Plenarprotokoll 16/230
Abgabe einer Regierungserklärung durch die
Bundeskanzlerin: zum G-8-Weltwirtschafts-
gipfel vom 8. bis 10. Juli 2009 in L’Aquila
Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin . . . . . . .
Dr. Guido Westerwelle (FDP) . . . . . . . . . . . .
Hans Eichel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Oskar Lafontaine (DIE LINKE) . . . . . . . . . . .
Laurenz Meyer (Hamm) (CDU/CSU) . . . . . .
Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Renate Künast (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Jörg-Otto Spiller (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Michael Meister (CDU/CSU) . . . . . . . . . .
Schulz (Spandau), Dr. Peter Danckert,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der
SPD sowie der Abgeordneten Detlef Parr,
Dr. Max Stadler, Christian Ahrendt, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion der
FDP: Unterstützung der Bewerbung der
Landeshauptstadt München zur Aus-
richtung der XXIII. Olympischen und
XII. Paralympischen Winterspiele 2018
(Drucksachen 16/13481, 16/13649) . . . . .
c) Beschlussempfehlung und Bericht des
Sportausschusses zu dem Antrag der Ab-
geordneten Klaus Riegert, Norbert
Barthle, Antje Blumenthal, weiterer Abge-
ordneter und der Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Dagmar Freitag,
Dr. Peter Danckert, Martin Gerster, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion der
25616 D
25616 D
25621 A
25623 B
25625 B
25628 A
25629 B
25630 A
25632 D
25634 A
25640 A
Deutscher B
Stenografisc
230. Si
Berlin, Donnerstag
I n h a
Wahl des Abgeordneten René Röspel als Mit-
glied im Senat des Hermann von Helm-
holtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungs-
zentren e.V. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Wahl der Abgeordneten Gabriele Lösekrug-
Möller als stellvertretendes Mitglied im Bei-
rat bei der Bundesnetzagentur für Elektri-
zität, Gas, Telekommunikation, Post und
Eisenbahnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Erweiterung und Abwicklung der Tagesord-
nung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Rückgängigmachung einer Ausschussüber-
weisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 4:
25613 A
25613 B
25613 B
25616 C
Ortwin Runde (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . .
Dr. Sascha Raabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . .
25636 A
25637 B
25638 C
undestag
her Bericht
tzung
, den 2. Juli 2009
l t :
Tagesordnungspunkt 5:
a) Beschlussempfehlung und Bericht des
Sportausschusses zu dem Antrag der Ab-
geordneten Klaus Riegert, Wolfgang
Bosbach, Norbert Barthle, weiterer Abge-
ordneter und der Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Swen Schulz
(Spandau), Dagmar Freitag, Dr. Peter
Danckert, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion der SPD: Sport fördert Integra-
tion
(Drucksachen 16/13177, 16/13578) . . . . .
b) Beschlussempfehlung und Bericht des
Sportausschusses zu dem Antrag der Ab-
geordneten Klaus Riegert, Wolfgang
Bosbach, Norbert Barthle, weiterer Abge-
ordneter und der Fraktion der CDU/CSU,
der Abgeordneten Dagmar Freitag, Swen
25639 D
SPD: Duale Karrieren im Spitzenspo
fördern und den Hochschulsport strat
gisch weiterentwickeln
(Drucksachen 16/10882, 16/13057) . . . .
rt
e-
. 25640 B
II Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009
d) Beschlussempfehlung und Bericht des
Sportausschusses
– zu dem Antrag der Abgeordneten
Klaus Riegert, Wolfgang Bosbach,
Norbert Barthle, weiterer Abgeordne-
ter und der Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Dagmar
Freitag, Dr. Peter Danckert, Martin
Gerster, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion der SPD: Gesellschaftli-
che Bedeutung des Sports
– zu dem Antrag der Abgeordneten
Detlef Parr, Joachim Günther (Plauen),
Miriam Gruß, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion der FDP: Positive
Auswirkungen des Sports auf die
Gesellschaft nutzen und weiter för-
dern
– zu dem Antrag der Abgeordneten
Winfried Hermann, Katrin Göring-
Eckardt, Volker Beck (Köln), weiterer
Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Maß-
nahmen für eine moderne und zu-
kunftsfähige Sportpolitik auf den
Weg bringen
(Drucksachen 16/11217, 16/11174,
16/11199, 16/13058) . . . . . . . . . . . . . . . . .
e) Beschlussempfehlung und Bericht des
Sportausschusses zu dem Bericht des Aus-
schusses für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung gemäß § 56 a
der Geschäftsordnung: Technikfolgenab-
schätzung (TA)
TA-Projekt: Gendoping
(Drucksachen 16/9552, 16/13059) . . . . . .
f) Beschlussempfehlung und Bericht des
Sportausschusses zu dem Antrag der Ab-
geordneten Monika Lazar, Winfried
Hermann, Katrin Göring-Eckardt, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN: Alle Formen von
Diskriminierungen thematisieren – Bür-
gerrechte von Fußballfans stärken –
Für einen friedlichen und integrativen
Fußballsport
(Drucksachen 16/12115, 16/13504) . . . . .
g) Beschlussempfehlung und Bericht des
Sportausschusses zu dem Antrag der Ab-
geordneten Winfried Hermann, Katrin
Göring-Eckardt, Volker Beck (Köln), wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Doping-
vergangenheit umfassend aufarbeiten
(Drucksachen 16/13175, 16/13579) . . . . .
Peter Rauen (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . .
Detlef Parr (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dagmar Freitag (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
25640 B
25640 C
25640 D
25640 D
25641 A
25642 A
25644 A
Katrin Kunert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . .
Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Bernd Heynemann (CDU/CSU) . . . . . . . . . .
Swen Schulz (Spandau) (SPD) . . . . . . . . . . .
Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister
BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Martin Gerster (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Ingrid Fischbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . .
Dr. Peter Danckert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 76:
Erste Beratung des von den Abgeordneten
Volker Beck (Köln), Monika Lazar, Claudia
Roth (Augsburg), weiteren Abgeordneten und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur
Einführung des Rechts auf Eheschließung
für Personen gleichen Geschlechts
(Drucksache 16/13596) . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 77:
b) Zweite und dritte Beratung des von der
Bundesregierung eingebrachten Entwurfs
eines Gesetzes zur Umsetzung der Ver-
braucherkreditrichtlinie, des zivilrecht-
lichen Teils der Zahlungsdiensterichtli-
nie sowie zur Neuordnung der
Vorschriften über das Widerrufs- und
Rückgaberecht
(Drucksachen 16/11643, 16/13669) . . . . .
c) Zweite und dritte Beratung des von der
Bundesregierung eingebrachten Entwurfs
eines Gesetzes zur Umsetzung des Rah-
menbeschlusses 2006/783/JI des Rates
vom 6. Oktober 2006 über die Anwen-
dung des Grundsatzes der gegenseitigen
Anerkennung auf Einziehungsentschei-
dungen (Umsetzungsgesetz Rahmenbe-
schluss Einziehung)
(Drucksachen 16/12320, 16/13673) . . . . .
d) Zweite und dritte Beratung des von den
Abgeordneten Josef Philip Winkler,
Volker Beck (Köln), Wolfgang Wieland,
weiteren Abgeordneten und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrach-
ten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbes-
serung der sozialen Situation von Aus-
länderinnen und Ausländern, die ohne
Aufenthaltsstatus in Deutschland leben
(Drucksachen 16/445, 16/13493) . . . . . . .
e) Beschlussempfehlung und Bericht des In-
nenausschusses zu dem Antrag der Abge-
ordneten Ulla Jelpke, Sevim Dağdelen,
Kersten Naumann, Petra Pau und der
25645 D
25647 D
25649 D
25650 D
25651 D
25653 C
25654 D
25656 A
25658 C
25659 A
25659 B
25659 D
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 III
Fraktion DIE LINKE: Für die unbe-
schränkte Geltung der Menschenrechte
in Deutschland
(Drucksachen 16/1202, 16/13493) . . . . . .
f) Beschlussempfehlung und Bericht des
Ausschusses für die Angelegenheiten der
Europäischen Union zu dem Antrag der
Abgeordneten Christian Ahrendt, Markus
Löning, Michael Link (Heilbronn), weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion der
FDP: Den Kommunen an den Grenzen
zu Polen und der Tschechischen Repu-
blik die Zusammenarbeit mit diesen
Ländern erleichtern
(Drucksachen 16/456, 16/9696) . . . . . . . .
g) Beschlussempfehlung und Bericht des In-
nenausschusses zu dem Antrag der Abge-
ordneten Ulla Jelpke, Wolfgang Nešković,
Sevim Dağdelen, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion DIE LINKE: 15 Jahre
nach Änderung des Grundrechts auf
Asyl – Für einen rechtsstaatlichen Um-
gang mit Schutzsuchenden in Deutsch-
land und in der Europäischen Union
(Drucksachen 16/8838, 16/10512) . . . . . .
h) Beschlussempfehlung und Bericht des
Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und
Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Ab-
geordneten Sylvia Kotting-Uhl, Hans-
Josef Fell, Bärbel Höhn, weiterer Abge-
ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN: Von der Abfallpolitik
zur Ressourcenpolitik – Von der Verpa-
ckungsverordnung zur Wertstoffver-
ordnung
(Drucksachen 16/8537, 16/11974) . . . . . .
i) Beschlussempfehlung und Bericht des
Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und
Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Ab-
geordneten Sylvia Kotting-Uhl, Hans-
Josef Fell, Bärbel Höhn, weiterer Abge-
ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN: Mehrwegsysteme durch
Lenkungsabgabe auf Einwegverpa-
ckungen stützen
(Drucksachen 16/11449, 16/11985) . . . . .
j) Beschlussempfehlung und Bericht des
Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen
und Jugend zu dem Antrag der Abgeord-
neten Diana Golze, Klaus Ernst,
Dr. Martina Bunge, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion DIE LINKE: Mitbestim-
mungsrechte von Kindern und Jugend-
lichen erweitern – Partizipation umfas-
send sichern
(Drucksachen 16/7110, 16/12984) . . . . . .
k) Beschlussempfehlung und Bericht des In-
nenausschusses zu dem Antrag der Abge-
ordneten Josef Philip Winkler, Wolfgang
25660 A
25660 B
25660 B
25660 C
25660 D
25661 A
Wieland, Jerzy Montag, weiterer Abge-
ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN: Visumfreie Einreise tür-
kischer Staatsangehöriger für Kurzauf-
enthalte ermöglichen
(Drucksachen 16/12437, 16/13313) . . . . .
l) Beschlussempfehlung und Bericht des Fi-
nanzausschusses zu dem Antrag der Abge-
ordneten Kerstin Andreae, Peter Hettlich,
Christine Scheel, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN: Zügig Grundsteuerreform
auf den Weg bringen
(Drucksachen 16/1147, 16/13445) . . . . . .
m) Beschlussempfehlung und Bericht des Fi-
nanzausschusses zu dem Antrag der Abge-
ordneten Dr. Gerhard Schick, Winfried
Hermann, Bettina Herlitzius, weiterer Ab-
geordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN: Besteuerung von
Dienstwagen CO2-effizient ausrichten
und Privilegien abbauen
(Drucksachen 16/10978, 16/13447) . . . . .
n) Beschlussempfehlung und Bericht des
Ausschusses für Ernährung, Landwirt-
schaft und Verbraucherschutz zu dem An-
trag der Abgeordneten Undine Kurth
(Quedlinburg), Cornelia Behm, Ulrike
Höfken, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
Bleihaltige Jagdmunition verbieten
(Drucksachen 16/13173, 16/13529) . . . . .
o) Beschlussempfehlung und Bericht des
Rechtsausschusses zu dem Antrag der Ab-
geordneten Dr. Barbara Höll, Dr. Martina
Bunge, Sevim Dağdelen, weiterer Abge-
ordneter und der Fraktion DIE LINKE:
Vielfalt der Lebensweisen anerkennen
und rechtliche Gleichbehandlung ho-
mosexueller Paare sicherstellen
(Drucksachen 16/5184, 16/13668) . . . . . .
q) Beschlussempfehlung und Bericht des In-
nenausschusses
– zu dem Antrag der Abgeordneten Dr.
Gesine Lötzsch, Dr. Dietmar Bartsch,
Karin Binder, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion DIE LINKE: Keine
Lobbyisten in den Ministerien
– zu dem Antrag der Abgeordneten
Volker Beck (Köln), Birgitt Bender,
Alexander Bonde, weiterer Abgeord-
neter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN: Transparenz herstel-
len – Empfehlungen des Bundes-
rechnungshofes zur Mitarbeit von
Beschäftigten aus Verbänden und
Unternehmen in obersten Bundesbe-
hörden zügig umsetzen
(Drucksachen 16/9484, 16/8762, 16/13660)
25661 B
25661 C
25661 C
25661 D
25662 A
25662 B
IV Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009
r) Beschlussempfehlung und Bericht des
Rechtsausschusses
– zu dem Antrag der Abgeordneten
Sevim Dağdelen, Karin Binder,
Dr. Barbara Höll, weiterer Abgeordne-
ter und der Fraktion DIE LINKE:
Effektiven Diskriminierungsschutz
verwirklichen
– zu dem Antrag der Abgeordneten
Volker Beck (Köln), Irmingard
Schewe-Gerigk, Markus Kurth, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das
europäische Antidiskriminierungs-
recht weiterentwickeln
– zu dem Entschließungsantrag der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN zu der Beratung der Großen An-
frage der Abgeordneten Volker Beck
(Köln), Irmingard Schewe-Gerigk,
Marieluise Beck (Bremen), weiterer
Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN: Europäisches
Jahr der Chancengleichheit für alle
– zu dem Entschließungsantrag der Ab-
geordneten Irmingard Schewe-Gerigk,
Volker Beck (Köln), Kai Gehring, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu der
dritten Beratung des Gesetzentwurfs
der Bundesregierung: Entwurf eines
Gesetzes zur Umsetzung europäi-
scher Richtlinien zur Verwirkli-
chung des Grundsatzes der Gleich-
behandlung
(Drucksachen 16/9637, 16/8198, 16/7536,
16/2033, 16/13675) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
s) Beschlussempfehlung und Bericht des
Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und
Reaktorsicherheit zu dem Entschließungs-
antrag der Abgeordneten Bärbel Höhn,
Thilo Hoppe, Hans-Josef Fell, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN: zu der Abgabe
einer Regierungserklärung durch die
Bundeskanzlerin zum Europäischen
Rat am 19./20. März 2009 in Brüssel
und zum G-20-Gipfel am 2. April 2009
in London
(Drucksachen 16/12298, 16/13626) . . . . .
t) Beschlussempfehlung und Bericht des
Ausschusses für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung zu dem An-
trag der Abgeordneten Krista Sager, Kai
Gehring, Priska Hinz (Herborn), weiterer
Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN: Zukunft schaf-
fen, Bildung stärken – Bildungspoliti-
25662 D
25663 C
sche Herausforderungen als gesamt-
staatliche Aufgabe ernst nehmen
(Drucksachen 16/12687, 16/13587) . . . . .
u) Beschlussempfehlung und Bericht des
Ausschusses für Tourismus zu dem Antrag
der Abgeordneten Klaus Brähmig, Jürgen
Klimke, Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof),
weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Annette Faße,
Renate Gradistanac, Siegmund Ehrmann,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der SPD: Tourismuskooperation und
Jugendaustausch mit den neuen EU-
Staaten fördern
(Drucksachen 16/12730, 16/13580) . . . . .
v) Beschlussempfehlung und Bericht des
Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadt-
entwicklung zu dem Antrag der Abgeord-
neten Dr. Anton Hofreiter, Bettina
Herlitzius, Winfried Hermann, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN: Carsharing-
Stellplätze baldmöglichst privilegieren
(Drucksachen 16/12863, 16/13582) . . . . .
w) Beschlussempfehlung und Bericht des
Ausschusses für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
– zu dem Antrag der Abgeordneten Uwe
Barth, Cornelia Pieper, Patrick
Meinhardt, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion der FDP: Umsetzung der
Bologna-Beschlüsse kritisch beglei-
ten
– zu dem Antrag der Abgeordneten Kai
Gehring, Krista Sager, Priska Hinz
(Herborn), weiterer Abgeordneter und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN: Bologna-Reform verbessern –
Studienqualität erhöhen und soziale
Dimension stärken
– zu dem Antrag der Abgeordneten Kai
Gehring, Krista Sager, Priska Hinz
(Herborn), weiterer Abgeordneter und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN: Problem der ungenutzten Stu-
dienplätze in zulassungsbeschränk-
ten Studiengängen umgehend lösen –
Staatsvertrag jetzt vereinbaren
(Drucksachen 16/11910, 16/12736,
16/12476, 16/13586) . . . . . . . . . . . . . . . .
x) Beschlussempfehlung und Bericht des
Ausschusses für Arbeit und Soziales zu
dem Antrag der Abgeordneten Klaus
Ernst, Volker Schneider (Saarbrücken),
Dr. Barbara Höll, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion DIE LINKE: Arbeitslo-
25663 D
25664 A
25664 B
25664 B
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 V
sengeld I in der Krise befristet auf
24 Monate verlängern
(Drucksachen 16/13368, 16/13627) . . . . .
y) Beschlussempfehlung und Bericht des
Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadt-
entwicklung zu dem Antrag der Abgeord-
neten Winfried Hermann, Renate Künast,
Hans-Christian Ströbele, weiterer Abge-
ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN: Bahnanbindung für den
Flughafen Berlin Brandenburg Interna-
tional optimieren und beschleunigen
(Drucksachen 16/13397, 16/13653) . . . . .
aa) Beschlussempfehlung des Rechtsaus-
schusses: Übersicht 14
über die dem Deutschen Bundestag zu-
geleiteten Streitsachen vor dem Bundes-
verfassungsgericht
(Drucksache 16/13676) . . . . . . . . . . . . . . .
bb)Beschlussempfehlung und Bericht des
Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und
Reaktorsicherheit zu der Verordnung der
Bundesregierung: Erste Verordnung zur
Durchführung des Bundes-Immissions-
schutzgesetzes (Verordnung über kleine
und mittlere Feuerungsanlagen –
1. BImSchV)
Drucksachen 16/13100, 16/13263 Nr. 2.1,
16/13678) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
cc) Beschlussempfehlung und Bericht des
Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und
Reaktorsicherheit zu der Verordnung der
Bundesregierung: Verordnung zur Wei-
terentwicklung des bundesweiten Aus-
gleichsmechanismus (AusglMechV)
(Drucksachen 16/13188, 16/13263
Nr. 2.2, 16/13651) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
dd)Beschlussempfehlung und Bericht des
Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadt-
entwicklung zu der Unterrichtung durch
die Bundesregierung: Grünbuch TEN-V:
Überprüfung der Politik
Ein besser integriertes transeuropäi-
sches Verkehrsnetz im Dienst der ge-
meinsamen Verkehrspolitik
KOM(2009) 44 endg.; Ratsdok. 6135/09
(Drucksachen 16/12188 Nr. A.25,
16/13585) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
ee) Antrag der Abgeordneten Hellmut
Königshaus, Jan Mücke, Horst Friedrich
(Bayreuth), weiterer Abgeordneter und
der Fraktion der FDP: Neubau der
Dresdner Bahn beschleunigen – Schie-
nenanbindung Berlin Brandenburg In-
ternational
(Drucksache 16/13183) . . . . . . . . . . . . . . .
ff) Antrag der Abgeordneten Horst Friedrich
(Bayreuth), Michael Kauch, Otto Fricke,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion
25665 A
25665 A
25665 B
25665 C
25665 D
25665 D
25666 A
der FDP: Innovativen Lärmschutz an
Schienenwegen erproben – Strecke Em-
merich–Oberhausen zur Teststrecke
machen
(Drucksache 16/13179) . . . . . . . . . . . . . .
gg)–tt)
Beschlussempfehlungen des Petitionsaus-
schusses: Sammelübersichten 585, 586,
587, 588, 589, 590, 591, 592, 593, 594,
595, 596, 597 und 598 zu Petitionen
(Drucksachen 16/13453, 16/13454,
16/13455, 16/13456, 16/13457,
16/13458, 16/13459, 16/13460,
16/13461, 16/13462, 16/13463,
16/13464, 16/13465, 16/13466) . . . . . . . .
Zusatztagesordnungspunkt 2:
a) Zweite und dritte Beratung des von den
Abgeordneten Dr. Volker Wissing, Frank
Schäffler, Dr. Hermann Otto Solms, weite-
ren Abgeordneten und der Fraktion der
FDP eingebrachten Entwurfs eines Geset-
zes zur Änderung des Einkommensteu-
ergesetzes
(Drucksachen 16/7519, 16/13530) . . . . . .
b) Beschlussempfehlung und Bericht des
Ausschusses für wirtschaftliche Zusam-
menarbeit und Entwicklung zu dem An-
trag der Abgeordneten Ute Koczy, Thilo
Hoppe, Irmingard Schewe-Gerigk, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Frauen
stärken – Frieden sichern – Geschlech-
tergerechtigkeit in der Entwicklungszu-
sammenarbeit und der Konfliktbear-
beitung vorantreiben
(Drucksachen 16/10340, 16/13505) . . . . .
c) Beschlussempfehlung und Bericht des
Ausschusses für wirtschaftliche Zusam-
menarbeit und Entwicklung zu dem An-
trag der Abgeordneten Ute Koczy, Thilo
Hoppe, Dr. Gerhard Schick, weiterer Ab-
geordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN: Entwicklungs-
länder bei der Bewältigung der Wirt-
schafts- und Finanzkrise unterstützen
(Drucksachen 16/13003, 16/13706) . . . . .
d) Beschlussempfehlung und Bericht des
Ausschusses für Gesundheit
– zu der Unterrichtung durch die Bun-
desregierung: Vorschlag für eine Ver-
ordnung des Europäischen Parla-
ments und des Rates zur Änderung
der Verordnung (EG) Nr. 726/2004
zur Festlegung von Gemeinschafts-
verfahren für die Genehmigung und
Überwachung von Human- und
Tierarzneimitteln und zur Errich-
25666 B
25666 B
25667 D
25668 A
25668 B
VI Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009
tung einer Europäischen Arzneimit-
tel-Agentur in Bezug auf die Infor-
mation der breiten Öffentlichkeit
über verschreibungspflichtige Hu-
manarzneimittel (inkl. 17498/08
ADD 1 und 17498/08 ADD 2) (ADD
1 in Englisch)
KOM(2008) 662 endg.; Ratsdok.
17498/08
– zu der Unterrichtung durch die Bun-
desregierung: Vorschlag für eine
Richtlinie des Europäischen Parla-
ments und des Rates zur Änderung
der Richtlinie 2001/83/EG zur
Schaffung eines Gemeinschaftskode-
xes für Humanarzneimittel in Be-
zug auf die Information der breiten
Öffentlichkeit über verschreibungs-
pflichtige Arzneimittel
KOM(2008) 663 endg.; Ratsdok.
17499/08
(Drucksachen 16/11819 A.15, 16/11819
A.16, 16/13266) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
e) Beschlussempfehlung und Bericht des
Rechtsausschusses zu der Unterrichtung
durch die Bundesregierung: Vorschlag
für eine Richtlinie des Europäischen
Parlaments und des Rates zur Ände-
rung der Richtlinie 2006/116/EG des
Europäischen Parlaments und des Ra-
tes über die Schutzdauer des Urheber-
rechts und bestimmter verwandter
Schutzrechte (inkl. 12217/08 ADD 1
und 12217/08 ADD 2)
KOM(2008) 464 endg.; Ratsdok. 12217/08
(Drucksachen 16/10286 Nr. A.21, 16/13674)
f) Antrag der Abgeordneten Horst Friedrich
(Bayreuth), Paul K. Friedhoff, Patrick
Döring, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion der FDP: Kommunen bei der
Finanzierung von Bahnübergängen ent-
lasten
(Drucksache 16/13448) . . . . . . . . . . . . . . .
g) Antrag der Abgeordneten Uwe Schummer,
Stefan Müller (Erlangen), Michael
Kretschmer, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion der CDU/CSU,
der Abgeordneten Willi Brase, Ulla
Burchardt, Dieter Grasedieck, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der SPD,
der Abgeordneten Patrick Meinhardt, Uwe
Barth, Cornelia Pieper, weiterer Abgeord-
neter und der Fraktion der FDP
sowie der Abgeordneten Priska Hinz (Her-
born), Kai Gehring, Krista Sager, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN: Gestaltung des
Deutschen Qualifikationsrahmens
(Drucksache 16/13615) . . . . . . . . . . . . . . .
25668 C
25668 D
25669 A
25669 A
h) Antrag der Abgeordneten Peter Götz, Dirk
Fischer (Hamburg), Dr. Klaus W. Lippold,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Uwe Beckmeyer,
Sören Bartol, Christian Carstensen, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der SPD:
Die Zulässigkeit von Kindertagesstätten
in reinen Wohngebieten verbessern
(Drucksache 16/13624) . . . . . . . . . . . . . .
i)–z)
Beschlussempfehlungen des Petitionsaus-
schusses: Sammelübersichten 599, 600,
601, 602, 603, 604, 605, 606, 607, 608,
609, 610, 611, 612, 613, 614, 615 und 616
zu Petitionen
(Drucksachen 16/13628, 16/13629,
16/13630, 16/13631, 16/13632, 16/13633,
16/13634, 16/13635, 16/13636, 16/13637,
16/13638, 16/13639, 16/13640, 16/13641,
16/13642, 16/13643, 16/13644, 16/13645)
Zusatztagesordnungspunkt 3:
a) Beschlussempfehlung des Ausschusses
nach Art. 77 des Grundgesetzes (Vermitt-
lungsausschuss) zu dem Vierten Gesetz
zur Änderung des Gesetzes zur Durch-
führung der Gemeinsamen Marktorga-
nisationen und der Direktzahlungen
(Drucksachen 16/12231, 16/12517,
16/13081, 16/13607) . . . . . . . . . . . . . . . .
b) Beschlussempfehlung des Ausschusses
nach Art. 77 des Grundgesetzes (Vermitt-
lungsausschuss) zu dem Ersten Gesetz zur
Änderung des Gesetzes zur Regelung
der Rechtsverhältnisse der Helfer der
Bundesanstalt Technisches Hilfswerk
(Drucksachen 16/12854, 16/13016,
16/13358, 16/13608) . . . . . . . . . . . . . . . .
Zusatztagesordnungspunkt 4:
Wahl von Mitgliedern des Stiftungsrates
der „Stiftung Berliner Schloss – Humboldt-
forum“
– Wahlvorschläge der Fraktionen der CDU/
CSU, SPD und FDP
(Drucksache 16/13661) . . . . . . . . . . . . . .
– Wahlvorschläge der Fraktionen DIE
LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
(Drucksache 16/13705) . . . . . . . . . . . . . .
Zusatztagesordnungspunkt 5:
Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Haltung der
Bundesregierung zu Meinungsverschieden-
heiten in der CDU/CSU über Steuersen-
kungsvorhaben und deren Finanzierung . .
25669 B
25669 C
25671 B
25671 C
25671 D
25671 D
25672 A
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 VII
Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU) . . . . .
Carl-Ludwig Thiele (FDP) . . . . . . . . . . . . . . .
Joachim Poß (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . . .
Manfred Kolbe (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . .
Alexander Bonde (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Nicolette Kressl, Parl. Staatssekretärin
BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Christian Freiherr von Stetten (CDU/CSU) . .
Lydia Westrich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Otto Bernhardt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . .
Simone Violka (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Reinhard Schultz (Everswinkel) (SPD) . . . . .
Tagesordnungspunkt 6:
a) Große Anfrage der Abgeordneten Jürgen
Trittin, Winfried Nachtwei, Volker Beck
(Köln), weiterer Abgeordneter und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
Zur Energieaußenpolitik der Bundes-
regierung
(Drucksachen 16/10386, 16/13276) . . . . .
b) Beschlussempfehlung und Bericht des
Ausschusses für Wirtschaft und Technolo-
gie
– zu dem Antrag der Abgeordneten
Gudrun Kopp, Dr. Werner Hoyer,
Michael Kauch, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion der FDP: Energieau-
ßenpolitik für das 21. Jahrhundert
– zu dem Antrag der Abgeordneten
Monika Knoche, Hans-Kurt Hill,
Heike Hänsel, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion DIE LINKE: Konse-
quente Energiewende statt Militari-
sierung der Energieaußenpolitik
– zu dem Antrag der Abgeordneten
Jürgen Trittin, Dr. Wolfgang
Strengmann-Kuhn, Ute Koczy, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ener-
gie, Sicherheit, Gerechtigkeit
(Drucksachen 16/6796, 16/8881, 16/8181,
16/9826) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
c) Antrag der Abgeordneten Jürgen Trittin,
Winfried Nachtwei, Volker Beck (Köln),
weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Für eine
zukunftsfähige Energieaußenpolitik
(Drucksache 16/13611) . . . . . . . . . . . . . . .
25672 B
25673 B
25674 A
25675 C
25676 C
25677 D
25679 B
25680 B
25681 D
25683 B
25684 D
25685 C
25686 D
25688 A
25688 A
25688 B
Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Peter Hintze, Parl. Staatssekretär
BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Gudrun Kopp (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Rolf Hempelmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . .
Hans-Kurt Hill (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . .
Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU) . . . . . . . . .
Gabriele Groneberg (SPD) . . . . . . . . . . . . . . .
Manfred Grund (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 7:
Beschlussempfehlung und Bericht des 1. Un-
tersuchungsausschusses nach Art. 44 des
Grundgesetzes
(Drucksache 16/13400) . . . . . . . . . . . . . . . . .
Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen)
(CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Max Stadler (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Michael Hartmann (Wackernheim) (SPD) . . .
Dr. Norman Paech (DIE LINKE) . . . . . . . . . .
Thomas Oppermann (SPD) . . . . . . . . . . . .
Dr. Max Stadler (FDP) . . . . . . . . . . . . . . .
Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Kristina Köhler (Wiesbaden) (CDU/CSU)
Hellmut Königshaus (FDP) . . . . . . . . . . . . . .
Johannes Jung (Karlsruhe) (SPD) . . . . . . . . .
Hellmut Königshaus (FDP) . . . . . . . . . . . .
Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU) . . . .
Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Thomas Oppermann (SPD) . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 8:
Zweite und dritte Beratung des von der Bun-
desregierung eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes über die Feststellung eines Zwei-
ten Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan
für das Haushaltsjahr 2009 (Zweites Nach-
tragshaushaltsgesetz 2009)
(Drucksachen 16/13000, 16/13386, 16/13588,
16/13589) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Erika Ober (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP) . . . . . . . . . .
Susanne Jaffke-Witt (CDU/CSU) . . . . . . . . .
Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) . . . . . . . . .
25688 B
25689 D
25691 B
25692 D
25694 B
25695 C
25697 B
25699 B
25700 B
25700 C
25702 A
25703 C
25706 A
25706 D
25707 B
25709 A
25710 D
25711 C
25712 C
25713 C
25715 A
25716 C
25717 D
25719 B
25719 C
25721 C
25723 C
25725 A
VIII Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009
Anna Lührmann (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Bettina Hagedorn (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . .
Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU) . . . . . . . . . .
Norbert Barthle (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 9:
Antrag der Abgeordneten Dr. Heinrich L.
Kolb, Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der
FDP: Die Alterssicherung der Selbständi-
gen verbessern
(Drucksache 16/11672) . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Erwin Lotter (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . .
Peter Rauen (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . .
Volker Schneider (Saarbrücken)
(DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Anton Schaaf (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 10:
– Beschlussempfehlung und Bericht des
Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag
der Bundesregierung: Beteiligung deut-
scher Streitkräfte am Einsatz von
NATO-AWACS im Rahmen der Inter-
nationalen Sicherheitsunterstützungs-
truppe in Afghanistan (International
Security Assistance Force, ISAF) unter
Führung der NATO auf Grundlage der
Resolution 1386 (2001) und folgender
Resolutionen, zuletzt Resolution 1833
(2008) des Sicherheitsrates der Verein-
ten Nationen
(Drucksachen 16/13377, 16/13597) . . . . .
– Bericht des Haushaltsausschusses gemäß
§ 96 der Geschäftsordnung
(Drucksache 16/13680) . . . . . . . . . . . . . . .
Walter Kolbow (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Birgit Homburger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . .
Eckart von Klaeden (CDU/CSU) . . . . . . . . . .
Monika Knoche (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . .
Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Gert Winkelmeier (fraktionslos) . . . . . . . . . . .
Dorothee Bär (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . .
Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . .
Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
25727 A
25729 C
25731 B
25732 B
25733 C
25733 C
25734 D
25736 C
25737 B
25738 D
25740 A
25740 A
25740 B
25742 D
25743 D
25745 A
25746 B
25747 C
25748 B
25749 B
25751 C
Tagesordnungspunkt 11:
Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
schusses für Arbeit und Soziales zu dem An-
trag der Abgeordneten Klaus Ernst,
Dr. Martina Bunge, Diana Golze, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE:
Erhöhung des Schonvermögens im Alter
für Bezieher von Arbeitslosengeld II
(Drucksachen 16/5457, 16/12912) . . . . . . . . .
Rolf Stöckel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Heinz-Peter Haustein (FDP) . . . . . . . . . . . . .
Karl Schiewerling (CDU/CSU) . . . . . . . . . . .
Volker Schneider (Saarbrücken)
(DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Markus Kurth (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . .
Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 12:
a) – Beschlussempfehlung und Bericht des
Auswärtigen Ausschusses zu dem An-
trag der Bundesregierung: Fortset-
zung der Beteiligung bewaffneter
deutscher Streitkräfte an der Frie-
densmission der Vereinten Nationen
im Sudan (UNMIS) auf Grundlage
der Resolution 1590 (2005) des
Sicherheitsrates der Vereinten Na-
tionen vom 24. März 2005 und Fol-
geresolutionen
(Drucksachen 16/13395, 16/13598) . .
– Bericht des Haushaltsausschusses ge-
mäß § 96 der Geschäftsordnung
(Drucksache 16/13681) . . . . . . . . . . . .
b) – Beschlussempfehlung und Bericht des
Auswärtigen Ausschusses zu dem An-
trag der Bundesregierung: Fortset-
zung der Beteiligung bewaffneter
deutscher Streitkräfte an der AU/
UN-Hybrid-Operation in Darfur
(UNAMID) auf Grundlage der Re-
solution 1769 (2007) des Sicherheits-
rates der Vereinten Nationen vom
31. Juli 2007 und Folgeresolutionen
(Drucksachen 16/13396, 16/13599) . .
– Bericht des Haushaltsausschusses ge-
mäß § 96 der Geschäftsordnung
(Drucksache 16/13682) . . . . . . . . . . . .
Brunhilde Irber (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Marina Schuster (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . .
Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU) . . .
25749 C
25749 D
25753 B
25755 A
25756 C
25757 C
25758 C
25760 C
25758 C
25758 D
25758 D
25759 A
25759 B
25762 B
25763 D
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 IX
Hüseyin-Kenan Aydin (DIE LINKE) . . . . . . .
Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Gert Weisskirchen (Wiesloch) (SPD) . . . . . . .
Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . .
Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Namentliche Abstimmungen . . . . . . . . . . . . .
Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 72:
Zweite und dritte Beratung des von den Abge-
ordneten Josef Philip Winkler, Volker Beck
(Köln), Ekin Deligöz, weiteren Abgeordne-
ten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Ge-
setzes zur Streichung des Optionszwangs
aus dem Staatsangehörigkeitsrecht
(Drucksachen 16/12849, 16/13556) . . . . . . . .
Reinhard Grindel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . .
Sebastian Edathy (SPD) . . . . . . . . . . . . . . .
Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP) . . . . . . . .
Rüdiger Veit (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Sevim Dağdelen (DIE LINKE) . . . . . . . . . . .
Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Hakki Keskin (DIE LINKE) . . . . . . . . . . .
Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . .
Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 14:
a) Unterrichtung durch die Bundesregierung:
Gutachten zu Forschung, Innovation
und technologischer Leistungsfähigkeit
2009
und
Stellungnahme der Bundesregierung
(Drucksache 16/12900) . . . . . . . . . . . . . . .
b) Beschlussempfehlung und Bericht des
Ausschusses für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
– zu dem Antrag der Abgeordneten
Marion Seib, Stefan Müller (Erlan-
gen), Michael Kretschmer, weiterer
25764 D
25765 C
25766 D
25767 B
25767 C
25768 A, B
25771 C, 25773 B
25768 B
25768 C
25770 C
25776 A
25777 C
25780 A
25781 A
25782 B
25782 C
25782 D
25786 D
25783 A
Abgeordneter und der Fraktion der
CDU/CSU sowie der Abgeordneten
René Röspel, Dr. Ernst Dieter
Rossmann, Ulla Burchardt, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der
SPD: Nanotechnologie – Gezielte
Forschungsförderung für zukunfts-
trächtige Innovationen und Wachs-
tumsfelder
– zu dem Antrag der Abgeordneten
Dr. Petra Sitte, Dr. Kirsten Tackmann,
Karin Binder, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion DIE LINKE: Nano-
technologie für die Gesellschaft nut-
zen – Risiken vermeiden
– zu dem Antrag der Abgeordneten
Priska Hinz (Herborn), Hans-Josef
Fell, Ulrike Höfken, weiterer Abge-
ordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN: Nanotechno-
logie-Bericht vorlegen
– zu dem Antrag der Abgeordneten
Priska Hinz (Herborn), Hans-Josef
Fell, Birgitt Bender, weiterer Abgeord-
neter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN: Nanotechnologie –
Forschung verstärken und Vorsor-
geprinzip anwenden
(Drucksachen 16/12695, 16/7276, 16/4757,
16/7115, 16/13593) . . . . . . . . . . . . . . . . .
c) Beschlussempfehlung und Bericht des
Finanzausschusses zu dem Antrag der Ab-
geordneten Priska Hinz (Herborn), Kerstin
Andreae, Christine Scheel, weiterer Abge-
ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN: Innovationskraft von
kleinen und mittleren Unternehmen
durch steuerliche Förderung gezielt
stärken
(Drucksachen 16/12894, 16/13646) . . . . .
d) Beschlussempfehlung und Bericht des
Ausschusses für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
– zu dem Antrag der Abgeordneten
Dr. Petra Sitte, Monika Knoche, Heike
Hänsel, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion DIE LINKE: Öffentlich
finanzierte Pharmainnovationen zur
wirksamen Bekämpfung von ver-
nachlässigten Krankheiten in den
Entwicklungsländern einsetzen
– zu der Unterrichtung durch die Bundes-
regierung: Mitteilung der Kommis-
sion an das Europäische Parlament
und den Rat zum Fortschrittsbe-
richt über das Programm „Partner-
schaft Europas und der Entwick-
lungsländer im Bereich klinischer
25783 A
25783 C
X Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009
Studien“ (inkl. 15521/08 ADD 1 und
15521/08 ADD 2) (ADD 1 in Eng-
lisch)
KOM(2008) 688 endg.; Ratsdok.
15521/08
(Drucksachen 16/12291, 16/11517 A.35,
16/13595) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
e) Antrag der Abgeordneten Cornelia Pieper,
Angelika Brunkhorst, Jens Ackermann,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der FDP: Die Nanotechnologien –
Schlüssel zur Stärkung der technologi-
schen Leistungskraft Deutschlands
(Drucksache 16/13450) . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 15:
Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
schusses für Gesundheit
– zu dem Antrag der Abgeordneten Daniel
Bahr (Münster), Heinz Lanfermann,
Dr. Konrad Schily, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion der FDP: Moratorium
für die elektronische Gesundheitskarte
– zu dem Antrag der Abgeordneten Birgitt
Bender, Elisabeth Scharfenberg,
Dr. Harald Terpe, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN: Das Recht auf informatio-
nelle Selbstbestimmung bei der Einfüh-
rung der elektronischen Gesundheits-
karte gewährleisten
(Drucksachen 16/11245, 16/12289, 16/13650)
Tagesordnungspunkt 16:
a) Zweite und dritte Beratung des von der
Bundesregierung eingebrachten Entwurfs
eines Gesetzes zur Erleichterung elek-
tronischer Anmeldungen zum Vereins-
register und anderer vereinsrechtlicher
Änderungen
(Drucksachen 16/12813, 16/13542) . . . . .
b) Zweite und dritte Beratung des vom Bun-
desrat eingebrachten Entwurfs eines Ge-
setzes zur Begrenzung der Haftung von
ehrenamtlich tätigen Vereinsvorständen
(Drucksachen 16/10120, 16/13537) . . . . .
Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär
BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Mechthild Dyckmans (FDP) . . . . . . . . . . . . .
Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU) . . . . .
Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Peter Danckert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . .
25783 C
25783 D
25784 D
25785 B
25785 C
25785 D
25789 A
25789 D
25791 B
25792 A
Tagesordnungspunkt 17:
Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
schusses für Gesundheit
– zu dem Antrag der Abgeordneten Birgitt
Bender, Elisabeth Scharfenberg,
Dr. Harald Terpe, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN: Präventionsgesetz auf den
Weg bringen – Primärprävention um-
fassend stärken
– zu dem Antrag der Abgeordneten
Dr. Martina Bunge, Klaus Ernst, Diana
Golze, weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion DIE LINKE: Gesundheitsförderung
und Prävention als gesamtgesellschaftli-
che Aufgaben stärken – Gesellschaftli-
che Teilhabe für alle ermöglichen
– zu dem Antrag der Abgeordneten Detlef
Parr, Daniel Bahr (Münster), Heinz
Lanfermann, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion der FDP: Eigenverantwor-
tung und klare Aufgabenteilung als
Grundvoraussetzung einer effizienten
Präventionsstrategie
(Drucksachen 16/7284, 16/7471, 16/8751,
16/13071) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 18:
– Zweite und dritte Beratung des von der
Bundesregierung eingebrachten Entwurfs
eines Gesetzes zur Stärkung der Finanz-
markt- und der Versicherungsaufsicht
(Drucksachen 16/12783, 16/13113,
16/13684) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
– Zweite und dritte Beratung des von den
Abgeordneten Dr. h. c. Jürgen Koppelin,
Frank Schäffler, Jens Ackermann, weite-
ren Abgeordneten und der Fraktion der
FDP eingebrachten Entwurfs eines Geset-
zes zur Schließung kreditwirtschaftli-
cher Aufsichtslücken
(Drucksachen 16/12884, 16/13684) . . . . .
Tagesordnungspunkt 19:
– Zweite und dritte Beratung des von den
Abgeordneten Kai Gehring, Ekin Deligöz,
Katrin Göring-Eckardt, weiteren Abge-
ordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs
eines … Gesetzes zur Änderung des
Grundgesetzes (Artikel 38)
(Drucksachen 16/12344, 16/13247) . . . . .
– Zweite und dritte Beratung des von den
Abgeordneten Kai Gehring, Ekin Deligöz,
Katrin Göring-Eckardt, weiteren Abge-
ordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/
25793 B
25793 D
25793 D
25794 C
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 XI
DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs
eines Gesetzes zur Herabsetzung des
Wahlalters im Bundeswahlgesetz und
im Europawahlgesetz
(Drucksachen 16/12345, 16/13247) . . . . .
Tagesordnungspunkt 20:
Zweite und dritte Beratung des von der Bun-
desregierung eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur Änderung des Erb- und Ver-
jährungsrechts
(Drucksachen 16/8954, 16/13543) . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 21:
Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
schusses für Wirtschaft und Technologie zu
dem Antrag der Abgeordneten Rainer
Brüderle, Paul K. Friedhoff, Jens Ackermann,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der
FDP: Die Mitte stärken – Mittelstand ins
Zentrum der Wirtschaftspolitik rücken
(Drucksachen 16/12326, 16/13148) . . . . . . . .
Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU) . . . . . . . . . . .
Andrea Wicklein (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Paul K. Friedhoff (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . .
Sabine Zimmermann (DIE LINKE) . . . . . . . .
Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 22:
Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
schusses für Wirtschaft und Technologie
– zu der Unterrichtung durch den Nationa-
len Normenkontrollrat: Jahresbericht
2008 des Nationalen Normenkontroll-
rates
Bürokratieabbau – Jetzt Entscheidun-
gen treffen
– zu der Unterrichtung durch die Bundes-
regierung: Bericht der Bundesregierung
2008 zur Anwendung des Standardkos-
ten-Modells und zum Stand des Büro-
kratieabbaus
(Drucksachen 16/10039, 16/10285 Nr. 15,
16/11486, 16/13146) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 23:
Beschlussempfehlung und Bericht des Vertei-
digungsausschusses zu dem Antrag der Abge-
ordneten Dr. Gregor Gysi, Dr. Gesine
Lötzsch, Kersten Naumann, weiterer Abge-
ordneter und der Fraktion DIE LINKE:
25794 C
25795 A
25795 B
25795 C
25796 B
25796 D
25797 D
25798 C
25799 B
Gleichberechtigte Entschädigung von
Strahlenopfern in Ost und West schaffen –
Umfassendes Radaropfer-Entschädigungs-
gesetz einführen
(Drucksachen 16/8116, 16/13662) . . . . . . . . .
Monika Brüning (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . .
Hedi Wegener (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Birgit Homburger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . .
Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 24:
a) – Zweite und dritte Beratung des von
den Fraktionen der CDU/CSU und
SPD eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur Stärkung der Rechte
von Verletzten und Zeugen im Straf-
verfahren (2. Opferrechtsreformge-
setz)
(Drucksachen 16/12098, 16/13671) . .
– Zweite und dritte Beratung des von der
Bundesregierung eingebrachten Ent-
wurfs eines Gesetzes zur Stärkung
der Rechte von Verletzten und Zeu-
gen im Strafverfahren (2. Opfer-
rechtsreformgesetz)
(Drucksachen 16/12812, 16/13671) . .
– Zweite und dritte Beratung des vom
Bundesrat eingebrachten Entwurfs ei-
nes Gesetzes zur Verbesserung des
Schutzes der Opfer von Zwangshei-
rat und schwerem „Stalking“
(Drucksachen 16/9448, 16/13671) . . .
– Zweite und dritte Beratung des vom
Bundesrat eingebrachten Entwurfs
eines Gesetzes zur Stärkung des Op-
ferschutzes im Strafprozess
(Drucksachen 16/7617, 16/13671) . . .
b) Beschlussempfehlung und Bericht des
Rechtsausschusses zu dem Antrag der Ab-
geordneten Jörg van Essen, Sabine
Leutheusser-Schnarrenberger, Mechthild
Dyckmans, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion der FDP: Opferinteressen ernst
nehmen – Opferschutz stärken
(Drucksachen 16/7004, 16/13671) . . . . . .
c) Zweite und dritte Beratung des von den
Abgeordneten Sibylle Laurischk,
Irmingard Schewe-Gerigk, Dr. Konrad
Schily und weiteren Abgeordneten einge-
brachten Entwurfs eines … Gesetzes zur
Änderung des Strafgesetzbuches –
Strafbarkeit der Genitalverstümmelung
(Drucksachen 16/12910, 16/13667) . . . . .
25799 C
25799 D
25800 C
25801 C
25802 A
25802 D
25803 C
25803 C
25803 D
25803 D
25803 D
25804 A
XII Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009
Ute Granold (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . .
Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen)
(CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Matthias Miersch (SPD) . . . . . . . . . . . . . .
Jörg van Essen (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Sevim Dağdelen (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . .
Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär
BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 25:
Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
schusses für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz zu dem Antrag der Abge-
ordneten Ulrike Höfken, Bärbel Höhn,
Cornelia Behm, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
Kein Genmais-Anbau gegen den Willen
der Bürger in der EU
(Drucksachen 16/13398, 16/13663) . . . . . . . .
Johannes Röring (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . .
Elvira Drobinski-Weiß (SPD) . . . . . . . . . . . . .
René Röspel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Christel Happach-Kasan (FDP) . . . . . . .
Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) . . . . . . .
Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 26:
Zweite und dritte Beratung des vom Bundes-
rat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Einführung einer Modellklausel in die
Berufsgesetze der Hebammen, Logopäden,
Physiotherapeuten und Ergotherapeuten
(Drucksachen 16/9898, 16/13652) . . . . . . . . .
Jens Spahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Margrit Spielmann (SPD) . . . . . . . . . . . . .
Dr. Konrad Schily (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . .
Frank Spieth (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . .
Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Rolf Schwanitz, Parl. Staatssekretär
BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 27:
a) Beschlussempfehlung und Bericht des
Ausschusses für Menschenrechte und Hu-
manitäre Hilfe zu dem Antrag der Abge-
25804 B
25805 A
25806 B
25807 B
25808 C
25810 C
25811 C
25813 B
25813 C
25814 C
25815 C
25816 C
25817 C
25818 B
25819 D
25820 A
25820 D
25821 D
25822 A
25822 D
25823 C
ordneten Florian Toncar, Burkhardt
Müller-Sönksen, Harald Leibrecht, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion der
FDP: Erweiterung des Rom-Statuts des
Internationalen Strafgerichtshofs – Ver-
weigerung und Behinderung von huma-
nitärer Hilfe bestrafen
(Drucksachen 16/11186, 16/13497) . . . . .
b) Beschlussempfehlung und Bericht des
Ausschusses für Menschenrechte und Hu-
manitäre Hilfe zu dem Antrag der Abge-
ordneten Florian Toncar, Burkhardt
Müller-Sönksen, Dr. Karl Addicks, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion der
FDP: Für ein kohärentes und effizientes
Konzept der deutschen humanitären
Hilfe
(Drucksachen 16/7523, 16/13304) . . . . . .
Ute Granold (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Herta Däubler-Gmelin (SPD) . . . . . . . . .
Christoph Strässer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . .
Florian Toncar (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Michael Leutert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . .
Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 28:
Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
wärtigen Ausschusses zu der Unterrichtung
durch die Bundesregierung: Bericht der
Bundesregierung zur Auswärtigen Kultur-
politik 2007/2008
(Drucksachen 16/10962, 16/13621) . . . . . . . .
Dr. Peter Gauweiler (CDU/CSU) . . . . . . . . .
Monika Griefahn (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . .
Harald Leibrecht (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Lukrezia Jochimsen (DIE LINKE) . . . . . .
Dr. Uschi Eid (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 29:
Beschlussempfehlung und Bericht des Vertei-
digungsausschusses zu dem Antrag der Abge-
ordneten Paul Schäfer (Köln), Monika
Knoche, Hüseyin-Kenan Aydin, weiterer Ab-
geordneter und der Fraktion DIE LINKE:
Keine Sonderstellung der Bundeswehr an
Schulen
(Drucksachen 16/13060, 16/13664) . . . . . . . .
Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen)
(CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Jörn Thießen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
25824 A
25824 B
25824 C
25826 B
25826 D
25827 D
25829 B
25830 A
25830 D
25831 A
25833 A
25835 B
25836 A
25836 D
25837 D
25837 D
25838 D
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 XIII
Birgit Homburger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . .
Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE) . . . . . . . . .
Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 30:
Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
schusses für Verkehr, Bau und Stadtentwick-
lung zu der Unterrichtung durch die Bundes-
regierung: Stadtentwicklungsbericht 2008
(Drucksachen 16/13130, 16/13665) . . . . . . . .
Peter Götz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . .
Petra Weis (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Patrick Döring (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Heidrun Bluhm (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . .
Peter Hettlich (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Achim Großmann, Parl. Staatssekretär
BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 31:
a) Große Anfrage der Abgeordneten Jürgen
Trittin, Volker Beck (Köln), Marieluise
Beck (Bremen), weiterer Abgeordneter
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN: Zur Indien-Politik der Bun-
desregierung
(Drucksachen 16/11485, 16/13312) . . . . .
b) Antrag der Abgeordneten Jürgen Trittin,
Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck
(Köln), weiterer Abgeordneter und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
Reformprozesse in Indien unterstützen
(Drucksache 16/13610) . . . . . . . . . . . . . . .
Philipp Mißfelder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . .
Johannes Pflug (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Harald Leibrecht (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . .
Monika Knoche (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . .
Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 32:
Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
schusses für Umwelt, Naturschutz und Reak-
torsicherheit zu der Unterrichtung durch die
Bundesregierung: Fortschrittsbericht 2008
zur nationalen Nachhaltigkeitsstrategie
(Drucksachen 16/10700, 16/13236) . . . . . . . .
25839 C
25840 A
25841 A
25841 C
25841 D
25842 D
25844 A
25845 A
25846 C
25847 D
25848 D
25848 D
25849 A
25849 D
25850 C
25851 C
25852 B
25853 B
Dr. Günter Krings (CDU/CSU) . . . . . . . . . . .
Ernst Kranz (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Michael Kauch (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Lutz Heilmann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . .
Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 33:
Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
schusses für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz zu dem Antrag der Abge-
ordneten Dr. Christel Happach-Kasan, Hans-
Michael Goldmann, Dr. Edmund Peter
Geisen, weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion der FDP: Effiziente und ökologische
Energie- und Wertholzproduktion in Agro-
forstsystemen ermöglichen – Ökologische
Vorteilswirkungen von Agroforstsystemen
erforschen
(Drucksachen 16/8409, 16/12516) . . . . . . . . .
Dr. Hans-Heinrich Jordan (CDU/CSU) . . . . .
Dr. Gerhard Botz (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Christel Happach-Kasan (FDP) . . . . . . .
Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) . . . . . . .
Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 34:
Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
schusses für Wahlprüfung, Immunität und Ge-
schäftsordnung: Änderungen der Geschäfts-
ordnung des Deutschen Bundestages
hier:
a) Nachträglicher Ausschluss von Mitglie-
dern des Bundestages von Plenarsitzun-
gen (§ 38 GO-BT)
b) Reden zu Protokoll (§ 78 GO-BT)
c) Sprachliche Beratung bei der Formulie-
rung von Gesetzestexten (§ 80 a GO-BT)
(Drucksache 16/13492) . . . . . . . . . . . . . . . . .
Bernhard Kaster (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . .
Dr. Ole Schröder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . .
Christine Lambrecht (SPD) . . . . . . . . . . . . . .
Jörg van Essen (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) . . . . . .
Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
25853 C
25855 C
25856 D
25857 C
25858 C
25859 C
25859 D
25860 D
25861 C
25862 D
25863 D
25864 B
25864 C
25865 B
25866 A
25867 D
25868 D
25869 D
XIV Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009
Tagesordnungspunkt 35:
a) Beschlussempfehlung und Bericht des
Ausschusses für Wirtschaft und Technolo-
gie
– zu dem Antrag der Abgeordneten
Hans-Kurt Hill, Dr. Gesine Lötzsch,
Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abge-
ordneter und der Fraktion DIE LINKE:
Strommarkt durchgreifend regulie-
ren – Energiepreissenkungen durch-
setzen
– zu dem Antrag der Abgeordneten
Bärbel Höhn, Nicole Maisch, Ulrike
Höfken, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN: Manipulierte Strompreise –
Verbraucherinteressen wahren
(Drucksachen 16/11908, 16/12692,
16/13069) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
b) Beschlussempfehlung und Bericht des
Ausschusses für Wirtschaft und Technolo-
gie
– zu dem Antrag der Abgeordneten
Gudrun Kopp, Dr. Karl Addicks,
Christian Ahrendt, weiterer Abgeord-
neter und der Fraktion der FDP:
Strukturelle Wettbewerbsdefizite
auf den Energiemärkten bekämpfen
– zu dem Antrag der Abgeordneten
Bärbel Höhn, Kerstin Andreae, Hans-
Josef Fell, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN: Das Energiekartell aufbre-
chen – Für Klimaschutz, Wettbe-
werb und faire Energiepreise
(Drucksachen 16/8079, 16/8536, 16/9495)
c) Beschlussempfehlung und Bericht des
Ausschusses für Wirtschaft und Technolo-
gie zu dem Antrag der Abgeordneten
Gudrun Kopp, Jens Ackermann, Dr. Karl
Addicks, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion der FDP: Energiekosten senken –
Mehr Netto für die Verbraucher
(Drucksachen 16/9595, 16/10506) . . . . . .
Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU) . . . . . . . . . .
Rolf Hempelmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . .
Gudrun Kopp (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Hans-Kurt Hill (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . .
Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 36:
Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
schusses für Umwelt, Naturschutz und Reak-
25870 C
25870 D
25870 D
25871 A
25873 A
25875 A
25876 B
25876 D
torsicherheit zu der Verordnung der Bundes-
regierung: Verordnung über die
Versteigerung von Emissionsberechtigun-
gen nach dem Zuteilungsgesetz 2012
(Emissionshandels-Versteigerungsverord-
nung 2012 – EHVV 2012)
(Drucksachen 16/13189, 16/13263 Nr. 2.3,
16/13677) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Andreas Jung (Konstanz) (CDU/CSU) . . . . .
Frank Schwabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Michael Kauch (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . .
Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 37:
– Zweite und dritte Beratung des von den
Abgeordneten Markus Kurth, Josef Philip
Winkler, Volker Beck (Köln), weiteren
Abgeordneten und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Ent-
wurfs eines Gesetzes zur Aufhebung des
Asylbewerberleistungsgesetzes
(Drucksachen 16/10837, 16/13149) . . . . .
– Bericht des Haushaltsausschusses gemäß
§ 96 der Geschäftsordnung
(Drucksache 16/13150) . . . . . . . . . . . . . .
Thomas Bareiß (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . .
Gabriele Hiller-Ohm (SPD) . . . . . . . . . . . . . .
Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP) . . . . . . . .
Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . .
Markus Kurth (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Zusatztagesordnungspunkt 6:
Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP
und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Rechts-
staatlichkeit in Russland stärken
(Drucksache 16/13613) . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 38:
Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
schusses für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend zu dem Antrag der Abgeordneten Ina
Lenke, Frank Schäffler, Hartfrid Wolff
(Rems-Murr), weiterer Abgeordneter und der
Fraktion der FDP: Attraktivität von Au-
pair-Beschäftigungen steigern
(Drucksachen 16/9481, 16/12724) . . . . . . . . .
Michaela Noll (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . .
Sönke Rix (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
25878 B
25878 B
25879 A
25880 D
25881 C
25882 B
25882 D
25883 A
25883 A
25884 B
25885 B
25886 A
25886 D
25887 C
25887 D
25887 D
25889 D
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 XV
Ina Lenke (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Elke Reinke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . .
Kai Gehring (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Zusatztagesordnungspunkt 7:
Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
schusses für Umwelt, Naturschutz und
Reaktorsicherheit zu der Verordnung der Bun-
desregierung: Verordnung über Anforde-
rungen an eine nachhaltige Herstellung
von flüssiger Biomasse zur Stromerzeu-
gung
(Biomassestrom-Nachhaltigkeitsverord-
nung – BioSt-NachV)
(Drucksachen 16/13326, 16/13507 Nr. 2,
16/13685) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 39:
a) Zweite und dritte Beratung des von den
Abgeordneten Cornelia Hirsch, Werner
Dreibus, Dr. Gesine Lötzsch, weiteren Ab-
geordneten und der Fraktion DIE LINKE
eingebrachten Entwurfs eines Achtund-
zwanzigsten Gesetzes zur Änderung des
Berufsbildungsgesetzes
(Drucksachen 16/6629, 16/13584) . . . . . .
b) Beschlussempfehlung und Bericht des
Ausschusses für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung zu dem An-
trag der Abgeordneten Uwe Barth, Patrick
Meinhardt, Jens Ackermann, weiterer Ab-
geordneter und der Fraktion der FDP:
Orientierung und verbesserte Berufs-
perspektiven durch Praktika schaffen
(Drucksachen 16/6768, 16/13584) . . . . . .
c) Beschlussempfehlung und Bericht des
Ausschusses für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
– zu dem Antrag der Abgeordneten
Patrick Meinhardt, Uwe Barth,
Cornelia Pieper, weiterer Abgeordne-
ter und der Fraktion der FDP: Neue
Chancen für die berufliche Bildung
– zu dem Antrag der Abgeordneten
Priska Hinz (Herborn), Ekin Deligöz,
Kai Gehring, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN: Recht auf Ausbildung
umsetzen – Ausbildungssystem re-
formieren, überbetriebliche Ausbil-
dungsstätten ausbauen und Über-
gangsmaßnahmen anrechnen
(Drucksachen 16/12665, 16/12680,
16/13686) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
25890 C
25891 B
25892 A
25892 D
25893 A
25893 A
25893 B
Willi Brase (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Patrick Meinhardt (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . .
Cornelia Hirsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . .
Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Andreas Storm, Parl. Staatssekretär
BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Zusatztagesordnungspunkt 8:
Antrag der Abgeordneten Klaus Brähmig,
Jürgen Klimke, Dr. Hans-Peter Friedrich
(Hof), weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Annette Faße,
Gabriele Hiller-Ohm, Renate Gradistanac,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der
SPD: Aus- und Weiterbildung in der Tou-
rismuswirtschaft verbessern
(Drucksache 16/13614) . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 40:
Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
schusses für Gesundheit zu dem Antrag der
Abgeordneten Renate Künast, Fritz Kuhn,
Birgitt Bender, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Le-
ben am Lebensende – Bessere Rahmenbe-
dingungen für Schwerkranke und Ster-
bende schaffen
(Drucksachen 16/9442, 16/13246) . . . . . . . . .
Maria Eichhorn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . .
Christian Kleiminger (SPD) . . . . . . . . . . . . .
Michael Kauch (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) . . . . . . . . . .
Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Marion Caspers-Merk, Parl. Staatssekretärin
BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Zusatztagesordnungspunkt 9:
a) Erste Beratung des von den Fraktionen
CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs
eines Zweiten Gesetzes zur Änderung
des Gesetzes zur Aufhebung nationalso-
zialistischer Unrechtsurteile in der
Strafrechtspflege (2. NS-AufhGÄndG)
(Drucksache 16/13654) . . . . . . . . . . . . . .
b) Erste Beratung des von den Abgeordneten
Jan Korte, Christine Lambrecht, Wolfgang
Wieland und weiteren Abgeordneten ein-
gebrachten Entwurfs eines Zweiten Ge-
setzes zur Änderung des Gesetzes zur
25893 C
25894 A
25895 B
25895 D
25896 C
25898 B
25898 C
25898 C
25899 D
25900 C
25901 C
25902 B
25903 B
25904 C
XVI Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009
Aufhebung nationalsozialistischer Un-
rechtsurteile in der Strafrechtspflege
(Drucksache 16/13405) . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 41:
Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
schusses für Wirtschaft und Technologie zu
dem Antrag der Abgeordneten Harald
Leibrecht, Gudrun Kopp, Jens Ackermann,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der
FDP: Deutsche Unternehmen vor chinesi-
scher Produktpiraterie und Diskriminie-
rung schützen
(Drucksachen 16/4207, 16/6963) . . . . . . . . . .
Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . .
Rolf Hempelmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . .
Harald Leibrecht (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . .
Ulla Lötzer (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . .
Zusatztagesordnungspunkt 10:
Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und
SPD: Förderung von Vertrauen, Sicher-
heit und Datenschutz in E-Government
und E-Business
(Drucksache 16/13618) . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 42:
Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
schusses für Bildung, Forschung und Tech-
nikfolgenabschätzung zu dem Antrag der Ab-
geordneten Cornelia Hirsch, Dr. Petra Sitte,
Volker Schneider (Saarbrücken) und der Frak-
tion DIE LINKE: Bundesausbildungsförde-
rung an die Studienrealität anpassen und
Strukturreform vorbereiten
(Drucksachen 16/12688, 16/13592) . . . . . . . .
Marion Seib (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . .
Jürgen Kucharczyk (SPD) . . . . . . . . . . . . . . .
Renate Schmidt (Nürnberg) (SPD) . . . . . . . . .
Uwe Barth (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Cornelia Hirsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . .
Kai Gehring (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 43:
Antrag der Abgeordneten Alexander Bonde,
Anna Lührmann, Omid Nouripour, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
25904 D
25904 D
25905 A
25906 B
25907 B
25908 A
25908 C
25909 B
25909 C
25909 D
25911 B
25912 A
25912 B
25913 B
25914 A
NIS 90/DIE GRÜNEN: Transparenz bei
Konjunkturpaketen sicherstellen
(Drucksache 16/12475) . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Ole Schröder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . .
Klaus Hagemann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP) . . . . . . . . . .
Roland Claus (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . .
Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 44:
Beschlussempfehlung und Bericht des
Rechtsausschusses zu dem Antrag der Abge-
ordneten Patrick Döring, Mechthild
Dyckmans, Michael Kauch, weiterer Abge-
ordneter und der Fraktion der FDP: Miet-
rechtsänderungen zur Erleichterung
klima- und umweltfreundlicher Sanierun-
gen
(Drucksachen 16/7175, 16/12370) . . . . . . . . .
Norbert Geis (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . .
Dirk Manzewski (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . .
Patrick Döring (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Heidrun Bluhm (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . .
Peter Hettlich (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 45:
Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
schusses für Gesundheit zu dem Antrag der
Abgeordneten Frank Spieth, Dr. Martina
Bunge, Klaus Ernst, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion DIE LINKE: Krankenver-
sicherung für Selbständige bezahlbar ge-
stalten
(Drucksachen 16/12734, 16/13260) . . . . . . . .
Max Straubinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . .
Dr. Karl Lauterbach (SPD) . . . . . . . . . . . . . .
Daniel Bahr (Münster) (FDP) . . . . . . . . . . . .
Frank Spieth (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . .
Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 46:
a) Zweite und dritte Beratung des von den
Abgeordneten Jerzy Montag, Irmingard
Schewe-Gerigk, Hans-Christian Ströbele,
weiteren Abgeordneten und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrach-
ten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbes-
25915 A
25915 A
25916 A
25917 B
25918 B
25918 D
25919 D
25919 D
25921 A
25921 D
25923 A
25924 A
25925 A
25925 B
25926 A
25926 D
25927 B
25928 A
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 XVII
serung des Verfahrens zur Wahl der
Bundesverfassungsrichterinnen und
Bundesverfassungsrichter
(Drucksachen 16/9628, 16/13670) . . . . . .
Dr. Günter Krings (CDU/CSU) . . . . . . . . . . .
Joachim Stünker (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . .
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
(FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Wolfgang Nešković (DIE LINKE) . . . . . . . . . .
Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 47:
Antrag der Abgeordneten Ulrike Flach,
Martin Zeil, Cornelia Pieper, weiterer Abge-
ordneter und der Fraktion der FDP: Luft-
fahrttechnologie und Luftfahrtindustrie in
Deutschland – Neue Ziele für saubere Um-
welt und sichere Arbeitsplätze
(Drucksache 16/8410) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Heinz Riesenhuber (CDU/CSU) . . . . . . . .
Martin Dörmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . .
Ulrike Flach (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Herbert Schui (DIE LINKE) . . . . . . . . . . .
Peter Hettlich (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 48:
Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
schusses für Arbeit und Soziales zu dem An-
trag der Abgeordneten Dr. Martina Bunge,
Klaus Ernst, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE:
Auch Verletztenrenten früherer NVA-An-
gehöriger der DDR anrechnungsfrei auf
die Grundsicherung für Arbeitsuchende
stellen
(Drucksachen 16/13182, 16/13622) . . . . . . . .
Maria Michalk (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . .
Angelika Krüger-Leißner (SPD) . . . . . . . . . . .
Heinz-Peter Haustein (FDP) . . . . . . . . . . . . .
Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) . . . . . . . . . .
Markus Kurth (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 49:
Beschlussempfehlung und Bericht des
Rechtsausschusses zu dem Antrag der Abge-
ordneten Ekin Deligöz, Irmingard Schewe-
25929 A
25929 A
25930 D
25931 B
25932 A
25933 A
25934 A
25934 A
25936 B
25937 B
25938 B
25938 D
25939 D
25940 A
25940 C
25942 A
25942 D
25943 B
Gerigk, Priska Hinz (Herborn), weiterer Ab-
geordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN: Sorgerechtsregelung für
Nichtverheiratete reformieren
(Drucksachen 16/9361, 16/13446) . . . . . . . . .
Ute Granold (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . .
Christine Lambrecht (SPD) . . . . . . . . . . . . . .
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
(FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Jörn Wunderlich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . .
Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 50:
Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
schusses für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz zu dem Antrag der Abge-
ordneten Dr. Christel Happach-Kasan, Hans-
Michael Goldmann, Dr. Edmund Peter
Geisen, weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion der FDP: Biotechnologische Innovatio-
nen im Interesse von Verbrauchern und
Landwirten weltweit nutzen – Biotechnolo-
gie ein Instrument zur Bekämpfung von
Armut und Hunger in den Entwicklungs-
ländern
(Drucksachen 16/6714, 16/11450) . . . . . . . . .
Dr. Max Lehmer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . .
Elvira Drobinski-Weiß (SPD) . . . . . . . . . . . . .
Dr. Sascha Raabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Christel Happach-Kasan (FDP) . . . . . . .
Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) . . . . . . .
Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 51:
Beschlussempfehlung und Bericht des Haus-
haltsausschusses zu dem Antrag der Abgeord-
neten Klaus Ernst, Dr. Lothar Bisky, Dr.
Martina Bunge, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion DIE LINKE: Staatsgarantie für
die Sozialversicherungen – Schutzschirm
für Menschen
(Drucksachen 16/12857, 16/13648) . . . . . . . .
Hans-Joachim Fuchtel (CDU/CSU) . . . . . . .
Waltraud Lehn (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) . . . . . . . . . . . . . .
Klaus Ernst (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . .
Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
25943 D
25943 D
25944 D
25945 D
25946 D
25947 C
25948 B
25948 C
25949 A
25950 A
25950 D
25952 A
25952 D
25954 A
25954 B
25955 A
25956 A
25957 B
25958 A
XVIII Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009
Tagesordnungspunkt 52:
Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
schusses für Arbeit und Soziales zu dem An-
trag der Abgeordneten Markus Kurth, Kerstin
Andreae, Birgitt Bender, weiterer Abgeordne-
ter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN: Gesamtkonzept zur beruflichen Teil-
habe behinderter Menschen
(Drucksachen 16/11207, 16/13623) . . . . . . . .
Hubert Hüppe (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . .
Jürgen Kucharczyk (SPD) . . . . . . . . . . . . . . .
Silvia Schmidt (Eisleben) (SPD) . . . . . . . . . . .
Dr. Erwin Lotter (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . .
Markus Kurth (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 53:
Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
schusses für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz zu dem Antrag der Abge-
ordneten Dr. Edmund Peter Geisen, Hans-
Michael Goldmann, Dr. Christel Happach-
Kasan, weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion der FDP: Klimaschutz durch effiziente
Landwirtschaft
(Drucksachen 16/8540, 16/11633) . . . . . . . . .
Johannes Röring (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . .
Gustav Herzog (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Edmund Peter Geisen (FDP) . . . . . . . . . .
Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) . . . . . . .
Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 54:
a) Beschlussempfehlung und Bericht des In-
nenausschusses zu dem Antrag der Abge-
ordneten Dr. Gesine Lötzsch, Dr. Dietmar
Bartsch, Karin Binder, weiterer Abgeord-
neter und der Fraktion DIE LINKE: Fünf
Jahre Karenzzeit für Mitglieder der
Bundesregierung
(Drucksachen 16/13366, 16/13655) . . . . .
b) Beschlussempfehlung und Bericht des In-
nenausschusses
– zu dem Antrag der Abgeordneten
Jürgen Koppelin, Dr. Max Stadler,
Jens Ackermann, weiterer Abgeordne-
ter und der Fraktion der FDP: Verhal-
tenskodex für ausscheidende Regie-
rungsmitglieder
25958 D
25958 D
25960 C
25961 A
25963 C
25964 A
25965 C
25967 C
25967 C
25968 C
25969 C
25970 C
25971 C
25972 A
– zu dem Antrag der Abgeordneten
Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine,
Dr. Gesine Lötzsch und der Fraktion
DIE LINKE: Gesetzliche Regelung
für frühere Mitglieder der Bundes-
regierung und Staatssekretäre zur
Untersagung von Tätigkeiten in der
Privatwirtschaft, die mit ihrer ehe-
maligen Tätigkeit für die Bundes-
regierung im Zusammenhang stehen
– zu dem Antrag der Abgeordneten
Volker Beck (Köln), Monika Lazar,
Jerzy Montag, Silke Stokar von
Neuforn und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN: Berufstätig-
keit von ausgeschiedenen Mitglie-
dern der Bundesregierung regeln
(Drucksachen 16/677, 16/846, 16/948,
16/13656) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Helmut Brandt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . .
