Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 25. Sitzung. Berlin, Freitag, den 26. Februar 2010 2239
(A) )
(B) )
Senger-Schäfer, Kathrin DIE LINKE 26.02.2010
an Stabilität. Terroristen werden es dann schwerer ha-
auch wenn diese Entwicklungsoffensive für die Bundes-
republik eine Verdoppelung der jährlichen Mittel für den
zivilen Aufbau zur Folge hat. Denn erst wenn es den
Menschen in Afghanistan bessergeht, gewinnt das Land
Schuster, Marina FDP 26.02.2010
Dr. Schwanholz, Martin SPD 26.02.2010
Anlage 1
Liste der entschuldigt
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Abgeordnete(r)
entschuldigt bis
einschließlich
Aigner, Ilse CDU/CSU 26.02.2010
Barnett, Doris SPD 26.02.2010
Beckmeyer, Uwe SPD 26.02.2010
Brase, Willi SPD 26.02.2010
Brüderle, Rainer FDP 26.02.2010
Bülow, Marco SPD 26.02.2010
Deligöz, Ekin BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
26.02.2010
Deutschmann, Reiner FDP 26.02.2010
Ehrmann, Siegmund SPD 26.02.2010
Dr. Gauweiler, Peter CDU/CSU 26.02.2010
Göring-Eckardt, Katrin BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
26.02.2010
Groschek, Michael SPD 26.02.2010
Dr. Gysi, Gregor DIE LINKE 26.02.2010
Kampeter, Steffen CDU/CSU 26.02.2010
Leutheusser-
Schnarrenberger,
Sabine
FDP 26.02.2010
Mücke, Jan FDP 26.02.2010
Pau, Petra DIE LINKE 26.02.2010
Pflug, Johannes SPD 26.02.2010
Dr. Röttgen, Norbert CDU/CSU 26.02.2010
Dr. Schäuble, Wolfgang CDU/CSU 26.02.2010
Scharfenberg, Elisabeth BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
26.02.2010
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Anlagen zum Stenografischen Bericht
en Abgeordneten
nlage 2
Erklärung nach § 31 GO
zur namentlichen Abstimmung zu dem Antrag:
Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deut-
scher Streitkräfte an dem Einsatz der Interna-
tionalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Af-
ghanistan (International Security Assistance
Force, ISAF) unter Führung der NATO auf
Grundlage der Resolutionen 1386 (2001) und
folgender Resolutionen, zuletzt Resolution 1890
(2009) des Sicherheitsrates der Vereinten Natio-
nen (Tagesordnungspunkt 18)
Ralph Brinkhaus (CDU/CSU): Am 3. Dezember
009 habe ich der weiteren Beteiligung der Bundeswehr
n der International Security Assistance Force, ISAF, in
fghanistan nur zugestimmt, weil ein Rückzug ein Va-
uum hinterlassen hätte, das nicht zu verantworten gewe-
en wäre. Das trifft auch heute noch zu. In einer persön-
ichen Erklärung habe ich damals aber auch gefordert,
ass die Afghanistan-Strategie evaluiert, auf ihre Wirk-
amkeit überprüft und angepasst wird sowie klar defi-
ierte und messbare Fortschrittskriterien und Ziele entwi-
kelt werden, anhand derer eine stufenweise Übergabe
er Verantwortung an die Menschen in Afghanistan erfol-
en kann. Eine signifikante Stärkung der zivilen Kompo-
ente unseres Engagements hielt ich darüber hinaus für
nverzichtbar, um das Land zu stabilisieren.
Auf der Strategiekonferenz in London wurde zwi-
chenzeitlich der Einstieg in eine schrittweise Übergabe
er Verantwortung ab 2010 vereinbart. Ich finde es rich-
ig, dass zu diesem Zweck vor allem die Ausbildung der
fghanischen Sicherheitskräfte verstärkt werden soll,
bwohl dies die Entsendung zusätzlicher Soldaten der
undeswehr erforderlich macht. Denn so wird es uns
offentlich möglich sein, unsere militärische Präsenz
ittel- bis langfristig zu verringern. Ich halte es auch für
ichtig, dass Regierungsfähigkeit und Entwicklung nun-
ehr einen zentralen Bestandteil der Strategie bilden,
rittin, Jürgen BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
26.02.2010
r. Volk, Daniel FDP 26.02.2010
bgeordnete(r)
entschuldigt bis
einschließlich
2240 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 25. Sitzung. Berlin, Freitag, den 26. Februar 2010
(A) )
(B) )
ben, dort einen Rückzugsraum zu finden. Und ich be-
grüße, dass nunmehr messbare Ziele vereinbart worden
sind, die den Erfolg der Strategie und den Status unseres
Engagements in Afghanistan transparent und nachvoll-
ziehbar machen. Im Verlauf des weiteren Engagements
wird es von besonderer Bedeutung sein, den Schutz der
Zivilbevölkerung zu gewährleisten. Die jüngsten Ereig-
nisse im Süden Afghanistans, wo wieder zahlreiche Zi-
vilisten bei einem Luftangriff der ISAF getötet wurden,
zeigen, dass dies noch nicht in ausreichendem Maße
erfolgt. Ich erwarte, dass in diesem Punkt zeitnah Ver-
besserungen eintreten; denn ohne das Vertrauen der Be-
völkerung in die ISAF wird der Einsatz keine Erfolge
zeigen.
Vor dem Hintergrund der überarbeiteten Strategie
stimme ich der Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter
deutscher Streitkräfte an der ISAF heute zu. Ich stehe
dem deutschen Engagement in Afghanistan jedoch auch
weiterhin sehr kritisch gegenüber. Sollten sich trotz ge-
änderter Strategie keine Entschärfung der militärischen
Auseinandersetzungen, keine Fortschritte bei der politi-
schen Entwicklung und keine Verbesserungen der Si-
cherheitslage einstellen, muss meines Erachtens das ge-
samte Mandat grundsätzlich hinterfragt werden.
Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU): Ich
stimme dem Antrag nicht zu. Ich halte ihn verfassungs-
rechtlich für fragwürdig, ethisch und moralisch für nicht
gerechtfertigt und politisch für falsch. Meines Erachtens
berücksichtigt darüber hinaus der Einsatz Tausender
deutscher Soldaten am Hindukusch auch nicht hinrei-
chend die besondere historische Verantwortung Deutsch-
lands in der Welt. Diese Auffassung vertrete ich seit
knapp neun Jahren, seitdem die rot-grüne Bundesregie-
rung unter Kanzler Gerhard Schröder den Bundestag um
Zustimmung zum Auslandseinsatz der Bundeswehr auf-
forderte.
Meine ablehnende Haltung gegenüber dem Bundes-
wehreinsatz sehe ich durch die aktuelle Entwicklung der
letzten Jahre und Monate in Afghanistan bestätigt. Die
Sicherheitslage für unsere Soldaten und Zivilkräfte hat
sich weiter dramatisch verschlechtert. Mehr als 30 Bun-
deswehrangehörige bezahlten bereits ihren Einsatz mit
ihrem Leben; viele weitere wurden – teilweise schwer –
verletzt. Dieses traurige Schicksal teilen sie mit eben-
falls Betroffenen in den Armeen der verbündeten Staa-
ten. Demgegenüber fällt die Bilanz unserer militärischen
Mission mit über 5 Milliarden Euro Ausgaben problema-
tisch aus. Der jahrelange, mittlerweile über die Dauer
des Zweiten Weltkrieges hinausgehende Militäreinsatz
führte nicht zur gewünschten Stabilität des geschunde-
nen Landes. Fast täglich erreichen uns Nachrichten von
neuen Anschlägen oder Anschlagsversuchen gegen die
internationale Schutztruppe. Die radikalen Taliban befin-
den sich wieder im Vormarsch, sie gewinnen neuen Ein-
fluss in Pakistan und erkämpfen sich alte Gebiete.
Gleichzeitig schwinden die nötige Akzeptanz und der er-
forderliche Rückhalt der Regierung Karzai in der afghani-
schen Bevölkerung. Den vielfachen öffentlichen Ankün-
digungen und Beteuerungen zum Trotz ist die Regierung
nach wie vor nicht in der Lage, sich den drängenden
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ufgaben im Land, wie etwa der Korruptionsbekämp-
ung, entschieden zu stellen. Die Macht der sogenannten
rogenbarone hat sich in den vergangenen Jahren hinge-
en weiter stabilisiert. Die jährlichen Einnahmen der Ta-
iban belaufen sich nach UN-Angaben auf über 150 Mil-
ionen Dollar, vor zehn Jahren lagen sie noch zwischen
5 bis 100 Millionen Dollar. Allein in den NATO-Län-
ern sterben pro Jahr 10 000 Menschen an afghanischen
rogen; in Russland sind es 30 000.
Meiner Überzeugung nach trägt die deutsche Militär-
räsenz am Hindukusch auch nicht zu einer Verbesse-
ung der Sicherheitslage in Deutschland bei. Vielmehr
st das Gegenteil der Fall. Deutschland ist nicht trotz,
ondern gerade wegen seines militärischen Engagements
n Afghanistan Zielscheibe terroristischer Aktivitäten.
udem sollte in der Debatte nicht übersehen werden,
ass eine ganz überwiegende Mehrheit der Deutschen
em Einsatz in Afghanistan ablehnend gegenübersteht.
Auch der Beschluss der internationalen Staatengemein-
chaft vom 28. Januar 2010, mit „Übergabe in Verantwor-
ung“ einen Neunansatz für Afghanistan herbeizuführen,
ndert an meiner Ablehnung des Mandats nichts. Nach
ie vor mangelt es an erkennbaren politischen Perspekti-
en für das Land am Hindukusch und damit an einer über-
eugenden Rechtfertigung für den lebensgefährlichen
insatz der Soldaten.
Sofern der Antrag einen schrittweisen Abzug der in-
ernationalen Militärpräsenz in Aussicht stellt, begrüße
ch diesen Ansatz. Er ist ein notwendiger Schritt in Rich-
ung einer von mir seit Beginn des Einsatzes geforderten
usstiegsstrategie. Insbesondere angesichts der vorüber-
ehenden Erhöhung des Kontingents um bis zu 850 wei-
ere Soldaten kann ich dem Antrag allerdings auch unter
erücksichtigung dieser neuen Strategie und angekün-
igten Schwerpunktverschiebung des deutschen Engage-
ents in Afghanistan nicht zustimmen.
Ich kann es mit meinem christlichen Menschenbild,
einem Glauben und der Geschichtsverantwortung mei-
es Landes nicht vereinbaren, ein Mandat zu beschlie-
en, das über Leben und Tod entscheidet. Aus diesen
ründen lehne ich den Antrag ab.
Josip Juratovic (SPD): Es fällt niemandem im
eutschen Bundestag leicht, zwischen internationaler
erantwortung und der Sicherheit unserer Bürger in Uni-
orm zu wählen. Ich habe bisher immer für die Verlänge-
ung des ISAF-Mandats gestimmt, weil ich mir unserer
nternationalen Verantwortung bewusst bin und weiß,
ass ein sofortiger Rückzug zu einer humanitären Ka-
astrophe vor Ort für alle Seiten führen würde.
Bei der heutigen Abstimmung geht es aber nicht vor-
ergründig um eine Mandatsverlängerung, denn diese
urde bereits im Dezember 2009 beschlossen, sondern
s geht um eine Truppenaufstockung, also um zusätzli-
he Menschen, die der Gefahr ausgesetzt werden, das
eben zu verlieren.
Ich bin nicht grundsätzlich gegen eine Kontingent-
rhöhung, schon gar nicht, wenn es eine Chance auf Er-
olg gibt. Erfolg bedeutet für mich aber eine Strategie,
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 25. Sitzung. Berlin, Freitag, den 26. Februar 2010 2241
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nach der wir am Ende geordnete Verhältnisse hinterlas-
sen und keine unnötigen und sinnlosen Verluste hinneh-
men müssen.
Ich muss jedoch feststellen, dass die Soldaten keinen
Rückhalt von der schwarz-gelben Regierung erfahren.
Sie erhalten keinen klaren Auftrag, und sie haben einen
völlig unklaren rechtlichen Rückhalt. Sie bekommen als
Botschaft mit, dass sie noch bis 2015 irgendwie durch-
halten müssen und dann das Land den blumigen Verspre-
chen Karzais überlassen. Ich werde das Gefühl nicht los,
dass die Bundesregierung hier wie bei anderen Themen
auch versucht, sich irgendwie durchzumogeln. Hinzu
kommen Showeffekte sowohl des Verteidigungsminis-
ters als auch des Außenministers, beispielsweise bei der
Kunduz-Affäre. Die schwarz-gelbe Bundesregierung
handelt verantwortungslos, indem sie die Sicherheit un-
serer Bürger in Uniform gefährdet. Das kann ich nicht
unterstützen.
Deswegen lehne ich den Antrag der Bundesregierung
zur Fortsetzung des ISAF-Mandats ab.
Manfred Kolbe (CDU/CSU): Dem heutigen Antrag
und insbesondere der Erhöhung der militärischen Kräfte
kann ich aus den folgenden Gründen nicht zustimmen:
Erstens. Der Afghanistan-Krieg ist nicht zu gewinnen.
