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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 16/230 Abgabe einer Regierungserklärung durch die Bundeskanzlerin: zum G-8-Weltwirtschafts- gipfel vom 8. bis 10. Juli 2009 in L’Aquila Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin . . . . . . . Dr. Guido Westerwelle (FDP) . . . . . . . . . . . . Hans Eichel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Oskar Lafontaine (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Laurenz Meyer (Hamm) (CDU/CSU) . . . . . . Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Renate Künast (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jörg-Otto Spiller (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Michael Meister (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Schulz (Spandau), Dr. Peter Danckert, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Detlef Parr, Dr. Max Stadler, Christian Ahrendt, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Unterstützung der Bewerbung der Landeshauptstadt München zur Aus- richtung der XXIII. Olympischen und XII. Paralympischen Winterspiele 2018 (Drucksachen 16/13481, 16/13649) . . . . . c) Beschlussempfehlung und Bericht des Sportausschusses zu dem Antrag der Ab- geordneten Klaus Riegert, Norbert Barthle, Antje Blumenthal, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Dagmar Freitag, Dr. Peter Danckert, Martin Gerster, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion der 25616 D 25616 D 25621 A 25623 B 25625 B 25628 A 25629 B 25630 A 25632 D 25634 A 25640 A Deutscher B Stenografisc 230. Si Berlin, Donnerstag I n h a Wahl des Abgeordneten René Röspel als Mit- glied im Senat des Hermann von Helm- holtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungs- zentren e.V. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wahl der Abgeordneten Gabriele Lösekrug- Möller als stellvertretendes Mitglied im Bei- rat bei der Bundesnetzagentur für Elektri- zität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erweiterung und Abwicklung der Tagesord- nung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rückgängigmachung einer Ausschussüber- weisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 4: 25613 A 25613 B 25613 B 25616 C Ortwin Runde (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Dr. Sascha Raabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 25636 A 25637 B 25638 C undestag her Bericht tzung , den 2. Juli 2009 l t : Tagesordnungspunkt 5: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Sportausschusses zu dem Antrag der Ab- geordneten Klaus Riegert, Wolfgang Bosbach, Norbert Barthle, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Swen Schulz (Spandau), Dagmar Freitag, Dr. Peter Danckert, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Sport fördert Integra- tion (Drucksachen 16/13177, 16/13578) . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Sportausschusses zu dem Antrag der Ab- geordneten Klaus Riegert, Wolfgang Bosbach, Norbert Barthle, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der CDU/CSU, der Abgeordneten Dagmar Freitag, Swen 25639 D SPD: Duale Karrieren im Spitzenspo fördern und den Hochschulsport strat gisch weiterentwickeln (Drucksachen 16/10882, 16/13057) . . . . rt e- . 25640 B II Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 d) Beschlussempfehlung und Bericht des Sportausschusses – zu dem Antrag der Abgeordneten Klaus Riegert, Wolfgang Bosbach, Norbert Barthle, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Dagmar Freitag, Dr. Peter Danckert, Martin Gerster, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Gesellschaftli- che Bedeutung des Sports – zu dem Antrag der Abgeordneten Detlef Parr, Joachim Günther (Plauen), Miriam Gruß, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Positive Auswirkungen des Sports auf die Gesellschaft nutzen und weiter för- dern – zu dem Antrag der Abgeordneten Winfried Hermann, Katrin Göring- Eckardt, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Maß- nahmen für eine moderne und zu- kunftsfähige Sportpolitik auf den Weg bringen (Drucksachen 16/11217, 16/11174, 16/11199, 16/13058) . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Beschlussempfehlung und Bericht des Sportausschusses zu dem Bericht des Aus- schusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung gemäß § 56 a der Geschäftsordnung: Technikfolgenab- schätzung (TA) TA-Projekt: Gendoping (Drucksachen 16/9552, 16/13059) . . . . . . f) Beschlussempfehlung und Bericht des Sportausschusses zu dem Antrag der Ab- geordneten Monika Lazar, Winfried Hermann, Katrin Göring-Eckardt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Alle Formen von Diskriminierungen thematisieren – Bür- gerrechte von Fußballfans stärken – Für einen friedlichen und integrativen Fußballsport (Drucksachen 16/12115, 16/13504) . . . . . g) Beschlussempfehlung und Bericht des Sportausschusses zu dem Antrag der Ab- geordneten Winfried Hermann, Katrin Göring-Eckardt, Volker Beck (Köln), wei- terer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Doping- vergangenheit umfassend aufarbeiten (Drucksachen 16/13175, 16/13579) . . . . . Peter Rauen (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . Detlef Parr (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dagmar Freitag (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25640 B 25640 C 25640 D 25640 D 25641 A 25642 A 25644 A Katrin Kunert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bernd Heynemann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Swen Schulz (Spandau) (SPD) . . . . . . . . . . . Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Martin Gerster (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ingrid Fischbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Dr. Peter Danckert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 76: Erste Beratung des von den Abgeordneten Volker Beck (Köln), Monika Lazar, Claudia Roth (Augsburg), weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts (Drucksache 16/13596) . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 77: b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Ver- braucherkreditrichtlinie, des zivilrecht- lichen Teils der Zahlungsdiensterichtli- nie sowie zur Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufs- und Rückgaberecht (Drucksachen 16/11643, 16/13669) . . . . . c) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung des Rah- menbeschlusses 2006/783/JI des Rates vom 6. Oktober 2006 über die Anwen- dung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf Einziehungsentschei- dungen (Umsetzungsgesetz Rahmenbe- schluss Einziehung) (Drucksachen 16/12320, 16/13673) . . . . . d) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Josef Philip Winkler, Volker Beck (Köln), Wolfgang Wieland, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbes- serung der sozialen Situation von Aus- länderinnen und Ausländern, die ohne Aufenthaltsstatus in Deutschland leben (Drucksachen 16/445, 16/13493) . . . . . . . e) Beschlussempfehlung und Bericht des In- nenausschusses zu dem Antrag der Abge- ordneten Ulla Jelpke, Sevim Dağdelen, Kersten Naumann, Petra Pau und der 25645 D 25647 D 25649 D 25650 D 25651 D 25653 C 25654 D 25656 A 25658 C 25659 A 25659 B 25659 D Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 III Fraktion DIE LINKE: Für die unbe- schränkte Geltung der Menschenrechte in Deutschland (Drucksachen 16/1202, 16/13493) . . . . . . f) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union zu dem Antrag der Abgeordneten Christian Ahrendt, Markus Löning, Michael Link (Heilbronn), weite- rer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Den Kommunen an den Grenzen zu Polen und der Tschechischen Repu- blik die Zusammenarbeit mit diesen Ländern erleichtern (Drucksachen 16/456, 16/9696) . . . . . . . . g) Beschlussempfehlung und Bericht des In- nenausschusses zu dem Antrag der Abge- ordneten Ulla Jelpke, Wolfgang Nešković, Sevim Dağdelen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: 15 Jahre nach Änderung des Grundrechts auf Asyl – Für einen rechtsstaatlichen Um- gang mit Schutzsuchenden in Deutsch- land und in der Europäischen Union (Drucksachen 16/8838, 16/10512) . . . . . . h) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Ab- geordneten Sylvia Kotting-Uhl, Hans- Josef Fell, Bärbel Höhn, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Von der Abfallpolitik zur Ressourcenpolitik – Von der Verpa- ckungsverordnung zur Wertstoffver- ordnung (Drucksachen 16/8537, 16/11974) . . . . . . i) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Ab- geordneten Sylvia Kotting-Uhl, Hans- Josef Fell, Bärbel Höhn, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Mehrwegsysteme durch Lenkungsabgabe auf Einwegverpa- ckungen stützen (Drucksachen 16/11449, 16/11985) . . . . . j) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu dem Antrag der Abgeord- neten Diana Golze, Klaus Ernst, Dr. Martina Bunge, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Mitbestim- mungsrechte von Kindern und Jugend- lichen erweitern – Partizipation umfas- send sichern (Drucksachen 16/7110, 16/12984) . . . . . . k) Beschlussempfehlung und Bericht des In- nenausschusses zu dem Antrag der Abge- ordneten Josef Philip Winkler, Wolfgang 25660 A 25660 B 25660 B 25660 C 25660 D 25661 A Wieland, Jerzy Montag, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Visumfreie Einreise tür- kischer Staatsangehöriger für Kurzauf- enthalte ermöglichen (Drucksachen 16/12437, 16/13313) . . . . . l) Beschlussempfehlung und Bericht des Fi- nanzausschusses zu dem Antrag der Abge- ordneten Kerstin Andreae, Peter Hettlich, Christine Scheel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Zügig Grundsteuerreform auf den Weg bringen (Drucksachen 16/1147, 16/13445) . . . . . . m) Beschlussempfehlung und Bericht des Fi- nanzausschusses zu dem Antrag der Abge- ordneten Dr. Gerhard Schick, Winfried Hermann, Bettina Herlitzius, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Besteuerung von Dienstwagen CO2-effizient ausrichten und Privilegien abbauen (Drucksachen 16/10978, 16/13447) . . . . . n) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirt- schaft und Verbraucherschutz zu dem An- trag der Abgeordneten Undine Kurth (Quedlinburg), Cornelia Behm, Ulrike Höfken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Bleihaltige Jagdmunition verbieten (Drucksachen 16/13173, 16/13529) . . . . . o) Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu dem Antrag der Ab- geordneten Dr. Barbara Höll, Dr. Martina Bunge, Sevim Dağdelen, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion DIE LINKE: Vielfalt der Lebensweisen anerkennen und rechtliche Gleichbehandlung ho- mosexueller Paare sicherstellen (Drucksachen 16/5184, 16/13668) . . . . . . q) Beschlussempfehlung und Bericht des In- nenausschusses – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch, Dr. Dietmar Bartsch, Karin Binder, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Keine Lobbyisten in den Ministerien – zu dem Antrag der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Birgitt Bender, Alexander Bonde, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Transparenz herstel- len – Empfehlungen des Bundes- rechnungshofes zur Mitarbeit von Beschäftigten aus Verbänden und Unternehmen in obersten Bundesbe- hörden zügig umsetzen (Drucksachen 16/9484, 16/8762, 16/13660) 25661 B 25661 C 25661 C 25661 D 25662 A 25662 B IV Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 r) Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses – zu dem Antrag der Abgeordneten Sevim Dağdelen, Karin Binder, Dr. Barbara Höll, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion DIE LINKE: Effektiven Diskriminierungsschutz verwirklichen – zu dem Antrag der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Irmingard Schewe-Gerigk, Markus Kurth, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das europäische Antidiskriminierungs- recht weiterentwickeln – zu dem Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN zu der Beratung der Großen An- frage der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Irmingard Schewe-Gerigk, Marieluise Beck (Bremen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Europäisches Jahr der Chancengleichheit für alle – zu dem Entschließungsantrag der Ab- geordneten Irmingard Schewe-Gerigk, Volker Beck (Köln), Kai Gehring, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung europäi- scher Richtlinien zur Verwirkli- chung des Grundsatzes der Gleich- behandlung (Drucksachen 16/9637, 16/8198, 16/7536, 16/2033, 16/13675) . . . . . . . . . . . . . . . . . . s) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu dem Entschließungs- antrag der Abgeordneten Bärbel Höhn, Thilo Hoppe, Hans-Josef Fell, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: zu der Abgabe einer Regierungserklärung durch die Bundeskanzlerin zum Europäischen Rat am 19./20. März 2009 in Brüssel und zum G-20-Gipfel am 2. April 2009 in London (Drucksachen 16/12298, 16/13626) . . . . . t) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zu dem An- trag der Abgeordneten Krista Sager, Kai Gehring, Priska Hinz (Herborn), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Zukunft schaf- fen, Bildung stärken – Bildungspoliti- 25662 D 25663 C sche Herausforderungen als gesamt- staatliche Aufgabe ernst nehmen (Drucksachen 16/12687, 16/13587) . . . . . u) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Tourismus zu dem Antrag der Abgeordneten Klaus Brähmig, Jürgen Klimke, Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Annette Faße, Renate Gradistanac, Siegmund Ehrmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Tourismuskooperation und Jugendaustausch mit den neuen EU- Staaten fördern (Drucksachen 16/12730, 16/13580) . . . . . v) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadt- entwicklung zu dem Antrag der Abgeord- neten Dr. Anton Hofreiter, Bettina Herlitzius, Winfried Hermann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Carsharing- Stellplätze baldmöglichst privilegieren (Drucksachen 16/12863, 16/13582) . . . . . w) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung – zu dem Antrag der Abgeordneten Uwe Barth, Cornelia Pieper, Patrick Meinhardt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Umsetzung der Bologna-Beschlüsse kritisch beglei- ten – zu dem Antrag der Abgeordneten Kai Gehring, Krista Sager, Priska Hinz (Herborn), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Bologna-Reform verbessern – Studienqualität erhöhen und soziale Dimension stärken – zu dem Antrag der Abgeordneten Kai Gehring, Krista Sager, Priska Hinz (Herborn), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Problem der ungenutzten Stu- dienplätze in zulassungsbeschränk- ten Studiengängen umgehend lösen – Staatsvertrag jetzt vereinbaren (Drucksachen 16/11910, 16/12736, 16/12476, 16/13586) . . . . . . . . . . . . . . . . x) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales zu dem Antrag der Abgeordneten Klaus Ernst, Volker Schneider (Saarbrücken), Dr. Barbara Höll, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Arbeitslo- 25663 D 25664 A 25664 B 25664 B Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 V sengeld I in der Krise befristet auf 24 Monate verlängern (Drucksachen 16/13368, 16/13627) . . . . . y) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadt- entwicklung zu dem Antrag der Abgeord- neten Winfried Hermann, Renate Künast, Hans-Christian Ströbele, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Bahnanbindung für den Flughafen Berlin Brandenburg Interna- tional optimieren und beschleunigen (Drucksachen 16/13397, 16/13653) . . . . . aa) Beschlussempfehlung des Rechtsaus- schusses: Übersicht 14 über die dem Deutschen Bundestag zu- geleiteten Streitsachen vor dem Bundes- verfassungsgericht (Drucksache 16/13676) . . . . . . . . . . . . . . . bb)Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu der Verordnung der Bundesregierung: Erste Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissions- schutzgesetzes (Verordnung über kleine und mittlere Feuerungsanlagen – 1. BImSchV) Drucksachen 16/13100, 16/13263 Nr. 2.1, 16/13678) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu der Verordnung der Bundesregierung: Verordnung zur Wei- terentwicklung des bundesweiten Aus- gleichsmechanismus (AusglMechV) (Drucksachen 16/13188, 16/13263 Nr. 2.2, 16/13651) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd)Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadt- entwicklung zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Grünbuch TEN-V: Überprüfung der Politik Ein besser integriertes transeuropäi- sches Verkehrsnetz im Dienst der ge- meinsamen Verkehrspolitik KOM(2009) 44 endg.; Ratsdok. 6135/09 (Drucksachen 16/12188 Nr. A.25, 16/13585) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Antrag der Abgeordneten Hellmut Königshaus, Jan Mücke, Horst Friedrich (Bayreuth), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Neubau der Dresdner Bahn beschleunigen – Schie- nenanbindung Berlin Brandenburg In- ternational (Drucksache 16/13183) . . . . . . . . . . . . . . . ff) Antrag der Abgeordneten Horst Friedrich (Bayreuth), Michael Kauch, Otto Fricke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion 25665 A 25665 A 25665 B 25665 C 25665 D 25665 D 25666 A der FDP: Innovativen Lärmschutz an Schienenwegen erproben – Strecke Em- merich–Oberhausen zur Teststrecke machen (Drucksache 16/13179) . . . . . . . . . . . . . . gg)–tt) Beschlussempfehlungen des Petitionsaus- schusses: Sammelübersichten 585, 586, 587, 588, 589, 590, 591, 592, 593, 594, 595, 596, 597 und 598 zu Petitionen (Drucksachen 16/13453, 16/13454, 16/13455, 16/13456, 16/13457, 16/13458, 16/13459, 16/13460, 16/13461, 16/13462, 16/13463, 16/13464, 16/13465, 16/13466) . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 2: a) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Volker Wissing, Frank Schäffler, Dr. Hermann Otto Solms, weite- ren Abgeordneten und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Änderung des Einkommensteu- ergesetzes (Drucksachen 16/7519, 16/13530) . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für wirtschaftliche Zusam- menarbeit und Entwicklung zu dem An- trag der Abgeordneten Ute Koczy, Thilo Hoppe, Irmingard Schewe-Gerigk, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Frauen stärken – Frieden sichern – Geschlech- tergerechtigkeit in der Entwicklungszu- sammenarbeit und der Konfliktbear- beitung vorantreiben (Drucksachen 16/10340, 16/13505) . . . . . c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für wirtschaftliche Zusam- menarbeit und Entwicklung zu dem An- trag der Abgeordneten Ute Koczy, Thilo Hoppe, Dr. Gerhard Schick, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Entwicklungs- länder bei der Bewältigung der Wirt- schafts- und Finanzkrise unterstützen (Drucksachen 16/13003, 16/13706) . . . . . d) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit – zu der Unterrichtung durch die Bun- desregierung: Vorschlag für eine Ver- ordnung des Europäischen Parla- ments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 zur Festlegung von Gemeinschafts- verfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Errich- 25666 B 25666 B 25667 D 25668 A 25668 B VI Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 tung einer Europäischen Arzneimit- tel-Agentur in Bezug auf die Infor- mation der breiten Öffentlichkeit über verschreibungspflichtige Hu- manarzneimittel (inkl. 17498/08 ADD 1 und 17498/08 ADD 2) (ADD 1 in Englisch) KOM(2008) 662 endg.; Ratsdok. 17498/08 – zu der Unterrichtung durch die Bun- desregierung: Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parla- ments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskode- xes für Humanarzneimittel in Be- zug auf die Information der breiten Öffentlichkeit über verschreibungs- pflichtige Arzneimittel KOM(2008) 663 endg.; Ratsdok. 17499/08 (Drucksachen 16/11819 A.15, 16/11819 A.16, 16/13266) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Ände- rung der Richtlinie 2006/116/EG des Europäischen Parlaments und des Ra- tes über die Schutzdauer des Urheber- rechts und bestimmter verwandter Schutzrechte (inkl. 12217/08 ADD 1 und 12217/08 ADD 2) KOM(2008) 464 endg.; Ratsdok. 12217/08 (Drucksachen 16/10286 Nr. A.21, 16/13674) f) Antrag der Abgeordneten Horst Friedrich (Bayreuth), Paul K. Friedhoff, Patrick Döring, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Kommunen bei der Finanzierung von Bahnübergängen ent- lasten (Drucksache 16/13448) . . . . . . . . . . . . . . . g) Antrag der Abgeordneten Uwe Schummer, Stefan Müller (Erlangen), Michael Kretschmer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU, der Abgeordneten Willi Brase, Ulla Burchardt, Dieter Grasedieck, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD, der Abgeordneten Patrick Meinhardt, Uwe Barth, Cornelia Pieper, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der FDP sowie der Abgeordneten Priska Hinz (Her- born), Kai Gehring, Krista Sager, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Gestaltung des Deutschen Qualifikationsrahmens (Drucksache 16/13615) . . . . . . . . . . . . . . . 25668 C 25668 D 25669 A 25669 A h) Antrag der Abgeordneten Peter Götz, Dirk Fischer (Hamburg), Dr. Klaus W. Lippold, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Uwe Beckmeyer, Sören Bartol, Christian Carstensen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Die Zulässigkeit von Kindertagesstätten in reinen Wohngebieten verbessern (Drucksache 16/13624) . . . . . . . . . . . . . . i)–z) Beschlussempfehlungen des Petitionsaus- schusses: Sammelübersichten 599, 600, 601, 602, 603, 604, 605, 606, 607, 608, 609, 610, 611, 612, 613, 614, 615 und 616 zu Petitionen (Drucksachen 16/13628, 16/13629, 16/13630, 16/13631, 16/13632, 16/13633, 16/13634, 16/13635, 16/13636, 16/13637, 16/13638, 16/13639, 16/13640, 16/13641, 16/13642, 16/13643, 16/13644, 16/13645) Zusatztagesordnungspunkt 3: a) Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes (Vermitt- lungsausschuss) zu dem Vierten Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Durch- führung der Gemeinsamen Marktorga- nisationen und der Direktzahlungen (Drucksachen 16/12231, 16/12517, 16/13081, 16/13607) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes (Vermitt- lungsausschuss) zu dem Ersten Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Helfer der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (Drucksachen 16/12854, 16/13016, 16/13358, 16/13608) . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 4: Wahl von Mitgliedern des Stiftungsrates der „Stiftung Berliner Schloss – Humboldt- forum“ – Wahlvorschläge der Fraktionen der CDU/ CSU, SPD und FDP (Drucksache 16/13661) . . . . . . . . . . . . . . – Wahlvorschläge der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Drucksache 16/13705) . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 5: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Haltung der Bundesregierung zu Meinungsverschieden- heiten in der CDU/CSU über Steuersen- kungsvorhaben und deren Finanzierung . . 25669 B 25669 C 25671 B 25671 C 25671 D 25671 D 25672 A Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 VII Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU) . . . . . Carl-Ludwig Thiele (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . Joachim Poß (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Manfred Kolbe (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Alexander Bonde (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nicolette Kressl, Parl. Staatssekretärin BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Christian Freiherr von Stetten (CDU/CSU) . . Lydia Westrich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Otto Bernhardt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Simone Violka (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reinhard Schultz (Everswinkel) (SPD) . . . . . Tagesordnungspunkt 6: a) Große Anfrage der Abgeordneten Jürgen Trittin, Winfried Nachtwei, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Zur Energieaußenpolitik der Bundes- regierung (Drucksachen 16/10386, 16/13276) . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Technolo- gie – zu dem Antrag der Abgeordneten Gudrun Kopp, Dr. Werner Hoyer, Michael Kauch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Energieau- ßenpolitik für das 21. Jahrhundert – zu dem Antrag der Abgeordneten Monika Knoche, Hans-Kurt Hill, Heike Hänsel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Konse- quente Energiewende statt Militari- sierung der Energieaußenpolitik – zu dem Antrag der Abgeordneten Jürgen Trittin, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Ute Koczy, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ener- gie, Sicherheit, Gerechtigkeit (Drucksachen 16/6796, 16/8881, 16/8181, 16/9826) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Antrag der Abgeordneten Jürgen Trittin, Winfried Nachtwei, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Für eine zukunftsfähige Energieaußenpolitik (Drucksache 16/13611) . . . . . . . . . . . . . . . 25672 B 25673 B 25674 A 25675 C 25676 C 25677 D 25679 B 25680 B 25681 D 25683 B 25684 D 25685 C 25686 D 25688 A 25688 A 25688 B Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peter Hintze, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gudrun Kopp (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rolf Hempelmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Kurt Hill (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU) . . . . . . . . . Gabriele Groneberg (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Manfred Grund (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 7: Beschlussempfehlung und Bericht des 1. Un- tersuchungsausschusses nach Art. 44 des Grundgesetzes (Drucksache 16/13400) . . . . . . . . . . . . . . . . . Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Max Stadler (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Hartmann (Wackernheim) (SPD) . . . Dr. Norman Paech (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Thomas Oppermann (SPD) . . . . . . . . . . . . Dr. Max Stadler (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Kristina Köhler (Wiesbaden) (CDU/CSU) Hellmut Königshaus (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Johannes Jung (Karlsruhe) (SPD) . . . . . . . . . Hellmut Königshaus (FDP) . . . . . . . . . . . . Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU) . . . . Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thomas Oppermann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 8: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Zwei- ten Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 2009 (Zweites Nach- tragshaushaltsgesetz 2009) (Drucksachen 16/13000, 16/13386, 16/13588, 16/13589) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Erika Ober (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP) . . . . . . . . . . Susanne Jaffke-Witt (CDU/CSU) . . . . . . . . . Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . 25688 B 25689 D 25691 B 25692 D 25694 B 25695 C 25697 B 25699 B 25700 B 25700 C 25702 A 25703 C 25706 A 25706 D 25707 B 25709 A 25710 D 25711 C 25712 C 25713 C 25715 A 25716 C 25717 D 25719 B 25719 C 25721 C 25723 C 25725 A VIII Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 Anna Lührmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bettina Hagedorn (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Norbert Barthle (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 9: Antrag der Abgeordneten Dr. Heinrich L. Kolb, Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Die Alterssicherung der Selbständi- gen verbessern (Drucksache 16/11672) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Erwin Lotter (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Peter Rauen (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . Volker Schneider (Saarbrücken) (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anton Schaaf (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 10: – Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Beteiligung deut- scher Streitkräfte am Einsatz von NATO-AWACS im Rahmen der Inter- nationalen Sicherheitsunterstützungs- truppe in Afghanistan (International Security Assistance Force, ISAF) unter Führung der NATO auf Grundlage der Resolution 1386 (2001) und folgender Resolutionen, zuletzt Resolution 1833 (2008) des Sicherheitsrates der Verein- ten Nationen (Drucksachen 16/13377, 16/13597) . . . . . – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 16/13680) . . . . . . . . . . . . . . . Walter Kolbow (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Birgit Homburger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Eckart von Klaeden (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Monika Knoche (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gert Winkelmeier (fraktionslos) . . . . . . . . . . . Dorothee Bär (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25727 A 25729 C 25731 B 25732 B 25733 C 25733 C 25734 D 25736 C 25737 B 25738 D 25740 A 25740 A 25740 B 25742 D 25743 D 25745 A 25746 B 25747 C 25748 B 25749 B 25751 C Tagesordnungspunkt 11: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Arbeit und Soziales zu dem An- trag der Abgeordneten Klaus Ernst, Dr. Martina Bunge, Diana Golze, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Erhöhung des Schonvermögens im Alter für Bezieher von Arbeitslosengeld II (Drucksachen 16/5457, 16/12912) . . . . . . . . . Rolf Stöckel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Heinz-Peter Haustein (FDP) . . . . . . . . . . . . . Karl Schiewerling (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Volker Schneider (Saarbrücken) (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 12: a) – Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem An- trag der Bundesregierung: Fortset- zung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der Frie- densmission der Vereinten Nationen im Sudan (UNMIS) auf Grundlage der Resolution 1590 (2005) des Sicherheitsrates der Vereinten Na- tionen vom 24. März 2005 und Fol- geresolutionen (Drucksachen 16/13395, 16/13598) . . – Bericht des Haushaltsausschusses ge- mäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 16/13681) . . . . . . . . . . . . b) – Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem An- trag der Bundesregierung: Fortset- zung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der AU/ UN-Hybrid-Operation in Darfur (UNAMID) auf Grundlage der Re- solution 1769 (2007) des Sicherheits- rates der Vereinten Nationen vom 31. Juli 2007 und Folgeresolutionen (Drucksachen 16/13396, 16/13599) . . – Bericht des Haushaltsausschusses ge- mäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 16/13682) . . . . . . . . . . . . Brunhilde Irber (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Marina Schuster (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU) . . . 25749 C 25749 D 25753 B 25755 A 25756 C 25757 C 25758 C 25760 C 25758 C 25758 D 25758 D 25759 A 25759 B 25762 B 25763 D Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 IX Hüseyin-Kenan Aydin (DIE LINKE) . . . . . . . Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gert Weisskirchen (Wiesloch) (SPD) . . . . . . . Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Namentliche Abstimmungen . . . . . . . . . . . . . Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 72: Zweite und dritte Beratung des von den Abge- ordneten Josef Philip Winkler, Volker Beck (Köln), Ekin Deligöz, weiteren Abgeordne- ten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Ge- setzes zur Streichung des Optionszwangs aus dem Staatsangehörigkeitsrecht (Drucksachen 16/12849, 16/13556) . . . . . . . . Reinhard Grindel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Sebastian Edathy (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP) . . . . . . . . Rüdiger Veit (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sevim Dağdelen (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Hakki Keskin (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 14: a) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Gutachten zu Forschung, Innovation und technologischer Leistungsfähigkeit 2009 und Stellungnahme der Bundesregierung (Drucksache 16/12900) . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung – zu dem Antrag der Abgeordneten Marion Seib, Stefan Müller (Erlan- gen), Michael Kretschmer, weiterer 25764 D 25765 C 25766 D 25767 B 25767 C 25768 A, B 25771 C, 25773 B 25768 B 25768 C 25770 C 25776 A 25777 C 25780 A 25781 A 25782 B 25782 C 25782 D 25786 D 25783 A Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten René Röspel, Dr. Ernst Dieter Rossmann, Ulla Burchardt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Nanotechnologie – Gezielte Forschungsförderung für zukunfts- trächtige Innovationen und Wachs- tumsfelder – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Petra Sitte, Dr. Kirsten Tackmann, Karin Binder, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Nano- technologie für die Gesellschaft nut- zen – Risiken vermeiden – zu dem Antrag der Abgeordneten Priska Hinz (Herborn), Hans-Josef Fell, Ulrike Höfken, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Nanotechno- logie-Bericht vorlegen – zu dem Antrag der Abgeordneten Priska Hinz (Herborn), Hans-Josef Fell, Birgitt Bender, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Nanotechnologie – Forschung verstärken und Vorsor- geprinzip anwenden (Drucksachen 16/12695, 16/7276, 16/4757, 16/7115, 16/13593) . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zu dem Antrag der Ab- geordneten Priska Hinz (Herborn), Kerstin Andreae, Christine Scheel, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Innovationskraft von kleinen und mittleren Unternehmen durch steuerliche Förderung gezielt stärken (Drucksachen 16/12894, 16/13646) . . . . . d) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Petra Sitte, Monika Knoche, Heike Hänsel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Öffentlich finanzierte Pharmainnovationen zur wirksamen Bekämpfung von ver- nachlässigten Krankheiten in den Entwicklungsländern einsetzen – zu der Unterrichtung durch die Bundes- regierung: Mitteilung der Kommis- sion an das Europäische Parlament und den Rat zum Fortschrittsbe- richt über das Programm „Partner- schaft Europas und der Entwick- lungsländer im Bereich klinischer 25783 A 25783 C X Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 Studien“ (inkl. 15521/08 ADD 1 und 15521/08 ADD 2) (ADD 1 in Eng- lisch) KOM(2008) 688 endg.; Ratsdok. 15521/08 (Drucksachen 16/12291, 16/11517 A.35, 16/13595) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Antrag der Abgeordneten Cornelia Pieper, Angelika Brunkhorst, Jens Ackermann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Die Nanotechnologien – Schlüssel zur Stärkung der technologi- schen Leistungskraft Deutschlands (Drucksache 16/13450) . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 15: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Gesundheit – zu dem Antrag der Abgeordneten Daniel Bahr (Münster), Heinz Lanfermann, Dr. Konrad Schily, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Moratorium für die elektronische Gesundheitskarte – zu dem Antrag der Abgeordneten Birgitt Bender, Elisabeth Scharfenberg, Dr. Harald Terpe, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das Recht auf informatio- nelle Selbstbestimmung bei der Einfüh- rung der elektronischen Gesundheits- karte gewährleisten (Drucksachen 16/11245, 16/12289, 16/13650) Tagesordnungspunkt 16: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Erleichterung elek- tronischer Anmeldungen zum Vereins- register und anderer vereinsrechtlicher Änderungen (Drucksachen 16/12813, 16/13542) . . . . . b) Zweite und dritte Beratung des vom Bun- desrat eingebrachten Entwurfs eines Ge- setzes zur Begrenzung der Haftung von ehrenamtlich tätigen Vereinsvorständen (Drucksachen 16/10120, 16/13537) . . . . . Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mechthild Dyckmans (FDP) . . . . . . . . . . . . . Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU) . . . . . Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Peter Danckert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 25783 C 25783 D 25784 D 25785 B 25785 C 25785 D 25789 A 25789 D 25791 B 25792 A Tagesordnungspunkt 17: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Gesundheit – zu dem Antrag der Abgeordneten Birgitt Bender, Elisabeth Scharfenberg, Dr. Harald Terpe, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Präventionsgesetz auf den Weg bringen – Primärprävention um- fassend stärken – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Klaus Ernst, Diana Golze, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion DIE LINKE: Gesundheitsförderung und Prävention als gesamtgesellschaftli- che Aufgaben stärken – Gesellschaftli- che Teilhabe für alle ermöglichen – zu dem Antrag der Abgeordneten Detlef Parr, Daniel Bahr (Münster), Heinz Lanfermann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Eigenverantwor- tung und klare Aufgabenteilung als Grundvoraussetzung einer effizienten Präventionsstrategie (Drucksachen 16/7284, 16/7471, 16/8751, 16/13071) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 18: – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung der Finanz- markt- und der Versicherungsaufsicht (Drucksachen 16/12783, 16/13113, 16/13684) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. h. c. Jürgen Koppelin, Frank Schäffler, Jens Ackermann, weite- ren Abgeordneten und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Schließung kreditwirtschaftli- cher Aufsichtslücken (Drucksachen 16/12884, 16/13684) . . . . . Tagesordnungspunkt 19: – Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Kai Gehring, Ekin Deligöz, Katrin Göring-Eckardt, weiteren Abge- ordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 38) (Drucksachen 16/12344, 16/13247) . . . . . – Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Kai Gehring, Ekin Deligöz, Katrin Göring-Eckardt, weiteren Abge- ordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/ 25793 B 25793 D 25793 D 25794 C Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 XI DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Herabsetzung des Wahlalters im Bundeswahlgesetz und im Europawahlgesetz (Drucksachen 16/12345, 16/13247) . . . . . Tagesordnungspunkt 20: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Erb- und Ver- jährungsrechts (Drucksachen 16/8954, 16/13543) . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 21: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Wirtschaft und Technologie zu dem Antrag der Abgeordneten Rainer Brüderle, Paul K. Friedhoff, Jens Ackermann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Die Mitte stärken – Mittelstand ins Zentrum der Wirtschaftspolitik rücken (Drucksachen 16/12326, 16/13148) . . . . . . . . Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Andrea Wicklein (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Paul K. Friedhoff (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Sabine Zimmermann (DIE LINKE) . . . . . . . . Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 22: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Wirtschaft und Technologie – zu der Unterrichtung durch den Nationa- len Normenkontrollrat: Jahresbericht 2008 des Nationalen Normenkontroll- rates Bürokratieabbau – Jetzt Entscheidun- gen treffen – zu der Unterrichtung durch die Bundes- regierung: Bericht der Bundesregierung 2008 zur Anwendung des Standardkos- ten-Modells und zum Stand des Büro- kratieabbaus (Drucksachen 16/10039, 16/10285 Nr. 15, 16/11486, 16/13146) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 23: Beschlussempfehlung und Bericht des Vertei- digungsausschusses zu dem Antrag der Abge- ordneten Dr. Gregor Gysi, Dr. Gesine Lötzsch, Kersten Naumann, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion DIE LINKE: 25794 C 25795 A 25795 B 25795 C 25796 B 25796 D 25797 D 25798 C 25799 B Gleichberechtigte Entschädigung von Strahlenopfern in Ost und West schaffen – Umfassendes Radaropfer-Entschädigungs- gesetz einführen (Drucksachen 16/8116, 16/13662) . . . . . . . . . Monika Brüning (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Hedi Wegener (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Birgit Homburger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 24: a) – Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung der Rechte von Verletzten und Zeugen im Straf- verfahren (2. Opferrechtsreformge- setz) (Drucksachen 16/12098, 16/13671) . . – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Stärkung der Rechte von Verletzten und Zeu- gen im Strafverfahren (2. Opfer- rechtsreformgesetz) (Drucksachen 16/12812, 16/13671) . . – Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs ei- nes Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes der Opfer von Zwangshei- rat und schwerem „Stalking“ (Drucksachen 16/9448, 16/13671) . . . – Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung des Op- ferschutzes im Strafprozess (Drucksachen 16/7617, 16/13671) . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu dem Antrag der Ab- geordneten Jörg van Essen, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Mechthild Dyckmans, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Opferinteressen ernst nehmen – Opferschutz stärken (Drucksachen 16/7004, 16/13671) . . . . . . c) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Sibylle Laurischk, Irmingard Schewe-Gerigk, Dr. Konrad Schily und weiteren Abgeordneten einge- brachten Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – Strafbarkeit der Genitalverstümmelung (Drucksachen 16/12910, 16/13667) . . . . . 25799 C 25799 D 25800 C 25801 C 25802 A 25802 D 25803 C 25803 C 25803 D 25803 D 25803 D 25804 A XII Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 Ute Granold (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Matthias Miersch (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Jörg van Essen (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sevim Dağdelen (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 25: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zu dem Antrag der Abge- ordneten Ulrike Höfken, Bärbel Höhn, Cornelia Behm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Kein Genmais-Anbau gegen den Willen der Bürger in der EU (Drucksachen 16/13398, 16/13663) . . . . . . . . Johannes Röring (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Elvira Drobinski-Weiß (SPD) . . . . . . . . . . . . . René Röspel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Christel Happach-Kasan (FDP) . . . . . . . Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) . . . . . . . Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 26: Zweite und dritte Beratung des vom Bundes- rat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung einer Modellklausel in die Berufsgesetze der Hebammen, Logopäden, Physiotherapeuten und Ergotherapeuten (Drucksachen 16/9898, 16/13652) . . . . . . . . . Jens Spahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Margrit Spielmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . Dr. Konrad Schily (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Frank Spieth (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rolf Schwanitz, Parl. Staatssekretär BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 27: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Menschenrechte und Hu- manitäre Hilfe zu dem Antrag der Abge- 25804 B 25805 A 25806 B 25807 B 25808 C 25810 C 25811 C 25813 B 25813 C 25814 C 25815 C 25816 C 25817 C 25818 B 25819 D 25820 A 25820 D 25821 D 25822 A 25822 D 25823 C ordneten Florian Toncar, Burkhardt Müller-Sönksen, Harald Leibrecht, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Erweiterung des Rom-Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs – Ver- weigerung und Behinderung von huma- nitärer Hilfe bestrafen (Drucksachen 16/11186, 16/13497) . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Menschenrechte und Hu- manitäre Hilfe zu dem Antrag der Abge- ordneten Florian Toncar, Burkhardt Müller-Sönksen, Dr. Karl Addicks, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Für ein kohärentes und effizientes Konzept der deutschen humanitären Hilfe (Drucksachen 16/7523, 16/13304) . . . . . . Ute Granold (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Herta Däubler-Gmelin (SPD) . . . . . . . . . Christoph Strässer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Florian Toncar (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Leutert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 28: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- wärtigen Ausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung zur Auswärtigen Kultur- politik 2007/2008 (Drucksachen 16/10962, 16/13621) . . . . . . . . Dr. Peter Gauweiler (CDU/CSU) . . . . . . . . . Monika Griefahn (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Harald Leibrecht (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Lukrezia Jochimsen (DIE LINKE) . . . . . . Dr. Uschi Eid (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 29: Beschlussempfehlung und Bericht des Vertei- digungsausschusses zu dem Antrag der Abge- ordneten Paul Schäfer (Köln), Monika Knoche, Hüseyin-Kenan Aydin, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion DIE LINKE: Keine Sonderstellung der Bundeswehr an Schulen (Drucksachen 16/13060, 16/13664) . . . . . . . . Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jörn Thießen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25824 A 25824 B 25824 C 25826 B 25826 D 25827 D 25829 B 25830 A 25830 D 25831 A 25833 A 25835 B 25836 A 25836 D 25837 D 25837 D 25838 D Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 XIII Birgit Homburger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE) . . . . . . . . . Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 30: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Verkehr, Bau und Stadtentwick- lung zu der Unterrichtung durch die Bundes- regierung: Stadtentwicklungsbericht 2008 (Drucksachen 16/13130, 16/13665) . . . . . . . . Peter Götz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . Petra Weis (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Patrick Döring (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Heidrun Bluhm (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Peter Hettlich (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Achim Großmann, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 31: a) Große Anfrage der Abgeordneten Jürgen Trittin, Volker Beck (Köln), Marieluise Beck (Bremen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Zur Indien-Politik der Bun- desregierung (Drucksachen 16/11485, 16/13312) . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Jürgen Trittin, Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Reformprozesse in Indien unterstützen (Drucksache 16/13610) . . . . . . . . . . . . . . . Philipp Mißfelder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Johannes Pflug (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Harald Leibrecht (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Monika Knoche (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 32: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Umwelt, Naturschutz und Reak- torsicherheit zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Fortschrittsbericht 2008 zur nationalen Nachhaltigkeitsstrategie (Drucksachen 16/10700, 16/13236) . . . . . . . . 25839 C 25840 A 25841 A 25841 C 25841 D 25842 D 25844 A 25845 A 25846 C 25847 D 25848 D 25848 D 25849 A 25849 D 25850 C 25851 C 25852 B 25853 B Dr. Günter Krings (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Ernst Kranz (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Kauch (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lutz Heilmann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 33: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zu dem Antrag der Abge- ordneten Dr. Christel Happach-Kasan, Hans- Michael Goldmann, Dr. Edmund Peter Geisen, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der FDP: Effiziente und ökologische Energie- und Wertholzproduktion in Agro- forstsystemen ermöglichen – Ökologische Vorteilswirkungen von Agroforstsystemen erforschen (Drucksachen 16/8409, 16/12516) . . . . . . . . . Dr. Hans-Heinrich Jordan (CDU/CSU) . . . . . Dr. Gerhard Botz (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Christel Happach-Kasan (FDP) . . . . . . . Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) . . . . . . . Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 34: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Wahlprüfung, Immunität und Ge- schäftsordnung: Änderungen der Geschäfts- ordnung des Deutschen Bundestages hier: a) Nachträglicher Ausschluss von Mitglie- dern des Bundestages von Plenarsitzun- gen (§ 38 GO-BT) b) Reden zu Protokoll (§ 78 GO-BT) c) Sprachliche Beratung bei der Formulie- rung von Gesetzestexten (§ 80 a GO-BT) (Drucksache 16/13492) . . . . . . . . . . . . . . . . . Bernhard Kaster (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Dr. Ole Schröder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Christine Lambrecht (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Jörg van Essen (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) . . . . . . Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25853 C 25855 C 25856 D 25857 C 25858 C 25859 C 25859 D 25860 D 25861 C 25862 D 25863 D 25864 B 25864 C 25865 B 25866 A 25867 D 25868 D 25869 D XIV Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 Tagesordnungspunkt 35: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Technolo- gie – zu dem Antrag der Abgeordneten Hans-Kurt Hill, Dr. Gesine Lötzsch, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion DIE LINKE: Strommarkt durchgreifend regulie- ren – Energiepreissenkungen durch- setzen – zu dem Antrag der Abgeordneten Bärbel Höhn, Nicole Maisch, Ulrike Höfken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Manipulierte Strompreise – Verbraucherinteressen wahren (Drucksachen 16/11908, 16/12692, 16/13069) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Technolo- gie – zu dem Antrag der Abgeordneten Gudrun Kopp, Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der FDP: Strukturelle Wettbewerbsdefizite auf den Energiemärkten bekämpfen – zu dem Antrag der Abgeordneten Bärbel Höhn, Kerstin Andreae, Hans- Josef Fell, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Das Energiekartell aufbre- chen – Für Klimaschutz, Wettbe- werb und faire Energiepreise (Drucksachen 16/8079, 16/8536, 16/9495) c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Technolo- gie zu dem Antrag der Abgeordneten Gudrun Kopp, Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Energiekosten senken – Mehr Netto für die Verbraucher (Drucksachen 16/9595, 16/10506) . . . . . . Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Rolf Hempelmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Gudrun Kopp (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Kurt Hill (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 36: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Umwelt, Naturschutz und Reak- 25870 C 25870 D 25870 D 25871 A 25873 A 25875 A 25876 B 25876 D torsicherheit zu der Verordnung der Bundes- regierung: Verordnung über die Versteigerung von Emissionsberechtigun- gen nach dem Zuteilungsgesetz 2012 (Emissionshandels-Versteigerungsverord- nung 2012 – EHVV 2012) (Drucksachen 16/13189, 16/13263 Nr. 2.3, 16/13677) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Andreas Jung (Konstanz) (CDU/CSU) . . . . . Frank Schwabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Kauch (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . . Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 37: – Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Markus Kurth, Josef Philip Winkler, Volker Beck (Köln), weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Aufhebung des Asylbewerberleistungsgesetzes (Drucksachen 16/10837, 16/13149) . . . . . – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 16/13150) . . . . . . . . . . . . . . Thomas Bareiß (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Gabriele Hiller-Ohm (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP) . . . . . . . . Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 6: Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Rechts- staatlichkeit in Russland stärken (Drucksache 16/13613) . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 38: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu dem Antrag der Abgeordneten Ina Lenke, Frank Schäffler, Hartfrid Wolff (Rems-Murr), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Attraktivität von Au- pair-Beschäftigungen steigern (Drucksachen 16/9481, 16/12724) . . . . . . . . . Michaela Noll (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Sönke Rix (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25878 B 25878 B 25879 A 25880 D 25881 C 25882 B 25882 D 25883 A 25883 A 25884 B 25885 B 25886 A 25886 D 25887 C 25887 D 25887 D 25889 D Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 XV Ina Lenke (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elke Reinke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 7: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu der Verordnung der Bun- desregierung: Verordnung über Anforde- rungen an eine nachhaltige Herstellung von flüssiger Biomasse zur Stromerzeu- gung (Biomassestrom-Nachhaltigkeitsverord- nung – BioSt-NachV) (Drucksachen 16/13326, 16/13507 Nr. 2, 16/13685) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 39: a) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Cornelia Hirsch, Werner Dreibus, Dr. Gesine Lötzsch, weiteren Ab- geordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines Achtund- zwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Berufsbildungsgesetzes (Drucksachen 16/6629, 16/13584) . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zu dem An- trag der Abgeordneten Uwe Barth, Patrick Meinhardt, Jens Ackermann, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion der FDP: Orientierung und verbesserte Berufs- perspektiven durch Praktika schaffen (Drucksachen 16/6768, 16/13584) . . . . . . c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung – zu dem Antrag der Abgeordneten Patrick Meinhardt, Uwe Barth, Cornelia Pieper, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion der FDP: Neue Chancen für die berufliche Bildung – zu dem Antrag der Abgeordneten Priska Hinz (Herborn), Ekin Deligöz, Kai Gehring, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Recht auf Ausbildung umsetzen – Ausbildungssystem re- formieren, überbetriebliche Ausbil- dungsstätten ausbauen und Über- gangsmaßnahmen anrechnen (Drucksachen 16/12665, 16/12680, 16/13686) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25890 C 25891 B 25892 A 25892 D 25893 A 25893 A 25893 B Willi Brase (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Patrick Meinhardt (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Cornelia Hirsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Andreas Storm, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 8: Antrag der Abgeordneten Klaus Brähmig, Jürgen Klimke, Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof), weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Annette Faße, Gabriele Hiller-Ohm, Renate Gradistanac, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Aus- und Weiterbildung in der Tou- rismuswirtschaft verbessern (Drucksache 16/13614) . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 40: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Gesundheit zu dem Antrag der Abgeordneten Renate Künast, Fritz Kuhn, Birgitt Bender, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Le- ben am Lebensende – Bessere Rahmenbe- dingungen für Schwerkranke und Ster- bende schaffen (Drucksachen 16/9442, 16/13246) . . . . . . . . . Maria Eichhorn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Christian Kleiminger (SPD) . . . . . . . . . . . . . Michael Kauch (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Marion Caspers-Merk, Parl. Staatssekretärin BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 9: a) Erste Beratung des von den Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Aufhebung nationalso- zialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege (2. NS-AufhGÄndG) (Drucksache 16/13654) . . . . . . . . . . . . . . b) Erste Beratung des von den Abgeordneten Jan Korte, Christine Lambrecht, Wolfgang Wieland und weiteren Abgeordneten ein- gebrachten Entwurfs eines Zweiten Ge- setzes zur Änderung des Gesetzes zur 25893 C 25894 A 25895 B 25895 D 25896 C 25898 B 25898 C 25898 C 25899 D 25900 C 25901 C 25902 B 25903 B 25904 C XVI Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 Aufhebung nationalsozialistischer Un- rechtsurteile in der Strafrechtspflege (Drucksache 16/13405) . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 41: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Wirtschaft und Technologie zu dem Antrag der Abgeordneten Harald Leibrecht, Gudrun Kopp, Jens Ackermann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Deutsche Unternehmen vor chinesi- scher Produktpiraterie und Diskriminie- rung schützen (Drucksachen 16/4207, 16/6963) . . . . . . . . . . Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Rolf Hempelmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Harald Leibrecht (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulla Lötzer (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 10: Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Förderung von Vertrauen, Sicher- heit und Datenschutz in E-Government und E-Business (Drucksache 16/13618) . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 42: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Bildung, Forschung und Tech- nikfolgenabschätzung zu dem Antrag der Ab- geordneten Cornelia Hirsch, Dr. Petra Sitte, Volker Schneider (Saarbrücken) und der Frak- tion DIE LINKE: Bundesausbildungsförde- rung an die Studienrealität anpassen und Strukturreform vorbereiten (Drucksachen 16/12688, 16/13592) . . . . . . . . Marion Seib (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . Jürgen Kucharczyk (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Renate Schmidt (Nürnberg) (SPD) . . . . . . . . . Uwe Barth (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Cornelia Hirsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 43: Antrag der Abgeordneten Alexander Bonde, Anna Lührmann, Omid Nouripour, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- 25904 D 25904 D 25905 A 25906 B 25907 B 25908 A 25908 C 25909 B 25909 C 25909 D 25911 B 25912 A 25912 B 25913 B 25914 A NIS 90/DIE GRÜNEN: Transparenz bei Konjunkturpaketen sicherstellen (Drucksache 16/12475) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Ole Schröder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Klaus Hagemann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP) . . . . . . . . . . Roland Claus (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 44: Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu dem Antrag der Abge- ordneten Patrick Döring, Mechthild Dyckmans, Michael Kauch, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der FDP: Miet- rechtsänderungen zur Erleichterung klima- und umweltfreundlicher Sanierun- gen (Drucksachen 16/7175, 16/12370) . . . . . . . . . Norbert Geis (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Dirk Manzewski (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Patrick Döring (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Heidrun Bluhm (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Peter Hettlich (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 45: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Gesundheit zu dem Antrag der Abgeordneten Frank Spieth, Dr. Martina Bunge, Klaus Ernst, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Krankenver- sicherung für Selbständige bezahlbar ge- stalten (Drucksachen 16/12734, 16/13260) . . . . . . . . Max Straubinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Dr. Karl Lauterbach (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Daniel Bahr (Münster) (FDP) . . . . . . . . . . . . Frank Spieth (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 46: a) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Jerzy Montag, Irmingard Schewe-Gerigk, Hans-Christian Ströbele, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbes- 25915 A 25915 A 25916 A 25917 B 25918 B 25918 D 25919 D 25919 D 25921 A 25921 D 25923 A 25924 A 25925 A 25925 B 25926 A 25926 D 25927 B 25928 A Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 XVII serung des Verfahrens zur Wahl der Bundesverfassungsrichterinnen und Bundesverfassungsrichter (Drucksachen 16/9628, 16/13670) . . . . . . Dr. Günter Krings (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Joachim Stünker (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Nešković (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 47: Antrag der Abgeordneten Ulrike Flach, Martin Zeil, Cornelia Pieper, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der FDP: Luft- fahrttechnologie und Luftfahrtindustrie in Deutschland – Neue Ziele für saubere Um- welt und sichere Arbeitsplätze (Drucksache 16/8410) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Heinz Riesenhuber (CDU/CSU) . . . . . . . . Martin Dörmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulrike Flach (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Herbert Schui (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Peter Hettlich (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 48: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Arbeit und Soziales zu dem An- trag der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Klaus Ernst, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Auch Verletztenrenten früherer NVA-An- gehöriger der DDR anrechnungsfrei auf die Grundsicherung für Arbeitsuchende stellen (Drucksachen 16/13182, 16/13622) . . . . . . . . Maria Michalk (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Angelika Krüger-Leißner (SPD) . . . . . . . . . . . Heinz-Peter Haustein (FDP) . . . . . . . . . . . . . Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 49: Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu dem Antrag der Abge- ordneten Ekin Deligöz, Irmingard Schewe- 25929 A 25929 A 25930 D 25931 B 25932 A 25933 A 25934 A 25934 A 25936 B 25937 B 25938 B 25938 D 25939 D 25940 A 25940 C 25942 A 25942 D 25943 B Gerigk, Priska Hinz (Herborn), weiterer Ab- geordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Sorgerechtsregelung für Nichtverheiratete reformieren (Drucksachen 16/9361, 16/13446) . . . . . . . . . Ute Granold (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Christine Lambrecht (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jörn Wunderlich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 50: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zu dem Antrag der Abge- ordneten Dr. Christel Happach-Kasan, Hans- Michael Goldmann, Dr. Edmund Peter Geisen, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der FDP: Biotechnologische Innovatio- nen im Interesse von Verbrauchern und Landwirten weltweit nutzen – Biotechnolo- gie ein Instrument zur Bekämpfung von Armut und Hunger in den Entwicklungs- ländern (Drucksachen 16/6714, 16/11450) . . . . . . . . . Dr. Max Lehmer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Elvira Drobinski-Weiß (SPD) . . . . . . . . . . . . . Dr. Sascha Raabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Christel Happach-Kasan (FDP) . . . . . . . Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) . . . . . . . Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 51: Beschlussempfehlung und Bericht des Haus- haltsausschusses zu dem Antrag der Abgeord- neten Klaus Ernst, Dr. Lothar Bisky, Dr. Martina Bunge, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Staatsgarantie für die Sozialversicherungen – Schutzschirm für Menschen (Drucksachen 16/12857, 16/13648) . . . . . . . . Hans-Joachim Fuchtel (CDU/CSU) . . . . . . . Waltraud Lehn (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Klaus Ernst (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25943 D 25943 D 25944 D 25945 D 25946 D 25947 C 25948 B 25948 C 25949 A 25950 A 25950 D 25952 A 25952 D 25954 A 25954 B 25955 A 25956 A 25957 B 25958 A XVIII Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 Tagesordnungspunkt 52: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Arbeit und Soziales zu dem An- trag der Abgeordneten Markus Kurth, Kerstin Andreae, Birgitt Bender, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Gesamtkonzept zur beruflichen Teil- habe behinderter Menschen (Drucksachen 16/11207, 16/13623) . . . . . . . . Hubert Hüppe (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Jürgen Kucharczyk (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Silvia Schmidt (Eisleben) (SPD) . . . . . . . . . . . Dr. Erwin Lotter (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 53: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zu dem Antrag der Abge- ordneten Dr. Edmund Peter Geisen, Hans- Michael Goldmann, Dr. Christel Happach- Kasan, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der FDP: Klimaschutz durch effiziente Landwirtschaft (Drucksachen 16/8540, 16/11633) . . . . . . . . . Johannes Röring (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Gustav Herzog (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Edmund Peter Geisen (FDP) . . . . . . . . . . Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) . . . . . . . Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 54: a) Beschlussempfehlung und Bericht des In- nenausschusses zu dem Antrag der Abge- ordneten Dr. Gesine Lötzsch, Dr. Dietmar Bartsch, Karin Binder, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion DIE LINKE: Fünf Jahre Karenzzeit für Mitglieder der Bundesregierung (Drucksachen 16/13366, 16/13655) . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des In- nenausschusses – zu dem Antrag der Abgeordneten Jürgen Koppelin, Dr. Max Stadler, Jens Ackermann, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion der FDP: Verhal- tenskodex für ausscheidende Regie- rungsmitglieder 25958 D 25958 D 25960 C 25961 A 25963 C 25964 A 25965 C 25967 C 25967 C 25968 C 25969 C 25970 C 25971 C 25972 A – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine, Dr. Gesine Lötzsch und der Fraktion DIE LINKE: Gesetzliche Regelung für frühere Mitglieder der Bundes- regierung und Staatssekretäre zur Untersagung von Tätigkeiten in der Privatwirtschaft, die mit ihrer ehe- maligen Tätigkeit für die Bundes- regierung im Zusammenhang stehen – zu dem Antrag der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Monika Lazar, Jerzy Montag, Silke Stokar von Neuforn und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Berufstätig- keit von ausgeschiedenen Mitglie- dern der Bundesregierung regeln (Drucksachen 16/677, 16/846, 16/948, 16/13656) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Helmut Brandt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Siegmund Ehrmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Max Stadler (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 55: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann, Dr. Gesine Lötzsch, Eva Bulling-Schröter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Bundeswaldgesetz ändern – Agroforstsysteme unterstützen, forst- wirtschaftliche Vereinigungen stärken und Gentechnik im Wald verbieten – zu dem Antrag der Abgeordneten Cornelia Behm, Undine Kurth (Quedlinburg), Bärbel Höhn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Das Bundeswaldgesetz novellie- ren und ökologische Mindeststandards für die Waldbewirtschaftung einführen (Drucksachen 16/9075, 16/9450, 16/12198) Dr. Hans-Heinrich Jordan (CDU/CSU) . . . . . Dr. Gerhard Botz (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Christel Happach-Kasan (FDP) . . . . . . . Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) . . . . . . . Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25972 B 25972 C 25973 C 25974 A 25974 D 25975 B 25976 A 25976 B 25977 B 25978 B 25979 B 25980 A Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 XIX Tagesordnungspunkt 56: a) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Heinrich L. Kolb, Dirk Niebel, Jens Ackermann, weiteren Abge- ordneten und der Fraktion der FDP einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Lockerung des Verbots wiederholter Befristungen (Drucksachen 16/10611, 16/12092) . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales zu dem Antrag der Abgeordneten Werner Dreibus, Dr. Barbara Höll, Ulla Lötzer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Befristete Arbeitsverhält- nisse begrenzen, unbefristete Beschäfti- gung stärken (Drucksachen 16/9807, 16/12092) . . . . . . Gitta Connemann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Anette Kramme (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dirk Niebel (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Werner Dreibus (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 57: a) – Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Gisela Piltz, Dr. Max Stadler, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ände- rung des Gesetzes über den Aufent- halt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bun- desgebiet (Aufenthaltsgesetz – Auf- enthG) (Drucksachen 16/13160, 16/13494) – Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Ulla Jelpke, Wolfgang Nešković, Sevim Dağdelen, weiteren Abgeordneten und der Frak- tion DIE LINKE eingebrachten Ent- wurfs eines … Gesetzes zur Ände- rung des Aufenthaltsgesetzes (Änderung der Altfallregelung) (Drucksachen 16/12415, 16/13494) b) Beschlussempfehlung und Bericht des In- nenausschusses zu dem Antrag der Abge- ordneten Josef Philip Winkler, Volker Beck (Köln), Birgitt Bender, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Verlängerung der Frist für die gesetzliche Altfallrege- lung (Drucksachen 16/12434, 16/13494) . . . . . 25980 D 25981 A 25981 A 25982 B 25983 B 25983 D 25984 C 25995 B 25995 B 25995 C Reinhard Grindel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Rüdiger Veit (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP) . . . . . . . . Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 58: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- wärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Ab- geordneten Kerstin Müller (Köln), Dr. Uschi Eid, Ute Koczy, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Kenia stabilisieren – Entwicklung in Frie- den unterstützen (Drucksachen 16/8403, 16/9457) . . . . . . . . . . Anke Eymer (Lübeck) (CDU/CSU) . . . . . . . . Brunhilde Irber (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Marina Schuster (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Hüseyin-Kenan Aydin (DIE LINKE) . . . . . . . Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 59: Antrag der Abgeordneten Dirk Niebel, Dr. Heinrich L. Kolb, Ernst Burgbacher, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Kommunale Betreuung bei der Grund- sicherung für Arbeitssuchende stärken (Drucksache 16/9339) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Karl Schiewerling (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Gabriele Lösekrug-Möller (SPD) . . . . . . . . . Heinz-Peter Haustein (FDP) . . . . . . . . . . . . . Katrin Kunert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 60: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Kultur und Medien zu dem An- trag der Abgeordneten Undine Kurth (Qued- linburg), Katrin Göring-Eckardt, Peter Hettlich, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Umset- zungsgesetz für UNESCO-Welterbeüber- einkommen vorlegen (Drucksachen 16/13176, 16/13581) . . . . . . . . Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Steffen Reiche (Cottbus) (SPD) . . . . . . . . . . . 25985 C 25986 D 25987 D 25988 C 25989 B 25990 B 25990 C 25991 A 25992 D 25994 A 25994 D 25995 D 25995 D 25996 C 25997 A 25997 D 25998 C 25999 A 25999 B 26001 D XX Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 Christoph Waitz (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Lukrezia Jochimsen (DIE LINKE) . . . . . . Undine Kurth (Quedlinburg) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 61: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit zu dem Antrag der Abgeordneten Michael Kauch, Daniel Bahr (Münster), Sabine Leutheusser- Schnarrenberger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Lebendspenden bei der Transplantation von Organen erleich- tern (Drucksachen 16/9806, 16/13573) . . . . . . . . . Hubert Hüppe (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Peter Friedrich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Kauch (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 62: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe zu dem Antrag der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Marieluise Beck (Bre- men), Birgitt Bender, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Menschenrechtsverletzungen durch Unternehmen verhindern (Drucksachen 16/13180, 16/13647) . . . . . . . . Helmut Lamp (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Christel Riemann-Hanewinckel (SPD) . . . . . . Florian Toncar (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Leutert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Thilo Hoppe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 63: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Umwelt, Naturschutz und Reak- torsicherheit zu dem Antrag der Abgeordne- ten Hans-Josef Fell, Bärbel Höhn, Sylvia Kotting-Uhl, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Vor- bildlich und importunabhängig Ökostrom und Biogas einkaufen (Drucksachen 16/11964, 16/13625) . . . . . . . . 26002 D 26003 D 26004 C 26005 C 26005 D 26006 C 26008 C 26009 B 26010 C 26011 B 26011 C 26012 C 26013 C 26015 B 26015 D 26017 A Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Marko Mühlstein (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Kauch (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Kurt Hill (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Petra Sitte, Cornelia Hirsch und Volker Schneider (Saarbrücken) (alle DIE LINKE) zur Abstimmung über den Antrag: Gestaltung des Deutschen Qualifikationsrahmens (Zu- satztagesordnungspunkt 2 g) . . . . . . . . . . . . . Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO zur namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung zu dem Antrag: Beteiligung deutscher Streit- kräfte am Einsatz von NATO-AWACS im Rahmen der Internationalen Sicherheitsunter- stützungstruppe in Afghanistan (International Security Assistance Force, ISAF) unter Füh- rung der NATO auf Grundlage der Resolution 1386 (2001) und folgender Resolutionen, zu- letzt Resolution 1833 (2008) des Sicherheits- rates der Vereinten Nationen (Tagesordnungs- punkt 10) Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Manfred Kolbe (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Spanier (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Christoph Strässer (SPD) zur namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung zu dem Antrag: Erhöhung des Schonvermö- gens im Alter für Bezieher von Arbeitslosen- geld II (Tagesordnungspunkt 11) . . . . . . . . . . 26017 B 26018 C 26019 A 26019 C 26020 A 26021 C 26023 A 26023 C 26024 B 26024 C 26025 A 26026 A 26026 C 26026 D Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 XXI Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Alexander Dobrindt (CDU/CSU) zur Abstim- mung über die Beschlussempfehlung zu dem Antrag: Kein Genmais-Anbau gegen den Wil- len der Bürger in der EU (Tagesordnungs- punkt 25) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 6 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Max Lehmer, Wolfgang Zöller, Max Straubinger und Maria Eichhorn (alle CDU/ CSU) zur Abstimmung über die Beschluss- empfehlung zu dem Antrag: Kein Genmais- Anbau gegen den Willen der Bürger in der EU (Tagesordnungspunkt 25) . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 7 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über die Be- schlussempfehlung zu dem Antrag: Miet- rechtsänderungen zur Erleichterung klima- und umweltfreundlicher Sanierungen (Tages- ordnungspunkt 44) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 8 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Jan Mücke (FDP) zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung zu dem Antrag: Umset- zungsgesetz für UNESCO-Welterbeüberein- kommen vorlegen (Tagesordnungspunkt 60) Anlage 9 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Sibylle Laurischk (FDP) zur namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung zu dem Antrag: Gesetz zur Streichung des Optionszwangs aus dem Staatsangehörig- keitsrecht (Tagesordnungspunkt 72) . . . . . . . Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Unterrichtung: Gutachten zu Forschung, Innovation und technologischer Leis- tungsfähigkeit 2009 und Stellungnahme der Bundesregierung – Beschlussempfehlung und Bericht zu den Anträgen: – Nanotechnologie – gezielte For- schungsförderung für zukunftsträch- tige Innovationen und Wachstumsfel- der 26027 A 26027 A 26027 C 26028 B 26029 A – Nanotechnologie für die Gesellschaft nutzen – Risiken vermeiden – Nanotechnologie-Bericht vorlegen – Nanotechnologie – Forschung verstär- ken und Vorsorgeprinzip anwenden – Beschlussempfehlung und Bericht zu dem Antrag: Innovationskraft von kleinen und mittleren Unternehmen durch steuerliche Förderung gezielt stärken – Beschlussempfehlung und Bericht zu dem Antrag: Öffentlich finanzierte Pharmainnovationen zur wirksamen Bekämpfung von vernachlässigten Krankheiten in den Entwicklungslän- dern einsetzen – Antrag: Die Nanotechnologien – Schlüssel zur Stärkung der technologischen Leis- tungskraft Deutschlands (Tagesordnungspunkt 14 a bis e) Marion Seib (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . René Röspel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Cornelia Pieper (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Petra Sitte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts und zu den Anträgen: – Moratorium für die elektronische Gesund- heitskarte – Das Recht auf informationelle Selbstbe- stimmung bei der Einführung der elektro- nischen Gesundheitskarte gewährleisten (Tagesordnungspunkt 15) Dr. Rolf Koschorrek (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Eike Hovermann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Konrad Schily (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Frank Spieth (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Marion Caspers-Merk, Parl. Staatssekretärin BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26029 C 26030 A 26031 D 26034 A 26035 A 26035 D 26037 A 26038 B 26039 C 26040 D 26041 C 26042 B XXII Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 Anlage 12 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung: – Entwurf eines Gesetzes zur Erleichterung elektronischer Anmeldungen zum Ver- einsregister und anderer vereinsrechtlicher Änderungen – Entwurf eines Gesetzes zur Begrenzung der Haftung von ehrenamtlich tätigen Ver- einsvorständen (Tagesordnungspunkt 16 a und b) Wolfgang Nešković (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Anlage 13 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts zu den Anträgen: – Präventionsgesetz auf den Weg bringen – Primärprävention umfassend stärken – Gesundheitsförderung und Prävention als gesamtgesellschaftliche Aufgaben stärken – Gesellschaftliche Teilhabe für alle ermög- lichen – Eigenverantwortung und klare Aufgaben- teilung als Grundvoraussetzung einer effi- zienten Präventionsstrategie (Tagesordnungspunkt 17) Hermann-Josef Scharf (CDU/CSU) . . . . . . . . Dr. Margrit Spielmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . Detlef Parr (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 14 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Finanzmarkt- und der Versicherungsauf- sicht – Entwurf eines Gesetzes zur Schließung kreditwirtschaftlicher Aufsichtslücken (Tagesordnungspunkt 18) Leo Dautzenberg (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Klaus-Peter Flosbach (CDU/CSU) . . . . . . . . Martin Gerster (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Frank Schäffler (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Axel Troost (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26042 D 26043 C 26044 B 26045 B 26047 A 26047 D 26048 C 26049 B 26050 A 26051 A 26051 C 26052 A Anlage 15 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 38) – Entwurf eines Gesetzes zur Herabsetzung des Wahlalters im Bundeswahlgesetz und im Europawahlgesetz (Tagesordnungspunkt 19) Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU) . . . . . Klaus Uwe Benneter (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Gisela Piltz (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diana Golze (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 16 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts (Tagesord- nungspunkt 20) Ute Granold (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Dirk Manzewski (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Nešković (DIE LINKE) . . . . . . . . . Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 17 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts zu den Unterrichtungen: – Jahresbericht 2008 des Nationalen Nor- menkontrollrates Bürokratieabbau – Jetzt Entscheidungen treffen – Bericht der Bundesregierung 2008 zur An- wendung des Standardkosten-Modells und zum Stand des Bürokratieabbaus (Tagesordnungspunkt 22) Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Garrelt Duin (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Birgit Homburger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Sabine Zimmermann (DIE LINKE) . . . . . . . . Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26053 C 26055 B 26056 B 26056 D 26057 C 26058 B 26060 A 26061 B 26062 D 26063 C 26064 C 26066 B 26067 A 26067 D 26068 D 26069 C Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 XXIII Anlage 18 Zu Protokoll gegebene Reden zum Antrag: Rechtsstaatlichkeit in Russland stärken (Zu- satztagesordnungspunkt 6) Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU) . . . . . Markus Meckel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Monika Knoche (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 19 Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 21 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Än- derung des Gesetzes zur Aufhebung natio- nalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege (2. NS-AufhGÄndG) – Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Än- derung des Gesetzes zur Aufhebung natio- nalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege 26070 C 26071 C 26072 D 26074 A 26074 C 26083 D 26084 D Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts: Verordnung über Anforderungen an eine nachhaltige Herstellung von flüssiger Bio- masse zur Stromerzeugung (Biomassestrom- Nachhaltigkeitsverordnung – BioSt-NachV) (Zusatztagesordnungspunkt 7) Dr. Maria Flachsbarth (CDU/CSU) . . . . . . . . Marko Mühlstein (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Kauch (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . . Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 20 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Aus- und Weiterbildung in der Tourismuswirtschaft verbessern (Zusatztages- ordnungspunkt 8) Klaus Brähmig (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Gabriele Hiller-Ohm (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Jens Ackermann (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . 26075 D 26077 B 26078 A 26078 C 26079 B 26080 A 26081 D 26083 A (Zusatztagesordnungspunkt 9 a und b) Dr. Jürgen Gehb (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Dr. Carl-Christian Dressel (SPD) . . . . . . . . . Christine Lambrecht (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Jörg van Essen (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jan Korte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 22 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Förderung von Vertrauen, Si- cherheit und Datenschutz in E-Government und E-Business (Zusatztagesordnungspunkt 10) Clemens Binninger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Dr. Michael Bürsch (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Gisela Piltz (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jan Korte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . Silke Stokar von Neuforn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26085 B 26086 C 26087 B 26088 A 26088 C 26089 D 26090 B 26091 B 26091 D 26092 C 26093 D Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 25613 (A) (C) (B) (D) 230. Si Berlin, Donnerstag Beginn: 9