Siegmund Ehrmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Max Stadler (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . .
Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 55:
Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
schusses für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
– zu dem Antrag der Abgeordneten
Dr. Kirsten Tackmann, Dr. Gesine
Lötzsch, Eva Bulling-Schröter, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE: Bundeswaldgesetz ändern –
Agroforstsysteme unterstützen, forst-
wirtschaftliche Vereinigungen stärken
und Gentechnik im Wald verbieten
– zu dem Antrag der Abgeordneten Cornelia
Behm, Undine Kurth (Quedlinburg),
Bärbel Höhn, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN: Das Bundeswaldgesetz novellie-
ren und ökologische Mindeststandards
für die Waldbewirtschaftung einführen
(Drucksachen 16/9075, 16/9450, 16/12198)
Dr. Hans-Heinrich Jordan (CDU/CSU) . . . . .
Dr. Gerhard Botz (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Christel Happach-Kasan (FDP) . . . . . . .
Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) . . . . . . .
Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
25972 B
25972 C
25973 C
25974 A
25974 D
25975 B
25976 A
25976 B
25977 B
25978 B
25979 B
25980 A
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 XIX
Tagesordnungspunkt 56:
a) Zweite und dritte Beratung des von den
Abgeordneten Dr. Heinrich L. Kolb, Dirk
Niebel, Jens Ackermann, weiteren Abge-
ordneten und der Fraktion der FDP einge-
brachten Entwurfs eines Gesetzes zur
Lockerung des Verbots wiederholter
Befristungen
(Drucksachen 16/10611, 16/12092) . . . . .
b) Beschlussempfehlung und Bericht des
Ausschusses für Arbeit und Soziales zu
dem Antrag der Abgeordneten Werner
Dreibus, Dr. Barbara Höll, Ulla Lötzer,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion
DIE LINKE: Befristete Arbeitsverhält-
nisse begrenzen, unbefristete Beschäfti-
gung stärken
(Drucksachen 16/9807, 16/12092) . . . . . .
Gitta Connemann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . .
Anette Kramme (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dirk Niebel (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Werner Dreibus (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . .
Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 57:
a) – Zweite und dritte Beratung des von
den Abgeordneten Hartfrid Wolff
(Rems-Murr), Gisela Piltz, Dr. Max
Stadler, weiteren Abgeordneten und
der Fraktion der FDP eingebrachten
Entwurfs eines Gesetzes zur Ände-
rung des Gesetzes über den Aufent-
halt, die Erwerbstätigkeit und die
Integration von Ausländern im Bun-
desgebiet (Aufenthaltsgesetz – Auf-
enthG)
(Drucksachen 16/13160, 16/13494)
– Zweite und dritte Beratung des von
den Abgeordneten Ulla Jelpke,
Wolfgang Nešković, Sevim Dağdelen,
weiteren Abgeordneten und der Frak-
tion DIE LINKE eingebrachten Ent-
wurfs eines … Gesetzes zur Ände-
rung des Aufenthaltsgesetzes
(Änderung der Altfallregelung)
(Drucksachen 16/12415, 16/13494)
b) Beschlussempfehlung und Bericht des In-
nenausschusses zu dem Antrag der Abge-
ordneten Josef Philip Winkler, Volker
Beck (Köln), Birgitt Bender, weiterer Ab-
geordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN: Verlängerung
der Frist für die gesetzliche Altfallrege-
lung
(Drucksachen 16/12434, 16/13494) . . . . .
25980 D
25981 A
25981 A
25982 B
25983 B
25983 D
25984 C
25995 B
25995 B
25995 C
Reinhard Grindel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . .
Rüdiger Veit (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP) . . . . . . . .
Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . .
Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 58:
Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
wärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Ab-
geordneten Kerstin Müller (Köln), Dr. Uschi
Eid, Ute Koczy, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
Kenia stabilisieren – Entwicklung in Frie-
den unterstützen
(Drucksachen 16/8403, 16/9457) . . . . . . . . . .
Anke Eymer (Lübeck) (CDU/CSU) . . . . . . . .
Brunhilde Irber (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Marina Schuster (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . .
Hüseyin-Kenan Aydin (DIE LINKE) . . . . . . .
Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 59:
Antrag der Abgeordneten Dirk Niebel,
Dr. Heinrich L. Kolb, Ernst Burgbacher, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion der FDP:
Kommunale Betreuung bei der Grund-
sicherung für Arbeitssuchende stärken
(Drucksache 16/9339) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Karl Schiewerling (CDU/CSU) . . . . . . . . . . .
Gabriele Lösekrug-Möller (SPD) . . . . . . . . .
Heinz-Peter Haustein (FDP) . . . . . . . . . . . . .
Katrin Kunert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . .
Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 60:
Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
schusses für Kultur und Medien zu dem An-
trag der Abgeordneten Undine Kurth (Qued-
linburg), Katrin Göring-Eckardt, Peter
Hettlich, weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Umset-
zungsgesetz für UNESCO-Welterbeüber-
einkommen vorlegen
(Drucksachen 16/13176, 16/13581) . . . . . . . .
Wolfgang Börnsen (Bönstrup)
(CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Steffen Reiche (Cottbus) (SPD) . . . . . . . . . . .
25985 C
25986 D
25987 D
25988 C
25989 B
25990 B
25990 C
25991 A
25992 D
25994 A
25994 D
25995 D
25995 D
25996 C
25997 A
25997 D
25998 C
25999 A
25999 B
26001 D
XX Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009
Christoph Waitz (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Lukrezia Jochimsen (DIE LINKE) . . . . . .
Undine Kurth (Quedlinburg) (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 61:
Beschlussempfehlung und Bericht des
Ausschusses für Gesundheit zu dem Antrag
der Abgeordneten Michael Kauch, Daniel
Bahr (Münster), Sabine Leutheusser-
Schnarrenberger, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion der FDP: Lebendspenden bei
der Transplantation von Organen erleich-
tern
(Drucksachen 16/9806, 16/13573) . . . . . . . . .
Hubert Hüppe (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . .
Peter Friedrich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Michael Kauch (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . .
Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 62:
Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
schusses für Menschenrechte und Humanitäre
Hilfe zu dem Antrag der Abgeordneten
Volker Beck (Köln), Marieluise Beck (Bre-
men), Birgitt Bender, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN: Menschenrechtsverletzungen durch
Unternehmen verhindern
(Drucksachen 16/13180, 16/13647) . . . . . . . .
Helmut Lamp (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . .
Christel Riemann-Hanewinckel (SPD) . . . . . .
Florian Toncar (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Michael Leutert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . .
Thilo Hoppe (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 63:
Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
schusses für Umwelt, Naturschutz und Reak-
torsicherheit zu dem Antrag der Abgeordne-
ten Hans-Josef Fell, Bärbel Höhn, Sylvia
Kotting-Uhl, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Vor-
bildlich und importunabhängig Ökostrom
und Biogas einkaufen
(Drucksachen 16/11964, 16/13625) . . . . . . . .
26002 D
26003 D
26004 C
26005 C
26005 D
26006 C
26008 C
26009 B
26010 C
26011 B
26011 C
26012 C
26013 C
26015 B
26015 D
26017 A
Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . .
Marko Mühlstein (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . .
Michael Kauch (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Hans-Kurt Hill (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . .
Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Anlage 1
Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . .
Anlage 2
Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten
Dr. Petra Sitte, Cornelia Hirsch und Volker
Schneider (Saarbrücken) (alle DIE LINKE)
zur Abstimmung über den Antrag: Gestaltung
des Deutschen Qualifikationsrahmens (Zu-
satztagesordnungspunkt 2 g) . . . . . . . . . . . . .
Anlage 3
Erklärung nach § 31 GO zur namentlichen
Abstimmung über die Beschlussempfehlung
zu dem Antrag: Beteiligung deutscher Streit-
kräfte am Einsatz von NATO-AWACS im
Rahmen der Internationalen Sicherheitsunter-
stützungstruppe in Afghanistan (International
Security Assistance Force, ISAF) unter Füh-
rung der NATO auf Grundlage der Resolution
1386 (2001) und folgender Resolutionen, zu-
letzt Resolution 1833 (2008) des Sicherheits-
rates der Vereinten Nationen (Tagesordnungs-
punkt 10)
Wolfgang Börnsen (Bönstrup)
(CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Manfred Kolbe (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . .
Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Wolfgang Spanier (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . .
Anlage 4
Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten
Christoph Strässer (SPD) zur namentlichen
Abstimmung über die Beschlussempfehlung
zu dem Antrag: Erhöhung des Schonvermö-
gens im Alter für Bezieher von Arbeitslosen-
geld II (Tagesordnungspunkt 11) . . . . . . . . . .
26017 B
26018 C
26019 A
26019 C
26020 A
26021 C
26023 A
26023 C
26024 B
26024 C
26025 A
26026 A
26026 C
26026 D
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 XXI
Anlage 5
Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten
Alexander Dobrindt (CDU/CSU) zur Abstim-
mung über die Beschlussempfehlung zu dem
Antrag: Kein Genmais-Anbau gegen den Wil-
len der Bürger in der EU (Tagesordnungs-
punkt 25) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Anlage 6
Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten
Dr. Max Lehmer, Wolfgang Zöller, Max
Straubinger und Maria Eichhorn (alle CDU/
CSU) zur Abstimmung über die Beschluss-
empfehlung zu dem Antrag: Kein Genmais-
Anbau gegen den Willen der Bürger in der EU
(Tagesordnungspunkt 25) . . . . . . . . . . . . . . . .
Anlage 7
Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten
Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN) zur Abstimmung über die Be-
schlussempfehlung zu dem Antrag: Miet-
rechtsänderungen zur Erleichterung klima-
und umweltfreundlicher Sanierungen (Tages-
ordnungspunkt 44) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Anlage 8
Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten
Jan Mücke (FDP) zur Abstimmung über die
Beschlussempfehlung zu dem Antrag: Umset-
zungsgesetz für UNESCO-Welterbeüberein-
kommen vorlegen (Tagesordnungspunkt 60)
Anlage 9
Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten
Sibylle Laurischk (FDP) zur namentlichen
Abstimmung über die Beschlussempfehlung
zu dem Antrag: Gesetz zur Streichung des
Optionszwangs aus dem Staatsangehörig-
keitsrecht (Tagesordnungspunkt 72) . . . . . . .
Anlage 10
Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung:
– Unterrichtung: Gutachten zu Forschung,
Innovation und technologischer Leis-
tungsfähigkeit 2009 und Stellungnahme
der Bundesregierung
– Beschlussempfehlung und Bericht zu den
Anträgen:
– Nanotechnologie – gezielte For-
schungsförderung für zukunftsträch-
tige Innovationen und Wachstumsfel-
der
26027 A
26027 A
26027 C
26028 B
26029 A
– Nanotechnologie für die Gesellschaft
nutzen – Risiken vermeiden
– Nanotechnologie-Bericht vorlegen
– Nanotechnologie – Forschung verstär-
ken und Vorsorgeprinzip anwenden
– Beschlussempfehlung und Bericht zu dem
Antrag: Innovationskraft von kleinen und
mittleren Unternehmen durch steuerliche
Förderung gezielt stärken
– Beschlussempfehlung und Bericht zu
dem Antrag: Öffentlich finanzierte
Pharmainnovationen zur wirksamen
Bekämpfung von vernachlässigten
Krankheiten in den Entwicklungslän-
dern einsetzen
– Antrag: Die Nanotechnologien – Schlüssel
zur Stärkung der technologischen Leis-
tungskraft Deutschlands
(Tagesordnungspunkt 14 a bis e)
Marion Seib (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . .
René Röspel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Cornelia Pieper (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Petra Sitte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . .
Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär
BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Anlage 11
Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung
der Beschlussempfehlung und des Berichts
und zu den Anträgen:
– Moratorium für die elektronische Gesund-
heitskarte
– Das Recht auf informationelle Selbstbe-
stimmung bei der Einführung der elektro-
nischen Gesundheitskarte gewährleisten
(Tagesordnungspunkt 15)
Dr. Rolf Koschorrek (CDU/CSU) . . . . . . . . . .
Eike Hovermann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Konrad Schily (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . .
Frank Spieth (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . .
Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Marion Caspers-Merk, Parl. Staatssekretärin
BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
26029 C
26030 A
26031 D
26034 A
26035 A
26035 D
26037 A
26038 B
26039 C
26040 D
26041 C
26042 B
XXII Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009
Anlage 12
Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung:
– Entwurf eines Gesetzes zur Erleichterung
elektronischer Anmeldungen zum Ver-
einsregister und anderer vereinsrechtlicher
Änderungen
– Entwurf eines Gesetzes zur Begrenzung
der Haftung von ehrenamtlich tätigen Ver-
einsvorständen
(Tagesordnungspunkt 16 a und b)
Wolfgang Nešković (DIE LINKE) . . . . . . . . . .
Anlage 13
Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung
der Beschlussempfehlung und des Berichts zu
den Anträgen:
– Präventionsgesetz auf den Weg bringen –
Primärprävention umfassend stärken
– Gesundheitsförderung und Prävention als
gesamtgesellschaftliche Aufgaben stärken –
Gesellschaftliche Teilhabe für alle ermög-
lichen
– Eigenverantwortung und klare Aufgaben-
teilung als Grundvoraussetzung einer effi-
zienten Präventionsstrategie
(Tagesordnungspunkt 17)
Hermann-Josef Scharf (CDU/CSU) . . . . . . . .
Dr. Margrit Spielmann (SPD) . . . . . . . . . . . . .
Detlef Parr (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) . . . . . . . . . .
Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Anlage 14
Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung:
– Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der
Finanzmarkt- und der Versicherungsauf-
sicht
– Entwurf eines Gesetzes zur Schließung
kreditwirtschaftlicher Aufsichtslücken
(Tagesordnungspunkt 18)
Leo Dautzenberg (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . .
Klaus-Peter Flosbach (CDU/CSU) . . . . . . . .
Martin Gerster (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Frank Schäffler (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Axel Troost (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . .
Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
26042 D
26043 C
26044 B
26045 B
26047 A
26047 D
26048 C
26049 B
26050 A
26051 A
26051 C
26052 A
Anlage 15
Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung:
– Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung
des Grundgesetzes (Artikel 38)
– Entwurf eines Gesetzes zur Herabsetzung
des Wahlalters im Bundeswahlgesetz und
im Europawahlgesetz
(Tagesordnungspunkt 19)
Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU) . . . . .
Klaus Uwe Benneter (SPD) . . . . . . . . . . . . . .
Gisela Piltz (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Diana Golze (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . .
Kai Gehring (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Anlage 16
Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung
des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung
des Erb- und Verjährungsrechts (Tagesord-
nungspunkt 20)
Ute Granold (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . .
Dirk Manzewski (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . .
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
(FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Wolfgang Nešković (DIE LINKE) . . . . . . . . .
Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär
BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Anlage 17
Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung
der Beschlussempfehlung und des Berichts zu
den Unterrichtungen:
– Jahresbericht 2008 des Nationalen Nor-
menkontrollrates
Bürokratieabbau – Jetzt Entscheidungen
treffen
– Bericht der Bundesregierung 2008 zur An-
wendung des Standardkosten-Modells und
zum Stand des Bürokratieabbaus
(Tagesordnungspunkt 22)
Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU) . . . . . . . . . . .
Garrelt Duin (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Birgit Homburger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . .
Sabine Zimmermann (DIE LINKE) . . . . . . . .
Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
26053 C
26055 B
26056 B
26056 D
26057 C
26058 B
26060 A
26061 B
26062 D
26063 C
26064 C
26066 B
26067 A
26067 D
26068 D
26069 C
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 XXIII
Anlage 18
Zu Protokoll gegebene Reden zum Antrag:
Rechtsstaatlichkeit in Russland stärken (Zu-
satztagesordnungspunkt 6)
Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU) . . . . .
Markus Meckel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
(FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Monika Knoche (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . .
Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Anlage 19
Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . .
Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Anlage 21
Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung:
– Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Än-
derung des Gesetzes zur Aufhebung natio-
nalsozialistischer Unrechtsurteile in der
Strafrechtspflege (2. NS-AufhGÄndG)
– Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Än-
derung des Gesetzes zur Aufhebung natio-
nalsozialistischer Unrechtsurteile in der
Strafrechtspflege
26070 C
26071 C
26072 D
26074 A
26074 C
26083 D
26084 D
Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung
der Beschlussempfehlung und des Berichts:
Verordnung über Anforderungen an eine
nachhaltige Herstellung von flüssiger Bio-
masse zur Stromerzeugung (Biomassestrom-
Nachhaltigkeitsverordnung – BioSt-NachV)
(Zusatztagesordnungspunkt 7)
Dr. Maria Flachsbarth (CDU/CSU) . . . . . . . .
Marko Mühlstein (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . .
Michael Kauch (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . .
Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Anlage 20
Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung
des Antrags: Aus- und Weiterbildung in der
Tourismuswirtschaft verbessern (Zusatztages-
ordnungspunkt 8)
Klaus Brähmig (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . .
Gabriele Hiller-Ohm (SPD) . . . . . . . . . . . . . .
Jens Ackermann (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . .
26075 D
26077 B
26078 A
26078 C
26079 B
26080 A
26081 D
26083 A
(Zusatztagesordnungspunkt 9 a und b)
Dr. Jürgen Gehb (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . .
Dr. Carl-Christian Dressel (SPD) . . . . . . . . .
Christine Lambrecht (SPD) . . . . . . . . . . . . . .
Jörg van Essen (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Jan Korte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . .
Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Anlage 22
Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung
des Antrags: Förderung von Vertrauen, Si-
cherheit und Datenschutz in E-Government und
E-Business (Zusatztagesordnungspunkt 10)
Clemens Binninger (CDU/CSU) . . . . . . . . . .
Dr. Michael Bürsch (SPD) . . . . . . . . . . . . . . .
Gisela Piltz (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Jan Korte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . .
Silke Stokar von Neuforn (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
26085 B
26086 C
26087 B
26088 A
26088 C
26089 D
26090 B
26091 B
26091 D
26092 C
26093 D
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 25613
(A) (C)
(B) (D)
230. Si
Berlin, Donnerstag
Beginn: 9
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 26023
(A) (C)
(B) (D)
uns, dass sich diese Sichtweise nun offenbar auch in al-
len anderen Fraktionen durchgesetzt hat. Gleichermaßen
Anlage 1
Liste der entschuldigten Abgeordneten
* für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver-
sammlung der OSZE
Abgeordnete(r)
entschuldigt bis
einschließlich
Aigner, Ilse CDU/CSU 02.07.2009
Beck (Köln), Volker BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
02.07.2009
Binding (Heidelberg),
Lothar
SPD 02.07.2009
Dr. Dehm, Diether DIE LINKE 02.07.2009
Gehrcke, Wolfgang DIE LINKE 02.07.2009
Gradistanac, Renate SPD 02.07.2009
Haibach, Holger CDU/CSU 02.07.2009
Hirte, Christian CDU/CSU 02.07.2009
Dr. Jahr, Peter CDU/CSU 02.07.2009
Kossendey, Thomas CDU/CSU 02.07.2009
Lenke, Ina FDP 02.07.2009
Dr. Lippold, Klaus W. CDU/CSU 02.07.2009
Lopez, Helga SPD 02.07.2009
Meierhofer, Horst FDP 02.07.2009
Ortel, Holger SPD 02.07.2009
Pfeiffer, Sibylle CDU/CSU 02.07.2009
Raidel, Hans CDU/CSU 02.07.2009*
Dr. Scheuer, Andreas CDU/CSU 02.07.2009
Ulrich, Alexander DIE LINKE 02.07.2009
Waitz, Christoph FDP 02.07.2009
Zapf, Uta SPD 02.07.2009
Anlagen zum Stenografischen Bericht
Anlage 2
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Dr. Petra Sitte, Cornelia
Hirsch und Volker Schneider (Saarbrücken)
(alle DIE LINKE) zur Abstimmung über den
Antrag: Gestaltung des Deutschen Qualifika-
tionsrahmens (Zusatztagesordnungspunkt 2 g)
Wir enthalten uns bei der Abstimmung über diesen
Antrag, weil er einerseits einige wichtige Ansprüche an
die Gestaltung des Deutschen Qualifikationsrahmens
enthält, andererseits aber zentrale Probleme und offene
Fragen unangesprochen bleiben.
Wir wollen an dieser Stelle unserer Irritation über das
Zustandekommen dieses Antrages deutlichen Ausdruck
verleihen. Die Fraktion Die Linke weist seit mehreren
Jahren regelmäßig auf Probleme in der Erarbeitung des
Deutschen Qualifikationsrahmens hin. Wir haben uns
nachdrücklich dafür eingesetzt, dass die Erarbeitung des
Qualifikationsrahmens nicht hinter verschlossenen Tü-
ren erfolgt, dass das Parlament an den Debatten beteiligt
wird und dass Interessierten und Interessenträgern die
nötigen Informationen zur Verfügung gestellt werden,
um sich in die Erarbeitung des Qualifikationsrahmens
einzubringen. Wir haben Probleme und offene Fragen
der Gestaltung des Qualifikationsrahmens unter anderem
in schriftlichen Fragen an die Bundesregierung – zuerst
im November 2005 – und Kleinen Anfragen – zuerst im
Dezember 2005 – thematisiert, die Erörterung im Aus-
schuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenab-
schätzung eingefordert sowie bereits frühzeitig in einem
Antrag erste Anforderungen an die Ausgestaltung des
Qualifikationsrahmens formuliert – April 2006. Im Sep-
tember 2008 hat die Fraktion Die Linke Sachverständige
sowie auch die Kolleginnen und Kollegen der anderen
Fraktionen zu einem Fachgespräch über die Gestaltung
des Deutschen Qualifikationsrahmens eingeladen, um
einen Austausch über den Stand der Debatte und offene
Fragen zu ermöglichen. Nichtsdestotrotz wurde unsere
Fraktion in die Erarbeitung des vorliegenden interfrak-
tionellen Antrages in keiner Weise einbezogen bzw. nach
einer möglichen Mitzeichnung gefragt. Wir müssen dies
als Zeichen parteipolitischer Engstirnigkeit werten, wel-
che dem Thema in keiner Weise gerecht wird.
Die Gestaltung des Deutschen Qualifikationsrah-
mens wird weitreichende Konsequenzen haben für das
Bildungssystem, für individuelle Bildungs- und Er-
werbsbiografien, für die Anerkennung von Abschlüssen
im In- und Ausland sowie für die Tarifpolitik. Die Linke
hat stets darauf hingewiesen, dass die Entwicklung eines
Qualifikationsrahmens nur dann sinnvoll ist, wenn die-
ser als reformorientiertes Instrument verstanden wird,
mit dem Transparenz, Durchlässigkeit und Qualität des
Bildungssystems gesteigert werden sollen. Wir freuen
26024 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009
(A) (C)
(B) (D)
unterstützen wir den Anspruch, dass alle Niveaus des
Qualifikationsrahmens auf verschiedenen Bildungswe-
gen erreichbar sein müssen und informelles Lernen hier-
bei entsprechend zu berücksichtigen ist. Bemerkenswert
ist allerdings, dass die teilweise erheblichen Auseinan-
dersetzungen im Laufe der Erarbeitung des ersten Ent-
wurfs für einen Deutschen Qualifikationsrahmen keiner-
lei Erwähnung finden. Gleiches gilt für drängende
offene Fragen: Welche Institutionen sollen die Zuord-
nung von konkreten Qualifikationen zu einzelnen Ni-
veaus vornehmen? Erfolgt die Einstufung in öffentlicher
Verantwortung und unter Beteiligung aller relevanten In-
teressenträger? Werden auch Qualifikationen aus non-
formalen Lernprozessen endlich gleichberechtigt in die
Debatte mit einbezogen? Auf diese Fragen formuliert
der vorliegende Antrag leider keine Antworten. Statt
dessen begnügt er sich im Forderungsteil im Wesentli-
chen damit, die Bundesregierung auf das bereits vorge-
sehene Verfahren der Validierungsphase zu verpflichten.
Das reicht nicht, um die Erarbeitung des Qualifikations-
rahmens wirklich einen entscheidenden Schritt voranzu-
bringen. Und es reicht auch nicht, dass wir diesem An-
trag zustimmen können.
Anlage 3
Erklärungen nach § 31 GO
zur namentlichen Abstimmung über die Be-
schlussempfehlung zu dem Antrag: Beteiligung
deutscher Streitkräfte am Einsatz von NATO-
AWACS im Rahmen der Internationalen Sicher-
heitsunterstützungstruppe in Afghanistan (In-
ternational Security Assistance Force, I SAF)
unter Führung der NATO auf Grundlage der
Resolution 1386 (2001) und folgender Resolutio-
nen, zuletzt Resolution 1833 (2008) des Sicher-
heitsrates der Vereinten Nationen (Tagesord-
nungspunkt 10)
Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/ CSU): Ich
stimme dem Antrag nicht zu. Ich halte ihn verfassungs-
rechtlich für fragwürdig, ethisch für nicht gerechtfertigt
und politisch für falsch. Diese Auffassung habe ich be-
reits in den vergangenen acht Jahren vertreten und fühle
mich durch die zunehmende Radikalisierung in diesem
Land darin bestärkt. Es fehlt nicht an militärischen Be-
gründungen für den Auslandseinsatz unserer Soldaten in
Afghanistan, sondern an politischen Perspektiven. Sogar
Oberbefehlshaber der Streitkräfte stellen den Erfolg der
Verbündeten in diesem Land grundsätzlich infrage. Es
ist ein Kurswechsel nötig. Ich bin für einen zügigen
schrittweisen Abzug, auch weil Terroranschläge in unse-
rem eigenen Land immer weniger ausgeschlossen wer-
den können.
Als vor acht Jahren die Regierung Gerhard Schröder/
Joschka Fischer im Kampf gegen den Terrorismus den
Bundestag um Zustimmung zum Auslandseinsatz der
Bundeswehr aufforderten, habe ich bereits mit „Nein“
gestimmt – aus verfassungsrechtlichen, historischen und
moralischen Gründen. Jetzt, acht Jahre später, ist die
Afghanistan-Mission fragwürdiger denn je, obwohl die
Bundesrepublik mit Entwicklungshilfeprojekten und
dem Aufbau von Polizeieinheiten einen ergänzenden
Weg beschritten hat und sich insgesamt mit weit über
3 Milliarden Euro seit 2001 engagiert hat. Die Sicher-
heitslage für unsere Soldaten hat sich dramatisch ver-
schlechtert. Afghanistan ist weiter eines der größten
Opiumanbaugebiete der Welt geblieben. Es ist nicht ge-
lungen, die Taliban wirklich zu schwächen. Im Gegen-
teil, sie weichen in das pakistanische Grenzgebiet aus.
Neue, unübersehbare Risiken entstehen. Es hat schon
viel zu viele Opfer gegeben – aus unserem Land wie aus
denen der Verbündeten und in Afghanistan selbst.
Besonders im Süden des Landes, wo die Amerikaner
gegen die Taliban kämpfen, werden die Soldaten nicht
als Befreier sondern als Besatzer empfunden. Erste
NATO-Länder haben ihren Abzug bereits beschlossen.
Weitere Verbündete erwägen den Ausstieg. Das sollte
auch für die Bundesregierung als Orientierung gelten,
auf eine Ausstiegstrategie zu setzen. Die afghanische
Regierung kann und muss mehr Eigenverantwortung
übernehmen. Sie und alle Verbündeten sind jetzt aufge-
fordert, zu einer politischen Lösung zu kommen.
Manfred Kolbe (CDU): Den heute zur Beschlussfas-
sung im Deutschen Bundestag anstehenden Antrag der
Bundesregierung „Beteiligung deutscher Streitkräfte am
Einsatz von NATO-AWACS im Rahmen der Internationa-
len Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan …“,
Drucksache 16/1337, kann ich aus den folgenden Grün-
den nicht zustimmen:
Erstens. Generell scheint es dem Westen nicht zu ge-
lingen, ein demokratisches Staatswesen in Afghanistan
aufzubauen und die Menschen innerlich dafür zu gewin-
nen. Vielmehr hat sich die Sicherheitslage offenbar noch
weiter verschlechtert. Die Soldatinnen und Soldaten der
Bundeswehr können immer weniger zum Aufbau des
Landes beitragen und müssen sich immer mehr um ihre
Eigensicherung bemühen.
Zweitens. Die AWACS-Aufklärungsflugzeuge sollen
den Luftraum über Afghanistan überwachen und Zusam-
menstöße verhindern. Gleichzeitig liefern sie Luftlagebil-
der für Militäroperationen und koordinieren diese auch.
Solche Manöver der Luftstreitkräfte verursachen immer
wieder sogenannte Kollateralschäden, bei denen bis heute
die vielfache Anzahl an unschuldigen Menschen getötet
worden ist wie bei den schrecklichen Terrorangriffen vom
11. September 2001 in New York, Washington und Penn-
sylvania – dem Ausgangspunkt unseres Engagements.
Somit werden künftig die Angehörigen der Bundeswehr
für zivile Opfer verantwortlich gemacht werden. Mit je-
dem unschuldig getöteten Zivilisten bekämpfen wir nicht
den Terror, sondern schaffen diesem neuen Zulauf.
Drittens. Ein realistisches Konzept des Westens für
Afghanistan vermag ich derzeit weiterhin nicht zu erken-
nen. Die aktuelle Aufstockung der jeweiligen Länder-
kontingente kann meines Erachtens Afghanistan nicht
befrieden. Wir brauchen vielmehr eine Grundsatzdebatte
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 26025
(A) (C)
(B) (D)
darüber, wie die Bundesrepublik Deutschland und der
Westen insgesamt den Terror bekämpfen und beim Auf-
bau von Demokratie und Rechtstaatlichkeit in Afghanis-
tan helfen kann.
Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN): Wir entscheiden heute über die deutsche Beteili-
gung an einem AWACS-Einsatz im Rahmen der ISAF-
Mission und nicht über die Afghanistan-Politik der Bun-
desregierung. Würden wir über die Afghanistan-Politik
der Bundesregierung abstimmen, könnte ich heute nicht
zustimmen.
Der AWACS-Einsatz ist für sich genommen völker-
rechtskonform, militärisch leistbar und trägt nach unse-
rer Einschätzung insgesamt eher zur Risikominderung
denn zur Gewalteskalation bei. Er dient auch der Sicher-
heit des zivilen Flugverkehrs und der Bundeswehr. Aus
diesem Grund halten wir eine Ablehnung für nicht ver-
antwortbar und eine deutsche Beteiligung für zustim-
mungsfähig.
Die Afghanistan-Politik der Bundesregierung unter
Führung von Bundeskanzlerin Angela Merkel ist von ei-
ner Vielzahl von Versäumnissen und Halbherzigkeiten,
insbesondere im zivilen Bereich geprägt. Von einer „ver-
netzten Sicherheit“ und dem Vorrang von zivilen Maß-
nahmen zur Stabilisierung ist an vielen Stellen wenig zu
erkennen. Das Verhältnis von zivilem und militärischem
Engagement in Afghanistan wurde militärlastiger, die
Kluft zwischen zivilem und militärischem Mitteleinsatz
weiter ausgebaut. Gerade beim strategisch wichtigen
Polizei- und Justizaufbau, aber auch bei anderen Schlüs-
selbereichen des zivilen Wiederaufbaus, vermissen wir
eine der Problemlage angemessene Aufbauoffensive.
Selbst die völlig unzureichenden 400 Polizeikräfte der
EU sind bis heute noch nicht vor Ort. Diese Defizite ge-
fährden den Erfolg in Afghanistan mindestens ebenso
wie eine korrupte und handlungsunfähige afghanische
Regierungselite oder ein unverantwortliches militäri-
sches Vorgehen afghanischer und internationaler Sicher-
heitskräfte. Das Nebeneinander von ISAF und der US-
geführten Antiterroroperation Enduring Freedom ist
kontraproduktiv und muss insgesamt beendet werden.
Während sich in den USA ein deutlicher Kurswechsel
abzeichnet, Partner wie die Niederlande und Kanada ih-
ren militärischen Abzug angekündigt haben, fehlt es in
Deutschland an einer ehrlichen Bestandsaufnahme und
der Vorlage eines Plans, welche Ziele wie und bis wann
erreicht werden sollen. Das ist die Voraussetzung für
eine verantwortbare Abzugsperspektive der Bundes-
wehr. Durchhalteparolen und unverbindliche Absichts-
erklärungen reichen nicht mehr aus.
Wir haben auf der anderen Seite ein Interesse daran,
dass es zu keinen zivilen oder militärischen Flugkata-
strophen kommt. Wir haben deshalb primär darüber zu
entscheiden, ob durch den zwischen der afghanischen
Regierung und der NATO vereinbarten AWACS-Einsatz
das Risiko von Flugunfällen eingedämmt werden kann.
Angesichts steigender Flugbewegungen und unzurei-
chender afghanischer Flugsicherungskapazitäten ist
Unterstützungsbedarf nachvollziehbar. Der zivile und
insbesondere der militärische Luftverkehr ist in den ver-
gangenen Jahren deutlich gestiegen und wird auch künf-
tig zunehmen. Damit steigt auch das Risiko. 2007 gab es
ca. 50, im Jahr 2008 ca. 80 kritische zivile Annäherun-
gen/Beinaheunfälle.
Der Einwand, dass der Bedarf für AWACS vor allem
deshalb entsteht, weil ein Truppenaufwuchs stattfindet
und vermehrt militärische Flugbewegungen zu verzeich-
nen sind, reicht aus unserer Sicht als Grund für eine Ab-
lehnung nicht aus. Der weit überwiegende Teil der mili-
tärischen Flugbewegungen dient dem Lufttransport, der
Versorgung, Luftbetankung und der Erstellung von La-
gebildern. Die Bundeswehr ist im Bereich des Lufttrans-
ports überdurchschnittlich aktiv. Lufttransport ist ange-
sichts der großen Entfernungen, schlechten Straßen, und
dem Risiko von Anschlägen unverzichtbar.
Der Einsatz von AWACS ist laut Mandat auf den af-
ghanischen Luftraum beschränkt. Für Luft-Boden-Auf-
klärung und Luft-Boden-Einsatz sind AWACS technisch
nicht ausgestattet. Hauptauftrag bleibt das Erstellen ei-
nes Luftlagebildes, Entflechtung und Koordinierung des
Luftverkehrs, Koordinierung der militärischen Luftbe-
tankung. AWACS übernimmt Aufgaben zur Unterstüt-
zung von Luftoperationen aber sie haben explizit nicht
die Aufgabe, geplante OEF-Luftoperationen zu koordi-
nieren und zu führen. Sie sollen in Notsituationen die
Koordinierung von Luftnahunterstüzung und medizini-
scher Notfallevakuierung von ISAF verbessern.
Kritisch sind aus unserer Sicht insbesondere die Luft-
Boden-Einsätze, bei denen es zum Waffeneinsatz kommt.
Hier waren in der Vergangenheit häufig Zivilopfer zu be-
klagen. Wir stellen fest, dass es aufseiten der USA einen
erkennbaren Kurswechsel gibt – auch für den Bereich
Vermeidung von Zivilopfern durch Luftoperationen. Wir
werden kritisch verfolgen, ob die Ankündigungen in die
Praxis umgesetzt werden.
Die NATO und die Bundeswehr überbrücken erneut
Lücken, die es im zivilen Bereich gibt. Das darf keine
neue Daueraufgabe werden. Es wird zwar am Aufbau ei-
ner zivilen Flugsicherung gearbeitet, und die Bundesre-
gierung leistet hierzu einen Beitrag. Ein Ende des Ein-
satzes ist allerdings noch nicht absehbar. Hier muss die
Bundesregierung bis Dezember darlegen, wie und bis
wann das erfolgen soll.
Wir Grüne haben uns in unserer Partei intensiv mit
der Entwicklung in Afghanistan befasst und gegen einen
unverantwortlichen Sofortabzug ausgesprochen. Wir
haben in dieser Legislaturperiode in einer Vielzahl von
parlamentarischen Initiativen eine kohärente und enga-
giertere Politik eingeklagt, bei der die Menschen in
Afghanistan im Mittelpunkt stehen und bei der das Licht
am Ende des militärischen Tunnels sichtbar wird. In un-
seren jüngsten Anträgen zur Afghanistanp-Politik haben
wir immer wieder darauf gedrängt, einen militärischen
wie zivilen Kurswechsel einzuleiten, die zivilen Ele-
mente des Wiederaufbaus in den Vordergrund zu stellen
und mit in die Mandatsanträge der Bundesregierung auf-
zunehmen, überprüfbare Zwischenziele zu formulieren
26026 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009
(A) (C)
(B) (D)
und das zivil-militärische Missverhältnis abzubauen.
Daran halten wir fest.
Eine Gesamtbewertung der Afghanistan-Politik der
Bundesregierung und der internationalen Gemeinschaft
werde ich erneut im Dezember bei der Entscheidung
über den gesamten ISAF-Einsatz treffen. Meine Zustim-
mung zu einer deutschen Beteiligung am AWACS-Ein-
satz heute ist kein Präjudiz für meine Entscheidung im
Dezember.
Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Wie in vielen anderen Bereichen, so gibt es auch bei der
Sicherheit im Luftverkehr in Afghanistan gravierende
Probleme. Im Jahr 2007 gab es 50 kritische Annäherun-
gen oder Beinahe-Unfälle im Luftverkehr, im Jahr 2008
stieg die Zahl dieser Vorfälle auf 80 an. Vor diesem Hin-
tergrund sind Maßnahmen zur schnellen Verbesserung
der zivilen und militärischen Luftsicherung in Afghanis-
tan dringend notwendig. Der Einsatz der NATO-
AWACS kann hierbei einen wichtigen Beitrag leisten
und zur Vermeidung von Flugkatastrophen beitragen.
Der Einsatz der NATO-AWACS ist völkerrechtskon-
form und mit der afghanischen Regierung abgestimmt.
Bereits seit 2003 übernimmt ISAF in Zusammenarbeit
mit der afghanischen Seite eine Reihe von Flugsiche-
rungsaufgaben. Obwohl es Bemühungen gibt, eine zivile
afghanische Flugsicherung aufzubauen, wird dieses Ziel
erst in mehreren Jahren erreicht sein. Die AWACS über-
brücken daher vorhandene Lücken.
Die Bedenken darüber, dass die AWACS für Luft-Bo-
den-Aufklärung und Luft-Boden-Einsätze genutzt wer-
den könnten, sind ausgeräumt, da AWACS hierfür die
technische Ausstattung fehlt. Eine mögliche Feuerleit-
funktion für Luftkämpfe wird nicht zum Einsatz kom-
men, da die Aufständischen in Afghanistan nicht über
eine eigene Luftwaffe verfügen. Das Mandat beschränkt
den Einsatz der AWACS außerdem klar auf den afghani-
schen Luftraum.
Die Bundesregierung hat im Gegensatz dazu keine
sichtbaren Schritte dazu unternommen, ihren angekün-
digten Beitrag zum Strategiewechsel in Afghanistan
auch tatsächlich umfassend zu erbringen. Sie hat im zivi-
len Bereich, hier vor allem bei Polizei und Justiz, nicht
den erforderlichen Aufbauschub eingeleitet. Und sie hat
bislang keinen klaren Plan vorgelegt, wie und bis zu
welchem Zeithorizont die militärische Sicherung des
Wiederaufbaus durch die Bundeswehr in Afghanistan
verantwortbar und erfolgreich abgeschlossen werden
kann.
Ich stimme dem Mandat zum Einsatz deutscher Streit-
kräfte im Rahmen der NATO-AWACS-Operation zu, da
so ein wichtiger Beitrag zur Sicherung des zivilen und
militärischen Flugverkehrs sowie zur Vermeidung von
Flugkatastrophen in Afghanistan geleistet werden kann.
Ich fordere gleichzeitig die Bundesregierung auf, ihren
angekündigten Beitrag zum Strategiewechsel in Afgha-
nistan – vor allem beim Aufbau von Polizei und Justiz –
endlich zu erbringen. Sie muss ihr Engagement für den
zivilen Wiederaufbau in Afghanistan deutlich ausweiten.
Wolfgang Spanier (SPD): Der Fortsetzung der Be-
teiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Ein-
satz der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe
in Afghanistan, ISAF, habe ich im Deutschen Bundestag
zugestimmt. Die Aufbauhilfe durch die Bundeswehr in
Afghanistan halte ich für einen aus humanitären und
politischen Gründen wichtigen Einsatz.
Ich halte aber eine klare Trennung von ISAF und OEF
für notwendig. Beim Einsatz der Tornados und jetzt bei
der Beteiligung an NATO-AWACS sehe ich, dass die
beiden Mandate nicht eindeutig getrennt werden. Des-
halb werde ich – wie beim Einsatz der Tornados – auch
der Beteiligung an NATO-AWACS in Afghanistan nicht
zustimmen.
Deutsche Soldaten werden damit in Kampfhandlun-
gen einbezogen, auf deren Planung und Durchführung
sie keinerlei Einfluss haben. Es ist zu befürchten, dass
damit die Sicherheit der deutschen Soldaten im Norden
nicht erhöht, sondern immer mehr gefährdet wird. Es
sind verstärkte Angriffe und Anschläge festzustellen.
Darüber hinaus befürchte ich, dass die Zustimmung des
Deutschen Bundestages weitere Anforderungen der Ver-
bündeten auslösen könnte, bis hin zum Einsatz deutscher
Bodentruppen.
Deshalb kann ich dem Antrag der Bundesregierung
nicht zustimmen.
Anlage 4
Erklärung nach § 31 GO
des Abgeordneten Christoph Strässer (SPD) zur
namentlichen Abstimmung über die Beschluss-
empfehlung zu dem Antrag: Erhöhung des
Schonvermögens im Alter für Bezieher von
Arbeitslosengeld II (Tagesordnungspunkt 11)
Die Forderung nach einer Erhöhung des Schonvermö-
gens ist in der Sache richtig und deshalb auch Bestand-
teil des Regierungsprogramms der SPD für die 17. Le-
gislaturperiode. Es ist jedoch unseriös, populistisch und
dem berechtigten Anliegen der Betroffenen abträglich,
diesen Antrag in der letzten Sitzungswoche des Bundes-
tags zur Abstimmung zu stellen, in der Gewissheit, dass
die Bundesregierung und das Parlament schon wegen
des Zeitablaufs und der Diskontinuität selbst bei einem
Erfolg des Antrags keine Möglichkeit mehr hätten, ein
entsprechendes Gesetzgebungsverfahren auch nur einzu-
leiten.
Die Antragsteller beweisen einmal mehr, dass es ih-
nen nicht um die Sache geht, sondern ausdrücklich um
nichts anderes, als auf dem Rücken der Betroffenen an-
dere Fraktionen vorzuführen.
In Erkenntnis dieses Umstandes werde ich diesen An-
trag ablehnen.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 26027
(A) (C)
(B) (D)
Anlage 5
Erklärung nach § 31 GO
des Abgeordneten Alexander Dobrindt (CDU/
CSU) zur Abstimmung über die Beschlussemp-
fehlung zu dem Antrag: Kein Genmais-Anbau
gegen den Willen der Bürger in der EU (Tages-
ordnungspunkt 25)
Anbau und Verkauf der gentechnisch veränderten
Maissorte MON810 sind in Deutschland nicht mehr zu-
lässig. Das Ruhen der Genehmigung von MON810 ist
seit 14. April 2009 angeordnet. Diese Entscheidung der
Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz war angesichts der unterschiedlichen
Risikobewertung durch die fachlich befassten Bundesbe-
hörden vom Vorsorgeprinzip geboten. Die Entscheidung
von Bundesministerin Ilse Aigner ist richtig und wird
von mir unterstützt.
Deshalb lehne ich den Antrag nicht ab.
Ich enthalte mich zu der Beschlussempfehlung auf
Drucksache 16/13663.
Anlage 6
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Dr. Max Lehmer, Wolfgang
Zöller, Max Straubinger und Maria Eichhorn
(alle CDU/CSU) zur Abstimmung über die
Beschlussempfehlung zu dem Antrag: Kein
Genmais-Anbau gegen den Willen der Bürger
in der EU (Tagesordnungspunkt 25)
Der Antrag enthält sehr pauschale Forderungen in Be-
zug auf den Umgang mit GVO in Deutschland und
Europa.
Das Verbot von MON810 ist gerichtlich bestätigt.
Eine eventuelle Verlängerung der Zulassung hängt von
den Ergebnissen wissenschaftlicher Studien ab.
Die Zulassung neuer Sorten richtet sich nach dem
strengen Zulassungsverfahren der EU. Bei jeder Ent-
scheidung über die Zulassung eines GVO handelt es sich
um eine Einzelfallentscheidung, bei der Pro und Kontra
auf wissenschaftlicher Grundlage sorgfältig abgewogen
werden. Neue Erkenntnisse müssen nach europäischem
und deutschem Recht bei der Entscheidungsfindung Be-
rücksichtigung finden, sowohl bei der Bewertung schon
zugelassener als auch bei der Neuzulassung beantragter
Linien. Insofern kann es keine Vorfestlegung des Ab-
stimmungsverhaltens bei Zulassungsentscheidungen ge-
ben.
Eine Positionierung zu der kürzlich eingebrachten Ini-
tiative Österreichs (Opt-out-Regelung) ist derzeit noch
nicht möglich, wie die Sitzung des Umweltministerrats
vom 25. Juni 2009 gezeigt hat. Eine sorgfältige inhaltli-
che wie rechtliche Prüfung steht noch aus.
Sicherheit für Mensch, Tier und Umwelt ist oberstes
Prinzip für alle neuen Technologien. Der Wille des Bür-
gers muss über eine echte Wahlfreiheit gewährleistet
werden. Dazu ist volle Transparenz über das gesamte
Zulassungsverfahren und eine umfassende Kennzeich-
nung von Produkten aus GVO unverzichtbar.
Aus den genannten Gründen stimmen wir der Be-
schlussempfehlung des Ausschusses für Ernährung,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz auf Drucksache
16/13663 zu und lehnen den Antrag ab.
Anlage 7
Erklärung nach § 31 GO
des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstim-
mung über die Beschlussempfehlung zu dem
Antrag: Mietrechtsänderungen zur Erleichte-
rung klima- und umweltfreundlicher Sanierun-
gen (Tagesordnungspunkt 40)
Ich stimme gegen den Antrag der FDP und für die ab-
lehnende Beschlussempfehlung des Ausschusses.
Die FDP will energetische Haussanierungen auch ge-
gen den Willen der Mieter erleichtern, diesen dann ihr
Mängelminderungsrecht selbst bei Unbewohnbarkeit der
Mieträume streichen sowie die behaupteten Investitions-
und Folgekosten pauschaliert leichter auf die Mieter ab-
wälzen, ohne dass diese die Kosten voll überprüfen dür-
fen.
Demgegenüber halte ich für richtig: Bei Modernisie-
rungen soll die Miete gemäß § 559 BGB höchstens um
jährlich 11 Prozent nur der real und belegt aufgewende-
ten Kosten 9 Jahre lang statt dauerhaft erhöht werden
dürfen, dies aber nur bis zu einer Kappungsgrenze bis
10 Prozent über der vorherigen Nettokaltmiete.
Ich stimme auch deshalb gegen diesen FDP-Antrag,
weil ich entgegen dessen Zielrichtung, Mieter mit höhe-
ren Mieten zu belasten, eine Entlastung der Mieter und
Mieterinnen gerade in begehrten Innenstadtlagen wie
Berlin-Friedrichshain, -Kreuzberg oder -Prenzlauer Berg
für dringlich halte. Dort herrscht europaweit eine der
höchsten Bevölkerungsdichten, doch bundesweit mit die
niedrigsten Durchschnittseinkommen. Immer höhere
Einkommensanteile müsse für Mieten ausgegeben wer-
den. Bei Neuvermietungen springen die Mieten teils
über 50 Prozent höher. Immobilienunternehmer schät-
zen, dass sich die Kreuzberger Mieten in den nächsten
10 bis 15 Jahren verdoppeln, wenn kein Einhalt geboten
wird. In einzelnen Gegenden wird bezahlbarer Wohn-
raum für oft alteingesessene Geringverdiener knapp;
diese werden durch finanzstarke Zuzügler verdrängt.
In ganz Berlin gab es von 2006 auf 2007 zwar 43 000
mehr Haushalte, doch nur knapp 10 000 mehr Wohnun-
gen. Obwohl hier nur 83 Prozent des deutschen Durch-
schnitts verdient wird, stiegen die Angebotsmieten von
2007 auf 2008 nochmals um 6 Prozent.
Auch bundesweit sind Mieterinnen und Mieter durch
solch teils rasante Steigerungen von Grundmieten und
26028 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009
(A) (C)
(B) (D)
Nebenkosten großem Vertreibungsdruck ausgesetzt. So
werden gewachsene Bevölkerungsstrukturen entmischt;
dies verursacht viele Folgeprobleme, unter anderem eine
Konzentration finanziell schwächer gestellter und teils
sozial problematischer Mieterinnen und Mieter in be-
stimmten Gegenden.
Gegen solche Entwicklungen sind – ganz anders als
der FDP-Antrag bezweckt – nach meiner Überzeugung
folgende weitere Maßnahmen erforderlich:
Bei Neuvermietungen darf eine erhöhte Miete nur bis
zum Mittelwert des jeweiligen Mietspiegels gefordert
werden, um bisherige erhebliche Mietpreissprünge an-
lässlich Mieterwechseln zu vermeiden.
Die Kappungsgrenze für reguläre Mieterhöhungen
soll innerhalb von 3 Jahren nicht bis zu plus 20 Prozent
betragen dürfen, sondern nur bis zur addierten durch-
schnittlichen Inflationsrate dieser Jahre, also zum Bei-
spiel für 2006/7/8 etwa 6,5 Prozent.
Durch Änderung des Baugesetzbuchs sollen wieder
Mietpreisobergrenzen in Sanierungsgebieten zugelassen
werden zum Schutz vor dortiger Verdrängung finanziell
schwächer gestellter Mieter – „Gentrification“.
Aus den gleichen Gründen soll in Milieuschutzgebie-
ten vor allem zur Erhaltung der Zusammensetzung der
Wohnbevölkerung gemäß § 172 Abs. 4 BauGB eine
Festlegung von Mietobergrenzen ermöglicht werden bei
einer maximalen Mietbelastung von 25 Prozent des
durchschnittlichen Haushaltseinkommens.
Gegen Leerstand von Sozialwohnungen und Entmi-
schung von Wohngebieten sollen im sozialen Woh-
nungsbau Kappungsgrenzen für Mieterhöhungen gene-
rell gelten und niedrig angesetzt werden und solche
Wohnungen umgehend in das Vergleichsmietensystem
überführt werden, deren Mieten rechnerisch bereits über
dem Mittelwert der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen.
Bewohner, die solche Miete nicht aufbringen können,
sollen gezielte staatliche Zuwendungen erhalten.
Anlage 8
Erklärung nach § 31 GO
des Abgeordneten Jan Mücke (FDP) zur Ab-
stimmung über die Beschlussempfehlung zu
dem Antrag: Umsetzungsgesetz für UNESCO-
Welterbeübereinkommen vorlegen (Tagesord-
nungspunkt 60)
Der Ausschuss für Kultur und Medien hat in seiner
Beschlussempfehlung vom 30. Juni 2009 – Drucksache
16/13581 – den Mitgliedern des Deutschen Bundestages
empfohlen, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen „Umsetzungsgesetz für UNESCO-Welterbe-
übereinkommen vorlegen“ – Drucksache 16/13176 – ab-
zulehnen. Ich folge dieser Empfehlung.
Meine Zustimmung zur vorgenannten Beschlussemp-
fehlung entspricht zudem der Abstimmungsempfehlung
der FDP-Bundestagsfraktion an ihre Mitglieder. Aus
Sicht der Fraktion suggeriert der Antrag, dass der Bund
durch Erlass eines nationalen Ausführungsgesetzes eine
Bindungswirkung der UNESCO-Welterbekonvention
gegenüber allen Körperschaften auf Bundes-, Landes-
und Kommunalebene erzeugen kann, die sich auf sämtli-
che von der Konvention erfassten Schutzgüter erstreckt.
Der Antrag vermittelt damit jedoch den Eindruck, ein
Ziel zu verfolgen, das im Widerspruch zu den Gesetzge-
bungskompetenzen nach dem Grundgesetz steht.
Das UNESCO-Übereinkommen hat den Schutz so-
wohl des Weltnatur- als auch des -kulturerbes zum In-
halt. Der Bund ist jedoch nur hinsichtlich des Naturerbes
befugt, die Konvention in innerstaatliches Recht umzu-
wandeln, denn hinsichtlich des Kulturerbes fehlt ihm die
Gesetzgebungskompetenz.
Dem Bund kommt nach Art. 59 Abs. 2 Grundgesetz
ein formelles, aber kein materielles Gesetzgebungsrecht
zu. Eine völkervertragliche Regelung ist nicht automa-
tisch eine auswärtige Angelegenheit, für die der Bund
nach Art. 73 Nr. 1 Grundgesetz die ausschließliche Ge-
setzgebungskompetenz hätte. Ein Vertragsgesetz des
Bundes ist daher nur insoweit zulässig, wie es eine Ma-
terie der Bundesgesetzgebung regelt. Soll hingegen ein
völkerrechtliches Abkommen in die nationale Rechts-
ordnung überführt werden, für das seinem Inhalt nach
die Länder die Gesetzgebungskompetenz besitzen, ist es
allein deren Aufgabe, ein entsprechendes Gesetz zu er-
lassen. Der Bund kann insoweit nicht anstelle der Länder
tätig werden.
Gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 29 Grundgesetz ist der
Bund zuständig für die Gesetzgebung hinsichtlich des
Naturschutzes und der Landschaftspflege. In Bezug auf
den Denkmalschutz verleiht das Grundgesetz dem Bund
hingegen keine Gesetzgebungskompetenz, somit sind
gemäß Art. 70 Abs. 1 Grundgesetz insoweit die Länder
zuständig.
Zwar wird die Bundesregierung mit dem Antrag auf-
gefordert, Entwürfe zur Änderung von Gesetzen vorzu-
legen, für die der Bund die Gesetzgebungskompetenz
besitzt. Aber bereits in der Begründung des Antrages
findet diese notwendige Einschränkung keine Beachtung
mehr. In ihr wird durchgängig auf das Kulturerbe und
somit auf den Denkmalschutz abgestellt. Dadurch wird
deutlich, welche Ziele tatsächlich mit dem Antrag ver-
folgt werden. Zur Erreichung dieser Ziele ist er aber
vollständig untauglich.
Darüber hinaus ist der Antrag nicht dazu geeignet,
Rechtsfrieden zu schaffen. Es wird die Frage aufkom-
men, warum hinsichtlich des Schutzes des Kulturerbes
die Länder und Kommunen trotz Erlasses eines soge-
nannten UNESCO-Vertragsgesetzes nicht an die Vorga-
ben der Konvention gebunden sind. Gesetzgeberische
Maßnahmen auf Bundesebene werden zu noch mehr Un-
sicherheit und Unverständnis bei den Bürgern führen.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 26029
(A) (C)
(B) (D)
Anlage 9
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Sibylle Laurischk (FDP) zur
namentlichen Abstimmung über die Beschluss-
empfehlung zu dem Antrag: Gesetz zur Strei-
chung des Optionszwangs aus dem Staatsange-
hörigkeitsrecht (Tagesordnungspunkt 72)
Ich werde dem Gesetzentwurf zustimmen, da ich der
Auffassung bin, dass die im Staatsangehörigkeitsgesetz
normierte Optionspflicht für Ausländer ein Signal gegen
Integration setzt.
Diese Regelung stellt eine Ungleichbehandlung ge-
genüber Kindern aus binationalen Ehen dar, die das dau-
erhafte Recht auf beide Staatsangehörigkeiten haben. Sie
führt nicht zu einer besseren Integration der Betroffenen,
da sie die Aufforderung als Infragestellung ihrer Zuge-
hörigkeit zu unserer Gesellschaft empfinden. Dazu ist
der bürokratische Aufwand enorm, Gerichtsverfahren
sind nach Ablauf der fünfjährigen Entscheidungsfrist
vorprogrammiert.
Die Einführung des Geburtortrechts durch die Reform
des Staatsangehörigkeitsrechts Anfang 1999 stellt eine
liberale Errungenschaft dar, die den Weg in ein moder-
nes Staatsangehörigkeitsrecht weist. Die im Vermitt-
lungsverfahren eingeführte Optionspflicht war ein politi-
scher Kompromiss, um überhaupt Verbesserungen zu
erreichen. Nach fast zehn Jahren sehe ich keinen sachli-
chen Grund, an dieser Kompromisslösung festzuhalten.
Anlage 10
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung:
– Unterrichtung: Gutachten zu Forschung, In-
novation und technologischer Leistungs-
fähigkeit 2009 und Stellungnahme der Bun-
desregierung
– Beschlussempfehlung und Bericht zu den
Anträgen:
– Nanotechnologie – gezielte Forschungs-
förderung für zukunftsträchtige Innova-
tionen und Wachstumsfelder
– Nanotechnologie für die Gesellschaft nut-
zen – Risiken vermeiden
– Nanotechnologie-Bericht vorlegen
– Nanotechnologie – Forschung verstärken
und Vorsorgeprinzip anwenden
– Beschlussempfehlung und Bericht zu dem
Antrag: Innovationskraft von kleinen und
mittleren Unternehmen durch steuerliche
Förderung gezielt stärken
– Beschlussempfehlung und Bericht zu dem
Antrag: Öffentlich finanzierte Pharmainno-
vationen zur wirksamen Bekämpfung von
vernachlässigten Krankheiten in den Ent-
wicklungsländern einsetzen
– Beschlussempfehlung und Bericht zu dem
Antrag: Die Nanotechnologien – Schlüssel
zur Stärkung der technologischen Leistungs-
kraft Deutschlands
(Tagesordnungspunkt 14 a bis e)
Marion Seib (CDU/CSU): Forschung, Innovation
und technologische Leistungsfähigkeit, in die auch das
Thema Nanotechnologie fällt, sind Schlüsselbegriffe für
den Wirtschaftsstandort Deutschland.
Nanotechnologie gilt als eine Schlüsseltechnologie,
von der Anstöße zu innovativen Entwicklungen in den
verschiedensten technologischen Bereichen und gesell-
schaftlichen Anwendungsfeldern zu erwarten sind und
die heute schon erfolgreich in verschiedenen Feldern
eingesetzt wird. Die künftigen Fortschritte der Nano-
technologie können großen Einfluss auf die weitere Ent-
wicklung zukunftsträchtiger Branchen haben. Für viele
in Deutschland wichtige Industriebranchen wie Chemie,
Pharma, Energie, Automobilbau, Informationstechnik
oder Optik hängt die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit
ihrer Produkte auch von der Erschließung des Nanokos-
mos ab.
Für den Wirtschaftsstandort Deutschland gibt es keine
Alternative zu einer Strategie der permanenten Innova-
tion. Die Verfügung über die Nanotechnologie bestimmt
daher die technologische Leistungsfähigkeit und die in-
ternationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirt-
schaft entscheidend mit. Fachleute schätzen den Umsatz
mit Produkten der Nanotechnologie im Jahr 2015 auf bis
zu 1 Billion Euro. Auf dem Gebiet der Nanotechnologie
ist die Bundesrepublik in Europa führend. 2007 gab es in
Deutschland 50 000 Arbeitsplätze, die direkt oder indi-
rekt von der Nanotechnologie abhingen. Dies sind gute
Ausgangspositionen, auch angesichts der aktuellen Krise.
Allerdings dürfen wir auch gerade jetzt nicht stehen blei-
ben, sondern müssen aktiv in Forschung und Innovation
investieren.
Die Koalition begrüßt die bisherigen Maßnahmen der
Bundesregierung, insbesondere die „Nano-Initiative –
Aktionsplan 2010“ im Rahmen der Hightech-Strategie,
mit der die Bundesregierung die Nanotechnologien mit
insgesamt 640 Millionen Euro fördert, und die Initiie-
rung von Förderaktivitäten, unter anderem des Projekt-
clusters NanoCare, in dem mögliche Risiken im Um-
gang mit neuen Materialien frühzeitig untersucht und der
Öffentlichkeit kommuniziert werden. Erwähnen möchte
ich hier auch die finanzielle Unterstützung durch Mittel
in Höhe von 1,5 Milliarden Euro bis 2013 im Rahmen
des 7. EU-Forschungsrahmenprogramms.
Uns ist klar, dass, solange der Einfluss von Nanoparti-
keln auf den menschlichen Körper noch nicht hinrei-
chend erforscht ist, darauf geachtet werden muss, dass
deren Verbreitung in Gewässern, Luft und Böden unter-
bunden wird und jene Stoffe, die unmittelbar mit
Menschen in Berührung kommen können, besonders un-
tersucht werden. Daher unterstützen wir die Bundes-
26030 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009
(A) (C)
(B) (D)
regierung und deren Programme, Wissenslücken zu
schließen und die in den einzelnen Fachgebieten rele-
vanten Aspekte der Nanotechnologie zu einer Gesamt-
strategie zusammenzuführen. Wir fordern die Bundes-
regierung aber auch auf, die Forschungsförderung in den
einzelnen Bereichen enger zu begleiten sowie Wirtschaft
und Bevölkerung besser zu informieren. Die Koopera-
tion zwischen Forschung und Wirtschaft muss ausgebaut
und besonders fehlende Fachkräfte müssen durch stär-
kere finanzielle Unterstützung der Hochschulen gewon-
nen werden.
Ich bin sehr stolz darauf, dass es uns Forschungspoli-
tikern der Koalition gelungen ist, auch die Verbraucher-
schützer dafür zu gewinnen, diesen Antrag in der vorlie-
genden Form zu unterstützen.
Noch besitzt die Nanotechnologie eine relativ hohe
Akzeptanz in der deutschen Bevölkerung. Besonders die
Wirtschaft fordere ich zu besonders sorgfältiger Kon-
trolle ihrer Produkte auf.
In Deutschland sind die Voraussetzungen für eine
positive Entwicklung der Nanotechnologie gegeben. Wir
müssen nun die Weichen richtig stellen und Anwen-
dungspotenziale erschließen.
Ich bitte Sie um Unterstützung unseres Antrages.
René Röspel (SPD): In der letzten Sitzungswoche
hatten wir Forschungspolitiker ein sehr spannendes Ge-
spräch mit dem Vorsitzenden der Expertenkommission
Forschung und Innovation, Herrn Professor Harhoff. Ich
wiederhole hier gern noch einmal mein bei diesem Ge-
spräch geäußertes Lob an alle Mitglieder der Experten-
gruppe. Denn auch das aktuelle Gutachten ist wieder
sehr aufschlussreich. Auch wenn es in diesem Jahr nur
ein Kurzgutachten werden sollte, so ist es wieder ein
reichhaltiger, lesenswerter und nicht ganz kurzer Bericht
geworden. Mir fällt es deshalb schwer, aufgrund der
zeitlichen Begrenzung eine ausgeglichene Themenaus-
wahl vorzunehmen. Ich versuche es dennoch.
Das Gutachten verweist zu Recht darauf, dass in wirt-
schaftlich schlechten Zeiten in Unternehmen besonders
die Bereiche Forschung und Innovation – FuE – zurück-
gefahren werden. Man kann es ihnen nicht verübeln.
Aber das Gutachten weist ebenfalls darauf hin: For-
schung und Entwicklung sind wichtige Komponenten
für das Wirtschaftswachstum in industriellen Ländern.
Das Zurückfahren dieses Bereiches wird kontraproduk-
tiv sein. Zwar ist der Einfluss der Konjunktur auf die
Forschung und Entwicklung in Deutschland geringer als
in anderen Ländern, doch reagieren besonders die klei-
nen und mittleren Unternehmen stärker auf Veränderun-
gen der konjunkturellen Bedingungen als große Unter-
nehmen. Dies liegt in Deutschland insbesondere an
deren geringem Eigenkapital. In der nächsten Legislatur-
periode sollten wir Forschungspolitiker uns deshalb dem
Bereich Eigenkapitalfinanzierung noch einmal intensiv
zuwenden.
Auch in diesem Zusammenhang haben die Autoren
bereits im letzten Gutachten die Einführung einer steuer-
lichen Förderung von Forschung und Entwicklung in
Deutschland vorgeschlagen. Auch dieses Jahr verweisen
sie wieder darauf. Die SPD hat sich in ihrem Wahlpro-
gramm übrigens bereits grundsätzlich für eine solche
Förderung für KMU ausgesprochen. Dennoch muss man
die in vielen Teilen gut begründete und nachvollziehbare
Forderung der Expertenkommission in einen politischen
Gesamtzusammenhang stellen, wie sie selbst es auch tut.
Steuerliche Forschungsförderung kann nur zusätzlich
zur Projektförderung erfolgen. Die allein praktische
Frage bleibt die nach der Finanzierung einer solchen zu-
sätzlichen Förderung. In der gegenwärtigen Situation
scheint mir deshalb die Diskussion darüber theoretisch,
wenn nicht sogar illusorisch-populistisch, wenn man wie
die FDP oder die darüber zerstrittene Union Steuersen-
kungen verspricht. Wenn wir – wie auch von der Exper-
tenkommission gefordert und zu Recht angemahnt – von
der Orientierung auf hochwertige Technologien wie Au-
tomobil-, Maschinenbau- und Chemieindustrie hinkom-
men müssen zu einem stärkeren Ausbau von Spitzen-
technologie, so wird uns eine pauschale Förderung – mit
allen ihren Vorteilen – nicht nützen, sondern wir müssen
gezielte Projekt- und Programmförderung betreiben.
Wie erfolgreich das sein kann – für Technologieschub,
Wirtschaftskraft, Arbeitsplatzschaffung und Umwelt-
schutz – hat die unter der rot-grünen Regierung ver-
stärkte Förderung etwa von Umwelttechnologien, Ener-
gieeffizienz und erneuerbaren Energien eindrucksvoll
gezeigt. Die vielen anderen guten Beispiele im Bereich
Elektromobilität, optische Technologien oder Nanotech-
nologie, zu der wir heute einen umfassenden Antrag der
Großen Koalition verabschieden werden, belegen die
Notwendigkeit der Projektförderung.
Ein ganz anderer, mindestens ebenso wichtiger
Aspekt ist der folgende: Mögliche, für steuerliche Förde-
rung benötigte Finanzmittel konkurrieren um einen an-
deren Bereich, der die zentrale Basis unserer Wissen-
schaft und unseres technologischen Erfolges darstellt,
die Grundlagenforschung. Sie ist in Deutschland hervor-
ragend aufgestellt, aber sie wird im Wesentlichen und
mit einem zweistelligen Milliardenbetrag von der öffent-
lichen Hand finanziert. Das muss nicht nur so bleiben,
sondern ausgebaut werden, nicht nur, weil Grundlagen-
forschung einen Wert an sich darstellt, sondern weil sich
gesellschaftlicher oder wirtschaftlicher Nutzen mitunter
erst viel später erschließt. Nur ein Beispiel: Auf Einla-
dung meines Kollegen Dr. Ernst Dieter Rossmann habe
ich vor einigen Wochen die Biologische Anstalt Helgo-
land und die dortige Vogelwarte besucht. Dort wird her-
vorragende und leidenschaftliche wissenschaftliche
Arbeit verrichtet, die vermutlich aus Sicht eines Wirt-
schaftsunternehmens zunächst als nicht sinnvoll oder un-
terstützenswert angesehen werden würde. Warum soll
man denn regelmäßige Messungen von Temperatur und
Zustand des Nordseewassers um Helgoland, Hummer-
forschung oder eine Vogelwarte finanzieren?
Erst heute zeigt sich die Bedeutung solcher For-
schung für ein besseres Verständnis von Klimawandel
und Ökologie – übrigens mit allen gewaltigen ökonomi-
schen Konsequenzen, die ohne Umsteuerung die nach-
folgenden Generationen zu tragen haben. Das Thema
steuerliche Forschungsförderung werden wir in der
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 26031
(A) (C)
(B) (D)
nächsten Legislaturperiode sehr verantwortlich diskutie-
ren müssen.
Sehr gefreut habe ich mich auch über einen anderen
Abschnitt im Gutachten, auch wenn er nur sehr klein ge-
halten war, nämlich zum Thema Fachhochschulen.
Diese stehen in Deutschland leider immer ein wenig im
Schatten ihrer großen Schwestern, der Universitäten.
Aber beide Institutionen nehmen eine wichtige Rolle in
der Lehre und Forschung in Deutschland ein. Fachhoch-
schulen stellen besonders für in der Region ansässige
kleinere und mittlere Unternehmen eine wertvolle Unter-
stützung dar. Das kann ich aus vielen Erfahrungen mit
der FH Südwestfalen nur bestätigen. Die SPD hat das
1998 erkannt und seitdem die Förderung von Fachhoch-
schulforschung stetig erhöht. Der Bund fördert Fach-
hochschulen in diesem Jahr mit 34 Millionen Euro. Wir
werden das fortsetzen. Als Bund würden wir gern noch
mehr tun. Das Gutachten verweist auch auf weiteren
Handlungsbedarf. So ist es zum Beispiel nicht einsehbar,
warum Fachhochschulprofessoren in der Regel keine
Assistenten haben, die sie in der Forschung unterstützen
könnten. Leider ist dieser Bereich auch nach der letzten
Föderalismusreform immer noch Ländersache. Bildung
ist ein viel zu wichtiger und anspruchsvoller Bereich, als
dass er nur auf den Schultern der Länder liegen kann.
Hier muss der Bund in Zukunft noch mehr Möglichkei-
ten erhalten. Ich bin gespannt, zu welchem Schluss das
nächste Gutachten mit dem Schwerpunkt Föderalismus-
reform kommen wird.
Wie schon im Gutachten 2008 fällt die Mahnung zum
drohenden Fachkräftemangel wieder sehr deutlich aus.
Das Gutachten spricht von einem „ungebrochenen Trend
zu mehr Hochqualifizierten in der gewerblichen Wirt-
schaft“ und zwei Seiten weiter „vom Rückgang der Stu-
dierneigung in Deutschland“. Bis ins Jahr 2020 wird
Deutschland einen Zusatzbedarf von 1 Million Akade-
mikern haben. Die Bereitstellung einer ausreichenden
Zahl beruflich Qualifizierter ist allerdings nicht nur eine
zentrale Frage für die – technologische und wirtschaftli-
che – Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Für uns Sozial-
demokraten ist der gerechte Zugang zu Bildung viel
mehr als die Bereitstellung von Fachkräften. Bildung ist
für uns unabdingbares Grundrecht für jeden einzelnen
Menschen und Bestandteil von Freiheit und Selbstbe-
stimmung. Wie keine andere Partei verkörpern wir diese
Zielsetzung. Erlauben Sie mir bitte, dies ausnahmsweise
auch zu personifizieren am Beispiel unseres Kollegen
Dieter Grasedieck, der heute trotz seines Geburtstages
im Plenum sitzt und nach der Wahl aus dem Bundestag
ausscheiden wird: geboren als Kind einer Bergarbeiter-
familie in Gladbeck, mit 17 in die Schlosserlehre, Inge-
nieursstudium, Staatsexamina, Berufsschullehrer und
beeindruckt von Willy Brandt. Lieber Dieter, du hast aus
einer sehr typischen sozialdemokratischen Bildungsbio-
grafie und deinem Berufsleben viele Erfahrungen und
Engagement für junge Menschen und für die Bildungs-
und Forschungspolitik mit in den Bundestag gebracht.