Alle bisherigen ausländischen Militärinterventionen sind
am Hindukusch gescheitert, angefangen bei Alexander
dem Großen, über das Britische Empire bis zur Sowjet-
union. Auch für den Westen verschlechtert sich die Lage
von Jahr zu Jahr, und eine Truppenaufstockung 2010 bei
gleichzeitig angekündigtem Rückzugsbeginn ab 2011 er-
gibt wenig Sinn.
Zweitens. Der Afghanistan-Krieg hat seine Legitima-
tion verloren. Die war nach den Terroranschlägen vom
11. September 2001 auf New York sicherlich gegeben,
aber seit 2002 operiert al-Qaida kaum noch von Afgha-
nistan aus. Um zu verhindern, dass Afghanistan wieder
Ausgangsbasis von Terroristen wird, ist ein Krieg dieses
Umfangs nicht erforderlich; abgesehen davon, dass der
Westen konsequenterweise dann auch gegen andere
Ausgangsbasen vorgehen müsste. Das weitere Ziel, in
Afghanistan einen demokratischen Rechtsstaat aufzu-
bauen, wurde mittlerweile aufgegeben und war ohnehin
bereits durch die Zustände in Afghanistan – Wahlfäl-
schungen usw. – ad absurdum geführt. So bedauerlich es
sein mag, aber wir werden uns als rückschrittlich er-
scheinende, jahrhundertealte Traditionen eines völlig an-
deren Kulturkreises nicht durch Bomben verändern.
Drittens. Der Afghanistan-Krieg zerstört die Glaub-
würdigkeit der Werte des Westens. Seit 2001 wurden in
Afghanistan die vielfache Anzahl unschuldiger Zivilis-
ten getötet wie bei den New Yorker Terroranschlägen.
Die Verhältnismäßigkeit ist völlig verloren gegangen. Ir-
gendwelche Angaben zur Anzahl der getöteten Zivilisten
werden von der Bundesregierung nicht gegeben. Auch
über 100 Menschen – seien es auch Taliban gewesen –
ohne direkte Feindberührung zu „vernichten“, ist meines
Erachtens nicht vom Mandat gedeckt gewesen. Wer Wo-
che für Woche vor den Augen der gesamten Weltöffent-
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ichkeit die Tötung von Zivilisten als Kollateralschaden
illigend in Kauf nimmt, züchtet als Reaktion ständig
eue Terroristen. Den in Afghanistan kämpfenden Sol-
aten können hier keine Vorwürfe gemacht werden, viel-
ehr verdient ihr Einsatz Anerkennung. Sehr wohl hat
ber der Deutsche Bundestag diese Gesichtspunkte bei
er heutigen Entscheidung zu berücksichtigen.
Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP): Der Fortsetzung
es Einsatzes der Bundeswehr in Afghanistan werde ich
icht zustimmen.
Die Bemühungen der neuen Bundesregierung, end-
ich Perspektiven für einen Abzug der Bundeswehr zu
chaffen, erkenne ich durchaus an. Ich kann hier positive
nsätze erkennen, und ich begrüße die Fortschritte, die
n Afghanistan insbesondere beim Aufbau der Zivilge-
ellschaft gemacht werden.
Nach wie vor bleibt aber meine Kritik bestehen, dass
en Angehörigen der Bundeswehr die notwendige politi-
che wie auch materielle Unterstützung versagt wird.
eit Jahren wird die Bundeswehr mit diesem Einsatz
berfordert. Die Soldaten wurden zu keinem Zeitpunkt
ür einen solchen Einsatz ausgebildet und ausgerüstet.
ir haben in Afghanistan Aufgaben übernommen, die
ir nicht erfüllen können. Die dringend notwendige Be-
reuung der aus Afghanistan zurückkehrenden Soldaten
nd insbesondere auch ihrer Familien muss verbessert
erden. Dies sind wir den Soldaten schuldig.
Zwar räume ich ein, dass ein sofortiger Abzug der
undeswehr aus Afghanistan nicht möglich ist. Einer
erlängerung werde ich aus den genannten Gründen
ennoch nicht zustimmen.
Agnes Krumwiede (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
ehr als acht Jahre nach dem Sturz der Taliban wird die
age in Afghanistan immer dramatischer. Die Taliban
ind in vielen Regionen auf dem Vormarsch, die Regie-
ung Karzai gilt Vielen als korrupt und hat durch die
assiven Wahlmanipulationen weiter an Vertrauen ein-
ebüßt. Militäreinsätze der westlichen Truppen haben
en Rückhalt für ISAF in Teilen der afghanischen Be-
ölkerung erschüttert. In keinem Jahr dieses Krieges
urden bisher so viele Menschen getötet oder verletzt
ie 2009. Gleichzeitig sind Erfolge im Bereich des bis-
erigen zivilen Aufbaus unverkennbar.
Der von der US-Administration Obama vorgenom-
ene Kurswechsel in der Afghanistan-Strategie der
SA war vor diesem Hintergrund ein wichtiger Schritt.
m 28. Januar 2010 fand unter Federführung der afgha-
ischen Regierung eine eintägige internationale Konfe-
enz in London statt, die im Wesentlichen den von der
S-Administration eingeleiteten Strategiewechsel sowie
ine neue Prioritätensetzung der afghanischen Regierung
achvollzogen hat. Die Bundesregierung legt dem Bun-
estag nun ein an die neue Afghanistan-Strategie ange-
asstes Mandat vor. Aufgabe des Bundeswehreinsatzes
leibt weiterhin, die Regierung Afghanistans bei der
ufrechterhaltung der Sicherheit und insbesondere bei
ufbau und Ausbildung afghanischer Sicherheitskräfte
u unterstützen.
2242 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 25. Sitzung. Berlin, Freitag, den 26. Februar 2010
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Im abzustimmenden Mandat sind einige von Bünd-
nis 90/Die Grünen seit Jahren geforderte Punkte enthal-
ten, darunter die erhebliche Aufstockung der Mittel im
Bereich des zivilen Aufbaus – von vorher 220 Millionen
Euro auf nunmehr 430 Millionen Euro pro Jahr – sowie
die Erhöhung der Polizeikräfte im Bereich der Polizei-
ausbildung in Afghanistan. Auch die angekündigte ver-
änderte Schwerpunktsetzung hin zu verstärkten Ausbil-
dungsanstrengungen im Sicherheitsbereich durch die
Bundeswehr sowie die Einführung eines Reintegrations-
programms sind zu begrüßen.
Allerdings sehe ich viele unklare Punkte und Wider-
sprüche in dem Mandat, die mich an dem tatsächlichen
Charakter des künftigen Bundeswehreinsatzes zweifeln
lassen:
Im Mittelpunkt des neuen Mandats steht die Erhö-
hung der deutschen Truppenstärke um fast 20 Prozent.
Die Kontingentaufstockung begründet die Bundesregie-
rung unter anderem mit dem Ziel, statt bisher 280 circa
1 400 Soldatinnen und Soldaten für die Ausbildung der
afghanischen Armee einzusetzen. Allerdings begrün-
dete die Bundesregierung bereits 2008 die Erhöhung der
Mandatsobergrenze mit der Ausbildungsunterstützung
für die afghanische Armee, was im Rückblick zu keiner
entsprechenden Verstärkung in diesem Bereich geführt
hat. Es ist zu befürchten, dass so auch in diesem Fall ver-
fahren wird. Gerade auch vor dem Hintergrund der un-
beantworteten Frage, warum die verstärkte Ausbildung
der afghanischen Armee nicht durch ein größeres Um-
schichten innerhalb des bestehenden Mandats realisiert
wird – beispielsweise durch einen Verzicht auf die über-
flüssigen und kostspieligen RECCE-Tornados –, lehne
ich eine Aufstockung der Truppen ab.
Die zusätzliche Aufstockung definiert die Bundesre-
gierung als Teil einer Schwerpunktverlagerung weg von
einem „offensiven“ hin zu einem „defensiven“ Vorgehen
innerhalb des Engagements der Bundeswehr in Afghanis-
tan. Die vorliegende Formulierung, „alle erforderlichen
Maßnahmen einschließlich der Anwendung militärischer
Gewalt zu ergreifen“, lässt mir zu viel Interpretations-
spielraum, zumal mit dem Einsatz von 5 000 zusätzlichen
US-Soldaten im Norden die Strategie des Counter Insur-
gery einschließlich gezielter Tötung dominieren wird.
Eine Intensivierung der offensiven Aufstandsbekämp-
fung ist zu befürchten, und die Aussagen der Bundesre-
gierung, die Bundeswehr verfolge in Zukunft einen de-
fensiveren Ansatz, sind massiv zu bezweifeln.
Spätestens seit der Bombardierung der Tanklastzüge
vom 4. September 2009 nahe Kunduz ist klar, dass das
ISAF-Mandat in der Realität nicht mehr eindeutig defen-
siv umgesetzt wird. Eine gezielte Tötung von Menschen,
selbst wenn es sich dabei um Taliban handeln sollte,
sieht das ISAF-Mandat jedoch nicht vor. Die Verschleie-
rungstaktiken der Regierung um die Bombardierung der
Tanklastzüge sowie das Ausbleiben einer Zusicherung
vonseiten der Regierung, dass derartige Einsätze in Zu-
kunft definitiv ausgeschlossen werden können, stärken
weder mein Vertrauen in die Regierung noch ermögli-
chen diese Einwände mir eine Zustimmung zum Antrag
der Regierung.
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Angesichts der zu befürchtenden eskalierend vorange-
riebenen Offensivstrategie ist zudem fraglich, wie das
orhaben der Regierung, „Aufständischen die Rückkehr
n die afghanische Gesellschaft zu ermöglichen“, gelin-
en soll. Nötig sind vielmehr ernsthafte Verhandlungen
m Sinne der „Regionalstrategie“ der USA mit allen um-
iegenden Ländern und explizit auch mit den Aufständi-
chen. Letzteres geht nicht eindeutig aus dem Antrag der
egierung hervor. Die Formulierung, „Aufständischen
ie Rückkehr in die afghanische Gesellschaft zu ermögli-
hen“ innerhalb eines „Reintegrationsfonds“, lässt die
rage offen, ob Gespräche und Verhandlungen mit Auf-
tändischen vorgesehen sind.
Die offensiven Kampfhandlungen müssen eingestellt
erden, damit Gespräche mit dem Ziel einer politischen
ösung geführt werden können. Derartige Gespräche
üssen auf neutralem Boden stattfinden. Den Afghanen
st dabei die Entscheidung zu überlassen, mit wem sie
prechen wollen und mit wem nicht.
Die afghanische Bevölkerung darf nicht durch einen
bereilten Abzug im Stich gelassen werden. Die Fort-
chritte in Afghanistan nach mehr als acht Jahren sind
icht zu leugnen. Um Afghanistan zu mehr Eigenstän-
igkeit und friedlichen Aufbauperspektiven zu verhelfen,
üssen der Polizeiapparat verstärkt und die Mittel zu-
unsten des zivilen Aufbaus verschoben werden. Die
euen Vorschläge der Bundesregierung schaffen jedoch
eine Transparenz über das weitere Vorgehen der Bun-
eswehr. Eine Intensivierung der offensiven Aufstands-
ekämpfung ist zu befürchten, und die Aussagen der
undesregierung, die Bundeswehr verfolge in Zukunft
inen defensiveren Ansatz, sind massiv zu bezweifeln.
us diesen Gründen kann ich der Verlängerung des Man-
ats in der vorliegenden Form nicht zustimmen und
ehne es ab.
Patrick Kurth (Kyffhäuser) (FDP): Die Entschei-
ung über die weitere Beteiligung der Bundeswehr an
er Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe,
SAF, in Afghanistan fällt mir sehr schwer. Ich ent-
cheide mit meiner Stimmabgabe schließlich auch über
as Menschenleben von Deutschen, aber auch über das
eben von Afghanen.
Dem Einsatz in Afghanistan stehe ich grundsätzlich
ehr zurückhaltend und skeptisch gegenüber. Ich be-
rüße allerdings ausdrücklich die nun vorgelegte neue
trategie, um den Einsatz auf ein zeitnahes und absehba-
es Ende hinzuführen.
Deswegen bin ich nach Abwägung aller vorliegenden
rkenntnisse und im Interesse einer geordneten Beendi-
ung des Einsatzes bereit, das Engagement der Bundes-
ehr im Rahmen dieses Mandates befristet mitzutragen.
Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
er Einsatz in Afghanistan, über den wir mit dem neuen
andat befinden, ist in der Grundsache nach wie vor
ichtig und wichtig. Trotz der eklatanten Mängel in der
fghanistan-Politik der Bundesregierung gilt nach wie
or, dass eine sofortige Beendigung des ISAF-Einsatzes
as Land in einen blutigen Bürgerkrieg stürzen und die
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 25. Sitzung. Berlin, Freitag, den 26. Februar 2010 2243
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unabweisbare Aufbauleistung der vergangenen acht
Jahre zunichte machen würde.
