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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 17/30 2705 B Dr. Frank-Walter Steinmeier (SPD) . . . . . . . . Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin . . . . . . . Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Birgit Homburger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Renate Künast (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Birgit Homburger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Volker Kauder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Barbara Hendricks (SPD) . . . . . . . . . . Bernd Scheelen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . (Drucksachen 17/605, 17/623) . . . . . . . . . Klaus Brandner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . Herbert Frankenhauser (CDU/CSU) . . . . . . . Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus Brandner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP) . . . . . . . . Dr. Rainer Stinner (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . 2705 D 2711 A 2720 A 2725 A 2730 B 2734 C 2734 D 2735 B 2736 B 2739 A 2749 C 2749 C 2754 B 2756 C 2758 B 2759 A 2759 B 2761 A 2761 C 2763 D Deutscher B Stenografisc 30. Sit Berlin, Mittwoch, d I n h a Tagesordnungspunkt I (Fortsetzung): a) Zweite Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes über die Feststellung des Bundes- haushaltsplans für das Haushaltsjahr 2010 (Haushaltsgesetz 2010) (Drucksachen 17/200, 17/201) . . . . . . . . . b) Beschlussempfehlung des Haushaltsaus- schusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Finanzplan des Bundes 2009 bis 2013 (Drucksachen 16/13601, 17/626) . . . . . . . 9 Einzelplan 04 Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt (Drucksachen 17/604, 17/623) . . . . . . . . . 2705 A 2705 B Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) (CDU/CSU) . . . Petra Merkel (Berlin) (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 2740 D 2743 B undestag her Bericht zung en 17. März 2010 l t : Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU) Dr. Lukrezia Jochimsen (DIE LINKE) . . . . . Reiner Deutschmann (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Siegmund Ehrmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Einzelplan 05 Auswärtiges Amt 2744 C 2745 C 2746 B 2747 C 2748 C 2749 B 2752 C Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP) . . . . . . . . . 2764 B 2764 C II Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 30. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. März 2010 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP) . . . . . . . . . . . Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Rolf Mützenich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Philipp Mißfelder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Andrej Konstantin Hunko (DIE LINKE) . . . . Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Herbert Frankenhauser (CDU/CSU) . . . . . Marina Schuster (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Roth (Heringen) (SPD) . . . . . . . . . . . Michael Stübgen (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Ute Granold (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . Rüdiger Kruse (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 11 Einzelplan 14 Bundesministerium der Verteidigung (Drucksachen 17/613, 17/623) . . . . . . . . . Bernhard Brinkmann (Hildesheim) (SPD) . . . Klaus-Peter Willsch (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Johannes Kahrs (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Johannes Kahrs (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus-Peter Willsch (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Inge Höger (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP) . . . . . . . . . . . Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Alexander Bonde (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Henning Otte (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Johannes Kahrs (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Henning Otte (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Rainer Arnold (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP) . . . . . . . . Henning Otte (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Michael Brand (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thomas Silberhorn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 2764 D 2765 C 2767 A 2767 C 2768 A 2769 C 2771 B 2772 D 2773 B 2774 C 2775 C 2777 A 2778 D 2780 B 2781 A 2781 B 2783 A 2784 B 2785 D 2786 C 2786 C 2788 C 2789 B 2791 D 2793 A 2794 D 2795 B 2795 B 2796 A 2796 D 2798 C 2800 C 2801 D Tagesordnungspunkt III: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Abschaffung des Finanzpla- nungsrates (Drucksache 17/983) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Fraktion DIE LINKE: Men- schenrechte in Kolumbien auf die Agenda setzen – Freihandelsabkommen EU-Ko- lumbien stoppen (Drucksache 17/1015) . . . . . . . . . . . . . . . c) Antrag der Fraktion DIE LINKE: Den Schie- nenverkehr als sichere Verkehrsform er- halten und stärken (Drucksache 17/1016) . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt IV: a) Erste Beschlussempfehlung des Wahlprü- fungsausschusses: zu Einsprüchen ge- gen die Gültigkeit der Wahl der Abge- ordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland am 7. Juni 2009 (Drucksache 17/1000) . . . . . . . . . . . . . . . b) – l) Beschlussempfehlungen des Petitionsaus- schusses: Sammelübersichten 50, 51, 52, 53, 54, 55, 56, 57, 58, 59 und 60 zu Peti- tionen (Drucksachen 17/909, 17/910, 17/911, 17/912, 17/913, 17/914, 17/915, 17/916, 17/917, 17/918, 17/919) . . . . . . . . . . . . . . 12 Einzelplan 23 Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Drucksachen 17/619, 17/623) . . . . . . . . . Dr. Bärbel Kofler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Harald Leibrecht (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Volkmar Klein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Niema Movassat (DIE LINKE) . . . . . . . . . Lothar Binding (Heidelberg) (SPD) . . . . . Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Christian Ruck (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Dr. Sascha Raabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Barbara Hendricks (SPD) . . . . . . . . . . . . Dr. Sascha Raabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dirk Niebel, Bundesminister BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2803 D 2803 D 2804 A 2804 A 2804 B 2805 B 2805 C 2807 B 2808 B 2809 D 2810 D 2811 B 2812 B 2814 B 2816 A 2818 A 2818 A 2818 B Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 30. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. März 2010 III Dr. Sascha Raabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Lothar Binding (Heidelberg) (SPD) . . . . . . Niema Movassat (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Holger Haibach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Dr. Sascha Raabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Holger Haibach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Lothar Binding (Heidelberg) (SPD) . . . . . . . . Dirk Niebel (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dirk Niebel, Bundesminister BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jürgen Klimke (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Sascha Raabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Volkmar Klein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Ute Koczy (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Link (Heilbronn) (FDP) . . . . . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 2819 B 2820 A 2820 C 2821 D 2823 B 2823 C 2823 D 2825 A 2826 A 2826 C 2827 C 2828 B 2828 D 2829 B 2829 D 2830 D 2831 A Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 30. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. März 2010 2705 (A) (C) (D)(B) 30. Sit Berlin, Mittwoch, d Beginn: 9
  • folderAnlagen
    Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 30. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. März 2010 2831 (A) (C) (D)(B) Anlage zum Stenografischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Barchmann, Heinz- Joachim SPD 17.03.2010 Bellmann, Veronika CDU/CSU 17.03.2010 Brinkhaus, Ralph CDU/CSU 17.03.2010 Burchardt, Ulla SPD 17.03.2010 Cramon-Taubadel, Viola von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 17.03.2010 Götz, Peter CDU/CSU 17.03.2010 Dr. Götzer, Wolfgang CDU/CSU 17.03.2010 Golze, Diana DIE LINKE 17.03.2010 Körper, Fritz Rudolf SPD 17.03.2010 Kramme, Anette SPD 17.03.2010 Möller, Kornelia DIE LINKE 17.03.2010 Pflug, Johannes SPD 17.03.2010 Roth (Esslingen), Karin SPD 17.03.2010 Schäfer (Bochum), Axel SPD 17.03.2010 Dr. Schäuble, Wolfgang CDU/CSU 17.03.2010 Scharfenberg, Elisabeth BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 17.03.2010 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Hempelmann, Rolf SPD 17.03.2010 Hoppe, Thilo BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 17.03.2010 Koch, Harald DIE LINKE 17.03.2010 Dr. Steffel, Frank CDU/CSU 17.03.2010 Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 17.03.2010 Werner, Katrin DIE LINKE 17.03.2010 30. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 17. März 2010 Inhalt: Redetext Anlage zum Stenografischen Bericht Anlage
Rede von Dr. Norbert Lammert
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

