massiv gesenkt. Das war ein gra- vierender Einschnitt. Das Ziel, den im Berufsleben er- reichten Lebensstandard auch im Ruhestand halten zu können, wurde aufgegeben. Als Ausweg gebar Rot-Grün Zwillinge: staatliche Fürsorge und private Vorsorge, also die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminde- rung, und die sogenannte Riester-Rente. Die „Grund- sicherung“ sollte die gesetzliche Rentenversicherung von unten stützen, auf Sozialhilfeniveau; denn es war klar, dass die gesetzliche Rente für viele nicht mehr die Existenz würde sichern können. Diese „Grundsiche- rung“ von im Schnitt 664 Euro im Monat bedeutet für viele Menschen einen sozialen Abstieg. Denn Armut verhindert sie nicht, und wer durchschnittlich verdient, muss nun für eine Rente in dieser Höhe bereits heute 28 Jahre Beiträge gezahlt haben. Im Jahre 2030 werden es schon 34 Jahre sein. Und wer nur die Hälfte des Durch- schnittseinkommens hat, also heute rund 1 300 Euro brutto verdient, muss heute 56 Jahre und 2030 dann 68 Jahre Beiträge gezahlt haben, um das Grundsiche- rungsniveau überhaupt zu erreichen. Das ist doch absur- des Theater. Die Riester-Rente soll die gesetzliche Rente aufsto- cken. Das funktioniert vor allem für die Versicherungs- wirtschaft. Was als Ausgleich für den Abbau der gesetz- lichen Rente vorgesehen war, hat sich als ein riesiges Subventionsprogramm für die private Versicherungs- branche entpuppt. Seit 2009 sind so knapp 9 Milliarden Euro Steuergelder in die Kassen der Versicherer geflos- sen, 9 Milliarden, die der solidarischen Rentenversiche- rung fehlen. Für die Menschen funktioniert Riester nicht. Gerade mal 37 Prozent derjenigen, die einen Anspruch auf Förderung hätten, haben einen Vertrag abgeschlos- sen. Und von denen haben 60 Prozent nicht einmal die vollen Zulagen erhalten, weil sie die Eigenbeiträge nicht aufbringen konnten oder wollten. Von niedrigen Löhnen lassen sich eben nur schwer Beiträge zahlen. Das zeigt: Die Mehrheit der Beschäftigten wird von „Riester“ nichts haben. Ihnen droht Altersarmut, und das ist unver- antwortlich! Zur Wahrheit gehört auch: Das aktuelle Gerede von einer Nullrunde ist pure Schönfärberei. Zwar werden die Renten nicht direkt gekürzt, aber sie verlieren dennoch an Wert, Stichwort Inflation, oder denken Sie an die Zu- satzbeiträge der Krankenkassen und die drohende Kopf- pauschale. Außerdem gilt für die Kürzungen: Aufge- schoben ist nicht aufgehoben. Sobald eine Erhöhung der Renten möglich wäre, werden die Kürzungen nachge- holt. Aktuell beträgt der so angehäufte „Ausgleichsbe- darf“ im Westen 3,8 Prozent und im Osten 1,8 Prozent. Das heißt: In den nächsten fünf bis sechs Jahren gibt es für die Rentner und Rentnerinnen keinen Cent mehr. Die Schutzklausel von heute frisst also die Rentenerhöhung von morgen. Die Rentnerinnen und Rentner werden mit der Nullrunde keineswegs verschont; sie werden dreist verschaukelt. Das darf nicht so bleiben. Wir Linken fordern eine radikale Abkehr von dem Irr- weg der Riester-Privatisierung. Denn die Rentnerinnen und Rentner von heute und die von morgen sind sich ei- nig: Sie wünschen sich nach einem langen Arbeitsleben einen Ruhestand ohne Armut und ohne große finanzielle Sorgen. Mit der drastischen Kürzung der Rente für alle und Riester nur für einen Teil wird das nichts. Die soli- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2010 3289 (A) (C) (D)(B) darische gesetzliche Rentenversicherung hat gerade in der Finanzkrise gezeigt, wie stabil sie ist. Darum fordere ich Sie auf: Stärken Sie die Rentenversicherung, strei- chen Sie den Riester-Faktor, löschen Sie das Minuskonto in der Rentenanpassung und mit ihm die Dämpfungsfak- toren! Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN): Ende der 80er-Jahre gab es Prognosen des Prognos-Instituts, dass der Beitragssatz zur Renten- versicherung bis 2030 ohne Veränderungen auf über 35 Prozent ansteigen würde. Seitdem gab es in relativ breitem Konsens beschlossene Reformmaßnahmen, um dies zu vermeiden: Angefangen mit der Umstellung von der Bruttolohn- auf die Nettolohnanpassung 1992, die Debatte um den demografischen Faktor Ende der 90er- Jahre und dann unter Rot-Grün die Umstellung von der Nettolohnanpassung zur modifizierten Bruttolohnanpas- sung sowie die Einführung des Nachhaltigkeitsfaktors. Dadurch ist es gelungen, die Beiträge auf absehbare Zeit weitgehend stabil zu halten. Und das ist auch gut so. Allerdings müssen wir auch gestehen, dass dadurch eine Rentenformel entstanden ist, die kaum noch jemand ver- steht. Hinzu kommt, dass diese Rentenformel in den letzten Jahren kaum zur Geltung gekommen ist und di- verse Male ausgesetzt wurde, weil sie zu einer Absen- kung der Rente geführt hätte. Dadurch ist eine Bugwelle von mehreren Milliarden Euro entstanden, die in den nächsten Jahren abgebaut werden müssen. Bezahlen sol- len das über die Nachholfaktoren die Rentnerinnen und Rentner, die deswegen in den nächsten Jahren – wenn überhaupt – nur mit geringen Rentensteigerungen zu rechnen haben. Vor diesem Hintergrund sollten wir uns in der Tat Ge- danken über eine Reform der Rentenformel machen. Ein Verzicht auf das Ziel der Beitragsstabilisierung und die Abschaffung aller Dämpfungsfaktoren – also die Rück- kehr zur Rentenformel aus den 80er-Jahren – wären al- lerdings falsch. Letzteres wird in dem Antrag der Linken – im Gegensatz zu sonstigen Verlautbarungen – aber gar nicht gefordert, sondern nur die Abschaffung des Riester-Faktors. Ich finde, dass dies durchaus eine Op- tion ist, über die wir nachdenken sollten; denn das, was wir erreichen wollen, nämlich eine weitgehende Bei- tragsstabilität und einen gerechten Ausgleich zwischen den Generationen, wird durch den Nachhaltigkeitsfaktor ausreichend gewährleistet, sodass der Riester-Faktor in der Tat verzichtbar erscheint. Ich finde allerdings auch, dass wir uns für diese Frage, die ja letztlich einen wesentlichen Teil der Bevöl- kerung entweder als Beitragszahlende oder als Renten- beziehende betrifft, Zeit nehmen und intensiv beraten sollten, zumal eine neue Rentenformel auf Dauer Be- stand haben und von einer breiten Mehrheit getragen werden sollte. Ohne ein Festhalten an dem Ziel der Bei- tragssatzstabilität wird dies nicht gelingen, und es wäre auch falsch, dieses Ziel aufzugeben. Aber ebenso wich- tig ist, dass sich die Menschen darauf verlassen können, eine ordentliche Rente zu erhalten, die vor Armut schützt und die nicht von der Entwicklung des allgemei- nen Lebensstandards abgekoppelt ist. Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Anbau von gentech- nisch veränderter Kartoffel Amflora verhin- dern (Tagesordnungspunkt 16) Carola Stauche (CDU/CSU): Die CDU/CSU-Frak- tion des Deutschen Bundestages hat sich immer dafür ausgesprochen, die Entscheidung über den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen ausschließlich auf der Basis wissenschaftlicher Bewertungen durchzufüh- ren. Wir sind uns der Risiken von genveränderten Orga- nismen bewusst. Vor allem sind wir uns jedoch darüber im Klaren, welche Chancen genveränderte Organismen für die Landwirtschaft bieten, angefangen von verbes- serten Eigenschaften wie bei Amflora, Einsparungen beim Pflanzenschutz bis hin zu höheren Erträgen. Wir reden heute über die Amflora-Kartoffel, die erste gen- technisch veränderte Pflanze, die seit 1998 in der EU für den Anbau zugelassen wurde. Tatsächlich stellt sich aber die Frage, ob wir heute über den Amflora-Anbau disku- tieren oder eine eher ideologisch geführte Grundsatzdis- kussion zum Thema Grüne Gentechnik führen. Zur grundsätzlichen Debatte möchte ich mich eigentlich nicht äußern. Vielleicht nur so viel: Als ich mich auf die heutige Debatte vorbereitet habe, bin ich auf einen Arti- kel gestoßen, welcher sich mit der Geschichte der Kar- toffel in Europa beschäftigt. Aus diesem möchte ich kurz zitieren: „Anfangs begegnete man der Kartoffel vieler- orts in Europa mit Misstrauen. Ab dem frühen 17. Jahr- hundert stand sie sogar im Verdacht, Lepra zu verursa- chen …“ Ich will Ihnen dadurch deutlich machen, dass es schon immer Ängste hinsichtlich neuer, unbekannter Pflanzen oder Organismen gab. Diese Ängste gilt es ernst zu nehmen. Wir von CDU und CSU nehmen diese Ängste ernst. Auch die Hinweise der Kollegen von den Grünen nehmen wir ernst, teilen die im Antrag geschil- derten Darstellungen allerdings nur bedingt. Wir diskutieren heute über den Antrag der Grünen, den Anbau der gentechnisch veränderten Kartoffel Am- flora in Deutschland zu verbieten. Wir als CDU/CSU werden diesem Antrag nicht zustimmen. Sie werfen uns dies als Kniefall vor BASF und der Wirtschaftslobby vor. Das ist es jedoch nicht. Vielmehr ist es eine bewusste Entscheidung, die wir im Sinne unserer Landwirte treffen. Wir machen mit dieser Entscheidung unseren Bauern Folgendes deutlich: Der deutsche Gesetzgeber lässt euch die Chancen wahrnehmen, die euren Kollegen in den eu- ropäischen Mitgliedstaaten auch zur Verfügung stehen. Der deutsche Gesetzgeber lässt es nicht zu, dass euch Wettbewerbsnachteile durch Verschärfungen europäi- scher Regelungen entstehen. – Genau dies wäre die Folge, wenn wir dem Ansinnen des Grünen-Antrages folgen würden. Landwirte in Holland, Tschechien oder Schweden dürfen die Amflora-Kartoffel anbauen, Land- wirte beispielsweise in Mecklenburg-Vorpommern dürf- 3290 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2010 (A) (C) (D)(B) ten sie nicht anbauen. Wir setzen uns für eine Gleichbe- handlung aller europäischen Landwirte ein. Die Kommission hat aufgrund mehrerer Unbedenk- lichkeitsbescheinigungen der europäischen Lebensmit- telbehörde EFSA die Amflora-Kartoffel für den Anbau zugelassen. Da die Neubeantragung im Jahr 2003 er- folgte, wurden die Sicherheitsbewertung und das Zulas- sungsverfahren nach den Maßgaben der 2001 deutlich verschärften Freisetzungsrichtlinie durchgeführt. Man kam zur Erkenntnis, dass die Gefahr eines Transfers des antibiotikaresistenten Markergens von einer gentechni- schen veränderten Pflanze auf Bakterien extrem unwahr- scheinlich sei und die Wirksamkeit von Antibiotika da- durch nicht gefährdet ist. Dieses Markergen wird allerdings in der Diskussion immer wieder angeführt, um Stimmung gegen einen Anbau von Amflora-Kartof- feln zu machen. Die Antragsteller weisen auf Art. 23 der Freiset- zungsrichtlinie hin. Die hier geforderten neuen oder zu- sätzlichen Informationen, die es Mitgliedstaaten ermög- lichen, gentechnisch veränderte Organismen in ihrem Hoheitsgebiet vorübergehend einzuschränken oder gar zu verbieten, liegen nach mehrmaliger Prüfung wie eben erwähnt nicht vor. Ob ein Landwirt Amflora anbauen möchte, sollte nach unserer Überzeugung seine eigene Entscheidung sein und nicht durch die Politik oder eine Verwaltung getroffen werden. Das ist ein Punkt der uns deutlich von den Grünen abgrenzt. Wir möchten nieman- den bevormunden. Natürlich sind wir uns über eventu- elle Gefahren bewusst. Deshalb stehen wir auch hinter den in der Freisetzungsrichtlinie genannten Grenzwer- ten, die selbstverständlich nicht überschritten werden dürfen. Die größte Gefahr beim Amflora-Anbau besteht bei Durchwuchskartoffeln. Da nach dem Anbau der Am- flora-Kartoffeln ein Jahr lang keine konventionellen Kartoffeln angebaut werden dürfen, ist hier eine Vermi- schung kaum möglich. Die bei der Ernte nicht erfassten, im Boden verbliebenen Kartoffeln keimen im Folgejahr aus, sind auf dem Feld deutlich zu erkennen, und man kann sie dann mit geeigneten Mitteln bekämpfen. An- ders als im Antrag geschildert, gehen wir jedoch davon aus, dass es den anbauenden und weiterverarbeitenden Betrieben gelingt, die geforderten Maßnahmen zum Schutz gegen Verunreinigungen der Lebens- und Futter- mittelkette ordnungsgerecht auszuführen. Für mich stellt sich dennoch die Frage, ob es für einen Landwirt überhaupt infrage kommt, die Amflora-Kartof- fel anzubauen. Denn die vertraglichen Verpflichtungen, die Landwirte und weiterproduzierende Betriebe einzu- halten haben, fördern die Attraktivität des Anbaus nach meinem Erachten nicht: das bereits erwähnte Anbauver- bot konventioneller Kartoffeln für ein Jahr nach dem Amflora-Anbau, die komplette räumliche Trennung der Amflora-Produktion von der konventionellen Kartoffel- erzeugung – angefangen von der Pflanzkartoffel bis zur Verarbeitung in der Stärkeindustrie. Diese Punkte wer- den in jedem wirtschaftlich geführten Betrieb beachtet und wirken sich, so denke ich, nicht gerade förderlich auf den Anbau von Amflora aus. Abschließend noch ein Zitat des von mir sehr ge- schätzten Albert Einstein. Ich glaube, es passt ganz gut zur Gentechnik-Debatte: „Es ist schwieriger, eine vorge- fasste Meinung zu zertrümmern als ein Atom.“ Josef Rief (CDU/CSU): Wir lehnen den Antrag der Grünen ab. Selbstverständlich ist die europäische Zulas- sung der Amflora-Kartoffel ein sensibles Thema, über das man diskutieren kann. Mir scheint aber doch eine ideologische Sichtweise der Grund für den Antrag der Grünen zu sein. Betrachtet man die Meinung von Fach- leuten zum Thema, warnt der eine Teil der Wissenschaft- ler vor der Grünen Gentechnik. Der andere Teil sieht große Chancen in Forschung und Entwicklung. Ich bin sicher, dass in Zukunft die Wissenschaft viele neue Er- kenntnisse hervorbringen wird. Für die diesjährige Anbauperiode ist für Amflora eine Fläche von 20 Hektar angemeldet. Hier sollen in Meck- lenburg-Vorpommern lediglich Saatkartoffeln vermehrt werden. Eine weitere Verwertung der Amflora zu indus- triellen Zwecken ist in diesem Jahr in Deutschland nicht geplant. Die Debatte sollte sachlich geführt werden. Am Ende werden wir hier im Parlament nicht entscheiden, ob die Amflora angebaut wird oder nicht. In erster Linie wird dies der Verbraucher, aber auch der Landwirt tun. Deshalb ist es wichtig, dass wir unsere Bürgerinnen und Bürger ernst nehmen und ihnen die Freiheit lassen, zu entscheiden, ob sie gentechnisch veränderte Produkte wünschen oder nicht. Gleiches muss auch für die Land- wirte gelten. Genauso wichtig wie die Wahlfreiheit muss die Sicherheit sein, nicht irrtümlich genveränderte Lebens- mittel zu erhalten, wenn jemand dies nicht wünscht. Ge- nau das tun wir mit unserer Politik. Wir wollen wissen- schaftliche Grundlagen für die Einschätzung einer Technologie und nicht die ideologische Befeuerung oder Verteufelung. Ideologen haben Deutschland in der Ver- gangenheit hundertmal mehr geschadet als genützt. Die Menschen in meiner Heimat und auch ich selber plädie- ren dafür, neben der wissenschaftlichen Prüfung der Grünen Gentechnik auch immer nach der Sinnhaftigkeit der Einführung der Sorten zu fragen. Es nützt uns nichts, wenn wir mit genveränderten Pflanzen höhere Erträge erzielen und gleichzeitig der Produktionsaufwand höher ist und der Marktpreis sehr viel geringer als bei konven- tionellen Sorten. Ich rate, die EU- und US-Körnermais- preise zu vergleichen. Letztendlich werden wir aber erle- ben, dass die Entscheidung über den Erfolg von genveränderten Sorten wie der Amflora auf dem Markt fällt. Der Verbraucher soll entscheiden, welche Produkte er kauft. Die europäische Zulassung gibt jetzt Gegnern und Befürwortern die Gelegenheit, zu ergründen, in welcher Weise sich die Argumente bewahrheiten und in der Pra- xis sich heute formulierte Vor- und Nachteile bei Anbau, Vermarktung und Verbraucherakzeptanz zeigen. Der Er- folg der Amflora ist auch nach Expertenmeinung frag- lich. Die Kartoffel, die zur industriellen Stärkeproduk- tion angebaut werden soll, gilt als veraltet, und als Saatgut ist sie teuer. Es gibt heute schon aus konventio- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2010 3291 (A) (C) (D)(B) neller Zucht bessere Sorten. Wir haben alles dafür getan, die Möglichkeit einer Koexistenz sicherzustellen. Auch für die Amflora gelten die gesetzlichen Bestimmungen aus Gentechnikgesetz und Koexistenzverordnung, was Anbauabstand und verschuldensabhängige Haftung an- geht. Das sollte so bleiben. Der Kommissionsbeschluss sieht eine räumliche Trennung der genveränderten Kartoffel von konventio- nellen Kartoffeln über den gesamten Weg von Anpflan- zung, Ernte, Transport und Verarbeitung vor. Ein Anbau von konventionellen Kartoffeln ist im Folgejahr auf die- sen Flächen ebenfalls verboten. Ich komme aus einem Landstrich, wo wir gentechnikfreie Anbauzonen haben, weil die Verbraucher und die überwiegende Mehrheit der Bauern daran glauben, mit gentechnikfreier Aussaat und Ernte die heimischen Märkte besser und nachhaltiger be- dient werden können. Mir ist wichtig, dass eine Ableh- nung oder Zustimmung aus sachlichen oder wissen- schaftlichen Gründen im Einzelfall geschieht und nicht aus ideologischen Gründen. In der Medizin akzeptieren wir seit vielen Jahren ganz selbstverständlich Medika- mente, die aus der Gentechnik stammen und bei vielen Therapien den Menschen helfen können. Jede Technolo- gie muss aber den Vorteil für die Menschheit nachwei- sen. Die Menschen werden richtig entscheiden, weil wir den Menschen vertrauen und letztendlich an die Ver- nunft glauben. Es stimmt die These Lenins eben nicht, dass Ver- trauen gut und Kontrolle besser ist. Umgekehrt ist’s richtig! Elvira Drobinski-Weiß (SPD): Keiner will sie, kei- ner braucht sie: die Amflora. Und wenn man sonst den Eindruck gewinnt, dass diese Bundesregierung die Be- lange und den Schutz der Verbraucher den wirtschaftli- chen Interessen einzelner Industrievertreter unterordnet, so stimmt hier nicht einmal das. Denn an der extra für die Stärkeindustrie entwickelten Kartoffel hat die Stär- keindustrie kein Interesse. So sagt der Geschäftsführer der Firma Südstärke gegenüber der taz: „Für uns kommt Amflora definitiv nicht infrage“. Südstärke beliefert auch die Lebensmittelindustrie und bekennt ganz offen: „Wir könnten die konventionellen und die Genkartoffeln im Werk kaum trennen.“ Auch der größte deutsche Kar- toffelstärkeproduzent Emsland Stärke GmbH erklärt: „Wir sehen zurzeit keine Möglichkeit, Amflora anzu- pflanzen. Die Konsequenzen wären zu groß.“ Die Ems- land-Gruppe hat stattdessen gemeinsam mit der Firma Europlant, mit klassischen Zuchtmethoden eine Alterna- tive entwickelt: eine Amylopektinkartoffel ohne Gen- technik. Die Amflora biete keine attraktiven Chancen vom Ertrag und von der Anbautechnik her, sagt der sonst nicht gerade gentechnikkritische Deutsche Bauernver- band. Vom deutschen Kartoffelhandelsverband DKHV ist zu hören, dass kein Bedarf an GVO-Kartoffeln be- stehe, weil die gewünschten Stärkeeinträge und Qualitä- ten auch von anderen Sorten erbracht werden. Und der Bundesverband der obst-, gemüse- und kartoffelverar- beitenden Industrie BOGK sieht keine Notwendigkeit für GVO-Kartoffeln als Futtermittel oder gar Lebensmit- tel, weil die Verbraucher das ablehnen. Diese Liste ist nicht vollständig, soll aber zur Illustra- tion des angeblich so großen Interesses an der Amflora reichen. Sie ist unnötig und unerwünscht. Aber das Di- lemma der Bundesregierung ist offensichtlich. Denn eine der wenigen präzisen Aussagen im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und FDP ist folgende: „Der Anbau der gentechnisch veränderten Stärkekartoffel Amflora für eine kommerzielle, industrielle Verwertung wird unter- stützt.“ Ehrlicherweise sollte man hinzufügen: Koste es, was es wolle. Eine sehr ungewöhnliche, wenn nicht gar ungeheuerliche Verpflichtung ist die Koalition da einge- gangen. Aber wie sagte Peer Steinbrück: „Niemand ist vor Erkenntniszuwachs gefeit.