Dem vorliegenden Mandat stimme ich aus Gewis-
sensgründen daher zu. Die Verantwortung für die Sicher-
heit Afghanistans, die Deutschland übernommen hat,
wiegt schwerer als die Bedenken. Bündnis 90/Die Grü-
nen begleitet den Einsatz seit seinem Beginn kritisch,
aber verantwortungsbewusst. Aus dieser Position heraus
sehen wir die Entwicklung der Sicherheitslage im Land
und die Politik der Bundesregierung mit Sorge.
Das betrifft einmal die geplante Truppenaufstockung,
die für einen erfolgreichen Einsatz in Afghanistan kei-
nesfalls nötig ist. Die Bundesregierung ist bislang eine
schlüssige Begründung dafür schuldig geblieben. Bereits
bei der letzten Aufstockung wurde mit den gleichen Ar-
gumenten gearbeitet: Man brauche einen Spielraum für
Zeiten des Kontingentwechsels, für die Absicherung der
Wahlen und für die erhöhten Anforderungen an die Aus-
bildung afghanischer Soldaten. Die gleichen Effekte
ließen sich jedoch auch mit einer Umschichtung der
Truppen und dem Verzicht auf den ineffizienten und kos-
tenträchtigen Einsatz der RECCE-Tornados erreichen.
Zudem geschieht die Aufstockung in einer intransparen-
ten Weise. Zu den 500 offiziell benannten zusätzlichen
Soldaten kommen 350 in einer Reserve, über die nur im
Verteidigungsausschuss beraten werden soll, und ver-
mutlich weitere 300, wenn der Einsatz der AWACS-Auf-
klärer tatsächlich beginnt.
Dies lässt nur den Schluss zu, dass Alternativen zur
Aufstockung offensichtlich nicht ernsthaft geprüft wur-
den und die Informationspolitik hinsichtlich ihres tat-
sächlichen Umfangs weiter in der Tradition der Intrans-
parenz und Vertuschung steht.
Auch weitere strategische Elemente des Mandats sind
unausgereift. Die Bundesregierung ist eine Erklärung
über die genaue Ausgestaltung der sogenannten Part-
nering-Missionen in der Ausbildung von Sicherheits-
kräften ebenso schuldig geblieben wie über die Auflö-
sung der Quick Reaction Forces, QRF. Es ist nicht klar,
warum die QRF, die bislang stets als Bestandteil einer
defensiven Strategie dargestellt wurden, genau zu dem
Zeitpunkt aufgelöst werden, da ein defensives Vorgehen
und der Schutz der Zivilbevölkerung zu den obersten
Maximen der ganzen ISAF-Mission ernannt werden.
Die wirklich entscheidenden Elemente für eine Er-
folgsperspektive in Afghanistan fehlen auch dem neuen
Mandat. Weder werden eine unabhängige Evaluation des
bisherigen Einsatzes, noch klare Prüfsteine für eine Ab-
zugsstrategie vorgelegt. Zwar lässt die Regierung immer
wieder mögliche Abzugsdaten verlautbaren, sie benennt
aber nie klare Ziele und Zwischenschritte, die einen ver-
antwortlichen Abzugsplan ermöglichen würden.
Bei der zentralen Aufgabe der Polizeiausbildung ver-
sagt die Bundesregierung weiterhin. Zwar kündigt sie
an, die Zahl der Ausbilder auf 200 zu erhöhen. Selbst
wenn ihr dies gelingen sollte, sind diese aber absolut un-
zureichend. Um in absehbarer Zeit eine selbstständige
afghanische Polizei zu etablieren, wären insgesamt etwa
2 000 Ausbilder vonnöten, davon 500 aus Deutschland.
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Meine Fraktion und ich werden auf der Grundlage
ieser Erwägungen die Entwicklung der Lage in Afgha-
istan genau beobachten, der Bundesregierung ihre Ver-
äumnisse vorhalten und konstruktiv eigene Ansätze ent-
ickeln.
Aydan Özoğuz (SPD): Die Entscheidung, einer
ortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher
treitkräfte in Afghanistan zuzustimmen, fällt mir äu-
erst schwer. Ich habe große Zweifel am Erfolg der mili-
ärischen Kampfhandlungen in Afghanistan und be-
ürchte, dass wir von einem großen Teil der Bevölkerung
icht als Freunde oder gar Befreier gesehen werden, so
ie wir das in Deutschland gerne hätten. Ganz im Ge-
enteil setzen wir mit dem, was bisher geschah, auch ein
eutliches Zeichen dafür, dass wir eine Regierung unter-
tützen, die nicht unsere Werte transportiert. Ebenso
abe ich erhebliche Zweifel an dem propagierten „Stra-
egiewechsel“ – zumindest was unsere Partner betrifft.
ch befürchte, dass sie weiterhin in ähnlicher Weise mili-
ärisch aktiv sein werden und dass neben vielen Soldaten
uch weiterhin unschuldige Zivilisten bei diesen Einsät-
en ums Leben kommen werden. Auch dafür tragen wir
bgeordnete des Deutschen Bundestages die Verantwor-
ung.
Mir ist jedoch bewusst, dass wir diesen begonnenen
insatz nicht Hals über Kopf beenden können. Ein plötz-
icher Abzug aller Streitkräfte ist keine Lösung, vielmehr
uss eine verantwortbare Abzugsperspektive eröffnet
erden. Ich gehe davon aus, dass mit diesem neuen Man-
at ein erster Schritt in die richtige Richtung gemacht
ird. Ich begrüße ausdrücklich, dass keine neuen Kampf-
ruppen vorgesehen sind, ein Schwerpunkt auf die Aus-
ildung von afghanischen Sicherheitskräften gelegt und
atsächlich eine klare Abzugperspektive aufzeigt wird.
ch setze bei unserem Mandat große Hoffnungen in die
iederaufbauhilfe und begrüße eine Erhöhung der zivi-
en Mittel und der Ausbilder. Hier liegt für mich die tat-
ächliche Chance der Hilfe für Afghanistan, und deshalb
timme ich letztlich der Verlängerung des Mandats trotz
roßer Bedenken zu.
Mechthild Rawert (SPD): Seit den Terroranschlägen
001 wurde in Afghanistan unter Beteiligung der deut-
chen Bundeswehr militärisch versucht, den internationa-
en Terrorismus zu bekämpfen und al-Qaida eine Rück-
ugsbasis zu entziehen. Mit militärisch-zivilem Einsatz
ollte das Land befriedet, nach westlichen Maßstäben de-
okratisiert und der wirtschaftliche und soziale Wieder-
ufbau nach mehr als 30 Jahren Bürgerkrieg gefördert
erden. Von besonderer Bedeutung war von Anfang an
er Aufbau und die Stärkung afghanischer Regierungsin-
titutionen, vor allem Polizei und Armee. Nach mehr als
cht Jahren Präsenz sind die militärischen und politischen
iele nicht annähernd erreicht.
Deutsche Soldaten sind ebenso gestorben wie zahlrei-
he afghanische Kinder, Frauen und Männer. Durch ein
n deutscher Verantwortung erfolgtes Bombardement auf
wei entführte, in einem Flussbett feststeckende Lastwa-
en bei Kunduz sind viele Zivilisten ums Leben gekom-
en. Drängende Fragen und Zweifel haben sich ver-
2244 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 25. Sitzung. Berlin, Freitag, den 26. Februar 2010
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stärkt – nach der Anwesenheit von KSK-Soldaten
ebenso wie nach dem weiteren Sinn der Anwesenheit der
deutschen Bundeswehr in Afghanistan.
Ich stimme heute dem bis zum 28. Februar 2011 be-
fristeten Mandat dennoch zu, weil es der SPD gelungen
ist, endlich eine breite gesellschaftliche Debatte unter
Einbeziehung vieler Bürgerinnen und Bürger zum Aus-
landseinsatz der Bundeswehr in Afghanistan zu führen,
und vor allem, weil auf nachdrücklichen Druck der SPD-
Bundestagsfraktion die Bundesregierung einem Strate-
giewechsel für Afghanistan zugestimmt hat.
Auf Druck der SPD-Bundestagsfraktion hat die Bun-
desregierung in London dazu beigetragen, dass die inter-
nationale Staatengemeinschaft den Neuansatz „Über-
gabe in Verantwortung“ beschlossen hat, wird mit dem
Abzug der Bundeswehr nun 2011 begonnen, werden
nicht noch mehr „robuste“ Kampftruppen nach Afgha-
nistan entsandt, werden die Hilfen zum Wiederaufbau
und zum zivilen Engagement verdoppelt, erfolgt eine
wesentliche Umschichtung innerhalb des – allerdings
um 500 Soldatinnen und Soldaten aufgestockten – Kon-
tingents zugunsten von mehr Ausbilderinnen und Aus-
bildern für Polizei und Armee, sollen mehr zivile Poli-
zeiausbilderinnen und -ausbilder entsandt werden, sollen
auch mehr gender- und kulturgerechte Entwicklungsini-
tiativen auf allen zivilen und politischen Ebenen erbracht
werden.
Die meisten Afghanen wünschen sich vor allem weni-
ger Gewalt und Kriminalität, weniger Not und weniger
Unfreiheit. Dazu bedarf es insbesondere des Aufbaus ei-
ner öffentlichen Infrastruktur, bedarf es eines funktionie-
renden staatlichen Rechtssystems. Erst eine für jeden er-
lebbare Rechtssicherheit und Gerechtigkeit stärkt den
Glauben in den Staat.
Ich kündige an, dass ich 2011 mit Nein stimmen
werde, wenn die Bundesregierung nicht nachweislich da-
für steht, dass der Schutz der zivilen afghanischen Bevöl-
kerung im Mittelpunkt jeglichen zivilen und militäri-
schen Engagements steht, eine Initiative – diplomatisch,
wirtschaftlich – zur stärkeren Einbindung und zur Über-
nahme von mehr regionaler Verantwortung für eine sta-
bile und friedliche Entwicklung der gesamten Region un-
ter aktiver Einbeziehung der Anrainerstaaten erfolgt, zur
Ausbildung und Ausstattung der afghanischen Sicher-
heitskräfte die Zahl der Polizeiausbilderinnen und -ausbil-
der mindestens verdoppelt wird, mit dem Abzug tatsäch-
lich 2011 begonnen wird und nachhaltige Vorbereitungen
dafür laufen, dass die afghanische Regierung bis zum
Jahr 2015 die volle Sicherheitsverantwortung für ihr ei-
genes Land übernimmt, Hilfen beim zivilen Aufbau nicht
auf die Zeit des militärischen Einsatzes begrenzt werden,
eine umfassende aktive Armutsbekämpfung erfolgt, zu
der unter anderem insbesondere eine Förderung der land-
wirtschaftlichen Entwicklung, Capacity Building, die
Schaffung von Arbeitsplätzen nicht nur in den Städten,
sondern auch auf dem Lande gehören, Schutz und Rechte
insbesondere von Frauen und Kindern gestärkt werden.
Auch die Taskforce Afghanistan-Pakistan der SPD-
Bundestagsfraktion hat umfassend darauf hingewiesen:
Frieden ist mehr als die Abwesenheit von Krieg.
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nlage 3
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Hans-Christian Ströbele,
Winfried Hermann, Memet Kilic, Sylvia
Kotting-Uhl, Agnes Krumwiede, Monika Lazar,
Lisa Paus, Dorothea Steiner und Dr. Harald
Terpe (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur
namentlichen Abstimmung zu dem Antrag:
Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deut-
scher Streitkräfte an dem Einsatz der Interna-
tionalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Af-
ghanistan (International Security Assistance
Force, ISAF) unter Führung der NATO auf
Grundlage der Resolutionen 1386 (2001) und
folgender Resolutionen, zuletzt Resolution 1890
(2009) des Sicherheitsrates der Vereinten Natio-
nen (Tagesordnungspunkt 18)
Das neue Mandat für den Einsatz der Bundeswehr in
fghanistan ist trotz gegenteiliger Ankündigung der
undesregierung weitgehend das alte, das wir im De-
ember 2009 abgelehnt haben, allerdings mit einer Trup-
enaufstockung von fast 20 Prozent.
Seit mehr als acht Jahren sind die deutschen Soldaten
it diesem Mandat in Afghanistan.
Aber trotz der ständigen Erhöhung der Truppenstärke
st die Sicherheitslage in den letzten Jahren nicht besser,
ondern dramatisch schlechter geworden. Die Zahl der
eutschen Soldaten mit ISAF-Mandat wurde inzwischen
ast verzehnfacht. Trotzdem können die Soldaten etwa
as Feldlager Kunduz nicht oder nur in Konvois mit ge-
anzerten Fahrzeugen verlassen. Ein normaler Kontakt
ur Bevölkerung ist kaum möglich. In keinem Jahr zuvor
urden so viele Menschen in diesem Krieg getötet oder
erletzt wie 2009, vor allem immer mehr Zivilisten.
Die Antwort von NATO und Bundesregierung auf die
esolate Sicherheitslage ist: mehr Soldaten, mehr Offen-
iveinsätze, mehr Krieg. Wie nie zuvor seit Kriegsbe-
inn wird die Gesamtzahl der Soldaten um fast 40 000,
nd die der deutschen um 850, erhöht. Gleichzeitig be-
innt die größte Militäroffensive seit 2001 im Süden des
andes. Der militärische Konflikt wird verschärft, nicht
eendet, die Offensivstrategie erweitert, nicht gestoppt
nd die Anzahl der getöteten Menschen droht weiter an-
usteigen. In diesem Jahr wurden schon wieder mehr als
00 Zivilpersonen durch Bombardierungen der NATO
etötet.