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    Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 26023 (A) (C) (B) (D) uns, dass sich diese Sichtweise nun offenbar auch in al- len anderen Fraktionen durchgesetzt hat. Gleichermaßen Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten * für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver- sammlung der OSZE Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Aigner, Ilse CDU/CSU 02.07.2009 Beck (Köln), Volker BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 02.07.2009 Binding (Heidelberg), Lothar SPD 02.07.2009 Dr. Dehm, Diether DIE LINKE 02.07.2009 Gehrcke, Wolfgang DIE LINKE 02.07.2009 Gradistanac, Renate SPD 02.07.2009 Haibach, Holger CDU/CSU 02.07.2009 Hirte, Christian CDU/CSU 02.07.2009 Dr. Jahr, Peter CDU/CSU 02.07.2009 Kossendey, Thomas CDU/CSU 02.07.2009 Lenke, Ina FDP 02.07.2009 Dr. Lippold, Klaus W. CDU/CSU 02.07.2009 Lopez, Helga SPD 02.07.2009 Meierhofer, Horst FDP 02.07.2009 Ortel, Holger SPD 02.07.2009 Pfeiffer, Sibylle CDU/CSU 02.07.2009 Raidel, Hans CDU/CSU 02.07.2009* Dr. Scheuer, Andreas CDU/CSU 02.07.2009 Ulrich, Alexander DIE LINKE 02.07.2009 Waitz, Christoph FDP 02.07.2009 Zapf, Uta SPD 02.07.2009 Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Petra Sitte, Cornelia Hirsch und Volker Schneider (Saarbrücken) (alle DIE LINKE) zur Abstimmung über den Antrag: Gestaltung des Deutschen Qualifika- tionsrahmens (Zusatztagesordnungspunkt 2 g) Wir enthalten uns bei der Abstimmung über diesen Antrag, weil er einerseits einige wichtige Ansprüche an die Gestaltung des Deutschen Qualifikationsrahmens enthält, andererseits aber zentrale Probleme und offene Fragen unangesprochen bleiben. Wir wollen an dieser Stelle unserer Irritation über das Zustandekommen dieses Antrages deutlichen Ausdruck verleihen. Die Fraktion Die Linke weist seit mehreren Jahren regelmäßig auf Probleme in der Erarbeitung des Deutschen Qualifikationsrahmens hin. Wir haben uns nachdrücklich dafür eingesetzt, dass die Erarbeitung des Qualifikationsrahmens nicht hinter verschlossenen Tü- ren erfolgt, dass das Parlament an den Debatten beteiligt wird und dass Interessierten und Interessenträgern die nötigen Informationen zur Verfügung gestellt werden, um sich in die Erarbeitung des Qualifikationsrahmens einzubringen. Wir haben Probleme und offene Fragen der Gestaltung des Qualifikationsrahmens unter anderem in schriftlichen Fragen an die Bundesregierung – zuerst im November 2005 – und Kleinen Anfragen – zuerst im Dezember 2005 – thematisiert, die Erörterung im Aus- schuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenab- schätzung eingefordert sowie bereits frühzeitig in einem Antrag erste Anforderungen an die Ausgestaltung des Qualifikationsrahmens formuliert – April 2006. Im Sep- tember 2008 hat die Fraktion Die Linke Sachverständige sowie auch die Kolleginnen und Kollegen der anderen Fraktionen zu einem Fachgespräch über die Gestaltung des Deutschen Qualifikationsrahmens eingeladen, um einen Austausch über den Stand der Debatte und offene Fragen zu ermöglichen. Nichtsdestotrotz wurde unsere Fraktion in die Erarbeitung des vorliegenden interfrak- tionellen Antrages in keiner Weise einbezogen bzw. nach einer möglichen Mitzeichnung gefragt. Wir müssen dies als Zeichen parteipolitischer Engstirnigkeit werten, wel- che dem Thema in keiner Weise gerecht wird. Die Gestaltung des Deutschen Qualifikationsrah- mens wird weitreichende Konsequenzen haben für das Bildungssystem, für individuelle Bildungs- und Er- werbsbiografien, für die Anerkennung von Abschlüssen im In- und Ausland sowie für die Tarifpolitik. Die Linke hat stets darauf hingewiesen, dass die Entwicklung eines Qualifikationsrahmens nur dann sinnvoll ist, wenn die- ser als reformorientiertes Instrument verstanden wird, mit dem Transparenz, Durchlässigkeit und Qualität des Bildungssystems gesteigert werden sollen. Wir freuen 26024 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 (A) (C) (B) (D) unterstützen wir den Anspruch, dass alle Niveaus des Qualifikationsrahmens auf verschiedenen Bildungswe- gen erreichbar sein müssen und informelles Lernen hier- bei entsprechend zu berücksichtigen ist. Bemerkenswert ist allerdings, dass die teilweise erheblichen Auseinan- dersetzungen im Laufe der Erarbeitung des ersten Ent- wurfs für einen Deutschen Qualifikationsrahmen keiner- lei Erwähnung finden. Gleiches gilt für drängende offene Fragen: Welche Institutionen sollen die Zuord- nung von konkreten Qualifikationen zu einzelnen Ni- veaus vornehmen? Erfolgt die Einstufung in öffentlicher Verantwortung und unter Beteiligung aller relevanten In- teressenträger? Werden auch Qualifikationen aus non- formalen Lernprozessen endlich gleichberechtigt in die Debatte mit einbezogen? Auf diese Fragen formuliert der vorliegende Antrag leider keine Antworten. Statt dessen begnügt er sich im Forderungsteil im Wesentli- chen damit, die Bundesregierung auf das bereits vorge- sehene Verfahren der Validierungsphase zu verpflichten. Das reicht nicht, um die Erarbeitung des Qualifikations- rahmens wirklich einen entscheidenden Schritt voranzu- bringen. Und es reicht auch nicht, dass wir diesem An- trag zustimmen können. Anlage 3 Erklärungen nach § 31 GO zur namentlichen Abstimmung über die Be- schlussempfehlung zu dem Antrag: Beteiligung deutscher Streitkräfte am Einsatz von NATO- AWACS im Rahmen der Internationalen Sicher- heitsunterstützungstruppe in Afghanistan (In- ternational Security Assistance Force, I SAF) unter Führung der NATO auf Grundlage der Resolution 1386 (2001) und folgender Resolutio- nen, zuletzt Resolution 1833 (2008) des Sicher- heitsrates der Vereinten Nationen (Tagesord- nungspunkt 10) Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/ CSU): Ich stimme dem Antrag nicht zu. Ich halte ihn verfassungs- rechtlich für fragwürdig, ethisch für nicht gerechtfertigt und politisch für falsch. Diese Auffassung habe ich be- reits in den vergangenen acht Jahren vertreten und fühle mich durch die zunehmende Radikalisierung in diesem Land darin bestärkt. Es fehlt nicht an militärischen Be- gründungen für den Auslandseinsatz unserer Soldaten in Afghanistan, sondern an politischen Perspektiven. Sogar Oberbefehlshaber der Streitkräfte stellen den Erfolg der Verbündeten in diesem Land grundsätzlich infrage. Es ist ein Kurswechsel nötig. Ich bin für einen zügigen schrittweisen Abzug, auch weil Terroranschläge in unse- rem eigenen Land immer weniger ausgeschlossen wer- den können. Als vor acht Jahren die Regierung Gerhard Schröder/ Joschka Fischer im Kampf gegen den Terrorismus den Bundestag um Zustimmung zum Auslandseinsatz der Bundeswehr aufforderten, habe ich bereits mit „Nein“ gestimmt – aus verfassungsrechtlichen, historischen und moralischen Gründen. Jetzt, acht Jahre später, ist die Afghanistan-Mission fragwürdiger denn je, obwohl die Bundesrepublik mit Entwicklungshilfeprojekten und dem Aufbau von Polizeieinheiten einen ergänzenden Weg beschritten hat und sich insgesamt mit weit über 3 Milliarden Euro seit 2001 engagiert hat. Die Sicher- heitslage für unsere Soldaten hat sich dramatisch ver- schlechtert. Afghanistan ist weiter eines der größten Opiumanbaugebiete der Welt geblieben. Es ist nicht ge- lungen, die Taliban wirklich zu schwächen. Im Gegen- teil, sie weichen in das pakistanische Grenzgebiet aus. Neue, unübersehbare Risiken entstehen. Es hat schon viel zu viele Opfer gegeben – aus unserem Land wie aus denen der Verbündeten und in Afghanistan selbst. Besonders im Süden des Landes, wo die Amerikaner gegen die Taliban kämpfen, werden die Soldaten nicht als Befreier sondern als Besatzer empfunden. Erste NATO-Länder haben ihren Abzug bereits beschlossen. Weitere Verbündete erwägen den Ausstieg. Das sollte auch für die Bundesregierung als Orientierung gelten, auf eine Ausstiegstrategie zu setzen. Die afghanische Regierung kann und muss mehr Eigenverantwortung übernehmen. Sie und alle Verbündeten sind jetzt aufge- fordert, zu einer politischen Lösung zu kommen. Manfred Kolbe (CDU): Den heute zur Beschlussfas- sung im Deutschen Bundestag anstehenden Antrag der Bundesregierung „Beteiligung deutscher Streitkräfte am Einsatz von NATO-AWACS im Rahmen der Internationa- len Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan …“, Drucksache 16/1337, kann ich aus den folgenden Grün- den nicht zustimmen: Erstens. Generell scheint es dem Westen nicht zu ge- lingen, ein demokratisches Staatswesen in Afghanistan aufzubauen und die Menschen innerlich dafür zu gewin- nen. Vielmehr hat sich die Sicherheitslage offenbar noch weiter verschlechtert. Die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr können immer weniger zum Aufbau des Landes beitragen und müssen sich immer mehr um ihre Eigensicherung bemühen. Zweitens. Die AWACS-Aufklärungsflugzeuge sollen den Luftraum über Afghanistan überwachen und Zusam- menstöße verhindern. Gleichzeitig liefern sie Luftlagebil- der für Militäroperationen und koordinieren diese auch. Solche Manöver der Luftstreitkräfte verursachen immer wieder sogenannte Kollateralschäden, bei denen bis heute die vielfache Anzahl an unschuldigen Menschen getötet worden ist wie bei den schrecklichen Terrorangriffen vom 11. September 2001 in New York, Washington und Penn- sylvania – dem Ausgangspunkt unseres Engagements. Somit werden künftig die Angehörigen der Bundeswehr für zivile Opfer verantwortlich gemacht werden. Mit je- dem unschuldig getöteten Zivilisten bekämpfen wir nicht den Terror, sondern schaffen diesem neuen Zulauf. Drittens. Ein realistisches Konzept des Westens für Afghanistan vermag ich derzeit weiterhin nicht zu erken- nen. Die aktuelle Aufstockung der jeweiligen Länder- kontingente kann meines Erachtens Afghanistan nicht befrieden. Wir brauchen vielmehr eine Grundsatzdebatte Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 26025 (A) (C) (B) (D) darüber, wie die Bundesrepublik Deutschland und der Westen insgesamt den Terror bekämpfen und beim Auf- bau von Demokratie und Rechtstaatlichkeit in Afghanis- tan helfen kann. Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Wir entscheiden heute über die deutsche Beteili- gung an einem AWACS-Einsatz im Rahmen der ISAF- Mission und nicht über die Afghanistan-Politik der Bun- desregierung. Würden wir über die Afghanistan-Politik der Bundesregierung abstimmen, könnte ich heute nicht zustimmen. Der AWACS-Einsatz ist für sich genommen völker- rechtskonform, militärisch leistbar und trägt nach unse- rer Einschätzung insgesamt eher zur Risikominderung denn zur Gewalteskalation bei. Er dient auch der Sicher- heit des zivilen Flugverkehrs und der Bundeswehr. Aus diesem Grund halten wir eine Ablehnung für nicht ver- antwortbar und eine deutsche Beteiligung für zustim- mungsfähig. Die Afghanistan-Politik der Bundesregierung unter Führung von Bundeskanzlerin Angela Merkel ist von ei- ner Vielzahl von Versäumnissen und Halbherzigkeiten, insbesondere im zivilen Bereich geprägt. Von einer „ver- netzten Sicherheit“ und dem Vorrang von zivilen Maß- nahmen zur Stabilisierung ist an vielen Stellen wenig zu erkennen. Das Verhältnis von zivilem und militärischem Engagement in Afghanistan wurde militärlastiger, die Kluft zwischen zivilem und militärischem Mitteleinsatz weiter ausgebaut. Gerade beim strategisch wichtigen Polizei- und Justizaufbau, aber auch bei anderen Schlüs- selbereichen des zivilen Wiederaufbaus, vermissen wir eine der Problemlage angemessene Aufbauoffensive. Selbst die völlig unzureichenden 400 Polizeikräfte der EU sind bis heute noch nicht vor Ort. Diese Defizite ge- fährden den Erfolg in Afghanistan mindestens ebenso wie eine korrupte und handlungsunfähige afghanische Regierungselite oder ein unverantwortliches militäri- sches Vorgehen afghanischer und internationaler Sicher- heitskräfte. Das Nebeneinander von ISAF und der US- geführten Antiterroroperation Enduring Freedom ist kontraproduktiv und muss insgesamt beendet werden. Während sich in den USA ein deutlicher Kurswechsel abzeichnet, Partner wie die Niederlande und Kanada ih- ren militärischen Abzug angekündigt haben, fehlt es in Deutschland an einer ehrlichen Bestandsaufnahme und der Vorlage eines Plans, welche Ziele wie und bis wann erreicht werden sollen. Das ist die Voraussetzung für eine verantwortbare Abzugsperspektive der Bundes- wehr. Durchhalteparolen und unverbindliche Absichts- erklärungen reichen nicht mehr aus. Wir haben auf der anderen Seite ein Interesse daran, dass es zu keinen zivilen oder militärischen Flugkata- strophen kommt. Wir haben deshalb primär darüber zu entscheiden, ob durch den zwischen der afghanischen Regierung und der NATO vereinbarten AWACS-Einsatz das Risiko von Flugunfällen eingedämmt werden kann. Angesichts steigender Flugbewegungen und unzurei- chender afghanischer Flugsicherungskapazitäten ist Unterstützungsbedarf nachvollziehbar. Der zivile und insbesondere der militärische Luftverkehr ist in den ver- gangenen Jahren deutlich gestiegen und wird auch künf- tig zunehmen. Damit steigt auch das Risiko. 2007 gab es ca. 50, im Jahr 2008 ca. 80 kritische zivile Annäherun- gen/Beinaheunfälle. Der Einwand, dass der Bedarf für AWACS vor allem deshalb entsteht, weil ein Truppenaufwuchs stattfindet und vermehrt militärische Flugbewegungen zu verzeich- nen sind, reicht aus unserer Sicht als Grund für eine Ab- lehnung nicht aus. Der weit überwiegende Teil der mili- tärischen Flugbewegungen dient dem Lufttransport, der Versorgung, Luftbetankung und der Erstellung von La- gebildern. Die Bundeswehr ist im Bereich des Lufttrans- ports überdurchschnittlich aktiv. Lufttransport ist ange- sichts der großen Entfernungen, schlechten Straßen, und dem Risiko von Anschlägen unverzichtbar. Der Einsatz von AWACS ist laut Mandat auf den af- ghanischen Luftraum beschränkt. Für Luft-Boden-Auf- klärung und Luft-Boden-Einsatz sind AWACS technisch nicht ausgestattet. Hauptauftrag bleibt das Erstellen ei- nes Luftlagebildes, Entflechtung und Koordinierung des Luftverkehrs, Koordinierung der militärischen Luftbe- tankung. AWACS übernimmt Aufgaben zur Unterstüt- zung von Luftoperationen aber sie haben explizit nicht die Aufgabe, geplante OEF-Luftoperationen zu koordi- nieren und zu führen. Sie sollen in Notsituationen die Koordinierung von Luftnahunterstüzung und medizini- scher Notfallevakuierung von ISAF verbessern. Kritisch sind aus unserer Sicht insbesondere die Luft- Boden-Einsätze, bei denen es zum Waffeneinsatz kommt. Hier waren in der Vergangenheit häufig Zivilopfer zu be- klagen. Wir stellen fest, dass es aufseiten der USA einen erkennbaren Kurswechsel gibt – auch für den Bereich Vermeidung von Zivilopfern durch Luftoperationen. Wir werden kritisch verfolgen, ob die Ankündigungen in die Praxis umgesetzt werden. Die NATO und die Bundeswehr überbrücken erneut Lücken, die es im zivilen Bereich gibt. Das darf keine neue Daueraufgabe werden. Es wird zwar am Aufbau ei- ner zivilen Flugsicherung gearbeitet, und die Bundesre- gierung leistet hierzu einen Beitrag. Ein Ende des Ein- satzes ist allerdings noch nicht absehbar. Hier muss die Bundesregierung bis Dezember darlegen, wie und bis wann das erfolgen soll. Wir Grüne haben uns in unserer Partei intensiv mit der Entwicklung in Afghanistan befasst und gegen einen unverantwortlichen Sofortabzug ausgesprochen. Wir haben in dieser Legislaturperiode in einer Vielzahl von parlamentarischen Initiativen eine kohärente und enga- giertere Politik eingeklagt, bei der die Menschen in Afghanistan im Mittelpunkt stehen und bei der das Licht am Ende des militärischen Tunnels sichtbar wird. In un- seren jüngsten Anträgen zur Afghanistanp-Politik haben wir immer wieder darauf gedrängt, einen militärischen wie zivilen Kurswechsel einzuleiten, die zivilen Ele- mente des Wiederaufbaus in den Vordergrund zu stellen und mit in die Mandatsanträge der Bundesregierung auf- zunehmen, überprüfbare Zwischenziele zu formulieren 26026 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 (A) (C) (B) (D) und das zivil-militärische Missverhältnis abzubauen. Daran halten wir fest. Eine Gesamtbewertung der Afghanistan-Politik der Bundesregierung und der internationalen Gemeinschaft werde ich erneut im Dezember bei der Entscheidung über den gesamten ISAF-Einsatz treffen. Meine Zustim- mung zu einer deutschen Beteiligung am AWACS-Ein- satz heute ist kein Präjudiz für meine Entscheidung im Dezember. Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wie in vielen anderen Bereichen, so gibt es auch bei der Sicherheit im Luftverkehr in Afghanistan gravierende Probleme. Im Jahr 2007 gab es 50 kritische Annäherun- gen oder Beinahe-Unfälle im Luftverkehr, im Jahr 2008 stieg die Zahl dieser Vorfälle auf 80 an. Vor diesem Hin- tergrund sind Maßnahmen zur schnellen Verbesserung der zivilen und militärischen Luftsicherung in Afghanis- tan dringend notwendig. Der Einsatz der NATO- AWACS kann hierbei einen wichtigen Beitrag leisten und zur Vermeidung von Flugkatastrophen beitragen. Der Einsatz der NATO-AWACS ist völkerrechtskon- form und mit der afghanischen Regierung abgestimmt. Bereits seit 2003 übernimmt ISAF in Zusammenarbeit mit der afghanischen Seite eine Reihe von Flugsiche- rungsaufgaben. Obwohl es Bemühungen gibt, eine zivile afghanische Flugsicherung aufzubauen, wird dieses Ziel erst in mehreren Jahren erreicht sein. Die AWACS über- brücken daher vorhandene Lücken. Die Bedenken darüber, dass die AWACS für Luft-Bo- den-Aufklärung und Luft-Boden-Einsätze genutzt wer- den könnten, sind ausgeräumt, da AWACS hierfür die technische Ausstattung fehlt. Eine mögliche Feuerleit- funktion für Luftkämpfe wird nicht zum Einsatz kom- men, da die Aufständischen in Afghanistan nicht über eine eigene Luftwaffe verfügen. Das Mandat beschränkt den Einsatz der AWACS außerdem klar auf den afghani- schen Luftraum. Die Bundesregierung hat im Gegensatz dazu keine sichtbaren Schritte dazu unternommen, ihren angekün- digten Beitrag zum Strategiewechsel in Afghanistan auch tatsächlich umfassend zu erbringen. Sie hat im zivi- len Bereich, hier vor allem bei Polizei und Justiz, nicht den erforderlichen Aufbauschub eingeleitet. Und sie hat bislang keinen klaren Plan vorgelegt, wie und bis zu welchem Zeithorizont die militärische Sicherung des Wiederaufbaus durch die Bundeswehr in Afghanistan verantwortbar und erfolgreich abgeschlossen werden kann. Ich stimme dem Mandat zum Einsatz deutscher Streit- kräfte im Rahmen der NATO-AWACS-Operation zu, da so ein wichtiger Beitrag zur Sicherung des zivilen und militärischen Flugverkehrs sowie zur Vermeidung von Flugkatastrophen in Afghanistan geleistet werden kann. Ich fordere gleichzeitig die Bundesregierung auf, ihren angekündigten Beitrag zum Strategiewechsel in Afgha- nistan – vor allem beim Aufbau von Polizei und Justiz – endlich zu erbringen. Sie muss ihr Engagement für den zivilen Wiederaufbau in Afghanistan deutlich ausweiten. Wolfgang Spanier (SPD): Der Fortsetzung der Be- teiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Ein- satz der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan, ISAF, habe ich im Deutschen Bundestag zugestimmt. Die Aufbauhilfe durch die Bundeswehr in Afghanistan halte ich für einen aus humanitären und politischen Gründen wichtigen Einsatz. Ich halte aber eine klare Trennung von ISAF und OEF für notwendig. Beim Einsatz der Tornados und jetzt bei der Beteiligung an NATO-AWACS sehe ich, dass die beiden Mandate nicht eindeutig getrennt werden. Des- halb werde ich – wie beim Einsatz der Tornados – auch der Beteiligung an NATO-AWACS in Afghanistan nicht zustimmen. Deutsche Soldaten werden damit in Kampfhandlun- gen einbezogen, auf deren Planung und Durchführung sie keinerlei Einfluss haben. Es ist zu befürchten, dass damit die Sicherheit der deutschen Soldaten im Norden nicht erhöht, sondern immer mehr gefährdet wird. Es sind verstärkte Angriffe und Anschläge festzustellen. Darüber hinaus befürchte ich, dass die Zustimmung des Deutschen Bundestages weitere Anforderungen der Ver- bündeten auslösen könnte, bis hin zum Einsatz deutscher Bodentruppen. Deshalb kann ich dem Antrag der Bundesregierung nicht zustimmen. Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Christoph Strässer (SPD) zur namentlichen Abstimmung über die Beschluss- empfehlung zu dem Antrag: Erhöhung des Schonvermögens im Alter für Bezieher von Arbeitslosengeld II (Tagesordnungspunkt 11) Die Forderung nach einer Erhöhung des Schonvermö- gens ist in der Sache richtig und deshalb auch Bestand- teil des Regierungsprogramms der SPD für die 17. Le- gislaturperiode. Es ist jedoch unseriös, populistisch und dem berechtigten Anliegen der Betroffenen abträglich, diesen Antrag in der letzten Sitzungswoche des Bundes- tags zur Abstimmung zu stellen, in der Gewissheit, dass die Bundesregierung und das Parlament schon wegen des Zeitablaufs und der Diskontinuität selbst bei einem Erfolg des Antrags keine Möglichkeit mehr hätten, ein entsprechendes Gesetzgebungsverfahren auch nur einzu- leiten. Die Antragsteller beweisen einmal mehr, dass es ih- nen nicht um die Sache geht, sondern ausdrücklich um nichts anderes, als auf dem Rücken der Betroffenen an- dere Fraktionen vorzuführen. In Erkenntnis dieses Umstandes werde ich diesen An- trag ablehnen. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 26027 (A) (C) (B) (D) Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Alexander Dobrindt (CDU/ CSU) zur Abstimmung über die Beschlussemp- fehlung zu dem Antrag: Kein Genmais-Anbau gegen den Willen der Bürger in der EU (Tages- ordnungspunkt 25) Anbau und Verkauf der gentechnisch veränderten Maissorte MON810 sind in Deutschland nicht mehr zu- lässig. Das Ruhen der Genehmigung von MON810 ist seit 14. April 2009 angeordnet. Diese Entscheidung der Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz war angesichts der unterschiedlichen Risikobewertung durch die fachlich befassten Bundesbe- hörden vom Vorsorgeprinzip geboten. Die Entscheidung von Bundesministerin Ilse Aigner ist richtig und wird von mir unterstützt. Deshalb lehne ich den Antrag nicht ab. Ich enthalte mich zu der Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/13663. Anlage 6 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Max Lehmer, Wolfgang Zöller, Max Straubinger und Maria Eichhorn (alle CDU/CSU) zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung zu dem Antrag: Kein Genmais-Anbau gegen den Willen der Bürger in der EU (Tagesordnungspunkt 25) Der Antrag enthält sehr pauschale Forderungen in Be- zug auf den Umgang mit GVO in Deutschland und Europa. Das Verbot von MON810 ist gerichtlich bestätigt. Eine eventuelle Verlängerung der Zulassung hängt von den Ergebnissen wissenschaftlicher Studien ab. Die Zulassung neuer Sorten richtet sich nach dem strengen Zulassungsverfahren der EU. Bei jeder Ent- scheidung über die Zulassung eines GVO handelt es sich um eine Einzelfallentscheidung, bei der Pro und Kontra auf wissenschaftlicher Grundlage sorgfältig abgewogen werden. Neue Erkenntnisse müssen nach europäischem und deutschem Recht bei der Entscheidungsfindung Be- rücksichtigung finden, sowohl bei der Bewertung schon zugelassener als auch bei der Neuzulassung beantragter Linien. Insofern kann es keine Vorfestlegung des Ab- stimmungsverhaltens bei Zulassungsentscheidungen ge- ben. Eine Positionierung zu der kürzlich eingebrachten Ini- tiative Österreichs (Opt-out-Regelung) ist derzeit noch nicht möglich, wie die Sitzung des Umweltministerrats vom 25. Juni 2009 gezeigt hat. Eine sorgfältige inhaltli- che wie rechtliche Prüfung steht noch aus. Sicherheit für Mensch, Tier und Umwelt ist oberstes Prinzip für alle neuen Technologien. Der Wille des Bür- gers muss über eine echte Wahlfreiheit gewährleistet werden. Dazu ist volle Transparenz über das gesamte Zulassungsverfahren und eine umfassende Kennzeich- nung von Produkten aus GVO unverzichtbar. Aus den genannten Gründen stimmen wir der Be- schlussempfehlung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz auf Drucksache 16/13663 zu und lehnen den Antrag ab. Anlage 7 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstim- mung über die Beschlussempfehlung zu dem Antrag: Mietrechtsänderungen zur Erleichte- rung klima- und umweltfreundlicher Sanierun- gen (Tagesordnungspunkt 40) Ich stimme gegen den Antrag der FDP und für die ab- lehnende Beschlussempfehlung des Ausschusses. Die FDP will energetische Haussanierungen auch ge- gen den Willen der Mieter erleichtern, diesen dann ihr Mängelminderungsrecht selbst bei Unbewohnbarkeit der Mieträume streichen sowie die behaupteten Investitions- und Folgekosten pauschaliert leichter auf die Mieter ab- wälzen, ohne dass diese die Kosten voll überprüfen dür- fen. Demgegenüber halte ich für richtig: Bei Modernisie- rungen soll die Miete gemäß § 559 BGB höchstens um jährlich 11 Prozent nur der real und belegt aufgewende- ten Kosten 9 Jahre lang statt dauerhaft erhöht werden dürfen, dies aber nur bis zu einer Kappungsgrenze bis 10 Prozent über der vorherigen Nettokaltmiete. Ich stimme auch deshalb gegen diesen FDP-Antrag, weil ich entgegen dessen Zielrichtung, Mieter mit höhe- ren Mieten zu belasten, eine Entlastung der Mieter und Mieterinnen gerade in begehrten Innenstadtlagen wie Berlin-Friedrichshain, -Kreuzberg oder -Prenzlauer Berg für dringlich halte. Dort herrscht europaweit eine der höchsten Bevölkerungsdichten, doch bundesweit mit die niedrigsten Durchschnittseinkommen. Immer höhere Einkommensanteile müsse für Mieten ausgegeben wer- den. Bei Neuvermietungen springen die Mieten teils über 50 Prozent höher. Immobilienunternehmer schät- zen, dass sich die Kreuzberger Mieten in den nächsten 10 bis 15 Jahren verdoppeln, wenn kein Einhalt geboten wird. In einzelnen Gegenden wird bezahlbarer Wohn- raum für oft alteingesessene Geringverdiener knapp; diese werden durch finanzstarke Zuzügler verdrängt. In ganz Berlin gab es von 2006 auf 2007 zwar 43 000 mehr Haushalte, doch nur knapp 10 000 mehr Wohnun- gen. Obwohl hier nur 83 Prozent des deutschen Durch- schnitts verdient wird, stiegen die Angebotsmieten von 2007 auf 2008 nochmals um 6 Prozent. Auch bundesweit sind Mieterinnen und Mieter durch solch teils rasante Steigerungen von Grundmieten und 26028 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 (A) (C) (B) (D) Nebenkosten großem Vertreibungsdruck ausgesetzt. So werden gewachsene Bevölkerungsstrukturen entmischt; dies verursacht viele Folgeprobleme, unter anderem eine Konzentration finanziell schwächer gestellter und teils sozial problematischer Mieterinnen und Mieter in be- stimmten Gegenden. Gegen solche Entwicklungen sind – ganz anders als der FDP-Antrag bezweckt – nach meiner Überzeugung folgende weitere Maßnahmen erforderlich: Bei Neuvermietungen darf eine erhöhte Miete nur bis zum Mittelwert des jeweiligen Mietspiegels gefordert werden, um bisherige erhebliche Mietpreissprünge an- lässlich Mieterwechseln zu vermeiden. Die Kappungsgrenze für reguläre Mieterhöhungen soll innerhalb von 3 Jahren nicht bis zu plus 20 Prozent betragen dürfen, sondern nur bis zur addierten durch- schnittlichen Inflationsrate dieser Jahre, also zum Bei- spiel für 2006/7/8 etwa 6,5 Prozent. Durch Änderung des Baugesetzbuchs sollen wieder Mietpreisobergrenzen in Sanierungsgebieten zugelassen werden zum Schutz vor dortiger Verdrängung finanziell schwächer gestellter Mieter – „Gentrification“. Aus den gleichen Gründen soll in Milieuschutzgebie- ten vor allem zur Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung gemäß § 172 Abs. 4 BauGB eine Festlegung von Mietobergrenzen ermöglicht werden bei einer maximalen Mietbelastung von 25 Prozent des durchschnittlichen Haushaltseinkommens. Gegen Leerstand von Sozialwohnungen und Entmi- schung von Wohngebieten sollen im sozialen Woh- nungsbau Kappungsgrenzen für Mieterhöhungen gene- rell gelten und niedrig angesetzt werden und solche Wohnungen umgehend in das Vergleichsmietensystem überführt werden, deren Mieten rechnerisch bereits über dem Mittelwert der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Bewohner, die solche Miete nicht aufbringen können, sollen gezielte staatliche Zuwendungen erhalten. Anlage 8 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Jan Mücke (FDP) zur Ab- stimmung über die Beschlussempfehlung zu dem Antrag: Umsetzungsgesetz für UNESCO- Welterbeübereinkommen vorlegen (Tagesord- nungspunkt 60) Der Ausschuss für Kultur und Medien hat in seiner Beschlussempfehlung vom 30. Juni 2009 – Drucksache 16/13581 – den Mitgliedern des Deutschen Bundestages empfohlen, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen „Umsetzungsgesetz für UNESCO-Welterbe- übereinkommen vorlegen“ – Drucksache 16/13176 – ab- zulehnen. Ich folge dieser Empfehlung. Meine Zustimmung zur vorgenannten Beschlussemp- fehlung entspricht zudem der Abstimmungsempfehlung der FDP-Bundestagsfraktion an ihre Mitglieder. Aus Sicht der Fraktion suggeriert der Antrag, dass der Bund durch Erlass eines nationalen Ausführungsgesetzes eine Bindungswirkung der UNESCO-Welterbekonvention gegenüber allen Körperschaften auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene erzeugen kann, die sich auf sämtli- che von der Konvention erfassten Schutzgüter erstreckt. Der Antrag vermittelt damit jedoch den Eindruck, ein Ziel zu verfolgen, das im Widerspruch zu den Gesetzge- bungskompetenzen nach dem Grundgesetz steht. Das UNESCO-Übereinkommen hat den Schutz so- wohl des Weltnatur- als auch des -kulturerbes zum In- halt. Der Bund ist jedoch nur hinsichtlich des Naturerbes befugt, die Konvention in innerstaatliches Recht umzu- wandeln, denn hinsichtlich des Kulturerbes fehlt ihm die Gesetzgebungskompetenz. Dem Bund kommt nach Art. 59 Abs. 2 Grundgesetz ein formelles, aber kein materielles Gesetzgebungsrecht zu. Eine völkervertragliche Regelung ist nicht automa- tisch eine auswärtige Angelegenheit, für die der Bund nach Art. 73 Nr. 1 Grundgesetz die ausschließliche Ge- setzgebungskompetenz hätte. Ein Vertragsgesetz des Bundes ist daher nur insoweit zulässig, wie es eine Ma- terie der Bundesgesetzgebung regelt. Soll hingegen ein völkerrechtliches Abkommen in die nationale Rechts- ordnung überführt werden, für das seinem Inhalt nach die Länder die Gesetzgebungskompetenz besitzen, ist es allein deren Aufgabe, ein entsprechendes Gesetz zu er- lassen. Der Bund kann insoweit nicht anstelle der Länder tätig werden. Gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 29 Grundgesetz ist der Bund zuständig für die Gesetzgebung hinsichtlich des Naturschutzes und der Landschaftspflege. In Bezug auf den Denkmalschutz verleiht das Grundgesetz dem Bund hingegen keine Gesetzgebungskompetenz, somit sind gemäß Art. 70 Abs. 1 Grundgesetz insoweit die Länder zuständig. Zwar wird die Bundesregierung mit dem Antrag auf- gefordert, Entwürfe zur Änderung von Gesetzen vorzu- legen, für die der Bund die Gesetzgebungskompetenz besitzt. Aber bereits in der Begründung des Antrages findet diese notwendige Einschränkung keine Beachtung mehr. In ihr wird durchgängig auf das Kulturerbe und somit auf den Denkmalschutz abgestellt. Dadurch wird deutlich, welche Ziele tatsächlich mit dem Antrag ver- folgt werden. Zur Erreichung dieser Ziele ist er aber vollständig untauglich. Darüber hinaus ist der Antrag nicht dazu geeignet, Rechtsfrieden zu schaffen. Es wird die Frage aufkom- men, warum hinsichtlich des Schutzes des Kulturerbes die Länder und Kommunen trotz Erlasses eines soge- nannten UNESCO-Vertragsgesetzes nicht an die Vorga- ben der Konvention gebunden sind. Gesetzgeberische Maßnahmen auf Bundesebene werden zu noch mehr Un- sicherheit und Unverständnis bei den Bürgern führen. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 26029 (A) (C) (B) (D) Anlage 9 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Sibylle Laurischk (FDP) zur namentlichen Abstimmung über die Beschluss- empfehlung zu dem Antrag: Gesetz zur Strei- chung des Optionszwangs aus dem Staatsange- hörigkeitsrecht (Tagesordnungspunkt 72) Ich werde dem Gesetzentwurf zustimmen, da ich der Auffassung bin, dass die im Staatsangehörigkeitsgesetz normierte Optionspflicht für Ausländer ein Signal gegen Integration setzt. Diese Regelung stellt eine Ungleichbehandlung ge- genüber Kindern aus binationalen Ehen dar, die das dau- erhafte Recht auf beide Staatsangehörigkeiten haben. Sie führt nicht zu einer besseren Integration der Betroffenen, da sie die Aufforderung als Infragestellung ihrer Zuge- hörigkeit zu unserer Gesellschaft empfinden. Dazu ist der bürokratische Aufwand enorm, Gerichtsverfahren sind nach Ablauf der fünfjährigen Entscheidungsfrist vorprogrammiert. Die Einführung des Geburtortrechts durch die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts Anfang 1999 stellt eine liberale Errungenschaft dar, die den Weg in ein moder- nes Staatsangehörigkeitsrecht weist. Die im Vermitt- lungsverfahren eingeführte Optionspflicht war ein politi- scher Kompromiss, um überhaupt Verbesserungen zu erreichen. Nach fast zehn Jahren sehe ich keinen sachli- chen Grund, an dieser Kompromisslösung festzuhalten. Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Unterrichtung: Gutachten zu Forschung, In- novation und technologischer Leistungs- fähigkeit 2009 und Stellungnahme der Bun- desregierung – Beschlussempfehlung und Bericht zu den Anträgen: – Nanotechnologie – gezielte Forschungs- förderung für zukunftsträchtige Innova- tionen und Wachstumsfelder – Nanotechnologie für die Gesellschaft nut- zen – Risiken vermeiden – Nanotechnologie-Bericht vorlegen – Nanotechnologie – Forschung verstärken und Vorsorgeprinzip anwenden – Beschlussempfehlung und Bericht zu dem Antrag: Innovationskraft von kleinen und mittleren Unternehmen durch steuerliche Förderung gezielt stärken – Beschlussempfehlung und Bericht zu dem Antrag: Öffentlich finanzierte Pharmainno- vationen zur wirksamen Bekämpfung von vernachlässigten Krankheiten in den Ent- wicklungsländern einsetzen – Beschlussempfehlung und Bericht zu dem Antrag: Die Nanotechnologien – Schlüssel zur Stärkung der technologischen Leistungs- kraft Deutschlands (Tagesordnungspunkt 14 a bis e) Marion Seib (CDU/CSU): Forschung, Innovation und technologische Leistungsfähigkeit, in die auch das Thema Nanotechnologie fällt, sind Schlüsselbegriffe für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Nanotechnologie gilt als eine Schlüsseltechnologie, von der Anstöße zu innovativen Entwicklungen in den verschiedensten technologischen Bereichen und gesell- schaftlichen Anwendungsfeldern zu erwarten sind und die heute schon erfolgreich in verschiedenen Feldern eingesetzt wird. Die künftigen Fortschritte der Nano- technologie können großen Einfluss auf die weitere Ent- wicklung zukunftsträchtiger Branchen haben. Für viele in Deutschland wichtige Industriebranchen wie Chemie, Pharma, Energie, Automobilbau, Informationstechnik oder Optik hängt die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit ihrer Produkte auch von der Erschließung des Nanokos- mos ab. Für den Wirtschaftsstandort Deutschland gibt es keine Alternative zu einer Strategie der permanenten Innova- tion. Die Verfügung über die Nanotechnologie bestimmt daher die technologische Leistungsfähigkeit und die in- ternationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirt- schaft entscheidend mit. Fachleute schätzen den Umsatz mit Produkten der Nanotechnologie im Jahr 2015 auf bis zu 1 Billion Euro. Auf dem Gebiet der Nanotechnologie ist die Bundesrepublik in Europa führend. 2007 gab es in Deutschland 50 000 Arbeitsplätze, die direkt oder indi- rekt von der Nanotechnologie abhingen. Dies sind gute Ausgangspositionen, auch angesichts der aktuellen Krise. Allerdings dürfen wir auch gerade jetzt nicht stehen blei- ben, sondern müssen aktiv in Forschung und Innovation investieren. Die Koalition begrüßt die bisherigen Maßnahmen der Bundesregierung, insbesondere die „Nano-Initiative – Aktionsplan 2010“ im Rahmen der Hightech-Strategie, mit der die Bundesregierung die Nanotechnologien mit insgesamt 640 Millionen Euro fördert, und die Initiie- rung von Förderaktivitäten, unter anderem des Projekt- clusters NanoCare, in dem mögliche Risiken im Um- gang mit neuen Materialien frühzeitig untersucht und der Öffentlichkeit kommuniziert werden. Erwähnen möchte ich hier auch die finanzielle Unterstützung durch Mittel in Höhe von 1,5 Milliarden Euro bis 2013 im Rahmen des 7. EU-Forschungsrahmenprogramms. Uns ist klar, dass, solange der Einfluss von Nanoparti- keln auf den menschlichen Körper noch nicht hinrei- chend erforscht ist, darauf geachtet werden muss, dass deren Verbreitung in Gewässern, Luft und Böden unter- bunden wird und jene Stoffe, die unmittelbar mit Menschen in Berührung kommen können, besonders un- tersucht werden. Daher unterstützen wir die Bundes- 26030 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 (A) (C) (B) (D) regierung und deren Programme, Wissenslücken zu schließen und die in den einzelnen Fachgebieten rele- vanten Aspekte der Nanotechnologie zu einer Gesamt- strategie zusammenzuführen. Wir fordern die Bundes- regierung aber auch auf, die Forschungsförderung in den einzelnen Bereichen enger zu begleiten sowie Wirtschaft und Bevölkerung besser zu informieren. Die Koopera- tion zwischen Forschung und Wirtschaft muss ausgebaut und besonders fehlende Fachkräfte müssen durch stär- kere finanzielle Unterstützung der Hochschulen gewon- nen werden. Ich bin sehr stolz darauf, dass es uns Forschungspoli- tikern der Koalition gelungen ist, auch die Verbraucher- schützer dafür zu gewinnen, diesen Antrag in der vorlie- genden Form zu unterstützen. Noch besitzt die Nanotechnologie eine relativ hohe Akzeptanz in der deutschen Bevölkerung. Besonders die Wirtschaft fordere ich zu besonders sorgfältiger Kon- trolle ihrer Produkte auf. In Deutschland sind die Voraussetzungen für eine positive Entwicklung der Nanotechnologie gegeben. Wir müssen nun die Weichen richtig stellen und Anwen- dungspotenziale erschließen. Ich bitte Sie um Unterstützung unseres Antrages. René Röspel (SPD): In der letzten Sitzungswoche hatten wir Forschungspolitiker ein sehr spannendes Ge- spräch mit dem Vorsitzenden der Expertenkommission Forschung und Innovation, Herrn Professor Harhoff. Ich wiederhole hier gern noch einmal mein bei diesem Ge- spräch geäußertes Lob an alle Mitglieder der Experten- gruppe. Denn auch das aktuelle Gutachten ist wieder sehr aufschlussreich. Auch wenn es in diesem Jahr nur ein Kurzgutachten werden sollte, so ist es wieder ein reichhaltiger, lesenswerter und nicht ganz kurzer Bericht geworden. Mir fällt es deshalb schwer, aufgrund der zeitlichen Begrenzung eine ausgeglichene Themenaus- wahl vorzunehmen. Ich versuche es dennoch. Das Gutachten verweist zu Recht darauf, dass in wirt- schaftlich schlechten Zeiten in Unternehmen besonders die Bereiche Forschung und Innovation – FuE – zurück- gefahren werden. Man kann es ihnen nicht verübeln. Aber das Gutachten weist ebenfalls darauf hin: For- schung und Entwicklung sind wichtige Komponenten für das Wirtschaftswachstum in industriellen Ländern. Das Zurückfahren dieses Bereiches wird kontraproduk- tiv sein. Zwar ist der Einfluss der Konjunktur auf die Forschung und Entwicklung in Deutschland geringer als in anderen Ländern, doch reagieren besonders die klei- nen und mittleren Unternehmen stärker auf Veränderun- gen der konjunkturellen Bedingungen als große Unter- nehmen. Dies liegt in Deutschland insbesondere an deren geringem Eigenkapital. In der nächsten Legislatur- periode sollten wir Forschungspolitiker uns deshalb dem Bereich Eigenkapitalfinanzierung noch einmal intensiv zuwenden. Auch in diesem Zusammenhang haben die Autoren bereits im letzten Gutachten die Einführung einer steuer- lichen Förderung von Forschung und Entwicklung in Deutschland vorgeschlagen. Auch dieses Jahr verweisen sie wieder darauf. Die SPD hat sich in ihrem Wahlpro- gramm übrigens bereits grundsätzlich für eine solche Förderung für KMU ausgesprochen. Dennoch muss man die in vielen Teilen gut begründete und nachvollziehbare Forderung der Expertenkommission in einen politischen Gesamtzusammenhang stellen, wie sie selbst es auch tut. Steuerliche Forschungsförderung kann nur zusätzlich zur Projektförderung erfolgen. Die allein praktische Frage bleibt die nach der Finanzierung einer solchen zu- sätzlichen Förderung. In der gegenwärtigen Situation scheint mir deshalb die Diskussion darüber theoretisch, wenn nicht sogar illusorisch-populistisch, wenn man wie die FDP oder die darüber zerstrittene Union Steuersen- kungen verspricht. Wenn wir – wie auch von der Exper- tenkommission gefordert und zu Recht angemahnt – von der Orientierung auf hochwertige Technologien wie Au- tomobil-, Maschinenbau- und Chemieindustrie hinkom- men müssen zu einem stärkeren Ausbau von Spitzen- technologie, so wird uns eine pauschale Förderung – mit allen ihren Vorteilen – nicht nützen, sondern wir müssen gezielte Projekt- und Programmförderung betreiben. Wie erfolgreich das sein kann – für Technologieschub, Wirtschaftskraft, Arbeitsplatzschaffung und Umwelt- schutz – hat die unter der rot-grünen Regierung ver- stärkte Förderung etwa von Umwelttechnologien, Ener- gieeffizienz und erneuerbaren Energien eindrucksvoll gezeigt. Die vielen anderen guten Beispiele im Bereich Elektromobilität, optische Technologien oder Nanotech- nologie, zu der wir heute einen umfassenden Antrag der Großen Koalition verabschieden werden, belegen die Notwendigkeit der Projektförderung. Ein ganz anderer, mindestens ebenso wichtiger Aspekt ist der folgende: Mögliche, für steuerliche Förde- rung benötigte Finanzmittel konkurrieren um einen an- deren Bereich, der die zentrale Basis unserer Wissen- schaft und unseres technologischen Erfolges darstellt, die Grundlagenforschung. Sie ist in Deutschland hervor- ragend aufgestellt, aber sie wird im Wesentlichen und mit einem zweistelligen Milliardenbetrag von der öffent- lichen Hand finanziert. Das muss nicht nur so bleiben, sondern ausgebaut werden, nicht nur, weil Grundlagen- forschung einen Wert an sich darstellt, sondern weil sich gesellschaftlicher oder wirtschaftlicher Nutzen mitunter erst viel später erschließt. Nur ein Beispiel: Auf Einla- dung meines Kollegen Dr. Ernst Dieter Rossmann habe ich vor einigen Wochen die Biologische Anstalt Helgo- land und die dortige Vogelwarte besucht. Dort wird her- vorragende und leidenschaftliche wissenschaftliche Arbeit verrichtet, die vermutlich aus Sicht eines Wirt- schaftsunternehmens zunächst als nicht sinnvoll oder un- terstützenswert angesehen werden würde. Warum soll man denn regelmäßige Messungen von Temperatur und Zustand des Nordseewassers um Helgoland, Hummer- forschung oder eine Vogelwarte finanzieren? Erst heute zeigt sich die Bedeutung solcher For- schung für ein besseres Verständnis von Klimawandel und Ökologie – übrigens mit allen gewaltigen ökonomi- schen Konsequenzen, die ohne Umsteuerung die nach- folgenden Generationen zu tragen haben. Das Thema steuerliche Forschungsförderung werden wir in der Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 26031 (A) (C) (B) (D) nächsten Legislaturperiode sehr verantwortlich diskutie- ren müssen. Sehr gefreut habe ich mich auch über einen anderen Abschnitt im Gutachten, auch wenn er nur sehr klein ge- halten war, nämlich zum Thema Fachhochschulen. Diese stehen in Deutschland leider immer ein wenig im Schatten ihrer großen Schwestern, der Universitäten. Aber beide Institutionen nehmen eine wichtige Rolle in der Lehre und Forschung in Deutschland ein. Fachhoch- schulen stellen besonders für in der Region ansässige kleinere und mittlere Unternehmen eine wertvolle Unter- stützung dar. Das kann ich aus vielen Erfahrungen mit der FH Südwestfalen nur bestätigen. Die SPD hat das 1998 erkannt und seitdem die Förderung von Fachhoch- schulforschung stetig erhöht. Der Bund fördert Fach- hochschulen in diesem Jahr mit 34 Millionen Euro. Wir werden das fortsetzen. Als Bund würden wir gern noch mehr tun. Das Gutachten verweist auch auf weiteren Handlungsbedarf. So ist es zum Beispiel nicht einsehbar, warum Fachhochschulprofessoren in der Regel keine Assistenten haben, die sie in der Forschung unterstützen könnten. Leider ist dieser Bereich auch nach der letzten Föderalismusreform immer noch Ländersache. Bildung ist ein viel zu wichtiger und anspruchsvoller Bereich, als dass er nur auf den Schultern der Länder liegen kann. Hier muss der Bund in Zukunft noch mehr Möglichkei- ten erhalten. Ich bin gespannt, zu welchem Schluss das nächste Gutachten mit dem Schwerpunkt Föderalismus- reform kommen wird. Wie schon im Gutachten 2008 fällt die Mahnung zum drohenden Fachkräftemangel wieder sehr deutlich aus. Das Gutachten spricht von einem „ungebrochenen Trend zu mehr Hochqualifizierten in der gewerblichen Wirt- schaft“ und zwei Seiten weiter „vom Rückgang der Stu- dierneigung in Deutschland“. Bis ins Jahr 2020 wird Deutschland einen Zusatzbedarf von 1 Million Akade- mikern haben. Die Bereitstellung einer ausreichenden Zahl beruflich Qualifizierter ist allerdings nicht nur eine zentrale Frage für die – technologische und wirtschaftli- che – Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Für uns Sozial- demokraten ist der gerechte Zugang zu Bildung viel mehr als die Bereitstellung von Fachkräften. Bildung ist für uns unabdingbares Grundrecht für jeden einzelnen Menschen und Bestandteil von Freiheit und Selbstbe- stimmung. Wie keine andere Partei verkörpern wir diese Zielsetzung. Erlauben Sie mir bitte, dies ausnahmsweise auch zu personifizieren am Beispiel unseres Kollegen Dieter Grasedieck, der heute trotz seines Geburtstages im Plenum sitzt und nach der Wahl aus dem Bundestag ausscheiden wird: geboren als Kind einer Bergarbeiter- familie in Gladbeck, mit 17 in die Schlosserlehre, Inge- nieursstudium, Staatsexamina, Berufsschullehrer und beeindruckt von Willy Brandt. Lieber Dieter, du hast aus einer sehr typischen sozialdemokratischen Bildungsbio- grafie und deinem Berufsleben viele Erfahrungen und Engagement für junge Menschen und für die Bildungs- und Forschungspolitik mit in den Bundestag gebracht. Dafür gebührt dir unser aller Dank und Respekt. Wir ha- ben gerne mit dir zusammengearbeitet. Du wirst uns feh- len. Von dieser Stelle ein herzliches Glückauf für deinen wohlverdienten Ruhestand. Allerdings mahnen uns die Gutachten der Experten- kommission, dass wir noch lange nicht am Ziel sind: Wenn die Chancen auf ein Hochschulstudium für Aka- demikerkinder viermal höher sind als die für gleicherma- ßen begabte Kinder aus Arbeitnehmerfamilien, wenn Studiengebühren dazu führen, dass junge Menschen nicht studieren können und wenn immer noch die soziale Herkunft über die Aufnahme eines Studiums entschei- det, wissen wir, dass sozialdemokratische Bildungspoli- tik wichtiger ist denn je. Die Expertenkommission schreibt auf Seite 123: Der Abbau dieses Ungleichgewichts ist allein schon aus Gründen der sozialen Gerechtigkeit erforder- lich. Wenn diese Begründung Union und FDP nicht aus- reicht, um endlich BAföG zu unterstützen, Studienge- bühren abzuschaffen und für ein modernes und gerechtes Bildungssystem einzutreten, wie es die SPD tut, fruchtet vielleicht der Appell, dass die Fortsetzung konservativ- liberaler Bildungspolitik die technologische und damit ökonomische Zukunftsfähigkeit unseres Landes gefähr- det. Wir brauchen jeden jungen Menschen – unabhängig von seiner sozialen Herkunft. Die letzte Rede in einer Legislaturperiode bietet auch immer die Möglichkeit des Dankes. Ich will mich ausdrücklich bedanken bei den Koalitionspartnern der SPD in den letzten elf Jahren. Mit den Grünen zusammen haben wir 1998 begonnen, nach Jahren der Resignation und Stagnation endlich wieder neue Impulse bei Bildung und Forschung zu setzen. Wir sind dankbar dafür, dass auch die Union diesen Weg in der Großen Koalition mitgegangen ist. Das aktuelle EFI-Gutachten bestätigt das: Auch in Deutschland, wo praktisch die gesamten 1990er Jahre hindurch Stillstand geherrscht hatte, konnte ab 1998 eine Ausweitung der staatlichen FuE-Budgets um gut 1 Prozent jährlich realisiert werden. Man kann das auch kürzer ausdrücken: Wenn die SPD regiert, ist das gut für Bildung und Forschung. Cornelia Pieper (FDP): Ob Deutschland die He- rausforderungen der Rezession als Folge einer internatio- nalen Finanz- und Wirtschaftskrise meistern wird, hängt in entscheidendem Maß auch davon ab, wie gut es Staat und Wirtschaft gelingen wird, einerseits geeignete Be- dingungen für einen schnellen und effizienten Transfer von Forschungs- und Entwicklungsleistungen in innova- tive und marktgerechte Produkte zu schaffen und ande- rerseits die Zukunftsfähigkeit forschender Unternehmen durch Stärkung ihrer Investitionskraft zu sichern. Wir alle wissen um die Bedeutung der Eigenkapitalbasis für die Realwirtschaft. Doch gerade junge Technologieun- ternehmen, ob Spin-off oder Start-up, haben gerade da- von nicht genug. Nicht viel besser geht es einer großen Zahl von innovativen kleinen und mittelständischen Un- ternehmen. Der Anteil der forschenden Unternehmen hierzulande liegt seit Jahren unverändert bei circa 25 Prozent. Ihr FuE-Anteil am BIP lag 2007 bei 1,77 Prozent. Leider sind die Innovationsbeiträge aller 26032 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 (A) (C) (B) (D) klein- und mittelständischen Unternehmen, KMU, zurück- gegangen. Wo stehen wir heute? Die staatliche Förderung der FuE in den Unternehmen ist seit Jahren rückläufig. Der Finanzierungsanteil der öffentlichen Hand an den FuE- Aufwendungen der Wirtschaft ist von 16,9 Prozent im Jahr 1981 auf 4,5 Prozent im Jahr 2006 gefallen. Er kon- zentriert sich auf die direkte Projektförderung mit oft- mals komplizierten Antragsverfahren. Der drastische Rückgang der öffentlichen FuE-Beteiligung in Deutsch- land ist nicht unkritisch, wenn man an die Hebelwirkung der öffentlichen FuE-Förderung denkt. Jeder Euro staat- licher FuE-Finanzierung mobilisiert im Schnitt ungefähr 1,6 Euro für FuE von der Wirtschaft. Auch die OECD stellte fest, dass immer mehr Staaten – heute sind es be- reits 21 von 30 Staaten – zusätzlich zu einer FuE-Pro- jektförderung breitenwirksame Förderinstrumente – wie die steuerliche FuE-Förderung – zur Stimulierung des Forschungsengagements der Unternehmen eingeführt haben. Beispielgebend hierfür sind die USA, Kanada, Mexiko, Australien, Korea, Spanien, Portugal, Irland, Großbritannien, Österreich, die Niederlande und Frank- reich sowie Japan. Die staatlichen Anreize liegen damit deutlich niedriger als bei der Mehrheit der OECD-Staa- ten. Was sind die Konsequenzen, die die Bundesregierung hieraus zieht? Sie entzieht mit der jüngsten Unterneh- menssteuerreform der Wirtschaft weiteres Eigenkapital durch einfaches „Wegsteuern“. Die restriktiven Regelun- gen bei einer Funktionsverlagerung oder bei einem Man- telkauf behindern in einem hohen Maße Investitionen in Forschung, technologische Entwicklung und Innovation. Bei der Funktionsverlagerung muss insbesondere sicher- gestellt werden, dass Forschungs- und Entwicklungsin- vestitionen im Inland oder der Wissenstransfer innerhalb verbundener Unternehmen nicht erschwert werden. Eine Verdoppelung von Funktionen darf hier nicht als Funk- tionsverlagerung gelten. Nur wenige international tätige Unternehmen werden künftig Deutschland als Standort für ihre Forschung und Entwicklung wählen, weil sie die „Gewinnpotenziale“ aus dieser Forschung vollständig hierzulande versteuern müssen, wenn sie die Erkennt- nisse aus ihren Forschungen auch außerhalb Deutsch- lands nutzen wollen. Die Funktionsverlagerungsbesteue- rung wirkt also insbesondere für Forschungsaktivitäten wie eine „Steuermauer“ um Deutschland. Beim Mantel- kauf ist insbesondere die vollständige Streichung des Verlustvortragspotenzials bei jeder Übernahme von mehr als 50 Prozent der Anteile durch einen Investor vor allem bei innovativen Unternehmen forschungsfeindlich. Zudem muss die innovationsfeindliche Zinsschranke ent- fallen. Sie erlaubt, wenn das Unternehmen keine Zinsein- nahmen in gleicher Höhe hat, nur eine 30-prozentige steu- erliche Berücksichtigung von Darlehenszinsen. Der internationale Standortvergleich zeigt, dass gerade das Steuersystem ein wichtiger Faktor in der Standortbewer- tung der Unternehmen ist. Das aktuelle Gutachten zu Forschung, Innovation und technologischer Leistungsfähigkeit 2009 der Experten- kommission Forschung und Innovation, EFI, spricht sich völlig zu Recht für die Einführung einer FuE-Förderung durch Tax Credits für Forschung und Entwicklung im Steuersystem aus. Ja, die deutsche Wirtschaft braucht eine international vergleichbare breitenwirksame steuer- liche FuE-Förderung, denn im Vergleich mit anderen In- dustrienationen befindet sich Deutschland in einer nach- teiligen Position. Deswegen hat sich die FDP auf meine Initiative hin entschieden, die steuerliche Förderung für Forschung und Entwicklung zu ihrem Regierungspro- gramm zu machen. Einen entsprechenden Antrag haben wir im Deutschen Bundestag eingebracht. Hinzukommt: Die Regierungskoalition hat bisher versagt, die richtige Weichenstellung für ein forschungsfreundliches Steuer- system zu stellen. Den Ankündigungen der Forschungs- ministerin Schavan einer steuerlichen Forschungsförde- rung sind keine Taten gefolgt, sondern auf den Tag nach der Bundestagswahl verschoben worden. Wir werden Sie an Ihrem Versprechen messen, Frau Schavan. Eines der großen Probleme für junge Forscher und Unternehmensgründer ist der Mangel an Wagniskapital. Förderinstrumente wie der Hightech-Gründerfonds, ein Public Private Partnership von Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, KfW Bankengruppe sowie sechs Industriekonzernen – BASF, Deutsche Telekom, Siemens, Robert Bosch, Daimler und Carl Zeiss – haben noch nicht genügend Unterstützer aus der Wirtschaft ge- funden. Sein Fondsvolumen liegt bei rund 272 Millionen Euro. Der Hightech-Gründerfonds investiert Risikokapi- tal in junge, chancenreiche Technologieunternehmen, die vielversprechende Forschungsergebnisse unterneh- merisch umsetzen. Mithilfe der Seed-Finanzierung von bis zu 500 000 Euro sollen die Start-Ups das FuE-Vorha- ben bis zur Bereitstellung eines Prototypen bzw. eines „Proof of Concepts“ oder zur Markteinführung beglei- ten. Ganz oben auf der Agenda der FDP steht die Forde- rung nach Erleichterungen für Wagniskapitalgeber. Wir wollen unsere Kraft in den nächsten Jahren dafür einset- zen, dass ein modernes Private-Equity-Gesetz den not- wendigen Rahmen schafft. Zugleich wollen wir das Stif- tungsrecht vereinfachen. Darüber hinaus brauchen wir eine Verbesserung der Einbeziehung des informellen Ka- pitalbeteiligungsmarktes der Business Angels, um die Finanzierungslücken in der Frühphase von innovativen Unternehmen zu schließen. Ich werbe nach wie vor für die Forschungsprämie, eine 25-prozentige staatliche Be- zuschussung für Hochschulen und Forschungsinstitute, die mit Unternehmen zusammenarbeiten. Sie muss aber mit einem unbürokratischen Antragsverfahren allen Un- ternehmen zugänglich gemacht werden. Wir werden heute in zweiter und dritter Lesung über die Beschlussempfehlung und den Bericht des For- schungsausschusses zu verschiedenen Anträgen zur For- schung für die Nanotechnologien abschließend beraten und über den Antrag der FDP-Bundestagsfraktion sofort abstimmen. Es spricht für die Bedeutung der Nanotech- nologien, wenn wir das heute in der letzten planmäßigen Beratung der 16. Legislaturperiode tun. Die Nanotech- nologien gelten für die FDP wegen ihres hohen Poten- zials zur grundlegenden Durchdringung ganzer Techno- logiefelder als eine der Schlüsseltechnologien des 21. Jahrhunderts. Sie haben maßgeblichen Einfluss auf Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 26033 (A) (C) (B) (D) die Weiterentwicklung von Ökonomie, Ökologie und Gesellschaft und werden künftig alle Lebensbereiche des Menschen durchdringen. Die Nanotechnologien sind für mich neben den Informations- und Kommunika- tionstechnologien eine der wichtigsten Zukunftstechno- logien. In ihnen liegt das Potenzial für zukunftssichere Arbeitsplätze, ein nachhaltige Ressourcen schonendes Wachstum sowie eine bessere Gesundheitsvorsorge und -versorgung. Bereits heute hängen in Deutschland direkt oder indi- rekt zwischen 50 000 und 100 000 Arbeitsplätze von den Nanotechnologien ab. Als Querschnitttechnologie wird die Nanotechnologie in den verschiedensten Anwen- dungsbereichen, von der Medizin, Chemie und Raum- fahrt über die Optik bis hin zur Sensorik, ihren Einzug halten. Bereits im Jahr 2015 wird es kaum noch einen Bereich in unserem Leben geben, in dem nicht Materia- lien in Nanogröße eine Rolle spielen. Nanomaterialien werden künftig zu einer verbesserten und verträglichen Individualmedizin und somit zu einer verbesserten Dia- gnose und Therapie führen. Sie werden Wirkstoffe von Medikamenten im menschlichen Körper zielgenau zum Ort der Erkrankung transportieren und eine optimale Dauermedikation ermöglichen. In der klinischen For- schung sind bereits Nanomaterialien mit magnetischen Eigenschaften bekannt, die der gezielten nichtinvasiven Tumorbekämpfung dienen. Nanotechnologien bringen aber nicht nur ökonomische, sondern auch ökologische Vorteile – das zeigt die dritte Studie „Nachhaltigkeitsef- fekte der Nanotechnologie“ des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung der Universität Bremen. Die Öko- bilanzen verschiedener Anwendungsbeispiele zeigten positive Nachhaltigkeitseffekte durch den Einsatz der Nanotechnologien. Beeindruckende Ergebnisse zeigen Lacke mit nanotechnologischen Komponenten, deren Energie- und Schadstoffbilanz wesentlich besser als bei herkömmlichen Verfahren ist. Ein weiteres Beispiel ist die Licht emittierende Diode, LED. Sie ist schon heute energetisch günstiger als die herkömmliche Glühbirne; in den Labors wird daran gearbeitet, ihre Lichtausbeute noch erheblich zu steigern. Dann ist ihre Energiebilanz noch günstiger als bei Energiesparlampen. Auch in neue Berufsbilder und der Novellierung von Berufsausbildungs- und Studienordnungen wird die Na- notechnologie ihren Einzug halten. Nur mit entsprechen- der Fachkompetenz und einem gut ausgebildeten Berufs- nachwuchs sind die Vorsprünge Deutschlands in der Nanotechnologie zu halten. Das schließt ein, dass zu- gleich die Lehreraus- und Lehrerweiterbildung auf diese Entwicklung reagieren muss, um die junge Generation in die Lage zu versetzen, wieder mehr nach den Chancen neuer Technologien zu fragen, ohne dabei den kritischen Blick für die Risiken zu verstellen. Der Standort Deutschland hat in der Nanotechnologie ein hohes Niveau erreicht. Deutschland nimmt in der Forschung zur Nanotechnologie weltweit den zweiten Platz nach den USA ein. In der Umsetzung in marktfä- hige Produkte und Anwendungen liegt es allerdings hin- ter den USA und Japan. Es besteht jedoch die Gefahr, dass – wie bei vielen anderen Technologien, die in Deutschland entwickelt wurden – die herausragenden Forschungsergebnisse aus der Grundlagenforschung und der anwendungsorientierten Forschung bei uns nicht im erforderlichen Umfang in neue innovative Produkte ein- fließen und damit die Wertschöpfung und die Schaffung von Arbeitsplätzen im Ausland erfolgen. Die Chemike- rin Marie Curie sagte einmal: „Man braucht nichts im Leben zu fürchten, man muss nur alles verstehen.“ Die- sem Denkansatz müssen wir uns verpflichtet fühlen. Ja, wir müssen unseren Erkenntnisgewinn auch nutzen, um die Wirkzusammenhänge besser zu verstehen und Ge- fahren frühzeitig zu erkennen. Nur so können wir Vorbe- halte und Ängste überwinden. Sicherlich wurden in der Vergangenheit große Fehler gemacht. Eine unkritische Technikgläubigkeit ging oft mit Leichtsinn einher. Das Ergebnis: Die Angst scheint sich wie Mehltau über un- sere Gesellschaft zu legen. Vielfach wird zuerst nach den Risiken gefragt. Die Frage nach den Chancen steht oft erst an zweiter Stelle. Genau an diesem Punkt muss auch die wissenschafts- und forschungspolitische Arbeit an- setzen. Ich sehe es als forschungspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion als meine Aufgabe an, im Deutschen Bundestag und seinen Gremien einerseits die Forschung auf dem Gebiet der Nanotechnologie zu för- dern, andererseits zugleich Sorge dafür zu tragen, dass die Sicherheitsforschung fest in diese Forschungspro- gramme integriert ist. Wir alle wissen, dass das griechische Wort „Nanos“ soviel wie „der Zwerg“ bedeutet. Fast jeder von uns weiß, dass die mathematische Einheit „nano“ ein Milliardstel bedeutet. Aber haben wir heute schon standardisierte Ver- fahren für die Messung und Prüfung nanopartikulärer Stoffe? Genau hier muss die Arbeit der Wissenschaftler ansetzen, in deren Ergebnis wir über geeignete Prüf- und Messmethoden für die Sicherheitsforschung verfügen. Erst darauf aufbauend, können wir unsere derzeitige Gesetzeslage zum Schutz der Gesundheit und zum Ar- beitsschutz, das Chemikaliengesetz und auch die Alt- stoffverordnungen, das Arzneimittel- und Medizinpro- duktegesetz anpassen. Ich bin meiner Verantwortung frühzeitig nachgekom- men. Bereits im Jahr 2001 habe ich eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung mit auf den Weg gebracht, in der ich den Stand und die Entwicklung der Nanotechnologie kritisch hinterfragte, Drucksache 14/5443. Im Jahr 2004 gelang es meiner Arbeitsgruppe Bildung und Forschung die Diskussion in der Fraktion zum Thema anzustoßen, was letztendlich dazu führte, in einem Antrag an den Deutschen Bundestag die Positionen der FDP aufzuzeigen und klare Forderungen zu stellen, Drucksache 15/3074. Als Obfrau im Bildungs- und Forschungsausschuss bin ich auch für den Bereich der Technikfolgenabschätzung verantwortlich. Insofern habe ich auch das TAB-Projekt Nanotechnologie von Beginn an begleitet. Der überaus interessante Bericht wurde vom Bundestag zur Kenntnis genommen – und bestimmt in weiten Feldern unsere politische Arbeit, Drucksache 15/2713. Eine wirkliche, ressortübergreifende und in sich kon- sistente Gesamtforschungsstrategie zur Nanotechnologie ist auch aus unserer Sicht notwendig. Die „Nano-Initia- tive – Aktionsplan 2010“, die die Bundesregierung im Rahmen ihrer Hightech-Strategie auf den Weg gebracht 26034 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 (A) (C) (B) (D) hat, kann nur ein Anfang sein. Freiheit der Forschung im Dienste des Menschen ist liberales Credo. Freiheit der Forschung ist auch Verfassungsgrundsatz. Freiheit der Forschung garantiert Wissens- und Erkenntnisgewinn für Innovationen. Sie sind der eigentliche Reichtum unseres Landes. Dr. Petra Sitte (DIE LINKE): Die Expertenkommis- sion Forschung und Innovation hat, beauftragt durch die Bundesregierung, ihr zweites unabhängiges Gutachten zu Forschung, Innovation und technologischer Leis- tungsfähigkeit Deutschlands vorgelegt. Bemerkenswert ist, dass man sich wiederum der Komplexität des The- mas gestellt hat. Es werden Rahmenbedingungen zur Stärkung der Innovationskraft Deutschlands betrachtet: von der Kindertagesstätte über Schul-, Aus- und Hoch- schul- bis zur lebenslangen Weiterbildung, von den Akteuren bis zu Strukturen von Wissenschaftseinrich- tungen, von Grundlagen- über anwendungsorientierte Forschungsförderung durch spezifische staatliche Pro- gramme bis zu spezifischen steuerlichen Anreizen der Innovations- bzw. FuE-Förderung in Unternehmen. Anfangs wird ganz klar festgestellt, dass Deutschland die Zielsetzung – 3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes in Forschung und Entwicklung zu investieren – verfeh- len wird, sofern es beim bisherigen Herangehen bleibt. Es finden sich auch alle der Öffentlichkeit längst be- kannten Kritiken am Bildungssystem Deutschlands in diesem Gutachten wieder: Unterfinanzierung, Qualitäts- und Personalmangel, soziale Auslese mangels adäquater Förderangebote und zusätzliche Hürden zwischen ein- zelnen Bildungsabschnitten, um nur einige wesentliche zu nennen. Die Große Koalition hat daran in den letzten vier Jah- ren nichts geändert. Von einer grundlegenden demokrati- schen Bildungsreform mit sozialer Ausrichtung ist sie weit entfernt. Das Gutachten jedoch fordert zudem von der Politik nachdrücklich, eine steuerliche Förderung von For- schung und Entwicklung auf den Weg zu bringen. Die Linke will sich dieser Debatte nicht verschließen, unter- stützen wir doch auch Maßnahmen, die innovativen klei- nen und mittelständischen Unternehmen bessere Per- spektiven bieten. Gerade die ostdeutschen Bundesländer leiten daraus attraktivere Entwicklungschancen ab. Wir haben uns also gefragt, was steuerliche Förderung für Forschung und Entwicklung bewirken kann. Dabei hilft eine Analyse der Praxis in anderen Ländern. Deren Ergebnisse geben Befürwortern von Steuersubventionen keineswegs recht. Gerade Länder, die besonders viel in Bildung und Grundlagenforschung investieren und keine Steuerermäßigungen für Unternehmen gewähren, stehen in der Summe ihres Innovationspotenzials, speziell auch bei den industriellen FuE-Ausgaben besonders gut da – Schweden, Finnland und die Schweiz etwa. Umgekehrt schaffen es einige Länder seit Jahren nicht, trotz steuerli- cher Förderung, bessere Ergebnisse zu erzielen, sondern zeigen geringe, zum Teil weiter abnehmende FuE-Ausga- ben – siehe Niederlande und Großbritannien. Von den sechs OECD-Spitzenländern bei den FuE-Ausgaben nut- zen lediglich zwei dieses Instrument. Die Hebelwirkung steuerlicher Förderung kann also nicht universal belegt werden. Vielmehr muss diese, eingebettet in das gesamte innovationspolitische Umfeld, geprüft werden. Rankings wie der „Innovationsindikator“ des BDI zeigen, dass Deutschland verglichen mit anderen Indus- trienationen vor allem in der Bildung nachholen muss. Und wer Unternehmen Steuern erlässt, verschenkt eben auch Mittel für Bildung und Ausbildung! Das von der Forschungsministerin bevorzugte Steuermodell etwa würde zwischen 4 und 5 Milliarden Euro pro Jahr kos- ten. Um genau die gleiche Summe haben sich Bund und Länder bei den Hochschul- und Forschungspakten nun fast ein Jahr gestritten. Die Unternehmen würden dieses Geld gern anneh- men, jedoch kein eigenes investieren. Forschung und Entwicklung gehören ohnehin zu den Kernaufgaben von Unternehmen, um am Markt zu bestehen. Staatliche Un- terstützung ließe sich nur dann begründen, wenn da- durch ein deutlich überproportionaler Zuwachs an priva- ten Forschungsaktivitäten erzielt werden könnte. Dies ist jedoch nicht der Fall. Lediglich in Höhe der Gutschrift würden die Steuer- gutscheine zusätzliche private Forschungsmittel induzie- ren, stellte ein international vergleichendes Gutachten im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums fest. Das hieße, sie bekommen die Investitionen zu 100 Prozent subventioniert. Aussagekräftiger kann die Mitnahme- mentalität kaum belegt werden. Die steuerliche Förderung von FuE stellt weder die Arbeitsplatzbilanz noch sozial-ökologische Basisziele in den Vordergrund, sondern ausschließlich die Steigerung der Wertschöpfung. Nicht jede Innovation dient jedoch der Allgemeinheit und sollte daher mit Steuermitteln ge- fördert werden. Weder sichern oder schaffen Innovatio- nen per se Arbeitsplätze, noch fördern sie stets wün- schenswerte Entwicklungen. Bestes Beispiel ist etwa die Pharmaindustrie, die mit Milliardenbeträgen Medika- mente für erfundene Krankheitsbilder oder ausgewie- sene Wohlstandskrankheiten entwickelt und bewirbt, nur weil diese kaufkräftige Nachfrage abschöpfen, während andere wichtige, globale Krankheiten vernachlässigt werden. Die Linke zeigt in ihrem Antrag einen alternati- ven Weg für die Pharmaentwicklung auf. Ja selbst Nano- technologie, zu welcher ebenfalls Anträge gestellt wur- den, muss differenziert bewertet werden. Schließlich sind auch Waffensysteme, Sportwagen oder Atomreaktoren Produkte, bei deren Entwicklung Deutschland führend ist und die, folgt man den Empfeh- lungen der Gutachter, steuerlich gefördert würden. Das will die Linke nun ganz und gar nicht. Technologieunab- hängige steuerliche Erleichterungen ohne jegliche Steue- rungswirkung halten wir für höchst problematisch. Politik steht in der Verantwortung, Forschungs- und Technologieförderung an einer sozial und ökologisch nachhaltigen, ergo gemeinnützigen Perspektive auszu- richten. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 26035 (A) (C) (B) (D) Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Wir befinden uns in der dramatischsten Wirt- schaftskrise seit 1930. Die Wirtschaftskraft Deutsch- lands bricht dieses Jahr um 6 Prozent ein. Die Menschen sorgen sich um ihre Jobs, ihr Einkommen, ihre Zukunft. Nur wenn wir jetzt massiv in Forschung und Entwick- lung investieren, können wir es schaffen, stärker aus der Krise herauszukommen, als wir hineingegangen sind. Das sagen Sie, Damen und Herren von der Großen Koalition, auch. Nur leider handeln sie nicht entspre- chend. Ihre Politik ist teilweise gespenstisch unvernünftig: Sie stecken mit der Abwrackprämie 5 Milliarden Euro in die Schrottplätze dieser Republik. Sie verpulvern 6 Mil- liarden Euro in Einkommensteuersenkungen, die kon- junkturell verpuffen, die Schulden in die Höhe treiben, aber für die Innovationskraft dieses Landes gar nichts bringen. Solche Maßnahmen sorgen dafür, dass wir nicht stärker aus der Krise herauskommen, sondern schwä- cher. Die bisherige deutsche Forschungsförderung benach- teiligt massiv kleine und mittlere Unternehmen. An- tragsverfahren sind aufwendig und kompliziert. Viele in- novative Ideen können nicht gefördert werden, weil es kein entsprechendes Programm gibt. Kleine und mittlere Unternehmen haben besonders große Schwierigkeiten, Forschung und Entwicklung zu finanzieren. Das Ergebnis: Kleine und mittlere Unternehmen be- streiten nur 14 Prozent der Forschungs- und Entwick- lungsausgaben der Wirtschaft in Deutschland, obwohl sie einen Großteil aller Unternehmen ausmachen und das Rückgrat der Wirtschaft bilden. In Zeiten der Wirtschaftskrise fahren viele ihre For- schungsbudgets noch weiter zurück. Eine aktuelle Um- frage der Bertelsmann-Stiftung unter 2 500 Unterneh- men zeigt dies auf dramatische Weise: Zwischen 2005 und 2007 haben noch 72 Prozent der Unternehmen in Deutschland mindestens eine Produkt- oder Verfahrens- neuerung eingeführt, bis 2010 planen nur noch 62 Pro- zent der Unternehmen, weitere Neuerungen zu entwi- ckeln. Das lässt einen Einbruch der Innovationstätigkeit der Wirtschaft um 15 Prozent erwarten. Dabei brauchen wir gerade jetzt mehr Innovationen, um die Wettbe- werbsfähigkeit Deutschlands zu stärken und den Klima- wandel aufzuhalten. Deshalb wollen wir zusätzlich zur Projektförderung eine Steuergutschrift für Forschung und Entwicklung einführen, die folgende Eckpunkte umfasst: Anspruchs- berechtigt sind alle Unternehmen bis zu einer Größe von 250 Mitarbeitern, unabhängig von der Rechtsform; die Steuergutschrift beträgt 15 Prozent der nachgewiesenen Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen; über- steigt die Steuergutschrift die Steuerschuld, wird der ent- sprechende Betrag an das Unternehmen ausgezahlt. Die grüne Steuergutschrift verbessert nachhaltig die Mög- lichkeiten für Unternehmen, Forschung und Entwicklung zu finanzieren. Sie stimuliert breitenwirksam und ergeb- nisoffen Innovationen und kommt auch jungen, innova- tiven Unternehmen, die noch Verluste schreiben, zugute. Wir Grünen haben damit die zentrale Empfehlung des EFI-Gutachtens 2009 aufgegriffen und ein konkretes Modell zur steuerlichen Forschungsförderung entwi- ckelt, das heute zur Abstimmung steht. Was machen die anderen Parteien? Die FDP fordert in ihrem Wahlprogramm die Einfüh- rung einer steuerlichen Förderung von Forschung und Entwicklung, bleibt aber sehr allgemein und nebulös. Leider gilt dies auch für ihren heute vorliegenden An- trag. Das ist zuwenig. Wer es ernst mit steuerlicher For- schungsförderung meint, muss sagen, welches konkrete Modell er umsetzen und wie er es finanzieren will. Bis 2013 klafft ein gigantisches Loch von über 300 Milliar- den Euro im Haushalt. Die FDP verspricht Einkommen- steuersenkungen von 35 Milliarden. Damit verspielt die FDP die letzten Fetzen finanzpolitischer Seriosität; das Versprechen, zusätzlich Forschung im Steuersystem in der Breite besserzustellen, ist alles andere als glaubwür- dig. Union und SPD haben zum Thema in den letzten Jah- ren nichts vorgelegt oder verabschiedet, fordern aber nun in ihren Wahlprogrammen eine steuerliche Forschungs- förderung. Ministerin Schavan plädiert seit längerem für steuerliche Forschungsförderung, aber erreicht hat sie nichts. Aufnahme in die Konjunkturpakete? Fehlan- zeige! Erarbeitung eines Konzeptes mit dem Koalitions- partner? Fehlanzeige! Aufnahme eines konkreten Mo- dells ins Wahlprogramm? Fehlanzeige! Nicht einmal eine präzise Vorstellung, was sie persönlich will, hat sie vorgelegt. Warme Worte und laue Absichtserklärungen helfen niemandem. Wir brauchen entschlossenes Han- deln, Frau Ministerin. Wir Grünen sind die einzige politische Kraft, die mit der Steuergutschrift ein konkretes Modell entwickelt hat, das zielgenau und finanzierbar ist. Wer ernsthaft For- schung und Entwicklung in kleinen und mittleren Unter- nehmen einen Schub geben will, wer stärker aus der Krise herauskommen will, wer jetzt die Voraussetzungen für die Jobs von morgen schaffen will, der hat heute nur eine Wahl: unserem grünen Antrag zuzustimmen. Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bun- desministerin für Bildung und Forschung: Die Welt steht vor großen Herausforderungen mit Deutschland als eine führende Technologienation in der ersten Reihe. Wie kann unser Land im globalen Wettbewerb bestehen? Wie schaffen wir dauerhaft Arbeitsplätze? Woher kommt das neue Wachstum? Gerade in der Krise nimmt der interna- tionale Wettbewerb um Talente, um Technologien und Marktführerschaft an Härte zu. Nehmen Sie nur das Bei- spiel Korea, das seine Forschungsausgaben bis 2011 auf 5 Prozent des BIP steigern will. Auch der amerikanische Präsident Obama hat Ende April sein 3-Prozent-Ziel für Forschung und Wissenschaft ausgerufen. Er will Innova- tionen für Klima, Energie und Gesundheit massiv – auch durch den Einsatz enormer staatlicher Mittel – vorantrei- ben. Was bedeutet das für uns? Investitionen und verbes- serte Rahmenbedingungen für Bildung und Ausbildung, 26036 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 (A) (C) (B) (D) für ein gestärktes Wissenschaftssystem und für mehr Forschung und Innovation sind die beste Krisenpolitik. Sie sind die Grundlage für sichere und zukunftsfähige Arbeitsplätze. Wer jetzt an Forschung und Innovation spart, verschenkt ein Stück Zukunft. Deutschland steht im internationalen Vergleich noch sehr gut da – noch! In keinem anderen Industrieland ist der Anteil der forschungsintensiven Industrien und wis- sensbasierten Dienstleistungen an der Wertschöpfung höher als in Deutschland. Dieser Vorsprung lebt von zwei Ressourcen: von den Menschen und ihren Ideen. Wir haben eine herausragende Forschungs- und Wissen- schaftslandschaft sowie hochinnovative Unternehmen. Diese Bundesregierung hat Maßgebliches geleistet, um diesen Vorsprung zu sichern und auszubauen. Deutschland investiert wieder mehr in FuE. Seit 2005 haben wir die staatlichen Ausgaben für FuE um rund 3 Milliarden Euro erhöht, von 9 Milliarden auf rund 12 Milliarden Euro in 2009. Zusätzlich werden im Rah- men der Konjunkturpakete für 2009 bis 2011 weitere Mittel für FuE bereitgestellt. Es ist uns gelungen, allein das Budget des Bildungs- und Forschungsministeriums um 35 Prozent zu steigern. An dieser Stelle ein expliziter Dank an die Kolleginnen und Kollegen aus den Koalitionsfraktionen – an erster Stelle den Bildungs- und Forschungspolitikern und na- türlich unseren Haushältern! Dass wir auf dem richtigen Weg sind, bestätigt uns auch die Expertenkommission Forschung und Innova- tion, EFI, deren Bericht uns heute vorliegt. Sie beschei- nigt dem deutschen Innovationssystem internationale Wettbewerbsfähigkeit und der Bundesregierung mit Blick auf die Hightech-Strategie die Herausforderungen erkannt und die richtige Initiative ergriffen zu haben. Die Experten stellen aber auch fest: Angesichts der aktuellen Prioritätensetzung auf Forschung und Innova- tion weltweit müssen wir jede Anstrengung – auch fi- nanzieller Ressourcen – wagen, um am Ende der aktuel- len Herausforderungen wettbewerbsfähiger zu sein als vorher. Eine große Tageszeitung überschrieb letzten Sonntag einen Artikel mit dem Credo: „Du sollst nicht an der Forschung sparen!“. Diesem Credo schließe ich mich an. Wir brauchen eine Stabilisierung der Forschungsaufwendungen beim Staat und in der Wirtschaft und eine nach vorne gerich- tete Forschungs- und Innovationspolitik. Dabei benötigen wir vor allem ein innovationsfreund- licheres Steuersystem: Zu einem Gesamtpaket gehören Verbesserungen, die den in Deutschland noch nicht genug entwickelten Wagniskapitalmarkt für junge innovative Unternehmen beleben ebenso wie die Einführung einer steuerlichen Förderung von Forschungs- und Entwick- lungsausgaben. Die beiden Oppositionsanträge zur steu- erlichen FuE-Förderung zeigen – auch wenn sie in ihren Darstellungen für die Koalitionsfraktionen nicht zustim- mungsfähig sind –, dass wir hier ein gemeinsames Projekt für die nächste Legislaturperiode haben. Dieses Projekt sollten wir mit den Fachleuten zügig zur Entscheidungs- reife bringen und in der nächsten Legislaturperiode schnell umsetzen. Vor allem aber müssen wir das Erfolgsmodell „High- tech-Strategie“ mit seinem ressort- und fachpolitiküber- greifenden Ansatz konsequent fortführen. Denn neuer Wohlstand entsteht dort, wo für die bedeutenden Heraus- forderungen unserer Zeit Lösungen gefunden werden: Gesundheit/Ernährung, Klima und Energie, Sicherheit, und nachhaltige Mobilität. Hierbei werden wir aber nur dann erfolgreich sein können – das bestätigen alle Experten –, wenn wir stark in den Treibertechnologien sind und diese in Deutsch- land gezielt fördern. Hierzu gehören die optische Tech- nologie, die Mikro- und Werkstofftechnologie sowie in- novative Produktionstechnologien. Dazu gehören aber auch die Bio- und Nanotechnologie. In der Nanotechno- logie arbeiten in Deutschland über 60 000 Menschen in rund 750 Unternehmen und haben in 2007 einen Umsatz von 33 Milliarden Euro erwirtschaftet. Das Weltmarkt- volumen für nanooptimierte Produkte wird für das Jahr 2015 auf 3 Billionen US-Dollar geschätzt. Lassen Sie uns dieses Potenzial für Deutschland nutzen. Nicht dass Sie mich falsch verstehen, ich möchte hier nicht einer ungebremsten Technikgläubigkeit das Wort reden. Wo Risiken durch und bei der Entwicklung neuer Produkte entstehen können, müssen wir diese klären und soweit wie möglich ausschließen. Hier können wir für mögliche neue Produkte auf bewährte rechtliche Rege- lungen wie das Arzneimittelrecht zurückgreifen. Die Klärung möglicher „Nebenwirkungen“ von Nanopro- dukten muss auch bei der Forschungsförderung ange- messen berücksichtigt werden; das ist doch selbstver- ständlich. Das BMBF tut dies bereits durch Projekte wie „Nanocare“, dessen Ergebnisse wir vor kurzem vorstel- len konnten. Aber wer nur Risiken sieht und unseren Spitzenwis- senschaftlern vermittelt, dass die Chancen und Ergeb- nisse ihrer Forschung eher unerwünscht sind, sendet das eindeutig falsche Signal. Wir brauchen Risikoforschung, aber vor allem brauchen wir „Chancenforschung“ in die- sen wichtigen Technologiefeldern. In dem vorliegenden Bericht der Bundesregierung „Forschung und Innovation für Deutschland“ werden die Maßnahmen und Leitlinien der Innovationspolitik dieser Bundesregierung, die die besondere Handschrift unserer Forschungsministerin Annette Schavan tragen, im Detail dargestellt. Die Erfolge der Hightech-Strategie sind un- übersehbar. Jetzt müssen wir konsequent nach vorne bli- cken und das Begonnene zielstrebig weiterentwickeln. Das Ziel heißt nicht nur Bildungsrepublik, sondern auch „Wissen- und Innovationsrepublik Deutschland“. Der Weg ist eine übergreifende und gebündelte Innovations- strategie, die Wirtschaft und Wissenschaft verbindet und Forschungsförderung in einem ganzheitlichen Ansatz mit Rahmenbedingungen zusammenführt. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 26037 (A) (C) (B) (D) Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts und zu den Anträgen: – Moratorium für die elektronische Gesund- heitskarte – Das Recht auf informationelle Selbstbestim- mung bei der Einführung der elektronischen Gesundheitskarte gewährleisten (Tagesordnungspunkt 15) Dr. Rolf Koschorrek (CDU/CSU): Lassen Sie mich zu Beginn noch einmal zusammenfassen, worüber wir hier, an einem der letzten Sitzungstage des Bundestages in der 16. Legislaturperiode, debattieren: Die FDP for- dert ein Moratorium der E-Card, bis die optimale Daten- sicherheit gewährleistet sei, die nach ihrer Auffassung zum heutigen Stand noch nicht erreicht sei. Bündnis 90/ Die Grünen fordern die Einhaltung des Datenschutzes und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Das für Versicherte bzw. Patienten geltende Prinzip der Freiwilligkeit müsse auch für die Leistungserbringer gel- ten. Ihre gemeinsame Forderung bei der Beratung der Anträge im Gesundheitsausschuss war es, eine Anhö- rung zum Thema durchzuführen. In dieser Anhörung, die am 25. Mai dieses Jahres stattfand, gaben Sachver- ständige von 17 Verbänden sowie sechs Einzelsachver- ständige aus dem Gesundheitsbereich und dem Daten- schutz ihre Stellungnahmen ab. Verkürzt und zusammengefasst lautet das Ergebnis der Anhörung: Die überwiegende Mehrzahl der Verbände und Sachverständigen, ausdrücklich auch die Daten- schutzexperten, sehen die Datensicherheit weitestgehend und mit allen uns zur Verfügung stehenden Instrumenten als gewährleistet an. Es wurde bestätigt, dass das vorlie- gende Konzept der E-Card den Anforderungen eines mo- dernen Datenschutzes unter rechtlichen wie technischen Gesichtspunkten entspricht. Ob dezentrale oder zentrale Datenspeicherung, sei für die Datensicherheit unerheb- lich. Es wurde festgestellt, die E-Card sei um ein Vielfa- ches – genau gesagt hieß es zwanzigmal – sicherer als die Karten und Sicherheitsvorkehrungen von Banken. Ab- weichend davon sieht nur der Chaos-Computer-Club noch einen Verbesserungsbedarf bei den Sicherheits- anforderungen, den man in einer Frist von einem Jahr er- füllen könnte. Die Ausdehnung des Freiwilligkeitsprinzips für die Leistungserbringer wird vor allem von der Ärzteschaft gefordert: KBV, BÄK, BZÄK. Selbst die Fachleute und ausgewiesenen Experten, die von Berufs wegen sehr verantwortungsbewusst und kri- tisch überwachen, ob und wie der Datenschutz für die Bürger in unserem Land gewährleistet ist, und die immer wieder kritisch durchleuchten und kontrollieren, ob die Datensicherheit in allen Bereichen unserer Gesellschaft gegeben ist, plädieren für die Einführung der e-GK. Die- ses Ergebnis der Anhörung muss Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP und von Bündnis 90/Die Grünen, doch nachdenklich machen. Es zeigt Ihnen, wie wenig substanziell ihre Forderungen eigentlich sind. Es ist allzu offensichtlich, dass ihre Anträge, die Sie kurz vorm Ende der Legislaturperiode eingebracht haben, an den Haaren herbeigezogen sind. Sie sind offenbar dem anste- henden Wahlkampf geschuldet. Wir sind uns darüber einig und es ist unbestreitbar Konsens aller Fraktionen hier im Bundestag wie auch al- ler Akteure im Gesundheitswesen, dass der Umgang mit den Gesundheitsdaten ganz besonderer Sorgfalt bedarf und deshalb größtmögliche Datensicherheit im Umgang mit der E-Card gewährleistet sein muss. Wenn ich in die- sem Zusammenhang von größtmöglicher Datensicher- heit spreche, so deshalb, weil eine absolut vollkommene Datensicherheit auch bei der Verwendung herkömmli- cher Aufzeichnungen, zum Beispiel auf Karteikarten, allein vor dem Hintergrund, dass diese gestohlen werden können, nie und nirgends gegeben ist. Der Bundes- beauftragte für den Datenschutz sieht die Einführung der E-Card sogar als eine gute Chance, damit eine generelle Verbesserung des Datenschutzniveaus in unserem Ge- sundheitswesen zu erreichen. Weil wir die Datensicherheit sehr ernst nehmen, wurde die E-Card in enger Abstimmung mit dem Bundesbeauf- tragten für den Datenschutz entwickelt. Der Datenschutz- beauftragte wird auch in die weitere Entwicklung und Anwendung der elektronischen Gesundheitskarte einge- bunden sein, uns unterstützen und bewährt kritisch kon- trollieren. Um den hohen Anforderungen der Datensi- cherheit und des Datenschutzes in vollem Umfang zu entsprechen, wurde ja auch die ursprünglich schon für das Jahr 2006 geplante flächendeckende Einführung der E-Card verschoben. Denn damals zeigten die Testergeb- nisse noch viele Unzulänglichkeiten, die zwischenzeit- lich behoben worden sind. Das ist auch Ihnen bekannt. Es ist absolut abwegig und irreführend, trotzdem von ei- ner übereilten Einführung der E-Card zu sprechen. Da die Datensicherheit der E-Card höchsten Anforderungen ent- spricht, gibt es keinen Anlass, das Vorhaben aus den von Ihnen vorgetragenen Gründen zu stoppen. Unter wirt- schaftlichen und finanziellen Aspekten wäre ein Stopp sogar insofern unverantwortlich, als sowohl die Selbst- verwaltung, die Krankenkassen und die kassenärztlichen Vereinigungen als die Industrie bereits beträchtliche In- vestitionen getätigt haben und entsprechende Verpflich- tungen, die zu hohen Schadenersatzforderungen führen würden, eingegangen sind. Die in der Anhörung zu Wort gekommenen Gutachter haben uns in der Überzeugung bestärkt, dass die elektro- nische Gesundheitskarte in einem modernen Gesund- heitssystem unverzichtbar ist. Wir brauchen die elek- tronische Gesundheitskarte, damit die medizinischen Fortschritte und vor allem die Fortschritte der Medizin- technik in vollem Umfang und zum Vorteil der Patienten genutzt werden können. Die Probleme bei der Einführung der E-Card liegen – das bestätigte uns die Anhörung ebenfalls – nicht im Bereich der Informationstechnik und der Datensicher- heit. Die Probleme bestehen vielmehr bei der Akzeptanz der E-Card in der Ärzteschaft. So forderte Professor 26038 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 (A) (C) (B) (D) Dr. Christoph Fuchs für die Bundesärztekammer, es müsse noch verstärkte Überzeugungsarbeit zum Abbau von Vorbehalten und Misstrauen bei den Ärzten geleistet werden, weil der Nutzen der e-GK vielen Ärzten noch nicht klar sei. Ich bin deshalb derselben Auffassung, die in der Expertenanhörung unter anderem auch von der KZBV und ihrem Gutachter Dr. Günther Buchholz vor- gebracht wurde: Man wird in Zukunft die elektronische Kommunikation auch vermehrt im Gesundheitswesen benötigen, aber man braucht Zeit, um die Leistungsan- bieter, vor allem die Ärzte, damit vertraut zu machen. Wie wir ebenfalls in der Anhörung bestätigt bekamen, stehen die Apotheker dem Vorhaben E-Card bereits posi- tiv gegenüber. Das von der Ärzteschaft geforderte Prinzip der Freiwilligkeit ist allerdings eine Forderung, die mit dem Ziel einer flächendeckenden Einführung der E-Card für alle Versicherten respektive Patienten, wie sie bereits seit dem Jahr 2004 beschlossen und im SGB V verankert ist, nicht vereinbar ist. Um keine Missverständnisse entstehen zu lassen, möchte ich in diesem Zusammenhang wiederholen: Es ist und bleibt vollkommen unbestritten und wird auch von niemandem in Frage gestellt, dass die Patienten sel- ber und in eigener Verantwortung darüber entscheiden, in welchem Umfang Daten gespeichert oder gelöscht werden sollen und wem sie diese Daten zugänglich ma- chen wollen. Für den Versicherten gilt das Prinzip der Freiwilligkeit. Jeder Versicherte muss wissen, dass es al- lein seine persönliche und freiwillige Entscheidung ist, welche Daten gespeichert sind und wer sie lesen kann. Ich halte es aber für eine unrealistische Forderung, dass es darüber hinaus den Arztpraxen freigestellt sein soll, an der Nutzung der E-Card teilzunehmen oder nicht. Es liegt auf der Hand, dass dies nicht funktionieren kann. Die Informationstechnik wird in allen Lebens- bereichen immer wichtiger, auch in der Medizin. Wir müssen nach meiner Überzeugung auf der Hut davor sein, dass viele sich durch die langwierige Diskussion um die E-Card auf eine Skepsis und Ablehnung gegen- über der Informationstechnik versteifen. Während sich die Debatte bei uns seit Jahren um die Einführung und Nutzung der E-Card dreht, schenken wir den Fortschrit- ten und Chancen der Telemedizin viel zu wenig Auf- merksamkeit. Wir lehnen die Anträge ab. Eike Hovermann (SPD): Ich will an dieser Stelle Herrn Dr. Zipperer zitieren, der sich in der öffentlichen Anhörung zur elektronischen Gesundheitskarte folgen- dermaßen äußerte: „Es werden im Zusammenhang mit der Chipkarte sehr oft entwicklungsbremsende Beden- ken vorgetragen …“ Glauben Sie wirklich, werte Kolle- gen und Kolleginnen von der Opposition, dass die Chip- karte und ihre Entwicklung durch ein Moratorium aufzuhalten oder zu verbessern ist? Ich sage nein. Im Gegenteil, die Entwicklungen im technischen Bereich schreiten europa- und weltweit stürmisch voran, die Si- cherheitsaspekte werden vermehrt umgesetzt, und das alles zum Nutzen von Beitragszahlern und Patienten. All die – wie Herr Dr. Zipperer schon sagte – ent- wicklungsbremsenden Bedenken schaden nur und kos- ten Geld, was völlig unnötig ist und im Grunde ja auch nichts verbessern kann, weil sich Verbesserungen immer nur aus den Erfahrungen in der Realität ergeben können. Nur mithilfe der Realität ist auch zu evaluieren. Wir sind auch hier in einem lernenden System, innerhalb dessen die Datenschutzvorschriften des § 291a SGB V ständig in dem Maße nachjustiert werden müssen, wie sich der technische Fortschritt weiterentwickelt. Welchen Nutzen hat die Karte? Erstens. Versiche- rungsbetrügereien in Millionenhöhe werden eingeengt. Zweitens. In Deutschland gibt es laut Experten pro Jahr 16 000 Todesfälle aufgrund von unüberschaubaren Mehr- facheinnahmen von Medikamenten. Insbesondere bei äl- teren, multimorbiden Menschen kann das zunehmend verhindert werden, wenn mittels Chipkarte eine sinnvolle Zusammenarbeit zwischen Apotheken, Ärzten und Pa- tienten entsteht. Drittens. Die Karte kann im Notfall Leben retten. Da ist übrigens auch ein Foto in der Chipkarte ein wichtiger Baustein und für die Identifikation von großer Bedeu- tung. Viertens. Und was die Sicherheit betrifft, war diese im alten Versicherungskartensystem so löchrig wie der be- rühmte Schweizer Käse. Wer hier von der neuen Gesund- heitskarte hundertprozentige Sicherheit verlangt, orien- tiert sich nicht an der Realität des Versorgungsalltags. Wer diese Sicherheitsargumentation dennoch extensiv und abwehrend nutzt, spielt mit den Ängsten der Patien- ten und hilft ihnen letztlich nicht, sondern schadet sogar. Erinnert sei in diesem Zusammenhang insbesondere daran, dass das Angstszenario vom gläsernen Patienten von manchem Leistungserbringer vorgebracht wird, der nicht so gerne den gläsernen Arzt haben möchte. Denn im Zuge der Chipkarte werden natürlich auch Diagnosen und Therapieresultate auf Dauer einem höheren Druck in Bezug auf Qualität und Transparenz ausgesetzt sein, wenn der Patient dies will. Erinnert werden soll mit der Chipkarte auch an einen der beliebtesten Paragrafen des SGB V: § 140, inte- grierte Versorgung. Ohne eine intelligente Chipkarte und ohne die aus ihr hervorgehende elektronische Patienten- akte ist integrierte Versorgung nicht möglich. Daher ist es wichtig, dass wir nicht nur in Deutsch- land, sondern EU- und weltweit am Einsatz der elektro- nischen Gesundheitskarte festhalten und uns nicht von entwicklungsbremsenden Bedenkenträgern irremachen lassen, die derzeit eher den Wahlkampf vor Augen haben als die verbesserte Versorgung von Patienten. Am Ende soll eine Gefahr nicht unerwähnt bleiben: Im Zuge neuer Vertragsmöglichkeiten – ich erinnere hier nur an den § 73 b SGB V – wird die Gefahr von Insellö- sungen groß. Dieser Gefahr gilt es ständig mit großer Auf- merksamkeit entgegenzuwirken, damit insbesondere sek- torübergreifende Versorgungen endlich auch technisch möglich werden und die bisher feststellbare große Zu- stimmung von Versicherten zur Einführung der Chip- karte anhält und wächst. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 26039 (A) (C) (B) (D) Eike Hovermann (SPD): Ich will an dieser Stelle Herrn Dr. Zipperer zitieren, der sich in der öffentlichen Anhörung zur elektronischen Gesundheitskarte folgen- dermaßen äußerte: „Es werden im Zusammenhang mit der Chipkarte sehr oft entwicklungsbremsende Beden- ken vorgetragen …“ Glauben Sie wirklich, werte Kolle- gen und Kolleginnen von der Opposition, dass die Chip- karte und ihre Entwicklung durch ein Moratorium aufzuhalten oder zu verbessern ist? Ich sage nein. Im Gegenteil, die Entwicklungen im technischen Bereich schreiten europa- und weltweit stürmisch voran, die Si- cherheitsaspekte werden vermehrt umgesetzt, und das alles zum Nutzen von Beitragszahlern und Patienten. All die – wie Herr Dr. Zipperer schon sagte – ent- wicklungsbremsenden Bedenken schaden nur und kos- ten Geld, was völlig unnötig ist und im Grunde ja auch nichts verbessern kann, weil sich Verbesserungen immer nur aus den Erfahrungen in der Realität ergeben können. Nur mithilfe der Realität ist auch zu evaluieren. Wir sind auch hier in einem lernenden System, innerhalb dessen die Datenschutzvorschriften des § 291a SGB V ständig in dem Maße nachjustiert werden müssen, wie sich der technische Fortschritt weiterentwickelt. Welchen Nutzen hat die Karte? Erstens. Versiche- rungsbetrügereien in Millionenhöhe werden eingeengt. Zweitens. In Deutschland gibt es laut Experten pro Jahr 16 000 Todesfälle aufgrund von unüberschaubaren Mehr- facheinnahmen von Medikamenten. Insbesondere bei äl- teren, multimorbiden Menschen kann das zunehmend verhindert werden, wenn mittels Chipkarte eine sinnvolle Zusammenarbeit zwischen Apotheken, Ärzten und Pati- enten entsteht. Drittens. Die Karte kann im Notfall Leben retten. Da ist übrigens auch ein Foto in der Chipkarte ein wichtiger Baustein und für die Identifikation von großer Bedeu- tung. Viertens. Und was die Sicherheit betrifft, war diese im alten Versicherungskartensystem so löchrig wie der be- rühmte Schweizer Käse. Wer hier von der neuen Gesund- heitskarte hundertprozentige Sicherheit verlangt, orien- tiert sich nicht an der Realität des Versorgungsalltags. Wer diese Sicherheitsargumentation dennoch extensiv und abwehrend nutzt, spielt mit den Ängsten der Patien- ten und hilft ihnen letztlich nicht, sondern schadet sogar. Erinnert sei in diesem Zusammenhang insbesondere daran, dass das Angstszenario vom gläsernen Patienten von manchem Leistungserbringer vorgebracht wird, der nicht so gerne den gläsernen Arzt haben möchte. Denn im Zuge der Chipkarte werden natürlich auch Diagnosen und Therapieresultate auf Dauer einem höheren Druck in Bezug auf Qualität und Transparenz ausgesetzt sein, wenn der Patient dies will. Erinnert werden soll mit der Chipkarte auch an einen der beliebtesten Paragrafen des SGB V: § 140, inte- grierte Versorgung. Ohne eine intelligente Chipkarte und ohne die aus ihr hervorgehende elektronische Patienten- akte ist integrierte Versorgung nicht möglich. Daher ist es wichtig, dass wir nicht nur in Deutsch- land, sondern EU- und weltweit am Einsatz der elektro- nischen Gesundheitskarte festhalten und uns nicht von entwicklungsbremsenden Bedenkenträgern irremachen lassen, die derzeit eher den Wahlkampf vor Augen haben als die verbesserte Versorgung von Patienten. Am Ende soll eine Gefahr nicht unerwähnt bleiben: Im Zuge neuer Vertragsmöglichkeiten – ich erinnere hier nur an den § 73 b SGB V – wird die Gefahr von Insellö- sungen groß. Dieser Gefahr gilt es ständig mit großer Auf- merksamkeit entgegenzuwirken, damit insbesondere sek- torübergreifende Versorgungen endlich auch technisch möglich werden und die bisher feststellbare große Zu- stimmung von Versicherten zur Einführung der Chip- karte anhält und wächst. Dr. Konrad Schily (FDP): Das Ganze eines Pro- blemzusammenhangs spiegelt sich immer auch in seinen Teilen. Die Widersprüche, Ungereimtheiten und Schwie- rigkeiten, die sich bei einem einzelnen Teil ergeben, le- gen nicht nur die Annahme nahe, dass das Teil nicht passgenau konstruiert wurde, sondern sie können auch darauf hinweisen, dass das Ganze, das System, falsch angelegt ist. An den Schwierigkeiten, Widersprüchen und Ungereimtheiten, die wir bei der Entwicklung und Einführung der elektronischen Gesundheitskarte zu kon- statieren haben, zeigen sich meines Erachtens die systema- tischen Fehler in der Gestaltung des gesamten Gesund- heitssystems, wie es von der großen Koalition angelegt worden ist. Gewollt von der Politik war eine informationstechno- logische Lösung, die die Administration in der Kranken- versorgung vereinfachen, die Therapie durch das Vorhalten von Krankendaten unterstützen, den Datenfluss zwi- schen den an der Versorgung Beteiligten beschleunigen und vieles andere mehr bewirken sollte. Dies alles sollte die Kosten gegenüber dem jetzigen Aufwand senken und zudem alle Forderungen im Sinne der Datensicherheit und des individuellen Datenschutzes erfüllen. Was wissen wir heute, oder genauer: Was wissen wir heute alles nicht, obwohl wir als Mitglieder des Gesund- heitsausschusses doch – wenn auch in der Opposition – relativ nahe an der Problemlösung sein müssten? Wir wissen nicht, ob die Datensicherheit gegeben ist, ob die Kosten der Dokumentationsabläufe gesenkt werden – ei- niges spricht hier für eine Erhöhung – wir wissen nicht, ob überhaupt etwas vereinfacht wird. Einiges deutet auf das Gegenteil hin. So offenbaren die Ergebnisse beim Flä- chentest der elektronischen Gesundheitskarte, dass die anvisierte Möglichkeit der digitalen Kommunikation zwischen den Ärzten auf Basis der elektronischen Ge- sundheitskarte nicht in ausgereifter Form zur Verfügung steht. Darüber hinaus scheint die Prozedur der elektroni- schen Rezeptausstellung doppelt so viel Zeit zu bean- spruchen, wie dies bei einem handschriftlich ausgestell- ten Rezept der Fall ist. Zudem ist die Eintragung von Notfalldaten bei der digitalen Variante kompliziert und zeitaufwendig. Wir dürfen annehmen, dass die informationstechnische Konzeption der elektronischen Gesundheitskarte vor etwa 26040 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 (A) (C) (B) (D) fünf Jahren erfolgte, und jeder weiß, dass der Stand der In- formationstechnologie heute gegenüber diesem Zeitraum weit fortgeschritten ist. Nicht anders ist es für mich zu er- klären, warum noch über persönliche Identifikationszah- len, PIN, nachgedacht wird und ob sie fünf- oder sieben- stellig sein sollen oder ob die Karte mit oder ohne Lichtbild Gültigkeit haben soll. Es gibt seit einiger Zeit technische Identifikationsverfahren, über das Muster unse- rer Hohlhandvenen, die technisch einfach, fertig entwi- ckelt und absolut fälschungssicher sind. Im Bankbereich und an anderen Stellen halten diese Verfahren bereits Ein- zug. Nebenbei bemerkt: Diese Verfahren sind so eindeutig wie unser Gencode, nur technisch viel einfacher, und sie lassen keinerlei Rückschlüsse auf kontextfremde Zusam- menhänge zu. Auch über die Kosten wissen wir nichts Genaueres. Weder über die Summen, die bereits bisher in die Ent- wicklung der elektronischen Gesundheitskarte investiert worden sind, noch über die zu erwartenden Kosten und die Dauer der Einführung der Karte. Hier gehen die Schätzungen seitens der Firma GEMATIK von einer Ver- doppelung der Kosten aus, also auf etwa 3 Milliarden Euro; schlimmstenfalls – so eine weniger optimistische Einschätzung – könnten sich die Kosten bis auf 14,1 Mil- liarden Euro steigern und die Einführung sich über acht bis zehn Jahre hinstrecken. So kann man es zumindest der Presse entnehmen. Wenn dem so ist – dem scheint so zu sein – werden wir für eine horrende Geldsumme der Ver- sicherten oder der Steuerzahler ein technisch völlig ver- altetes System in einigen Jahren installiert haben. Sieht so sachdienliche und verantwortungsvolle Gesundheitspoli- tik aus? Dies alles spricht für sich und für ein Morato- rium, das heißt ein Einhalten und Nachdenken bei der Einführung der elektronischen Gesundheitskarte. Fragen wir uns nach den Gründen dieser Entwicklung, so erkennen wir, dass das gesamte Gesundheitssystem in seiner zunehmenden Ausrichtung auf eine einheitliche und staatlich gelenkte Krankenversorgung den Webfeh- ler im Teil und im Ganzen aufweist. „Der Staat ist der Hüter der sozialen Marktwirtschaft“, so Bundeskanzle- rin Merkel heute Vormittag in ihrer Regierungserklä- rung. Ich zitiere dies aus dem Gedächtnis. Sie hätte fort- fahren können: Wenn der Staat aber selber Unternehmer wird, gibt er seine Hüterfunktion auf und unterläuft die Gesetze der freien Marktwirtschaft. Unternehmen, die am Markt agieren, müssen sich am Markt bewähren. Und ich habe lang genug ein freigemeinnütziges Kran- kenhaus mit geleitet, um zu wissen, dass hier die Markt- bewährung nicht nur über den Preis geschieht, sondern dass die vielfältigsten Faktoren, harte und weiche – zum Beispiel technische Ausstattung einerseits und Zuwen- dung zu Patientinnen und Patienten andererseits –, je- weils für sich genommen und auch und in ihrer Kombi- nation, eine erhebliche Rolle bei der Bewährung am Markt spielen. Der Staat trifft aber immer machtpoliti- sche Entscheidungen und drängt als Unternehmer, wie alle Unternehmen, zum Monopol. Dem Staat gegenüber hat die beste Kartellbehörde keine Chance. Die Vermengung wirtschaftlicher Aktivitäten mit der Politik und insbesondere mit politischen Ideologien ist der Webfehler des Ganzen in der Gesundheitspolitik, und der Webfehler zeigt sich eben auch in der Frage der Einführung der elektronischen Gesundheitskarte. Letzt- lich führt die staatliche Ausrichtung des Gesundheitssys- tems dazu, dass die einzelnen Menschen dem System unterworfen werden und nicht die Systeme sich dem Menschen anpassen müssen. Die Favorisierung staats- zentrierter Politik führt dazu, dass man nicht bemerken will oder kann, wie sehr der beschrittene Weg in die fal- sche Richtung führt. Weil man hier Widerspruch fürch- tet, macht man die Dinge intransparent und legt man die Kosten nicht offen; ich habe das eingangs erwähnt. Unfreiheit ist eben fortschrittsfeindlich. Die „Töchter der Freiheit: Wohlstand und Bildung“ – so Rudolf Virchow – können in der Unfreiheit nicht gedeihen. Rudolf Virchow, der große Pathologe des 19. Jahrhun- derts, stand ganz im Fortschrittsglauben seiner Zeit. Er glaubte, dass die Medizin eines Tages reine Naturwis- senschaft werde und einen wichtigen Beitrag zur Lösung der Probleme des Proletariats leisten könne. In gewisser Weise begriff er die Medizin als eine soziale Wissen- schaft. Entsprechend diesem Gedanken war Politik für ihn nichts anderes als Medizin im Großen. Bismarck, sein Zeitgenosse, richtete seine Sozialgesetzgebung an jenen Menschen aus, die zum großen Teil weder lesen noch schreiben konnten. Über 100 Jahre später leben wir in einer völlig anderen Situation; aber es scheint mir, dass gewisse Ideologien sich aus dieser Zeit erhalten haben. Gleichwohl ist der Fortschrittsoptimismus, der im 19. Jahrhundert noch große Hoffnungen erregte, heute arg ramponiert. Die Welt nach Hiroshima sieht eben anders aus als vorher. Rudolf Virchow würde heute aus seinem großen liberalen und sozialen Engagement heraus die technische Normierung der Gesellschaft in jeder Hinsicht bekämpfen. Ein Letztes: Wir dürfen annehmen, dass technische Lösungen auch bei der elektronischen Gesundheitskarte, die den verschiedensten Forderungen gerecht würden, in einem freien Gesundheitswesen bereits angewendet und ständig weiterentwickelt werden. Ein Vorteil wäre, dass wir verschiedenste Lösungen hätten, deren Vor- und Nachteile die Einzelnen abwägen könnten. Dies alles verhindert der Monopolunternehmer Staat. Deshalb: ein Moratorium für die elektronische Gesundheitskarte! Im Hinblick auf den Antrag der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen darf ich darauf hinweisen, dass diese Fraktion der Einführung der elektronischen Gesundheitskarte da- mals zugestimmt hat. Nun wurde auch seitens der Grünen erkannt, dass damit gewichtige Probleme einhergehen, die in keiner Weise gelöst sind. Der FDP-Antrag ist viel grundsätzlicher; deshalb werden wir uns bei der Abstim- mung über den Antrag von Bündnis 90/Die Grünen der Stimme enthalten. Frank Spieth (DIE LINKE): Es gibt keine Daten, die zu 100 Prozent sicher sind. Alles, was irgendwo gespei- chert ist, kann gehackt werden. Und viele Daten, insbe- sondere persönliche Daten, wecken Begehrlichkeiten. Zu den sensibelsten Daten, die über jeden von uns ge- speichert sein können, gehören Daten über Krankheiten und Lebensgewohnheiten. Genau um diese Daten geht es heute. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 26041 (A) (C) (B) (D) Wenn nun die Bundesregierung 80 Millionen dieser Datensätze auf einigen wenigen zentralen Servern spei- chern will, ist dies ein höchst riskantes Unternehmen. Ich zweifle gar nicht an, dass die Bundesregierung und die Gematik, die Betreibergesellschaft, die höchsten Si- cherheitsstandards anlegen will. Aber das zentrale Spei- chern weckt auf der einen Seite Begehrlichkeiten und ist auf der anderen ein Sicherheitsrisiko. Ein Arbeitgeber oder eine Versicherung würden natürlich liebend gerne etwas über Krankheiten derjenigen erfahren, die sich um einen Arbeitsplatz bewerben oder eine Versicherung ab- schließen wollen. Ein großes Interesse an diesen Ge- sundheitsdaten wird sicher auch die Pharma- und Medi- zinprodukteindustrie haben. Ein Beispiel: Die Daten auf dem Server müssen ver- schlüsselt sein. Jeder muss immer durch die Eingabe sei- ner PIN die Daten freischalten, damit sie entschlüsselt werden können. Wenn nun aber jemand die PIN vergisst, dann braucht man eine Ersatz-PIN, einen Ersatzschlüs- sel, der irgendwo hinterlegt sein muss, sonst wären die Daten futsch. Dieser Ersatzschlüssel bietet eine breite Angriffsfläche für Missbrauch. Zum einen kann jemand dort einbrechen, wo der Ersatzschlüssel gespeichert ist, und nicht nur diesen, sondern Tausende Datensätze aus- lesen. Oder aber Herr Schäuble, so er denn Innenminis- ter bleibt, kommt auf die Idee, dass Gesundheitsdaten zur Verbrechensbekämpfung herangezogen werden sol- len. Dann könnte er die Ersatzschlüssel per Gesetzesän- derung heranziehen. Der Schutz der Daten ist also rela- tiv, wie schon bei der Lkw-Maut zu sehen war. Ärzte, Datenschützer und Bürgerrechtler haben von Ihnen bereits gefordert, eine echte Prüfung dezentraler Speichermöglichkeiten durchzuführen und auf zentrale Server zu verzichten. Diese Vorschläge firmierten immer unter dem Schlagwort „USB-Stick“. Möglich sind aber auch Speichermöglichkeiten auf der Karte selbst, auch die bereits getroffenen Sicherheitsmaßnahmen und die angeschafften Geräte könnten dabei genutzt werden. Das Fraunhofer-Institut für offene Kommunikations- systeme hat im Auftrag der Gematik nun herausgefun- den, dass elektronische Gesundheitskarten mit integrier- ter Speicherkarte durchaus geeignet sind. Man braucht wohl keine zentralen Server, im Übrigen stehen diese auch nicht im Gesetz. Der einzige Grund, derzeit stur an diesem Vorhaben festzuhalten, ist, dass nur so das von der Bundesregierung behauptete positive Kosten-Nut- zen-Verhältnis erreicht werden kann, da nur mit dieser Technik kommerzielle sogenannte Mehrwertdienste in- stalliert werden können. Nur über kommerzielle Anbie- ter können anscheinend die Milliardeninvestitionen wie- der reinkommen. Die Linke ist der Ansicht, dass der Datenschutz unbe- dingt Vorrang hat, auch Vorrang vor einer vorschnellen Einführung der Karte und Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen. Wenn die Koalition dies nicht berücksichtigt, verspielt sie damit die derzeit noch existierende Akzep- tanz. Eine Karte, die zudem nicht auf Freiwilligkeit bei Patienten und Therapeuten setzt, wird auch keine Ak- zeptanz finden und scheitern. Nach unserer Auffassung müssen zwei Grundbedin- gungen erfüllt sein: Erstens wollen wir, dass alle Patien- ten entscheiden können, welche Daten wem zur Verfü- gung gestellt werden. Die Daten müssen in den Händen der Patienten bleiben. Zweitens muss eine kommerzielle Nutzung ausgeschlossen werden. Drittens sollen die de- zentralen Speichermöglichkeiten ernsthaft weitergeprüft und für die Dauer dieser Prüfung selbstverständlich der Start der bisher geplanten Karte gestoppt werden. Auch wenn dies nicht häufig vorkommt: Der Antrag der FDP, ein Moratorium für die elektronische Gesund- heitskarte zu schaffen, entspricht fast eins zu eins den Positionen der Linken. Wir werden daher zustimmen. Der Antrag der Grünen ist halbgar. Er enthält zwar rich- tige Feststellungen, aber keine ausreichenden Schluss- folgerungen, zum Beispiel keine Ablehnung der Zentral- serverarchitektur. Nach meiner Auffassung wollen die Grünen, die eigentlich für die bisherige Lösung zur Ein- führung der elektronischen Gesundheitskarte sind, verlo- renes Vertrauen bei Bürgerrechts- und anderen Gruppen zurückerwerben, bleiben aber im Kern bei einem Schau- fensterantrag. Deshalb werden wir uns zu diesem enthal- ten. Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Diskussion um die elektronische Gesundheitskarte ist durch technische, gesundheits- und industriepolitische Aspekte geprägt. So erklärte kürzlich ein führender Ver- treter der Ärzteschaft, dass die knappen Gelder im Ge- sundheitswesen anderswo dringender gebraucht würden. Und auch die private Krankenversicherung hat verlaut- bart, sich nicht mehr an den Kosten für den Ausbau der Infrastruktur für den geplanten Basis-Rollout zu beteili- gen. Außen vor bleibt die Frage, welchen Mehrwert die Karte für die Patientinnen und Patienten bringt. Gesundheitspolitischer Konsens ist, dass die Akteure im Gesundheitswesen besser zusammenarbeiten müssen. Häufig wissen die einen Ärzte nicht von den anderen Ärzten, es werden Doppelbefunde erstellt und lange Be- handlungspfade produziert. Das hilft weder den Patien- tinnen und Patienten noch den Leistungserbringern und Kostenträgern. Eine bessere Zusammenarbeit und die In- tegration der Versorgungsstrukturen sind dringend gebo- ten. Die elektronische Gesundheitskarte und die mit ihr verbundene Telematikinfrastruktur bilden hierfür die in- formationstechnischen Grundlagen. Die FDP fordert ein Moratorium für die elektronische Gesundheitskarte, um eine angeblich übereilte Einfüh- rung zu verhindern. Nicht nur wir Grünen, sondern viele Expertinnen und Experten sehen das nicht so. Im Rah- men der Anhörung zur elektronischen Gesundheitskarte machten Experten deutlich: Von einer übereilten Einfüh- rung der elektronischen Gesundheitskarte könne keine Rede sein. Die Kritik entzünde sich vielmehr daran, dass der Einführungsprozess zu langsam verlaufe. Wir Grünen lehnen ein Moratorium vor allem aus zwei Gründen ab. Wir befürchten, dass ein Ausstieg aus dem Umsetzungsprozess gleichbedeutend mit dem „Tod auf Raten“ dieses wichtigen Projektes wäre. Wichtiger aber ist ein zweiter Grund: Der Ausbau der elektroni- schen Gesundheitskarte wird viele Jahre dauern. Ihre de- taillierte Ausgestaltung wird sich erst in diesem Prozess ergeben können. An solch einem Lernprozess müssen 26042 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 (A) (C) (B) (D) sich alle betroffenen Gruppen beteiligen können. Ein Moratorium hilft da nicht weiter. Tatsächlich bedient eine solche Forderung nur die technokratische Illusion, dass sich alles vorab auf der Expertenebene regeln und beheben ließe. Auf dieser Ebene hat sich die gesetzliche, organisatorische und technische Arbeit an der Karte aber schon über Jahre bewegt, die rechtlichen und techni- schen Voraussetzungen wurden geschaffen. Jetzt muss die Regie von den Experten auf die Anwenderinnen und Anwender übergehen. Die elektronische Gesundheitskarte erfüllt die Voraus- setzungen hierfür. Sie bildet mit ihren hohen Schutz- vorschriften einen Damm gegen die drohende Kommer- zialisierung von Patientendaten durch elektronische Patientenakten im Internet. Durch die Anwendung von Verschlüsselungstechnologien, die erforderliche doppelte Autorisierung durch Patient und Arzt sowie das Recht für die Versicherten, selbst zu entscheiden, welche Leis- tungserbringer auf die Daten zugreifen dürfen und welche nicht, bietet sie weitaus mehr Datenschutz und informa- tionelle Selbstbestimmung als die papiergebundenen Pa- tientenakten. Allerdings wird ihr Potenzial nur dann zu erschließen sein, wenn sie bei den Patientinnen und Pati- enten und auch bei den Anbietern von Gesundheitsleis- tungen auf Akzeptanz stößt. Voraussetzung dafür ist, dass ihre Onlineanwendung auch für die Ärzteschaft freiwillig ist, Barrierefreiheit für Ältere und Behinderte hergestellt wird und in Zusammenarbeit mit Patientenverbänden un- abhängige Unterstützungsangebote für die Patientinnen und Patienten entstehen. Dazu gehört auch, dass auf jeder Entwicklungsstufe der Karte eine Evaluierung unter Ein- beziehung aller Beteiligten stattfindet und notwendige Korrekturen vorgenommen werden. Das wird für die Zu- stimmung zur elektronischen Gesundheitskarte weitaus wichtiger sein als das Einhalten von Zeitplänen oder die Forderung nach einem Moratorium. Marion Caspers-Merk, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Gesundheit: Ferienzeit ist Zeugniszeit. Wir reden heute über einen FDP Antrag, dem in der Anhörung ein denkbar schlechtes Zeugnis ausgestellt wurde. Es wurde nicht nur bestätigt, dass ein Moratorium nicht begründet ist. Der Einzelsachverstän- dige Dr. Zipperer hat sogar von „entwicklungsbremsen- den Bedenken“ gesprochen, die in Ihrem Antrag vorge- tragen werden. Nehmen Sie zur Kenntnis, dass Ihre Forderungen überholt sind! Sie machen sich wie immer zum Sprachrohr der Besitzstandswahrer und Bedenken- träger. Die Experten in der Anhörung haben die Einschätzung des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die In- formationsfreiheit bestätigt: Das Datenschutzkonzept der elektronischen Gesundheitskarte genügt den höchsten Ansprüchen und wird von vielen geradezu als vorbildlich bezeichnet. Auch die diesjährigen Beschlüsse des Deut- schen Ärztetags zeigen deutlich, dass die Ärzteschaft die Vorteile der modernen Informationstechnologien für das Gesundheitswesen sieht. Von einem Moratorium ist keine Rede! Die Ärzteschaft hat sich bereit erklärt, den Online- abgleich der Versichertendaten der Gesundheitskarte durchzuführen. Wichtig ist ihr die Freiwilligkeit der On- lineanbindung. Wir haben gemeinsam hier im Parlament die Rahmenbedingungen für die Einführung der elektro- nischen Gesundheitskarte verabschiedet. Auf dieser Basis hat der Rollout in der Startregion Nordrhein durch die vom Gesetzgeber beauftragte Selbst- verwaltung begonnen. Die Vertreter der Selbstverwaltung haben in der Anhörung bestätigt, dass die Arbeiten in Nordrhein plangemäß verlaufen. Diese erfolgreiche Ent- wicklung war nur möglich, weil alle Beteiligten das Pro- jekt mittragen und an einem Strang ziehen. Wenn es um die Verbesserung der Gesundheitsversor- gung von 80 Millionen Menschen in unserem Land geht, müssen wir Schritte nach vorne und nicht zurück ma- chen. Lassen Sie uns weiterführen, was wir gemeinsam begonnen haben! Jetzt geht es darum, diejenigen zu un- terstützen, die sich für den Fortschritt einsetzen und damit verantwortungsvoll umgehen. Daran werden die Menschen uns messen! Nach fünf Legislaturperioden scheide ich auf eigenen Wunsch aus dem Parlament aus und blicke auf eine sehr bewegte und erfüllte Zeit zurück. Ich möchte allen Kol- leginnen und Kollegen für die gute Kooperation und für ihre Beiträge und Anregungen herzlich danken. Dieser Dank gilt parteiübergreifend. Den Kolleginnen und Kol- legen wünsche ich für die neue Legislaturperiode eine glückliche Hand und verantwortliche Entscheidungen für das Wohl der Bürgerinnen und Bürger. Anlage 12 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung: – Entwurf eines Gesetzes zur Erleichterung elektronischer Anmeldungen zum Vereinsre- gister und anderer vereinsrechtlicher Ände- rungen – Entwurf eines Gesetzes zur Begrenzung der Haftung von ehrenamtlich tätigen Vereins- vorständen (Tagesordnungspunkt 16 a und b) Wolfgang Nešković (DIE LINKE): Das Gute am Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Erleichterung elektronischer Anmeldungen zum Vereinsregister und anderer vereinsrechtlicher Änderungen ist, dass er alles Schlechte im Bereich der Digitalisierung des Rechtsver- kehrs dieses Mal vermeidet. Anders als ähnliche Moder- nisierungsversuche – zuletzt im Bereich der Zwangsvoll- streckung – versteht der Entwurf die Segnungen der EDV zu nutzen, ohne zugleich ihre Flüche heraufzube- schwören. Für die vorgesehenen Änderungen im Vereinsrecht sehen wir diesmal insbesondere keine datenschutzrecht- lichen Risiken. Es ist zeitgemäß und sinnvoll, Vereinsan- meldungen künftig online zu ermöglichen. Es ist zeitge- mäß und sinnvoll, eine elektronische Registerführung neben dem Papierregister zu ermöglichen. Es ist ange- bracht, die vorgesehenen klarstellenden Änderungen und sprachlichen Anpassungen des Gesetzestextes vorzuneh- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 26043 (A) (C) (B) (D) men. Es ist schließlich auch richtig, die Rechtsprechung zu Anmeldung und Liquidation von Vereinen endlich dorthin zu bringen, wo sie die Bürgerinnen und Bürger einfach nachlesen können: in das Gesetz. Meine Frak- tion wird dem Entwurf daher zustimmen. Ablehnen werden wir den Entwurf des Bundesrates zur Haftungsbegrenzung für ehrenamtlich tätige Vereins- vorstände, auch in der Fassung der nunmehr vorliegen- den Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses. Grundsätzlich halten auch wir eine Begrenzung der Haf- tung von ehrenamtlich Tätigen für wünschenswert. Un- ser Hauptkritikpunkt am Entwurf richtet sich darauf, dass die vorgeschlagene gesetzliche Haftungsbeschrän- kung im Ergebnis zulasten der Vereine und Vereinsmit- glieder geht; denn sie tragen über das Vereinsvermögen künftig das Haftungsrisiko für fahrlässige Schadens- handlungen ihrer Vorstandsmitglieder allein. Dies, ob- wohl sie das Schadensrisiko nicht in gleicher Weise be- einflussen können wie die Vorstandsmitglieder ihr Haftungsrisiko. Sie können die Vorstandstätigkeit nicht steuern, sollen aber haften. Die Vorstandsmitglieder hin- gegen können steuern, sollen aber nicht haften. Das ist nicht gerecht und auch nicht geeignet, zur Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements beizutragen. Hinzu kommt: Hat ein Vorstandsmitglied fahrlässig einen Schaden verursacht, kann die beschriebene Haftungsver- lagerung zur Zahlungsunfähigkeit gesunder Vereine füh- ren. So wird zwar das ehrenamtliche Vorstandsmitglied geschützt, zugleich jedoch der Verein und dessen Arbeit vernichtet. Weiter ist zu bedenken: Selbst ein Vereins- mitglied, das schuldloses Opfer einer Pflichtverletzung eines Vorstandsmitgliedes geworden ist, kann bei dieser Haftungsverlagerung unter Umständen leer ausgehen; denn ist der Verein ohne Vermögen, nützt dem Mitglied zukünftig auch ein vermögendes Vorstandsmitglied für die Schadensregulierung nichts mehr. Man sieht: Der Entwurf hat sich – trotz der erfolgten Zurechtstutzung durch den Rechtsausschuss – seine Ab- lehnung durch die Linke redlich verdient. Anlage 13 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts zu den Anträgen: – Präventionsgesetz auf den Weg bringen – Primärprävention umfassend stärken – Gesundheitsförderung und Prävention als gesamtgesellschaftliche Aufgaben stärken – Gesellschaftliche Teilhabe für alle ermögli- chen – Eigenverantwortung und klare Aufgabentei- lung als Grundvoraussetzung einer effizien- ten Präventionsstrategie (Tagesordnungspunkt 17) Hermann-Josef Scharf (CDU/CSU): Die Präven- tion muss in unserem Gesundheitswesen einen höheren Stellenwert einnehmen. Darüber sind wir uns auch par- teiübergreifend einig. Aber wie? Wie stärken wir am besten das präventive Verhalten des Einzelnen und wie schaffen wir es, dass in unserem Gesundheitswesen der präventive Ansatz mehr Gewicht erhält. Zunächst einmal können wir feststellen, dass unser Gesundheitswesen außerordentlich erfolgreich ist. Die Lebenserwartung von Frauen und Männern ist kontinu- ierlich gestiegen und wird weiter steigen. Unsere Ge- sundheitspolitik hat seit vielen Jahren darauf hingewirkt, dass Krankenkassen wirksame Präventions- und Vorsor- geleistungen anbieten. So gibt es heute eine Vielzahl von Vorsorge- und Früherkennungsmaßnahmen, unter ande- rem bei Herz- und Kreislauferkrankungen, Diabetes, Krebs, bei Schwangerschaft und Kindern, der „Gesund- heits-Check-Up“, zahnmedizinische Prophylaxe und Schutzimpfungen. Diese Leistungen werden von den Krankenkassen bezahlt und sind von Zuzahlungen be- freit. Durch die Einführung des Bonusheftes für den re- gelmäßigen Zahnarztbesuch beispielsweise und die Gruppenprophylaxe in Kindergärten und Schulen hat sich die Zahngesundheit unter der Bevölkerung erheb- lich verbessert. Dennoch müssen wir feststellen, dass die großen Volkskrankheiten, wie die Herz-Kreislauferkrankungen, Krebs, Diabetes und Erkrankungen des Stütz- und Be- wegungsapparates, in der Bevölkerung erheblich zuneh- men, obwohl ein großer Teil vermeidbar wäre. Deshalb haben wir uns als Union – und werden es auch in Zu- kunft tun – für ein besser abgestimmtes und qualitätssi- cheres Vorgehen im Rahmen der Prävention eingesetzt. Dazu brauchen wir Regelungen, die auf vorhandenen Strukturen aufbauen, Ressourcen bündeln, die koordi- nierend wirken, aber ohne den Aufbau neuer Institutio- nen auskommen. Drei Bereiche müssen wir dabei im Auge haben. Ers- tens: Die Eigenverantwortung des Einzelnen für seine Gesundheit müssen wir stärker aktivieren. Dabei muss und sollte ihn auch sein Arzt und seine Krankenkasse unterstützen. Bessere Informationen und Aufklärung über seinen Gesundheitszustand und Anreizmodelle zur Beteiligung an Präventionsangeboten, wie es viele Kran- kenkassen bereits anbieten, sind für Patient und Versi- cherten eine lohnenswerte Sache in doppelter Hinsicht. Es dient der Gesundheit und es spart Kosten. Allerdings möchte ich hier auch anmerken, dass durch den jetzigen Morbi-RSA leider eine Situation für die Kassen entstan- den ist, bei der erfolgreiche Präventionsangebote die Kassen nicht mehr belohnen, sondern eher wirtschaftlich belasten. Hier müssen wir noch nach einem präventions- orientierten Anreizsystem suchen. Zweitens ist es sinnvoll, Präventionsprogramme und Gesundheitsförderungen dort anzubieten, wo sich die Menschen tagtäglich bewegen, in den Kindertagesstät- ten, in den Schulen, in den Betrieben. Da gibt es schon sehr gute Ansätze. Die betriebliche Gesundheitsförde- rung wird von den Menschen gern und gut angenom- men. Das sollten wir weiter ausbauen. Immer häufiger 26044 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 (A) (C) (B) (D) gibt es Kooperationen zwischen Krankenkassen und Kindergärten und Schulen, um durch Bildungsarbeit so frühzeitig wie möglich bei unseren Kindern den Appetit auf gesunde Ernährung und die Lust an Bewegung zu wecken. Der zunehmende Alkoholmissbrauch unter Kindern und Jugendlichen ist für uns eine sehr beunruhigende Entwicklung. Ich hoffe sehr, dass die von der BZgA ge- startete Kampagne „ Kenn dein Limit“ hier sehr bald Er- folge zeigt. Gesundheitserziehung und Bewegungsförde- rung muss auch wieder eine verstärkte Rolle in der Bildung unserer Kinder und Jugendlichen einnehmen. Denn Gesundheitsförderung ist nicht alleinige Aufgabe des Gesundheitswesen. Prävention ist eine gesamtgesell- schaftliche Aufgabe. Drittens sollten wir wieder stärker durch gezielte Auf- klärungsarbeit und bundesweite Kampagnen das Be- wusstsein für Prävention gegenüber gesundheitlichen Gefahren stärken. Wir haben hierfür eine gut funktionie- rende Institution, die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, die gerade in der Aidsprävention sehr er- folgreiche Kampagnen durchgeführt hat. Ich glaube, dass wir hier noch viel Potenzial haben, unsere Bevölke- rung intensiver aufzuklären und zu informieren. So muss meines Erachtens das Thema Schutzimpfun- gen wieder stärker in den Fokus der Bevölkerung ge- rückt werden. Die aktuell weltweit kursierende Schwei- negrippe muss uns Anlass genug sein, die Gefahr von neuen Infektionskrankheiten nicht zu unterschätzen. Ich begrüße deshalb ausdrücklich den aktuellen Beschluss der Gesundheitsministerkonferenz der Länder, einen Na- tionalen Impfplan zu erarbeiten. Impfungen sind die wirksamste und kosteneffektivste medizinische Maß- nahme zum Schutz vor Infektionskrankheiten. Das müs- sen wir wieder deutlich kommunizieren. Prävention ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Jeder Einzelne ist jedoch in erster Linie für sich und seine Gesundheit selbst verantwortlich. Wir als Union setzen uns deshalb für die Aufwertung der Prävention durch klare Regelungen und Zuständigkeiten nach subsi- diären Prinzipen ein, um die Eigenverantwortung des Einzelnen zu stärken. Mit dieser Rede möchte ich mich aus dem Deutschen Bundestag verabschieden. In der Gesundheitspolitik ha- ben wir in dieser Legislatur für die Menschen in unserem Land viel bewegen können. Unser Gesundheitswesen wird jedoch eine immer währende Baustelle bleiben. Deshalb wünsche ich den Akteuren bei dessen weiterer Gestaltung alles erdenklich Gute. Dr. Margrit Spielmann (SPD): „Prävention ist die Zukunft der Medizin; sie war es immer und wird es im- mer sein.“ Das sagte einmal der berühmte Schweizer Politologe und Gesundheitsökonom Gerhard Kocher. Aktuelle Umfragen geben ihm recht. Laut des Mei- nungsforschungsinstituts Infas legen 88 Prozent der Thüringer und Saarländer Wert auf eine gesunde Ernäh- rung. Die Berliner haben da mit 80 Prozent noch Nach- holbedarf, was nicht nur am Genuss von zu viel Eisbein und Currywurst liegen dürfte. Zudem sind nach Anga- ben des Robert Koch-Instituts 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen in Deutschland übergewichtig. Bei rund ei- nem Drittel von ihnen ist es so ausgeprägt, dass man von Adipositas spricht. Die WHO geht sogar von einer Adi- positasepidemie in Europa aus. Danach steht zu erwar- ten, dass bis zum Jahr 2010 20 Prozent der erwachsenen Bevölkerung und 10 Prozent der Kinder und Jugendli- chen in Europa unter Adipositas leiden. Hier zeigt sich: Es gibt noch viel zu tun. Ich glaube, da sind wir uns alle einig, und darüber, dass es hier natürlich um weit mehr geht als die gesunde Ernährung. Verschie- dene Ansätze sind notwendig, um in allen Bereichen, wie zum Beispiel Sport und Bewegung, Alkoholkonsum und Früherkennung oder auch bei chronischen Erkrankungen, die Prävention zu stärken. So müssen Präventionsmaß- nahmen direkt vor Ort ihre Wirkung entfalten können. Nur durch direkte Angebote in den Lebenswelten errei- chen wir diejenigen, die die Prävention am dringendsten brauchen: sozial Schwache, Menschen mit Migrations- hintergrund und Arbeitslose. In zahlreichen Studien wird ein eindeutiger Zusammenhang zwischen sozialem Sta- tus, Bildungsstatus und Gesundheit hergestellt. Auch der Kongress „Armut und Gesundheit“ nimmt sich jedes Jahr dieser Problematik an. Dabei wurde und wird immer wie- der deutlich: Ohne Settingmaßnahmen geht es nicht. An Orten, wo Gesundheit von den Menschen in ihrer alltäglichen Umwelt geschaffen und gelebt wird, dort, wo sie spielen, lernen, arbeiten und lieben, kann Ge- sundheitsverhalten da beeinflusst werden, wo es ent- steht. Lebensstilbedingte Risiken können vermindert, ungleiche Inanspruchnahme durch neue Angebote auf- gefangen und Fähigkeiten vermittelt werden, damit die Menschen die Bedingungen ihrer Gesundheit selbst günstig gestalten können. Damit werden alle Menschen erreicht und nicht nur diejenigen, die ohnehin schon ein hohes Gesundheitsbewusstsein haben. Hier wurde schon viel getan. So stellt sich das Projekt „Gesundheitsförderung bei sozial Benachteiligten“ dem Trend „Wer arm ist, erkrankt häufiger und stirbt früher“ bewusst entgegen. Auch das Bund-Länder-Programm „Soziale Stadt“ greift direkt in die Lebenswelten ein und fördert zum Beispiel durch das Projekt Kiezdetektive die Kinderbeteiligung für eine gesunde und zukunftsfähige Stadt. Gerade die Kinder, vor allem die aus sozial schwa- chen Familien, leiden unter erhöhten Gesundheitsrisiken durch den Lebensstil und die Lebensumstände der Fami- lien. Deshalb hat für mich, als Berichterstatterin für Kin- der- und Jugendgesundheit, das gesunde Aufwachsen dieser kleinen Menschen besondere Priorität. Viele Jahre habe ich mich für eine Stärkung der Präventionsbemü- hungen im Bereich Kindergesundheit eingesetzt. Des- halb freue ich mich besonders, dass sich mein Engage- ment gelohnt hat und seit letztem Jahr das Hörscreening bei Neugeborenen und die zusätzliche Früherkennungs- untersuchung U7a Leistungen der GKV sind. Auch das Projekt „Adipositasprävention im Vorschulalter“ oder „Pfiffikus durch Bewegungsfluss“ in Brandenburg im Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 26045 (A) (C) (B) (D) Rahmen des nationalen Aktionsplans „IN FORM“ sind Beispiele für ein gelungenes Engagement vor Ort. Wie schon gesagt, sind die vielen Erfolge in der Prä- ventionsarbeit kein Grund, sich auf diesen Lorbeeren auszuruhen. Auch heute sind noch zahlreiche Maßnah- men notwendig, um alle Menschen gleichermaßen zu unterstützen, ihre gesundheitlichen Ressourcen auszu- schöpfen, damit sie ein langes Leben ohne Krankheit bei bestem Wohlbefinden und Selbstständigkeit führen kön- nen. Der demografische Wandel macht diese Zielsetzung umso dringlicher. Ich glaube, dass die Situationsanalyse, die in den drei vorliegenden Anträgen vorgenommen wurde, dieser In- tention folgt. Die wesentlichen Forderungen sind somit in unserem Referentenentwurf bereits enthalten. Beson- ders der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen lehnt sich eng an die Vorschläge an, die gemeinsam in der letzten Legislaturperiode entwickelt wurden. Ande- rerseits wird darin aber die Schaffung von zentralen Strukturen auf Bundesebene vorgesehen, die steuernd in die Prozesse vor Ort eingreifen sollen. Zudem soll mehr Geld ausgegeben werden, bei Bündnis 90/Die Grünen 500 Millionen, bei der Fraktion Die Linke sogar 1 Mil- liarde Euro. Meine Damen und Herren, wie aber soll vor Ort die Bewegungsfreiheit und damit eine erfolgverspre- chende Arbeit der vielen verschiedenen Akteure gewähr- leistet werden, wenn alles von der Bundesebene einheit- lich und starr nach unten geregelt wird? Deswegen wollen wir, dass auf Landesebene entschieden und ge- steuert wird. Auch eine zentralisierte Mittelvergabe ist mit den bestehenden Strukturen im Bereich der Präven- tion kaum vereinbar. Somit sind alle drei Anträge bezüg- lich der grundlegenden Frage, der Gestaltung der Prä- ventionsstrukturen, unzulänglich. Die einzige Weg für eine erfolgreiche Kooperation von Bund, Ländern und Kommunen liegt in der Formu- lierung einheitlicher Präventionsziele in einer definierten Qualität, die die Krankenkassen, die Rentenversiche- rung, die Arbeitsagentur und die Unfallversicherung ge- meinschaftlich und abgestimmt zu Präventionsleistun- gen bringen, kurz: ein Präventionsgesetz. Ungeachtet der großen Zustimmung der Verbände und Experten bei der Anhörung zum Präventionsgesetz hat die Union bisher jeden Versuch blockiert, dieses Gesetz noch in dieser Wahlperiode auf den Weg zu bringen. Nichtsdestotrotz oder gerade deswegen wird das Präventionsgesetz auch in der nächsten Legislaturperiode auf der Tagesordnung bleiben. Detlef Parr (FDP): Prävention ist eine gesellschaftli- che und zugleich eine individuelle Herausforderung. Je- der Einzelne in unserer Gesellschaft ist dafür verant- wortlich, durch eine gesundheitsbewusste Lebensweise der Entstehung von Gesundheitsrisiken vorzubeugen. Die gesamtgesellschaftliche Aufgabe liegt nun darin, die Bedeutung von Prävention und Gesundheitsförderung zu verdeutlichen. Gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist es auch, Menschen, die aus sich selbst heraus nicht zu ei- nem gesundheitsbewussten Leben in der Lage sind, ziel- gerichtet darin zu unterstützen, gesundheitsbewusster zu leben. Zweimal wurde mit dem Entwurf eines Präventions- gesetzes versucht, eine vierte Säule in der Gesundheits- politik zu schaffen. Zumindest waren das die Pläne der Großen Koalition, wie es im Koalitionsvertrag zu lesen steht: „Die Prävention wird zu einer eigenständigen Säule der gesundheitlichen Versorgung ausgebaut. Mit einem Präventionsgesetz soll die Kooperation und Koordi- nation der Prävention sowie die Qualität der Maß- nahmen der Sozialversicherungsträger und -zweige übergreifend und unbürokratisch verbessert werden“. Beide Male – in der vorherigen und der jetzigen Le- gislaturperiode – ist dieser Versuch gescheitert, und ich sage: zum Glück. Denn ein Präventionsgesetz alleine – selbst wenn es auf über 100 Seiten zu Papier gebracht worden ist – macht uns nicht gesünder. Sinnvoller ist es, andere, unbürokratischere Wege zu gehen, als die Bundesregierung dies vorgehabt hat. Die Vorschläge von Ulla Schmidt hatten damals selbst die ei- genen Ressortkollegen nicht überzeugt. Diese plädierten eher für eine Ausweitung der Instrumentarien der Zu- sammenarbeit. Hier liegt der Hase im Pfeffer: Es kommt darauf an, bereits vorhandene Einrichtungen auf der Ebene des Bundes, der Länder, der Kommunen, der So- zialversicherungen und der Heilberufe und die bereits er- folgreich laufenden Projekte zu nutzen und diese weiter- zuentwickeln. Das geplante Präventionsgesetz hat die Verknüpfung bestehender Strukturen viel zu wenig berücksichtigt. Wenn der Gesetzgeber etwas für die Prävention tun will, muss er klar und deutlich sagen, welche Ziele er damit verfolgt, welche Prioritäten er setzt und wer für die ein- zelnen Aufgaben verantwortlich ist. Um diese klaren Aussagen hat sich auch der zweite, Ende 2007 vorge- legte, überarbeitete Entwurf gedrückt. Offensichtlich hat die Bundesregierung aus ihrem ers- ten Anlauf und der Debatte nichts gelernt. Was beson- ders auffällt: Auf natürlich gewachsene Strukturen, die bereits gut funktionieren, wird überhaupt nicht zurück- gegriffen. So hat die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, die uns allen durch ihre zahlreichen Kampa- gnen in den letzten Jahren und ihre gute Arbeit im Auf- klärungsbereich ein Begriff ist, nach dem neuen Gesetz- entwurf überhaupt keine Funktion. Die FDP hat einen eigenen umfassenden Antrag erar- beitet, der klare Forderungen und Vorschläge für eine ef- fiziente Präventionsstrategie formuliert. Ich möchte nur einige davon beispielhaft nennen: Erstens. Definition klarer Zuständigkeit und Finanz- verantwortlichkeit für die einzelnen Präventionsbereiche unter Nutzung und Weiterentwicklung der bereits vor- handenen Einrichtungen auf Bundesebene, der Länder und Kommunen, der Sozialversicherungen und der Heil- berufe. Einzelne wichtige etablierte und renommierte In- stitutionen in diesem Bereich sind zum Beispiel das 26046 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 (A) (C) (B) (D) Robert-Koch-Institut, das Paul-Ehrlich-Institut und auch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, die Schwerpunkte im Hinblick auf Aufklärung und Durch- führung bundesweiter Programme und Kampagnen setzt. Aufgabe der Krankenkassen ist neben der Sekundärprä- vention die Durchführung von Vorsorgeuntersuchungen und Prophylaxeaktivitäten sowie Motivation ihrer Versi- cherten zu einem gesundheitsbewussten Leben. Ein ganz wichtiger Aspekt ist es, die Kompetenzen der im Ge- sundheitswesen Tätigen, insbesondere der Ärzte im Ver- trauensverhältnis Arzt/Patient, optimal zu nutzen. Die Länder und Kommunen werden aufgefordert, ihrer Ver- antwortung in ihrem Aufgabenbereich für Präventions- und Gesundheitsförderung nachzukommen, indem sie die Infrastruktur verbessern und zum Beispiel den öffentli- chen Gesundheitsdienst stärken sowie regionale Projekte und Kampagnen insbesondere in sozialen Brennpunkten durchführen. Zweitens. Sogenannte Multiplikatoren in Kindergär- ten, Schulen, Arztpraxen, psycho- und physiotherapeuti- schen Praxen sowie in Sportvereinen müssen weiterqua- lifiziert werden, da sie direkten Zugang zu Jugendlichen haben. Gesundheitsförderung muss im Kindesalter an- setzen. Drittens. Motivation der Bevölkerung zu gesundheits- bewusstem Verhalten durch gezielte und verständliche Information, durch Kampagnen, die auf Alltagssituatio- nen abstellen. Viertens. Koordination der Gesundheitsförderung und Präventionsaktivitäten durch den für den jeweiligen Be- reich zuständigen Träger auf der jeweils betroffenen Ebene. Ein Beispiel für gelungene Koordination ist die enge Kooperation von Krankenkassen und Unfallversi- cherung. Fünftens. Konzentration der Ressourcen auf die Ver- hinderung von vermeidbaren, besonders belastenden und besonders teuren Krankheiten, auf Kinder und Jugendli- che, Alleinerziehende sowie alte Menschen und sozial benachteiligte Gruppen. Dabei hat die Hilfe zur Selbst- hilfe einen hohen Stellenwert. Sechstens. Erarbeitung wissenschaftlich fundierter Präventionsprogramme sowohl im Hinblick auf Verhält- nis- als auch auf Verhaltensprävention. Siebentens. Bessere Nutzung der Kompetenzen und Strukturen des Sports im Hinblick auf die für den eigen- verantwortlichen Umgang mit der eigenen Gesundheit so wichtige körperliche Bewegung. Lassen Sie mich nochmals betonen: In Deutschland herrscht kein Präventionsnotstand. Es gibt zahlreiche Angebote in den unterschiedlichen Bereichen – sowohl der Primär- als auch der Sekundärprävention und der Gesundheitsförderung. Bewährte Kooperationen und Zusammenarbeit müssen weitergeführt werden können und müssen sich natürlich weiterentwickeln, ohne staat- liche Eingriffe. Dass die Akteure ihre Verantwortung ei- genständig wahrnehmen, zeigt sich in ständig neu lan- cierten Initiativen und Kampagnen zur Prävention. Diese sind häufig sehr langfristig angelegt, teilweise über Jahre. Ein vorbildliches jüngstes Beispiel ist die auf fünf Jahre angelegte Kampagne „Alkohol? Kenn dein Limit“ der BZgA, das der Verband der privaten Krankenversi- cherung e. V., PKV, mit jährlich 10 Millionen Euro un- terstützt. Die Kampagne soll junge Menschen zu einem verantwortungsvollen Umgang mit Alkohol motivieren und die Entwicklung riskanten Trinkverhaltens verhin- dern. Bekanntestes Beispiel, auf das ich kurz näher einge- hen möchte, ist sicher die „Gib-Aids-keine-Chance“- Kampagne. 1987 gestartet, ist sie die größte und um- fassendste Kampagne zur Gesundheitsprävention in Deutschland. Sie ist modellhaft für eine erfolgreiche, bundesweit öffentlichkeitswirksame Präventionsstrate- gie. Die Zusammenarbeit zwischen der BZgA als staat- liche Organisation, die die Allgemeinbevölkerung anspricht, und der Deutschen Aidshilfe als Selbsthilfeor- ganisation, die die von HIV besonderes betroffenen Gruppen anspricht, funktioniert hervorragend. Ohne die ausgezeichnete Kooperation mit zahlreichen Beteiligten wäre die Kampagne nicht so breit aufgestellt, wie sie es heute ist. Neben Fachinstitutionen und Beratungsfach- kräften in Gesundheitsämtern sind dies Aidshilfen und andere Beratungsstellen vor Ort, Lehrkräfte, die Ärzte- schaft, Apotheken und Reiseveranstalter und große Or- ganisationen wie der Deutschen AIDS-Stiftung oder die Deutsche Sportjugend. Auch der Verband der privaten Krankenversicherung unterstützt seit 2005 die Kampa- gne und ermöglicht zahlreiche zusätzliche präventive Maßnahmen. An diesem Beispiel können Sie sehen, dass die vor- handenen Strukturen funktionieren, und zwar gut und nachhaltig. Solche Projekte gilt es zu unterstützen und zu fördern! Und wir müssen gemeinsam daran arbeiten, mehr dieser Initiativen zur Prävention auf die Beine zu stellen. Dafür sollten wir die vorhandenen personellen und finanziellen Ressourcen verwenden. Wie beim Ge- sundheitsfonds Gelder der Beitragszahler zu sammeln und anschließend nach intransparenten Kriterien wieder zu verteilen, ist der falsche Weg. Im Februar 2008 ist der zweite Referentenentwurf des geplanten Präventionsgesetzes abgelehnt worden. Das ist gut so; denn ein Präventionsgesetz, wie es die Bun- desregierung vorgesehen hat, ist aus liberaler Sicht über- flüssig. Die Bedeutung der Prävention ziehen wir damit nicht in Zweifel. Es geht vielmehr darum, den besten Weg zur Stärkung der Prävention zu finden und diesen dann auch zu gehen. Es ist sinnvoller, Bewährtes nicht über Bord zu werfen, sondern das Bestehende zu stärken und weiterzuentwickeln. Das Schaffen neuer Strukturen, wie die Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke dies in ihren Anträgen fordern, lehnt die FDP des- halb entschieden ab. Gesundheitsförderung und Prävention sind jeweils ein wichtiger Bestandteil der Gesundheitssicherung in unserer Gesellschaft. Jeder Einzelne kann mit einer ge- sundheitsbewussten Lebensweise zu einer insgesamt ge- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 26047 (A) (C) (B) (D) sünderen Gesellschaft beitragen. Eine Gesamtstrategie für Prävention und Gesundheitsvorsorge mit geeigneten Rahmenbedingungen befähigt den Einzelnen, mehr Ver- antwortung für die eigene und die Gesundheit anderer zu übernehmen. Dafür benötigen wir kein Gesetz. Ich hoffe, dass diese Einsicht sich in der neuen Legis- laturperiode durchsetzen kann. Ich hoffe außerdem, dass wir nicht einen dritten Entwurf für ein Präventionsgesetz vorgelegt bekommen. Ich würde mir sehr wünschen, dass es gelingt, die vorhandenen Potenziale zu nutzen, besser zu vernetzen und die bestehenden Institutionen nicht außen vor zu lassen, sondern in ihrer Arbeit weiter zu ermutigen, die sie zum Wohle der Gesellschaft aus- üben. Darin liegt die Chance, die wir nutzen müssen. Dr. Martina Bunge (DIE LINKE): „Die Prävention wird zu einer eigenständigen Säule der gesundheitlichen Versorgung ausgebaut. Mit einem Präventionsgesetz soll die Kooperation und Koordination der Prävention sowie die Qualität der Maßnahmen der Sozialversicherungsträ- ger und -zweige übergreifend und unbürokratisch verbes- sert werden. Hierzu sind die Aktionen an Präventionszie- len auszurichten. Bund und Länder müssen ergänzend zu den Sozialversicherungsträgern weiterhin ihrer Verant- wortung gerecht werden.“ Liebe Abgeordnete der CDU/CSU und SPD, erin- nern Sie sich noch? Dies waren Ihre Worte. in Ihrem Koalitionsvertrag vom November 2005. Am 23. Mai 2009 fasst das Deutsche Ärzteblatt die Aussagen von Rolf Schwanitz, parlamentarischer Staats- sekretär im Bundesministerium für Gesundheit, wie folgt zusammen: „Die Bundesregierung hat beim Kin- der- und Jugend-Ärztetag in Berlin eingeräumt, die Prä- vention in dieser Legislaturperiode nicht vorangebracht zu haben. So sei es weder gelungen, ein Präventionsge- setz noch die primäre Prävention als festen Bestandteil der Vorsorge zu etablieren.“ Im Klartext heißt das: Die Bundesregierung gesteht ein: Sie ist beim Präventions- gesetz völlig gescheitert! Die Schuld daran trägt maß- geblich die CDU/CSU. Gute Präventionspolitik ist So- zialpolitik, und gute Sozialpolitik ist Präventionspolitik. Doch von beidem ist die CDU/CSU weit entfernt, wie auch die Debatte um die Mehrwertsteuererhöhung zeigt. Ganz zu Schweigen von der FDP. Die will ja offen- sichtlich in Zukunft maßgeblich bei der Gesundheitspo- litik mitreden. Aber die FDP will Gesundheitspolitik als Wirtschaftspolitik betreiben. Und so liest sich auch ihr Antrag zur Prävention: „Eigenverantwortung, verant- wortungsbewusstes Verhalten, Gesundheitskampagnen, Konzentration auf die besonders teuren Erkrankungen usw.“ Mit einer vernünftigen, modernen Präventionspo- litik hat das wenig zu tun, aber viel mit Kostensenkung und Entsolidarisierung. Auch der Antrag der FDP vom Frühjahr zum Gesund- heitswesen macht deutlich: Die FDP will ihren Turboka- pitalismus, der uns gerade in diese Wirtschaftskrise ge- stürzt hat, auch im Gesundheitssystem verankern. Solidarität wird abgeschafft. Bei der FDP heißt es dazu immer, Solidarität sei keine Einbahnstraße. Übersetzt heißt das nichts anderes als: Die Reichen und Gesunden sollen endlich von der Soli- darität mit den Ärmeren und Kränkeren befreit werden. Das ist der Freiheitsbegriff der FDP. So ist klar, was von einer schwarz-gelben Koalition in der Gesundheitspoli- tik zu erwarten wäre: Entsolidarisierung, Rationierung, Privatisierung und Kapitalisierung – zulasten der Ge- sundheit der breiten Bevölkerung. Als die große Herausforderung der Gesundheitspoli- tik wird hingegen von den meisten Gesundheitswissen- schaftlern die soziale Ungleichheit von Gesund- heitschancen betrachtet. Der letzte Kinder- und Jugendbericht zeigt auf, wie unterschiedlich bereits die Gesundheits- und damit die Lebenschancen von Kindern und Jugendlichen sind. Der Sachverständigenrat fordert in seinem vorgestern vorgelegten 2009er-Gutachten fol- gerichtig die Chancengleichheit bei Kindern herzustellen und Entwicklungschancen zu verbessern. Er konnte die beeindruckende Anzahl von 419 Programmen ermitteln, allerdings mit Defiziten im Hinblick auf die Zielorientie- rung, Gestaltung, Dauer und Qualitätssicherung. Die Programme sind unzureichend auf die sozial benachtei- ligten Zielgruppen ausgerichtet. Diesen blinden Aktio- nismus – diese Werbekampagnen des Gesundheitsminis- teriums – haben wir schon häufiger kritisiert. Der Antrag der Fraktion Die Linke wird den Ansprü- chen des Sachverständigenrats gerecht: In seinem Zen- trum steht die Verminderung sozial bedingter Gesund- heitschancen. Wir fordern eine gesundheitsförderliche Gesamtpolitik. Der Sachverständigenrat spricht von Ver- wirklichungschancen, die vor allem durch Sozial-, Ar- beits- und Bildungspolitik ermöglicht werden müssen. Modellprojekte müssen evaluiert und die guten Beispiele – Good Practice – umgesetzt und in die Fläche gebracht werden. Wir haben für unsere Forderungen viel Zustimmung von renommierten Wissenschaftlerinnen und Wissen- schaftlern und weiteren Fachleuten erhalten. Ich frage mich: Wann wird eine vernünftige Präventionspolitik in diesem Hause eine Mehrheit erreichen? An uns würde sie nicht scheitern, für uns steht die Chancengleichheit aller Menschen im Mittelpunkt. Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): In der Präventionspolitik hat uns die Bundesregierung in dieser Legislaturperiode viel heiße Luft serviert. Ak- tionspläne, Kampagnen und Projekte wurden auf den Weg gebracht – mehr aber auch nicht. Die präventions- politische Bilanz lässt sich mit dem Motto „Viel Aktio- nismus und wenig Nachhaltigkeit“ umschreiben. Dabei hatte sich die Bundesregierung ins Stammbuch geschrieben, endlich ein Präventionsgesetz zu verab- schieden. Diesem Vorsatz kann ich nur zustimmen, fehlt es in Deutschland doch nach wie vor an nachhaltigen Strukturen in Form eines Präventionsgesetzes. Es folgte jedoch eine gesundheitspolitische Farce. Der im Bundes- gesundheitsministerium mit heißer Nadel gestrickte Re- ferentenentwurf verschwand schnell wieder in der Ver- 26048 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 (A) (C) (B) (D) senkung. Zuletzt kamen aus diesem Hause nur zaghafte Ankündigungen, doch noch einen Anlauf zu unterneh- men. Die Union gibt ihre blockierende Haltung gegen- über einem Gesetz nicht auf. Unter dem Vorwand, ein Präventionsgesetz würde zu viel Bürokratie mit sich bringen, sperrt sie sich gegen eine Zusammenführung und gemeinsame Verwaltung der zur Verfügung stehen- den Gelder. Stattdessen sollen vor allem individuelle Präventionsangebote gefördert und zu einem Wettbe- werbsinstrument der Krankenkassen weiterentwickelt werden. Dieser Ansatz geht an der eigentlichen Zielstel- lung – sozial benachteiligte Bevölkerungsgruppen zu er- reichen – meilenweit vorbei. Für uns Grüne ist klar: Zu- mindest bei der Prävention in den Lebenswelten – also in den Schulen, Kindertagesstätten und Stadtteilen – sollte dieser Wettbewerb um Vorzeigeprojekte zugunsten einer kassenübergreifenden Poolung der Gelder aufgegeben werden. In guter Gesellschaft mit der Union befindet sich auch die FDP. Sie lehnt ein Präventionsgesetz ab, setzt auf in- dividuelle Angebote der Verhaltensprävention und sieht die Aufgabe des Staates vornehmlich in der Informa- tionsbereitstellung. Selbst bei der FDP müsste inzwi- schen angekommen sein, dass die Vermittlung von Infor- mationen zwar viel Geld kostet, insgesamt aber wenig bringt und die eigentliche Zielgruppe nicht erreicht. Punkten will die FDP auch mit medizinischen Präven- tionsangeboten, die ausgebaut werden sollen. In bewähr- ter Tradition wird damit Klientelpflege betrieben, die aus vielen Gründen nicht angebracht ist. Zum einen gehören medizinische Präventionsleistungen in der Arztpraxis zu den freien Leistungen, die nicht aus der morbiditätsorien- tierten Gesamtvergütung gezahlt werden. Zum anderen sollte ein Großteil der Prävention vor allem außerhalb des medizinischen Versorgungssystems erfolgen, denn dort liegen bekanntlich die Bedingungen für Gesundheit und Krankheit. Immerhin: Die Linke setzt sich mit ihrem Antrag für ein Präventionsgesetz ein und stellt viele sinnvolle For- derungen auf, zum Beispiel eine übergeordnete Koordi- nierungs- und Entscheidungsstelle einzurichten. Bei der Finanzierung jedoch fällt mir nur das Stichwort Maßlo- sigkeit ein. So sollen im Rahmen des Präventionsgeset- zes in den ersten vier Jahren jeweils 1 Milliarde Euro aus Steuergeldern verausgabt werden. Wie die Gelder aufge- bracht werden sollen, bleibt – wie fast immer bei der Linken – unklar. Für die grüne Bundestagsfraktion steht nach wie vor fest: Notwendig ist ein Präventionsgesetz, mit dem ein wirklicher Beitrag zur Verminderung sozial bedingter Ungleichheit von Gesundheitschancen geleistet wird. Auf Bundesebene muss ein Entscheidungsgremium mit Finanzverantwortung eingerichtet werden. An der Finan- zierung – wir schlagen zunächst 500 Millionen Euro jähr- lich vor – müssen sich alle Sozialversicherungsträger, die private Kranken- und Pflegeversicherung sowie Bund, Länder und Kommunen beteiligen. An diese Forderung werden wir in der kommenden Legislaturperiode anknüp- fen, damit die Prävention nicht nur auf deklamatorischer Ebene politische Höhenflüge erlebt. Anlage 14 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Fi- nanzmarkt- und der Versicherungsaufsicht – Entwurf eines Gesetzes zur Schließung kre- ditwirtschaftlicher Aufsichtslücken (Tagesordnungspunkt 18) Leo Dautzenberg (CDU/CSU): Die Finanzmarkt- krise hat gezeigt: Die Finanzmärkte müssen reformiert werden. Dazu gehören natürlich Verbesserungen bei der Finanzaufsicht. Die wichtigsten und weitreichendsten Regelungen hierzu werden international und EU-weit er- folgen. Doch auch der nationale Gesetzgeber ist gefragt. Deshalb haben wir im vergangenen Oktober nicht nur entschlossen Maßnahmen ergriffen, um den deutschen Finanzmarkt zu stabilisieren. Wir haben auch damit be- gonnen, auf nationaler Ebene die Aufsicht an vielen Punkten neu zu justieren. Uns ging es dabei vor allem um zielgerichtete Ergänzungen der nationalen Aufsichts- regeln im Detail. Das Ergebnis unserer Arbeit in der Großen Koalition ist das nun zur abschließenden Bera- tung anstehende Gesetz zur Stärkung der Finanzmarkt- und Versicherungsaufsicht. Wir stärken darin insbeson- dere die Befugnisse der BaFin als deutscher Allfinanz- aufsicht und erhöhen die Transparenz. Wir denken, dass wir sinnvoll und zielgerichtet die Aufsicht gestärkt haben, ohne überflüssige Bürokratie aufzubauen. Als Union war es dabei auch unsere Auf- gabe, unseren Koalitionspartner an einigen Stellen zu bremsen. Denn die undifferenzierte Ansicht der SPD „Viel hilft viel“ teilen wir nicht. Auch Aufsicht muss ef- fektiv und effizient sein. Die Produktion von Aktenber- gen bei der BaFin kann kein Selbstzweck sein. Zu nennen wären hier beispielsweise die vom Bundesfinanzministe- rium vorgeschlagenen Meldepflichten für Konzentra- tionsrisiken. Die Informationen liegen der Aufsicht be- reits jetzt vor. Bezogen auf den Versicherungsbereich wird der Kollege Flosbach sicherlich weitere Beispiele anführen können. Eine zweckmäßige Ergänzung der bestehenden Mel- depflichten stellt hingegen die sogenannte Leverage Ratio dar. Hierbei geht es um das nicht risikogewichtete Verhältnis von Eigenkapital zu Fremdkapital. Wie alle Kennzahlen betrachtet die Leverage Ratio zwar nur ei- nen Teilaspekt der Stabilität einer Bank. Für sich alleine genommen hat dieser Teilaspekt nur beschränkte Aussa- gefähigkeit. Im Zusammenhang mit anderen Informatio- nen vervollständigt die Leverage Ratio das Gesamtbild aber sinnvoll und zielführend. Detaillierte Untersuchun- gen am Fall der Schweizer UBS legen die Leverage Ra- tio als Ergänzung der risikogewichteten Eigenkapitalre- gulierung nahe. Und auch generell hat uns die Krise mit Nachdruck vor Augen geführt, dass große Hebel mit ho- hen, auch systemischen, Risiken einhergehen. Auf diese Risiken wird nun expliziter als bisher hingewiesen. In den letzten Wochen haben wir den Entwurf des Finanzministeriums an etlichen Stellen nachgebessert. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 26049 (A) (C) (B) (D) Wie bereits angesprochen, wurden Meldepflichten für Konzentrationsrisiken gestrichen. Zentraler ist jedoch eine wichtige Anpassung hinsichtlich der Anforderungen an Mitglieder von Kontrollgremien. Wir stellen nun auf die Sachkunde der Personen ab, nicht mehr auf die „fach- liche Eignung“. Wir haben damit Kritik aufgegriffen, die uns aus allen Richtungen erreicht hat. Die neue Regelung stellt eine sinnvolle Anforderung dar und verhindert gleichzeitig eine unsinnige Einschränkung des infrage kommenden Personenkreises. Anzumerken bleibt natür- lich eines: Auch die größte Sachkunde ist keine hinrei- chende Bedingung für ein effektives Kontrollgremium. Der Verwaltungsrat der IKB beispielsweise verfügte über herausragende Sachkunde. Geholfen hat es nicht viel, wie wir leidvoll erfahren haben. Wir haben außerdem klargestellt: Die BaFin kann die Abberufung von Mitgliedern in Kontrollgremien nur verlangen und nicht selber durchsetzen. Im Streitfall hat immer ein Gericht das letzte Wort. Die erweiterten Befugnisse der BaFin, Ausschüttun- gen zu unterbinden, finden nun auf längerfristige nach- rangige Verbindlichkeiten keine Anwendung. Hinter- grund: Diese Eigenkapitalinstrumente nehmen nicht am Verlust teil, sondern müssen nur im Insolvenz- oder Li- quidierungsfall nachrangig zurückgezahlt werden. Auch wird die Regelung zum Ring-Fencing ergänzt. Die BaFin informiert jetzt europaweit andere Aufsichts- behörden über ihre Schritte; ein wichtiger Beitrag zur notwendigen internationalen Kooperation der Behörden. Wir haben außerdem die Verhandlungen zum Gesetz genutzt, um die Leasingunternehmen nicht zu überfor- dern, die seit kurzem Millionenkreditmeldungen abgeben müssen. Das BMF hat uns zugesichert, dass die Nicht- meldung von Millionenkrediten erstmalig zum 15. Januar 2010 beanstandet werden wird. Auch der kommende Deutsche Bundestag wird sich mit Fragen der Finanzaufsicht beschäftigen müssen. Die vielfältigen internationalen Finanzmarktregulierungen auf G-20- und EU-Ebene müssen in nationales Recht umge- setzt werden. Daneben stehen weitere rein nationale Pro- jekte bevor. Als wichtigstes ist zu nennen: die Zusam- menlegung der deutschen Bankenaufsicht unter einem Dach, dem Dach der Deutschen Bundesbank. Dies haben wir als Union in unser Regierungsprogramm aufgenom- men, weil wir es für den nächsten folgerichtigen Schritt halten, die richtigen Lehren aus der Krise zu ziehen. Klaus-Peter Flosbach (CDU/CSU): Die Regierun- gen der G 20 haben sich infolge der Finanzmarktkrise geeinigt, dass kein Finanzmarktakteur, kein Finanzpro- dukt und kein Finanzmarkt ohne Aufsicht und Regulie- rung bleiben soll. Wir unterstützen deshalb seitens der CDU/CSU-Bundestagsfraktion diesen Entwurf zur Stär- kung der Finanzmarkt- und der Versicherungsaufsicht. Im Laufe der Beratungen konnten wir zahlreiche Ver- besserungen durchsetzen, denn das Gesetz hatte Schlag- seite. Es bestand die Gefahr, dass Vorschriften, die für die Banken zutreffend sind, eins zu eins auch auf den Versicherungsbereich übertragen würden. Man konnte also den Eindruck gewinnen, dass es sich aktuell nicht um eine Bankenkrise, sondern um eine Versicherungs- krise handelte. Genau das Gegenteil ist der Fall. Die sehr strengen Anforderungen, die Versicherungsunterneh- men in ihren Kapitalanlagen erfüllen müssen, haben we- sentlich dazu beigetragen, dass eine Finanzkrise im Ver- sicherungsbereich gerade nicht aufgetreten ist. Wir haben deshalb den Gesetzesvorschlag eingehend ge- prüft. Versicherungsunternehmen sind einer der größten Fi- nanzierer von Nachrangkapital für Banken. Dieses Kapi- tal wird fest verzinst, und die Erträge gehen zum ganz überwiegenden Teil auf das Konto der Versicherungs- nehmer, nicht auf das Konto der Aktionäre. Wir konnten hier in den Beratungen durchsetzen, dass ein Ausschüt- tungsverbot durch die BaFin für Erträge aus nachrangi- gem Kapital wieder aufgehoben wurde. Ansonsten hätte dieses Kapital den Banken nur noch zu deutlich erhöhten Konditionen oder gar nicht mehr zur Verfügung gestan- den. Auch für die Versicherungsunternehmen wurden zu Recht erhöhte Anforderungen an die Aufsichtsgremien eingeführt. Wichtig für uns war, dass die in der Versiche- rungsbranche übliche Spartentrennung auch in Aufsichts- gremien sowie bei der Besetzung der Geschäftsleiter Be- rücksichtigung findet. Denn Versicherungsunternehmen vereinigen nicht alle Versicherungssparten unter einem Dach, sondern für jede Sparte wird ein eigenes Versiche- rungsunternehmen gegründet. Mit Abstimmung der BaFin können deshalb auch Geschäftsleiter für mehrere Unternehmen bestellt werden. Wir haben auch darauf eingewirkt, dass nicht Regelun- gen eingeführt werden, die schon in kürzester Zeit wieder aufgehoben werden müssten. Denn die kommende euro- päische Solvency-II-Richtlinie wird zum Beispiel die Festlegung der Solvabilität bei Versicherungsunterneh- men auf eine komplett neue Grundlage stellen. Da dieser Richtlinienvorschlag bereits auf dem Tisch liegt, werden wir uns nach der Bundestagswahl unmittelbar damit be- schäftigen müssen. Wir konnten uns auch darauf einigen, bei Holdings eine angemessene Aufsicht einzurichten, auch wenn Hol- dings nur als reine Beteiligungsgesellschaften angelegt sind und auch keine Leitungsfunktion ausüben. Hier soll- ten die Beziehungen der Aufsichtsbehörde zu den Hol- dings auf eine rechtlich sichere Basis gestellt werden. Gleichwohl haben wir darauf bestanden, dass der büro- kratische Aufwand für die Holdings in einem angemesse- nen Verhältnis bleibt, die Aufsicht aber alle für sie wich- tigen Informationen erhält. Die Lehre aus der Finanzmarktkrise ist, dass eine Aufsicht präventiv handeln muss. Sie soll nicht erst dann handeln können, wenn es bereits zu spät ist. Unsere Auf- gabe ist es, für Stabilität im Finanzsektor zu sorgen, um den Bürger vor Fehlentwicklungen zu schützen. Mit die- sem Gesetz schaffen wir ein Stück mehr Stabilität und Sicherheit für unsere Bürger. 26050 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 (A) (C) (B) (D) Martin Gerster (SPD): Nach Plan sind wir in der letzten Sitzungswoche dieser Wahlperiode angekom- men – für mich der richtige Zeitpunkt, auf meine ersten vier Jahre im Deutschen Bundestag zurückzublicken und Bilanz zu ziehen. Wollte ich die größten Herausforde- rungen dieser vier Jahre unter einem Leitmotiv zusam- menfassen, ich würde die schwierige Abwägung von Freiheit und Sicherheit hervorheben. Denn diese kom- plexe Balance war für viele Entscheidungen kennzeich- nend, mit denen wir uns im Innenausschuss beschäftigen mussten, dem ich die ersten beiden Jahre der Legislatur angehörte, zum Beispiel wenn es um die Arbeitsmög- lichkeiten des Bundeskriminalamtes und die Weiterent- wicklung unserer Sicherheitsarchitektur ging. Eine ähnliche Problematik prägt auch jene Herausfor- derungen, denen wir in den vergangenen zwei Jahren im Finanzausschuss begegnen mussten: Ich spreche von der Unvereinbarkeit von maximaler Freiheit auf dem Markt und größtmöglicher Sicherheit für die Marktteilnehmer. Diese Unvereinbarkeit ist auch für die hochaktuelle Frage kennzeichnend, wie wir im Zuge der weltweiten Banken- und Wirtschaftskrise unsere Finanzarchitektur zukunftsfähig aufstellen sollten. Einen Teil der notwendigen Antworten enthält der vorliegende Gesetzentwurf, den wir heute abschließend beraten wollen. Mit dem „Gesetz zur Stärkung der Fi- nanzmarkt- und der Versicherungsaufsicht“ leisten wir einen Beitrag, die Banken- und Versicherungsaufsicht effizienter zu machen, weil wir den möglichen Ursachen zukünftiger Krisen auf diesen Märkten vorbeugen wol- len, müssen und werden. Diesem Ziel dient eine ganze Reihe von Maßnahmen im Bereich des Kreditwesenge- setzes, KWG, und des Versicherungsaufsichtsgesetzes, VAG. Zunächst erhält die Bundesanstalt für Finanzdienst- leistungsaufsicht (BaFin) die Möglichkeit, von Institu- ten, die ihrer Aufsicht unterliegen, eine höhere Liquidi- tätsausstattung bzw. höhere Eigenmittel einzufordern, wenn diese auf nicht zu bewältigende finanzielle Risiken zusteuern. Stocken Banken ihre Eigenmittel durch staat- liche Hilfen auf, kann die BaFin ein Ausschüttungsver- bot für Gewinne auf diese Eigenmittelbestandteile ver- hängen. So wird verhindert, dass die Gläubiger dieser Banken aus Steuermitteln bedient werden. In Krisenfäl- len darf auch ein Zahlungsverbot zulasten konzerninter- ner Gläubiger verhängt werden. Das Gesetz beinhaltet zudem zusätzliche Meldepflichten, die der BaFin einen besseren Einblick in die Risikosituation der beaufsich- tigten Unternehmen erlauben sollen. Überdies ergreifen wir Schritte, den bislang zu wenig regulierten Freiverkehr der inländischen Börse besser zu kontrollieren und Anleger besser zu schützen. Und dort, wo Mitglieder von Aufsichtsgremien in ihrer Funktion versagen, wird es der BaFin zukünftig möglich sein, bei den entsprechenden Organen deren Abberufung zu ver- langen. Ich möchte an dieser Stelle insbesondere auf jene Teile des Gesetzes eingehen, die den Versicherungssek- tor betreffen. Gegen die hier getroffenen Regelungen gab es im Vorfeld einen grundlegenden Einwand. In zahlreichen Stellungnahmen wurde betont, die Branche sei nachweislich nicht schuld an der krisenhaften Ent- wicklung der vergangenen Jahre. Der Einwurf scheint auf den ersten Blick sicherlich gerechtfertigt: Tatsäch- lich wäre es falsch, die Versicherungswirtschaft für die derzeitigen Verwerfungen in der Wirtschafts- und Fi- nanzwelt verantwortlich zu machen. Dennoch: In diesem Gesetzentwurf geht es um Prävention. Und wenn wir dieses Ziel ernst nehmen, müssen wir auch in diesem – für das Gesamtsystem durchaus risikoträchtigen – Feld mögliche Hürden auf dem Weg zu wirksamen Aufsichts- mechanismen beseitigen. Dieses übergeordnete Ziel dul- det keine halbherzigen Kompromisse – frei nach dem Motto: Bitte gründlich waschen, aber bloß nicht nass machen! Die jetzt zum Beschluss anstehenden Änderungen im Bereich der Versicherungsaufsicht verfolgen mehrere Ziele: Gestärkt wird die Stellung des verantwortlichen Aktuars, dem es obliegt, Versicherungs-, Anlage- und Liquiditätsrisiken zu berechnen und zu bewerten. Auch verschärfen wir die Aufsicht über Versicherungsholding- Gesellschaften und verpflichten die Marktteilnehmer, vertiefte Informationen über die Kapitalmarktaktivitäten von Versicherungsgesellschaften und ihren Zweckgesell- schaften zur Verfügung zu stellen. Nicht zuletzt wird durch das Gesetz die Zahl der Posten begrenzt, die eine einzelne Person in den Auf- sichtsgremien von Unternehmen der Finanz- und Versi- cherungsbranche wahrnehmen darf. Denn gerade in Kri- sensituationen gilt es zu verhindern, dass die Mitglieder der entsprechenden Gremien strukturell und zeitlich überfordert sind oder gar durch Interessenkonflikte in der Ausübung ihrer Funktion eingeschränkt werden. Im Zuge der Beratungen haben wir – insbesondere in- folge der Anhörung vom 27. Mai – zahlreiche Anregun- gen diskutiert und eine ganze Reihe von Feinjustierun- gen am Gesetzesentwurf vorgenommen. Dies betrifft vor allem die Frage der Qualifikationen, die wir den Mitglie- dern der Aufsichts- und Verwaltungsräte von Banken und Versicherungen gleichermaßen abverlangen. Hier haben wir den Begriff der „fachlichen Eignung“ durch das angemessenere Kriterium der „Sachkunde“ – ersetzt eine Lösung, die den vielen Aufsichtsratsmitgliedern aus der Kommunalpolitik gerecht wird, die beispielsweise in den Aufsichtsgremien von Sparkassen oder kommunalen Versicherungen seit Jahren kompetent mitwirken. Diese Regelung kommt auch den Arbeitnehmervertretungen entgegen, deren sachkundige Mitarbeit in den entspre- chenden Aufsichts- und Verwaltungsräten außer Frage steht. Insgesamt, denke ich, ist es uns gelungen, ein ausge- wogenes Gesetz auf den Weg zu bringen, das im Aufsichtsbereich notwendige Kursveränderungen antizi- piert, ohne die betroffenen Unternehmen in unzumutba- rer Weise zu gängeln. Mit den Maßnahmen stärken wir die nationalen Aufsichtsmechanismen, ohne die kom- menden europäischen Lösungen zu konterkarieren. Bis Solvency II endgültig umgesetzt ist, sind wir in Deutsch- land einfach einen kleinen Schritt voraus. Man mag das – mit viel Theaterdonner – als nationalen Alleingang kri- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 26051 (A) (C) (B) (D) tisieren. Ich aber glaube: Mit dem gewonnenen Vor- sprung in Sachen Prävention können wir beruhigt auf Europa warten. Frank Schäffler (FDP): Der heutige Gesetzesbe- schluss besiegelt das Scheitern der Koalition bei der Re- form der Bankenaufsicht. Union und SPD haben sich im Koalitionsvertrag eine Neuordnung der Bankenaufsicht vorgenommen. Sie haben es auch durch ein von der Bun- desregierung in Auftrag gegebenes Gutachten schriftlich bekommen, dass die Bundesbank in der Bankenaufsicht gestärkt werden muss. Getan haben sie aber nichts, außer die Aufsichtsstruktur der Bundesanstalt für Finanzdienst- leistungsaufsicht, BaFin, etwas zu ändern; übrigens nur gezwungenermaßen als Konsequenz eines Korruptions- skandals bei der BaFin. Heute folgt nun die Ausweitung der BaFin-Kompe- tenzen. Dadurch soll die BaFin künftig auch die Mitglie- der von Kontrollgremien überprüfen können. Dazu hieß es im Gesetzentwurf zunächst, die Mitglieder müssten die entsprechende „fachliche Eignung“ aufweisen. Das ging der Koalition dann doch zu weit; deshalb wurde der Begriff der Sachkunde gewählt. Dieser, so heißt es nun in der Gesetzesbegründung, wird in § 12 Abs. 1 Sparkas- sengesetz NRW definiert. Dort heißt es aber: „Sach- kunde bedeutet dabei den Nachweis einer fachlichen Eignung …“. Ja, was soll denn nun gelten? Wir hätten es für besser gehalten, die Eigentümer ent- scheiden zu lassen, wen sie in ihre Kontrollgremien be- rufen, und hier nicht eine weitere Aufgabe der BaFin einzuführen. An dieser Regelung sieht man, dass die Ko- alition sich in Wortklaubereien verzettelt und den Blick für die Struktur verliert. Sie hat es versäumt, die deut- sche Bankenaufsicht rechtzeitig wetterfest zu machen, und in der Finanzkrise zahlt der deutsche Steuerzahler nun einen hohen Preis dafür. Wir schlagen vor, die bestehenden Aufsichtslücken zu schließen, indem die bislang zersplitterte deutsche Ban- kenaufsicht, BaFin und Bundesbank, zu einer Einheit zu- sammengeführt wird. Dabei kommt es auch darauf an, noch mehr höchstqualifizierte Finanzmarktexperten für die Aufsichtstätigkeit zu gewinnen. Wir fordern, die Ban- kenaufsicht der Deutschen Bundesbank zuzuordnen. Nur die Bundesbank hat in Deutschland die nötige Glaubwür- digkeit, diese Aufgabe zu bewältigen. Die Unabhängig- keit der Bundesbank bleibt natürlich gewährleistet. Wir haben sie auch bei der Einrichtung des Finanzmarktstabi- lisierungsfonds verteidigt. Soweit für die neuen Aufga- ben der Bundesbank ein Weisungsrecht zwingend erfor- derlich ist, wird es auf den klar abgegrenzten Bereich der Bankenaufsicht beschränkt. Die Union hat nun in ihr Wahlprogramm geschrieben, sie wolle die Bankenaufsicht konzentrieren. Das ist löb- lich, kommt aber zu spät. Wir sehen darüber hinaus eine Aufsichtslücke bei der KfW-Bankengruppe, da die KfW als einzige Bank nicht der Bankenaufsicht untersteht. Mit unserem Gesetzentwurf wollen wir diese Lücke schließen und die KfW anderen Fi- nanzinstitutionen des privatrechtlichen, genossenschaftli- chen und öffentlichrechtlichen Sektors gleichstellen. Für die hoheitliche Beaufsichtigung der KfW sollen im Sinne der Gleichbehandlung die gleichen Anforderungen wie für andere Großbanken gelten. Insbesondere die bislang bestehende und sachlich nicht begründete Ungleichbe- handlung zwischen der KfW und anderen öffentlich- rechtlichen Kreditinstituten, wie etwa den Landesbanken, wollen wir beseitigen. Dr. Axel Troost (DIE LINKE): So richtig es ist, die Finanzmarkt- und Versicherungsaufsicht zu stärken, so verkehrt ist das vorliegende Gesetz. Ich nenne Ihnen drei Gründe, warum dies so ist: Erstens: Das Gesetz verfehlt seinen Anspruch auf Prä- vention. Es ist nämlich so, dass die Vorschriften zur Ei- genkapitalunterlegung (Basel II) massiv unterwandert werden. Ein Grund dafür ist die viel zu weite Auslegung dessen, was als Eigenkapital gilt. Von der Aufsicht akzep- tiert sind auch Mischformen aus Eigen- und Fremdkapital – so zum Beispiel Genussrechte und Wandelanleihen. Die Finanzaufsicht will dieses schwache Eigenkapital – das sogenannte Nachrangkapital – im Krisenfall in die Ver- lusthaftung einbinden. Hier wäre es viel wirksamer, den Begriff des Eigenkapitals von vornherein enger zu fassen. Nur ausreichend Eigenkapital von hoher Qualität kann Geschäftsrisiken wirksam abfedern. Aber selbst dies ist allein nicht ausreichend: Eine wei- tere Voraussetzung für eine präventive Aufsicht ist die im- mer noch fehlende Zuständigkeit für Geschäftsmodelle. Denn wenn das Geschäftsmodell fehlläuft, hilft auch die Höhe des Eigenkapitals nicht viel. Hierzu schweigt das Gesetz. Auch bleibt der Blick der Aufsicht auf einzelne Institute beschränkt, statt weitaus gefährlichere systemi- sche Risiken zu erfassen. Statt sich zur Vogelperspektive aufzuschwingen, verteidigt die Aufsicht ihre Scheuklap- pen. Zweitens – und das bleibt unverändert der Haupt- grund, warum wir den Entwurf ablehnen –: Das Gesetz engt die demokratische Mitbestimmung ein. Denn: Lehnt der Aufsichtsrat das Verlangen der Finanzaufsicht ab, ein Mitglied abzuberufen, kann die Aufsicht dieses selbst ge- richtlich durchsetzen. Doch schließlich handelt es sich um demokratisch gewählte Gremien: Die Anteilseigener werden von der Hauptversammlung gewählt, die Arbeit- nehmervertreter von den Beschäftigten. Vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DBG) war zu hören, weder er noch die SPD seien mit dieser Befugnis der Aufsicht glücklich. Die CDU könne damit leben. Damit liegt die Vermutung nahe, dass SPD und CDU hier schlicht einer Ansage des Bundesfinanzministeriums folgen. Entscheidend ist, das Gesamtgremium zu sehen. Nicht jedes einzelne Aufsichtsratsmitglied muss die gesamte Spannbreite der Aufgaben selbst erfüllen. Das wäre ge- rade das Gegenteil von funktionierender Arbeitsteilung. Vielmehr bringen die jeweiligen Gremiumsmitglieder ihre jeweilige Sicht ein: So achten kommunale Vertrete- rinnen und Vertreter darauf, dass Sparkassen und Kom- munalversicherer ihren öffentlichen Auftrag erfüllen. Wer kann besser einschätzen als sie, ob die flächende- ckende Kreditversorgung gewährleistet ist? Dass finanz- 26052 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 (A) (C) (B) (D) technische Expertise allein in keinster Weise hinreichend ist, belegen Pleitebanken wie die Hypo Real Estate an- hand von Milliardenverlusten. Damit komme ich zum dritten Punkt. Das ist der Punkt, nach dem man im Gesetz vergeblich sucht – die Auf- sichtsratskultur. Das Gesetz leistet keinerlei Beitrag zu ei- ner besseren Aufsichtsratskultur. Doch gerade darauf kommt es an: Wie ist die Zusammenarbeit mit Wirt- schaftsprüferinnen und -prüfern organisiert? Wie läuft die Zusammenarbeit mit der Bundesanstalt für Finanzdienst- leistungsaufsicht und mit der Bundesbank? Wie können entscheidungsrelevante, komplexe Angaben allen Mit- gliedern in Aufsichtsgremien verständlich übermittelt werden? Diese Fragen gilt es zu beantworten. Die Linke lehnt das Gesetz ab, weil es die demokrati- sche Mitbestimmung einschränkt. Zugleich leistet das Gesetz weder einen wirksamen Beitrag zur Krisenprä- vention noch geht es das Kernproblem der Aufsichtsrats- kultur an. Es ist keinerlei Verlust, dieses Gesetz abzuleh- nen. Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es war wenige Tage vor der ersten Runde der missrate- nen milliardenschweren Rettung der Hypo Real Estate, als Finanzminister Steinbrück am 25. September 2008 in diesem Hohen Hause eine Regierungserklärung zur Fi- nanzmarktkrise abgab. Vor weniger als einem Jahr also, die Finanzkrise feierte damals ihr über einjähriges Beste- hen. Herr Steinbrück sagte damals: „Die USA sind der Ursprung der Krise, und sie sind der Schwerpunkt der Krise. Es ist nicht Europa, und es ist nicht die Bundesre- publik Deutschland.