Die Sitzung ist eröffnet.

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Nehmen Sie bitte Platz.

Wir setzen die Haushaltsberatungen – Tagesord-
nungspunkt I – fort:

a) Zweite Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die
Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das
Haushaltsjahr 2010 (Haushaltsgesetz 2010)


– Drucksachen 17/200, 17/201 –

b) Beratung der Beschlussempfehlung des Haus-
haltsausschusses (8. Ausschuss) zu der Unterrich-
tung durch die Bundesregierung

Finanzplan des Bundes 2009 bis 2013

– Drucksachen 16/13601, 17/626 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Norbert Barthle
Carsten Schneider (Erfurt)

Otto Fricke
Roland Claus

Rede
Alexander Bonde

Ich rufe zunächst den Tagesordnungspunkt I.9 auf:

Einzelplan 04
Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt

– Drucksachen 17/604, 17/623 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Norbert Barthle
Rüdiger Kruse
Petra Merkel (Berlin)

Dr. h. c. Jürgen Koppelin
Dr. Gesine Lötzsch
Priska Hinz (Herborn)


Dazu liegen Ihnen die Beschlussempfe
Haushaltsausschusses auf den Drucksachen
17/623 vor.
zung

en 17. März 2010

.00 Uhr

Es gibt einen Änderungsantrag der Fraktion Die
Linke zu diesem Einzelplan, über den wir später nament-
lich abstimmen.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache dreieinhalb Stunden vorgesehen. Gibt es
dazu Einwände? – Das ist offenkundig nicht der Fall.
Dann ist das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zu-
nächst dem Kollegen Dr. Frank-Walter Steinmeier für
die SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Frank-Walter Steinmeier


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)


    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

    Herren! Frau Bundeskanzlerin, wir haben nicht nur Ver-
    ständnis für die Abwesenheit des Bundesfinanzminis-
    ters, sondern wir wünschen ihm auch raschen Fortschritt
    beim Heilungsprozess. Gute Besserung, Herr Schäuble,
    wünscht Ihnen die gesamte SPD-Fraktion!


    (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


    Haushaltsdebatten sind besondere Debatten, selten in

    text
    Moll geführt und nie nur Debatten über Zahlenkolonnen.
    Da steht die Regierung auf dem Prüfstand, und das tut
    not, weil – mit Blick auf das, was wir in den nächsten
    Jahren zu bestehen haben – die Herausforderungen in
    der Tat gewaltig sind. Die Zweifel der Menschen in
    Deutschland, dass wir das schaffen, wachsen doch täg-
    lich; das ist doch zu spüren. Wir stecken in der tiefsten
    Wirtschaftskrise seit 1949. Das Wirtschaftswachstum
    verlagert sich in andere Teile der Welt, nach Asien etwa,
    weit weg von Europa und von Deutschland. Das Ge-
    wicht Europas in der Welt wird kleiner, und hier wach-
    sen sogar die Gegensätze zwischen den Eurostaaten.
    Viele Menschen in Deutschland fragen sich mittlerweile,

    tand hier wohl erhalten bleibt. Das alles ist
    g. Aber noch schlimmer ist: Ausgerechnet

    litik vorangehen müsste, wo Politik Ver-
    en müsste, da hat Deutschland eine Regie-
    hlungen des
    17/604 und

    ob der Wohls
    schlimm genu
    jetzt, wo Po
    trauen schaff

    rung, die nicht regiert, die keine gemeinsame Idee und





    Dr. Frank-Walter Steinmeier


    (A) (C)