Ursprünglich sollte das deutsche ISAF-Mandat, an-
ers als das für OEF, auf Eigensicherung und Schutz der
evölkerung beschränkt sein. Spätestens seit der Bom-
ardierung der Tanklastwagen und Menschenmenge auf
eutschen Befehl am 4. September 2009 nahe Kunduz
issen wir, dass die Bundeswehr an Offensiveinsätzen
nd der tödlichen Jagd auf Aufständische beteiligt ist.
ehenden Auges wurden über 100 Menschen getötet, da-
unter viele Zivilpersonen und Kinder. Das defensive
andat gibt es faktisch nicht mehr.
OEF- und ISAF-Mandat sind in der Praxis nicht zu
nterscheiden. Derselbe General ist der Kommandeur
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 25. Sitzung. Berlin, Freitag, den 26. Februar 2010 2245
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für beide. Ohne Rücksicht auf das jeweilige Mandat
werden die Soldaten eingesetzt, auch die der Bundes-
wehr. Aber die gezielte Vernichtung von Menschen,
selbst dann, wenn sie für Aufständische gehalten wer-
den, sieht das ISAF-Mandat nicht vor. Es berechtigt zum
Einsatz von militärischer Gewalt nur in Notsituationen
zur Nothilfe oder Notwehr. Die Bundesregierung wei-
gert sich aber bis heute, verbindlich zu erklären, dass sie
die Bombardierung vom 4. September 2009 und über-
haupt Einsätze mit dem Ziel der Vernichtung von Men-
schen ohne Notsituation vom ISAF-Mandat als nicht ge-
deckt ansieht. Sie stellt gegenüber der Truppe nichts
klar. Weitere solche Einsätze will die Bundesregierung
also offensichtlich nicht ausschließen.
In der Begründung des Antrages verspricht die Bun-
desregierung, das zivile Engagement nahezu zu verdop-
peln. Sie schließt sich den Plänen der US-Regierung
ohne eigenes Friedens- und Ausstiegskonzept an, eine
Übergabe der Verantwortung an die afghanische Regie-
rung ab 2011 einzuleiten.
Pläne einer Abzugsstrategie sowie Bekenntnisse zu
Versöhnung, Ausstiegsprogrammen und Verhandlungen
mit den Aufständischen sind richtig, aber unglaubwür-
dig, weil gleichzeitig die verhängnisvolle Offensivstrate-
gie mit viel mehr Soldaten unversöhnlich fortgesetzt und
intensiviert wird. Wie will man die, die man jagt, um sie
auszuschalten, davon überzeugen, an den Verhandlungs-
tisch zu kommen? Das passt nicht zusammen. Der Krieg
wird verschärft, anstatt ihn zu beenden oder zumindest
für einige Zeit auszusetzen, um den Verhandlungen eine
Chance zu geben.
Jedes weitere Jahr werden Tausende Menschen in
diesem Krieg getötet und verletzt. Nach UN-Angaben
wurden 2009 über 600 Zivilisten Opfer von NATO-Luft-
schlägen, und mindestens 1 600 wurden durch Aufstän-
dische getötet. Das angeblich oberste Ziel der Vermei-
dung von zivilen Opfern wird immer wieder verfehlt.
Seit Beginn der „Operation Muschtarak“ steigt deren
Zahl wieder rapide. Neuer Hass wird geschürt und die
Gewaltspirale dreht sich weiter.
Gerade auch im Norden, also im Verantwortungsbe-
reich der Bundeswehr, werden US-Kampftruppen in ei-
ner Stärke eingesetzt, die erheblich größer ist als die der
Bundeswehrsoldaten (circa 5 000). Mit den zusätzlichen
US-Soldaten wird die US-Einsatzstrategie des „Counter
Insurgency“ einschließlich gezielter Tötungen in allen
Provinzen die militärischen Operationen dominieren.
Damit würde auch eine andere „deutsche Strategie“ kon-
terkariert.
Der zivile Aufbau wurde jahrelang vernachlässigt.
Trotzdem gibt es Erfolge bei der Strom-, Wasser- und
Gesundheitsversorgung, beim Straßenbau, bei der Er-
richtung von Schulen und anderen Bildungseinrichtun-
gen. Es bleibt aber viel zu tun. Die Zivilgesellschaft
muss mehr einbezogen werden, damit die internationa-
len Hilfsgelder bei der Bevölkerung ankommen und
Korruption zurückgedrängt wird. Der Aufbau einer zivi-
len Polizei für Friedenszeiten ist unzureichend. Es fehlt
an Ausbildern aus Europa und Deutschland und an
einem geeigneten Konzept. Angesichts der Zahl von
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0 Prozent Analphabeten bei den Polizeibewerbern rei-
hen acht Wochen Ausbildungszeit nicht aus.
Eine verantwortbare Exit-Strategie heißt nicht, Af-
hanistan im Stich zu lassen. Sicherheit für die Bevölke-
ung und ziviler Aufbau kann aber nachhaltig nicht er-
eicht werden mit mehr NATO-Soldaten und einer
trategie zur Vernichtung des Feindes. Bemühungen um
rnsthafte Verhandlungen mit allen unter Einbeziehung
ämtlicher Nachbarstaaten sowie um Versöhnung sind
er richtige Weg. Die Tür dafür scheint einen Spalt of-
en. Dieser Weg einer politischen Lösung muss gegan-
en werden. Alles, was dem im Weg steht und diese Be-
ühungen konterkariert, muss unterbleiben.
Daher fordern wir den Stopp der offensiven Kampf-
andlungen und Bombenangriffe. Das Mandat, das mit
ehr Soldaten die Eskalation des Krieges fördert, Ver-
andlungen erschwert und einer Abzugsperspektive ent-
egensteht, lehnen wir ab.
nlage 4
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Agnes Malczak, Katja Dörner,
Uwe Kekeritz, Sven-Christian Kindler, Maria
Anna Klein-Schmeink, Beate Müller-Gemmeke
und Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (alle
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur namentlichen
Abstimmung zu dem Antrag: Fortsetzung der
Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte
an dem Einsatz der Internationalen Sicherheits-
unterstützungstruppe in Afghanistan (Interna-
tional Security Assistance Force, ISAF) unter
Führung der NATO auf Grundlage der Resolu-
tionen 1386 (2001) und folgender Resolutionen,
zuletzt Resolution 1890 (2009) des Sicherheits-
rates der Vereinten Nationen (Tagesordnungs-
punkt 18)
Die Entscheidung über Auslandseinsätze der Bundes-
ehr gehört zu den schwierigsten Entscheidungen, die
bgeordnete des Deutschen Bundestages zu treffen ha-
en, und fordert wie kaum eine andere das Gewissen und
erz der Parlamentarierinnen und Parlamentarier. Dem
ngagement der in Afghanistan eingesetzten zivilen
elferinnen und Helfer, Soldatinnen und Soldaten sowie
hren Familienangehörigen gilt unsere große Wertschät-
ung und zutiefst empfundener Dank.
Da die Sicherheitslage in Afghanistan acht Jahre nach
eginn der OEF und des ISAF-Einsatzes sehr kritisch ist
nd sich in jüngster Zeit dramatisch zugespitzt hat, voll-
og die US-Administration einen grundlegenden Strate-
iewechsel und gewann hierfür die Unterstützung der
fghanischen Regierung und der internationalen Ge-
einschaft. In diesem Zusammenhang passte auch die
undesregierung ihren Ansatz an und legt dem Bundes-
ag ein neues Mandat für den Einsatz der Bundeswehr in
fghanistan vor, das sich deutlich vom letzten unter-
cheidet.
Für eine gewissenhafte Abstimmung ist daher eine
ifferenzierte Bewertung dieser Unterschiede unabding-
ich. Einerseits greift das neue Mandat mit der Verständi-
2246 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 25. Sitzung. Berlin, Freitag, den 26. Februar 2010
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gung auf eine Abzugsperspektive, der Akzentuierung
auf Ausbildung von Sicherheitskräften, der signifikanten
Aufstockung der Mittel für den zivilen Aufbau und der
Unterstützung einer Lösung durch Verhandlungen mit
den Taliban zentrale grüne Forderungen auf und erweckt
somit den Eindruck eines Kurswechsels in die richtige
Richtung. Andererseits gibt die beabsichtigte Umset-
zung dieser Ziele, insbesondere die geplante Ausgestal-
tung der Ausbildung von Sicherheitskräften im Rahmen
des Partnering-Konzeptes, Grund zur Sorge. Am proble-
matischsten ist jedoch die Einbettung dieser Komponen-
ten in eine Gesamtstrategie, die in einem ersten Schritt
auf militärische Offensive und Truppenaufstockung setzt
und somit die große Gefahr einer zunehmenden Eskala-
tion mit zahlreichen Opfern und Toten heraufbeschwört,
sowohl unter den Soldatinnen und Soldaten als auch un-
ter der Zivilbevölkerung.
Die klare Formulierung einer Abzugsperspektive
stellt eine grundlegende Verbesserung zum früheren
Mandat dar. Der Abzug der Bundeswehr soll 2011 einge-
leitet werden und in fünf Jahren mit der Übergabe der
Verantwortung für die innere und äußere Sicherheit des
Landes an die afghanische Regierung abgeschlossen
sein. Allerdings ist unklar, nach welchen überprüfbaren
Kriterien sich die einzelnen Etappen des Abzugs richten
sollen und welche Handlungsoptionen für den Fall vor-
gesehen sind, dass diese Ziele nicht erreicht werden. Es
sollte außerdem gewährleistet sein, dass auch für die
Zeit nach der Übergabe und dem Abzug der Bundeswehr
die zivile Hilfe fortgesetzt wird.
Das neue Ausbildungskonzept des Partnerings orien-
tiert sich am amerikanischen Vorbild und sieht den ge-
meinsamen Einsatz von deutschen Ausbildern (überwie-
gend Feldjäger) und afghanischen Sicherheitskräften in
der Fläche vor. Das konkrete Konzept des deutschen
Partnerings konnte von der Bundesregierung trotz mehr-
facher Erkundigungen nicht ausreichend dargestellt wer-
den. Da es hierbei auch um die Rückgewinnung der
Kontrolle in von Taliban beherrschten Gebieten im Nor-
den geht, besteht die Gefahr, dass Kampfeinsätze unver-
meidbar werden. Es ist daher damit zu rechnen, dass der
Wechsel zum Ausbildungskonzept des Partnerings mit
einer Zunahme offensiver Kampfeinsätze im Rahmen
gemeinsamer Operationen mit den afghanischen Sicher-
heitskräften einhergeht. Vor diesem Hintergrund kann
die verstärkte Gewichtung der Ausbildung innerhalb des
Mandates nicht als defensives Element gewertet werden,
sondern unterstreicht im Gegenteil dessen offensiven
Charakter.
Bei der Unterstützung des Aufbaus eines funktionie-
renden afghanischen Sicherheitsapparates kommt der Po-
lizeiaufbau viel zu kurz. Die Polizeiausbildung müsste
viel deutlicher verstärkt und die Zahl der europäischen
Ausbilder den Aufwuchszielen der ANP entsprechend
auf 2 000 erhöht werden. Hierzu wären 500 deutsche Po-
lizisten notwendig. Die angekündigte Erhöhung der Poli-
zeikräfte für das bilaterale Polizeiprojekt auf 200 sowie
die geplante Aufstockung des Beitrages zur Europäischen
Polizeimission EUPOL auf 60 Polizistinnen und Polizis-
ten reichen nicht aus. Es bestehen außerdem Unklarheiten
darüber, welche Konsequenzen eine rechtliche Bewer-
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ung des Afghanistan-Einsatzes als „nicht internationaler
ewaffneter Konflikt“ auf den Einsatz von deutschen Po-
izeikräften in Afghanistan hat.
Innerhalb der neuen Afghanistan-Strategie der Bun-
esregierung rückt der zivile Aufbau verstärkt in den Vor-
ergrund. So sollen die Ausgaben für die Entwicklungs-
usammenarbeit bis 2013 auf jährlich rund 430 Mil-
ionen Euro (Zuwachs von circa 210 Millionen Euro)
esteigert werden. Das ist im Vergleich zu den vergange-
en Jahren deutlich mehr, im Verhältnis zu den ebenso
teigenden Ausgaben für die militärische Komponente
Zuwachs von circa 275 Millionen Euro) jedoch immer
och geringer. Die Konzentration auf militärische Kapa-
itäten zeigt sich auch an der chronischen Vernachlässi-
ung der im politischen Auftrag stehenden UN-Mission
NAMA in Afghanistan, die im Vergleich zur NATO-
ission völlig unterfinanziert ist.