“ Und weiter: „Die mir wichtige Antwort ist eine stärkere Regulierung auf internationaler Ebene.“ „Denn“, so an anderer Stelle Finanzminister Steinbrück, „das Krisenmanagement in Deutschland hat bisher funktioniert.“ Dass Herr Steinbrück mit diesen Einschätzungen völ- lig danebenlag, wussten wir schon damals, können es aber inzwischen auch belegen: Denn die Krise ist kein allein US-amerikanisches Problem, sondern mindestens genauso stark auch unseres. Das wird niemand hier mehr ernsthaft bestreiten wollen. Das Krisenmanagement in Deutschland funktioniert nicht, es hat versagt. Das bele- gen beispielhaft die bisherigen Erkenntnisse des Unter- suchungsausschusses zur Hypo Real Estate. Und die richtige Antwort auf die Krise besteht nicht allein in stär- keren Regulierungen auf internationaler Ebene und ei- nem neuen Design der Weltfinanzarchitektur. Sondern eben auch auf nationaler Ebene muss gehandelt, muss die Aufsicht verbessert werden. Dass Letzteres inzwischen auch Herr Steinbrück so sieht und er somit seine eigene Einschätzung revidiert hat, belegt der vorliegende Gesetzentwurf zur sogenann- ten Stärkung der Finanzmarkt- und Versicherungsauf- sicht. Leider kommt diese Einsicht reichlich spät: Bereits die Pleiten von IKB und Sachsen LB hätten genug An- lass gegeben zu schauen: Was können wir lernen? Was können wir besser machen? Wie können wir unsere Auf- sicht besser aufstellen? Wahrscheinlich hätte sich dann das eine oder andere milliardenschwere Desaster noch verhindern oder zumindest abmildern lassen. Worum geht es nun konkret im vorliegenden Gesetzes- entwurf? Erstens soll die präventive Kompetenz der Aufsicht gestärkt werden, beispielsweise indem künftig in Abhän- gigkeit der Geschäftsrisiken eine Erhöhung des Eigenka- pitals verlangt werden kann. Zweitens soll mit der Ein- führung neuer Berichtspflichten die Informationsbasis der Aufsicht verbessert werden. Drittens erhält die Auf- sicht mehr Eingriffsrechte in Krisensituationen. So kann die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Ba- Fin) künftig beispielsweise eine Sperre der Gewinnaus- schüttungen anordnen, wenn sich eine Bank in einer Schieflage befindet. Außerdem sollen die fachlichen An- forderungen an Aufsichtsräte von Banken und Versiche- rungen erhöht werden, und zwar gestaffelt nach Komple- xität der Geschäfte. Leider wird das Gesetz seinem Anspruch, die Lehren aus der Finanzmarktkrise zu ziehen, nicht gerecht. Denn das Gesetz geht entweder nicht weit genug, greift ins Leere oder packt die zentralen Reformbedarfe nicht an. So wollen Sie die sogenannte Leverage Ratio, also das Verhältnis von Eigenkapital zur Bilanzsumme, der Mel- depflicht unterziehen. Die Aufsicht verfügt über diese Daten aber schon längst. Hier eine Meldepflicht einzufüh- ren, kann man daher getrost unter „Aktionismus“ und „politischem Blendwerk“ verbuchen. In der eingangs zitierten Rede vom September 2008 war der Finanzminister übrigens in seiner Erkenntnis schon sehr viel weiter, als es der Gesetzentwurf von heute ist: Damals betonte der Minister, es sei ihm wich- tig, dass es zu einer Stärkung der Eigenkapitalanforde- rungen und der Liquiditätsvorsorge bei den Banken komme. Wieso haben Sie diese Erkenntnis nicht in den Geset- zestext gegossen? Ich teile nämlich Ihre Einschätzung: Mit höheren Eigenkapitalpflichten können wir die Ban- ken stabiler und krisenfester machen. Hoffen Sie hier auf internationale Vorgaben? Wenn ja: Warum? Denn dass man das Thema auch national anpacken kann, zeigt uns Großbritannien: Dort sollen neue Eigenkapital- und Li- quiditätsvorschriften so konzipiert werden, dass der ris- kante Eigenhandel von Geschäftsbanken stark reduziert wird. Der vorliegende Gesetzentwurf macht hierzu lei- der überhaupt keine Aussagen. Die zentralen Reformbedarfe packen Sie also gar nicht erst an. Das ist nicht nur beim Thema Eigenkapital- unterlegung so, sondern auch bei einem Problem, dass die Fachwelt unter dem Stichwort „too big to fail“ disku- tiert. Dabei geht es darum, wie künftig zu verhindern ist, dass Banken zu groß und zu vernetzt werden, als dass man sie nicht insolvent gehen lassen kann. In diesem Zusammenhang wäre auch sehr wichtig, endlich eine Reform des Insolvenzrechts für Banken an- zupacken, um die aus den jüngsten Bankenrettungen re- sultierenden Fehlanreize einzudämmen: Da bisher Gläu- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 26053 (A) (C) (B) (D) biger wie Eigentümer der Banken gerettet wurden, werden diese auch künftig riskante Bankenstrategien fi- nanzieren. So wird die Basis für künftige Risikoexzesse an den Finanzmärkten gelegt. Wichtig wäre eine Reform des (Vor-)Insolvenzrechts für Banken, um künftig bei Schieflagen verstärkt die Gläubiger in die Finanzierung von Lösungen einbeziehen zu können. Folge wäre eine wünschenswerte stärkere Kontrolle vom Markt hinsicht- lich der durch die Bank eingegangenen Risiken. Auch hierzu macht Ihr Gesetz keine Aussagen. Überdies wurden teils sinnvolle Vorschläge des Ge- setzentwurfs im Zuge der parlamentarischen Beratungen wieder entschärft. So fällt gegenüber dem ursprüngli- chen Gesetzentwurf Nachrangkapital nicht mehr unter die Ausschüttungssperren, die die Aufsicht bei Schiefla- gen künftig verhängen kann. Damit wird im Zweifel aus- geschüttet, was eigentlich im Sinne einer Stabilisierung des Instituts einbehalten werden sollte. Abschließend noch zwei Punkte, die mir sehr wichtig sind. Spätestens die Krise um die Hypo Real Estate (HRE) hat offengelegt, dass die Schnittstelle zwischen Aufsicht und Finanzministerium nicht funktioniert. Etliche War- nungen der Aufsicht zur Schieflage der HRE wurden ab- geheftet und archiviert statt ausgewertet. Zur entschei- denden ersten HRE-Rettungsrunde ist der Staatssekretär gefahren, ohne das vorhandene Wissen des eigenen Hau- ses auch nur zur Kenntnis genommen zu haben. Alterna- tive Rettungsszenarien wurden allenfalls zu spät geprüft. Und nicht zuletzt: Nach fast zwei Jahren Finanzkrise hatte das Finanzministerium noch immer keinen Krisen- stab, der das Know-how referats- und abteilungsüber- greifend hätte zusammenführen und bündeln können. Bevor diese Defizite nicht endlich behoben werden, wer- den Reformen zu einer verbesserten Aufsicht letztend- lich ins Leere laufen. Außerdem ist die qualitative und quantitative Perso- nalausstattung der Aufsicht völlig unzureichend. Das hat erst vor ein paar Wochen sogar Herr Sanio zugegeben. Solange Sie hier nicht endlich Nägel mit Köpfen machen – sprich: die Aufsicht personell so ausstatten, wie es nö- tig ist – so lange werden die zarten Verbesserungen, die an einigen wenigen Stellen auch in diesem Gesetz durch- schimmern, zu keinen besseren Ergebnissen führen. Denn bei zusätzlichen Kompetenzen, die das Gesetz der Aufsicht zuschreibt, braucht eine Behörde auch zusätzli- ches Personal. Das weiß jede Kommunalverwaltung, die verfassungsrechtlich abgesichert penibel darauf achtet, dass jede vom Land neu übertragene Aufgabe auch geld- wert vergolten wird, damit die übertragene Aufgabe auch geleistet werden kann. Bei Ihnen kommt mir es hingegen so vor, als ob Sie der Aufsicht die Quadratur des Kreises zutrauen: Ihr bekommt mehr Kompetenz und neue Aufgaben, aber bitteschön: die Aufgabenerle- digung schafft ihr mit den bisherigen Ressourcen, die so- wieso schon zu knapp sind. Das scheint mir Ihre gefähr- liche Logik zu sein, der ich allerdings überhaupt nicht folgen kann. Die Lehren aus der Finanzmarktkrise haben Sie also noch immer nicht gezogen – weder, was die Aufsicht und die Organisation des Finanzministeriums angeht, noch, was die Zusammenarbeit zwischen beiden angeht. Das Fatale daran ist auch: nach über zwei Jahren ist die Finanzmarktkrise noch immer nicht überstanden. Ihre halbherzigen Vorschläge sind daher eine echte Gefahr für unser Land. Meine Fraktion lehnt den Gesetzentwurf daher ab. Anlage 15 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 38) – Entwurf eines Gesetzes zur Herabsetzung des Wahlalters im Bundeswahlgesetz und im Europawahlgesetz (Tagesordnungspunkt 19) Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU): Über eine Absenkung des aktiven Wahlalters bei den Wahlen zum Deutschen Bundestag haben wir in der aktuellen Wahl- periode bereits einmal debattiert. Die Grünen haben die Forderung zur Absenkung der Altersgrenze auf 16 Jahre schon in Gestalt eines Antrags eingebracht, den der Deutsche Bundestag am 4. Dezember 2008 in zweiter und dritter Beratung abgelehnt hat. Die Grünen haben dieselbe Forderung – nun ausgeweitet auf die Wahlen zum Europäischen Parlament – dann in der Gestalt des vorliegenden Gesetzentwurfs eingebracht, über den wir nun in zweiter und dritter Lesung beraten. Ich habe schon anlässlich der ersten Lesung zu diesem Gesetzent- wurf am 6. Mai 2009 die Haltung der CDU/CSU-Frak- tion erläutert und fasse sie hier noch einmal zusammen. Der Antrag der Grünen krankt daran, dass er keine überzeugenden Argumente dafür liefert, warum die Al- tersgrenze für das aktive Wahlrecht losgelöst werden soll von der zivilrechtlichen Volljährigkeit, die in Deutsch- land seit dem 1. Januar 1975 mit Vollendung des 18. Le- bensjahres eintritt. Ich sage es hier noch einmal: Die Volljährigkeit ist der entscheidende Anknüpfungspunkt dafür, dass jungen Menschen zivilrechtlich die volle Ver- antwortung für die Konsequenzen ihres Handelns zuge- mutet wird. Vor Eintritt der Volljährigkeit wird der junge Mensch vor nachteiligen Folgen seines Handelns ge- schützt, indem seine Erklärungen nur dann für ihn Wir- kung entfalten, wenn seine gesetzlichen Vertreter – in der Regel die Eltern – zustimmen. Dieses Konzept ist in sich schlüssig und wird für das Zivilrecht, also für das normale Alltagsleben, soweit ich es sehe von nieman- dem ernsthaft infrage gestellt. Auch die Grünen fordern ja in ihrem Antrag keineswegs eine andere Altersgrenze für die Volljährigkeit, sondern nur isoliert für das aktive Wahlrecht bei den Bundestags- und Europawahlen. Für die Festschreibung der Volljährigkeit mit Vollen- dung des 18. Lebensjahres gibt es gute Gründe, die letzt- lich in der fortdauernden Entwicklung und Reifung der jungen Menschen begründet sind. Diese Entwicklung ist 26054 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 (A) (C) (B) (D) – selbstverständlich – ein kontinuierlicher, lebenslanger Prozess, der nicht mit bestimmten Stichtagen endet. Des- halb ist die Festlegung jeglicher gesetzlicher Alters- grenze, ob im Zivilrecht oder aber für das Wahlrecht, eine Entscheidung, die sehr gut begründet werden muss. Für das Wahlrecht kommt hinzu, dass das Grundgesetz in Art. 38 ganz ausdrücklich vom allgemeinen Wahl- recht ausgeht. Es handelt sich beim Wahlrecht um das fundamentale Bürgerrecht in einer Demokratie, das schon aus diesem Grunde – etwa durch Vorschreibung eines Mindestalters – nur eingeschränkt werden darf, wenn absolut durchschlagende Argumente dafür vorhan- den sind. Diese Argumente sind aber vorhanden, und ich halte sie nach wie vor für richtig und für absolut durch- schlagend. Das entscheidende Argument habe ich schon ange- deutet: Rechte und Pflichten sollten auch weiterhin zu- sammengehören: Wenn ein Minderjähriger die nachteili- gen Folgen seines Handelns im Zivilrecht nicht tragen muss, begründen wir das damit, dass er geschützt wer- den muss. Der dahinter stehende Gedanke ist, dass der Jugendliche in seiner persönlichen Reife und Urteilsfä- higkeit in aller Regel noch nicht so weit entwickelt ist, dass man ihn für alle nachteiligen Konsequenzen seines Tuns verantwortlich machen sollte. Wir muten dem Minderjährigen also im Zivilrecht und damit im Alltag nicht zu, für die negativen Folgen seines Handelns einzustehen. Sie werden mir aber zu- stimmen, dass die Ausübung des Wahlrechts in einer De- mokratie sicher von größerer Bedeutung ist als ein x-be- liebiger Kaufvertrag unter Privatleuten. Schon deshalb wäre es nicht schlüssig, für das Wahlrecht eine niedri- gere Altersgrenze vorzusehen, weil sie dem Minderjähri- gen volle Verantwortung und Verantwortlichkeit für das Gemeinwesen zuordnen und zumuten würde, obwohl ihm diese Verantwortlichkeit in seinem privaten Le- bensumfeld nicht zugemutet wird. Das passt nicht zu- sammen. Die Volljährigkeit ist ferner auch die Grenze, ab der junge Männer nach dem Grundgesetz der Wehrpflicht unterliegen. Auch dies ist der besonderen Schutzbedürf- tigkeit der Minderjährigen geschuldet. Die wesentlichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten knüpfen somit gegenwärtig an der Altersgrenze von 18 Jahren an. Es wäre nicht konsequent, das aktive Wahlrecht als Teilbe- reich dieses Geflechts von Rechten und Pflichten aus diesem in sich schlüssigen System herauzulösen. Das aktive Wahlrecht und die Volljährigkeit würden dann auseinanderfallen, denn die Grünen fordern ja nicht gleichzeitig die Herabsenkung der Altersgrenze für die Volljährigkeit. Das überzeugt nicht. Belassen wir es des- halb bei dem bewährten Gleichlauf von staatsbürgerli- chen Rechten und Pflichten sowie zivilrechtlicher Ver- antwortlichkeit. Selbstverständlich verfügen schon Jugendliche über die Fähigkeit, sich über politische Zusammenhänge eine Meinung zu bilden und diese auch zu artikulieren. Das stellt doch niemand infrage. Ich begrüße es auch ganz außerordentlich, wenn sich junge Menschen für Politik interessieren und möglicherweise auch engagieren. Ich sehe auch die Politik in der Verantwortung, Jugendliche an politische Zusammenhänge heranzuführen. Bei vielen Gesprächen mit Jugendlichen habe ich aber nicht den Eindruck gewonnen, dass eine Herabsetzung des Wahl- alters bei den Bundestagswahlen zu ihren dringendsten Anliegen zählen würde. Im Gegenteil: Ich habe den Ein- druck, dass viele Jugendliche sehr wohl Verständnis für die jetzige Altersgrenze und die dafür sprechenden Gründe haben. Sehr wichtig ist es freilich, junge Menschen schritt- weise an politische Prozesse heranzuführen. Politische Bildung in der Schule, aber auch außerhalb, ist hier ohne jeden Zweifel von entscheidender Bedeutung. Viele junge Menschen nehmen diese Angebote auch wahr. Sehr viele Jugendliche nehmen im Übrigen auch in an- derer Form Verantwortung für die Allgemeinheit wahr, indem sie sich nämlich ehrenamtlich in Vereinen, Kir- chen, Jugendgruppen oder sonstiger Form engagieren. Junge Menschen sind nach einer Untersuchung des Bun- desfamilienministeriums zum Stand von 2004 erfreulich häufig in Vereinen und anderen Formen ehrenamtlich engagiert: In der Altersgruppe der 14- bis 24-Jährigen sind dies rund 36 Prozent. Weitere 43 Prozent in dieser Altersgruppe sind grundsätzlich bereit, sich ehrenamt- lich zu engagieren. Damit gehört diese Altersgruppe zu den am stärksten aktiven im Bereich des ehrenamtlichen Engagements. Diese Zahlen sprechen doch eine deutliche Sprache: Jugendliche nehmen schon heute zahlreiche bestehende Möglichkeiten zur gesellschaftlichen Teilhabe und zur Verantwortung für das Gemeinwesen wahr. Es ist des- halb eine absolut unzulässige Verkürzung der Tatsachen, wenn die Grünen in ihrem Antrag den Eindruck erwe- cken wollen, dass allein durch eine Absenkung des Wahlalters jungen Menschen eine angemessene bürger- schaftliche Teilhabe ermöglicht werden könnte. Das ist eine völlig unangebrachte Verengung des Blickwinkels, wenn es um die bürgerschaftliche Teilhabe und Verant- wortung junger Menschen geht. Ich wiederhole es noch einmal, um nicht missverstan- den zu werden: Es verdient volle Unterstützung, wenn sich junge Menschen bürgerschaftlich und auch politisch im engeren Sinne einbringen wollen. Selbstverständlich ist es wichtig und notwendig, junge Menschen schon frühzeitig über die Grundlagen und die Eckpunkte unse- rer freiheitlichen demokratischen Grundordnung und über politische Zusammenhänge zu informieren. Die Schule, die außerschulische politische Bildung, aber auch die Eltern und natürlich auch die demokratischen politischen Parteien mit ihren Nachwuchsorganisationen sind hier gefragt. Auch wir Abgeordnete sind gefordert, mit jungen Menschen das Gespräch zu suchen und ihre Anliegen ernst zu nehmen. Jugendliche nutzen die beste- henden Möglichkeiten zur bürgerschaftlichen Teilhabe und auch zur politischen Diskussion und zum politischen Engagement oft besser und in regerer Form, als es man- cher Kassandraruf glauben lassen will. Um noch auf einen letzten Gesichtspunkt einzugehen: Auch der Aspekt der Generationengerechtigkeit und der Nachhaltigkeit, den die Grünen anführen, taugt nicht, Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 26055 (A) (C) (B) (D) um eine Herabsetzung des Wahlalters zu begründen. Ich begrüße es sehr, dass das Thema der Generationenge- rechtigkeit und der Nachhaltigkeit – inzwischen wohl fraktionsübergreifend – im Fokus der politischen Auf- merksamkeit angekommen ist. Es besteht nach meinem Eindruck Konsens, dass wir die Folgen politischer Ent- scheidungen für die jungen und die nachfolgenden Ge- nerationen ganz besonders sorgfältig im Blick haben müssen. Ich begrüße es deshalb auch ganz besonders, dass die Bundesregierung mit Wirkung zum 1. Juni 2009 die Nachhaltigkeitsprüfung als zwingenden Bestandteil jeder Gesetzesfolgenabschätzung bei Gesetzesvorhaben der Bundesregierung aufgenommen hat. Die Bundesre- gierung hat damit nicht zuletzt eine Forderung des Parla- mentarischen Beirats des Deutschen Bundestages für nachhaltige Entwicklung umgesetzt. Dies ist eine pas- sende und richtige Antwort auf die Herausforderungen, die sich durch die Generationengerechtigkeit stellen. Mit solchen Schritten sollten wir die Verantwortung der heu- tigen politischen Entscheidungsträger für die jungen und kommenden Generationen weiter stärken. Dagegen halte ich es für nicht zielführend, eine bessere Generationen- gerechtigkeit durch eine Absenkung der Altersgrenze für die Bundestagswahlen erreichen zu wollen, wie es die Grünen möchten. Ich bin davon überzeugt, dass Eltern bei ihrer Wahlentscheidung auch die Interessen und An- liegen ihrer Kinder mitberücksichtigen. Das ist ganz selbstverständlich. Vor diesem Hintergrund gibt es kei- nen Anlass, zu befürchten, dass die Anliegen der jungen Menschen nicht hinreichend bei den Wahlen zum Tragen kämen. Andererseits – das möchte ich bei dieser Gele- genheit ebenfalls sagen – wäre es aber auch nicht über- zeugend, den Eltern ein zusätzliches Stimmrecht gleich- sam in Treuhänderschaft für ihr Kind zu verleihen, denn es sollte beim Grundsatz der Höchstpersönlichkeit der Wahl bleiben, welcher besagt, dass letztlich jeder Wahl- berechtigte nur für sich selbst wählen kann. Der Gleichlauf von aktivem und passivem Wahlrecht bei den Wahlen zum Deutschen Bundestag mit der zivil- rechtlichen Volljährigkeit sowie mit den maßgeblichen staatsbürgerlichen Pflichten – insbesondere der Wehr- pflicht – hat sich hervorragend bewährt. Für diesen Gleichlauf sprechen bei weitem bessere Argumente als für die Herabsetzung des aktiven Wahlalters auf 16 Jahre. Lassen Sie uns dieses bewährte, in sich stim- mige Modell nicht ohne Not über Bord werfen. Klaus Uwe Benneter (SPD): Ich prophezeie Ihnen: Sie werden mit Ihren Gesetzentwürfen keinen Erfolg ha- ben, auch nicht in der letzten Bundestagssitzungswoche Donnerstagnacht. Natürlich sind wir Sozialdemokraten für Ihre Ideen erst einmal offen. „Demokratie stärken“ klingt gut. Wir wollen auch mehr Demokratie in unserer Gesellschaft, in der Arbeitswelt oder in den Universitäten. Deshalb set- zen wir uns für die Stärkung von Volksbegehren und Volksentscheiden auf Bundesebene ein, und wir wollen, dass Staatsangehörige aus Staaten, die nicht aus der Eu- ropäischen Union kommen, endlich auf kommunaler Ebene wählen dürfen; und in möglichst vielen Gemein- den auch 16-Jährige. Die Erfahrungen damit müssen wir uns genau anschauen. Über diese Ideen würde ich heute gern reden. Und über die CDU/CSU, die alle diese guten und wichtigen Initiativen blockiert, weil sie den Men- schen nicht traut. Demokratie stärken, ja, aber Symbolpolitik nein. Die Bündnisgrünen wollen mit ihrem Gesetzentwurf Jugend- lichen ab 16 Jahren das Wahlrecht für den Bundestag ge- ben. Ich bin da anderer Meinung. Die Argumente sind wirklich ausgetauscht. Ich habe immer gesagt, dass ich mich einer Diskussion nicht verschließen will. Aber be- vor wir das Grundgesetz ändern, müssen wir wirklich gute Gründe und noch bessere Argumente haben. Das, was hier in dem Antrag vorgetragen wird, überzeugt mich immer noch nicht. Die Kollegen der Bündnisgrünen begründen das Wahlrecht ab 16 Jahren damit, dass Jugendliche auch mit diesem Alter schon genug einsichtsfähig sind. Natür- lich sind sie das. Aber 14-Jährige doch auch! Warum ge- ben Sie dann nicht 14-Jährigen das Wahlrecht? 16 Jahre sind doch ganz beliebig. Ich erlebe in meinem Wahlkreis immer wieder Jugendliche, die ihre eigene politische Meinung haben und sie engagiert vertreten, viel mehr als mancher Erwachsener. Sie sind in Schülervertretun- gen, in Bürgerinitiativen, Jugendparlamenten oder bei Amnesty International aktiv. Von diesen Jugendlichen ist aber noch niemand an mich herangetreten und hat das Wahlrecht ab 16 oder 14 Jahren oder sogar von Geburt an gefordert. Offenbar leuchtet ihnen ein, dass ein Wahl- recht ab Volljährigkeit ein möglicher und gut vertretba- rer Anknüpfungspunkt ist. Die Volljährigkeit ist der Zeitpunkt, an dem ein Ju- gendlicher keine gesetzlichen Vertreter mehr hat und für seine Handlungen voll in Haftung genommen werden kann. Für jede CD, die sich ein Jugendlicher bis dahin gekauft hat, brauchte er die Genehmigung der Eltern. Auch beim Wehrdienst knüpft unsere Rechtsordnung an das Alter von 18 Jahren an. Es wäre auch ein unhaltbarer Zustand, wenn wir von jungen Frauen und Männern ver- langen, ihr Leben einzusetzen, sie aber nicht wählen las- sen. Mit 18 Jahren kann ein Jugendlicher zum ersten Mal nach Erwachsenenstrafrecht bestraft werden. Er kann seinen Führerschein machen oder ihm wird erlaubt, 40 Stunden die Woche zu arbeiten. Und was für die Ju- gendlichen sicher ganz wichtig ist: Sie dürfen endlich solange ausgehen, wie sie wollen. Es gibt also eine ganze Reihe von Bereichen, in denen wir es für sinnvoll halten, 18 Jahre als das Alter zu bestimmen, zu dem Ju- gendliche rechtlich ihre volle Freiheit und Eigenverant- wortung gewinnen. Ich weiß, zwingend ist das Wahlalter ab 18 nicht. 1970 wurde es unter der sozialliberalen Koalition von Willy Brandt von der Volljährigkeit abgekoppelt. Von nun an konnten auch 18-Jährige wählen, obwohl die Volljährigkeit noch bei 21 Jahren lag. Fünf Jahre später wurde auch die Volljährigkeit auf 18 Jahre gesenkt. Den- noch bleibe ich dabei: Mit 16 zu wählen, aber keine Ver- träge allein verbindlich unterschreiben zu können, das ist paradox. Das passt nicht zusammen. 26056 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 (A) (C) (B) (D) Auch das zitierte Gesetz über die religiöse Kinderer- ziehung ist doch kein Argument für das Wahlrecht ab 16. Im Gegenteil: Dann müsste das Wahlalter auf 14 gesenkt werden. Denn nach diesem Gesetz dürfen Kinder mit 14 Jahren umfassend über ihre Religionsausübung ent- scheiden. Ja, warum eigentlich nicht schon mit 14 wäh- len? Die 79. Vollversammlung des Deutschen Bundesju- gendringes hat das so beschlossen. Die Bündnisgrünen möchten mit ihrem Antrag mehr Generationengerechtigkeit herstellen. Die Logik lautet da: Weil die Jugendlichen immer weniger und die Men- schen immer älter werden, bekommen die Jugendlichen mit dem Wahlrecht ab 16 eine stärkere Stimme gegen- über den Älteren. Liebe Bündnisgrüne, wollen Sie damit sagen, dass sich 50- oder 60-Jährige nicht für ein gerech- tes Bildungssystem, Jugendarbeitslosigkeit oder Stu- diengebühren interessieren, bloß weil sie selbst davon nicht mehr betroffen sind? Sagen Sie das bloß nicht zu laut! Da werden Ihnen eine Menge Senioren entschieden widersprechen, nicht nur die, die Enkel haben. Und das zu Recht. Das ist nicht logisch. Das ist eine wirklich ge- wagte Unterstellung. Mit diesem Argument kommen Sie nicht weiter. Ich fasse zusammen: Unsere Rechtsordnung knüpft mit guten Gründen das Wahlrecht an die Volljährigkeit und damit das Wahlalter 18 an. Die derzeitige Regelung in Art. 38 Grundgesetz stärkt das Bewusstsein, dass das Wahlrecht nichts Beliebiges ist, sondern die Basis der demokratischen Willensbildung. Dieses Recht ist von großer Tragweite für unser Gemeinwesen, muss etwas Besonderes bleiben und nicht irgendwelchem Zeitgeist unterstellt werden. Gisela Piltz (FDP): Zum vierten Mal binnen eines Jahres debattieren wir heute eine Initiative der Grünen zur Herabsetzung des Wahlalters von 18 auf 16 Jahre. Hinsichtlich des Grundanliegens des Antrages, politi- sche Partizipation zu fördern und Jugendliche an politi- sche Prozesse heranzuführen, haben wir Liberalen stets die Position der Grünen geteilt. Nicht geteilt wird von uns der durch die Grünen aufgezeigte Weg zur Errei- chung dieses Zieles. Mitzubestimmen ohne mitzuverant- worten ist und bleibt nach unserer Überzeugung genauso falsch wie Wählen allein um des Wählens willen. Die gesamte deutsche Rechtsordnung knüpft – mit ei- nigen wenigen Ausnahmen – die Gesamtheit aller Rechte und Pflichten an die Erreichung der Volljährig- keit. Die Volljährigkeit ist der Dreh- und Angelpunkt für Rechte und Pflichten des Einzelnen. Sie markiert den Zeitpunkt, zu dem ein junger Mensch vollständig für sich Verantwortung übernimmt und zu übernehmen hat. Insbesondere verfolgt auch das deutsche Strafrecht diese differenzierende Betrachtungsweise. Auch hier en- det der mögliche persönliche Anwendungsbereich des Ju- gendgerichtsgesetzes aus guten Gründen erst mit Errei- chen des 18., in manchen Fällen sogar erst mit Erreichen des 21. Lebensjahres. Kein Mensch würde hier auf die Idee kommen, bei jugendlichen Straftätern unter 18 Le- bensjahren ohne Wenn und Aber das Erwachsenenstraf- recht anzuwenden. Denn auch im Strafrecht ist der zen- trale Begriff der der Verantwortlichkeit. Natürlich müssen wir feststellen, dass ein großer Teil der jungen Leute heutzutage politisch reifer und gebilde- ter ist, als es noch vor Jahren oder Jahrzehnten der Fall war. Und selbstverständlich setzt mit dieser Fortentwick- lung eines großen Teils der Jugendlichen auch der politi- sche Denkprozess viel früher ein. Wenn Sie sich mit Ju- gendlichen unterhalten, werden Sie jedoch feststellen, dass nicht wenige gerade wegen ihres gewachsenen poli- tischen Verständnisses der Etablierung eines Wahlrechts im Teenageralter skeptisch gegenüberstehen. Die jungen Leute erkennen, dass Wahlen nicht nur Ausdruck per- sönlicher politischer Verantwortung sind, sondern dane- ben und vor allem auch Verantwortung für die Allge- meinheit. Gewähren wir den jungen Leuten doch die Möglichkeit, sich in Ruhe und ohne Druck eine politi- sche Meinung zu bilden. Denn auch wenn der Entwick- lungsstand der Jugendlichen heute höher ist als früher; die Gefahr, dass nicht wenige Teenager sich von ge- schickten Rednern schnell beeindrucken und schnell be- einflussen lassen, ist nicht gänzlich von der Hand zu weisen. Ein verfrühtes Wahlrecht, das im Zweifel dann als Wahlpflicht empfunden werden könnte, ist vor diesem Hintergrund nicht der Königsweg. „Wer Wahlen als Auf- putschmittel für Jugendliche betrachtet, verwechselt sie mit Coca Cola“, so hat es Herr Professor Dr. Gerd Roellecke nicht ganz unzutreffend in seinem Aufsatz (NJW 1996, 2773) auf den Punkt gebracht. Es müssen andere Wege gefunden werden, um Jugendliche an poli- tische Prozesse heranzuführen und für Politik zu begeis- tern. Die FDP-Bundestagsfraktion setzt sich daher seit langem für die Etablierung von Jugendparlamenten in Schulen oder Gemeinden ein. Auch die verstärkte Förde- rung politischer Bildung ist nach unserer Einschätzung ein wichtiger und unverzichtbarer Schritt hin zu mehr Eigenverantwortung und weg von der allgemein zu be- obachtenden Politikverdrossenheit. Denn das ist nach unserer Überzeugung der eigentliche Missstand und das eigentliche Problem, das wir vordringlich anpacken müssen. Die FDP-Bundestagsfraktion ist davon überzeugt, dass Politik nur unter Einbeziehung von Kindern und Ju- gendlichen zukunftsfähig gestaltet werden kann. Insofern ist die Ausweitung von Partizipationsmöglichkeiten auch auf Jugendliche grundsätzlich ein richtiger Schritt. Allein ein Stimmzettel vermag es indes nicht, der Stimme der nachfolgenden Generationen den nötigen Ton zu verlei- hen. Diana Golze (DIE LINKE): Die Debatte um die Ab- senkung des Wahlalters auf 16 Jahre in der letzten Sit- zungswoche und in der Nacht zum letzten Sitzungstag zu führen, steht sinnbildlich für die Scheinheiligkeit der Kinder- und Jugendpolitik der Bundesregierung in den vergangenen vier Jahren. Die Kolleginnen und Kollegen der Koalitionsfraktionen waren sich in der ersten De- batte zu diesem Antrag im Mai dann auch nicht zu schade, mit pauschalen und wiedergekäuten Textbaustei- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 26057 (A) (C) (B) (D) nen auf den Bestand des Wahlalters ab 18 zu pochen. Wahlweise beruft man sich auf die volle Strafmündig- keit, auf die Erreichung der vollen Geschäftsfähigkeit und am Ende gar auf die Wehrpflicht. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD und der CDU/CSU-Fraktion, dann bleiben Sie doch bitte konsequent in Ihrer Rechtsauslegung. Ein 18-jähriger Mensch kann zum Wehrdienst herangezogen werden. Er kann nach Erwachsenenstrafrecht verurteilt werden, weil er mit 18 – um Herrn Mayer von der CDU/CSU-Fraktion zu zitieren – „die erforderliche persönliche Reife“ hat. Der gleiche Mensch ist nach Ihrer Logik aber nicht er- wachsen genug, um den vollen ALG-II-Regelsatz zu be- kommen. Obwohl er eigenständig ein Fahrrad kaufen kann, darf er nicht ohne Amt einen Mietvertrag unter- zeichnen. Es liegt auch in der nächsten Legislaturperiode in Ihrer Hand, die unsäglichen, entmündigenden Rege- lungen für unter 25-jährige ALG-II-Empfängerinnen und -empfänger zurückzunehmen. Doch das ist nicht das einzige Armutszeugnis, das Sie sich mit Ihren Begründungen gegen diesen Antrag lie- fern. Durchgängig haben Sie die Arbeit von Vereinen, Verbänden und Initiativen gelobt und als beste Möglich- keit für Kinder und Jugendliche, sich an Demokratie und an Gesellschaft zu beteiligen, bezeichnet. Sie hätten mit Ihrer Politik diesen Bereich stärken können. Stattdessen haben Sie aber genau da wieder und wieder den Rotstift angesetzt. Politische Bildung, Vermittlung von Demo- kratieverständnis gibt es aber nicht zum Nulltarif. Wer die Mitbestimmungsrechte stärken will, muss die Ju- gendhilfelandschaft in der Bundesrepublik stärken. In den vergangenen Jahren hat die Politik aber genau das Gegenteil getan. Die CDU/CSU-Fraktion spricht von einem Schaufensterantrag der Grünen und antwortet mit platten Wahlkampfthesen, die keinem Realitätstest standhalten würden. Das Wahlrecht ist ein wichtiges Mitbestimmungsrecht – in einer parlamentarischen Demokratie, wie wir sie ha- ben, sogar ein zentrales. Genau an dieser Stelle aber wird es scheinheilig. Denn wenigstens in einem bleibt Schwarz-Rot konsequent: bei der Verhinderung jeder Form von Ausweitung der Rechte von Kindern und Ju- gendlichen. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU und leider auch von der SPD, ich war sehr er- freut, bei Ihrem Debattenbeitrag zu vernehmen, dass Ih- nen die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen sehr am Herzen liegt und Sie im Wahlkreis und vor Ihren Be- suchergruppen auch oft und gern darüber diskutieren. Meine Bitte an Sie ist: Diskutieren Sie es bitte endlich auch in den Fachausschüssen und im Plenum. Mit uns! Denn Beteiligungsrechte sind Kinderrechte. Über Kin- derrechte wollten Sie aber zum wiederholten Male am vergangenen Mittwoch im Familienausschuss noch nicht einmal debattieren. Mein Resümee für vier Jahre Große Koalition heißt daher: Kinder- und Jugendpolitik und insbesondere die Stärkung von Kinder- und Jugendbeteiligung hat in vier Jahren Große Koalition quasi nicht stattgefunden. Grundgesetzänderungen im Sinne von Kindern und Ju- gendlichen, die zur Stärkung und Einklagbarkeit ihrer Rechte führen, finden in diesem Hause auch im Jahr 2009 keine Mehrheit. Grundgesetzänderungen wie die Verankerung einer Schuldenbremse, die Investitionen in Bildung und Forschung – in Zukunft – verhindern und sich damit gegen die Interessen der kommenden Genera- tionen stellen, werden ohne große Nachfragen mit gro- ßer Mehrheit durchgewunken. Ob dies die Kolleginnen und Kollegen auch erzählen, wenn Sie mit Menschen im Wahlkreis sprechen oder mit den Jugendlichen, die den Bundestag besuchen, bleibt für mich fraglich. In Ihren Beiträgen in der Debatte um eine Absenkung des Wahlalters haben Sie es jedenfalls geflissentlich unter den Tisch fallen lassen. Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Genera- tionengerechtigkeit ist für die Große Koalition ein Fremd- wort. Anstatt in die Köpfe junger Menschen und damit in die Zukunft zu investieren, werden auf den Schrottplätzen mehrere Milliarden Euro mit der Abwrackprämie ver- senkt. Dies ist nur ein eklatantes Beispiel für die Kurz- sichtigkeit aktueller politischer Beschlüsse, die zu einer nie dagewesenen Rekordneuverschuldung führen. Ein Grund für solche Entscheidungen, die besonders zulasten der Jüngeren gehen, liegt darin, dass junge Menschen bei Bundestagswahlen kein Stimmrecht ha- ben. Damit sich dieser Zustand im Zuge der demografi- schen Alterung der Gesellschaft nicht noch weiter ver- schärft, wollen wir das aktive Wahlalter bei Bundestags- und Europawahlen auf 16 Jahre absenken. Junge Menschen sollen Demokratie aktiv erleben und auch per Wahlentscheidung mitgestalten können. Ju- gendliche sind die Generation mit der höchsten Bereit- schaft zu bürgerschaftlichem Engagement. Ihnen darf das Wahlrecht als zentrale Mitbestimmungsmöglichkeit nicht länger verweigert werden. Für unsere Forderung sprechen erst recht die Erkennt- nisse der Jugend- und Entwicklungsforschung: 16- und 17-Jährige besitzen die Urteilsfähigkeit und notwendige Reife, um verantwortungsvolle Wahlentscheidungen zu treffen – und deshalb brauchen sie ein aktives Wahl- recht! Gerade die SPD kann heute zeigen, ob ihr Vorsitzen- der Müntefering bei der Frage der Wahlaltersenkung nur Wahlkampf betrieben hat, als er sich unserer Forderung anschloss. Im „SPD-Regierungsprogramm“ für die nächste Legislaturperiode findet sich zum Wahlalter zu- mindest kein Wort. Deshalb werden wir Sie, aber auch die FDP, nicht an Ihren Worten messen, sondern an Ih- rem Abstimmungsverhalten. Die Absenkung des Wahlalters darf kein vorgescho- benes und folgenloses Gedankenspiel sein; denn das Wahlrecht ist die zentrale Form der Meinungsäußerung in unserer Demokratie. Mit unseren beiden Gesetzent- würfen zur Änderung des Grundgesetzes und des Bun- deswahlgesetzes legen wir einen konkreten und rechtlich zulässigen Vorschlag für eine Wahlalterabsenkung und damit für eine Stärkung unserer Demokratie vor. Alle Kolleginnen und Kollegen, die es mit der Forderung 26058 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 (A) (C) (B) (D) nach mehr Generationengerechtigkeit und mehr demo- kratischer Beteiligung ernst meinen, lade ich herzlich ein, unseren Gesetzentwürfen zuzustimmen. Rechtliche Argumente gegen unseren Vorschlag sind nicht stichhaltig: Es ist nicht zwingend, das Wahlalter an die Volljährigkeit zu koppeln. In Deutschland wich das Wahlalter bereits mehrere Jahre von der Volljährigkeit ab, als es von 21 auf 18 Jahre gesenkt wurde. In vielen Bundesländern hat sich das Kommunalwahlrecht ab 16 Jahren bewährt. Wir sind überzeugt: was kommunal klappt, funktioniert auch auf Landes-, Bundes-und Euro- paebene. Wir wollen in der gesamten Gesellschaft mehr und frü- her Demokratie wagen. Die Wahlaltersenkung darf des- halb nicht isoliert diskutiert werden, sondern wird von uns als zentraler Baustein einer neuen Beteiligungskultur und umfassenden Demokratieförderung betrachtet. Durch die regelhafte Beteiligung der jungen Menschen in allen Kindertagesstätten, Bildungs- und Jugendeinrich- tungen müssen demokratische Spielregeln früh erlernt werden. Es ist geht deshalb absolut an der Sache vorbei, unseren Vorschlag alternativ zu anderen Partizipations- formen zu diskutieren. Besonders wichtig ist uns eine systematische Verstär- kung der politischen Bildung, für die die Senkung des Wahlalters eine wichtige Initialzündung sein könnte: Nach unserem Vorschlag soll die Wahlaltersenkung erst nach der im September stattfindenden Bundestagswahl in Kraft treten. In den Jahren bis zur folgenden Bundestagswahl könnten die Träger der Bildungsarbeit ihre wertvolle Ar- beit ausbauen, Konzepte gerade für politik- und bil- dungsferne Jugendliche entwickeln und die Jugendli- chen an politische Entscheidungsprozesse heranführen. Die so eingebettete Wahlalterabsenkung könnte un- sere demokratische Kultur insgesamt beleben und die Kenntnis über unser politisches System verbreitern. Diese Steigerung von Wissen und Transparenz beugt Po- litikverdrossenheit vor und macht Mut, sich selbst stär- ker in Entscheidungen einzubringen. Wir sollten den Jugendlichen heute die Möglichkeit geben, sich als selbstbewusste Bürgerinnen und Bürger an der demokratischen Gestaltung unserer Gesellschaft zu beteiligen – es geht dabei schließlich um ihre eigene Zukunft. Anlage 16 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts (Ta- gesordnungspunkt 20) Ute Granold (CDU/CSU): Wir stimmen heute über den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts ab. Das deutsche Erb- recht hat sich insgesamt bewährt und ist bei den Men- schen allgemein anerkannt. Deshalb gibt es für eine große und umfassende Reform keinen Bedarf. Wir be- schränken uns auf punktuelle Änderungen. Damit wollen wir das Erb- und Pflichtteilsrecht dem Wandel der gesell- schaftlichen Wertvorstellungen und der größeren Vielfalt der Lebensentwürfe anpassen. Die wesentlichen Ände- rungen betreffen die Modernisierung der Pflichtteilsent- ziehung und eine maßvolle Erweiterung der Stundungs- gründe. Neu ist zudem eine gleitende Ausschlussfrist für den Pflichtteilsergänzungsanspruch – die sogenannte Pro-Rata-Lösung. Darüber hinaus erfolgen eine bessere Honorierung von Pflegeleistungen sowie die Anpassung der erb- und familienrechtlichen Verjährungsvorschriften an die Regelverjährung. Im Folgenden möchte ich die einzelnen Änderungen kurz erläutern: In der Öffentlichkeit ist die Neuregelung der Pflichtteilsentziehungsgründe auf großes Interesse gestoßen. Die Testierfreiheit gibt dem Erblasser das Recht, durch Verfügung von Todes wegen selbst über sei- nen Nachlass zu bestimmen und zu sagen, wer was nach seinem Tod erhalten soll. Der verfassungsrechtlich ga- rantierte Pflichtteil setzt jedoch der Testierfreiheit Gren- zen. Ausgehend von dieser verfassungsrechtlichen Vor- gabe regelt das Gesetz – und hieran wird sich auch nach der Reform nichts ändern –, dass dem Pflichtteilsberech- tigten grundsätzlich die Hälfte seines gesetzlichen Erb- teils – der sogenannte Pflichtteil – verbleiben muss. Nur in ganz wenigen Situationen kann ihm auch dieser Pflicht- teil entzogen werden. Die Gründe für eine Entziehung werden mit der Reform nunmehr modifiziert, um die Testierfreiheit im Rahmen der verfassungsrechtlichen Vorgaben zu stärken. Die Entziehungsgründe sollen glei- chermaßen für Abkömmlinge, Eltern, Ehegatten sowie Lebenspartner gelten. Künftig sind also alle Personen ge- schützt, die dem Erblasser nahestehen, sodass eine Ent- ziehung möglich sein wird, wenn der Pflichtteilsberech- tigte einer dem Erblasser nahestehenden Personen nach dem Leben trachtet oder sie körperlich schwer misshan- delt. Darüber hinaus entfällt der Entziehungsgrund des „ehrlosen und unsittlichen Lebenswandels“. Stattdessen ist eine Entziehung grundsätzlich möglich bei rechtskräftiger Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens ei- nem Jahr ohne Bewährung. Die vom Bundesrat favori- sierte Lösung, dass bereits eine zur Bewährung ausge- setzte Freiheitsstrafe zur Entziehung berechtigen soll, haben wir uns bewusst nicht zu eigen gemacht. Die Schwelle wäre in diesem Fall zu niedrig; denn grund- sätzlich muss gelten, dass eine Entziehung nur in Aus- nahmefällen gerechtfertigt ist, wenn in der Straftat ein schwerwiegender Verstoß gegen die Familiensolidarität zum Ausdruck kommt. Von großer Bedeutung für die Praxis dürfte die Moder- nisierung der Stundungsgründe sein. Sie waren bisher sehr eng ausgestaltet und nur den Pflichtteilsberechtigten, also insbesondere den Abkömmlingen und Ehegatten, eröffnet. Dies war unzureichend. Besteht beispielsweise das Vermögen des Erblassers im Wesentlichen aus einem Eigenheim, müssen die Erben dieses oft verkaufen, um so den Pflichtteil auszahlen zu können. Künftig soll da- her die Stundung unter erleichterten Voraussetzungen und für jeden Erben möglich bzw. durchsetzbar sein. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 26059 (A) (C) (B) (D) Eine weitere zentrale Verbesserung stellt die sogenannte Pro-Rata-Lösung beim Pflichtteilsergänzungsanspruch dar. Der Pflichtteilsergänzungsanspruch soll den Berechtigten vor einer Aushöhlung seines Pflichtteils durch Schenkun- gen schon zu Lebzeiten durch den Erblasser schützen. Verringert der Erblasser sein Vermögen durch Schenkun- gen, kann der Pflichtteilsberechtigte vom Erben eine ent- sprechende Ergänzung seines Pflichtteils verlangen. Nach geltendem Recht bleibt die Schenkung unberücksichtigt, wenn zur Zeit des Erbfalls die Schenkung mindestens zehn Jahre zurückliegt. Stirbt der Erblasser jedoch früher, wird die Schenkung bei der Pflichtteilsberechnung voll berücksichtigt. Diese Alles-oder-Nichts-Lösung ist aus Sicht der übrigen Erben oder des in einem Vermächtnis Begünstigten ungerecht. Wir haben uns jetzt für eine dif- ferenziertere und damit gerechtere Regelung entschieden – die sogenannte Pro-Rata-Lösung. Demnach findet die Schenkung künftig für die Pflichtteilsberechnung gradu- ell immer weniger Berücksichtigung, das heißt, sie wird im ersten Jahr nach der Schenkung voll, im zweiten Jahr zu neun Zehnteln, im dritten Jahr zu acht Zehnteln usw. berücksichtigt. Liegt eine Schenkung mehr als zehn Jahre zurück, wird sie wie bisher gar nicht mehr berücksichtigt. Diese Neuregelung ist sowohl bei den Betroffenen als auch bei den Praktikern auf große Zustimmung gestoßen. Keine Änderung wird es hingegen bei der Anrech- nung von lebzeitigen Zuwendungen auf das spätere Erbe geben. Das Gesetz enthält diesbezüglich eine gesetzliche Vermutung, ob und welche Zuwendungen des Erblassers an einen Abkömmling im Erbfall im Verhältnis zu den anderen Abkömmlingen auszugleichen sind. Demnach ist eine Zuwendung grundsätzlich nicht auszugleichen, es sei denn, dass der Erblasser bei der Zuwendung die Ausgleichung angeordnet hat. Will der Erblasser von den gesetzlichen Vermutungen abweichen, muss er dies also spätestens bei der Zuwendung erklären. Nachträg- lich kann der Erblasser keine Anordnung mehr über die Ausgleichung oder deren Ausschluss treffen. Der Regierungsentwurf sah auch hier eine Änderung vor. Demnach sollte der Erblasser die Möglichkeit erhalten, auch nachträglich die Ausgleichung anzuordnen oder auszuschließen. In den Beratungen waren wir uns jedoch einig, dass dem Empfänger nicht zugemutet werden darf, nach der Zuwendung möglicherweise über Jahrzehnte damit rechnen zu müssen, dass eine Anrechnung nach- träglich angeordnet wird – und zwar unter Umständen sogar ohne sein Wissen. In diesem Zusammenhang muss man auch bedenken, dass er bei Kenntnis der Anrechnung eine Schenkung möglicherweise von vornherein nicht an- genommen hätte. Im Interesse der Zuwendungsempfänger und der Rechtssicherheit haben wir daher vereinbart, das geltende Recht in diesem Punkt nicht zu ändern. Dem- nach erfolgt eine Anrechnung weiterhin nur, wenn der Erblasser diese bei der Schenkung ausdrücklich anord- net. Spätere Anordnungen sollen grundsätzlich nicht möglich sein. Aus Sicht der CDU/CSU-Bundestagsfraktion besteht ein wichtiges Anliegen der Reform in der besseren Ho- norierung von Pflegeleistungen. Soweit der Erblasser den Pflegenden nicht in einem Testament oder Erbver- trag gesondert bedacht hat, bleibt der materielle Wert der Pflege in der Regel unberücksichtigt. Das geltende Recht sieht eine Ausgleichung der Pflegeleistung des Abkömmlings nämlich nur vor, wenn durch die Pflege auf ein berufliches Einkommen verzichtet wird. Statt wie bisher nur der Abkömmling sollte nach dem Regie- rungsentwurf künftig jeder gesetzliche Erbe einen Aus- gleich für Pflegeleistungen erhalten, und zwar unabhän- gig davon, ob er für die Erbringung auf ein eigenes Einkommen verzichtet hat. Die Höhe des Ausgleichs soll sich dabei nach dem zur Zeit des Erbfalls geltenden Pflegesatz richten. Nach Auffassung nahezu aller Sachverständigen in der öffentlichen Anhörung im Rechtsausschuss wäre es vorzugswürdig gewesen, Pflegeleistungen durch ein dis- positives, das heißt entziehbares gesetzliches Vermächt- nis zu berücksichtigen. Die Union hat sich diesen guten und praktikablen Vorschlag in den weiteren Beratungen ausdrücklich zu eigen gemacht. Die Vorteile einer solchen Regelung liegen auf der Hand: Ein gesetzliches Ver- mächtnis würde den Kreis der Berechtigten über die Er- ben hinaus auch auf Lebensgefährten und Schwiegerkin- der sowie Eltern und Geschwister erweitern. Dies entspräche eher dem Grundgedanken, dass Pflegeleis- tungen durch nahestehende Menschen zumindest im Erbfall honoriert und durch das Erbrecht berücksichtigt werden sollten. Leider gab es in diesem Punkt Bedenken bei unserem Koalitionspartner. Eine Erweiterung des Kreises der An- spruchsberechtigten, wie im Regierungsentwurf vorge- sehen, aber auch die von uns bevorzugte Lösung über ein gesetzliches Vermächtnis hätte nach Auffassung der Kolleginnen und Kollegen zu einer Reihe von Folge- problemen und Abgrenzungsfragen geführt. Die Koalition hat sich daher darauf verständigt, weder das im Regierungsentwurf vorgesehene gesetzliche Erb- recht noch das von der Union präferierte gesetzliche Ver- mächtnis umzusetzen. Stattdessen haben wir uns am Ende auf eine „kleine Lösung“ verständigt: Die bisherige Rechtslage, nach der Pflegeleistungen nur im Rahmen einer Ausgleichung unter Abkömmlingen berücksichtigt werden können, soll zunächst grundsätzlich beibehalten werden. Um aber künftig eine Benachteiligung jener Ab- kömmlinge, die zusätzlich zu ihrer beruflichen Tätigkeit die Pflege übernehmen oder gar nicht berufstätig sind, auszuschließen, haben wir uns darauf verständigt, die Tatbestandsvoraussetzung „unter Verzicht auf berufliches Einkommen“ in § 2057 a BGB zu streichen. Damit erhal- ten dann alle pflegenden Abkömmlinge einen erbrechtli- chen Ausgleich – und zwar unabhängig davon, ob sie auf eigenes Einkommen verzichten. Aus Sicht der Union ist diese den Bedenken unseres Koalitionspartners geschuldete Lösung nicht optimal. Mit einem gesetzlichen Vermächtnis hätte der Kreis der Berechtigten über Abkömmlinge und Erben hinaus er- weitert und somit die häusliche Pflege in gerechter Weise gewürdigt und gestärkt werden können. Als Union haben wir jedoch trotz unserer Bedenken zugestimmt, um die gravierendste Ungerechtigkeit im bestehenden System – nämlich die Beschränkung auf berufstätige Abkömm- linge, die auf Einkommen verzichten – zu beseitigen. Wir 26060 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 (A) (C) (B) (D) behalten uns aber ausdrücklich vor, diesen Punkt zu einem späteren Zeitpunkt nachzubessern. Es ist uns leider nicht gelungen, eine wichtige Verbes- serung zugunsten ehrenamtlicher Betreuer in das Gesetz aufzunehmen. Auf wiederholte Anregung des Bundesra- tes hin hatten wir uns zumindest im Kreise der Rechtspoli- tiker darauf verständigt, die Aufwandsentschädigung für ehrenamtliche Betreuer künftig steuerfrei zu stellen. Da- mit wollten wir die ehrenamtliche Betreuung stärken. Dies entspricht dem ausdrücklichen Ziel, das wir damals mit dem Zweiten Betreuungsrechtsänderungsgesetz ver- folgt haben. Wir würden somit einen wichtigen Beitrag zur Stärkung des ehrenamtlichen Engagements leisten. Darüber hinaus hätten wir die Landesjustizhaushalte we- gen der damit verbundenen Einsparungen bei der Vergü- tung von Berufsbetreuern nachhaltig entlastet. Leider gab es jedoch wegen der gegenwärtigen Haushaltskrise in der Koalition keine Mehrheit für eine solche steuerliche Privi- legierung. Dies bedauere ich ausdrücklich. Abschließend bleibt also festzuhalten: Wir verfügen über ein gutes und in der Praxis sehr bewährtes Erbrecht, das wir jetzt punktuell und damit zeitgemäß ändern. Die Union hält an ihrem Ziel fest, Pflegeleistungen künftig noch besser zu honorieren und ehrenamtliches Engagement – auch im Steuerrecht – weiter zu stärken. Dieses Ziel werden wir in der nächsten Legislaturperiode weiter ver- folgen. Dirk Manzewski (SPD): Wir debattieren hier heute zur späten Stunde über den Gesetzentwurf der Bundesre- gierung zur Reform des Erb- und Verjährungsrechts. Um eines gleich vorwegzunehmen: Ich halte den Gesetzent- wurf, zumindest so, wie wir ihn heute hier verabschieden werden, für gelungen. Lassen Sie mich zunächst kurz auf die wesentlichen Neuerungen durch den Gesetzentwurf eingehen. Beim Pflichtteilsanspruch soll der Entziehungsgrund des „ehrlosen und unsittlichen Lebenswandels“ entfal- len. Künftig soll dagegen die Verurteilung zu einer Frei- heitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung zur Entziehung des Pflichtteils berechtigen, wenn es dem Erblasser unzumutbar ist, dem Verurteilten seinen Pflichtteil zu belassen. Bei der Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs soll die Stundungsregelung zukünftig unter erleichterten Voraussetzungen und für jeden Erben durchsetzbar sein. Eine Schenkung soll bei Berechnung des Pflichtteils künftig graduell immer weniger Berücksichtigung fin- den, je länger sie zurückliegt: Eine Schenkung im ersten Jahr vor dem Erbfall wird demnach voll in die Berech- nung des Nachlasses einbezogen, im zweiten Jahr jedoch nur noch zu neun Zehntel usw. berücksichtigt. Die Verjährung für familien- und erbrechtliche An- sprüche soll in das bestehende System der Regelverjäh- rung integriert werden. Das Wahlrecht für pflichtteilsberechtigte beschränkte/ beschwerte Erben soll vereinfacht werden. Von nun an soll dem pflichtteilsberechtigten Erben ein generelles Wahlrecht zustehen. Er kann den Erbteil entweder mit allen Beschränkungen oder Beschwerungen annehmen oder den Erbteil ausschlagen und den Pflichtteil verlan- gen. Nicht alles aus dem Regierungsentwurf ist jedoch auch widerspruchslos übernommen worden. Anders als noch im Regierungsentwurf vorgeschlagen, muss die Anrech- nung einer Zuwendung auch weiterhin bereits vor oder bei der Zuwendung bestimmt werden. Soweit dies nach dem Regierungsentwurf zukünftig auch nachträglich möglich sein sollte, konnte dem nicht gefolgt werden, da unserer Auffassung nach das Vertrauen des Zuwendungs- empfängers, dass sich Zuwendungen nicht nachträglich auf die Höhe des Erbes auswirken, vorrangig zu schützen ist. Zu einem Kompromiss kam es bei der besseren Ho- norierung von Pflegeleistungen beim Erbausgleich. Nach geltendem Recht hat ein Abkömmling, der den Erblasser unter Verzicht auf berufliches Einkommen ge- pflegt hat, einen Anspruch auf Ausgleich, § 2057 a Abs. 1 S. 2 BGB. Der Regierungsentwurf sah ursprünglich eine Erwei- terung des Personenkreises auf alle gesetzlichen Erben vor, unabhängig vom Verzicht auf Einkommen. Wir Rechtspolitiker der SPD hatten damit jedoch erhebliche Probleme. Zwar sind auch wir dafür, dass Pflege besser hono- riert werden soll, unserer Auffassung nach gehört die grundsätzliche Honorierung von Pflegeleistungen jedoch schon nicht systematisch in das Erbrecht; zumal die Vor- schrift des § 2057 a BGB zu einem Zeitpunkt gefasst wurde, als es weder die umfangreichen heutigen Mög- lichkeiten der Pflege noch die Pflegeversicherung hier- für gab. Hinzu kommt, dass wir erhebliche Probleme auf die Justiz zukommen sahen. Natürlich kennt jeder einen Fall aus seiner Nachbarschaft, wo das Gerechtigkeitsempfin- den es nicht als fair ansieht, wenn beim Erbfall zum Bei- spiel beide Kinder gleichbehandelt werden, obwohl nur eines der Kinder den Erblasser gepflegt hat. Aber unabhängig davon, dass dies ja vom Erblasser testamentarisch hätte berücksichtigt werden können, stellt sich schon die Frage, was eigentlich unter Pflege nach dem Regierungsentwurf zu verstehen ist. Würde man den Pflegebegriff des SGB nehmen, dann würde dies im Grunde genommen bedeuten, dass sich automatisch mit einer dortigen Veränderung auch jeweils das Erbrecht insoweit ändern würde. Das kann nun wirk- lich nicht gewollt sein. Ich kann mir aber auch lebhaft vorstellen, wie in Fa- milien Streit darüber ausbricht, ob nun eine Pflege im obigen Sinne vorlag oder nicht. Insbesondere wenn meh- rere Familienmitglieder Pflegeleistungen erbracht haben und wenn sich die Frage stellt, ob einer nun mehr als der andere entsprechende Pflegeleistungen erbracht hat. Unklar ist auch, wie die Situation zu beurteilen ist, wenn zwar eine Pflege erfolgt ist, mehrere Familienmit- glieder aber hierzu Teilbeiträge geleistet haben? Ebenso, Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 26061 (A) (C) (B) (D) wie die Situation zu beurteilen ist, wenn Pflegegeld be- zahlt wurde? Wenn das Pflegegeld weitergereicht wurde, scheint die Situation klar – da die Pflegeleistung der An- gehörigen dann abgegolten wäre –, aber ich kann mir auch hier lebhaft den Streit darüber vorstellen, ob es nun hierzu gekommen ist oder nicht. Unklar ist eigentlich auch, wie der Sachverhalt zu beurteilen ist, wenn neben den eigenen Pflegeleistungen diejenigen von Institutio- nen in Anspruch genommen worden sind. Wir haben es aber auch nicht als gerecht angesehen, dass man im Grunde genommen die Pflege – vom Wert des Nachlass abhängig – unterschiedlich werten würde. Gibt es Geld zu verteilen, wird Pflege honoriert, ist kein Nachlass vorhanden, erfolgt Pflege umsonst. Im Übrigen hätten wir es auch nicht als gerecht angesehen, wenn jah- relange unterschwellige Unterstützung, die noch nicht den § 2057 a Abs. 1 S. 1 BGB erfüllt, nicht honoriert wird, eine kurzzeitige Pflege aber schon. Hinzu kommt aber auch noch, dass ich es als gesellschaftspolitisch ge- fährlich ansehe, wenn Dinge, die früher unter dem Begriff „Nächstenliebe“ liefen, monetarisiert werden. Im Übrigen sollte die Gefahr nicht unterschätzt wer- den, dass sich Angehörige, weil Geld im Spiel ist, ein- fach bei der Pflege überschätzen. Abschließend sei noch darauf hinzuweisen, dass ja auch in der Fachwelt, die für eine entsprechende Rege- lung im Erbrecht plädierte, in vielen grundsätzlichen Fragen kein Konsens bestand. Das betraf zum Beispiel die Frage, wer eigentlich hiervon profitieren sollte. Nur die Abkömmlinge, die gesetzlichen Erben, oder aber zum Beispiel auch die Schwiegertochter? Wobei sich mir dann die Frage stellen würde: Wieso die Schwieger- tochter und dann nicht auch die beste Freundin oder die Nachbarin, die den gleichen Aufwand betrieben hat? Oder aber auch die grundsätzliche Frage, wie dies gere- gelt werden sollte, ob im Erbrecht oder als gesetzliches Vermächtnis. Sie sehen, liebe Kolleginnen und Kollegen, Probleme über Probleme, und diese haben uns letztendlich zu dem Kompromiss veranlasst, lediglich einer vorsichtigen Öff- nung des bestehenden § 2057 a Abs. 1 BGB zuzustim- men. Das heißt, von dieser Vorschrift werden künftig auch diejenigen profitieren können, die gepflegt haben, ohne auf ihr eigenes berufliches Auskommen zu verzich- ten. Maßgebend war für uns insoweit, dass die hohen Er- fordernisse des § 2057 a BGB, um hier eine Honorierung zu erhalten, für uns insoweit ein Korrektiv darstellen. Ins- gesamt, glaube ich, liegt ein guter Gesetzesentwurf vor, um dessen Zustimmung ich Sie nun bitten möchte. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP): Am Ende dieser Legislaturperiode sei ein kurzer Blick zurück auf die Gesetzgebung im Bereich des Erb- und Familienrechts erlaubt. Dass sich in diesen Bereichen viel zum Positiven verändert hat, lag auch an den um- fangreichen, in der Zielrichtung richtigen Vorlagen aus dem Bundesjustizministerium, aber eben auch an der konstruktiven Mitarbeit meiner Fraktion und der übrigen Oppositionsfraktionen. Aus gutem Grund haben die Re- gierungsparteien insbesondere im Bereich des Familien- rechts den Konsens im Deutschen Bundestag gesucht. Dies zeigte sich vor allem durch intensive und sehr kon- struktive Berichterstattergespräche über alle Fraktions- grenzen hinweg. Dieser im Bundestag gefundene Kon- sens war auch nötig, um weitreichenden Änderungen gesellschaftspolitischen Rückhalt zu verleihen. Ich denke hier etwa an die Unterhaltsrechtsreform, aber auch an die FGG-Reform, die Reform des Versorgungs- ausgleichs und des Zugewinnausgleichs. Mit dem Ge- setz zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts liegt nun gerade noch rechtzeitig das letzte Vorhaben aus dem Bereich des Erb- und Familienrechts vor. Alle diese Änderungen wurden notwendig, weil sich die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und Werte- vorstellungen nachhaltig geändert haben. Das heutige Erbrecht stützt sich in seinen wesentlichen Zügen noch auf das Familienbild des 19. Jahrhunderts. Dieses Fami- lienbild hat sich in über 100 Jahren sehr verändert, in de- ren Verlauf die Verbreitung der häuslichen Gemeinschaft von verheirateten Eltern mit ihren minderjährigen Kin- dern stetig abnimmt. Das geltende Erbrecht hat sich si- cherlich in seiner Grundkonzeption bewährt. Die FDP- Bundestagsfraktion hat aber bereits in zwei Kleinen An- fragen, Drucksachen 15/3899 und 16/3222, in den Jah- ren 2004 und 2006 auf den Änderungsbedarf hingewie- sen. Das Bundesverfassungsgericht hat sich mit seinem Beschluss vom 19. April 2005, 1 BvR 1644/00, intensiv mit dem Pflichtteilsrecht auseinandergesetzt. Dabei hat es festgestellt, dass die wirtschaftliche Mindestbeteili- gung der Kinder am Nachlass als tragendes Strukturprin- zip des geltenden Pflichtteilsrechts durch die Erbrechts- garantie des Art. 14 Grundgesetz geschützt ist. Bei der konkreten einfachrechtlichen Ausgestaltung habe der Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum. So sei auch die Höhe des Pflichtteils nicht verfassungsrechtlich vorgegeben. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf reagiert die Große Koalition nun endlich auf diese veränderten ge- sellschaftlichen Verhältnisse. Zum einen werden die Pflichtteilsentziehungsgründe modernisiert. Diese Pflichtteilsentziehungsgründe gelten künftig für alle Pflichtteilsberechtigten. Die bisherige Differenzierung nach Pflichtteil des Abkömmlings, El- ternpflichtteil und Ehegattenpflichtteil entfällt. Des Wei- teren wird der Kreis der vom Verhalten des Pflichtteils- berechtigten Betroffenen insoweit erweitert, dass nunmehr auch Lebenspartner, Stief- oder Pflegekinder erfasst werden. Deutlich überarbeitet wurde auch der Katalog der Entziehungsgründe. Darüber hinaus wird die starre Ausschlussfrist von zehn Jahren für Schenkun- gen beim Pflichtteilsergänzungsanspruch zugunsten ei- ner Pro-Rata-Lösung geändert. Diese Neuregelungen sind auch vonseiten der FDP-Bundestagsfraktion zu be- grüßen. Zum anderen gab es weiteren Änderungsbedarf im Verjährungsrecht. Seit dem 1. Januar 2002 sind die Ver- jährungsvorschriften mit dem Schuldrechtsmodernisie- rungsgesetz mit einer Regelverjährung von drei Jahren 26062 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 (A) (C) (B) (D) grundlegend neu geordnet worden. Für die familien- und erbrechtlichen Ansprüche galt bisher eine Sonderverjäh- rung von 30 Jahren. Die unterschiedliche Verjährung führte in der Praxis zu Wertungswidersprüchen und Schwierigkeiten bei der Abwicklung der betroffenen Rechtsverhältnisse. Auch hier kann ich die Unterstüt- zung der FDP-Bundestagsfraktion signalisieren. Dass diese Reform dennoch nicht so umfassend aus- fällt, wie sie ursprünglich angelegt war, ist wohl nicht zuletzt auf Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Koalitionsfraktionen zurückzuführen. Bereits im Fe- bruar 2008 wurde der Gesetzentwurf im Bundesrat ein- gebracht. Bereits vor über einem Jahr fand die erste Le- sung zu diesem Gesetzentwurf im Deutschen Bundestag statt. Eine Anhörung des Rechtsausschusses des Deut- schen Bundestages wurde bereits im Oktober letzten Jahres durchgeführt. Gerade auch diese Sachverständi- genanhörung brachte jedoch so vielfältige Probleme zu- tage, dass eine gründliche Überarbeitung des Gesetzent- wurfes notwenig wurde. Dies betraf vor allem den Ausgleich von Pflegeleistungen, aber auch Bestimmun- gen zur nachträglichen Anrechnung. Im Bereich der Pflegeleistungen sah der Gesetzent- wurf vor, dass die Pflegeleistungen stärker und häufiger honoriert werden. Dazu sollten künftig alle gesetzlichen Erben und nicht nur Abkömmlinge ausgleichsberechtigt sein. Eine solche Erweiterung der Zahl der Ausgleichs- berechtigten warf jedoch eine Vielzahl von Folgeproble- men auf. Warum etwa sollte der Sohn des Erblassers ausgleichsberechtigt sein, die pflegende Schwiegertoch- ter jedoch nicht? Aus liberaler Sicht muss ich hier ganz klar sagen: Der Erblasser hat zu Lebzeiten die Möglich- keit, ein Testament zu verfassen, in dem sein letzter Wille niedergelegt ist. Wird er nicht tätig, ist eben auch diese Art der Testierfreiheit zu akzeptieren. Nach dem Gesetzentwurf sollte der Erblasser ferner bei allen lebzeitigen Zuwendungen nachträglich Anord- nungen über deren Ausgleichung oder den Ausschluss ihrer Ausgleichung treffen dürfen. Nach der bisherigen Rechtslage muss sich der Pflichtteilsberechtigte die Zu- wendungen des Erblassers zu Lebzeiten nur anrechnen lassen, wenn der Erblasser im Zeitpunkt der Zuwendung eine Anrechnungsbestimmung getroffen hat. Der Vorschlag der Koalitionsfraktionen bezüglich dieser strittigen Punkte sieht nun so aus, alles beim Alten zu lassen, also keine Änderungen an dem bestehenden Rechtszustand vorzunehmen. Für den Wegfall der nach- träglichen Anrechnungsbestimmungen ist dies durchaus kritisch zu sehen. Eine solche Möglichkeit der nachträg- lichen Anrechnung griffe nicht unverhältnismäßig in die Dispositionsfreiheit des beschenkten Erben bzw. Pflicht- teilsberechtigten ein, sondern entspricht viel eher den Vorstellungen in weiten Teilen der Bevölkerung. Zwar ist zum Zeitpunkt der Zuwendung für den Beschenkten nicht voraussehbar, ob die Zuwendung zu erbrechtlichen Konsequenzen führt. Es besteht jedoch die Möglichkeit, durch eine vertragliche Vereinbarung Rechtssicherheit zu schaffen. Auch die Sachverständigen in der Anhö- rung sprachen sich für die nachträgliche Anrechnungs- bestimmung aus, gingen teilweise in ihren Forderungen sogar weiter. Vor dem Hintergrund der Testierfreiheit ist auch die zentralste Beschränkung der Testierfreiheit, nämlich die Höhe des Pflichtteilsanspruchs von derzeit der Hälfte, zu hinterfragen. Ist es wirklich gerechtfertigt, dass immer 50 Prozent des gesetzlichen Erbteils als Pflichtteil unan- tastbar sind? In den Beratungen des Rechtsausschusses des Bundesrates wurde zumindest angedacht, die Höhe des Pflichtteilsanspruchs auf ein Drittel zu reduzieren. Mit dieser Frage sollte sich der Bundestag weiter be- schäftigen. Ob die Neuregelungen zur Stundung die erwünschte Wirkung entfalten werden, bleibt abzuwarten. Nach dem Gesetzentwurf soll zukünftig jeder Erbe Stundung ver- langen können. Darüber hinaus wird die Schwelle, wann eine solche Stundung verlangt werden kann, herabge- setzt, indem nicht mehr auf das Merkmal der „unge- wöhnlichen Härte“, sondern auf eine „unbillige Härte“ abgestellt wird und indem die Interessen des Pflichtteils- berechtigten bei der Stundung nur noch „angemessen“ zu berücksichtigen sind. Diese geplanten Änderungen haben aber höchstens graduellen Charakter. Besonders deutlich werden die Probleme der fehlen- den Testierfreiheit dann, wenn ganze Unternehmen ver- erbt werden. Denn gerade mit Blick auf die Vererbung von Unternehmen kann die sofort eintretende Fälligkeit des Pflichtteilsanspruchs den Erben und damit das Un- ternehmen in einem ganz besonderen Maße belasten. Dadurch entstehende Liquiditätsengpässe können dazu führen, dass Unternehmen weit unter Wert und gegen den Willen des Erblassers verkauft werden müssen. Die- ses Problem betrifft insbesondere den deutschen Mittel- stand. Der Mittelstand ist der Jobmotor der deutschen Wirtschaft. Zerschlagungen von Unternehmen infolge der Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen zerstö- ren die Arbeitsplätze ganzer Belegschaften. Durch eine Herabsetzung des Pflichtteils ließe sich dieses Problem zumindest entschärfen. In der juristischen Fachliteratur immer wieder ange- sprochen wird auch ein Verweis auf die Regelungen im Bereich der Landwirtschaft. Dies beinhaltet insbeson- dere Bewertungsvorschriften, die den Ertragswert zu- grunde legen und damit in der Regel zu einer niedrigeren Bewertung führen. Das Thema Erbrecht wird also in der nächsten Legis- laturperiode erneut auf der Tagesordnung stehen müs- sen. Die durch den Gesetzentwurf vorgenommenen Än- derungen sind jedoch richtig und wichtig. Die FDP- Bundestagsfraktion wird dem Gesetzentwurf daher zu- stimmen. Wolfgang Nešković (DIE LINKE): Die beste ge- setzgeberische Änderung, die dem Erbrecht geschehen könnte, wäre dessen weitgehende Abschaffung. Sinnvoll wäre eine Begrenzung des Erbrechtes auf zu diskutie- rende Höchstbeträge für Zuwendungen an natürliche Personen. Sinnvoll wäre es, eine darüber hinausgehende Zuwendung von Riesenbeträgen nur noch für gesell- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 26063 (A) (C) (B) (D) schaftliche und soziale Zwecke im Interesse der Allge- meinheit zuzulassen. Denn das Erbrecht steht im Wider- spruch zu dem Gedanken, dass allein die Leistungen eines Menschen über dessen Wohlstand entscheiden sol- len. Dabei ist Folgendes klarzustellen: Bei dieser Über- legung geht es nicht um Omas kleines Häuschen, son- dern um Riesenvermögen, die wie Adelstitel durch die Generationen weitergereicht werden. Bei uns ist einer der wichtigsten Wettkämpfe zunächst der Wettkampf der Geburtsurkunden. Denn er entscheidet über das tatsäch- liche Ausmaß von Leistungen, die ein Mensch nach sei- ner Geburt erbringen kann. Deswegen gilt: Wer in einer Leistungsgesellschaft le- ben will, der muss anerkennen, dass es keinerlei Leis- tung darstellt, als Kind wohlhabender Eltern das Licht der Welt zu erblicken. Erbschaft – das ist dann der letzte goldene Löffel, der einem in den Mund gesteckt wird. In einer Leistungsgesellschaft messen sich die Menschen mit ihrer Arbeit, mit ihrer geistigen Regsamkeit und mit ihren technischen oder künstlerischen Fähigkeiten. Beim bestehenden Erbrecht jedoch entsteht neues Ka- pital nicht aus Leistung, sondern schlicht aus altem, ge- erbtem Kapital. Das ist leistungsfeindlich. Das ist die Wirklichkeit, die auch mit dem Geist unserer Verfassung nicht in Einklang zu bringen ist. Denn Art. 14 Abs. 2 des Grundgesetzes lautet: „Eigentum verpflichtet. Sein Ge- brauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit die- nen.“ Es ist schlicht allgemeinwohlwidrig, wenn Eigen- tum dazu dient, die ökonomische und gesellschaftliche Macht einzelner Unternehmerfamilien über Generatio- nen zu sichern – vor allem, wenn dabei zu berücksichti- gen ist, dass der Reichtum solcher Familiendynastien aus der Arbeitskraft vieler fleißiger Arbeitnehmer stammt. Der Anteil ihrer Arbeitsleistung, die dem Unter- nehmer als Profit zufließt, ist eine Enteignung der Ar- beitnehmer. Ihre Lohnarmut, also die Lohnarmut vieler, ist gleichzeitig der Kapitalreichtum einiger weniger. An solche Ungerechtigkeiten und Widersprüche mag man sich gewöhnen. Nur eines – meine ich – darf man nicht: Man darf diese Missstände nicht einfach ignorie- ren, und wie die Entwurfsverfasser im sozialdemokra- tisch geführten Justizministerium schreiben, es gebe am bewährten Erbrecht nur punktuellen Änderungsbedarf. Der Änderungsbedarf ist im Gegenteil ganz erheblich. Er betrifft das Erbrecht und dessen Grundannahmen als solche. Um diese Grundannahmen zu überdenken und sozial gerecht abzuändern, braucht es gesellschaftskriti- sche Aufmerksamkeit, Mut, Fantasie und Augenmaß. All das gehört zum politischen Erbe von Männern wie August Bebel, Adolf Arndt und Willy Brandt. Dieses Erbe sollte Maßstab für die gegenwärtige und zukünftige Politik der SPD sein. Nichts von dem ist zurzeit von den Männern und Frauen in der Führungsriege der SPD zu erwarten. Auch an Frau Zypries können solche Erwar- tungen nicht gestellt werden. Auch sie hat dieses sozial- demokratische Erbe lange ausgeschlagen. Das spiegelt auch der vorliegende Gesetzentwurf wi- der. Man kann ihn allein danach beurteilen, wie viel Richtiges im Falschen er dennoch zu leisten vermag. Dazu einige Einzelheiten: Der aus unserer Sicht rich- tige Ansatz, die Alterspflege des Erblassers stets zu ho- norieren, unabhängig davon, durch wen sie erbracht wurde, wurde nun gestrichen. Nun gibt es noch weniger Richtiges im Falschen. Richtig ist die Änderung am Ent- wurf des § 2057 a BGB. Denn damit entfällt die Benach- teiligung von gesetzlichen Erben, die die Pflege des Erb- lassers neben ihrer Berufstätigkeit gestemmt haben. Für sich betrachtet sinnvoll sind auch eine Reihe wei- terer rechtlicher Feinjustierungen. Es ist sicherlich sinn- voll, die langen Verjährungsregeln im Erbrecht zu än- dern, wenn sie im Verhältnis zur schuldrechtlichen Regelverjährung zu unbilligen Ergebnissen führen. Es ist sicherlich angebracht, die Entziehungs- und Anfech- tungsgründe für den Pflichtteil dem heutigen Verständnis von Moral und Sitte anzupassen. Es ist auch begrüßens- wert, einige, leider längst nicht alle, unzeitgemäße Un- terscheidungen von Lebenspartnerschaften und Ehen in- nerhalb des Erbrechts abzuschaffen. Das bestehende Erbrechtssystem wird mit diesen und weiteren Änderungen in sich wohl widerspruchsfreier werden. Aber das Erbrecht selbst bleibt als Widerspruch erhal- ten: zur behaupteten Leistungsgesellschaft und zur So- zialbindung des Eigentums. Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das Bundesverfassungsgericht anerkennt eine Mindestbetei- ligung der Erben am Nachlass als tragendes Struktur- prinzip des Pflichtteilsrechts und stellt sie unter den Schutz der Erbrechtsgarantie des Art. 14 in Verbindung mit Art. 6 des Grundgesetzes. Trotzdem bleiben dem Gesetzgeber Gestaltungsspielräume. Der Gesetzentwurf, den wir heute beschließen, nutzt diese Gestaltungsräume in notwendiger, aber auch ausreichender Weise. Die Modernisierung des Pflichtteilsentziehungs- rechts ist längst überfällig. Auch nach der Anhörung im Rechtsausschuss, die am 8. Oktober letzten Jahres statt- fand, mussten wir allerdings noch viele Monate warten, bis die Koalition die Sache jetzt endlich zum Abschluss bringt. Es ist höchste Zeit, dass der überholte Entziehungs- grund des „ehrlosen und unsittlichen Lebenswandels“ gestrichen wird. Auch sonst gab es einige Unstimmig- keiten, die beseitigt wurden. Dass dabei die gleichge- schlechtlichen Lebenspartner in den Schutzbereich des § 2333 BGB nur versteckt als „ähnlich nahestehende Personen“ eingebunden werden, habe ich schon in der ersten Debatte kritisiert. Leider sind Sie darauf nicht ein- gegangen. Dies ist kleines Karo wie schon bei der Re- form des Opferentschädigungsrechts, als Sie die Schwu- len und Lesben hinter Paragrafenkaskaden versteckt haben. Die zeitlich gestaffelte Berücksichtigung früherer Zu- wendungen beim Pflichtteilsergänzungsanspruch – die sogenannte Pro-Rata-Lösung, welche die starre 10-Jah- res-Grenze ablöst, ist ebenfalls sinnvoll. 26064 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 (A) (C) (B) (D) In einem wichtigen Punkt kann ich allerdings nicht von durchgreifender, auch nicht von ausreichender Mo- dernisierung sprechen. Das ist die erbrechtliche Berück- sichtigung von Pflegeleistungen. Hier hat die Koalition kalte Füße bekommen und wurde zur Koalition der Be- denkenträger, anstatt sicherlich vorhandene Probleme anzupacken und zu lösen. Man kann ja durchaus über andere Lösungsansätze wie im Steuerrecht nachdenken, nur muss man sie dann auch vorlegen, wenn man schon das gesellschaftliche Problem der Anerkennung familiä- rer und solidarischer Pflegeleistungen erkannt hat. Was jetzt zur Abstimmung steht, ist eine erbrechtliche Minilösung. Sie geht am Großteil der Betroffenen vor- bei. Selbst gegenüber dem Regierungsentwurf wurden noch Abstriche gemacht. Wir fanden schon den Regie- rungsentwurf unzureichend. Der Ausgleich von Pflege- leistungen bleibt auf gesetzliche Erben beschränkt. Die Koalition führt ihn wiederum auf Abkömmlinge zurück, statt das geltende Recht wenigstens auf Geschwister aus- zuweiten. Nur auf den Verzicht auf eigenes Einkommen soll es nicht mehr ankommen. Wenigstens werden damit Kinder, die neben der Pflege im Beruf bleiben, besserge- stellt. Wir meinen, es sollten alle gleich behandelt wer- den, die im Familienverband aus familiärer Solidarität pflegen, ob sie Erben werden oder nicht, ob sie Kinder sind oder nicht. Die Schwiegertöchter pflegen sehr oft, nicht selten auch nichteheliche Lebenspartnerinnen und -partner. Dieser Personenkreis leistet aufopferungsvoll gesellschaftlich wertvolle Arbeit und wird von Ihnen al- lein gelassen. Auch beim Maßstab für die zu berücksichtigende Höhe der Pflegeleistungen hat die Koalition den Schritt zur Orientierung an den Pflegesätzen nicht gewagt. Sie meint, dass sie damit Streit vermeidet. Stattdessen be- lässt sie es aber bei der bisherigen Billigkeitsregel, die nicht weniger streitanfällig ist. Die Frage zum Beispiel, wer in der Familie welche Pflegbeiträge geleistet hat, stellt sich bei der Billigkeitsregelung ebenso. Es ist schade, dass die Koalition hier nicht das fraktionsüber- greifende Gespräch gesucht hat, obwohl sie sich insge- samt ja viel Zeit ließ. Leider wurden auch die vernünftigen und guten Vor- schläge zur Begünstigung gemeinnütziger Stiftungen im Erbrecht überhaupt nicht aufgegriffen. Besonders bedauerlich finde ich, dass es nicht gelun- gen ist, endlich die Aufwandspauschale für ehrenamtli- che Betreuerinnen und Betreuer steuerfrei zu stellen, wie das für Übungsleiter längst der Fall ist. Ich weiß, dass die Rechtspolitiker der Koalition dafür große Sympathien gehabt hätten. Dass sie das mit ihren Finanzpolitikern rechtzeitig hätten klären müssen, ist aber ebenso klar. Wie konnte es also passieren, dass die gute Neuregelung schon in den Beschlussempfehlungen des Rechtsaus- schusses enthalten war, dann aber am Tag der Ausschuss- sitzung plötzlich zurückgezogen wurde? Da ist in der Schlussphase des Verfahrens in der Koalition doch wie- der einmal das Chaos ausgebrochen. Trotzdem ist unter dem Strich viel an Verbesserungen erreicht worden. Wir werden trotz unserer Kritik der Re- form zustimmen. Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Wir beraten heute in zwei- ter und dritter Lesung den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts. Über dem Streit ums Erbe ist schon so manche Familie auseinan- dergebrochen. Zu weit gehen die Vorstellungen darüber auseinander, wem welcher Anteil am Nachlass gerech- terweise zustehen soll, und zwar gerade dann – aller- dings nicht nur –, wenn die Erblasserin oder der Erblas- ser kein Testament gemacht hat. Das ist häufig der Fall. Viele Bürgerinnen und Bürger kennen die Gestaltungs- möglichkeiten nicht, die ihnen das geltende Erbrecht bietet, und machen deshalb auch nur zurückhaltend da- von Gebrauch, die Nachfolge selbst zu regeln. Nach bis- herigen Erkenntnissen sind dies nur etwa knapp ein Drit- tel der Betroffenen. Ich bin überzeugt, dass eine vernünftige Regelung der Vermögensnachfolge so manchen Streit in der Familie vermeiden kann. Deshalb soll mit unserer Reform das Thema Erbrecht ins Blickfeld der Bürgerinnen und Bür- ger gerückt werden. Sinnvolle Regelungen zur Vermö- gensnachfolge setzen aber auch einen rechtlichen Gestal- tungsspielraum voraus, der es dem Einzelnen ermöglicht, seine Wünsche in einem Testament oder Erbvertrag um- zusetzen. Deshalb sollen die bestehenden Gestaltungs- möglichkeiten ausgebaut und die Testierfreiheit des Erb- lassers gestärkt werden. Dabei gilt: Wir brauchen kein neues Erbrecht. Wir brauchen Änderungen dort, wo sich in der Praxis ein Bedürfnis entwickelt oder sich das Recht als veraltet erwiesen hat. Hauptziele der Reform sind die Stärkung des Selbst- bestimmungsrechts und der Testierfreiheit. Dazu setzt unsere Reform an folgenden wesentlichen Punkten an: Es werden, wie seit langem gefordert, die Pflichtteilsent- ziehungsgründe überarbeitet. Dabei ist ein wesentlicher Ansatz die Erweiterung des Schutzbereichs der Entzie- hungsgründe. Im geltendem Recht ist es so: Richtet sich der Angriff des Pflichtteilsberechtigten gegen das Leben eines Beteiligten, ist der Schutzbereich am weitesten. Eine Entziehung des Pflichtteils ist möglich, wenn der Pflichtteilsberechtigte entweder dem Erblasser, seinem Ehegatten oder Lebenspartner oder einem anderen Ab- kömmling des Erblassers nach dem Leben trachtet. Bei schweren tätlichen Attacken, die „nur“ gegen die körper- liche Unversehrtheit und nicht gegen das Leben gerichtet sind, sieht das Gesetz eine Pflichtteilsentziehung ledig- lich dann vor, wenn der Erblasser oder sein Ehegatte, von dem der Pflichtteilsberechtigte zusätzlich abstam- men muss, angegriffen wurde. Misshandelt der Sohn des Erblassers seine Stiefmutter, so rechtfertigte dies bisher keine Pflichtteilsentziehung. Misshandelt der Sohn des Erblassers seine Schwester, so rechtfertigte dies bisher auch keine Pflichtteilsentziehung. Das ist ungerecht, und deshalb ändern wir das jetzt. Aber nicht nur am Schutzbereich, auch bei den Ent- ziehungsgründen setzt die Reform an. Wer kann noch et- was mit dem Begriff „ehrloser oder unsittlicher Lebens- wandel“ anfangen? Und warum kann ein solcher nur dem Kind vorgeworfen werden und nur hier die Pflicht- teilsentziehung rechtfertigen? Eltern oder Ehegatten dür- fen ohne pflichtteilsrechtliche Konsequenz „ehrlos oder Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 26065 (A) (C) (B) (D) unsittlich“ leben. Und können wir heute noch ernsthaft vertreten, dass die Ermordung eines fremden Kindes kein ehrloser oder unsittlicher Lebenswandel und damit auch kein Pflichtteilsentziehungsgrund ist? Die Pflichtteilsentziehungsgründe wollen wir in ge- nau diesen Punkten modernisieren. Künftig sollen alle Pflichtteilsentziehungsgründe für Abkömmlinge, Eltern, Ehegatten und Lebenspartner gleichermaßen gelten. Eine Pflichtteilsentziehung soll möglich sein bei einem tätlichen Angriff gegen den Erblasser, seinen Ehegatten, Lebenspartner oder einen anderen Abkömmling. Da- rüber hinaus erweitern wir diesen Schutzbereich auch auf dem Erblasser ähnlich nahestehende Personen. Der Pflichtteilsentziehungsgrund des „ehrlosen oder unsittli- chen“ Lebenswandels entfällt. Stattdessen soll eine rechtskräftige Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung künftig zur Pflichtteilsentziehung berechtigen, wenn die Pflichtteils- überlassung für den Erblasser unzumutbar ist. Gleiches soll für vergleichbare Taten gelten, die im Zustand der Schuldunfähigkeit begangen wurden. Der Stärkung des Selbstbestimmungsrechts dient auch die Umwandlung der starren Ausschlussfrist für Pflicht- teilsergänzungsansprüche in eine gleitende Ausschluss- frist. Schenkungen des Erblassers können zu einem An- spruch auf Ergänzung des Pflichtteils führen. Derzeit werden Schenkungen dabei in voller Höhe berücksich- tigt, wenn seit der Schenkung noch keine zehn Jahre ver- strichen sind. Verstirbt der Erblasser auch nur einen Tag vor Ablauf der Frist, wird der Pflichtteilsberechtigte für die Berechnung seines Anspruchs so gestellt, als gehöre die Schenkung noch zum Nachlass. Verstirbt der Erblas- ser dagegen nach Ablauf der Frist, geht der Pflichtteilsbe- rechtigte im Hinblick auf die Schenkung leer aus. Für den Erben, der vorrangig zur Pflichtteilsergänzung verpflichtet ist, geht es damit um alles oder nichts. Das halte ich für ungerecht. Je mehr Jahre verstreichen, desto weniger soll die Schenkung künftig bei der Pflichtteilser- gänzung berücksichtigt werden. Ausgehend von den zehn Jahren soll die Schenkung pro Jahr mit einem Zehntel we- niger in Ansatz gebracht werden. Diese Regelung führt auch bei den zur Stärkung des bürgerschaftlichen Enga- gements so wichtigen Zuwendungen an gemeinnützige Stiftungen künftig zu mehr Planungssicherheit. Ein weiterer Reformpunkt besteht in der Stundung des Pflichtteilsanspruchs nach § 2331 a BGB. Viele äl- tere Ehepaare äußern in ihren Eingaben an das Bundes- ministerium der Justiz die Sorge, dass das hart erarbei- tete Häuschen bei Versterben eines Ehegatten verkauft werden müsse, um den Pflichtteil der Kinder zu bezah- len. Viele wissen nicht, dass wir bereits heute schon eine Regelung haben, die zumindest dem Ehegatten oder Le- benspartner in dieser Situation helfen kann: die Stun- dung des Pflichtteilsanspruchs. Allerdings sind die Vo- raussetzungen sehr eng. Die Regelung gilt nur für den pflichtteilsberechtigten Erben. Hier sind Erweiterungen notwendig. Deshalb soll die Möglichkeit der Stundung künftig jedem Erben eröffnet werden. Damit kann zum Beispiel die als Erbin eingesetzte Lebensgefährtin Stun- dung verlangen. Aber auch für Familienbetriebe kann diese Neuregelung nützlich sein. Wird der Betrieb nicht dem Sohn, sondern dem Neffen vererbt, kann die Gefahr der Zerschlagung des Betriebes wegen Zahlung des Pflichtteilsanspruchs durch eine Stundung abgewendet werden. Ein weiteres wichtiges Reformziel ist die bessere Ho- norierung von Pflegeleistungen beim Erbausgleich. Viele Angehörige erbringen bei der privaten Pflege ge- rade betagter Menschen wichtige Leistungen. Zwei Drit- tel der auf Pflege angewiesenen Personen werden zu Hause versorgt, und das in erster Linie von Familienmit- gliedern. Da die Pflege aufgrund der familiären Verbun- denheit erfolgt, treffen die Beteiligten in der Praxis aus Pietät oder um sich nicht dem Vorwurf der Erbschleiche- rei auszusetzen vielfach keine Vereinbarungen über ein angemessenes Entgelt. Der Gepflegte selbst sorgt aus den unterschiedlichsten Gründen auch nicht immer da- für, die ihm erbrachten Leistungen aus der Pflegeversi- cherung an die pflegenden Angehörigen weiterzuleiten. Hat der Erblasser kein Testament errichtet, in dem er die Pflege durch Erbeinsetzung oder ein Vermächtnis hätte honorieren können, geht der pflegende Angehörige trotz der seinerseits erbrachten Leistungen oftmals leer aus. Er erhält zwar seinen Erbteil, aber dieser spiegelt bei mehreren Erben nicht die überobligatorisch erbrach- ten Leistungen im Vergleich zu den anderen Erben wi- der. § 2057 a des Bürgerlichen Gesetzbuchs, der unter Abkömmlingen eine Anrechung von Pflegeleistungen er- möglicht, hilft häufig nicht weiter, denn die Regelung ist eng: Sie gilt nur, wenn der Abkömmling die Pflege unter Verzicht auf berufliches Einkommen geleistet hat. Weder wird damit der häufigste praktische Fall erfasst – die Tochter, die Mutter oder Vater pflegt – noch erhalten die- jenigen einen erbrechtlichen Ausgleich, die die Doppel- belastung von Pflege und Berufstätigkeit tragen. Diese Pflegeleistungen sollen nun unter erleichterten Voraus- setzungen honoriert werden: Künftig soll der Verzicht auf berufliches Einkommen als Voraussetzung für den Anspruch entfallen und damit die größte Ungerechtig- keit der bisherigen Regelung beseitigt werden. Die intensiven Diskussionen, die wir unter reger Be- teiligung der Öffentlichkeit gerade über diese Regelung geführt haben, haben neben der jetzt gefundenen Lösung einen weiteren positiven Effekt: Wir haben alle Betroffe- nen sensibilisiert. Wir haben den nötigen Impuls dafür gegeben, über diese wichtige Frage nicht nur nachzuden- ken, sondern sie hoffentlich auch in vielen Fällen ange- messen zu regeln. Denn in jedem Fall gilt: Eine gesetzli- che Vorschrift wird nie jeden Einzelfall genau treffen können. Besser ist immer eine individuelle Regelung, die der Erblasser selbst zu Lebzeiten durchdacht und am besten mit seinen Angehörigen erörtert hat. Ich freue mich auch, dass wir in einem anderen Punkt endlich mehr Rechtsklarheit herbeiführen werden. Mit der Anwendung der durch die Schuldrechtsreform im Jahr 2002 eingeführten neuen Regelverjährung auch auf die familien- und erbrechtlichen Ansprüche vereinheitli- chen wir die Verjährung weitreichend. Noch bestehende Wertungswidersprüche in der bisher geltenden Rechts- lage werden beseitigt. Es ist nicht einzusehen, dass ein 26066 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 (A) (C) (B) (D) rechtlicher Betreuer seinem Betreuten immer 30 Jahre lang auf Schadensersatz haftet, wohlgemerkt erst ab dem Ende der Betreuung. Ein Rechtsanwalt haftet dagegen grundsätzlich nur drei Jahre. Das wollen wir ändern. Der Bürger kann sich künftig durchgängig an der Faustregel orientieren: Ansprüche, die ich kenne, muss ich inner- halb von drei Jahren gerichtlich geltend machen. Als Ergebnis der intensiven Beratungen in den Aus- schüssen können wir nun mit großer Mehrheit in diesem Hause ein Erb- und Verjährungsrecht beschließen, das die bewährten Grundstrukturen des Erbrechts erhält, aber behutsam etliche Schwachstellen korrigiert und den Bürgerinnen und Bürgern mehr Spielraum ermöglicht, ihren letzten Willen umzusetzen. Anlage 17 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts zu den Unterrichtungen: – Jahresbericht 2008 des Nationalen Normen- kontrollrates – Bürokratieabbau – Jetzt Entscheidungen tref- fen – Bericht der Bundesregierung 2008 zur An- wendung des Standardkosten-Modells und zum Stand des Bürokratieabbaus (Tagesordnungspunkt 22) Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU): Bürokratie kostet Zeit, Bürokratie kostet Geld. Beides sind entscheidende Faktoren für die Wettbewerbsfähigkeit eines Unterneh- mens. Bürokratieabbau ist darum für uns eine zentrale Aufgabe, da er die Unternehmen aktiv entlastet. Bürokratieabbau ist mühsam. Das ist bekannt. Wolfgang Clement hat einmal gesagt, das sei Häuserkampf. Doch der Kampf lohnt sich. Bürokratieabbau ist nämlich das bestmögliche Konjunkturprogramm, das wir überhaupt machen können: Die Abschaffung von überflüssigen ge- setzlichen Regelungen, von veralteten Verfahrensweisen oder doppelten Statistikpflichten kostet uns, als Staat, keinen Cent. Aber die betroffenen Unternehmen profitieren in hohem Maße. Sie können Arbeitsabläufe effizienter gestalten und Betriebskosten einsparen. Kurz: Bürokra- tieabbau ist ein voller Gewinn. Die Bundesregierung hat im Zuge der Umsetzung ihres Programms für Bürokratieabbau und bessere Rechtsetzung eine Vielzahl von Maßnahmen beschlossen und auf den Weg gebracht. Damit erreichen wir eine jährliche Entlas- tung für Unternehmen und Betriebe um mehr als 7 Mil- liarden Euro; das kostet den Steuerzahler und den Staat keinen einzigen Cent. Die im Rahmen des Konjunkturpro- gramms beschlossene Abwrackprämie hat ein Volumen von rund 6 Milliarden Euro und ist auf ein Jahr befristet. Diese beiden Zahlen zeigen, wie ich finde, sehr schnell sehr deutlich, wie viel Effizienz und Leistungssteigerung Bürokratieabbau in der Praxis tatsächlich bedeutet. Darum werden wir auch in der kommenden Legislaturperiode intensiv weiter daran arbeiten. Ein erster, entscheidender Schritt wird es sein, das Abbauziel von 25 Prozent noch einmal zu präzisieren. Wir verstehen dieses Ziel nämlich als eine Pflicht. Und darum wollen wir diese Pflicht des Gesetzgebers auch im NKR-Gesetz verbindlich verankern. Es ist sehr bedauerlich, dass die SPD sich hier in den letzten dreieinhalb Jahren massiv verweigert hat, aber nicht wirklich erstaunlich. Wer den Staat als Beamten- apparat versteht und dessen Erhalt sucht, statt sich für Reformen einzusetzen, der wird eben lieber weiter Pa- pierberge produzieren und Formularkriege anzetteln. Wir wollen diese Berge abtragen, wir wollen, dass sich Unternehmen, Verwaltungen und natürlich die Bürger auf das Wesentliche konzentrieren können. Darum machen wir uns stark für eine konsequente Fortsetzung des Pro- gramms für Bürokratieabbau in einer dann hoffentlich bürgerlichen Koalition. Neben dieser eindeutigen Selbstverpflichtung zum Nettoabbauziel werden wir uns darüber hinaus dafür ein- setzen, dass die Kompetenzen des Normenkontrollrates weiter ausgebaut werden. Die Kollegen von der FDP möchte ich gleich wieder beruhigen, denn ich rede nicht davon, den NKR damit zu beauftragen, Gesetzentwürfe aus den Fraktionen auf ihre Belastungen hin zu prüfen. Damit würden wir nur eines erreichen: den NKR lahm- legen und ihn mit völlig unnötiger und sinnloser Arbeit überlasten. Nein, ich rede von den sogenannten Minis- terverordnungen ohne Kabinettsbefassung. Eben weil sie nicht der Zustimmung des Bundeskabinetts bedürfen, fallen sie nicht unter § 4 Abs. 2 des NKR-Gesetzes und werden ergo nicht durchleuchtet. Das kann aber nicht sein, denn die bürokratische Belastungswirkung kann ebenso gra- vierend sein. Hier wollen wir ansetzen, hier werden wir die Befugnisse des Normenkontrollrates erweitern, um noch mehr Entlastungsvolumen zu erzielen. Genau darum werden wir noch einen Schritt weiter gehen. Wir wollen, dass der Normenkontrollrat in Zukunft Gesetzentwürfe auf alle Bürokratiekosten hin überprüft, die den Unternehmen entstehen können. Bisher wurde diese Arbeit von zwei Gremien übernommen. Dabei hat der NKR nur die Kosten berechnet, die durch Informa- tionspflichten entstehen können, das Bundeswirtschafts- ministerium alle anderen Kosten. Wir wollen, dass diese Prüfung ebenfalls vom NKR durchgeführt wird, und so das Verfahren noch schlanker machen. Dann haben wir zu ei- nem Gesetzentwurf eine Stellungnahme aus einem Guss vorliegen, die uns die finanziellen Belastungen gerade auch durch Dokumentations- oder Aufbewahrungs- pflichten beziffert. Warum müssen Bankbelege zehn Jahre aufbewahrt werden? Warum muss ich die alte Soft- ware aufheben und womöglich noch einen alten PC dazu, um die elektronischen Daten auch noch in zehn Jahren dem Finanzamt zeigen zu können? Wieso reichen da nicht die Belege? Gerade das Steuerrecht macht mit über 70 Prozent Anteil den Löwenanteil aus bei den Bü- rokratiekosten. Das muss sich ändern. Wie Sie wissen, ist Deutschland leider Weltmeister in Sachen Steuerfachliteratur – ein trauriger Rekord, auf den Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 26067 (A) (C) (B) (D) wir weder stolz sein können, noch sollten wir ihn einfach so akzeptieren. Es muss uns gelingen, unser Steuersys- tem dauerhaft und nachhaltig zu vereinfachen, um hier die Belastungen für die Bürger, für Verwaltung und Un- ternehmen deutlich zu reduzieren. Das heißt: Wir brau- chen nicht nur eine tarifäre Steuerreform, wir brauchen auch eine, die die Struktur ändert und deutlich einfacher macht. E-Government ist hier ein gutes Stichwort, ebenso wie ELENA. Beides sind zentrale Instrumente bei der Um- setzung von Bürokratieabbau, und beide helfen uns da- bei, die Unternehmen nachhaltig zu entlasten. Wir wollen eine moderne und schlanke Datenerfassung für Unter- nehmen und Verbände, Kommunen und Bürger. Wir wol- len den Menschen wertvolle Zeit ersparen. Dafür werde ich mich einsetzen. Garrelt Duin (SPD): Über Jahrzehnte hinweg war es in unserem Land sehr schwierig, das Bürokratieproblem zu erkennen, zu formulieren und es gar zu beseitigen. Mit dem Normenkontrollrat haben wir es erfolgreich ange- packt. Wir können drei Jahre nach Verabschiedung des Gesetzes zur Einsetzung eines Nationalen Normenkon- trollrates mit der Arbeit dieses unabhängigen Gremiums sehr zufrieden sein. Es wurden überflüssige Belastungen der Wirtschaft vermieden, und die Bundesregierung wird bei der Reduzierung der bestehenden Bürokratiekosten um 25 Prozent bis 2011 bereits ihr Zwischenziel bis Ende 2009 erreichen. Der Normenkontrollrat hat festgestellt, dass in Deutsch- land 10 404 Informationspflichten der Wirtschaft existie- ren, die Bürokratiekosten von rund 47,6 Milliarden Euro pro Jahr erzeugen. Die sind Kosten, die die Wettbewerbs- fähigkeit unserer Wirtschaft mindern und die wir reduzie- ren wollen. Bei dem Reduzierungsansatz allerdings fällt auf, dass von den Informationspflichten 9 230 aus natio- nalen Gesetzen und Verordnungen einschließlich des na- tional umgesetzten EU- und internationalen Rechts ent- standen sind. Immerhin 1 174 Informationspflichten stammen aus EU-Verordnungen, die direkt und unmittel- bar in Deutschland gelten. Nun stehen wir vor dem Problem, dass neben den 22,5 Milliarden Euro, die von uns als nationalem Ge- setzgeber verursacht wurden, circa 25,1 Milliarden Euro auf Regelungen zurückgehen, die durch EU- und inter- nationales Recht veranlasst wurden. Und diese Regelun- gen zu ändern ist der nächste große Schritt beim Büro- kratieabbau. Andere Kosten der Wirtschaftsförderung sind für den Staat wesentlich teurer. In Zeiten des wirtschaftlichen Abschwungs ist es be- sonders wichtig, die Kosten, die Bürgern und Unterneh- men durch neue Gesetze und Rechtsverordnungen entste- hen, möglichst gering zu halten. Wir stehen im globalen Standortwettbewerb, und daher geht es uns darum, neue Möglichkeiten zu nutzen, die Kostenfaktoren unserer Wirtschaft zu optimieren. Daher werden wir in Zukunft den Bürokratiekostenabbau für die Wirtschaft weiter vo- rantreiben. Die bisherige Arbeit, nämlich das Abschätzen der Bü- rokratiekosten bei neuen Regelungsvorhaben durch die Bundesregierung und die Überprüfung dieser Kosten durch den Normenkontrollrat, war erfolgreich. Aller- dings zeigt es sich auch, dass sich die wahrgenommenen Bürokratiebelastungen nicht nur auf Kosten aus Infor- mationspflichten zurückführen lassen. Belastungen, die durch den Vollzug von bundesrechtlichen Vorschriften der Wirtschaft entstehen, sind ebenso relevant. Daher ist es wichtig zu erkennen, wo weitere bürokratische Belas- tungen der Wirtschaft im Verborgenen liegen und wel- cher Weg zu einer weiteren Entlastung der Wirtschaft gegangen werden kann. Hier müssen wir zu einer ganz- heitlichen Betrachtung, von der bundes-, gegebenenfalls über die landesrechtliche Regelung bis hin zum Vollzug durch die zuständigen Stellen, kommen. Für den Vollzug bundesrechtlicher Vorschriften sind in Deutschland in der Regel die Länder und Kommunen bzw. die Kam- mern oder Sozialversicherungsträger zuständig. Unsere nächsten Schritte und Ziele beim Bürokratie- abbau sind auf einen Nenner zu bringen: Erstens. Wir wollen eine Festlegung in den einzelnen Bundesministerien zur Erreichung des Bürokratieabbau- ziels. Zweitens. Es sollen sämtliche auf Bundesrecht beru- henden Informationspflichten für das 25-prozentige Ab- bauziel gelten. Dies gilt auch für die Bundesgesetze, die wir aufgrund von EG-Richtlinien umsetzen. Drittens. Wirklich dauerhaft Bürokratie abbauen kön- nen wir nur, wenn wir unser Abbauziel als Nettoziel an- streben. Denn immer wieder werden durch neue Gesetze, die ja sehr begrüßenswert und notwendig sind, gleichzei- tig neue bürokratische Belastungen – quasi durch die Hintertür – eingeführt. Daher werden wir zukünftig da- rauf achten müssen, neue Belastungen durch zusätzliche Entlastungsmaßnahmen zu kompensieren. Viertens. Bürokratieabbau muss für alle spürbar und erfahrbar werden. Die Bundesregierung sollte daher ver- stärkt branchen- und gruppenspezifische Belastungen bei den Abbaumaßnahmen berücksichtigen. Fünftens. Wir wollen zukünftig im Vorblatt und in den Begründungen zu Gesetzentwürfen auch Angaben zu den weiteren Kosten und Bürokratiebelastungen der Wirtschaft und der Verwaltung mit aufnehmen. Erst dann wird wirklich deutlich, wie die Kosten der neuen Gesetze zu bewerten sind. Sechstens. Der weitere Erfolg des Bürokratieabbau- programms ist davon abhängig, inwieweit es gelingt, im Dialog mit Selbstverwaltungsträgern sowie Ländern und Kommunen auf die Notwendigkeit der bürokratischen Entlastungen hinzuweisen. Denn Bürokratiekosten sind ja nicht begrenzt auf das Bundes- und Europarecht. Bü- rokratische Kosten der Wirtschaft entstehen auch auf kommunaler und Länderebene und im Bereich der So- zialversicherungsträger ebenso. Birgit Homburger (FDP): Auf den letzten Drücker hat sich die Koalition in der letzten Sitzungswoche des 26068 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 (A) (C) (B) (D) Deutschen Bundestages doch noch dazu durchgerungen, spät nachts den Jahresbericht 2008 des Nationalen Nor- menkontrollrates sowie den Bericht der Bundesregie- rung 2008 zur Anwendung des Standardkosten-Modells und zum Stand des Bürokratieabbaus zu beraten, obwohl diese schon über ein Jahr vorliegen. Hätte es überhaupt noch eines Beweises bedurft, dann wäre er spätestens jetzt erbracht. Das Thema ist für die Bundesregierung und die schwarz-rote Koalition schlicht unwichtig. Eine große ausführliche Debatte, in der Bilanz gezo- gen werden könnte, scheuen Union und SPD hingegen. Das überrascht niemanden, sind die Ergebnisse doch mehr als dürftig nach vier Jahren sogenannter Großer Koalition und dem Projekt Bürokratieabbau, das Bun- deskanzlerin Merkel zu Beginn der Legislaturperiode noch zur Chefsache erklärt hat. Es wurden in den letzten vier Jahren beim Bürokratieabbau viele Täuschungs- manöver gestartet und wolkige Reden geschwungen; ei- nen wirklich spürbaren Abbau von Bürokratie gab es nicht. Stattdessen gab es sogar einen Zuwachs an Büro- kratie und dadurch bedingten Kosten. Am Ende der Le- gislaturperiode bleibt aus Sicht der FDP daher nur fest- zustellen, dass das von Schwarz-Rot groß angekündigte Projekt Bürokratieabbau gescheitert ist. Der Jahresbericht des Nationalen Normenkontrollrats für das Jahr 2008 ist für die Bundesregierung ein peinli- ches Dokument, listet es doch ihre Versäumnisse und Verfehlungen haargenau auf. Ich will an dieser Stelle nur eine kleine Auswahl der Kritikpunkte vortragen. Erstens rügt der Normenkontrollrat die fehlende Ge- samtstrategie beim Bürokratieabbau. Die Bundesregie- rung habe zwar Einzelmaßnahmen ergriffen, diese ergä- ben aber kein klares, verbindliches Gesamtkonzept, und inhaltliche und zeitliche Festlegungen fehlten. Zweitens habe sich die Bundesregierung nach wie vor nicht klar zur Definition des 25-prozentigen Abbauziels der Bundesregierung als Nettoziel bekannt. Die Koali- tionsfraktionen haben einen entsprechenden Gesetzent- wurf der FDP-Bundestagsfraktion entgegen anders lau- tender Ankündigung sogar hier im Deutschen Bundestag in der letzten Sitzungswoche abgelehnt. Drittens kritisiert der Normenkontrollrat, dass die Bundesregierung entgegen ihrer Ankündigung im letzten Jahresbericht kein Monitoring zur Bürokratiekostenent- wicklung beschlossen hat. Damit könnte jährlich eine Bilanzierung der beschlossenen Be- und Entlastungen vorgenommen werden, um Veränderungen bei den Büro- kratiekosten transparent sicherzustellen. Schließlich gibt es viertens keinen Bürokratieabbau für die Bürgerinnen und Bürger und die Verwaltung. Hier habe die Bundesregierung nichts unternommen, obwohl dies dringend notwendig wäre. Im letzten Jahr hat die Ko- alition noch angekündigt, eine entsprechende Verände- rung der Prüfkompetenzen des Normenkontrollrats vor- zunehmen. Passiert ist nichts. Ohnehin wäre eine reine Ausweitung der Prüfkompetenzen des Normenkontroll- rats nicht besonders hilfreich, wenn die Bundesregierung – wie bei der Unternehmen- und Erbschaftsteuerreform geschehen – die Kritik des Normenkontrollrats ignoriert. Man nennt so etwas Vogel-Strauß-Taktik. Sie ist für den Bürokratieabbau gänzlich ungeeignet. Nur um das noch einmal klarzustellen: Dieses schlechte Zeugnis und die Kritikpunkte hat nicht die Op- position der schwarz-roten Bundesregierung ausgestellt, sondern der von ihr eingesetzte Normenkontrollrat. Die Bundesregierung wäre gut beraten gewesen, wenn sie die Kritik ernst genommen und die Empfehlungen des Normenkontrollrats befolgt hätte. Im Bericht der Bundesregierung 2008 zur Anwendung des Standardkosten-Modells und zum Stand des Büro- kratieabbaus erklärt die Bundesregierung vollmundig, bis 2009 die Hälfte ihres 25-Prozent-Abbauziels zu errei- chen. Den Beweis bleibt sie schuldig. Demnach beträgt die Entlastung für die Unternehmen rund 6 Milliarden Euro. Doch auch in diesem Bericht gibt die Bundesregie- rung keine Auskünfte über die in demselben Zeitraum verabschiedeten neuen Belastungen, die den Unterneh- men zusätzlich aufgebürdet wurden, und den daraus re- sultierenden Saldo. Auch verliert die Bundesregierung kein Wort darüber, wie der zweite Teil des 25-Prozent- Abbauziels erreicht werden könnte. Die FDP hat wie der Normenkontrollrat die Bundesregierung aufgefordert, entsprechend notwendige Vorarbeiten dafür vorzuneh- men, sodass bald nach der Bundestagswahl die neue Bundesregierung ein Abbaukonzept für weitere 12,5 Pro- zent vorlegen kann. Doch auch hier hat die Bundesregie- rung nichts unternommen und die Vorbereitungen ver- schlafen. Am Ende der sogenannten Großen Koalition aus Union und SPD zeigt sich, dass sie im Bereich Bürokra- tieabbau lediglich beim Ankündigen groß war. Die Chef- sache wurde zur Nebensache, und wirklich etwas bewegt wurde nicht. Für die Unternehmen und die Bürgerinnen und Bürger gibt es keine spürbaren Entlastungen von Bürokratie. Das ist ein Versäumnis, für das CDU/CSU und SPD verantwortlich sind. Konsequentes Handeln wäre nötig gewesen, passiert ist nichts. Bleibt nur die Hoffnung auf die neue Bundesregierung im Herbst, die dem Bürokratieabbau dann den Stellenwert geben muss, den er verdient und den sich die Menschen in Deutsch- land wünschen. Die FDP wird sich weiter nachdrücklich dafür einsetzen, unnötige Bürokratie in Deutschland ab- zubauen. Sabine Zimmermann (DIE LINKE): Die Politik hat in den letzten Jahren in puncto Bürokratieabbau einen falschen Weg eingeschlagen. Das dokumentieren die vorliegenden Berichte der Bundesregierung und des Normenkontrollrates. Zum einen kümmerte sich die Große Koalition nur ein- seitig um die Interessen der Wirtschaft. Ein Bürokratieab- bau für die Bürgerinnen und Bürger blieb auf der Strecke. Dazu wurde keine einzige Maßnahme verabschiedet. Im- mer noch werden Millionen Menschen durch unwürdige Hartz-IV-Regelungen erniedrigt. Arbeitsloseninitiativen, die mithilfe öffentlicher Arbeitsmarktprogramme wie den Kommunal-Kombi Arbeitsplätze schaffen wollen, wer- den durch ungeheure bürokratische Auflagen behindert. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 26069 (A) (C) (B) (D) Schon allein deswegen ist der Bürokratieabbau der Bun- desregierung gescheitert. Zum anderen scheiterte die Regierung auch mit ihrer wirtschaftspolitischen Strategie. Große wirtschaftliche Wachstumseffekte versprach sie sich davon, angeblich „überflüssige“ Informations- und Statistikpflichten für die Unternehmen abzubauen. Mit der Krise liegt diese Strategie nun in Trümmern. Die Krise zeigt: Die Regierung hat völlig falsche Schwerpunkte gesetzt. Obwohl das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung schon 2006 feststellte, die deut- sche Wirtschaft ist durch die amtliche Statistik weitaus geringer belastet als vielfach behauptet, machte sich die Bundesregierung daran, jede kleine Statistikpflicht bis ins letzte Detail zu durchleuchten. Wir meinen: Diese Energie hätte sie besser dafür ver- wendet, die Auftragslage und Finanzierungsbedingun- gen für die Unternehmen zu verbessern. Mit diesen zwei Problemen kämpft heute die Mehrzahl der mittelständi- schen Unternehmen. Die Linke hat hierauf klare und einfach zu realisie- rende Vorschläge. Um Aufträge zu schaffen, will sie ein Zukunftsprogramm auflegen mit Investitionen von 100 Milliarden Euro pro Jahr in Bildung, Gesundheit, Klimaschutz, Infrastruktur und Verkehr. Zwei Millionen Arbeitsplätze könnten so neu entstehen. Um die Kredit- versorgung der Wirtschaft wieder in Gang zu setzen, will sie den privaten Bankensektor in die öffentliche Hand überführen und, entsprechend den Sparkassen, auf das Gemeinwohl verpflichten. Und als akute Hilfe für in Not geratene Unternehmen, auch aus dem Mittelstand will sie einen Zukunftsfonds für eine nachhaltige Wirtschaft einrichten: 100 Milliar- den Euro für die zukunftsfähige, sozial-ökologische Ent- wicklung industrieller Arbeitsplätze. Damit unterstützt werden sollen Unternehmen, die ihre Produktion auf energie- und rohstoffeffiziente Verfahren und Qualitäts- produkte umstellen. Die Bundesregierung bleibt dagegen überzeugende und wirkungsvolle Antworten zur Krise schuldig. Sie stellt mit ihrem Bankenrettungsschirm den Finanzinsti- tuten Milliarden Euro zur Verfügung, ohne dass diese ihre Kreditvergabe nachhaltig verbessern. Sie hat mit ih- ren „Konjunktur-Paketen“ zu spät und zu vorsichtig rea- giert. Die Krise zeigt ferner: Der Bürokratieabbau der Bun- desregierung hat noch einen weiteren Pferdefuß. Unter dem Vorwand, „überflüssige“ Informationspflichten zu beseitigen, sind statistische Daten verloren gegangen, die wir für eine Krisenbewältigung dringend benötigen. So frage ich: War es ein Fortschritt, dass Betriebe mit 20 bis 50 Beschäftigten von der Meldepflicht zu den mo- natlichen Statistiken im verarbeitenden Gewerbe befreit wurden? Nein, denn nun fehlen uns aktuelle amtliche Daten zur Lage dieser Kleinstbetriebe! War es ein Fortschritt, dass Betriebe die bei ihnen ge- leistete Kurzarbeit der Agentur für Arbeit nur noch quar- talsweise statt monatlich melden? Nein, denn so können wir die tatsächliche aktuelle Entwicklung der Kurzarbeit nur schwer verfolgen. Die Bundesregierung und der Normenkontrollrat wei- gern sich, eine kritische Bilanz ihrer Arbeit der letzten Jahre zu ziehen. Aber ohne richtige Schlussfolgerungen aus der Vergangenheit lässt sich keine bessere Politik für die Zukunft machen. Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Bundesregierung hatte sich zu Beginn ihrer Amts- zeit den Bürokratieabbau als Priorität auf die Fahnen ge- schrieben. Umgesetzt hat sie wenig. Ihr jetziges Ziel, bis 2011 die Bürokratie um 25 Prozent abzubauen, ist wenig ambitioniert. Und auch diese Entlastung wird mit den Trippelschritten der Mittelstandsentlastungsgesetze kaum erreicht. Der Normenkontrollrat weist in seinen Berichten darauf hin, dass bei einer bürokratischen Belastung von rund 48 Milliarden Euro durch die mit Bundesregelun- gen verbundenen Informationspflichten Abbaumaßnah- men in Höhe von 12 Milliarden Euro nötig seien. Hier- von sind bisher 6,58 Milliarden Euro beschlossen. Es bleibt also noch sehr viel zu tun! Andere sind da viel weiter: Die Niederlande haben in einer Legislaturperiode die Bürokratielasten um 25 Pro- zent abgebaut, 2006 Vollzug gemeldet und arbeiten jetzt schon an der nächsten Runde. Die deutsche Bundesre- gierung will bis 2011 dieses Ziel erreichen. Und selbst das ist mit den Trippelschritten, die sie mit ihren Mittel- standsentlastungsgesetzen vorlegt hat, noch nicht sicher. Auch Österreich ist da schon viel weiter. In Österreich werden wie in den Niederlanden die Bürokratieabbau- ziele in den Haushaltsplan integriert. Bei den Haushalts- beratungen geht es so immer auch um Bürokratieabbau, jeder Minister berichtet entsprechend. In Deutschland gibt es lediglich Quartalstreffen des Normenkontrollra- tes mit der Kanzlerin, aber keine regelmäßigen Termine mit dem Wirtschaftsminister. Dem Normenkontrollrat fehlen umfassende Kompe- tenzen, um den Bürokratieabbau voranzutreiben. So prü- fen, wie der Normenkontrollrat können müsste, darf er nicht. Wenn die Gesetze durch die Regierung ins Parla- ment eingebracht werden, gibt es eine Bürokratiekosten- einschätzung des Normenkontrollrates. Alles, was im parlamentarischen Verfahren in die Gesetze reingeschrie- ben wird, kann er aber nicht mehr prüfen. Wenn die Frak- tionen Gesetze einbringen, wird er nicht gefragt. Dafür gibt es im Bundestag – leider – keine Mehrheit. Gesetze, die vor Januar 2007 ins Parlament eingebracht worden sind, werden wie zum Beispiel der Gesundheitsfonds gar keiner Bürokratielastenmessung unterzogen. Wir brau- chen jetzt eine ehrliche Durchsicht aller geltenden ge- setzlichen Regelungen sowie aller neuen Beschlüsse des Bundestages auf ihre Bürokratiefolgen hin durch den Normenkontrollrat. Das muss nicht nur am Anfang, son- dern am Ende des parlamentarischen Verfahrens gesche- hen. Da bleiben die Anträge und Entwürfe der FDP zu weich. Wir brauchen nicht nur das Recht der Fraktionen, ihre Entwürfe überprüfen zu lassen. Das muss zur Regel werden. Sonst kann jede Bundesregierung weiter leicht 26070 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 (A) (C) (B) (D) den Normenkontrollrat umgehen, indem ihre Entwürfe einfach über die Regierungsfraktionen eingebracht wer- den und die ihn dann einfach nicht anrufen. Aber das ist nicht das einzige Problem, darum ist der Gesetzentwurf der FDP eindimensional. Der Normen- kontrollrat kritisiert in seinem Jahresbericht selbst: Er kann sich nur auf Belastungen beziehen, die Wirtschaft, Bürgern und Verwaltung durch die Auferlegung von In- formationspflichten entstehen. Bürokratielasten sind aber weiter gefasst und umfassen auch die Belastungen durch Regelungen der Länder, der EU, der Sozialversicherungs- träger. Insgesamt geht der Normenkontrollrat von rund 85 Milliarden Euro Gesamtlasten für die Wirtschaft in Deutschland aus. Das trifft insbesondere kleine und mitt- lere Unternehmen. Sie geben 4 bis 6 Prozent ihres Umsat- zes für staatlich veranlasste Verwaltungskosten aus. Um diesen Problematiken wirksam zu begegnen, müssen wir insgesamt die Rolle des Normenkontrollrats überdenken und ausbauen. Vor allem müssen alle Regelungen so ge- fasst werden, dass sie für KMU auch handhabbar sind. Da ist die von der FDP vorgeschlagene Gesetzesänderung doch sehr zögerlich. Auch die vorgelegten FDP-Anträge weisen zwar teil- weise in die richtige Richtung. Zentrale Bürokratiepro- bleme wie die Gewerbeanmeldungen drängen und müss- ten zuvörderst angegangen werden. Eine Bündelung der Zuständigkeiten bei der Gewerbeanmeldung, die Schaf- fung eines einheitlichen Ansprechpartners oder die elek- tronische Gewerbeanmeldung machen Sinn. Aber die Problematik des Bürokratieabbaus geht noch weit über das hinaus, was die FDP hier thematisiert. Und es ist auch falsch, Umweltziele und Bürokratieabbau wie bei der Behandlung von Abfall gegeneinander auszuspielen. Umweltpolitik ist keine Gängelung der Wirtschaft, son- dern schafft zum Beispiel bei intelligenten Recycling- konzepten oder energetischer Gebäudesanierung neue Investitionsmöglichkeiten und Arbeitsplätze. Da verfällt die FDP einem alten Reflex. Bürokratieabbau ist der einfachere Hebel zur Wirt- schaftsförderung als Subventionen. Gerade kleine und mittlere Unternehmen können umständliche Genehmi- gungs- und Antragsverfahren nur schwer bewältigen. Wir brauchen ein umfassendes Konzept für den Büro- kratieabbau, das Ressort für Ressort umgesetzt wird. Ne- ben der beschriebenen deutlichen Stärkung der Rechte des Normenkontrollrates umfasst das grüne Konzept zum Bürokratieabbau Vorschläge wie Kosten-Nutzen- Rechnungen für Gesetzesvorlagen, die Abschaffung der Generalunternehmerhaftung durch die Auftragnehmer für alle Subunternehmen, die Anhebung der Grenze für geringwertige Wirtschaftsgüter und die Weiterentwick- lung des Teilzeit- und Befristungsgesetzes. Das soge- nannte Ersteinstellungsgebot bei sachgrundlosen Befris- tungen muss abgeschafft werden. Die Wartefrist, die zwischen zwei Arbeitsverhältnissen liegen muss, sollte maximal sechs Monate betragen, um Kettenbefristungen zu vermeiden. Damit ist auf unbürokratische Weise si- chergestellt, dass kein Missbrauch stattfindet. Eine be- fristete Wirkung von Gesetzesänderungen kann im Ein- zelfall nach Sachlage sinnvoll sein. Bündnis 90/Die Grünen haben noch weit umfassen- dere Vorschläge für einen konsequenten Bürokratieab- bau erarbeitet. In den halbherzigen Gesetzgebungsvor- schlägen der Großen Koalition wurden diese bislang ignoriert – nachdem ihnen zuvor Fachpolitiker der Frak- tionen persönlich Respekt gezollt hatten. Es bleibt also viel zu tun. Anlage 18 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Rechtsstaatlichkeit in Russland stärken (Zusatztagesordnungs- punkt 6) Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU): Ich freue mich, dass wir trotz der gedrängten Tagesordnung in den letzten Sitzungstagen dieser Legislaturperiode die Gele- genheit haben, über den vorliegenden Antrag zu spre- chen. Beide Themen sind mir ein äußerst wichtiges An- liegen: die Stärkung der Rechtsstaatlichkeit in Russland und der erneute Strafprozess gegen den ehemaligen Jukos-Chef Michail Chodorkowski und seinen Partner, Platon Lebedew, in Moskau. Erst vor einer Woche habe ich selbst das Verfahren gegen Herrn Chodorkowski und Herrn Lebedew im Cha- mowniki-Bezirksgericht beobachtet. Mit meinem Be- such wollte ich die politische Bedeutung dieses Prozes- ses unterstreichen, sowohl mit Blick auf den konkreten Fall als auch wegen seiner grundsätzlichen Bedeutung für die Entwicklung Russlands. Aus dem, was ich in der kurzen Zeit beobachten konnte, vor allem aber aus den Studien der Prozessbeob- achtungsunterlagen, aus mehreren Gesprächen mit di- versen Anwälten der Angeklagten, zuletzt in Moskau mit dem Leiter des Anwälteteams, Wadim Kljugwant, aus den Berichten meiner Kollegen Frau Marieluise Beck und Markus Meckel, vor allem aber durch den jüngsten Bericht des Europarates fühle ich mich in der Sorge bestätigt, dass dieser Prozess in rechtsstaatlicher Hinsicht erhebliche Fragezeichen aufwirft und nicht den rechtsstaatlichen Bedingungen entspricht, zu denen sich Russland verpflichtet hat, und dass er für politische Ziele genutzt werden könnte. Aus diesen Gründen bedauere ich sehr, dass wir über dieses Thema unter so schwierigen Rahmenbedingungen debattieren müssen. Es hätte mehr Aufmerksamkeit ver- dient. Das ist nicht irgendein Thema unter „ferner lie- fen“, sondern für die Chancen von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Russland grundlegend und damit auch für die Entwicklung von Europa von direkter Rele- vanz. Umso mehr bedauere ich, dass es unserem Koali- tionspartner so schwergefallen ist, einem Antrag zuzu- stimmen, der sich dezidiert mit dem Fall Chodorkowski und nicht nur allgemein mit der Rechtsstaatlichkeit in Russland befasst. Schon während der ersten Strafverfolgung von Michail Chodorkowski und Platon Lebedew 2003 bis 2005 hat der Europarat gravierende Verletzungen der Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 26071 (A) (C) (B) (D) russischen Strafprozessordnung und des Rechts auf ei- nen fairen Prozess festgestellt. Die Parlamentarische Versammlung des Europarats kam damals zu der Schlussfolgerung, dass der russische Staat bei dem Pro- zess nicht in erster Linie strafrechtliche Ziele verfolgte, sondern einen politischen Gegner schwächen und sich wirtschaftliches Vermögen aneignen wollte. In seinem jüngsten Bericht zu juristischen Miss- brauchsfällen in Europa, der zur Hälfte Russland gewid- met ist, verweist der Europarat auf eine lange Reihe fort- bestehender Defizite im russischen Justizsystem und nennt den zweiten Chodorkowski-Prozess einen „emble- matischen“ Fall für russische Unternehmen, die einer „unerbittlichen Verfolgung“ durch die Strafbehörden ausgesetzt sind. Der Eindruck, dass dieser Prozess eine Reihe grundlegender Fragezeichen aufwirft, hat sich durch meinen Besuch des Verfahrens verfestigt. Diese betreffen vor allem die selektive Kriminalisierung eines Unternehmens wie auch die Anklage selbst. Der Vor- wurf der Unterschlagung der gesamten Fördermenge von drei Jukos-Tochterunternehmen über sechs Jahre im Wert von fast 20 Milliarden Euro erscheint wenig plausi- bel. Doch auch die Prozessführung der Staatsanwalt- schaft, die zum Teil aus Dokumenten selektiv und bruch- stückhaft vorträgt, und die Ablehnung fast aller Anträge der Verteidigung werfen Fragen auf. Wegen seiner Signalwirkung auf die Wirtschafts- und Rechtskultur in Russland ist der Chodorkowski- Prozess damit ein wichtiger Testfall für die von Präsi- dent Medwedew angemahnte Glaubwürdigkeit der russi- schen Justiz. Er ist aber auch ein Testfall für die Einhal- tung der Standards des Europarats, zu denen sich Russland verpflichtet hat. Präsident Medwedew hat es zu seinem wichtigsten Ziel erklärt, in seinem Land mehr Rechtsstaatlichkeit und Rechtssicherheit aufzubauen. Es ist der russische Präsident und nicht wir, der den Begriff vom russischen „Rechtsnihilismus“ geprägt hat. Auch ein Jahr nach Medwedews Amtsantritt bleibt die Entwicklung indes widersprüchlich. Es gibt eine Reihe hoffnungsvoller Entwicklungen im Wirtschaftsbereich oder im Straf- vollzugssystem. Dem stehen jedoch besorgniserre- gende Entwicklungen gegenüber, unter anderem die Einschränkung der Geschworenengerichtsbarkeit, die unaufgeklärten Morde an Journalisten und Menschen- rechtlern, die Verschärfung von Strafen für Delikte im Zusammenhang mit terroristischen Akten, aber auch die Neuregelung der Ernennung des Vorsitzenden des Ver- fassungsgerichts. Wenn Russland sein Ziel erreichen möchte, zu einer der fünf größten Weltwirtschaften aufzusteigen, müssen auch Investoren auf Rechtssicherheit und Rechtsstaat- lichkeit bauen können. Mehr Rechtsstaatlichkeit schafft mehr Investitionen. Vor allem aber müssen die Men- schen in Russland, die die wirtschaftliche Modernisie- rung voranbringen sollen, das Gefühl von Rechtssicher- heit haben. Bei der Modernisierung Russlands geht es nicht um einen technischen Prozess, sondern um eine ge- samtgesellschaftliche Aufgabe, die die Partizipation der ganzen Bevölkerung voraussetzt. Modernisierung erfor- dert nicht nur Investitionen und Know how. Modernisie- rung erfordert auch, dass der Staat freiheitliches Handeln und Gestalten sicherstellt durch Rechtsstaatlichkeit, durch deutlich weniger Korruption und Bürokratie, durch mehr Pluralismus in Politik und Gesellschaft. Für das Vertrauen zwischen Regierung und Gesellschaft ist die Frage der Rechtsstaatlichkeit ein entscheidender Faktor. So ist der zweite Chodorkowski-Prozess auch ein Testfall für die Modernisierungsfähigkeit Russlands. Aus diesen Gründen halte ich eine ständige Beobach- tung dieses Prozesses durch Vertreter der EU und des Europarates für unbedingt erforderlich, um eine differen- zierte Bewertung des Verfahrens sicherzustellen. Wir, das heißt Parlamentarier und Regierungen aus den Län- dern des Europarates, müssen auch weiterhin – im ange- messenen Ton – die rechtsstaatlichen Defizite in Russ- land offen ansprechen. Ich sehe dies keineswegs als „Schaufensterpolitik“, wie es der deutsche Außenminis- ter einmal genannt hat, sondern als Unterstützung des Kurses des russischen Präsidenten im Kampf gegen „Rechtsnihilismus“ und für mehr Rechtsstaatlichkeit. Dazu gehört ebenso, dass die EU und insbesondere Deutschland Russland weiterhin den Ausbau der Zusam- menarbeit auf dem Gebiet des Justizwesens anbieten, wie wir es in unserem Antrag ebenfalls fordern. Markus Meckel (SPD): Ich freue mich sehr, dass es nach langem Ringen nunmehr gelungen ist, im Deut- schen Bundestag einen Antrag zur Lage der Rechtsstaat- lichkeit in Russland einzubringen. Ganz besonders be- grüße ich die Tatsache, dass sich auch die FDP und Bündnis 90/Die Grünen dem Entwurf der Koalitions- fraktionen angeschlossen haben und wir somit letzten Endes ein gemeinsames Signal senden können. Mit un- serem Antrag fordern wir nicht nur die Bundesregierung dazu auf, im Rahmen der bilateralen und der EU-Bezie- hungen sowie innerhalb von OSZE und Europarat auf eine substanzielle und nachhaltige Verbesserung der rechtsstaatlichen Lage in Russland zu drängen und des- sen Bemühungen nach Kräften zu unterstützen. Wir möchten auch ein deutliches Signal an Russland senden, um deutlich zu machen, dass wir im Deutschen Bundes- tag auch die inneren Entwicklungen in diesem Land sehr aufmerksam verfolgen. Das genaue Hinsehen ist auch wichtig angesichts der Intensität unserer Zusammenar- beit mit Russland. Zusammenarbeit bedeutet allerdings nicht, dass kritische Fragen ausbleiben müssen. Denn die innere Entwicklung gibt in der Tat weiterhin Anlass zur Sorge. Der Begriff „Demokratie“ ist infolge des ersten Transformationsjahrzehnts in der russischen Öffentlich- keit diskreditiert. Wladimir Putin beantwortete während seiner Präsidentschaft den Wunsch der Bevölkerung nach Stabilität, Sicherheit und sozialer Gerechtigkeit mit einer Politik der Stärke. Dabei wuchs der Einfluss der Sicherheitsdienste und kremlnaher Eliten, vor al- lem der Staatsapparat und die Justizbehörden entwi- ckelten ein Eigenleben. Das autoritäre und hierarchi- sche System beförderte die Korruption. Russland erlebt seither politische Prozesse und Morde an Andersden- kenden. Die Bevölkerung misstraut den Sicherheits- 26072 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 (A) (C) (B) (D) diensten, insbesondere der Miliz und den Justizbehör- den. Zu Recht hat der heutige Präsident Dmitrij Medwedew gesagt, dass in diesen Herausforderungen das Hauptproblem für die Entwicklung Russlands zu ei- nem modernen Staat liegt. Folgerichtig hat er erklärt, Reformen in diesem Bereich in Angriff zu nehmen. Diese Reformanstrengungen müssen sich allerdings an konkreten Fortschritten und deutlichen Signalen mes- sen lassen. Schon der erste Prozess gegen den früheren Jukos-Chef Michail Chodorkowski und seinen einstigen Geschäftspartner Platon Lebedew hat große internatio- nale Aufmerksamkeit erfahren und viel Kritik hervorge- rufen. Der derzeit laufende zweite Prozess wird daher umso mehr zum Testfall werden, obwohl schon jetzt Zweifel daran angebracht sind, ob die russische Justiz diesen denn bestehen wird. Viele Anzeichen sprechen dafür, dass auch das neue Verfahren politisch motiviert ist. Die Anklage erscheint allein ob der Angaben zur ver- meintlich unterschlagenen Menge an Erdöl absurd, die in aneinandergereihten Waggons rund dreimal um die Erde reichen würde. Ich bin – wie zuletzt mehrere Kolleginnen und Kolle- gen – nach Moskau gereist, um den zweiten Prozess ge- gen Chodorkowski und Lebedew vor Ort zu beobachten. Dabei war es mir wichtig, zu zeigen, dass wir in Deutschland sehr genau verfolgen, wie sich die Reform- ankündigungen Präsident Medwedews auf dieses vielbe- achtete Verfahren auswirken. Meine persönlichen Ein- drücke im Gerichtssaal waren wenig ermutigend. Die beiden gesundheitlich angeschlagenen Angeklagten wer- den von schwer bewaffneten Einheiten in den Gerichts- saal geführt und im Inneren von vier verschiedenen uni- formierten Diensten bewacht. Sie verfolgen den Prozess in einem Kasten aus Panzerglas, gleich einem Aquarium. Mit ihren Anwälten können sie nur durch schmale Schlitze an der Seite des Glaskastens kommunizieren, kommen selbst kaum zu Wort. Dieser Sicherheitsaufwand ist – bedenkt man den Verfahrensgegenstand eines angeblichen Wirtschaftsver- brechens – schlichtweg entwürdigende Schikane und Behinderung ihrer Kommunikation mit den Verteidi- gern. Bereits seit Wochen trägt die Staatsanwaltschaft ihre Sichtweise des Falls vor, ohne dass die Verteidi- gung jeweils konkret reagieren kann. Eine ordentliche Verhandlung im Sinne eines Für und Wider kommt nicht zustande. Das Verfahren ist ein Testfall für die Ernsthaftigkeit der Reformanstrengungen und für die Glaubwürdigkeit Präsident Medwedews überhaupt. Klare Zeichen seinerseits und konkrete Schritte könnten die Gerichte ermutigen, frei und unabhängig zu entschei- den sowie etwaigen Manipulationen der Ermittlungsbe- hörden entgegenzutreten. Zugleich bleibt eine umfas- sende Justizreform unerlässlich, und Deutschland sowie unsere EU-Partner sollten ihn dabei nach allen zur Ver- fügung stehenden Möglichkeiten unterstützen. Lassen Sie mich auch auf einen weiteren Testfall ein- gehen. Der im Februar 2009 ergangene Freispruch der vier des Mordes an Anna Politkowskaja Beschuldigten „aus Mangel an Beweisen“ hatte mich einstweilen sehr positiv gestimmt. Denn es genügt eben nicht, der Öffent- lichkeit schnell die vermeintlich Schuldigen zu präsen- tieren. Die Geschworenen hatten damals mit ihrer ein- stimmigen Entscheidung mutig verdeutlicht, dass fehlerhafte Ermittlungen, der plötzliche „Verlust“ entlas- tender Beweismittel und die Ausübung von Druck auf sie selbst und die Angeklagten einem rechtsstaatlichen Strafverfahren unangemessen sind. Nun wird der Pro- zess gegen die vier Männer neu aufgerollt. Eine neuerli- che Beweisaufnahme wurde vom Obersten Gerichtshof untersagt, lediglich die Geschworenen werden ausge- tauscht. Ich halte dies für einen bedenklichen Fehler der Verantwortlichen in Politik, Justiz und Ermittlungsbe- hörden. Vieles deutet darauf hin, dass die wahren Hinter- gründe der Tat nicht aufgedeckt werden sollen. Ob die Angeklagten etwas mit dem Mord an Politkowskaja zu tun haben, steht zu beurteilen mir nicht zu. Kollegen und Angehörige der Ermordeten zweifeln jedoch daran, dass die Angeklagten den Mord verübt oder den Auftrag ge- geben haben. Wenig positiv sieht es auch bei der Zusammenarbeit Russlands mit der für den Menschenrechtsschutz in Eu- ropa zentralen Institution, dem Europarat, aus. Russland ist weiterhin der einzige Staat, der das 14. Zusatzproto- koll zur Europäischen Menschenrechtskonvention nicht ratifiziert, womit eine Reform des Gerichtshofs ermög- licht und dieser in die Lage versetzt würde, der Flut von Beschwerden aus den neuen Mitgliedstaaten Herr zu werden. Zwar hat die Parlamentarische Versammlung des Europarates auf ihrer Sitzung Ende April 2009 ein außergewöhnliches Vorgehen beschlossen. Bei aus- drücklicher Zustimmung aller anderen Mitgliedstaaten soll das Protokoll vorläufig in Kraft gesetzt werden – in allen Mitgliedstaaten außer Russland. Aber etwa ein Fünftel der jährlich eingehenden Beschwerden stammt aus der Russischen Föderation. Der Europäische Ge- richtshof für Menschenrechte muss wesentliche Mängel der russischen Justiz auffangen. Wir müssen im Deutschen Bundestag weiterhin auf- merksam die inneren Entwicklungen in Russland verfol- gen und unsere Regierung stets auffordern, im Dialog mit dem russischen Präsidenten und der russischen Re- gierung auch diese unangenehmen Fragen anzusprechen. Eine echte Partnerschaft, eine vertrauensvolle Zusam- menarbeit lebt von der Offenheit. Es wäre ein Fehler, bei all diesen Fragen auf Kritik zu verzichten. Es ist darüber hinaus auch äußerst wichtig, dass sich das neu gewählte Europäische Parlament diesen Fragen zuwendet und dass das Thema Rechtsstaatlichkeit im Rahmen der EU-Russland-Beziehungen umfassend the- matisiert und gemeinsam in Angriff genommen wird. Doch vieles liegt zuallererst in der Hand Russlands. Die Glaubwürdigkeit Präsident Medwedews und seiner Reformagenda wird sich nicht zuletzt daran entscheiden, wie der Testfall Chodorkowski/Lebedew vor Gericht ausgeht. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP): Mit diesem Antrag, unterstützt von vier Fraktionen des Deutschen Bundestages, soll wenigstens zum Ende der Legislaturperiode die Russische Föderation im Mittel- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 26073 (A) (C) (B) (D) punkt einer Debatte stehen. Dafür gibt es mehrere Gründe, die in diesem Antrag auch dargelegt sind: die Bedeutung als wichtiger und größter östlicher Nachbar der Europäischen Union, Russland als ständiges Mit- glied des UN-Sicherheitsrates und damit wichtiger Part- ner bei Entscheidungen, die Konfliktherde in unmittel- barer Nachbarschaft wie in Nahost und im Iran, aber auch an anderen Stellen dieser Welt betreffen. Die Russische Föderation ist der größte Mitgliedstaat des Europarates, damit kommt dem Europarat als supra- nationale Organisation eine besondere Bedeutung zu. Die Mitgliedschaft im Europarat setzt die Erfüllung völ- kerrechtlicher Verpflichtungen, niedergelegt in der Euro- päischen Menschenrechtskonvention, voraus. Dazu ge- hört unter anderem die Rechtsstaatlichkeit, die geprägt ist von der Unabhängigkeit der Justiz, fairen Verfahren vor dem Gericht, besonders im Strafprozess. Dazu ge- hört Rechtssicherheit für Investoren und ausländische Unternehmen, die sich in Russland niederlassen und sich auf Gesetze und eine Rechtspraxis, zum Beispiel im Handels-, Gesellschafts-, Banken- und allgemeinem Haftungsrecht, verlassen können müssen. Deshalb wird in diesem Antrag zu Recht die Besorgnis zum Ausdruck gebracht, dass sich die rechtliche Situation in der Russi- schen Föderation in den letzten Jahren längst nicht so entwickelt hat, wie das auch nach den Verpflichtungen des Europarates notwendig gewesen wäre. Positiv ist zu erwähnen, dass es Verbesserungen in der sozialen Absicherung von Richtern und Staatsanwälten in den vergangenen Jahren gegeben hat. Damit wurde das berechtigte Ziel verfolgt, der herrschenden Korrup- tion und Bestechung etwas den Boden zu entziehen. Weiter wurde ein Richterrat geschaffen, der sich mit der Ernennung, der Beförderung von Richtern und Diszipli- narmaßnahmen gegenüber Richtern befasst. Als jüngste Maßnahme wurde ein von der Generalstaatsanwaltschaft getrenntes Investigationskomitee errichtet, das Aufga- ben der Generalstaatsanwaltschaft zu übernehmen hat. Diese Bemühungen sind dringend notwendig, um die in der Tradition des sowjetischen Rechtssystems ste- hende Übermacht der Staatsanwaltschaft mit Dominanz in den Strafgerichtsverfahren abzubauen und die Staats- anwaltschaft auf gleiche Augenhöhe mit Richtern und Rechtsanwälten zu bringen. Trotz finanzieller Verbesse- rungen gibt es längst keine Unabhängigkeit der Justiz. Im Gegenteil: Die sogenannte Telefonjustiz ist an der Tagesordnung, was bedeutet, dass Richter in ihrer tägli- chen Arbeit Anweisungen von Direktoren ihres Ge- richts, dem Druck der Vertreter der Staatsanwaltschaft und politischen Anweisungen ausgesetzt sind. Die Zahl der entlassenen Richter ist in den letzten Jahren deutlich angestiegen. Daran konnte auch der neu eingerichtete Justizrat nichts ändern, in dem Vertreter des Präsidenten großen Einfluss ausüben. Prominente Fälle haben immer wieder den Blick auf diese Missstände in der russischen Justiz gelenkt. Ein wirklich beeindruckender und erschreckender Fall ist der Prozess gegen die Verantwortlichen des früheren Jukos-Konzerns, gegen Chodorkowski, Lebedew und Pitschugin. In meinem Bericht für die Parlamentarische Versammlung des Europarates habe ich diese rechts- staatlichen Defizite minutiös mit Belegen dargelegt. Dieser Bericht hat zwar Chodorkowski, Lebedew und Pitschugin nicht helfen können, aber er hat andere russi- sche Staatsangehörige vor der Auslieferung nach Russ- land bewahrt. In mehreren Fällen in Großbritannien und in Zypern war dieser Bericht Grundlage für die Ablehnung der Auslieferungsersuchen der Russischen Föderation, weil die mit den Auslieferungsersuchen befassten Richter auf der Grundlage dieses Berichts die Gefahr sahen, dass keiner der betroffenen Personen ein auch nur annähernd rechtsstaatliches Verfahren zu erwarten hatte und auch sein Leben nicht garantiert werden konnte. Der zweite Prozess gegen Chodorkowski und Lebedew muss auch nüchterne Betrachter entsetzen, liegen doch diesem er- neuten Verfahren, in dem es Freiheitsstrafen bis zu 20 Jahren geben könnte, dieselben Sachverhalte und Fakten zugrunde wie beim ersten Prozess, nur bewertet man sie jetzt vollkommen anders als im ersten Verfah- ren. Da merkt jeder Jurist, dass das in sich nicht haltbar, widersprüchlich und deshalb willkürlich ist. Es ist deshalb besonders wichtig, die Verantwortli- chen in Russland mit Nachdruck aufzufordern, endlich den Rechtsnihilismus, den der eigene Präsident kritisiert, mit der Verbesserung des Justizsystems zu bekämpfen. Es muss endlich die Unabhängigkeit der Justiz, frei von politischen Einflüssen der Vorgesetzten garantiert wer- den. Es muss endlich eine unabhängige Entscheidung über die Einstellung, Beförderung und Entlassung von Richtern geben. Es muss dieses Bewusstsein der Unab- hängigkeit und der kritischen Analyse vorliegender Fälle mit der eigenständigen Bewertung des Sachverhalts in der Ausbildung, dem Studium und der Fortbildung ver- mittelt werden. Leider hat sich in den letzten Jahren die Entwicklung nicht in eine bessere, sondern in eine schlechtere Rich- tung bewegt. Es sollte eine ständige Beobachtung des Prozesses gegen Chodorkowski und Lebedew geben, am besten im Rahmen der Europäischen Union, aber auch angestoßen vom Ministerkomitee in der Parlamentari- schen Versammlung des Europarates. Das sollte Außen- minister Steinmeier tun. Mit ständigen Berichten sollte größtmögliche Transparenz in Deutschland und den eu- ropäischen Mitgliedstaaten hergestellt werden. In allen internationalen Gremien, in denen Russland Mitglied ist, sollten die rechtsstaatlichen Defizite Russlands themati- siert werden und die Einhaltung eingegangener Ver- pflichtungen von der russischen Regierung eingefordert werden. Ein funktionierendes Rechtssystem der Russischen Föderation liegt auch im deutschen Interesse, denn das gibt für Investitionen deutscher Unternehmen Rechtssi- cherheit und für Journalisten und Menschenrechtsvertei- diger aus Deutschland zumindest die große Chance, bei ihrer Arbeit nicht Opfer der Maßnahmen der Polizei zu werden. Schade, dass diese so wichtige Debatte, die die Menschen in Deutschland aufrütteln würde, so spät und damit nur mit zu Protokoll gegebenen Reden stattfindet. 26074 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 (A) (C) (B) (D) Monika Knoche (DIE LINKE): Wieder einmal ha- ben CDU/CSU, FDP, SPD und die Grünen einen Schul- terschluss gegen die Linken vollzogen. Interfraktionell ist dieser Antrag zu Russland nicht. Das ist keine Klage, sondern eine Feststellung zur mangelnden demokrati- schen Praxis der genannten Parteien im Bundestag. Dieser Text müsste eine veränderte Intention beinhal- ten, wollten wir ihn mittragen. Denn an allererster Stelle müsste hier die OSZE genannt werden. Sie ist die Orga- nisation, der Russland nicht nur angehört, sondern die sie mitbegründet hat. Sie ist vorrangig der Ort, an dem die Umsetzung von rechtsstaatlichen Prinzipien und die Vollendung von Menschenrechten begleitet wird. Zweifellos gehören Presse- und Meinungsfreiheit zu den zentralen Anforderungen moderner Menschen- rechtspolitik. Ein verlässliches Rechtsstaatssystem ist Garant für Bürgerrechte. Dazu hat sich Russlands Präsi- dent Medwedew bekannt, als er den Rechtsnihilismus anprangerte. Die Europäische Menschenrechtskonven- tion hält darüber hinaus Maßstäbe bereit, um das rechts- staatliche Handeln zu beurteilen. Auch steht russischen Bürgerinnen und Bürgern der Weg zum Europäischen Menschenrechtsgerichtshof offen. Dennoch gehört es zu einem aufgeklärten unideologi- schen Umgang mit Russland, dass Deutschland – wie bereits angestoßen – seine Angebote für eine Partner- schaft mit Russland erweitert und rechtsstaatliche Ent- wicklungen zu befördern hilft. Meines Erachtens kann aber die generelle Frage der Rückverstaatlichung und die politische Gestaltungskom- petenz im Bereich der fossilen Energiewirtschaft nicht auf die Strafrechtsfrage allein reduziert werden, wie dass bei diesem Antrag anklingt. Da Russland kaum produziert, viele Konsumgüter im- portiert und sein Staatswesen maßgeblich über den Roh- stoffexport finanziert, müssen gerechterweise auch die Rückverstaatlichungsmaßnahmen einer politischen Be- wertung zugeführt werden. Die Jelzin-Ära hat die Öko- nomie in ein großes Desaster geführt und dem Bevölke- rungsinteresse einen ganz schlechten Dienst erwiesen. Von der Verwendung der Steuereinnahmen und Gewinne der Energiewirtschaft wird künftig abhängen, ob Russ- land innergesellschaftliche Gerechtigkeit und Chancen- gleichheit herstellen kann. Was sich im Bereich des So- zial- und Gesundheitswesens nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion vollzogen hat, widerspricht dem Men- schenrecht auf Sicherung der Grundbedürfnisse. Hier soll nicht verschwiegen werden, dass insbeson- dere die anwachsende Zahl von Spritzdrogenabhängi- gen, Obdachlosen und mittellosen Rentnerinnen und Rentnern bewirkt, dass die sozialen Menschenrechte zur Makulatur werden. Allein der Zugang und die volle Ver- sorgung im Gesundheitswesen gehören mit zu den Erfor- dernissen eines sozialen Rechts- und Gemeinwesens. Meinungs- und Pressefreiheit schließlich – wie sie hier angemahnt wird – ist und bleibt OSZE-Verpflich- tung der russischen Regierung. Allerdings ist der kom- merzielle Mediensektor nicht automatisch ein Ausweis für Meinungsfreiheit. Man kann nicht über Russland sprechen, ohne auf die Folgen des faschistischen Krieges gegen die Sowjet- union hinzuweisen. Hat Gorbatschow die Vereinigung der beiden deutschen Länder ermöglicht, so sieht sich Russland heute verstärkt von der NATO eingekreist. Ohne intensive Partnerschaft mit Russland kann es keine gesamteuropäische Friedensordnung geben. Ein neues System europäischer Sicherheit ist deshalb zu schaffen. Mit Russland und den postsowjetischen Staaten muss es auf Abrüstung, Kooperation und vertrauensbildenden Maßnahmen beruhen. Russland gehört zu Europa. Auch deshalb muss die OSZE ihre, dem Gründungskonsens entsprechende, friedensstiftende, integrierende, koopera- tive Politik mit und zu Russland auf eine neue Stufe he- ben. Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vor einigen Wochen, genau am 27. April, beobachtete ich für zwei Tage den laufenden Prozess ge- gen Michail Chodorkowski und seinen früheren Partner Platon Lebedew. Es war ein kafkaeskes Szenario. Die Angeklagten sitzen in einem von bewaffneten Wächtern umstellten Glaskäfig, als handele es sich um gefährliche Terroristen. Den ganzen Tag las eine uniformierte Staats- anwältin mit monotoner Stimme aus der Anklageschrift vor. Dieses Szenario wiederholt sich seit Wochen täglich in ermüdender Eintönigkeit. Im Unterschied zum ersten Prozess ist dieser öffent- lich. Das kann man als Fortschritt sehen, aber auch als Demonstration. Denn der entstehende Eindruck ist der einer seelenlosen Maschinerie, deren Produkt feststeht: Der Staatsfeind Nummer eins wird vorgeführt, und der Staat bestraft ihn mit der für Staatsfeinde gebotenen Härte. Auch andere Kolleginnen und Kollegen aus dem Bundestag haben sich diesem Eindruck ausgesetzt, wei- tere werden folgen, sicher auch aus den Parlamenten an- derer Länder. Das ist gut so, und es ist wichtig. Wir wis- sen nicht, ob diese Demonstrationen internationaler Aufmerksamkeit den Ausgang des Prozesses beeinflus- sen werden. Aber wir wissen, dass er den Angeklagten das Gefühl vermittelt, nicht vergessen zu sein. Genauso wichtig jedoch sind zwei weitere Adressa- ten: die russische unabhängige Zivilgesellschaft, für de- ren Mitgestaltungsanspruch stellvertretend Michail Chodorkowski in seinem Glaskäfig sitzt, und der russi- sche Staat, der seinen autoritären Herrschaftsanspruch demonstriert. Auch sie sollen sehen, dass sie begleitet und beobachtet werden. Michail Chodorkowski ist inzwischen längst zum Symbol für den Umgang des russischen Staates mit sei- nen unabhängigen Kritikern geworden. Kaum jemand, auch in Russland, bezweifelt das politische Motiv des Prozesses – in diesem zweiten noch eindeutiger als im ersten Prozess im Jahre 2005. Denn anders als damals geht es jetzt nicht mehr auch um die Umverteilung des Reichtums in Form der Zerschlagung des Jukos-Kon- zerns. Die ist längst erfolgt, und ihre Profiteure sind eben jene Gruppen im Umfeld des Kreml, die das Verfahren betrieben und vorentschieden haben. Dieser Vorgang hat Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 26075 (A) (C) (B) (D) viele weitere Menschen ins Gefängnis gebracht, von de- nen anzunehmen ist, dass sie Opfer der Kampagne gegen Chodorkowski wurden. Sie alle zu nennen, würde den Rahmen hier sprengen. Aber einige der weniger Bekann- ten seien stellvertretend erwähnt: Da ist zum Beispiel Wassili Aleksanjan, der frühere Geschäftsführer von Jukos. Er wurde 2006 verhaftet, kurz danach wurde eine HIV-Infektion festgestellt. An- gemessene medizinische Hilfe wurde ihm verweigert. Im Jahre 2008 wurde er nach einem Hungerstreik Chodorkowskis in einem Fachkrankenhaus angekettet. Seit Ende 2008 ist er, todkrank, auf Kaution frei. Ein schlimmer Fall ist auch der von Swetlana Bachmina, frü- her Juristin bei Jukos. Verhaftet Ende 2004, verweigerte man der zweifachen Mutter monatelang den Kontakt zu ihren Kindern. 2006 wurde sie zu mehr als acht Jahren Haft verurteilt, die Strafe später um zwei Jahre verkürzt. Zum dritten Mal schwanger, wurde ihr die vorzeitige Entlassung verwehrt. Nach einer breiten öffentlichen Kampagne und einer Reue-Erklärung wurde sie schließ- lich im April 2009 freigelassen. Alexander Iwannikow, Bürgermeister einer Siedlung im Ural, in der auch Jukos-Töchter aktiv waren, wurde wegen Überschrei- tung seiner Befugnisse zugunsten dieser Firmen zu fünf Jahren Haft verurteilt, die er in einem Straflager verbüßt. Auch Antonio Valdes-Garcia, Generaldirektor einer Jukos-Tochter, war zunächst nur Zeuge. 2005 wurde er verhaftet und offensichtlich schwer gefoltert. Er kam 2006 auf Kaution frei und floh nach Spanien. Andere Generaldirektoren von Tochterfirmen wie Sergej Shimkevich sitzen nach wie vor in Untersuchungshaft. Ein besonderer Fall ist Alexej Pitschugin, früher Mit- arbeiter des Sicherheitsdienstes von Jukos. Er wurde be- reits 2003 verhaftet und 2005 unter der Anklage, Mord- aufträge erteilt zu haben, zunächst zu 20 Jahren, später zu 24 Jahren und in einem weiteren Verfahren zu lebens- länglicher Haft verurteilt. Zurück zur Gegenwart. Jetzt geht es um eine Demons- tration der Macht. Chodorkowski verkörpert den Typus des aufgeklärten, emanzipierten und unabhängigen Staatsbürgers, den autoritäre Strukturen mehr fürchten als Armeen. Er steht für den Mitgestaltungsanspruch der Zi- vilgesellschaft, für demokratische Regeln und eine plura- listische Gesellschaft. Die Entwicklung eines derart mo- dernen Russland ist es, was die Putin’sche Doktrin der „gelenkten“ – nach innen – oder „souveränen“ Demokra- tie – nach außen – zu verhindern sucht. Angesichts dessen ist es – nebenbei bemerkt – verwunderlich, dass Amnesty International sich bis heute nicht dazu durchringen konnte, Chodorkowski als politischen Gefangenen anzu- erkennen. Das internationale Renommee dieser Organi- sation würde ihm und dem Thema der Rechtsstaatlichkeit und Demokratie in Russland sehr helfen können. Der von Putin ausgewählte und vom Volk bestätigte neue Präsident Medwedew versuchte vom Beginn seiner Amtszeit an, den Eindruck eines im eben beschriebenen Sinne modernen Präsidenten zu vermitteln. Viele seiner Reden und manche seiner Erlasse belegen das. Entspre- chend groß waren die Erwartungen an ihn – zumindest im Ausland. Gleichwohl ist bisher nur wenig Verände- rung zu erkennen. Aber es bleibt richtig und sinnvoll, ihn und seine Politik an den selbst erklärten Maßstäben zu messen. Dies gilt im Übrigen über die Person Medwe- dews hinaus. Immerhin ist Russland Mitglied der OSZE und des Europarates. Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: so notwendig die Kritik an Russland ist, so deutlich sie gerade im Fall Chodorkowski ausgesprochen werden muss – es geht nicht um eine pauschale Verurteilung Russlands. Vielmehr ist die Modernisierung Russlands unser Inte- resse, sowohl die wirtschaftliche wie die politische und gesellschaftliche. Ich meine sogar, dass auch führende russische Politiker wie Putin das wissen. Worum es geht, sind die Mittel und Wege, dorthin zu kommen. Kein Präsident kann die Dynamik umfassen- der Reformen dekretieren und dosieren. Nötig sind ge- sellschaftliche Bewegungen, und die brauchen Spiel- raum und Rechtssicherheit. Solange der Apparat an der Spitze davor Angst hat, wird er solche Dynamiken unter- drücken und damit wirksame Modernisierungen verhin- dern. Hoffen wir für Russland, für uns alle und nicht zu- letzt für Michail Chodorkowski, dass Präsident Medwedew das versteht und danach zu handeln im- stande ist. Anlage 19 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts: Verordnung über Anforderungen an eine nachhaltige Herstellung von flüssiger Bio- masse zur Stromerzeugung (Biomassestrom- Nachhaltigkeitsverordnung – BioSt-NachV) (Zusatztagesordnungspunkt 7) Dr. Maria Flachsbarth (CDU/CSU): Die Verwen- dung nachwachsender Rohstoffe zur Energiegewinnung in den Bereichen Strom, Wärme und Mobilität ist unver- zichtbar zum Erreichen der ehrgeizigen Ausbauziele der Bundesregierung für erneuerbare Energien. Biomasse ist einer der wichtigsten und vielseitigsten regenerativen Energieträger in Deutschland. Die Ziele der Bundes- regierung, bis 2020 30 Prozent des Stroms, 15 Prozent der Wärme und 10 Prozent des Energiebedarfs für die Mobilität aus regenerativen Energien herzustellen, ist ohne einen massiven Ausbau der Biomassenutzung nicht möglich. In der Europäischen Union sollen im Jahr 2020 20 Prozent des Endenergieverbrauchs aus erneuerbaren Energiequellen stammen. In Deutschland wurde 2008 auf 17 Prozent der Acker- fläche, das sind über 2 Millionen Hektar, Biomasse zur energetischen Nutzung angebaut. Hinzu kommt Bio- masse zur energetischen Verwendung aus forst- wirtschaftlicher Produktion. Für eine Ausdehnung der landwirtschaftlichen Bioenergieerzeugung sind noch Potenziale vorhanden, die aber naturgemäß begrenzt sind. So ist es richtig, im Rahmen der Aufhebung soge- nannter Flächenstilllegung bislang nicht mehr für land- wirtschaftliche Nutzung zur Verfügung stehende Flächen zum Anbau von Energiepflanzen freizugeben. 26076 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 (A) (C) (B) (D) 278 000 Menschen waren 2008 im Bereich der erneu- erbaren Energien beschäftigt, 34,5 Prozent davon, 96 000, in der Bioenergiebranche. Bioenergie kann einen wichtigen Beitrag zum Klima- schutz leisten, da bei der Nutzung von Biomasse nur die Menge Kohlendioxid, CO2, in die Atmosphäre abgege- ben wird, die die Pflanzen aus der Atmosphäre entnom- men haben, um wachsen zu können. Nach Angaben des Bundesumweltministeriums konnten 2008 durch die Nutzung erneuerbarer Energien die CO2-Emissionen um 111,6 Millionen Tonnen reduziert werden, davon allein rund 57,2 Millionen Tonnen, das sind 51 Prozent, durch die Nutzung von Biomasse. Die ökologische Sinnhaftigkeit und die ethische Ver- tretbarkeit des Einsatzes von Biomasse zur Energie- erzeugung wurden in den vergangenen Monaten in der Öffentlichkeit zunehmend kontrovers diskutiert. Die Energiebilanz für Anbau, Ernte und Transport der Bio- masse wurde genauso hinterfragt wie die Zerstörung wertvoller Naturräume und die Arbeitsbedingungen der Menschen, die in Drittländern auf entsprechenden Plan- tagen arbeiten. Vor dem Hintergrund, dass steigende Einfuhren von Biomasse und Biomasseerzeugnissen aus nicht der EU zugehörigen Ländern zu verzeichnen sind und Biomasse immer stärker international gehandelt wird, sind diese Diskussionen mehr als berechtigt. Bio- masse wird im Rahmen der internationalen Arbeitstei- lung insbesondere auch in tropischen Ländern angebaut. Der Anbau von Ölpalmen, Zuckerrohr und Soja wird in Ländern wie Brasilien, Indonesien und Argentinien im- mer größer. Die wachsende Nachfrage nach Rohstoffen zur ener- getischen Verwendung schafft für die Erzeugerländer, überwiegend sogenannte Drittwelt- und Schwellenlän- der, auf der einen Seite dringend benötigte Einkommens- quellen. Auf der anderen Seite birgt sie aber erhebliche Risiken für die Umwelt, für zahlreiche Tier- und Pflan- zenarten und nicht zuletzt für das Klima, das durch die Verwendung alternativer Energien eigentlich geschützt werden sollte. Ich nenne zum Beispiel Berichte über die gesetzeswidrige Abholzung von Regenwäldern in Asien. Schützenswerte Wälder in Malaysia wurden offenbar ohne Genehmigung vernichtet, mächtige Torfböden wur- den trockengelegt. Wir hören Berichte über Landnut- zungskonflikte zwischen örtlichen Bauern und großen Firmen, die Regen- und Torfwälder für Plantagen roden. Dabei sind Urwälder wie beispielsweise die Torfwälder Indonesiens für das globale Klima sehr wichtig. In die- sem Ökosystem wird mehrfach so viel Kohlenstoff wie in anderen Regenwäldern gebunden. Durch Holzein- schlag, Trockenlegung und Brandrodung der mächtigen Böden wird das klimaschädliche CO2 frei. Schließlich sind die Urwälder Heimat zahlreicher schützenswerter Arten, wie zum Beispiel der in Indonesien beheimateten Orang-Utans. Klar ist, dass die ehrgeizige deutsche und europäische Biomassepolitik nicht ohne Importe umgesetzt werden kann; im Übrigen würde das den Regeln des freien Welt- handels widersprechen, von denen Deutschland als „Ex- portweltmeister“ sehr profitiert. Daher muss auf ande- rem Weg vermieden werden, Anreize zum Raubbau an natürlichen Ressourcen zu setzen. Es bedarf deshalb ei- ner Privilegierung nachhaltig erzeugter Biomasse durch bestimmte Nachhaltigkeitsstandards. Die Notwendig- keit einer weltweiten Verbesserung der Nachhaltigkeits- standards hat zuletzt am 15. Mai 2009 die UN-Kommis- sion für nachhaltige Entwicklung in New York gefordert. Einen wichtigen Schritt auf diesem Weg setzen wir heute mit der Biomassestrom-Nachhaltigkeitsverord- nung um. Mit dieser Verordnung wollen wir sicherstel- len, dass zur Stromerzeugung künftig nur Biomasse ein- gesetzt wird, die unter Beachtung verbindlicher Nachhaltigkeitskriterien hergestellt wurde. Auf Initiative Deutschlands hat die Europäische Union im Dezember 2008 Nachhaltigkeitsanforderungen für die energetische Nutzung von Biomasse beschlossen. Diese Anforderun- gen bestimmen, wie Biomasse hergestellt sein muss, die als Pflanzenöl für die Strom- oder Wärmeerzeugung bzw. als Biokraftstoff eingesetzt wird. Mit dieser Richt- linie zu erneuerbaren Energien liegen nun einheitliche europäische Nachhaltigkeitsanforderungen vor, die in den kommenden 18 Monaten von den Mitgliedstaaten der Europäischen Union in nationales Recht umgesetzt werden. Standards im Interesse des Umwelt-, Klima- und Naturschutzes setzen nun fest, dass der Anbau der Pflanzen keine naturschutzfachlich besonders schützens- werten Flächen zerstört, zum Beispiel Regenwälder oder Feuchtgebiete, die sozialen Bedingungen beim Anbau, zum Beispiel die Einhaltung internationaler Arbeits- und Kinderschutzabkommen, erfasst werden und der Einsatz der Biomasse zur Energieerzeugung gegenüber fossilen Energieträgern mindestens 35 Prozent weniger Treib- hausgase freisetzt. Nach Anhörung der Länder und Verbände hat die Bundesregierung am 10. Juni 2009 die Biomassestrom- Nachhaltigkeitsverordnung beschlossen, die Nachhaltig- keitsanforderungen für flüssige Biomasse wie zum Bei- spiel Rapsöl, Palmöl oder Sojaöl festlegt, die nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, EEG, vergütet wird. Zudem wird es in Kürze eine weitere – weitgehend in- haltsgleiche – Verordnung auf Grundlage des Biokraft- stoffgesetzes geben, die entsprechende Standards für Biokraftstoffe setzt. Der Verordnungsentwurf wurde am 19. Juni von der Europäischen Kommission notifiziert. Sie hat dabei ei- nige Änderungswünsche geäußert, die die Koalitions- fraktionen als Änderungsanträge in die Ausschussbera- tungen eingebracht haben. Zum einen betrifft das § 9, der insbesondere eine Do- kumentation der Auswirkungen auf die Boden- und Ge- wässerqualität vorsieht. Dort bat die EU um eine Still- haltefrist, um hier eine eigene Liste vorlegen zu können. Dieser Paragraf wurde deshalb in der uns vorliegenden Verordnung gestrichen; sein Inhalt ist uns aber nach wie vor ein zentrales Anliegen und wird, sobald der europäi- sche Entwurf vorliegt, eingefügt. Zum anderen betrifft das § 78, der Übergangsbestim- mungen vorsieht. Hier hat die EU Deutschland aus- drücklich gebeten, eine längere Anpassungsfrist in Be- tracht zu ziehen, um nicht durch die Einführung der Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 26077 (A) (C) (B) (D) Nachhaltigkeitsverordnung temporär größere Marktver- werfungen zu provozieren. Diese Sorge haben auch die beamteten Staatssekretäre des Bundesumweltministe- riums und des Bundeslandwirtschaftsministeriums am 8. Juni 2009 in einer Protokollnotiz zum Ausdruck ge- bracht. Sie haben anerkannt, dass die bis einschließlich zur Ernte 2009 erzeugte Ware noch nicht die neuen Nachhaltigkeitsstandards erfüllen kann, da die Standards bei ihrer Produktion noch gar nicht vorlagen. Somit dürfen die alt-erntige Ware und die Ernte 2009, die noch auf dem Feld steht, als Pflanzenöl auf Grund- lage des EEG verwendet werden, da sie ausgesät wur- den, als die Bedingungen der Nachhaltigkeitsverordnung noch nicht bekannt waren. Die CDU/CSU-Bundestags- fraktion begrüßt diese Regelung sehr, da die unverzicht- baren Standards für eine nachhaltige Nutzung flüssiger Biomasse gesetzt werden, aber zugleich die notwendige Investitionssicherheit für die Anlagenbetreiber gewähr- leistet werden kann. Die Verordnung tritt ab dem 1. Januar 2010 in Kraft. Die Übergangsregelungen laufen am 31. Dezember 2010 endgültig aus, sodass ab dem 1. Januar 2011 EU-weit die gleichen strengen Standards gelten. Der Nachweis über die nachhaltige Herstellung wird zukünftig mithilfe von Zertifizierungssystemen und Zertifizierungsstellen erfol- gen, kann aber übergangsweise auch mithilfe von Um- weltgutachterinnen und Umweltgutachtern erbracht werden. Jetzt gilt es, so schnell wie möglich Zertifizie- rungssysteme für den Nachweis und die Kontrolle der Nachhaltigkeit der Biomasseproduktion aufzubauen. Hier wurde bereits gute Vorarbeit geleistet. So fördert das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) seit eineinhalb Jahren ein Pilotprojekt zur Zertifizierung der nachhaltigen Biokraftstoffproduktion in der Praxis – ISCC, Internatio- nale Nachhaltigkeits- und Kohlenstoffzertifizierung. Aufbauend auf diesen Vorarbeiten werden zeitnah Nach- weissysteme und entsprechende Datenbanken etabliert, um die Nachhaltigkeit der Biomasseproduktion zu bestä- tigen. Nur nachhaltig erzeugte und energieeffizient genutzte Biomasse kann einen überzeugenden Beitrag zum Klima- und Ressourcenschutz und zu einer stärkeren Versorgungssicherheit leisten. Mit dieser Verordnung setzen wir den Maßstab für die weitere Diskussion über eine nachhaltige Bioenergienutzung. Zudem haben wir sichergestellt, dass die Anforderungen für Anlagenbe- treiber, die Pflanzenöl zur Stromerzeugung einsetzen, auch praktisch umsetzbar sind. Marko Mühlstein (SPD): Heute ist ein guter Tag für den internationalen Umweltschutz, insbesondere für den Erhalt der tropischen Regenwälder. Denn mit der Verab- schiedung der vorliegenden Nachhaltigkeitsverordnung sorgen wir dafür, dass künftig keine aus Raubbau ge- wonnene Biomasse in Deutschland und auch in Europa zur Energieerzeugung genutzt wird. Einige gesellschaftliche Akteure haben in den letzten Monaten versucht, den Umweltschutz gegen den Einsatz erneuerbarer Energien auszuspielen. Dies dürfen wir nicht zulassen, denn Klimapolitik und regenerative Energien sind zwei Seiten derselben Medaille. Deshalb freue ich mich, dass wir mit der Verabschiedung und Umsetzung der Nachhaltigkeitsverordnung den genann- ten, meist von Eigeninteressen geleiteten Kritikern den Wind aus den Segeln nehmen. Denn die Verordnung ga- rantiert nicht nur den Schutz natürlicher Lebensräume wie Wälder oder Naturschutzflächen, sondern definiert auch die Regeln für eine nachhaltige landwirtschaftliche Bewirtschaftung der Anbaugebiete in der ganzen Welt. Darüber hinaus schreiben wir vor, dass mit dem Ein- satz von Biomasse zur Stromerzeugung Treibhausgas- minderungen von bis zu 60 Prozent einhergehen müssen. Und mit der Verwendung von Massenbilanzsystemen gewährleisten wir, dass selbst die Herkunft einzelner Chargen nachweisbar ist und eine Vermischung von zer- tifizierter und nicht zertifizierter Biomasse ausgeschlos- sen wird. Aus meiner Sicht haben wir auch für den Einsatz der Rohstoffe aus der Ernte des laufenden Jahres eine trag- bare Lösung gefunden. Diese können im Jahr 2010 noch eingesetzt werden, auch wenn nicht alle formulierten Nachhaltigkeitskriterien erfüllt sind. Ich denke, dies ist auch für die Landwirte und Lieferanten eine gute Lö- sung. An dieser Stelle möchte ich dem Bundesumwelt- ministerium meinen herzlichen Dank aussprechen. Denn dass Nachhaltigkeitskriterien auf europäischer Ebene umgesetzt werden, ist nicht zuletzt dem Einsatz von Sigmar Gabriel und seinem Haus zu verdanken. Wir können mit Stolz sagen: In der Frage einer nachhaltigen Biomasseproduktion ist Deutschland Vorreiter! Gleich- zeitig fordere ich alle Beteiligten auf, an einer zügigen und wirkungsvollen Umsetzung der Nachhaltigkeitsver- ordnung mitzuarbeiten. Denn was die Frage einer nach- haltigen Bioenergieproduktion angeht, leisten wir echte Pionierarbeit. Für die Umweltpolitiker der SPD-Fraktion steht fest, dass dieselben Kriterien, die heute an die Produktion von Biomasse zur energetischen Nutzung gestellt werden, mittelfristig für alle Agrarbereiche Anwendung finden müssen: in der Futter- und Lebensmittelproduktion, aber auch in der Kosmetikindustrie. Denn gut 95 Prozent des umstrittenen Palmöls werden in diesen Bereichen verar- beitet und eben nicht für energetische Zwecke genutzt. Für eine solche umfassende Zertifzierung werden wir, mit Unterstützung vieler landwirtschaftlicher Produzen- ten, in der nächsten Legislaturperiode kämpfen. Die Erfüllung der heute zu beschließenden Nachhal- tigkeitskriterien trägt zum Schutz der Artenvielfalt auf unserem Planeten bei. Die Vorschriften zur Treibhaus- gasminderung sind echter Klimaschutz. Die zu erwarten- den leichten Kostensteigerungen für Hersteller, Liefe- ranten und Anlagenbetreiber wurden bei der Festsetzung der Vergütungssätze im Erneuerbare-Energien-Gesetz bereits berücksichtigt und sind vor dem Hintergrund der positiven Auswirkungen dieser Verordnung auf Mensch und Natur absolut vertretbar. 26078 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 (A) (C) (B) (D) Ich freue mich, dass es uns gemeinsam gelungen ist, diese Nachhaltigkeitsverordnung noch vor dem Ende der laufenden Legislaturperiode zu verabschieden, und möchte mich bei allen Beteiligten für die konstruktive Zusam- menarbeit bedanken. Michael Kauch (FDP): Die FDP-Bundestagsfrak- tion begrüßt, dass die Bundesregierung nun endlich eine Verordnung über die Anforderungen an eine nachhaltige Herstellung von flüssiger Biomasse zur Stromerzeugung vorlegt. Dies war im Blick auf die Planungssicherheit für die Erneuerbare-Energien-Branche überfällig. In der Vergangenheit ging die Herstellung von flüssi- ger Biomasse teilweise mit erheblichen Umweltzerstö- rungen, wie zum Beispiel Brandrodung von Regenwäl- dern und Zerstörung der Artenvielfalt, einher. Mithilfe der vorliegenden Verordnung versucht die Bundesregie- rung, sicherzustellen, dass fortan flüssige Biomasse, die zur Stromerzeugung eingesetzt wird, nur unter Beach- tung verbindlicher Nachhaltigkeitsstandards hergestellt wird. Damit schafft die Bundesregierung endlich die Re- gelung, die Klarheit darüber bringt, wann Biomasse nach dem EEG vergütet werden soll. Zugleich gibt es aus Sicht der FDP-Bundestagsfraktion aber auch Kritik- punkte an dem Verordnungsverfahren. Die FDP-Bundes- tagsfraktion hätte sich insgesamt ein geordneteres parla- mentarisches Verfahren gewünscht – inklusive einer Anhörung, die jetzt kurzfristig nicht mehr realisierbar war. Es wird abzuwarten sein, ob die in der Verordnung vorgesehenen Übergangsfristen angesichts der Verzöge- rungen der Verordnungsgebung noch ausreichend sein werden. Die dazu von der Bundesregierung im Kabinett verabredete Protokollerklärung greift diese Problematik zwar ansatzweise auf. Aus Sicht der FDP-Bundestags- fraktion hätten die Übergangsfristen jedoch angepasst werden müssen, um den Belangen der betroffenen Un- ternehmen hinreichend Rechnung zu tragen. Darüber hinaus ist aus Sicht der FDP-Bundestags- fraktion die Verordnung aber auch im Bereich des Schut- zes der Regenwälder kritisch zu bewerten. Denn die in der Verordnung in § 50 enthaltene Mindesthäufigkeit der Kontrollen von Plantagen durch die Zertifizierungsstel- len ist unzureichend. Die Bundesregierung trägt durch diese Bestimmung dazu bei, dass demnach nur 5 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe, die Biomasse liefern, einer Kontrolle unterzogen würden. Bei statistischer Be- trachtung führt dies dazu, dass jeder Betrieb der in die- sem Bereich tätigen Unternehmen nur alle 20 Jahre kon- trolliert werden würde. Dies ist in Anbetracht der Situation für die aus Entwicklungsländern importierte Biomasse keinesfalls ausreichend. Die Verordnung begegnet diesem Umstand zwar mit der Möglichkeit einer Anpassung der Häufigkeit der Kontrollen an die jeweiligen Risiken, eine nähere Quan- tifizierung bleibt die Bundesregierung indes aber in der Verordnung schuldig. Nach Auffassung der FDP-Bun- destagsfraktion wird diese Regelung zu Kontrolllücken führen. Die FDP-Bundestagsfraktion begrüßt demgegenüber, dass die Zertifizierung der europäischen Landwirte zwar erforderlich, aber durch die Anerkennung der Cross- Compliance sehr einfach ist. Diese Konstruktion ist nicht zuletzt auch deshalb von Vorteil, weil sie den Be- stimmungen der WTO hinreichend Rechnung trägt. Die Verordnung hat Licht und Schatten. Die FDP wird sich daher der Stimme enthalten. Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE): Die Bundes- regierung hat uns eine dicke Verordnung vorgelegt, mit der die Einhaltung von Nachhaltigkeitsstandards beim Import von Biomasse aus dem Süden durchgesetzt wer- den soll. Wir haben sie gelesen und sind zur Überzeu- gung gekommen, dass das nicht funktionieren wird. Schon allein die für Deutschland und die EU angestreb- ten Quoten für den Einsatz von Agrarkraftstoffen würden beim jetzigen Spritverbrauch das nachhaltige Potenzial unserer Anbauflächen um den Faktor drei übersteigen. Sie lassen sich nur erreichen, wenn massiv Agrarkraft- stoffe oder Biomasse aus tropischen Ländern importiert werden. Dazu kommt nun zusätzlich die Nachfrage nach Palm- und Sojaöl für den Strom- und Wärmebedarf, um den es ja in der vorliegenden Verordnung geht – als gäbe es keine Debatte um die erschreckenden Wirkungen vie- ler Agroenergien auf Tropenwälder und Welternährung. Stattdessen wird auf Zertifizierung gesetzt. Diese ist jedoch – das versichern uns die meisten NGOs – zur Er- folglosigkeit verurteilt; nicht nur wegen Korruption, ma- fiöser Strukturen und schwacher Überwachung in vielen Produzentenländern. Es sind vor allem die indirekten Verdrängungseffekte der Agroenergien, die Zertifizie- rungen ins Leere laufen lassen. So werden etwa in Brasi- lien neue Zuckerrohrfelder zur Ethanolproduktion fast nie auf Neurodungsflächen angebaut. Sie werden auf äl- teren Agrar- oder Weideflächen in Zentralbrasilien ange- legt. Es sind die zuvor darauf angebauten Pflanzungen – beispielsweise Sojaplantagen – oder aber Rinderher- den, die dann in den Regenwaldgürtel oder in den wert- vollen Cerrado im Norden wandern. Und dort führen die dann eben zu Abholzungen und Vertreibungen. Ähnlich ist die Situation bei Palmöl aus Indonesien. Dafür fallen zu einem erheblichen Anteil die Urwaldbäume indirekt. Wenn wir also Zuckerrohr oder Palmöl als Energiepflan- zen zertifizieren, geht das am eigentlichen Problem voll- kommen vorbei. Ferner führt die Vertreibung von Kleinbäuerinnen und Kleinbauern durch Großagrarier nicht nur zu massiven Menschenrechtsverletzungen, sondern vielfach auch dazu, dass die Betroffenen sich neues Land suchen. Nicht selten sind es Waldgebiete, die dann der Brandro- dung und anschließenden Besiedlung zum Opfer fallen. Insofern bestehen aus unserer Sicht zurzeit kaum Er- folgsaussichten für ein wirksames Zertifizierungssys- tem. Kein Wunder, dass der Verordnungsentwurf dieses enorme Problem der indirekten Verdrängung gar nicht erst aufgegriffen hat. Ja, noch schlimmer: Die im Ent- wurf vom 6. Februar noch enthaltenen Anforderungen an soziale Standards im § 9 und die entsprechende An- lage 3 verschwanden schrittweise in den verschiedenen Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 26079 (A) (C) (B) (D) späteren Entwürfen. Zum Schluss sollte nur noch doku- mentiert werden, dass Landnutzungsrechte gewahrt wer- den und der Anbau im Einzugsbereich des Betriebes keine negativen Auswirkungen auf die Nahrungsmittel- sicherheit hat. Und dieser Passus ist nun auch noch raus- geflogen, angeblich, weil die EU hier erst weitere Krite- rien entwickeln will. Uns wird hier angst und bange. Die Verordnung ist auf dem Weg, für die Sozialstandards gibt es aber überhaupt noch keine Lösungen. Da wird klar, was EU und Bundesregierung unter Nachhaltigkeit verstehen. Weder ILO-Arbeitsnormen noch der Schutz vor Vertreibung sind bislang durchgängig verankert. Schon deshalb muss man die Verordnung ablehnen. Zudem hapert es gewaltig am Kontrollmechanismus: Nach § 50 sollen jährlich gerade einmal 5 Prozent der Betriebe von den Zertifizierungsstellen kontrolliert wer- den. Das bedeutet nichts anderes als einen Zeitraum von 20 Jahren, bis alle mal an der Reihen waren. Ich frage mich, welche schwarzen Schafe dies in den Ländern des Tropengürtels von Raubbau und Vertreibung fernhalten soll. Aber auch für Europa sehe ich diese Frequenz sehr kritisch. Den Tropenwäldern, den darin lebenden Menschen sowie den von Vertreibung bedrohten Kleinbäuerinnen und Kleinbauern wäre am meisten geholfen, wenn das Grundproblem angegangen würde: der rasant anstei- gende Nachfragedruck der Industriestaaten nach Agrar- treibstoffen. Als wichtigste Maßnahmen müssen daher zunächst ein Importstopp für biogene Treib- und Kraft- stoffe in die EU verfügt und die Nachfrage auf ein ak- zeptables Maß reduziert werden. Das gilt umso mehr, als die Nachhaltigkeitsverordnung für Agroenergien auf Ebene der EU und auch der vorliegende Entwurf für Deutschland lediglich schwache ökologische Zielstel- lungen enthalten. So können Millionen Hektar Anbau- flächen, die vor 2008 gerodet wurden, als nachhaltig zer- tifiziert werden. Ferner ist das bis Anfang 2017 geltende Treibhausminderungspotenzial von lediglich 35 Prozent angesichts der geschilderten Auswirkungen viel zu nied- rig. Wie gesagt, haben zudem weder soziale Standards noch Menschenrechtsnormen in das vorgesehene Zertifi- zierungssystem Eingang gefunden. Deshalb lehnen wir die Verordnung ab. Wir bedauern, dass uns die anderen Fraktionen, einschließlich der Grünen, als Totalverwei- gerer hinstellen. Aber damit können wir leben. Denn wir sind der Überzeugung: Nachhaltiges Palmöl wird es in dem Umfang, um den es hier geht, nicht geben können. Die Verordnung ist somit – ob Sie es wahrhaben wollen oder nicht – ein Schritt zur weiteren Abholzung der letz- ten Urwälder. Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Bio- energien sind eine Chance, Klimaschutz und Energie- sicherheit zu verbinden mit neuen Impulsen für eine um- welt- und sozialverträgliche ländliche Entwicklung bei uns und in den Ländern des Südens. Weltweit werden die Bioenergien ausgebaut – dieser Boom bringt aber auch eine Reihe ernster Probleme mit sich, denen sich die Politik heute stellen muss. Denn anders als erneuer- bare Energien aus Wind oder Sonne sind landwirtschaft- lich nutzbare Flächen und Wasser für den Anbau von Bioenergieträgern begrenzt. National wie international verstärkt die Nachfrage nach Bioenergien zusammen mit klimabedingten Ernte- ausfällen und der steigenden Lebensmittel- und Fleisch- produktion die Konkurrenz zwischen der Erzeugung von Lebensmitteln und Agrartreibstoffen. Der Druck auf Na- turschutzflächen und sensible Ökosysteme nimmt zu. Umweltverbände kritisieren zu Recht, dass die Rodung von Regenwäldern und die Umnutzung von Mooren zur Produktion von Palmöl für deutsche Blockheizkraft- werke in Malaysia und Indonesien unwiederbringliche Naturschätze zerstört und gewaltige Mengen klima- schädlicher Gase freisetzt – weit mehr, als durch die Palmölnutzung eingespart wird. Entwicklungsorganisa- tionen warnen zu Recht, dass der Bioenergieboom in zu- nehmendem Maß die globale Ernährungssicherheit ge- fährden und den Hunger in der Welt verstärken kann. Wir Grüne teilen diese Sorgen. Gerade weil wir über- zeugt sind, dass den Bioenergien eine wichtige Rolle in der Klima- und Energiepolitik zukommt, wenden wir uns mit Nachdruck gegen Fehlentwicklungen, die nach- haltige, dezentrale Bioenergieerzeugung in Misskredit zu bringen drohen und die ökologischen und sozialen Probleme verschlimmern, statt sie zu lösen. Die Nachhaltigkeitsverordnung ist ein dringend erfor- derliches Instrument, um die ökologischen und sozialen Schäden einzudämmen und die Akzeptanz EEG-vergü- teter Bioenergien zu erhöhen. Entscheidend ist, dass zum einen strenge Kriterien angelegt werden und zum ande- ren Zertifizierungs- und Kontrollsysteme weltweit ver- lässlich sind. Wie das geht, zeigt am ehesten das FSC für nachhaltige Holzprodukte. Im Vergleich dazu ist die vorgelegte Verordnung nur ein erster Schritt, der eine Reihe von Mängeln hat: Das Bundesamt für Landwirtschaft und Ernährung BLE – ihm als zuständiger Behörde sind die Nachweise über die Nachhaltigkeit der Biokraftstoffe vorzulegen bzw. es entscheidet darüber, welche Zertifizierungsstellen aner- kannt werden – ist sehr landwirtschaftsnah und nicht vertraut mit Umwelt- und Sozialzertifikaten. Eine Einbe- ziehung des Umweltbundesamtes wäre besser. Zudem sind die vielen Wege, wie die Nachhaltigkeit nachgewie- sen werden kann, unübersichtlich und fehleranfällig. Ge- rade für kleinere Erzeuger darf der Bürokratieaufwand nicht zu groß werden. Außerdem ist fraglich, ob einzelne Stichproben ausreichen, um den nachhaltigen Anbau der Energiepflanzen wirklich nachweisen zu können. Auch reichen die Nachhaltigkeitskriterien nicht aus. So fehlen das Verbot von Gentechnik und die Vermei- dung von Monokulturen. Soziale Kriterien kommen praktisch nicht vor. Grünland wird nicht ausreichend ge- schützt – nur bei hoher biologischer Vielfalt –, und Ver- drängungseffekte anderer Landwirtschaftssysteme durch Energiepflanzenanbau werden bei der CO2-Bilanzie- rung nicht berücksichtigt. Daher ist die reale CO2-Min- derung fraglich. 