    (D)(B)

    keinen gemeinsamen Willen hat. Jeder kämpft gegen je-
    den in dieser Regierung. Sie streiten sich wie die Kessel-
    flicker. Es gibt keinen, der Ordnung schafft. So schlecht
    wurde Deutschland seit Jahrzehnten nicht regiert. Wir
    verlieren Tag für Tag an Boden.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Viele, die Sie gewählt haben, sind nicht nur enttäuscht
    – diese Briefe bekommen nicht nur wir von der SPD-
    Fraktion –, sondern auch entsetzt. Nach 140 Tagen Re-
    gierung haben Sie doch im Grunde genommen Ihren
    Vertrauensvorschuss schon verspielt. Das kleinkarierte
    Gezänk, das wir jeden Tag hören, geht den Menschen
    doch auf die Nerven. Die Menschen in Deutschland wis-
    sen schon jetzt, nach 140 Tagen, nicht, wovor sie eigent-
    lich Angst haben sollen: dass diese Regierung sich auf-
    löst oder dass sie im Amt bleibt. Das Schlimmste ist:
    Selbst das ist den Menschen schon egal.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Jetzt sehr ernsthaft: Glauben Sie nicht, dass Sie mit
    der SPD eine Oppositionsfraktion haben, die da scha-
    denfroh in der Ecke steht – nicht, wenn es um die Zu-
    kunft des größten Landes in Europa geht. Wir wissen,
    Deutschland regieren, das ist kein Spiel, der Kabinetts-
    saal ist kein Abenteuerspielplatz, eine Regierung ist
    keine Selbsterfahrungsgruppe. Spielen Sie nicht mit der
    Verantwortung, die Sie für dieses Land übernommen
    haben! Nehmen Sie diese Verantwortung endlich an!


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    So wie bisher, Frau Merkel, schafft diese Regierung
    kein Vertrauen, sie zerstört Vertrauen. So kann das
    nicht weitergehen. Wer soll denn in Deutschland an die
    Regierung glauben, wenn sie nach 140 Tagen ein so
    schwaches Bild abgibt? Wer soll denn glauben, dass
    diese Regierung in der Lage ist, die Macht von Banken
    und Börsen tatsächlich einzuschränken? Wer soll denn
    glauben, dass diese Regierung Wege aus der Krise be-
    schreibt? Wer soll denn glauben, dass diese Regierung
    Zukunft gestaltet angesichts des schwierigen Jahrzehnts,
    das auf uns zukommt?


    (Beifall bei der SPD)


    Meine Damen und Herren, Sie regieren noch kein hal-
    bes Jahr, und niemand glaubt Ihnen das, nicht einmal die
    eigene Wählerschaft. Das kann Sie doch nicht kaltlassen.
    Darüber kann man doch nicht mit Schulterzucken hin-
    weggehen. Das geht einfach nicht. So kann das nicht
    weitergehen!


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Volker Kauder [CDU/CSU]: Wir sind hier doch nicht im Boxklub!)


    – Seien Sie vorsichtig, es geht hier nicht nur um Regie-
    rung, sondern es ist ein bisschen mehr, was da bedroht
    ist. Da kommt ein bisschen mehr als nur Vertrauen in die
    Regierung ins Rutschen.

    Viele sagen doch: Die Orientierung fehlt, Werte sind
    verloren gegangen. Wenn da etwas dran ist, meine Da-
    men und Herren, dann sind diese Werte vermutlich nicht
    in der Wohnküche von Arbeitslosen verloren gegangen.
    Werte erodieren nicht von unten, sondern sie erodieren
    meistens von oben. Das war schon im späten Rom so,
    Herr Westerwelle. Dekadenz war leistungsloser Wohl-
    stand saturierter Oberschichten. So war das.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Nun weiß auch ich, nicht alles, was hinkt, ist ein Ver-
    gleich, Herr Westerwelle. Aber wenn ich schon Verglei-
    che anstelle, dann hätte ich an Ihrer Stelle in den Ver-
    gleich Gier, Unvernunft, Verantwortungslosigkeit und
    Leichtfertigkeit einiger internationaler Finanzmanager in
    den Topetagen einbezogen. Je skrupelloser, je erfolgrei-
    cher – das war doch die Maxime, die einige vorgelebt
    haben. Das zerstört Werte. Das zerstört Vertrauen. Wenn
    das Vertrauen in die Gültigkeit von Regeln, wenn das
    Vertrauen in die Gültigkeit von Standards verloren geht,
    wenn da einige glauben, sich über andere stellen zu kön-
    nen, dann sinkt eben auch das Vertrauen in Politik. Dann
    sinkt das Vertrauen in Demokratie. Das geht nicht nur
    die Regierung an. Darum kümmern auch wir uns, meine
    Damen und Herren.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Wir als SPD-Bundestagsfraktion haben jedenfalls un-
    sere Verantwortung angenommen mit einer kritischen
    und – das gebe ich zu –, wo nötig, auch scharfen Opposi-
    tionsarbeit. Wir haben die Verantwortung aus den elf
    Jahren, an denen wir an der Regierung in diesem Land
    beteiligt waren, nicht vergessen. Wir haben das gezeigt,
    etwa bei der Debatte und bei der Abstimmung über den
    Afghanistaneinsatz. Wir zeigen das bei den Gesprächen,
    die wir zurzeit über die Zukunft der Jobcenter führen.
    Wir haben Verantwortung gezeigt. Aber, Frau Merkel,
    ich frage Sie nach Ihrer Verantwortung. Sie sind verant-
    wortlich dafür, dass die Regierung ihre Aufgaben zum
    überwiegenden Teil nicht erfüllt. Es ist kaum zu ertra-
    gen, dass Sie den Eindruck erwecken, als hätten Sie da-
    mit nichts zu tun, als wäre Ihnen auch manches peinlich,
    was der eine oder andere Minister da öffentlich äußert.