Dafür gebührt dir unser aller Dank und Respekt. Wir ha-
ben gerne mit dir zusammengearbeitet. Du wirst uns feh-
len. Von dieser Stelle ein herzliches Glückauf für deinen
wohlverdienten Ruhestand.
Allerdings mahnen uns die Gutachten der Experten-
kommission, dass wir noch lange nicht am Ziel sind:
Wenn die Chancen auf ein Hochschulstudium für Aka-
demikerkinder viermal höher sind als die für gleicherma-
ßen begabte Kinder aus Arbeitnehmerfamilien, wenn
Studiengebühren dazu führen, dass junge Menschen
nicht studieren können und wenn immer noch die soziale
Herkunft über die Aufnahme eines Studiums entschei-
det, wissen wir, dass sozialdemokratische Bildungspoli-
tik wichtiger ist denn je. Die Expertenkommission
schreibt auf Seite 123:
Der Abbau dieses Ungleichgewichts ist allein schon
aus Gründen der sozialen Gerechtigkeit erforder-
lich.
Wenn diese Begründung Union und FDP nicht aus-
reicht, um endlich BAföG zu unterstützen, Studienge-
bühren abzuschaffen und für ein modernes und gerechtes
Bildungssystem einzutreten, wie es die SPD tut, fruchtet
vielleicht der Appell, dass die Fortsetzung konservativ-
liberaler Bildungspolitik die technologische und damit
ökonomische Zukunftsfähigkeit unseres Landes gefähr-
det. Wir brauchen jeden jungen Menschen – unabhängig
von seiner sozialen Herkunft. Die letzte Rede in einer
Legislaturperiode bietet auch immer die Möglichkeit des
Dankes. Ich will mich ausdrücklich bedanken bei den
Koalitionspartnern der SPD in den letzten elf Jahren. Mit
den Grünen zusammen haben wir 1998 begonnen, nach
Jahren der Resignation und Stagnation endlich wieder
neue Impulse bei Bildung und Forschung zu setzen. Wir
sind dankbar dafür, dass auch die Union diesen Weg in
der Großen Koalition mitgegangen ist.
Das aktuelle EFI-Gutachten bestätigt das:
Auch in Deutschland, wo praktisch die gesamten
1990er Jahre hindurch Stillstand geherrscht hatte,
konnte ab 1998 eine Ausweitung der staatlichen
FuE-Budgets um gut 1 Prozent jährlich realisiert
werden.
Man kann das auch kürzer ausdrücken: Wenn die SPD
regiert, ist das gut für Bildung und Forschung.
Cornelia Pieper (FDP): Ob Deutschland die He-
rausforderungen der Rezession als Folge einer internatio-
nalen Finanz- und Wirtschaftskrise meistern wird, hängt
in entscheidendem Maß auch davon ab, wie gut es Staat
und Wirtschaft gelingen wird, einerseits geeignete Be-
dingungen für einen schnellen und effizienten Transfer
von Forschungs- und Entwicklungsleistungen in innova-
tive und marktgerechte Produkte zu schaffen und ande-
rerseits die Zukunftsfähigkeit forschender Unternehmen
durch Stärkung ihrer Investitionskraft zu sichern. Wir
alle wissen um die Bedeutung der Eigenkapitalbasis für
die Realwirtschaft. Doch gerade junge Technologieun-
ternehmen, ob Spin-off oder Start-up, haben gerade da-
von nicht genug. Nicht viel besser geht es einer großen
Zahl von innovativen kleinen und mittelständischen Un-
ternehmen. Der Anteil der forschenden Unternehmen
hierzulande liegt seit Jahren unverändert bei circa
25 Prozent. Ihr FuE-Anteil am BIP lag 2007 bei
1,77 Prozent. Leider sind die Innovationsbeiträge aller
26032 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009
(A) (C)
(B) (D)
klein- und mittelständischen Unternehmen, KMU, zurück-
gegangen.
Wo stehen wir heute? Die staatliche Förderung der
FuE in den Unternehmen ist seit Jahren rückläufig. Der
Finanzierungsanteil der öffentlichen Hand an den FuE-
Aufwendungen der Wirtschaft ist von 16,9 Prozent im
Jahr 1981 auf 4,5 Prozent im Jahr 2006 gefallen. Er kon-
zentriert sich auf die direkte Projektförderung mit oft-
mals komplizierten Antragsverfahren. Der drastische
Rückgang der öffentlichen FuE-Beteiligung in Deutsch-
land ist nicht unkritisch, wenn man an die Hebelwirkung
der öffentlichen FuE-Förderung denkt. Jeder Euro staat-
licher FuE-Finanzierung mobilisiert im Schnitt ungefähr
1,6 Euro für FuE von der Wirtschaft. Auch die OECD
stellte fest, dass immer mehr Staaten – heute sind es be-
reits 21 von 30 Staaten – zusätzlich zu einer FuE-Pro-
jektförderung breitenwirksame Förderinstrumente – wie
die steuerliche FuE-Förderung – zur Stimulierung des
Forschungsengagements der Unternehmen eingeführt
haben. Beispielgebend hierfür sind die USA, Kanada,
Mexiko, Australien, Korea, Spanien, Portugal, Irland,
Großbritannien, Österreich, die Niederlande und Frank-
reich sowie Japan. Die staatlichen Anreize liegen damit
deutlich niedriger als bei der Mehrheit der OECD-Staa-
ten.
Was sind die Konsequenzen, die die Bundesregierung
hieraus zieht? Sie entzieht mit der jüngsten Unterneh-
menssteuerreform der Wirtschaft weiteres Eigenkapital
durch einfaches „Wegsteuern“. Die restriktiven Regelun-
gen bei einer Funktionsverlagerung oder bei einem Man-
telkauf behindern in einem hohen Maße Investitionen in
Forschung, technologische Entwicklung und Innovation.
Bei der Funktionsverlagerung muss insbesondere sicher-
gestellt werden, dass Forschungs- und Entwicklungsin-
vestitionen im Inland oder der Wissenstransfer innerhalb
verbundener Unternehmen nicht erschwert werden. Eine
Verdoppelung von Funktionen darf hier nicht als Funk-
tionsverlagerung gelten. Nur wenige international tätige
Unternehmen werden künftig Deutschland als Standort
für ihre Forschung und Entwicklung wählen, weil sie die
„Gewinnpotenziale“ aus dieser Forschung vollständig
hierzulande versteuern müssen, wenn sie die Erkennt-
nisse aus ihren Forschungen auch außerhalb Deutsch-
lands nutzen wollen. Die Funktionsverlagerungsbesteue-
rung wirkt also insbesondere für Forschungsaktivitäten
wie eine „Steuermauer“ um Deutschland. Beim Mantel-
kauf ist insbesondere die vollständige Streichung des
Verlustvortragspotenzials bei jeder Übernahme von
mehr als 50 Prozent der Anteile durch einen Investor vor
allem bei innovativen Unternehmen forschungsfeindlich.
Zudem muss die innovationsfeindliche Zinsschranke ent-
fallen. Sie erlaubt, wenn das Unternehmen keine Zinsein-
nahmen in gleicher Höhe hat, nur eine 30-prozentige steu-
erliche Berücksichtigung von Darlehenszinsen. Der
internationale Standortvergleich zeigt, dass gerade das
Steuersystem ein wichtiger Faktor in der Standortbewer-
tung der Unternehmen ist.
Das aktuelle Gutachten zu Forschung, Innovation und
technologischer Leistungsfähigkeit 2009 der Experten-
kommission Forschung und Innovation, EFI, spricht sich
völlig zu Recht für die Einführung einer FuE-Förderung
durch Tax Credits für Forschung und Entwicklung im
Steuersystem aus. Ja, die deutsche Wirtschaft braucht
eine international vergleichbare breitenwirksame steuer-
liche FuE-Förderung, denn im Vergleich mit anderen In-
dustrienationen befindet sich Deutschland in einer nach-
teiligen Position. Deswegen hat sich die FDP auf meine
Initiative hin entschieden, die steuerliche Förderung für
Forschung und Entwicklung zu ihrem Regierungspro-
gramm zu machen. Einen entsprechenden Antrag haben
wir im Deutschen Bundestag eingebracht. Hinzukommt:
Die Regierungskoalition hat bisher versagt, die richtige
Weichenstellung für ein forschungsfreundliches Steuer-
system zu stellen. Den Ankündigungen der Forschungs-
ministerin Schavan einer steuerlichen Forschungsförde-
rung sind keine Taten gefolgt, sondern auf den Tag nach
der Bundestagswahl verschoben worden. Wir werden
Sie an Ihrem Versprechen messen, Frau Schavan.
Eines der großen Probleme für junge Forscher und
Unternehmensgründer ist der Mangel an Wagniskapital.
Förderinstrumente wie der Hightech-Gründerfonds, ein
Public Private Partnership von Bundesministerium für
Wirtschaft und Technologie, KfW Bankengruppe sowie
sechs Industriekonzernen – BASF, Deutsche Telekom,
Siemens, Robert Bosch, Daimler und Carl Zeiss – haben
noch nicht genügend Unterstützer aus der Wirtschaft ge-
funden. Sein Fondsvolumen liegt bei rund 272 Millionen
Euro. Der Hightech-Gründerfonds investiert Risikokapi-
tal in junge, chancenreiche Technologieunternehmen,
die vielversprechende Forschungsergebnisse unterneh-
merisch umsetzen. Mithilfe der Seed-Finanzierung von
bis zu 500 000 Euro sollen die Start-Ups das FuE-Vorha-
ben bis zur Bereitstellung eines Prototypen bzw. eines
„Proof of Concepts“ oder zur Markteinführung beglei-
ten.
Ganz oben auf der Agenda der FDP steht die Forde-
rung nach Erleichterungen für Wagniskapitalgeber. Wir
wollen unsere Kraft in den nächsten Jahren dafür einset-
zen, dass ein modernes Private-Equity-Gesetz den not-
wendigen Rahmen schafft. Zugleich wollen wir das Stif-
tungsrecht vereinfachen. Darüber hinaus brauchen wir
eine Verbesserung der Einbeziehung des informellen Ka-
pitalbeteiligungsmarktes der Business Angels, um die
Finanzierungslücken in der Frühphase von innovativen
Unternehmen zu schließen. Ich werbe nach wie vor für
die Forschungsprämie, eine 25-prozentige staatliche Be-
zuschussung für Hochschulen und Forschungsinstitute,
die mit Unternehmen zusammenarbeiten. Sie muss aber
mit einem unbürokratischen Antragsverfahren allen Un-
ternehmen zugänglich gemacht werden.
Wir werden heute in zweiter und dritter Lesung über
die Beschlussempfehlung und den Bericht des For-
schungsausschusses zu verschiedenen Anträgen zur For-
schung für die Nanotechnologien abschließend beraten
und über den Antrag der FDP-Bundestagsfraktion sofort
abstimmen. Es spricht für die Bedeutung der Nanotech-
nologien, wenn wir das heute in der letzten planmäßigen
Beratung der 16. Legislaturperiode tun. Die Nanotech-
nologien gelten für die FDP wegen ihres hohen Poten-
zials zur grundlegenden Durchdringung ganzer Techno-
logiefelder als eine der Schlüsseltechnologien des
21. Jahrhunderts. Sie haben maßgeblichen Einfluss auf
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 26033
(A) (C)
(B) (D)
die Weiterentwicklung von Ökonomie, Ökologie und
Gesellschaft und werden künftig alle Lebensbereiche des
Menschen durchdringen. Die Nanotechnologien sind für
mich neben den Informations- und Kommunika-
tionstechnologien eine der wichtigsten Zukunftstechno-
logien. In ihnen liegt das Potenzial für zukunftssichere
Arbeitsplätze, ein nachhaltige Ressourcen schonendes
Wachstum sowie eine bessere Gesundheitsvorsorge und
-versorgung.
Bereits heute hängen in Deutschland direkt oder indi-
rekt zwischen 50 000 und 100 000 Arbeitsplätze von den
Nanotechnologien ab. Als Querschnitttechnologie wird
die Nanotechnologie in den verschiedensten Anwen-
dungsbereichen, von der Medizin, Chemie und Raum-
fahrt über die Optik bis hin zur Sensorik, ihren Einzug
halten. Bereits im Jahr 2015 wird es kaum noch einen
Bereich in unserem Leben geben, in dem nicht Materia-
lien in Nanogröße eine Rolle spielen. Nanomaterialien
werden künftig zu einer verbesserten und verträglichen
Individualmedizin und somit zu einer verbesserten Dia-
gnose und Therapie führen. Sie werden Wirkstoffe von
Medikamenten im menschlichen Körper zielgenau zum
Ort der Erkrankung transportieren und eine optimale
Dauermedikation ermöglichen. In der klinischen For-
schung sind bereits Nanomaterialien mit magnetischen
Eigenschaften bekannt, die der gezielten nichtinvasiven
Tumorbekämpfung dienen. Nanotechnologien bringen
aber nicht nur ökonomische, sondern auch ökologische
Vorteile – das zeigt die dritte Studie „Nachhaltigkeitsef-
fekte der Nanotechnologie“ des Instituts für ökologische
Wirtschaftsforschung der Universität Bremen. Die Öko-
bilanzen verschiedener Anwendungsbeispiele zeigten
positive Nachhaltigkeitseffekte durch den Einsatz der
Nanotechnologien. Beeindruckende Ergebnisse zeigen
Lacke mit nanotechnologischen Komponenten, deren
Energie- und Schadstoffbilanz wesentlich besser als bei
herkömmlichen Verfahren ist. Ein weiteres Beispiel ist
die Licht emittierende Diode, LED. Sie ist schon heute
energetisch günstiger als die herkömmliche Glühbirne;
in den Labors wird daran gearbeitet, ihre Lichtausbeute
noch erheblich zu steigern. Dann ist ihre Energiebilanz
noch günstiger als bei Energiesparlampen.
Auch in neue Berufsbilder und der Novellierung von
Berufsausbildungs- und Studienordnungen wird die Na-
notechnologie ihren Einzug halten. Nur mit entsprechen-
der Fachkompetenz und einem gut ausgebildeten Berufs-
nachwuchs sind die Vorsprünge Deutschlands in der
Nanotechnologie zu halten. Das schließt ein, dass zu-
gleich die Lehreraus- und Lehrerweiterbildung auf diese
Entwicklung reagieren muss, um die junge Generation in
die Lage zu versetzen, wieder mehr nach den Chancen
neuer Technologien zu fragen, ohne dabei den kritischen
Blick für die Risiken zu verstellen.
Der Standort Deutschland hat in der Nanotechnologie
ein hohes Niveau erreicht. Deutschland nimmt in der
Forschung zur Nanotechnologie weltweit den zweiten
Platz nach den USA ein. In der Umsetzung in marktfä-
hige Produkte und Anwendungen liegt es allerdings hin-
ter den USA und Japan. Es besteht jedoch die Gefahr,
dass – wie bei vielen anderen Technologien, die in
Deutschland entwickelt wurden – die herausragenden
Forschungsergebnisse aus der Grundlagenforschung und
der anwendungsorientierten Forschung bei uns nicht im
erforderlichen Umfang in neue innovative Produkte ein-
fließen und damit die Wertschöpfung und die Schaffung
von Arbeitsplätzen im Ausland erfolgen. Die Chemike-
rin Marie Curie sagte einmal: „Man braucht nichts im
Leben zu fürchten, man muss nur alles verstehen.“ Die-
sem Denkansatz müssen wir uns verpflichtet fühlen. Ja,
wir müssen unseren Erkenntnisgewinn auch nutzen, um
die Wirkzusammenhänge besser zu verstehen und Ge-
fahren frühzeitig zu erkennen. Nur so können wir Vorbe-
halte und Ängste überwinden. Sicherlich wurden in der
Vergangenheit große Fehler gemacht. Eine unkritische
Technikgläubigkeit ging oft mit Leichtsinn einher. Das
Ergebnis: Die Angst scheint sich wie Mehltau über un-
sere Gesellschaft zu legen. Vielfach wird zuerst nach den
Risiken gefragt. Die Frage nach den Chancen steht oft
erst an zweiter Stelle. Genau an diesem Punkt muss auch
die wissenschafts- und forschungspolitische Arbeit an-
setzen. Ich sehe es als forschungspolitische Sprecherin
der FDP-Bundestagsfraktion als meine Aufgabe an, im
Deutschen Bundestag und seinen Gremien einerseits die
Forschung auf dem Gebiet der Nanotechnologie zu för-
dern, andererseits zugleich Sorge dafür zu tragen, dass
die Sicherheitsforschung fest in diese Forschungspro-
gramme integriert ist.
Wir alle wissen, dass das griechische Wort „Nanos“
soviel wie „der Zwerg“ bedeutet. Fast jeder von uns weiß,
dass die mathematische Einheit „nano“ ein Milliardstel
bedeutet. Aber haben wir heute schon standardisierte Ver-
fahren für die Messung und Prüfung nanopartikulärer
Stoffe? Genau hier muss die Arbeit der Wissenschaftler
ansetzen, in deren Ergebnis wir über geeignete Prüf- und
Messmethoden für die Sicherheitsforschung verfügen.
Erst darauf aufbauend, können wir unsere derzeitige
Gesetzeslage zum Schutz der Gesundheit und zum Ar-
beitsschutz, das Chemikaliengesetz und auch die Alt-
stoffverordnungen, das Arzneimittel- und Medizinpro-
duktegesetz anpassen.
Ich bin meiner Verantwortung frühzeitig nachgekom-
men. Bereits im Jahr 2001 habe ich eine Kleine Anfrage
an die Bundesregierung mit auf den Weg gebracht, in der
ich den Stand und die Entwicklung der Nanotechnologie
kritisch hinterfragte, Drucksache 14/5443. Im Jahr 2004
gelang es meiner Arbeitsgruppe Bildung und Forschung
die Diskussion in der Fraktion zum Thema anzustoßen,
was letztendlich dazu führte, in einem Antrag an den
Deutschen Bundestag die Positionen der FDP aufzuzeigen
und klare Forderungen zu stellen, Drucksache 15/3074.
Als Obfrau im Bildungs- und Forschungsausschuss bin
ich auch für den Bereich der Technikfolgenabschätzung
verantwortlich. Insofern habe ich auch das TAB-Projekt
Nanotechnologie von Beginn an begleitet. Der überaus
interessante Bericht wurde vom Bundestag zur Kenntnis
genommen – und bestimmt in weiten Feldern unsere
politische Arbeit, Drucksache 15/2713.
Eine wirkliche, ressortübergreifende und in sich kon-
sistente Gesamtforschungsstrategie zur Nanotechnologie
ist auch aus unserer Sicht notwendig. Die „Nano-Initia-
tive – Aktionsplan 2010“, die die Bundesregierung im
Rahmen ihrer Hightech-Strategie auf den Weg gebracht
26034 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009
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hat, kann nur ein Anfang sein. Freiheit der Forschung im
Dienste des Menschen ist liberales Credo. Freiheit der
Forschung ist auch Verfassungsgrundsatz. Freiheit der
Forschung garantiert Wissens- und Erkenntnisgewinn für
Innovationen. Sie sind der eigentliche Reichtum unseres
Landes.
Dr. Petra Sitte (DIE LINKE): Die Expertenkommis-
sion Forschung und Innovation hat, beauftragt durch die
Bundesregierung, ihr zweites unabhängiges Gutachten
zu Forschung, Innovation und technologischer Leis-
tungsfähigkeit Deutschlands vorgelegt. Bemerkenswert
ist, dass man sich wiederum der Komplexität des The-
mas gestellt hat. Es werden Rahmenbedingungen zur
Stärkung der Innovationskraft Deutschlands betrachtet:
von der Kindertagesstätte über Schul-, Aus- und Hoch-
schul- bis zur lebenslangen Weiterbildung, von den
Akteuren bis zu Strukturen von Wissenschaftseinrich-
tungen, von Grundlagen- über anwendungsorientierte
Forschungsförderung durch spezifische staatliche Pro-
gramme bis zu spezifischen steuerlichen Anreizen der
Innovations- bzw. FuE-Förderung in Unternehmen.
Anfangs wird ganz klar festgestellt, dass Deutschland
die Zielsetzung – 3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes
in Forschung und Entwicklung zu investieren – verfeh-
len wird, sofern es beim bisherigen Herangehen bleibt.
Es finden sich auch alle der Öffentlichkeit längst be-
kannten Kritiken am Bildungssystem Deutschlands in
diesem Gutachten wieder: Unterfinanzierung, Qualitäts-
und Personalmangel, soziale Auslese mangels adäquater
Förderangebote und zusätzliche Hürden zwischen ein-
zelnen Bildungsabschnitten, um nur einige wesentliche
zu nennen.
Die Große Koalition hat daran in den letzten vier Jah-
ren nichts geändert. Von einer grundlegenden demokrati-
schen Bildungsreform mit sozialer Ausrichtung ist sie
weit entfernt.
Das Gutachten jedoch fordert zudem von der Politik
nachdrücklich, eine steuerliche Förderung von For-
schung und Entwicklung auf den Weg zu bringen. Die
Linke will sich dieser Debatte nicht verschließen, unter-
stützen wir doch auch Maßnahmen, die innovativen klei-
nen und mittelständischen Unternehmen bessere Per-
spektiven bieten. Gerade die ostdeutschen Bundesländer
leiten daraus attraktivere Entwicklungschancen ab.
Wir haben uns also gefragt, was steuerliche Förderung
für Forschung und Entwicklung bewirken kann. Dabei
hilft eine Analyse der Praxis in anderen Ländern. Deren
Ergebnisse geben Befürwortern von Steuersubventionen
keineswegs recht. Gerade Länder, die besonders viel in
Bildung und Grundlagenforschung investieren und keine
Steuerermäßigungen für Unternehmen gewähren, stehen
in der Summe ihres Innovationspotenzials, speziell auch
bei den industriellen FuE-Ausgaben besonders gut da –
Schweden, Finnland und die Schweiz etwa. Umgekehrt
schaffen es einige Länder seit Jahren nicht, trotz steuerli-
cher Förderung, bessere Ergebnisse zu erzielen, sondern
zeigen geringe, zum Teil weiter abnehmende FuE-Ausga-
ben – siehe Niederlande und Großbritannien. Von den
sechs OECD-Spitzenländern bei den FuE-Ausgaben nut-
zen lediglich zwei dieses Instrument. Die Hebelwirkung
steuerlicher Förderung kann also nicht universal belegt
werden. Vielmehr muss diese, eingebettet in das gesamte
innovationspolitische Umfeld, geprüft werden.
Rankings wie der „Innovationsindikator“ des BDI
zeigen, dass Deutschland verglichen mit anderen Indus-
trienationen vor allem in der Bildung nachholen muss.
Und wer Unternehmen Steuern erlässt, verschenkt eben
auch Mittel für Bildung und Ausbildung! Das von der
Forschungsministerin bevorzugte Steuermodell etwa
würde zwischen 4 und 5 Milliarden Euro pro Jahr kos-
ten. Um genau die gleiche Summe haben sich Bund und
Länder bei den Hochschul- und Forschungspakten nun
fast ein Jahr gestritten.
Die Unternehmen würden dieses Geld gern anneh-
men, jedoch kein eigenes investieren. Forschung und
Entwicklung gehören ohnehin zu den Kernaufgaben von
Unternehmen, um am Markt zu bestehen. Staatliche Un-
terstützung ließe sich nur dann begründen, wenn da-
durch ein deutlich überproportionaler Zuwachs an priva-
ten Forschungsaktivitäten erzielt werden könnte. Dies ist
jedoch nicht der Fall.
Lediglich in Höhe der Gutschrift würden die Steuer-
gutscheine zusätzliche private Forschungsmittel induzie-
ren, stellte ein international vergleichendes Gutachten im
Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums fest. Das
hieße, sie bekommen die Investitionen zu 100 Prozent
subventioniert. Aussagekräftiger kann die Mitnahme-
mentalität kaum belegt werden.
Die steuerliche Förderung von FuE stellt weder die
Arbeitsplatzbilanz noch sozial-ökologische Basisziele in
den Vordergrund, sondern ausschließlich die Steigerung
der Wertschöpfung. Nicht jede Innovation dient jedoch
der Allgemeinheit und sollte daher mit Steuermitteln ge-
fördert werden. Weder sichern oder schaffen Innovatio-
nen per se Arbeitsplätze, noch fördern sie stets wün-
schenswerte Entwicklungen. Bestes Beispiel ist etwa die
Pharmaindustrie, die mit Milliardenbeträgen Medika-
mente für erfundene Krankheitsbilder oder ausgewie-
sene Wohlstandskrankheiten entwickelt und bewirbt, nur
weil diese kaufkräftige Nachfrage abschöpfen, während
andere wichtige, globale Krankheiten vernachlässigt
werden. Die Linke zeigt in ihrem Antrag einen alternati-
ven Weg für die Pharmaentwicklung auf. Ja selbst Nano-
technologie, zu welcher ebenfalls Anträge gestellt wur-
den, muss differenziert bewertet werden.
Schließlich sind auch Waffensysteme, Sportwagen
oder Atomreaktoren Produkte, bei deren Entwicklung
Deutschland führend ist und die, folgt man den Empfeh-
lungen der Gutachter, steuerlich gefördert würden. Das
will die Linke nun ganz und gar nicht. Technologieunab-
hängige steuerliche Erleichterungen ohne jegliche Steue-
rungswirkung halten wir für höchst problematisch.
Politik steht in der Verantwortung, Forschungs- und
Technologieförderung an einer sozial und ökologisch
nachhaltigen, ergo gemeinnützigen Perspektive auszu-
richten.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 26035
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Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN): Wir befinden uns in der dramatischsten Wirt-
schaftskrise seit 1930. Die Wirtschaftskraft Deutsch-
lands bricht dieses Jahr um 6 Prozent ein. Die Menschen
sorgen sich um ihre Jobs, ihr Einkommen, ihre Zukunft.
Nur wenn wir jetzt massiv in Forschung und Entwick-
lung investieren, können wir es schaffen, stärker aus der
Krise herauszukommen, als wir hineingegangen sind.
Das sagen Sie, Damen und Herren von der Großen
Koalition, auch. Nur leider handeln sie nicht entspre-
chend.
Ihre Politik ist teilweise gespenstisch unvernünftig:
Sie stecken mit der Abwrackprämie 5 Milliarden Euro in
die Schrottplätze dieser Republik. Sie verpulvern 6 Mil-
liarden Euro in Einkommensteuersenkungen, die kon-
junkturell verpuffen, die Schulden in die Höhe treiben,
aber für die Innovationskraft dieses Landes gar nichts
bringen. Solche Maßnahmen sorgen dafür, dass wir nicht
stärker aus der Krise herauskommen, sondern schwä-
cher.
Die bisherige deutsche Forschungsförderung benach-
teiligt massiv kleine und mittlere Unternehmen. An-
tragsverfahren sind aufwendig und kompliziert. Viele in-
novative Ideen können nicht gefördert werden, weil es
kein entsprechendes Programm gibt. Kleine und mittlere
Unternehmen haben besonders große Schwierigkeiten,
Forschung und Entwicklung zu finanzieren.
Das Ergebnis: Kleine und mittlere Unternehmen be-
streiten nur 14 Prozent der Forschungs- und Entwick-
lungsausgaben der Wirtschaft in Deutschland, obwohl
sie einen Großteil aller Unternehmen ausmachen und das
Rückgrat der Wirtschaft bilden.
In Zeiten der Wirtschaftskrise fahren viele ihre For-
schungsbudgets noch weiter zurück. Eine aktuelle Um-
frage der Bertelsmann-Stiftung unter 2 500 Unterneh-
men zeigt dies auf dramatische Weise: Zwischen 2005
und 2007 haben noch 72 Prozent der Unternehmen in
Deutschland mindestens eine Produkt- oder Verfahrens-
neuerung eingeführt, bis 2010 planen nur noch 62 Pro-
zent der Unternehmen, weitere Neuerungen zu entwi-
ckeln. Das lässt einen Einbruch der Innovationstätigkeit
der Wirtschaft um 15 Prozent erwarten. Dabei brauchen
wir gerade jetzt mehr Innovationen, um die Wettbe-
werbsfähigkeit Deutschlands zu stärken und den Klima-
wandel aufzuhalten.
Deshalb wollen wir zusätzlich zur Projektförderung
eine Steuergutschrift für Forschung und Entwicklung
einführen, die folgende Eckpunkte umfasst: Anspruchs-
berechtigt sind alle Unternehmen bis zu einer Größe von
250 Mitarbeitern, unabhängig von der Rechtsform; die
Steuergutschrift beträgt 15 Prozent der nachgewiesenen
Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen; über-
steigt die Steuergutschrift die Steuerschuld, wird der ent-
sprechende Betrag an das Unternehmen ausgezahlt. Die
grüne Steuergutschrift verbessert nachhaltig die Mög-
lichkeiten für Unternehmen, Forschung und Entwicklung
zu finanzieren. Sie stimuliert breitenwirksam und ergeb-
nisoffen Innovationen und kommt auch jungen, innova-
tiven Unternehmen, die noch Verluste schreiben, zugute.
Wir Grünen haben damit die zentrale Empfehlung des
EFI-Gutachtens 2009 aufgegriffen und ein konkretes
Modell zur steuerlichen Forschungsförderung entwi-
ckelt, das heute zur Abstimmung steht. Was machen die
anderen Parteien?
Die FDP fordert in ihrem Wahlprogramm die Einfüh-
rung einer steuerlichen Förderung von Forschung und
Entwicklung, bleibt aber sehr allgemein und nebulös.
Leider gilt dies auch für ihren heute vorliegenden An-
trag. Das ist zuwenig. Wer es ernst mit steuerlicher For-
schungsförderung meint, muss sagen, welches konkrete
Modell er umsetzen und wie er es finanzieren will. Bis
2013 klafft ein gigantisches Loch von über 300 Milliar-
den Euro im Haushalt. Die FDP verspricht Einkommen-
steuersenkungen von 35 Milliarden. Damit verspielt die
FDP die letzten Fetzen finanzpolitischer Seriosität; das
Versprechen, zusätzlich Forschung im Steuersystem in
der Breite besserzustellen, ist alles andere als glaubwür-
dig.
Union und SPD haben zum Thema in den letzten Jah-
ren nichts vorgelegt oder verabschiedet, fordern aber nun
in ihren Wahlprogrammen eine steuerliche Forschungs-
förderung. Ministerin Schavan plädiert seit längerem für
steuerliche Forschungsförderung, aber erreicht hat sie
nichts. Aufnahme in die Konjunkturpakete? Fehlan-
zeige! Erarbeitung eines Konzeptes mit dem Koalitions-
partner? Fehlanzeige! Aufnahme eines konkreten Mo-
dells ins Wahlprogramm? Fehlanzeige! Nicht einmal
eine präzise Vorstellung, was sie persönlich will, hat sie
vorgelegt. Warme Worte und laue Absichtserklärungen
helfen niemandem. Wir brauchen entschlossenes Han-
deln, Frau Ministerin.
Wir Grünen sind die einzige politische Kraft, die mit
der Steuergutschrift ein konkretes Modell entwickelt hat,
das zielgenau und finanzierbar ist. Wer ernsthaft For-
schung und Entwicklung in kleinen und mittleren Unter-
nehmen einen Schub geben will, wer stärker aus der
Krise herauskommen will, wer jetzt die Voraussetzungen
für die Jobs von morgen schaffen will, der hat heute nur
eine Wahl: unserem grünen Antrag zuzustimmen.
Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
desministerin für Bildung und Forschung: Die Welt steht
vor großen Herausforderungen mit Deutschland als eine
führende Technologienation in der ersten Reihe. Wie
kann unser Land im globalen Wettbewerb bestehen? Wie
schaffen wir dauerhaft Arbeitsplätze? Woher kommt das
neue Wachstum? Gerade in der Krise nimmt der interna-
tionale Wettbewerb um Talente, um Technologien und
Marktführerschaft an Härte zu. Nehmen Sie nur das Bei-
spiel Korea, das seine Forschungsausgaben bis 2011 auf
5 Prozent des BIP steigern will. Auch der amerikanische
Präsident Obama hat Ende April sein 3-Prozent-Ziel für
Forschung und Wissenschaft ausgerufen. Er will Innova-
tionen für Klima, Energie und Gesundheit massiv – auch
durch den Einsatz enormer staatlicher Mittel – vorantrei-
ben.
Was bedeutet das für uns? Investitionen und verbes-
serte Rahmenbedingungen für Bildung und Ausbildung,
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für ein gestärktes Wissenschaftssystem und für mehr
Forschung und Innovation sind die beste Krisenpolitik.
Sie sind die Grundlage für sichere und zukunftsfähige
Arbeitsplätze. Wer jetzt an Forschung und Innovation
spart, verschenkt ein Stück Zukunft.
Deutschland steht im internationalen Vergleich noch
sehr gut da – noch! In keinem anderen Industrieland ist
der Anteil der forschungsintensiven Industrien und wis-
sensbasierten Dienstleistungen an der Wertschöpfung
höher als in Deutschland. Dieser Vorsprung lebt von
zwei Ressourcen: von den Menschen und ihren Ideen.
Wir haben eine herausragende Forschungs- und Wissen-
schaftslandschaft sowie hochinnovative Unternehmen.
Diese Bundesregierung hat Maßgebliches geleistet,
um diesen Vorsprung zu sichern und auszubauen.
Deutschland investiert wieder mehr in FuE. Seit 2005
haben wir die staatlichen Ausgaben für FuE um rund
3 Milliarden Euro erhöht, von 9 Milliarden auf rund
12 Milliarden Euro in 2009. Zusätzlich werden im Rah-
men der Konjunkturpakete für 2009 bis 2011 weitere
Mittel für FuE bereitgestellt.
Es ist uns gelungen, allein das Budget des Bildungs-
und Forschungsministeriums um 35 Prozent zu steigern.
An dieser Stelle ein expliziter Dank an die Kolleginnen
und Kollegen aus den Koalitionsfraktionen – an erster
Stelle den Bildungs- und Forschungspolitikern und na-
türlich unseren Haushältern!
Dass wir auf dem richtigen Weg sind, bestätigt uns
auch die Expertenkommission Forschung und Innova-
tion, EFI, deren Bericht uns heute vorliegt. Sie beschei-
nigt dem deutschen Innovationssystem internationale
Wettbewerbsfähigkeit und der Bundesregierung mit
Blick auf die Hightech-Strategie die Herausforderungen
erkannt und die richtige Initiative ergriffen zu haben.
Die Experten stellen aber auch fest: Angesichts der
aktuellen Prioritätensetzung auf Forschung und Innova-
tion weltweit müssen wir jede Anstrengung – auch fi-
nanzieller Ressourcen – wagen, um am Ende der aktuel-
len Herausforderungen wettbewerbsfähiger zu sein als
vorher. Eine große Tageszeitung überschrieb letzten
Sonntag einen Artikel mit dem Credo: „Du sollst nicht
an der Forschung sparen!“.
Diesem Credo schließe ich mich an. Wir brauchen
eine Stabilisierung der Forschungsaufwendungen beim
Staat und in der Wirtschaft und eine nach vorne gerich-
tete Forschungs- und Innovationspolitik.
Dabei benötigen wir vor allem ein innovationsfreund-
licheres Steuersystem: Zu einem Gesamtpaket gehören
Verbesserungen, die den in Deutschland noch nicht genug
entwickelten Wagniskapitalmarkt für junge innovative
Unternehmen beleben ebenso wie die Einführung einer
steuerlichen Förderung von Forschungs- und Entwick-
lungsausgaben. Die beiden Oppositionsanträge zur steu-
erlichen FuE-Förderung zeigen – auch wenn sie in ihren
Darstellungen für die Koalitionsfraktionen nicht zustim-
mungsfähig sind –, dass wir hier ein gemeinsames Projekt
für die nächste Legislaturperiode haben. Dieses Projekt
sollten wir mit den Fachleuten zügig zur Entscheidungs-
reife bringen und in der nächsten Legislaturperiode
schnell umsetzen.
Vor allem aber müssen wir das Erfolgsmodell „High-
tech-Strategie“ mit seinem ressort- und fachpolitiküber-
greifenden Ansatz konsequent fortführen. Denn neuer
Wohlstand entsteht dort, wo für die bedeutenden Heraus-
forderungen unserer Zeit Lösungen gefunden werden:
Gesundheit/Ernährung, Klima und Energie, Sicherheit,
und nachhaltige Mobilität.
Hierbei werden wir aber nur dann erfolgreich sein
können – das bestätigen alle Experten –, wenn wir stark
in den Treibertechnologien sind und diese in Deutsch-
land gezielt fördern. Hierzu gehören die optische Tech-
nologie, die Mikro- und Werkstofftechnologie sowie in-
novative Produktionstechnologien. Dazu gehören aber
auch die Bio- und Nanotechnologie. In der Nanotechno-
logie arbeiten in Deutschland über 60 000 Menschen in
rund 750 Unternehmen und haben in 2007 einen Umsatz
von 33 Milliarden Euro erwirtschaftet. Das Weltmarkt-
volumen für nanooptimierte Produkte wird für das Jahr
2015 auf 3 Billionen US-Dollar geschätzt. Lassen Sie
uns dieses Potenzial für Deutschland nutzen.
Nicht dass Sie mich falsch verstehen, ich möchte hier
nicht einer ungebremsten Technikgläubigkeit das Wort
reden. Wo Risiken durch und bei der Entwicklung neuer
Produkte entstehen können, müssen wir diese klären und
soweit wie möglich ausschließen. Hier können wir für
mögliche neue Produkte auf bewährte rechtliche Rege-
lungen wie das Arzneimittelrecht zurückgreifen. Die
Klärung möglicher „Nebenwirkungen“ von Nanopro-
dukten muss auch bei der Forschungsförderung ange-
messen berücksichtigt werden; das ist doch selbstver-
ständlich. Das BMBF tut dies bereits durch Projekte wie
„Nanocare“, dessen Ergebnisse wir vor kurzem vorstel-
len konnten.
Aber wer nur Risiken sieht und unseren Spitzenwis-
senschaftlern vermittelt, dass die Chancen und Ergeb-
nisse ihrer Forschung eher unerwünscht sind, sendet das
eindeutig falsche Signal. Wir brauchen Risikoforschung,
aber vor allem brauchen wir „Chancenforschung“ in die-
sen wichtigen Technologiefeldern.
In dem vorliegenden Bericht der Bundesregierung
„Forschung und Innovation für Deutschland“ werden die
Maßnahmen und Leitlinien der Innovationspolitik dieser
Bundesregierung, die die besondere Handschrift unserer
Forschungsministerin Annette Schavan tragen, im Detail
dargestellt. Die Erfolge der Hightech-Strategie sind un-
übersehbar. Jetzt müssen wir konsequent nach vorne bli-
cken und das Begonnene zielstrebig weiterentwickeln.
Das Ziel heißt nicht nur Bildungsrepublik, sondern auch
„Wissen- und Innovationsrepublik Deutschland“. Der
Weg ist eine übergreifende und gebündelte Innovations-
strategie, die Wirtschaft und Wissenschaft verbindet und
Forschungsförderung in einem ganzheitlichen Ansatz
mit Rahmenbedingungen zusammenführt.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 26037
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Anlage 11
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung der Beschlussempfehlung und des
Berichts und zu den Anträgen:
– Moratorium für die elektronische Gesund-
heitskarte
– Das Recht auf informationelle Selbstbestim-
mung bei der Einführung der elektronischen
Gesundheitskarte gewährleisten
(Tagesordnungspunkt 15)
Dr. Rolf Koschorrek (CDU/CSU): Lassen Sie mich
zu Beginn noch einmal zusammenfassen, worüber wir
hier, an einem der letzten Sitzungstage des Bundestages
in der 16. Legislaturperiode, debattieren: Die FDP for-
dert ein Moratorium der E-Card, bis die optimale Daten-
sicherheit gewährleistet sei, die nach ihrer Auffassung
zum heutigen Stand noch nicht erreicht sei. Bündnis 90/
Die Grünen fordern die Einhaltung des Datenschutzes
und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.
Das für Versicherte bzw. Patienten geltende Prinzip der
Freiwilligkeit müsse auch für die Leistungserbringer gel-
ten. Ihre gemeinsame Forderung bei der Beratung der
Anträge im Gesundheitsausschuss war es, eine Anhö-
rung zum Thema durchzuführen. In dieser Anhörung,
die am 25. Mai dieses Jahres stattfand, gaben Sachver-
ständige von 17 Verbänden sowie sechs Einzelsachver-
ständige aus dem Gesundheitsbereich und dem Daten-
schutz ihre Stellungnahmen ab.
Verkürzt und zusammengefasst lautet das Ergebnis der
Anhörung: Die überwiegende Mehrzahl der Verbände
und Sachverständigen, ausdrücklich auch die Daten-
schutzexperten, sehen die Datensicherheit weitestgehend
und mit allen uns zur Verfügung stehenden Instrumenten
als gewährleistet an. Es wurde bestätigt, dass das vorlie-
gende Konzept der E-Card den Anforderungen eines mo-
dernen Datenschutzes unter rechtlichen wie technischen
Gesichtspunkten entspricht. Ob dezentrale oder zentrale
Datenspeicherung, sei für die Datensicherheit unerheb-
lich. Es wurde festgestellt, die E-Card sei um ein Vielfa-
ches – genau gesagt hieß es zwanzigmal – sicherer als die
Karten und Sicherheitsvorkehrungen von Banken. Ab-
weichend davon sieht nur der Chaos-Computer-Club
noch einen Verbesserungsbedarf bei den Sicherheits-
anforderungen, den man in einer Frist von einem Jahr er-
füllen könnte.
Die Ausdehnung des Freiwilligkeitsprinzips für die
Leistungserbringer wird vor allem von der Ärzteschaft
gefordert: KBV, BÄK, BZÄK.
Selbst die Fachleute und ausgewiesenen Experten, die
von Berufs wegen sehr verantwortungsbewusst und kri-
tisch überwachen, ob und wie der Datenschutz für die
Bürger in unserem Land gewährleistet ist, und die immer
wieder kritisch durchleuchten und kontrollieren, ob die
Datensicherheit in allen Bereichen unserer Gesellschaft
gegeben ist, plädieren für die Einführung der e-GK. Die-
ses Ergebnis der Anhörung muss Sie, liebe Kolleginnen
und Kollegen der FDP und von Bündnis 90/Die Grünen,
doch nachdenklich machen. Es zeigt Ihnen, wie wenig
substanziell ihre Forderungen eigentlich sind. Es ist
allzu offensichtlich, dass ihre Anträge, die Sie kurz vorm
Ende der Legislaturperiode eingebracht haben, an den
Haaren herbeigezogen sind. Sie sind offenbar dem anste-
henden Wahlkampf geschuldet.
Wir sind uns darüber einig und es ist unbestreitbar
Konsens aller Fraktionen hier im Bundestag wie auch al-
ler Akteure im Gesundheitswesen, dass der Umgang mit
den Gesundheitsdaten ganz besonderer Sorgfalt bedarf
und deshalb größtmögliche Datensicherheit im Umgang
mit der E-Card gewährleistet sein muss. Wenn ich in die-
sem Zusammenhang von größtmöglicher Datensicher-
heit spreche, so deshalb, weil eine absolut vollkommene
Datensicherheit auch bei der Verwendung herkömmli-
cher Aufzeichnungen, zum Beispiel auf Karteikarten,
allein vor dem Hintergrund, dass diese gestohlen werden
können, nie und nirgends gegeben ist. Der Bundes-
beauftragte für den Datenschutz sieht die Einführung der
E-Card sogar als eine gute Chance, damit eine generelle
Verbesserung des Datenschutzniveaus in unserem Ge-
sundheitswesen zu erreichen.
Weil wir die Datensicherheit sehr ernst nehmen, wurde
die E-Card in enger Abstimmung mit dem Bundesbeauf-
tragten für den Datenschutz entwickelt. Der Datenschutz-
beauftragte wird auch in die weitere Entwicklung und
Anwendung der elektronischen Gesundheitskarte einge-
bunden sein, uns unterstützen und bewährt kritisch kon-
trollieren. Um den hohen Anforderungen der Datensi-
cherheit und des Datenschutzes in vollem Umfang zu
entsprechen, wurde ja auch die ursprünglich schon für das
Jahr 2006 geplante flächendeckende Einführung der
E-Card verschoben. Denn damals zeigten die Testergeb-
nisse noch viele Unzulänglichkeiten, die zwischenzeit-
lich behoben worden sind. Das ist auch Ihnen bekannt.
Es ist absolut abwegig und irreführend, trotzdem von ei-
ner übereilten Einführung der E-Card zu sprechen. Da die
Datensicherheit der E-Card höchsten Anforderungen ent-
spricht, gibt es keinen Anlass, das Vorhaben aus den von
Ihnen vorgetragenen Gründen zu stoppen. Unter wirt-
schaftlichen und finanziellen Aspekten wäre ein Stopp
sogar insofern unverantwortlich, als sowohl die Selbst-
verwaltung, die Krankenkassen und die kassenärztlichen
Vereinigungen als die Industrie bereits beträchtliche In-
vestitionen getätigt haben und entsprechende Verpflich-
tungen, die zu hohen Schadenersatzforderungen führen
würden, eingegangen sind.
Die in der Anhörung zu Wort gekommenen Gutachter
haben uns in der Überzeugung bestärkt, dass die elektro-
nische Gesundheitskarte in einem modernen Gesund-
heitssystem unverzichtbar ist. Wir brauchen die elek-
tronische Gesundheitskarte, damit die medizinischen
Fortschritte und vor allem die Fortschritte der Medizin-
technik in vollem Umfang und zum Vorteil der Patienten
genutzt werden können.
Die Probleme bei der Einführung der E-Card liegen
– das bestätigte uns die Anhörung ebenfalls – nicht im
Bereich der Informationstechnik und der Datensicher-
heit. Die Probleme bestehen vielmehr bei der Akzeptanz
der E-Card in der Ärzteschaft. So forderte Professor
26038 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009
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Dr. Christoph Fuchs für die Bundesärztekammer, es
müsse noch verstärkte Überzeugungsarbeit zum Abbau
von Vorbehalten und Misstrauen bei den Ärzten geleistet
werden, weil der Nutzen der e-GK vielen Ärzten noch
nicht klar sei. Ich bin deshalb derselben Auffassung, die
in der Expertenanhörung unter anderem auch von der
KZBV und ihrem Gutachter Dr. Günther Buchholz vor-
gebracht wurde: Man wird in Zukunft die elektronische
Kommunikation auch vermehrt im Gesundheitswesen
benötigen, aber man braucht Zeit, um die Leistungsan-
bieter, vor allem die Ärzte, damit vertraut zu machen.
Wie wir ebenfalls in der Anhörung bestätigt bekamen,
stehen die Apotheker dem Vorhaben E-Card bereits posi-
tiv gegenüber. Das von der Ärzteschaft geforderte
Prinzip der Freiwilligkeit ist allerdings eine Forderung,
die mit dem Ziel einer flächendeckenden Einführung der
E-Card für alle Versicherten respektive Patienten, wie
sie bereits seit dem Jahr 2004 beschlossen und im SGB
V verankert ist, nicht vereinbar ist.
Um keine Missverständnisse entstehen zu lassen,
möchte ich in diesem Zusammenhang wiederholen: Es
ist und bleibt vollkommen unbestritten und wird auch
von niemandem in Frage gestellt, dass die Patienten sel-
ber und in eigener Verantwortung darüber entscheiden,
in welchem Umfang Daten gespeichert oder gelöscht
werden sollen und wem sie diese Daten zugänglich ma-
chen wollen. Für den Versicherten gilt das Prinzip der
Freiwilligkeit. Jeder Versicherte muss wissen, dass es al-
lein seine persönliche und freiwillige Entscheidung ist,
welche Daten gespeichert sind und wer sie lesen kann.
Ich halte es aber für eine unrealistische Forderung, dass
es darüber hinaus den Arztpraxen freigestellt sein soll,
an der Nutzung der E-Card teilzunehmen oder nicht. Es
liegt auf der Hand, dass dies nicht funktionieren kann.
Die Informationstechnik wird in allen Lebens-
bereichen immer wichtiger, auch in der Medizin. Wir
müssen nach meiner Überzeugung auf der Hut davor
sein, dass viele sich durch die langwierige Diskussion
um die E-Card auf eine Skepsis und Ablehnung gegen-
über der Informationstechnik versteifen. Während sich
die Debatte bei uns seit Jahren um die Einführung und
Nutzung der E-Card dreht, schenken wir den Fortschrit-
ten und Chancen der Telemedizin viel zu wenig Auf-
merksamkeit. Wir lehnen die Anträge ab.
Eike Hovermann (SPD): Ich will an dieser Stelle
Herrn Dr. Zipperer zitieren, der sich in der öffentlichen
Anhörung zur elektronischen Gesundheitskarte folgen-
dermaßen äußerte: „Es werden im Zusammenhang mit
der Chipkarte sehr oft entwicklungsbremsende Beden-
ken vorgetragen …“ Glauben Sie wirklich, werte Kolle-
gen und Kolleginnen von der Opposition, dass die Chip-
karte und ihre Entwicklung durch ein Moratorium
aufzuhalten oder zu verbessern ist? Ich sage nein. Im
Gegenteil, die Entwicklungen im technischen Bereich
schreiten europa- und weltweit stürmisch voran, die Si-
cherheitsaspekte werden vermehrt umgesetzt, und das
alles zum Nutzen von Beitragszahlern und Patienten.
All die – wie Herr Dr. Zipperer schon sagte – ent-
wicklungsbremsenden Bedenken schaden nur und kos-
ten Geld, was völlig unnötig ist und im Grunde ja auch
nichts verbessern kann, weil sich Verbesserungen immer
nur aus den Erfahrungen in der Realität ergeben können.
Nur mithilfe der Realität ist auch zu evaluieren. Wir sind
auch hier in einem lernenden System, innerhalb dessen
die Datenschutzvorschriften des § 291a SGB V ständig
in dem Maße nachjustiert werden müssen, wie sich der
technische Fortschritt weiterentwickelt.
Welchen Nutzen hat die Karte? Erstens. Versiche-
rungsbetrügereien in Millionenhöhe werden eingeengt.
Zweitens. In Deutschland gibt es laut Experten pro Jahr
16 000 Todesfälle aufgrund von unüberschaubaren Mehr-
facheinnahmen von Medikamenten. Insbesondere bei äl-
teren, multimorbiden Menschen kann das zunehmend
verhindert werden, wenn mittels Chipkarte eine sinnvolle
Zusammenarbeit zwischen Apotheken, Ärzten und Pa-
tienten entsteht.
Drittens. Die Karte kann im Notfall Leben retten. Da
ist übrigens auch ein Foto in der Chipkarte ein wichtiger
Baustein und für die Identifikation von großer Bedeu-
tung.
Viertens. Und was die Sicherheit betrifft, war diese im
alten Versicherungskartensystem so löchrig wie der be-
rühmte Schweizer Käse. Wer hier von der neuen Gesund-
heitskarte hundertprozentige Sicherheit verlangt, orien-
tiert sich nicht an der Realität des Versorgungsalltags.
Wer diese Sicherheitsargumentation dennoch extensiv
und abwehrend nutzt, spielt mit den Ängsten der Patien-
ten und hilft ihnen letztlich nicht, sondern schadet sogar.
Erinnert sei in diesem Zusammenhang insbesondere
daran, dass das Angstszenario vom gläsernen Patienten
von manchem Leistungserbringer vorgebracht wird, der
nicht so gerne den gläsernen Arzt haben möchte. Denn
im Zuge der Chipkarte werden natürlich auch Diagnosen
und Therapieresultate auf Dauer einem höheren Druck in
Bezug auf Qualität und Transparenz ausgesetzt sein,
wenn der Patient dies will.
Erinnert werden soll mit der Chipkarte auch an einen
der beliebtesten Paragrafen des SGB V: § 140, inte-
grierte Versorgung. Ohne eine intelligente Chipkarte und
ohne die aus ihr hervorgehende elektronische Patienten-
akte ist integrierte Versorgung nicht möglich.
Daher ist es wichtig, dass wir nicht nur in Deutsch-
land, sondern EU- und weltweit am Einsatz der elektro-
nischen Gesundheitskarte festhalten und uns nicht von
entwicklungsbremsenden Bedenkenträgern irremachen
lassen, die derzeit eher den Wahlkampf vor Augen haben
als die verbesserte Versorgung von Patienten.
Am Ende soll eine Gefahr nicht unerwähnt bleiben:
Im Zuge neuer Vertragsmöglichkeiten – ich erinnere hier
nur an den § 73 b SGB V – wird die Gefahr von Insellö-
sungen groß. Dieser Gefahr gilt es ständig mit großer Auf-
merksamkeit entgegenzuwirken, damit insbesondere sek-
torübergreifende Versorgungen endlich auch technisch
möglich werden und die bisher feststellbare große Zu-
stimmung von Versicherten zur Einführung der Chip-
karte anhält und wächst.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 26039
(A) (C)
(B) (D)
Eike Hovermann (SPD): Ich will an dieser Stelle
Herrn Dr. Zipperer zitieren, der sich in der öffentlichen
Anhörung zur elektronischen Gesundheitskarte folgen-
dermaßen äußerte: „Es werden im Zusammenhang mit
der Chipkarte sehr oft entwicklungsbremsende Beden-
ken vorgetragen …“ Glauben Sie wirklich, werte Kolle-
gen und Kolleginnen von der Opposition, dass die Chip-
karte und ihre Entwicklung durch ein Moratorium
aufzuhalten oder zu verbessern ist? Ich sage nein. Im
Gegenteil, die Entwicklungen im technischen Bereich
schreiten europa- und weltweit stürmisch voran, die Si-
cherheitsaspekte werden vermehrt umgesetzt, und das
alles zum Nutzen von Beitragszahlern und Patienten.
All die – wie Herr Dr. Zipperer schon sagte – ent-
wicklungsbremsenden Bedenken schaden nur und kos-
ten Geld, was völlig unnötig ist und im Grunde ja auch
nichts verbessern kann, weil sich Verbesserungen immer
nur aus den Erfahrungen in der Realität ergeben können.
Nur mithilfe der Realität ist auch zu evaluieren. Wir sind
auch hier in einem lernenden System, innerhalb dessen
die Datenschutzvorschriften des § 291a SGB V ständig
in dem Maße nachjustiert werden müssen, wie sich der
technische Fortschritt weiterentwickelt.
Welchen Nutzen hat die Karte? Erstens. Versiche-
rungsbetrügereien in Millionenhöhe werden eingeengt.
Zweitens. In Deutschland gibt es laut Experten pro Jahr
16 000 Todesfälle aufgrund von unüberschaubaren Mehr-
facheinnahmen von Medikamenten. Insbesondere bei äl-
teren, multimorbiden Menschen kann das zunehmend
verhindert werden, wenn mittels Chipkarte eine sinnvolle
Zusammenarbeit zwischen Apotheken, Ärzten und Pati-
enten entsteht.
Drittens. Die Karte kann im Notfall Leben retten. Da
ist übrigens auch ein Foto in der Chipkarte ein wichtiger
Baustein und für die Identifikation von großer Bedeu-
tung.
Viertens. Und was die Sicherheit betrifft, war diese im
alten Versicherungskartensystem so löchrig wie der be-
rühmte Schweizer Käse. Wer hier von der neuen Gesund-
heitskarte hundertprozentige Sicherheit verlangt, orien-
tiert sich nicht an der Realität des Versorgungsalltags.
Wer diese Sicherheitsargumentation dennoch extensiv
und abwehrend nutzt, spielt mit den Ängsten der Patien-
ten und hilft ihnen letztlich nicht, sondern schadet sogar.
Erinnert sei in diesem Zusammenhang insbesondere
daran, dass das Angstszenario vom gläsernen Patienten
von manchem Leistungserbringer vorgebracht wird, der
nicht so gerne den gläsernen Arzt haben möchte. Denn
im Zuge der Chipkarte werden natürlich auch Diagnosen
und Therapieresultate auf Dauer einem höheren Druck in
Bezug auf Qualität und Transparenz ausgesetzt sein,
wenn der Patient dies will.
Erinnert werden soll mit der Chipkarte auch an einen
der beliebtesten Paragrafen des SGB V: § 140, inte-
grierte Versorgung. Ohne eine intelligente Chipkarte und
ohne die aus ihr hervorgehende elektronische Patienten-
akte ist integrierte Versorgung nicht möglich.
Daher ist es wichtig, dass wir nicht nur in Deutsch-
land, sondern EU- und weltweit am Einsatz der elektro-
nischen Gesundheitskarte festhalten und uns nicht von
entwicklungsbremsenden Bedenkenträgern irremachen
lassen, die derzeit eher den Wahlkampf vor Augen haben
als die verbesserte Versorgung von Patienten.
Am Ende soll eine Gefahr nicht unerwähnt bleiben:
Im Zuge neuer Vertragsmöglichkeiten – ich erinnere hier
nur an den § 73 b SGB V – wird die Gefahr von Insellö-
sungen groß. Dieser Gefahr gilt es ständig mit großer Auf-
merksamkeit entgegenzuwirken, damit insbesondere sek-
torübergreifende Versorgungen endlich auch technisch
möglich werden und die bisher feststellbare große Zu-
stimmung von Versicherten zur Einführung der Chip-
karte anhält und wächst.
Dr. Konrad Schily (FDP): Das Ganze eines Pro-
blemzusammenhangs spiegelt sich immer auch in seinen
Teilen. Die Widersprüche, Ungereimtheiten und Schwie-
rigkeiten, die sich bei einem einzelnen Teil ergeben, le-
gen nicht nur die Annahme nahe, dass das Teil nicht
passgenau konstruiert wurde, sondern sie können auch
darauf hinweisen, dass das Ganze, das System, falsch
angelegt ist. An den Schwierigkeiten, Widersprüchen
und Ungereimtheiten, die wir bei der Entwicklung und
Einführung der elektronischen Gesundheitskarte zu kon-
statieren haben, zeigen sich meines Erachtens die systema-
tischen Fehler in der Gestaltung des gesamten Gesund-
heitssystems, wie es von der großen Koalition angelegt
worden ist.
Gewollt von der Politik war eine informationstechno-
logische Lösung, die die Administration in der Kranken-
versorgung vereinfachen, die Therapie durch das Vorhalten
von Krankendaten unterstützen, den Datenfluss zwi-
schen den an der Versorgung Beteiligten beschleunigen
und vieles andere mehr bewirken sollte. Dies alles sollte
die Kosten gegenüber dem jetzigen Aufwand senken und
zudem alle Forderungen im Sinne der Datensicherheit
und des individuellen Datenschutzes erfüllen.
Was wissen wir heute, oder genauer: Was wissen wir
heute alles nicht, obwohl wir als Mitglieder des Gesund-
heitsausschusses doch – wenn auch in der Opposition –
relativ nahe an der Problemlösung sein müssten? Wir
wissen nicht, ob die Datensicherheit gegeben ist, ob die
Kosten der Dokumentationsabläufe gesenkt werden – ei-
niges spricht hier für eine Erhöhung – wir wissen nicht, ob
überhaupt etwas vereinfacht wird. Einiges deutet auf das
Gegenteil hin. So offenbaren die Ergebnisse beim Flä-
chentest der elektronischen Gesundheitskarte, dass die
anvisierte Möglichkeit der digitalen Kommunikation
zwischen den Ärzten auf Basis der elektronischen Ge-
sundheitskarte nicht in ausgereifter Form zur Verfügung
steht. Darüber hinaus scheint die Prozedur der elektroni-
schen Rezeptausstellung doppelt so viel Zeit zu bean-
spruchen, wie dies bei einem handschriftlich ausgestell-
ten Rezept der Fall ist. Zudem ist die Eintragung von
Notfalldaten bei der digitalen Variante kompliziert und
zeitaufwendig.
Wir dürfen annehmen, dass die informationstechnische
Konzeption der elektronischen Gesundheitskarte vor etwa
26040 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009
(A) (C)
(B) (D)
fünf Jahren erfolgte, und jeder weiß, dass der Stand der In-
formationstechnologie heute gegenüber diesem Zeitraum
weit fortgeschritten ist. Nicht anders ist es für mich zu er-
klären, warum noch über persönliche Identifikationszah-
len, PIN, nachgedacht wird und ob sie fünf- oder sieben-
stellig sein sollen oder ob die Karte mit oder ohne
Lichtbild Gültigkeit haben soll. Es gibt seit einiger Zeit
technische Identifikationsverfahren, über das Muster unse-
rer Hohlhandvenen, die technisch einfach, fertig entwi-
ckelt und absolut fälschungssicher sind. Im Bankbereich
und an anderen Stellen halten diese Verfahren bereits Ein-
zug. Nebenbei bemerkt: Diese Verfahren sind so eindeutig
wie unser Gencode, nur technisch viel einfacher, und sie
lassen keinerlei Rückschlüsse auf kontextfremde Zusam-
menhänge zu.
Auch über die Kosten wissen wir nichts Genaueres.
Weder über die Summen, die bereits bisher in die Ent-
wicklung der elektronischen Gesundheitskarte investiert
worden sind, noch über die zu erwartenden Kosten und
die Dauer der Einführung der Karte. Hier gehen die
Schätzungen seitens der Firma GEMATIK von einer Ver-
doppelung der Kosten aus, also auf etwa 3 Milliarden
Euro; schlimmstenfalls – so eine weniger optimistische
Einschätzung – könnten sich die Kosten bis auf 14,1 Mil-
liarden Euro steigern und die Einführung sich über acht
bis zehn Jahre hinstrecken. So kann man es zumindest der
Presse entnehmen. Wenn dem so ist – dem scheint so zu
sein – werden wir für eine horrende Geldsumme der Ver-
sicherten oder der Steuerzahler ein technisch völlig ver-
altetes System in einigen Jahren installiert haben. Sieht so
sachdienliche und verantwortungsvolle Gesundheitspoli-
tik aus? Dies alles spricht für sich und für ein Morato-
rium, das heißt ein Einhalten und Nachdenken bei der
Einführung der elektronischen Gesundheitskarte.
Fragen wir uns nach den Gründen dieser Entwicklung,
so erkennen wir, dass das gesamte Gesundheitssystem in
seiner zunehmenden Ausrichtung auf eine einheitliche
und staatlich gelenkte Krankenversorgung den Webfeh-
ler im Teil und im Ganzen aufweist. „Der Staat ist der
Hüter der sozialen Marktwirtschaft“, so Bundeskanzle-
rin Merkel heute Vormittag in ihrer Regierungserklä-
rung. Ich zitiere dies aus dem Gedächtnis. Sie hätte fort-
fahren können: Wenn der Staat aber selber Unternehmer
wird, gibt er seine Hüterfunktion auf und unterläuft die
Gesetze der freien Marktwirtschaft. Unternehmen, die
am Markt agieren, müssen sich am Markt bewähren.
Und ich habe lang genug ein freigemeinnütziges Kran-
kenhaus mit geleitet, um zu wissen, dass hier die Markt-
bewährung nicht nur über den Preis geschieht, sondern
dass die vielfältigsten Faktoren, harte und weiche – zum
Beispiel technische Ausstattung einerseits und Zuwen-
dung zu Patientinnen und Patienten andererseits –, je-
weils für sich genommen und auch und in ihrer Kombi-
nation, eine erhebliche Rolle bei der Bewährung am
Markt spielen. Der Staat trifft aber immer machtpoliti-
sche Entscheidungen und drängt als Unternehmer, wie
alle Unternehmen, zum Monopol. Dem Staat gegenüber
hat die beste Kartellbehörde keine Chance.
Die Vermengung wirtschaftlicher Aktivitäten mit der
Politik und insbesondere mit politischen Ideologien ist
der Webfehler des Ganzen in der Gesundheitspolitik,
und der Webfehler zeigt sich eben auch in der Frage der
Einführung der elektronischen Gesundheitskarte. Letzt-
lich führt die staatliche Ausrichtung des Gesundheitssys-
tems dazu, dass die einzelnen Menschen dem System
unterworfen werden und nicht die Systeme sich dem
Menschen anpassen müssen. Die Favorisierung staats-
zentrierter Politik führt dazu, dass man nicht bemerken
will oder kann, wie sehr der beschrittene Weg in die fal-
sche Richtung führt. Weil man hier Widerspruch fürch-
tet, macht man die Dinge intransparent und legt man die
Kosten nicht offen; ich habe das eingangs erwähnt.
Unfreiheit ist eben fortschrittsfeindlich. Die „Töchter
der Freiheit: Wohlstand und Bildung“ – so Rudolf
Virchow – können in der Unfreiheit nicht gedeihen.
Rudolf Virchow, der große Pathologe des 19. Jahrhun-
derts, stand ganz im Fortschrittsglauben seiner Zeit. Er
glaubte, dass die Medizin eines Tages reine Naturwis-
senschaft werde und einen wichtigen Beitrag zur Lösung
der Probleme des Proletariats leisten könne. In gewisser
Weise begriff er die Medizin als eine soziale Wissen-
schaft. Entsprechend diesem Gedanken war Politik für
ihn nichts anderes als Medizin im Großen. Bismarck,
sein Zeitgenosse, richtete seine Sozialgesetzgebung an
jenen Menschen aus, die zum großen Teil weder lesen
noch schreiben konnten.
Über 100 Jahre später leben wir in einer völlig anderen
Situation; aber es scheint mir, dass gewisse Ideologien
sich aus dieser Zeit erhalten haben. Gleichwohl ist der
Fortschrittsoptimismus, der im 19. Jahrhundert noch große
Hoffnungen erregte, heute arg ramponiert. Die Welt nach
Hiroshima sieht eben anders aus als vorher. Rudolf
Virchow würde heute aus seinem großen liberalen und
sozialen Engagement heraus die technische Normierung
der Gesellschaft in jeder Hinsicht bekämpfen.
Ein Letztes: Wir dürfen annehmen, dass technische
Lösungen auch bei der elektronischen Gesundheitskarte,
die den verschiedensten Forderungen gerecht würden, in
einem freien Gesundheitswesen bereits angewendet und
ständig weiterentwickelt werden. Ein Vorteil wäre, dass
wir verschiedenste Lösungen hätten, deren Vor- und
Nachteile die Einzelnen abwägen könnten. Dies alles
verhindert der Monopolunternehmer Staat. Deshalb: ein
Moratorium für die elektronische Gesundheitskarte!
Im Hinblick auf den Antrag der Fraktion Bündnis 90/
Die Grünen darf ich darauf hinweisen, dass diese Fraktion
der Einführung der elektronischen Gesundheitskarte da-
mals zugestimmt hat. Nun wurde auch seitens der Grünen
erkannt, dass damit gewichtige Probleme einhergehen, die
in keiner Weise gelöst sind. Der FDP-Antrag ist viel
grundsätzlicher; deshalb werden wir uns bei der Abstim-
mung über den Antrag von Bündnis 90/Die Grünen der
Stimme enthalten.
Frank Spieth (DIE LINKE): Es gibt keine Daten, die
zu 100 Prozent sicher sind. Alles, was irgendwo gespei-
chert ist, kann gehackt werden. Und viele Daten, insbe-
sondere persönliche Daten, wecken Begehrlichkeiten.
Zu den sensibelsten Daten, die über jeden von uns ge-
speichert sein können, gehören Daten über Krankheiten
und Lebensgewohnheiten. Genau um diese Daten geht
es heute.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 26041
(A) (C)
(B) (D)
Wenn nun die Bundesregierung 80 Millionen dieser
Datensätze auf einigen wenigen zentralen Servern spei-
chern will, ist dies ein höchst riskantes Unternehmen.
Ich zweifle gar nicht an, dass die Bundesregierung und
die Gematik, die Betreibergesellschaft, die höchsten Si-
cherheitsstandards anlegen will. Aber das zentrale Spei-
chern weckt auf der einen Seite Begehrlichkeiten und ist
auf der anderen ein Sicherheitsrisiko. Ein Arbeitgeber
oder eine Versicherung würden natürlich liebend gerne
etwas über Krankheiten derjenigen erfahren, die sich um
einen Arbeitsplatz bewerben oder eine Versicherung ab-
schließen wollen. Ein großes Interesse an diesen Ge-
sundheitsdaten wird sicher auch die Pharma- und Medi-
zinprodukteindustrie haben.
Ein Beispiel: Die Daten auf dem Server müssen ver-
schlüsselt sein. Jeder muss immer durch die Eingabe sei-
ner PIN die Daten freischalten, damit sie entschlüsselt
werden können. Wenn nun aber jemand die PIN vergisst,
dann braucht man eine Ersatz-PIN, einen Ersatzschlüs-
sel, der irgendwo hinterlegt sein muss, sonst wären die
Daten futsch. Dieser Ersatzschlüssel bietet eine breite
Angriffsfläche für Missbrauch. Zum einen kann jemand
dort einbrechen, wo der Ersatzschlüssel gespeichert ist,
und nicht nur diesen, sondern Tausende Datensätze aus-
lesen. Oder aber Herr Schäuble, so er denn Innenminis-
ter bleibt, kommt auf die Idee, dass Gesundheitsdaten
zur Verbrechensbekämpfung herangezogen werden sol-
len. Dann könnte er die Ersatzschlüssel per Gesetzesän-
derung heranziehen. Der Schutz der Daten ist also rela-
tiv, wie schon bei der Lkw-Maut zu sehen war.
Ärzte, Datenschützer und Bürgerrechtler haben von
Ihnen bereits gefordert, eine echte Prüfung dezentraler
Speichermöglichkeiten durchzuführen und auf zentrale
Server zu verzichten. Diese Vorschläge firmierten immer
unter dem Schlagwort „USB-Stick“. Möglich sind aber
auch Speichermöglichkeiten auf der Karte selbst, auch
die bereits getroffenen Sicherheitsmaßnahmen und die
angeschafften Geräte könnten dabei genutzt werden.
Das Fraunhofer-Institut für offene Kommunikations-
systeme hat im Auftrag der Gematik nun herausgefun-
den, dass elektronische Gesundheitskarten mit integrier-
ter Speicherkarte durchaus geeignet sind. Man braucht
wohl keine zentralen Server, im Übrigen stehen diese
auch nicht im Gesetz. Der einzige Grund, derzeit stur an
diesem Vorhaben festzuhalten, ist, dass nur so das von
der Bundesregierung behauptete positive Kosten-Nut-
zen-Verhältnis erreicht werden kann, da nur mit dieser
Technik kommerzielle sogenannte Mehrwertdienste in-
stalliert werden können. Nur über kommerzielle Anbie-
ter können anscheinend die Milliardeninvestitionen wie-
der reinkommen.
Die Linke ist der Ansicht, dass der Datenschutz unbe-
dingt Vorrang hat, auch Vorrang vor einer vorschnellen
Einführung der Karte und Vorrang vor wirtschaftlichen
Interessen. Wenn die Koalition dies nicht berücksichtigt,
verspielt sie damit die derzeit noch existierende Akzep-
tanz. Eine Karte, die zudem nicht auf Freiwilligkeit bei
Patienten und Therapeuten setzt, wird auch keine Ak-
zeptanz finden und scheitern.
Nach unserer Auffassung müssen zwei Grundbedin-
gungen erfüllt sein: Erstens wollen wir, dass alle Patien-
ten entscheiden können, welche Daten wem zur Verfü-
gung gestellt werden. Die Daten müssen in den Händen
der Patienten bleiben. Zweitens muss eine kommerzielle
Nutzung ausgeschlossen werden. Drittens sollen die de-
zentralen Speichermöglichkeiten ernsthaft weitergeprüft
und für die Dauer dieser Prüfung selbstverständlich der
Start der bisher geplanten Karte gestoppt werden.