26080 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 (A) (C) (B) (D) Wir fordern die Bundesregierung auf, in diesem Sinne nachzubessern. Die Akzeptanz der Bioenergien hat in den letzten zwei Jahren stark gelitten. Durch eine schlag- kräftigere Nachhaltigkeitsverordnung kann hier wieder Boden gutgemacht werden. Anlage 20 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Aus- und Weiterbil- dung in der Tourismuswirtschaft verbessern (Zusatztagesordnungspunkt 8) Klaus Brähmig (CDU/CSU): Kurz vor dem Ab- schluss der parlamentarischen Beratungen in dieser 16. Wahlperiode des Deutschen Bundestages freut es mich sehr, dass ein wichtiges Thema für die Zukunftsfä- higkeit des Wirtschaftsstandortes Deutschland den Weg auf die Tagesordnung des Parlaments findet: die Aus- und Weiterbildung in der Tourismuswirtschaft. Wir alle kennen verschiedenste Bereiche der Reise- branche. Als Dienstleister im besten Sinne des Wortes steht dabei der Mensch stets im Mittelpunkt einer ganzen Bandbreite an unterschiedlichen Tätigkeiten – vom Kell- ner bis zur Stewardess, vom Reisebusfahrer bis zur lie- benswürdigen Assistenz am Empfang eines Hotels. Ei- nige wenige Zahlen verdeutlichen die Bedeutung des Tourismus für den Wirtschaftsstandort Deutschland: Bundesweit zählt die Reisebranche rund 2,8 Millionen Beschäftigte, es existierten Ende 2008 mehr als 113 000 Ausbildungsverhältnisse im Tourismus, und es wurden darüber hinaus in diesem Jahr mehr als 47 000 neue Ausbildungsverträge geschlossen. Davon entfallen allein über 43 000 auf das Gastgewerbe, das fast acht Prozent aller Ausbildungsplätze in Deutschland zur Verfügung stellt. Dieses ist eine bemerkenswerte und großartige Leistung der vielen vor allem inhabergeführten Hotels und Gasthöfe, die zwischen Sylt und Garmisch-Parten- kirchen und zwischen Aachen und der Sächsischen Schweiz zu einem großen Teil das Bild des Reiselandes Deutschland und seiner Kulturlandschaft prägen. Den Unternehmern, die sich ihrer Verantwortung für die nächste Generation stellen, gilt daher unser besonderer Dank. Qualifiziertes Personal mit einer fundierten Ausbil- dung, ein effizientes System beruflicher Weiterbildung und die Bereitschaft zu lebenslangem Lernen sind die unabdingbare Grundlage, ohne die der wirtschaftliche Erfolg der Tourismusbranche nicht gesichert werden kann. Dieses ist eine der Kernaussagen, die die Bundes- regierung in ihrem Tourismuspolitischen Bericht vom Februar 2008 in den Mittelpunkt ihrer Betrachtungen stellt. Denn eines ist klar: Die Veränderungen der Kun- denansprüche und des Reiseverhaltens sowie immer wieder neue Kundengruppen aus Deutschland und der ganzen Welt veranlassen die Branche, sich ständig auf neue Gegebenheiten einzustellen. Gerade der Servicebereich und die Betreuung auslän- discher Gäste sind dabei ein wichtiges Aushängeschild für den Wirtschafts- und Tourismusstandort Deutsch- land, ja unser gesamtes Land. Denn wer von uns hat nicht selber schon einmal die Erfahrung gemacht, dass aus dem Verhalten einzelner Personen direkt auch auf den Charakter und das Verhalten einer ganzen Nation ge- schlossen wird. Es sind die täglichen Begegnungen in Restaurants, Hotels und Verkehrsträgern, die Besuchern stets in ganz besonderer Weise in Erinnerung bleiben. Ich bin mir sicher, dass gerade die Beschäftigten der Rei- sebranche um die daraus erwachsende besondere Verant- wortung ihres beruflichen Handelns wissen und dement- sprechend aufgeschlossen und gastfreundlich gegenüber unseren Gästen aus aller Welt auftreten. Als Konsequenz des demografischen Wandels und der zurückgehenden Schulabgängerzahlen ist bereits heute das Fehlen des Nachwuchses in touristischen Be- rufen zu beobachten. Um sich dieser Entwicklung er- folgreich zu stellen, muss der Reiz des „Arbeitsplatzes Tourismus“ weiter erhöht werden. Voraussetzung dafür sind eine bessere Qualifizierung im Tourismus und at- traktivere Arbeitsbedingungen. Durch die Tourismuswirtschaft wurden bereits in der Vergangenheit vielfältige und zahlreiche Ausbildungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten geschaffen, die gerade auch geringer qualifizierten Arbeitskräften die Möglich- keit einer Anstellung boten. Dies ist ein besonders wich- tiger und erfreulicher Aspekt, haben Jugendliche mit pro- blematischen Bildungsabschlüssen doch oftmals nur die Aussicht, in betriebsfernen Weiterbildungsprojekten „ge- parkt“ zu werden, anstatt sich tagtäglich im Wirtschafts- leben immer wieder neu behaupten zu müssen. Allerdings sollten wir im gleichen Atemzug unsere Jugendlichen auch immer wieder darauf hinweisen: Es geht nichts über gute schulische Leistungen! Daher werbe ich, wann immer ich mit jungen Menschen zusam- mentreffe, dafür, lieber einmal mehr auf einen Discobe- such zu verzichten und dafür das Schulbuch in die Hand zu nehmen. Dabei spielen vor allem sehr gute Fremd- sprachenkenntnisse eine entscheidende Rolle. Wenn sich die Erkenntnis, wie wichtig gute Bildung heutzutage ist, letztendlich beim Einzelnen durchsetzt, ist es leider manchmal schon zu spät und sind entstandene Defizite nur schwer oder gar nicht mehr auszugleichen. Beklagen Gewerkschaften im Hinblick auf die Touris- muswirtschaft das Vorkommen mangelhafter fachlicher Vermittlung von Ausbildungsinhalten, die Ableistung ausbildungsfremder Tätigkeiten und Überstunden sowie teilweise Verstöße gegen das Jugendarbeitsschutzge- setz, so verweist der Bundesverband des Deutschen Ho- tel- und Gaststättenverbandes auf die Herausforderun- gen, die durch eine nachlassende Ausbildungsreife junger Menschen und mangelnde Fähigkeiten der Schul- abgänger auftreten. Wenn wir auch in Zukunft auf eine leistungsfähige und lebenswerte Reisebranche zählen wollen, müssen die geschilderten Missstände so schnell wie möglich überwunden werden. Jede Seite hat dabei ihre Hausaufgaben zu machen! Für die Tourismuswirtschaft bleibt die Bereitstellung guter Ausbildungsmöglichkeiten und die Bewerbung etablierter sowie neuer Ausbildungsberufe eine zentrale Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 26081 (A) (C) (B) (D) Aufgabe für die Zukunft. Dies gilt insbesondere für den 2005 neu geschaffenen Beruf des oder der „Kaufmanns oder -frau für Tourismus und Freizeit“, der über umfas- sende Kompetenzen zu vielfältigen Angeboten des Tou- rismusstandortes Deutschland und seiner Vermarktung verfügt. Ein gutes Beispiel für die Werbung gastgewerb- licher Ausbildungsberufe ist aber auch die Initiative „Gast-Star“. Zu ihr gehören 23 Ausbildungsunterneh- men, die sich in der Systemgastronomie unter dem Dach des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes zusam- mengefunden haben und die eine Informations- und Wissensplattform für potenzielle Auszubildende anbie- ten. Dabei hat sich unser einzigartiges „duales System“ in Deutschland – die Verbindung von Tätigkeit im Un- ternehmen und dem Besuch der Berufsschule – mehr als bewährt. Für das Gastgewerbe ist die Weiterbildung an Hotel- fachschulen sowie den Weiterbildungseinrichtungen der DEHOGA-Landesverbände von überragender Bedeu- tung. Wichtige Weiterbildungsangebote sind auch die be- rufsbegleitende Aufstiegsqualifikation des Bundes wie die gastgewerblichen Fachmeister mit den Ausrichtungen Küchenmeister, Restaurantmeister und Hotelmeister und der Veranstaltungsfachwirt sowie die Aufstiegsregelun- gen der IHK wie zum Beispiel Tourismusfachwirtin und Fachwirtin oder Fachwirt im Gastgewerbe. Außerdem gehören zur Qualifizierung auch Beratungs- und Finan- zierungsangebote im Bereich der Existenzgründung. Die Bundesregierung hat im Bereich der Aus- und Weiterbil- dung das Förderangebot in den vergangenen Jahren deut- lich ausgebaut. Mit der Ausweitung der förderfähigen Ausbildungsgänge und der Verbesserung der Förderleis- tungen im Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz, dem sogenannten Meister-BAföG, haben heute deutlich mehr Menschen einen Anspruch auf mehr Leistungen. Hinzu kommt die Einführung der Weiterbildungsprämie als An- reiz zur Steigerung der Weiterbildungsbeteiligung. Wir sind also auf dem richtigen Weg schon ein ganzes Stück vorangekommen. Die Wiedereinsetzung der Ausbilder-Eignungsverord- nung (AEVO) zum 1. August 2009 zur Sicherstellung der berufs- und arbeitspädagogischen Fertigkeiten, Kennt- nisse und Fähigkeiten der Ausbilderinnen und Ausbilder begrüßen wir als CDU/CSU-Bundestagsfraktion aus- drücklich. Gleichzeitig weisen wir aber darauf hin, dass dies nur ein Schritt ist, die Attraktivität der Ausbildungs- berufe im gemeinsamen Interesse von Arbeitgebern und Auszubildenden zu erhöhen. Sowohl Fachhochschulen als auch Universitäten bie- ten schon heute vielfältige Tourismusstudiengänge an, in erster Linie im Tourismusmanagement – teilweise als in- ternationalen Studiengang – sowie in den Bereichen Tourismusgeografie und Management im Gesundheits- tourismus. Aufgrund ihrer starken Praxisorientierung sind für die Tourismusbranche dabei vor allem duale Studiengänge wichtig, die ein Studium an einer Hoch- schule oder Berufsakademie mit einer praktischen Aus- bildung in einem Unternehmen der Branche verknüpfen und gute Voraussetzungen für einen Übergang von der Ausbildung in den Arbeitsmarkt bieten. Dabei sind die Ausbildungswege und Abschlüsse an den einzelnen Uni- versitäten, Fachhochschulen und Berufsakademien lei- der immer noch sehr unterschiedlich. Die im Tourismusbereich vermittelten Kernkompe- tenzen wie Weltoffenheit, Kommunikationsfähigkeit, Belastbarkeit und Flexibilität qualifizieren die Absol- venten touristischer Ausbildungsformen für einen Ein- satz in vielen anderen Bereichen der internationalen Wirtschaft. Wie wenige andere Wirtschaftsbereiche ist gerade die Tourismusbranche von großer internationaler Mobilität geprägt. Zur Stärkung der Attraktivität deut- scher Ausbildungsberufe und Studienabschlüsse ist da- her eine bessere Vergleichbarkeit und gegenseitige Aner- kennung von Berufsprofilen und Studienabschlüssen ein wichtiger Faktor. Dieses ehrgeizige Ziel zu erreichen, werden wir uns als CDU/CSU-Bundestagsfraktion auch in der Legislaturperiode des 17. Deutschen Bundestages ab Herbst 2009 ganz weit oben auf die Fahnen schrei- ben. So bleiben für die Zukunft noch viele wichtige The- men, die wir im Tourismusausschuss des Deutschen Bundestages einer eingehenden Beratung zuführen wer- den: Es wäre beispielsweise im Hinblick auf die Ausbil- dung im Tourismusgewerbe sehr wünschenswert, die Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg dazu zu bewegen, bereits bestehende Angebote so zu bündeln und zu kana- lisieren, dass eine klare Förderstruktur für Umschulun- gen und Weiterbildungen in den Segmenten der Touris- musbranche sichtbar wird. Dieses zu erreichen funktioniert nur in einem abge- stimmten Konzert verschiedener Akteure. Als CDU/ CSU-Bundestagsfraktion werden wir uns auch in Zu- kunft engagiert in eine aktive Gestaltung der deutschen Tourismuspolitik einbringen. Viel konnte bereits erreicht werden, viel bleibt noch zu tun. Packen wir es gemein- sam an, für die Zukunft eines gastfreundlichen Deutsch- land, für das einmal mehr das altbewährte Motto gelten sollte: „Die Welt zu Gast bei Freunden!“ Gabriele Hiller-Ohm (SPD): Heute debattieren wir über den von der SPD-Fraktion initiierten Koalitionsan- trag „Aus- und Weiterbildung in der Tourismuswirtschaft verbessern“. Ich freue mich, dass wir dieses wichtige Thema für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Tourismusbranche noch in dieser Wahlperiode auf- greifen. Dass der Antrag erst so spät in die Parlamentsbe- ratung kommt, ist aus Sicht der SPD-Fraktion allerdings bedauerlich. Als Berichterstatterin habe ich bereits im letzten Herbst unsere Positionen in die Verhandlung mit der Unionsfraktion eingebracht. Ich hätte mir deshalb eine frühere Debatte und vor allem auch eine Beteiligung der Ausschüsse gewünscht. Wichtig ist: Wir beschließen heute ein Forderungspa- ket an die Bundesregierung, das sowohl die Qualität als auch die Quantität der Aus- und Weiterbildung voran- bringt. Dass dies dringend notwendig ist, machen die Auswertungen sowohl der Gewerkschaften als auch der Bundesregierung deutlich. Der Ausbildungsreport 2008 des Deutschen Gewerk- schaftsbundes bescheinigt der Ausbildung im Hotel- und 26082 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 (A) (C) (B) (D) Gastgewerbe fehlende Qualität. Der DGB zeigt gleich mehrere Probleme auf: Ausbildungsinhalte werden oft nicht von ausgebildeten Fachleuten vermittelt. Die Ju- gendlichen werden häufig zu Tätigkeiten herangezogen, die nichts mit der eigentlichen Ausbildung zu tun haben. Auch Überstunden sind keine Ausnahme. Teilweise gibt es sogar Verstöße gegen das Jugendarbeitsschutzgesetz. Was hat das für Folgen? Die Chancen der Auszubil- denden, später auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, ver- schlechtern sich. Viel zu viele Jugendliche brechen ihre Ausbildung ab, vor allem im Hotel- und Gaststättenge- werbe. Ein Beispiel: In 2006 haben 40 Prozent der Aus- zubildenden für den Beruf Restaurantfachfrau/-mann ih- ren Ausbildungsvertrag aufgelöst. Kein Wunder, dass in einigen Berufen schon der fehlende Nachwuchs beklagt wird. Für die SPD ist klar: Wir setzen uns für die Auszubil- denden ein, gerade jetzt in der Krise. Wir haben durch- gesetzt, dass Jugendlichen, ihren Ausbildungsplatz durch die Insolvenz ihres Betriebes zu verlieren denen droht, geholfen wird, ihre Ausbildung abzuschließen. Betriebe, die den Jugendlichen die Fortsetzung ihrer Ausbildung ermöglichen, erhalten einen Ausbildungsbo- nus. Wir helfen damit den Jugendlichen schnell und un- bürokratisch und spannen einen Schutzschirm über Aus- bildungsplätze. Wir halten an unserem Ziel fest, dass trotz Krise auch in diesem Jahr mindestens 600 000 Ausbildungsplätze zur Verfügung stehen. Wir erwarten, dass die Firmen nicht mit der Ausbildung nachlassen. Denn eines ist si- cher: Wenn die Konjunktur wieder anspringt, brauchen wir Fachkräfte. Arbeitsminister Olaf Scholz hat die Wirtschaftsverbände aufgefordert, ihre Anstrengungen zu verstärken. Die Wirtschaft muss und kann sich hier bewegen und vorausschauende Personalpolitik betrei- ben. Wir haben auch das Jugendarbeitsschutzgesetz gegen- über dem Koalitionspartner und der FDP verteidigt. Es gibt ja, seit das Gesetz in Kraft ist, also seit über dreißig Jahren, regelmäßig Versuche, den Jugendarbeitsschutz zu schleifen. Zuletzt hat der Hotel- und Gaststättenver- band gefordert, die Arbeitszeit für unter 18-Jährige von derzeit 22 auf 23 Uhr zu verlängern. Ich sage: Nicht mit uns. Der DEHOGA hat bisher nicht belegen können, dass ein Jugendlicher zwischen 22 und 23 Uhr noch et- was Neues lernt. Und: Kein Berufsschüler ist morgens im Unterricht hellwach, wenn er spät am Abend arbeiten musste. Meine Damen und Herren von der Union und der FDP, wir sagen Ihnen: Die Ausbildungsverantwortung des Betriebes und die Ausbildungsfähigkeit eines jungen Menschen müssen im Vordergrund stehen. Das Jugend- arbeitsschutzgesetz ist nicht dazu da, dass unter 18-Jäh- rige als billige Arbeitskräfte die Stühle hochstellen und als Letzte das Licht ausmachen. Das wäre kein gutes Si- gnal für die Branche. Neue motivierte Auszubildende gewinnen wir so nicht. Klar ist: Junge Menschen brauchen gute Perspektiven in der Tourismusbranche. Wir haben mehr als 110 000 Auszubildende in der Tourismuswirtschaft, für die Wirt- schaft und Politik Verantwortung tragen. Wir fordern deshalb von der Wirtschaft mehr Qualität in der Ausbil- dung. Ich freue mich, dass es uns bereits gelungen ist, die Ausbilder-Eignungsverordnung (AEVO) zum 1. Au- gust 2009 wieder in Kraft zusetzen. Wer ausbildet, muss auch entsprechende berufs- und arbeitspädagogische Fertigkeiten vorweisen. Wir setzen uns mit dem vorliegenden Antrag für bes- ser abgestimmte Unterrichtsinhalte ein. Unterrichtsmate- rialien für Lehrerinnen und Lehrer sowie für die Auszu- bildenden sollten vereinheitlicht werden. Ein geeignetes Pilotprojekt wäre die Entwicklung eines Handbuchs für den neuen Ausbildungsberuf Kaufmann beziehungs- weise Kauffrau für Tourismus und Freizeit. Wichtig ist ebenfalls eine stärkere gegenseitige Aner- kennung der Berufs-, Fach- und Hochschulabschlüsse. Hier sind besonders die Länder gefordert. Aufbauende Übergänge sollten ermöglicht werden, damit sich die Absolventen im Tourismusbereich leichter weiterqualifi- zieren können. Wir schlagen auch vor, mit den Ländern eine bundeseinheitliche Weiterbildung von Berufsschul- lehrerinnen und -lehrern einzurichten. Mit Blick auf europäische Standards wollen wir, dass nach einer dualen Ausbildung der Erwerb eines interna- tional anerkannten Studienabschlusses möglich wird, wobei die Ausbildungsinhalte teilweise anerkannt wer- den. Nur so gewinnen wir dringend benötigte qualifi- zierte Nachwuchskräfte im Tourismus. Genauso wie gute Ausbildungsmöglichkeiten nötig sind, brauchen wir in der Tourismuswirtschaft gute Wei- terbildungsstrukturen. Wer im Hotel- und Gastgewerbe oder in der Reisebranche arbeitet, muss die Möglichkeit haben, sich während des gesamten Erwerbslebens opti- mal weiterzuentwickeln. Lebenslanges Lernen darf keine leere Worthülse sein. Beschäftigte und Unternehmen profitieren gleicher- maßen von guter Weiterbildung in der Branche. Betriebe sind auf qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angewiesen. Nur mit gutem und motiviertem Personal, das mehr Qualität und Service gewährleistet, werden wir den wirtschaftlichen Erfolg der deutschen Tourismus- branche langfristig sichern. Das hat auch die Bundesre- gierung in ihrem Tourismuspolitischen Bericht von 2008 festgestellt. Die Formel lautet: Wer keine guten Ange- stellten hat, wird im Wettbewerb nicht bestehen. Man muss kein Experte sein, um festzustellen: Wer im Touris- mus arbeitet, braucht immer häufiger gute Fremdspra- chenkenntnisse und Erfahrungen im betriebswirtschaftli- chen Bereich, bei Marketing und Servicequalität. Leider haben wir in der Branche nur eine geringe Ta- rifbindung. Die Lobby für die Beschäftigten für eine gute berufliche Weiterentwicklung ist deshalb nicht groß, und Weiterbildung wird oft kleingeschrieben. Die Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten hat festge- stellt, dass durchschnittlich nur 15 von 1 000 Beschäftig- ten im Gastgewerbe eine Weiterbildungsprüfung der IHK absolvieren. Von flächendeckender Weiterbildung sind wir meilenweit entfernt. Wir sagen: Die Unterneh- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 26083 (A) (C) (B) (D) men müssen in die Pflicht genommen werden, ihren Mit- arbeiterinnen und Mitarbeitern die Teilnahme an Weiter- bildungen zu ermöglichen. Dazu gehören vor allem verbesserte Regelungen für die Freistellung. Wir brauchen bei der Weiterqualifizierung zudem bundesweite Ansätze, die eine kontinuierliche und syste- matische Qualifizierung ermöglichen. Das von der Bun- desregierung und dem Land Berlin geförderte Deutsche Seminar für Tourismus, DSFT, ist mit seinem überbe- trieblichen und überregionalen Angebot dafür eine wich- tige Institution. Besonders Mitarbeiterinnen und Mitar- beiter aus kleinen und mittelständischen Betrieben der Branche können so qualifiziert werden. Wir wollen auch, dass die Bundesagentur für Arbeit bestehende Angebote so ausrichtet, dass eine klare För- derstruktur für Umschulungen und Weiterbildungen im touristischen Bereich entsteht. Rund 2,8 Millionen Arbeitsplätze hängen direkt und indirekt vom Tourismus ab. Wir müssen gerade in der Krise alles dafür tun, die Arbeits- und Ausbildungsplätze in der Tourismusbranche zu halten. Gute Aus- und Wei- terbildungschancen sind dafür unerlässlich. Wir machen so den Arbeitsplatz Tourismus attraktiver und damit den Deutschlandtourismus zukunftsfest. Jens Ackermann (FDP): Zu Beginn möchte ich die Gelegenheit nutzen, um mich bei Ihnen herzlich für die Geburtstagsglückwünsche zu bedanken. Ich freue mich sehr, dass in der letzten Sitzungswoche noch einmal über die große Bedeutung der Aus- und Weiterbildung in der Tourismuswirtschaft gesprochen wird. Es steht außer Frage, dass gerade diesem Thema nicht genug Aufmerk- samkeit geschenkt werden kann. Im Antrag der Regierungskoalition liest man von all den Ideen zur Verbesserung der Ausbildung im Sektor der Tourismuswirtschaft, aber wer soll denn ausbilden, wenn nach und nach die ausbildenden Betriebe wegbre- chen. Wer soll die Absolventen der Fachhochschulen und Universitäten einstellen? Gerade die Tourismus- branche hat sehr unter der Erhöhung der Mehrwertsteuer auf 19 Prozent gelitten. Daher wollten und wollen wir Liberalen ein Absenkung der Mehrwertsteuer auf 7 Pro- zent für Gastronomie und Hotellerie. Aber genau das wird leider von der Koalition verhindert. Nach einer kurzen Aussprache wurde in der gestrigen Sitzung des Wirtschaftsausschusses unser Antrag zur Einführung des reduzierten Mehrwertsteuersatzes für Hotellerie und Gastronomie zum wiederholten Male auf Betreiben der Koalition abgesetzt. Auch im Finanzaus- schuss wurde der Antrag abgesetzt. Da es sich um die letzten Ausschusssitzungen in der letzten Sitzungswoche des Deutschen Bundestages in dieser Legislaturperiode handelt, bedeutet dies, dass unser Vorstoß für mehr Wett- bewerbsfähigkeit des deutschen Gastgewerbes an Union und SPD gescheitert ist. Mit Verfahrenstricks hat die Ko- alition mehrfach die Beratung des FDP-Antrags verhin- dert. Da fragt man sich doch, wie es mit der Branche und vor allem mit den vielen Mittelständlern weitergehen soll. Ich fordere die CDU/CSU auf, sich vor der Wahl unmissverständlich für die Einführung des reduzierten Mehrwertsteuersatzes für das Gastgewerbe zu positio- nieren. Der Antrag spricht davon, die Attraktivität der Ausbil- dung weiter zu erhöhen. Besitzt nicht ein krisensicherer Arbeitsplatz in heutigen Zeiten die größte Attraktivität? Aber aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Situa- tion und der besonders schweren Situation zum Beispiel im Gastgewerbe und der Hotellerie scheuen sich immer mehr potenzielle Arbeitgeber, überhaupt noch einzustel- len, geschweige denn auszubilden. Neue Arbeits- und Ausbildungsplätze können nur durch eine konsequente Verbesserung der touristischen Rahmenbedingungen entstehen. Leider werden aber die notwendigen Freiräume für die überwiegend mittelständi- schen Unternehmen der Tourismuswirtschaft in Deutsch- land zunehmend durch eine ausufernde Bürokratie be- schnitten. Durch immer neue Regulierungen im ohnehin schon verkrusteten deutschen Arbeitsrecht wird die Schaffung neuer Jobs verhindert. Gerade im Bereich der Ausbildung kommt ein weiteres Problem hinzu – als hät- ten wir nicht schon genug –: die Arbeitszeiten für Jugend- liche. Im Jugendarbeitsschutzgesetz müssen die Arbeitszei- ten für Jugendliche von 22.00 auf 23.00 Uhr ausgedehnt werden. Das erhöht die Chancen von Haupt- und Real- schülern auf einen Ausbildungsplatz. Das wäre ein realer Schritt in Richtung Verbesserung der Ausbildung. Die Hotels müssen bei den Rundfunkgebühren und der Ka- belweiterleitung entlastet werden. Ich finde es unge- recht, einem Azubi noch das Trinkgeld besteuern zu wollen. Auch wir Liberalen im Deutschen Bundestag sind für die Stärkung der dualen Ausbildung, weil damit den tou- ristischen Wünschen und Bedürfnissen, zum Teil auch durch die Schaffung neuer Berufsbilder, entsprochen werden kann und soll. Das Deutsche Seminar für Frem- denverkehr, das die zentrale Weiterbildungseinrichtung in der deutschen Tourismuswirtschaft ist und für dessen angemessene Finanzierung auch in Zukunft gesorgt wer- den muss, hat hier eine Schlüsselfunktion. Alles in allem ist dieser Antrag gut gemeint, fasst er doch die Berichte der Tourismuswirtschaft der letzten Jahre gut zusammen und stellt insgesamt gute Ideen zur Verbesserung der Aus- und Weiterbildung in Aussicht. Dennoch ist er leider etwas unkonkret. Wer in einem An- trag ernsthaft nur „hinwirken“, „prüfen“ oder „anregen“ möchte, der macht den gesamten Antrag etwas schwam- mig. Aber – und da ist auch den Liberalen die Idee zu wertvoll, als sie nicht zu unterstützen – wir können dem Antrag zustimmen. Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE): Erst gestern erblickte der hier zur Diskussion stehende Antrag der Koalitions- fraktionen das Licht der Öffentlichkeit, und nur Kraft der parlamentarischen Mehrheit kam dieser Antrag noch kurzfristig auf die heutige Tagesordnung und soll nach Reden, die nur zu Protokoll gegeben werden – ohne wei- tere Erörterung im Tourismusausschuss – sofort abge- stimmt werden. Da schon seit längerem bekannt ist, 26084 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 (A) (C) (B) (D) wann der Bundestag seine normale parlamentarische Ar- beit mit Blick auf Sommerpause und Bundestagswahl beenden wird, bleibt an die Adresse der Koalition die Frage, warum dieser Antrag nicht früher auf den Tisch kam und nun so eilbedürftig ist. Auch nachdem ich die- sen Antrag gelesen habe, kann ich diese Frage nicht be- antworten. Der Antrag enthält nichts, was nicht schon seit langer Zeit bekannt ist, und auch nichts, wo diese Bundesregierung anders als bisher handeln müsste, be- vor sie ihren Dienst quittiert. Ja, der Antrag ist nicht ein- mal wahlkampftauglich. Ich hoffe, dass viele Personen, die sich in der Touris- muspolitik und in der Tourismuswirtschaft engagieren, und vor allem die Menschen, die auf Gebieten des Tou- rismus lehren, lernen, studieren oder forschen, sich die- sen Antrag genauer ansehen. Er ist ein hervorragendes Beispiel, mit welcher inhaltlichen und sprachlichen Qua- lität, mit welchem Maß an Konkretheit, Umsetzbarkeit und Finanzierbarkeit die Regierungsfraktionen CDU/ CSU und SPD Tourismuspolitik betreiben. Ich bin auch gespannt, welchen Beitrag dieser Antrag bzw. der heu- tige Beschluss des Bundestages leisten wird, um die Aus- und Weiterbildung in der Tourismuswirtschaft im realen Leben zu verbessern. Das Thema der Aus- und Weiterbildung ist zu wichtig, um es mit einem solchen Antrag und ein paar ironischen Anmerkungen meiner- seits abzuhaken. Nehmen wir nur das Thema „Barrierefreier Touris- mus“ etwas genauer in Augenschein. In der UN-Behin- dertenrechtskonvention werden die Staaten aufgefordert, alles zu tun, damit Menschen mit Behinderungen umfas- send am Leben in der Gesellschaft teilhaben können. Die Teilhabe am Tourismus wird in der Konvention extra ge- nannt. Deswegen betrachte ich es als Erfolg, dass das Thema „Barrierefreier Tourismus“ sich im Tourismus- ausschuss durch die gesamte Wahlperiode gezogen hat und dort auch nicht nur das „Privatvergnügen“ eines ein- zelnen Abgeordneten war. Auch in den Tourismuspoliti- schen Leitlinien der Bundesregierung steht dieses Thema weit oben auf der Agenda. Im wirklichen Leben – und dies hat auch der Tourismusausschuss auf seinen Reisen mit mir sehr plastisch erfahren – gibt es noch viel zu tun, um eine durchgängig barrierefreie Tourismus- kette zu gewährleisten. Das beginnt bei der Planung und Buchung der Reise, setzt sich dann bei der An- und Ab- reise, der Mobilität vor Ort, der Barrierefreiheit im Ho- tel, den Gaststätten, touristischen Sehenswürdigkeiten und der örtlichen Infrastruktur fort. Immer wieder haben wir erlebt, dass das Personal in den touristischen Ein- richtungen sehr unsicher im Umgang mit Menschen mit Behinderungen ist, weil sie deren Bedürfnisse und An- forderungen nicht kennt und nur unzureichend und unge- nau Auskünfte über bestehende Barrieren in ihren Ein- richtungen und umliegenden touristischen Angeboten erteilen können. Wir haben Hotels und gastronomische Einrichtungen besucht, wo die Eigentümerinnen und Ei- gentümer mit viel Engagement und Geld versucht haben, ihre Einrichtung möglichst barrierefrei zu gestalten. Aufgrund fehlenden fachlichen Wissens kam es trotz- dem zu falschen, hässlichen oder unpraktischen Lösun- gen. Hier hätte der richtige Rat, zum Beispiel von ge- schulten Architektinnen und Architekten, und die Einbeziehung von Sachverstand von Vertreterinnen und Vertretern aus der Behindertenbewegung zum Teil mit deutlich weniger Aufwand und Geld Besseres bewirken können. Deswegen war für mich inakzeptabel, dass das Deut- sche Seminar für Touristik, DSFT, ein Verein, der seit vielen Jahren überwiegend von Steuergeldern lebt, Wei- terbildungsangebote zu allen möglichen Themen offe- rierte, aber fast nichts zum Thema „Barrierefreier Tou- rismus“. Persönliche Gespräche sowie Diskussionen im Tourismusausschuss und im Beirat des DSFT haben in- zwischen dazu beigetragen, dass das Thema einen ande- ren Stellenwert im Weiterbildungsprogramm des DSFT einnimmt – hier überwiegend nicht als Extra-Seminare, sondern implantiert – in Zusammenarbeit mit der NatKo – in viele andere Seminarangebote. Inakzeptabel bleibt für mich, dass die 1999 gegründete Nationale Koordinie- rungsstelle Tourismus für alle e. V., NatKo – ein Zusam- menschluss von sieben Behindertenverbänden – so ge- ringe Unterstützung der Bundesregierung erhält, und dies auch nicht durch das für Tourismus zuständige Wirt- schaftsministerium, sondern durch das Gesundheitsmi- nisterium. Dies sollte zu Beginn der nächsten Wahlpe- riode endlich geändert werden. Erstaunt war ich, als auf der ITB 2009 der Direktor ei- ner Fachhochschule in Niedersachsen, wo angehende Tourismuswissenschaftlerinnen und Tourismuswissen- schaftler studieren, an seinem Stand antwortete, dass für solche Nischenthemen wie „Barrierefreier Tourismus“ in einem sechssemestrigen Bachelor-Studium kein Platz sei. Die Leiterin der Berufsschule für Tourismus in Berlin be- klagte, dass dieses Thema in den vorhandenen Lehrbü- chern und -materialien keine bzw. nur eine untergeord- nete Rolle spiele. Wird sich dies nun mit dem vorliegenden Koalitionsantrag ändern? Ich glaube kaum, wenn ich mir anschaue, was die Koalition dazu in ihrem Antrag feststellt und von der Bundesregierung fordert. Auch zu anderen Fragen bestünde Diskussionsbedarf, zum Beispiel zu Ausbildungsangeboten für junge Men- schen mit Behinderungen oder für Menschen mit Migra- tionshintergrund. Da die Koalition daran scheinbar kein Interesse – mehr – hat, kann ich abschließend nur zusa- gen, dass die Linke dafür sorgen wird, dass das Thema in der nächsten Wahlperiode wieder auf die Tagesordnung kommt, und dies nicht erst wieder kurz vor der Wahl. Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich muss schon sagen, dass der Zeitpunkt – auf den letz- ten Drücker –, zu dem die Koalitionsfraktionen einen solchen Antrag an die eigene Regierung stellen, prinzi- piell Grund genug für eine Ablehnung wäre. Doch auch wenn uns der Antrag in einigen Bereichen nicht weit ge- nug geht, tut ein Großteil der Forderungen dem Touris- musbereich inhaltlich sicher gut. Deshalb werden wir uns heute enthalten. Schade nur, dass der Antrag erst jetzt kommt. Urlaubsgäste sollen sich in einer Destination wohlfüh- len, und das hängt vor allem davon ab, wie die Leistungen an den Gast herangetragen werden. Die Tourismusunter- nehmen und deren Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen neh- men hier eine Schlüsselrolle ein. Schließlich sind die tou- ristischen Produkte vergleichbar, Menschen hingegen Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 26085 (A) (C) (B) (D) nicht. Das ist ein sehr wichtiges Alleinstellungsmerkmal. Es ist deshalb richtig, einen Schwerpunkt der Ausbil- dungstätigkeit auf die Qualität der touristischen Akteure zu legen. Ich stimme mit Ihnen überein, dass wir hier zu- kunftsorientierte Maßnahmen entwickeln müssen, denn der Tourismus hat Zukunft. Aus- und Weiterbildung der Beschäftigten ist einer der wichtigsten Einflussfaktoren auf die touristische Wettbewerbsfähigkeit. Ausbildungskonzepte sollten sich daher an einer langfristig verwertbaren Grundbildung orientieren. Nur so kann die beruflich notwendige Flexi- bilität zwischen unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern auch branchenübergreifend gesichert werden. Da ist si- cherlich noch viel zu tun. Schlüsselqualifikationen, also persönliche Kompetenzen wie Freundlichkeit, Erschei- nungsbild, Organisations- und Improvisationstalent, die den Umgang mit dem Gast und auch die Leistungsbereit- schaft erfassen, müssen neben den Berufskompetenzen unbedingt im Vordergrund der Ausbildung stehen. Aber auch der Umweltschutz und das Ziel der Barrierefreiheit müssen stärker als bisher in die Ausbildung integriert werden. Dabei kommen mir die letzten beiden Aspekte in Ihrem Antrag eindeutig zu kurz. Aus- und Weiterbildung auf breitester Ebene ist ein wesentliches Kriterium für die Wettbewerbsfähigkeit der Tourismuswirtschaft. Wenn der Gast sich wohlfühlt, kommt er auch gerne wieder. Allerdings muss sich die Aus- und Weiterbildung in der Tourismusbranche auch auf einen wachsenden Onlinereisemarkt einstellen. Das wird vor allem das klassische Berufsbild des Reiseverkehrskauf- manns oder der Reiseverkehrskauffrau mehr und mehr verändern. Das Institut der deutschen Wirtschaft hat erst letzte Woche veröffentlicht, dass immer mehr Deutsche in den Urlaub „surfen“. Der Onlinereisemarkt hat sich in den letzten drei Jahren verdoppelt. Inzwischen wird jeder vierte „Reise-Euro“ via Internet ausgegeben. Dabei wer- den Onlineportale gerade von Personen mit hohem Ein- kommen genutzt, ein kaufkräftiges Potenzial, welches vielen kleinen und mittelständischen Reisebüros verloren geht. Wir müssen den Aus- und Weiterbildungsbereich der Tourismuswirtschaft auch in der nächsten Legislatur im Auge behalten, denn nur mit qualitativen Alleinstellungs- merkmalen können wir unsere Marktposition gegen starke Wettbewerber behaupten. Anlage 21 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Zweiten Ge- setzes zur Änderung des Gesetzes zur Aufhe- bung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege (2. NS-AufhGÄndG) (Zu- satztagesordnungspunkt 9) Dr. Jürgen Gehb (CDU/CSU): Die Bewältigung und Aufarbeitung nationalsozialistischen Unrechts be- schäftigt uns mehr als 64 Jahre nach dem Ende des ver- brecherischen NS-Regimes immer noch. Erneut befas- sen wir uns heute mit der Thematik der pauschalen Aufhebung von NS-Strafurteilen, und zwar von Urteilen gegen sogenannte Kriegsverräter. Eine pauschale Aufhebung von NS-Strafurteilen ist bereits in zwei Gesetzgebungsverfahren erfolgt. Durch § 1 des Gesetzes zur Aufhebung nationalsozia- listischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege – NS- AufhG – vom 25. August 1998 wurden verurteilende strafgerichtliche Entscheidungen, die unter Verstoß ge- gen elementare Gedanken der Gerechtigkeit nach dem 30. Januar 1933 zur Durchsetzung oder Aufrechterhal- tung des nationalsozialistischen Unrechtsregimes aus politischen, militärischen, rassischen, religiösen oder weltanschaulichen Gründen ergangen sind, aufgehoben. Diese Globalklausel wurde durch Regelbeispiele in § 2 NS-AufhG konkretisiert, um die deklaratorische Fest- stellung durch die Staatsanwaltschaft, dass ein bestimm- tes Urteil aufgehoben ist, zu erleichtern. Für die von den Regelbeispielen nicht erfassten Fälle ist eine Einzelfall- prüfung durch die Staatsanwaltschaft erforderlich. Der Gesetzgeber hat diesen Katalog des § 2 NS-AufhG mit Gesetz vom 23. Juli 2002 – BGBl. I S. 2714 – nochmals erweitert und darin die §§ 175, 175 a RStGB sowie ein- zelne Vorschriften des Militärstrafgesetzbuches, unter anderem Desertion, Feigheit vor dem Feind, unerlaubte Entfernung aufgenommen. Der Gesetzgeber hatte noch bei der letzten Änderung des NS-AufhG, also zu Zeiten, in denen Rot-Grün Regie- rungsverantwortung trug, bewusst davon abgesehen, Ver- urteilungen wegen Kriegsverrats nach dem Militärstraf- gesetzbuch – MStGB §§ 57, 59 und 60 – per se als nationalsozialistisches Unrecht zu qualifizieren und in den Katalog des § 2 NS-AufhG aufzunehmen. In der Ge- setzesbegründung – Drucksache 14/8276 – heißt es hierzu wörtlich: Es finden sich im MStGB eine ganze Reihe von Straftatbeständen, bei denen die Aufhebung des Ur- teils ohne Einzelfallprüfung nicht verantwortbar er- scheint. Beispielhaft seien hier der Kriegsverrat, die Plünderung, die Fledderei sowie die Misshandlung von Untergebenen genannt. Bei diesen Delikten ver- mag auch der Umstand, dass sie während eines völ- kerrechtswidrigen Angriffskrieges begangen wurden, keinen Anlass zur Rehabilitierung zu begründen. Aus diesen Gründen war die Aufnahme von genau zu benennenden Vorschriften des MStGB in die An- lage zu § 2 erforderlich. In dem Rohentwurf der Bundesregierung zu dem Ge- setzgebungsvorhaben war hinsichtlich des Kriegsverrats sogar noch folgender Satz enthalten: So erscheint der in Fällen des Kriegsverrats gege- bene Unrechtsgehalt (nicht auszuschließende Le- bensgefährdung für eine Vielzahl von Soldaten) äu- ßerst hoch. An dieser Sichtweise haben bisher alle Bundesregie- rungen und die jeweiligen politischen Mehrheiten im Deutschen Bundestag bis in diese Legislaturperiode hi- nein festgehalten. Ich zitiere aus der mit Schreiben des Bundesministeriums der Justiz vom 15. Juni 2006 über- mittelten Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine 26086 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 (A) (C) (B) (D) Anfrage der Fraktion Die Linke – Drucksache 16/1849 – zu der Frage, ob der Kriegsverrat im Nationalsozialis- mus verurteilenswert sei: Die Frage lässt sich nur im konkreten Einzelfall be- antworten. Dabei kommt es darauf an, ob infolge des Verrats zusätzliche Opfer unter der Zivilbevöl- kerung und/oder deutschen Soldaten zu beklagen waren oder ob infolge des Verrats derartige Opfer gerade vermieden wurden. Der Gesetzgeber hat sich deshalb nach Auffassung der Bundesregierung zu Recht dafür entschieden, bei der Änderung des Gesetzes zur Aufhebung nationalsozialistischer Un- rechtsurteile in der Strafrechtspflege (NS-AufhG) für diese Fälle eine pauschale Aufhebung abzuleh- nen und es bei der Einzelfallprüfung zu belassen. § 1 NS-AufhG erfasst u. a. strafgerichtliche Ent- scheidungen, die unter Verstoß gegen elementare Gedanken der Gerechtigkeit nach dem 30. Januar 1933 zur Durchsetzung oder Aufrechterhaltung des nationalsozialistischen Unrechtsregimes aus „mili- tärischen“ Gründen ergangen sind. Dementspre- chend sind grundsätzlich auch Urteile wegen Kriegsverrats, die diese Voraussetzungen erfüllen, bereits heute durch Gesetz aufgehoben. Neuere Erkenntnisse von Historikern und Rechtswis- senschaftlern veranlassen uns nunmehr, diese Haltung aufzugeben. Alle bisher untersuchten Fälle zeigen, dass sowohl Soldaten als auch Zivilisten für ganz unterschiedliche Handlungen wegen Kriegsverrats zum Tode verurteilt wurden: eine politisch widerständige Gesinnung, Solida- rität mit verfolgten Juden, Hilfe für Kriegsgefangene oder Unbotmäßigkeiten gegenüber Vorgesetzten. Fälle, denen zufolge als „Kriegsverräter“ Verurteilte zum Nachteil Dritter gehandelt hätten, sind bislang nicht nachgewiesen worden. Deshalb muss man gegenwärtig davon ausge- hen, dass der Tatbestand des Kriegsverrats als Instrument der NS-Justiz fungierte, um willkürlich nahezu jedwedes politisch missliebige Verhalten mit dem Tode bestrafen zu können. Hinzu kommen neuerdings Stimmen aus der Rechts- wissenschaft, die den Tatbestand des Kriegsverrats, so wie ihn die Nationalsozialisten gestaltet hatten, für mit rechtsstaatlichen Grundsätzen schlechterdings unverein- bar halten. Ein Gutachten, das das Bundesministerium der Justiz im Frühjahr 2009 bei dem ehemaligen Bun- desverfassungsrichter Hans Hugo Klein in Auftrag gege- ben hat, kommt aus folgenden Gründen zu diesem Schluss: Durch die Änderung des Militärstrafgesetzbuches vom 23. November 1934 wurde in § 57 MStGB auf den im Zuge der sogenannten Verratsnovelle vom 24. April 1934 zuvor drastisch verschärften § 91 b des Strafge- setzbuchs für das Deutsche Reich verwiesen und als al- leinige Strafdrohung die Todesstrafe eingeführt. Die Weite des Straftatbestands in Verbindung mit der absolu- ten Strafdrohung diente dem NS-Regime – so Klein – als Instrument „zur unnachsichtigen Verfolgung jeder der nationalsozialistischen ‚Bewegung‘ feindlich oder auch nur ablehnend begegnenden Gesinnung“. Aufgrund der praktisch unbegrenzten tatbestandlichen Voraussetzun- gen sei die Verhängung der Todesstrafe auch für ver- gleichsweise geringfügige Verstöße unausweichlich ge- wesen. Damit sei § 57 MStGB sowohl in Ansehung des Tatbestandes als auch der Rechtsfolgen mit dem rechts- staatlichen Bestimmtheitsgrundsatz unvereinbar. Unter Berücksichtigung dieser historisch-ethischen und juristischen Gründe halten wir eine pauschale Auf- hebung von Verurteilungen wegen „Kriegsverrats“ nun- mehr für geboten. Dr. Carl-Christian Dressel (SPD): Ich freue mich sehr darüber, dass wir heute einen Gesetzentwurf der Koalition in das parlamentarische Verfahren einbringen, damit die Ehre der wegen des sogenannten Kriegsverrats Verurteilten wiederhergestellt werden kann. Der Appell, den ich an die Kolleginnen und Kollegen von der Union gerichtet habe, einen gemeinsamen Gesetzentwurf noch in dieser Wahlperiode zu ermöglichen, hatte Erfolg. Mit dem Gesetz, das wir heute auf den Weg bringen, heben wir alle Todesurteile gegen sogenannte Kriegsver- räter pauschal auf. Das ist eine richtige und – wie ich meine – überfällige Entscheidung, für die sich die SPD- Bundestagsfraktion seit langem eingesetzt hat. Deshalb ist das heute ein guter Tag für viele Opfer der NS-Justiz. Denn heute sorgen wir dafür, dass es endlich Gerechtig- keit für eine lange vergessene Opfergruppe gibt. Die vollständige Rehabilitierung der „Kriegsverräter“ ist das Ergebnis eines historischen Lernprozesses, manche haben schneller dazugelernt, bei anderen hat das etwas län- ger gedauert. Dass es am Ende dieser Legislaturperiode doch noch gelungen ist, auch unseren Koalitionspartner zu überzeugen, freut mich sehr. Historisch ist heute unstreitig: Der Zweite Weltkrieg war ein verbrecherischer Angriffs- und Vernichtungs- krieg. Je länger er dauerte, desto länger dauerte das Ster- ben und Morden, desto mehr Menschen wurden zum Opfer des Naziregimes. Sie starben als Soldaten an der Front, als Bombenopfer in den deutschen Städten und in den Gaskammern der KZs. Wer bei diesem Krieg nicht mitmachte, wer sogar half, dass diese Barbarei früher beendet wurde, der han- delte nicht kriminell. Kriminell war vielmehr das Re- gime, das mit willfährigen Richtern und juristischen Gummiparagrafen im Rahmen einer „unbegrenzten Aus- legung“ – Bernd Rüthers – jeden zu Tode brachte, der bei dem Morden nicht mehr mitmachen wollte. Unrecht begingen nicht die Opfer, Unrecht begingen die Täter, und deshalb können diese Urteile keinen Bestand haben. Sie müssen pauschal aufgehoben werden. Was es mit diesem Delikt „Kriegsverrat“ und den Menschen, die deswegen verurteilt worden sind, auf sich hatte, war lange Zeit nicht bekannt. In früheren Ausei- nandersetzungen ging es um die Rehabilitierung von De- serteuren und „Wehrkraftzersetzern“. Der Tatbestand des Kriegsverrats spielte keine Rolle, zumal eine bis vor kur- zem herrschende Meinung dagegen angeführt werden konnte. So konnte es geschehen, dass in dem langen Ka- talog des Gesetzes zur Aufhebung des NS-Unrechts Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 26087 (A) (C) (B) (D) zwar annähernd 100 Straftatbestände aufgelistet sind, aber der Kriegsverrat fehlt. Inzwischen wissen wir, was es mit diesem Delikt auf sich hat. Das verdanken wir der Studie der Militärhistori- ker Wolfram Wette und Detlef Vogel sowie dem juristi- schen Gutachten, das der frühere Bundesverfassungsrich- ter Hans Hugo Klein für das Bundesjustizministerium erstellt hat. Professor Klein zeigt, dass der Tatbestand des Kriegs- verrats von den Nationalsozialisten so verändert wurde, dass er den Anforderungen, die man an rechtsstaatliche Strafvorschriften stellen muss, nicht mehr genügte. Der Tatbestand war uferlos und unbestimmt. Er ermöglichte dem Regime, jede Form von abweichendem Verhalten oder auch nur kritischer Gesinnung unter dem Begriff des Kriegsverrats zu subsumieren. Auf der Rechtsfol- genseite war als einziges Strafmaß die Todesstrafe vor- gesehen. Dies führte dazu, dass schon geringste Verstöße die Tötung zur Folge hatten. Professor Klein kommt da- her zu dem Schluss, dass der Straftatbestand des Kriegs- verrats mit rechtsstaatlichen Grundsätzen schlechter- dings unvereinbar war. Dieses Ergebnis wird bestätigt durch die Untersu- chungen zur Urteilspraxis. Die Studie von Wolfram Wette zeigt, dass Soldaten und Zivilisten für ganz unter- schiedliches Verhalten hingerichtet worden sind: für politischen Widerstand, für Hilfe für verfolgte Juden oder für Unbotmäßigkeiten gegenüber Vorgesetzen. Die Studie von Professor Wette liegt uns seit Sommer 2007 vor. Seit dem Frühjahr dieses Jahres gibt es das Gutachten von Professor Klein. Beide zusammen ma- chen deutlich, dass kein Urteil, das wegen Kriegsverrat ergangen ist, rechtsstaatlichen Anforderungen genügt. Trotzdem war es nicht einfach, dieses Projekt zu einem guten Abschluss zu bringen. Mein Dank gilt daher allen, die sich für die vollständige Rehabilitierung der „Kriegs- verräter“ eingesetzt haben. Ich danke dem Verband der Opfer der NS-Militärjustiz um Ludwig Baumann, den engagierten Historikern wie Wolfram Wette und auch Helmut Kramer, der Bundesjustizministerin Brigitte Zypries und schließlich den Kolleginnen und Kollegen in allen Fraktionen, die immer wieder Druck gemacht haben. Sie alle haben mit ihrem Engagement mitgehol- fen, dass auch jene Opfer der NS-Justiz endlich Gerech- tigkeit erfahren, die wir viel zu lange vergessen haben. Christine Lambrecht (SPD): Heute ist ein besonde- rer Tag, ein Tag, der für die Betroffenen ein Tag der Ge- nugtuung ist und hoffentlich hilft, Frieden mit dem eige- nen Schicksal zu schließen. Gewiss, nach unserem heutigen Kenntnisstand gibt es niemanden, der während der NS-Zeit wegen „Kriegsver- rats“ verurteilt wurde, der heute noch lebt. Die meisten wurden sofort hingerichtet. Doch auch Toten müssen wir Gerechtigkeit zukommen lassen. Wie viele Frauen hat es gegeben, die in der Nazizeit und auch danach damit leben mussten, dass sie von ih- rem Umfeld, den Nachbarn, dem Kaufmann, dem örtli- chen Polizisten oder vielleicht sogar eigenen Verwand- ten geschnitten und verachtet wurden, weil ihr Mann als „Kriegsverräter“ galt? Wie viele Kinder haben in dieser Zeit erleben müssen, dass sie von den Kindern der Nach- barschaft, in der Schule gedemütigt wurden, vielleicht sogar geschlagen und bespuckt, weil die Eltern der ande- ren Kinder über sie sagten, der Vater sei ein „Kriegsver- räter“ gewesen? Wie viele von ihnen haben über Jahr- zehnte versucht, den toten Vater von dieser Schmach freizumachen und ihn so darzustellen, wie er war: ein Mann, der als einfacher Soldat vielleicht ein kritisches Wort gesagt hat oder einfach nur kritische Kameraden nicht verraten hat oder der versucht hat, Kriegsgefange- nen oder Juden zu helfen, und der dafür sein Leben las- sen musste; verurteilt von „furchtbaren Juristen“, die aufgrund von Recht geurteilt haben, das angesichts sei- ner Menschenverachtung und Willkürlichkeit diesen Na- men nicht verdient hat? Wie viele sind dabei in Behörden, bei Staatsanwälten und Gerichten vor eine Wand gelaufen? Wie viele haben das erlittene Unrecht des Vaters und das eigene in sich hineingefressen und sind daran zerbrochen? Vor allem für diese Menschen setzen wir heute einen parlamentarischen Prozess in Gang, der zur vollständi- gen Rehabilitierung der in der NS-Zeit wegen Kriegsver- rats verurteilten Menschen führen wird, spät, sehr spät, aber doch nicht zu spät. Juristisch gesehen ist der Sachverhalt so nüchtern: Durch das Gesetz zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege – NS-AufhG – vom 25. August 1998 werden nach § 1 verurteilende strafgerichtliche Entscheidungen aufgehoben, die unter Verstoß gegen elementare Gedanken der Gerechtigkeit nach dem 30. Januar 1933 zur Durchsetzung oder Auf- rechterhaltung des nationalsozialistischen Unrechtsre- gimes aus politischen, militärischen, rassischen, religiö- sen oder weltanschaulichen Gründen ergangen sind. Die genannten Entscheidungen betreffen nach § 2 des Geset- zes unter anderem auch solche, die auf den in der Anlage zu § 2 Nr. 3 NS-AufhG genannten gesetzlichen Vor- schriften beruhen. Nicht erfasst werden durch die Regelung aber bisher Verurteilungen wegen Kriegsverrats nach den §§ 57, 59, 60 des Militärstrafgesetzbuches, obgleich sie rechtsstaat- lichen Grundsätzen nicht entsprechen, weil sie tatbe- standlich nicht hinreichend bestimmt sind. Unser Entwurf sieht nun vor, die Strafvorschriften des Militärstrafgesetzbuches wegen Kriegsverrats ebenfalls in die Anlage zu § 2 Nr. 3 NS-AufhG aufzunehmen, ein einfacher Schritt, der doch über 60 Jahre gedauert hat. Die Gründe dafür aufzuführen ist hier nicht der Platz. Ich möchte allen danken, die diesen Prozess ange- schoben und begleitet haben. Ich danke denen, die 60 Jahre keine Ruhe gegeben haben. Ich danke den Kolle- gen, die dieses Thema immer wieder in das parlamenta- rische Verfahren gebracht haben. Ich danke denen, die an den Texten gefeilt haben und die das Ganze in eine juris- tisch korrekte Form gebracht haben. Ich danke den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Fraktionen, den Abgeordnetenbüros und in der Bun- 26088 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 (A) (C) (B) (D) destagsverwaltung, die geholfen haben, dass der ganze Prozess immer fristgemäß und nach allen Vorschriften verlaufen ist. Ich danke vor allem den Kolleginnen und Kollegen, die unseren Gesetzesentwurf, nämlich einer Gruppe von Abgeordneten, unterzeichnet haben. Viele brauchten dazu ein wenig Mut. Doch damit konnten wir das fast schon gescheiterte Projekt noch einmal ins Rollen und schließlich zum Durchbruch bringen. Ich danke dabei ausdrücklich den Kolleginnen und Kollegen von CDU/ CSU und FDP, die dafür gesorgt haben, dass dieser Ge- setzentwurf von Vertretern aller Fraktionen unterstützt wurde. Zu guter Letzt danke ich den Fraktionsspitzen, die trotz anfänglicher Bedenken und Einwände schließlich doch den Weg frei gemacht haben, damit wir die voll- ständige Rehabilitierung der Menschen, die wegen „Kriegsverrats“ verurteilt wurden, am 26. August 2009 beschließen können, sechs Tage vor dem 70. Jahrestag des Überfalls des nationalsozialistischen Deutschlands auf Polen, der den zweiten Weltkrieg auslöste und über 50 Millionen Menschen das Leben kostete. Ich denke, das wird ein gutes Zeichen für alle Opfer des NS-Regimes und ihrer Hinterbliebenen, und es macht einmal mehr deutlich, dass sich der Deutsche Bundestag seiner Verantwortung vor der Geschichte bewusst ist. Jörg van Essen (FDP): Ich habe mir lange überlegt, ob ich die mir zustehende Redezeit hier nutzen soll. Ich tue es nicht. In der Tat: Die Absicht dieses Gesetzent- wurfs ist uneingeschränkt ehrenwert und in ihrer Aus- sage auch richtig. Deswegen hat die FDP auch keinen Augenblick gezögert, diesen Gesetzentwurf mit einzu- bringen. Bei einem so sensiblen Thema wie dem Um- gang mit Opfern der NS-Diktatur ist die Gemeinsamkeit der demokratischen Fraktionen ein Wert an sich. Dennoch bleibt meine Sorge, dass von der heutigen Debatte das falsche Signal ausgehen könnte, nämlich, dass die NS-Unrechtsurteile noch in der Welt sind. Sie sind es nicht. Ich habe schon 2002 in der Debatte um das erste Änderungsgesetz zur Änderung des Gesetzes zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege klargestellt, dass es für die FDP selbst- verständlich ist, dass alle NS-Unrechtsurteile bereits 1998 aufgehoben worden sind. Noch zu Zeiten der schwarz-gelben Koalition ist das erste Gesetz zur Aufhe- bung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Straf- rechtspflege auf den Weg gebracht worden. Nochmals: Der Deutsche Bundestag hat schon mit diesem Gesetz alles NS-Unrecht pauschal und ohne Begrenzung aufge- hoben. Meine Sorge ist: Gut gemeinte erneute Debatten verstören die Opfer eher, als dass sie helfen. Gleichzeitig möchte ich natürlich auch nicht den ge- ringsten Zweifel daran aufkommen lassen, dass auch meine Fraktion diese Schandurteile aus der NS-Zeit be- schämend findet. Deshalb tragen wir den Gesetzentwurf im Ergebnis auch mit. Die Opfer der NS-Unrechtsjustiz sollen wissen, dass der Deutsche Bundestag diese Schandurteile nicht schützt. Erlauben Sie mir noch eine persönliche Anmerkung: Ich war sehr irritiert, wie schamlos die Linke in den letz- ten Wochen bei diesem Thema auf dem Rücken der Op- fer Politik betrieben hat. Ich war empört, wie die Opfer der für jeden anständigen Juristen beschämenden NS- Unrechtsjustiz für politische Strohfeuer von interessier- ter Seite nochmals zu Opfern gemacht wurden. Ich gebe gerne zu, dass ich mit großem Interesse die schlüssigen Ausführungen des ehemaligen Richters am Bundesverfassungsgericht, Professor Dr. Hans Hugo Klein, gelesen habe. Ich habe den Eindruck, dass es vor allem seinem Sachverstand und der nüchternen juristi- schen Analyse zu verdanken ist, dass wir heute diesen interfraktionellen Gesetzentwurf beraten können. Ich wäre dankbar, wenn ein Ergebnis dieses Gesetz- gebungsverfahrens wäre, dass in diesem Hohen Haus Ei- nigkeit darüber besteht, dass wirklich kein NS-Unrecht mehr im Raum steht. Die Welt darf darauf vertrauen, dass das deutsche Volk im Sinne der Präambel unseres Grundgesetzes als gleichberechtigtes Glied in einem ver- einten Europa dem Frieden der Welt dienen will. In un- serem Rechtsstaat gibt es keinen Platz für NS-Unrechts- urteile. Jan Korte (DIE LINKE): Am 18. September 1943 wurde der Soldat Adalbert von Springer wegen „Kriegs- verrat“ hingerichtet. Sein Vergehen: In einem Flugblatt hatte er Offiziere aufgefordert, den Krieg zu beenden. Ein Soldat, der versucht hatte, 13 jüdische Menschen vor ihrer Ermordung in Ungarn zu retten, wurde am 9. Mai 1944 wegen „Kriegsverrat“ hingerichtet. Der Gefreite Robert Albrecht setzte sich für britische Kriegsgefan- gene ein. Am 5. August 1942 wurde er deshalb wegen „Kriegsverrat“ zum Tode verurteilt. Und: Oberstleutnant Harro Schulze-Boysen, maßgeblicher Kopf der Wider- standsgruppe „Rote Kapelle“, wurde mit vielen anderen unter anderem wegen Kriegsverrat am 19. Dezember 1942 verurteilt und hingerichtet. Diese zuvor genannten Beispiele machen die ganze Dimension der heutigen Debatte deutlich. Es geht um nicht mehr und nicht weniger als darum, diese bewun- dernswerten Menschen aus der Sphäre der Vorbestraft- heit und der Stigmatisierung zu befreien. Es geht darum, ihnen die Anerkennung und den Respekt des Bundesta- ges zu geben. Auch wenn nach heutigem Erkenntnis- stand keiner der sogenannten Kriegsverräter mehr leben dürfte, so wird durch die pauschale Rehabilitierung zu- mindest deren Angehörigen ein wichtiges Signal der An- erkennung zuteil. Die nunmehr vorliegenden Gesetzent- würfe tilgen einen weiteren Skandal in der Geschichte des Umgangs mit der NS-Justiz in der Bundesrepublik. Neben dieser Frage der praktischen Rehabilitierung bedeutet der heutige Tag aber auch eine unschätzbare Klarstellung: Die NS-Militärjustiz war unzweideutig Be- standteil der nationalsozialistischen Terror-, Willkür- und Vernichtungspraxis. Es gab keine saubere NS-Justiz und erst recht keine saubere NS-Militärjustiz. Es waren Mörder in Roben! Dieses heute ein für alle Mal klarzu- stellen, ist ein wichtiger Schritt. Bereits 1999 analysierte der Politologe Joachim Perels anhand eines wegweisen- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 26089 (A) (C) (B) (D) den Urteils des Bundessozialgerichts mit Blick auf die NS-Militärjustiz: Das Gericht erkennt, dass die – als Teil der diktatorischen Exe- kutivgewalt fungierende – Militärgerichtsbarkeit wesentlich keinen rechtsstaatlichen Charakter be- saß. Das Gericht charakterisiert die Militärjustiz mit dem Schlüsselbegriff Fraenkels als Teil des Maßnahmenstaates, der individuelle und kommuni- kative Rechtspositionen zu politischen Machtzwe- cken beliebig beseitigen kann. Durch dieses Urteil und durch das Engagement von kritischen Wissenschaftlern, kritischen Journalisten und nicht zuletzt durch Ludwig Baumann und seine „Bun- desvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz“ konnte Stück für Stück die Lüge vom damaligen Recht, „was heute kein Unrecht sein könne“, zurückgedrängt. Trotzdem: Die Deserteure wurden erst 2002 gegen die Stimmen der CDU/CSU rehabilitiert, und die „Kriegs- verräter“ mussten weitere sieben Jahre warten – eben bis heute. Schon diese enormen Zeitabstände zeigen eines: Es ging und geht um geschichtspolitische Deutungen der NS-Zeit und besonders des Umgangs damit in der Ge- schichte der BRD. Auch die Anerkennung des Widerstandes des 20. Juli, der ja heute zur Staatsräson gehört, musste durch mutige Minderheiten erkämpft werden. In den 50er-Jahren gal- ten diese Leute als „Verräter“ und „Dreckschweine“. Erst der linke Sozialdemokrat und hessische General- staatsanwalt Fritz Bauer erkämpfte im berühmten Remer-Prozess einen anderen Blick. Er machte damals klar: Ein Unrechtsstaat, der täglich Zehntausende Morde begehe, berechtigt jedermann zur Notwehr. – Diese De- batten begleiteten die Geschichte der Bundesrepublik. Ich erinnere an die Debatten über die erste Wehrmachts- ausstellung, den Historikerstreit, die Rehabilitierung der Wehrmachtsdeserteure und eben die pauschale Rehabili- tierung der Kriegsverräter. Vor dreieinhalb Jahren hat die Fraktion Die Linke ei- nen entsprechenden Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht. Bedenkt man, dass es um offenbare Un- rechtsurteile geht – die für jeden ersichtlich sind –, so waren diese Jahre ein wahrer Krimi, in dem oft nicht an der Sache orientiert diskutiert wurde, sondern in dem Parteitaktik dominierte. Auch das muss heute angespro- chen werden. In der ersten Lesung des Gesetzentwurfs der Linken waren bis auf die Linke und Bündnis 90/Die Grünen alle anderen Fraktionen gegen dieses Anliegen. Sätze, die in der damaligen Debatte gefallen sind, will ich Ihnen und mir heute ersparen. Die Linke hat immer wieder gesagt, dass sie sogar ihren Gesetzentwurf zu- rückziehen würde, wenn es einen entsprechenden Ge- setzentwurf gäbe, der das gleiche Ziel zum Inhalt hat. Denn nach einiger Zeit war das Anliegen nicht mehr um- stritten, sondern das Hauptproblem war der Entwurfs- verfasser. Schade, dass an solch einer Frage diese Spiel- chen stattgefunden haben! Trotzdem wird der Bundestag am Ende der 16. Wahl- periode nun dieses „letzte Tabu“ beseitigen. Dies wäre ohne beharrliche Diskussionen, ohne die Unterstützung kritischer Journalisten, ohne die Interventionen von Per- sönlichkeiten wie Bischof Huber oder Joachim Gauck, ohne das Engagement von Juristenvereinigungen und nicht zuletzt ohne das ständige Insistieren von Ludwig Baumann nicht möglich gewesen. Auch das Gutachten vom ehemaligen Verfassungsrichter Klein, CDU, hat den Druck noch einmal erhöht. Dass nach über drei Jahren des Diskutierens, des Ver- tagens, des Nervens und des Argumentierens alles inner- halb von einem Tag in den Bundestag kommt, hat auch etwas damit zu tun, dass die Grünen und einige ent- schlossene Mitglieder der SPD bereit waren, einen Ge- setzentwurf einer Gruppe von Abgeordneten zu initiie- ren, der das vorgeschobene und alberne Argument, einer Vorlage der Linken könne man nicht zustimmen, einfach umging. Dass am heutigen Tage nun auch die CDU/CSU bereit ist, die Kriegsverräter ohne Wenn und Aber zu re- habilitieren, ist ein Erfolg, und ich begrüße dies aus- drücklich. Auf Unverständnis stößt in der Gesellschaft aber die nach wie vor bestehende Verweigerungshaltung der CDU/CSU-Fraktion, einen gemeinsamen Gesetzent- wurf aller Fraktionen zur Rehabilitierung heute zu bera- ten. Kauder will die Linke ausgrenzen. Der parlamenta- rische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Dr. Norbert Röttgen, ließ erneut mitteilen, die Linke könne den von den anderen Fraktionen im Hause getragenen Gesetzent- wurf nicht mit einbringen, ausgerechnet die Fraktion, die vor Jahren einen fast gleichlautenden Gesetzentwurf vorlegte, zu einem Zeitpunkt, als die Union in Person von Herrn Geis noch eine ganz und gar entgegengesetzte Position vertrat. Dies ist kleinkariert. Wir sagen: Sei es drum. Entscheidend ist heute, dass die Rehabilitierung zustande kommt. Das zählt. Fritz Bauer sagte vor vielen Jahren: „Ein Unrechts- staat wie das Dritte Reich ist überhaupt nicht hochver- ratsfähig.“ Und mit Blick auf die Kriegsverräter kann ich nur sagen: Der Verrat eines verbrecherischen Angriffs- und Vernichtungskrieges ist keine Straftat – sondern eine Heldentat. – Dies hat der Bundestag heute festgestellt. Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ende gut, alles gut. So möchte man heute nur noch we- nige Stunden vor Beginn der parlamentarischen Som- merpause sagen. Ich gebe zu, ich bin erleichtert, dass es quasi in allerletzter Minute gelungen ist, ein wichtiges, ein notwendiges Gesetz auf den Weg zu bringen. Das ist gut für die Betroffenen, das ist aber auch gut für das Par- lament. Wir haben uns alle entschieden, wer die richtige und wer die falsche Seite in Angriffs- und Vernichtungs- krieg war. Bei der Rehabilitierung der Opfer des Zweiten Weltkriegs durfte nicht der Eindruck hängen bleiben, man sei zu keiner gemeinsamen Lösung zwischen den Fraktionen fähig. Die Hartnäckigkeit, mit der wir die vollständige Rehabilitierung dieser Opfergruppen betrie- ben haben, hat sich am Ende ausgezahlt. Was wir heute beschließen, ist längst überfällig. Wir hatten schon unter Rot-Grün dafür gestritten, auch die sogenannten Kriegsverräter zu rehabilitieren. Die dama- lige unselige Debatte über die Deserteure muss heute 26090 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 (A) (C) (B) (D) nicht mehr geführt werden. Heute ist die militärge- schichtliche Forschung weiter und sie zeigt deutlich: Wegen Kriegsverrates wurde vor die Schranken der Ter- rorjustiz vor allem gezerrt, wer Gegner des Regimes war. Das konnte Konservative genauso treffen wie Sozialde- mokraten oder Kommunisten. Aufgrund § 57 Militärstrafgesetzbuch musste bei- spielsweise ein Soldat sterben, weil er für die Angehöri- gen eines KZ-Häftlings zwei Reichsmark gespendet hatte. In der Urteilsbegründung machten die Unrechts- richter aus der Spende von Deutschen für Deutsche eine angebliche Hilfe für die Sowjetunion. Und als Rechts- folge für einen Akt von Solidarität und Mitmenschlich- keit drohte der NS-Staat einzig die Todesstrafe an. Diese Rechtsprechung des Terrors erfordert geradezu zwin- gend, die darauf gestützten Urteile aufzuheben. Wir müssen diese Urteile pauschal aufheben. Die Ein- zelfallprüfung hat sich nicht bewährt, und sie wäre den Betroffenen auch nicht zumutbar. Die Sachverständigen haben überzeugend dargelegt, wie schwierig es ist, die damaligen Fälle neu aufzurollen. Es ist ein Unding, dass Lücken im Aktenbestand zulasten der Antragsteller ge- hen. Bei normalen Rehabilitationsverfahren mag das hinnehmbar sein. Aber Kriegsverrat war eben kein nor- maler Straftatbestand, sondern das war politisches Straf- recht des NS-Staates. Die Urteile gehören darum endlich aufgehoben. Anlage 22 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Förderung von Ver- trauen, Sicherheit und Datenschutz in E-Go- vernment und E-Business (Zusatztagesord- nungspunkt 10) Clemens Binninger (CDU/CSU): Die Kommunika- tion über das Internet ist aus dem Alltag der Menschen nicht mehr wegzudenken. Mehr als zwei Drittel aller Haushalte in Deutschland haben inzwischen einen Inter- netzugang. Die Mehrzahl der Bürgerinnen und Bürger nutzt die Angebote rege, die das Netz bietet. Man kom- muniziert per E-Mail, beteiligt sich an Diskussionsforen wie Abgeordnetenwatch oder bestellt Bücher und andere Produkte online. Neben den kommerziellen Angeboten der Wirtschaft wächst auch das Dienstleistungsangebot der öffentlichen Verwaltung im Netz zunehmend. Seinen Wahlschein oder eine zusätzliche Lohnsteuerkarte kann man beispielsweise in vielen Städten und Gemeinden in- zwischen online beantragen. Die elektronische Kommunikation ist deswegen so be- liebt, weil sie schnell und günstig ist. Alle Beteiligten pro- fitieren von den Vorteilen, die sie mit sich bringt gleicher- maßen. Dies gilt für Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen und Behörden. Deswegen ist die Informa- tionstechnologie als Schlüsseltechnologie für unser Jahr- hundert so bedeutend wie die Eisenbahn für das 19. und das Auto für das 20. Jahrhundert. Unverzichtbare Grund- lage für die Nutzung elektronischer Kommunikationsmit- tel ist allerdings das Vertrauen der Menschen. Nur wenn elektronische Kommunikationsdienste hohen Standards hinsichtlich Sicherheit und Datenschutz genügen, finden sie das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger. Nur wenn krimineller Missbrauch ausgeschlossen ist, sind Unter- nehmen und Behörden dazu bereit, den Bürgerinnen und Bürgern ihre Dienste auch elektronisch anzubieten. In der Frühzeit des Eisenbahnbaus gab es keine ein- heitlichen Standards. Jeder wählte die Spurbereite, die ihm am besten erschien. Aber bald folgten Richtmaße. Auch auf die Erfindung des Automobils folgte bald die erste Straßenverkehrsordnung. Damit es auf unseren Da- tenautobahnen nicht zu Unfällen, Staus oder Raserei kommt, brauchen wir auch für die elektronische Kommu- nikation Vorschriften. Um das Vertrauen in elektronische Kommunikationsmittel zu stärken und den elektroni- schen Geschäfts- und Verwaltungsverkehr weiter voran- zubringen, müssen wir eine digitale Raumordnung schaf- fen! Mit Stolz kann ich sagen, dass wir dabei in dieser Le- gislaturperiode ein ganzes Stück weitergekommen sind. Wir haben im Rahmen der Föderalismusreform eine ver- fassungsrechtliche Grundlage für die Zusammenarbeit von Bund und Ländern im Bereich der öffentlichen In- formationstechnik geschaffen. Wir haben den elektroni- schen Personalausweis eingeführt und wir haben das E-Government-Programm 2.0 aufgelegt. Außerdem haben wir in Friedrichshafen unter der Überschrift Bürgerportale ein viel beachtetes Pilotpro- jekt ins Leben gerufen, auf das ich näher eingehen will. Wirtschaft und öffentliche Verwaltung testen im Rahmen dieses Projekts neue Standards für die elektronische Kommunikation. In einem lebensechten Szenario wer- den dabei verschiedenste Anwendungsmöglichkeiten er- probt, beispielsweise rechtsverbindliche Abschlüsse von Versicherungspolicen oder die komplette Durchführung von Verwaltungsangelegenheiten über das Internet. Kern des Projekts ist ein sicheres Identifikations- und E-Mail- System. In einem Verbund staatlich zertifizierter, aber privat betriebener Anbieter sollen die Bürgerinnen und Bürger mittels sogenannter De-Mails die Möglichkeit er- halten, rechtsverbindlich über das Internet zu kommuni- zieren. Mittels De-Ident sollen sie sich außerdem im In- ternet elektronisch ausweisen können. Als weiteren Baustein beim Aufbau einer digitalen Raumordnung müssen wir zu Beginn der kommenden Legislaturperiode die rechtlichen Voraussetzungen für De-Mail und De-Ident schaffen. Dazu müssen wir eine gesetzliche Grundlage für Ausgestaltung und Betrieb durch akkreditierte Unternehmen erarbeiten und Stan- dards definieren. Der Grundsatz bei De-Mail lautet, so si- cher wie ein Brief, aber so einfach wie eine E-Mail. Dem- entsprechend sind einerseits hohe Anforderungen an Sicherheit und Datenschutz zu stellen. Andererseits dür- fen dabei auch keine zu hohen Zugangshürden errichtet werden. Das gilt auch für De-Ident. Denn ein absolut si- cheres System nutzt überhaupt nichts, wenn es so kompli- ziert zu handhaben ist, dass die Bürgerinnen und Bürger keinen Gebrauch davon machen. Hier müssen wir einen gangbaren Mittelweg finden. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 26091 (A) (C) (B) (D) Sie sehen, wir sind als Gesetzgeber gefordert, das Pi- lotprojekt in Friedrichshafen aufmerksam zu begleiten. Denn wenn der 17. Deutsche Bundestag eine umfassende gesetzliche Grundlage für die elektronische Kommuni- kation zwischen Bürgerinnen und Bürgern, Unternehmen und Behörden beschließt, werden die Erfahrungen aus dem Pilotprojekt von großem Wert sein. Ein wichtiges Thema ist auch die Einbettung von De- Mail und De-Ident in eine Gesamtstrategie. Die Union spricht sich dafür aus, den elektronischen Identitätsnach- weis mittelfristig in Kombination mit dem elektroni- schen Personalausweis zum allseits nutzbaren elektroni- schen Identitätsdokument weiterzuentwickeln. Zukünftig sollen öffentliche Stellen bei der Identifizierung der Bür- gerinnen und Bürger in der elektronischen Kommunika- tion den elektronischen Identitätsnachweis De-Ident ak- zeptieren und rechtsverbindliche Nachrichten über De- Mail empfangen und versenden. Teil einer Gesamtstrate- gie muss auch die Einbindung der neuen Dienste De- Mail und De-Ident in bereits bestehende Lösungen sein. Wir müssen beispielsweise sicherstellen, dass die neuen Standards mit dem elektronischen Gerichts- und Verwal- tungspostfach, dem Signaturgesetz und der EU-Dienst- leistungsrichtlinie harmonieren. Experten rechnen damit, dass in Deutschland allein mit De-Mail jährliche Einsparungen von einer bis einein- halb Milliarden Euro realisiert werden können. Die Er- sparnisse werden bei Bürgerinnen und Bürgern, Unter- nehmen und Verwaltungen aber nur ankommen, wenn das neue Angebot rege genutzt wird. Vertrauen, Sicher- heit und Datenschutz sind für De-Mail und viele andere Angebote unabdingbare Voraussetzungen. Um Vertrauen, Sicherheit und Datenschutz zu gewährleisten, schaffen wir Stück für Stück eine digitale Raumordnung für E-Go- vernment und E-Business. Damit stärken wir den IT- Standort Deutschland. Und wir bauen unsere Vorreiter- rolle aus, die wir durch die Einführung des elektronischen Personalausweises gewonnen haben. Dr. Michael Bürsch (SPD): Vor zwei Monaten haben wir in erster Lesung über ein Gesetz zur Einführung von Bürgerportalen debattiert. Dabei herrschte weitgehend Einigkeit darüber, dass die Bemühungen der Bundesre- gierung im Zusammenhang mit dem „E-Government- Programm 2.0“ und der „Hightech-Strategie“ richtig und wichtig sind. Dazu zählt auch die Frage, wie Bürger und Unterneh- men auf sicherem Wege die elektronische Kommunika- tion untereinander und mit Behörden erledigen können. Im Zeitalter des Internets und der mittlerweile sehr ge- bräuchlichen Kommunikation via E-Mail gewinnt diese Frage zunehmend an Bedeutung. Wenn sich neue Me- dien wie E-Mail und Internet etablieren, dann ist es Auf- gabe des Gesetzgebers, verlässliche Rahmenbedingun- gen, insbesondere im Hinblick auf Datensicherheit und Datenschutz, für die Nutzung dieser Medien zu schaffen. Es geht um die Errichtung einer digitalen Raumordnung für die neuen und für viele Bürgerinnen und Bürger mit Unsicherheiten behafteten Kommunikationsmöglichkei- ten in den Weiten des World Wide Web. Ohne Vertrauen in elektronische Kommunikationsdienste wie etwa Inter- netprovider ist eine solche Ordnung nicht möglich. Das Gesetz zur Errichtung von Bürgerportalen dient daher der Aufstellung klarer, verbindlicher Regeln für die Kommunikation per E-Mail und ist insofern gut geeig- net, das notwendige Vertrauen zu schaffen. Rechtsver- bindliche Kommunikation zwischen Bürgerinnen und Bürgern bzw. Wirtschaftsunternehmen einerseits und staatlichen Stellen andererseits erfordert die Garantie un- verfälschter Übermittlung sowie eindeutiger Identifizie- rung der Kommunikationspartner sowie die Möglichkeit einer rechtssicheren Zustellung elektronischer Doku- mente. Diesen Erfordernissen sollte der vorliegende Gesetz- entwurf gerecht werden: Er sieht gesetzliche Rahmenbe- dingungen und technische Grundlagen für die Schaffung sogenannter Bürgerportale im Internet vor. Diese Portale sollen wie eine Art E-Mail-Intranet funktionieren. Dazu müssen Privatpersonen oder Unternehmen ein elektroni- sches Postfach eröffnen, über das sie später mit staatli- chen Stellen kommunizieren können und das mit techni- schen Sicherheitsvorkehrungen versehen sein soll, sodass unbefugte Zugriffe durch Dritte unmöglich sind. Ein sicheres Postfach lässt sich wechselseitig für alle Angelegenheiten mit rechtlich verbindlichem Charakter nutzen, also etwa für Widersprüche gegen Steuerbe- scheide, Kaufverträge, Mahnungen usw. Die SPD-Fraktion unterstützt das Vorhaben der Bun- desregierung nach wie vor. Allerdings haben die Bera- tungen seit der ersten Lesung gezeigt, dass das Gesetz – vor allem angesichts der Kürze der zur Verfügung ste- henden Zeit – noch nicht beschlussreif ist. Eine Reihe of- fener Fragen bedürfen noch einer gründlicheren Klärung, sodass wir uns in der Koalition darauf verständigt haben, mit dem heute vorliegenden Antrag die Richtung für ein Gesetz in der kommenden Legislaturperiode vorzuschla- gen. Dabei steht für uns im Mittelpunkt, mit einer gesetzli- chen Regelung Sicherheit der Kommunikation und Rechtsverbindlichkeit zu gewährleisten und dabei mög- lichst geringe Zugangshürden für alle Nutzerinnen und Nutzer von Bürgerportalen bzw. De-Mail zu errichten. Elektronische Dienste müssen nutzerfreundlich und bar- rierefrei sein. Dabei muss zugleich ein hoher Daten- schutzstandard gewährleistet werden. Wie das im Ein- zelnen aussehen wird, kann das in Friedrichshafen geplante Pilotprojekt zur Einführung von Bürgerportalen zeigen. Sinnvoll wäre vor allem, wenn sich alle am Bür- gerportal interessierten Akteure an der Erarbeitung der gesetzlichen Rahmenbedingungen beteiligen. Gerade im Zeitalter der elektronischen Kommunika- tion müssen die etablierten Standards von Transparenz und Partizipation fortgelten. Daher unterstützen wir alle Bemühungen, mithilfe einer neuen digitalen Raumord- nung gleichberechtigte Teilhabe an der „Ressource Kom- munikation“ auch im 21. Jahrhundert zu sichern. Gisela Piltz (FDP): Der Antrag, den die Koalition hier vorlegt, ist schon an sich ein Armutszeugnis für die politische Handlungsfähigkeit der sogenannten Großen 26092 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 (A) (C) (B) (D) Koalition. Sie hatten jetzt vier Jahre Zeit, sich um die Verbesserung und Stärkung des E-Governments zu küm- mern. Und dann kommen Sie in der letzten Sitzungswo- che in einer Nacht-und-Nebel-Aktion mit so einem An- trag. Um das Bürgerportalgesetz, über welches sich die Koalition nicht einig werden konnte, ist es nicht im Min- desten schade. Aber statt dann die Konsequenz aus den Zweifeln in den eigenen Reihen sowie von zahlreichen Experten zu ziehen und es einfach zu lassen, schreiben Sie einen Antrag, in dem Sie die Bundesregierung „bit- ten“, den Murks weiter zu betreiben. Da kann ich nur noch ungläubig den Kopf schütteln. In Ihrem Antrag gehen Sie genau auf dem Holzweg weiter, den Sie mit Ihrem Gesetzentwurf schon beschrit- ten hatten. Sie setzen auf das Mammutprojekt De-Mail statt auf von der Wirtschaft entwickelte funktionierende Standards für sichere elektronische Kommunikation. Es ist illusorisch, anzunehmen, dass eine Bundesbehörde besser geeignet ist, die Standards zu entwickeln, als Lö- sungen, die am Markt stetig fortentwickelt werden. Wenn die deutschen Behörden künftig unter Rückgriff auf die zahlreichen guten Lösungen am Markt die Nach- frage nach sicheren Kommunikationsstandards verstär- ken würden, wäre damit eine ordnungspolitisch saubere Lösung gefunden, die zudem eher Gewähr bietet, dass aktuelle Standards fortentwickelt werden. Der Staat ist nicht der bessere Anbieter von Technologien. Offensichtlich haben Sie wenigstens erkannt, dass es bei der Frage der förmlichen Zustellung mittels elektro- nischer Post Probleme gibt, die in dem früheren Gesetz- entwurf völlig unzureichend geregelt waren. Die Aus- wirkungen auf das Verwaltungsverfahren waren und sind nicht zu Ende gedacht angesichts dessen, dass die Koali- tion vier Jahre Zeit hatte, sich damit zu befassen, wie eine sinnvolle und notwendige Stärkung von E-Govern- ment aussehen könnte und wie sich das auf das Verwal- tungsverfahren auswirkt. Insbesondere haben Sie es ver- säumt, sich damit zu befassen, wie E-Government anwenderfreundlich und rechtssicher für die Bürgerin- nen und Bürger ausgestaltet werden kann. Einen zielfüh- renden Vorschlag vermag ich in Ihrem Antrag dazu nicht zu erkennen. Noch immer halten Sie an dem verfehlten Konzept fest, dass der elektronische Personalausweis mit der Funktion des elektronischen Identitätsnachweises mit De-Mail verknüpft werden soll. Damit konterkarieren Sie die angebliche „Freiwilligkeit“ der Nutzung dieser Funktion im Personalausweis. Denn die Folge wird sein, dass jeder, der nicht mehr Nummern ziehen will, ge- zwungen ist, den elektronischen Personalausweis inklu- sive der Identitätsfunktion zu verwenden. Damit ist die Freiwilligkeit nurmehr ein leeres Versprechen. Sichere Identifikation im E-Commerce und im E-Go- vernment ist erforderlich, um Vertrauen zu schaffen und Missbrauch vorzubeugen. Dass aber auch hier wieder der Staat der – einzige – Anbieter sein soll, erschließt sich aus ordnungspolitischer Sicht nicht, zumal auf dem privaten Markt durchaus entsprechende Technologien angeboten und entwickelt werden. Aus innenpolitischer Sicht, insbesondere mit Blick auf den Datenschutz, ist es erst recht nicht klug, zusätzliche und für den eigentli- chen Zweck nicht erforderliche Daten auf dem Personal- ausweis zu speichern. Die FDP-Bundestagsfraktion lehnt den E-Personalausweis nach wie vor ab. Es ist aus Sicht des Datenschutzes unverantwortlich, diesen nun zur Voraussetzung für die Teilnahme an der modernen Verwaltung zu machen. Die FDP-Bundestagsfraktion hat immer wieder be- tont, dass die Fortentwicklung und Stärkung von E-Go- vernment für eine moderne, leistungsfähige und bürger- freundliche Verwaltung von großer Bedeutung sind. Wir sind gerne bereit, an einer sinnvollen Gesamtstrategie konstruktiv mitzuarbeiten. In meiner Heimatstadt Düssel- dorf, in der die FDP seit Jahren Regierungsverantwortung trägt, ist E-Government kein leeres Wort, sondern leben- dige Verwaltungswirtschaft. Gerade vor dem Hintergrund der Umsetzung der EU-Dienstleistungsrichtlinie ist es ohnehin geboten, E-Government-Angebote, die auch von den Bürgerinnen und Bürgern sowie Unternehmen aus dem EU-Ausland genutzt werden können, nun zügig um- zusetzen. Hier eine Insellösung mit dem E-Perso und De- Mail zu schaffen, ist der falsche Weg. Ihren Antrag kann die FDP-Bundestagsfraktion daher nicht unterstützen. Jan Korte (DIE LINKE): Der Titel des Antrages der Koalition, der heute Gegenstand der Beratungen ist, klingt verheißungsvoll, fast könnte man meinen, Union und SPD wollten vor sich selber warnen. Und den ersten vier Sätzen im Feststellungsteil kann die Linke auch noch vollauf zustimmen. Dann allerdings wird es bereits kompliziert, und politisch geht es in die völlig falsche Richtung. Am Ende steht der Versuch, sich auf den letz- ten Drücker mit diesem Antrag quasi eine Blankovoll- macht für ein weiteres, in seinen Ausmaßen und Konse- quenzen noch überhaupt nicht abzusehendes Großprojekt zu erteilen. Doch der Reihe nach. Ihre Sorge gilt in erster Linie dem elektronischen Ge- schäftsverkehr. Das für diesen notwendige Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die elektronischen Kommu- nikationsdienste ist nicht zuletzt durch die regelmäßig auftretenden Datenschutzskandale empfindlich gestört. Nun soll durch eine Gesamtstrategie, die unter anderem die Einführung eines elektronischen Identitätsnachwei- ses und einer elektronischen Signatur sowie von De- Mail und Bürgerportalen enthält, das Vertrauen wieder- hergestellt werden. Ihr Antrag liest sich dann auch wie ein Heilsversprechen. Sie suggerieren, dass sich mit ihren Projekten, die al- lesamt datenschutzrechtlich und technisch umstritten, teilweise noch nicht machbar und schon gar nicht praxis- erprobt sind, ein Höchstmaß an Sicherheit für Bürgerin- nen und Bürger sowie den Geschäftsverkehr im Netz er- reichen ließe. Aber Sie wissen es so gut wie ich: Jedem Menschen, der jemals einen Geldautomaten oder einen PC benutzt hat, ist klar, dass Computer regelmäßig ver- sagen. Einen absoluten Schutz vor Manipulationen kann und wird es nicht geben. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 26093 (A) (C) (B) (D) Wenn man sich dann die Mühe macht und Ihre angeb- lich so sicheren neuen Lösungen hinterfragt und etwas genauer ansieht, dann kommt man zu dem Ergebnis, dass etwas mehr Datensicherheit mit sehr viel mehr Überwachung, Monopolisierung von Programmen und Hardware erkauft werden soll. Mit Datenschutz, mit der Förderung von Vertrauen, die auch mit Vorleistungen staatlicherseits zu tun hätte, hat Ihr Antrag nichts im Sinn. Datenschutz ist natürlich unlösbar mit dem Aufkom- men der Computertechnologie und den immer größeren technischen Möglichkeiten, persönliches Verhalten auto- matisiert zu registrieren, personenbezogene Daten aus- zuwerten, miteinander zu verknüpfen und daraus Schlüsse zu ziehen, verbunden. Darüber hinaus gewinnt in einer digitalen Welt die Frage, wie bei elektronischen Diensten die Identität der Beteiligten festgestellt und ge- schützt werden kann und welche Daten dabei offenbart werden, immer mehr an Bedeutung. Identitätssicherung ist allerdings mehr als die bloße Identifizierung einer Person. Sie ist vielmehr die Sicherung individueller Frei- heit und Freizügigkeit, von unbeobachtetem Handeln und Wandeln bei gleichzeitigem Schutz gegen Betrug und Missbrauch. Die Sicherung von unbeobachtetem Handeln und der Schutz davor, dass Daten aus allen möglichen Bereichen über Bürgerinnen und Bürger zu Persönlichkeitsprofilen zusammengeführt werden, stellt eine Grundbedingung eines grundrechtskonformen ID- Managements dar. Sie hingegen versuchen, uns weiszu- machen, dass Identitätsmanagement eine umfassende Personalisierung, Registrierung und Kontrolle bedeutet. Meine Damen und Herren von der Regierungskoali- tion; das Gegenteil ist der Fall. Die in § 3 a des Bundesdatenschutzgesetzes enthalte- nen Vorgaben Datenvermeidung und Datensparsamkeit müssen der Maßstab sowohl für die Kommunikation zwischen den Bürgerinnen und Bürgern mit staatlichen Stellen als auch bei kommerziellen Transaktionen jeder Art sein. Liest man Ihren Antrag kritisch, können einem schon erhebliche Zweifel kommen. Sie wollen unter dem Stichwort E-Government alle möglichen Behörden und Institutionen miteinander vernetzen. Wie dabei die „informationelle Gewaltenteilung“ bestehen bleiben soll, also die Trennung zwischen den von verschiedenen Verwaltungsbereichen für unterschiedliche Zwecke er- hobenen Daten, das behalten Sie für sich. Auch stellt sich nach wie vor die Frage, ob das von Wirtschaft und öffentlicher Verwaltung getragene Projekt De-Mail ebenso wie DE-Safe technisch überhaupt ausge- reift genug sind, um damit Pilotprojekte zu starten. Die damit in Zukunft mögliche Verknüpfung des Identitäts- managements im Internet mit der schon angestrebten Er- fassung des Fingerabdrucks gibt gleichfalls nach wie vor großen Anlass zur Sorge. Das bislang eher aus Science- Fiction-Romanen bekannte Risiko eines Identitätsdieb- stahls oder seiner Verfälschung könnte schon sehr bald real werden. Bei der Verabschiedung des Gesetzes über die Ein- führung eines elektronischen Personalausweises ver- kaufte uns die SPD-Fraktion die Freiwilligkeit der Ab- gabe von Fingerabdrücken noch als großen Sieg gegen CDU/CSU und für die Bürgerrechte. Angesichts des vor- liegenden Antrages und der darin in Zukunft möglich ge- wordenen Verknüpfung des geplanten sicheren Internet- verkehrs und der Abgabe von Fingerabdrücken im elektronischen Personalausweis ist der Koalitionskom- promiss aus 2008 ein Pyrrhussieg der SPD. Der Vertrau- ensvorschuss, den Sie einmal mehr von Bürgerinnen und Bürgern und auch von uns als Opposition verlangen, ist schlichtweg zu hoch. Die ganze Legislaturperiode ist ein einziges vernünftiges Argument dafür, dass Misstrauen in Ihre Projekte in diesem Bereich das einzig mögliche angemessene Verhalten ist. Zu mehr Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger – das lässt sich schon heute prognostizieren, ohne dass man dafür ein Prophet sein muss – wird Ihre Gesamtstra- tegie nicht führen. Dies hat selbst BKA-Präsident Ziercke in Bezug auf die Einführung des E-Passes wie auch die Bundesregierung in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion einräumen müssen. Sie wollen jetzt, am letzten regulären Sitzungstag die- ser Wahlperiode und noch dazu zu nachtschlafender Zeit, eine Generalvollmacht für die Fortsetzung und Auswei- tung einer Hightech-Kommunikationsstrategie durch das Parlament peitschen, obwohl wesentliche Punkte Ihrer Strategie völlig unklar bleiben, rechtlich umstritten und noch dazu zahlreiche technische Fragen nach wie vor un- geklärt sind. Die Linke kann einer solchen an den Bedürf- nissen der Bürgerinnen und Bürger vorbeigehenden Si- cherheitspolitik nicht zustimmen. Silke Stokar von Neuforn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es hat sich mir nicht erschlossen, welche politische Botschaft der großen Koalition sich hinter die- sem in aller Eile auf die Tagesordnung gesetzten Zusatz- punkt verbirgt. Wollen Sie jetzt für alle nachlesbar noch einmal doku- mentieren, dass Sie beim Thema E-Government außer ein paar Absichtserklärungen nichts Wesentliches vorzu- weisen haben, oder wollen Sie von dem völlig miss- glückten Projekt „Bürgerportale“ ablenken? Zum Ende der Legislaturperiode, in der letzten Sit- zungswoche, teilen Sie uns in einem Antrag mit, was die Aufgaben der kommenden Jahre sein sollten. Warum ha- ben Sie das E-Government-Programm 2.0 nicht in der Regierungszeit der großen Koalition – wie angekündigt – tatsächlich zumindest in einzelnen Projekten realisiert? Sie kommen zu der Erkenntnis, dass Vertrauen in Da- tenschutz und Datensicherheit gefördert werden muss, damit es eine Akzeptanz für E-Government und E-Busi- ness gibt. Prima, warum haben Sie diese Erkenntnis nicht umgesetzt, zum Beispiel in einem Gesetz für Bür- gerportale oder beim De-Mail-Projekt? Oder warum ver- weigern Sie trotz nicht enden wollender Datenschutz- skandale weiterhin klare verbraucherfreundliche Regeln für den Datenschutz in der Privatwirtschaft? Letztendlich legen Sie noch einmal fest, dass der elek- tronische Personalausweis mit dem umstrittenen Finger- 26094 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 (A) (C) (B) (D) abdruck zukünftig der alleinige Schlüssel zum Zugang zum E-Government sein soll. Sie geben keine Garantie für eine End-zu-End-Verschlüsselung, die in der Hand der Nutzerinnen und Nutzer liegt. Unter E-Government verstehen Sie die permanente Pflicht, sich elektronisch identifizieren zu müssen, sie lassen den geheimen Blick der Sicherheitsbehörden in die De-Mail zu, sie schützen die Verbraucherinnen und Verbraucher nicht vor einer weiteren Datensammelwut, wenn Sie sich zukünftig mit dem elektronischen Ausweis im E-Business identifizie- ren müssen. Ihre E-Government-Projekte sind weitere Überwachungs- und Ausforschungsprojekte. Wir wollen ein interaktives E-Government, und als ersten Schritt sollten die Ministerien der kommenden Bundesregierung Internetbürgerportale einrichten, auf denen es im Sinne der Informationsfreiheit möglich ist, per Mausklick grundsätzlich Einblick in die Akten zu nehmen. Wir wollen eine Bürgerkarte für das E-Govern- ment, bei denen allein die Nutzerinnen und Nutzer ent- scheiden, welche Informationen über Sie freigegeben werden; und wir wollen die Sicherheit, dass E-Govern- ment nicht heimlich überwacht wird. Erst, wenn Sie wirklich Datenschutz und Datensicher- heit schaffen, wird es Vertrauen in E-Government-Projekte wie De-Mail geben. Wer den elektronischen Ausweis durchsetzen will, indem er immer neue Kopplungen schafft, begeht Nötigung, und das ist das Gegenteil von Vertrauen schaffen. Ihren Antrag lehnen wir ab. Als Schlussbemerkung lassen Sie mich sagen: Ich finde es wenig demokratisch, wenn Sie hier als Zusatzpunkt, ohne Beratung in den Ausschüssen und ohne öffentliche De- batte in der letzten Sitzungswoche einer zukünftigen Re- gierung vorschreiben wollen, wo sie ihre Schwerpunkte legen soll. 230. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 Inhalt: Redetext Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4 Anlage 5 Anlage 6 Anlage 7 Anlage 8 Anlage 9 Anlage 10 Anlage 11 Anlage 12 Anlage 13 Anlage 14 Anlage 15 Anlage 16 Anlage 17 Anlage 18 Anlage 19 Anlage 20 Anlage 21 Anlage 22
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Bärbel Höhn