    (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dafür muss man Verständnis haben!)


    Diese schwarz-gelbe Koalition, Frau Merkel, ist Ihre
    Koalition. Sie haben diese Koalition gewollt. Das war
    vor sechs Monaten Ihre Liebesheirat. Wir sagen Ihnen
    heute: Sie stehen vor den Trümmern einer zerrütteten
    Ehe. Das ist die ganze Wahrheit. Jeder sieht das.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)






    Dr. Frank-Walter Steinmeier


    (A) (C)



    (D)(B)

    Wenn ich mit dem einen oder anderen von Ihnen über
    die Flure gehe, dann sagt mir mancher: Herr Steinmeier,
    Sie hatten doch damals bei Rot-Grün 1998 auch
    schlechte Presse. – Ich erinnere mich sehr gut: Ja, auch
    wir hatten schlechte Presse. Aber ich würde nie sagen,
    dass schlechte oder gute Presse der Maßstab von Poli-
    tik sein darf. Rot-Grün wurde 1998 kritisiert, weil sie
    sich zu viel vorgenommen haben, zu schnell vorgenom-
    men haben, gleichzeitig gehandelt haben.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei der CDU/CSU und der FDP – Volker Kauder [CDU/CSU]: Sie sind ein Traumtänzer!)


    – Passen Sie auf! – Vieles haben Sie jetzt übernommen.

    Ich erinnere an den Streit um die Energiewende. Wo
    standen Sie bei der Einführung der Ökosteuer? Wo stan-
    den Sie beim Erneuerbare-Energien-Gesetz? Wo standen
    Sie beim Ausstieg aus der Atomenergie?


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Das alles fand im ersten Jahr statt, begleitet durch die
    Änderung des Staatsangehörigkeitsrechtes und durch
    Initiativen zur Veränderung im Verhältnis der Ge-
    schlechter.

    Dieses Problem haben Sie nicht: zu viel, zu schnell
    und gleichzeitig. Sie haben ein anderes Problem:


    (Bettina Hagedorn [SPD]: Ja!)


    Diese schwarz-gelbe Regierung hat kein einziges ge-
    meinsames Projekt, das überzeugt.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Die Union beschimpft die Liberalen als Traumtänzer.
    Die FDP erwidert der Union: Wenn ihr heimlich weiter
    Große Koalition macht, was wollt ihr dann mit uns? –
    Frau Merkel, was soll denn daraus werden? Wenn sogar
    die Beteiligten dieser Koalition die Koalition für einen
    Irrtum halten, dann ist das eben ein schrecklicher Irrtum
    für Deutschland.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Das für einen Irrtum zu halten, ist ein Irrtum, genau!)


    Jetzt diskutieren wir einen Haushalt mit über
    80 Milliarden Euro Neuverschuldung. Jeder dritte Euro
    dieses Haushaltes ist schuldenfinanziert. Das ist einsa-
    mer Rekord. Das ist natürlich auch eine Folge der Fi-
    nanzkrise. Das – jetzt hören Sie zu – legen wir nicht vor-
    dergründig Ihnen oder dem Finanzminister Herrn
    Schäuble zur Last. Aber die ganze Wahrheit ist doch:
    Die Steuerzahler werden jetzt für die Gier von Banken
    und Hedgefonds zur Kasse gebeten, jeder in Deutsch-
    land mit mindestens 2 500 Euro.


    (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Sie haben es doch eingeführt!)

    Das ist das himmelschreiend Ungerechte. Wenn Politik
    verlorenes Vertrauen wirklich wieder zurückholen will
    – das ist auch Ihre Aufgabe, meine Damen und Herren –,
    dann müssen Sie eben jetzt als Regierung handeln. Stop-
    pen Sie das Tun der Finanzjongleure, die sich ein ums
    andere Mal auf Kosten des Gemeinwohls bereichern!


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Sorgen Sie dafür, dass das internationale Börsenkasino
    nicht weitermacht wie bisher! Sorgen Sie dafür, dass die
    Banken das billige Geld aus den Rettungspaketen an un-
    sere Mittelständler geben und nicht schon wieder für
    Zockereien missbrauchen!


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Frau Merkel, Sie haben viel geredet, aber geändert hat
    sich nichts. Das ist das, was zu beklagen ist. In der Gro-
    ßen Koalition haben wir, haben Sozialdemokraten Sie
    bei der Regulierung der Finanzmärkte gedrängt. Die
    Union hat damals auf der Bremse gestanden, und mit der
    FDP steht jetzt die gesamte Regierungsbank auf der
    Bremse. Die Banken und die Finanzmarktlobby – wir
    hören das bis nach Berlin – atmen erleichtert auf in die-
    sen Tagen. Warum das so ist, haben wir in den letzten
    Monaten oft genug gesehen: Da entwirft Gordon Brown
    in Großbritannien den Vorschlag, die Hälfte der Banker-
    boni als Steuern abzukassieren, was Frau Merkel für
    eine „charmante Idee“ hält. Aber was passiert dann?


