Rede von
Dr.
Matthias
Zimmer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn
an mich dieser Tage fragt, was die Linken denn so tun,
o kann ich mit Bert Brecht nur antworten: Sie bereiten
it großer Mühe ihre nächsten Irrtümer vor.
er gesetzliche Mindestlohn, den Sie fordern, ist ein sol-
her Irrtum, und er wird nicht dadurch besser, dass Sie
it der SPD und den Grünen Bundesgenossen im Irrtum
efunden haben.
Worum geht es eigentlich bei der grundlegenden Fra-
estellung der heutigen Diskussion? Es geht um die
rage, ob Menschen in ihrer Möglichkeit der Lebensge-
taltung ausschließlich den Marktmechanismen von An-
ebot und Nachfrage unterworfen werden. Dazu hat der
ollege Peter Weiß für die Union schon gesagt: Nein,
as wollen wir nicht. Wenn wir den Anspruch ernst neh-
en, dass Wirtschaft die Kulturleistung zur Daseins-
orsorge des Menschen ist, dann ist der Mensch Herr
ollege Kober hat es erwähnt natürlich nicht Mittel
nd Objekt der Wirtschaft, sondern Wirtschaftssubjekt.
ie traditionelle Wirtschaftspolitik wusste ebenso wie
udwig Erhard sehr gut, dass die Wirtschaft keine auto-
ome Sphäre, sondern auf den Menschen bezogen ist.
Das gilt auch für den Bereich der Lohnfindung, die in
eutschland anders als in anderen Staaten traditio-
ell Sache der Tarifparteien ist. Insofern ist die Diskus-
ion, die wir heute führen, eher ein Anzeichen für die
chwäche der Tarifpartner, vor allen Dingen der
ewerkschaften, als ein Anzeichen für ihre Stärke. Die
indungswirkung der Gewerkschaften lässt nach. Des-
egen stellt sich die Frage nach einer neuen Ordnung,
ie Frage, wie bei abnehmender Bindungswirkung der
ewerkschaften Tariffindung und Lohnfindung vernünf-
g stattfinden sollen.
Wir haben nicht vor, die Gewerkschaften durch die
inführung eines gesetzlichen Mindestlohns weiter zu
chwächen. Wir wollen branchenbezogene Mindest-
hne. Bei branchenbezogenen Mindestlöhnen bleiben
ie Gewerkschaften bei der Lohnfindung im Boot.
Nicht zielführend ist der Antrag der Linken. Hier gibt es
inen Überbietungswettbewerb wie bei eBay: 7,50 Euro
Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 28. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. März 2010 2545
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Dr. Matthias Zimmer
Mindestlohn, 8,20 Euro Mindestlohn, 9,40 Euro Min-
destlohn, 10 Euro Mindestlohn. Das ist nicht hilfreich.
Aber setzen wir uns mit den Begründungen auseinan-
der, die Ihrem Antrag zugrunde liegen: Sie behaupten,
die Einführung eines Mindestlohns führt nicht zum
Abbau von Arbeitsplätzen. David Neumark und
William Wascher haben 2008 über 300 Studien aus
mehreren Ländern ausgewertet, in denen es um die
Frage Mindestlohn/Arbeitsplätze geht. Schwerpunkt ist
die Zeit seit den 90er-Jahren. Drei Ergebnisse ihrer Aus-
wertung erscheinen mir bemerkenswert das sage ich
auch vor dem Hintergrund, dass Anton Schaaf einen Er-
kenntnisgewinn angemahnt hat; ich hoffe, dass dieser
Erkenntnisgewinn damit erfolgt : Die erste Erkenntnis
aus der Auswertung der Studien ist: Mindestlöhne füh-
ren zu einer Abnahme der Arbeitsmöglichkeiten für
niedrigqualifizierte Arbeitnehmer.
Der zweite Punkt: Mindestlöhne sind für Familien,
die in Armut leben, eher schädlich.
Der dritte Punkt: Mindestlöhne haben negative Ef-
fekte auf die Bildungschancen junger Arbeitnehmer.
Neumark und Wascher resümieren: Die überwiegende
Zahl der Studien zeigt, dass die Einführung von Min-
destlöhnen negative Aspekte mit sich bringt.
Ich gebe zu, meine Damen und Herren: Das ist nicht im
Sinne Ihrer Ideologie gewichtet; aber man muss das Er-
gebnis dieser Studien einmal zur Kenntnis nehmen.
Sie bemühen internationale Vergleiche und haben
eben behauptet, der Mindestlohn liege in Europa im
Schnitt bei 8,40 Euro. Einen Mindestlohn von mehr als
8,40 Euro haben in Europa nur fünf Länder; in fünfzehn
Ländern liegt der Mindestlohn unter 8,40 Euro. Wie Sie
angesichts dessen auf 8,40 Euro kommen wollen, das
kann nur sozialistische Mathematik leisten.
Ja, ja, wir müssen gewichten.
Das ist sozialistische Mathematik. Vielen Dank, Herr
Ernst, dass Sie mich extra darauf aufmerksam gemacht
haben.
Sie führen einige internationale Vergleiche an. So
heißt es in Ihrem Antrag:
Auch Großbritannien ist ein Beispiel dafür, dass die
Einführung eines Mindestlohns nicht zu Arbeits-
platzverlusten führt.
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Warten Sie doch einmal ab mit Ihrer Schreierei, bis ich
it meinem Argument zu Ende bin! Dann können wir
ns unterhalten.
Sie behaupten, die Einführung des Mindestlohns habe
icht zu Arbeitsplatzverlusten geführt. Das sehen Neu-
ark und Wascher in einer 2007 veröffentlichten Studie
anz anders. Dort heißt es, der Hauptteil der Forschun-
en über Großbritannien habe nur kurzfristige Aspekte
ntersucht, längerfristige Aspekte seien noch nicht bear-
eitet. Neumark und Wascher glauben nicht, dass die
aten aus Großbritannien eindeutig in die eine oder in
ie andere Richtung zeigen,
nd sie glauben auch nicht, dass Großbritannien ein star-
es Argument dafür ist, zu behaupten, dass die Einfüh-
ng eines Mindestlohns die Nachfrage nach Arbeit
icht reduziert. Das muss man zur Kenntnis nehmen:
ie Wissenschaft unterstützt Ihr Argument nicht.
In Frankreich liegt der gesetzliche Mindestlohn bei
,82 Euro. Sie behaupten in der Begründung Ihres An-
ags, dass die Arbeitslosigkeit durch diesen Mindest-
hn nicht gestiegen sei. Was Sie dabei verschweigen:
er Staat subventioniert den Mindestlohn, um negative
eschäftigungspolitische Konsequenzen aufzufangen.
eispielsweise reduziert er Sozialversicherungsbeiträge
is zum 1,6-Fachen des Arbeitslohns, und es gibt eine
weijährige Befreiung, wenn man Arbeitslose einstellt.