Auch wenn dies nicht häufig vorkommt: Der Antrag
der FDP, ein Moratorium für die elektronische Gesund-
heitskarte zu schaffen, entspricht fast eins zu eins den
Positionen der Linken. Wir werden daher zustimmen.
Der Antrag der Grünen ist halbgar. Er enthält zwar rich-
tige Feststellungen, aber keine ausreichenden Schluss-
folgerungen, zum Beispiel keine Ablehnung der Zentral-
serverarchitektur. Nach meiner Auffassung wollen die
Grünen, die eigentlich für die bisherige Lösung zur Ein-
führung der elektronischen Gesundheitskarte sind, verlo-
renes Vertrauen bei Bürgerrechts- und anderen Gruppen
zurückerwerben, bleiben aber im Kern bei einem Schau-
fensterantrag. Deshalb werden wir uns zu diesem enthal-
ten.
Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die
Diskussion um die elektronische Gesundheitskarte ist
durch technische, gesundheits- und industriepolitische
Aspekte geprägt. So erklärte kürzlich ein führender Ver-
treter der Ärzteschaft, dass die knappen Gelder im Ge-
sundheitswesen anderswo dringender gebraucht würden.
Und auch die private Krankenversicherung hat verlaut-
bart, sich nicht mehr an den Kosten für den Ausbau der
Infrastruktur für den geplanten Basis-Rollout zu beteili-
gen. Außen vor bleibt die Frage, welchen Mehrwert die
Karte für die Patientinnen und Patienten bringt.
Gesundheitspolitischer Konsens ist, dass die Akteure
im Gesundheitswesen besser zusammenarbeiten müssen.
Häufig wissen die einen Ärzte nicht von den anderen
Ärzten, es werden Doppelbefunde erstellt und lange Be-
handlungspfade produziert. Das hilft weder den Patien-
tinnen und Patienten noch den Leistungserbringern und
Kostenträgern. Eine bessere Zusammenarbeit und die In-
tegration der Versorgungsstrukturen sind dringend gebo-
ten. Die elektronische Gesundheitskarte und die mit ihr
verbundene Telematikinfrastruktur bilden hierfür die in-
formationstechnischen Grundlagen.
Die FDP fordert ein Moratorium für die elektronische
Gesundheitskarte, um eine angeblich übereilte Einfüh-
rung zu verhindern. Nicht nur wir Grünen, sondern viele
Expertinnen und Experten sehen das nicht so. Im Rah-
men der Anhörung zur elektronischen Gesundheitskarte
machten Experten deutlich: Von einer übereilten Einfüh-
rung der elektronischen Gesundheitskarte könne keine
Rede sein. Die Kritik entzünde sich vielmehr daran, dass
der Einführungsprozess zu langsam verlaufe.
Wir Grünen lehnen ein Moratorium vor allem aus
zwei Gründen ab. Wir befürchten, dass ein Ausstieg aus
dem Umsetzungsprozess gleichbedeutend mit dem „Tod
auf Raten“ dieses wichtigen Projektes wäre. Wichtiger
aber ist ein zweiter Grund: Der Ausbau der elektroni-
schen Gesundheitskarte wird viele Jahre dauern. Ihre de-
taillierte Ausgestaltung wird sich erst in diesem Prozess
ergeben können. An solch einem Lernprozess müssen
26042 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009
(A) (C)
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sich alle betroffenen Gruppen beteiligen können. Ein
Moratorium hilft da nicht weiter. Tatsächlich bedient
eine solche Forderung nur die technokratische Illusion,
dass sich alles vorab auf der Expertenebene regeln und
beheben ließe. Auf dieser Ebene hat sich die gesetzliche,
organisatorische und technische Arbeit an der Karte aber
schon über Jahre bewegt, die rechtlichen und techni-
schen Voraussetzungen wurden geschaffen. Jetzt muss
die Regie von den Experten auf die Anwenderinnen und
Anwender übergehen.
Die elektronische Gesundheitskarte erfüllt die Voraus-
setzungen hierfür. Sie bildet mit ihren hohen Schutz-
vorschriften einen Damm gegen die drohende Kommer-
zialisierung von Patientendaten durch elektronische
Patientenakten im Internet. Durch die Anwendung von
Verschlüsselungstechnologien, die erforderliche doppelte
Autorisierung durch Patient und Arzt sowie das Recht für
die Versicherten, selbst zu entscheiden, welche Leis-
tungserbringer auf die Daten zugreifen dürfen und welche
nicht, bietet sie weitaus mehr Datenschutz und informa-
tionelle Selbstbestimmung als die papiergebundenen Pa-
tientenakten. Allerdings wird ihr Potenzial nur dann zu
erschließen sein, wenn sie bei den Patientinnen und Pati-
enten und auch bei den Anbietern von Gesundheitsleis-
tungen auf Akzeptanz stößt. Voraussetzung dafür ist, dass
ihre Onlineanwendung auch für die Ärzteschaft freiwillig
ist, Barrierefreiheit für Ältere und Behinderte hergestellt
wird und in Zusammenarbeit mit Patientenverbänden un-
abhängige Unterstützungsangebote für die Patientinnen
und Patienten entstehen. Dazu gehört auch, dass auf jeder
Entwicklungsstufe der Karte eine Evaluierung unter Ein-
beziehung aller Beteiligten stattfindet und notwendige
Korrekturen vorgenommen werden. Das wird für die Zu-
stimmung zur elektronischen Gesundheitskarte weitaus
wichtiger sein als das Einhalten von Zeitplänen oder die
Forderung nach einem Moratorium.
Marion Caspers-Merk, Parl. Staatssekretärin bei
der Bundesministerin für Gesundheit: Ferienzeit ist
Zeugniszeit. Wir reden heute über einen FDP Antrag,
dem in der Anhörung ein denkbar schlechtes Zeugnis
ausgestellt wurde. Es wurde nicht nur bestätigt, dass ein
Moratorium nicht begründet ist. Der Einzelsachverstän-
dige Dr. Zipperer hat sogar von „entwicklungsbremsen-
den Bedenken“ gesprochen, die in Ihrem Antrag vorge-
tragen werden. Nehmen Sie zur Kenntnis, dass Ihre
Forderungen überholt sind! Sie machen sich wie immer
zum Sprachrohr der Besitzstandswahrer und Bedenken-
träger.
Die Experten in der Anhörung haben die Einschätzung
des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die In-
formationsfreiheit bestätigt: Das Datenschutzkonzept der
elektronischen Gesundheitskarte genügt den höchsten
Ansprüchen und wird von vielen geradezu als vorbildlich
bezeichnet. Auch die diesjährigen Beschlüsse des Deut-
schen Ärztetags zeigen deutlich, dass die Ärzteschaft die
Vorteile der modernen Informationstechnologien für das
Gesundheitswesen sieht. Von einem Moratorium ist keine
Rede! Die Ärzteschaft hat sich bereit erklärt, den Online-
abgleich der Versichertendaten der Gesundheitskarte
durchzuführen. Wichtig ist ihr die Freiwilligkeit der On-
lineanbindung. Wir haben gemeinsam hier im Parlament
die Rahmenbedingungen für die Einführung der elektro-
nischen Gesundheitskarte verabschiedet.
Auf dieser Basis hat der Rollout in der Startregion
Nordrhein durch die vom Gesetzgeber beauftragte Selbst-
verwaltung begonnen. Die Vertreter der Selbstverwaltung
haben in der Anhörung bestätigt, dass die Arbeiten in
Nordrhein plangemäß verlaufen. Diese erfolgreiche Ent-
wicklung war nur möglich, weil alle Beteiligten das Pro-
jekt mittragen und an einem Strang ziehen.
Wenn es um die Verbesserung der Gesundheitsversor-
gung von 80 Millionen Menschen in unserem Land geht,
müssen wir Schritte nach vorne und nicht zurück ma-
chen. Lassen Sie uns weiterführen, was wir gemeinsam
begonnen haben! Jetzt geht es darum, diejenigen zu un-
terstützen, die sich für den Fortschritt einsetzen und
damit verantwortungsvoll umgehen. Daran werden die
Menschen uns messen!
Nach fünf Legislaturperioden scheide ich auf eigenen
Wunsch aus dem Parlament aus und blicke auf eine sehr
bewegte und erfüllte Zeit zurück. Ich möchte allen Kol-
leginnen und Kollegen für die gute Kooperation und für
ihre Beiträge und Anregungen herzlich danken. Dieser
Dank gilt parteiübergreifend. Den Kolleginnen und Kol-
legen wünsche ich für die neue Legislaturperiode eine
glückliche Hand und verantwortliche Entscheidungen
für das Wohl der Bürgerinnen und Bürger.
Anlage 12
Zu Protokoll gegebene Rede
zur Beratung:
– Entwurf eines Gesetzes zur Erleichterung
elektronischer Anmeldungen zum Vereinsre-
gister und anderer vereinsrechtlicher Ände-
rungen
– Entwurf eines Gesetzes zur Begrenzung der
Haftung von ehrenamtlich tätigen Vereins-
vorständen
(Tagesordnungspunkt 16 a und b)
Wolfgang Nešković (DIE LINKE): Das Gute am
Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Erleichterung
elektronischer Anmeldungen zum Vereinsregister und
anderer vereinsrechtlicher Änderungen ist, dass er alles
Schlechte im Bereich der Digitalisierung des Rechtsver-
kehrs dieses Mal vermeidet. Anders als ähnliche Moder-
nisierungsversuche – zuletzt im Bereich der Zwangsvoll-
streckung – versteht der Entwurf die Segnungen der
EDV zu nutzen, ohne zugleich ihre Flüche heraufzube-
schwören.
Für die vorgesehenen Änderungen im Vereinsrecht
sehen wir diesmal insbesondere keine datenschutzrecht-
lichen Risiken. Es ist zeitgemäß und sinnvoll, Vereinsan-
meldungen künftig online zu ermöglichen. Es ist zeitge-
mäß und sinnvoll, eine elektronische Registerführung
neben dem Papierregister zu ermöglichen. Es ist ange-
bracht, die vorgesehenen klarstellenden Änderungen und
sprachlichen Anpassungen des Gesetzestextes vorzuneh-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 26043
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men. Es ist schließlich auch richtig, die Rechtsprechung
zu Anmeldung und Liquidation von Vereinen endlich
dorthin zu bringen, wo sie die Bürgerinnen und Bürger
einfach nachlesen können: in das Gesetz. Meine Frak-
tion wird dem Entwurf daher zustimmen.
Ablehnen werden wir den Entwurf des Bundesrates
zur Haftungsbegrenzung für ehrenamtlich tätige Vereins-
vorstände, auch in der Fassung der nunmehr vorliegen-
den Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses.
Grundsätzlich halten auch wir eine Begrenzung der Haf-
tung von ehrenamtlich Tätigen für wünschenswert. Un-
ser Hauptkritikpunkt am Entwurf richtet sich darauf,
dass die vorgeschlagene gesetzliche Haftungsbeschrän-
kung im Ergebnis zulasten der Vereine und Vereinsmit-
glieder geht; denn sie tragen über das Vereinsvermögen
künftig das Haftungsrisiko für fahrlässige Schadens-
handlungen ihrer Vorstandsmitglieder allein. Dies, ob-
wohl sie das Schadensrisiko nicht in gleicher Weise be-
einflussen können wie die Vorstandsmitglieder ihr
Haftungsrisiko. Sie können die Vorstandstätigkeit nicht
steuern, sollen aber haften. Die Vorstandsmitglieder hin-
gegen können steuern, sollen aber nicht haften. Das ist
nicht gerecht und auch nicht geeignet, zur Stärkung des
bürgerschaftlichen Engagements beizutragen. Hinzu
kommt: Hat ein Vorstandsmitglied fahrlässig einen
Schaden verursacht, kann die beschriebene Haftungsver-
lagerung zur Zahlungsunfähigkeit gesunder Vereine füh-
ren.
So wird zwar das ehrenamtliche Vorstandsmitglied
geschützt, zugleich jedoch der Verein und dessen Arbeit
vernichtet. Weiter ist zu bedenken: Selbst ein Vereins-
mitglied, das schuldloses Opfer einer Pflichtverletzung
eines Vorstandsmitgliedes geworden ist, kann bei dieser
Haftungsverlagerung unter Umständen leer ausgehen;
denn ist der Verein ohne Vermögen, nützt dem Mitglied
zukünftig auch ein vermögendes Vorstandsmitglied für
die Schadensregulierung nichts mehr.
Man sieht: Der Entwurf hat sich – trotz der erfolgten
Zurechtstutzung durch den Rechtsausschuss – seine Ab-
lehnung durch die Linke redlich verdient.
Anlage 13
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung der Beschlussempfehlung und des
Berichts zu den Anträgen:
– Präventionsgesetz auf den Weg bringen –
Primärprävention umfassend stärken
– Gesundheitsförderung und Prävention als
gesamtgesellschaftliche Aufgaben stärken –
Gesellschaftliche Teilhabe für alle ermögli-
chen
– Eigenverantwortung und klare Aufgabentei-
lung als Grundvoraussetzung einer effizien-
ten Präventionsstrategie
(Tagesordnungspunkt 17)
Hermann-Josef Scharf (CDU/CSU): Die Präven-
tion muss in unserem Gesundheitswesen einen höheren
Stellenwert einnehmen. Darüber sind wir uns auch par-
teiübergreifend einig. Aber wie? Wie stärken wir am
besten das präventive Verhalten des Einzelnen und wie
schaffen wir es, dass in unserem Gesundheitswesen der
präventive Ansatz mehr Gewicht erhält.
Zunächst einmal können wir feststellen, dass unser
Gesundheitswesen außerordentlich erfolgreich ist. Die
Lebenserwartung von Frauen und Männern ist kontinu-
ierlich gestiegen und wird weiter steigen. Unsere Ge-
sundheitspolitik hat seit vielen Jahren darauf hingewirkt,
dass Krankenkassen wirksame Präventions- und Vorsor-
geleistungen anbieten. So gibt es heute eine Vielzahl von
Vorsorge- und Früherkennungsmaßnahmen, unter ande-
rem bei Herz- und Kreislauferkrankungen, Diabetes,
Krebs, bei Schwangerschaft und Kindern, der „Gesund-
heits-Check-Up“, zahnmedizinische Prophylaxe und
Schutzimpfungen. Diese Leistungen werden von den
Krankenkassen bezahlt und sind von Zuzahlungen be-
freit. Durch die Einführung des Bonusheftes für den re-
gelmäßigen Zahnarztbesuch beispielsweise und die
Gruppenprophylaxe in Kindergärten und Schulen hat
sich die Zahngesundheit unter der Bevölkerung erheb-
lich verbessert.
Dennoch müssen wir feststellen, dass die großen
Volkskrankheiten, wie die Herz-Kreislauferkrankungen,
Krebs, Diabetes und Erkrankungen des Stütz- und Be-
wegungsapparates, in der Bevölkerung erheblich zuneh-
men, obwohl ein großer Teil vermeidbar wäre. Deshalb
haben wir uns als Union – und werden es auch in Zu-
kunft tun – für ein besser abgestimmtes und qualitätssi-
cheres Vorgehen im Rahmen der Prävention eingesetzt.
Dazu brauchen wir Regelungen, die auf vorhandenen
Strukturen aufbauen, Ressourcen bündeln, die koordi-
nierend wirken, aber ohne den Aufbau neuer Institutio-
nen auskommen.
Drei Bereiche müssen wir dabei im Auge haben. Ers-
tens: Die Eigenverantwortung des Einzelnen für seine
Gesundheit müssen wir stärker aktivieren. Dabei muss
und sollte ihn auch sein Arzt und seine Krankenkasse
unterstützen. Bessere Informationen und Aufklärung
über seinen Gesundheitszustand und Anreizmodelle zur
Beteiligung an Präventionsangeboten, wie es viele Kran-
kenkassen bereits anbieten, sind für Patient und Versi-
cherten eine lohnenswerte Sache in doppelter Hinsicht.
Es dient der Gesundheit und es spart Kosten. Allerdings
möchte ich hier auch anmerken, dass durch den jetzigen
Morbi-RSA leider eine Situation für die Kassen entstan-
den ist, bei der erfolgreiche Präventionsangebote die
Kassen nicht mehr belohnen, sondern eher wirtschaftlich
belasten. Hier müssen wir noch nach einem präventions-
orientierten Anreizsystem suchen.
Zweitens ist es sinnvoll, Präventionsprogramme und
Gesundheitsförderungen dort anzubieten, wo sich die
Menschen tagtäglich bewegen, in den Kindertagesstät-
ten, in den Schulen, in den Betrieben. Da gibt es schon
sehr gute Ansätze. Die betriebliche Gesundheitsförde-
rung wird von den Menschen gern und gut angenom-
men. Das sollten wir weiter ausbauen. Immer häufiger
26044 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009
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gibt es Kooperationen zwischen Krankenkassen und
Kindergärten und Schulen, um durch Bildungsarbeit so
frühzeitig wie möglich bei unseren Kindern den Appetit
auf gesunde Ernährung und die Lust an Bewegung zu
wecken.
Der zunehmende Alkoholmissbrauch unter Kindern
und Jugendlichen ist für uns eine sehr beunruhigende
Entwicklung. Ich hoffe sehr, dass die von der BZgA ge-
startete Kampagne „ Kenn dein Limit“ hier sehr bald Er-
folge zeigt. Gesundheitserziehung und Bewegungsförde-
rung muss auch wieder eine verstärkte Rolle in der
Bildung unserer Kinder und Jugendlichen einnehmen.
Denn Gesundheitsförderung ist nicht alleinige Aufgabe
des Gesundheitswesen. Prävention ist eine gesamtgesell-
schaftliche Aufgabe.
Drittens sollten wir wieder stärker durch gezielte Auf-
klärungsarbeit und bundesweite Kampagnen das Be-
wusstsein für Prävention gegenüber gesundheitlichen
Gefahren stärken. Wir haben hierfür eine gut funktionie-
rende Institution, die Bundeszentrale für gesundheitliche
Aufklärung, die gerade in der Aidsprävention sehr er-
folgreiche Kampagnen durchgeführt hat. Ich glaube,
dass wir hier noch viel Potenzial haben, unsere Bevölke-
rung intensiver aufzuklären und zu informieren.
So muss meines Erachtens das Thema Schutzimpfun-
gen wieder stärker in den Fokus der Bevölkerung ge-
rückt werden. Die aktuell weltweit kursierende Schwei-
negrippe muss uns Anlass genug sein, die Gefahr von
neuen Infektionskrankheiten nicht zu unterschätzen. Ich
begrüße deshalb ausdrücklich den aktuellen Beschluss
der Gesundheitsministerkonferenz der Länder, einen Na-
tionalen Impfplan zu erarbeiten. Impfungen sind die
wirksamste und kosteneffektivste medizinische Maß-
nahme zum Schutz vor Infektionskrankheiten. Das müs-
sen wir wieder deutlich kommunizieren.
Prävention ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
Jeder Einzelne ist jedoch in erster Linie für sich und
seine Gesundheit selbst verantwortlich. Wir als Union
setzen uns deshalb für die Aufwertung der Prävention
durch klare Regelungen und Zuständigkeiten nach subsi-
diären Prinzipen ein, um die Eigenverantwortung des
Einzelnen zu stärken.
Mit dieser Rede möchte ich mich aus dem Deutschen
Bundestag verabschieden. In der Gesundheitspolitik ha-
ben wir in dieser Legislatur für die Menschen in unserem
Land viel bewegen können. Unser Gesundheitswesen
wird jedoch eine immer währende Baustelle bleiben.
Deshalb wünsche ich den Akteuren bei dessen weiterer
Gestaltung alles erdenklich Gute.
Dr. Margrit Spielmann (SPD): „Prävention ist die
Zukunft der Medizin; sie war es immer und wird es im-
mer sein.“ Das sagte einmal der berühmte Schweizer
Politologe und Gesundheitsökonom Gerhard Kocher.
Aktuelle Umfragen geben ihm recht. Laut des Mei-
nungsforschungsinstituts Infas legen 88 Prozent der
Thüringer und Saarländer Wert auf eine gesunde Ernäh-
rung. Die Berliner haben da mit 80 Prozent noch Nach-
holbedarf, was nicht nur am Genuss von zu viel Eisbein
und Currywurst liegen dürfte. Zudem sind nach Anga-
ben des Robert Koch-Instituts 15 Prozent der Kinder und
Jugendlichen in Deutschland übergewichtig. Bei rund ei-
nem Drittel von ihnen ist es so ausgeprägt, dass man von
Adipositas spricht. Die WHO geht sogar von einer Adi-
positasepidemie in Europa aus. Danach steht zu erwar-
ten, dass bis zum Jahr 2010 20 Prozent der erwachsenen
Bevölkerung und 10 Prozent der Kinder und Jugendli-
chen in Europa unter Adipositas leiden.
Hier zeigt sich: Es gibt noch viel zu tun. Ich glaube, da
sind wir uns alle einig, und darüber, dass es hier natürlich
um weit mehr geht als die gesunde Ernährung. Verschie-
dene Ansätze sind notwendig, um in allen Bereichen, wie
zum Beispiel Sport und Bewegung, Alkoholkonsum und
Früherkennung oder auch bei chronischen Erkrankungen,
die Prävention zu stärken. So müssen Präventionsmaß-
nahmen direkt vor Ort ihre Wirkung entfalten können.
Nur durch direkte Angebote in den Lebenswelten errei-
chen wir diejenigen, die die Prävention am dringendsten
brauchen: sozial Schwache, Menschen mit Migrations-
hintergrund und Arbeitslose. In zahlreichen Studien wird
ein eindeutiger Zusammenhang zwischen sozialem Sta-
tus, Bildungsstatus und Gesundheit hergestellt. Auch der
Kongress „Armut und Gesundheit“ nimmt sich jedes Jahr
dieser Problematik an. Dabei wurde und wird immer wie-
der deutlich: Ohne Settingmaßnahmen geht es nicht.
An Orten, wo Gesundheit von den Menschen in ihrer
alltäglichen Umwelt geschaffen und gelebt wird, dort,
wo sie spielen, lernen, arbeiten und lieben, kann Ge-
sundheitsverhalten da beeinflusst werden, wo es ent-
steht. Lebensstilbedingte Risiken können vermindert,
ungleiche Inanspruchnahme durch neue Angebote auf-
gefangen und Fähigkeiten vermittelt werden, damit die
Menschen die Bedingungen ihrer Gesundheit selbst
günstig gestalten können. Damit werden alle Menschen
erreicht und nicht nur diejenigen, die ohnehin schon ein
hohes Gesundheitsbewusstsein haben.
Hier wurde schon viel getan. So stellt sich das Projekt
„Gesundheitsförderung bei sozial Benachteiligten“ dem
Trend „Wer arm ist, erkrankt häufiger und stirbt früher“
bewusst entgegen. Auch das Bund-Länder-Programm
„Soziale Stadt“ greift direkt in die Lebenswelten ein und
fördert zum Beispiel durch das Projekt Kiezdetektive die
Kinderbeteiligung für eine gesunde und zukunftsfähige
Stadt.
Gerade die Kinder, vor allem die aus sozial schwa-
chen Familien, leiden unter erhöhten Gesundheitsrisiken
durch den Lebensstil und die Lebensumstände der Fami-
lien. Deshalb hat für mich, als Berichterstatterin für Kin-
der- und Jugendgesundheit, das gesunde Aufwachsen
dieser kleinen Menschen besondere Priorität. Viele Jahre
habe ich mich für eine Stärkung der Präventionsbemü-
hungen im Bereich Kindergesundheit eingesetzt. Des-
halb freue ich mich besonders, dass sich mein Engage-
ment gelohnt hat und seit letztem Jahr das Hörscreening
bei Neugeborenen und die zusätzliche Früherkennungs-
untersuchung U7a Leistungen der GKV sind. Auch das
Projekt „Adipositasprävention im Vorschulalter“ oder
„Pfiffikus durch Bewegungsfluss“ in Brandenburg im
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 26045
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Rahmen des nationalen Aktionsplans „IN FORM“ sind
Beispiele für ein gelungenes Engagement vor Ort.
Wie schon gesagt, sind die vielen Erfolge in der Prä-
ventionsarbeit kein Grund, sich auf diesen Lorbeeren
auszuruhen. Auch heute sind noch zahlreiche Maßnah-
men notwendig, um alle Menschen gleichermaßen zu
unterstützen, ihre gesundheitlichen Ressourcen auszu-
schöpfen, damit sie ein langes Leben ohne Krankheit bei
bestem Wohlbefinden und Selbstständigkeit führen kön-
nen. Der demografische Wandel macht diese Zielsetzung
umso dringlicher.
Ich glaube, dass die Situationsanalyse, die in den drei
vorliegenden Anträgen vorgenommen wurde, dieser In-
tention folgt. Die wesentlichen Forderungen sind somit
in unserem Referentenentwurf bereits enthalten. Beson-
ders der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
lehnt sich eng an die Vorschläge an, die gemeinsam in
der letzten Legislaturperiode entwickelt wurden. Ande-
rerseits wird darin aber die Schaffung von zentralen
Strukturen auf Bundesebene vorgesehen, die steuernd in
die Prozesse vor Ort eingreifen sollen. Zudem soll mehr
Geld ausgegeben werden, bei Bündnis 90/Die Grünen
500 Millionen, bei der Fraktion Die Linke sogar 1 Mil-
liarde Euro. Meine Damen und Herren, wie aber soll vor
Ort die Bewegungsfreiheit und damit eine erfolgverspre-
chende Arbeit der vielen verschiedenen Akteure gewähr-
leistet werden, wenn alles von der Bundesebene einheit-
lich und starr nach unten geregelt wird? Deswegen
wollen wir, dass auf Landesebene entschieden und ge-
steuert wird. Auch eine zentralisierte Mittelvergabe ist
mit den bestehenden Strukturen im Bereich der Präven-
tion kaum vereinbar. Somit sind alle drei Anträge bezüg-
lich der grundlegenden Frage, der Gestaltung der Prä-
ventionsstrukturen, unzulänglich.
Die einzige Weg für eine erfolgreiche Kooperation
von Bund, Ländern und Kommunen liegt in der Formu-
lierung einheitlicher Präventionsziele in einer definierten
Qualität, die die Krankenkassen, die Rentenversiche-
rung, die Arbeitsagentur und die Unfallversicherung ge-
meinschaftlich und abgestimmt zu Präventionsleistun-
gen bringen, kurz: ein Präventionsgesetz. Ungeachtet der
großen Zustimmung der Verbände und Experten bei der
Anhörung zum Präventionsgesetz hat die Union bisher
jeden Versuch blockiert, dieses Gesetz noch in dieser
Wahlperiode auf den Weg zu bringen. Nichtsdestotrotz
oder gerade deswegen wird das Präventionsgesetz auch
in der nächsten Legislaturperiode auf der Tagesordnung
bleiben.
Detlef Parr (FDP): Prävention ist eine gesellschaftli-
che und zugleich eine individuelle Herausforderung. Je-
der Einzelne in unserer Gesellschaft ist dafür verant-
wortlich, durch eine gesundheitsbewusste Lebensweise
der Entstehung von Gesundheitsrisiken vorzubeugen.
Die gesamtgesellschaftliche Aufgabe liegt nun darin, die
Bedeutung von Prävention und Gesundheitsförderung zu
verdeutlichen. Gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist es
auch, Menschen, die aus sich selbst heraus nicht zu ei-
nem gesundheitsbewussten Leben in der Lage sind, ziel-
gerichtet darin zu unterstützen, gesundheitsbewusster zu
leben.
Zweimal wurde mit dem Entwurf eines Präventions-
gesetzes versucht, eine vierte Säule in der Gesundheits-
politik zu schaffen. Zumindest waren das die Pläne der
Großen Koalition, wie es im Koalitionsvertrag zu lesen
steht:
„Die Prävention wird zu einer eigenständigen Säule
der gesundheitlichen Versorgung ausgebaut. Mit einem
Präventionsgesetz soll die Kooperation und Koordi-
nation der Prävention sowie die Qualität der Maß-
nahmen der Sozialversicherungsträger und -zweige
übergreifend und unbürokratisch verbessert werden“.
Beide Male – in der vorherigen und der jetzigen Le-
gislaturperiode – ist dieser Versuch gescheitert, und ich
sage: zum Glück. Denn ein Präventionsgesetz alleine
– selbst wenn es auf über 100 Seiten zu Papier gebracht
worden ist – macht uns nicht gesünder.
Sinnvoller ist es, andere, unbürokratischere Wege zu
gehen, als die Bundesregierung dies vorgehabt hat. Die
Vorschläge von Ulla Schmidt hatten damals selbst die ei-
genen Ressortkollegen nicht überzeugt. Diese plädierten
eher für eine Ausweitung der Instrumentarien der Zu-
sammenarbeit. Hier liegt der Hase im Pfeffer: Es kommt
darauf an, bereits vorhandene Einrichtungen auf der
Ebene des Bundes, der Länder, der Kommunen, der So-
zialversicherungen und der Heilberufe und die bereits er-
folgreich laufenden Projekte zu nutzen und diese weiter-
zuentwickeln.
Das geplante Präventionsgesetz hat die Verknüpfung
bestehender Strukturen viel zu wenig berücksichtigt.
Wenn der Gesetzgeber etwas für die Prävention tun will,
muss er klar und deutlich sagen, welche Ziele er damit
verfolgt, welche Prioritäten er setzt und wer für die ein-
zelnen Aufgaben verantwortlich ist. Um diese klaren
Aussagen hat sich auch der zweite, Ende 2007 vorge-
legte, überarbeitete Entwurf gedrückt.
Offensichtlich hat die Bundesregierung aus ihrem ers-
ten Anlauf und der Debatte nichts gelernt. Was beson-
ders auffällt: Auf natürlich gewachsene Strukturen, die
bereits gut funktionieren, wird überhaupt nicht zurück-
gegriffen. So hat die Bundeszentrale für gesundheitliche
Aufklärung, die uns allen durch ihre zahlreichen Kampa-
gnen in den letzten Jahren und ihre gute Arbeit im Auf-
klärungsbereich ein Begriff ist, nach dem neuen Gesetz-
entwurf überhaupt keine Funktion.
Die FDP hat einen eigenen umfassenden Antrag erar-
beitet, der klare Forderungen und Vorschläge für eine ef-
fiziente Präventionsstrategie formuliert. Ich möchte nur
einige davon beispielhaft nennen:
Erstens. Definition klarer Zuständigkeit und Finanz-
verantwortlichkeit für die einzelnen Präventionsbereiche
unter Nutzung und Weiterentwicklung der bereits vor-
handenen Einrichtungen auf Bundesebene, der Länder
und Kommunen, der Sozialversicherungen und der Heil-
berufe. Einzelne wichtige etablierte und renommierte In-
stitutionen in diesem Bereich sind zum Beispiel das
26046 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009
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Robert-Koch-Institut, das Paul-Ehrlich-Institut und auch
die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, die
Schwerpunkte im Hinblick auf Aufklärung und Durch-
führung bundesweiter Programme und Kampagnen setzt.
Aufgabe der Krankenkassen ist neben der Sekundärprä-
vention die Durchführung von Vorsorgeuntersuchungen
und Prophylaxeaktivitäten sowie Motivation ihrer Versi-
cherten zu einem gesundheitsbewussten Leben. Ein ganz
wichtiger Aspekt ist es, die Kompetenzen der im Ge-
sundheitswesen Tätigen, insbesondere der Ärzte im Ver-
trauensverhältnis Arzt/Patient, optimal zu nutzen. Die
Länder und Kommunen werden aufgefordert, ihrer Ver-
antwortung in ihrem Aufgabenbereich für Präventions-
und Gesundheitsförderung nachzukommen, indem sie die
Infrastruktur verbessern und zum Beispiel den öffentli-
chen Gesundheitsdienst stärken sowie regionale Projekte
und Kampagnen insbesondere in sozialen Brennpunkten
durchführen.
Zweitens. Sogenannte Multiplikatoren in Kindergär-
ten, Schulen, Arztpraxen, psycho- und physiotherapeuti-
schen Praxen sowie in Sportvereinen müssen weiterqua-
lifiziert werden, da sie direkten Zugang zu Jugendlichen
haben. Gesundheitsförderung muss im Kindesalter an-
setzen.
Drittens. Motivation der Bevölkerung zu gesundheits-
bewusstem Verhalten durch gezielte und verständliche
Information, durch Kampagnen, die auf Alltagssituatio-
nen abstellen.
Viertens. Koordination der Gesundheitsförderung und
Präventionsaktivitäten durch den für den jeweiligen Be-
reich zuständigen Träger auf der jeweils betroffenen
Ebene. Ein Beispiel für gelungene Koordination ist die
enge Kooperation von Krankenkassen und Unfallversi-
cherung.
Fünftens. Konzentration der Ressourcen auf die Ver-
hinderung von vermeidbaren, besonders belastenden und
besonders teuren Krankheiten, auf Kinder und Jugendli-
che, Alleinerziehende sowie alte Menschen und sozial
benachteiligte Gruppen. Dabei hat die Hilfe zur Selbst-
hilfe einen hohen Stellenwert.
Sechstens. Erarbeitung wissenschaftlich fundierter
Präventionsprogramme sowohl im Hinblick auf Verhält-
nis- als auch auf Verhaltensprävention.
Siebentens. Bessere Nutzung der Kompetenzen und
Strukturen des Sports im Hinblick auf die für den eigen-
verantwortlichen Umgang mit der eigenen Gesundheit
so wichtige körperliche Bewegung.
Lassen Sie mich nochmals betonen: In Deutschland
herrscht kein Präventionsnotstand. Es gibt zahlreiche
Angebote in den unterschiedlichen Bereichen – sowohl
der Primär- als auch der Sekundärprävention und der
Gesundheitsförderung. Bewährte Kooperationen und
Zusammenarbeit müssen weitergeführt werden können
und müssen sich natürlich weiterentwickeln, ohne staat-
liche Eingriffe. Dass die Akteure ihre Verantwortung ei-
genständig wahrnehmen, zeigt sich in ständig neu lan-
cierten Initiativen und Kampagnen zur Prävention. Diese
sind häufig sehr langfristig angelegt, teilweise über
Jahre.
Ein vorbildliches jüngstes Beispiel ist die auf fünf
Jahre angelegte Kampagne „Alkohol? Kenn dein Limit“
der BZgA, das der Verband der privaten Krankenversi-
cherung e. V., PKV, mit jährlich 10 Millionen Euro un-
terstützt. Die Kampagne soll junge Menschen zu einem
verantwortungsvollen Umgang mit Alkohol motivieren
und die Entwicklung riskanten Trinkverhaltens verhin-
dern.
Bekanntestes Beispiel, auf das ich kurz näher einge-
hen möchte, ist sicher die „Gib-Aids-keine-Chance“-
Kampagne. 1987 gestartet, ist sie die größte und um-
fassendste Kampagne zur Gesundheitsprävention in
Deutschland. Sie ist modellhaft für eine erfolgreiche,
bundesweit öffentlichkeitswirksame Präventionsstrate-
gie. Die Zusammenarbeit zwischen der BZgA als staat-
liche Organisation, die die Allgemeinbevölkerung
anspricht, und der Deutschen Aidshilfe als Selbsthilfeor-
ganisation, die die von HIV besonderes betroffenen
Gruppen anspricht, funktioniert hervorragend. Ohne die
ausgezeichnete Kooperation mit zahlreichen Beteiligten
wäre die Kampagne nicht so breit aufgestellt, wie sie es
heute ist. Neben Fachinstitutionen und Beratungsfach-
kräften in Gesundheitsämtern sind dies Aidshilfen und
andere Beratungsstellen vor Ort, Lehrkräfte, die Ärzte-
schaft, Apotheken und Reiseveranstalter und große Or-
ganisationen wie der Deutschen AIDS-Stiftung oder die
Deutsche Sportjugend. Auch der Verband der privaten
Krankenversicherung unterstützt seit 2005 die Kampa-
gne und ermöglicht zahlreiche zusätzliche präventive
Maßnahmen.
An diesem Beispiel können Sie sehen, dass die vor-
handenen Strukturen funktionieren, und zwar gut und
nachhaltig. Solche Projekte gilt es zu unterstützen und
zu fördern! Und wir müssen gemeinsam daran arbeiten,
mehr dieser Initiativen zur Prävention auf die Beine zu
stellen. Dafür sollten wir die vorhandenen personellen
und finanziellen Ressourcen verwenden. Wie beim Ge-
sundheitsfonds Gelder der Beitragszahler zu sammeln
und anschließend nach intransparenten Kriterien wieder
zu verteilen, ist der falsche Weg.
Im Februar 2008 ist der zweite Referentenentwurf des
geplanten Präventionsgesetzes abgelehnt worden. Das
ist gut so; denn ein Präventionsgesetz, wie es die Bun-
desregierung vorgesehen hat, ist aus liberaler Sicht über-
flüssig. Die Bedeutung der Prävention ziehen wir damit
nicht in Zweifel. Es geht vielmehr darum, den besten
Weg zur Stärkung der Prävention zu finden und diesen
dann auch zu gehen. Es ist sinnvoller, Bewährtes nicht
über Bord zu werfen, sondern das Bestehende zu stärken
und weiterzuentwickeln. Das Schaffen neuer Strukturen,
wie die Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und Die
Linke dies in ihren Anträgen fordern, lehnt die FDP des-
halb entschieden ab.
Gesundheitsförderung und Prävention sind jeweils
ein wichtiger Bestandteil der Gesundheitssicherung in
unserer Gesellschaft. Jeder Einzelne kann mit einer ge-
sundheitsbewussten Lebensweise zu einer insgesamt ge-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 26047
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sünderen Gesellschaft beitragen. Eine Gesamtstrategie
für Prävention und Gesundheitsvorsorge mit geeigneten
Rahmenbedingungen befähigt den Einzelnen, mehr Ver-
antwortung für die eigene und die Gesundheit anderer zu
übernehmen. Dafür benötigen wir kein Gesetz.
Ich hoffe, dass diese Einsicht sich in der neuen Legis-
laturperiode durchsetzen kann. Ich hoffe außerdem, dass
wir nicht einen dritten Entwurf für ein Präventionsgesetz
vorgelegt bekommen. Ich würde mir sehr wünschen,
dass es gelingt, die vorhandenen Potenziale zu nutzen,
besser zu vernetzen und die bestehenden Institutionen
nicht außen vor zu lassen, sondern in ihrer Arbeit weiter
zu ermutigen, die sie zum Wohle der Gesellschaft aus-
üben. Darin liegt die Chance, die wir nutzen müssen.
Dr. Martina Bunge (DIE LINKE): „Die Prävention
wird zu einer eigenständigen Säule der gesundheitlichen
Versorgung ausgebaut. Mit einem Präventionsgesetz soll
die Kooperation und Koordination der Prävention sowie
die Qualität der Maßnahmen der Sozialversicherungsträ-
ger und -zweige übergreifend und unbürokratisch verbes-
sert werden. Hierzu sind die Aktionen an Präventionszie-
len auszurichten. Bund und Länder müssen ergänzend zu
den Sozialversicherungsträgern weiterhin ihrer Verant-
wortung gerecht werden.“
Liebe Abgeordnete der CDU/CSU und SPD, erin-
nern Sie sich noch? Dies waren Ihre Worte. in Ihrem
Koalitionsvertrag vom November 2005.
Am 23. Mai 2009 fasst das Deutsche Ärzteblatt die
Aussagen von Rolf Schwanitz, parlamentarischer Staats-
sekretär im Bundesministerium für Gesundheit, wie
folgt zusammen: „Die Bundesregierung hat beim Kin-
der- und Jugend-Ärztetag in Berlin eingeräumt, die Prä-
vention in dieser Legislaturperiode nicht vorangebracht
zu haben. So sei es weder gelungen, ein Präventionsge-
setz noch die primäre Prävention als festen Bestandteil
der Vorsorge zu etablieren.“ Im Klartext heißt das: Die
Bundesregierung gesteht ein: Sie ist beim Präventions-
gesetz völlig gescheitert! Die Schuld daran trägt maß-
geblich die CDU/CSU. Gute Präventionspolitik ist So-
zialpolitik, und gute Sozialpolitik ist Präventionspolitik.
Doch von beidem ist die CDU/CSU weit entfernt, wie
auch die Debatte um die Mehrwertsteuererhöhung zeigt.
Ganz zu Schweigen von der FDP. Die will ja offen-
sichtlich in Zukunft maßgeblich bei der Gesundheitspo-
litik mitreden. Aber die FDP will Gesundheitspolitik als
Wirtschaftspolitik betreiben. Und so liest sich auch ihr
Antrag zur Prävention: „Eigenverantwortung, verant-
wortungsbewusstes Verhalten, Gesundheitskampagnen,
Konzentration auf die besonders teuren Erkrankungen
usw.“ Mit einer vernünftigen, modernen Präventionspo-
litik hat das wenig zu tun, aber viel mit Kostensenkung
und Entsolidarisierung.
Auch der Antrag der FDP vom Frühjahr zum Gesund-
heitswesen macht deutlich: Die FDP will ihren Turboka-
pitalismus, der uns gerade in diese Wirtschaftskrise ge-
stürzt hat, auch im Gesundheitssystem verankern.
Solidarität wird abgeschafft.
Bei der FDP heißt es dazu immer, Solidarität sei keine
Einbahnstraße. Übersetzt heißt das nichts anderes als:
Die Reichen und Gesunden sollen endlich von der Soli-
darität mit den Ärmeren und Kränkeren befreit werden.
Das ist der Freiheitsbegriff der FDP. So ist klar, was von
einer schwarz-gelben Koalition in der Gesundheitspoli-
tik zu erwarten wäre: Entsolidarisierung, Rationierung,
Privatisierung und Kapitalisierung – zulasten der Ge-
sundheit der breiten Bevölkerung.
Als die große Herausforderung der Gesundheitspoli-
tik wird hingegen von den meisten Gesundheitswissen-
schaftlern die soziale Ungleichheit von Gesund-
heitschancen betrachtet. Der letzte Kinder- und
Jugendbericht zeigt auf, wie unterschiedlich bereits die
Gesundheits- und damit die Lebenschancen von Kindern
und Jugendlichen sind. Der Sachverständigenrat fordert
in seinem vorgestern vorgelegten 2009er-Gutachten fol-
gerichtig die Chancengleichheit bei Kindern herzustellen
und Entwicklungschancen zu verbessern. Er konnte die
beeindruckende Anzahl von 419 Programmen ermitteln,
allerdings mit Defiziten im Hinblick auf die Zielorientie-
rung, Gestaltung, Dauer und Qualitätssicherung. Die
Programme sind unzureichend auf die sozial benachtei-
ligten Zielgruppen ausgerichtet. Diesen blinden Aktio-
nismus – diese Werbekampagnen des Gesundheitsminis-
teriums – haben wir schon häufiger kritisiert.
Der Antrag der Fraktion Die Linke wird den Ansprü-
chen des Sachverständigenrats gerecht: In seinem Zen-
trum steht die Verminderung sozial bedingter Gesund-
heitschancen. Wir fordern eine gesundheitsförderliche
Gesamtpolitik. Der Sachverständigenrat spricht von Ver-
wirklichungschancen, die vor allem durch Sozial-, Ar-
beits- und Bildungspolitik ermöglicht werden müssen.
Modellprojekte müssen evaluiert und die guten Beispiele
– Good Practice – umgesetzt und in die Fläche gebracht
werden.
Wir haben für unsere Forderungen viel Zustimmung
von renommierten Wissenschaftlerinnen und Wissen-
schaftlern und weiteren Fachleuten erhalten. Ich frage
mich: Wann wird eine vernünftige Präventionspolitik in
diesem Hause eine Mehrheit erreichen? An uns würde
sie nicht scheitern, für uns steht die Chancengleichheit
aller Menschen im Mittelpunkt.
Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): In
der Präventionspolitik hat uns die Bundesregierung in
dieser Legislaturperiode viel heiße Luft serviert. Ak-
tionspläne, Kampagnen und Projekte wurden auf den
Weg gebracht – mehr aber auch nicht. Die präventions-
politische Bilanz lässt sich mit dem Motto „Viel Aktio-
nismus und wenig Nachhaltigkeit“ umschreiben.
Dabei hatte sich die Bundesregierung ins Stammbuch
geschrieben, endlich ein Präventionsgesetz zu verab-
schieden. Diesem Vorsatz kann ich nur zustimmen, fehlt
es in Deutschland doch nach wie vor an nachhaltigen
Strukturen in Form eines Präventionsgesetzes. Es folgte
jedoch eine gesundheitspolitische Farce. Der im Bundes-
gesundheitsministerium mit heißer Nadel gestrickte Re-
ferentenentwurf verschwand schnell wieder in der Ver-
26048 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009
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senkung. Zuletzt kamen aus diesem Hause nur zaghafte
Ankündigungen, doch noch einen Anlauf zu unterneh-
men. Die Union gibt ihre blockierende Haltung gegen-
über einem Gesetz nicht auf. Unter dem Vorwand, ein
Präventionsgesetz würde zu viel Bürokratie mit sich
bringen, sperrt sie sich gegen eine Zusammenführung
und gemeinsame Verwaltung der zur Verfügung stehen-
den Gelder. Stattdessen sollen vor allem individuelle
Präventionsangebote gefördert und zu einem Wettbe-
werbsinstrument der Krankenkassen weiterentwickelt
werden. Dieser Ansatz geht an der eigentlichen Zielstel-
lung – sozial benachteiligte Bevölkerungsgruppen zu er-
reichen – meilenweit vorbei. Für uns Grüne ist klar: Zu-
mindest bei der Prävention in den Lebenswelten – also in
den Schulen, Kindertagesstätten und Stadtteilen – sollte
dieser Wettbewerb um Vorzeigeprojekte zugunsten einer
kassenübergreifenden Poolung der Gelder aufgegeben
werden.
In guter Gesellschaft mit der Union befindet sich auch
die FDP. Sie lehnt ein Präventionsgesetz ab, setzt auf in-
dividuelle Angebote der Verhaltensprävention und sieht
die Aufgabe des Staates vornehmlich in der Informa-
tionsbereitstellung. Selbst bei der FDP müsste inzwi-
schen angekommen sein, dass die Vermittlung von Infor-
mationen zwar viel Geld kostet, insgesamt aber wenig
bringt und die eigentliche Zielgruppe nicht erreicht.
Punkten will die FDP auch mit medizinischen Präven-
tionsangeboten, die ausgebaut werden sollen. In bewähr-
ter Tradition wird damit Klientelpflege betrieben, die aus
vielen Gründen nicht angebracht ist. Zum einen gehören
medizinische Präventionsleistungen in der Arztpraxis zu
den freien Leistungen, die nicht aus der morbiditätsorien-
tierten Gesamtvergütung gezahlt werden. Zum anderen
sollte ein Großteil der Prävention vor allem außerhalb des
medizinischen Versorgungssystems erfolgen, denn dort
liegen bekanntlich die Bedingungen für Gesundheit und
Krankheit.
Immerhin: Die Linke setzt sich mit ihrem Antrag für
ein Präventionsgesetz ein und stellt viele sinnvolle For-
derungen auf, zum Beispiel eine übergeordnete Koordi-
nierungs- und Entscheidungsstelle einzurichten. Bei der
Finanzierung jedoch fällt mir nur das Stichwort Maßlo-
sigkeit ein. So sollen im Rahmen des Präventionsgeset-
zes in den ersten vier Jahren jeweils 1 Milliarde Euro aus
Steuergeldern verausgabt werden. Wie die Gelder aufge-
bracht werden sollen, bleibt – wie fast immer bei der
Linken – unklar.
Für die grüne Bundestagsfraktion steht nach wie vor
fest: Notwendig ist ein Präventionsgesetz, mit dem ein
wirklicher Beitrag zur Verminderung sozial bedingter
Ungleichheit von Gesundheitschancen geleistet wird.
Auf Bundesebene muss ein Entscheidungsgremium mit
Finanzverantwortung eingerichtet werden. An der Finan-
zierung – wir schlagen zunächst 500 Millionen Euro jähr-
lich vor – müssen sich alle Sozialversicherungsträger, die
private Kranken- und Pflegeversicherung sowie Bund,
Länder und Kommunen beteiligen. An diese Forderung
werden wir in der kommenden Legislaturperiode anknüp-
fen, damit die Prävention nicht nur auf deklamatorischer
Ebene politische Höhenflüge erlebt.
Anlage 14
Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung:
– Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Fi-
nanzmarkt- und der Versicherungsaufsicht
– Entwurf eines Gesetzes zur Schließung kre-
ditwirtschaftlicher Aufsichtslücken
(Tagesordnungspunkt 18)
Leo Dautzenberg (CDU/CSU): Die Finanzmarkt-
krise hat gezeigt: Die Finanzmärkte müssen reformiert
werden. Dazu gehören natürlich Verbesserungen bei der
Finanzaufsicht. Die wichtigsten und weitreichendsten
Regelungen hierzu werden international und EU-weit er-
folgen. Doch auch der nationale Gesetzgeber ist gefragt.
Deshalb haben wir im vergangenen Oktober nicht nur
entschlossen Maßnahmen ergriffen, um den deutschen
Finanzmarkt zu stabilisieren. Wir haben auch damit be-
gonnen, auf nationaler Ebene die Aufsicht an vielen
Punkten neu zu justieren. Uns ging es dabei vor allem
um zielgerichtete Ergänzungen der nationalen Aufsichts-
regeln im Detail. Das Ergebnis unserer Arbeit in der
Großen Koalition ist das nun zur abschließenden Bera-
tung anstehende Gesetz zur Stärkung der Finanzmarkt-
und Versicherungsaufsicht. Wir stärken darin insbeson-
dere die Befugnisse der BaFin als deutscher Allfinanz-
aufsicht und erhöhen die Transparenz.
Wir denken, dass wir sinnvoll und zielgerichtet die
Aufsicht gestärkt haben, ohne überflüssige Bürokratie
aufzubauen. Als Union war es dabei auch unsere Auf-
gabe, unseren Koalitionspartner an einigen Stellen zu
bremsen. Denn die undifferenzierte Ansicht der SPD
„Viel hilft viel“ teilen wir nicht. Auch Aufsicht muss ef-
fektiv und effizient sein. Die Produktion von Aktenber-
gen bei der BaFin kann kein Selbstzweck sein. Zu nennen
wären hier beispielsweise die vom Bundesfinanzministe-
rium vorgeschlagenen Meldepflichten für Konzentra-
tionsrisiken. Die Informationen liegen der Aufsicht be-
reits jetzt vor. Bezogen auf den Versicherungsbereich
wird der Kollege Flosbach sicherlich weitere Beispiele
anführen können.
Eine zweckmäßige Ergänzung der bestehenden Mel-
depflichten stellt hingegen die sogenannte Leverage
Ratio dar. Hierbei geht es um das nicht risikogewichtete
Verhältnis von Eigenkapital zu Fremdkapital. Wie alle
Kennzahlen betrachtet die Leverage Ratio zwar nur ei-
nen Teilaspekt der Stabilität einer Bank. Für sich alleine
genommen hat dieser Teilaspekt nur beschränkte Aussa-
gefähigkeit. Im Zusammenhang mit anderen Informatio-
nen vervollständigt die Leverage Ratio das Gesamtbild
aber sinnvoll und zielführend. Detaillierte Untersuchun-
gen am Fall der Schweizer UBS legen die Leverage Ra-
tio als Ergänzung der risikogewichteten Eigenkapitalre-
gulierung nahe. Und auch generell hat uns die Krise mit
Nachdruck vor Augen geführt, dass große Hebel mit ho-
hen, auch systemischen, Risiken einhergehen. Auf diese
Risiken wird nun expliziter als bisher hingewiesen.
In den letzten Wochen haben wir den Entwurf des
Finanzministeriums an etlichen Stellen nachgebessert.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 26049
(A) (C)
(B) (D)
Wie bereits angesprochen, wurden Meldepflichten für
Konzentrationsrisiken gestrichen. Zentraler ist jedoch
eine wichtige Anpassung hinsichtlich der Anforderungen
an Mitglieder von Kontrollgremien. Wir stellen nun auf
die Sachkunde der Personen ab, nicht mehr auf die „fach-
liche Eignung“. Wir haben damit Kritik aufgegriffen, die
uns aus allen Richtungen erreicht hat. Die neue Regelung
stellt eine sinnvolle Anforderung dar und verhindert
gleichzeitig eine unsinnige Einschränkung des infrage
kommenden Personenkreises. Anzumerken bleibt natür-
lich eines: Auch die größte Sachkunde ist keine hinrei-
chende Bedingung für ein effektives Kontrollgremium.
Der Verwaltungsrat der IKB beispielsweise verfügte über
herausragende Sachkunde. Geholfen hat es nicht viel,
wie wir leidvoll erfahren haben.
Wir haben außerdem klargestellt: Die BaFin kann die
Abberufung von Mitgliedern in Kontrollgremien nur
verlangen und nicht selber durchsetzen. Im Streitfall hat
immer ein Gericht das letzte Wort.
Die erweiterten Befugnisse der BaFin, Ausschüttun-
gen zu unterbinden, finden nun auf längerfristige nach-
rangige Verbindlichkeiten keine Anwendung. Hinter-
grund: Diese Eigenkapitalinstrumente nehmen nicht am
Verlust teil, sondern müssen nur im Insolvenz- oder Li-
quidierungsfall nachrangig zurückgezahlt werden.
Auch wird die Regelung zum Ring-Fencing ergänzt.
Die BaFin informiert jetzt europaweit andere Aufsichts-
behörden über ihre Schritte; ein wichtiger Beitrag zur
notwendigen internationalen Kooperation der Behörden.
Wir haben außerdem die Verhandlungen zum Gesetz
genutzt, um die Leasingunternehmen nicht zu überfor-
dern, die seit kurzem Millionenkreditmeldungen abgeben
müssen. Das BMF hat uns zugesichert, dass die Nicht-
meldung von Millionenkrediten erstmalig zum 15. Januar
2010 beanstandet werden wird.
Auch der kommende Deutsche Bundestag wird sich
mit Fragen der Finanzaufsicht beschäftigen müssen. Die
vielfältigen internationalen Finanzmarktregulierungen auf
G-20- und EU-Ebene müssen in nationales Recht umge-
setzt werden. Daneben stehen weitere rein nationale Pro-
jekte bevor. Als wichtigstes ist zu nennen: die Zusam-
menlegung der deutschen Bankenaufsicht unter einem
Dach, dem Dach der Deutschen Bundesbank. Dies haben
wir als Union in unser Regierungsprogramm aufgenom-
men, weil wir es für den nächsten folgerichtigen Schritt
halten, die richtigen Lehren aus der Krise zu ziehen.
Klaus-Peter Flosbach (CDU/CSU): Die Regierun-
gen der G 20 haben sich infolge der Finanzmarktkrise
geeinigt, dass kein Finanzmarktakteur, kein Finanzpro-
dukt und kein Finanzmarkt ohne Aufsicht und Regulie-
rung bleiben soll. Wir unterstützen deshalb seitens der
CDU/CSU-Bundestagsfraktion diesen Entwurf zur Stär-
kung der Finanzmarkt- und der Versicherungsaufsicht.
Im Laufe der Beratungen konnten wir zahlreiche Ver-
besserungen durchsetzen, denn das Gesetz hatte Schlag-
seite. Es bestand die Gefahr, dass Vorschriften, die für
die Banken zutreffend sind, eins zu eins auch auf den
Versicherungsbereich übertragen würden. Man konnte
also den Eindruck gewinnen, dass es sich aktuell nicht
um eine Bankenkrise, sondern um eine Versicherungs-
krise handelte. Genau das Gegenteil ist der Fall. Die sehr
strengen Anforderungen, die Versicherungsunterneh-
men in ihren Kapitalanlagen erfüllen müssen, haben we-
sentlich dazu beigetragen, dass eine Finanzkrise im Ver-
sicherungsbereich gerade nicht aufgetreten ist. Wir
haben deshalb den Gesetzesvorschlag eingehend ge-
prüft.
Versicherungsunternehmen sind einer der größten Fi-
nanzierer von Nachrangkapital für Banken. Dieses Kapi-
tal wird fest verzinst, und die Erträge gehen zum ganz
überwiegenden Teil auf das Konto der Versicherungs-
nehmer, nicht auf das Konto der Aktionäre. Wir konnten
hier in den Beratungen durchsetzen, dass ein Ausschüt-
tungsverbot durch die BaFin für Erträge aus nachrangi-
gem Kapital wieder aufgehoben wurde. Ansonsten hätte
dieses Kapital den Banken nur noch zu deutlich erhöhten
Konditionen oder gar nicht mehr zur Verfügung gestan-
den.
Auch für die Versicherungsunternehmen wurden zu
Recht erhöhte Anforderungen an die Aufsichtsgremien
eingeführt. Wichtig für uns war, dass die in der Versiche-
rungsbranche übliche Spartentrennung auch in Aufsichts-
gremien sowie bei der Besetzung der Geschäftsleiter Be-
rücksichtigung findet. Denn Versicherungsunternehmen
vereinigen nicht alle Versicherungssparten unter einem
Dach, sondern für jede Sparte wird ein eigenes Versiche-
rungsunternehmen gegründet. Mit Abstimmung der
BaFin können deshalb auch Geschäftsleiter für mehrere
Unternehmen bestellt werden.
Wir haben auch darauf eingewirkt, dass nicht Regelun-
gen eingeführt werden, die schon in kürzester Zeit wieder
aufgehoben werden müssten. Denn die kommende euro-
päische Solvency-II-Richtlinie wird zum Beispiel die
Festlegung der Solvabilität bei Versicherungsunterneh-
men auf eine komplett neue Grundlage stellen. Da dieser
Richtlinienvorschlag bereits auf dem Tisch liegt, werden
wir uns nach der Bundestagswahl unmittelbar damit be-
schäftigen müssen.
Wir konnten uns auch darauf einigen, bei Holdings
eine angemessene Aufsicht einzurichten, auch wenn Hol-
dings nur als reine Beteiligungsgesellschaften angelegt
sind und auch keine Leitungsfunktion ausüben. Hier soll-
ten die Beziehungen der Aufsichtsbehörde zu den Hol-
dings auf eine rechtlich sichere Basis gestellt werden.
Gleichwohl haben wir darauf bestanden, dass der büro-
kratische Aufwand für die Holdings in einem angemesse-
nen Verhältnis bleibt, die Aufsicht aber alle für sie wich-
tigen Informationen erhält.
Die Lehre aus der Finanzmarktkrise ist, dass eine
Aufsicht präventiv handeln muss. Sie soll nicht erst dann
handeln können, wenn es bereits zu spät ist. Unsere Auf-
gabe ist es, für Stabilität im Finanzsektor zu sorgen, um
den Bürger vor Fehlentwicklungen zu schützen. Mit die-
sem Gesetz schaffen wir ein Stück mehr Stabilität und
Sicherheit für unsere Bürger.
26050 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009
(A) (C)
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Martin Gerster (SPD): Nach Plan sind wir in der
letzten Sitzungswoche dieser Wahlperiode angekom-
men – für mich der richtige Zeitpunkt, auf meine ersten
vier Jahre im Deutschen Bundestag zurückzublicken und
Bilanz zu ziehen. Wollte ich die größten Herausforde-
rungen dieser vier Jahre unter einem Leitmotiv zusam-
menfassen, ich würde die schwierige Abwägung von
Freiheit und Sicherheit hervorheben. Denn diese kom-
plexe Balance war für viele Entscheidungen kennzeich-
nend, mit denen wir uns im Innenausschuss beschäftigen
mussten, dem ich die ersten beiden Jahre der Legislatur
angehörte, zum Beispiel wenn es um die Arbeitsmög-
lichkeiten des Bundeskriminalamtes und die Weiterent-
wicklung unserer Sicherheitsarchitektur ging.
Eine ähnliche Problematik prägt auch jene Herausfor-
derungen, denen wir in den vergangenen zwei Jahren im
Finanzausschuss begegnen mussten: Ich spreche von der
Unvereinbarkeit von maximaler Freiheit auf dem Markt
und größtmöglicher Sicherheit für die Marktteilnehmer.
Diese Unvereinbarkeit ist auch für die hochaktuelle
Frage kennzeichnend, wie wir im Zuge der weltweiten
Banken- und Wirtschaftskrise unsere Finanzarchitektur
zukunftsfähig aufstellen sollten.
Einen Teil der notwendigen Antworten enthält der
vorliegende Gesetzentwurf, den wir heute abschließend
beraten wollen. Mit dem „Gesetz zur Stärkung der Fi-
nanzmarkt- und der Versicherungsaufsicht“ leisten wir
einen Beitrag, die Banken- und Versicherungsaufsicht
effizienter zu machen, weil wir den möglichen Ursachen
zukünftiger Krisen auf diesen Märkten vorbeugen wol-
len, müssen und werden. Diesem Ziel dient eine ganze
Reihe von Maßnahmen im Bereich des Kreditwesenge-
setzes, KWG, und des Versicherungsaufsichtsgesetzes,
VAG.
Zunächst erhält die Bundesanstalt für Finanzdienst-
leistungsaufsicht (BaFin) die Möglichkeit, von Institu-
ten, die ihrer Aufsicht unterliegen, eine höhere Liquidi-
tätsausstattung bzw. höhere Eigenmittel einzufordern,
wenn diese auf nicht zu bewältigende finanzielle Risiken
zusteuern. Stocken Banken ihre Eigenmittel durch staat-
liche Hilfen auf, kann die BaFin ein Ausschüttungsver-
bot für Gewinne auf diese Eigenmittelbestandteile ver-
hängen. So wird verhindert, dass die Gläubiger dieser
Banken aus Steuermitteln bedient werden. In Krisenfäl-
len darf auch ein Zahlungsverbot zulasten konzerninter-
ner Gläubiger verhängt werden. Das Gesetz beinhaltet
zudem zusätzliche Meldepflichten, die der BaFin einen
besseren Einblick in die Risikosituation der beaufsich-
tigten Unternehmen erlauben sollen.
Überdies ergreifen wir Schritte, den bislang zu wenig
regulierten Freiverkehr der inländischen Börse besser zu
kontrollieren und Anleger besser zu schützen. Und dort,
wo Mitglieder von Aufsichtsgremien in ihrer Funktion
versagen, wird es der BaFin zukünftig möglich sein, bei
den entsprechenden Organen deren Abberufung zu ver-
langen.
Ich möchte an dieser Stelle insbesondere auf jene
Teile des Gesetzes eingehen, die den Versicherungssek-
tor betreffen. Gegen die hier getroffenen Regelungen
gab es im Vorfeld einen grundlegenden Einwand. In
zahlreichen Stellungnahmen wurde betont, die Branche
sei nachweislich nicht schuld an der krisenhaften Ent-
wicklung der vergangenen Jahre. Der Einwurf scheint
auf den ersten Blick sicherlich gerechtfertigt: Tatsäch-
lich wäre es falsch, die Versicherungswirtschaft für die
derzeitigen Verwerfungen in der Wirtschafts- und Fi-
nanzwelt verantwortlich zu machen. Dennoch: In diesem
Gesetzentwurf geht es um Prävention. Und wenn wir
dieses Ziel ernst nehmen, müssen wir auch in diesem
– für das Gesamtsystem durchaus risikoträchtigen – Feld
mögliche Hürden auf dem Weg zu wirksamen Aufsichts-
mechanismen beseitigen. Dieses übergeordnete Ziel dul-
det keine halbherzigen Kompromisse – frei nach dem
Motto: Bitte gründlich waschen, aber bloß nicht nass
machen!
Die jetzt zum Beschluss anstehenden Änderungen im
Bereich der Versicherungsaufsicht verfolgen mehrere
Ziele: Gestärkt wird die Stellung des verantwortlichen
Aktuars, dem es obliegt, Versicherungs-, Anlage- und
Liquiditätsrisiken zu berechnen und zu bewerten. Auch
verschärfen wir die Aufsicht über Versicherungsholding-
Gesellschaften und verpflichten die Marktteilnehmer,
vertiefte Informationen über die Kapitalmarktaktivitäten
von Versicherungsgesellschaften und ihren Zweckgesell-
schaften zur Verfügung zu stellen.
Nicht zuletzt wird durch das Gesetz die Zahl der
Posten begrenzt, die eine einzelne Person in den Auf-
sichtsgremien von Unternehmen der Finanz- und Versi-
cherungsbranche wahrnehmen darf. Denn gerade in Kri-
sensituationen gilt es zu verhindern, dass die Mitglieder
der entsprechenden Gremien strukturell und zeitlich
überfordert sind oder gar durch Interessenkonflikte in
der Ausübung ihrer Funktion eingeschränkt werden.
Im Zuge der Beratungen haben wir – insbesondere in-
folge der Anhörung vom 27. Mai – zahlreiche Anregun-
gen diskutiert und eine ganze Reihe von Feinjustierun-
gen am Gesetzesentwurf vorgenommen. Dies betrifft vor
allem die Frage der Qualifikationen, die wir den Mitglie-
dern der Aufsichts- und Verwaltungsräte von Banken
und Versicherungen gleichermaßen abverlangen. Hier
haben wir den Begriff der „fachlichen Eignung“ durch
das angemessenere Kriterium der „Sachkunde“ – ersetzt
eine Lösung, die den vielen Aufsichtsratsmitgliedern aus
der Kommunalpolitik gerecht wird, die beispielsweise in
den Aufsichtsgremien von Sparkassen oder kommunalen
Versicherungen seit Jahren kompetent mitwirken. Diese
Regelung kommt auch den Arbeitnehmervertretungen
entgegen, deren sachkundige Mitarbeit in den entspre-
chenden Aufsichts- und Verwaltungsräten außer Frage
steht.
Insgesamt, denke ich, ist es uns gelungen, ein ausge-
wogenes Gesetz auf den Weg zu bringen, das im
Aufsichtsbereich notwendige Kursveränderungen antizi-
piert, ohne die betroffenen Unternehmen in unzumutba-
rer Weise zu gängeln. Mit den Maßnahmen stärken wir
die nationalen Aufsichtsmechanismen, ohne die kom-
menden europäischen Lösungen zu konterkarieren. Bis
Solvency II endgültig umgesetzt ist, sind wir in Deutsch-
land einfach einen kleinen Schritt voraus. Man mag das
– mit viel Theaterdonner – als nationalen Alleingang kri-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 26051
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tisieren. Ich aber glaube: Mit dem gewonnenen Vor-
sprung in Sachen Prävention können wir beruhigt auf
Europa warten.
Frank Schäffler (FDP): Der heutige Gesetzesbe-
schluss besiegelt das Scheitern der Koalition bei der Re-
form der Bankenaufsicht. Union und SPD haben sich im
Koalitionsvertrag eine Neuordnung der Bankenaufsicht
vorgenommen. Sie haben es auch durch ein von der Bun-
desregierung in Auftrag gegebenes Gutachten schriftlich
bekommen, dass die Bundesbank in der Bankenaufsicht
gestärkt werden muss. Getan haben sie aber nichts, außer
die Aufsichtsstruktur der Bundesanstalt für Finanzdienst-
leistungsaufsicht, BaFin, etwas zu ändern; übrigens nur
gezwungenermaßen als Konsequenz eines Korruptions-
skandals bei der BaFin.
Heute folgt nun die Ausweitung der BaFin-Kompe-
tenzen. Dadurch soll die BaFin künftig auch die Mitglie-
der von Kontrollgremien überprüfen können. Dazu hieß
es im Gesetzentwurf zunächst, die Mitglieder müssten
die entsprechende „fachliche Eignung“ aufweisen. Das
ging der Koalition dann doch zu weit; deshalb wurde der
Begriff der Sachkunde gewählt. Dieser, so heißt es nun
in der Gesetzesbegründung, wird in § 12 Abs. 1 Sparkas-
sengesetz NRW definiert. Dort heißt es aber: „Sach-
kunde bedeutet dabei den Nachweis einer fachlichen
Eignung …“. Ja, was soll denn nun gelten?
Wir hätten es für besser gehalten, die Eigentümer ent-
scheiden zu lassen, wen sie in ihre Kontrollgremien be-
rufen, und hier nicht eine weitere Aufgabe der BaFin
einzuführen. An dieser Regelung sieht man, dass die Ko-
alition sich in Wortklaubereien verzettelt und den Blick
für die Struktur verliert. Sie hat es versäumt, die deut-
sche Bankenaufsicht rechtzeitig wetterfest zu machen,
und in der Finanzkrise zahlt der deutsche Steuerzahler
nun einen hohen Preis dafür.
Wir schlagen vor, die bestehenden Aufsichtslücken zu
schließen, indem die bislang zersplitterte deutsche Ban-
kenaufsicht, BaFin und Bundesbank, zu einer Einheit zu-
sammengeführt wird. Dabei kommt es auch darauf an,
noch mehr höchstqualifizierte Finanzmarktexperten für
die Aufsichtstätigkeit zu gewinnen. Wir fordern, die Ban-
kenaufsicht der Deutschen Bundesbank zuzuordnen. Nur
die Bundesbank hat in Deutschland die nötige Glaubwür-
digkeit, diese Aufgabe zu bewältigen. Die Unabhängig-
keit der Bundesbank bleibt natürlich gewährleistet. Wir
haben sie auch bei der Einrichtung des Finanzmarktstabi-
lisierungsfonds verteidigt. Soweit für die neuen Aufga-
ben der Bundesbank ein Weisungsrecht zwingend erfor-
derlich ist, wird es auf den klar abgegrenzten Bereich der
Bankenaufsicht beschränkt.
Die Union hat nun in ihr Wahlprogramm geschrieben,
sie wolle die Bankenaufsicht konzentrieren. Das ist löb-
lich, kommt aber zu spät.
Wir sehen darüber hinaus eine Aufsichtslücke bei der
KfW-Bankengruppe, da die KfW als einzige Bank nicht
der Bankenaufsicht untersteht. Mit unserem Gesetzentwurf
wollen wir diese Lücke schließen und die KfW anderen Fi-
nanzinstitutionen des privatrechtlichen, genossenschaftli-
chen und öffentlichrechtlichen Sektors gleichstellen. Für
die hoheitliche Beaufsichtigung der KfW sollen im Sinne
der Gleichbehandlung die gleichen Anforderungen wie
für andere Großbanken gelten. Insbesondere die bislang
bestehende und sachlich nicht begründete Ungleichbe-
handlung zwischen der KfW und anderen öffentlich-
rechtlichen Kreditinstituten, wie etwa den Landesbanken,
wollen wir beseitigen.
Dr. Axel Troost (DIE LINKE): So richtig es ist, die
Finanzmarkt- und Versicherungsaufsicht zu stärken, so
verkehrt ist das vorliegende Gesetz. Ich nenne Ihnen drei
Gründe, warum dies so ist:
Erstens: Das Gesetz verfehlt seinen Anspruch auf Prä-
vention. Es ist nämlich so, dass die Vorschriften zur Ei-
genkapitalunterlegung (Basel II) massiv unterwandert
werden. Ein Grund dafür ist die viel zu weite Auslegung
dessen, was als Eigenkapital gilt. Von der Aufsicht akzep-
tiert sind auch Mischformen aus Eigen- und Fremdkapital –
so zum Beispiel Genussrechte und Wandelanleihen. Die
Finanzaufsicht will dieses schwache Eigenkapital – das
sogenannte Nachrangkapital – im Krisenfall in die Ver-
lusthaftung einbinden. Hier wäre es viel wirksamer, den
Begriff des Eigenkapitals von vornherein enger zu fassen.