    (Caren Marks [SPD]: Nichts! Wie immer!)


    Nichts. Dann haben wir über die Börsen- und Finanz-
    marktabgabe diskutiert. Was passierte? Weit weggescho-
    ben in die Prüfungsschleifen der G-20-Welt, vertagt – so
    würde man sagen – ad calendas graecas. Aber ich gebe
    zu: Das geht in diesen Tagen schwer über die Lippen.

    Banken und Hedgefonds haben den griechischen
    Staat mit spekulativen Kreditausfallversicherungen fast
    in den Ruin getrieben. Das hat Griechenland und – wer
    weiß – am Ende vielleicht auch den Steuerzahler in Eu-
    ropa Hunderte von Millionen Euro gekostet. Was sagt
    diese Regierung? Was sagt die Bundeskanzlerin? Das
    muss man untersuchen. – Nein, Frau Merkel, Taten sind
    jetzt gefragt. Die Krise geht weiter, solange es keine
    Ordnung auf den internationalen Finanzmärkten gibt.
    Legen Sie deshalb die Hedgefonds an die Kette! Bringen
    Sie Ratingagenturen unter Aufsicht! Verbieten Sie Leer-
    verkäufe und den spekulativen Handel mit Kreditausfall-
    versicherungen! Das muss mindestens sein in dieser Si-
    tuation.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Der Steuerzahler jedenfalls – darüber müssen wir uns
    in diesem Haus einig sein – darf nicht weiter die Zeche
    für Zocker und Spekulanten zahlen. Dafür zu sorgen, ist
    jetzt Aufgabe dieser Regierung. Wenn Sie dafür keine
    Mehrheit in der Koalition haben: Ich bin mir sicher, in
    diesem Hause haben Sie sie, Frau Merkel.


    (Beifall bei der SPD)






    Dr. Frank-Walter Steinmeier


    (A) (C)



    (D)(B)

    Ich spreche über Vertrauen. Wer Vertrauen zurückho-
    len will, der muss mit Blick auf diesen Haushalt und mit
    Blick auf eine Rekordverschuldung von 80 Milliarden
    Euro beim Sparen bei sich selbst anfangen. Diese Regie-
    rung macht das Gegenteil. Herr Fricke, Sie haben ges-
    tern hier gesprochen. Ich habe in früheren Jahren viele
    Gespräche mit Herrn Koppelin, dem für mich damals zu-
    ständigen Haushälter, und mit Herrn Westerwelle ge-
    führt. Wie haben Sie sich über jede neue Stelle aufge-
    regt, als Sie noch in der Opposition waren. Wie oft
    haben Sie von diesem Pult aus mit Ihrem dickleibigen
    liberalen Sparbuch gewedelt. 400 Sparvorschläge ha-
    ben Sie uns von diesem Rednerpult aus angekündigt.
    Das war Ihr gutes Recht. Womit Sie nicht gerechnet ha-
    ben: Das weckt Erwartungen. Jetzt sind Sie an der Re-
    gierung und nichts davon ist verwirklicht.


    (Widerspruch bei der FDP – Jörg van Essen [FDP]: Stimmt gar nicht! Das ist doch Unsinn!)


    Stattdessen 985 neue Beamtenstellen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Norbert Barthle [CDU/ CSU]: Das ist falsch! Das stimmt nicht! Wir bauen Stellen ab! Sie sollten in den Haushalt hineinschauen! Lesen macht schlauer!)


    Sie suchen offenbar noch nach einer Überschrift für das
    schwarz-gelbe Projekt. Mir fällt nur eine Überschrift für
    dieses Projekt ein, eine Überschrift, die sich aufdrängt.
    Sie lautet „Mehr Bürokratie wagen“. Das ist Ihre Parole.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Der Finanzminister hat 417 neue Stellen. Herr
    Röttgen lässt für 2 Millionen Euro seine neue Chefetage
    planen, so habe ich gelesen. Gleichzeitig sperrt diese Re-
    gierung 900 Millionen Euro für die Qualifizierung von
    Arbeitslosen. Sie predigen öffentlich Wasser und trinken
    heimlich Wein. Sie aasen und denen, die Arbeit suchen,
    nehmen Sie das Geld weg. Das sind die Prioritäten die-
    ser Regierung.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Herr Westerwelle, ich habe Sie auf dem Parteitag der
    FDP in Siegen beobachtet. Ich habe auf der großen Lein-
    wand im Hintergrund den Slogan gesehen „Aufstieg
    durch Leistung“. Aufstieg durch Arbeit, Aufstieg durch
    Bildung und Aufstieg durch Leistung: Das sagen wir So-
    zialdemokraten nicht nur, dafür machen wir seit 150 Jah-
    ren Politik.