Der zunehmende Rückzug von Hilfsorganisationen
us Afghanistan und die Schwierigkeiten beim Mittelab-
luss machen außerdem deutlich, dass eine Fokussierung
uf die Erhöhung der Mittel zu kurz gedacht ist. Es muss
or allem die Wirksamkeit der Mittel sichergestellt wer-
en. Hierzu bedarf es einer verbesserten Koordination
es zivilen Aufbaus, der Bekämpfung der massiven Kor-
uption als eines der Haupthindernisse für den wirksa-
en Einsatz der Mittel, einer verstärkten Einbeziehung
er afghanischen Bevölkerung sowie einer sinnvollen
chwerpunktsetzung. Die Bundesregierung hat keine
lausiblen Vorschläge, wie diese Effektivitätslücken ge-
chlossen werden können. Ihr fehlt auch ein Konzept für
ie Wirtschaftsentwicklung Afghanistans. Ein solches ist
ber als Rahmen für einen erfolgreichen zivilen Aufbau
ringend notwendig und müsste den von der Bundesre-
ierung vernachlässigten, jedoch für die afghanische
irtschaft zentralen landwirtschaftlichen Sektor beson-
ers berücksichtigen.
Der Erfolg der Entwicklungszusammenarbeit in Afgha-
istan ebenso wie der Aufbau des Sicherheitssektors
etzt funktionierende Governance-Strukturen voraus. Es
ibt jedoch keine Auskunft über den zur Verbesserung
zw. Schaffung solcher Strukturen benötigten deutschen
eitrag. Statt diese Mängel zu beheben, verzichtet das
andat sogar völlig auf eine nähere Beschreibung des
ivilen Engagements Deutschlands in Afghanistan. Es
piegelt daher keine umfassende Strategie wider und
leibt militärfixiert – die grüne Forderung zur Vorlage
ines Gesamtmandates, das die zivile und militärische
omponente umfasst, wird nicht umgesetzt.
Die Unterstützung der afghanischen Regierung um
ine politische Verhandlungslösung unter Einbeziehung
er Taliban ist zweifellos richtig und notwendig. Das
odell des Reintegrationsfonds, der von der Bundesre-
ierung mit 50 Millionen Euro mitfinanziert wird, muss
edoch kritisch betrachtet werden. Für die Durchführung
es Taliban-Aussteigerprogramms ist allein die afghani-
che Regierung verantwortlich. Dabei ist unklar, wie si-
hergestellt werden soll, dass die zur Verfügung gestell-
en Mittel zweckmäßig eingesetzt werden und der
issbrauch für machtpolitische Partikularinteressen so-
ie durch Korruption ausgeschlossen ist. Außerdem
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 25. Sitzung. Berlin, Freitag, den 26. Februar 2010 2247
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stellt sich die Frage, wie bei der Umsetzung zwischen
moderaten und radikalen Taliban unterschieden und die
Erfüllung der Bedingungen für die Teilnahme am Tali-
ban-Aussteigerprogramm (Verzicht auf Gewalt und Ter-
ror, Abbruch aller Kontakte zu al-Qaida, Anerkennung
der afghanischen Verfassung) wirksam überprüft werden
soll. Die Belohnung von Taliban-Führern, die für Men-
schenrechtsverletzungen und die Tötung zahlreicher un-
beteiligter Zivilisten verantwortlich sind, erzeugt außer-
dem ein gravierendes Gerechtigkeitsproblem, das sich
negativ auf die Unterstützung derer, die bisher mit den
internationalen Kräften kooperiert haben, auswirken
kann und somit eine nachhaltige Versöhnung gefährdet.
Schließlich steht der Versöhnungscharakter und somit
der Erfolg des Taliban-Aussteigerprogramms aufgrund
der parallelen Ausweitung der Offensive insgesamt in-
frage.
Die im Rahmen der neuen amerikanischen Afghanis-
tan-Politik von der Bundesregierung mitgetragene mili-
tärische Eskalationsstrategie und die damit zusammen-
hängende Truppenaufstockung zur Bekämpfung der
Taliban sind der Hauptgrund dafür, dass wir dieses Man-
dat ablehnen. Wir halten den unsachlichen Umgang der
Bundesregierung mit der Frage der Truppenerhöhung für
völlig verantwortungslos. Der Kompromiss zwischen
Außenminister Westerwelle und Verteidigungsminister
zu Guttenberg erfolgte nicht auf Grundlage einer sachli-
chen Prüfung, sondern einer Logik des Kuhhandels und
der Vermeidung von Gesichtsverlust. Dieses narzissti-
sche Vorgehen wird dem Ernst des Einsatzes in Af-
ghanistan nicht gerecht. Heraus kam eine Kontingent-
aufstockung der Bundeswehr um 850 auf insgesamt
5 350 Soldatinnen und Soldaten, von denen 350 als so-
genannte flexible Reserve verwendet werden sollen.
Dies wird von der Bundesregierung insbesondere mit der
Erhöhung der Zahl der ausbildenden Soldaten von 280
auf 1 400 begründet. Sowohl der Einsatz der Reserve als
auch das tatsächliche Kontingent der ausbildenden Sol-
daten bleiben zweifelhaft vor dem Hintergrund, dass die
letzte Erhöhung der Mandatsobergrenze von 3 500 auf
4 500 Soldaten im Jahr 2008 ebenfalls mit der Ausbil-
dungsunterstützung für die afghanische Armee begrün-
det wurde, jedoch bis heute nur ein Bruchteil davon in
der Ausbildung eingesetzt wird. Die Bundesregierung
bleibt eine Antwort darauf schuldig, warum eine ver-
stärkte Ausbildung der afghanischen Armee nicht auch
durch ein größeres Umschichten innerhalb des bestehen-
den Mandates erreicht werden kann. Auch der Verzicht
auf die ineffizienten und teuren RECCE-Tornados wurde
hierzu nicht in Erwägung gezogen.
Die am 15. Februar 2010 gestartete „Muschtarak“-Of-
fensive in Helmand fordert fast täglich zivile Opfer. Es
ist davon auszugehen, dass auch der Einsatz der Bundes-
wehr aufgrund der Eskalationsdynamik und im Rahmen
von Kampfeinsätzen zur Rückeroberung der von Taliban
beherrschten Gebiete die Zivilbevölkerung trifft. Bereits
die tödlichen Luftangriffe auf die beiden Tanklastzüge
am 4. September 2009 haben gezeigt, dass in der Umset-
zung des Mandates das Primat des Schutzes der Zivilbe-
völkerung nicht gewährleistet ist. Dies wird mit der Sta-
tionierung von rund 5 000 US-Soldatinnen und Soldaten
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m Regionalbereich Nord, von denen viele in bestimm-
en Gebieten zum Zweck der Aufstandsbekämpfung ein-
esetzt werden, noch viel weniger der Fall sein. Dass die
merikanischen Streitkräfte im Norden bei diesem Ver-
ältnis dem deutschen Regionalkommandeur General
eidenberger unterstehen, ist trotz offizieller Verlautba-
ungen mehr als fraglich.
Auch die mangelnde und fehlerhafte Informations-
olitik der Bundesregierung im Zusammenhang mit den
orfällen am Kunduz-Fluss begründen erhebliche Zwei-
el am künftigen Charakter des Bundeswehreinsatzes in
fghanistan. Dabei wirft insbesondere die Rolle der
ask Force 47 und der darin integrierten KSK-Kräfte
ntscheidende Fragen auf, deren Beantwortung noch
ussteht.
Das neue Mandat unterstützt durch die Truppenerhö-
ung die Einsatzstrategie der von den Amerikanern be-
riebenen militärisch offensiven Aufstandsbekämpfung
nd entfernt sich somit vom ursprünglichen ISAF-Rah-
en des Stabilisierungseinsatzes. Diese falsche Ausrich-
ung des militärischen Engagements überwiegt die ge-
annten Verbesserungen im zivilen Bereich gegenüber
em letzten Mandat.
Unsere Nein-Stimme richtet sich gegen eine Strate-
ie, die als defensiv verkauft wird, jedoch eindeutig
ffensiv ist und bei der viele Fragen bleiben. Unsere Ab-
ehnung des Mandates ist nicht gleichzusetzen mit der
orderung nach einem Sofortabzug, den wir ausdrück-
ich zurückweisen, würde er doch die Situation in Af-
hanistan noch weiter destabilisieren. Unser Votum rich-
et sich auch nicht gegen die in Afghanistan eingesetzten
oldatinnen und Soldaten, sondern gegen die falsche
fghanistan-Politik der Bundesregierung. Als Mitglie-
er des Bundestages fühlen wir uns unseren Soldatinnen
nd Soldaten und ihren Familien gegenüber dazu ver-
flichtet, einen Einsatz, der auf Eskalation setzt und so-
it die afghanische Zivilbevölkerung ebenso wie die
eutschen Einsatzkräfte auf unverantwortliche Weise
iner größeren Gefahr aussetzt, strikt abzulehnen.
nlage 5
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Dr. Bärbel Kofler, Burkhard
Lischka und Sonja Steffen (alle SPD) zur na-
mentlichen Abstimmung zu dem Antrag: Fort-
setzung der Beteiligung bewaffneter deutscher
Streitkräfte an dem Einsatz der Internationalen
Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan
(International Security Assistance Force, ISAF)
unter Führung der NATO auf Grundlage der
Resolutionen 1386 (2001) und folgender Resolu-
tionen, zuletzt Resolution 1890 (2009) des Si-
cherheitsrates der Vereinten Nationen (Tages-
ordnungspunkt 18)
Wir unterstützen ausdrücklich das bisherige und ge-
enwärtige Engagement Deutschlands für die Stabilisie-
ung Afghanistans und begrüßen ebenfalls ausdrücklich
2248 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 25. Sitzung. Berlin, Freitag, den 26. Februar 2010
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den mit dem Beschluss beabsichtigten Strategiewechsel
Deutschlands, stärker in den zivilen Aufbau des Landes
und in die Ausbildung der afghanischen Sicherheits-
kräfte zu investieren und 2011 mit einem Abzug der
deutschen Soldatinnen und Soldaten zu beginnen.
Mit der beabsichtigten Truppenaufstockung von
500 Einsatzkräften und 350 Reservisten sind wir jedoch
nicht einverstanden. Der Antrag der Bundesregierung
enthält diesbezüglich keinerlei nachprüfbare Angaben
darüber, warum nicht die vorgenannten Ziele auch im
Rahmen des bestehenden Truppenkontingents erreicht
werden können. Insbesondere im Hinblick auf die „stille
Reserve“ von 350 Einsatzkräften erscheint es uns nicht
akzeptabel, eine Truppenaufstockung lediglich mit dem
unklaren Begriff einer „besonderen Situation“ zu defi-
nieren und zu begründen. Dies ist im Hinblick auf die
Tragweite des Mandates weder angemessen noch verant-
wortbar.
Die deutschen Soldaten, die sich künftig der Ausbil-
dung afghanischer Sicherheitskräfte widmen, sollen
nach dem Antrag der Bundesregierung einen neuen An-
satz verfolgen. Damit ist gemeint, dass die Soldaten die
Feldlager öfter verlassen und die afghanischen Sicher-
heitskräfte auf ihren Patrouillen begleiten.
Wir befürchten dadurch, gerade angesichts der beab-
sichtigten Aufstockung der Streitkräfte, eine Fortsetzung
und Intensivierung der kriegerischen Auseinanderset-
zungen und weitere zivile und militärische Opfer. Seit
Oktober vergangenen Jahres hat der Einsatz der Bundes-
wehr nicht mehr Sicherheit für die Bevölkerung ge-
bracht, sondern die Sicherheitslage hat sich seitdem zu-
nehmend verschlechtert, und damit auch die Sicherheit
für unsere Soldaten.
Deshalb werden wir dem Antrag zur Fortsetzung der
Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem
Einsatz der ISAF heute nicht zustimmen.
Anlage 6
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Ute Koczy und Ingrid Nestle
(beide BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur na-
mentlichen Abstimmung zu dem Antrag: Fort-
setzung der Beteiligung bewaffneter deutscher
Streitkräfte an dem Einsatz der Internationalen
Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanis-
tan (International Security Assistance Force,
ISAF) unter Führung der NATO auf Grundlage
der Resolutionen 1386 (2001) und folgender Re-
solutionen, zuletzt Resolution 1890 (2009) des
Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (Tages-
ordnungspunkt 18)
Die Entscheidung ist uns nicht leichtgefallen. Das
liegt daran, dass ein Nein, selbst wenn es sehr gut be-
gründet ist, doch auch von denen instrumentalisiert wer-
den kann, die glauben, ein Abzug der Truppen sei jetzt
das Beste für Afghanistan. Dieser Auffassung müssen
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ir entschieden widersprechen. Das ist nicht unsere
osition.
Aber unsere Position findet sich auch nicht mehr in
iner Enthaltung wieder. Wir hätten bei der letzten Ent-
cheidung über das ISAF-Mandat im Dezember 2009
it Nein gestimmt, wenn wir gewusst hätten, was einige
age später über den Vorfall am Kunduz-Fluss, aber
uch über die Mechanismen im Verteidigungsministe-
ium bekannt geworden ist. Mit unserer Enthaltung hat-
en wir der neuen Bundesregierung einen Vertrauens-
orschuss gegeben, der sich als nicht gerechtfertigt
erausgestellt hat.