Nur ausreichend Eigenkapital von hoher Qualität kann
Geschäftsrisiken wirksam abfedern.
Aber selbst dies ist allein nicht ausreichend: Eine wei-
tere Voraussetzung für eine präventive Aufsicht ist die im-
mer noch fehlende Zuständigkeit für Geschäftsmodelle.
Denn wenn das Geschäftsmodell fehlläuft, hilft auch die
Höhe des Eigenkapitals nicht viel. Hierzu schweigt das
Gesetz. Auch bleibt der Blick der Aufsicht auf einzelne
Institute beschränkt, statt weitaus gefährlichere systemi-
sche Risiken zu erfassen. Statt sich zur Vogelperspektive
aufzuschwingen, verteidigt die Aufsicht ihre Scheuklap-
pen.
Zweitens – und das bleibt unverändert der Haupt-
grund, warum wir den Entwurf ablehnen –: Das Gesetz
engt die demokratische Mitbestimmung ein. Denn: Lehnt
der Aufsichtsrat das Verlangen der Finanzaufsicht ab, ein
Mitglied abzuberufen, kann die Aufsicht dieses selbst ge-
richtlich durchsetzen. Doch schließlich handelt es sich
um demokratisch gewählte Gremien: Die Anteilseigener
werden von der Hauptversammlung gewählt, die Arbeit-
nehmervertreter von den Beschäftigten. Vom Deutschen
Gewerkschaftsbund (DBG) war zu hören, weder er noch
die SPD seien mit dieser Befugnis der Aufsicht glücklich.
Die CDU könne damit leben. Damit liegt die Vermutung
nahe, dass SPD und CDU hier schlicht einer Ansage des
Bundesfinanzministeriums folgen.
Entscheidend ist, das Gesamtgremium zu sehen. Nicht
jedes einzelne Aufsichtsratsmitglied muss die gesamte
Spannbreite der Aufgaben selbst erfüllen. Das wäre ge-
rade das Gegenteil von funktionierender Arbeitsteilung.
Vielmehr bringen die jeweiligen Gremiumsmitglieder
ihre jeweilige Sicht ein: So achten kommunale Vertrete-
rinnen und Vertreter darauf, dass Sparkassen und Kom-
munalversicherer ihren öffentlichen Auftrag erfüllen.
Wer kann besser einschätzen als sie, ob die flächende-
ckende Kreditversorgung gewährleistet ist? Dass finanz-
26052 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009
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technische Expertise allein in keinster Weise hinreichend
ist, belegen Pleitebanken wie die Hypo Real Estate an-
hand von Milliardenverlusten.
Damit komme ich zum dritten Punkt. Das ist der Punkt,
nach dem man im Gesetz vergeblich sucht – die Auf-
sichtsratskultur. Das Gesetz leistet keinerlei Beitrag zu ei-
ner besseren Aufsichtsratskultur. Doch gerade darauf
kommt es an: Wie ist die Zusammenarbeit mit Wirt-
schaftsprüferinnen und -prüfern organisiert? Wie läuft die
Zusammenarbeit mit der Bundesanstalt für Finanzdienst-
leistungsaufsicht und mit der Bundesbank? Wie können
entscheidungsrelevante, komplexe Angaben allen Mit-
gliedern in Aufsichtsgremien verständlich übermittelt
werden? Diese Fragen gilt es zu beantworten.
Die Linke lehnt das Gesetz ab, weil es die demokrati-
sche Mitbestimmung einschränkt. Zugleich leistet das
Gesetz weder einen wirksamen Beitrag zur Krisenprä-
vention noch geht es das Kernproblem der Aufsichtsrats-
kultur an. Es ist keinerlei Verlust, dieses Gesetz abzuleh-
nen.
Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Es war wenige Tage vor der ersten Runde der missrate-
nen milliardenschweren Rettung der Hypo Real Estate,
als Finanzminister Steinbrück am 25. September 2008 in
diesem Hohen Hause eine Regierungserklärung zur Fi-
nanzmarktkrise abgab. Vor weniger als einem Jahr also,
die Finanzkrise feierte damals ihr über einjähriges Beste-
hen. Herr Steinbrück sagte damals: „Die USA sind der
Ursprung der Krise, und sie sind der Schwerpunkt der
Krise. Es ist nicht Europa, und es ist nicht die Bundesre-
publik Deutschland.“ Und weiter: „Die mir wichtige
Antwort ist eine stärkere Regulierung auf internationaler
Ebene.“ „Denn“, so an anderer Stelle Finanzminister
Steinbrück, „das Krisenmanagement in Deutschland hat
bisher funktioniert.“
Dass Herr Steinbrück mit diesen Einschätzungen völ-
lig danebenlag, wussten wir schon damals, können es
aber inzwischen auch belegen: Denn die Krise ist kein
allein US-amerikanisches Problem, sondern mindestens
genauso stark auch unseres. Das wird niemand hier mehr
ernsthaft bestreiten wollen. Das Krisenmanagement in
Deutschland funktioniert nicht, es hat versagt. Das bele-
gen beispielhaft die bisherigen Erkenntnisse des Unter-
suchungsausschusses zur Hypo Real Estate. Und die
richtige Antwort auf die Krise besteht nicht allein in stär-
keren Regulierungen auf internationaler Ebene und ei-
nem neuen Design der Weltfinanzarchitektur. Sondern
eben auch auf nationaler Ebene muss gehandelt, muss
die Aufsicht verbessert werden.
Dass Letzteres inzwischen auch Herr Steinbrück so
sieht und er somit seine eigene Einschätzung revidiert
hat, belegt der vorliegende Gesetzentwurf zur sogenann-
ten Stärkung der Finanzmarkt- und Versicherungsauf-
sicht.
Leider kommt diese Einsicht reichlich spät: Bereits
die Pleiten von IKB und Sachsen LB hätten genug An-
lass gegeben zu schauen: Was können wir lernen? Was
können wir besser machen? Wie können wir unsere Auf-
sicht besser aufstellen? Wahrscheinlich hätte sich dann
das eine oder andere milliardenschwere Desaster noch
verhindern oder zumindest abmildern lassen.
Worum geht es nun konkret im vorliegenden Gesetzes-
entwurf?
Erstens soll die präventive Kompetenz der Aufsicht
gestärkt werden, beispielsweise indem künftig in Abhän-
gigkeit der Geschäftsrisiken eine Erhöhung des Eigenka-
pitals verlangt werden kann. Zweitens soll mit der Ein-
führung neuer Berichtspflichten die Informationsbasis
der Aufsicht verbessert werden. Drittens erhält die Auf-
sicht mehr Eingriffsrechte in Krisensituationen. So kann
die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Ba-
Fin) künftig beispielsweise eine Sperre der Gewinnaus-
schüttungen anordnen, wenn sich eine Bank in einer
Schieflage befindet. Außerdem sollen die fachlichen An-
forderungen an Aufsichtsräte von Banken und Versiche-
rungen erhöht werden, und zwar gestaffelt nach Komple-
xität der Geschäfte.
Leider wird das Gesetz seinem Anspruch, die Lehren
aus der Finanzmarktkrise zu ziehen, nicht gerecht. Denn
das Gesetz geht entweder nicht weit genug, greift ins
Leere oder packt die zentralen Reformbedarfe nicht an.
So wollen Sie die sogenannte Leverage Ratio, also das
Verhältnis von Eigenkapital zur Bilanzsumme, der Mel-
depflicht unterziehen. Die Aufsicht verfügt über diese
Daten aber schon längst. Hier eine Meldepflicht einzufüh-
ren, kann man daher getrost unter „Aktionismus“ und
„politischem Blendwerk“ verbuchen.
In der eingangs zitierten Rede vom September 2008
war der Finanzminister übrigens in seiner Erkenntnis
schon sehr viel weiter, als es der Gesetzentwurf von
heute ist: Damals betonte der Minister, es sei ihm wich-
tig, dass es zu einer Stärkung der Eigenkapitalanforde-
rungen und der Liquiditätsvorsorge bei den Banken
komme.
Wieso haben Sie diese Erkenntnis nicht in den Geset-
zestext gegossen? Ich teile nämlich Ihre Einschätzung:
Mit höheren Eigenkapitalpflichten können wir die Ban-
ken stabiler und krisenfester machen. Hoffen Sie hier auf
internationale Vorgaben? Wenn ja: Warum? Denn dass
man das Thema auch national anpacken kann, zeigt uns
Großbritannien: Dort sollen neue Eigenkapital- und Li-
quiditätsvorschriften so konzipiert werden, dass der ris-
kante Eigenhandel von Geschäftsbanken stark reduziert
wird. Der vorliegende Gesetzentwurf macht hierzu lei-
der überhaupt keine Aussagen.
Die zentralen Reformbedarfe packen Sie also gar
nicht erst an. Das ist nicht nur beim Thema Eigenkapital-
unterlegung so, sondern auch bei einem Problem, dass
die Fachwelt unter dem Stichwort „too big to fail“ disku-
tiert. Dabei geht es darum, wie künftig zu verhindern ist,
dass Banken zu groß und zu vernetzt werden, als dass
man sie nicht insolvent gehen lassen kann.
In diesem Zusammenhang wäre auch sehr wichtig,
endlich eine Reform des Insolvenzrechts für Banken an-
zupacken, um die aus den jüngsten Bankenrettungen re-
sultierenden Fehlanreize einzudämmen: Da bisher Gläu-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 26053
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biger wie Eigentümer der Banken gerettet wurden,
werden diese auch künftig riskante Bankenstrategien fi-
nanzieren. So wird die Basis für künftige Risikoexzesse
an den Finanzmärkten gelegt. Wichtig wäre eine Reform
des (Vor-)Insolvenzrechts für Banken, um künftig bei
Schieflagen verstärkt die Gläubiger in die Finanzierung
von Lösungen einbeziehen zu können. Folge wäre eine
wünschenswerte stärkere Kontrolle vom Markt hinsicht-
lich der durch die Bank eingegangenen Risiken. Auch
hierzu macht Ihr Gesetz keine Aussagen.
Überdies wurden teils sinnvolle Vorschläge des Ge-
setzentwurfs im Zuge der parlamentarischen Beratungen
wieder entschärft. So fällt gegenüber dem ursprüngli-
chen Gesetzentwurf Nachrangkapital nicht mehr unter
die Ausschüttungssperren, die die Aufsicht bei Schiefla-
gen künftig verhängen kann. Damit wird im Zweifel aus-
geschüttet, was eigentlich im Sinne einer Stabilisierung
des Instituts einbehalten werden sollte.
Abschließend noch zwei Punkte, die mir sehr wichtig
sind.
Spätestens die Krise um die Hypo Real Estate (HRE)
hat offengelegt, dass die Schnittstelle zwischen Aufsicht
und Finanzministerium nicht funktioniert. Etliche War-
nungen der Aufsicht zur Schieflage der HRE wurden ab-
geheftet und archiviert statt ausgewertet. Zur entschei-
denden ersten HRE-Rettungsrunde ist der Staatssekretär
gefahren, ohne das vorhandene Wissen des eigenen Hau-
ses auch nur zur Kenntnis genommen zu haben. Alterna-
tive Rettungsszenarien wurden allenfalls zu spät geprüft.
Und nicht zuletzt: Nach fast zwei Jahren Finanzkrise
hatte das Finanzministerium noch immer keinen Krisen-
stab, der das Know-how referats- und abteilungsüber-
greifend hätte zusammenführen und bündeln können.
Bevor diese Defizite nicht endlich behoben werden, wer-
den Reformen zu einer verbesserten Aufsicht letztend-
lich ins Leere laufen.
Außerdem ist die qualitative und quantitative Perso-
nalausstattung der Aufsicht völlig unzureichend. Das hat
erst vor ein paar Wochen sogar Herr Sanio zugegeben.
Solange Sie hier nicht endlich Nägel mit Köpfen machen
– sprich: die Aufsicht personell so ausstatten, wie es nö-
tig ist – so lange werden die zarten Verbesserungen, die
an einigen wenigen Stellen auch in diesem Gesetz durch-
schimmern, zu keinen besseren Ergebnissen führen.
Denn bei zusätzlichen Kompetenzen, die das Gesetz der
Aufsicht zuschreibt, braucht eine Behörde auch zusätzli-
ches Personal. Das weiß jede Kommunalverwaltung, die
verfassungsrechtlich abgesichert penibel darauf achtet,
dass jede vom Land neu übertragene Aufgabe auch geld-
wert vergolten wird, damit die übertragene Aufgabe
auch geleistet werden kann. Bei Ihnen kommt mir es
hingegen so vor, als ob Sie der Aufsicht die Quadratur
des Kreises zutrauen: Ihr bekommt mehr Kompetenz
und neue Aufgaben, aber bitteschön: die Aufgabenerle-
digung schafft ihr mit den bisherigen Ressourcen, die so-
wieso schon zu knapp sind. Das scheint mir Ihre gefähr-
liche Logik zu sein, der ich allerdings überhaupt nicht
folgen kann.
Die Lehren aus der Finanzmarktkrise haben Sie also
noch immer nicht gezogen – weder, was die Aufsicht
und die Organisation des Finanzministeriums angeht,
noch, was die Zusammenarbeit zwischen beiden angeht.
Das Fatale daran ist auch: nach über zwei Jahren ist die
Finanzmarktkrise noch immer nicht überstanden. Ihre
halbherzigen Vorschläge sind daher eine echte Gefahr
für unser Land.
Meine Fraktion lehnt den Gesetzentwurf daher ab.
Anlage 15
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung:
– Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des
Grundgesetzes (Artikel 38)
– Entwurf eines Gesetzes zur Herabsetzung
des Wahlalters im Bundeswahlgesetz und im
Europawahlgesetz
(Tagesordnungspunkt 19)
Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU): Über eine
Absenkung des aktiven Wahlalters bei den Wahlen zum
Deutschen Bundestag haben wir in der aktuellen Wahl-
periode bereits einmal debattiert. Die Grünen haben die
Forderung zur Absenkung der Altersgrenze auf 16 Jahre
schon in Gestalt eines Antrags eingebracht, den der
Deutsche Bundestag am 4. Dezember 2008 in zweiter
und dritter Beratung abgelehnt hat. Die Grünen haben
dieselbe Forderung – nun ausgeweitet auf die Wahlen
zum Europäischen Parlament – dann in der Gestalt des
vorliegenden Gesetzentwurfs eingebracht, über den wir
nun in zweiter und dritter Lesung beraten. Ich habe
schon anlässlich der ersten Lesung zu diesem Gesetzent-
wurf am 6. Mai 2009 die Haltung der CDU/CSU-Frak-
tion erläutert und fasse sie hier noch einmal zusammen.
Der Antrag der Grünen krankt daran, dass er keine
überzeugenden Argumente dafür liefert, warum die Al-
tersgrenze für das aktive Wahlrecht losgelöst werden soll
von der zivilrechtlichen Volljährigkeit, die in Deutsch-
land seit dem 1. Januar 1975 mit Vollendung des 18. Le-
bensjahres eintritt. Ich sage es hier noch einmal: Die
Volljährigkeit ist der entscheidende Anknüpfungspunkt
dafür, dass jungen Menschen zivilrechtlich die volle Ver-
antwortung für die Konsequenzen ihres Handelns zuge-
mutet wird. Vor Eintritt der Volljährigkeit wird der junge
Mensch vor nachteiligen Folgen seines Handelns ge-
schützt, indem seine Erklärungen nur dann für ihn Wir-
kung entfalten, wenn seine gesetzlichen Vertreter – in
der Regel die Eltern – zustimmen. Dieses Konzept ist in
sich schlüssig und wird für das Zivilrecht, also für das
normale Alltagsleben, soweit ich es sehe von nieman-
dem ernsthaft infrage gestellt. Auch die Grünen fordern
ja in ihrem Antrag keineswegs eine andere Altersgrenze
für die Volljährigkeit, sondern nur isoliert für das aktive
Wahlrecht bei den Bundestags- und Europawahlen.
Für die Festschreibung der Volljährigkeit mit Vollen-
dung des 18. Lebensjahres gibt es gute Gründe, die letzt-
lich in der fortdauernden Entwicklung und Reifung der
jungen Menschen begründet sind. Diese Entwicklung ist
26054 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009
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– selbstverständlich – ein kontinuierlicher, lebenslanger
Prozess, der nicht mit bestimmten Stichtagen endet. Des-
halb ist die Festlegung jeglicher gesetzlicher Alters-
grenze, ob im Zivilrecht oder aber für das Wahlrecht,
eine Entscheidung, die sehr gut begründet werden muss.
Für das Wahlrecht kommt hinzu, dass das Grundgesetz
in Art. 38 ganz ausdrücklich vom allgemeinen Wahl-
recht ausgeht. Es handelt sich beim Wahlrecht um das
fundamentale Bürgerrecht in einer Demokratie, das
schon aus diesem Grunde – etwa durch Vorschreibung
eines Mindestalters – nur eingeschränkt werden darf,
wenn absolut durchschlagende Argumente dafür vorhan-
den sind. Diese Argumente sind aber vorhanden, und ich
halte sie nach wie vor für richtig und für absolut durch-
schlagend.
Das entscheidende Argument habe ich schon ange-
deutet: Rechte und Pflichten sollten auch weiterhin zu-
sammengehören: Wenn ein Minderjähriger die nachteili-
gen Folgen seines Handelns im Zivilrecht nicht tragen
muss, begründen wir das damit, dass er geschützt wer-
den muss. Der dahinter stehende Gedanke ist, dass der
Jugendliche in seiner persönlichen Reife und Urteilsfä-
higkeit in aller Regel noch nicht so weit entwickelt ist,
dass man ihn für alle nachteiligen Konsequenzen seines
Tuns verantwortlich machen sollte.
Wir muten dem Minderjährigen also im Zivilrecht
und damit im Alltag nicht zu, für die negativen Folgen
seines Handelns einzustehen. Sie werden mir aber zu-
stimmen, dass die Ausübung des Wahlrechts in einer De-
mokratie sicher von größerer Bedeutung ist als ein x-be-
liebiger Kaufvertrag unter Privatleuten. Schon deshalb
wäre es nicht schlüssig, für das Wahlrecht eine niedri-
gere Altersgrenze vorzusehen, weil sie dem Minderjähri-
gen volle Verantwortung und Verantwortlichkeit für das
Gemeinwesen zuordnen und zumuten würde, obwohl
ihm diese Verantwortlichkeit in seinem privaten Le-
bensumfeld nicht zugemutet wird. Das passt nicht zu-
sammen.
Die Volljährigkeit ist ferner auch die Grenze, ab der
junge Männer nach dem Grundgesetz der Wehrpflicht
unterliegen. Auch dies ist der besonderen Schutzbedürf-
tigkeit der Minderjährigen geschuldet. Die wesentlichen
staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten knüpfen somit
gegenwärtig an der Altersgrenze von 18 Jahren an. Es
wäre nicht konsequent, das aktive Wahlrecht als Teilbe-
reich dieses Geflechts von Rechten und Pflichten aus
diesem in sich schlüssigen System herauzulösen. Das
aktive Wahlrecht und die Volljährigkeit würden dann
auseinanderfallen, denn die Grünen fordern ja nicht
gleichzeitig die Herabsenkung der Altersgrenze für die
Volljährigkeit. Das überzeugt nicht. Belassen wir es des-
halb bei dem bewährten Gleichlauf von staatsbürgerli-
chen Rechten und Pflichten sowie zivilrechtlicher Ver-
antwortlichkeit.
Selbstverständlich verfügen schon Jugendliche über
die Fähigkeit, sich über politische Zusammenhänge eine
Meinung zu bilden und diese auch zu artikulieren. Das
stellt doch niemand infrage. Ich begrüße es auch ganz
außerordentlich, wenn sich junge Menschen für Politik
interessieren und möglicherweise auch engagieren. Ich
sehe auch die Politik in der Verantwortung, Jugendliche
an politische Zusammenhänge heranzuführen. Bei vielen
Gesprächen mit Jugendlichen habe ich aber nicht den
Eindruck gewonnen, dass eine Herabsetzung des Wahl-
alters bei den Bundestagswahlen zu ihren dringendsten
Anliegen zählen würde. Im Gegenteil: Ich habe den Ein-
druck, dass viele Jugendliche sehr wohl Verständnis für
die jetzige Altersgrenze und die dafür sprechenden
Gründe haben.
Sehr wichtig ist es freilich, junge Menschen schritt-
weise an politische Prozesse heranzuführen. Politische
Bildung in der Schule, aber auch außerhalb, ist hier ohne
jeden Zweifel von entscheidender Bedeutung. Viele
junge Menschen nehmen diese Angebote auch wahr.
Sehr viele Jugendliche nehmen im Übrigen auch in an-
derer Form Verantwortung für die Allgemeinheit wahr,
indem sie sich nämlich ehrenamtlich in Vereinen, Kir-
chen, Jugendgruppen oder sonstiger Form engagieren.
Junge Menschen sind nach einer Untersuchung des Bun-
desfamilienministeriums zum Stand von 2004 erfreulich
häufig in Vereinen und anderen Formen ehrenamtlich
engagiert: In der Altersgruppe der 14- bis 24-Jährigen
sind dies rund 36 Prozent. Weitere 43 Prozent in dieser
Altersgruppe sind grundsätzlich bereit, sich ehrenamt-
lich zu engagieren. Damit gehört diese Altersgruppe zu
den am stärksten aktiven im Bereich des ehrenamtlichen
Engagements.
Diese Zahlen sprechen doch eine deutliche Sprache:
Jugendliche nehmen schon heute zahlreiche bestehende
Möglichkeiten zur gesellschaftlichen Teilhabe und zur
Verantwortung für das Gemeinwesen wahr. Es ist des-
halb eine absolut unzulässige Verkürzung der Tatsachen,
wenn die Grünen in ihrem Antrag den Eindruck erwe-
cken wollen, dass allein durch eine Absenkung des
Wahlalters jungen Menschen eine angemessene bürger-
schaftliche Teilhabe ermöglicht werden könnte. Das ist
eine völlig unangebrachte Verengung des Blickwinkels,
wenn es um die bürgerschaftliche Teilhabe und Verant-
wortung junger Menschen geht.
Ich wiederhole es noch einmal, um nicht missverstan-
den zu werden: Es verdient volle Unterstützung, wenn
sich junge Menschen bürgerschaftlich und auch politisch
im engeren Sinne einbringen wollen. Selbstverständlich
ist es wichtig und notwendig, junge Menschen schon
frühzeitig über die Grundlagen und die Eckpunkte unse-
rer freiheitlichen demokratischen Grundordnung und
über politische Zusammenhänge zu informieren. Die
Schule, die außerschulische politische Bildung, aber
auch die Eltern und natürlich auch die demokratischen
politischen Parteien mit ihren Nachwuchsorganisationen
sind hier gefragt. Auch wir Abgeordnete sind gefordert,
mit jungen Menschen das Gespräch zu suchen und ihre
Anliegen ernst zu nehmen. Jugendliche nutzen die beste-
henden Möglichkeiten zur bürgerschaftlichen Teilhabe
und auch zur politischen Diskussion und zum politischen
Engagement oft besser und in regerer Form, als es man-
cher Kassandraruf glauben lassen will.
Um noch auf einen letzten Gesichtspunkt einzugehen:
Auch der Aspekt der Generationengerechtigkeit und der
Nachhaltigkeit, den die Grünen anführen, taugt nicht,
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 26055
(A) (C)
(B) (D)
um eine Herabsetzung des Wahlalters zu begründen. Ich
begrüße es sehr, dass das Thema der Generationenge-
rechtigkeit und der Nachhaltigkeit – inzwischen wohl
fraktionsübergreifend – im Fokus der politischen Auf-
merksamkeit angekommen ist. Es besteht nach meinem
Eindruck Konsens, dass wir die Folgen politischer Ent-
scheidungen für die jungen und die nachfolgenden Ge-
nerationen ganz besonders sorgfältig im Blick haben
müssen. Ich begrüße es deshalb auch ganz besonders,
dass die Bundesregierung mit Wirkung zum 1. Juni 2009
die Nachhaltigkeitsprüfung als zwingenden Bestandteil
jeder Gesetzesfolgenabschätzung bei Gesetzesvorhaben
der Bundesregierung aufgenommen hat. Die Bundesre-
gierung hat damit nicht zuletzt eine Forderung des Parla-
mentarischen Beirats des Deutschen Bundestages für
nachhaltige Entwicklung umgesetzt. Dies ist eine pas-
sende und richtige Antwort auf die Herausforderungen,
die sich durch die Generationengerechtigkeit stellen. Mit
solchen Schritten sollten wir die Verantwortung der heu-
tigen politischen Entscheidungsträger für die jungen und
kommenden Generationen weiter stärken. Dagegen halte
ich es für nicht zielführend, eine bessere Generationen-
gerechtigkeit durch eine Absenkung der Altersgrenze für
die Bundestagswahlen erreichen zu wollen, wie es die
Grünen möchten. Ich bin davon überzeugt, dass Eltern
bei ihrer Wahlentscheidung auch die Interessen und An-
liegen ihrer Kinder mitberücksichtigen. Das ist ganz
selbstverständlich. Vor diesem Hintergrund gibt es kei-
nen Anlass, zu befürchten, dass die Anliegen der jungen
Menschen nicht hinreichend bei den Wahlen zum Tragen
kämen. Andererseits – das möchte ich bei dieser Gele-
genheit ebenfalls sagen – wäre es aber auch nicht über-
zeugend, den Eltern ein zusätzliches Stimmrecht gleich-
sam in Treuhänderschaft für ihr Kind zu verleihen, denn
es sollte beim Grundsatz der Höchstpersönlichkeit der
Wahl bleiben, welcher besagt, dass letztlich jeder Wahl-
berechtigte nur für sich selbst wählen kann.
Der Gleichlauf von aktivem und passivem Wahlrecht
bei den Wahlen zum Deutschen Bundestag mit der zivil-
rechtlichen Volljährigkeit sowie mit den maßgeblichen
staatsbürgerlichen Pflichten – insbesondere der Wehr-
pflicht – hat sich hervorragend bewährt. Für diesen
Gleichlauf sprechen bei weitem bessere Argumente als
für die Herabsetzung des aktiven Wahlalters auf
16 Jahre. Lassen Sie uns dieses bewährte, in sich stim-
mige Modell nicht ohne Not über Bord werfen.
Klaus Uwe Benneter (SPD): Ich prophezeie Ihnen:
Sie werden mit Ihren Gesetzentwürfen keinen Erfolg ha-
ben, auch nicht in der letzten Bundestagssitzungswoche
Donnerstagnacht.
Natürlich sind wir Sozialdemokraten für Ihre Ideen
erst einmal offen. „Demokratie stärken“ klingt gut. Wir
wollen auch mehr Demokratie in unserer Gesellschaft, in
der Arbeitswelt oder in den Universitäten. Deshalb set-
zen wir uns für die Stärkung von Volksbegehren und
Volksentscheiden auf Bundesebene ein, und wir wollen,
dass Staatsangehörige aus Staaten, die nicht aus der Eu-
ropäischen Union kommen, endlich auf kommunaler
Ebene wählen dürfen; und in möglichst vielen Gemein-
den auch 16-Jährige. Die Erfahrungen damit müssen wir
uns genau anschauen. Über diese Ideen würde ich heute
gern reden. Und über die CDU/CSU, die alle diese guten
und wichtigen Initiativen blockiert, weil sie den Men-
schen nicht traut.
Demokratie stärken, ja, aber Symbolpolitik nein. Die
Bündnisgrünen wollen mit ihrem Gesetzentwurf Jugend-
lichen ab 16 Jahren das Wahlrecht für den Bundestag ge-
ben. Ich bin da anderer Meinung. Die Argumente sind
wirklich ausgetauscht. Ich habe immer gesagt, dass ich
mich einer Diskussion nicht verschließen will. Aber be-
vor wir das Grundgesetz ändern, müssen wir wirklich
gute Gründe und noch bessere Argumente haben. Das,
was hier in dem Antrag vorgetragen wird, überzeugt
mich immer noch nicht.
Die Kollegen der Bündnisgrünen begründen das
Wahlrecht ab 16 Jahren damit, dass Jugendliche auch
mit diesem Alter schon genug einsichtsfähig sind. Natür-
lich sind sie das. Aber 14-Jährige doch auch! Warum ge-
ben Sie dann nicht 14-Jährigen das Wahlrecht? 16 Jahre
sind doch ganz beliebig. Ich erlebe in meinem Wahlkreis
immer wieder Jugendliche, die ihre eigene politische
Meinung haben und sie engagiert vertreten, viel mehr
als mancher Erwachsener. Sie sind in Schülervertretun-
gen, in Bürgerinitiativen, Jugendparlamenten oder bei
Amnesty International aktiv. Von diesen Jugendlichen ist
aber noch niemand an mich herangetreten und hat das
Wahlrecht ab 16 oder 14 Jahren oder sogar von Geburt
an gefordert. Offenbar leuchtet ihnen ein, dass ein Wahl-
recht ab Volljährigkeit ein möglicher und gut vertretba-
rer Anknüpfungspunkt ist.
Die Volljährigkeit ist der Zeitpunkt, an dem ein Ju-
gendlicher keine gesetzlichen Vertreter mehr hat und für
seine Handlungen voll in Haftung genommen werden
kann. Für jede CD, die sich ein Jugendlicher bis dahin
gekauft hat, brauchte er die Genehmigung der Eltern.
Auch beim Wehrdienst knüpft unsere Rechtsordnung an
das Alter von 18 Jahren an. Es wäre auch ein unhaltbarer
Zustand, wenn wir von jungen Frauen und Männern ver-
langen, ihr Leben einzusetzen, sie aber nicht wählen las-
sen.
Mit 18 Jahren kann ein Jugendlicher zum ersten Mal
nach Erwachsenenstrafrecht bestraft werden. Er kann
seinen Führerschein machen oder ihm wird erlaubt,
40 Stunden die Woche zu arbeiten. Und was für die Ju-
gendlichen sicher ganz wichtig ist: Sie dürfen endlich
solange ausgehen, wie sie wollen. Es gibt also eine
ganze Reihe von Bereichen, in denen wir es für sinnvoll
halten, 18 Jahre als das Alter zu bestimmen, zu dem Ju-
gendliche rechtlich ihre volle Freiheit und Eigenverant-
wortung gewinnen.
Ich weiß, zwingend ist das Wahlalter ab 18 nicht.
1970 wurde es unter der sozialliberalen Koalition von
Willy Brandt von der Volljährigkeit abgekoppelt. Von
nun an konnten auch 18-Jährige wählen, obwohl die
Volljährigkeit noch bei 21 Jahren lag. Fünf Jahre später
wurde auch die Volljährigkeit auf 18 Jahre gesenkt. Den-
noch bleibe ich dabei: Mit 16 zu wählen, aber keine Ver-
träge allein verbindlich unterschreiben zu können, das ist
paradox. Das passt nicht zusammen.
26056 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009
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Auch das zitierte Gesetz über die religiöse Kinderer-
ziehung ist doch kein Argument für das Wahlrecht ab 16.
Im Gegenteil: Dann müsste das Wahlalter auf 14 gesenkt
werden. Denn nach diesem Gesetz dürfen Kinder mit
14 Jahren umfassend über ihre Religionsausübung ent-
scheiden. Ja, warum eigentlich nicht schon mit 14 wäh-
len? Die 79. Vollversammlung des Deutschen Bundesju-
gendringes hat das so beschlossen.
Die Bündnisgrünen möchten mit ihrem Antrag mehr
Generationengerechtigkeit herstellen. Die Logik lautet
da: Weil die Jugendlichen immer weniger und die Men-
schen immer älter werden, bekommen die Jugendlichen
mit dem Wahlrecht ab 16 eine stärkere Stimme gegen-
über den Älteren. Liebe Bündnisgrüne, wollen Sie damit
sagen, dass sich 50- oder 60-Jährige nicht für ein gerech-
tes Bildungssystem, Jugendarbeitslosigkeit oder Stu-
diengebühren interessieren, bloß weil sie selbst davon
nicht mehr betroffen sind? Sagen Sie das bloß nicht zu
laut! Da werden Ihnen eine Menge Senioren entschieden
widersprechen, nicht nur die, die Enkel haben. Und das
zu Recht. Das ist nicht logisch. Das ist eine wirklich ge-
wagte Unterstellung. Mit diesem Argument kommen Sie
nicht weiter.
Ich fasse zusammen: Unsere Rechtsordnung knüpft
mit guten Gründen das Wahlrecht an die Volljährigkeit
und damit das Wahlalter 18 an. Die derzeitige Regelung
in Art. 38 Grundgesetz stärkt das Bewusstsein, dass das
Wahlrecht nichts Beliebiges ist, sondern die Basis der
demokratischen Willensbildung. Dieses Recht ist von
großer Tragweite für unser Gemeinwesen, muss etwas
Besonderes bleiben und nicht irgendwelchem Zeitgeist
unterstellt werden.
Gisela Piltz (FDP): Zum vierten Mal binnen eines
Jahres debattieren wir heute eine Initiative der Grünen
zur Herabsetzung des Wahlalters von 18 auf 16 Jahre.
Hinsichtlich des Grundanliegens des Antrages, politi-
sche Partizipation zu fördern und Jugendliche an politi-
sche Prozesse heranzuführen, haben wir Liberalen stets
die Position der Grünen geteilt. Nicht geteilt wird von
uns der durch die Grünen aufgezeigte Weg zur Errei-
chung dieses Zieles. Mitzubestimmen ohne mitzuverant-
worten ist und bleibt nach unserer Überzeugung genauso
falsch wie Wählen allein um des Wählens willen.
Die gesamte deutsche Rechtsordnung knüpft – mit ei-
nigen wenigen Ausnahmen – die Gesamtheit aller
Rechte und Pflichten an die Erreichung der Volljährig-
keit. Die Volljährigkeit ist der Dreh- und Angelpunkt für
Rechte und Pflichten des Einzelnen. Sie markiert den
Zeitpunkt, zu dem ein junger Mensch vollständig für
sich Verantwortung übernimmt und zu übernehmen hat.
Insbesondere verfolgt auch das deutsche Strafrecht
diese differenzierende Betrachtungsweise. Auch hier en-
det der mögliche persönliche Anwendungsbereich des Ju-
gendgerichtsgesetzes aus guten Gründen erst mit Errei-
chen des 18., in manchen Fällen sogar erst mit Erreichen
des 21. Lebensjahres. Kein Mensch würde hier auf die
Idee kommen, bei jugendlichen Straftätern unter 18 Le-
bensjahren ohne Wenn und Aber das Erwachsenenstraf-
recht anzuwenden. Denn auch im Strafrecht ist der zen-
trale Begriff der der Verantwortlichkeit.
Natürlich müssen wir feststellen, dass ein großer Teil
der jungen Leute heutzutage politisch reifer und gebilde-
ter ist, als es noch vor Jahren oder Jahrzehnten der Fall
war. Und selbstverständlich setzt mit dieser Fortentwick-
lung eines großen Teils der Jugendlichen auch der politi-
sche Denkprozess viel früher ein. Wenn Sie sich mit Ju-
gendlichen unterhalten, werden Sie jedoch feststellen,
dass nicht wenige gerade wegen ihres gewachsenen poli-
tischen Verständnisses der Etablierung eines Wahlrechts
im Teenageralter skeptisch gegenüberstehen. Die jungen
Leute erkennen, dass Wahlen nicht nur Ausdruck per-
sönlicher politischer Verantwortung sind, sondern dane-
ben und vor allem auch Verantwortung für die Allge-
meinheit. Gewähren wir den jungen Leuten doch die
Möglichkeit, sich in Ruhe und ohne Druck eine politi-
sche Meinung zu bilden. Denn auch wenn der Entwick-
lungsstand der Jugendlichen heute höher ist als früher;
die Gefahr, dass nicht wenige Teenager sich von ge-
schickten Rednern schnell beeindrucken und schnell be-
einflussen lassen, ist nicht gänzlich von der Hand zu
weisen.
Ein verfrühtes Wahlrecht, das im Zweifel dann als
Wahlpflicht empfunden werden könnte, ist vor diesem
Hintergrund nicht der Königsweg. „Wer Wahlen als Auf-
putschmittel für Jugendliche betrachtet, verwechselt sie
mit Coca Cola“, so hat es Herr Professor Dr. Gerd
Roellecke nicht ganz unzutreffend in seinem Aufsatz
(NJW 1996, 2773) auf den Punkt gebracht. Es müssen
andere Wege gefunden werden, um Jugendliche an poli-
tische Prozesse heranzuführen und für Politik zu begeis-
tern. Die FDP-Bundestagsfraktion setzt sich daher seit
langem für die Etablierung von Jugendparlamenten in
Schulen oder Gemeinden ein. Auch die verstärkte Förde-
rung politischer Bildung ist nach unserer Einschätzung
ein wichtiger und unverzichtbarer Schritt hin zu mehr
Eigenverantwortung und weg von der allgemein zu be-
obachtenden Politikverdrossenheit. Denn das ist nach
unserer Überzeugung der eigentliche Missstand und das
eigentliche Problem, das wir vordringlich anpacken
müssen.
Die FDP-Bundestagsfraktion ist davon überzeugt,
dass Politik nur unter Einbeziehung von Kindern und Ju-
gendlichen zukunftsfähig gestaltet werden kann. Insofern
ist die Ausweitung von Partizipationsmöglichkeiten auch
auf Jugendliche grundsätzlich ein richtiger Schritt. Allein
ein Stimmzettel vermag es indes nicht, der Stimme der
nachfolgenden Generationen den nötigen Ton zu verlei-
hen.
Diana Golze (DIE LINKE): Die Debatte um die Ab-
senkung des Wahlalters auf 16 Jahre in der letzten Sit-
zungswoche und in der Nacht zum letzten Sitzungstag zu
führen, steht sinnbildlich für die Scheinheiligkeit der
Kinder- und Jugendpolitik der Bundesregierung in den
vergangenen vier Jahren. Die Kolleginnen und Kollegen
der Koalitionsfraktionen waren sich in der ersten De-
batte zu diesem Antrag im Mai dann auch nicht zu
schade, mit pauschalen und wiedergekäuten Textbaustei-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 26057
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nen auf den Bestand des Wahlalters ab 18 zu pochen.
Wahlweise beruft man sich auf die volle Strafmündig-
keit, auf die Erreichung der vollen Geschäftsfähigkeit
und am Ende gar auf die Wehrpflicht.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD
und der CDU/CSU-Fraktion, dann bleiben Sie doch bitte
konsequent in Ihrer Rechtsauslegung. Ein 18-jähriger
Mensch kann zum Wehrdienst herangezogen werden. Er
kann nach Erwachsenenstrafrecht verurteilt werden, weil
er mit 18 – um Herrn Mayer von der CDU/CSU-Fraktion
zu zitieren – „die erforderliche persönliche Reife“ hat.
Der gleiche Mensch ist nach Ihrer Logik aber nicht er-
wachsen genug, um den vollen ALG-II-Regelsatz zu be-
kommen. Obwohl er eigenständig ein Fahrrad kaufen
kann, darf er nicht ohne Amt einen Mietvertrag unter-
zeichnen. Es liegt auch in der nächsten Legislaturperiode
in Ihrer Hand, die unsäglichen, entmündigenden Rege-
lungen für unter 25-jährige ALG-II-Empfängerinnen
und -empfänger zurückzunehmen.
Doch das ist nicht das einzige Armutszeugnis, das Sie
sich mit Ihren Begründungen gegen diesen Antrag lie-
fern. Durchgängig haben Sie die Arbeit von Vereinen,
Verbänden und Initiativen gelobt und als beste Möglich-
keit für Kinder und Jugendliche, sich an Demokratie und
an Gesellschaft zu beteiligen, bezeichnet. Sie hätten mit
Ihrer Politik diesen Bereich stärken können. Stattdessen
haben Sie aber genau da wieder und wieder den Rotstift
angesetzt. Politische Bildung, Vermittlung von Demo-
kratieverständnis gibt es aber nicht zum Nulltarif. Wer
die Mitbestimmungsrechte stärken will, muss die Ju-
gendhilfelandschaft in der Bundesrepublik stärken. In
den vergangenen Jahren hat die Politik aber genau das
Gegenteil getan. Die CDU/CSU-Fraktion spricht von
einem Schaufensterantrag der Grünen und antwortet mit
platten Wahlkampfthesen, die keinem Realitätstest
standhalten würden.
Das Wahlrecht ist ein wichtiges Mitbestimmungsrecht –
in einer parlamentarischen Demokratie, wie wir sie ha-
ben, sogar ein zentrales. Genau an dieser Stelle aber wird
es scheinheilig. Denn wenigstens in einem bleibt
Schwarz-Rot konsequent: bei der Verhinderung jeder
Form von Ausweitung der Rechte von Kindern und Ju-
gendlichen.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der
CDU/CSU und leider auch von der SPD, ich war sehr er-
freut, bei Ihrem Debattenbeitrag zu vernehmen, dass Ih-
nen die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen sehr
am Herzen liegt und Sie im Wahlkreis und vor Ihren Be-
suchergruppen auch oft und gern darüber diskutieren.
Meine Bitte an Sie ist: Diskutieren Sie es bitte endlich
auch in den Fachausschüssen und im Plenum. Mit uns!
Denn Beteiligungsrechte sind Kinderrechte. Über Kin-
derrechte wollten Sie aber zum wiederholten Male am
vergangenen Mittwoch im Familienausschuss noch nicht
einmal debattieren.
Mein Resümee für vier Jahre Große Koalition heißt
daher: Kinder- und Jugendpolitik und insbesondere die
Stärkung von Kinder- und Jugendbeteiligung hat in vier
Jahren Große Koalition quasi nicht stattgefunden.
Grundgesetzänderungen im Sinne von Kindern und Ju-
gendlichen, die zur Stärkung und Einklagbarkeit ihrer
Rechte führen, finden in diesem Hause auch im Jahr
2009 keine Mehrheit. Grundgesetzänderungen wie die
Verankerung einer Schuldenbremse, die Investitionen in
Bildung und Forschung – in Zukunft – verhindern und
sich damit gegen die Interessen der kommenden Genera-
tionen stellen, werden ohne große Nachfragen mit gro-
ßer Mehrheit durchgewunken.
Ob dies die Kolleginnen und Kollegen auch erzählen,
wenn Sie mit Menschen im Wahlkreis sprechen oder mit
den Jugendlichen, die den Bundestag besuchen, bleibt
für mich fraglich. In Ihren Beiträgen in der Debatte um
eine Absenkung des Wahlalters haben Sie es jedenfalls
geflissentlich unter den Tisch fallen lassen.
Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Genera-
tionengerechtigkeit ist für die Große Koalition ein Fremd-
wort. Anstatt in die Köpfe junger Menschen und damit in
die Zukunft zu investieren, werden auf den Schrottplätzen
mehrere Milliarden Euro mit der Abwrackprämie ver-
senkt. Dies ist nur ein eklatantes Beispiel für die Kurz-
sichtigkeit aktueller politischer Beschlüsse, die zu einer
nie dagewesenen Rekordneuverschuldung führen.
Ein Grund für solche Entscheidungen, die besonders
zulasten der Jüngeren gehen, liegt darin, dass junge
Menschen bei Bundestagswahlen kein Stimmrecht ha-
ben. Damit sich dieser Zustand im Zuge der demografi-
schen Alterung der Gesellschaft nicht noch weiter ver-
schärft, wollen wir das aktive Wahlalter bei Bundestags-
und Europawahlen auf 16 Jahre absenken.
Junge Menschen sollen Demokratie aktiv erleben und
auch per Wahlentscheidung mitgestalten können. Ju-
gendliche sind die Generation mit der höchsten Bereit-
schaft zu bürgerschaftlichem Engagement. Ihnen darf
das Wahlrecht als zentrale Mitbestimmungsmöglichkeit
nicht länger verweigert werden.
Für unsere Forderung sprechen erst recht die Erkennt-
nisse der Jugend- und Entwicklungsforschung: 16- und
17-Jährige besitzen die Urteilsfähigkeit und notwendige
Reife, um verantwortungsvolle Wahlentscheidungen zu
treffen – und deshalb brauchen sie ein aktives Wahl-
recht!
Gerade die SPD kann heute zeigen, ob ihr Vorsitzen-
der Müntefering bei der Frage der Wahlaltersenkung nur
Wahlkampf betrieben hat, als er sich unserer Forderung
anschloss. Im „SPD-Regierungsprogramm“ für die
nächste Legislaturperiode findet sich zum Wahlalter zu-
mindest kein Wort. Deshalb werden wir Sie, aber auch
die FDP, nicht an Ihren Worten messen, sondern an Ih-
rem Abstimmungsverhalten.
Die Absenkung des Wahlalters darf kein vorgescho-
benes und folgenloses Gedankenspiel sein; denn das
Wahlrecht ist die zentrale Form der Meinungsäußerung
in unserer Demokratie. Mit unseren beiden Gesetzent-
würfen zur Änderung des Grundgesetzes und des Bun-
deswahlgesetzes legen wir einen konkreten und rechtlich
zulässigen Vorschlag für eine Wahlalterabsenkung und
damit für eine Stärkung unserer Demokratie vor. Alle
Kolleginnen und Kollegen, die es mit der Forderung
26058 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009
(A) (C)
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nach mehr Generationengerechtigkeit und mehr demo-
kratischer Beteiligung ernst meinen, lade ich herzlich
ein, unseren Gesetzentwürfen zuzustimmen.
Rechtliche Argumente gegen unseren Vorschlag sind
nicht stichhaltig: Es ist nicht zwingend, das Wahlalter an
die Volljährigkeit zu koppeln. In Deutschland wich das
Wahlalter bereits mehrere Jahre von der Volljährigkeit
ab, als es von 21 auf 18 Jahre gesenkt wurde. In vielen
Bundesländern hat sich das Kommunalwahlrecht ab
16 Jahren bewährt. Wir sind überzeugt: was kommunal
klappt, funktioniert auch auf Landes-, Bundes-und Euro-
paebene.
Wir wollen in der gesamten Gesellschaft mehr und frü-
her Demokratie wagen. Die Wahlaltersenkung darf des-
halb nicht isoliert diskutiert werden, sondern wird von
uns als zentraler Baustein einer neuen Beteiligungskultur
und umfassenden Demokratieförderung betrachtet.
Durch die regelhafte Beteiligung der jungen Menschen in
allen Kindertagesstätten, Bildungs- und Jugendeinrich-
tungen müssen demokratische Spielregeln früh erlernt
werden. Es ist geht deshalb absolut an der Sache vorbei,
unseren Vorschlag alternativ zu anderen Partizipations-
formen zu diskutieren.
Besonders wichtig ist uns eine systematische Verstär-
kung der politischen Bildung, für die die Senkung des
Wahlalters eine wichtige Initialzündung sein könnte:
Nach unserem Vorschlag soll die Wahlaltersenkung erst
nach der im September stattfindenden Bundestagswahl
in Kraft treten.
In den Jahren bis zur folgenden Bundestagswahl
könnten die Träger der Bildungsarbeit ihre wertvolle Ar-
beit ausbauen, Konzepte gerade für politik- und bil-
dungsferne Jugendliche entwickeln und die Jugendli-
chen an politische Entscheidungsprozesse heranführen.
Die so eingebettete Wahlalterabsenkung könnte un-
sere demokratische Kultur insgesamt beleben und die
Kenntnis über unser politisches System verbreitern.
Diese Steigerung von Wissen und Transparenz beugt Po-
litikverdrossenheit vor und macht Mut, sich selbst stär-
ker in Entscheidungen einzubringen.
Wir sollten den Jugendlichen heute die Möglichkeit
geben, sich als selbstbewusste Bürgerinnen und Bürger
an der demokratischen Gestaltung unserer Gesellschaft
zu beteiligen – es geht dabei schließlich um ihre eigene
Zukunft.
Anlage 16
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur
Änderung des Erb- und Verjährungsrechts (Ta-
gesordnungspunkt 20)
Ute Granold (CDU/CSU): Wir stimmen heute über
den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung
des Erb- und Verjährungsrechts ab. Das deutsche Erb-
recht hat sich insgesamt bewährt und ist bei den Men-
schen allgemein anerkannt. Deshalb gibt es für eine
große und umfassende Reform keinen Bedarf. Wir be-
schränken uns auf punktuelle Änderungen. Damit wollen
wir das Erb- und Pflichtteilsrecht dem Wandel der gesell-
schaftlichen Wertvorstellungen und der größeren Vielfalt
der Lebensentwürfe anpassen. Die wesentlichen Ände-
rungen betreffen die Modernisierung der Pflichtteilsent-
ziehung und eine maßvolle Erweiterung der Stundungs-
gründe. Neu ist zudem eine gleitende Ausschlussfrist für
den Pflichtteilsergänzungsanspruch – die sogenannte
Pro-Rata-Lösung. Darüber hinaus erfolgen eine bessere
Honorierung von Pflegeleistungen sowie die Anpassung
der erb- und familienrechtlichen Verjährungsvorschriften
an die Regelverjährung.
Im Folgenden möchte ich die einzelnen Änderungen
kurz erläutern: In der Öffentlichkeit ist die Neuregelung
der Pflichtteilsentziehungsgründe auf großes Interesse
gestoßen. Die Testierfreiheit gibt dem Erblasser das
Recht, durch Verfügung von Todes wegen selbst über sei-
nen Nachlass zu bestimmen und zu sagen, wer was nach
seinem Tod erhalten soll. Der verfassungsrechtlich ga-
rantierte Pflichtteil setzt jedoch der Testierfreiheit Gren-
zen. Ausgehend von dieser verfassungsrechtlichen Vor-
gabe regelt das Gesetz – und hieran wird sich auch nach
der Reform nichts ändern –, dass dem Pflichtteilsberech-
tigten grundsätzlich die Hälfte seines gesetzlichen Erb-
teils – der sogenannte Pflichtteil – verbleiben muss. Nur in
ganz wenigen Situationen kann ihm auch dieser Pflicht-
teil entzogen werden. Die Gründe für eine Entziehung
werden mit der Reform nunmehr modifiziert, um die
Testierfreiheit im Rahmen der verfassungsrechtlichen
Vorgaben zu stärken. Die Entziehungsgründe sollen glei-
chermaßen für Abkömmlinge, Eltern, Ehegatten sowie
Lebenspartner gelten. Künftig sind also alle Personen ge-
schützt, die dem Erblasser nahestehen, sodass eine Ent-
ziehung möglich sein wird, wenn der Pflichtteilsberech-
tigte einer dem Erblasser nahestehenden Personen nach
dem Leben trachtet oder sie körperlich schwer misshan-
delt. Darüber hinaus entfällt der Entziehungsgrund des
„ehrlosen und unsittlichen Lebenswandels“. Stattdessen ist
eine Entziehung grundsätzlich möglich bei rechtskräftiger
Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens ei-
nem Jahr ohne Bewährung. Die vom Bundesrat favori-
sierte Lösung, dass bereits eine zur Bewährung ausge-
setzte Freiheitsstrafe zur Entziehung berechtigen soll,
haben wir uns bewusst nicht zu eigen gemacht. Die
Schwelle wäre in diesem Fall zu niedrig; denn grund-
sätzlich muss gelten, dass eine Entziehung nur in Aus-
nahmefällen gerechtfertigt ist, wenn in der Straftat ein
schwerwiegender Verstoß gegen die Familiensolidarität
zum Ausdruck kommt.
Von großer Bedeutung für die Praxis dürfte die Moder-
nisierung der Stundungsgründe sein. Sie waren bisher sehr
eng ausgestaltet und nur den Pflichtteilsberechtigten,
also insbesondere den Abkömmlingen und Ehegatten,
eröffnet. Dies war unzureichend. Besteht beispielsweise
das Vermögen des Erblassers im Wesentlichen aus einem
Eigenheim, müssen die Erben dieses oft verkaufen, um
so den Pflichtteil auszahlen zu können. Künftig soll da-
her die Stundung unter erleichterten Voraussetzungen
und für jeden Erben möglich bzw. durchsetzbar sein.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 26059
(A) (C)
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Eine weitere zentrale Verbesserung stellt die sogenannte
Pro-Rata-Lösung beim Pflichtteilsergänzungsanspruch dar.
Der Pflichtteilsergänzungsanspruch soll den Berechtigten
vor einer Aushöhlung seines Pflichtteils durch Schenkun-
gen schon zu Lebzeiten durch den Erblasser schützen.
Verringert der Erblasser sein Vermögen durch Schenkun-
gen, kann der Pflichtteilsberechtigte vom Erben eine ent-
sprechende Ergänzung seines Pflichtteils verlangen. Nach
geltendem Recht bleibt die Schenkung unberücksichtigt,
wenn zur Zeit des Erbfalls die Schenkung mindestens
zehn Jahre zurückliegt. Stirbt der Erblasser jedoch früher,
wird die Schenkung bei der Pflichtteilsberechnung voll
berücksichtigt. Diese Alles-oder-Nichts-Lösung ist aus
Sicht der übrigen Erben oder des in einem Vermächtnis
Begünstigten ungerecht. Wir haben uns jetzt für eine dif-
ferenziertere und damit gerechtere Regelung entschieden –
die sogenannte Pro-Rata-Lösung. Demnach findet die
Schenkung künftig für die Pflichtteilsberechnung gradu-
ell immer weniger Berücksichtigung, das heißt, sie wird
im ersten Jahr nach der Schenkung voll, im zweiten Jahr
zu neun Zehnteln, im dritten Jahr zu acht Zehnteln usw.
berücksichtigt. Liegt eine Schenkung mehr als zehn Jahre
zurück, wird sie wie bisher gar nicht mehr berücksichtigt.
Diese Neuregelung ist sowohl bei den Betroffenen als
auch bei den Praktikern auf große Zustimmung gestoßen.
Keine Änderung wird es hingegen bei der Anrech-
nung von lebzeitigen Zuwendungen auf das spätere Erbe
geben. Das Gesetz enthält diesbezüglich eine gesetzliche
Vermutung, ob und welche Zuwendungen des Erblassers
an einen Abkömmling im Erbfall im Verhältnis zu den
anderen Abkömmlingen auszugleichen sind. Demnach
ist eine Zuwendung grundsätzlich nicht auszugleichen,
es sei denn, dass der Erblasser bei der Zuwendung die
Ausgleichung angeordnet hat. Will der Erblasser von
den gesetzlichen Vermutungen abweichen, muss er dies
also spätestens bei der Zuwendung erklären. Nachträg-
lich kann der Erblasser keine Anordnung mehr über die
Ausgleichung oder deren Ausschluss treffen.
Der Regierungsentwurf sah auch hier eine Änderung
vor. Demnach sollte der Erblasser die Möglichkeit erhalten,
auch nachträglich die Ausgleichung anzuordnen oder
auszuschließen. In den Beratungen waren wir uns jedoch
einig, dass dem Empfänger nicht zugemutet werden darf,
nach der Zuwendung möglicherweise über Jahrzehnte
damit rechnen zu müssen, dass eine Anrechnung nach-
träglich angeordnet wird – und zwar unter Umständen
sogar ohne sein Wissen. In diesem Zusammenhang muss
man auch bedenken, dass er bei Kenntnis der Anrechnung
eine Schenkung möglicherweise von vornherein nicht an-
genommen hätte. Im Interesse der Zuwendungsempfänger
und der Rechtssicherheit haben wir daher vereinbart, das
geltende Recht in diesem Punkt nicht zu ändern. Dem-
nach erfolgt eine Anrechnung weiterhin nur, wenn der
Erblasser diese bei der Schenkung ausdrücklich anord-
net. Spätere Anordnungen sollen grundsätzlich nicht
möglich sein.
Aus Sicht der CDU/CSU-Bundestagsfraktion besteht
ein wichtiges Anliegen der Reform in der besseren Ho-
norierung von Pflegeleistungen. Soweit der Erblasser
den Pflegenden nicht in einem Testament oder Erbver-
trag gesondert bedacht hat, bleibt der materielle Wert der
Pflege in der Regel unberücksichtigt. Das geltende
Recht sieht eine Ausgleichung der Pflegeleistung des
Abkömmlings nämlich nur vor, wenn durch die Pflege
auf ein berufliches Einkommen verzichtet wird. Statt
wie bisher nur der Abkömmling sollte nach dem Regie-
rungsentwurf künftig jeder gesetzliche Erbe einen Aus-
gleich für Pflegeleistungen erhalten, und zwar unabhän-
gig davon, ob er für die Erbringung auf ein eigenes
Einkommen verzichtet hat. Die Höhe des Ausgleichs
soll sich dabei nach dem zur Zeit des Erbfalls geltenden
Pflegesatz richten.
Nach Auffassung nahezu aller Sachverständigen in
der öffentlichen Anhörung im Rechtsausschuss wäre es
vorzugswürdig gewesen, Pflegeleistungen durch ein dis-
positives, das heißt entziehbares gesetzliches Vermächt-
nis zu berücksichtigen. Die Union hat sich diesen guten
und praktikablen Vorschlag in den weiteren Beratungen
ausdrücklich zu eigen gemacht. Die Vorteile einer solchen
Regelung liegen auf der Hand: Ein gesetzliches Ver-
mächtnis würde den Kreis der Berechtigten über die Er-
ben hinaus auch auf Lebensgefährten und Schwiegerkin-
der sowie Eltern und Geschwister erweitern. Dies
entspräche eher dem Grundgedanken, dass Pflegeleis-
tungen durch nahestehende Menschen zumindest im
Erbfall honoriert und durch das Erbrecht berücksichtigt
werden sollten.
Leider gab es in diesem Punkt Bedenken bei unserem
Koalitionspartner. Eine Erweiterung des Kreises der An-
spruchsberechtigten, wie im Regierungsentwurf vorge-
sehen, aber auch die von uns bevorzugte Lösung über
ein gesetzliches Vermächtnis hätte nach Auffassung der
Kolleginnen und Kollegen zu einer Reihe von Folge-
problemen und Abgrenzungsfragen geführt.
Die Koalition hat sich daher darauf verständigt, weder
das im Regierungsentwurf vorgesehene gesetzliche Erb-
recht noch das von der Union präferierte gesetzliche Ver-
mächtnis umzusetzen. Stattdessen haben wir uns am
Ende auf eine „kleine Lösung“ verständigt: Die bisherige
Rechtslage, nach der Pflegeleistungen nur im Rahmen
einer Ausgleichung unter Abkömmlingen berücksichtigt
werden können, soll zunächst grundsätzlich beibehalten
werden. Um aber künftig eine Benachteiligung jener Ab-
kömmlinge, die zusätzlich zu ihrer beruflichen Tätigkeit
die Pflege übernehmen oder gar nicht berufstätig sind,
auszuschließen, haben wir uns darauf verständigt, die
Tatbestandsvoraussetzung „unter Verzicht auf berufliches
Einkommen“ in § 2057 a BGB zu streichen. Damit erhal-
ten dann alle pflegenden Abkömmlinge einen erbrechtli-
chen Ausgleich – und zwar unabhängig davon, ob sie auf
eigenes Einkommen verzichten.
Aus Sicht der Union ist diese den Bedenken unseres
Koalitionspartners geschuldete Lösung nicht optimal.
Mit einem gesetzlichen Vermächtnis hätte der Kreis der
Berechtigten über Abkömmlinge und Erben hinaus er-
weitert und somit die häusliche Pflege in gerechter Weise
gewürdigt und gestärkt werden können. Als Union haben
wir jedoch trotz unserer Bedenken zugestimmt, um die
gravierendste Ungerechtigkeit im bestehenden System
– nämlich die Beschränkung auf berufstätige Abkömm-
linge, die auf Einkommen verzichten – zu beseitigen. Wir
26060 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009
(A) (C)
(B) (D)
behalten uns aber ausdrücklich vor, diesen Punkt zu einem
späteren Zeitpunkt nachzubessern.
Es ist uns leider nicht gelungen, eine wichtige Verbes-
serung zugunsten ehrenamtlicher Betreuer in das Gesetz
aufzunehmen. Auf wiederholte Anregung des Bundesra-
tes hin hatten wir uns zumindest im Kreise der Rechtspoli-
tiker darauf verständigt, die Aufwandsentschädigung für
ehrenamtliche Betreuer künftig steuerfrei zu stellen. Da-
mit wollten wir die ehrenamtliche Betreuung stärken.
Dies entspricht dem ausdrücklichen Ziel, das wir damals
mit dem Zweiten Betreuungsrechtsänderungsgesetz ver-
folgt haben. Wir würden somit einen wichtigen Beitrag
zur Stärkung des ehrenamtlichen Engagements leisten.
Darüber hinaus hätten wir die Landesjustizhaushalte we-
gen der damit verbundenen Einsparungen bei der Vergü-
tung von Berufsbetreuern nachhaltig entlastet. Leider gab
es jedoch wegen der gegenwärtigen Haushaltskrise in der
Koalition keine Mehrheit für eine solche steuerliche Privi-
legierung. Dies bedauere ich ausdrücklich.
Abschließend bleibt also festzuhalten: Wir verfügen
über ein gutes und in der Praxis sehr bewährtes Erbrecht,
das wir jetzt punktuell und damit zeitgemäß ändern. Die
Union hält an ihrem Ziel fest, Pflegeleistungen künftig
noch besser zu honorieren und ehrenamtliches Engagement
– auch im Steuerrecht – weiter zu stärken. Dieses Ziel
werden wir in der nächsten Legislaturperiode weiter ver-
folgen.
Dirk Manzewski (SPD): Wir debattieren hier heute
zur späten Stunde über den Gesetzentwurf der Bundesre-
gierung zur Reform des Erb- und Verjährungsrechts. Um
eines gleich vorwegzunehmen: Ich halte den Gesetzent-
wurf, zumindest so, wie wir ihn heute hier verabschieden
werden, für gelungen. Lassen Sie mich zunächst kurz auf
die wesentlichen Neuerungen durch den Gesetzentwurf
eingehen.
Beim Pflichtteilsanspruch soll der Entziehungsgrund
des „ehrlosen und unsittlichen Lebenswandels“ entfal-
len. Künftig soll dagegen die Verurteilung zu einer Frei-
heitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung
zur Entziehung des Pflichtteils berechtigen, wenn es
dem Erblasser unzumutbar ist, dem Verurteilten seinen
Pflichtteil zu belassen.
Bei der Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs
soll die Stundungsregelung zukünftig unter erleichterten
Voraussetzungen und für jeden Erben durchsetzbar sein.
Eine Schenkung soll bei Berechnung des Pflichtteils
künftig graduell immer weniger Berücksichtigung fin-
den, je länger sie zurückliegt: Eine Schenkung im ersten
Jahr vor dem Erbfall wird demnach voll in die Berech-
nung des Nachlasses einbezogen, im zweiten Jahr jedoch
nur noch zu neun Zehntel usw. berücksichtigt.
Die Verjährung für familien- und erbrechtliche An-
sprüche soll in das bestehende System der Regelverjäh-
rung integriert werden.
Das Wahlrecht für pflichtteilsberechtigte beschränkte/
beschwerte Erben soll vereinfacht werden. Von nun an
soll dem pflichtteilsberechtigten Erben ein generelles
Wahlrecht zustehen. Er kann den Erbteil entweder mit
allen Beschränkungen oder Beschwerungen annehmen
oder den Erbteil ausschlagen und den Pflichtteil verlan-
gen.
Nicht alles aus dem Regierungsentwurf ist jedoch auch
widerspruchslos übernommen worden. Anders als noch
im Regierungsentwurf vorgeschlagen, muss die Anrech-
nung einer Zuwendung auch weiterhin bereits vor oder
bei der Zuwendung bestimmt werden. Soweit dies nach
dem Regierungsentwurf zukünftig auch nachträglich
möglich sein sollte, konnte dem nicht gefolgt werden, da
unserer Auffassung nach das Vertrauen des Zuwendungs-
empfängers, dass sich Zuwendungen nicht nachträglich
auf die Höhe des Erbes auswirken, vorrangig zu schützen
ist.
Zu einem Kompromiss kam es bei der besseren Ho-
norierung von Pflegeleistungen beim Erbausgleich.
Nach geltendem Recht hat ein Abkömmling, der den
Erblasser unter Verzicht auf berufliches Einkommen ge-
pflegt hat, einen Anspruch auf Ausgleich, § 2057 a
Abs. 1 S. 2 BGB.
Der Regierungsentwurf sah ursprünglich eine Erwei-
terung des Personenkreises auf alle gesetzlichen Erben
vor, unabhängig vom Verzicht auf Einkommen. Wir
Rechtspolitiker der SPD hatten damit jedoch erhebliche
Probleme.
Zwar sind auch wir dafür, dass Pflege besser hono-
riert werden soll, unserer Auffassung nach gehört die
grundsätzliche Honorierung von Pflegeleistungen jedoch
schon nicht systematisch in das Erbrecht; zumal die Vor-
schrift des § 2057 a BGB zu einem Zeitpunkt gefasst
wurde, als es weder die umfangreichen heutigen Mög-
lichkeiten der Pflege noch die Pflegeversicherung hier-
für gab.
Hinzu kommt, dass wir erhebliche Probleme auf die
Justiz zukommen sahen. Natürlich kennt jeder einen Fall
aus seiner Nachbarschaft, wo das Gerechtigkeitsempfin-
den es nicht als fair ansieht, wenn beim Erbfall zum Bei-
spiel beide Kinder gleichbehandelt werden, obwohl nur
eines der Kinder den Erblasser gepflegt hat.
Aber unabhängig davon, dass dies ja vom Erblasser
testamentarisch hätte berücksichtigt werden können,
stellt sich schon die Frage, was eigentlich unter Pflege
nach dem Regierungsentwurf zu verstehen ist.
Würde man den Pflegebegriff des SGB nehmen, dann
würde dies im Grunde genommen bedeuten, dass sich
automatisch mit einer dortigen Veränderung auch jeweils
das Erbrecht insoweit ändern würde. Das kann nun wirk-
lich nicht gewollt sein.
Ich kann mir aber auch lebhaft vorstellen, wie in Fa-
milien Streit darüber ausbricht, ob nun eine Pflege im
obigen Sinne vorlag oder nicht. Insbesondere wenn meh-
rere Familienmitglieder Pflegeleistungen erbracht haben
und wenn sich die Frage stellt, ob einer nun mehr als der
andere entsprechende Pflegeleistungen erbracht hat.
Unklar ist auch, wie die Situation zu beurteilen ist,
wenn zwar eine Pflege erfolgt ist, mehrere Familienmit-
glieder aber hierzu Teilbeiträge geleistet haben? Ebenso,
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 26061
(A) (C)
(B) (D)
wie die Situation zu beurteilen ist, wenn Pflegegeld be-
zahlt wurde? Wenn das Pflegegeld weitergereicht wurde,
scheint die Situation klar – da die Pflegeleistung der An-
gehörigen dann abgegolten wäre –, aber ich kann mir
auch hier lebhaft den Streit darüber vorstellen, ob es nun
hierzu gekommen ist oder nicht. Unklar ist eigentlich
auch, wie der Sachverhalt zu beurteilen ist, wenn neben
den eigenen Pflegeleistungen diejenigen von Institutio-
nen in Anspruch genommen worden sind.
Wir haben es aber auch nicht als gerecht angesehen,
dass man im Grunde genommen die Pflege – vom Wert
des Nachlass abhängig – unterschiedlich werten würde.
Gibt es Geld zu verteilen, wird Pflege honoriert, ist kein
Nachlass vorhanden, erfolgt Pflege umsonst. Im Übrigen
hätten wir es auch nicht als gerecht angesehen, wenn jah-
relange unterschwellige Unterstützung, die noch nicht
den § 2057 a Abs. 1 S. 1 BGB erfüllt, nicht honoriert
wird, eine kurzzeitige Pflege aber schon. Hinzu kommt
aber auch noch, dass ich es als gesellschaftspolitisch ge-
fährlich ansehe, wenn Dinge, die früher unter dem Begriff
„Nächstenliebe“ liefen, monetarisiert werden.
Im Übrigen sollte die Gefahr nicht unterschätzt wer-
den, dass sich Angehörige, weil Geld im Spiel ist, ein-
fach bei der Pflege überschätzen.
Abschließend sei noch darauf hinzuweisen, dass ja
auch in der Fachwelt, die für eine entsprechende Rege-
lung im Erbrecht plädierte, in vielen grundsätzlichen
Fragen kein Konsens bestand. Das betraf zum Beispiel
die Frage, wer eigentlich hiervon profitieren sollte. Nur
die Abkömmlinge, die gesetzlichen Erben, oder aber
zum Beispiel auch die Schwiegertochter? Wobei sich
mir dann die Frage stellen würde: Wieso die Schwieger-
tochter und dann nicht auch die beste Freundin oder die
Nachbarin, die den gleichen Aufwand betrieben hat?
Oder aber auch die grundsätzliche Frage, wie dies gere-
gelt werden sollte, ob im Erbrecht oder als gesetzliches
Vermächtnis.
Sie sehen, liebe Kolleginnen und Kollegen, Probleme
über Probleme, und diese haben uns letztendlich zu dem
Kompromiss veranlasst, lediglich einer vorsichtigen Öff-
nung des bestehenden § 2057 a Abs. 1 BGB zuzustim-
men. Das heißt, von dieser Vorschrift werden künftig
auch diejenigen profitieren können, die gepflegt haben,
ohne auf ihr eigenes berufliches Auskommen zu verzich-
ten.
Maßgebend war für uns insoweit, dass die hohen Er-
fordernisse des § 2057 a BGB, um hier eine Honorierung
zu erhalten, für uns insoweit ein Korrektiv darstellen. Ins-
gesamt, glaube ich, liegt ein guter Gesetzesentwurf vor,
um dessen Zustimmung ich Sie nun bitten möchte.
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP):
Am Ende dieser Legislaturperiode sei ein kurzer Blick
zurück auf die Gesetzgebung im Bereich des Erb- und
Familienrechts erlaubt. Dass sich in diesen Bereichen
viel zum Positiven verändert hat, lag auch an den um-
fangreichen, in der Zielrichtung richtigen Vorlagen aus
dem Bundesjustizministerium, aber eben auch an der
konstruktiven Mitarbeit meiner Fraktion und der übrigen
Oppositionsfraktionen. Aus gutem Grund haben die Re-
gierungsparteien insbesondere im Bereich des Familien-
rechts den Konsens im Deutschen Bundestag gesucht.
Dies zeigte sich vor allem durch intensive und sehr kon-
struktive Berichterstattergespräche über alle Fraktions-
grenzen hinweg. Dieser im Bundestag gefundene Kon-
sens war auch nötig, um weitreichenden Änderungen
gesellschaftspolitischen Rückhalt zu verleihen. Ich
denke hier etwa an die Unterhaltsrechtsreform, aber
auch an die FGG-Reform, die Reform des Versorgungs-
ausgleichs und des Zugewinnausgleichs. Mit dem Ge-
setz zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts liegt
nun gerade noch rechtzeitig das letzte Vorhaben aus dem
Bereich des Erb- und Familienrechts vor.