    (Beifall bei der SPD)


    Wir ziehen daraus möglicherweise sehr unterschiedliche
    Schlussfolgerungen. Wir sagen nämlich zusätzlich: Je-
    der, der jeden Tag zur Arbeit geht, muss von seinem
    Lohn verdammt noch mal auch leben und seine Familie
    ernähren können. Er muss herauskommen aus Armut
    und aus der Abhängigkeit vom Staat. Sie von der FDP
    und auch Teile der Union finden sich eben mit Billiglöh-
    nen ab. Der eine oder andere hält sie sogar für notwen-
    dig. Ich habe es im Koalitionsvertrag gelesen. Da sagen
    Sie: Sittenwidrige Löhne sind die Untergrenze. Sie wis-
    sen, was das im Klartext nach der geltenden Rechtspre-
    chung bedeutet. Das bedeutet 4 Euro die Stunde, und das
    bedeutet weiterhin, dass der Rest bis zur Grundsicherung
    vom Steuerzahler draufgelegt werden muss. Das ist Ihre
    Politik. Das bedeutet für die Menschen: den ganzen Tag
    arbeiten und am Ende doch keine Chance haben, aus der
    Abhängigkeit herauszukommen, also keine Unabhängig-
    keit vom staatlichen Tropf. Sie reden über den Preis der
    Arbeit, und wir reden über den Wert von Arbeit.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Wer den Wert von Arbeit nicht respektiert, wer ihn miss-
    achtet, der greift das Wertegerüst einer auf Arbeit ge-
    gründeten Gesellschaft an. Deshalb war das Wort von
    der römischen Dekadenz, das Sie, Herr Westerwelle, den
    Arbeitslosen hinterhergerufen haben, nicht nur zynisch,
    sondern auch leichtfertig und gefährlich. Und ich be-
    haupte, Sie wissen das.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Burkhardt Müller-Sönksen [FDP]: Ach! – Renate Künast [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Deshalb macht er es ja!)


    Wenn Ihnen an Aufstieg durch Arbeit oder Aufstieg
    durch Leistung wirklich etwas liegt, dann schaffen Sie
    die Voraussetzungen dafür, dass in diesem Lande endlich
    Mindestlöhne eingeführt werden und dass wir mehr Ar-
    beitsvermittler bei den Arbeitsagenturen bekommen.
    Schaffen Sie Perspektiven und Beschäftigungsmöglich-
    keiten für Langzeitarbeitslose, statt sie zu beschimpfen.
    Deutschland muss kein Land der Billiglöhne bleiben und
    werden. Dafür werden wir kämpfen, und zwar auch in
    der Kommission für Mindestlöhne.


    (Beifall bei der SPD – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das hätten Sie machen sollen, als Sie an der Regierung waren!)


    Wir alle wollen, dass Arbeit sich lohnt, dass Leistung
    sich lohnt, aber eben nicht nur für Hotelbesitzer und an-
    dere, sondern auch für diejenigen, die wirklich zu den
    Leistungsträgern in diesem Lande gehören, zum Beispiel
    für die Pflegekräfte, die schwer arbeiten müssen und oft
    sittenwidrig schlecht bezahlt werden. Sie haben mindes-
    tens den Mindestlohn verdient, diesen aber ganz be-
    stimmt. Da sind Union und FDP merkwürdig zurückhal-
    tend, da eiern sie herum. Sie haben diese Aufgabe an
    eine Kommission weitergegeben und schauen mit ver-
    schränkten Armen zu, wie die Sache zurzeit nicht voran-
    kommt.

    Frau Merkel, Frau von der Leyen, Frau Schröder, tun
    Sie das Nötige, damit sich Leistung für diejenigen wie-
    der lohnt, die die wirklichen Leistungsträger unseres
    Landes sind, die jeden Tag Alte und Kranke füttern, wa-
    schen und ihnen Zuwendung geben.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Sie sollten den Mut haben, zu sagen: Es geht nicht, diese
    Menschen mit einem Stundenlohn von 4 Euro abzuspei-





    Dr. Frank-Walter Steinmeier


    (A) (C)



    (D)(B)

    sen, und wenn die Kommission anders entscheiden wird,
    dann nehmen wir das nicht hin.

    Sie appellieren alle an das Gute im Menschen, an die
    menschliche Gesellschaft.


    (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das tut die FDP wirklich nicht!)


    Dagegen habe ich wirklich nichts; viele tun das zu
    Recht. Aber das Missverständnis in dieser Regierung ist:
    Sie haben nicht zu appellieren, Sie haben zu entscheiden.
    Das tun Sie seit Wochen nicht, auch hier nicht, und des-
    halb sind Sie die größte Nichtregierungsorganisation
    dieses Landes!


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Genauso halten Sie es in der Gesundheitspolitik. Je-
    der darf sich da im Augenblick einmal mit neuen Ideen
    ausprobieren, als hätten wir gerade in diesem Bereich
    nichts zu verlieren. Ich jedenfalls bin der Meinung, dass
    wir im europäischen Vergleich immer noch die beste me-
    dizinische Versorgung in diesem Land haben. Wir haben
    das Vertrauen der Menschen darauf, dass jeder Zugang
    zu dieser medizinischen Versorgung hat. Wir haben Ver-
    trauen darauf, dass in Deutschland die Kosten für eine
    hochklassige medizinische Versorgung fair verteilt wer-
    den. Das ist nicht wenig. Aber als wäre das nichts, darf
    jeder in der Regierung in diesem Bereich herumdilettie-
    ren. Mit solch einer Politik untergraben Sie das Ver-
    trauen der deutschen Bevölkerung.

    Wer in einer solchen Situation auf nichts anderes
    kommt, als vorzuschlagen, die Beiträge der Arbeitgeber
    einzufrieren, der weiß ganz genau, was er tut. Das heißt
    nämlich, dass alle Kostensteigerungen infolge des medi-
    zinischen Fortschritts, neuer Behandlungsmethoden und
    steigender Medikamentenpreise in Zukunft einseitig auf
    den Schultern der Versicherten ruhen. Das bricht mit
    dem Solidaritätsprinzip im Gesundheitswesen.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Jörg van Essen [FDP]: Nichts verstanden! – Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Quatsch!)