Jetzt liegt uns ein verändertes Mandat mit einem
euen Ansatz zur Entscheidung vor. Als Entwicklungs-
olitikerinnen können wir positiv festhalten, dass sich
it der Aufstockung der Gelder für den zivilen Aufbau
uf jährlich 430 Millionen Euro etwas bewegt hat. Aber
u der Umsetzung der Gelder haben wir so viele unbe-
ntwortete Fragen, dass wir eine grundsätzliche Verbes-
erung der Lage nicht erkennen bzw. uns eine Bewer-
ung nicht erlauben können. Hier wäre eine Enthaltung
uch wegen zahlreicher Veränderungen und positiver
ntwicklungen in einigen Städten und Kommunen für
ns möglich gewesen. Wir wollen ganz klar festhalten,
ass es auch Fortschritte gibt, die viel zu wenig bekannt
ind und in unserer Debatte immer nur am Rande stehen.
Unser ausdrücklicher Dank geht daher an die in
fghanistan eingesetzten zivilen Helferinnen und Hel-
er, an die Soldatinnen und Soldaten sowie ihre Fami-
ienangehörigen, die diese Fortschritte erst möglich ma-
hen.
Aber das von der Bundesregierung vorgestellte ISAF-
andat ist kein ziviles Mandat, sondern es begleitet die
S-amerikanische Strategie auf militärischem Weg –
nd dies, ohne eine eigene Strategie zu definieren. Es ist
icht klar, was aus Sicht der Bundesregierung das
auptziel in Afghanistan ist. Unsere stetige Forderung
ach einer Gesamtbilanz und der Möglichkeit, darüber
ffentlich und breit zu diskutieren, wird auch unter die-
er Bundesregierung nicht erfüllt. Es findet sich im Man-
at nur ein neuer Ansatz, aber keine neue Strategie.
inzu lassen sich im Mandat miteinander konkurrie-
ende Ziele nachweisen. Unsere Zweifel daran, dass es
ich mit diesem Mandat um einen „defensiveren“ Ansatz
andelt, konnten nicht ausgeräumt werden.
Die militärische Eskalation lehnen wir ab, die Trup-
enaufstockung daher ebenso. Wir teilen daher die Ar-
umente unserer Kollegin Agnieszka Malczak, die sie
nd andere in ihrer persönlichen Erklärung vorgelegt ha-
en. Schwer wiegt aus unserer Sicht auch, dass es immer
och nicht gelungen ist, die Polizeiausbildung so zu in-
ensivieren, dass sie ein Erfolg sein kann. Es ist ein
kandal, dass Deutschland und Europa ihre Versprechen
n diesem entscheidenden Bereich nicht einhalten kön-
en, was unserer Meinung nach das Ziel einer „Über-
abe in Verantwortung“ nicht möglich macht.
Dies sind in aller Kürze die wesentlichen Überlegun-
en, warum wir diesmal mit Nein stimmen.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 25. Sitzung. Berlin, Freitag, den 26. Februar 2010 2249
(A) )
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Anlage 7
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Antrags: Datenschutz für Be-
schäftigte stärken (Tagesordnungspunkt 21)
Gitta Connemann (CDU/CSU): Früher ging man-
ches gemächlicher – aber manches auch sicherer. Wer
ein Arbeitsverhältnis begann, der unterschrieb einen
Vertrag. Er füllte einen Personalbogen aus. Der wurde in
einer Akte verwaltet, verwahrt zwischen zwei Pappde-
ckeln, verräumt in einem Stahlschrank. Es gab weder
E-Mails noch GPS-Ortung, weder genetische Analysen
noch Chipkarten.
Nun wünscht sich heute niemand mehr Pappdeckel
und Stahlschrank zurück. Das Beispiel zeigt aber, wie ra-
sant sich unsere Welt entwickelt hat. Die Möglichkeit,
persönliche Daten zu erheben, ist inzwischen scheinbar
unbegrenzt. Der gläserne Mensch macht uns Angst. Zu
Recht. Denn die Gefahr der Ausspähung besteht, wie ak-
tuell durch Google Earth oder aber durch Konzerne wie
die Bahn, Discounter und andere.
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben ein
Recht, vor Ausspähung geschützt zu werden. Daten-
schutz ist ein Grundrecht – und in einem Abhängigkeits-
verhältnis von besonderer Bedeutung.
Deutschland verfügt über ein im internationalen Ver-
gleich sehr hohes Datenschutzniveau. Dennoch haben
die Datenschutzskandale in Großunternehmen Arbeitge-
ber wie Arbeitnehmer verunsichert. Diese fragen sich:
Welche Maßnahmen sind dem Arbeitgeber erlaubt? Wo
beginnt der Arbeitnehmerdatenschutz? Deshalb haben
wir im letzten Jahr gehandelt. Wir haben eine neue Re-
gelung speziell für den Schutz von Arbeitnehmerdaten
geschaffen. § 32 Bundesdatenschutzgesetz bestimmt
jetzt, zu welchen Zwecken, unter welchen Voraussetzun-
gen personenbezogene Daten vor, im und nach dem Be-
schäftigungsverhältnis erhoben, verarbeitet und genutzt
werden dürfen. Dabei wurden auch die Rechte des be-
trieblichen Datenschutzbeauftragten gestärkt.
Es zeigt sich aber in der Praxis, dass nach wie vor
Rechtsunsicherheit besteht. Deshalb haben Union und
FDP vereinbart, den Arbeitnehmerdatenschutz besser zu
regeln als bisher. Wir wollen mehr Klarheit, für Arbeit-
nehmer und für Arbeitgeber.
Ihr Antrag, meine Damen und Herren von der Linken,
hilft dabei überhaupt nicht. Ihr Antrag ist vieles, nur ei-
nes ist er nicht: ausgewogen. Wegen Ihrer pauschalen
Vorurteile gegen Arbeitgeber sehen Sie offenbar nur
noch rot, aber nicht mehr klar. Sie zeichnen ein verzerr-
tes Bild. Bei Ihnen steht jeder Arbeitgeber unter Gene-
ralverdacht. Aber im Mittelstand wird in der Regel das
Miteinander gelebt – kein Gegeneinander. Der Bäcker
vor Ort ist nicht Lidl. Chef und Geselle stehen nebenein-
ander in der Backstube, in der Werkstatt oder auf der
Baustelle. Diese Wirklichkeit in unseren kleinen und
mittelständischen Betrieben ignorieren Sie. Deshalb ist
Ihr Antrag auch einseitig. Dies zeigt sich schon an seiner
Ausrichtung.
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Schutzwürdig sind aus Ihrer Sicht nur die Daten von
rbeitnehmern. Aber es gibt eben auch Daten des Ar-
eitgebers wie Geschäftsgeheimnisse, die Schutz verdie-
en. Diese Unausgewogenheit kennzeichnet auch den
ntrag der SPD-Fraktion, den wir im Dezember 2009
iskutiert haben, woraus die Linke offensichtlich sehr
iel gespickt hat, leider nur die Forderungen, für die Fol-
endes gilt: unausgewogen, lebensfremd, widersprüch-
ich, bürokratisch.
Ich möchte dies nur an einem Beispiel deutlich ma-
hen. Nach dem Willen der Linken soll in jedem Betrieb
it mehr als fünf Arbeitnehmern ein Beschäftigungsda-
enschutzbeauftragter bestellt werden. Dies gilt für den
lumenladen um die Ecke ebenso wie für die Tischlerei
n der Nachbarschaft. Noch absurder wird es in den Be-
rieben, die schon einen betrieblichen Datenschutzbeauf-
ragten haben. Dieser soll allein nicht reichen. Auch dort
oll es dann noch einen Beschäftigungsdatenschutzbe-
uftragten geben. Der soll dann tun, was der betriebliche
atenschutzbeauftragte heute schon tut. Und die Reihe
ieser Absurditäten ließe sich fortsetzen. Deshalb wer-
en wir uns alleine der Aufgabe eines verbesserten
echtes stellen müssen. Dafür gelten folgende Leitli-
ien:
Es darf kein eigenes Beschäftigtendatenschutzgesetz
eben, das neben dem Bundesdatenschutzgesetz steht.
ie Folge wären Dopplungen, Widersprüche und mehr
echtsunsicherheit.
Das Bundesdatenschutzgesetz darf nicht als „Ersatz-
rbeitsgesetzbuch“ missbraucht werden. Es besteht kein
rund, dort eine neue Regelung zu Vorstellungskosten
u treffen, die es im BGB schon gibt.
Das neue Recht sollte keine Konkurrenz zu bestehen-
en Gesetzen wie dem AGG, dem Betriebsverfassungs-
esetz oder dem Gendiagnostikgesetz darstellen. In die-
en Gesetzen sind Themen wie das Fragerecht bei
instellungen, das Einsichtsrecht in Personalakten oder
ie Rechtmäßigkeit gesundheitlicher Untersuchungen
eregelt.
Begrifflichkeiten wie zum Beispiel „des/der Beschäf-
igten“ müssen mit Definitionen in anderen Gesetzen
ie im Steuer- oder Sozialrecht übereinstimmen.
Dies sind nur einige der Aufgaben, die wir lösen müs-
en. Aber wir werden uns diesen stellen. Wir werden
echtliche Grauzonen beseitigen. Wir werden ein ausge-
ogenes Verhältnis herstellen zwischen dem berechtig-
en Schutzbedürfnis des Arbeitnehmers und dem legiti-
en Kontrollinteresse des Arbeitgebers.
Michael Frieser (CDU/CSU): Um der Nachhaltig-
eit der Debatte willen möchte ich im Wesentlichen auf
as von mir schon einmal Gesagte verweisen: Der Da-
enschutz wird zunehmend zum bestimmenden Thema
er parlamentarischen Arbeit. Beim Umgang mit Daten
uält uns fast alle ein zunehmendes Unsicherheitsgefühl,
n erster Linie die Arbeitnehmer, aber auch die Arbeitge-
er.
2250 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 25. Sitzung. Berlin, Freitag, den 26. Februar 2010
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Dass wir hier eine Regelung finden müssen, das ist,
glaube ich, eine einheitliche Haltung in diesem Haus. Da
eint uns der Konsens. Gerade deshalb geht der Koali-
tionsvertrag genau dieses Problem, wie ich meine, sogar
sehr detailliert an. Um dieses Thema etwas grundsätzli-
cher zu fassen, muss man auf die Aussage verweisen:
Ohne Sicherheit ist keine Freiheit. Das ist der alte Hum-
boldtsche Satz. Er ist auch die Grundlage für das Regie-
rungshandeln in dieser Frage. Denn es geht genau da-
rum, dass der Umgang mit den persönlichen, mit den
eigenen Daten auch die Grundlage für eine persönliche
Freiheit ist und bleiben kann. Deshalb bedarf es der Re-
gelung.
Es ist klar – davon geht der Koalitionsvertrag eben
genau aus –, dass es keine Bespitzelung am Arbeitsplatz
geben darf, dass der Arbeitnehmer davor geschützt wer-
den muss. Deshalb ist auch klar, dass nur Daten verar-
beitet werden können, die für das Arbeitsverhältnis auch
wirklich erforderlich sind. Wir können in der Koalition
jedenfalls von einem ausgehen: dass der Koalitionsver-
trag in der Opposition angekommen ist. Er wird dort
– zwar mit Verspätung – gelesen. Es ist nicht das erste,
nicht das einzige Thema, welches von der Opposition
auf diesem Wege gefunden und dann ins Parlament hi-
neingejagt wird. Das wird uns vermehrt passieren. In der
Opposition wird man schauen, dass man mit heraushän-
gender Zunge möglichst der Erste ist, der dieses Thema
draußen noch irgendwie besetzen kann. Aber ich kann
nur sagen: Mit solcherlei Flickwerk, mit solcherlei Un-
zulänglichkeit lässt sich auch in dieser Frage kein Staat
machen.
Es wird Sie nicht wundern, dass wir von der CDU/
CSU-Fraktion und auch die Kolleginnen und Kollegen
von der FDP diesen Entwurf ablehnen. Das gilt aber na-
türlich nur für den Inhalt des Entwurfs. Es gilt ausge-
sprochen nicht für das Thema des Arbeitnehmerdaten-
schutzes. Es ist in der Tat so: Wir haben immer wieder
skandalträchtige Vorkommnisse. Es geht um pauschale
Videobeobachtungen, es geht um Nötigungen mittels
Privatdetektive, und es geht darum, dass erhobene Daten
am Arbeitsplatz tatsächlich auch ein Handlungsprofil ei-
nes Arbeitnehmers erahnen oder nachverfolgen lassen.
Das sind alles Zustände, die wir in der Tat regeln müs-
sen. Ich bin auch fest davon überzeugt, dass wir das
Ganze zügig regeln müssen.
Dieser Handlungsdruck sollte uns jedoch nicht daran
hindern, dass wir diese Frage genau und präzise bearbei-
ten müssen. Vor allem können wir bei dem Thema nicht
mit den Ungenauigkeiten arbeiten, die der Gesetzent-
wurf der Linksfraktion beinhaltet. Wir dürfen den wohl-
gesetzten, abwägenden Prozess an dieser Stelle nicht un-
terbrechen. Ich kann nicht ganz verstehen, warum dieser
Gesetzentwurf jetzt aus Ihrer Schublade herauskommt.