“ Ich hoffe, auch Sie sind dagegen nicht gefeit, Frau Ministerin Aigner, und ziehen die nötigen Konsequenzen. Statt an diesen einen Satz im Koalitionsvertrag, den Ihnen wahrscheinlich die FDP abgerungen hat, sollten Sie sich besser an die Erklärung gebunden fühlen, die die deutsche Delegation am 16. Juli 2007 bei der Abstimmung im EU-Rat über die Zulassung der Amflora zu Protokoll gegeben hat. Darin war die Zulassung an einige Bedingungen geknüpft wor- den: Erstens. Sie sollte weder die Verwendung als Futter- mittel noch als Lebensmittel beinhalten. Zweitens. Das Fernhalten des in der Amflora enthal- tene Antibiotikaresistenz-Markergens aus Lebensmittel- und Futtermittelkette sollte oberste Priorität haben. Drittens. Aus sorgfältigen Untersuchungen, an denen alle interessierten Kreise beteiligt werden sollten, sollten in Deutschland konkrete Anforderungen für Anbau, La- gerung, Transport und sonstigen Umgang sowie Weiter- verarbeitung der Amflora erarbeitet werden, die jegliche Vermischung von Amflora mit konventionellen Kartof- feln und Einträge in die Futtermittel- und Lebensmittel- kette zuverlässig vermeiden. Viertens. In einem Monitoring sollten die Auswirkun- gen auf die Bodenökologie genau beobachtet werden, damit keine Resistenzgene in nachfolgend angebaute Pflanzen und darüber in die Nahrungskette gelangen. Keine einzige dieser Bedingungen ist erfüllt. Im Ge- genteil: Die EU-Zulassung sieht ausdrücklich die Ver- wendung der Abfälle zu Futterzwecken vor und beinhal- tet sogar einen Toleranzwert von 0,9 Prozent für Lebensmittel. Hier sichert man sich im Vorfeld gegen Verunreinigungen ab; das ist eine Lizenz zum Ver- schmutzen. Wir sehen darin einen eklatanten Verstoß ge- gen das Vorsorgeprinzip. Wie Sie wissen, ist die Amflora mit einem Antibiotikaresistenz-Markergen ausgestattet: Dagegen hatten auch offizielle Organisationen wie die EU-Arzneimittelbehörde und die Weltgesundheitsorga- nisation WHO Bedenken. Solche Antibiotikaresistenz- gene dürften eigentlich gar nicht mehr eingesetzt wer- den. Wir haben hier schon mehrfach über die Amflora debattiert. Den meisten ist bekannt, dass es inzwischen gentechnikfreie Alternativen gibt und die Amflora eine veraltete Entwicklung ist. Sie ist aber nicht nur eine „olle Knolle“ ohne wirtschaftliche Erfolgsaussichten, weil sie 3292 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2010 (A) (C) (D)(B) keiner will und keiner braucht. Sie birgt möglicherweise auch gesundheitliche Risiken. Und die konventionellen Kartoffelhersteller kann sie teuer zu stehen kommen, weil ihr Einsatz erhebliche Mehrkosten für Tests und Kontrollen verursachen könnte. Sie lässt sich aus der Nahrungskette kaum raushalten, auf die Schwierigkeiten bei Überwachung und Kontrolle hat der SPD-Agrarmi- nister Mecklenburg-Vorpommerns Backhaus bereits mehrfach hingewiesen. Frau Ministerin, das sind mehr als genug Gründe. Werden Sie tätig! Setzen Sie sich für das Vorsorgeprin- zip ein! Prüfen Sie die Möglichkeiten der „Schutzklau- sel“ und verhindern Sie den Anbau in Deutschland! Wir werden Sie gern dabei unterstützen. Dr. Christel Happach-Kasan (FDP): Die Zulas- sung des Anbaus der Stärkekartoffel Amflora durch die neue EU-Kommission am 2. März diesen Jahres ist ein wichtiger Meilenstein in der Geschichte des Umgangs der EU mit gentechnisch veränderten Pflanzen. Seit dem Moratorium in den Jahren 1998 bis 2004 ist dies die erste Zulassung des Anbaus einer gentechnisch verän- derten Pflanze. Die Zulassung folgt der Empfehlung der Europäischen Behörde für die Sicherheit der Lebensmit- tel, EFSA. Damit wird einem wichtigen Anliegen der christlich-liberalen Koalition Rechnung getragen: Ent- scheidungen über die Zulassung neuer Sorten sollen ent- sprechend den Empfehlungen der Wissenschaft erfolgen. Nur so ist ein maximaler Schutz von Mensch, Natur und Umwelt sichergestellt. Es gibt keinen Grund, den Anbau der Stärkekartoffel Amflora zu verhindern. Mir ist bewusst, dass Menschen Vorbehalte gegen die Gentechnik haben. Diese Skepsis beruht nicht auf nega- tiven Erfahrungen weder bei uns noch in anderen Län- dern. Sie beruht auf gezielt verbreiteten Fehlinformatio- nen. Die mit dieser Methode gezüchteten Sorten sind sicherer als mit anderen Methoden gezüchtete Sorten. Außerhalb Europas steigt die Zahl der Landwirte, insbe- sondere der Kleinbauern, die diese Sorten anbauen. Zu- nehmend engagieren sich Schwellenländer in der Ent- wicklung eigener Sorten wie China, Indien, Brasilien und auch Kuba. Die von der Deutschen Forschungsge- meinschaft am Ende des letzten Jahres herausgegebene Broschüre „Grüne Gentechnik“ informiert sachlich und gut verständlich über die Methode und ihre Anwendung weltweit. Die Nachfrage ist hoch und zeigt das Interesse der Menschen nach verlässlicher Information. Die Stärkekartoffel gehört zu den Sorten, die noch vor dem von der EU erlassenen Moratorium entwickelt wur- den. Der erste Zulassungsantrag wurde bereits 1996 gestellt. Sie enthält einen sogenannten Antibiotikaresis- tenzmarker. Dieses Antibiotikaresistenzgen nptll vermit- telt eine Resistenz gegen die beiden Antibiotika Kana- mycin und Neomycin. Beide haben wegen ihrer toxischen Wirkung für Mensch und Tier nur eine sehr geringe Bedeutung als Antibiotikum. Das Gen kommt natürlicherweise in verschiedenen Bakterienarten so- wohl in der Darmflora als auch im Boden vor. Der Transfer eines Gens von einem Bakterium in eine ande- res Bakterium ist extrem unwahrscheinlich, der Transfer von einer Pflanze in ein Bakterium ist noch unwahr- scheinlicher. Der Anbau von Pflanzen mit diesem Gen trägt somit nicht zur Verbreitung der Resistenz bei Bak- terien bei. Nicht nur die EFSA, auch die Zentrale Kom- mission für die Biologische Sicherheit, ZKBS, hat diese Bewertung abgegeben. In der vergangenen Legislaturperiode ist insbesondere von den Grünen die Anwendung der Gentechnik in ver- schiedenen Anträgen thematisiert worden. Die Tendenz war immer gleich und setzte darauf, die vorhandene Skepsis zu verstärken, statt über Information und Auf- klärung die eigene Entscheidungskraft der Bürgerinnen und Bürger zu stärken. Die schwarz-rote Koalition hatte in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, Anbau und For- schung fördern zu wollen. Diese Vereinbarung ist völlig wirkungslos geblieben. Deshalb haben wir in unserem Koalitionsvertrag für die christlich-liberale Koalition sehr viel genauer festgeschrieben, was wir in unserer Re- gierungsarbeit erreichen wollen. Wir haben bereits erreicht, dass die Stimme Deutsch- lands in der EU in den verschiedenen Abstimmungen dem Grundsatz folgt, die Entscheidung über die Zulas- sung neuer Produkte an deren wissenschaftlicher Bewer- tung ausrichten zu wollen. Dies ist ein entscheidender Fortschritt, der Deutschlands Anspruch als Wissen- schaftsstandort endlich gerecht wird. Die Vorteile bio- technologischer Züchtungsverfahren sind überzeugend. Professor Dr. Josef Glößl, Vizerektor der Universität für Bodenkultur in Wien hat kürzlich in der überregionalen österreichischen Tageszeitung Die Presse in seinem Bei- trag „Gentechnik hat großen Nutzen“ einen Überblick über den Kenntnisstand der biotechnologischen For- schung gegeben. Die künftigen globalen Herausforde- rungen wie die Ernährung von bald 9 Milliarden Men- schen, die Anpassung unserer Kulturpflanzen an die durch den Klimawandel hervorgerufenen Veränderun- gen, die verstärkte Nutzung von Pflanzen als nachwach- sende Rohstoffe erfordern den Einsatz dieser inzwischen bewährten Züchtungsmethode. Sigmar Gabriel hat in seiner Zeit als Umweltminister in einer Plenarrede auf die positiven Umweltwirkungen der Stärkekartoffel hingewiesen. Sie produziert reine Amylopektin-Stärke. Dadurch ist es nicht erforderlich, in einem aufwendigen Prozess, die in sonstigen Kartof- feln vorhandene Amylose zu entfernen. Dadurch wird Wasser und Energie gespart. Dies ist ein echter Beitrag zur Nachhaltigkeit. Es gibt seit langem Züchtungsan- strengungen zur Züchtung einer solchen Kartoffel. Es gibt auch mit herkömmlichen Methoden gezüchtete Stär- kekartoffeln. Sie liefern jedoch einen geringeren Hektar- ertrag und haben sich bis jetzt nicht am Markt durchge- setzt. Der Antrag der Grünen reiht sich nahtlos ein in die zwölf Anträge zum Thema Grüne Gentechnik, die wir in der vergangenen Legislaturperiode diskutiert haben. Alle zielen in dieselbe Richtung, alle liefern Fehlinformatio- nen und versuchen, unbegründete Ängste zu schüren. Die christlich-liberale Koalition steht für Aufklärung und Wissenschaftlichkeit, für eine Versachlichung der emotional geführten Debatte über die Grüne Gentechnik. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2010 3293 (A) (C) (D)(B) Mit der fundamentalen Ablehnung einer weltweit etab- lierten Züchtungsmethode werden wir den zukünftigen Aufgaben nicht gerecht werden können. Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE): Ich wohne in einer traditionellen Kartoffelregion, der Prignitz im Nordwesten des Bundeslandes Brandenburg. Aber unter- dessen macht sich auch dort die Kartoffel immer mehr vom Acker, weil sich die Rahmenbedingungen ver- schlechtert haben. Unterdessen freut man sich selbst in meiner Heimat über jedes Feld, auf dem mal nicht Mais, Raps oder Roggen, sondern Kartoffeln angebaut werden. Und wir freuen uns in dieser schon immer armen Region über die Arbeitsplätze mit existenzsichernden Einkom- men, die es immer noch in der Verarbeitung, zum Bei- spiel in zwei Stärkefabriken, gibt. Es sind jedoch deut- lich weniger als früher. Es gibt also gute Gründe, für die Kartoffel zu kämpfen. Ein Weg ist die erfolgreiche Ent- wicklung neuer Nutzungsmöglichkeiten für die Kartoffel selbst und die Nebenprodukte ihrer Verarbeitung. Bei meinem letzten Besuch in der Kyritzer Stärkefabrik ver- gangenen Sommer habe ich sehr interessante Ansätze kennengelernt. Ein zweiter Weg ist die Vereinfachung der Verarbeitung. Denn die Kartoffel enthält natürlicher- weise zwei verschiedene Stärkeformen mit unterschied- lichen physikalischen Eigenschaften. Die eine Stärke heißt Amylopektin. Sie bindet und klebt, wird also zum Beispiel zu Papier, Textilien oder Klebstoff verarbeitet. Die andere Stärke namens Amy- lose geliert. Beide müssen zur Verarbeitung mit großem Wasserverbrauch und Energieaufwand getrennt werden. Eine Kartoffel, die fast nur Amylopektin enthält, ließe sich also effektiver und kostengünstiger verarbeiten. Au- ßerdem würde Wasser und Energie gespart. Die Idee, eine solche amylopektinreiche Kartoffel zu entwickeln, ist also schlau, aber längst keine Utopie mehr. Unterdes- sen gibt es zwei solche Kartoffelsorten, die auf konven- tionellem Weg gezüchtet wurden. Die ersten 100 000 Tonnen einer dieser beiden Kartoffeln wurden im ver- gangenen Herbst in Kyritz verarbeitet. Das Problem ist also auf einem unproblematischen Weg bereits gelöst. Dabei wird der Evolution eben nicht ins Handwerk ge- pfuscht wie mit der Agrogentechnik. Der Evolution wurde nur quasi ein Zeitraffer eingebaut. Die BASF ist einen anderen Weg gegangen. Sie hat die Kartoffel agrogentechnisch verändert, um die amylo- pektinreiche Kartoffelsorte Amflora zu erzeugen, deren Verbot die Grünen heute beantragen. Bei der Amflora wurde zum einen das kartoffeleigene Gen ausgeschaltet, das für die Amyloseproduktion verantwortlich ist. Zum anderen wurde ein Bakteriengen als Marker ein- gebaut, das die Kartoffel unempfindlich gegen mehrere Antibiotika macht. Dazu gehören Kanamycin und Neo- mycin, zwei Antibiotika, welche von der Weltgesund- heitsorganisation als höchst bedeutsam eingestuft werden. Kanamycin ist beispielsweise ein Reserveantibiotikum gegen multirestistente Tuberkulose. Resistenzen gegen diese Antibiotika wären in der Humanmedizin eine Ka- tastrophe. Einigen Menschen könnte bei einer Krankheit unter Umständen nicht mehr wie gewohnt geholfen wer- den. Deshalb hatte die EU ja 2004 beschlossen, keine gentechnisch veränderten Pflanzen mehr zuzulassen, die resistent sind gegen Antibiotika, die bei Menschen oder Tieren angewandt werden. Über diesen Beschluss hat sich die EU-Kommission jetzt mit der Zulassung der Amflora, also einer Lex BASF, hinweggesetzt. Für die Linke stellt sich sehr ernsthaft die Frage: Ist das damit verbundene Risiko wirklich verantwortbar, selbst wenn die EFSA mehrheitlich Entwarnung gegeben hat? Was ist, wenn die zwei Wissenschaftler in diesem Gre- mium mit ihrer Minderheitenmeinung dennoch Recht ha- ben? Die Zweifel an der Unabhängigkeit des Gremiums von der Agrogentechniklobby existieren ja, und es war immerhin das erste Mal, dass es überhaupt kritische Positionen dokumentiert wurden. Risikoverstärkend kommt hinzu, dass die Amflora nicht nur für den Anbau und die industrielle Verarbeitung zugelassen wurde, sondern auch als Futtermittel. Und das ist keine theoretische Ver- wendung; denn der Reststoff der Stärkeverarbeitung – die sogenannte Pulpe – wird oft als Futtermittel verwendet. Damit aber gelangt die gentechnisch veränderte Kartoffel indirekt auch in die Nahrungsmittelkette. Und die Kartof- fel ist ohnehin nicht kontrollierbar. Zum Beispiel können nach Schätzungen je nach Witterungsbedingungen 10 000 bis 35 000 Kartoffeln auf dem Acker zurückbleiben. Und was passiert eigentlich, wenn Wildscheine diese Kartof- feln fressen? Es gibt ein weiteres untrügliches Zeichen, dass selbst die EU-Kommission unterdessen weiß, dass eine Tren- nung zwischen konventionellen und gentechnisch verän- derten Kartoffeln auf Dauer entweder nicht sicher ist oder zu teuer wird. Sie hat gleich noch die Verunreini- gung von Lebensmittelkartoffeln mit der Amflora bis zu 0,9 Prozent erlaubt. Also 9 von 1 000 Kartoffeln dürfen gentechnisch verändert sein, und trotzdem kann die Ware als gentechnikfrei verkauft werden. Ob das im Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher ist? Ich wage es zu bezweifeln. Noch kritischer ist, dass die Bundesregierung nicht einmal bereit ist, die nötigen – und gesetzlich vorge- schriebenen – Regeln für den Anbau zu erlassen, die we- nigstens ein Minimum an Schutz für die gentechnikfrei wirtschaftende Landwirtschaft herstellen könnten. Das zumindest hat mir die Bundesregierung gestern in der Fragestunde geantwortet. Fazit: Die Koalition und die EU-Kommission gehen ein hohes Risiko ein für eine gentechnich veränderte Kartoffel, die niemand braucht und niemand will. Das ist vermutlich sehr gut für die BASF, aber schlecht für die gentechnikfrei wirtschaftende Landwirtschaft. Damit ist aber auch klar: Der Wille der Verbraucherinnen und Ver- braucher ist für diese Koalition in dieser Frage ohnehin irrelevant. Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Bundesregierung muss den Anbau der Genkartoffel Am- flora stoppen, weil die Verschmutzung von Lebens- und Futtermitteln nicht wirksam ausgeschlossen werden kann. Auch der Landwirtschaftsminister von Mecklen- burg-Vorpommern, Till Backhaus, fordert ein Anbauver- 3294 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2010 (A) (C) (D)(B) bot. Obwohl Amflora Anfang März zugelassen und ihr Anbau auf 20 Hektar in Mecklenburg-Vorpommern vor Monaten angemeldet wurde, hat die Bundesregierung keine gesetzlichen Regeln zum Schutz der gentechnik- freien Produktion erlassen. Damit wird die Zusage ge- brochen, welche die Bundesregierung 2007 in einer Pro- tokollnotiz bei der Zustimmung zur Amflora im Ministerrat abgeben hat. In der Protokollerklärung der deutschen Delegation vom 16. Juli 2007 anlässlich der Abstimmung im Rat der EU – Landwirtschaft und Fi- scherei – über die Zulassung von Amflora heißt es unter anderem: Deutschland wird unter Beteiligung aller interes- sierter Kreise sehr sorgfältig analysieren, welche konkreten Anforderungen für den Anbau, die Lage- rung, den Transport und den sonstigen Umgang so- wie die Weiterverarbeitung dieser gentechnisch veränderten Kartoffel aufgestellt werden müssen … Dazu werden wir in Deutschland Regeln der Guten fachlichen Praxis entwickeln, um in jedem denkba- ren Fall beim Anbau die Koexistenz mit nicht gen- technisch veränderten Kartoffeln zu sichern … so- wie Kontaminationen von Futtermitteln und Lebensmitteln in der weiteren Vermarktungskette zuverlässig zu vermeiden. Wir verlangen von der Bundesregierung und Ministe- rin Aigner, dass sie diese Zusage einhalten und umgehend entsprechende Regeln zur guten fachlichen Praxis vorle- gen. Statt ihren Schutz- und Vorsorgepflichten nachzu- kommen, hat die schwarz-gelbe Regierung die Zulassung von Amflora begrüßt. Schon im Koalitionsvertrag hat Schwarz-Gelb kostenloses Product Placement für das BASF-Produkt gemacht. Während Ministerin Aigner in Sonntagsreden die gentechnikfreien Regionen unter- stützt, tut sie nichts, um deren rechtliche Position zu stär- ken. Wie ein Gutachten der Grünen-Bundestagsfraktion aus dem Sommer 2009 zeigt, wäre dies mit einer einfa- chen Änderung des deutschen Gentechnikgesetzes mög- lich. Über die nationalen Verbote hinaus fordern wir Grüne die Bundesregierung auf, gegen die Zulassung von Am- flora vor dem Europäischen Gerichtshof zu klagen; denn ihre Zulassung widerspricht dem EU-Recht. Amflora enthält Resistenzgene gegen die Antibiotika Kanamycin und Neomycin, die laut der Weltgesundheitsorganisation WHO und der EU-Arzneimittelbehörde EMEA von the- rapeutischer Bedeutung für Menschen sind. Nach der EU-Freisetzungsrichtlinie dürfen aber seit 2009 keine Gentechniksorten mit Antiobiotika-Markern mehr zuge- lassen werden. Und selbst nach Meinung einiger Exper- ten der – sonst nicht gerade gentechnikkritischen – euro- päischen Lebensmittelzulassungsbehörde EFSA sind Verbreitungen dieser Antibiotikaresistenzen in der Um- welt und damit schädliche Auswirkungen auf Mensch und Umwelt nicht auszuschließen. Das Bundesamt für Naturschutz hat sich in den letzten Jahren mehrmals ge- gen Amflora-Freisetzungen ausgesprochen. Auch Ita- lien, Frankreich, Österreich und Griechenland haben die Zulassung kritisiert und prüfen Möglichkeiten, den An- bau zu unterbinden. Zudem ist es unverantwortlich, dass Amflora eine Verschmutzungslizenz von 0,9 Prozent für Lebensmittel erhalten hat, obwohl für diese Verwendung keine Sicherheitsbewertung existiert – ein fragwürdiges Novum im EU-Gentechnikrecht. Eine Vermischung mit gentechnikfreien Kartoffeln bei Anbau, Transport und Verarbeitung ist in der Praxis kaum zu vermeiden. Bundesregierung und EU-Kommission bleiben dazu Antworten auf wichtige Fragen schuldig: Wer stellt si- cher, dass auf Amflora-Äckern nicht aus Unwissenheit „gestoppelt“ wird und damit Amflora direkt verzehrt wird? Wie sollen die bereits jetzt überlasteten Kontroll- behörden in der Praxis denn lückenlos überprüfen, ob in den Produktionsprozessen Verschmutzungen auftreten? Und wer haftet, wenn der Schwellenwert von 0,9 Pro- zent überschritten wird? Wie groß sind die Abstände und welche Sorgfaltspflichten bestehen? Die Zulassung der Genkartoffel schadet der heimi- schen Wirtschaft und verteuert für Produzenten und Ver- braucher die Speisekartoffeln als wichtiges Grundnah- rungsmittel. Aktuell werden Kosten in Milliardenhöhe durch Maßnahmen zur Vermeidung von gentechnischen Kontaminationen und durch weltweite Schäden auf- grund von Verunreinigungen mit illegalen Gentechnik- pflanzen verursacht, wie beispielsweise gerade bei Reis sowie Leinsamen in Müslimischungen. Wir fordern, dass diese Kosten von den Verursachern getragen und nicht den Landwirten, Verarbeitern, Steuerzahlern und Verbrauchern aufgebürdet werden. Auch die Stärkeindustrie hat nach eigenen Angaben kein Interesse an Amflora, weil es zwei konventionelle Alternativen von den Firmen AVEBE und Bioplant/Ems- land Group gibt. Anders als bei der Amflora drohen hier der Stärkeindustrie keine Mehrkosten durch Überwa- chungsanforderungen, getrennte Lagerung