Alle diese Änderungen wurden notwendig, weil sich
die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und Werte-
vorstellungen nachhaltig geändert haben. Das heutige
Erbrecht stützt sich in seinen wesentlichen Zügen noch
auf das Familienbild des 19. Jahrhunderts. Dieses Fami-
lienbild hat sich in über 100 Jahren sehr verändert, in de-
ren Verlauf die Verbreitung der häuslichen Gemeinschaft
von verheirateten Eltern mit ihren minderjährigen Kin-
dern stetig abnimmt. Das geltende Erbrecht hat sich si-
cherlich in seiner Grundkonzeption bewährt. Die FDP-
Bundestagsfraktion hat aber bereits in zwei Kleinen An-
fragen, Drucksachen 15/3899 und 16/3222, in den Jah-
ren 2004 und 2006 auf den Änderungsbedarf hingewie-
sen. Das Bundesverfassungsgericht hat sich mit seinem
Beschluss vom 19. April 2005, 1 BvR 1644/00, intensiv
mit dem Pflichtteilsrecht auseinandergesetzt. Dabei hat
es festgestellt, dass die wirtschaftliche Mindestbeteili-
gung der Kinder am Nachlass als tragendes Strukturprin-
zip des geltenden Pflichtteilsrechts durch die Erbrechts-
garantie des Art. 14 Grundgesetz geschützt ist. Bei der
konkreten einfachrechtlichen Ausgestaltung habe der
Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum. So sei
auch die Höhe des Pflichtteils nicht verfassungsrechtlich
vorgegeben.
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf reagiert die
Große Koalition nun endlich auf diese veränderten ge-
sellschaftlichen Verhältnisse.
Zum einen werden die Pflichtteilsentziehungsgründe
modernisiert. Diese Pflichtteilsentziehungsgründe gelten
künftig für alle Pflichtteilsberechtigten. Die bisherige
Differenzierung nach Pflichtteil des Abkömmlings, El-
ternpflichtteil und Ehegattenpflichtteil entfällt. Des Wei-
teren wird der Kreis der vom Verhalten des Pflichtteils-
berechtigten Betroffenen insoweit erweitert, dass
nunmehr auch Lebenspartner, Stief- oder Pflegekinder
erfasst werden. Deutlich überarbeitet wurde auch der
Katalog der Entziehungsgründe. Darüber hinaus wird
die starre Ausschlussfrist von zehn Jahren für Schenkun-
gen beim Pflichtteilsergänzungsanspruch zugunsten ei-
ner Pro-Rata-Lösung geändert. Diese Neuregelungen
sind auch vonseiten der FDP-Bundestagsfraktion zu be-
grüßen.
Zum anderen gab es weiteren Änderungsbedarf im
Verjährungsrecht. Seit dem 1. Januar 2002 sind die Ver-
jährungsvorschriften mit dem Schuldrechtsmodernisie-
rungsgesetz mit einer Regelverjährung von drei Jahren
26062 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009
(A) (C)
(B) (D)
grundlegend neu geordnet worden. Für die familien- und
erbrechtlichen Ansprüche galt bisher eine Sonderverjäh-
rung von 30 Jahren. Die unterschiedliche Verjährung
führte in der Praxis zu Wertungswidersprüchen und
Schwierigkeiten bei der Abwicklung der betroffenen
Rechtsverhältnisse. Auch hier kann ich die Unterstüt-
zung der FDP-Bundestagsfraktion signalisieren.
Dass diese Reform dennoch nicht so umfassend aus-
fällt, wie sie ursprünglich angelegt war, ist wohl nicht
zuletzt auf Meinungsverschiedenheiten innerhalb der
Koalitionsfraktionen zurückzuführen. Bereits im Fe-
bruar 2008 wurde der Gesetzentwurf im Bundesrat ein-
gebracht. Bereits vor über einem Jahr fand die erste Le-
sung zu diesem Gesetzentwurf im Deutschen Bundestag
statt. Eine Anhörung des Rechtsausschusses des Deut-
schen Bundestages wurde bereits im Oktober letzten
Jahres durchgeführt. Gerade auch diese Sachverständi-
genanhörung brachte jedoch so vielfältige Probleme zu-
tage, dass eine gründliche Überarbeitung des Gesetzent-
wurfes notwenig wurde. Dies betraf vor allem den
Ausgleich von Pflegeleistungen, aber auch Bestimmun-
gen zur nachträglichen Anrechnung.
Im Bereich der Pflegeleistungen sah der Gesetzent-
wurf vor, dass die Pflegeleistungen stärker und häufiger
honoriert werden. Dazu sollten künftig alle gesetzlichen
Erben und nicht nur Abkömmlinge ausgleichsberechtigt
sein. Eine solche Erweiterung der Zahl der Ausgleichs-
berechtigten warf jedoch eine Vielzahl von Folgeproble-
men auf. Warum etwa sollte der Sohn des Erblassers
ausgleichsberechtigt sein, die pflegende Schwiegertoch-
ter jedoch nicht? Aus liberaler Sicht muss ich hier ganz
klar sagen: Der Erblasser hat zu Lebzeiten die Möglich-
keit, ein Testament zu verfassen, in dem sein letzter
Wille niedergelegt ist. Wird er nicht tätig, ist eben auch
diese Art der Testierfreiheit zu akzeptieren.
Nach dem Gesetzentwurf sollte der Erblasser ferner
bei allen lebzeitigen Zuwendungen nachträglich Anord-
nungen über deren Ausgleichung oder den Ausschluss
ihrer Ausgleichung treffen dürfen. Nach der bisherigen
Rechtslage muss sich der Pflichtteilsberechtigte die Zu-
wendungen des Erblassers zu Lebzeiten nur anrechnen
lassen, wenn der Erblasser im Zeitpunkt der Zuwendung
eine Anrechnungsbestimmung getroffen hat.
Der Vorschlag der Koalitionsfraktionen bezüglich
dieser strittigen Punkte sieht nun so aus, alles beim Alten
zu lassen, also keine Änderungen an dem bestehenden
Rechtszustand vorzunehmen. Für den Wegfall der nach-
träglichen Anrechnungsbestimmungen ist dies durchaus
kritisch zu sehen. Eine solche Möglichkeit der nachträg-
lichen Anrechnung griffe nicht unverhältnismäßig in die
Dispositionsfreiheit des beschenkten Erben bzw. Pflicht-
teilsberechtigten ein, sondern entspricht viel eher den
Vorstellungen in weiten Teilen der Bevölkerung. Zwar
ist zum Zeitpunkt der Zuwendung für den Beschenkten
nicht voraussehbar, ob die Zuwendung zu erbrechtlichen
Konsequenzen führt. Es besteht jedoch die Möglichkeit,
durch eine vertragliche Vereinbarung Rechtssicherheit
zu schaffen. Auch die Sachverständigen in der Anhö-
rung sprachen sich für die nachträgliche Anrechnungs-
bestimmung aus, gingen teilweise in ihren Forderungen
sogar weiter.
Vor dem Hintergrund der Testierfreiheit ist auch die
zentralste Beschränkung der Testierfreiheit, nämlich die
Höhe des Pflichtteilsanspruchs von derzeit der Hälfte, zu
hinterfragen. Ist es wirklich gerechtfertigt, dass immer
50 Prozent des gesetzlichen Erbteils als Pflichtteil unan-
tastbar sind? In den Beratungen des Rechtsausschusses
des Bundesrates wurde zumindest angedacht, die Höhe
des Pflichtteilsanspruchs auf ein Drittel zu reduzieren.
Mit dieser Frage sollte sich der Bundestag weiter be-
schäftigen.
Ob die Neuregelungen zur Stundung die erwünschte
Wirkung entfalten werden, bleibt abzuwarten. Nach dem
Gesetzentwurf soll zukünftig jeder Erbe Stundung ver-
langen können. Darüber hinaus wird die Schwelle, wann
eine solche Stundung verlangt werden kann, herabge-
setzt, indem nicht mehr auf das Merkmal der „unge-
wöhnlichen Härte“, sondern auf eine „unbillige Härte“
abgestellt wird und indem die Interessen des Pflichtteils-
berechtigten bei der Stundung nur noch „angemessen“
zu berücksichtigen sind. Diese geplanten Änderungen
haben aber höchstens graduellen Charakter.
Besonders deutlich werden die Probleme der fehlen-
den Testierfreiheit dann, wenn ganze Unternehmen ver-
erbt werden. Denn gerade mit Blick auf die Vererbung
von Unternehmen kann die sofort eintretende Fälligkeit
des Pflichtteilsanspruchs den Erben und damit das Un-
ternehmen in einem ganz besonderen Maße belasten.
Dadurch entstehende Liquiditätsengpässe können dazu
führen, dass Unternehmen weit unter Wert und gegen
den Willen des Erblassers verkauft werden müssen. Die-
ses Problem betrifft insbesondere den deutschen Mittel-
stand. Der Mittelstand ist der Jobmotor der deutschen
Wirtschaft. Zerschlagungen von Unternehmen infolge
der Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen zerstö-
ren die Arbeitsplätze ganzer Belegschaften. Durch eine
Herabsetzung des Pflichtteils ließe sich dieses Problem
zumindest entschärfen.
In der juristischen Fachliteratur immer wieder ange-
sprochen wird auch ein Verweis auf die Regelungen im
Bereich der Landwirtschaft. Dies beinhaltet insbeson-
dere Bewertungsvorschriften, die den Ertragswert zu-
grunde legen und damit in der Regel zu einer niedrigeren
Bewertung führen.
Das Thema Erbrecht wird also in der nächsten Legis-
laturperiode erneut auf der Tagesordnung stehen müs-
sen. Die durch den Gesetzentwurf vorgenommenen Än-
derungen sind jedoch richtig und wichtig. Die FDP-
Bundestagsfraktion wird dem Gesetzentwurf daher zu-
stimmen.
Wolfgang Nešković (DIE LINKE): Die beste ge-
setzgeberische Änderung, die dem Erbrecht geschehen
könnte, wäre dessen weitgehende Abschaffung. Sinnvoll
wäre eine Begrenzung des Erbrechtes auf zu diskutie-
rende Höchstbeträge für Zuwendungen an natürliche
Personen. Sinnvoll wäre es, eine darüber hinausgehende
Zuwendung von Riesenbeträgen nur noch für gesell-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 26063
(A) (C)
(B) (D)
schaftliche und soziale Zwecke im Interesse der Allge-
meinheit zuzulassen. Denn das Erbrecht steht im Wider-
spruch zu dem Gedanken, dass allein die Leistungen
eines Menschen über dessen Wohlstand entscheiden sol-
len. Dabei ist Folgendes klarzustellen: Bei dieser Über-
legung geht es nicht um Omas kleines Häuschen, son-
dern um Riesenvermögen, die wie Adelstitel durch die
Generationen weitergereicht werden. Bei uns ist einer
der wichtigsten Wettkämpfe zunächst der Wettkampf der
Geburtsurkunden. Denn er entscheidet über das tatsäch-
liche Ausmaß von Leistungen, die ein Mensch nach sei-
ner Geburt erbringen kann.
Deswegen gilt: Wer in einer Leistungsgesellschaft le-
ben will, der muss anerkennen, dass es keinerlei Leis-
tung darstellt, als Kind wohlhabender Eltern das Licht
der Welt zu erblicken. Erbschaft – das ist dann der letzte
goldene Löffel, der einem in den Mund gesteckt wird. In
einer Leistungsgesellschaft messen sich die Menschen
mit ihrer Arbeit, mit ihrer geistigen Regsamkeit und mit
ihren technischen oder künstlerischen Fähigkeiten.
Beim bestehenden Erbrecht jedoch entsteht neues Ka-
pital nicht aus Leistung, sondern schlicht aus altem, ge-
erbtem Kapital. Das ist leistungsfeindlich. Das ist die
Wirklichkeit, die auch mit dem Geist unserer Verfassung
nicht in Einklang zu bringen ist. Denn Art. 14 Abs. 2 des
Grundgesetzes lautet: „Eigentum verpflichtet. Sein Ge-
brauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit die-
nen.“ Es ist schlicht allgemeinwohlwidrig, wenn Eigen-
tum dazu dient, die ökonomische und gesellschaftliche
Macht einzelner Unternehmerfamilien über Generatio-
nen zu sichern – vor allem, wenn dabei zu berücksichti-
gen ist, dass der Reichtum solcher Familiendynastien
aus der Arbeitskraft vieler fleißiger Arbeitnehmer
stammt. Der Anteil ihrer Arbeitsleistung, die dem Unter-
nehmer als Profit zufließt, ist eine Enteignung der Ar-
beitnehmer. Ihre Lohnarmut, also die Lohnarmut vieler,
ist gleichzeitig der Kapitalreichtum einiger weniger.
An solche Ungerechtigkeiten und Widersprüche mag
man sich gewöhnen. Nur eines – meine ich – darf man
nicht: Man darf diese Missstände nicht einfach ignorie-
ren, und wie die Entwurfsverfasser im sozialdemokra-
tisch geführten Justizministerium schreiben, es gebe am
bewährten Erbrecht nur punktuellen Änderungsbedarf.
Der Änderungsbedarf ist im Gegenteil ganz erheblich.
Er betrifft das Erbrecht und dessen Grundannahmen als
solche. Um diese Grundannahmen zu überdenken und
sozial gerecht abzuändern, braucht es gesellschaftskriti-
sche Aufmerksamkeit, Mut, Fantasie und Augenmaß.
All das gehört zum politischen Erbe von Männern wie
August Bebel, Adolf Arndt und Willy Brandt. Dieses
Erbe sollte Maßstab für die gegenwärtige und zukünftige
Politik der SPD sein. Nichts von dem ist zurzeit von den
Männern und Frauen in der Führungsriege der SPD zu
erwarten. Auch an Frau Zypries können solche Erwar-
tungen nicht gestellt werden. Auch sie hat dieses sozial-
demokratische Erbe lange ausgeschlagen.
Das spiegelt auch der vorliegende Gesetzentwurf wi-
der. Man kann ihn allein danach beurteilen, wie viel
Richtiges im Falschen er dennoch zu leisten vermag.
Dazu einige Einzelheiten: Der aus unserer Sicht rich-
tige Ansatz, die Alterspflege des Erblassers stets zu ho-
norieren, unabhängig davon, durch wen sie erbracht
wurde, wurde nun gestrichen. Nun gibt es noch weniger
Richtiges im Falschen. Richtig ist die Änderung am Ent-
wurf des § 2057 a BGB. Denn damit entfällt die Benach-
teiligung von gesetzlichen Erben, die die Pflege des Erb-
lassers neben ihrer Berufstätigkeit gestemmt haben.
Für sich betrachtet sinnvoll sind auch eine Reihe wei-
terer rechtlicher Feinjustierungen. Es ist sicherlich sinn-
voll, die langen Verjährungsregeln im Erbrecht zu än-
dern, wenn sie im Verhältnis zur schuldrechtlichen
Regelverjährung zu unbilligen Ergebnissen führen. Es
ist sicherlich angebracht, die Entziehungs- und Anfech-
tungsgründe für den Pflichtteil dem heutigen Verständnis
von Moral und Sitte anzupassen. Es ist auch begrüßens-
wert, einige, leider längst nicht alle, unzeitgemäße Un-
terscheidungen von Lebenspartnerschaften und Ehen in-
nerhalb des Erbrechts abzuschaffen.
Das bestehende Erbrechtssystem wird mit diesen und
weiteren Änderungen in sich wohl widerspruchsfreier
werden.
Aber das Erbrecht selbst bleibt als Widerspruch erhal-
ten: zur behaupteten Leistungsgesellschaft und zur So-
zialbindung des Eigentums.
Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das
Bundesverfassungsgericht anerkennt eine Mindestbetei-
ligung der Erben am Nachlass als tragendes Struktur-
prinzip des Pflichtteilsrechts und stellt sie unter den
Schutz der Erbrechtsgarantie des Art. 14 in Verbindung
mit Art. 6 des Grundgesetzes. Trotzdem bleiben dem
Gesetzgeber Gestaltungsspielräume. Der Gesetzentwurf,
den wir heute beschließen, nutzt diese Gestaltungsräume
in notwendiger, aber auch ausreichender Weise.
Die Modernisierung des Pflichtteilsentziehungs-
rechts ist längst überfällig. Auch nach der Anhörung im
Rechtsausschuss, die am 8. Oktober letzten Jahres statt-
fand, mussten wir allerdings noch viele Monate warten,
bis die Koalition die Sache jetzt endlich zum Abschluss
bringt.
Es ist höchste Zeit, dass der überholte Entziehungs-
grund des „ehrlosen und unsittlichen Lebenswandels“
gestrichen wird. Auch sonst gab es einige Unstimmig-
keiten, die beseitigt wurden. Dass dabei die gleichge-
schlechtlichen Lebenspartner in den Schutzbereich des
§ 2333 BGB nur versteckt als „ähnlich nahestehende
Personen“ eingebunden werden, habe ich schon in der
ersten Debatte kritisiert. Leider sind Sie darauf nicht ein-
gegangen. Dies ist kleines Karo wie schon bei der Re-
form des Opferentschädigungsrechts, als Sie die Schwu-
len und Lesben hinter Paragrafenkaskaden versteckt
haben.
Die zeitlich gestaffelte Berücksichtigung früherer Zu-
wendungen beim Pflichtteilsergänzungsanspruch – die
sogenannte Pro-Rata-Lösung, welche die starre 10-Jah-
res-Grenze ablöst, ist ebenfalls sinnvoll.
26064 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009
(A) (C)
(B) (D)
In einem wichtigen Punkt kann ich allerdings nicht
von durchgreifender, auch nicht von ausreichender Mo-
dernisierung sprechen. Das ist die erbrechtliche Berück-
sichtigung von Pflegeleistungen. Hier hat die Koalition
kalte Füße bekommen und wurde zur Koalition der Be-
denkenträger, anstatt sicherlich vorhandene Probleme
anzupacken und zu lösen. Man kann ja durchaus über
andere Lösungsansätze wie im Steuerrecht nachdenken,
nur muss man sie dann auch vorlegen, wenn man schon
das gesellschaftliche Problem der Anerkennung familiä-
rer und solidarischer Pflegeleistungen erkannt hat.
Was jetzt zur Abstimmung steht, ist eine erbrechtliche
Minilösung. Sie geht am Großteil der Betroffenen vor-
bei. Selbst gegenüber dem Regierungsentwurf wurden
noch Abstriche gemacht. Wir fanden schon den Regie-
rungsentwurf unzureichend. Der Ausgleich von Pflege-
leistungen bleibt auf gesetzliche Erben beschränkt. Die
Koalition führt ihn wiederum auf Abkömmlinge zurück,
statt das geltende Recht wenigstens auf Geschwister aus-
zuweiten. Nur auf den Verzicht auf eigenes Einkommen
soll es nicht mehr ankommen. Wenigstens werden damit
Kinder, die neben der Pflege im Beruf bleiben, besserge-
stellt. Wir meinen, es sollten alle gleich behandelt wer-
den, die im Familienverband aus familiärer Solidarität
pflegen, ob sie Erben werden oder nicht, ob sie Kinder
sind oder nicht. Die Schwiegertöchter pflegen sehr oft,
nicht selten auch nichteheliche Lebenspartnerinnen und
-partner. Dieser Personenkreis leistet aufopferungsvoll
gesellschaftlich wertvolle Arbeit und wird von Ihnen al-
lein gelassen.
Auch beim Maßstab für die zu berücksichtigende
Höhe der Pflegeleistungen hat die Koalition den Schritt
zur Orientierung an den Pflegesätzen nicht gewagt. Sie
meint, dass sie damit Streit vermeidet. Stattdessen be-
lässt sie es aber bei der bisherigen Billigkeitsregel, die
nicht weniger streitanfällig ist. Die Frage zum Beispiel,
wer in der Familie welche Pflegbeiträge geleistet hat,
stellt sich bei der Billigkeitsregelung ebenso. Es ist
schade, dass die Koalition hier nicht das fraktionsüber-
greifende Gespräch gesucht hat, obwohl sie sich insge-
samt ja viel Zeit ließ.
Leider wurden auch die vernünftigen und guten Vor-
schläge zur Begünstigung gemeinnütziger Stiftungen im
Erbrecht überhaupt nicht aufgegriffen.
Besonders bedauerlich finde ich, dass es nicht gelun-
gen ist, endlich die Aufwandspauschale für ehrenamtli-
che Betreuerinnen und Betreuer steuerfrei zu stellen, wie
das für Übungsleiter längst der Fall ist. Ich weiß, dass die
Rechtspolitiker der Koalition dafür große Sympathien
gehabt hätten. Dass sie das mit ihren Finanzpolitikern
rechtzeitig hätten klären müssen, ist aber ebenso klar.
Wie konnte es also passieren, dass die gute Neuregelung
schon in den Beschlussempfehlungen des Rechtsaus-
schusses enthalten war, dann aber am Tag der Ausschuss-
sitzung plötzlich zurückgezogen wurde? Da ist in der
Schlussphase des Verfahrens in der Koalition doch wie-
der einmal das Chaos ausgebrochen.
Trotzdem ist unter dem Strich viel an Verbesserungen
erreicht worden. Wir werden trotz unserer Kritik der Re-
form zustimmen.
Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin der Justiz: Wir beraten heute in zwei-
ter und dritter Lesung den Entwurf eines Gesetzes zur
Änderung des Erb- und Verjährungsrechts. Über dem
Streit ums Erbe ist schon so manche Familie auseinan-
dergebrochen. Zu weit gehen die Vorstellungen darüber
auseinander, wem welcher Anteil am Nachlass gerech-
terweise zustehen soll, und zwar gerade dann – aller-
dings nicht nur –, wenn die Erblasserin oder der Erblas-
ser kein Testament gemacht hat. Das ist häufig der Fall.
Viele Bürgerinnen und Bürger kennen die Gestaltungs-
möglichkeiten nicht, die ihnen das geltende Erbrecht
bietet, und machen deshalb auch nur zurückhaltend da-
von Gebrauch, die Nachfolge selbst zu regeln. Nach bis-
herigen Erkenntnissen sind dies nur etwa knapp ein Drit-
tel der Betroffenen.
Ich bin überzeugt, dass eine vernünftige Regelung der
Vermögensnachfolge so manchen Streit in der Familie
vermeiden kann. Deshalb soll mit unserer Reform das
Thema Erbrecht ins Blickfeld der Bürgerinnen und Bür-
ger gerückt werden. Sinnvolle Regelungen zur Vermö-
gensnachfolge setzen aber auch einen rechtlichen Gestal-
tungsspielraum voraus, der es dem Einzelnen ermöglicht,
seine Wünsche in einem Testament oder Erbvertrag um-
zusetzen. Deshalb sollen die bestehenden Gestaltungs-
möglichkeiten ausgebaut und die Testierfreiheit des Erb-
lassers gestärkt werden. Dabei gilt: Wir brauchen kein
neues Erbrecht. Wir brauchen Änderungen dort, wo sich
in der Praxis ein Bedürfnis entwickelt oder sich das
Recht als veraltet erwiesen hat.
Hauptziele der Reform sind die Stärkung des Selbst-
bestimmungsrechts und der Testierfreiheit. Dazu setzt
unsere Reform an folgenden wesentlichen Punkten an:
Es werden, wie seit langem gefordert, die Pflichtteilsent-
ziehungsgründe überarbeitet. Dabei ist ein wesentlicher
Ansatz die Erweiterung des Schutzbereichs der Entzie-
hungsgründe. Im geltendem Recht ist es so: Richtet sich
der Angriff des Pflichtteilsberechtigten gegen das Leben
eines Beteiligten, ist der Schutzbereich am weitesten.
Eine Entziehung des Pflichtteils ist möglich, wenn der
Pflichtteilsberechtigte entweder dem Erblasser, seinem
Ehegatten oder Lebenspartner oder einem anderen Ab-
kömmling des Erblassers nach dem Leben trachtet. Bei
schweren tätlichen Attacken, die „nur“ gegen die körper-
liche Unversehrtheit und nicht gegen das Leben gerichtet
sind, sieht das Gesetz eine Pflichtteilsentziehung ledig-
lich dann vor, wenn der Erblasser oder sein Ehegatte,
von dem der Pflichtteilsberechtigte zusätzlich abstam-
men muss, angegriffen wurde. Misshandelt der Sohn des
Erblassers seine Stiefmutter, so rechtfertigte dies bisher
keine Pflichtteilsentziehung. Misshandelt der Sohn des
Erblassers seine Schwester, so rechtfertigte dies bisher
auch keine Pflichtteilsentziehung. Das ist ungerecht, und
deshalb ändern wir das jetzt.
Aber nicht nur am Schutzbereich, auch bei den Ent-
ziehungsgründen setzt die Reform an. Wer kann noch et-
was mit dem Begriff „ehrloser oder unsittlicher Lebens-
wandel“ anfangen? Und warum kann ein solcher nur
dem Kind vorgeworfen werden und nur hier die Pflicht-
teilsentziehung rechtfertigen? Eltern oder Ehegatten dür-
fen ohne pflichtteilsrechtliche Konsequenz „ehrlos oder
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 26065
(A) (C)
(B) (D)
unsittlich“ leben. Und können wir heute noch ernsthaft
vertreten, dass die Ermordung eines fremden Kindes
kein ehrloser oder unsittlicher Lebenswandel und damit
auch kein Pflichtteilsentziehungsgrund ist?
Die Pflichtteilsentziehungsgründe wollen wir in ge-
nau diesen Punkten modernisieren. Künftig sollen alle
Pflichtteilsentziehungsgründe für Abkömmlinge, Eltern,
Ehegatten und Lebenspartner gleichermaßen gelten.
Eine Pflichtteilsentziehung soll möglich sein bei einem
tätlichen Angriff gegen den Erblasser, seinen Ehegatten,
Lebenspartner oder einen anderen Abkömmling. Da-
rüber hinaus erweitern wir diesen Schutzbereich auch
auf dem Erblasser ähnlich nahestehende Personen. Der
Pflichtteilsentziehungsgrund des „ehrlosen oder unsittli-
chen“ Lebenswandels entfällt. Stattdessen soll eine
rechtskräftige Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von
mindestens einem Jahr ohne Bewährung künftig zur
Pflichtteilsentziehung berechtigen, wenn die Pflichtteils-
überlassung für den Erblasser unzumutbar ist. Gleiches
soll für vergleichbare Taten gelten, die im Zustand der
Schuldunfähigkeit begangen wurden.
Der Stärkung des Selbstbestimmungsrechts dient auch
die Umwandlung der starren Ausschlussfrist für Pflicht-
teilsergänzungsansprüche in eine gleitende Ausschluss-
frist. Schenkungen des Erblassers können zu einem An-
spruch auf Ergänzung des Pflichtteils führen. Derzeit
werden Schenkungen dabei in voller Höhe berücksich-
tigt, wenn seit der Schenkung noch keine zehn Jahre ver-
strichen sind. Verstirbt der Erblasser auch nur einen Tag
vor Ablauf der Frist, wird der Pflichtteilsberechtigte für
die Berechnung seines Anspruchs so gestellt, als gehöre
die Schenkung noch zum Nachlass. Verstirbt der Erblas-
ser dagegen nach Ablauf der Frist, geht der Pflichtteilsbe-
rechtigte im Hinblick auf die Schenkung leer aus.
Für den Erben, der vorrangig zur Pflichtteilsergänzung
verpflichtet ist, geht es damit um alles oder nichts. Das
halte ich für ungerecht. Je mehr Jahre verstreichen, desto
weniger soll die Schenkung künftig bei der Pflichtteilser-
gänzung berücksichtigt werden. Ausgehend von den zehn
Jahren soll die Schenkung pro Jahr mit einem Zehntel we-
niger in Ansatz gebracht werden. Diese Regelung führt
auch bei den zur Stärkung des bürgerschaftlichen Enga-
gements so wichtigen Zuwendungen an gemeinnützige
Stiftungen künftig zu mehr Planungssicherheit.
Ein weiterer Reformpunkt besteht in der Stundung
des Pflichtteilsanspruchs nach § 2331 a BGB. Viele äl-
tere Ehepaare äußern in ihren Eingaben an das Bundes-
ministerium der Justiz die Sorge, dass das hart erarbei-
tete Häuschen bei Versterben eines Ehegatten verkauft
werden müsse, um den Pflichtteil der Kinder zu bezah-
len. Viele wissen nicht, dass wir bereits heute schon eine
Regelung haben, die zumindest dem Ehegatten oder Le-
benspartner in dieser Situation helfen kann: die Stun-
dung des Pflichtteilsanspruchs. Allerdings sind die Vo-
raussetzungen sehr eng. Die Regelung gilt nur für den
pflichtteilsberechtigten Erben. Hier sind Erweiterungen
notwendig. Deshalb soll die Möglichkeit der Stundung
künftig jedem Erben eröffnet werden. Damit kann zum
Beispiel die als Erbin eingesetzte Lebensgefährtin Stun-
dung verlangen. Aber auch für Familienbetriebe kann
diese Neuregelung nützlich sein. Wird der Betrieb nicht
dem Sohn, sondern dem Neffen vererbt, kann die Gefahr
der Zerschlagung des Betriebes wegen Zahlung des
Pflichtteilsanspruchs durch eine Stundung abgewendet
werden.
Ein weiteres wichtiges Reformziel ist die bessere Ho-
norierung von Pflegeleistungen beim Erbausgleich.
Viele Angehörige erbringen bei der privaten Pflege ge-
rade betagter Menschen wichtige Leistungen. Zwei Drit-
tel der auf Pflege angewiesenen Personen werden zu
Hause versorgt, und das in erster Linie von Familienmit-
gliedern. Da die Pflege aufgrund der familiären Verbun-
denheit erfolgt, treffen die Beteiligten in der Praxis aus
Pietät oder um sich nicht dem Vorwurf der Erbschleiche-
rei auszusetzen vielfach keine Vereinbarungen über ein
angemessenes Entgelt. Der Gepflegte selbst sorgt aus
den unterschiedlichsten Gründen auch nicht immer da-
für, die ihm erbrachten Leistungen aus der Pflegeversi-
cherung an die pflegenden Angehörigen weiterzuleiten.
Hat der Erblasser kein Testament errichtet, in dem er
die Pflege durch Erbeinsetzung oder ein Vermächtnis
hätte honorieren können, geht der pflegende Angehörige
trotz der seinerseits erbrachten Leistungen oftmals leer
aus. Er erhält zwar seinen Erbteil, aber dieser spiegelt
bei mehreren Erben nicht die überobligatorisch erbrach-
ten Leistungen im Vergleich zu den anderen Erben wi-
der. § 2057 a des Bürgerlichen Gesetzbuchs, der unter
Abkömmlingen eine Anrechung von Pflegeleistungen er-
möglicht, hilft häufig nicht weiter, denn die Regelung ist
eng: Sie gilt nur, wenn der Abkömmling die Pflege unter
Verzicht auf berufliches Einkommen geleistet hat. Weder
wird damit der häufigste praktische Fall erfasst – die
Tochter, die Mutter oder Vater pflegt – noch erhalten die-
jenigen einen erbrechtlichen Ausgleich, die die Doppel-
belastung von Pflege und Berufstätigkeit tragen. Diese
Pflegeleistungen sollen nun unter erleichterten Voraus-
setzungen honoriert werden: Künftig soll der Verzicht
auf berufliches Einkommen als Voraussetzung für den
Anspruch entfallen und damit die größte Ungerechtig-
keit der bisherigen Regelung beseitigt werden.
Die intensiven Diskussionen, die wir unter reger Be-
teiligung der Öffentlichkeit gerade über diese Regelung
geführt haben, haben neben der jetzt gefundenen Lösung
einen weiteren positiven Effekt: Wir haben alle Betroffe-
nen sensibilisiert. Wir haben den nötigen Impuls dafür
gegeben, über diese wichtige Frage nicht nur nachzuden-
ken, sondern sie hoffentlich auch in vielen Fällen ange-
messen zu regeln. Denn in jedem Fall gilt: Eine gesetzli-
che Vorschrift wird nie jeden Einzelfall genau treffen
können. Besser ist immer eine individuelle Regelung,
die der Erblasser selbst zu Lebzeiten durchdacht und am
besten mit seinen Angehörigen erörtert hat.
Ich freue mich auch, dass wir in einem anderen Punkt
endlich mehr Rechtsklarheit herbeiführen werden. Mit
der Anwendung der durch die Schuldrechtsreform im
Jahr 2002 eingeführten neuen Regelverjährung auch auf
die familien- und erbrechtlichen Ansprüche vereinheitli-
chen wir die Verjährung weitreichend. Noch bestehende
Wertungswidersprüche in der bisher geltenden Rechts-
lage werden beseitigt. Es ist nicht einzusehen, dass ein
26066 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009
(A) (C)
(B) (D)
rechtlicher Betreuer seinem Betreuten immer 30 Jahre
lang auf Schadensersatz haftet, wohlgemerkt erst ab dem
Ende der Betreuung. Ein Rechtsanwalt haftet dagegen
grundsätzlich nur drei Jahre. Das wollen wir ändern. Der
Bürger kann sich künftig durchgängig an der Faustregel
orientieren: Ansprüche, die ich kenne, muss ich inner-
halb von drei Jahren gerichtlich geltend machen.
Als Ergebnis der intensiven Beratungen in den Aus-
schüssen können wir nun mit großer Mehrheit in diesem
Hause ein Erb- und Verjährungsrecht beschließen, das
die bewährten Grundstrukturen des Erbrechts erhält,
aber behutsam etliche Schwachstellen korrigiert und den
Bürgerinnen und Bürgern mehr Spielraum ermöglicht,
ihren letzten Willen umzusetzen.
Anlage 17
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung der Beschlussempfehlung und des
Berichts zu den Unterrichtungen:
– Jahresbericht 2008 des Nationalen Normen-
kontrollrates
– Bürokratieabbau – Jetzt Entscheidungen tref-
fen
– Bericht der Bundesregierung 2008 zur An-
wendung des Standardkosten-Modells und
zum Stand des Bürokratieabbaus
(Tagesordnungspunkt 22)
Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU): Bürokratie kostet
Zeit, Bürokratie kostet Geld. Beides sind entscheidende
Faktoren für die Wettbewerbsfähigkeit eines Unterneh-
mens. Bürokratieabbau ist darum für uns eine zentrale
Aufgabe, da er die Unternehmen aktiv entlastet.
Bürokratieabbau ist mühsam. Das ist bekannt. Wolfgang
Clement hat einmal gesagt, das sei Häuserkampf. Doch
der Kampf lohnt sich. Bürokratieabbau ist nämlich das
bestmögliche Konjunkturprogramm, das wir überhaupt
machen können: Die Abschaffung von überflüssigen ge-
setzlichen Regelungen, von veralteten Verfahrensweisen
oder doppelten Statistikpflichten kostet uns, als Staat,
keinen Cent. Aber die betroffenen Unternehmen profitieren
in hohem Maße. Sie können Arbeitsabläufe effizienter
gestalten und Betriebskosten einsparen. Kurz: Bürokra-
tieabbau ist ein voller Gewinn.
Die Bundesregierung hat im Zuge der Umsetzung ihres
Programms für Bürokratieabbau und bessere Rechtsetzung
eine Vielzahl von Maßnahmen beschlossen und auf den
Weg gebracht. Damit erreichen wir eine jährliche Entlas-
tung für Unternehmen und Betriebe um mehr als 7 Mil-
liarden Euro; das kostet den Steuerzahler und den Staat
keinen einzigen Cent. Die im Rahmen des Konjunkturpro-
gramms beschlossene Abwrackprämie hat ein Volumen
von rund 6 Milliarden Euro und ist auf ein Jahr befristet.
Diese beiden Zahlen zeigen, wie ich finde, sehr schnell
sehr deutlich, wie viel Effizienz und Leistungssteigerung
Bürokratieabbau in der Praxis tatsächlich bedeutet. Darum
werden wir auch in der kommenden Legislaturperiode
intensiv weiter daran arbeiten.
Ein erster, entscheidender Schritt wird es sein, das
Abbauziel von 25 Prozent noch einmal zu präzisieren.
Wir verstehen dieses Ziel nämlich als eine Pflicht. Und
darum wollen wir diese Pflicht des Gesetzgebers auch
im NKR-Gesetz verbindlich verankern.
Es ist sehr bedauerlich, dass die SPD sich hier in den
letzten dreieinhalb Jahren massiv verweigert hat, aber
nicht wirklich erstaunlich. Wer den Staat als Beamten-
apparat versteht und dessen Erhalt sucht, statt sich für
Reformen einzusetzen, der wird eben lieber weiter Pa-
pierberge produzieren und Formularkriege anzetteln.
Wir wollen diese Berge abtragen, wir wollen, dass sich
Unternehmen, Verwaltungen und natürlich die Bürger auf
das Wesentliche konzentrieren können. Darum machen
wir uns stark für eine konsequente Fortsetzung des Pro-
gramms für Bürokratieabbau in einer dann hoffentlich
bürgerlichen Koalition.
Neben dieser eindeutigen Selbstverpflichtung zum
Nettoabbauziel werden wir uns darüber hinaus dafür ein-
setzen, dass die Kompetenzen des Normenkontrollrates
weiter ausgebaut werden. Die Kollegen von der FDP
möchte ich gleich wieder beruhigen, denn ich rede nicht
davon, den NKR damit zu beauftragen, Gesetzentwürfe
aus den Fraktionen auf ihre Belastungen hin zu prüfen.
Damit würden wir nur eines erreichen: den NKR lahm-
legen und ihn mit völlig unnötiger und sinnloser Arbeit
überlasten. Nein, ich rede von den sogenannten Minis-
terverordnungen ohne Kabinettsbefassung. Eben weil sie
nicht der Zustimmung des Bundeskabinetts bedürfen, fallen
sie nicht unter § 4 Abs. 2 des NKR-Gesetzes und werden
ergo nicht durchleuchtet. Das kann aber nicht sein, denn
die bürokratische Belastungswirkung kann ebenso gra-
vierend sein. Hier wollen wir ansetzen, hier werden wir
die Befugnisse des Normenkontrollrates erweitern, um
noch mehr Entlastungsvolumen zu erzielen.
Genau darum werden wir noch einen Schritt weiter
gehen. Wir wollen, dass der Normenkontrollrat in Zukunft
Gesetzentwürfe auf alle Bürokratiekosten hin überprüft,
die den Unternehmen entstehen können. Bisher wurde
diese Arbeit von zwei Gremien übernommen. Dabei hat
der NKR nur die Kosten berechnet, die durch Informa-
tionspflichten entstehen können, das Bundeswirtschafts-
ministerium alle anderen Kosten. Wir wollen, dass diese
Prüfung ebenfalls vom NKR durchgeführt wird, und so das
Verfahren noch schlanker machen. Dann haben wir zu ei-
nem Gesetzentwurf eine Stellungnahme aus einem Guss
vorliegen, die uns die finanziellen Belastungen gerade
auch durch Dokumentations- oder Aufbewahrungs-
pflichten beziffert. Warum müssen Bankbelege zehn
Jahre aufbewahrt werden? Warum muss ich die alte Soft-
ware aufheben und womöglich noch einen alten PC
dazu, um die elektronischen Daten auch noch in zehn
Jahren dem Finanzamt zeigen zu können? Wieso reichen
da nicht die Belege? Gerade das Steuerrecht macht mit
über 70 Prozent Anteil den Löwenanteil aus bei den Bü-
rokratiekosten. Das muss sich ändern.
Wie Sie wissen, ist Deutschland leider Weltmeister in
Sachen Steuerfachliteratur – ein trauriger Rekord, auf den
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 26067
(A) (C)
(B) (D)
wir weder stolz sein können, noch sollten wir ihn einfach
so akzeptieren. Es muss uns gelingen, unser Steuersys-
tem dauerhaft und nachhaltig zu vereinfachen, um hier
die Belastungen für die Bürger, für Verwaltung und Un-
ternehmen deutlich zu reduzieren. Das heißt: Wir brau-
chen nicht nur eine tarifäre Steuerreform, wir brauchen
auch eine, die die Struktur ändert und deutlich einfacher
macht.
E-Government ist hier ein gutes Stichwort, ebenso wie
ELENA. Beides sind zentrale Instrumente bei der Um-
setzung von Bürokratieabbau, und beide helfen uns da-
bei, die Unternehmen nachhaltig zu entlasten. Wir wollen
eine moderne und schlanke Datenerfassung für Unter-
nehmen und Verbände, Kommunen und Bürger. Wir wol-
len den Menschen wertvolle Zeit ersparen. Dafür werde
ich mich einsetzen.
Garrelt Duin (SPD): Über Jahrzehnte hinweg war es
in unserem Land sehr schwierig, das Bürokratieproblem
zu erkennen, zu formulieren und es gar zu beseitigen. Mit
dem Normenkontrollrat haben wir es erfolgreich ange-
packt. Wir können drei Jahre nach Verabschiedung des
Gesetzes zur Einsetzung eines Nationalen Normenkon-
trollrates mit der Arbeit dieses unabhängigen Gremiums
sehr zufrieden sein. Es wurden überflüssige Belastungen
der Wirtschaft vermieden, und die Bundesregierung wird
bei der Reduzierung der bestehenden Bürokratiekosten
um 25 Prozent bis 2011 bereits ihr Zwischenziel bis Ende
2009 erreichen.
Der Normenkontrollrat hat festgestellt, dass in Deutsch-
land 10 404 Informationspflichten der Wirtschaft existie-
ren, die Bürokratiekosten von rund 47,6 Milliarden Euro
pro Jahr erzeugen. Die sind Kosten, die die Wettbewerbs-
fähigkeit unserer Wirtschaft mindern und die wir reduzie-
ren wollen. Bei dem Reduzierungsansatz allerdings fällt
auf, dass von den Informationspflichten 9 230 aus natio-
nalen Gesetzen und Verordnungen einschließlich des na-
tional umgesetzten EU- und internationalen Rechts ent-
standen sind. Immerhin 1 174 Informationspflichten
stammen aus EU-Verordnungen, die direkt und unmittel-
bar in Deutschland gelten.
Nun stehen wir vor dem Problem, dass neben den
22,5 Milliarden Euro, die von uns als nationalem Ge-
setzgeber verursacht wurden, circa 25,1 Milliarden Euro
auf Regelungen zurückgehen, die durch EU- und inter-
nationales Recht veranlasst wurden. Und diese Regelun-
gen zu ändern ist der nächste große Schritt beim Büro-
kratieabbau. Andere Kosten der Wirtschaftsförderung
sind für den Staat wesentlich teurer.
In Zeiten des wirtschaftlichen Abschwungs ist es be-
sonders wichtig, die Kosten, die Bürgern und Unterneh-
men durch neue Gesetze und Rechtsverordnungen entste-
hen, möglichst gering zu halten. Wir stehen im globalen
Standortwettbewerb, und daher geht es uns darum, neue
Möglichkeiten zu nutzen, die Kostenfaktoren unserer
Wirtschaft zu optimieren. Daher werden wir in Zukunft
den Bürokratiekostenabbau für die Wirtschaft weiter vo-
rantreiben.
Die bisherige Arbeit, nämlich das Abschätzen der Bü-
rokratiekosten bei neuen Regelungsvorhaben durch die
Bundesregierung und die Überprüfung dieser Kosten
durch den Normenkontrollrat, war erfolgreich. Aller-
dings zeigt es sich auch, dass sich die wahrgenommenen
Bürokratiebelastungen nicht nur auf Kosten aus Infor-
mationspflichten zurückführen lassen. Belastungen, die
durch den Vollzug von bundesrechtlichen Vorschriften
der Wirtschaft entstehen, sind ebenso relevant. Daher ist
es wichtig zu erkennen, wo weitere bürokratische Belas-
tungen der Wirtschaft im Verborgenen liegen und wel-
cher Weg zu einer weiteren Entlastung der Wirtschaft
gegangen werden kann. Hier müssen wir zu einer ganz-
heitlichen Betrachtung, von der bundes-, gegebenenfalls
über die landesrechtliche Regelung bis hin zum Vollzug
durch die zuständigen Stellen, kommen. Für den Vollzug
bundesrechtlicher Vorschriften sind in Deutschland in
der Regel die Länder und Kommunen bzw. die Kam-
mern oder Sozialversicherungsträger zuständig.
Unsere nächsten Schritte und Ziele beim Bürokratie-
abbau sind auf einen Nenner zu bringen:
Erstens. Wir wollen eine Festlegung in den einzelnen
Bundesministerien zur Erreichung des Bürokratieabbau-
ziels.
Zweitens. Es sollen sämtliche auf Bundesrecht beru-
henden Informationspflichten für das 25-prozentige Ab-
bauziel gelten. Dies gilt auch für die Bundesgesetze, die
wir aufgrund von EG-Richtlinien umsetzen.
Drittens. Wirklich dauerhaft Bürokratie abbauen kön-
nen wir nur, wenn wir unser Abbauziel als Nettoziel an-
streben. Denn immer wieder werden durch neue Gesetze,
die ja sehr begrüßenswert und notwendig sind, gleichzei-
tig neue bürokratische Belastungen – quasi durch die
Hintertür – eingeführt. Daher werden wir zukünftig da-
rauf achten müssen, neue Belastungen durch zusätzliche
Entlastungsmaßnahmen zu kompensieren.
Viertens. Bürokratieabbau muss für alle spürbar und
erfahrbar werden. Die Bundesregierung sollte daher ver-
stärkt branchen- und gruppenspezifische Belastungen
bei den Abbaumaßnahmen berücksichtigen.
Fünftens. Wir wollen zukünftig im Vorblatt und in
den Begründungen zu Gesetzentwürfen auch Angaben
zu den weiteren Kosten und Bürokratiebelastungen der
Wirtschaft und der Verwaltung mit aufnehmen. Erst
dann wird wirklich deutlich, wie die Kosten der neuen
Gesetze zu bewerten sind.
Sechstens. Der weitere Erfolg des Bürokratieabbau-
programms ist davon abhängig, inwieweit es gelingt, im
Dialog mit Selbstverwaltungsträgern sowie Ländern und
Kommunen auf die Notwendigkeit der bürokratischen
Entlastungen hinzuweisen. Denn Bürokratiekosten sind
ja nicht begrenzt auf das Bundes- und Europarecht. Bü-
rokratische Kosten der Wirtschaft entstehen auch auf
kommunaler und Länderebene und im Bereich der So-
zialversicherungsträger ebenso.
Birgit Homburger (FDP): Auf den letzten Drücker
hat sich die Koalition in der letzten Sitzungswoche des
26068 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009
(A) (C)
(B) (D)
Deutschen Bundestages doch noch dazu durchgerungen,
spät nachts den Jahresbericht 2008 des Nationalen Nor-
menkontrollrates sowie den Bericht der Bundesregie-
rung 2008 zur Anwendung des Standardkosten-Modells
und zum Stand des Bürokratieabbaus zu beraten, obwohl
diese schon über ein Jahr vorliegen. Hätte es überhaupt
noch eines Beweises bedurft, dann wäre er spätestens
jetzt erbracht. Das Thema ist für die Bundesregierung
und die schwarz-rote Koalition schlicht unwichtig.
Eine große ausführliche Debatte, in der Bilanz gezo-
gen werden könnte, scheuen Union und SPD hingegen.
Das überrascht niemanden, sind die Ergebnisse doch
mehr als dürftig nach vier Jahren sogenannter Großer
Koalition und dem Projekt Bürokratieabbau, das Bun-
deskanzlerin Merkel zu Beginn der Legislaturperiode
noch zur Chefsache erklärt hat. Es wurden in den letzten
vier Jahren beim Bürokratieabbau viele Täuschungs-
manöver gestartet und wolkige Reden geschwungen; ei-
nen wirklich spürbaren Abbau von Bürokratie gab es
nicht. Stattdessen gab es sogar einen Zuwachs an Büro-
kratie und dadurch bedingten Kosten. Am Ende der Le-
gislaturperiode bleibt aus Sicht der FDP daher nur fest-
zustellen, dass das von Schwarz-Rot groß angekündigte
Projekt Bürokratieabbau gescheitert ist.
Der Jahresbericht des Nationalen Normenkontrollrats
für das Jahr 2008 ist für die Bundesregierung ein peinli-
ches Dokument, listet es doch ihre Versäumnisse und
Verfehlungen haargenau auf. Ich will an dieser Stelle nur
eine kleine Auswahl der Kritikpunkte vortragen.
Erstens rügt der Normenkontrollrat die fehlende Ge-
samtstrategie beim Bürokratieabbau. Die Bundesregie-
rung habe zwar Einzelmaßnahmen ergriffen, diese ergä-
ben aber kein klares, verbindliches Gesamtkonzept, und
inhaltliche und zeitliche Festlegungen fehlten.
Zweitens habe sich die Bundesregierung nach wie vor
nicht klar zur Definition des 25-prozentigen Abbauziels
der Bundesregierung als Nettoziel bekannt. Die Koali-
tionsfraktionen haben einen entsprechenden Gesetzent-
wurf der FDP-Bundestagsfraktion entgegen anders lau-
tender Ankündigung sogar hier im Deutschen Bundestag
in der letzten Sitzungswoche abgelehnt.
Drittens kritisiert der Normenkontrollrat, dass die
Bundesregierung entgegen ihrer Ankündigung im letzten
Jahresbericht kein Monitoring zur Bürokratiekostenent-
wicklung beschlossen hat. Damit könnte jährlich eine
Bilanzierung der beschlossenen Be- und Entlastungen
vorgenommen werden, um Veränderungen bei den Büro-
kratiekosten transparent sicherzustellen.
Schließlich gibt es viertens keinen Bürokratieabbau
für die Bürgerinnen und Bürger und die Verwaltung. Hier
habe die Bundesregierung nichts unternommen, obwohl
dies dringend notwendig wäre. Im letzten Jahr hat die Ko-
alition noch angekündigt, eine entsprechende Verände-
rung der Prüfkompetenzen des Normenkontrollrats vor-
zunehmen. Passiert ist nichts. Ohnehin wäre eine reine
Ausweitung der Prüfkompetenzen des Normenkontroll-
rats nicht besonders hilfreich, wenn die Bundesregierung
– wie bei der Unternehmen- und Erbschaftsteuerreform
geschehen – die Kritik des Normenkontrollrats ignoriert.
Man nennt so etwas Vogel-Strauß-Taktik. Sie ist für den
Bürokratieabbau gänzlich ungeeignet.
Nur um das noch einmal klarzustellen: Dieses
schlechte Zeugnis und die Kritikpunkte hat nicht die Op-
position der schwarz-roten Bundesregierung ausgestellt,
sondern der von ihr eingesetzte Normenkontrollrat. Die
Bundesregierung wäre gut beraten gewesen, wenn sie
die Kritik ernst genommen und die Empfehlungen des
Normenkontrollrats befolgt hätte.
Im Bericht der Bundesregierung 2008 zur Anwendung
des Standardkosten-Modells und zum Stand des Büro-
kratieabbaus erklärt die Bundesregierung vollmundig,
bis 2009 die Hälfte ihres 25-Prozent-Abbauziels zu errei-
chen. Den Beweis bleibt sie schuldig. Demnach beträgt
die Entlastung für die Unternehmen rund 6 Milliarden
Euro. Doch auch in diesem Bericht gibt die Bundesregie-
rung keine Auskünfte über die in demselben Zeitraum
verabschiedeten neuen Belastungen, die den Unterneh-
men zusätzlich aufgebürdet wurden, und den daraus re-
sultierenden Saldo. Auch verliert die Bundesregierung
kein Wort darüber, wie der zweite Teil des 25-Prozent-
Abbauziels erreicht werden könnte. Die FDP hat wie der
Normenkontrollrat die Bundesregierung aufgefordert,
entsprechend notwendige Vorarbeiten dafür vorzuneh-
men, sodass bald nach der Bundestagswahl die neue
Bundesregierung ein Abbaukonzept für weitere 12,5 Pro-
zent vorlegen kann. Doch auch hier hat die Bundesregie-
rung nichts unternommen und die Vorbereitungen ver-
schlafen.
Am Ende der sogenannten Großen Koalition aus
Union und SPD zeigt sich, dass sie im Bereich Bürokra-
tieabbau lediglich beim Ankündigen groß war. Die Chef-
sache wurde zur Nebensache, und wirklich etwas bewegt
wurde nicht. Für die Unternehmen und die Bürgerinnen
und Bürger gibt es keine spürbaren Entlastungen von
Bürokratie. Das ist ein Versäumnis, für das CDU/CSU
und SPD verantwortlich sind. Konsequentes Handeln
wäre nötig gewesen, passiert ist nichts. Bleibt nur die
Hoffnung auf die neue Bundesregierung im Herbst, die
dem Bürokratieabbau dann den Stellenwert geben muss,
den er verdient und den sich die Menschen in Deutsch-
land wünschen. Die FDP wird sich weiter nachdrücklich
dafür einsetzen, unnötige Bürokratie in Deutschland ab-
zubauen.
Sabine Zimmermann (DIE LINKE): Die Politik hat
in den letzten Jahren in puncto Bürokratieabbau einen
falschen Weg eingeschlagen. Das dokumentieren die
vorliegenden Berichte der Bundesregierung und des
Normenkontrollrates.
Zum einen kümmerte sich die Große Koalition nur ein-
seitig um die Interessen der Wirtschaft. Ein Bürokratieab-
bau für die Bürgerinnen und Bürger blieb auf der Strecke.
Dazu wurde keine einzige Maßnahme verabschiedet. Im-
mer noch werden Millionen Menschen durch unwürdige
Hartz-IV-Regelungen erniedrigt. Arbeitsloseninitiativen,
die mithilfe öffentlicher Arbeitsmarktprogramme wie den
Kommunal-Kombi Arbeitsplätze schaffen wollen, wer-
den durch ungeheure bürokratische Auflagen behindert.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 26069
(A) (C)
(B) (D)
Schon allein deswegen ist der Bürokratieabbau der Bun-
desregierung gescheitert.
Zum anderen scheiterte die Regierung auch mit ihrer
wirtschaftspolitischen Strategie. Große wirtschaftliche
Wachstumseffekte versprach sie sich davon, angeblich
„überflüssige“ Informations- und Statistikpflichten für
die Unternehmen abzubauen. Mit der Krise liegt diese
Strategie nun in Trümmern.
Die Krise zeigt: Die Regierung hat völlig falsche
Schwerpunkte gesetzt. Obwohl das Deutsche Institut für
Wirtschaftsforschung schon 2006 feststellte, die deut-
sche Wirtschaft ist durch die amtliche Statistik weitaus
geringer belastet als vielfach behauptet, machte sich die
Bundesregierung daran, jede kleine Statistikpflicht bis
ins letzte Detail zu durchleuchten.
Wir meinen: Diese Energie hätte sie besser dafür ver-
wendet, die Auftragslage und Finanzierungsbedingun-
gen für die Unternehmen zu verbessern. Mit diesen zwei
Problemen kämpft heute die Mehrzahl der mittelständi-
schen Unternehmen.
Die Linke hat hierauf klare und einfach zu realisie-
rende Vorschläge. Um Aufträge zu schaffen, will sie ein
Zukunftsprogramm auflegen mit Investitionen von
100 Milliarden Euro pro Jahr in Bildung, Gesundheit,
Klimaschutz, Infrastruktur und Verkehr. Zwei Millionen
Arbeitsplätze könnten so neu entstehen. Um die Kredit-
versorgung der Wirtschaft wieder in Gang zu setzen, will
sie den privaten Bankensektor in die öffentliche Hand
überführen und, entsprechend den Sparkassen, auf das
Gemeinwohl verpflichten.
Und als akute Hilfe für in Not geratene Unternehmen,
auch aus dem Mittelstand will sie einen Zukunftsfonds
für eine nachhaltige Wirtschaft einrichten: 100 Milliar-
den Euro für die zukunftsfähige, sozial-ökologische Ent-
wicklung industrieller Arbeitsplätze. Damit unterstützt
werden sollen Unternehmen, die ihre Produktion auf
energie- und rohstoffeffiziente Verfahren und Qualitäts-
produkte umstellen.
Die Bundesregierung bleibt dagegen überzeugende
und wirkungsvolle Antworten zur Krise schuldig. Sie
stellt mit ihrem Bankenrettungsschirm den Finanzinsti-
tuten Milliarden Euro zur Verfügung, ohne dass diese
ihre Kreditvergabe nachhaltig verbessern. Sie hat mit ih-
ren „Konjunktur-Paketen“ zu spät und zu vorsichtig rea-
giert.
Die Krise zeigt ferner: Der Bürokratieabbau der Bun-
desregierung hat noch einen weiteren Pferdefuß. Unter
dem Vorwand, „überflüssige“ Informationspflichten zu
beseitigen, sind statistische Daten verloren gegangen,
die wir für eine Krisenbewältigung dringend benötigen.
So frage ich: War es ein Fortschritt, dass Betriebe mit
20 bis 50 Beschäftigten von der Meldepflicht zu den mo-
natlichen Statistiken im verarbeitenden Gewerbe befreit
wurden? Nein, denn nun fehlen uns aktuelle amtliche
Daten zur Lage dieser Kleinstbetriebe!
War es ein Fortschritt, dass Betriebe die bei ihnen ge-
leistete Kurzarbeit der Agentur für Arbeit nur noch quar-
talsweise statt monatlich melden? Nein, denn so können
wir die tatsächliche aktuelle Entwicklung der Kurzarbeit
nur schwer verfolgen.
Die Bundesregierung und der Normenkontrollrat wei-
gern sich, eine kritische Bilanz ihrer Arbeit der letzten
Jahre zu ziehen. Aber ohne richtige Schlussfolgerungen
aus der Vergangenheit lässt sich keine bessere Politik für
die Zukunft machen.
Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Die Bundesregierung hatte sich zu Beginn ihrer Amts-
zeit den Bürokratieabbau als Priorität auf die Fahnen ge-
schrieben. Umgesetzt hat sie wenig. Ihr jetziges Ziel, bis
2011 die Bürokratie um 25 Prozent abzubauen, ist wenig
ambitioniert. Und auch diese Entlastung wird mit den
Trippelschritten der Mittelstandsentlastungsgesetze kaum
erreicht. Der Normenkontrollrat weist in seinen Berichten
darauf hin, dass bei einer bürokratischen Belastung von
rund 48 Milliarden Euro durch die mit Bundesregelun-
gen verbundenen Informationspflichten Abbaumaßnah-
men in Höhe von 12 Milliarden Euro nötig seien. Hier-
von sind bisher 6,58 Milliarden Euro beschlossen. Es
bleibt also noch sehr viel zu tun!
Andere sind da viel weiter: Die Niederlande haben in
einer Legislaturperiode die Bürokratielasten um 25 Pro-
zent abgebaut, 2006 Vollzug gemeldet und arbeiten jetzt
schon an der nächsten Runde. Die deutsche Bundesre-
gierung will bis 2011 dieses Ziel erreichen. Und selbst
das ist mit den Trippelschritten, die sie mit ihren Mittel-
standsentlastungsgesetzen vorlegt hat, noch nicht sicher.
Auch Österreich ist da schon viel weiter. In Österreich
werden wie in den Niederlanden die Bürokratieabbau-
ziele in den Haushaltsplan integriert. Bei den Haushalts-
beratungen geht es so immer auch um Bürokratieabbau,
jeder Minister berichtet entsprechend. In Deutschland
gibt es lediglich Quartalstreffen des Normenkontrollra-
tes mit der Kanzlerin, aber keine regelmäßigen Termine
mit dem Wirtschaftsminister.
Dem Normenkontrollrat fehlen umfassende Kompe-
tenzen, um den Bürokratieabbau voranzutreiben. So prü-
fen, wie der Normenkontrollrat können müsste, darf er
nicht. Wenn die Gesetze durch die Regierung ins Parla-
ment eingebracht werden, gibt es eine Bürokratiekosten-
einschätzung des Normenkontrollrates. Alles, was im
parlamentarischen Verfahren in die Gesetze reingeschrie-
ben wird, kann er aber nicht mehr prüfen. Wenn die Frak-
tionen Gesetze einbringen, wird er nicht gefragt. Dafür
gibt es im Bundestag – leider – keine Mehrheit. Gesetze,
die vor Januar 2007 ins Parlament eingebracht worden
sind, werden wie zum Beispiel der Gesundheitsfonds gar
keiner Bürokratielastenmessung unterzogen. Wir brau-
chen jetzt eine ehrliche Durchsicht aller geltenden ge-
setzlichen Regelungen sowie aller neuen Beschlüsse des
Bundestages auf ihre Bürokratiefolgen hin durch den
Normenkontrollrat. Das muss nicht nur am Anfang, son-
dern am Ende des parlamentarischen Verfahrens gesche-
hen.
Da bleiben die Anträge und Entwürfe der FDP zu
weich. Wir brauchen nicht nur das Recht der Fraktionen,
ihre Entwürfe überprüfen zu lassen. Das muss zur Regel
werden. Sonst kann jede Bundesregierung weiter leicht
26070 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009
(A) (C)
(B) (D)
den Normenkontrollrat umgehen, indem ihre Entwürfe
einfach über die Regierungsfraktionen eingebracht wer-
den und die ihn dann einfach nicht anrufen.
Aber das ist nicht das einzige Problem, darum ist der
Gesetzentwurf der FDP eindimensional. Der Normen-
kontrollrat kritisiert in seinem Jahresbericht selbst: Er
kann sich nur auf Belastungen beziehen, die Wirtschaft,
Bürgern und Verwaltung durch die Auferlegung von In-
formationspflichten entstehen. Bürokratielasten sind aber
weiter gefasst und umfassen auch die Belastungen durch
Regelungen der Länder, der EU, der Sozialversicherungs-
träger. Insgesamt geht der Normenkontrollrat von rund
85 Milliarden Euro Gesamtlasten für die Wirtschaft in
Deutschland aus. Das trifft insbesondere kleine und mitt-
lere Unternehmen. Sie geben 4 bis 6 Prozent ihres Umsat-
zes für staatlich veranlasste Verwaltungskosten aus. Um
diesen Problematiken wirksam zu begegnen, müssen wir
insgesamt die Rolle des Normenkontrollrats überdenken
und ausbauen. Vor allem müssen alle Regelungen so ge-
fasst werden, dass sie für KMU auch handhabbar sind. Da
ist die von der FDP vorgeschlagene Gesetzesänderung
doch sehr zögerlich.
Auch die vorgelegten FDP-Anträge weisen zwar teil-
weise in die richtige Richtung. Zentrale Bürokratiepro-
bleme wie die Gewerbeanmeldungen drängen und müss-
ten zuvörderst angegangen werden. Eine Bündelung der
Zuständigkeiten bei der Gewerbeanmeldung, die Schaf-
fung eines einheitlichen Ansprechpartners oder die elek-
tronische Gewerbeanmeldung machen Sinn. Aber die
Problematik des Bürokratieabbaus geht noch weit über
das hinaus, was die FDP hier thematisiert. Und es ist
auch falsch, Umweltziele und Bürokratieabbau wie bei
der Behandlung von Abfall gegeneinander auszuspielen.
Umweltpolitik ist keine Gängelung der Wirtschaft, son-
dern schafft zum Beispiel bei intelligenten Recycling-
konzepten oder energetischer Gebäudesanierung neue
Investitionsmöglichkeiten und Arbeitsplätze. Da verfällt
die FDP einem alten Reflex.
Bürokratieabbau ist der einfachere Hebel zur Wirt-
schaftsförderung als Subventionen. Gerade kleine und
mittlere Unternehmen können umständliche Genehmi-
gungs- und Antragsverfahren nur schwer bewältigen.
Wir brauchen ein umfassendes Konzept für den Büro-
kratieabbau, das Ressort für Ressort umgesetzt wird. Ne-
ben der beschriebenen deutlichen Stärkung der Rechte
des Normenkontrollrates umfasst das grüne Konzept
zum Bürokratieabbau Vorschläge wie Kosten-Nutzen-
Rechnungen für Gesetzesvorlagen, die Abschaffung der
Generalunternehmerhaftung durch die Auftragnehmer
für alle Subunternehmen, die Anhebung der Grenze für
geringwertige Wirtschaftsgüter und die Weiterentwick-
lung des Teilzeit- und Befristungsgesetzes. Das soge-
nannte Ersteinstellungsgebot bei sachgrundlosen Befris-
tungen muss abgeschafft werden. Die Wartefrist, die
zwischen zwei Arbeitsverhältnissen liegen muss, sollte
maximal sechs Monate betragen, um Kettenbefristungen
zu vermeiden. Damit ist auf unbürokratische Weise si-
chergestellt, dass kein Missbrauch stattfindet. Eine be-
fristete Wirkung von Gesetzesänderungen kann im Ein-
zelfall nach Sachlage sinnvoll sein.
Bündnis 90/Die Grünen haben noch weit umfassen-
dere Vorschläge für einen konsequenten Bürokratieab-
bau erarbeitet. In den halbherzigen Gesetzgebungsvor-
schlägen der Großen Koalition wurden diese bislang
ignoriert – nachdem ihnen zuvor Fachpolitiker der Frak-
tionen persönlich Respekt gezollt hatten. Es bleibt also
viel zu tun.
Anlage 18
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Antrags: Rechtsstaatlichkeit
in Russland stärken (Zusatztagesordnungs-
punkt 6)
Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU): Ich freue
mich, dass wir trotz der gedrängten Tagesordnung in den
letzten Sitzungstagen dieser Legislaturperiode die Gele-
genheit haben, über den vorliegenden Antrag zu spre-
chen. Beide Themen sind mir ein äußerst wichtiges An-
liegen: die Stärkung der Rechtsstaatlichkeit in Russland
und der erneute Strafprozess gegen den ehemaligen
Jukos-Chef Michail Chodorkowski und seinen Partner,
Platon Lebedew, in Moskau.
Erst vor einer Woche habe ich selbst das Verfahren
gegen Herrn Chodorkowski und Herrn Lebedew im Cha-
mowniki-Bezirksgericht beobachtet. Mit meinem Be-
such wollte ich die politische Bedeutung dieses Prozes-
ses unterstreichen, sowohl mit Blick auf den konkreten
Fall als auch wegen seiner grundsätzlichen Bedeutung
für die Entwicklung Russlands.
Aus dem, was ich in der kurzen Zeit beobachten
konnte, vor allem aber aus den Studien der Prozessbeob-
achtungsunterlagen, aus mehreren Gesprächen mit di-
versen Anwälten der Angeklagten, zuletzt in Moskau
mit dem Leiter des Anwälteteams, Wadim Kljugwant,
aus den Berichten meiner Kollegen Frau Marieluise
Beck und Markus Meckel, vor allem aber durch den
jüngsten Bericht des Europarates fühle ich mich in der
Sorge bestätigt, dass dieser Prozess in rechtsstaatlicher
Hinsicht erhebliche Fragezeichen aufwirft und nicht den
rechtsstaatlichen Bedingungen entspricht, zu denen sich
Russland verpflichtet hat, und dass er für politische Ziele
genutzt werden könnte.
Aus diesen Gründen bedauere ich sehr, dass wir über
dieses Thema unter so schwierigen Rahmenbedingungen
debattieren müssen. Es hätte mehr Aufmerksamkeit ver-
dient. Das ist nicht irgendein Thema unter „ferner lie-
fen“, sondern für die Chancen von Demokratie und
Rechtsstaatlichkeit in Russland grundlegend und damit
auch für die Entwicklung von Europa von direkter Rele-
vanz. Umso mehr bedauere ich, dass es unserem Koali-
tionspartner so schwergefallen ist, einem Antrag zuzu-
stimmen, der sich dezidiert mit dem Fall Chodorkowski
und nicht nur allgemein mit der Rechtsstaatlichkeit in
Russland befasst.
Schon während der ersten Strafverfolgung von
Michail Chodorkowski und Platon Lebedew 2003 bis
2005 hat der Europarat gravierende Verletzungen der
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 26071
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russischen Strafprozessordnung und des Rechts auf ei-
nen fairen Prozess festgestellt. Die Parlamentarische
Versammlung des Europarats kam damals zu der
Schlussfolgerung, dass der russische Staat bei dem Pro-
zess nicht in erster Linie strafrechtliche Ziele verfolgte,
sondern einen politischen Gegner schwächen und sich
wirtschaftliches Vermögen aneignen wollte.
In seinem jüngsten Bericht zu juristischen Miss-
brauchsfällen in Europa, der zur Hälfte Russland gewid-
met ist, verweist der Europarat auf eine lange Reihe fort-
bestehender Defizite im russischen Justizsystem und
nennt den zweiten Chodorkowski-Prozess einen „emble-
matischen“ Fall für russische Unternehmen, die einer
„unerbittlichen Verfolgung“ durch die Strafbehörden
ausgesetzt sind. Der Eindruck, dass dieser Prozess eine
Reihe grundlegender Fragezeichen aufwirft, hat sich
durch meinen Besuch des Verfahrens verfestigt. Diese
betreffen vor allem die selektive Kriminalisierung eines
Unternehmens wie auch die Anklage selbst. Der Vor-
wurf der Unterschlagung der gesamten Fördermenge
von drei Jukos-Tochterunternehmen über sechs Jahre im
Wert von fast 20 Milliarden Euro erscheint wenig plausi-
bel. Doch auch die Prozessführung der Staatsanwalt-
schaft, die zum Teil aus Dokumenten selektiv und bruch-
stückhaft vorträgt, und die Ablehnung fast aller Anträge
der Verteidigung werfen Fragen auf.
Wegen seiner Signalwirkung auf die Wirtschafts-
und Rechtskultur in Russland ist der Chodorkowski-
Prozess damit ein wichtiger Testfall für die von Präsi-
dent Medwedew angemahnte Glaubwürdigkeit der russi-
schen Justiz. Er ist aber auch ein Testfall für die Einhal-
tung der Standards des Europarats, zu denen sich
Russland verpflichtet hat.
Präsident Medwedew hat es zu seinem wichtigsten
Ziel erklärt, in seinem Land mehr Rechtsstaatlichkeit
und Rechtssicherheit aufzubauen. Es ist der russische
Präsident und nicht wir, der den Begriff vom russischen
„Rechtsnihilismus“ geprägt hat. Auch ein Jahr nach
Medwedews Amtsantritt bleibt die Entwicklung indes
widersprüchlich. Es gibt eine Reihe hoffnungsvoller
Entwicklungen im Wirtschaftsbereich oder im Straf-
vollzugssystem. Dem stehen jedoch besorgniserre-
gende Entwicklungen gegenüber, unter anderem die
Einschränkung der Geschworenengerichtsbarkeit, die
unaufgeklärten Morde an Journalisten und Menschen-
rechtlern, die Verschärfung von Strafen für Delikte im
Zusammenhang mit terroristischen Akten, aber auch die
Neuregelung der Ernennung des Vorsitzenden des Ver-
fassungsgerichts.
Wenn Russland sein Ziel erreichen möchte, zu einer
der fünf größten Weltwirtschaften aufzusteigen, müssen
auch Investoren auf Rechtssicherheit und Rechtsstaat-
lichkeit bauen können. Mehr Rechtsstaatlichkeit schafft
mehr Investitionen. Vor allem aber müssen die Men-
schen in Russland, die die wirtschaftliche Modernisie-
rung voranbringen sollen, das Gefühl von Rechtssicher-
heit haben. Bei der Modernisierung Russlands geht es
nicht um einen technischen Prozess, sondern um eine ge-
samtgesellschaftliche Aufgabe, die die Partizipation der
ganzen Bevölkerung voraussetzt. Modernisierung erfor-
dert nicht nur Investitionen und Know how. Modernisie-
rung erfordert auch, dass der Staat freiheitliches Handeln
und Gestalten sicherstellt durch Rechtsstaatlichkeit,
durch deutlich weniger Korruption und Bürokratie,
durch mehr Pluralismus in Politik und Gesellschaft. Für
das Vertrauen zwischen Regierung und Gesellschaft ist
die Frage der Rechtsstaatlichkeit ein entscheidender
Faktor. So ist der zweite Chodorkowski-Prozess auch ein
Testfall für die Modernisierungsfähigkeit Russlands.