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Im Kampf gegen den Klimawandel ist der Emissions-

    handel ein zentrales Instrument. Richtig ausgestaltet
    kann er bei der notwendigen drastischen Senkung unse-
    rer Treibhausgasemissionen ökologische Wirksamkeit
    und wirtschaftliche Effizienz verbinden. Diese Einsicht
    treibt derzeit von den Vereinigten Staaten über Australien
    bis Japan viele Staaten an, dem europäischen Beispiel zu
    folgen und eigene Emissionshandelssysteme aufzubauen.
    Die europäische Erfahrung lehrt allerdings auch, wie
    falsche Weichenstellungen und Konstruktionsfehler die
    Effektivität des Emissionshandels beeinträchtigen kön-
    nen. So hat die Überallokation von Emissionsberechti-
    gungen in der ersten Handelsperiode zu einem abrupten
    Einbruch des Zertifikatspreises geführt. Und die groß-
    teils kostenlose Zuteilung der Emissionszertifikate hat
    Strompreiserhöhungen für die Verbraucher nicht verhin-
    dert, aber den Energiekonzernen ungerechtfertigte Zu-
    satzgewinne in Milliardenhöhe eingebracht.

    Um diesen Fehler zu beheben, haben wir Grüne uns
    schon früh dafür eingesetzt, die Emissionszertifikate voll-
    ständig zu versteigern und die Erlöse für Energieeffizienz
    und Klimaschutz einzusetzen. Das hat die Bundesregierung
    am Anfang der Legislaturperiode noch abgelehnt. Erst auf
    den Druck von Umweltverbänden, Verbraucherschützern
    und Grünen hin wurde mit dem Zuteilungsgesetz eine Teil-
    versteigerung von 40 Millionen Emissionsberechtigungen
    in der zweiten Handelsperiode durchgesetzt. Diese Vor-
    gabe wird nun durch die Vorlage der Emissionshandels-
    Versteigerungsverordnung umgesetzt. Das ist erst einmal
    gut so.