und erhöhte Transportkosten. Sogar der Bauernverband bezeichnet Amflora als „sehr alte Sorte“. Die Zulassung von Am- flora ist nichts als ein Kniefall der EU-Kommision und der Bundesregierung vor der BASF. Amflora ist keine dolle, sondern eine olle Knolle aus der Gentechnikmot- tenkiste, die niemand braucht. Anlage 12 Zu Protokoll gegebenen Reden zur Beratung des Antrags: Modernisierungs- partnerschaft mit Russland – Gemeinsame Si- cherheit in Europa durch stärkere Kooperation und Verflechtung (Tagesordnungspunkt 13) Karl-Georg Wellmann (CDU/CSU): Deutschland und Russland stehen heute vor Herausforderungen, die neue Wege zur gemeinsamen Gestaltung der Zukunft er- fordern. Es gibt inzwischen eine gute Basis für eine er- folgreiche Intensivierung der Beziehungen zwischen Russland und Deutschland bzw. zwischen Russland und der Europäischen Union. Der amerikanische Präsident verfolgt die Lösung globaler Probleme mit einem neuen, kooperativen Ansatz; dazu gehört auch die Wiederbele- bung der strategischen Partnerschaft mit Russland. Der Vertrag von Lissabon macht die EU handlungsfähiger Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2010 3295 (A) (C) (D)(B) und lässt uns eine Modernisierungspartnerschaft mit Russland anstreben. Die NATO sieht neue Kooperations- felder mit Russland, die das Verhältnis zu Russland grundlegend erneuern können. Mit Interesse nehmen wir die Initiativen von Präsi- dent Medwedjew wahr, der die Modernisierung Russ- lands in den Mittelpunkt seiner Politik gerückt hat. Mit viel Mut zur Offenheit hat er gezielt Schwachstellen auf- gezeigt, die die Stabilität und den Erfolg der russischen Gesellschaft bedrohen. Zugleich hat er an die Verant- wortung der Bürgerinnen und Bürger appelliert, sich nicht ins Private zurückzuziehen. Eine Änderung zum Besseren kann aber nur eintreten, wenn die Möglichkeit besteht, Probleme offen zu diskutieren. Dies setzt Mei- nungs- und Pressefreiheit voraus. Wir werden ihn dafür beim Wort nehmen. Wir bieten Russland eine Partnerschaft an. Russland hat in seiner Geschichte einen langen und schwierigen Weg hinter sich gebracht. Wenn es heute unseren euro- päischen Wertekanon teilt, können wir ein neues Niveau in der Zusammenarbeit erreichen. Dabei können wir auf guten Grundlagen aufbauen. Die Beziehungen zwischen Deutschland und Russland sind eng und vertrauensvoll. Deutschland und Russland sind heute gegenseitig die wichtigsten Handelspartner. Deutschland ist der wich- tigste ausländische Investor in Russland. Über 4 000 deutsche Unternehmen sind in Russland aktiv. Der russi- sche Präsident hat sich zu einer WTO-Mitgliedschaft Russlands bekannt und damit gezeigt, dass ihm die Inte- gration in die internationalen wirtschaftlichen Strukturen wichtig ist. Dies ist ein richtiger Schritt in Richtung Di- versifizierung der russischen Wirtschaft. Die Annähe- rung zwischen Russland und Deutschland und zwischen Russland und der Europäischen Union muss fortgeführt werden. Von seiner Geschichte, seiner Geografie und seiner Kultur her ist Russland ein Teil Europas. Auch Russland betont seinen Anspruch, Teil der europäischen Familie zu sein. Fakt ist: Russland und Europa gehören zusammen. In der Zwischenzeit müssen wir die Möglichkeiten nutzen, die uns durch unsere enge Nachbarschaft gege- ben sind. Deutschland hat mit Russland bereits 2008 eine Modernisierungspartnerschaft vereinbart. Der Prä- sident der Europäischen Kommission, Barroso, hat das jetzt aufgegriffen. Spanien will dies zu einem Schwer- punkt seiner EU-Präsidentschaft machen. Wir unterstüt- zen dieses Ansinnen nachdrücklich. Es geht aber nicht nur um eine engere Integration unserer Wirtschafts- räume, sondern auch um einen gesamtgesellschaftlichen Ansatz. In diesem Kontext spielt die Politik der östlichen Partnerschaft der EU eine wichtige Rolle. Sie birgt Po- tenzial für die künftige Zusammenarbeit mit den Ländern unserer gemeinsamen Nachbarschaft, an deren Stabilität Russland und die EU-Mitgliedstaaten ein dringendes In- teresse haben. Zugleich hoffen wir, dass die russischen Eliten den notwendigen Willen zur Veränderung aufbrin- gen werden. Dabei setzen wir auf drei Faktoren: den Pragmatismus der Eliten, das Potenzial der russischen Gesellschaft und die Einsicht, dass alles andere Russland keine Zukunftsperspektive bietet. Die zunehmend diffe- renzierte und offen geführte Debatte über die Ausrich- tung der russischen Politik zeugt von einer wachsenden Bereitschaft, den Realitäten ins Gesicht zu sehen: den Grenzen der „Rohstoffmacht“ Russland, den Defiziten und Strukturmängeln der russischen Wirtschaft und der Notwendigkeit marktwirtschaftlicher Reformen. Nüchternheit und Realismus sprechen auch aus der neuen Sicherheitsstrategie; sie sind die beste Basis für neues und pragmatisches Denken. Immer mehr Men- schen scheinen zu verstehen, dass Russland als „einsame Macht“ seine Stellung in der Welt nicht behaupten kann. Es ist an dieser Stelle wichtig hervorzuheben, dass sich die bisherige Erweiterung der Europäischen Union und der NATO nicht gegen Russland richtet. Im Gegenteil: Die neuen Mitgliedstaaten erfahren einen Zuwachs an Stabilität, der sich auch für Russland positiv auswirkt: als Nachbar, als Investor und als Handelspartner. Zudem haben wir nützliche Instrumente für den strategischen Dialog mit Russland entwickelt: den NATO-Russland- Rat und das neu zu verhandelnde Partnerschaftsabkom- men mit der EU. Dabei müssen wir uns dringend von der Denkweise der vergangenen Jahrhunderte lösen. Das gilt nicht nur für Russland, sondern auch für die EU. Ein sol- ches Schubladendenken ist falsch und gefährlich. Der Vorschlag Präsident Medwedjews für einen europäi- schen Sicherheitsvertrag ist ein wichtiges Signal und zeigt uns: Russland möchte bei Fragen, die seine Sicher- heitsinteressen berührt, von uns gehört werden. Deutsch- land hat Interesse an einer kooperativen europäischen Si- cherheitsarchitektur, in der Russland ein Partner ist. Deshalb sollten wir die Vorschläge von Präsident Med- wedjew konstruktiv aufgreifen. Es geht darum, die euro- päische Sicherheit und das gegenseitige Vertrauen um- fassend zu stärken. Die Wiederaufnahme der Zusammenarbeit im NATO- Russland-Rat im vergangenen Dezember war ein wichti- ger Schritt zur Vertrauensbildung. Weitere vertrauensbil- dende Maßnahmen für die Zukunft sollten folgen, so zum Beispiel die Aufwertung des NATO-Russland-Ra- tes oder gemeinsame Übungen der NATO-Partner mit Russland. Wir wollen den Dialog mit Russland intensi- vieren und unsere Zusammenarbeit ausweiten, wo ge- meinsame Interessen berührt sind. Ganz konkret zeigt sich das bereits beim gemeinsamen Kampf gegen die Pi- raterie an der afrikanischen Ostküste und im NATO-Ein- satz zur Stabilisierung Afghanistans. Aber auch hier gibt es noch Raum für eine weitere Verstärkung unserer Zu- sammenarbeit. Ein weiteres wichtiges Thema bei der Zusammenar- beit zwischen der NATO und Russland ist der Bereich der Raketenabwehr. Die Bedrohungen, die von der Pro- liferation von Massenvernichtungswaffen und deren Trä- gersystemen in manchen Regionen des Nahen Ostens ausgeht, betreffen Russland und Europa gleichermaßen. Um dieser Bedrohung effektiv zu begegnen und unsere gemeinsame Sicherheit zu stärken, bedarf es einer engen Zusammenarbeit zwischen Russland und der NATO. Ins- besondere im Bereich der Rüstungskontrolle und Abrüs- tung sind drängende Probleme zu lösen. Die Bemühun- gen der USA und Russland, zu einem neuen – deutlich niedrigeren – strategischen atomaren Gleichgewicht zu finden, sind begrüßenswert. Die Präsidenten der USA 3296 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2010 (A) (C) (D)(B) und Russlands haben bereits zu erkennen gegeben, dass sie das Nachfolgeabkommen für den im Dezember aus- gelaufenen START-I-Vertrag sogar noch im April 2010 in Prag besiegeln werden. Dies wäre ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer atomwaffenfreien Welt. Wir unterstützen diese Bemühungen nachdrücklich. Es bleibt zu wünschen, dass der Abschluss der Ver- handlungen zwischen Russland und den USA über die weitere Reduzierung der strategischen Nuklearwaffen den Auftakt für weitere Abrüstungsschritte im substrate- gischen Bereich bildet. Es wäre ein wichtiger Impuls für ein Jahrzehnt der Abrüstung und könnte langfristig eine tragende Stütze für eine globale Sicherheitsarchitektur sein. Dazu gehört auch, dass wir das substrategische Nu- klearpotenzial in Deutschland abbauen. 20 Jahre nach dem Mauerfall muss es erlaubt sein, ein Relikt des Kal- ten Krieges abzuschaffen. Dies darf selbstverständlich nicht einseitig, sondern nur in enger Konsultation mit unseren Partnern in der NATO und mit Russland erfol- gen. Genauso bedeutend ist es, im Bereich der konventio- nellen Abrüstung weiter voranzukommen. Der KSE- Vertrag ist ein wesentlicher, völkerrechtlich verbindli- cher Eckpfeiler der europäischen Sicherheit. Er ist eine wichtige Vertrauensbasis für eine langfristige Vertiefung der sicherheitspolitischen Partnerschaft mit Russland. Ein umfassende Rüstungskontrolle funktioniert aber nur, wenn alle betroffenen Staaten ihren vertraglichen Ver- pflichtungen nachkommen. Mehr Transparenz kann hier das nötige Vertrauen schaffen. Es ist unsere Aufgabe, neue Lösungsansätze zu finden, um einen Ausweg aus der gegenwärtigen Krise des KSE-Vertrages zu finden. Die Weiterentwicklung des KSE-Vertrages auf der Grundlage des noch zu ratifizierenden Anpassungsab- kommens ist alternativlos. Hier bildet die OSZE das wichtigste Forum für die Entwicklung neuer Lösungsansätze. Es ist zu begrüßen, dass sich Minister Lawrow klar zum Korfu-Prozess be- kannt hat. Die substanzielle Stärkung der Konfliktlö- sungsmechanismen in der OSZE muss offen diskutiert werden. Der Korfu-Prozess schafft zwar mehr Zusam- menarbeit, bringt aber noch keinen echten Sicherheitsge- winn für Europa. Diese Defizite der europäischen Sicherheitsordnung gilt es nun zu benennen und auszu- räumen. Es muss uns gelingen, den Korfu-Prozess auf eine konkrete Agenda zu fokussieren, ohne den OSZE- Acquis zu unterhöhlen. Die Wiederbelebung der kon- ventionellen Rüstungskontrolle ist hier ein längst fälliges Thema, das im Zuge der amerikanischen Reset-Politik gegenüber Russland dringend weiter verfolgt werden muss. In diesen Kontext gehört auch die Debatte über eine strategische Neuausrichtung der NATO. Wir sollten uns die Frage stellen, welche Rolle Russland in Europa spielt. Auf absehbare Zeit ist nicht mit einem Aufnahme- antrag zu rechnen. Die Zukunft der NATO hängt maß- geblich von der Frage ab, wie Russland eingebunden werden kann. Die NATO ist dieser Herausforderung in ihren jetzigen Strukturen nicht gewachsen. Das Bündnis könnte hier die Chance ergreifen, das Primärforum für die Behandlung aller krisenhaften Entwicklungen zu sein, weil nur dort Amerika, Europa und Russland an ei- nem Tisch sitzen. Voraussetzung dafür ist, dass die NATO die Tür zum Beitritt Russlands nicht dauerhaft verschließt. Russland wiederum müsste bereit sein, die Pflichten und Rechte eines NATO-Mitglieds als Gleicher unter Gleichen wahrzunehmen. In den vergangenen Jahren hat die NATO ihre Tore für den Beitritt der mittelosteuropäischen Staaten geöff- net. Russland wiederum hat das „Feindbild“ NATO gern gepflegt und Chancen vertan. Erschwerend kommt hinzu, dass die Bereitschaft der NATO-Staaten, mit Russland kooperative Ansätze in der Sicherheitspolitik zu entwickeln, immer mehr verlorengegangen ist. Nach wie vor gibt es im Bündnis keinen Konsens in der Frage, wie mit Russland umzugehen ist. Für uns gilt: Sicherheit in und für Europa gibt es nur mit und nicht gegen Russ- land. Die transatlantische Gemeinschaft braucht Russ- land. Die Gründe dafür sind vielseitig: für Energiesi- cherheit, Abrüstung und Rüstungskontrolle, für die Verhinderung von Proliferation, für Lösungen der Pro- bleme in Iran, Afghanistan und im Nahost-Konflikt, aber auch für die Meinungsbildung und Entschlussfassung im UN-Sicherheitsrat. Die NATO wird sich darüber klar werden müssen, wie und welchen Platz Russland in der euroatlantischen Gemeinschaft einnehmen soll. Die Bündnispartner müssen sich darüber auseinandersetzen und konkrete Zwischenschritte definieren. Der Abzug amerikanischer Nuklearwaffen aus Europa und die Rücküberführung aller russischen Nuklearwaffen in zen- trale Lagerstätten könnten ein erster gemeinsamer Schritt sein. Der Aufbau eines gemeinsamen Raketenab- wehrsystems zum Schutz des NATO-Vertragsgebietes und Russlands könnte ebenfalls eine Option sein. Der Weg zur Beitrittsperspektive für Russland ist lang, aber logisch. Am Anfang stehen das Ziel der Außenpolitik, der gemeinsame Blick auf Bedrohungen und die geteil- ten Werte. Unsere Offenheit gegenüber Russland ist ebenso notwendig wie Russlands eigenes Engagement. Die transatlantische Bindung zwischen Europa und Amerika ist unersetzlich und wertvoll. Die NATO steht als Garant für Sicherheit und Werte gegen Herausforde- rungen, die nicht an Grenzen gebunden sind. Es bleibt zu wünschen, dass der bevorstehende Abschluss der Ver- handlungen zwischen Russland und den USA über die weitere Reduzierung der strategischen Nuklearwaffen den Auftakt für weitere Abrüstungsschritte im substrate- gischen Bereich bildet. Es wäre ein wichtiger Impuls für ein Jahrzehnt der Abrüstung und könnte langfristig eine tragende Stütze für eine globale Sicherheitsarchitektur sein. Bilateral und als Mitglied der EU wird Deutschland seinen Beitrag dazu leisten. Franz Thönnes (SPD): Im vergangenen Jahr haben wir 20 Jahre deutsche Einheit gefeiert. Dieses Jubiläum hat uns an die „friedliche Revolution“ des Jahres 1989 und an die Wiedervereinigung Deutschlands in vielen würdevollen Veranstaltungen erinnert. Dieses Resultat der Wiedervereinigung ist natürlich zuallererst den Men- schen zu verdanken, die sich mit ihrer ganzen Kraft friedlich für Freiheit und Demokratie mit einer Vielzahl Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2010 3297 (A) (C) (D)(B) von Aktivitäten damals in den verschiedensten Bürger- bewegungen eingesetzt haben. Aber sie ist auch das Er- gebnis eines historischen Prozesses, den die Bundesre- gierungen unter Bundeskanzler Willy Brandt, Helmut Schmidt und Helmut Kohl maßgeblich mit gestaltet und beeinflusst haben. Unstrittig ist es, so glaube ich unter uns, dass ohne die Westalliierten, aber eben doch noch stärker ohne die Zu- stimmung Russlands, diese Einheit nicht zustande ge- kommen wäre. Und ebenso unstrittig ist es, glaube ich, dass die Weiterentwicklung der europäischen Einigung ohne die positive Haltung Russlands nicht vorstellbar ist. Und auch die Bewältigung unserer gemeinsamen He- rausforderungen in Europa ist ohne Russland nicht vor- stellbar. Es geht um die Nichtverbreitung von Massenvernich- tungswaffen, es geht um den Kampf gegen den interna- tionalen Terrorismus, die Bekämpfung von Drogen- und Menschenhandel. Es geht um eine sichere und nachhal- tige Energieversorgung, es geht um den Schutz unserer Umwelt und um wirksame politische Entscheidungen und Maßnahmen zum Klimawandel. Kurzum, es geht um Sicherheit, Frieden und eine nachhaltige Entwick- lung in unserem gemeinsamen Arbeits- und Lebensbe- reich auf der Erdkugel. Russland und Deutschland sind durch zahlreiche ge- meinsame Erfahrungen und Traditionen eng miteinander verbunden. Da sind die schrecklichen Kriege auf unse- rem Kontinent. Da sind aber auch die bedeutenden Ab- schnitte und gemeinsam eingeschlagenen Wege zu ei- nem geeinten und friedlichen Europa. Und darauf aufbauend wächst mehr und mehr die Erkenntnis, dass die gesellschaftlichen Verflechtungen und die vorherr- schenden Konflikte in unseren Nachbarregionen nur ge- meinsam beantwortet werden können. Wer Sicherheit und Stabilität in Europa will, der muss dafür arbeiten, dass es konstruktive und kooperative Be- ziehungen zu Russland gibt. Im Rahmen der „strategi- schen Partnerschaft“, die von Deutschland und der EU angestrebt wird, steht daher die gemeinsame Lösung globaler Fragen und die Zusammenarbeit auf allen Fel- dern von Politik, Recht, Wirtschaft, Kultur und Wissen- schaft ebenso wie die friedliche Bewältigung regionaler Krisen und Konflikte im Zentrum. Auch Russland selbst steht vor großen Herausforde- rungen. Präsident Dmitrij Medwedjew hat dies erkannt. Seit Beginn seiner nun knapp zwei Jahre bestehenden Amts- zeit hat er neue Markierungen in der Innen- und Außen- politik dargestellt. Bereits im November 2008 hat er ein umfassendes und ambitioniertes Programm innerer Reformen präsen- tiert. Die Bürokratie stand dabei im Mittelpunkt seiner Kritik. Wie ein Hemmschuh wirke sie, wenn es auf ef- fektiven Wandel in Staat und Gesellschaft ankäme. Frei- heiten des Einzelnen und autonomes Handeln würden massiv eingeschränkt werden und behinderten damit die künftige Innovations- und Entwicklungsfähigkeit Russ- lands. Er kündigte eine Kampagne zur Korruptionsbe- kämpfung und gegen „Rechtsnihilismus“ an. Als seine politischen Schwerpunkte nannte er die Reform der rus- sischen Justiz sowie der Verwaltung und die Durchset- zung der Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit. Schon davor im Juni 2008 suchte der russische Präsi- dent die Unterstützung Westeuropas und der USA für seine Reformen. Hier, in unserer Hauptstadt, machte er den Vorschlag für Gespräche über eine neue „Europäi- sche Sicherheitsordnung“. Diese mündeten schließlich in eine Debatte über die Reform der OSZE. Im weiteren Verlauf der politischen Entwicklungen legte der russi- sche Präsident schließlich im November 2009 einen Textvorschlag für einen „Europäischen Sicherheitsver- trag“ vor. Neben der Bekräftigung völkerrechtlicher Grundprinzipien der UN-Charta und der KSZE-Charta von Paris enthält der Vorschlag einige Ideen für Konsul- tationsverfahren in Krisensituationen. Wir sollten ihn als Einladung für zielgerichtete Verhandlungen über effekti- vere Formen kooperativer Sicherheit in Europa verste- hen und dies auch so zu praktischem Handeln bringen. Beim ersten Gipfeltreffen von US-Präsident Obama und dem russsichen Präsidenten Medwedjew wurde deutlich, dass die amerikanische Regierung nach einem konstruktiven Neuanfang in den bilateralen Beziehungen sucht. In London wurde im April 2009 neben den gemeinsa- men Aktivitäten zur Bewältigung der internationalen Fi- nanzkrise im Rahmen der G 20 eine anspruchsvolle Agenda für nukleare Abrüstung und Rüstungskontrolle vereinbart. Und im Sommer 2009 folgte in Moskau die Festlegung von Parametern eines START-I-Nachfolge- abkommens. Leider war es trotz engagierter Bemühun- gen nicht möglich, ein Folgeabkommen vor dem Aus- laufen des Vertrages Ende 2009 zu vereinbaren. Aktuelle Auseinandersetzungen über die Raketenabwehr stellen sogar eine Unterzeichnung vor Beginn der Überprü- fungskonferenz des Nichtverbreitungsvertrages, NVV, im Mai 2010 infrage. Und dennoch bildet die beschrie- bene Entwicklung eine gute Basis für die Zusammenar- beit zwischen Russland und Deutschland, der Europäi- schen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika. Seit langem drängt die EU auf einen qualitativen Ausbau der Zusammenarbeit mit Russland. Vier „Gemeinsame Räume“ sollen geschaffen werden: Wirtschaft; äußere Sicherheit; Recht und innere Sicherheit sowie For- schung, Bildung, Kultur. Seit Herbst 2008 wird wieder über ein neues Partnerschafts- und Kooperationsabkom- men verhandelt. Bereits kurz nachdem Medwedjew Anfang 2008 deutlich gemacht hatte, wie wichtig ihm die Stärkung des Rechtsstaates, die Verwaltungsreform, die Unterstüt- zung wirtschaftlicher Entwicklung und umfassende Bil- dungsinitiativen sind, hat der ehemalige Außenminister Frank-Walter Steinmeier mit dem Angebot einer umfas- senden „Modernisierungspartnerschaft“ geantwortet. Wenn Russland die bestehenden und künftigen He- rausforderungen bewältigen will, muss der Staat seine wirtschaftliche, soziale und politische Leistungsfähig- keit steigern. 