    – Sie wissen das. – Das bricht mit dem guten Prinzip
    „Menschen für Menschen“, das uns in 60 Jahren Nach-
    kriegszeit in der Gesundheitspolitik stark gemacht hat.
    Sie opfern das einem Wahlversprechen. So darf man in
    Deutschland nicht Politik machen, vor allem nicht in
    diesem sensibelsten Bereich der Gesellschaft.


    (Beifall bei der SPD)


    Ich bin nicht an der Regierung, ich darf appellieren,
    und ich appelliere an Sie: Behalten Sie erstens die Ar-
    beitgeber in der Verantwortung


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)


    und fahren Sie zweitens das Gesundheitssystem durch
    die Einführung der Kopfpauschale nicht gegen die
    Wand. Dieses System ist ungerecht, das wissen Sie, und
    der Sozialausgleich ist unfinanzierbar. Aber was noch
    viel schlimmer ist: Sie wollen bis zu 30 Millionen Men-
    schen in den Sozialausgleich schicken, 30 Millionen
    Krankenversicherte zu Bittstellern machen, mit umfang-
    reichen Fragenkatalogen, Formularen und – wer hätte es
    gedacht – mit noch mehr Bürokratie.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Ich verspreche Ihnen: Das wird Ihnen nicht gelingen.
    Der Protest ist gewaltig, und wir haben die Bürger auf
    unserer Seite. Wir werden das verhindern.


    (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Das ist eine falsche Behauptung!)


    Die Regierung hat nicht nur keine Antworten. Da, wo
    sie Antworten gibt, hat sie falsche Antworten. Sie ver-
    weigert sich den wirklich wichtigen Fragen. Die Men-
    schen stellen sich nicht die Frage: Kommen die mit-
    einander klar? Das interessiert die Menschen nicht. Die
    Menschen interessiert die Frage: Woher kommt in
    Deutschland der Wohlstand von morgen? Dazu habe ich
    von dieser Regierung noch kein vernünftiges Wort ge-
    hört, geschweige denn ein durchdachtes Konzept gese-
    hen. Das, was ich gesehen habe, ist ein Gesetz, das einen
    falschen Namen trägt. Mit dem Wachstumsbeschleuni-
    gungsgesetz wächst nichts, außer den Schulden. Sie hö-
    ren doch die Hilferufe der Bürgermeister und Oberbür-
    germeister. Sie haben das zur Kenntnis genommen und
    – wie ich den Zeitungen entnommen habe – mit Betrof-
    fenheit quittiert, mehr aber auch nicht. Zu den Einnah-
    meverlusten, die die Städte und Gemeinden haben – in
    diesem Jahr sind es bereits mehr als 10 Milliarden Euro –,
    legen Sie noch eins obendrauf. Sie helfen ihnen nicht. Im
    Gegenteil: Sie nehmen ihnen noch einmal etwas weg:
    1,6 Milliarden Euro allein durch das Wachstumsbe-
    schleunigungsgesetz und zusätzlich durch die veränderte
    steuerliche Berechnung bei Leasing und Funktions-
    verlagerung ins Ausland. Bei zukünftigen Einkommen-
    steuersenkungen können noch weitere Einnahmeverluste
    in Milliardenhöhe hinzukommen. Das geht so nicht! So
    können wir die Kommunen in Deutschland nicht alleine
    lassen. Mit uns geht das nicht.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Norbert Barthle [CDU/CSU]: Was ist mit dem Bürgerentlastungsgesetz?)


    Was ich nun sage, Frau Merkel, meine ich in der Tat
    sehr ernst:


    (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Jetzt wird es endlich spannend! – Hermann Gröhe [CDU/ CSU]: Sie meinen mal etwas ernst?!)


    Hören Sie genau zu. Wenn das so weitergeht – Sie ahnen
    das doch selbst auf der Seite der Opposition –,


    (Heiterkeit bei der CDU/CSU und der FDP – Zuruf: Opposition?)


    dann sind wir dabei, unsere Zukunft zu verlieren. Die In-
    vestitionen rutschen ab und der private Konsum stag-
    niert. Im letzten Aufschwung waren wir in Deutschland
    die Lokomotive in Europa. Wir haben den Zug in
    Europa gezogen, andere folgten dem. Jetzt fallen wir





    Dr. Frank-Walter Steinmeier


    (A) (C)



    (D)(B)

    aus. So sehr berechtigt es ist, dass wir sorgenvoll nach
    Griechenland blicken, so wissen wir auch, dass das, was
    sich in diesem Lande tut, für das Wachstum in Europa
    viel wichtiger ist als die Haushaltskrise und die Schwä-
    che Griechenlands.

    Wenn wir über unseren Tellerrand blicken, dann se-
    hen wir, dass sich Nordamerika erholt und Asien wächst.
    China ist Exportweltmeister. Deutschland und Europa
    fallen zurück. Wenn wir nicht aufpassen, wird uns der
    Boden unter den Füßen weggezogen, und dann haben
    unsere Kinder nicht dieselben Chancen wie wir. Das,
    meine Damen und Herren, Frau Merkel, ist das zentrale
    Problem. Kümmern Sie sich in dieser Regierung endlich
    darum! Legen Sie eine Innovationsstrategie vor, eine
    Strategie für die Leit- und Zukunftsbranchen dieses Lan-
    des, eine Strategie, wie Arbeit von morgen entsteht, eine
    Energiestrategie, mit der Sie sich nicht zum Handlanger
    der Atomwirtschaft in diesem Land machen,


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    eine Strategie, die den Ausbau der erneuerbaren Ener-
    gien beschleunigt statt zu gefährden. Das müssen die
    Prioritäten dieser Regierung sein.