    Bei der Ausgestaltung der Versteigerungsregeln gibt
    es aber Defizite. So fehlt es bei dem Auktionsverfahren an
    der Transparenz, die nötig wäre, um Manipulationen
    frühzeitig zu erkennen und Spekulation verhindern zu
    können. Dazu wäre wichtig, offenzulegen, wer für Emis-
    sionszertifikate bietet und wer letztlich den Zuschlag er-
    hält. Außerdem bedarf es einer strengen, deutschen Stan-
    dards genügenden Börsenaufsicht. Doch entsprechende
    Aufsichtsregeln fehlen für die Ausschreibung des Börsen-
    platzes. Schließlich ist die Gefahr einer Benachteiligung
    kleinerer und mittlerer Unternehmen, die nicht an der
    Börse vertreten sind, gegenüber den großen Energiekon-
    zernen in der Verordnung nicht wirksam ausgeräumt.

    Aus diesen Gründen können wir der Versteigerungs-
    verordnung in der vorliegenden Form nicht zustimmen.
    Die Versteigerung der Emissionszertifikate ist der rich-
    tige Weg. Aber sie muss zu fairen, transparenten und
    wirksam kontrollierten Bedingungen erfolgen.



Rede von Dr. Hermann Otto Solms
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuss für

Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit empfiehlt in
seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/13677,
der Verordnung der Bundesregierung auf Drucksache
16/13189 zuzustimmen. Wer stimmt für diese Beschluss-
empfehlung? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Die
Beschlussempfehlung ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungs-
antrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 16/13692.
Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? – Gegen-
stimmen? – Enthaltungen? – Der Entschließungsantrag
ist mehrheitlich abgelehnt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 37 auf:

– Zweite und dritte Beratung des von den Abge-
ordneten Markus Kurth, Josef Philip Winkler,
Volker Beck (Köln), weiteren Abgeordneten
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN






(A) (C)



(B) (D)


Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur
Aufhebung des Asylbewerberleistungsgeset-
zes

– Drucksache 16/10837 –

Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-

(11. Ausschuss)


– Drucksache 16/13149 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Katja Kipping


(8. Ausschuss)


– Drucksache 16/13150 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Hans-Joachim Fuchtel
Waltraud Lehn
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Gesine Lötzsch
Alexander Bonde


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Thomas Bareiß


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)


    Heute befassen wir uns abschließend mit dem Entwurf

    der Grünen eines Gesetzes zur Aufhebung des Asylbe-
    werberleistungsgesetzes. Bei diesem Entwurf handelt es
    sich wieder einmal um einen typischen Oppositionsent-
    wurf der Grünen, der die Realität ausblendet. Dabei tun
    die Grünen gerade so, als ob sie schon immer in der Op-
    position gewesen wären und nicht sieben Jahre lang mit
    der SPD in der Regierungsverantwortung gestanden hät-
    ten. Damit beweisen die Grünen aber auch einmal mehr,
    dass sie mit ihrer weltfremden Politik für eine Regie-
    rungsbildung nicht infrage kommen.

    Wollen wir uns den Gesetzentwurf der Grünen aber
    trotzdem einmal genauer betrachten. Bemängelt wird,
    dass das Asylbewerberleistungsgesetz „einen diskrimi-
    nierenden Ausschluss von Asylsuchenden aus der Sozial-
    hilfe und der Grundsicherung für Arbeitssuchende“
    darstelle. Der Punkt ist ja aber, dass wir hier von Asylbe-
    werbern reden, wobei die Betonung auf Bewerbern liegt.
    Es geht also nicht um einen dauerhaften Aufenthalt in
    Deutschland, sondern um eine vorübergehende Versor-
    gung der Betroffenen bis zu einer Entscheidung über
    ihren Asylantrag. Ich glaube nicht, dass es ein Sozialhil-
    feempfänger einsehen würde, warum er ebenso viele
    Leistungen empfangen soll wie ein Asylbewerber, der be-
    dingt durch den nur vorübergehenden Aufenthalt in
    Deutschland ganz andere finanzielle Ansprüche hat.

    Es ist also zwar korrekt, dass die Grundleistungen
    nach dem Asylbewerberleistungsgesetz geringer ausfal-
    len als die Leistungen nach dem Zwölften Sozialgesetz-
    buch. Dies wird in § 1 Abs. 1 des Asylbewerberleistungs-
    gesetzes aber ausdrücklich dadurch gerechtfertig, dass
    die dort aufgeführten Personen kein verfestigtes Aufent-
    haltsrecht haben. Vielmehr wird in aller Regel nur von ei-
    nem kurzen, vorübergehenden Aufenthalt ausgegangen,
    weshalb Leistungen zur sozialen Integration nicht
    gewährt werden müssen. Außer Frage steht dabei natür-
    lich, dass die Asylbewerber gerade im Vergleich zu ande-
    ren Nationen ausreichend unterstützt werden. Dies
    beinhaltet selbstverständlich auch den Bereich der medi-
    zinischen Versorgung.

    Im Übrigen sei mir in diesem Zusammenhang noch
    der Hinweis erlaubt, dass wir in Ländern wie Baden-
    Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen oder Hes-
    sen, in denen die Union regiert, Ablehnungsquoten ha-
    ben, die unter 10 Prozent liegen. Andere Länder haben
    wesentlich höhere Quoten von Antragsablehnungen be-
    ziehungsweise Anträgen, die immer noch nicht bearbeitet
    worden sind.

    Um auf die eingangs erwähnte Realitätsferne der
    Grünen zurückzukommen, möchte ich auch noch einmal
    auf den Ursprung dieses Asylbewerberleistungsgesetzes
    zu sprechen kommen. Unter dem Eindruck massiv stei-
    gender Asylbewerberzahlen haben sich CDU/CSU, SPD
    und FDP im Jahr 1992 mit dem sogenannten Asylkom-
    promiss darauf geeinigt, ein Gesetz zur Regelung des
    Mindestunterhalts von Asylbewerbern zu schaffen, auf
    dessen Grundlage dann ein Jahr später das Asylbewer-
    berleistungsgesetz entstanden ist. Hauptanliegen des Ge-
    setzes war und ist es, die Leistungen für Asylbewerber
    gegenüber der Sozialhilfe zu vereinfachen und auf die
    notwendigen Bedürfnisse eines vorübergehenden Aufent-
    halts in Deutschland abzustimmen.

    Dieses Gesetz war notwendig und richtig und erfüllt
    nach wie vor seinen Anspruch. Zum einen gewährleistet
    es eine ausreichende Versorgung der Asylbewerber für
    die Dauer ihres Aufenthalts in der Bundesrepublik. Zum
    anderen reduziert es aber auch die Zahl der Einreisen
    von Asylsuchenden nach Deutschland und bewegt die be-
    reits abgelehnten Asylsuchenden bzw. Geduldeten zu ei-
    ner schnellen Ausreise aus Deutschland.

    Aber noch einen weiteren wichtigen Punkt dürfen wir
    in dieser Debatte nicht vergessen: Letztendlich kommt es
    auch hier wie in so vielen Bereichen auf einen angemes-
    senen Ausgleich zwischen den Leistungszahlungen und
    den Steuerzahlern an. Das heißt in diesem Fall konkret,
    einen Ausgleich zwischen den Leistungen der asylsu-
    chenden Menschen auf der einen und den Steuerzahlern
    auf der anderen Seite zu schaffen. So können wir doch die
    Augen nicht davor verschließen, dass in Deutschland die
    steuerzahlenden Leistungsträger unserer Gesellschaft
    bereits jetzt bis an die Schmerzensgrenze belastet wer-
    den. Die ohnehin schon strapazierten sozialen Siche-
    rungssysteme würden durch die Abschaffung des Asylbe-
    werberleistungsgesetzes noch mehr unter Druck geraten.

    Die Forderung einer Abschaffung des Asylbewerber-
    leistungsgesetzes durch den Entwurf der Grünen ent-
    behrt somit jeglicher Grundlage und dient wohl eher der
    Klientelpflege der eigenen Anhängerschaft als einem
    konstruktiven Beitrag zum Umgang mit Asylbewerbern.
    Diesen letzten Punkt möchte ich abschließend noch ver-
    deutlichen. Man löst das Grundproblem, dass viele in
    Not geratene Menschen nach Deutschland kommen und
    Schutz suchen, nicht dadurch, dass man die Leistungen
    für diese Asylbewerber, die es nach Deutschland ge-
    schafft haben, anhebt. So einfach darf man es sich sicher-
    lich nicht machen. Vielmehr liegt die Ursache doch of-


    (A) (C)



    (B) (D)


    Thomas Bareiß
    fensichtlich in den schlechten Verhältnissen vieler
    Länder, wo Millionen Menschen vor Ort zurückbleiben
    und dort Not leiden müssen.

    Das Problem kann nicht auf nationaler Ebene, son-
    dern nur mit internationaler Abstimmung gelöst werden.
    Hier spielt die Entwicklungspolitik eine entscheidende
    Rolle. Deutschland wird seiner Verantwortung dabei ge-
    recht. In diesem Jahr werden wir fast 2,5 Milliarden Euro
    mehr für Entwicklungshilfe ausgeben als noch im Jahr
    2005. Damit fließt das Geld an jene Länder, aus denen
    die Menschen sonst zu uns kommen müssten. Die Frage
    muss sich noch mehr darum drehen, wie wir es mit einer
    internationalen Strategie schaffen, diese Probleme in den
    Griff zu bekommen. Diese Debatte muss aber verstärkt
    auf EU-Ebene geführt werden.

    Fazit: Die Grünen schneiden mit ihrem Gesetzentwurf
    wohl eher unbewusst ein schwerwiegendes globales Pro-
    blem an, nämlich jenes steigender Flüchtlingsströme.
    Dieser Gefahr werden wir aber nicht dadurch Herr, dass
    wir die Augen vor dieser Entwicklung verschließen und
    unser schlechtes Gewissen dadurch zu beruhigen versu-
    chen, den Asylbewerbern mehr Leistungen zu zahlen.
    Das liegt sicherlich auch nicht im Interesse dieser Men-
    schen. Eine ausreichende Versorgung der Asylbewerber
    bei uns in Deutschland steht außer Frage; dafür sorgt
    das Asylbewerberleistungsgesetz, das sich in nunmehr
    16 Jahren eindeutig bewährt hat. Eine Diskussion darüber
    ist völlig überflüssig. Die Gründe dafür habe ich Ihnen
    ausreichend geschildert.