3298 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2010 (A) (C) (D)(B) Da werden in verschiedenen Themenfeldern weitere ermutigende Fortschritte gemacht. So legte Medwedjew im April 2009 einen Vorschlag für eine potentiell welt- weit anwendbare Energiecharta vor. Bezüge zu der von der EU und den USA favorisierten Europäischen Ener- giecharta, die die russische Vorgängerregierung noch ab- lehnte, sind klar erkennbar. Nach der Wahl von Wiktor Janukowitsch zum Präsi- denten der Ukraine steht nun ein Plan zur Bildung eines trilateralen Konsortiums zur Leitung und Modernisie- rung des ukrainischen Gastransportwesens auf der Ta- gesordnung. Wenn es gelingt, eine dauerhafte Zusam- menarbeit zwischen Russland, der Ukraine und der EU in diesem zentralen Sektor zu etablieren, wäre dies ein wichtiger Pfeiler der europäischen Sicherheit. In der russischen Innenpolitik ist ebenfalls einiges in Gang gekommen, das bereits in verschiedenen Berei- chen zu ersten positiven Veränderungen geführt hat. Dazu gehören die von Medwedjew veranlasste Überprü- fung der Strafgesetze gegen Spionage sowie der Medien- gesetze. Und ebenso die Ratifizierung des Zusatzproto- kolls 14 zur Europäischen Menschenrechtskonvention durch Duma und Präsident am 15. Januar 2010. Im letzten Monat haben Wissenschaftler aus dem dem Präsidenten nahestehenden „Institut für moderne Ent- wicklung“, INSOR, eine Studie mit dem Titel „Russland im 21. Jahrhundert – eine Vision für die Zukunft“ vorge- stellt. In Berlin erfolgte dies bei der Friedrich-Ebert-Stif- tung. In Russland ist über diese Studie bereits eine kon- troverse innenpolitische Debatte entstanden, denn die Autoren unter Leitung des Direktors Igor Jürgens wer- ben darin für grundlegende Reformen in Politik, Wirt- schaft und Gesellschaft: unter anderem für die Zulassung echter politischer Konkurrenz, Wahlrechtsreformen, Di- rektwahl der Gouverneure, Entbürokratisierung der Wirtschaft und eine Umstrukturierung und Dezentrali- sierung der Sicherheitsorgane einschließlich der Auflö- sung des Innenministeriums und des Geheimdienstes FSB in seiner heutigen Form. Außenpolitisch wird gar die russische Mitgliedschaft in NATO sowie EU ins Auge gefasst. Deutschland hat ein großes Interesse am Gelingen der inneren Reformen in Russland und an einer vertrauens- vollen Kooperation. Wir sind in vielen außenpolitischen Fragen sowie vor allem bei der Bewältigung der interna- tionalen Wirtschafts- und Finanzkrise auf die Zusam- menarbeit mit Russland angewiesen. Die Regulierung der internationalen Finanzmärkte, wie sie im Rahmen der G-20-Verhandlungen betrieben wird, spielt dabei ebenso eine Rolle wie die innere Stabilisierung in Russ- land. Deshalb fordert die SPD eine umfassende Moder- nisierungspartnerschaft mit Russland. Sie wird gleich- zeitig ein Prüfstein für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, GASP, der Europäischen Union sein. Darum ist auch eine EU-Ostpolitik „aus einem Guss“ nowendig, in der die Initiativen „östliche Partnerschaft“ und die Schwarzmeer-Synergie sowie die Ostsee- und Zentralasienstrategie abgestimmt sind. Vor diesem Hintergrund hat die SPD-Bundestagsfrak- tion in ihrem Antrag zur Modernisierungspartnerschaft mit Russland 15 Forderungen an die Bundesregierung zusammengefasst. Sie erstrecken sich von der Aufforde- rung, im Rahmen von EU, NATO und OSZE Initiativen für eine ernsthafte Debatte und eine gemeinsame Stel- lungnahme zum Vorschlag des russischen Präsidenten für einen „Europäischen Sicherheitsvertrag“ vom No- vember 2009 zu ergreifen, über die Auseinandersetzung mit dem russischen Vorschlag für eine weltweite Ener- giecharta vom April 2009, der Reform der OSZE, der In- tensivierung der Arbeiten im NATO-Russland-Rat, dem Drängen nach Unterzeichnung des START-I-Nachfolge- abkommens sowie der Aufforderung zur Werbung für eine kooperative und vertragsgestützte Lösung bei der Errichtung eines Raketenabwehrsystems in Europa und die Begrenzung solcher Systeme auf globaler Ebene, verschiedener vertrauensbildender politischer Verträge im militärischen Bereich bis hin zu Forderungen, die den wirtschaftlichen Bereich und die Ratifizierung des 6. Protokolls der Europäischen Menschenrechtskonven- tion zum Verbot der Todesstrafe durch Russland betref- fen. Alles berechtigte Forderungen für den Aufbau einer umfassenden Modernisierungspartnerschaft mit Russ- land, die gerade für uns Deutsche von einem zentralen Interesse sein muss. Ein stabiles Russland wird letztend- lich auch ein Partner für unser Land und die EU sein, der sich durch Zuverlässigkeit und Verantwortung für Si- cherheit und Stabilität in Europa auszeichnet. Deshalb bitte ich um Unterstützung für unseren Antrag. Dr. Bijan Djir-Sarai (FDP): Wir sind uns als FDP der wachsenden Notwendigkeit einer weiteren zukunfts- orientierten Entwicklung der bilateralen Beziehungen sowohl zwischen Russland und der Bundesrepublik Deutschland als auch zwischen Russland und der Euro- päischen Union bewusst. Die Ausweitung und Vertie- fung der Partnerschaft im Bereich der Modernisierung ist von zunehmender politischer und praktischer Bedeu- tung. Wir freuen uns, dass die SPD hier das Thema mit der Absicht aufgreift, zusätzliche Impulse zu einer ver- stärkten Zusammenarbeit zu vermitteln. Wir sind uns, denke ich, auch einig, dass der Dialog und das gegensei- tige Verständnis gefördert werden sollen. Daher müssen wir die Fortschritte und Hindernisse in den Beziehungen zwischen Russland und der Europäischen Union im Deutschen Bundestag offen diskutieren. Der Antrag der SPD enthält zahlreiche sinnvolle For- derungen, um die Zusammenarbeit mit Russland auf dem Weg zur Modernisierung weiterzubringen. Jedoch sehe ich folgende klare Defizite: Zum einen enthält der Antrag leider keine klare Beschreibung der derzeitigen Zustände in Russland. Schon in seiner letzten Jahresbot- schaft im November 2009 ging der russische Präsident mit den Zuständen in seinem eigenen Land und mit den verantwortlichen Akteuren hart ins Gericht. Er selbst hat schon die russische Bevölkerung in klaren, in unmiss- verständlichen Worten mit den beklagenswerten Defizi- ten in vielen Bereichen konfrontiert. Davon möchte ich beispielhaft nur einige nennen: So kritisierte er den un- genügenden politischen Pluralismus im Parteiensystem und warf den Behörden die Schikane der Opposition vor. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2010 3299 (A) (C) (D)(B) Die Pressefreiheit, die Meinungsfreiheit, die Ver- sammlungsfreiheit und die Koalitionsfreiheit werden in Russland unterdrückt. Es herrschen Korruption und feh- lende Rechtssicherheit. Die Polizei fällt durch Gewalt und Willkür auf. Und diese erschreckende Bestandsauf- nahme nehme nicht ich persönlich vor. Sie wurde vom obersten russischen Repräsentanten verfasst. Und er fährt exakt so fort: Die Wehrpflichtigen in den Streit- kräften werden missbraucht; die Infrastruktur ist veral- tet. Wir sehen große Defizite in den militärischen Fähig- keiten der Armee. Zudem gibt es rassistisch motivierte, offiziell als „Hooliganismus“ abgetane Übergriffe, ins- besondere gegen aus dem Kaukasus stammende Bevöl- kerungsteile. Diese Entwicklung macht vor keinem Be- reich halt. Wirtschaftlich ist Russland übermäßig abhängig von Rohstoffexporten. Der Dienstleistungs- und Industriesektor sind schlecht entwickelt. Der Mittelstand ist äußerst schwach ausgeprägt. Sie finden in Russland wenig Unternehmergeist. So können sich nicht ausreichend international wettbewerbsfähige Produkte entwickeln. Die Umweltverschmutzung ufert aus. Das Gesundheitssystem ist mangelhaft, und Alko- holismus ist immer noch weit verbreitet. Diese Faktoren führen zu sinkender Lebenserwartung der Menschen. Genau eine solche Zustandsbeschreibung müssen wir in einem Antrag zu einer Modernisierungspartnerschaft mit Russland doch aufgreifen. Zum anderen fehlen in dem Teil des Antrages, der die Forderungen des Antragstel- lers enthält, klare Vorschläge zur Verbesserung. Insbe- sondere erwarte ich Forderungen zur Verbesserung der politischen Defizite. Wir müssen klar artikulieren, wie wir uns eine Partnerschaft vorstellen, damit diese nicht einseitig wird. Es ist wichtig für die Partner, dass interne Missstände der Partnerländer beseitigt werden. Zumin- dest muss als solide Grundlage einer Zusammenarbeit der Wille vorhanden sein, die aufgezeigten Probleme auch anzupacken. Sie fordern, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, lediglich die Unterstützung des russischen Präsidenten bei seinem Bemühen. Das ist zu wenig für solch einen Antrag. Denn so werden die inter- nen Zustände in Russland nicht verbessert. Nicht nach- vollziehen können wir Ihre Forderung nach Ergreifung von Initiativen im Rahmen von EU, NATO und OSZE und die Forderung nach einer gemeinsamen Stellung- nahme zum Vorschlag für einen „Europäischen Sicher- heitsvertrag“. Dieses Vorgehen erinnert mich ein wenig an die Arbeitsvorgänge in meiner eigenen Küche. Sie kennen das inzwischen geflügelte Wort von den „vielen Köchen“ doch. Ergebnis: Sie verderben den Brei. So wird es zu äußerst unnötigen Reibungen und zur Läh- mung des gutgemeinten Vorschlages kommen, wenn sich diese Organisationen alle mit dem Thema befassen. Der Vorstoß von Medwedjew sollte im Rahmen des Korfu-Prozesses innerhalb der OSZE beraten werden. Dort gehört er hin. Alles andere ist nicht sinnvoll. In die- sem Antrag wird gefordert, dass sich der Westen mit ei- ner weltweiten Energiecharta befasst. Das ist der zweite Schritt, den Sie hier vor dem ersten setzen. Zunächst sollte Russland die mit der EU ausgehandelte Ener- giecharta ratifizieren. Dazu müssen wir erst einmal auf- fordern. In Ihrem Einleitungstext suggerieren Sie, dass nur die russische Vorgängerregierung diese Ratifikation ablehne. Lieber Herr Steinmeier, Sie sollten es doch bes- ser wissen. Das ist nicht der Fall. Die amtierende Regie- rung lehnt dies genauso ab. Zum KSE-Vertrag: Russland hat diesen einseitig aus- gesetzt. Das ist nicht in Ordnung. Der Vertrag muss ganz im Gegenteil gestärkt werden. Daher muss an dieser Stelle Russland besser aufgefordert werden, sich wieder zu den Verpflichtungen des geltenden KSE-Vertrags zu bekennen. Erstens ist eine Revision zum jetzigen Zeit- punkt nicht notwendig. Zweitens sollten wir als Deut- scher Bundestag nicht Russland auffordern, eigeninitia- tiv und einseitig ein neues Vertragswerk vorzuschlagen. Wir fordern Russland nicht auf, hier noch ein weiteres neues Fass aufzumachen. Ich komme nun zu meinem letzten Punkt, an dem die FDP von der im Antrag aufgezeigten Meinung stark ab- weicht. Hier wird gefordert, für eine Lösung bei der Errich- tung eines Raketenabwehrsystems zu werben. Solange die USA und Russland selbst kein Interesse an einem Nach- folgeabkommen zum gekündigten ABM-Vertrag zeigen, müssen wir uns in diesem Hause und seitens der Regie- rung auch nicht äußern. Die Bundesrepublik Deutschland sollte sich – das ist meine feste Meinung – bei dem Thema eines globalen Raketenabwehrsystems zurückhalten. Sie sehen, trotz seiner zahlreichen Stärken hat dieser Antrag deutliche Defizite. Einige davon habe ich hier dargelegt. Darüber wird nun in den Ausschüssen zu beraten sein. Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): Der vorliegende Antrag der SPD ist weder Fisch noch Fleisch. Er benennt ein richtiges und wichtiges Thema, aber seine Vor- schläge und Konsequenzen sind ideenlos. Insofern steht dieser Antrag in der Tradition der Regierungspolitik von Schwarz-Rot – auch diese war in der Russlandpolitik nicht besonders ideenvoll. Das ist nicht nur eine Feststel- lung von mir. Damit könnten Sie gut leben; das weiß ich. Aber blicken Sie einmal in die Spiegel-Ausgabe 10/ 2010: Volker Rühe, Ex-Verteidigungsminister, der ehe- malige Generalinspekteur der Bundeswehr, Klaus Naumann, und weitere konservative Außen- und Sicher- heitspolitiker engagieren sich dort für einen Beitritt Russlands zur NATO. Ich teile auch diese Konsequenz nicht, aber der Artikel ist schon aufsehenerregend. Die Autoren greifen auf Altbundeskanzler Helmut Schmidt zurück und referieren seine Feststellung, „dass viele der heute handelnden Politiker nur geringe Geschichtskennt- nisse haben“, und fügen selbst hinzu, „dass es einen er- schreckenden Kompetenzverlust für sicherheitspoliti- sche und strategische Fragen gibt“. Ihre Auffassung ist es, dass von Berlin „weder Meinungsführerschaft noch Impulse für die internationale Debatte“ ausgehen. Und sie fragen sich und die Öffentlichkeit, ob „die Deut- schen“ – wer immer das auch sein mag – „nicht mehr fä- hig sind, zukunftsweisende Beiträge einzubringen“. Wenn nicht Rühe, Naumann und die anderen Autoren ih- ren Artikel weit vor dem SPD-Antrag veröffentlicht hät- ten, so würde ich jetzt spotten, Sie müssten den SPD- Antrag gelesen haben. Spott allein reicht nicht aus. Ich will Ihnen meine Kritik an einem Punkt durchbuchsta- bieren. 3300 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2010 (A) (C) (D)(B) Der Antrag spricht zu Recht von einer strategischen Partnerschaft zwischen Russland und Deutschland. Das ist auch meine Position. Er erklärt aber an keiner Stelle die Inhalte dieser strategischen Partnerschaft. Wenn die Vorstellung über diese vertiefte Zusammenarbeit eine Blackbox bleibt, wird sie politisch nicht greifen. Strate- gische Partnerschaft ist mehr und vor allem etwas ande- res als die Strickjackenfreundschaft zwischen Kohl und Gorbatschow oder die hemdsärmelige Kooperation zwi- schen Schröder und Putin. Keine Frage, das persönliche Verhältnis zwischen Regierungspolitikern Russlands und Deutschlands ist wichtig. Es ersetzt aber keine Politik. Der heutige Außenminister Westerwelle benutzt zwar ebenfalls gern den Begriff „strategische Partnerschaft“ – im Übrigen nicht nur für Russland –, aber er hat offen- sichtlich weder ein politisches noch emotionales Verhält- nis zu diesem europäischen Land. Strategische Partner- schaft muss sich in dem empirischen Verständnis gründen, dass Deutschland im vergangenen Jahrhundert zweimal gegenüber Russland bzw. der Sowjetunion Kriege vom Zaune gebrochen hat, die in einer Mensch- heitskatastrophe endeten. Wer Frieden, Sicherheit und Stabilität in Europa will, wird das nur mit Russland und nicht gegen Russland erreichen können. Von daher hätte ich mir gewünscht, dass die Vorschläge des russischen Präsidenten Dmitrij Medwedjew für ein neues System der Sicherheit in Europa positiver und diskussionsoffe- ner aufgenommen worden wären. Der Vorschlag von Volker Rühe und Kollegen, dass sich die NATO für eine Mitgliedschaft Russlands öffnen solle, ist gleichbedeutend damit, dass die NATO sich grundlegend umwandelt. Das halte ich für wenig wahr- scheinlich, aber ein Geflecht verschiedenster Verträge zwischen Russland und den NATO-Staaten in Europa könnte eine neue Art von Sicherheit mit sich bringen. Eine solche Sicherheitsarchitektur müsste auch im Inte- resse von Ländern wie der Ukraine, Belarus, Moldawien und den baltischen Staaten wie auch anderer liegen. Russland muss ein Interesse haben, gerade gegenüber kleineren Ländern in Osteuropa Furcht und Sorgen, die historisch begründet sind, abzubauen, und solche Länder wie die Ukraine oder auch Polen gewinnen mehr Sicher- heit, wenn sie sich als Brücke, nicht als Grenze zu Russ- land verstehen könnten. Noch immer gilt: Es soll nicht zu einer neuen Blockbildung in Europa kommen, bzw. die Grenzen zwischen Russland und den EU-Staaten müssen durchlässig gemacht werden. Das EU-Europa oder meinethalben die euro- atlantische Gemeinschaft braucht Russland aus vielen Gründen: Energiesicherheit, Abrüstung und Rüstungs- kontrolle, Lösung solcher Konflikte wie der Nahostaus- einandersetzung, die Beendigung des Krieges in Afgha- nistan, Verbesserung der Beziehungen zum Iran und vieles mehr. Solche Punkte inklusive des gegenseitigen wirtschaftlichen Interesses begründen eine strategische Partnerschaft und schaffen dafür einen denkbaren bzw. möglichen Rahmen. Wir begehen 2010 mehrere wichtige Jahrestage, die das deutsch-russische Verhältnis berühren, und zwar – und das zu allervorderst – den 65. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus. Der Sieg der Anti-Hitler-Koalition über den deutschen Faschismus und der Beitrag der Sowjetunion dafür bleiben ein historisches Verdienst. Wir begehen den 35. Jahrestag der Konferenz von Hel- sinki. Die dort gefundene Sicherheitsarchitektur gäbe auch für das Heute viele Denk- und Handlungsanstöße. Weiterhin haben wir es mit dem 20. Jahrestag der deut- schen Einheit zu tun, und es wird niemand bestreiten können, dass auch die deutsche Einheit ohne Russland nicht zustande gekommen wäre. Diese Jahrestage sollten Denkanstoß für die Ausgestaltung des deutsch-russi- schen Verhältnisses sein. Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Russland steht vor der Notwendigkeit einer ebenso tiefgreifenden wie dringenden Modernisierung. Diese kann nicht nur die Wirtschaft, ihre Struktur und ihre Mechanismen betreffen. Sie muss die ganze Gesell- schaft, darunter Justiz, Armee, Sicherheitsapparate, Par- teien- und Medienlandschaft, erfassen. Scheitert sie, dro- hen dramatische Folgen von wirtschaftlicher Lethargie über politischen Extremismus bis hin zum staatlichen Zerfall. Das Problem ist nicht neu. Schon vor 100 Jahren stand das Zarenreich vor einer ähnlichen Situation, als das Land, zusätzlich geschwächt vom Wüten des Ersten Weltkriegs, weder wirtschaftlich noch politisch den Weg aus dem Feudalstaat hin zu einer modernen Industriege- sellschaft fand. Schließlich kam es zum Stalinismus als einer Methode der nachholenden Modernisierung, die ausschließlich durch den Staat und mit brutalen Mitteln betrieben wurde. Der Preis, den das russische und alle anderen Völker der Sowjetunion für die Herrschaft einer terroristischen Modernisierungsdiktatur in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zahlen mussten, war extrem. Zwar wurde die Sowjetunion mit dem Sieg über den Na- tionalsozialismus zur Weltmacht. Aber diese Macht stand auf tönernen Füßen und brach schließlich wirt- schaftlich zusammen. Das politische System war nicht nur dem Industrialismus, es war dem Leben nicht ge- wachsen. Die offensichtlichen Defizite der heutigen, schon nicht mehr sozialistischen russischen Wirtschaft sind allgemein bekannt und auch in der russischen Füh- rung anerkannt. Doch wieder stellt sich die Frage nach dem Weg der Modernisierung und ihrem Ziel. Nach den Jahren der Jelzin’schen Reformexperimente, die zu mas- siven sozialen Verwerfungen und einer breiten Verunsi- cherung in Russland geführt hatten, wurde Putins Kon- zept der starken Hand fast einhellig begrüßt. Sein Ziel, der Aufbau eines in den Worten der Welt vom 24. März „autoritären Machtsystems slawophiler Prägung mit marktwirtschaftlichen Elementen“ war durchaus popu- lär. Was dabei ins Hintertreffen geriet, waren die enor- men gesellschaftlichen und politischen Herausforderun- gen, die eine gelingende Wandlung zu einem global wettbewerbsfähigen Gemeinwesen begleiten müssen, soll es diese Wandlung erfolgreich vollziehen. Inzwischen sind die Mängel im politischen System Russlands nicht nur erkennbar zu einem Hindernis der wirtschaftlichen Modernisierung geworden. Sie sind Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2010 3301 (A) (C) (D)(B) auch im Alltag derart spürbar, dass immer weniger Be- troffene sie klaglos hinnehmen und niemand sie mehr übersehen kann. Wenn – um nur ein Beispiel zu nennen – der Innenminister der Bevölkerung öffentlich ein Selbst- verteidigungsrecht gegen die brutalen und kriminellen Übergriffe der Polizei einräumt, ist dies kaum anders denn als Kapitulation des Rechts vor der Willkür zu be- zeichnen. Aber nicht nur im Bereich der Polizei ist das staatliche Gewaltmonopol moderner Staaten pervertiert. Ähnliches gilt für den Strafvollzug, für die Armee, abge- wandelt, nämlich in Form flächendeckender Korruption, für die Verwaltungsbürokratie. Und natürlich gilt es auch für die Justiz und den größten Teil der Medien. In kei- nem dieser Bereiche herrschen transparente Regeln, herrscht Rechtssicherheit. Einzige, wenn auch nicht im- mer gleichermaßen anwendbare Regel ist die Herrschaft des Staates und seiner Vertreter. Ein moderner Staat, der qua Mitgliedschaft im Euro- parat den Anspruch erhebt, europäischen Werten zu ent- sprechen, und der weltweit respektiert werden will, kann so nicht funktionieren. Russlands Anspruch an sich selbst droht durch seine innere Verfasstheit erstickt zu werden. Präsident Medwedjew scheint dies erkannt zu haben, und mit ihm immer mehr Menschen in Russland. Das Unbehagen an der autoritären Herrschaft Putins und seiner Umgebung nimmt erkennbar zu, die Opposition, fast schon verstummt, wird wieder lauter. Einer der Ers- ten außerhalb der demokratischen Opposition, die dem Widerstand gegen das erstarrte und anachronistische System des autoritären Staates eine Stimme gaben, war Michail Chodorkowskij. Mit seiner wirtschaftlichen Macht unterschied er sich von den mutigen Menschen- rechtlern und Journalistinnen, die immer für demokrati- sche Werte eingetreten waren. Er drohte zur ernsthaften Gefahr für Putins System zu werden. Deshalb wurde sein Konzern zerschlagen, und deshalb wird ihm jetzt schon der zweite Prozess gemacht. Diese Jusitizfarce, nach allem Anschein gespeist von irrationalem Rache- drang seiner Gegner in der russischen Führung, ist zum Symbol für die Willkür und Repression in Russland ge- worden. Chodorkowskij vertritt zugleich eine umfas- sende Modernisierung, deren Behinderung in Russland eine jahrhundertealte Geschichte hat. Paradoxerweise hat gerade der Umgang des Staates mit ihm Chodorkowskijs Bedeutung gestärkt. Sollte er ein weiteres Mal verur- teilt werden, wäre das ein Zeichen andauernden Rück- schritts in Russland. Ihn freizusprechen, würde einen Sieg der Modernisierer bedeuten. Der Ausgang des Falls Chodorkowskij kann nach Einschätzung der inter- national bekannten und anerkannten Veteranin der russi- schen Opposition Ludmilla Alexejewa die russische Ge- schichte verändern. Deutschland und die EU brauchen ein modernes Russland als Partner, ein modernes Russ- land braucht uns. Das ist der Sinn der angestrebten Mo- dernisierungspartnerschaft. Deshalb sind wir für jede Form der Zusammenarbeit, die uns gemeinsam diesem Ziel näherbringt. Dazu aber gehört eine klare Analyse der Hindernisse auf diesem Weg. Und dazu gehören klare Worte unter Partnern, die diese Hindernisse benen- nen. Anlage 13 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts: Europäische Tierversuchsrichtlinie muss ethischem Tierschutz Rechnung tragen – Stel- lungnahme des Deutschen Bundestages gemäß Artikel 23 Absatz 3 Grundgesetz (Zusatztages- ordnungspunkt 7) Dieter Stier (CDU/CSU): In den vergangenen Tagen sind Tausende von Mails mit der Forderung einer Nach- besserung des derzeit vorliegenden Entwurfs einer EU- Tierversuchsrichtlinie in meinem Abgeordnetenbüro eingegangen. Da alle diese Schreiben den gleichen Wort- laut haben und zeitweise exakt im Minutentakt eingin- gen, drängt sich mir der Eindruck auf, hier werde ganz gezielt und zentral gesteuert Panikmache betrieben. Der- artige Massenmails sind nicht hilfreich, weder bei der parlamentarischen Willensbildung, noch dienen sie dem Wohl von Tieren, geschweige denn dem Verbraucher und schon gar nicht dem Forschungsstandort Deutsch- land. Ich denke, wir sollten uns rational mit diesem Thema auseinandersetzen und nicht die Menschen in Deutschland und Europa auf eine derart polemische Art und Weise aufwiegeln. Meine sehr verehrten Damen und Herren von Bündnis 90/Die Grünen, Ihre Kritik richtet sich gegen den jetzt vorliegenden Entwurf der Richtlinie des Euro- päischen Parlaments und des Rates zum Schutz der für wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere. Bevor ich im Einzelnen auf die Kritikpunkte Ihres heute vorliegen- den Antrages an der EU-Tierschutzrichtlinie eingehe, möchte ich einen ganz zentralen Punkt hervorheben, der mir sehr am Herzen liegt. Deutschland war bisher eines der EU-Länder mit den höchsten Tierschutzstandards in- nerhalb der Europäischen Gemeinschaft und wird es auch in Zukunft bleiben. Unbestritten ist die dringende Notwendigkeit einer Harmonisierung der EU-Tier- schutzstandards. Die derzeit geltende Richtlinie aus dem Jahre 1986 muss dringend novelliert werden, weil sich im Lauf der vergangenen zwei Jahrzehnte sehr unter- schiedliche Tierschutzniveaus in den einzelnen EU-Mit- gliedsländern herauskristallisiert haben. Verschiedene Kulturkreise und Traditionen definieren darüber hinaus auch den Tierschutz unterschiedlich. Erfreulicherweise kommen wir insbesondere im Tierschutz zu immer mehr Gemeinsamkeiten unter den Ländern. Somit ist es uns nun möglich, europaweit ein vergleichsweise höheres Schutzniveau für Versuchstiere herbeizuführen. Das ist eine positive Entwicklung, und die sich daraus erge- bende Chance gilt es zu nutzen. Kurz gesagt: Wir haben jetzt die Gelegenheit in Eu- ropa ein insgesamt höheres Schutzniveau zu erreichen, welches auf der Grundlage von freiwilligen einzelstaatli- chen Regelungen und auf der Grundlage der derzeit noch bestehenden Richtlinie nicht zu erzielen ist. Der kleinste gemeinsame Nenner in Sachen Tierschutz könnte auf ein höheres Niveau gehoben werden. Das wäre ein wichti- ges Etappenziel hin zu einem verbesserten Tierschutz in der EU. Der Weg dorthin war schwierig. Nach zähen, 3302 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2010 (A) (C) (D)(B) langwierigen und höchst kontrovers geführten Diskus- sionen zwischen dem Europäischen Parlament und den Mitgliedstaaten im Rat konnte man sich im Dezember 2009 endlich auf einen Kompromissvorschlag einigen. Dieser derzeit feststehende Kompromiss hat mühsam eine qualifizierte Mehrheit sowohl im Rat als auch im Parlament gefunden. Diese Kompromisslösung ist je- doch derart fragil, dass eine minimale Änderung sehr schnell zu einer Auflösung der Mehrheitsverhältnisse führen und eine Gesamteinigung auf unbestimmte Zeit in die Zukunft verschoben würde. Der jetzt vorliegende neue Richtlinienentwurf geht insgesamt gesehen über die Mindestanforderungen der derzeit gültigen Rechtslage hinaus. Im heute zur Bera- tung vorliegenden Antrag fordern Bündnis 90/Die Grü- nen die Einsetzung einer Ethik-Kommission, die Geneh- migungsprozesse von Projekten begleiten und dahin gehend prüfen soll, ob Forschungsprojekte unerlässlich und ethisch vertretbar sind. Die Mehrheit der EU-Mit- gliedstaaten hat sich gegen eine solche Ethik-Kommis- sion ausgesprochen. In Art. 26 der Richtlinie wird statt- dessen die Einrichtung eines Tierschutzgremiums festgeschrieben, welches das Personal zu allen Fragen des Tierschutzes berät. Positiv zu bewerten ist, dass der Kompromisstext in einigen Regelungen über das derzeit im Tierschutzgesetz festgelegte Schutzniveau von Ver- suchstieren hinausgeht. Strengere Einschränkungen gel- ten bei der Verwendung gefährdeter Arten und von Pri- maten sowie beim grundsätzlichen Verbot von Versuchen mit länger andauernden schweren Schmerzen. Leider konnte sich Deutschland in den Verhandlun- gen nicht mit dem Vorschlag durchsetzen, dass Mitglied- staaten in Zukunft auch freiwillig national strengere Vor- schriften durchsetzen können. Dies kollidiert mit der Zielvorgabe einer EU-weiten Harmonisierung. Politik bedeutet eben auch das Akzeptieren von Kompromissen, wenn sie einem gemeinsamen europäischen Ziel dienen. Ich gebe zu bedenken: Wenn man die Messlatte in Eu- ropa zu hoch hängt, das heißt, die Anforderungen an ei- nige EU-Länder praktisch unerreichbar hoch sind, dann wird die Forschung an Tieren in Drittländer, beispiels- weise nach China, abwandern. Damit ist weder den Tie- ren noch den in der Forschung beschäftigten Menschen gedient. Insbesondere in Sachen Tierschutz müssen wir über die Parteigrenzen hinweg an einem Strang ziehen. Es bringt uns in der Sache nicht weiter, wenn wir uns in ideologische Grabenkämpfe verstricken. Auch wenn Bündnis 90/Die Grünen sich gerne als die alleinigen Fürsprecher der Tiere sehen, möchte ich darauf verwei- sen, dass gerade die CDU/CSU-geführte Bundesregie- rung den Tierschutz an oberster Stelle sieht. Die folgen- den Beispiele zeugen von einer erfolgreichen und nachhaltigen Tierschutzpolitik. Mit der klaren Entschei- dung, den Tierschutz als Staatsziel ins Grundgesetz auf- zunehmen, haben wir Parlamentarier eine ganz klare Position für den Schutz der Tiere bezogen. Tierschutz in Deutschland ist zu einem wichtigen gesellschaftlichen Thema geworden. Ich denke, es ist uns allen ein Anlie- gen, den Tierschutz voranzubringen. Auch wenn auf EU-Ebene nicht immer deutsche Maximalforderungen durchzusetzen sind und Kompromisse in Kauf genom- men werden müssen, so kommen wir doch Schritt für Schritt weiter. Deutschland hat wichtige Positionen im Tierschutz, zum Teil auch gegen den Widerstand anderer Mitgliedstaaten, einbringen können. Diesen Erfolg ver- danken wir dem Verhandlungsgeschick der Parlamenta- rier in Brüssel. Sollte Deutschland dem jetzt vorliegen- den Kompromissvorschlag nicht zustimmen, würde dies bei den anderen EU-Staaten auf völliges Unverständnis stoßen und Deutschland in der Frage des Tierschutzes isolieren. Deutschland hat in der Vergangenheit bereits erheb- lich dazu beigetragen, dass auch auf europäischer Ebene der Schutz von Tieren und die Forschung in einem aus- gewogenen Verhältnis stehen. Es müssen tierethische und wirtschaftliche Belange in Einklang gebracht wer- den. Deutschland hat sich im Bereich Tierschutz auf EU- Ebene für international gültige Mindeststandards einge- setzt, wie zum Beispiel bei der Richtlinie zur Haltung von Masthühnern. Wir haben uns für eine einheitliche europäische Tierschutzkennzeichnung stark gemacht. Ein weiteres positives Beispiel für eine europäische Lö- sung ist das Einfuhrverbot von Hunde- und Katzenfel- len. Die Bekämpfung illegaler Fischerei ist ebenfalls ein zentrales Anliegen Deutschlands. Warum sollte man Schutzquoten aushandeln, wenn diese dann letztlich doch nicht bindend sind und unterlaufen werden? Hier bedarf es einer weiteren Kraftanstrengung aller EU-Staa- ten, dass diese Praktiken endlich beendet werden. Diese Beispiele zeigen, wie wichtig die enge Zusammenarbeit der einzelnen EU-Mitgliedstaaten ist. Tierschutz ist aber auch eine globale Aufgabe geworden, und Deutschland nimmt seine Verantwortung für Tiere weltweit sehr ernst. Die unionsgeführte Bundesregierung hat beispiels- weise in der vergangenen Wahlperiode den globalen Schutz der Walbestände durch das Verbot des kommer- ziellen Walfangs durchgesetzt. Wir stehen hier vor der schwierigen Aufgabe, For- schung und Tierschutz miteinander in Einklang zu brin- gen. Derzeit sind wir leider noch auf tierexperimentelle Forschung angewiesen, um Fortschritte in der Medizin erzielen zu können. Millionen Menschen verdanken ihr Leben und ihre Gesundheit den wissenschaftlichen Er- kenntnissen, die durch Tierversuche gewonnen wurden. Dies müssen wir uns auch vor Augen halten, wenn wir über Tierversuche debattieren. Krankheiten treten übri- gens auch parteiübergreifend auf und verschonen nicht die eine oder andere Couleur. Eines möchte ich deutlich herausstellen: Als Fernziel in der Zukunft streben wir die weitestgehende Abschaffung von Tierversuchen an. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen wir verstärkt die Förde- rung und Weiterentwicklung von alternativen Versuchs- methoden voranbringen. Dazu ist beispielsweise biologi- sche Forschung an Modellorganismen denkbar, um Grundlagenerkenntnisse zu gewinnen. Denkbar ist auch die Entwicklung von Impfstoffen aus pflanzlicher Pro- duktion. Die Zahl der Tierversuche muss so gering wie möglich gehalten werden. Die Union setzt auf möglichst artgerechte Haltung in Bezug auf Zucht, Unterbringung und Pflege sowie auf einen sensiblen Umgang mit Versuchstieren. Damit sol- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2010 3303 (A) (C) (D)(B) len Leiden und Ängste der Tiere vermieden werden bzw. auf ein Minimum reduziert werden. Das ist nicht nur un- ter ethischen Gesichtspunkten zwingend notwendig, sondern auch eine wichtige Grundvoraussetzung für die Qualität tierexperimenteller Forschung. Hervorragende Forschungsergebnisse insbesondere in der Humanmedi- zin zeigen uns Menschen Wege auf, um mit neuen wirk- samen Medikamenten zur Bekämpfung von Krankheiten wie Tumorerkrankungen oder Parkinson menschliches Leid zu verhindern. Ebenso dienen beispielsweise For- schungen im Bereich Gewebezucht einer verbesserten medizinischen Versorgung. Fazit: Ich plädiere für eine Ablehnung des Antrages von Bündnis 90/Die Grünen, damit die Verabschiedung der neuen EU-Tierschutzrichtlinie in ihrer Gesamtheit nicht gefährdet wird. Wir brauchen dringend die neue EU-Tierversuchsrichtlinie, weil damit deutliche Verbes- serungen für den Schutz von Versuchstieren in der EU erzielt werden. Wir erreichen so ein höheres Schutzni- veau, als wenn wir uns auf einzelstaatliche Lösungen verlassen. Lassen Sie mich noch einen Blick in die Zukunft wer- fen. Tierschutz ist ein Bereich mit großer Dynamik. So- lange wir noch nicht am Ziel sind, bleibt Tierschutz für uns alle eine Daueraufgabe. Die christlich-liberale Ko- alition wird sich auch in Zukunft der Herausforderung stellen, eine ethisch vertretbare Balance von Forschung und Tierschutz zu finden. Dazu wünsche ich mir Ihre Unterstützung. Heinz Paula (SPD): Wir beraten heute über den Kompromissvorschlag zur Richtlinie des Europäischen Parlamentes und des Rates zum Schutz der für Versuchs- zwecke verwendeten Tiere. Er beruht auf einem Vor- schlag der EU-Kommission vom Dezember letzten Jah- res. Ungeachtet dessen, dass dieser Kompromisstext von EU-Kommission und EU-Parlament bereits abgenickt wurde, verdient er aus Sicht eines Tierschützers – und ich spreche heute in meiner Funktion als Tierschutzbe- auftragter meiner Fraktion – herbe Kritik. Legt man beide Vorschläge nebeneinander, merkt man deutlich, dass die in Brüssel und Straßburg so zahlreich vertrete- nen Lobbyisten ihre Hände im Spiel hatten. Zu viele Stellen des ursprünglichen Vorschlages wurden sehr deutlich zuungunsten des Tierschutzes verändert. Nicht hinnehmbare Punkte sind für mich unter anderem: Die Regelung in Art. 2 a des Kompromissvorschlages, wo- nach die Mitgliedstaaten nach Inkrafttreten der Richtli- nie keine strengeren Maßnahmen mehr erlassen können als die in der Richtlinie vorgesehenen, kann ich nicht bil- ligen. Das ist anachronistisch. Es darf den Mitgliedstaa- ten nicht untersagt werden, den Tierschutz im eigenen Lande weiterzuentwickeln. Diese Regelung blockiert jeglichen tierschutzrechtlichen und -politischen Fort- schritt. So wird Deutschland seiner Vorreiterrolle inner- halb der EU nicht gerecht. Diese Richtlinie soll Mindeststandards setzen und nicht, wie hier offenbar beabsichtigt, Höchststandards auf niedrigem Niveau. Daher plädiere ich eindringlich, Art. 7 der Entschließung des Europäischen Parlamentes noch in die Richtlinie aufzunehmen. Dieser lautet: „Durch diese Richtlinie werden die Mitgliedstaaten nicht daran gehindert, strengere Maßnahmen anzuwenden oder zu beschließen, die auf die Verbesserung des Wohl- ergehens und des Schutzes der zu Forschungszwecken verwendeten Tiere abzielen.“ Art. 2 a ist damit hinfällig und zu streichen. Eine ethische Bewertung von Tierversuchen ist im Rahmen der vorgeschriebenen Genehmigungsverfahren kaum mehr vorgesehen. An zahlreichen Stellen wurde das Wörtchen „ethisch“ aus dem Text gestrichen. Mit großer Wirkung! Aus der Voraussetzung einer „positiven ethi- schen Bewertung“ für die Erteilung einer Genehmigung in Art. 35 des ersten KOM-Entwurfs wird ein „positives Ergebnis der Projektbeurteilung“ im Kompromissvor- schlag. Nach welchen Kriterien diese Projektbeurteilung stattfinden soll, bleibt mit dieser Formulierung fraglich. Dabei ist eine Betrachtung der moralischen und ethischen Aspekte beim Tierschutz dringend geboten. Die Men- schen sind sensibilisiert für tierschutzrelevante Themen. In der Öffentlichkeit erlangt das Wohlergehen der Tiere einen immer höheren Stellenwert. Dies beweisen auch die weit über 5 000 E-Mails, die uns in der vergangenen Wo- che erreichten. Die Verfasser der E-Mails bitten uns, die Verschlechterungen in dem Kompromisstext nicht hinzu- nehmen. Erst gestern nahm ich ebenso viele Unterschrif- ten entgegen. Eine Aktion besorgter Bürgerinnen und Bürger, die sich über die Zukunft des Tierschutzes in Deutschland und Europa Gedanken machen. Ich danke ihnen für ihr Engagement. Ich verweise hier auch auf § 7 unseres Tierschutzge- setzes, der da lautet: „Tierversuche dürfen nur durchge- führt werden, soweit sie zu einem der folgenden Zwecke unerlässlich sind …“ und – so Abs. 3 – „ … wenn die zu erwartenden Schmerzen, Leiden oder Schäden der Ver- suchstiere im Hinblick auf den Versuchszweck ethisch vertretbar sind“. Dies sollte unserer Bundesregierung Maßstab und Maxime sein, auch bei den Verhandlungen auf EU-Ebene. Hier frage ich mich, warum die Bundes- regierung nicht längst die Initiative ergriffen und ent- sprechende Veränderungen zum besseren Schutz der Tiere angestrebt hat. Wo war bei den Verhandlungen zur Tierversuchsrichtlinie unsere Bundesministerin Frau Aigner? Kleine Textkorrekturen bei dem ursprünglichen Ge- setzestext führen auch zu weiteren erstaunlichen Ergeb- nissen. Ursprünglich war eine Verpflichtung zur Ver- wendung von Alternativmethoden vorgesehen, sofern diese vorhanden und validiert sind. Diese Verpflichtung wird in dem Kompromissvorschlag alleine durch den Zusatz „wo immer dies möglich ist“ ausgehebelt. Ich frage mich, wer entscheidet, ob die Verwendung von Al- ternativmethoden möglich ist. Die Unterbringung und Pflege von Tieren ist ein weiterer Punkt, der korrigiert werden muss. Seit 2006 existieren Maßstäbe und Be- stimmungen für die Unterbringung und die Pflege von Versuchstieren. Diese hat das EU-Versuchstierabkom- men damals so festgelegt. Warum sollen wir nun bis 2017 warten, bis diese auch umgesetzt werden dürfen? Der erste Kommissionsentwurf sah hier noch überwie- gend eine Frist bis Januar 2012 vor. Es gibt für mich kei- 3304 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2010 (A) (C) (D)(B) nen ersichtlichen Grund, warum von diesem Datum ab- gewichen werden sollte. Und schließlich der wohl strittigste Punkt, der Einsatz von nichtmenschlichen Primaten bei Tierversuchen. Ein heikles Thema, das weiß ich. Manche Versuche können nur an nichtmenschlichen Primaten durchgeführt wer- den, da sie uns Menschen in ihrer Lebensfunktion am ähnlichsten sind. So können lebensbedrohliche Krank- heiten beim Menschen verhindert oder gelindert werden. Auf der anderen Seite sind es auch die Tiere, die nach- weislich unserem Empfinden am nächsten kommen. Es ist davon auszugehen, dass sie ähnlich wie wir Schmerz und Leiden empfinden. Daher müssen die Versuche mit diesen Tieren auf ein absolutes Mindestmaß beschränkt werden. Der ursprüngliche Vorschlag der Kommission sah genau eine solche Beschränkung vor. Der Kompro- missvorschlag findet eine Regelung, die einen sehr gro- ßen Interpretationsspielraum für eine Genehmigung von Ausnahmefällen für Versuche an nichtmenschlichen Pri- maten zulässt. So heißt es dort in Art. 8 Abs. 1 b: „Als zur Invalidität führender klinischer Zustand für den Zweck dieses Artikels gilt die Beeinträchtigung der nor- malen physischen oder psychologischen Funktionsfähig- keit des Menschen.