Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am Ver-
halten der Deutschen in der Umweltpolitik richten sich
viele andere aus. Wenn sich die Deutschen in einer Sa-
che zurückhalten, dann bleiben auch viele andere in der
Deckung. Das merken die Teilnehmer an internationalen
Umweltkonferenzen immer wieder. Deshalb brauchen
wir in der jetzigen Phase einer gewissen Stagnation in
der internationalen Klimapolitik einen neuen Anschub.
Herr Bundesminister Röttgen, wir wünschen Ihnen
Glück im neuen Amt. Ich darf Ihnen die volle Unterstüt-
zung der Umweltpolitiker und Umweltpolitikerinnen der
Union zusagen. Wir erwarten allerdings viel von Ihnen.
Die erste große Herausforderung liegt jetzt in Kopenha-
gen. Dort muss der gordische Knoten der gegenseitigen
Zurückhaltung durchschlagen und es müssen konkrete
Angebote für den internationalen Waldschutz und für die
Entwicklung klimaverträglicher Technologien in den
Entwicklungsländern auf den Tisch gelegt werden.
Ich möchte Ihnen sehr danken, dass Sie sich, was die
Ziele für Kopenhagen angeht, so klar positioniert haben.
Wir haben es auf innereuropäischer Ebene mit dem-
selben Sachverhalt zu tun. Ich nenne das Gezerre um die
sogenannten Nullenergiehäuser bei Neubauten ab 2019,
die das Europäische Parlament vorschreiben will, oder
auch um die verpflichtenden Anreize in der europäi-
schen Gebäudeeffizienzrichtlinie für die energetische
Sanierung von Altbauten. Der Europäische Rat ist nach
wie vor dagegen. Wir in Deutschland haben solche An-
reize mit den KfW-Programmen, mit dem Marktanreiz-
programm des Umweltministeriums, und ich hoffe, es
wird eines Tages auch steuerliche Anreize geben, weil
da viel Geld sinnvoll lockergemacht werden kann für
den Klimaschutz, für Energieeinsparung und für Arbeits-
plätze in Handwerk und Mittelstand.
Der Wandel von einer zentralen zu einer dezentralen
Stromerzeugung, die Abwärme vermeidet, wo Ab-
wärme also nicht ungenutzt bleibt, sondern zusammen
mit der Stromerzeugung sinnvoll genutzt werden kann,
ist ein Schlüssel für unsere technologische Wettbewerbs-
fähigkeit auf den Weltmärkten der Zukunft und natürlich
auch für den Klimaschutz.
Deswegen möchte ich an dieser Stelle auf die Verlän-
gerung von Laufzeiten eingehen. Herr Kollege Kauch
hat völlig recht. Im Vertrag steht: Wir sind bereit, Lauf-
zeiten zu verlängern. – Aber ich sage hier auch ganz
deutlich: Wenn die Begrenzung der Laufzeiten fällt,
dann müssen auch die Gegenleistungen im Ausstiegsver-
trag der damaligen rot-grünen Koalition vom Juni 2000
fallen, nämlich die steuerliche Begünstigung der Rückla-
gen, die Begrenzung der Versicherungspflicht für Reak-
toren, die bis zu zehn Jahre langen Prüfungsintervalle
und die Begünstigung – es ist da von „ungestörtem Be-
trieb“ die Rede – im Wettbewerb mit anderen Formen
der Stromerzeugung. Das zusammen schafft ein Klima,
das man entweder für Innovationen nutzen kann oder für
die Zementierung von Zuständen. Unser Nachbarland
Belgien macht übrigens im Moment vor, wie ein solcher
Energievertrag für ein ganzes Land aussehen kann.
Die Internationale Energieagentur hat gestern be-
kanntgegeben, dass die Investitionen im Energiesektor
wegen der Finanzkrise um 20 Prozent eingebrochen
sind. Die Umweltpolitik hat ein elementares Interesse an
einer wirkungsvollen Regulierung des Finanzsektors.
Das Geld, das zur Rettung von Banken ausgegeben wer-
den muss, steht nicht mehr für technische Innovationen
und für den Klimaschutz zur Verfügung.
Ich denke, dass an der Stelle eine neue kulturell-geis-
tige Diskussion angebracht ist, die das Überstülpen von
ökonomischen Kategorien auf alle Lebensvorgänge
überwindet. Da möchte ich Sie, Herr Minister Röttgen,
zitieren und unterstützen. Sie haben die ethische Veran-
kerung der Umweltpolitik angemahnt. Die aktuelle Situ-
ation hat niemand besser beschrieben als Roger de Weck
in der FAZ vom vergangenen Sonntag. In einem Artikel
hat er geschrieben:
Die derzeitige Krise … ist eine Folge … jener
Denkweise, die alles nach wirtschaftlichen Ge-
sichtspunkten beurteilt und nur wirtschaftliche Ka-
tegorien anerkennt …
Heute beherrscht der Markt die Gesellschaft, statt
ihr zu dienen.
Die Umweltpolitik der nächsten vier Jahre steht deshalb,
so denke ich, auch unter einem starken Werteanspruch.
Gehen wir an unsere Aufgaben heran im Bewusstsein
der Fülle des Lebens!