Aber er hätte besser ein Ladenhüter bleiben sollen.
Sie wissen, dass dieses Thema erstmals am 16. Fe-
bruar des letzten Jahres im Bundesinnenministerium un-
ter der Verantwortung des damaligen Bundesinnenminis-
ters Schäuble besprochen wurde. Dort wurden zwei
Dinge vereinbart: Erstens die Tatsache, dass man dieses
Thema innerhalb des Bundesdatenschutzgesetzes regeln
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ann, um Doppelbegrifflichkeiten zu vermeiden und die
inheitlichkeit von Definitionen herzustellen. Das ist ei-
es der großen Probleme des von Ihnen hier eingebrach-
en Gesetzentwurfes – er ist in weiten Teilen hinreichend
nkonkret, redundant und schwammig. Ich will nicht
lle fachlichen Mängel aufzählen; einige habe ich schon
enannt. Zweitens sollte eine gründliche Abstimmung
it den Tarifparteien stattfinden, mit den Arbeitnehmer-
ertretern und den Arbeitgebern.
Was Sie heute vorlegen, ist hingegen ein unabge-
timmter Entwurf. Deshalb ist er abzulehnen. Wir kön-
en an dieser Stelle so nicht weitermachen. Man muss
em Parlament die Chance geben, auf einen Entwurf der
egierung zu reagieren und zu versuchen, die selber für
otwendig gehaltene Abstimmung gemeinsam mit den
olitischen Meinungsträgern herbeizuführen. Letztend-
ich muss sogar angezweifelt werden, dass der jetzt vor-
elegte Entwurf mit der EG-Datenschutzrichtlinie in
eiten Zügen zu vereinbaren ist. Da kann ich nur sagen,
erte Kollegen: Auch in der Opposition muss man prä-
ise formulieren und arbeiten. Es reicht nicht, auf die
chnelle einen Entwurf vorzulegen.
Doch möchte ich die Frage des Beauftragten für den
eschäftigtendatenschutz ansprechen. Dieser soll Ihrem
ntrag zufolge eine herausgehobene Stellung erhalten
nd bereits bei Kleinunternehmern von fünf Mitarbeitern
ufwärts eingesetzt werden. Sie wissen, dass Sie mit Ih-
em Antrag der SPD-Fraktion und den Grünen hinterher-
echeln. Bei den Grünen ist diese Forderung dann je-
och über Nacht verschwunden. Sie halten daran fest.
urch diese Forderung machen Sie Arbeit teurer und
ernichten Beschäftigungsverhältnisse.
Der Duktus der Sprache des Entwurfes – auch das
ill ich einmal deutlich sagen – geht mit einer Vorverur-
eilung des Arbeitgebers einher. Die meisten Arbeitgeber
erhalten sich nicht nur gesetzestreu, sondern auch im
inne ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Eine Vor-
erurteilung und ein An-den-Pranger-Stellen durch den
prachduktus halte ich nicht für angebracht. Es geht
uch darum, die Frage eines fehlenden Schutzinteresses
es Mitarbeiters in Einklang mit den Verpflichtungen ei-
es Unternehmens zu bringen. Dabei geht es um die Fra-
en der Korruptionsbekämpfung und der Datenerhe-
ung, die auch etwas mit der wirtschaftlichen Tätigkeit
u tun haben. Beides müssen wir aufeinander abstim-
en, auch gemeinsam mit den entscheidenden Verbän-
en. Das fehlt schon im Denkansatz bei Ihrem Forde-
ungskatalog. Auch deshalb ist er abzulehnen.
Abschließend kann ich nur sagen, dass es eines Ar-
eitsauftrages nicht bedurfte. Das Innenministerium ar-
eitet bereits daran. Das Ergebnis wird in den nächsten
ochen vorgelegt. Ich kann Sie nur auffordern, liebe
olleginnen und Kollegen: Lehnen Sie mit uns den An-
rag der Linksfraktion ab.
Josip Juratovic (SPD): Noch nicht einmal drei Mo-
ate ist es her, dass wir hier über den Arbeitnehmerda-
enschutz gesprochen haben. Ich freue mich, dass das
hema heute wieder auf der Tagesordnung steht. Dies
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 25. Sitzung. Berlin, Freitag, den 26. Februar 2010 2251
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zeigt die Wichtigkeit einer schnellen und umfassenden
Regelung des Arbeitnehmerdatenschutzes.
Wie Sie sicher aus meiner letzten Rede wissen, kenne
ich den Arbeitnehmerdatenschutz aus der betrieblichen
Realität. Als Bandarbeiter und Betriebsrat habe ich mit-
erlebt, wie sich die Datenverarbeitung von einer Kartei-
karte hin zu elektronischen Programmen verändert hat.
Der Bundestag hat diese Veränderung aktiv begleitet.
In der 16. Legislaturperiode gab es zwei gemeinsame
Beschlussempfehlungen aller Fraktionen, mit denen die
Bundesregierung aufgefordert wurde, ein Arbeitnehmer-
datenschutzgesetz zu erarbeiten.
Auch heute soll die Bundesregierung aufgefordert
werden, einen Gesetzentwurf zum Arbeitnehmerdaten-
schutz vorzulegen. Das haben wir als Parlament in den
letzten Jahren schon oft getan. Nur passiert ist fast
nichts.
In der Großen Koalition war immer wieder umstrit-
ten, ob denn nun das Innenministerium oder das Arbeits-
ministerium zuständig ist. Herr Schäuble hat einen Ge-
setzentwurf aber nach Kräften verhindert. Nachdem von
Schäuble nichts kam, hat Olaf Scholz im Arbeitsministe-
rium gehandelt.
Meine Damen und Herren von der FDP, fassen Sie
das als Ratschlag auf: Wir Sozialdemokraten mussten
immer wieder feststellen, dass die Union sich nach Kräf-
ten gegen einen effektiven Arbeitnehmerdatenschutz
wehrt. Sie stellt die Wirtschaftsinteressen und deren
Lobbyarbeit über die Interessen der Arbeitnehmer. Seien
Sie also darauf gefasst, dass die Union auch die Verwirk-
lichung Ihrer Pläne, die Sie machmal in den Reden hier
im Plenum vortragen, auf die lange Bank schieben wird.
Lassen Sie mich kurz darauf eingehen, warum eine
Neuregelung des Arbeitnehmerdatenschutzes dringlich
ist, und dies nicht nur wegen der zahlreichen uns be-
kannten Skandale:
Erstens. Arbeitnehmerdatenschutz soll derzeit haupt-
sächlich über betriebliche Vereinbarungen zwischen Be-
triebsrat und Unternehmen geregelt werden. Was pas-
siert aber in Betrieben, in denen gar kein Betriebsrat
existiert? Das sind rechtsfreie Räume im Bereich des Ar-
beitnehmerdatenschutzes. Diese müssen wir durch ein
einheitliches Gesetz schließen und Arbeitnehmerdaten-
schutz für alle Beschäftigten gewährleisten.
Zweitens. Wir müssen festlegen, welche Daten in Be-
werbungsverfahren abgefragt werden dürfen. Diese
müssen in einem Verhältnis zur Beschäftigung stehen.
Hier brauchen wir klare Regeln, damit die Arbeitnehmer
ihre Rechte kennen und Arbeitgeber wissen, was sie ver-
langen dürfen und wo die Grenzen sind.
Drittens. Wir müssen regeln, wann gesundheitliche
Überprüfungen zulässig sind und was dabei untersucht
werden darf. Gesundheitliche Tests dürfen nur dann zu-
gelassen werden, wenn sie direkt mit dem Arbeitsplatz
zusammenhängen.
Viertens. Wir müssen klären, wann eine private Tele-
fon- und Internetnutzung am Arbeitsplatz zulässig ist.
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enn eine private Nutzung erlaubt wird, muss klar sein,
ass der Arbeitgeber nicht mitliest.
Fünftens. Videoüberwachung und sonstige Formen
er Überwachung müssen gesetzlich beschränkt werden.
ine heimliche Videoüberwachung ist unzulässig. Dies
st derzeit nirgends gesetzlich geregelt.
Sechstens. Wir wollen Beauftragte für den Arbeitneh-
erdatenschutz in Betrieben ab fünf Personen schaffen.
amit soll auch die Sensibilität der Beschäftigten für
en Umgang mit ihren Daten gestärkt werden.
Siebtens. Wir müssen klare Kontrollrechte für die Be-
chäftigten schaffen. Sie müssen benachrichtigt werden,
enn Daten von ihnen gespeichert werden. Sie müssen
in Recht auf Einsicht und auf Auskunft bekommen.
Achtens. Wir müssen klare Regeln für Schadenersatz
efinieren. Was bekommen Beschäftigte für den materi-
llen oder immateriellen Schaden, den sie erleiden, wenn
hre Daten missbraucht werden? Auch müssen wir Sank-
ionen für Missbrauch festlegen.
Das sind wichtige Themen für ein Arbeitnehmerda-
enschutzgesetz. Diese Themen sind zu wichtig, als dass
ie „verwurschtelt“ werden und in zahlreiche bisher be-
tehende Gesetze eingearbeitet werden können. Wir
rauchen ein Gesetz aus einem Guss.
Immer wieder reden wir von Bürokratieabbau. Fakt
st, dass sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber auf
echtsberater angewiesen sind, um die derzeit unüber-
ichtliche Lage im Arbeitnehmerdatenschutz überhaupt
u verstehen.
Meine Kollegen von der Unionsfraktion, wer wirklich
ürokratie abbauen will, muss mit klaren und verständli-
hen Gesetzen anfangen. Dazu brauchen wir ein eigenes
rbeitnehmerdatenschutzgesetz. Wir als SPD-Fraktion
aben in der Debatte am 3. Dezember einen umfassen-
en Gesetzentwurf eingebracht, in dem all diese Punkte
ehandelt werden.
Meine Kolleginnen und Kollegen von der Linken,
ier möchte ich auf Ihren Antrag zu sprechen kommen.
uch Sie behandeln viele der Punkte, die ich gerade an-
esprochen habe. Aber das meiste haben wir auch schon
n der vergangenen Debatte besprochen. Daher empfehle
ch Ihnen, sich noch einmal unseren Gesetzentwurf an-
uschauen.
Wie ich Ihnen bereits dargelegt habe, wird mit der
nion nichts passieren. Der Lobbydruck auf diese Partei
st zu groß, als dass die Union wirklich die Arbeitneh-
erinteressen für mehr Datenschutz in den Mittelpunkt
tellt. Ein Gesetzentwurf der Bundesregierung wird hier
o schnell nicht auftauchen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linken, von
en Grünen – Sie haben ja auch bereits einen Antrag zu
iesem Thema gestellt – und liebe Kolleginnen und Kol-
egen der FDP: Sie sind gut beraten, nicht auf die Minis-
erien der Union zu warten. Nutzen Sie die Chance, an
nserem soliden Gesetzentwurf, der nun federführend
eim Innenausschuss liegt, mitzuarbeiten. Es gibt in die-
em Hause eine Mehrheit für einen besseren Arbeitneh-
2252 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 25. Sitzung. Berlin, Freitag, den 26. Februar 2010
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merdatenschutz! Nur gemeinsam können wir etwas im
Sinne der Arbeitnehmer und gegen die Lobbyinteressen
der Wirtschaft erreichen.
Ich freue mich auf unsere Zusammenarbeit.
Gisela Piltz (FDP): Arbeitnehmerdatenschutz be-
schäftigt den Deutschen Bundestag, und es beschäftigt
diese christlich-liberale Koalition. Die Notwendigkeit
zur Schaffung klarer Strukturen liegt für diesen Bereich
klar auf der Hand. Gerade während eines Beschäfti-
gungsverhältnisses sammeln sich umfangreiche perso-
nenbezogene Daten der Mitarbeiterinnen und Mitarbei-
ter an, deren Handhabung sich oft in Grauzonen bewegt.
Auch wenn sich in der betrieblichen Praxis mit der Zeit
bestimmte Standards im Umgang mit personenbezoge-
nen Daten herauskristallisiert haben, entbindet das den
Gesetzgeber nicht von der Vorgabe eindeutiger Rahmen-
bedingungen, und auch wenn das Bundesdatenschutzge-
setz schon in seiner aktuellen Fassung für die Arbeits-
welt gilt, sind die hier normierten Abwägungsgrundsätze
für den Einzelfall, gerade solche Einzelfälle am Arbeits-
platz, in den meisten Fällen ungeeignet.
Es war die FDP-Bundestagsfraktion, die gemeinsam
mit den Grünen und der Linken in der zurückliegenden
Legislaturperiode Vorschläge zur Verbesserung des Da-
tenschutzes am Arbeitsplatz eingebracht hat, und es wa-
ren die Anträge eben jener drei Fraktionen, die im Mai
des vergangenen Jahres Grundlage der öffentlichen An-
hörung im Ausschuss für Arbeit und Soziales waren.
Vergebens hatten wir stets auf einen Antrag des seiner-
zeit zuständigen SPD-geführten Arbeitsministeriums ge-
wartet. Mit diesem eklatanten gesetzgeberischen Versa-
gen ist in dieser Legislatur endlich Schluss. Wir werden
als christlich-liberale Koalition hier endlich Fakten
schaffen.