“ Dies lässt zu viele Spielräume zu. Nahezu jeder von uns ist in irgendeiner Weise – zumin- dest zeitweise – in seiner physischen Funktionsfähigkeit eingeschränkt. In vielen Ländern innerhalb der europäischen Union existieren nach wie vor Tierschutzstandards, die auf der alten EU-Richtlinie zum Schutz der für wissenschaftli- che Zwecke verwendeten Tiere von 1986 basieren. Diese liegen weit unter den deutschen Standards und auch weit unter den in dem uns nun vorliegenden Kompromissvor- schlag festgeschriebenen Standards. Das heißt, der Tier- schutzstandard würde durch den vorliegenden Entwurf in diesen Ländern verbessert. Sie, sehr verehrte Damen und Herren von Bündnis 90/Die Grünen, fordern die Bundesregierung nun auf, dem vorliegenden Richtli- nienentwurf nur zuzustimmen, wenn sie Ihre Forderun- gen für einen verbesserten und umfassenden Tierschutz auf EU-Ebene durchsetzen können. Sie stellen mit dieser Forderung das gesamte Projekt, eine – wenn auch nicht ausreichende – Verbesserung einer einheitlichen Rege- lung zum Schutze der für wissenschaftliche Zwecke ver- wendeten Tiere infrage. Der vorliegende Richtlinienent- wurf geht immerhin weiter und hebt die derzeit geltenden und damit EU-weit gültigen Tierschutzstan- dards für einige Mitgliedstaaten erheblich an. Deshalb hat sich die SPD-Fraktion in der gestrigen Ausschusssit- zung mehrheitlich enthalten. Verehrte Bundesministerin Aigner, ich habe noch nie so viele Zuschriften erhalten wie zu dem Thema, das wir heute hier behandeln. Ich verlange von der Bundesregie- rung, dass sie sich für eine Überarbeitung der EU-Richt- linie im Sinne eines umfassenden Tierschutzes stark- macht. Die Bundesregierung will laut eigener Aussage den europäischen Tierschutz an die deutschen Tier- schutzstandards angleichen. In Deutschland ist Tier- schutz Staatsziel. Ich bitte Sie, Frau Bundesministerin Aigner, lösen Sie Ihr Versprechen ein und setzen Sie al- les daran, diesen Kompromissvorschlag in Brüssel noch einmal inhaltlich zu überarbeiten. Machen Sie ihren Ein- fluss geltend! Ich werde Ihr weiteres Vorgehen in dieser Angelegenheit und auch in anderen Angelegenheiten des Tierschutzes genau beobachten, und ich werde nicht auf- hören, auf einen umfassenden Tierschutz in Deutschland und auf EU-Ebene zu pochen. Sie werden weiter von mir hören! Dr. Christel Happach-Kasan (FDP): Der Antrag der Grünen trägt die Überschrift: „Europäische Tierver- suchsrichtlinie muss ethischem Tierschutz Rechnung tragen“. Genau das ist das Ziel der Überarbeitung der ge- genwärtig geltenden Tierversuchsrichtlinie. Sie stammt aus dem Jahr 1986. Der wissenschaftliche Fortschritt in den vergangenen mehr als 20 Jahren macht eine neue Bewertung der Notwendigkeit und des Ablaufs von Tier- versuchen dringend erforderlich. Der gegenwärtig disku- tierte Vorschlag für eine „Richtlinie zum Schutz der für wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere“ erfüllt die in der Überschrift des Antrags der Grünen formulierte Anforderung. Die Wahrung und der Schutz des Lebens ist der Grundgedanke unserer Zivilisation. Zum Schutz von Mensch und Umwelt wurde im Jahr 2002 auf Initiative der FDP-Bundestagsfraktion der Schutz der Tiere als Staatsziel in Art. 20 a in das Grundgesetz aufgenommen. Diesem Anliegen fühlen wir Liberale uns verpflichtet. Die derzeitige Richtlinie entspricht nicht heutigen wis- senschaftlichen Standards und genügt nicht unseren ethi- schen Vorstellungen. Sie muss deshalb novelliert wer- den. Einige Länder haben im nationalen Recht wesentlich strengere Standards zur Haltung von Ver- suchstieren und zur Genehmigung und Durchführung von Tierexperimenten eingeführt. Das deutsche Tierschutzrecht beispielsweise zählt zu den strengsten in Europa. In einigen Bereichen geht die neue Richtlinie gleichwohl über die in Deutschland im Tierschutzrecht formulierten Standards hinaus. Bei- spielsweise schließt sie die Föten von Säugetieren in ih- ren Geltungsbereich ein. Es ist das erklärte Ziel der neuen Richtlinie, ein vergleichbares Niveau für die ge- samte Europäische Union festzuschreiben. Die neue Richtlinie etabliert Standards, die an aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen bezüglich Schmerz- empfinden, Stressfaktoren und artgerechten Haltungsbe- dingungen orientiert sind. Es wird die in Deutschland be- reits angewendete, unabhängige ethische Bewertung europaweit eingeführt. Dies stellt grundsätzlich eine Ver- besserung des Tierschutzes in Europa dar. Es steht außer Frage, dass die Genehmigung und Durchführung von Tierversuchen nur nach strengen wissenschaftlichen und ethischen Regeln erfolgen darf. Insgesamt ist die neue Richtlinie geeignet, um deutlich höhere Tierschutzstan- dards als bisher in der gesamten EU umzusetzen. Im Sinne einer modernen Tierschutzpolitik ist insbe- sondere die Entwicklung von Ersatz- und Ergänzungs- methoden für Tierversuche geeignet, Tierversuche über- flüssig zu machen. Im Bereich des Testens von Kosmetikprodukten ist dies weitgehend gelungen. Wir wollen, dass kein Tier unnötig Tests oder Untersuchun- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2010 3305 (A) (C) (D)(B) gen ausgesetzt wird. Gleichwohl müssen wir feststellen, dass die Zahl der Tierversuche noch immer steigt, ob- wohl Alternativmethoden in bestimmten Bereichen Tier- versuche ersetzt haben. Im Jahr 2008 ist die Anzahl der für Tierversuche und weitere wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere um 3,2 Prozent gestiegen. Der Haupt- teil der Tiere wurde zur Erforschung von Erkrankungen des Menschen und der Tiere eingesetzt. Ein steigender Anteil wurde für gesetzlich vorgeschriebene Versuche bei der Herstellung oder Qualitätskontrolle von human- oder veterinärmedizinischen Produkten benötigt. Die FDP sieht in der Entwicklung von Alternativme- thoden eine wichtige Möglichkeit, Tierversuche zu ver- meiden, und begrüßt daher ausdrücklich die in der Richt- linie verankerte verstärkte Förderung der Entwicklung von Alternativ- und Ergänzungsmethoden. Deutschland nimmt bei der Erforschung von Alternativmethoden zum Tierversuch eine führende Rolle ein. Die Zentralstelle zur Erfassung und Bewertung von Ersatz- und Ergän- zungsmethoden zum Tierversuch, ZEBET, leistet her- vorragende Arbeit. Diese positive Arbeit der ZEBET muss weiter genutzt werden und sollte europaweit als Vorbild dienen. Eine vielversprechende Möglichkeit, die Anzahl von Versuchstieren stark zu reduzieren, bietet die Produktion von Impfstoffen mithilfe von gentechnisch veränderten Pflanzen. Viele Impfstoffe können bisher nur in lebenden Tieren oder durch das Bebrüten von Hühnereiern hergestellt werden. Die gegenwärtigen For- schungsarbeiten zur Produktion von Impfstoffen in transgenen Pflanzen sind sehr ermutigend. Beispielhaft sei die Entwicklung von transgenen Erbsen zur Herstel- lung eines Impfstoffes gegen eine hochansteckende und tödliche Kaninchenkrankheit genannt. Derzeit kann der Impfstoff nur in lebenden Kaninchen produziert werden. Die neue Methode ermöglicht es, dass kein Kaninchen mehr für die Produktion von Impfstoffen gegen diese Krankheit leiden muss. Es gibt Gebiete der medizinischen Forschung, in de- nen auf absehbare Zeit der Verzicht auf Tierversuche nicht möglich ist. Immer wenn Funktionen des gesamten Organismus erforscht werden sollen, ist das Ausweichen auf Ersatzmethoden zumeist nicht möglich. Vor der Durchführung klinischer Studien am Menschen im Rah- men der biomedizinischen Grundlagenforschung und der experimentellen Pharmakologie sind Tierversuche eben- falls erforderlich, für die es zurzeit noch keine alternati- ven Testverfahren gibt. Zur Erforschung von schwerwie- genden menschlichen Leiden wie Multiple Sklerose, Alzheimer, Parkinson oder von Tumorerkrankungen und zur Entwicklung von Arzneimitteln zur Bekämpfung dieser Krankheiten sind Experimente mit Versuchstieren häufig die einzige Möglichkeit, um das erforderliche Wissen zu gewinnen. Auch die Erforschung von chroni- schen Erkrankungen macht Tierversuche sowie die Eta- blierung geeigneter Tiermodelle erforderlich. Es ist im Interesse des Tierschutzes geboten, die Zahl der Tierversuche so gering wie möglich zu halten. Dies hat gleichzeitig auch wirtschaftliche Vorteile. Es sollte darauf geachtet werden, dass die Vorgaben der Richtlinie hinreichend bestimmt sind, sodass in der gesamten Euro- päischen Union einheitlich hohe Schutzstandards bei Tierversuchen gelten. In diesem Sinne unterstützt die FDP auch ausdrücklich die konsequente Anwendung des vorgeschlagenen sogenannten 3R-Prinzip, Replace- ment, Reduction and Refinement, das heißt die Vermei- dung, Verbesserung und Verminderung der Verwendung von Versuchstieren. Aus Sicht der FDP definiert die neue Tierversuchs- richtlinie die Rahmenbedingungen einer ethisch begrün- deten und wissenschaftlich orientierten Zulassung von Tierversuchen. Das neue Gesetz wird auf europäischer Ebene zu einer deutlichen Verbesserung des Tierschut- zes führen und dabei bereits bestehende höhere Einzel- standards nicht verwässern. Zudem soll die neue Rege- lung im Gegensatz zur alten Richtlinie einer regelmäßigen wissenschaftlichen Evaluierung unterlie- gen. Dadurch ist gewährleistet, dass neue wissenschaftli- che Erkenntnisse zeitnah für den Schutz der Tiere ge- nutzt werden. Alexander Süßmair (DIE LINKE): Die erste euro- päische Tierschutzrichtlinie sollte überarbeitet werden, und dies ist auch nötig; denn sie stammt aus dem Jahr 1986. Ein Entwurf dazu lag im November 2008 vor. Kommission, Rat und Europäisches Parlament haben diesen Entwurf allerdings in den letzten Monaten massiv verschlechtert. Es ist daher völlig richtig, zu fordern, den jetzt vorliegenden Entwurf erneut zu überarbeiten und all das wieder aufzunehmen, was den ursprünglichen Entwurf auszeichnete. Was nun vorliegt, das brauchen wir nicht, eine Richtlinie, die dem Tierschutz aus heuti- ger Sicht nicht genügt, die haben wir bereits. Sie ist fast 25 Jahre alt. Unverzichtbar im Sinne eines europäischen Tierschutzes, der diesen Namen verdient hat, und so stand es ursprünglich auch drin, ist die Beteiligung einer Ethik-Kommission an Projektbewilligungen von Tier- versuchen. Für die Linke muss der Verbrauch von Tieren für Tierversuche – und es handelt sich hier um das Ver- brauchen im wahrsten Sinne des Wortes – sowohl wis- senschaftlich gut begründet als auch auf das unbedingt nötige Maß reduziert werden. Generell sind Tierversuche nach ihrer ethischen Ver- tretbarkeit zu beurteilen. Dabei geht es nicht nur immer um die Beurteilung des Versuchs an sich. Auch die Hal- tung und notwendige Konditionierung von Versuchstie- ren muss in die Beurteilung nach ethischen Gesichts- punkten einbezogen werden. Unverzichtbar sind einheitliche Standards zu Qualifizierung des Personals, welches Tierversuche durchführen darf, und die Be- schleunigung von Verfahren zur Anerkennung von Al- ternativen zu Tierversuchen. Die Entwicklung von Alter- nativmethoden darf nicht behindert werden. Das und weitere Forderungen, die ich in der Kürze der Zeit leider nicht alle benennen kann, wären für uns effektive Maß- nahmen, um Tierschutz zu gewährleisten. Doch es geht ja um noch viel Grundsätzlicheres bei dem, was alles nicht geht an diesem Richtlinienentwurf: Die eklatante Verletzung des Subsidiaritätsprinzips, das in Art. 5 des EU-Vertrages festgelegt ist, kann von uns in keiner Weise mitgetragen werden. Auf diese Weise soll ein dauerhaft niedriges Tierschutzniveau zementiert 3306 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2010 (A) (C) (D)(B) werden, das in den einzelnen Mitgliedstaaten dann auch in Zukunft nicht mehr angehoben werden kann. Das ist undemokratischer Zentralismus zum Nachteil der Tiere. Ich wundere mich doch sehr, meine Damen und Her- ren von der CDU/CSU, dass die Initiative, das Subsidia- ritätsprinzip auszuhöhlen, ausgerechnet von Ihnen kommt. Die Gralshüter des Föderalismus und der christ- lichen Soziallehre sind offensichtlich auf den Hund ge- kommen. Aber vom Hund wollen Sie ja auch nichts wis- sen; denn Sie tragen damit die besseren Standards beim Tierschutz in Deutschland zu Grabe. Nach Art. 20 a des Grundgesetzes aber hat Tierschutz, hat die Bewahrung unserer natürlichen Lebensgrundlagen nichts Geringeres als Verfassungsrang. Das erfordert in Deutschland gege- benenfalls ein deutlich höheres Engagement als in ande- ren Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die dem Tierschutz diese hervorgehobene Stellung nicht einge- räumt haben. Doch nicht nur unser Grundgesetz, auch der Lissabon-Vertrag unterstreicht die Bedeutung des Tierschutzes in Europa. Vor diesem Hintergrund wirkt der jetzt vorliegende Entwurf umso unverständlicher. Haben Sie dem Lissabon-Vertrag zugestimmt? Hat dieses Hohe Haus den Tierschutz vor nunmehr kapp acht Jahren zum Staatsziel erhoben, um diesen Schritt nun per Gesetz auf EU-Ebene rückgängig zu machen? Einem solchen Verfassungsbruch werden wir nicht zustimmen. Daher wird meine Fraktion den Antrag der Grünen un- terstützen. Undine Kurth (Quedlinburg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): In der EU leiden jährlich rund zwölf Millio- nen Tiere in Tierversuchen, Tendenz steigend. Alleine in Deutschland wurden im Jahr 2008 2 692 890 Wirbeltiere zu Versuchszwecken verwendet. Um das Leiden der Tiere so weit wie möglich zu begrenzen, brauchen wir gute Regelungen, die dem ethischen Tierschutz Rech- nung tragen. Aber genau das leistet die nun vorliegende EU-Tierversuchsrichtlinie nicht. Der jetzt vorliegende Entwurf der EU-Tierversuchsrichtlinie, der im Dezem- ber 2009 von EU-Kommission, EU-Parlament und Mi- nisterrat abschließend verhandelt wurde, hat erhebliche Mängel. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit wurden wesentliche Punkte des ursprünglichen Richtlinienent- wurfs gestrichen. Wir hatten es begrüßt, dass die EU- Kommission im November 2008 einen Entwurf zu einer neuen Tierversuchsrichtlinie vorlegte, um endlich bes- sere Tierschutzstandards bei Tierversuchen zu schaffen und die stark veraltete Richtlinie von 1986 zu ersetzen. Doch was jetzt vom Kommissionsentwurf übrig geblie- ben ist, kann und sollte unsere Zustimmung nicht finden. Besonders gravierend ist, dass es den EU-Mitglied- staaten nach Inkrafttreten der Richtlinie verwehrt wer- den soll, über die Vorschriften der Richtlinie hinauszu- gehen und zukünftig höhere nationale Tierschutz- standards einzuführen. Dies besagt der neu in die Richt- linie eingefügte Art. 2 A. Diese Vorkehrung würde über bislang übliche und zur Sicherstellung der ordnungsge- mäßen Funktionsweise des Binnenmarktes nötige Min- destharmonisierungen deutlich hinausgehen. Weitere Vorkehrungen und Beschränkungen, die einen umfassen- den Schutz von Versuchstieren zum Ziel haben, könnten in Zukunft auf nationaler Ebene nicht mehr getroffen werden. Damit wären dem deutschen Parlament auf lange Zeit die Hände gebunden. Das ist inakzeptabel. Die Festlegung auf niedrigstem Niveau widerspricht nicht nur dem im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland festgelegten Staatsziel „Tierschutz“, son- dern auch in eklatanter Weise dem Subsidiaritätsprinzip. Leider wurde erst auf Druck von Bündnis 90/Die Grünen die EU-Tierversuchsrichtlinie im Bundestag diskutiert. Wir fordern die Bundesregierung in unserem Antrag „Europäische Tierversuchsrichtlinie muss ethischem Tierschutz Rechnung tragen“ auf, sich auf europäischer Ebene dafür einzusetzen, dass der Richtlinienentwurf überarbeitet wird – im Sinne eines umfassenderen Schut- zes der zu Versuchszwecken verwendeten Tiere als auch in Hinblick auf das Subsidiaritätsprinzip. Zumindest ei- nige wesentliche Punkte müssen wieder in die Richtlinie aufgenommen werden. Dazu zählt die Wiederaufnahme einer ethischen Bewertung von Tierversuchen im Ge- nehmigungsverfahren. Dies war eines der zentralen Ziele des Richtlinienentwurfs der EU-Kommission, wurde nun aber nahezu vollständig gestrichen. Doch die ethische Bewertung ist unverzichtbar, wenn man Tier- schutz wirklich ernst nimmt und grausame, unnötige Tierversuche vermeiden will. Wir fordern, dass Versuche unter Beteiligung einer Ethik-Kommission darauf zu prüfen sind, ob sie unerlässlich und angesichts der zu er- wartenden Schmerzen, Leiden oder Schäden der Ver- suchstiere im Hinblick auf den Versuchszweck ethisch vertretbar sind; der verpflichtende Einsatz von Alterna- tivmethoden zu Tierversuchen, sobald diese zuverlässig zur Verfügung stehen; eine Beschleunigung des Verfah- rens zur Anerkennung von Alternativmethoden unter Beibehaltung hoher Qualitäts- und Sicherheitsstandards bei vorgeschriebenen Versuchen, um den Verzicht auf Versuche an Tieren nicht unnötig zu behindern; ein aus- nahmsloses Verbot von Verfahren, die mit schweren, vo- raussichtlich länger anhaltenden Schmerzen, Leiden oder Ängsten der Tiere einhergehen; die Qualifizierung der Versuchsdurchführenden nach einheitlichen Maßstä- ben und dass von den Pflege- und Unterbringungsstan- dards in keinem Fall zulasten der Versuchstiere abgewi- chen werden darf. Außerdem darf es Deutschland auch nach Inkrafttre- ten der Richtlinie nicht verwehrt werden, bessere, über die Richtlinie hinausgehende höhere Tierschutzstan- dards einzuführen. Es ist absolut inakzeptabel, dass keine Verbesserungen des Tierschutzes auf nationalstaat- licher Ebene mehr möglich sein sollen. Eine Harmoni- sierung befürworten wir zwar, auch um den Tierschutz- standard in anderen EU-Ländern anzuheben. Ein Abweichungsrecht zum Besseren muss aber immer mög- lich sein. Der Bundestag darf einer solchen Selbstent- machtung nicht zustimmen. Durch die Richtlinie wird für lange Zeit festgelegt, unter welchen Voraussetzungen Tierversuche in Europa durchgeführt werden dürfen. Das Wohlergehen bzw. das Leid von Millionen von Tie- ren ist also von dieser Richtlinie abhängig. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. März 2010 3307 (A) (C) (D)(B) Doch die Bundesregierung und die sie tragenden Frak- tionen von CDU/CSU und FDP lässt das kalt. Sie zeigen keinerlei Engagement für den Tierschutz. Vielmehr hat sich die Bundesregierung bei den Verhandlungen sogar für Verschlechterungen eingesetzt und sich zum Beispiel für erleichterte Genehmigungen für Versuche an Men- schenaffen und gegen ein Verbot von Versuchen mit schweren, lang anhaltenden Schmerzen ausgesprochen. Es ist enttäuschend, dass die SPD selbst in der Oppo- sition nicht die Kraft findet, ihre Stimme für den Tier- schutz zu erheben. Wir Grünen werden uns trotz der heutigen Ablehnung unseres Antrages weiterhin dafür einsetzen, dass die Rechte und der Schutz der Tiere nicht auf der Strecke bleiben. 34. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 25. März 2010 Inhalt: Redetext Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4 Anlage 5 Anlage 6 Anlage 7 Anlage 8 Anlage 9 Anlage 10 Anlage 11 Anlage 12 Anlage 13
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Angela Merkel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)