    Ich füge hinzu: Rufen Sie bitte auch Ihren Wirtschafts-
    minister Herrn Brüderle zur Ordnung, der in Zeiten
    höchster Not – ich habe eben die Gründe beschrieben –
    mit einem Entflechtungsgesetz durchs Land zieht. Das
    ist gut und schön, aber was das Gesetz angeht, so verrät
    er keinem, auch nicht auf Nachfrage, was und vor allem
    wer gemeint ist. Herr Brüderle, wenn Sie die Post mei-
    nen, dann lassen Sie uns in diesem Haus doch über die
    Zukunft der Post streiten, aber laufen Sie nicht mit Über-
    schriften von Gesetzgebungsvorhaben durch die Ge-
    gend; denn keiner weiß, was die Anstrengung in diesem
    Bereich im Augenblick soll.


    (Beifall bei der SPD – Volker Kauder [CDU/ CSU]: Wir wollen die Sozis und die Linken entflechten!)


    – Herr Kauder, wissen Sie, wenn Sie das karikieren,
    dann frage ich mich: Warum treibt es Sie eigentlich nicht
    um – das werden Sie wie ich am Wochenende in den
    Zeitungen gelesen haben –, dass Vattenfall sein Energie-
    netz, sein Leitungsnetz verkaufen will? Warum treibt Sie
    das nicht um? Ich sage es Ihnen: Weil Sie nicht sehen,
    dass wir mit solchen Entscheidungen einzelner Unter-
    nehmen ein gutes Stück Zukunft in diesem Lande verlie-
    ren.


    (Beifall bei der SPD – Volker Kauder [CDU/ CSU]: Weil die EU es verlangt hat!)


    Ich habe mir in der Großen Koalition manchmal den
    Mund fusselig geredet – Sie wissen das, Sie können sich
    erinnern –, dass wir den Verkauf der Energienetze nicht
    einfach tatenlos hinnehmen dürfen,


    (Volker Kauder [CDU/CSU]: Sie haben doch zugestimmt in Europa als Außenminister! Also, so ein Unsinn!)

    dass wir sie in einer deutschen Netzgesellschaft unter
    Beteiligung des Bundes bündeln müssen.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Ich schaue auf Peer Steinbrück: Auch der Finanz-
    minister – das ist ja keine Selbstverständlichkeit – war
    damals dieser Meinung. Wir haben beide gesehen: Das
    ist nicht irgendetwas. Das sind die Lebensadern einer in-
    dustriell geprägten Volkswirtschaft, über die wir da re-
    den, und die dürfen wir nicht einfach irgendwelchen in-
    ternationalen Finanzmarktinvestoren überlassen.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Die Energiepolitiker unter Ihnen wissen das doch:
    Wenn die Integration der erneuerbaren Energien in das
    Leitungsnetz wirklich gelingen soll, dann brauchen wir
    dort Investitionen, und wir brauchen den Antrieb von In-
    genieuren, um den Übergang von den bestehenden Net-
    zen zu intelligenten Netzen, zu Smart Grids der nächsten
    Generation, wirklich zu schaffen. In der Großen Koali-
    tion war die Union dagegen. In dieser Koalition herrscht
    bei dem Thema „deutsche Netzgesellschaft“ gemein-
    schaftliches Desinteresse. Ich sage Ihnen: Auch Unter-
    lassen gestaltet Wirklichkeit neu. Sie werden das am
    Ende bitter bereuen. Eines wissen Sie doch ganz genau:
    Irgendwelche Finanzinvestoren aus dem Vereinigten Kö-
    nigreich, aus den USA oder aus Singapur werden sich
    nicht um die Zukunftsfähigkeit des deutschen Energie-
    netzes kümmern. Das glauben Sie doch selbst nicht. Sie
    tun nichts. Vom Schulterzucken müssten Sie inzwischen
    Muskelkater haben, Herr Brüderle.


    (Beifall bei der SPD)


    Das, was Deutschland jetzt braucht, ist eine kraftvolle
    Regierung, die dieses Land erneuert, deren wirtschafts-
    politische Fantasie zu mehr reicht als nur dazu, zu sagen:
    Steuersenkungen, Steuersenkungen, Steuersenkungen.
    Deutschland braucht eine Regierung, die Investitionen
    organisiert, die Zukunft baut, eine Regierung, die die
    ganze Gesellschaft im Blick hat und nicht nur die eigene
    Klientel. Davon ist diese schwarz-gelbe Regierung mei-
    lenweit entfernt. Das ist das Verhängnis dieser Zeit.


    (Beifall bei der SPD)


    Ich komme zum Schluss und sage: Frau Merkel, Herr
    Westerwelle, ich bin mir inzwischen ganz sicher, dass
    die Mehrheit der Menschen in Deutschland sagt: Diese
    Regierung hat Deutschland nicht gewollt. Und ich sage:
    Eine solche Regierung hat Deutschland auch nicht ver-
    dient.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Ich fordere Sie auf: Tun Sie endlich Ihre Pflicht! Brin-
    gen Sie Ordnung in den Laden! Nehmen Sie endlich Ihre
    Verantwortung wahr! Es ist jetzt wirklich Ihre Verant-
    wortung, Frau Merkel.

    Herzlichen Dank.





    Dr. Frank-Walter Steinmeier


    (A) (C)



    (D)(B)


    (Anhaltender Beifall bei der SPD – Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Seit fünf Jahren schon!)