Aus diesen Gründen halte ich eine ständige Beobach-
tung dieses Prozesses durch Vertreter der EU und des
Europarates für unbedingt erforderlich, um eine differen-
zierte Bewertung des Verfahrens sicherzustellen. Wir,
das heißt Parlamentarier und Regierungen aus den Län-
dern des Europarates, müssen auch weiterhin – im ange-
messenen Ton – die rechtsstaatlichen Defizite in Russ-
land offen ansprechen. Ich sehe dies keineswegs als
„Schaufensterpolitik“, wie es der deutsche Außenminis-
ter einmal genannt hat, sondern als Unterstützung des
Kurses des russischen Präsidenten im Kampf gegen
„Rechtsnihilismus“ und für mehr Rechtsstaatlichkeit.
Dazu gehört ebenso, dass die EU und insbesondere
Deutschland Russland weiterhin den Ausbau der Zusam-
menarbeit auf dem Gebiet des Justizwesens anbieten,
wie wir es in unserem Antrag ebenfalls fordern.
Markus Meckel (SPD): Ich freue mich sehr, dass es
nach langem Ringen nunmehr gelungen ist, im Deut-
schen Bundestag einen Antrag zur Lage der Rechtsstaat-
lichkeit in Russland einzubringen. Ganz besonders be-
grüße ich die Tatsache, dass sich auch die FDP und
Bündnis 90/Die Grünen dem Entwurf der Koalitions-
fraktionen angeschlossen haben und wir somit letzten
Endes ein gemeinsames Signal senden können. Mit un-
serem Antrag fordern wir nicht nur die Bundesregierung
dazu auf, im Rahmen der bilateralen und der EU-Bezie-
hungen sowie innerhalb von OSZE und Europarat auf
eine substanzielle und nachhaltige Verbesserung der
rechtsstaatlichen Lage in Russland zu drängen und des-
sen Bemühungen nach Kräften zu unterstützen. Wir
möchten auch ein deutliches Signal an Russland senden,
um deutlich zu machen, dass wir im Deutschen Bundes-
tag auch die inneren Entwicklungen in diesem Land sehr
aufmerksam verfolgen. Das genaue Hinsehen ist auch
wichtig angesichts der Intensität unserer Zusammenar-
beit mit Russland. Zusammenarbeit bedeutet allerdings
nicht, dass kritische Fragen ausbleiben müssen. Denn die
innere Entwicklung gibt in der Tat weiterhin Anlass zur
Sorge.
Der Begriff „Demokratie“ ist infolge des ersten
Transformationsjahrzehnts in der russischen Öffentlich-
keit diskreditiert. Wladimir Putin beantwortete während
seiner Präsidentschaft den Wunsch der Bevölkerung
nach Stabilität, Sicherheit und sozialer Gerechtigkeit
mit einer Politik der Stärke. Dabei wuchs der Einfluss
der Sicherheitsdienste und kremlnaher Eliten, vor al-
lem der Staatsapparat und die Justizbehörden entwi-
ckelten ein Eigenleben. Das autoritäre und hierarchi-
sche System beförderte die Korruption. Russland erlebt
seither politische Prozesse und Morde an Andersden-
kenden. Die Bevölkerung misstraut den Sicherheits-
26072 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009
(A) (C)
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diensten, insbesondere der Miliz und den Justizbehör-
den. Zu Recht hat der heutige Präsident Dmitrij
Medwedew gesagt, dass in diesen Herausforderungen
das Hauptproblem für die Entwicklung Russlands zu ei-
nem modernen Staat liegt. Folgerichtig hat er erklärt,
Reformen in diesem Bereich in Angriff zu nehmen.
Diese Reformanstrengungen müssen sich allerdings
an konkreten Fortschritten und deutlichen Signalen mes-
sen lassen. Schon der erste Prozess gegen den früheren
Jukos-Chef Michail Chodorkowski und seinen einstigen
Geschäftspartner Platon Lebedew hat große internatio-
nale Aufmerksamkeit erfahren und viel Kritik hervorge-
rufen. Der derzeit laufende zweite Prozess wird daher
umso mehr zum Testfall werden, obwohl schon jetzt
Zweifel daran angebracht sind, ob die russische Justiz
diesen denn bestehen wird. Viele Anzeichen sprechen
dafür, dass auch das neue Verfahren politisch motiviert
ist. Die Anklage erscheint allein ob der Angaben zur ver-
meintlich unterschlagenen Menge an Erdöl absurd, die
in aneinandergereihten Waggons rund dreimal um die
Erde reichen würde.
Ich bin – wie zuletzt mehrere Kolleginnen und Kolle-
gen – nach Moskau gereist, um den zweiten Prozess ge-
gen Chodorkowski und Lebedew vor Ort zu beobachten.
Dabei war es mir wichtig, zu zeigen, dass wir in
Deutschland sehr genau verfolgen, wie sich die Reform-
ankündigungen Präsident Medwedews auf dieses vielbe-
achtete Verfahren auswirken. Meine persönlichen Ein-
drücke im Gerichtssaal waren wenig ermutigend. Die
beiden gesundheitlich angeschlagenen Angeklagten wer-
den von schwer bewaffneten Einheiten in den Gerichts-
saal geführt und im Inneren von vier verschiedenen uni-
formierten Diensten bewacht. Sie verfolgen den Prozess
in einem Kasten aus Panzerglas, gleich einem Aquarium.
Mit ihren Anwälten können sie nur durch schmale
Schlitze an der Seite des Glaskastens kommunizieren,
kommen selbst kaum zu Wort.
Dieser Sicherheitsaufwand ist – bedenkt man den
Verfahrensgegenstand eines angeblichen Wirtschaftsver-
brechens – schlichtweg entwürdigende Schikane und
Behinderung ihrer Kommunikation mit den Verteidi-
gern. Bereits seit Wochen trägt die Staatsanwaltschaft
ihre Sichtweise des Falls vor, ohne dass die Verteidi-
gung jeweils konkret reagieren kann. Eine ordentliche
Verhandlung im Sinne eines Für und Wider kommt
nicht zustande. Das Verfahren ist ein Testfall für die
Ernsthaftigkeit der Reformanstrengungen und für die
Glaubwürdigkeit Präsident Medwedews überhaupt.
Klare Zeichen seinerseits und konkrete Schritte könnten
die Gerichte ermutigen, frei und unabhängig zu entschei-
den sowie etwaigen Manipulationen der Ermittlungsbe-
hörden entgegenzutreten. Zugleich bleibt eine umfas-
sende Justizreform unerlässlich, und Deutschland sowie
unsere EU-Partner sollten ihn dabei nach allen zur Ver-
fügung stehenden Möglichkeiten unterstützen.
Lassen Sie mich auch auf einen weiteren Testfall ein-
gehen. Der im Februar 2009 ergangene Freispruch der
vier des Mordes an Anna Politkowskaja Beschuldigten
„aus Mangel an Beweisen“ hatte mich einstweilen sehr
positiv gestimmt. Denn es genügt eben nicht, der Öffent-
lichkeit schnell die vermeintlich Schuldigen zu präsen-
tieren. Die Geschworenen hatten damals mit ihrer ein-
stimmigen Entscheidung mutig verdeutlicht, dass
fehlerhafte Ermittlungen, der plötzliche „Verlust“ entlas-
tender Beweismittel und die Ausübung von Druck auf
sie selbst und die Angeklagten einem rechtsstaatlichen
Strafverfahren unangemessen sind. Nun wird der Pro-
zess gegen die vier Männer neu aufgerollt. Eine neuerli-
che Beweisaufnahme wurde vom Obersten Gerichtshof
untersagt, lediglich die Geschworenen werden ausge-
tauscht. Ich halte dies für einen bedenklichen Fehler der
Verantwortlichen in Politik, Justiz und Ermittlungsbe-
hörden. Vieles deutet darauf hin, dass die wahren Hinter-
gründe der Tat nicht aufgedeckt werden sollen. Ob die
Angeklagten etwas mit dem Mord an Politkowskaja zu
tun haben, steht zu beurteilen mir nicht zu. Kollegen und
Angehörige der Ermordeten zweifeln jedoch daran, dass
die Angeklagten den Mord verübt oder den Auftrag ge-
geben haben.
Wenig positiv sieht es auch bei der Zusammenarbeit
Russlands mit der für den Menschenrechtsschutz in Eu-
ropa zentralen Institution, dem Europarat, aus. Russland
ist weiterhin der einzige Staat, der das 14. Zusatzproto-
koll zur Europäischen Menschenrechtskonvention nicht
ratifiziert, womit eine Reform des Gerichtshofs ermög-
licht und dieser in die Lage versetzt würde, der Flut von
Beschwerden aus den neuen Mitgliedstaaten Herr zu
werden. Zwar hat die Parlamentarische Versammlung
des Europarates auf ihrer Sitzung Ende April 2009 ein
außergewöhnliches Vorgehen beschlossen. Bei aus-
drücklicher Zustimmung aller anderen Mitgliedstaaten
soll das Protokoll vorläufig in Kraft gesetzt werden – in
allen Mitgliedstaaten außer Russland. Aber etwa ein
Fünftel der jährlich eingehenden Beschwerden stammt
aus der Russischen Föderation. Der Europäische Ge-
richtshof für Menschenrechte muss wesentliche Mängel
der russischen Justiz auffangen.
Wir müssen im Deutschen Bundestag weiterhin auf-
merksam die inneren Entwicklungen in Russland verfol-
gen und unsere Regierung stets auffordern, im Dialog
mit dem russischen Präsidenten und der russischen Re-
gierung auch diese unangenehmen Fragen anzusprechen.
Eine echte Partnerschaft, eine vertrauensvolle Zusam-
menarbeit lebt von der Offenheit. Es wäre ein Fehler, bei
all diesen Fragen auf Kritik zu verzichten.
Es ist darüber hinaus auch äußerst wichtig, dass sich
das neu gewählte Europäische Parlament diesen Fragen
zuwendet und dass das Thema Rechtsstaatlichkeit im
Rahmen der EU-Russland-Beziehungen umfassend the-
matisiert und gemeinsam in Angriff genommen wird.
Doch vieles liegt zuallererst in der Hand Russlands.
Die Glaubwürdigkeit Präsident Medwedews und seiner
Reformagenda wird sich nicht zuletzt daran entscheiden,
wie der Testfall Chodorkowski/Lebedew vor Gericht
ausgeht.
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP):
Mit diesem Antrag, unterstützt von vier Fraktionen des
Deutschen Bundestages, soll wenigstens zum Ende der
Legislaturperiode die Russische Föderation im Mittel-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 26073
(A) (C)
(B) (D)
punkt einer Debatte stehen. Dafür gibt es mehrere
Gründe, die in diesem Antrag auch dargelegt sind: die
Bedeutung als wichtiger und größter östlicher Nachbar
der Europäischen Union, Russland als ständiges Mit-
glied des UN-Sicherheitsrates und damit wichtiger Part-
ner bei Entscheidungen, die Konfliktherde in unmittel-
barer Nachbarschaft wie in Nahost und im Iran, aber
auch an anderen Stellen dieser Welt betreffen.
Die Russische Föderation ist der größte Mitgliedstaat
des Europarates, damit kommt dem Europarat als supra-
nationale Organisation eine besondere Bedeutung zu.
Die Mitgliedschaft im Europarat setzt die Erfüllung völ-
kerrechtlicher Verpflichtungen, niedergelegt in der Euro-
päischen Menschenrechtskonvention, voraus. Dazu ge-
hört unter anderem die Rechtsstaatlichkeit, die geprägt
ist von der Unabhängigkeit der Justiz, fairen Verfahren
vor dem Gericht, besonders im Strafprozess. Dazu ge-
hört Rechtssicherheit für Investoren und ausländische
Unternehmen, die sich in Russland niederlassen und sich
auf Gesetze und eine Rechtspraxis, zum Beispiel im
Handels-, Gesellschafts-, Banken- und allgemeinem
Haftungsrecht, verlassen können müssen. Deshalb wird
in diesem Antrag zu Recht die Besorgnis zum Ausdruck
gebracht, dass sich die rechtliche Situation in der Russi-
schen Föderation in den letzten Jahren längst nicht so
entwickelt hat, wie das auch nach den Verpflichtungen
des Europarates notwendig gewesen wäre.
Positiv ist zu erwähnen, dass es Verbesserungen in der
sozialen Absicherung von Richtern und Staatsanwälten
in den vergangenen Jahren gegeben hat. Damit wurde
das berechtigte Ziel verfolgt, der herrschenden Korrup-
tion und Bestechung etwas den Boden zu entziehen.
Weiter wurde ein Richterrat geschaffen, der sich mit der
Ernennung, der Beförderung von Richtern und Diszipli-
narmaßnahmen gegenüber Richtern befasst. Als jüngste
Maßnahme wurde ein von der Generalstaatsanwaltschaft
getrenntes Investigationskomitee errichtet, das Aufga-
ben der Generalstaatsanwaltschaft zu übernehmen hat.
Diese Bemühungen sind dringend notwendig, um die
in der Tradition des sowjetischen Rechtssystems ste-
hende Übermacht der Staatsanwaltschaft mit Dominanz
in den Strafgerichtsverfahren abzubauen und die Staats-
anwaltschaft auf gleiche Augenhöhe mit Richtern und
Rechtsanwälten zu bringen. Trotz finanzieller Verbesse-
rungen gibt es längst keine Unabhängigkeit der Justiz.
Im Gegenteil: Die sogenannte Telefonjustiz ist an der
Tagesordnung, was bedeutet, dass Richter in ihrer tägli-
chen Arbeit Anweisungen von Direktoren ihres Ge-
richts, dem Druck der Vertreter der Staatsanwaltschaft
und politischen Anweisungen ausgesetzt sind. Die Zahl
der entlassenen Richter ist in den letzten Jahren deutlich
angestiegen. Daran konnte auch der neu eingerichtete
Justizrat nichts ändern, in dem Vertreter des Präsidenten
großen Einfluss ausüben.
Prominente Fälle haben immer wieder den Blick auf
diese Missstände in der russischen Justiz gelenkt. Ein
wirklich beeindruckender und erschreckender Fall ist
der Prozess gegen die Verantwortlichen des früheren
Jukos-Konzerns, gegen Chodorkowski, Lebedew und
Pitschugin. In meinem Bericht für die Parlamentarische
Versammlung des Europarates habe ich diese rechts-
staatlichen Defizite minutiös mit Belegen dargelegt.
Dieser Bericht hat zwar Chodorkowski, Lebedew und
Pitschugin nicht helfen können, aber er hat andere russi-
sche Staatsangehörige vor der Auslieferung nach Russ-
land bewahrt.
In mehreren Fällen in Großbritannien und in Zypern
war dieser Bericht Grundlage für die Ablehnung der
Auslieferungsersuchen der Russischen Föderation, weil
die mit den Auslieferungsersuchen befassten Richter auf
der Grundlage dieses Berichts die Gefahr sahen, dass
keiner der betroffenen Personen ein auch nur annähernd
rechtsstaatliches Verfahren zu erwarten hatte und auch
sein Leben nicht garantiert werden konnte. Der zweite
Prozess gegen Chodorkowski und Lebedew muss auch
nüchterne Betrachter entsetzen, liegen doch diesem er-
neuten Verfahren, in dem es Freiheitsstrafen bis zu
20 Jahren geben könnte, dieselben Sachverhalte und
Fakten zugrunde wie beim ersten Prozess, nur bewertet
man sie jetzt vollkommen anders als im ersten Verfah-
ren. Da merkt jeder Jurist, dass das in sich nicht haltbar,
widersprüchlich und deshalb willkürlich ist.
Es ist deshalb besonders wichtig, die Verantwortli-
chen in Russland mit Nachdruck aufzufordern, endlich
den Rechtsnihilismus, den der eigene Präsident kritisiert,
mit der Verbesserung des Justizsystems zu bekämpfen.
Es muss endlich die Unabhängigkeit der Justiz, frei von
politischen Einflüssen der Vorgesetzten garantiert wer-
den. Es muss endlich eine unabhängige Entscheidung
über die Einstellung, Beförderung und Entlassung von
Richtern geben. Es muss dieses Bewusstsein der Unab-
hängigkeit und der kritischen Analyse vorliegender Fälle
mit der eigenständigen Bewertung des Sachverhalts in
der Ausbildung, dem Studium und der Fortbildung ver-
mittelt werden.
Leider hat sich in den letzten Jahren die Entwicklung
nicht in eine bessere, sondern in eine schlechtere Rich-
tung bewegt. Es sollte eine ständige Beobachtung des
Prozesses gegen Chodorkowski und Lebedew geben, am
besten im Rahmen der Europäischen Union, aber auch
angestoßen vom Ministerkomitee in der Parlamentari-
schen Versammlung des Europarates. Das sollte Außen-
minister Steinmeier tun. Mit ständigen Berichten sollte
größtmögliche Transparenz in Deutschland und den eu-
ropäischen Mitgliedstaaten hergestellt werden. In allen
internationalen Gremien, in denen Russland Mitglied ist,
sollten die rechtsstaatlichen Defizite Russlands themati-
siert werden und die Einhaltung eingegangener Ver-
pflichtungen von der russischen Regierung eingefordert
werden.
Ein funktionierendes Rechtssystem der Russischen
Föderation liegt auch im deutschen Interesse, denn das
gibt für Investitionen deutscher Unternehmen Rechtssi-
cherheit und für Journalisten und Menschenrechtsvertei-
diger aus Deutschland zumindest die große Chance, bei
ihrer Arbeit nicht Opfer der Maßnahmen der Polizei zu
werden. Schade, dass diese so wichtige Debatte, die die
Menschen in Deutschland aufrütteln würde, so spät und
damit nur mit zu Protokoll gegebenen Reden stattfindet.
26074 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009
(A) (C)
(B) (D)
Monika Knoche (DIE LINKE): Wieder einmal ha-
ben CDU/CSU, FDP, SPD und die Grünen einen Schul-
terschluss gegen die Linken vollzogen. Interfraktionell
ist dieser Antrag zu Russland nicht. Das ist keine Klage,
sondern eine Feststellung zur mangelnden demokrati-
schen Praxis der genannten Parteien im Bundestag.
Dieser Text müsste eine veränderte Intention beinhal-
ten, wollten wir ihn mittragen. Denn an allererster Stelle
müsste hier die OSZE genannt werden. Sie ist die Orga-
nisation, der Russland nicht nur angehört, sondern die
sie mitbegründet hat. Sie ist vorrangig der Ort, an dem
die Umsetzung von rechtsstaatlichen Prinzipien und die
Vollendung von Menschenrechten begleitet wird.
Zweifellos gehören Presse- und Meinungsfreiheit zu
den zentralen Anforderungen moderner Menschen-
rechtspolitik. Ein verlässliches Rechtsstaatssystem ist
Garant für Bürgerrechte. Dazu hat sich Russlands Präsi-
dent Medwedew bekannt, als er den Rechtsnihilismus
anprangerte. Die Europäische Menschenrechtskonven-
tion hält darüber hinaus Maßstäbe bereit, um das rechts-
staatliche Handeln zu beurteilen. Auch steht russischen
Bürgerinnen und Bürgern der Weg zum Europäischen
Menschenrechtsgerichtshof offen.
Dennoch gehört es zu einem aufgeklärten unideologi-
schen Umgang mit Russland, dass Deutschland – wie
bereits angestoßen – seine Angebote für eine Partner-
schaft mit Russland erweitert und rechtsstaatliche Ent-
wicklungen zu befördern hilft.
Meines Erachtens kann aber die generelle Frage der
Rückverstaatlichung und die politische Gestaltungskom-
petenz im Bereich der fossilen Energiewirtschaft nicht
auf die Strafrechtsfrage allein reduziert werden, wie dass
bei diesem Antrag anklingt.
Da Russland kaum produziert, viele Konsumgüter im-
portiert und sein Staatswesen maßgeblich über den Roh-
stoffexport finanziert, müssen gerechterweise auch die
Rückverstaatlichungsmaßnahmen einer politischen Be-
wertung zugeführt werden. Die Jelzin-Ära hat die Öko-
nomie in ein großes Desaster geführt und dem Bevölke-
rungsinteresse einen ganz schlechten Dienst erwiesen.
Von der Verwendung der Steuereinnahmen und Gewinne
der Energiewirtschaft wird künftig abhängen, ob Russ-
land innergesellschaftliche Gerechtigkeit und Chancen-
gleichheit herstellen kann. Was sich im Bereich des So-
zial- und Gesundheitswesens nach dem Zusammenbruch
der Sowjetunion vollzogen hat, widerspricht dem Men-
schenrecht auf Sicherung der Grundbedürfnisse.
Hier soll nicht verschwiegen werden, dass insbeson-
dere die anwachsende Zahl von Spritzdrogenabhängi-
gen, Obdachlosen und mittellosen Rentnerinnen und
Rentnern bewirkt, dass die sozialen Menschenrechte zur
Makulatur werden. Allein der Zugang und die volle Ver-
sorgung im Gesundheitswesen gehören mit zu den Erfor-
dernissen eines sozialen Rechts- und Gemeinwesens.
Meinungs- und Pressefreiheit schließlich – wie sie
hier angemahnt wird – ist und bleibt OSZE-Verpflich-
tung der russischen Regierung. Allerdings ist der kom-
merzielle Mediensektor nicht automatisch ein Ausweis
für Meinungsfreiheit.
Man kann nicht über Russland sprechen, ohne auf die
Folgen des faschistischen Krieges gegen die Sowjet-
union hinzuweisen. Hat Gorbatschow die Vereinigung
der beiden deutschen Länder ermöglicht, so sieht sich
Russland heute verstärkt von der NATO eingekreist.
Ohne intensive Partnerschaft mit Russland kann es keine
gesamteuropäische Friedensordnung geben. Ein neues
System europäischer Sicherheit ist deshalb zu schaffen.
Mit Russland und den postsowjetischen Staaten muss es
auf Abrüstung, Kooperation und vertrauensbildenden
Maßnahmen beruhen. Russland gehört zu Europa. Auch
deshalb muss die OSZE ihre, dem Gründungskonsens
entsprechende, friedensstiftende, integrierende, koopera-
tive Politik mit und zu Russland auf eine neue Stufe he-
ben.
Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN): Vor einigen Wochen, genau am 27. April,
beobachtete ich für zwei Tage den laufenden Prozess ge-
gen Michail Chodorkowski und seinen früheren Partner
Platon Lebedew. Es war ein kafkaeskes Szenario. Die
Angeklagten sitzen in einem von bewaffneten Wächtern
umstellten Glaskäfig, als handele es sich um gefährliche
Terroristen. Den ganzen Tag las eine uniformierte Staats-
anwältin mit monotoner Stimme aus der Anklageschrift
vor. Dieses Szenario wiederholt sich seit Wochen täglich
in ermüdender Eintönigkeit.
Im Unterschied zum ersten Prozess ist dieser öffent-
lich. Das kann man als Fortschritt sehen, aber auch als
Demonstration. Denn der entstehende Eindruck ist der
einer seelenlosen Maschinerie, deren Produkt feststeht:
Der Staatsfeind Nummer eins wird vorgeführt, und der
Staat bestraft ihn mit der für Staatsfeinde gebotenen
Härte.
Auch andere Kolleginnen und Kollegen aus dem
Bundestag haben sich diesem Eindruck ausgesetzt, wei-
tere werden folgen, sicher auch aus den Parlamenten an-
derer Länder. Das ist gut so, und es ist wichtig. Wir wis-
sen nicht, ob diese Demonstrationen internationaler
Aufmerksamkeit den Ausgang des Prozesses beeinflus-
sen werden. Aber wir wissen, dass er den Angeklagten
das Gefühl vermittelt, nicht vergessen zu sein.
Genauso wichtig jedoch sind zwei weitere Adressa-
ten: die russische unabhängige Zivilgesellschaft, für de-
ren Mitgestaltungsanspruch stellvertretend Michail
Chodorkowski in seinem Glaskäfig sitzt, und der russi-
sche Staat, der seinen autoritären Herrschaftsanspruch
demonstriert. Auch sie sollen sehen, dass sie begleitet
und beobachtet werden.
Michail Chodorkowski ist inzwischen längst zum
Symbol für den Umgang des russischen Staates mit sei-
nen unabhängigen Kritikern geworden. Kaum jemand,
auch in Russland, bezweifelt das politische Motiv des
Prozesses – in diesem zweiten noch eindeutiger als im
ersten Prozess im Jahre 2005. Denn anders als damals
geht es jetzt nicht mehr auch um die Umverteilung des
Reichtums in Form der Zerschlagung des Jukos-Kon-
zerns. Die ist längst erfolgt, und ihre Profiteure sind eben
jene Gruppen im Umfeld des Kreml, die das Verfahren
betrieben und vorentschieden haben. Dieser Vorgang hat
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 26075
(A) (C)
(B) (D)
viele weitere Menschen ins Gefängnis gebracht, von de-
nen anzunehmen ist, dass sie Opfer der Kampagne gegen
Chodorkowski wurden. Sie alle zu nennen, würde den
Rahmen hier sprengen. Aber einige der weniger Bekann-
ten seien stellvertretend erwähnt:
Da ist zum Beispiel Wassili Aleksanjan, der frühere
Geschäftsführer von Jukos. Er wurde 2006 verhaftet,
kurz danach wurde eine HIV-Infektion festgestellt. An-
gemessene medizinische Hilfe wurde ihm verweigert.
Im Jahre 2008 wurde er nach einem Hungerstreik
Chodorkowskis in einem Fachkrankenhaus angekettet.
Seit Ende 2008 ist er, todkrank, auf Kaution frei. Ein
schlimmer Fall ist auch der von Swetlana Bachmina, frü-
her Juristin bei Jukos. Verhaftet Ende 2004, verweigerte
man der zweifachen Mutter monatelang den Kontakt zu
ihren Kindern. 2006 wurde sie zu mehr als acht Jahren
Haft verurteilt, die Strafe später um zwei Jahre verkürzt.
Zum dritten Mal schwanger, wurde ihr die vorzeitige
Entlassung verwehrt. Nach einer breiten öffentlichen
Kampagne und einer Reue-Erklärung wurde sie schließ-
lich im April 2009 freigelassen. Alexander Iwannikow,
Bürgermeister einer Siedlung im Ural, in der auch
Jukos-Töchter aktiv waren, wurde wegen Überschrei-
tung seiner Befugnisse zugunsten dieser Firmen zu fünf
Jahren Haft verurteilt, die er in einem Straflager verbüßt.
Auch Antonio Valdes-Garcia, Generaldirektor einer
Jukos-Tochter, war zunächst nur Zeuge. 2005 wurde er
verhaftet und offensichtlich schwer gefoltert. Er kam
2006 auf Kaution frei und floh nach Spanien. Andere
Generaldirektoren von Tochterfirmen wie Sergej
Shimkevich sitzen nach wie vor in Untersuchungshaft.
Ein besonderer Fall ist Alexej Pitschugin, früher Mit-
arbeiter des Sicherheitsdienstes von Jukos. Er wurde be-
reits 2003 verhaftet und 2005 unter der Anklage, Mord-
aufträge erteilt zu haben, zunächst zu 20 Jahren, später
zu 24 Jahren und in einem weiteren Verfahren zu lebens-
länglicher Haft verurteilt.
Zurück zur Gegenwart. Jetzt geht es um eine Demons-
tration der Macht. Chodorkowski verkörpert den Typus
des aufgeklärten, emanzipierten und unabhängigen
Staatsbürgers, den autoritäre Strukturen mehr fürchten als
Armeen. Er steht für den Mitgestaltungsanspruch der Zi-
vilgesellschaft, für demokratische Regeln und eine plura-
listische Gesellschaft. Die Entwicklung eines derart mo-
dernen Russland ist es, was die Putin’sche Doktrin der
„gelenkten“ – nach innen – oder „souveränen“ Demokra-
tie – nach außen – zu verhindern sucht. Angesichts dessen
ist es – nebenbei bemerkt – verwunderlich, dass Amnesty
International sich bis heute nicht dazu durchringen
konnte, Chodorkowski als politischen Gefangenen anzu-
erkennen. Das internationale Renommee dieser Organi-
sation würde ihm und dem Thema der Rechtsstaatlichkeit
und Demokratie in Russland sehr helfen können.
Der von Putin ausgewählte und vom Volk bestätigte
neue Präsident Medwedew versuchte vom Beginn seiner
Amtszeit an, den Eindruck eines im eben beschriebenen
Sinne modernen Präsidenten zu vermitteln. Viele seiner
Reden und manche seiner Erlasse belegen das. Entspre-
chend groß waren die Erwartungen an ihn – zumindest
im Ausland. Gleichwohl ist bisher nur wenig Verände-
rung zu erkennen. Aber es bleibt richtig und sinnvoll, ihn
und seine Politik an den selbst erklärten Maßstäben zu
messen. Dies gilt im Übrigen über die Person Medwe-
dews hinaus. Immerhin ist Russland Mitglied der OSZE
und des Europarates.
Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: so
notwendig die Kritik an Russland ist, so deutlich sie gerade
im Fall Chodorkowski ausgesprochen werden muss – es
geht nicht um eine pauschale Verurteilung Russlands.
Vielmehr ist die Modernisierung Russlands unser Inte-
resse, sowohl die wirtschaftliche wie die politische und
gesellschaftliche. Ich meine sogar, dass auch führende
russische Politiker wie Putin das wissen.
Worum es geht, sind die Mittel und Wege, dorthin zu
kommen. Kein Präsident kann die Dynamik umfassen-
der Reformen dekretieren und dosieren. Nötig sind ge-
sellschaftliche Bewegungen, und die brauchen Spiel-
raum und Rechtssicherheit. Solange der Apparat an der
Spitze davor Angst hat, wird er solche Dynamiken unter-
drücken und damit wirksame Modernisierungen verhin-
dern. Hoffen wir für Russland, für uns alle und nicht zu-
letzt für Michail Chodorkowski, dass Präsident
Medwedew das versteht und danach zu handeln im-
stande ist.
Anlage 19
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung der Beschlussempfehlung und des
Berichts: Verordnung über Anforderungen an
eine nachhaltige Herstellung von flüssiger Bio-
masse zur Stromerzeugung (Biomassestrom-
Nachhaltigkeitsverordnung – BioSt-NachV)
(Zusatztagesordnungspunkt 7)
Dr. Maria Flachsbarth (CDU/CSU): Die Verwen-
dung nachwachsender Rohstoffe zur Energiegewinnung
in den Bereichen Strom, Wärme und Mobilität ist unver-
zichtbar zum Erreichen der ehrgeizigen Ausbauziele der
Bundesregierung für erneuerbare Energien. Biomasse ist
einer der wichtigsten und vielseitigsten regenerativen
Energieträger in Deutschland. Die Ziele der Bundes-
regierung, bis 2020 30 Prozent des Stroms, 15 Prozent
der Wärme und 10 Prozent des Energiebedarfs für die
Mobilität aus regenerativen Energien herzustellen, ist
ohne einen massiven Ausbau der Biomassenutzung nicht
möglich. In der Europäischen Union sollen im Jahr 2020
20 Prozent des Endenergieverbrauchs aus erneuerbaren
Energiequellen stammen.
In Deutschland wurde 2008 auf 17 Prozent der Acker-
fläche, das sind über 2 Millionen Hektar, Biomasse zur
energetischen Nutzung angebaut. Hinzu kommt Bio-
masse zur energetischen Verwendung aus forst-
wirtschaftlicher Produktion. Für eine Ausdehnung der
landwirtschaftlichen Bioenergieerzeugung sind noch
Potenziale vorhanden, die aber naturgemäß begrenzt
sind. So ist es richtig, im Rahmen der Aufhebung soge-
nannter Flächenstilllegung bislang nicht mehr für land-
wirtschaftliche Nutzung zur Verfügung stehende Flächen
zum Anbau von Energiepflanzen freizugeben.
26076 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009
(A) (C)
(B) (D)
278 000 Menschen waren 2008 im Bereich der erneu-
erbaren Energien beschäftigt, 34,5 Prozent davon,
96 000, in der Bioenergiebranche.
Bioenergie kann einen wichtigen Beitrag zum Klima-
schutz leisten, da bei der Nutzung von Biomasse nur die
Menge Kohlendioxid, CO2, in die Atmosphäre abgege-
ben wird, die die Pflanzen aus der Atmosphäre entnom-
men haben, um wachsen zu können. Nach Angaben des
Bundesumweltministeriums konnten 2008 durch die
Nutzung erneuerbarer Energien die CO2-Emissionen um
111,6 Millionen Tonnen reduziert werden, davon allein
rund 57,2 Millionen Tonnen, das sind 51 Prozent, durch
die Nutzung von Biomasse.
Die ökologische Sinnhaftigkeit und die ethische Ver-
tretbarkeit des Einsatzes von Biomasse zur Energie-
erzeugung wurden in den vergangenen Monaten in der
Öffentlichkeit zunehmend kontrovers diskutiert. Die
Energiebilanz für Anbau, Ernte und Transport der Bio-
masse wurde genauso hinterfragt wie die Zerstörung
wertvoller Naturräume und die Arbeitsbedingungen der
Menschen, die in Drittländern auf entsprechenden Plan-
tagen arbeiten. Vor dem Hintergrund, dass steigende
Einfuhren von Biomasse und Biomasseerzeugnissen aus
nicht der EU zugehörigen Ländern zu verzeichnen sind
und Biomasse immer stärker international gehandelt
wird, sind diese Diskussionen mehr als berechtigt. Bio-
masse wird im Rahmen der internationalen Arbeitstei-
lung insbesondere auch in tropischen Ländern angebaut.
Der Anbau von Ölpalmen, Zuckerrohr und Soja wird in
Ländern wie Brasilien, Indonesien und Argentinien im-
mer größer.
Die wachsende Nachfrage nach Rohstoffen zur ener-
getischen Verwendung schafft für die Erzeugerländer,
überwiegend sogenannte Drittwelt- und Schwellenlän-
der, auf der einen Seite dringend benötigte Einkommens-
quellen. Auf der anderen Seite birgt sie aber erhebliche
Risiken für die Umwelt, für zahlreiche Tier- und Pflan-
zenarten und nicht zuletzt für das Klima, das durch die
Verwendung alternativer Energien eigentlich geschützt
werden sollte. Ich nenne zum Beispiel Berichte über die
gesetzeswidrige Abholzung von Regenwäldern in Asien.
Schützenswerte Wälder in Malaysia wurden offenbar
ohne Genehmigung vernichtet, mächtige Torfböden wur-
den trockengelegt. Wir hören Berichte über Landnut-
zungskonflikte zwischen örtlichen Bauern und großen
Firmen, die Regen- und Torfwälder für Plantagen roden.
Dabei sind Urwälder wie beispielsweise die Torfwälder
Indonesiens für das globale Klima sehr wichtig. In die-
sem Ökosystem wird mehrfach so viel Kohlenstoff wie
in anderen Regenwäldern gebunden. Durch Holzein-
schlag, Trockenlegung und Brandrodung der mächtigen
Böden wird das klimaschädliche CO2 frei. Schließlich
sind die Urwälder Heimat zahlreicher schützenswerter
Arten, wie zum Beispiel der in Indonesien beheimateten
Orang-Utans.
Klar ist, dass die ehrgeizige deutsche und europäische
Biomassepolitik nicht ohne Importe umgesetzt werden
kann; im Übrigen würde das den Regeln des freien Welt-
handels widersprechen, von denen Deutschland als „Ex-
portweltmeister“ sehr profitiert. Daher muss auf ande-
rem Weg vermieden werden, Anreize zum Raubbau an
natürlichen Ressourcen zu setzen. Es bedarf deshalb ei-
ner Privilegierung nachhaltig erzeugter Biomasse durch
bestimmte Nachhaltigkeitsstandards. Die Notwendig-
keit einer weltweiten Verbesserung der Nachhaltigkeits-
standards hat zuletzt am 15. Mai 2009 die UN-Kommis-
sion für nachhaltige Entwicklung in New York gefordert.
Einen wichtigen Schritt auf diesem Weg setzen wir
heute mit der Biomassestrom-Nachhaltigkeitsverord-
nung um. Mit dieser Verordnung wollen wir sicherstel-
len, dass zur Stromerzeugung künftig nur Biomasse ein-
gesetzt wird, die unter Beachtung verbindlicher
Nachhaltigkeitskriterien hergestellt wurde. Auf Initiative
Deutschlands hat die Europäische Union im Dezember
2008 Nachhaltigkeitsanforderungen für die energetische
Nutzung von Biomasse beschlossen. Diese Anforderun-
gen bestimmen, wie Biomasse hergestellt sein muss, die
als Pflanzenöl für die Strom- oder Wärmeerzeugung
bzw. als Biokraftstoff eingesetzt wird. Mit dieser Richt-
linie zu erneuerbaren Energien liegen nun einheitliche
europäische Nachhaltigkeitsanforderungen vor, die in
den kommenden 18 Monaten von den Mitgliedstaaten
der Europäischen Union in nationales Recht umgesetzt
werden. Standards im Interesse des Umwelt-, Klima-
und Naturschutzes setzen nun fest, dass der Anbau der
Pflanzen keine naturschutzfachlich besonders schützens-
werten Flächen zerstört, zum Beispiel Regenwälder oder
Feuchtgebiete, die sozialen Bedingungen beim Anbau,
zum Beispiel die Einhaltung internationaler Arbeits- und
Kinderschutzabkommen, erfasst werden und der Einsatz
der Biomasse zur Energieerzeugung gegenüber fossilen
Energieträgern mindestens 35 Prozent weniger Treib-
hausgase freisetzt.
Nach Anhörung der Länder und Verbände hat die
Bundesregierung am 10. Juni 2009 die Biomassestrom-
Nachhaltigkeitsverordnung beschlossen, die Nachhaltig-
keitsanforderungen für flüssige Biomasse wie zum Bei-
spiel Rapsöl, Palmöl oder Sojaöl festlegt, die nach dem
Erneuerbare-Energien-Gesetz, EEG, vergütet wird.
Zudem wird es in Kürze eine weitere – weitgehend in-
haltsgleiche – Verordnung auf Grundlage des Biokraft-
stoffgesetzes geben, die entsprechende Standards für
Biokraftstoffe setzt.
Der Verordnungsentwurf wurde am 19. Juni von der
Europäischen Kommission notifiziert. Sie hat dabei ei-
nige Änderungswünsche geäußert, die die Koalitions-
fraktionen als Änderungsanträge in die Ausschussbera-
tungen eingebracht haben.
Zum einen betrifft das § 9, der insbesondere eine Do-
kumentation der Auswirkungen auf die Boden- und Ge-
wässerqualität vorsieht. Dort bat die EU um eine Still-
haltefrist, um hier eine eigene Liste vorlegen zu können.
Dieser Paragraf wurde deshalb in der uns vorliegenden
Verordnung gestrichen; sein Inhalt ist uns aber nach wie
vor ein zentrales Anliegen und wird, sobald der europäi-
sche Entwurf vorliegt, eingefügt.
Zum anderen betrifft das § 78, der Übergangsbestim-
mungen vorsieht. Hier hat die EU Deutschland aus-
drücklich gebeten, eine längere Anpassungsfrist in Be-
tracht zu ziehen, um nicht durch die Einführung der
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 26077
(A) (C)
(B) (D)
Nachhaltigkeitsverordnung temporär größere Marktver-
werfungen zu provozieren. Diese Sorge haben auch die
beamteten Staatssekretäre des Bundesumweltministe-
riums und des Bundeslandwirtschaftsministeriums am
8. Juni 2009 in einer Protokollnotiz zum Ausdruck ge-
bracht. Sie haben anerkannt, dass die bis einschließlich
zur Ernte 2009 erzeugte Ware noch nicht die neuen
Nachhaltigkeitsstandards erfüllen kann, da die Standards
bei ihrer Produktion noch gar nicht vorlagen.
Somit dürfen die alt-erntige Ware und die Ernte 2009,
die noch auf dem Feld steht, als Pflanzenöl auf Grund-
lage des EEG verwendet werden, da sie ausgesät wur-
den, als die Bedingungen der Nachhaltigkeitsverordnung
noch nicht bekannt waren. Die CDU/CSU-Bundestags-
fraktion begrüßt diese Regelung sehr, da die unverzicht-
baren Standards für eine nachhaltige Nutzung flüssiger
Biomasse gesetzt werden, aber zugleich die notwendige
Investitionssicherheit für die Anlagenbetreiber gewähr-
leistet werden kann.
Die Verordnung tritt ab dem 1. Januar 2010 in Kraft.
Die Übergangsregelungen laufen am 31. Dezember 2010
endgültig aus, sodass ab dem 1. Januar 2011 EU-weit die
gleichen strengen Standards gelten. Der Nachweis über
die nachhaltige Herstellung wird zukünftig mithilfe von
Zertifizierungssystemen und Zertifizierungsstellen erfol-
gen, kann aber übergangsweise auch mithilfe von Um-
weltgutachterinnen und Umweltgutachtern erbracht
werden. Jetzt gilt es, so schnell wie möglich Zertifizie-
rungssysteme für den Nachweis und die Kontrolle der
Nachhaltigkeit der Biomasseproduktion aufzubauen.
Hier wurde bereits gute Vorarbeit geleistet. So fördert
das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft
und Verbraucherschutz (BMELV) seit eineinhalb Jahren
ein Pilotprojekt zur Zertifizierung der nachhaltigen
Biokraftstoffproduktion in der Praxis – ISCC, Internatio-
nale Nachhaltigkeits- und Kohlenstoffzertifizierung.
Aufbauend auf diesen Vorarbeiten werden zeitnah Nach-
weissysteme und entsprechende Datenbanken etabliert,
um die Nachhaltigkeit der Biomasseproduktion zu bestä-
tigen.
Nur nachhaltig erzeugte und energieeffizient genutzte
Biomasse kann einen überzeugenden Beitrag zum
Klima- und Ressourcenschutz und zu einer stärkeren
Versorgungssicherheit leisten. Mit dieser Verordnung
setzen wir den Maßstab für die weitere Diskussion über
eine nachhaltige Bioenergienutzung. Zudem haben wir
sichergestellt, dass die Anforderungen für Anlagenbe-
treiber, die Pflanzenöl zur Stromerzeugung einsetzen,
auch praktisch umsetzbar sind.
Marko Mühlstein (SPD): Heute ist ein guter Tag für
den internationalen Umweltschutz, insbesondere für den
Erhalt der tropischen Regenwälder. Denn mit der Verab-
schiedung der vorliegenden Nachhaltigkeitsverordnung
sorgen wir dafür, dass künftig keine aus Raubbau ge-
wonnene Biomasse in Deutschland und auch in Europa
zur Energieerzeugung genutzt wird.
Einige gesellschaftliche Akteure haben in den letzten
Monaten versucht, den Umweltschutz gegen den Einsatz
erneuerbarer Energien auszuspielen. Dies dürfen wir
nicht zulassen, denn Klimapolitik und regenerative
Energien sind zwei Seiten derselben Medaille. Deshalb
freue ich mich, dass wir mit der Verabschiedung und
Umsetzung der Nachhaltigkeitsverordnung den genann-
ten, meist von Eigeninteressen geleiteten Kritikern den
Wind aus den Segeln nehmen. Denn die Verordnung ga-
rantiert nicht nur den Schutz natürlicher Lebensräume
wie Wälder oder Naturschutzflächen, sondern definiert
auch die Regeln für eine nachhaltige landwirtschaftliche
Bewirtschaftung der Anbaugebiete in der ganzen Welt.
Darüber hinaus schreiben wir vor, dass mit dem Ein-
satz von Biomasse zur Stromerzeugung Treibhausgas-
minderungen von bis zu 60 Prozent einhergehen müssen.
Und mit der Verwendung von Massenbilanzsystemen
gewährleisten wir, dass selbst die Herkunft einzelner
Chargen nachweisbar ist und eine Vermischung von zer-
tifizierter und nicht zertifizierter Biomasse ausgeschlos-
sen wird.
Aus meiner Sicht haben wir auch für den Einsatz der
Rohstoffe aus der Ernte des laufenden Jahres eine trag-
bare Lösung gefunden. Diese können im Jahr 2010 noch
eingesetzt werden, auch wenn nicht alle formulierten
Nachhaltigkeitskriterien erfüllt sind. Ich denke, dies ist
auch für die Landwirte und Lieferanten eine gute Lö-
sung.
An dieser Stelle möchte ich dem Bundesumwelt-
ministerium meinen herzlichen Dank aussprechen. Denn
dass Nachhaltigkeitskriterien auf europäischer Ebene
umgesetzt werden, ist nicht zuletzt dem Einsatz von
Sigmar Gabriel und seinem Haus zu verdanken. Wir
können mit Stolz sagen: In der Frage einer nachhaltigen
Biomasseproduktion ist Deutschland Vorreiter! Gleich-
zeitig fordere ich alle Beteiligten auf, an einer zügigen
und wirkungsvollen Umsetzung der Nachhaltigkeitsver-
ordnung mitzuarbeiten. Denn was die Frage einer nach-
haltigen Bioenergieproduktion angeht, leisten wir echte
Pionierarbeit.
Für die Umweltpolitiker der SPD-Fraktion steht fest,
dass dieselben Kriterien, die heute an die Produktion von
Biomasse zur energetischen Nutzung gestellt werden,
mittelfristig für alle Agrarbereiche Anwendung finden
müssen: in der Futter- und Lebensmittelproduktion, aber
auch in der Kosmetikindustrie. Denn gut 95 Prozent des
umstrittenen Palmöls werden in diesen Bereichen verar-
beitet und eben nicht für energetische Zwecke genutzt.
Für eine solche umfassende Zertifzierung werden wir,
mit Unterstützung vieler landwirtschaftlicher Produzen-
ten, in der nächsten Legislaturperiode kämpfen.
Die Erfüllung der heute zu beschließenden Nachhal-
tigkeitskriterien trägt zum Schutz der Artenvielfalt auf
unserem Planeten bei. Die Vorschriften zur Treibhaus-
gasminderung sind echter Klimaschutz. Die zu erwarten-
den leichten Kostensteigerungen für Hersteller, Liefe-
ranten und Anlagenbetreiber wurden bei der Festsetzung
der Vergütungssätze im Erneuerbare-Energien-Gesetz
bereits berücksichtigt und sind vor dem Hintergrund der
positiven Auswirkungen dieser Verordnung auf Mensch
und Natur absolut vertretbar.
26078 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009
(A) (C)
(B) (D)
Ich freue mich, dass es uns gemeinsam gelungen ist,
diese Nachhaltigkeitsverordnung noch vor dem Ende der
laufenden Legislaturperiode zu verabschieden, und möchte
mich bei allen Beteiligten für die konstruktive Zusam-
menarbeit bedanken.
Michael Kauch (FDP): Die FDP-Bundestagsfrak-
tion begrüßt, dass die Bundesregierung nun endlich eine
Verordnung über die Anforderungen an eine nachhaltige
Herstellung von flüssiger Biomasse zur Stromerzeugung
vorlegt. Dies war im Blick auf die Planungssicherheit für
die Erneuerbare-Energien-Branche überfällig.
In der Vergangenheit ging die Herstellung von flüssi-
ger Biomasse teilweise mit erheblichen Umweltzerstö-
rungen, wie zum Beispiel Brandrodung von Regenwäl-
dern und Zerstörung der Artenvielfalt, einher. Mithilfe
der vorliegenden Verordnung versucht die Bundesregie-
rung, sicherzustellen, dass fortan flüssige Biomasse, die
zur Stromerzeugung eingesetzt wird, nur unter Beach-
tung verbindlicher Nachhaltigkeitsstandards hergestellt
wird. Damit schafft die Bundesregierung endlich die Re-
gelung, die Klarheit darüber bringt, wann Biomasse nach
dem EEG vergütet werden soll. Zugleich gibt es aus
Sicht der FDP-Bundestagsfraktion aber auch Kritik-
punkte an dem Verordnungsverfahren. Die FDP-Bundes-
tagsfraktion hätte sich insgesamt ein geordneteres parla-
mentarisches Verfahren gewünscht – inklusive einer
Anhörung, die jetzt kurzfristig nicht mehr realisierbar
war.
Es wird abzuwarten sein, ob die in der Verordnung
vorgesehenen Übergangsfristen angesichts der Verzöge-
rungen der Verordnungsgebung noch ausreichend sein
werden. Die dazu von der Bundesregierung im Kabinett
verabredete Protokollerklärung greift diese Problematik
zwar ansatzweise auf. Aus Sicht der FDP-Bundestags-
fraktion hätten die Übergangsfristen jedoch angepasst
werden müssen, um den Belangen der betroffenen Un-
ternehmen hinreichend Rechnung zu tragen.
Darüber hinaus ist aus Sicht der FDP-Bundestags-
fraktion die Verordnung aber auch im Bereich des Schut-
zes der Regenwälder kritisch zu bewerten. Denn die in
der Verordnung in § 50 enthaltene Mindesthäufigkeit der
Kontrollen von Plantagen durch die Zertifizierungsstel-
len ist unzureichend. Die Bundesregierung trägt durch
diese Bestimmung dazu bei, dass demnach nur 5 Prozent
der landwirtschaftlichen Betriebe, die Biomasse liefern,
einer Kontrolle unterzogen würden. Bei statistischer Be-
trachtung führt dies dazu, dass jeder Betrieb der in die-
sem Bereich tätigen Unternehmen nur alle 20 Jahre kon-
trolliert werden würde. Dies ist in Anbetracht der
Situation für die aus Entwicklungsländern importierte
Biomasse keinesfalls ausreichend.
Die Verordnung begegnet diesem Umstand zwar mit
der Möglichkeit einer Anpassung der Häufigkeit der
Kontrollen an die jeweiligen Risiken, eine nähere Quan-
tifizierung bleibt die Bundesregierung indes aber in der
Verordnung schuldig. Nach Auffassung der FDP-Bun-
destagsfraktion wird diese Regelung zu Kontrolllücken
führen.
Die FDP-Bundestagsfraktion begrüßt demgegenüber,
dass die Zertifizierung der europäischen Landwirte zwar
erforderlich, aber durch die Anerkennung der Cross-
Compliance sehr einfach ist. Diese Konstruktion ist
nicht zuletzt auch deshalb von Vorteil, weil sie den Be-
stimmungen der WTO hinreichend Rechnung trägt.
Die Verordnung hat Licht und Schatten. Die FDP
wird sich daher der Stimme enthalten.
Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE): Die Bundes-
regierung hat uns eine dicke Verordnung vorgelegt, mit
der die Einhaltung von Nachhaltigkeitsstandards beim
Import von Biomasse aus dem Süden durchgesetzt wer-
den soll. Wir haben sie gelesen und sind zur Überzeu-
gung gekommen, dass das nicht funktionieren wird.
Schon allein die für Deutschland und die EU angestreb-
ten Quoten für den Einsatz von Agrarkraftstoffen würden
beim jetzigen Spritverbrauch das nachhaltige Potenzial
unserer Anbauflächen um den Faktor drei übersteigen.
Sie lassen sich nur erreichen, wenn massiv Agrarkraft-
stoffe oder Biomasse aus tropischen Ländern importiert
werden. Dazu kommt nun zusätzlich die Nachfrage nach
Palm- und Sojaöl für den Strom- und Wärmebedarf, um
den es ja in der vorliegenden Verordnung geht – als gäbe
es keine Debatte um die erschreckenden Wirkungen vie-
ler Agroenergien auf Tropenwälder und Welternährung.
Stattdessen wird auf Zertifizierung gesetzt. Diese ist
jedoch – das versichern uns die meisten NGOs – zur Er-
folglosigkeit verurteilt; nicht nur wegen Korruption, ma-
fiöser Strukturen und schwacher Überwachung in vielen
Produzentenländern. Es sind vor allem die indirekten
Verdrängungseffekte der Agroenergien, die Zertifizie-
rungen ins Leere laufen lassen. So werden etwa in Brasi-
lien neue Zuckerrohrfelder zur Ethanolproduktion fast
nie auf Neurodungsflächen angebaut. Sie werden auf äl-
teren Agrar- oder Weideflächen in Zentralbrasilien ange-
legt. Es sind die zuvor darauf angebauten Pflanzungen
– beispielsweise Sojaplantagen – oder aber Rinderher-
den, die dann in den Regenwaldgürtel oder in den wert-
vollen Cerrado im Norden wandern. Und dort führen die
dann eben zu Abholzungen und Vertreibungen. Ähnlich
ist die Situation bei Palmöl aus Indonesien. Dafür fallen
zu einem erheblichen Anteil die Urwaldbäume indirekt.
Wenn wir also Zuckerrohr oder Palmöl als Energiepflan-
zen zertifizieren, geht das am eigentlichen Problem voll-
kommen vorbei.
Ferner führt die Vertreibung von Kleinbäuerinnen und
Kleinbauern durch Großagrarier nicht nur zu massiven
Menschenrechtsverletzungen, sondern vielfach auch
dazu, dass die Betroffenen sich neues Land suchen.
Nicht selten sind es Waldgebiete, die dann der Brandro-
dung und anschließenden Besiedlung zum Opfer fallen.
Insofern bestehen aus unserer Sicht zurzeit kaum Er-
folgsaussichten für ein wirksames Zertifizierungssys-
tem. Kein Wunder, dass der Verordnungsentwurf dieses
enorme Problem der indirekten Verdrängung gar nicht
erst aufgegriffen hat. Ja, noch schlimmer: Die im Ent-
wurf vom 6. Februar noch enthaltenen Anforderungen
an soziale Standards im § 9 und die entsprechende An-
lage 3 verschwanden schrittweise in den verschiedenen
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 26079
(A) (C)
(B) (D)
späteren Entwürfen. Zum Schluss sollte nur noch doku-
mentiert werden, dass Landnutzungsrechte gewahrt wer-
den und der Anbau im Einzugsbereich des Betriebes
keine negativen Auswirkungen auf die Nahrungsmittel-
sicherheit hat. Und dieser Passus ist nun auch noch raus-
geflogen, angeblich, weil die EU hier erst weitere Krite-
rien entwickeln will. Uns wird hier angst und bange. Die
Verordnung ist auf dem Weg, für die Sozialstandards
gibt es aber überhaupt noch keine Lösungen. Da wird
klar, was EU und Bundesregierung unter Nachhaltigkeit
verstehen. Weder ILO-Arbeitsnormen noch der Schutz
vor Vertreibung sind bislang durchgängig verankert.
Schon deshalb muss man die Verordnung ablehnen.
Zudem hapert es gewaltig am Kontrollmechanismus:
Nach § 50 sollen jährlich gerade einmal 5 Prozent der
Betriebe von den Zertifizierungsstellen kontrolliert wer-
den. Das bedeutet nichts anderes als einen Zeitraum von
20 Jahren, bis alle mal an der Reihen waren. Ich frage
mich, welche schwarzen Schafe dies in den Ländern des
Tropengürtels von Raubbau und Vertreibung fernhalten
soll. Aber auch für Europa sehe ich diese Frequenz sehr
kritisch.
Den Tropenwäldern, den darin lebenden Menschen
sowie den von Vertreibung bedrohten Kleinbäuerinnen
und Kleinbauern wäre am meisten geholfen, wenn das
Grundproblem angegangen würde: der rasant anstei-
gende Nachfragedruck der Industriestaaten nach Agrar-
treibstoffen. Als wichtigste Maßnahmen müssen daher
zunächst ein Importstopp für biogene Treib- und Kraft-
stoffe in die EU verfügt und die Nachfrage auf ein ak-
zeptables Maß reduziert werden. Das gilt umso mehr, als
die Nachhaltigkeitsverordnung für Agroenergien auf
Ebene der EU und auch der vorliegende Entwurf für
Deutschland lediglich schwache ökologische Zielstel-
lungen enthalten. So können Millionen Hektar Anbau-
flächen, die vor 2008 gerodet wurden, als nachhaltig zer-
tifiziert werden. Ferner ist das bis Anfang 2017 geltende
Treibhausminderungspotenzial von lediglich 35 Prozent
angesichts der geschilderten Auswirkungen viel zu nied-
rig.
Wie gesagt, haben zudem weder soziale Standards
noch Menschenrechtsnormen in das vorgesehene Zertifi-
zierungssystem Eingang gefunden. Deshalb lehnen wir
die Verordnung ab. Wir bedauern, dass uns die anderen
Fraktionen, einschließlich der Grünen, als Totalverwei-
gerer hinstellen. Aber damit können wir leben. Denn wir
sind der Überzeugung: Nachhaltiges Palmöl wird es in
dem Umfang, um den es hier geht, nicht geben können.
Die Verordnung ist somit – ob Sie es wahrhaben wollen
oder nicht – ein Schritt zur weiteren Abholzung der letz-
ten Urwälder.
Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Bio-
energien sind eine Chance, Klimaschutz und Energie-
sicherheit zu verbinden mit neuen Impulsen für eine um-
welt- und sozialverträgliche ländliche Entwicklung bei
uns und in den Ländern des Südens. Weltweit werden
die Bioenergien ausgebaut – dieser Boom bringt aber
auch eine Reihe ernster Probleme mit sich, denen sich
die Politik heute stellen muss. Denn anders als erneuer-
bare Energien aus Wind oder Sonne sind landwirtschaft-
lich nutzbare Flächen und Wasser für den Anbau von
Bioenergieträgern begrenzt.
National wie international verstärkt die Nachfrage
nach Bioenergien zusammen mit klimabedingten Ernte-
ausfällen und der steigenden Lebensmittel- und Fleisch-
produktion die Konkurrenz zwischen der Erzeugung von
Lebensmitteln und Agrartreibstoffen. Der Druck auf Na-
turschutzflächen und sensible Ökosysteme nimmt zu.
Umweltverbände kritisieren zu Recht, dass die Rodung
von Regenwäldern und die Umnutzung von Mooren zur
Produktion von Palmöl für deutsche Blockheizkraft-
werke in Malaysia und Indonesien unwiederbringliche
Naturschätze zerstört und gewaltige Mengen klima-
schädlicher Gase freisetzt – weit mehr, als durch die
Palmölnutzung eingespart wird. Entwicklungsorganisa-
tionen warnen zu Recht, dass der Bioenergieboom in zu-
nehmendem Maß die globale Ernährungssicherheit ge-
fährden und den Hunger in der Welt verstärken kann.
Wir Grüne teilen diese Sorgen. Gerade weil wir über-
zeugt sind, dass den Bioenergien eine wichtige Rolle in
der Klima- und Energiepolitik zukommt, wenden wir
uns mit Nachdruck gegen Fehlentwicklungen, die nach-
haltige, dezentrale Bioenergieerzeugung in Misskredit
zu bringen drohen und die ökologischen und sozialen
Probleme verschlimmern, statt sie zu lösen.
Die Nachhaltigkeitsverordnung ist ein dringend erfor-
derliches Instrument, um die ökologischen und sozialen
Schäden einzudämmen und die Akzeptanz EEG-vergü-
teter Bioenergien zu erhöhen. Entscheidend ist, dass zum
einen strenge Kriterien angelegt werden und zum ande-
ren Zertifizierungs- und Kontrollsysteme weltweit ver-
lässlich sind. Wie das geht, zeigt am ehesten das FSC für
nachhaltige Holzprodukte.
Im Vergleich dazu ist die vorgelegte Verordnung nur
ein erster Schritt, der eine Reihe von Mängeln hat: Das
Bundesamt für Landwirtschaft und Ernährung BLE
– ihm als zuständiger Behörde sind die Nachweise über
die Nachhaltigkeit der Biokraftstoffe vorzulegen bzw. es
entscheidet darüber, welche Zertifizierungsstellen aner-
kannt werden – ist sehr landwirtschaftsnah und nicht
vertraut mit Umwelt- und Sozialzertifikaten. Eine Einbe-
ziehung des Umweltbundesamtes wäre besser. Zudem
sind die vielen Wege, wie die Nachhaltigkeit nachgewie-
sen werden kann, unübersichtlich und fehleranfällig. Ge-
rade für kleinere Erzeuger darf der Bürokratieaufwand
nicht zu groß werden. Außerdem ist fraglich, ob einzelne
Stichproben ausreichen, um den nachhaltigen Anbau der
Energiepflanzen wirklich nachweisen zu können.
Auch reichen die Nachhaltigkeitskriterien nicht aus.
So fehlen das Verbot von Gentechnik und die Vermei-
dung von Monokulturen. Soziale Kriterien kommen
praktisch nicht vor. Grünland wird nicht ausreichend ge-
schützt – nur bei hoher biologischer Vielfalt –, und Ver-
drängungseffekte anderer Landwirtschaftssysteme durch
Energiepflanzenanbau werden bei der CO2-Bilanzie-
rung nicht berücksichtigt. Daher ist die reale CO2-Min-
derung fraglich.
26080 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009
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Wir fordern die Bundesregierung auf, in diesem Sinne
nachzubessern. Die Akzeptanz der Bioenergien hat in
den letzten zwei Jahren stark gelitten. Durch eine schlag-
kräftigere Nachhaltigkeitsverordnung kann hier wieder
Boden gutgemacht werden.
Anlage 20
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Antrags: Aus- und Weiterbil-
dung in der Tourismuswirtschaft verbessern
(Zusatztagesordnungspunkt 8)
Klaus Brähmig (CDU/CSU): Kurz vor dem Ab-
schluss der parlamentarischen Beratungen in dieser
16. Wahlperiode des Deutschen Bundestages freut es
mich sehr, dass ein wichtiges Thema für die Zukunftsfä-
higkeit des Wirtschaftsstandortes Deutschland den Weg
auf die Tagesordnung des Parlaments findet: die Aus-
und Weiterbildung in der Tourismuswirtschaft.
Wir alle kennen verschiedenste Bereiche der Reise-
branche. Als Dienstleister im besten Sinne des Wortes
steht dabei der Mensch stets im Mittelpunkt einer ganzen
Bandbreite an unterschiedlichen Tätigkeiten – vom Kell-
ner bis zur Stewardess, vom Reisebusfahrer bis zur lie-
benswürdigen Assistenz am Empfang eines Hotels. Ei-
nige wenige Zahlen verdeutlichen die Bedeutung des
Tourismus für den Wirtschaftsstandort Deutschland:
Bundesweit zählt die Reisebranche rund 2,8 Millionen
Beschäftigte, es existierten Ende 2008 mehr als 113 000
Ausbildungsverhältnisse im Tourismus, und es wurden
darüber hinaus in diesem Jahr mehr als 47 000 neue
Ausbildungsverträge geschlossen. Davon entfallen allein
über 43 000 auf das Gastgewerbe, das fast acht Prozent
aller Ausbildungsplätze in Deutschland zur Verfügung
stellt. Dieses ist eine bemerkenswerte und großartige
Leistung der vielen vor allem inhabergeführten Hotels
und Gasthöfe, die zwischen Sylt und Garmisch-Parten-
kirchen und zwischen Aachen und der Sächsischen
Schweiz zu einem großen Teil das Bild des Reiselandes
Deutschland und seiner Kulturlandschaft prägen. Den
Unternehmern, die sich ihrer Verantwortung für die
nächste Generation stellen, gilt daher unser besonderer
Dank.
Qualifiziertes Personal mit einer fundierten Ausbil-
dung, ein effizientes System beruflicher Weiterbildung
und die Bereitschaft zu lebenslangem Lernen sind die
unabdingbare Grundlage, ohne die der wirtschaftliche
Erfolg der Tourismusbranche nicht gesichert werden
kann. Dieses ist eine der Kernaussagen, die die Bundes-
regierung in ihrem Tourismuspolitischen Bericht vom
Februar 2008 in den Mittelpunkt ihrer Betrachtungen
stellt. Denn eines ist klar: Die Veränderungen der Kun-
denansprüche und des Reiseverhaltens sowie immer
wieder neue Kundengruppen aus Deutschland und der
ganzen Welt veranlassen die Branche, sich ständig auf
neue Gegebenheiten einzustellen.
Gerade der Servicebereich und die Betreuung auslän-
discher Gäste sind dabei ein wichtiges Aushängeschild
für den Wirtschafts- und Tourismusstandort Deutsch-
land, ja unser gesamtes Land. Denn wer von uns hat
nicht selber schon einmal die Erfahrung gemacht, dass
aus dem Verhalten einzelner Personen direkt auch auf
den Charakter und das Verhalten einer ganzen Nation ge-
schlossen wird. Es sind die täglichen Begegnungen in
Restaurants, Hotels und Verkehrsträgern, die Besuchern
stets in ganz besonderer Weise in Erinnerung bleiben.
Ich bin mir sicher, dass gerade die Beschäftigten der Rei-
sebranche um die daraus erwachsende besondere Verant-
wortung ihres beruflichen Handelns wissen und dement-
sprechend aufgeschlossen und gastfreundlich gegenüber
unseren Gästen aus aller Welt auftreten.
Als Konsequenz des demografischen Wandels und
der zurückgehenden Schulabgängerzahlen ist bereits
heute das Fehlen des Nachwuchses in touristischen Be-
rufen zu beobachten. Um sich dieser Entwicklung er-
folgreich zu stellen, muss der Reiz des „Arbeitsplatzes
Tourismus“ weiter erhöht werden. Voraussetzung dafür
sind eine bessere Qualifizierung im Tourismus und at-
traktivere Arbeitsbedingungen.
Durch die Tourismuswirtschaft wurden bereits in der
Vergangenheit vielfältige und zahlreiche Ausbildungs-
und Beschäftigungsmöglichkeiten geschaffen, die gerade
auch geringer qualifizierten Arbeitskräften die Möglich-
keit einer Anstellung boten. Dies ist ein besonders wich-
tiger und erfreulicher Aspekt, haben Jugendliche mit pro-
blematischen Bildungsabschlüssen doch oftmals nur die
Aussicht, in betriebsfernen Weiterbildungsprojekten „ge-
parkt“ zu werden, anstatt sich tagtäglich im Wirtschafts-
leben immer wieder neu behaupten zu müssen.
Allerdings sollten wir im gleichen Atemzug unsere
Jugendlichen auch immer wieder darauf hinweisen: Es
geht nichts über gute schulische Leistungen! Daher
werbe ich, wann immer ich mit jungen Menschen zusam-
mentreffe, dafür, lieber einmal mehr auf einen Discobe-
such zu verzichten und dafür das Schulbuch in die Hand
zu nehmen. Dabei spielen vor allem sehr gute Fremd-
sprachenkenntnisse eine entscheidende Rolle. Wenn sich
die Erkenntnis, wie wichtig gute Bildung heutzutage ist,
letztendlich beim Einzelnen durchsetzt, ist es leider
manchmal schon zu spät und sind entstandene Defizite
nur schwer oder gar nicht mehr auszugleichen.
Beklagen Gewerkschaften im Hinblick auf die Touris-
muswirtschaft das Vorkommen mangelhafter fachlicher
Vermittlung von Ausbildungsinhalten, die Ableistung
ausbildungsfremder Tätigkeiten und Überstunden sowie
teilweise Verstöße gegen das Jugendarbeitsschutzge-
setz, so verweist der Bundesverband des Deutschen Ho-
tel- und Gaststättenverbandes auf die Herausforderun-
gen, die durch eine nachlassende Ausbildungsreife
junger Menschen und mangelnde Fähigkeiten der Schul-
abgänger auftreten. Wenn wir auch in Zukunft auf eine
leistungsfähige und lebenswerte Reisebranche zählen
wollen, müssen die geschilderten Missstände so schnell
wie möglich überwunden werden. Jede Seite hat dabei
ihre Hausaufgaben zu machen!
Für die Tourismuswirtschaft bleibt die Bereitstellung
guter Ausbildungsmöglichkeiten und die Bewerbung
etablierter sowie neuer Ausbildungsberufe eine zentrale
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 26081
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Aufgabe für die Zukunft. Dies gilt insbesondere für den
2005 neu geschaffenen Beruf des oder der „Kaufmanns
oder -frau für Tourismus und Freizeit“, der über umfas-
sende Kompetenzen zu vielfältigen Angeboten des Tou-
rismusstandortes Deutschland und seiner Vermarktung
verfügt. Ein gutes Beispiel für die Werbung gastgewerb-
licher Ausbildungsberufe ist aber auch die Initiative
„Gast-Star“. Zu ihr gehören 23 Ausbildungsunterneh-
men, die sich in der Systemgastronomie unter dem Dach
des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes zusam-
mengefunden haben und die eine Informations- und
Wissensplattform für potenzielle Auszubildende anbie-
ten. Dabei hat sich unser einzigartiges „duales System“
in Deutschland – die Verbindung von Tätigkeit im Un-
ternehmen und dem Besuch der Berufsschule – mehr als
bewährt.
Für das Gastgewerbe ist die Weiterbildung an Hotel-
fachschulen sowie den Weiterbildungseinrichtungen der
DEHOGA-Landesverbände von überragender Bedeu-
tung. Wichtige Weiterbildungsangebote sind auch die be-
rufsbegleitende Aufstiegsqualifikation des Bundes wie
die gastgewerblichen Fachmeister mit den Ausrichtungen
Küchenmeister, Restaurantmeister und Hotelmeister und
der Veranstaltungsfachwirt sowie die Aufstiegsregelun-
gen der IHK wie zum Beispiel Tourismusfachwirtin und
Fachwirtin oder Fachwirt im Gastgewerbe. Außerdem
gehören zur Qualifizierung auch Beratungs- und Finan-
zierungsangebote im Bereich der Existenzgründung. Die
Bundesregierung hat im Bereich der Aus- und Weiterbil-
dung das Förderangebot in den vergangenen Jahren deut-
lich ausgebaut. Mit der Ausweitung der förderfähigen
Ausbildungsgänge und der Verbesserung der Förderleis-
tungen im Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz, dem
sogenannten Meister-BAföG, haben heute deutlich mehr
Menschen einen Anspruch auf mehr Leistungen. Hinzu
kommt die Einführung der Weiterbildungsprämie als An-
reiz zur Steigerung der Weiterbildungsbeteiligung. Wir
sind also auf dem richtigen Weg schon ein ganzes Stück
vorangekommen.
Die Wiedereinsetzung der Ausbilder-Eignungsverord-
nung (AEVO) zum 1. August 2009 zur Sicherstellung der
berufs- und arbeitspädagogischen Fertigkeiten, Kennt-
nisse und Fähigkeiten der Ausbilderinnen und Ausbilder
begrüßen wir als CDU/CSU-Bundestagsfraktion aus-
drücklich. Gleichzeitig weisen wir aber darauf hin, dass
dies nur ein Schritt ist, die Attraktivität der Ausbildungs-
berufe im gemeinsamen Interesse von Arbeitgebern und
Auszubildenden zu erhöhen.
Sowohl Fachhochschulen als auch Universitäten bie-
ten schon heute vielfältige Tourismusstudiengänge an, in
erster Linie im Tourismusmanagement – teilweise als in-
ternationalen Studiengang – sowie in den Bereichen
Tourismusgeografie und Management im Gesundheits-
tourismus. Aufgrund ihrer starken Praxisorientierung
sind für die Tourismusbranche dabei vor allem duale
Studiengänge wichtig, die ein Studium an einer Hoch-
schule oder Berufsakademie mit einer praktischen Aus-
bildung in einem Unternehmen der Branche verknüpfen
und gute Voraussetzungen für einen Übergang von der
Ausbildung in den Arbeitsmarkt bieten. Dabei sind die
Ausbildungswege und Abschlüsse an den einzelnen Uni-
versitäten, Fachhochschulen und Berufsakademien lei-
der immer noch sehr unterschiedlich.
Die im Tourismusbereich vermittelten Kernkompe-
tenzen wie Weltoffenheit, Kommunikationsfähigkeit,
Belastbarkeit und Flexibilität qualifizieren die Absol-
venten touristischer Ausbildungsformen für einen Ein-
satz in vielen anderen Bereichen der internationalen
Wirtschaft. Wie wenige andere Wirtschaftsbereiche ist
gerade die Tourismusbranche von großer internationaler
Mobilität geprägt. Zur Stärkung der Attraktivität deut-
scher Ausbildungsberufe und Studienabschlüsse ist da-
her eine bessere Vergleichbarkeit und gegenseitige Aner-
kennung von Berufsprofilen und Studienabschlüssen ein
wichtiger Faktor. Dieses ehrgeizige Ziel zu erreichen,
werden wir uns als CDU/CSU-Bundestagsfraktion auch
in der Legislaturperiode des 17. Deutschen Bundestages
ab Herbst 2009 ganz weit oben auf die Fahnen schrei-
ben.