    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die

    schlimmste Weltwirtschaftskrise seit den 30er-Jahren
    des letzten Jahrhunderts stellt die Europäische Union
    und ihre Mitgliedstaaten weiter vor außerordentliche He-
    rausforderungen. Hinzu kommen für uns alle die Aufga-
    ben, die durch die zunehmende Alterung unserer Bevöl-
    kerung, den drohenden Klimawandel und einen sich
    zulasten Europas verschärfenden internationalen Wett-
    bewerb entstehen. Es kann kein Zweifel bestehen: Eu-
    ropa und die 27 Mitgliedstaaten müssen ihre Anstren-
    gungen weiter verstärken, um diese außerordentlich
    großen Herausforderungen meistern zu können. Es be-
    steht aber auch kein Zweifel: Deutschland ist bereit
    dazu. Ich bin überzeugt: Deutschland ist in der Lage, sei-
    nen Beitrag für ein erfolgreiches Europa zu leisten.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


    Wir alle wissen: Kein Mitgliedstaat der Europäischen
    Union kann diese Aufgaben unserer Zeit im Alleingang
    bewältigen. Wir brauchen einander. Wer das nicht er-
    kennt, der hat die einzigartige Erfolgsgeschichte der eu-
    ropäischen Einigungsidee nicht verstanden. Gemeinsam
    sind wir stärker.

    Deshalb begrüße ich die Bemühungen der Europäi-
    schen Präsidentschaft und der Europäischen Kommis-
    sion für eine neue europäische Wachstumsstrategie, die
    sogenannte Strategie EU 2020. Auf Eckpunkte dieser
    EU-2020-Strategie wollen wir uns heute und morgen in
    Brüssel einigen. Eine solche Strategie ist von großer Be-
    deutung, weil im Binnenmarkt die europäischen Volks-
    wirtschaften in einer unauflöslichen gegenseitigen Ab-
    hängigkeitsbeziehung stehen. Wir erleben gerade in
    diesen Tagen schmerzlich, dass Fehler in der Wirt-
    schaftspolitik einzelner Staaten zu beträchtlichen ökono-
    mischen Verwerfungen insgesamt führen können. Um-
    gekehrt haben wir in der Geschichte der Europäischen
    Union auch immer wieder erlebt, dass Strukturreformen
    in einzelnen Mitgliedstaaten sich gegenseitig bereichern
    können. Damit wirkt die Zusammenarbeit der Mitglied-
    staaten zum Wohle aller in der ganzen Europäischen
    Union.

    Ich kenne die Einwände, die gegen die neue EU-
    2020-Strategie vorgebracht werden. Ich sage ausdrück-
    lich: Ich nehme diese Einwände ernst, und ich weiß auch
    um die Defizite, die schon die sogenannte Lissabon-
    Strategie hatte. Vorneweg war eines dieser Defizite die
    fehlende Prioritätensetzung und damit verbunden eine
    mangelnde politische Verbindlichkeit. Wir haben in der
    Lissabon-Strategie zum Schluss sage und schreibe
    25 quantitative Ziele gezählt. Hinzu kommt eine noch
    wesentlich größere Zahl an qualitativen Zielen. Am
    Ende sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr.
    Genau das wollen wir ändern.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


    Deutschland hat deshalb gefordert, für die neue EU-
    2020-Strategie den Zielkatalog deutlich zu reduzieren.
    Ich freue mich, dass Präsident Van Rompuy jetzt ein
    Konzept zur Reform der Lissabon-Strategie auf den
    Tisch gelegt hat, das genau diesen Gedanken aufgreift.

    Dennoch: Wir dürfen trotz aller Unzulänglichkeiten
    eines nicht vergessen: Viele der Reformen, die die Mit-
    gliedstaaten in den Jahren vor der weltweiten Finanz-
    und Wirtschaftskrise zur Stärkung ihrer Wettbewerbsfä-
    higkeit durchgeführt haben, waren auch das Ergebnis ei-
    nes Voneinander-Lernens, das Ergebnis genau dieser
    Lissabon-Strategie, die das Benchmarking eingeführt
    hatte und die uns immer wieder hat schauen lassen: Wie
    machen es andere?

    Mit der neuen EU-2020-Strategie gehen wir zweierlei
    an: Einerseits übernehmen wir die Stärken der Lissabon-
    Strategie, und wir versuchen gleichzeitig, ihre Defizite
    zu beseitigen:

    Erstens. Es werden nur noch einige wenige prioritäre
    Ziele gesetzt.

    Zweitens – das ist vielleicht noch wichtiger –: Diese
    wenigen EU-Ziele sollen mit der Verbesserung der inter-
    nationalen Wettbewerbsfähigkeit Europas und der För-
    derung eines nachhaltigen Wachstums in direktem Zu-
    sammenhang stehen. Die Ziele sind also ausgerichtet auf
    die Zielstellung der Strategie.

    Drittens. Für die Umsetzung dieser Ziele müssen die
    Staats- und Regierungschefs konkret die Verantwortung
    übernehmen.

    Meine Damen und Herren, mit der EU-2020-Strategie
    wollen und werden wir die Innovationsfähigkeit Euro-
    pas stärken. Man muss ganz nüchtern sagen: Der An-
    spruch der Lissabon-Strategie, dass wir der wettbe-
    werbsfähigste und innovativste Kontinent schon bis
    2010 sind, hat sich nicht erfüllt. Trotzdem bleibt das
    Thema Innovationsfähigkeit natürlich auf der Tagesord-
    nung.

    Deshalb unterstütze ich ausdrücklich den Vorschlag
    von Präsident Barroso, 3 Prozent des europäischen Brut-
    toinlandsprodukts für Forschung und Entwicklung aus-
    zugeben. In aller Bescheidenheit können wir hinzufü-
    gen: Deutschland ist wie schon in anderen Bereichen
    auch hier einer der Vorreiter in Europa. Wir werden auf
    der Bundesseite das 3-Prozent-Ziel sehr schnell erfüllen.
    Wir werden auch gesamtstaatlich daran arbeiten und ha-
    ben uns vorgenommen, bis 2015 die Ausgaben für Bil-
    dung und Forschung auf 10 Prozent des Bruttoinlands-
    produkts zu steigern.

    Es reicht nicht aus, wenn sich die Europäische Union
    das Ziel einer Beschäftigungsquote von 75 Prozent
    setzt, wie das jetzt geplant ist. Es müssen dazu natürlich





    Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel


    (A) (C)



    (D)(B)

    auch die richtigen Maßnahmen getroffen werden. Das
    heißt, das 75-Prozent-Ziel können wir teilen. Aber wir
    müssen das Erreichte – Deutschland hat dieses Ziel im
    Wesentlichen erreicht – auch festigen und zukunftsfest
    machen. Deshalb geht es neben Forschung und Entwick-
    lung auch darum, bestehende Beschäftigungshemm-
    nisse zu beseitigen, indem wir zum Beispiel die Auf-
    nahme einer regulären Arbeit für die Bezieher von
    Arbeitslosengeld II attraktiver ausgestalten wollen. Wir
    werden das innenpolitisch anpacken und auch damit ei-
    nen Beitrag zur Stärkung Europas leisten.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


    Damit verbunden ist aber natürlich auch, dass diese
    Zielsetzungen – das zeigt sich an einem weiteren Ziel –
    auf die innere und spezifische Situation der Mitglied-
    staaten ausgerichtet sein müssen. Jeder weiß: Gute Bil-
    dung für alle, das ist die Voraussetzung für eine hohe
    Rate qualifizierter Beschäftigung. Aber die Gegebenhei-
    ten in den einzelnen Mitgliedstaaten sind unterschied-
    lich. Ich kann und werde heute in Brüssel nicht einfach
    ein pauschales EU-Ziel zur Quote der Hochschulabsol-
    venten unterstützen; denn wir müssen zum Beispiel da-
    rauf achten, dass die deutschen Berufsbildungsab-
    schlüsse bestimmten Hochschulabschlüssen in anderen
    Mitgliedstaaten durchaus ebenbürtig sind. Das müssen
    wir miteinander vergleichen und dafür auch werben.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


    Deshalb teile ich an dieser Stelle ausdrücklich die Auf-
    fassung der Ministerpräsidenten der Länder: Hier gibt es
    noch Beratungsbedarf, und die Zeit dafür werden wir
    uns nehmen.

    Dennoch bin ich optimistisch, dass wir uns auf euro-
    päischer Ebene auf ein vernünftiges Verfahren für ein
    Bildungsziel verständigen können, und zwar unter einer
    Voraussetzung: Es muss die spezifischen Gegebenheiten
    der einzelnen Mitgliedstaaten berücksichtigen.

    Meine Damen und Herren, ich habe es schon oft ge-
    sagt und wiederhole es heute, weil man es nicht oft ge-
    nug wiederholen kann: Niemals darf die große Heraus-
    forderung der Bewältigung der weltweiten Finanz- und
    Wirtschaftskrise gleichsam als Ausrede dafür herhalten,
    andere große Herausforderungen in den Hintergrund tre-
    ten zu lassen. Das muss auch für den heutigen EU-Rat
    vermieden werden, weil etwa die Erfüllung der Klima-
    und Energieziele der Europäischen Union keinen Auf-
    schub duldet.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


    Der Strukturwandel in Richtung einer kohlenstoffar-
    men Wirtschaft muss konsequent vorangetrieben wer-
    den. Das hat dann natürlich auch einen ökonomischen
    Mehrwert; denn wenn wir in Europa diesen Struktur-
    wandel frühzeitig einleiten und umsetzen, wird dies zu
    erheblichen Wettbewerbsvorteilen für unsere Industrie
    im globalen Wettbewerb führen. Wir müssen also – das
    muss uns leiten – unsere Chancen erkennen, und darüber
    hinaus gilt: Wir müssen diese Chancen dann auch konse-
    quent gemeinsam nutzen. Deshalb unterstütze ich aus-
    drücklich den Vorschlag der EU-Kommission, die Erfül-
    lung der vom Europäischen Rat unter deutscher
    Präsidentschaft beschlossenen Energie- und Klimaziele
    auch im Rahmen der EU-2020-Strategie zu verankern
    und voranzubringen.

    Ich füge allerdings hinzu: Da die Wahrheit oft im
    Kleingedruckten steckt, wird Deutschland ein waches
    Auge auf die Diskussion haben, die in diesem Zusam-
    menhang in der Europäischen Kommission im An-
    schluss an den Europäischen Rat zum Thema Energie-
    effizienz geführt wird. Deutschland nimmt die
    Verantwortung, die sich durch eine Vorreiterrolle für den
    Klimaschutz in Europa ergibt, weiterhin konsequent
    wahr. Einen wichtigen Impuls für Fortschritte in den in-
    ternationalen Verhandlungen werden wir auch noch ein-
    mal mit der Ministerkonferenz des Bundesumweltminis-
    ters für den Klimaschutz vom 2. bis 4. Mai in Bonn
    setzen.

    Allerdings müssen wir auch darauf achten, dass sich
    die vereinbarten Maßnahmen in der Europäischen Union
    nicht gegenseitig widersprechen, sondern dass sie in sich
    konsistent sind. So kann man nach meiner Auffassung,
    wenn man sich zum Beispiel für den Zertifikatehandel
    entscheidet, nicht gleichzeitig Steuern und Ähnliches
    einführen. Das bringt kein konsistentes Bild in die ge-
    samte Debatte.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


    Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will Ihnen nicht
    verschweigen, dass es bei der Beratung der EU-2020-
    Strategie heute ein Thema geben wird, zu dem es von
    mir für ein quantitatives Ziel keine Unterstützung geben
    wird. Ich meine die Bekämpfung der Armut in
    Europa. Natürlich: Alle wollen Armut bekämpfen, nie-
    mand von uns findet sich mit ihr ab. Wir als Bundesre-
    gierung verfolgen das gemeinsam mit den die Regierung
    tragenden Fraktionen ganz konsequent. Außerdem gilt:
    Soweit die Armutsbekämpfung über mehr Wachstum er-
    reicht werden kann, gehört sie in die neue europäische
    Strategie 2020. Aber – darum geht es mir – Armutsbe-
    kämpfung ist viel mehr als wirtschaftliches Wachstum.
    Sie ist eine sozialpolitische Aufgabe. Diese ist – ich erin-
    nere an den Grundsatz der Subsidiarität – mit gutem
    Grund Angelegenheit der Mitgliedstaaten. Da sollten wir
    sie auch belassen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


    Das ist ein klassisches Beispiel dafür, dass wir nicht
    mehr alle Ziele aufnehmen können, die man für gut und
    richtig hält, sondern dass man genau schauen muss: Wo
    sind die Prioritäten? Wo muss man bestimmte Aufgaben
    an die Mitgliedstaaten verweisen?

    Die Ziele der neuen EU-2020-Strategie werden heute
    und morgen im Rat beraten. Nach den Vorschriften des
    Vertrages von Lissabon sind sie für die Mitgliedstaaten
    zwar rechtlich nicht bindend, dennoch – davon bin ich
    überzeugt – werden sie eine nicht zu unterschätzende
    politische Bindungswirkung entfalten. Denn in Zukunft
    kommt gerade dem Rat bei dem Beschluss solcher Ziele
    eine ungleich größere Verantwortung als früher zu, weil
    wir auch für die Einhaltung dieser Ziele geradestehen
    müssen. Deshalb ist es wichtig, dass wir, wenn die Kom-





    Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel


    (A) (C)



    (D)(B)

    mission regelmäßig überprüfen will, ob wir diese Ziele
    einhalten, auch zu Hause miteinander – das bedeutet die
    Diskussion im Deutschen Bundestag, das bedeutet auch
    die Diskussion mit dem Bundesrat – intensiver als früher
    diskutieren; denn nur wenn ein solches Ziel breit getra-
    gen wird von denen, die die parlamentarischen Entschei-
    dungen in Deutschland fällen, kann ich das Ziel für
    Deutschland umsetzen. Nur dann können wir auch ak-
    zeptieren, dass die Kommission auf diese Einhaltung
    pocht. Das heißt also, wir vereinbaren Ziele nur dann,
    wenn wir gemeinsam, mehrheitlich in diesem Hause zu
    der Überzeugung kommen, dass es die richtigen und
    wichtige Ziele sind.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


    In der Debatte um die Strategie EU 2020 wurde in
    den vergangenen Wochen immer wieder die Verknüp-
    fung des Stabilitätspaktes mit der neuen Wachstums-
    strategie gefordert. Ich habe mich immer wieder konse-
    quent, wie auch die ganze Bundesregierung dies getan
    hat, dagegen gewendet. Ich hielte es für falsch, wenn wir
    Wachstum gegen Stabilität ausspielen würden, wenn wir
    den Stabilitäts- und Wachstumspakt aufweichen würden.
    Ich hielte es sogar für verhängnisvoll.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


    Deshalb bin ich froh, dass das verhindert werden
    konnte. Wir können uns eine Verwässerung des Stabili-
    tätspaktes nicht leisten. Mit der Bundesregierung – ich
    glaube, dafür auch die Unterstützung des Parlaments zu
    haben – wird es sie nicht geben. Zur Rückkehr zu soli-
    den Staatsfinanzen gibt es nämlich keine vernünftige
    Alternative.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Sigmar Gabriel [SPD]: Fangen Sie in Deutschland schon mal an!)


    Hier darf nicht getrickst werden. Sie brauchen sich auch
    gar keine Sorgen machen, dass wir nicht anfangen. Al-
    lein das Grundgesetz zwingt uns dazu.


    (Sigmar Gabriel [SPD]: Weiß Herr Westerwelle das auch?)


    Das ist der richtige Ort, an dem die Schuldenbremse ver-
    ankert ist.

    Alle Mitgliedstaaten müssen diesen Weg gehen. Nur
    mit der Rückführung der Defizite in jedem einzelnen
    Mitgliedstaat kann Europa das Vertrauen in seine wirt-
    schaftliche Stärke, seine gemeinsame Währung und
    seine politische Handlungsfähigkeit sichern. Das ist un-
    verzichtbar für die Zukunft Europas.

    Aber wir spüren in diesen Wochen durchaus auch die
    Grenzen des Stabilitätspaktes. Er war und ist nicht da-
    rauf ausgerichtet, strukturelle Fehlentwicklungen und
    den damit verbundenen Aufbau von erheblichen Un-
    gleichgewichten in der EU zu erkennen.


    (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha!)


    Um es klipp und klar zu sagen: Auf ein bewusstes Unter-
    laufen seiner Kriterien, wie wir das im Falle Griechen-
    lands erleben mussten, war und ist dieser Pakt nicht ein-
    gestellt. Deshalb sage ich: Ein solches Unterlaufen muss
    für die Zukunft unterbunden werden. Wir dürfen nicht
    mit Europas Zukunft spielen.