Der Antrag, über den wir heute debattieren, ist zum
überwiegenden Teil eine Kopie Ihres Antrages aus der
16. Wahlperiode, meine Damen und Herren von der Lin-
ken. Ich gebe gerne zu, dass Ihr Antrag an einigen Stel-
len durchaus eine gewisse Schnittmenge mit dem Antrag
der FDP aus der zurückliegenden Legislatur aufweist.
Geht man jedoch ins Detail, findet sich leider aber auch
viel Unbrauchbares, findet sich zum Teil bereits gesetz-
lich Geregeltes, finden sich Forderungen, die an der be-
trieblichen Praxis weit vorbeigehen.
So halte ich ihre Forderung nach einem gesonderten
Arbeitnehmerdatenschutzrecht nach wie vor für falsch.
Nach meiner festen Überzeugung tut der Gesetzgeber
gut daran, das Datenschutzrecht nicht durch immer neue
bereichsspezifische Regelungen weiter aufzufächern.
Rechtszersplitterung hat noch nie zu einer verbesserten
Handhabung des Rechts beigetragen. Gerade eine ver-
besserte Lesbarkeit des Rechts und damit eine bessere
Anwendbarkeit des Rechts müssen aber die Leitlinie ge-
setzgeberischen Handelns in der Zukunft sein.
Einzelne Forderungen aus Ihrem Antrag sind daneben
geradezu weltfremd. Die Datenverarbeitung aufgrund ei-
ner Einwilligung des Betroffenen völlig zu verbieten,
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eht an den Anforderungen der Praxis genauso vorbei
ie der von Ihnen an vielen Stellen propagierte Gleich-
auf der Mitbestimmungsrechte von betrieblichen Daten-
chutzbeauftragten auf der einen und Betriebsrat auf der
nderen Seite. Viele Ihrer Forderungen würden den Ab-
auf in den Betrieben in kürzester Zeit lahmlegen.
Der dringend nötige verbesserte Schutz von Arbeit-
ehmerdaten darf doch aber nicht dazu führen, dass den
nternehmen bürokratische Hürden auferlegt werden,
ie selbst bei bestem Willen nicht zu meistern sind. Al-
ein die von Ihnen geforderten Informationspflichten wä-
en für viele Unternehmen schlicht nicht leistbar.
Neue Regelungen zum Schutz von Arbeitnehmerda-
en werden nur dann erfolgreich sein, wenn zugleich die
nteressen der Unternehmen nicht vernachlässigt wer-
en. Compliance und Revision sind Tagesgeschäft in
en Unternehmen. Gerade deshalb haben auch die Un-
ernehmen ein großes Interesse an und einen Anspruch
uf Rechtsklarheit und Rechtssicherheit. Letztlich liegt
ie Bekämpfung von Mobbing, Spionage oder Korrup-
ion im Interesse aller, das heißt auch im Interesse der
rbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer selbst.
Die Bundesregierung bekennt sich klar zur Notwen-
igkeit neuer gesetzlicher Regelungen im Bereich des
rbeitnehmerdatenschutzes. Sie können sich sicher sein
und das sage ich vor allem an die Adresse der Kolle-
innen und Kollegen der SPD –: Diese neue Bundesre-
ierung nimmt die datenschutzrechtlichen Belange der
rbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ernst. Die Ab-
timmung zwischen den beteiligten Ressorts und den
oalitionsfraktionen ist in vollem Gange. Parallel hierzu
uss auch von den Unternehmen selbst ein Umdenken
ingefordert werden. Der Schutz und die Achtung von
rbeitnehmerdaten müssen ein Teil der Kultur des Un-
ernehmens sein. Die Persönlichkeitsrechte des Einzel-
en enden nun einmal nicht am Werkstor. So wenig der
taat einen Anspruch auf den gläsernen Bürger hat, so
enig steht dem Unternehmer ein allumfassendes Profil
einer Belegschaft zu. Für die Rahmenbedingungen wer-
en wir in diesem Jahr endlich sorgen.
Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
EN): Jetzt hat auch die Linke einen Vorschlag zum Be-
chäftigtendatenschutz vorgelegt. Es zeigt sich: Die Op-
osition denkt bei diesem Thema ähnlich. Das ist eine
ute Grundlage für eine weitere Zusammenarbeit.
Vor allem aber würde ich mich freuen, wenn es beim
eschäftigtendatenschutz eine fraktionsübergreifende Zu-
ammenarbeit geben würde, also auch mit der CDU/CSU
nd mit der FDP. Es wäre gut, wenn wir Parlamentarier
en Bürgerinnen und Bürgern einmal zeigen würden,
ass wir auch fraktionsübergreifend zusammenarbeiten
önnen. Insbesondere mit der FDP, die sich die Bürger-
echte auf die Fahnen geschrieben hat, könnte ich mir
ei diesem Thema auch einmal eine Zusammenarbeit
orstellen. Zumindest wenn ich die Äußerungen der
DP-Justizministerin lese, glaube ich, dass es auch mit
eilen der FDP eine grundsätzliche Einigkeit gibt. Denn
eschäftigte sind auch Bürgerinnen und Bürger, die ei-
en besonderen Schutz ihrer Privatsphäre brauchen.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 25. Sitzung. Berlin, Freitag, den 26. Februar 2010 2253
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(B) )
Die Datenschutzskandale in zahlreichen Unternehmen
– bei der Bahn, bei der Telekom, bei Lidl oder bei Daim-
ler – stehen im Raum, und ich bin mir sicher, dass noch
einige folgen werden. Wir müssen also die rechtlichen
Grauzonen beseitigen und brauchen baldmöglichst eine
sichere Rechtsgrundlage für alle Beteiligten. Deswegen
appelliere ich an die Regierungsfraktionen: Schaffen Sie
endlich Klarheit. Bringen Sie ein eigenständiges Arbeit-
nehmerdatenschutzgesetz auf den Weg, das die Persön-
lichkeitsrechte der Beschäftigten stärkt, Datenklau am
Arbeitsplatz verhindert und den berechtigten Interessen
der Arbeitgeber Rechnung trägt. So kann die Politik zu
einer guten Unternehmenskultur und zu einem vertrau-
ensvollen Miteinander im Betrieb beitragen.
Die grüne Fraktion bleibt dabei: Wir wollen ein ei-
genständiges Gesetz, und dafür gibt es gute Gründe:
Erstens wird der Beschäftigtendatenschutz bisher
durch verschiedene Gesetze geregelt, zum Beispiel
durch das Betriebsverfassungsgesetz, das Bundesdaten-
schutzgesetz, das Telemediengesetz und individuelle Be-
triebs- oder Dienstvereinbarungen. Durch die Zersplitte-
rung der Rechtsgrundlage entstehen Gesetzeslücken.
Chaos, Verwirrung und Missbrauch werden gefördert.
Zweitens kritisieren Datenschützer, dass die derzeiti-
gen Gesetze die komplexen Abläufe der Arbeitswelt
nicht mehr ausreichend berücksichtigen.
Drittens fordert auch der Bundesdatenschutzbeauf-
tragte ein eigenständiges Gesetz, da die allgemeinen Re-
geln des Bundesdatenschutzgesetzes für den Schutz der
Beschäftigtendaten nicht ausreichen. Personenbezogene
Daten können erhoben, verarbeitet und genutzt werden,
wenn die Betroffenen einwilligen. An dieser Stelle ist
das problematisch, da ein Arbeitsverhältnis auch immer
ein Abhängigkeitsverhältnis ist. Bitte nehmen Sie den
Bundesdatenschutzbeauftragten endlich ernst.
Wichtig ist uns Grünen aber auch, dass die Daten der
Arbeitsuchenden, die von der Bundesagentur für Arbeit
betreut werden, besser geschützt werden. Wir wollen hö-
here Strafen bei Datenmissbrauch; Datenklau ist nun
einmal kein Kavaliersdelikt. Zudem wollen wir ein Kla-
gerecht für Betriebsräte und für Gewerkschaften, damit
auch Beschäftigte – ohne eine betriebliche Interessen-
vertretung – zu ihrem Recht kommen können.
lch sage es nochmal: Ich hoffe, dass alle Fraktionen
über ihren Schatten springen und bei diesem wichtigen,
mit wenig Ideologie beladenen Thema zusammenarbei-
ten – im Interesse der Beschäftigten. Lassen Sie uns eine
Reform des Beschäftigtendatenschutzes gemeinsam an-
packen.
Anlage 8
Amtliche Mitteilungen
Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat mit-
geteilt, dass sie den Entwurf eines Gesetzes zur Aufhe-
bung des Beschlusses des Deutschen Bundestages
vom 18. Juni 2009 über das Gesetz zur Bekämpfung
der Kinderpornografie in Kommunikationsnetzen
auf Drucksache 17/661 zurückzieht.
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(C
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Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben
itgeteilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Absatz 3 Satz 2
er Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu der
achstehenden Vorlage absieht:
Auswärtiger Ausschuss
– Unterrichtung durch die deutsche Delegation in der Parla-
mentarischen Versammlung der OSZE
18. Jahrestagung der Parlamentarischen Versammlung
der OSZE vom 29. Juni bis 3. Juli 2009 in Wilna, Li-
tauen
– Drucksachen 17/7, 17/85 Nr. 1.1 –
[Berichtigung: Die in der Amtlichen Mitteilung vom 22. Ja-
nuar 2010 für den Ausschuss für die Ange-
legenheiten der Europäischen Union mitge-
teilte Kenntnisnahme der Drucksache 17/7
ist hinfällig.]
Haushaltsausschuss
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Haushaltsführung 2009
Mitteilung gemäß § 37 Absatz 4 der Bundeshaushalts-
ordnung über die Einwilligung in eine überplanmäßige
Ausgabe bei Kapitel 12 03 Titel 811 31 – Erwerb von
Fahrzeugen – bis zur Höhe von 26,459 Mio. Euro
– Drucksachen 16/14114, 17/591 Nr. 1.31 –
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Haushaltsführung 2009
Mitteilung gemäß § 37 Absatz 4 der Bundeshaushalts-
ordnung über die Einwilligung in eine überplanmäßige
Ausgabe bei Kapitel 17 02 Titel 684 22 – Förderung von
Modellprojekten zur Einrichtung von Mehrgeneratio-
nenhäusern – bis zur Höhe von 8,838 Mio. Euro
– Drucksachen 16/14155, 17/591 Nr. 1.41 –
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Haushaltsführung 2009
Mitteilung gemäß § 37 Absatz 4 der Bundeshaushalts-
ordnung über die Einwilligung in eine überplanmäßige
Ausgabe bei Kapitel 11 10 Titel 681 01 – Versorgungsbe-
züge für Beschädigte – bis zur Höhe von 8 Mio. Euro
– Drucksachen 17/299, 17/503 Nr. 1.1 –
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Haushaltsführung 2009
Mitteilung gemäß § 37 Absatz 4 der Bundeshaushalts-
ordnung über die Einwilligung in eine überplanmäßige
Ausgabe bei Kapitel 08 04 Titel 688 04 – Zahlungen an
die EU für abzuführende Zölle, soweit diese nicht einge-
nommen worden sind, einschließlich Zinsen gemäß Ar-
tikel 11 der Verordnung Nr. 1150/2000 – bis zur Höhe
von 4,901 Mio. Euro
– Drucksachen 17/353, 17/503 Nr. 1.3 –
Ausschuss für Arbeit und Soziales
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Bericht der Bundesregierung über die gesetzliche Ren-
tenversicherung, insbesondere über die Entwicklung
der Einnahmen und Ausgaben, der Nachhaltigkeits-
rücklage sowie des jeweils erforderlichen Beitragssatzes
in den künftigen 15 Kalenderjahren (Rentenversiche-
rungsbericht 2009)
– Drucksachen 17/52, 17/317 Nr. 1 –
2254 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 25. Sitzung. Berlin, Freitag, den 26. Februar 2010
(A) (C)
(B) (D)
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Lagebericht der Bundesregierung über die Alterssiche-
rung der Landwirte 2009
– Drucksachen 17/55, 17/317 Nr. 2 –
Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben
mitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden Unions-
dokumente zur Kenntnis genommen oder von einer Bera-
tung abgesehen hat.
Auswärtiger Ausschuss
Drucksache 17/178 Nr. A.1
Ratsdokument 14610/2/09 REV 2
Drucksache 17/178 Nr. A.2
Ratsdokument 15872/09
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Drucksache 17/136 Nr. A.61
Ratsdokument 10769/09
Drucksache 17/136 Nr. A.64
Ratsdokument 11948/09
Ausschuss für Gesundheit
Drucksache 17/178 Nr. A.29
Ratsdokument 15243/09
Drucksache 17/178 Nr. A.30
Ratsdokument 15450/09
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Drucksache 17/178 Nr. A.31
Ratsdokument 15469/09
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung
Drucksache 17/136 Nr. A.104
Ratsdokument 11863/09
25. Sitzung
Berlin, Freitag, den 26. Februar 2010
Inhalt:
Redetext
Anlagen zum Stenografischen Bericht
Anlage 1
Anlage 2
Anlage 3
Anlage 4
Anlage 5
Anlage 6
Anlage 7
Anlage 8