    Ich werde das heute und morgen in Brüssel unmiss-
    verständlich deutlich machen. Deutschland ist sich hier
    seiner historischen Verantwortung bewusst. Die Wirt-
    schafts- und Währungsunion wurde seinerzeit maßgeb-
    lich von der deutschen Bundesregierung geprägt.
    Helmut Kohl und Theo Waigel haben für ein Regelwerk
    gekämpft, das die Stabilität des Euro dauerhaft garan-
    tiert. Das hat sich ausgezahlt: Der Euro ist heute stabiler,
    als die D-Mark es je war. Der Euro hat uns gerade bei
    der Bewältigung der internationalen Finanzkrise sehr ge-
    holfen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


    Als man die vertraglichen Grundlagen für die Einfüh-
    rung des Euro geschaffen hat, hat man sich eine außerge-
    wöhnliche Situation wie die schwerste Wirtschafts- und
    Finanzkrise seit den 30er-Jahren des letzten Jahrhunderts
    allerdings nicht vorgestellt. Ich füge hinzu: vielleicht hat
    man es sich auch nicht vorstellen können; denn wir alle
    sind mit Dingen konfrontiert worden, die außerhalb des-
    sen waren, was wir erwartet haben. Deshalb wurden in
    den europäischen Verträgen keine Vorkehrungen getrof-
    fen, um eine solche Situation beherrschen zu können.

    Würde ein Mitglied der Währungsunion in der gegen-
    wärtigen Situation zahlungsunfähig, bedeutete dies für
    uns alle in Europa gravierende Risiken, auch für
    Deutschland als größte Volkswirtschaft Europas. Wie
    unkontrollierbare Kettenreaktionen entstehen und die
    ganze Weltwirtschaft erschüttern können, haben wir im
    Herbst 2008, nach dem Zusammenbruch von Lehman
    Brothers, erlebt. Es ist also sowohl im europäischen als
    auch im wohlverstandenen deutschen Interesse, schwer-
    wiegende Störungen der Finanzstabilität in der Eurozone
    oder der globalen Finanzmärkte zu vermeiden.

    So weit wollen und dürfen wir es nicht kommen las-
    sen. Deshalb haben die Staats- und Regierungschefs
    beim letzten EU-Gipfel, am 11. Februar, klar vereinbart:
    Wenn es notwendig sein sollte, sind die Euromitglieds-
    länder bereit, entschlossen und koordiniert zu handeln,
    um die Finanzstabilität in der Eurozone insgesamt zu si-
    chern.


    (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nur über das Wie können sie sich nicht einigen!)


    Diese Vereinbarung – Sie erinnern sich – wurde ganz
    wesentlich in einer Kooperation zwischen Deutschland
    und Frankreich erreicht. Sie hat sich schon jetzt bewährt.
    Heute, sechs Wochen später, können wir eine erste Zwi-
    schenbilanz dieser Entscheidung ziehen. Wir stellen fest:
    Es ist noch kein Euro und kein Cent für die Unterstüt-
    zung Griechenlands ausgegeben worden. Bislang ist
    Griechenland nicht zahlungsunfähig geworden. Auch
    sind düstere Vorhersagen über die Entwicklung in ande-
    ren Mitgliedstaaten nicht Realität geworden. Stattdessen
    hat Griechenland ein ambitioniertes Sparprogramm be-





    Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel


    (A) (C)



    (D)(B)

    schlossen und erfolgreich eine Anleihe an den Märkten
    platziert.

    Ich glaube, sagen zu können, dass sich Europa am
    11. Februar in einer Stunde der größten ökonomischen
    und politischen Herausforderung als gleichermaßen ent-
    schieden, aber auch besonnen gezeigt hat; das hat seine
    Effekte gezeitigt. Ich wiederhole: Deutschland und
    Frankreich haben dabei sehr eng zusammengearbeitet.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


    Wir wissen: Jede weitere Entscheidung über die kurz-
    fristige Stabilisierung eines Mitgliedstaats der Europäi-
    schen Union muss im Einklang mit der langfristigen Sta-
    bilität der Wirtschafts- und Währungsunion getroffen
    werden. Ich bin mir als deutsche Bundeskanzlerin der
    außerordentlich großen Verantwortung in dieser Stunde
    bewusst. Denn das deutsche Volk hat im Vertrauen auf
    einen stabilen Euro seinerzeit die D-Mark aufgegeben.
    Dieses Vertrauen – das eint die ganze Bundesregierung –
    darf unter keinen Umständen enttäuscht werden.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


    Deshalb sage ich: Ein guter Europäer ist nicht unbe-
    dingt der, der schnell hilft. Ein guter Europäer ist der, der
    die europäischen Verträge und das jeweilige nationale
    Recht achtet und so hilft, dass die Stabilität der Euro-
    zone keinen Schaden nimmt.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


    Das war die Richtschnur des bisherigen Handelns des
    Bundesfinanzministers, von mir und der gesamten Bun-
    desregierung. Das ist die Richtschnur aller Entscheidun-
    gen heute und morgen auf dem Rat und auch in Zukunft.

    Heute und morgen geht es darum, die Entscheidungen
    des Rats vom 11. Februar zu spezifizieren, also darum,
    fortzuschreiben, wie wir im äußersten Notfall als Ultima
    Ratio – so haben wir es gesagt – agieren können, wenn
    die Stabilität gefährdet ist, wenn ein Eurostaat keinen
    Zugang zu den internationalen Finanzmärkten mehr hat,
    wenn dieser Zugang also erschöpft ist.

    Für einen solchen Notfall haben die Finanzminister
    Gemeinschaftshilfen ausgeschlossen und sich für bilate-
    rale Hilfen ausgesprochen.

    Die Bundesregierung wird sich beim Rat heute und
    morgen dafür einsetzen, dass im Notfall eine Kombina-
    tion von Hilfen des IWF und gemeinsamen bilateralen
    Hilfen in der Eurozone gewährt werden müsste. Aber
    dies ist – ich sage es noch einmal – die Ultima Ratio. Ich
    werde entschieden dafür eintreten, dass eine solche Ent-
    scheidung – IWF plus bilaterale Hilfen – gelingt. Dabei
    werden wir wieder sehr eng mit Frankreich zusammen-
    arbeiten. Ich wiederhole: Es geht nicht um konkrete Hil-
    fen, sondern um eine Spezifizierung und Fortschreibung
    der Entscheidung vom 11. Februar.

    Meine Damen und Herren, mit alldem dürfen wir un-
    sere Arbeiten keinesfalls beenden; das würde nicht aus-
    reichen. Denn eine Situation, wie wir sie nie vorausgese-
    hen haben, kann nicht einfach übergangen werden,
    sondern Europa muss daraus die richtigen Lehren für die
    Zukunft ziehen. Wir müssen Vorkehrungen treffen, da-
    mit sich eine solche Situation nicht wiederholen kann.
    Wir haben gesehen, dass das aktuelle Instrumentarium
    der Währungsunion unzureichend ist. Wolfgang
    Schäuble hat darauf hingewiesen und weiterführende
    Maßnahmen vorgeschlagen, die ich ausdrücklich unter-
    stütze. Wir beraten schon heute eine Verordnung, die
    Eurostat das Recht gibt, kritische Fragen direkt vor Ort
    zu prüfen.


    (Sigmar Gabriel [SPD]: Donnerwetter!)


    – Auch Sie waren daran beteiligt, als wir Eurostat das
    verboten haben.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Sigmar Gabriel [SPD]. Herr Steinbrück hat Ihnen doch gesagt, was Sie machen müssen!)


    Tricksereien muss ein Riegel vorgeschoben werden.
    Aber mehr Eingriffsbefugnisse für Eurostat allein wer-
    den nicht ausreichen. Wir müssen mit Blick auf die Zu-
    kunft folgende Fragen beantworten: Was passiert, wenn
    trotz aller Vorkehrungen ein Eurostaat zahlungsunfähig
    wird? Welche Möglichkeiten gibt es, dies in ein geordne-
    tes Verfahren zu bringen, ohne dass die Stabilität der
    Währungsunion erschüttert wird, sondern dass sie ge-
    schützt wird?

    Deshalb werde ich mich auch für erforderliche Ver-
    tragsänderungen einsetzen, damit Fehlentwicklungen
    durch geeignete Sanktionen früher und effektiver be-
    kämpft werden können. Hier steht insbesondere die
    Stärkung des Defizitverfahrens auf der Agenda. Das
    ist eine Aufgabe, die weit über den heute beginnenden
    EU-Rat hinausreicht. Sie will wohl überlegt sein. Aber
    auf Dauer werden wir einer solchen Antwort nicht aus-
    weichen können.

    Eines möchte ich an dieser Stelle noch erwähnen,
    wenn auch nur am Rande: Es ist geradezu absurd,
    Deutschland mit seiner wettbewerbsstarken Wirtschaft
    gleichsam zum Sündenbock für die Entwicklung zu ma-
    chen, die wir jetzt zu bewältigen haben.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Unsere Kritiker in Europa verkennen, dass unsere Ex-
    portgewinne zum Teil in die Defizitländer zurückflie-
    ßen und dass Deutschland auch das größte Importland
    Europas ist. Deutsche Unternehmen haben 500 Milliar-
    den Euro in der EU investiert und beschäftigen dort
    mehr als 2,7 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeit-
    nehmer. Damit leisten wir einen wichtigen Beitrag zur
    Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit Europas, auch auf
    den Weltmärkten. Darauf können wir zu Recht stolz
    sein.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Meine Damen und Herren, die Staats- und Regie-
    rungschefs werden auf ihrem heute beginnenden Gipfel
    ein neues und anspruchsvolles Kapitel der wirtschaftli-
    chen Zusammenarbeit Europas aufschlagen. Wir werden
    in Europa noch stärker zusammenrücken. Wir werden
    damit unsere Interessen in der Welt noch besser vertreten





    Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel


    (A) (C)



    (D)(B)

    können. Unsere politische Generation wird auch in unse-
    rer Zeit der großen Verantwortung gerecht, die uns die
    Gründer der wunderbaren Idee der Einigung Europas vor
    über 50 Jahren mit auf den Weg gegeben haben.

    Europa ist Friedensgemeinschaft, Europa ist Rechts-
    gemeinschaft, Europa ist Stabilitäts- und Wachstumsge-
    meinschaft, Europa ist unsere Zukunft. Diese Idee zu
    schützen und zu wahren, das war und das ist jede Mühe
    und Anstrengung wert. Dafür setzt sich die Bundesregie-
    rung und dafür setze ich mich in den nächsten beiden Ta-
    gen ganz persönlich ein.

    Herzlichen Dank.


    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)




Rede von Dr. Norbert Lammert
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zu-

nächst der Kollegin Dr. Angelica Schwall-Düren für die
SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Angelica Schwall-Düren


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)


    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe

    Kolleginnen und Kollegen! Ich bin sehr enttäuscht über
    Ihre Erklärung, Frau Bundeskanzlerin.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU/CSU: Oh! – Das ist aber schade! – Das war klar!)


    Sie haben angekündigt, dass beim heute beginnenden
    Europäischen Rat ein neues und anspruchsvolles Kapitel
    der wirtschaftlichen Zusammenarbeit in Europa aufge-
    schlagen werden soll. Frau Kanzlerin, ich vermisse den
    anspruchsvollen und leidenschaftlichen Beitrag der Bun-
    desregierung zu dieser Strategie, die uns in den nächsten
    zehn Jahren zu wirtschaftlichem, sozialem und ökologi-
    schem Erfolg führen soll.


    (Beifall bei der SPD)


    Stattdessen, Frau Bundeskanzlerin, erklären Sie uns,
    welche von der Kommission vorgeschlagenen Ziele Sie
    zwar gut finden, aber doch bitte nicht so genau festge-
    schrieben haben wollen. Man könnte die schwarz-gelbe
    Koalition sonst ja gegebenenfalls daran messen, ob sie
    tatsächlich Entscheidendes getan hat, um die Chancen-
    gleichheit in der Bildung herzustellen oder die Armut
    abzubauen. Wo, sehr verehrte Frau Bundeskanzlerin, ist
    denn der kräftige Pinselstrich dieser Regierung im Hin-
    blick auf die Strategie EU 2020, der unsere europäischen
    Gesellschaften wirklich mit Innovationen voranbringt?


    (Thomas Oppermann [SPD]: Davon haben wir nichts gespürt!)


    Sie sagen, Sie unterstützten die unter deutscher Präsi-
    dentschaft beschlossenen Energie- und Klimaziele der
    Union. Aber Misstrauen ist angesagt. Denn gleichzeitig
    haben Sie dem Rats- und dem Kommissionspräsidenten
    brieflich übermittelt, dass Sie auf dem März-Gipfel kei-
    nen quantifizierten Zielen zustimmen können, deren Er-
    füllung von der Kommission nicht belegt werden könne.


    (Joachim Poß [SPD]: Hört! Hört!)


    Hier schleicht sich die Klimakanzlerin davon.


    (Beifall bei der SPD)


    Genauso haben Sie im Haushalt nicht die Mittel zur Ver-
    fügung gestellt, die zur Erreichung des Klimaschutzes in
    den Entwicklungsländern notwendig sind.

    Frau Kanzlerin, das passt zu den verheerenden Signa-
    len, die Ihre Regierung in Deutschland selbst setzt: Die
    Förderung der erneuerbaren Energien wird von heute auf
    morgen reduziert, und die Investoren werden damit ver-
    unsichert. Die Markteinführungsprogramme für Effi-
    zienztechnologien und Wärmeerzeugung werden ge-
    kürzt und gesperrt. Die Wärmedämmung wird nur noch
    halbherzig unterstützt. Wegen der anstehenden Entschei-
    dung über die Laufzeitverlängerung von Atomkraftwer-
    ken sind die Kraftwerkserneuerungsprogramme auf Eis
    gelegt. So kann schon Deutschland seine Klimaziele
    nicht erreichen.


    (Beifall bei der SPD)


    Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, Sie sagen uns,
    Europa müsse noch stärker zusammenrücken. Wie soll
    das denn geschehen? Die Staats- und Regierungschefs
    – so darf ich Sie zitieren – müssten dafür geradestehen,
    die gemeinsam erarbeiteten Empfehlungen zu Hause
    umzusetzen. – Wenn Sie sich nicht für eine stärkere
    wirtschaftspolitische Koordinierung einsetzen, dann
    bleibt Ihr Verweis auf eine Wirtschaftsregierung nur ein
    leeres Zugeständnis an Staatspräsident Sarkozy und eine
    Mogelpackung.


    (Beifall bei der SPD)


    Der Europäische Rat bereitet auch den G-20-Gipfel in
    Toronto vor. Das wichtigste Thema wird die Reform des
    Finanzsektors sein. Eine international vereinbarte
    Steuer auf den Handel von Finanzprodukten würde zu
    einer Entschleunigung des Finanzroulettes beitragen.
    Leider ist nicht klar, ob die Bundesregierung eine solche
    Steuer weiterhin unterstützt.


    (Beifall bei der SPD)


    Heute wäre der richtige Zeitpunkt gewesen, den Deut-
    schen Bundestag darüber zu informieren.


    (Joachim Poß [SPD]: Sehr wahr! Nirgendwo aufgestellt, diese Regierung!)


    Wenn wir von Verantwortung sprechen, dann, Frau
    Bundeskanzlerin, muss ich Ihnen sagen: Sie sind Ihrer
    Verantwortung in den letzten Wochen nicht gerecht ge-
    worden.


    (Beifall bei der SPD)


    In diesen Wochen, in denen sich viele Menschen Sorgen
    um die Stabilität des Euro und um den Zusammenhalt
    der Währungsunion machen, betreiben Sie und Ihre Re-
    gierung eine unstete und unentschlossene Politik, eine
    Politik der Unentschiedenheit und des Attentismus. Sie
    sagen heute: Griechenland wird nicht geholfen. – Mor-





    Dr. Angelica Schwall-Düren


    (A) (C)



    (D)(B)

    gen verkündet der Finanzminister, er setze sich für einen
    EWF ein. Und vom Außenminister ist dröhnendes
    Schweigen zu vernehmen. Das ist eine unehrliche und
    opportunistische Verhaltensweise.


    (Beifall bei der SPD – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was für ein Außenminister?)


    Ja, Griechenland hat seine schwierige Lage überwie-
    gend selbst verursacht. Während der frühere griechische
    Ministerpräsident Karamanlis mit Goldman Sachs ge-
    zockt hat, erweist sich der heutige Ministerpräsident
    Papandreou aber als wahrer Patriot. Er – das sollten Sie
    zur Kenntnis nehmen – und die aktuelle Regierung ha-
    ben mit der Politik der Vorgängerregierung gebrochen.
    Die jetzige Regierung bettelt nicht um Hilfe. Papandreou
    hat seiner Bevölkerung ein strenges Spar- und Reform-
    paket verordnet, das seinesgleichen sucht. Er nimmt ein
    hohes persönliches, aber auch ökonomisches und sozia-
    les Risiko für sein Land auf sich.

    Heute ist übrigens griechischer Nationalfeiertag. Wir
    wünschen der griechischen Bevölkerung von hier aus
    Mut, Kraft und Erfolg bei den Reformbemühungen.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Der Ministerpräsident will, dass Griechenland die
    Krise aus eigener Kraft bewältigt. Aber Sie, Frau
    Merkel, fallen ihm in den Rücken.


    (Zuruf von der CDU/CSU: Was?)

    Jedes Mal, wenn Sie sich äußern und verkünden, nein,
    über Hilfsprogramme spreche man nicht, ja, Griechen-
    land müsse seine Probleme allein lösen, nein, es gebe
    keinen Anlass, über Hilfen zu spekulieren, heizen Sie die
    Spekulationen an.


    (Beifall bei der SPD)

    Jedes Mal, wenn Sie sprechen, fallen die Kurse für Grie-
    chenland, und der Spread steigt; das heißt, die Griechen
    müssen mehr als doppelt so hohe Zinsen wie Deutsch-
    land für Anleihen bezahlen.


    (Die Rednerin hält ein Schriftstück hoch)

    Ich darf Ihnen hier ein unverdächtiges Blatt zeigen.

    Diese Grafik bildet die Kursschwankungen ab. Die
    Financial Times Deutschland schreibt: Merkels riskantes
    Spiel mit den Märkten. Offensichtlich, Frau Bundes-
    kanzlerin, wollen Sie nach der Methode der Zeitung mit
    den vier großen Buchstaben das vermeintliche Bauchge-
    fühl potenzieller Wähler in NRW ansprechen.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Joachim Poß [SPD]: Sehr wahr! – Thomas Oppermann [SPD]: Durchsichtig!)


    In Wahrheit verunsichern Sie die Bevölkerung. Sie be-
    schädigen Ihren Finanzminister. Sie verprellen die euro-
    päischen Partner, indem Sie ihnen die kalte Schulter zei-
    gen. Mit Ihrem Verhalten kündigen Sie die europäische
    Solidarität auf.


    (Zuruf von der CDU/CSU: Absurd!)

    Sie brechen mit der Tradition der deutschen Europa-
    politik all Ihrer Vorgänger. Sie isolieren Deutschland in
    Europa.

    Dies alles, Frau Bundeskanzlerin, sind keineswegs
    moralisierende Vorhaltungen. Ökonomischer Sachver-
    stand müsste Ihnen klarmachen, dass Sie mit Ihrem Hin
    und Her die Spekulationsjongleure stärken. Der Devi-
    senmarkt interpretiert die von Ihnen genährten Spekula-
    tionen bereits als Schwäche des Euro. Wenn es so wei-
    tergeht, wird bald nicht nur Griechenland Hilfe
    benötigen.


    (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Auch die SPD!)


    Auch Portugal ist bereits im Visier der Spekulanten.

    Die Stabilität der Eurozone liegt im ureigenen deut-
    schen Interesse.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)


    Helmut Schmidt und Helmut Kohl wussten beide, dass
    das Wohlergehen der Europäischen Union auch Wohl-
    stand für Deutschland bedeutet. Deutschlands Interessen
    können nicht gegen die Interessen der EU gestellt wer-
    den. Die wiederholt vorgetragene Forderung der Bun-
    desregierung, ein Mitgliedsland gegebenenfalls aus der
    Eurozone auszuschließen, widerspricht dem EU-Vertrag.
    Die Diskussion über einen möglichen Rausschmiss muss
    so schnell wie möglich beendet werden, um Schlimme-
    res zu verhindern.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Dr. Gregor Gysi [DIE LINKE])


    Statt zu spalten, sollte die Bundesregierung konstruktive
    Vorschläge machen, wie weiteren Wirtschafts- und Fi-
    nanzkrisen in der EU vorgebeugt werden kann und wie
    solche Krisen gegebenenfalls gemanagt werden sollen.
    Das Ziel muss sein, Heterogenität zu verringern, Innova-
    tionen voranzubringen, die Produktivität nachhaltig zu
    steigern und die Kaufkraft zu stärken. Nur so können wir
    wirtschaftliche Ungleichgewichte verringern und ge-
    meinsam stark sein.

    Frau Bundeskanzlerin, wir sollten uns nicht vom Au-
    ßenminister von Luxemburg sagen lassen müssen, dass
    die EU eine Schicksalsgemeinschaft ist. Wer sollte dies
    besser wissen als wir Deutschen? Frau Merkel, greifen
    Sie die Initiative des Präsidenten des Europäischen Ra-
    tes, Van Rompuy, des spanischen Ministerpräsidenten
    Zapatero und des Vorsitzenden der Eurogruppe, Juncker,
    auf und werden Sie Ihrer Verantwortung in und für Eu-
    ropa und Deutschland gerecht.

    Danke schön.


    (Beifall bei der SPD)