So bleiben für die Zukunft noch viele wichtige The-
men, die wir im Tourismusausschuss des Deutschen
Bundestages einer eingehenden Beratung zuführen wer-
den: Es wäre beispielsweise im Hinblick auf die Ausbil-
dung im Tourismusgewerbe sehr wünschenswert, die
Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg dazu zu bewegen,
bereits bestehende Angebote so zu bündeln und zu kana-
lisieren, dass eine klare Förderstruktur für Umschulun-
gen und Weiterbildungen in den Segmenten der Touris-
musbranche sichtbar wird.
Dieses zu erreichen funktioniert nur in einem abge-
stimmten Konzert verschiedener Akteure. Als CDU/
CSU-Bundestagsfraktion werden wir uns auch in Zu-
kunft engagiert in eine aktive Gestaltung der deutschen
Tourismuspolitik einbringen. Viel konnte bereits erreicht
werden, viel bleibt noch zu tun. Packen wir es gemein-
sam an, für die Zukunft eines gastfreundlichen Deutsch-
land, für das einmal mehr das altbewährte Motto gelten
sollte: „Die Welt zu Gast bei Freunden!“
Gabriele Hiller-Ohm (SPD): Heute debattieren wir
über den von der SPD-Fraktion initiierten Koalitionsan-
trag „Aus- und Weiterbildung in der Tourismuswirtschaft
verbessern“. Ich freue mich, dass wir dieses wichtige
Thema für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in
der Tourismusbranche noch in dieser Wahlperiode auf-
greifen. Dass der Antrag erst so spät in die Parlamentsbe-
ratung kommt, ist aus Sicht der SPD-Fraktion allerdings
bedauerlich. Als Berichterstatterin habe ich bereits im
letzten Herbst unsere Positionen in die Verhandlung mit
der Unionsfraktion eingebracht. Ich hätte mir deshalb
eine frühere Debatte und vor allem auch eine Beteiligung
der Ausschüsse gewünscht.
Wichtig ist: Wir beschließen heute ein Forderungspa-
ket an die Bundesregierung, das sowohl die Qualität als
auch die Quantität der Aus- und Weiterbildung voran-
bringt. Dass dies dringend notwendig ist, machen die
Auswertungen sowohl der Gewerkschaften als auch der
Bundesregierung deutlich.
Der Ausbildungsreport 2008 des Deutschen Gewerk-
schaftsbundes bescheinigt der Ausbildung im Hotel- und
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Gastgewerbe fehlende Qualität. Der DGB zeigt gleich
mehrere Probleme auf: Ausbildungsinhalte werden oft
nicht von ausgebildeten Fachleuten vermittelt. Die Ju-
gendlichen werden häufig zu Tätigkeiten herangezogen,
die nichts mit der eigentlichen Ausbildung zu tun haben.
Auch Überstunden sind keine Ausnahme. Teilweise gibt
es sogar Verstöße gegen das Jugendarbeitsschutzgesetz.
Was hat das für Folgen? Die Chancen der Auszubil-
denden, später auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, ver-
schlechtern sich. Viel zu viele Jugendliche brechen ihre
Ausbildung ab, vor allem im Hotel- und Gaststättenge-
werbe. Ein Beispiel: In 2006 haben 40 Prozent der Aus-
zubildenden für den Beruf Restaurantfachfrau/-mann ih-
ren Ausbildungsvertrag aufgelöst. Kein Wunder, dass in
einigen Berufen schon der fehlende Nachwuchs beklagt
wird.
Für die SPD ist klar: Wir setzen uns für die Auszubil-
denden ein, gerade jetzt in der Krise. Wir haben durch-
gesetzt, dass Jugendlichen, ihren Ausbildungsplatz
durch die Insolvenz ihres Betriebes zu verlieren denen
droht, geholfen wird, ihre Ausbildung abzuschließen.
Betriebe, die den Jugendlichen die Fortsetzung ihrer
Ausbildung ermöglichen, erhalten einen Ausbildungsbo-
nus. Wir helfen damit den Jugendlichen schnell und un-
bürokratisch und spannen einen Schutzschirm über Aus-
bildungsplätze.
Wir halten an unserem Ziel fest, dass trotz Krise auch
in diesem Jahr mindestens 600 000 Ausbildungsplätze
zur Verfügung stehen. Wir erwarten, dass die Firmen
nicht mit der Ausbildung nachlassen. Denn eines ist si-
cher: Wenn die Konjunktur wieder anspringt, brauchen
wir Fachkräfte. Arbeitsminister Olaf Scholz hat die
Wirtschaftsverbände aufgefordert, ihre Anstrengungen
zu verstärken. Die Wirtschaft muss und kann sich hier
bewegen und vorausschauende Personalpolitik betrei-
ben.
Wir haben auch das Jugendarbeitsschutzgesetz gegen-
über dem Koalitionspartner und der FDP verteidigt. Es
gibt ja, seit das Gesetz in Kraft ist, also seit über dreißig
Jahren, regelmäßig Versuche, den Jugendarbeitsschutz
zu schleifen. Zuletzt hat der Hotel- und Gaststättenver-
band gefordert, die Arbeitszeit für unter 18-Jährige von
derzeit 22 auf 23 Uhr zu verlängern. Ich sage: Nicht mit
uns. Der DEHOGA hat bisher nicht belegen können,
dass ein Jugendlicher zwischen 22 und 23 Uhr noch et-
was Neues lernt. Und: Kein Berufsschüler ist morgens
im Unterricht hellwach, wenn er spät am Abend arbeiten
musste.
Meine Damen und Herren von der Union und der
FDP, wir sagen Ihnen: Die Ausbildungsverantwortung
des Betriebes und die Ausbildungsfähigkeit eines jungen
Menschen müssen im Vordergrund stehen. Das Jugend-
arbeitsschutzgesetz ist nicht dazu da, dass unter 18-Jäh-
rige als billige Arbeitskräfte die Stühle hochstellen und
als Letzte das Licht ausmachen. Das wäre kein gutes Si-
gnal für die Branche. Neue motivierte Auszubildende
gewinnen wir so nicht.
Klar ist: Junge Menschen brauchen gute Perspektiven
in der Tourismusbranche. Wir haben mehr als 110 000
Auszubildende in der Tourismuswirtschaft, für die Wirt-
schaft und Politik Verantwortung tragen. Wir fordern
deshalb von der Wirtschaft mehr Qualität in der Ausbil-
dung. Ich freue mich, dass es uns bereits gelungen ist,
die Ausbilder-Eignungsverordnung (AEVO) zum 1. Au-
gust 2009 wieder in Kraft zusetzen. Wer ausbildet, muss
auch entsprechende berufs- und arbeitspädagogische
Fertigkeiten vorweisen.
Wir setzen uns mit dem vorliegenden Antrag für bes-
ser abgestimmte Unterrichtsinhalte ein. Unterrichtsmate-
rialien für Lehrerinnen und Lehrer sowie für die Auszu-
bildenden sollten vereinheitlicht werden. Ein geeignetes
Pilotprojekt wäre die Entwicklung eines Handbuchs für
den neuen Ausbildungsberuf Kaufmann beziehungs-
weise Kauffrau für Tourismus und Freizeit.
Wichtig ist ebenfalls eine stärkere gegenseitige Aner-
kennung der Berufs-, Fach- und Hochschulabschlüsse.
Hier sind besonders die Länder gefordert. Aufbauende
Übergänge sollten ermöglicht werden, damit sich die
Absolventen im Tourismusbereich leichter weiterqualifi-
zieren können. Wir schlagen auch vor, mit den Ländern
eine bundeseinheitliche Weiterbildung von Berufsschul-
lehrerinnen und -lehrern einzurichten.
Mit Blick auf europäische Standards wollen wir, dass
nach einer dualen Ausbildung der Erwerb eines interna-
tional anerkannten Studienabschlusses möglich wird,
wobei die Ausbildungsinhalte teilweise anerkannt wer-
den. Nur so gewinnen wir dringend benötigte qualifi-
zierte Nachwuchskräfte im Tourismus.
Genauso wie gute Ausbildungsmöglichkeiten nötig
sind, brauchen wir in der Tourismuswirtschaft gute Wei-
terbildungsstrukturen. Wer im Hotel- und Gastgewerbe
oder in der Reisebranche arbeitet, muss die Möglichkeit
haben, sich während des gesamten Erwerbslebens opti-
mal weiterzuentwickeln. Lebenslanges Lernen darf keine
leere Worthülse sein.
Beschäftigte und Unternehmen profitieren gleicher-
maßen von guter Weiterbildung in der Branche. Betriebe
sind auf qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
angewiesen. Nur mit gutem und motiviertem Personal,
das mehr Qualität und Service gewährleistet, werden wir
den wirtschaftlichen Erfolg der deutschen Tourismus-
branche langfristig sichern. Das hat auch die Bundesre-
gierung in ihrem Tourismuspolitischen Bericht von 2008
festgestellt. Die Formel lautet: Wer keine guten Ange-
stellten hat, wird im Wettbewerb nicht bestehen. Man
muss kein Experte sein, um festzustellen: Wer im Touris-
mus arbeitet, braucht immer häufiger gute Fremdspra-
chenkenntnisse und Erfahrungen im betriebswirtschaftli-
chen Bereich, bei Marketing und Servicequalität.
Leider haben wir in der Branche nur eine geringe Ta-
rifbindung. Die Lobby für die Beschäftigten für eine
gute berufliche Weiterentwicklung ist deshalb nicht
groß, und Weiterbildung wird oft kleingeschrieben. Die
Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten hat festge-
stellt, dass durchschnittlich nur 15 von 1 000 Beschäftig-
ten im Gastgewerbe eine Weiterbildungsprüfung der
IHK absolvieren. Von flächendeckender Weiterbildung
sind wir meilenweit entfernt. Wir sagen: Die Unterneh-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 26083
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men müssen in die Pflicht genommen werden, ihren Mit-
arbeiterinnen und Mitarbeitern die Teilnahme an Weiter-
bildungen zu ermöglichen. Dazu gehören vor allem
verbesserte Regelungen für die Freistellung.
Wir brauchen bei der Weiterqualifizierung zudem
bundesweite Ansätze, die eine kontinuierliche und syste-
matische Qualifizierung ermöglichen. Das von der Bun-
desregierung und dem Land Berlin geförderte Deutsche
Seminar für Tourismus, DSFT, ist mit seinem überbe-
trieblichen und überregionalen Angebot dafür eine wich-
tige Institution. Besonders Mitarbeiterinnen und Mitar-
beiter aus kleinen und mittelständischen Betrieben der
Branche können so qualifiziert werden.
Wir wollen auch, dass die Bundesagentur für Arbeit
bestehende Angebote so ausrichtet, dass eine klare För-
derstruktur für Umschulungen und Weiterbildungen im
touristischen Bereich entsteht.
Rund 2,8 Millionen Arbeitsplätze hängen direkt und
indirekt vom Tourismus ab. Wir müssen gerade in der
Krise alles dafür tun, die Arbeits- und Ausbildungsplätze
in der Tourismusbranche zu halten. Gute Aus- und Wei-
terbildungschancen sind dafür unerlässlich. Wir machen
so den Arbeitsplatz Tourismus attraktiver und damit den
Deutschlandtourismus zukunftsfest.
Jens Ackermann (FDP): Zu Beginn möchte ich die
Gelegenheit nutzen, um mich bei Ihnen herzlich für die
Geburtstagsglückwünsche zu bedanken. Ich freue mich
sehr, dass in der letzten Sitzungswoche noch einmal über
die große Bedeutung der Aus- und Weiterbildung in der
Tourismuswirtschaft gesprochen wird. Es steht außer
Frage, dass gerade diesem Thema nicht genug Aufmerk-
samkeit geschenkt werden kann.
Im Antrag der Regierungskoalition liest man von all
den Ideen zur Verbesserung der Ausbildung im Sektor
der Tourismuswirtschaft, aber wer soll denn ausbilden,
wenn nach und nach die ausbildenden Betriebe wegbre-
chen. Wer soll die Absolventen der Fachhochschulen
und Universitäten einstellen? Gerade die Tourismus-
branche hat sehr unter der Erhöhung der Mehrwertsteuer
auf 19 Prozent gelitten. Daher wollten und wollen wir
Liberalen ein Absenkung der Mehrwertsteuer auf 7 Pro-
zent für Gastronomie und Hotellerie. Aber genau das
wird leider von der Koalition verhindert.
Nach einer kurzen Aussprache wurde in der gestrigen
Sitzung des Wirtschaftsausschusses unser Antrag zur
Einführung des reduzierten Mehrwertsteuersatzes für
Hotellerie und Gastronomie zum wiederholten Male auf
Betreiben der Koalition abgesetzt. Auch im Finanzaus-
schuss wurde der Antrag abgesetzt. Da es sich um die
letzten Ausschusssitzungen in der letzten Sitzungswoche
des Deutschen Bundestages in dieser Legislaturperiode
handelt, bedeutet dies, dass unser Vorstoß für mehr Wett-
bewerbsfähigkeit des deutschen Gastgewerbes an Union
und SPD gescheitert ist. Mit Verfahrenstricks hat die Ko-
alition mehrfach die Beratung des FDP-Antrags verhin-
dert. Da fragt man sich doch, wie es mit der Branche und
vor allem mit den vielen Mittelständlern weitergehen
soll. Ich fordere die CDU/CSU auf, sich vor der Wahl
unmissverständlich für die Einführung des reduzierten
Mehrwertsteuersatzes für das Gastgewerbe zu positio-
nieren.
Der Antrag spricht davon, die Attraktivität der Ausbil-
dung weiter zu erhöhen. Besitzt nicht ein krisensicherer
Arbeitsplatz in heutigen Zeiten die größte Attraktivität?
Aber aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Situa-
tion und der besonders schweren Situation zum Beispiel
im Gastgewerbe und der Hotellerie scheuen sich immer
mehr potenzielle Arbeitgeber, überhaupt noch einzustel-
len, geschweige denn auszubilden.
Neue Arbeits- und Ausbildungsplätze können nur
durch eine konsequente Verbesserung der touristischen
Rahmenbedingungen entstehen. Leider werden aber die
notwendigen Freiräume für die überwiegend mittelständi-
schen Unternehmen der Tourismuswirtschaft in Deutsch-
land zunehmend durch eine ausufernde Bürokratie be-
schnitten. Durch immer neue Regulierungen im ohnehin
schon verkrusteten deutschen Arbeitsrecht wird die
Schaffung neuer Jobs verhindert. Gerade im Bereich der
Ausbildung kommt ein weiteres Problem hinzu – als hät-
ten wir nicht schon genug –: die Arbeitszeiten für Jugend-
liche.
Im Jugendarbeitsschutzgesetz müssen die Arbeitszei-
ten für Jugendliche von 22.00 auf 23.00 Uhr ausgedehnt
werden. Das erhöht die Chancen von Haupt- und Real-
schülern auf einen Ausbildungsplatz. Das wäre ein realer
Schritt in Richtung Verbesserung der Ausbildung. Die
Hotels müssen bei den Rundfunkgebühren und der Ka-
belweiterleitung entlastet werden. Ich finde es unge-
recht, einem Azubi noch das Trinkgeld besteuern zu
wollen.
Auch wir Liberalen im Deutschen Bundestag sind für
die Stärkung der dualen Ausbildung, weil damit den tou-
ristischen Wünschen und Bedürfnissen, zum Teil auch
durch die Schaffung neuer Berufsbilder, entsprochen
werden kann und soll. Das Deutsche Seminar für Frem-
denverkehr, das die zentrale Weiterbildungseinrichtung
in der deutschen Tourismuswirtschaft ist und für dessen
angemessene Finanzierung auch in Zukunft gesorgt wer-
den muss, hat hier eine Schlüsselfunktion.
Alles in allem ist dieser Antrag gut gemeint, fasst er
doch die Berichte der Tourismuswirtschaft der letzten
Jahre gut zusammen und stellt insgesamt gute Ideen zur
Verbesserung der Aus- und Weiterbildung in Aussicht.
Dennoch ist er leider etwas unkonkret. Wer in einem An-
trag ernsthaft nur „hinwirken“, „prüfen“ oder „anregen“
möchte, der macht den gesamten Antrag etwas schwam-
mig. Aber – und da ist auch den Liberalen die Idee zu
wertvoll, als sie nicht zu unterstützen – wir können dem
Antrag zustimmen.
Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE): Erst gestern erblickte
der hier zur Diskussion stehende Antrag der Koalitions-
fraktionen das Licht der Öffentlichkeit, und nur Kraft
der parlamentarischen Mehrheit kam dieser Antrag noch
kurzfristig auf die heutige Tagesordnung und soll nach
Reden, die nur zu Protokoll gegeben werden – ohne wei-
tere Erörterung im Tourismusausschuss – sofort abge-
stimmt werden. Da schon seit längerem bekannt ist,
26084 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009
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(B) (D)
wann der Bundestag seine normale parlamentarische Ar-
beit mit Blick auf Sommerpause und Bundestagswahl
beenden wird, bleibt an die Adresse der Koalition die
Frage, warum dieser Antrag nicht früher auf den Tisch
kam und nun so eilbedürftig ist. Auch nachdem ich die-
sen Antrag gelesen habe, kann ich diese Frage nicht be-
antworten. Der Antrag enthält nichts, was nicht schon
seit langer Zeit bekannt ist, und auch nichts, wo diese
Bundesregierung anders als bisher handeln müsste, be-
vor sie ihren Dienst quittiert. Ja, der Antrag ist nicht ein-
mal wahlkampftauglich.
Ich hoffe, dass viele Personen, die sich in der Touris-
muspolitik und in der Tourismuswirtschaft engagieren,
und vor allem die Menschen, die auf Gebieten des Tou-
rismus lehren, lernen, studieren oder forschen, sich die-
sen Antrag genauer ansehen. Er ist ein hervorragendes
Beispiel, mit welcher inhaltlichen und sprachlichen Qua-
lität, mit welchem Maß an Konkretheit, Umsetzbarkeit
und Finanzierbarkeit die Regierungsfraktionen CDU/
CSU und SPD Tourismuspolitik betreiben. Ich bin auch
gespannt, welchen Beitrag dieser Antrag bzw. der heu-
tige Beschluss des Bundestages leisten wird, um die
Aus- und Weiterbildung in der Tourismuswirtschaft im
realen Leben zu verbessern. Das Thema der Aus- und
Weiterbildung ist zu wichtig, um es mit einem solchen
Antrag und ein paar ironischen Anmerkungen meiner-
seits abzuhaken.
Nehmen wir nur das Thema „Barrierefreier Touris-
mus“ etwas genauer in Augenschein. In der UN-Behin-
dertenrechtskonvention werden die Staaten aufgefordert,
alles zu tun, damit Menschen mit Behinderungen umfas-
send am Leben in der Gesellschaft teilhaben können. Die
Teilhabe am Tourismus wird in der Konvention extra ge-
nannt. Deswegen betrachte ich es als Erfolg, dass das
Thema „Barrierefreier Tourismus“ sich im Tourismus-
ausschuss durch die gesamte Wahlperiode gezogen hat
und dort auch nicht nur das „Privatvergnügen“ eines ein-
zelnen Abgeordneten war. Auch in den Tourismuspoliti-
schen Leitlinien der Bundesregierung steht dieses
Thema weit oben auf der Agenda. Im wirklichen Leben
– und dies hat auch der Tourismusausschuss auf seinen
Reisen mit mir sehr plastisch erfahren – gibt es noch viel
zu tun, um eine durchgängig barrierefreie Tourismus-
kette zu gewährleisten. Das beginnt bei der Planung und
Buchung der Reise, setzt sich dann bei der An- und Ab-
reise, der Mobilität vor Ort, der Barrierefreiheit im Ho-
tel, den Gaststätten, touristischen Sehenswürdigkeiten
und der örtlichen Infrastruktur fort. Immer wieder haben
wir erlebt, dass das Personal in den touristischen Ein-
richtungen sehr unsicher im Umgang mit Menschen mit
Behinderungen ist, weil sie deren Bedürfnisse und An-
forderungen nicht kennt und nur unzureichend und unge-
nau Auskünfte über bestehende Barrieren in ihren Ein-
richtungen und umliegenden touristischen Angeboten
erteilen können. Wir haben Hotels und gastronomische
Einrichtungen besucht, wo die Eigentümerinnen und Ei-
gentümer mit viel Engagement und Geld versucht haben,
ihre Einrichtung möglichst barrierefrei zu gestalten.
Aufgrund fehlenden fachlichen Wissens kam es trotz-
dem zu falschen, hässlichen oder unpraktischen Lösun-
gen. Hier hätte der richtige Rat, zum Beispiel von ge-
schulten Architektinnen und Architekten, und die
Einbeziehung von Sachverstand von Vertreterinnen und
Vertretern aus der Behindertenbewegung zum Teil mit
deutlich weniger Aufwand und Geld Besseres bewirken
können.
Deswegen war für mich inakzeptabel, dass das Deut-
sche Seminar für Touristik, DSFT, ein Verein, der seit
vielen Jahren überwiegend von Steuergeldern lebt, Wei-
terbildungsangebote zu allen möglichen Themen offe-
rierte, aber fast nichts zum Thema „Barrierefreier Tou-
rismus“. Persönliche Gespräche sowie Diskussionen im
Tourismusausschuss und im Beirat des DSFT haben in-
zwischen dazu beigetragen, dass das Thema einen ande-
ren Stellenwert im Weiterbildungsprogramm des DSFT
einnimmt – hier überwiegend nicht als Extra-Seminare,
sondern implantiert – in Zusammenarbeit mit der NatKo –
in viele andere Seminarangebote. Inakzeptabel bleibt für
mich, dass die 1999 gegründete Nationale Koordinie-
rungsstelle Tourismus für alle e. V., NatKo – ein Zusam-
menschluss von sieben Behindertenverbänden – so ge-
ringe Unterstützung der Bundesregierung erhält, und
dies auch nicht durch das für Tourismus zuständige Wirt-
schaftsministerium, sondern durch das Gesundheitsmi-
nisterium. Dies sollte zu Beginn der nächsten Wahlpe-
riode endlich geändert werden.
Erstaunt war ich, als auf der ITB 2009 der Direktor ei-
ner Fachhochschule in Niedersachsen, wo angehende
Tourismuswissenschaftlerinnen und Tourismuswissen-
schaftler studieren, an seinem Stand antwortete, dass für
solche Nischenthemen wie „Barrierefreier Tourismus“ in
einem sechssemestrigen Bachelor-Studium kein Platz sei.
Die Leiterin der Berufsschule für Tourismus in Berlin be-
klagte, dass dieses Thema in den vorhandenen Lehrbü-
chern und -materialien keine bzw. nur eine untergeord-
nete Rolle spiele. Wird sich dies nun mit dem
vorliegenden Koalitionsantrag ändern? Ich glaube kaum,
wenn ich mir anschaue, was die Koalition dazu in ihrem
Antrag feststellt und von der Bundesregierung fordert.
Auch zu anderen Fragen bestünde Diskussionsbedarf,
zum Beispiel zu Ausbildungsangeboten für junge Men-
schen mit Behinderungen oder für Menschen mit Migra-
tionshintergrund. Da die Koalition daran scheinbar kein
Interesse – mehr – hat, kann ich abschließend nur zusa-
gen, dass die Linke dafür sorgen wird, dass das Thema in
der nächsten Wahlperiode wieder auf die Tagesordnung
kommt, und dies nicht erst wieder kurz vor der Wahl.
Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Ich muss schon sagen, dass der Zeitpunkt – auf den letz-
ten Drücker –, zu dem die Koalitionsfraktionen einen
solchen Antrag an die eigene Regierung stellen, prinzi-
piell Grund genug für eine Ablehnung wäre. Doch auch
wenn uns der Antrag in einigen Bereichen nicht weit ge-
nug geht, tut ein Großteil der Forderungen dem Touris-
musbereich inhaltlich sicher gut. Deshalb werden wir
uns heute enthalten. Schade nur, dass der Antrag erst
jetzt kommt.
Urlaubsgäste sollen sich in einer Destination wohlfüh-
len, und das hängt vor allem davon ab, wie die Leistungen
an den Gast herangetragen werden. Die Tourismusunter-
nehmen und deren Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen neh-
men hier eine Schlüsselrolle ein. Schließlich sind die tou-
ristischen Produkte vergleichbar, Menschen hingegen
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 26085
(A) (C)
(B) (D)
nicht. Das ist ein sehr wichtiges Alleinstellungsmerkmal.
Es ist deshalb richtig, einen Schwerpunkt der Ausbil-
dungstätigkeit auf die Qualität der touristischen Akteure
zu legen. Ich stimme mit Ihnen überein, dass wir hier zu-
kunftsorientierte Maßnahmen entwickeln müssen, denn
der Tourismus hat Zukunft.
Aus- und Weiterbildung der Beschäftigten ist einer
der wichtigsten Einflussfaktoren auf die touristische
Wettbewerbsfähigkeit. Ausbildungskonzepte sollten sich
daher an einer langfristig verwertbaren Grundbildung
orientieren. Nur so kann die beruflich notwendige Flexi-
bilität zwischen unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern
auch branchenübergreifend gesichert werden. Da ist si-
cherlich noch viel zu tun. Schlüsselqualifikationen, also
persönliche Kompetenzen wie Freundlichkeit, Erschei-
nungsbild, Organisations- und Improvisationstalent, die
den Umgang mit dem Gast und auch die Leistungsbereit-
schaft erfassen, müssen neben den Berufskompetenzen
unbedingt im Vordergrund der Ausbildung stehen. Aber
auch der Umweltschutz und das Ziel der Barrierefreiheit
müssen stärker als bisher in die Ausbildung integriert
werden. Dabei kommen mir die letzten beiden Aspekte
in Ihrem Antrag eindeutig zu kurz.
Aus- und Weiterbildung auf breitester Ebene ist ein
wesentliches Kriterium für die Wettbewerbsfähigkeit der
Tourismuswirtschaft. Wenn der Gast sich wohlfühlt, kommt
er auch gerne wieder. Allerdings muss sich die Aus- und
Weiterbildung in der Tourismusbranche auch auf einen
wachsenden Onlinereisemarkt einstellen. Das wird vor
allem das klassische Berufsbild des Reiseverkehrskauf-
manns oder der Reiseverkehrskauffrau mehr und mehr
verändern. Das Institut der deutschen Wirtschaft hat erst
letzte Woche veröffentlicht, dass immer mehr Deutsche
in den Urlaub „surfen“. Der Onlinereisemarkt hat sich in
den letzten drei Jahren verdoppelt. Inzwischen wird jeder
vierte „Reise-Euro“ via Internet ausgegeben. Dabei wer-
den Onlineportale gerade von Personen mit hohem Ein-
kommen genutzt, ein kaufkräftiges Potenzial, welches
vielen kleinen und mittelständischen Reisebüros verloren
geht.
Wir müssen den Aus- und Weiterbildungsbereich der
Tourismuswirtschaft auch in der nächsten Legislatur im
Auge behalten, denn nur mit qualitativen Alleinstellungs-
merkmalen können wir unsere Marktposition gegen
starke Wettbewerber behaupten.
Anlage 21
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Entwurfs eines Zweiten Ge-
setzes zur Änderung des Gesetzes zur Aufhe-
bung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in
der Strafrechtspflege (2. NS-AufhGÄndG) (Zu-
satztagesordnungspunkt 9)
Dr. Jürgen Gehb (CDU/CSU): Die Bewältigung
und Aufarbeitung nationalsozialistischen Unrechts be-
schäftigt uns mehr als 64 Jahre nach dem Ende des ver-
brecherischen NS-Regimes immer noch. Erneut befas-
sen wir uns heute mit der Thematik der pauschalen
Aufhebung von NS-Strafurteilen, und zwar von Urteilen
gegen sogenannte Kriegsverräter.
Eine pauschale Aufhebung von NS-Strafurteilen ist
bereits in zwei Gesetzgebungsverfahren erfolgt.
Durch § 1 des Gesetzes zur Aufhebung nationalsozia-
listischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege – NS-
AufhG – vom 25. August 1998 wurden verurteilende
strafgerichtliche Entscheidungen, die unter Verstoß ge-
gen elementare Gedanken der Gerechtigkeit nach dem
30. Januar 1933 zur Durchsetzung oder Aufrechterhal-
tung des nationalsozialistischen Unrechtsregimes aus
politischen, militärischen, rassischen, religiösen oder
weltanschaulichen Gründen ergangen sind, aufgehoben.
Diese Globalklausel wurde durch Regelbeispiele in § 2
NS-AufhG konkretisiert, um die deklaratorische Fest-
stellung durch die Staatsanwaltschaft, dass ein bestimm-
tes Urteil aufgehoben ist, zu erleichtern. Für die von den
Regelbeispielen nicht erfassten Fälle ist eine Einzelfall-
prüfung durch die Staatsanwaltschaft erforderlich. Der
Gesetzgeber hat diesen Katalog des § 2 NS-AufhG mit
Gesetz vom 23. Juli 2002 – BGBl. I S. 2714 – nochmals
erweitert und darin die §§ 175, 175 a RStGB sowie ein-
zelne Vorschriften des Militärstrafgesetzbuches, unter
anderem Desertion, Feigheit vor dem Feind, unerlaubte
Entfernung aufgenommen.
Der Gesetzgeber hatte noch bei der letzten Änderung
des NS-AufhG, also zu Zeiten, in denen Rot-Grün Regie-
rungsverantwortung trug, bewusst davon abgesehen, Ver-
urteilungen wegen Kriegsverrats nach dem Militärstraf-
gesetzbuch – MStGB §§ 57, 59 und 60 – per se als
nationalsozialistisches Unrecht zu qualifizieren und in
den Katalog des § 2 NS-AufhG aufzunehmen. In der Ge-
setzesbegründung – Drucksache 14/8276 – heißt es hierzu
wörtlich:
Es finden sich im MStGB eine ganze Reihe von
Straftatbeständen, bei denen die Aufhebung des Ur-
teils ohne Einzelfallprüfung nicht verantwortbar er-
scheint. Beispielhaft seien hier der Kriegsverrat, die
Plünderung, die Fledderei sowie die Misshandlung
von Untergebenen genannt. Bei diesen Delikten ver-
mag auch der Umstand, dass sie während eines völ-
kerrechtswidrigen Angriffskrieges begangen wurden,
keinen Anlass zur Rehabilitierung zu begründen.
Aus diesen Gründen war die Aufnahme von genau
zu benennenden Vorschriften des MStGB in die An-
lage zu § 2 erforderlich.
In dem Rohentwurf der Bundesregierung zu dem Ge-
setzgebungsvorhaben war hinsichtlich des Kriegsverrats
sogar noch folgender Satz enthalten:
So erscheint der in Fällen des Kriegsverrats gege-
bene Unrechtsgehalt (nicht auszuschließende Le-
bensgefährdung für eine Vielzahl von Soldaten) äu-
ßerst hoch.
An dieser Sichtweise haben bisher alle Bundesregie-
rungen und die jeweiligen politischen Mehrheiten im
Deutschen Bundestag bis in diese Legislaturperiode hi-
nein festgehalten. Ich zitiere aus der mit Schreiben des
Bundesministeriums der Justiz vom 15. Juni 2006 über-
mittelten Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine
26086 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009
(A) (C)
(B) (D)
Anfrage der Fraktion Die Linke – Drucksache 16/1849 –
zu der Frage, ob der Kriegsverrat im Nationalsozialis-
mus verurteilenswert sei:
Die Frage lässt sich nur im konkreten Einzelfall be-
antworten. Dabei kommt es darauf an, ob infolge
des Verrats zusätzliche Opfer unter der Zivilbevöl-
kerung und/oder deutschen Soldaten zu beklagen
waren oder ob infolge des Verrats derartige Opfer
gerade vermieden wurden. Der Gesetzgeber hat
sich deshalb nach Auffassung der Bundesregierung
zu Recht dafür entschieden, bei der Änderung des
Gesetzes zur Aufhebung nationalsozialistischer Un-
rechtsurteile in der Strafrechtspflege (NS-AufhG)
für diese Fälle eine pauschale Aufhebung abzuleh-
nen und es bei der Einzelfallprüfung zu belassen.
§ 1 NS-AufhG erfasst u. a. strafgerichtliche Ent-
scheidungen, die unter Verstoß gegen elementare
Gedanken der Gerechtigkeit nach dem 30. Januar
1933 zur Durchsetzung oder Aufrechterhaltung des
nationalsozialistischen Unrechtsregimes aus „mili-
tärischen“ Gründen ergangen sind. Dementspre-
chend sind grundsätzlich auch Urteile wegen
Kriegsverrats, die diese Voraussetzungen erfüllen,
bereits heute durch Gesetz aufgehoben.
Neuere Erkenntnisse von Historikern und Rechtswis-
senschaftlern veranlassen uns nunmehr, diese Haltung
aufzugeben.
Alle bisher untersuchten Fälle zeigen, dass sowohl
Soldaten als auch Zivilisten für ganz unterschiedliche
Handlungen wegen Kriegsverrats zum Tode verurteilt
wurden: eine politisch widerständige Gesinnung, Solida-
rität mit verfolgten Juden, Hilfe für Kriegsgefangene oder
Unbotmäßigkeiten gegenüber Vorgesetzten. Fälle, denen
zufolge als „Kriegsverräter“ Verurteilte zum Nachteil
Dritter gehandelt hätten, sind bislang nicht nachgewiesen
worden. Deshalb muss man gegenwärtig davon ausge-
hen, dass der Tatbestand des Kriegsverrats als Instrument
der NS-Justiz fungierte, um willkürlich nahezu jedwedes
politisch missliebige Verhalten mit dem Tode bestrafen
zu können.
Hinzu kommen neuerdings Stimmen aus der Rechts-
wissenschaft, die den Tatbestand des Kriegsverrats, so
wie ihn die Nationalsozialisten gestaltet hatten, für mit
rechtsstaatlichen Grundsätzen schlechterdings unverein-
bar halten. Ein Gutachten, das das Bundesministerium
der Justiz im Frühjahr 2009 bei dem ehemaligen Bun-
desverfassungsrichter Hans Hugo Klein in Auftrag gege-
ben hat, kommt aus folgenden Gründen zu diesem
Schluss:
Durch die Änderung des Militärstrafgesetzbuches
vom 23. November 1934 wurde in § 57 MStGB auf den
im Zuge der sogenannten Verratsnovelle vom 24. April
1934 zuvor drastisch verschärften § 91 b des Strafge-
setzbuchs für das Deutsche Reich verwiesen und als al-
leinige Strafdrohung die Todesstrafe eingeführt. Die
Weite des Straftatbestands in Verbindung mit der absolu-
ten Strafdrohung diente dem NS-Regime – so Klein – als
Instrument „zur unnachsichtigen Verfolgung jeder der
nationalsozialistischen ‚Bewegung‘ feindlich oder auch
nur ablehnend begegnenden Gesinnung“. Aufgrund der
praktisch unbegrenzten tatbestandlichen Voraussetzun-
gen sei die Verhängung der Todesstrafe auch für ver-
gleichsweise geringfügige Verstöße unausweichlich ge-
wesen. Damit sei § 57 MStGB sowohl in Ansehung des
Tatbestandes als auch der Rechtsfolgen mit dem rechts-
staatlichen Bestimmtheitsgrundsatz unvereinbar.
Unter Berücksichtigung dieser historisch-ethischen
und juristischen Gründe halten wir eine pauschale Auf-
hebung von Verurteilungen wegen „Kriegsverrats“ nun-
mehr für geboten.
Dr. Carl-Christian Dressel (SPD): Ich freue mich
sehr darüber, dass wir heute einen Gesetzentwurf der
Koalition in das parlamentarische Verfahren einbringen,
damit die Ehre der wegen des sogenannten Kriegsverrats
Verurteilten wiederhergestellt werden kann. Der Appell,
den ich an die Kolleginnen und Kollegen von der Union
gerichtet habe, einen gemeinsamen Gesetzentwurf noch
in dieser Wahlperiode zu ermöglichen, hatte Erfolg.
Mit dem Gesetz, das wir heute auf den Weg bringen,
heben wir alle Todesurteile gegen sogenannte Kriegsver-
räter pauschal auf. Das ist eine richtige und – wie ich
meine – überfällige Entscheidung, für die sich die SPD-
Bundestagsfraktion seit langem eingesetzt hat. Deshalb
ist das heute ein guter Tag für viele Opfer der NS-Justiz.
Denn heute sorgen wir dafür, dass es endlich Gerechtig-
keit für eine lange vergessene Opfergruppe gibt.
Die vollständige Rehabilitierung der „Kriegsverräter“
ist das Ergebnis eines historischen Lernprozesses, manche
haben schneller dazugelernt, bei anderen hat das etwas län-
ger gedauert. Dass es am Ende dieser Legislaturperiode
doch noch gelungen ist, auch unseren Koalitionspartner
zu überzeugen, freut mich sehr.
Historisch ist heute unstreitig: Der Zweite Weltkrieg
war ein verbrecherischer Angriffs- und Vernichtungs-
krieg. Je länger er dauerte, desto länger dauerte das Ster-
ben und Morden, desto mehr Menschen wurden zum
Opfer des Naziregimes. Sie starben als Soldaten an der
Front, als Bombenopfer in den deutschen Städten und in
den Gaskammern der KZs.
Wer bei diesem Krieg nicht mitmachte, wer sogar
half, dass diese Barbarei früher beendet wurde, der han-
delte nicht kriminell. Kriminell war vielmehr das Re-
gime, das mit willfährigen Richtern und juristischen
Gummiparagrafen im Rahmen einer „unbegrenzten Aus-
legung“ – Bernd Rüthers – jeden zu Tode brachte, der
bei dem Morden nicht mehr mitmachen wollte. Unrecht
begingen nicht die Opfer, Unrecht begingen die Täter,
und deshalb können diese Urteile keinen Bestand haben.
Sie müssen pauschal aufgehoben werden.
Was es mit diesem Delikt „Kriegsverrat“ und den
Menschen, die deswegen verurteilt worden sind, auf sich
hatte, war lange Zeit nicht bekannt. In früheren Ausei-
nandersetzungen ging es um die Rehabilitierung von De-
serteuren und „Wehrkraftzersetzern“. Der Tatbestand des
Kriegsverrats spielte keine Rolle, zumal eine bis vor kur-
zem herrschende Meinung dagegen angeführt werden
konnte. So konnte es geschehen, dass in dem langen Ka-
talog des Gesetzes zur Aufhebung des NS-Unrechts
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 26087
(A) (C)
(B) (D)
zwar annähernd 100 Straftatbestände aufgelistet sind,
aber der Kriegsverrat fehlt.
Inzwischen wissen wir, was es mit diesem Delikt auf
sich hat. Das verdanken wir der Studie der Militärhistori-
ker Wolfram Wette und Detlef Vogel sowie dem juristi-
schen Gutachten, das der frühere Bundesverfassungsrich-
ter Hans Hugo Klein für das Bundesjustizministerium
erstellt hat.
Professor Klein zeigt, dass der Tatbestand des Kriegs-
verrats von den Nationalsozialisten so verändert wurde,
dass er den Anforderungen, die man an rechtsstaatliche
Strafvorschriften stellen muss, nicht mehr genügte. Der
Tatbestand war uferlos und unbestimmt. Er ermöglichte
dem Regime, jede Form von abweichendem Verhalten
oder auch nur kritischer Gesinnung unter dem Begriff
des Kriegsverrats zu subsumieren. Auf der Rechtsfol-
genseite war als einziges Strafmaß die Todesstrafe vor-
gesehen. Dies führte dazu, dass schon geringste Verstöße
die Tötung zur Folge hatten. Professor Klein kommt da-
her zu dem Schluss, dass der Straftatbestand des Kriegs-
verrats mit rechtsstaatlichen Grundsätzen schlechter-
dings unvereinbar war.
Dieses Ergebnis wird bestätigt durch die Untersu-
chungen zur Urteilspraxis. Die Studie von Wolfram
Wette zeigt, dass Soldaten und Zivilisten für ganz unter-
schiedliches Verhalten hingerichtet worden sind: für
politischen Widerstand, für Hilfe für verfolgte Juden
oder für Unbotmäßigkeiten gegenüber Vorgesetzen.
Die Studie von Professor Wette liegt uns seit Sommer
2007 vor. Seit dem Frühjahr dieses Jahres gibt es das
Gutachten von Professor Klein. Beide zusammen ma-
chen deutlich, dass kein Urteil, das wegen Kriegsverrat
ergangen ist, rechtsstaatlichen Anforderungen genügt.
Trotzdem war es nicht einfach, dieses Projekt zu einem
guten Abschluss zu bringen. Mein Dank gilt daher allen,
die sich für die vollständige Rehabilitierung der „Kriegs-
verräter“ eingesetzt haben. Ich danke dem Verband der
Opfer der NS-Militärjustiz um Ludwig Baumann, den
engagierten Historikern wie Wolfram Wette und auch
Helmut Kramer, der Bundesjustizministerin Brigitte
Zypries und schließlich den Kolleginnen und Kollegen
in allen Fraktionen, die immer wieder Druck gemacht
haben. Sie alle haben mit ihrem Engagement mitgehol-
fen, dass auch jene Opfer der NS-Justiz endlich Gerech-
tigkeit erfahren, die wir viel zu lange vergessen haben.
Christine Lambrecht (SPD): Heute ist ein besonde-
rer Tag, ein Tag, der für die Betroffenen ein Tag der Ge-
nugtuung ist und hoffentlich hilft, Frieden mit dem eige-
nen Schicksal zu schließen.
Gewiss, nach unserem heutigen Kenntnisstand gibt es
niemanden, der während der NS-Zeit wegen „Kriegsver-
rats“ verurteilt wurde, der heute noch lebt. Die meisten
wurden sofort hingerichtet. Doch auch Toten müssen wir
Gerechtigkeit zukommen lassen.
Wie viele Frauen hat es gegeben, die in der Nazizeit
und auch danach damit leben mussten, dass sie von ih-
rem Umfeld, den Nachbarn, dem Kaufmann, dem örtli-
chen Polizisten oder vielleicht sogar eigenen Verwand-
ten geschnitten und verachtet wurden, weil ihr Mann als
„Kriegsverräter“ galt? Wie viele Kinder haben in dieser
Zeit erleben müssen, dass sie von den Kindern der Nach-
barschaft, in der Schule gedemütigt wurden, vielleicht
sogar geschlagen und bespuckt, weil die Eltern der ande-
ren Kinder über sie sagten, der Vater sei ein „Kriegsver-
räter“ gewesen? Wie viele von ihnen haben über Jahr-
zehnte versucht, den toten Vater von dieser Schmach
freizumachen und ihn so darzustellen, wie er war: ein
Mann, der als einfacher Soldat vielleicht ein kritisches
Wort gesagt hat oder einfach nur kritische Kameraden
nicht verraten hat oder der versucht hat, Kriegsgefange-
nen oder Juden zu helfen, und der dafür sein Leben las-
sen musste; verurteilt von „furchtbaren Juristen“, die
aufgrund von Recht geurteilt haben, das angesichts sei-
ner Menschenverachtung und Willkürlichkeit diesen Na-
men nicht verdient hat?
Wie viele sind dabei in Behörden, bei Staatsanwälten
und Gerichten vor eine Wand gelaufen? Wie viele haben
das erlittene Unrecht des Vaters und das eigene in sich
hineingefressen und sind daran zerbrochen?
Vor allem für diese Menschen setzen wir heute einen
parlamentarischen Prozess in Gang, der zur vollständi-
gen Rehabilitierung der in der NS-Zeit wegen Kriegsver-
rats verurteilten Menschen führen wird, spät, sehr spät,
aber doch nicht zu spät.
Juristisch gesehen ist der Sachverhalt so nüchtern:
Durch das Gesetz zur Aufhebung nationalsozialistischer
Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege – NS-AufhG –
vom 25. August 1998 werden nach § 1 verurteilende
strafgerichtliche Entscheidungen aufgehoben, die unter
Verstoß gegen elementare Gedanken der Gerechtigkeit
nach dem 30. Januar 1933 zur Durchsetzung oder Auf-
rechterhaltung des nationalsozialistischen Unrechtsre-
gimes aus politischen, militärischen, rassischen, religiö-
sen oder weltanschaulichen Gründen ergangen sind. Die
genannten Entscheidungen betreffen nach § 2 des Geset-
zes unter anderem auch solche, die auf den in der Anlage
zu § 2 Nr. 3 NS-AufhG genannten gesetzlichen Vor-
schriften beruhen.
Nicht erfasst werden durch die Regelung aber bisher
Verurteilungen wegen Kriegsverrats nach den §§ 57, 59,
60 des Militärstrafgesetzbuches, obgleich sie rechtsstaat-
lichen Grundsätzen nicht entsprechen, weil sie tatbe-
standlich nicht hinreichend bestimmt sind.
Unser Entwurf sieht nun vor, die Strafvorschriften des
Militärstrafgesetzbuches wegen Kriegsverrats ebenfalls
in die Anlage zu § 2 Nr. 3 NS-AufhG aufzunehmen, ein
einfacher Schritt, der doch über 60 Jahre gedauert hat.
Die Gründe dafür aufzuführen ist hier nicht der Platz.
Ich möchte allen danken, die diesen Prozess ange-
schoben und begleitet haben. Ich danke denen, die 60
Jahre keine Ruhe gegeben haben. Ich danke den Kolle-
gen, die dieses Thema immer wieder in das parlamenta-
rische Verfahren gebracht haben. Ich danke denen, die an
den Texten gefeilt haben und die das Ganze in eine juris-
tisch korrekte Form gebracht haben.
Ich danke den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in
den Fraktionen, den Abgeordnetenbüros und in der Bun-
26088 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009
(A) (C)
(B) (D)
destagsverwaltung, die geholfen haben, dass der ganze
Prozess immer fristgemäß und nach allen Vorschriften
verlaufen ist.
Ich danke vor allem den Kolleginnen und Kollegen,
die unseren Gesetzesentwurf, nämlich einer Gruppe von
Abgeordneten, unterzeichnet haben. Viele brauchten
dazu ein wenig Mut. Doch damit konnten wir das fast
schon gescheiterte Projekt noch einmal ins Rollen und
schließlich zum Durchbruch bringen. Ich danke dabei
ausdrücklich den Kolleginnen und Kollegen von CDU/
CSU und FDP, die dafür gesorgt haben, dass dieser Ge-
setzentwurf von Vertretern aller Fraktionen unterstützt
wurde.
Zu guter Letzt danke ich den Fraktionsspitzen, die
trotz anfänglicher Bedenken und Einwände schließlich
doch den Weg frei gemacht haben, damit wir die voll-
ständige Rehabilitierung der Menschen, die wegen
„Kriegsverrats“ verurteilt wurden, am 26. August 2009
beschließen können, sechs Tage vor dem 70. Jahrestag
des Überfalls des nationalsozialistischen Deutschlands
auf Polen, der den zweiten Weltkrieg auslöste und über
50 Millionen Menschen das Leben kostete.
Ich denke, das wird ein gutes Zeichen für alle Opfer
des NS-Regimes und ihrer Hinterbliebenen, und es macht
einmal mehr deutlich, dass sich der Deutsche Bundestag
seiner Verantwortung vor der Geschichte bewusst ist.
Jörg van Essen (FDP): Ich habe mir lange überlegt,
ob ich die mir zustehende Redezeit hier nutzen soll. Ich
tue es nicht. In der Tat: Die Absicht dieses Gesetzent-
wurfs ist uneingeschränkt ehrenwert und in ihrer Aus-
sage auch richtig. Deswegen hat die FDP auch keinen
Augenblick gezögert, diesen Gesetzentwurf mit einzu-
bringen. Bei einem so sensiblen Thema wie dem Um-
gang mit Opfern der NS-Diktatur ist die Gemeinsamkeit
der demokratischen Fraktionen ein Wert an sich.
Dennoch bleibt meine Sorge, dass von der heutigen
Debatte das falsche Signal ausgehen könnte, nämlich,
dass die NS-Unrechtsurteile noch in der Welt sind. Sie
sind es nicht. Ich habe schon 2002 in der Debatte um das
erste Änderungsgesetz zur Änderung des Gesetzes zur
Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der
Strafrechtspflege klargestellt, dass es für die FDP selbst-
verständlich ist, dass alle NS-Unrechtsurteile bereits
1998 aufgehoben worden sind. Noch zu Zeiten der
schwarz-gelben Koalition ist das erste Gesetz zur Aufhe-
bung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Straf-
rechtspflege auf den Weg gebracht worden. Nochmals:
Der Deutsche Bundestag hat schon mit diesem Gesetz
alles NS-Unrecht pauschal und ohne Begrenzung aufge-
hoben. Meine Sorge ist: Gut gemeinte erneute Debatten
verstören die Opfer eher, als dass sie helfen.
Gleichzeitig möchte ich natürlich auch nicht den ge-
ringsten Zweifel daran aufkommen lassen, dass auch
meine Fraktion diese Schandurteile aus der NS-Zeit be-
schämend findet. Deshalb tragen wir den Gesetzentwurf
im Ergebnis auch mit. Die Opfer der NS-Unrechtsjustiz
sollen wissen, dass der Deutsche Bundestag diese
Schandurteile nicht schützt.
Erlauben Sie mir noch eine persönliche Anmerkung:
Ich war sehr irritiert, wie schamlos die Linke in den letz-
ten Wochen bei diesem Thema auf dem Rücken der Op-
fer Politik betrieben hat. Ich war empört, wie die Opfer
der für jeden anständigen Juristen beschämenden NS-
Unrechtsjustiz für politische Strohfeuer von interessier-
ter Seite nochmals zu Opfern gemacht wurden.
Ich gebe gerne zu, dass ich mit großem Interesse die
schlüssigen Ausführungen des ehemaligen Richters am
Bundesverfassungsgericht, Professor Dr. Hans Hugo
Klein, gelesen habe. Ich habe den Eindruck, dass es vor
allem seinem Sachverstand und der nüchternen juristi-
schen Analyse zu verdanken ist, dass wir heute diesen
interfraktionellen Gesetzentwurf beraten können.
Ich wäre dankbar, wenn ein Ergebnis dieses Gesetz-
gebungsverfahrens wäre, dass in diesem Hohen Haus Ei-
nigkeit darüber besteht, dass wirklich kein NS-Unrecht
mehr im Raum steht. Die Welt darf darauf vertrauen,
dass das deutsche Volk im Sinne der Präambel unseres
Grundgesetzes als gleichberechtigtes Glied in einem ver-
einten Europa dem Frieden der Welt dienen will. In un-
serem Rechtsstaat gibt es keinen Platz für NS-Unrechts-
urteile.
Jan Korte (DIE LINKE): Am 18. September 1943
wurde der Soldat Adalbert von Springer wegen „Kriegs-
verrat“ hingerichtet. Sein Vergehen: In einem Flugblatt
hatte er Offiziere aufgefordert, den Krieg zu beenden.
Ein Soldat, der versucht hatte, 13 jüdische Menschen vor
ihrer Ermordung in Ungarn zu retten, wurde am 9. Mai
1944 wegen „Kriegsverrat“ hingerichtet. Der Gefreite
Robert Albrecht setzte sich für britische Kriegsgefan-
gene ein. Am 5. August 1942 wurde er deshalb wegen
„Kriegsverrat“ zum Tode verurteilt. Und: Oberstleutnant
Harro Schulze-Boysen, maßgeblicher Kopf der Wider-
standsgruppe „Rote Kapelle“, wurde mit vielen anderen
unter anderem wegen Kriegsverrat am 19. Dezember
1942 verurteilt und hingerichtet.
Diese zuvor genannten Beispiele machen die ganze
Dimension der heutigen Debatte deutlich. Es geht um
nicht mehr und nicht weniger als darum, diese bewun-
dernswerten Menschen aus der Sphäre der Vorbestraft-
heit und der Stigmatisierung zu befreien. Es geht darum,
ihnen die Anerkennung und den Respekt des Bundesta-
ges zu geben. Auch wenn nach heutigem Erkenntnis-
stand keiner der sogenannten Kriegsverräter mehr leben
dürfte, so wird durch die pauschale Rehabilitierung zu-
mindest deren Angehörigen ein wichtiges Signal der An-
erkennung zuteil. Die nunmehr vorliegenden Gesetzent-
würfe tilgen einen weiteren Skandal in der Geschichte
des Umgangs mit der NS-Justiz in der Bundesrepublik.
Neben dieser Frage der praktischen Rehabilitierung
bedeutet der heutige Tag aber auch eine unschätzbare
Klarstellung: Die NS-Militärjustiz war unzweideutig Be-
standteil der nationalsozialistischen Terror-, Willkür-
und Vernichtungspraxis. Es gab keine saubere NS-Justiz
und erst recht keine saubere NS-Militärjustiz. Es waren
Mörder in Roben! Dieses heute ein für alle Mal klarzu-
stellen, ist ein wichtiger Schritt. Bereits 1999 analysierte
der Politologe Joachim Perels anhand eines wegweisen-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 26089
(A) (C)
(B) (D)
den Urteils des Bundessozialgerichts mit Blick auf die
NS-Militärjustiz: Das Gericht
erkennt, dass die – als Teil der diktatorischen Exe-
kutivgewalt fungierende – Militärgerichtsbarkeit
wesentlich keinen rechtsstaatlichen Charakter be-
saß. Das Gericht charakterisiert die Militärjustiz
mit dem Schlüsselbegriff Fraenkels als Teil des
Maßnahmenstaates, der individuelle und kommuni-
kative Rechtspositionen zu politischen Machtzwe-
cken beliebig beseitigen kann.
Durch dieses Urteil und durch das Engagement von
kritischen Wissenschaftlern, kritischen Journalisten und
nicht zuletzt durch Ludwig Baumann und seine „Bun-
desvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz“ konnte
Stück für Stück die Lüge vom damaligen Recht, „was
heute kein Unrecht sein könne“, zurückgedrängt.
Trotzdem: Die Deserteure wurden erst 2002 gegen die
Stimmen der CDU/CSU rehabilitiert, und die „Kriegs-
verräter“ mussten weitere sieben Jahre warten – eben bis
heute. Schon diese enormen Zeitabstände zeigen eines:
Es ging und geht um geschichtspolitische Deutungen der
NS-Zeit und besonders des Umgangs damit in der Ge-
schichte der BRD.
Auch die Anerkennung des Widerstandes des 20. Juli,
der ja heute zur Staatsräson gehört, musste durch mutige
Minderheiten erkämpft werden. In den 50er-Jahren gal-
ten diese Leute als „Verräter“ und „Dreckschweine“.
Erst der linke Sozialdemokrat und hessische General-
staatsanwalt Fritz Bauer erkämpfte im berühmten
Remer-Prozess einen anderen Blick. Er machte damals
klar: Ein Unrechtsstaat, der täglich Zehntausende Morde
begehe, berechtigt jedermann zur Notwehr. – Diese De-
batten begleiteten die Geschichte der Bundesrepublik.
Ich erinnere an die Debatten über die erste Wehrmachts-
ausstellung, den Historikerstreit, die Rehabilitierung der
Wehrmachtsdeserteure und eben die pauschale Rehabili-
tierung der Kriegsverräter.
Vor dreieinhalb Jahren hat die Fraktion Die Linke ei-
nen entsprechenden Gesetzentwurf in den Bundestag
eingebracht. Bedenkt man, dass es um offenbare Un-
rechtsurteile geht – die für jeden ersichtlich sind –, so
waren diese Jahre ein wahrer Krimi, in dem oft nicht an
der Sache orientiert diskutiert wurde, sondern in dem
Parteitaktik dominierte. Auch das muss heute angespro-
chen werden. In der ersten Lesung des Gesetzentwurfs
der Linken waren bis auf die Linke und Bündnis 90/Die
Grünen alle anderen Fraktionen gegen dieses Anliegen.
Sätze, die in der damaligen Debatte gefallen sind, will
ich Ihnen und mir heute ersparen. Die Linke hat immer
wieder gesagt, dass sie sogar ihren Gesetzentwurf zu-
rückziehen würde, wenn es einen entsprechenden Ge-
setzentwurf gäbe, der das gleiche Ziel zum Inhalt hat.
Denn nach einiger Zeit war das Anliegen nicht mehr um-
stritten, sondern das Hauptproblem war der Entwurfs-
verfasser. Schade, dass an solch einer Frage diese Spiel-
chen stattgefunden haben!
Trotzdem wird der Bundestag am Ende der 16. Wahl-
periode nun dieses „letzte Tabu“ beseitigen. Dies wäre
ohne beharrliche Diskussionen, ohne die Unterstützung
kritischer Journalisten, ohne die Interventionen von Per-
sönlichkeiten wie Bischof Huber oder Joachim Gauck,
ohne das Engagement von Juristenvereinigungen und
nicht zuletzt ohne das ständige Insistieren von Ludwig
Baumann nicht möglich gewesen. Auch das Gutachten
vom ehemaligen Verfassungsrichter Klein, CDU, hat den
Druck noch einmal erhöht.
Dass nach über drei Jahren des Diskutierens, des Ver-
tagens, des Nervens und des Argumentierens alles inner-
halb von einem Tag in den Bundestag kommt, hat auch
etwas damit zu tun, dass die Grünen und einige ent-
schlossene Mitglieder der SPD bereit waren, einen Ge-
setzentwurf einer Gruppe von Abgeordneten zu initiie-
ren, der das vorgeschobene und alberne Argument, einer
Vorlage der Linken könne man nicht zustimmen, einfach
umging. Dass am heutigen Tage nun auch die CDU/CSU
bereit ist, die Kriegsverräter ohne Wenn und Aber zu re-
habilitieren, ist ein Erfolg, und ich begrüße dies aus-
drücklich.
Auf Unverständnis stößt in der Gesellschaft aber die
nach wie vor bestehende Verweigerungshaltung der
CDU/CSU-Fraktion, einen gemeinsamen Gesetzent-
wurf aller Fraktionen zur Rehabilitierung heute zu bera-
ten. Kauder will die Linke ausgrenzen. Der parlamenta-
rische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Dr. Norbert
Röttgen, ließ erneut mitteilen, die Linke könne den von
den anderen Fraktionen im Hause getragenen Gesetzent-
wurf nicht mit einbringen, ausgerechnet die Fraktion, die
vor Jahren einen fast gleichlautenden Gesetzentwurf
vorlegte, zu einem Zeitpunkt, als die Union in Person
von Herrn Geis noch eine ganz und gar entgegengesetzte
Position vertrat. Dies ist kleinkariert. Wir sagen: Sei es
drum. Entscheidend ist heute, dass die Rehabilitierung
zustande kommt. Das zählt.
Fritz Bauer sagte vor vielen Jahren: „Ein Unrechts-
staat wie das Dritte Reich ist überhaupt nicht hochver-
ratsfähig.“ Und mit Blick auf die Kriegsverräter kann ich
nur sagen: Der Verrat eines verbrecherischen Angriffs-
und Vernichtungskrieges ist keine Straftat – sondern eine
Heldentat. – Dies hat der Bundestag heute festgestellt.
Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Ende gut, alles gut. So möchte man heute nur noch we-
nige Stunden vor Beginn der parlamentarischen Som-
merpause sagen. Ich gebe zu, ich bin erleichtert, dass es
quasi in allerletzter Minute gelungen ist, ein wichtiges,
ein notwendiges Gesetz auf den Weg zu bringen. Das ist
gut für die Betroffenen, das ist aber auch gut für das Par-
lament. Wir haben uns alle entschieden, wer die richtige
und wer die falsche Seite in Angriffs- und Vernichtungs-
krieg war. Bei der Rehabilitierung der Opfer des Zweiten
Weltkriegs durfte nicht der Eindruck hängen bleiben,
man sei zu keiner gemeinsamen Lösung zwischen den
Fraktionen fähig. Die Hartnäckigkeit, mit der wir die
vollständige Rehabilitierung dieser Opfergruppen betrie-
ben haben, hat sich am Ende ausgezahlt.
Was wir heute beschließen, ist längst überfällig. Wir
hatten schon unter Rot-Grün dafür gestritten, auch die
sogenannten Kriegsverräter zu rehabilitieren. Die dama-
lige unselige Debatte über die Deserteure muss heute
26090 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009
(A) (C)
(B) (D)
nicht mehr geführt werden. Heute ist die militärge-
schichtliche Forschung weiter und sie zeigt deutlich:
Wegen Kriegsverrates wurde vor die Schranken der Ter-
rorjustiz vor allem gezerrt, wer Gegner des Regimes war.
Das konnte Konservative genauso treffen wie Sozialde-
mokraten oder Kommunisten.
Aufgrund § 57 Militärstrafgesetzbuch musste bei-
spielsweise ein Soldat sterben, weil er für die Angehöri-
gen eines KZ-Häftlings zwei Reichsmark gespendet
hatte. In der Urteilsbegründung machten die Unrechts-
richter aus der Spende von Deutschen für Deutsche eine
angebliche Hilfe für die Sowjetunion. Und als Rechts-
folge für einen Akt von Solidarität und Mitmenschlich-
keit drohte der NS-Staat einzig die Todesstrafe an. Diese
Rechtsprechung des Terrors erfordert geradezu zwin-
gend, die darauf gestützten Urteile aufzuheben.
Wir müssen diese Urteile pauschal aufheben. Die Ein-
zelfallprüfung hat sich nicht bewährt, und sie wäre den
Betroffenen auch nicht zumutbar. Die Sachverständigen
haben überzeugend dargelegt, wie schwierig es ist, die
damaligen Fälle neu aufzurollen. Es ist ein Unding, dass
Lücken im Aktenbestand zulasten der Antragsteller ge-
hen. Bei normalen Rehabilitationsverfahren mag das
hinnehmbar sein. Aber Kriegsverrat war eben kein nor-
maler Straftatbestand, sondern das war politisches Straf-
recht des NS-Staates. Die Urteile gehören darum endlich
aufgehoben.
Anlage 22
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Antrags: Förderung von Ver-
trauen, Sicherheit und Datenschutz in E-Go-
vernment und E-Business (Zusatztagesord-
nungspunkt 10)
Clemens Binninger (CDU/CSU): Die Kommunika-
tion über das Internet ist aus dem Alltag der Menschen
nicht mehr wegzudenken. Mehr als zwei Drittel aller
Haushalte in Deutschland haben inzwischen einen Inter-
netzugang. Die Mehrzahl der Bürgerinnen und Bürger
nutzt die Angebote rege, die das Netz bietet. Man kom-
muniziert per E-Mail, beteiligt sich an Diskussionsforen
wie Abgeordnetenwatch oder bestellt Bücher und andere
Produkte online. Neben den kommerziellen Angeboten
der Wirtschaft wächst auch das Dienstleistungsangebot
der öffentlichen Verwaltung im Netz zunehmend. Seinen
Wahlschein oder eine zusätzliche Lohnsteuerkarte kann
man beispielsweise in vielen Städten und Gemeinden in-
zwischen online beantragen.
Die elektronische Kommunikation ist deswegen so be-
liebt, weil sie schnell und günstig ist. Alle Beteiligten pro-
fitieren von den Vorteilen, die sie mit sich bringt gleicher-
maßen. Dies gilt für Bürgerinnen und Bürger,
Unternehmen und Behörden. Deswegen ist die Informa-
tionstechnologie als Schlüsseltechnologie für unser Jahr-
hundert so bedeutend wie die Eisenbahn für das 19. und
das Auto für das 20. Jahrhundert. Unverzichtbare Grund-
lage für die Nutzung elektronischer Kommunikationsmit-
tel ist allerdings das Vertrauen der Menschen. Nur wenn
elektronische Kommunikationsdienste hohen Standards
hinsichtlich Sicherheit und Datenschutz genügen, finden
sie das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger. Nur wenn
krimineller Missbrauch ausgeschlossen ist, sind Unter-
nehmen und Behörden dazu bereit, den Bürgerinnen und
Bürgern ihre Dienste auch elektronisch anzubieten.
In der Frühzeit des Eisenbahnbaus gab es keine ein-
heitlichen Standards. Jeder wählte die Spurbereite, die
ihm am besten erschien. Aber bald folgten Richtmaße.
Auch auf die Erfindung des Automobils folgte bald die
erste Straßenverkehrsordnung. Damit es auf unseren Da-
tenautobahnen nicht zu Unfällen, Staus oder Raserei
kommt, brauchen wir auch für die elektronische Kommu-
nikation Vorschriften. Um das Vertrauen in elektronische
Kommunikationsmittel zu stärken und den elektroni-
schen Geschäfts- und Verwaltungsverkehr weiter voran-
zubringen, müssen wir eine digitale Raumordnung schaf-
fen!
Mit Stolz kann ich sagen, dass wir dabei in dieser Le-
gislaturperiode ein ganzes Stück weitergekommen sind.
Wir haben im Rahmen der Föderalismusreform eine ver-
fassungsrechtliche Grundlage für die Zusammenarbeit
von Bund und Ländern im Bereich der öffentlichen In-
formationstechnik geschaffen. Wir haben den elektroni-
schen Personalausweis eingeführt und wir haben das
E-Government-Programm 2.0 aufgelegt.
Außerdem haben wir in Friedrichshafen unter der
Überschrift Bürgerportale ein viel beachtetes Pilotpro-
jekt ins Leben gerufen, auf das ich näher eingehen will.
Wirtschaft und öffentliche Verwaltung testen im Rahmen
dieses Projekts neue Standards für die elektronische
Kommunikation. In einem lebensechten Szenario wer-
den dabei verschiedenste Anwendungsmöglichkeiten er-
probt, beispielsweise rechtsverbindliche Abschlüsse von
Versicherungspolicen oder die komplette Durchführung
von Verwaltungsangelegenheiten über das Internet. Kern
des Projekts ist ein sicheres Identifikations- und E-Mail-
System. In einem Verbund staatlich zertifizierter, aber
privat betriebener Anbieter sollen die Bürgerinnen und
Bürger mittels sogenannter De-Mails die Möglichkeit er-
halten, rechtsverbindlich über das Internet zu kommuni-
zieren. Mittels De-Ident sollen sie sich außerdem im In-
ternet elektronisch ausweisen können.
Als weiteren Baustein beim Aufbau einer digitalen
Raumordnung müssen wir zu Beginn der kommenden
Legislaturperiode die rechtlichen Voraussetzungen für
De-Mail und De-Ident schaffen. Dazu müssen wir eine
gesetzliche Grundlage für Ausgestaltung und Betrieb
durch akkreditierte Unternehmen erarbeiten und Stan-
dards definieren. Der Grundsatz bei De-Mail lautet, so si-
cher wie ein Brief, aber so einfach wie eine E-Mail. Dem-
entsprechend sind einerseits hohe Anforderungen an
Sicherheit und Datenschutz zu stellen. Andererseits dür-
fen dabei auch keine zu hohen Zugangshürden errichtet
werden. Das gilt auch für De-Ident. Denn ein absolut si-
cheres System nutzt überhaupt nichts, wenn es so kompli-
ziert zu handhaben ist, dass die Bürgerinnen und Bürger
keinen Gebrauch davon machen. Hier müssen wir einen
gangbaren Mittelweg finden.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 26091
(A) (C)
(B) (D)
Sie sehen, wir sind als Gesetzgeber gefordert, das Pi-
lotprojekt in Friedrichshafen aufmerksam zu begleiten.
Denn wenn der 17. Deutsche Bundestag eine umfassende
gesetzliche Grundlage für die elektronische Kommuni-
kation zwischen Bürgerinnen und Bürgern, Unternehmen
und Behörden beschließt, werden die Erfahrungen aus
dem Pilotprojekt von großem Wert sein.
Ein wichtiges Thema ist auch die Einbettung von De-
Mail und De-Ident in eine Gesamtstrategie. Die Union
spricht sich dafür aus, den elektronischen Identitätsnach-
weis mittelfristig in Kombination mit dem elektroni-
schen Personalausweis zum allseits nutzbaren elektroni-
schen Identitätsdokument weiterzuentwickeln. Zukünftig
sollen öffentliche Stellen bei der Identifizierung der Bür-
gerinnen und Bürger in der elektronischen Kommunika-
tion den elektronischen Identitätsnachweis De-Ident ak-
zeptieren und rechtsverbindliche Nachrichten über De-
Mail empfangen und versenden. Teil einer Gesamtstrate-
gie muss auch die Einbindung der neuen Dienste De-
Mail und De-Ident in bereits bestehende Lösungen sein.
Wir müssen beispielsweise sicherstellen, dass die neuen
Standards mit dem elektronischen Gerichts- und Verwal-
tungspostfach, dem Signaturgesetz und der EU-Dienst-
leistungsrichtlinie harmonieren.
Experten rechnen damit, dass in Deutschland allein
mit De-Mail jährliche Einsparungen von einer bis einein-
halb Milliarden Euro realisiert werden können. Die Er-
sparnisse werden bei Bürgerinnen und Bürgern, Unter-
nehmen und Verwaltungen aber nur ankommen, wenn
das neue Angebot rege genutzt wird. Vertrauen, Sicher-
heit und Datenschutz sind für De-Mail und viele andere
Angebote unabdingbare Voraussetzungen. Um Vertrauen,
Sicherheit und Datenschutz zu gewährleisten, schaffen
wir Stück für Stück eine digitale Raumordnung für E-Go-
vernment und E-Business. Damit stärken wir den IT-
Standort Deutschland. Und wir bauen unsere Vorreiter-
rolle aus, die wir durch die Einführung des elektronischen
Personalausweises gewonnen haben.
Dr. Michael Bürsch (SPD): Vor zwei Monaten haben
wir in erster Lesung über ein Gesetz zur Einführung von
Bürgerportalen debattiert. Dabei herrschte weitgehend
Einigkeit darüber, dass die Bemühungen der Bundesre-
gierung im Zusammenhang mit dem „E-Government-
Programm 2.0“ und der „Hightech-Strategie“ richtig und
wichtig sind.
Dazu zählt auch die Frage, wie Bürger und Unterneh-
men auf sicherem Wege die elektronische Kommunika-
tion untereinander und mit Behörden erledigen können.
Im Zeitalter des Internets und der mittlerweile sehr ge-
bräuchlichen Kommunikation via E-Mail gewinnt diese
Frage zunehmend an Bedeutung. Wenn sich neue Me-
dien wie E-Mail und Internet etablieren, dann ist es Auf-
gabe des Gesetzgebers, verlässliche Rahmenbedingun-
gen, insbesondere im Hinblick auf Datensicherheit und
Datenschutz, für die Nutzung dieser Medien zu schaffen.
Es geht um die Errichtung einer digitalen Raumordnung
für die neuen und für viele Bürgerinnen und Bürger mit
Unsicherheiten behafteten Kommunikationsmöglichkei-
ten in den Weiten des World Wide Web. Ohne Vertrauen
in elektronische Kommunikationsdienste wie etwa Inter-
netprovider ist eine solche Ordnung nicht möglich. Das
Gesetz zur Errichtung von Bürgerportalen dient daher
der Aufstellung klarer, verbindlicher Regeln für die
Kommunikation per E-Mail und ist insofern gut geeig-
net, das notwendige Vertrauen zu schaffen. Rechtsver-
bindliche Kommunikation zwischen Bürgerinnen und
Bürgern bzw. Wirtschaftsunternehmen einerseits und
staatlichen Stellen andererseits erfordert die Garantie un-
verfälschter Übermittlung sowie eindeutiger Identifizie-
rung der Kommunikationspartner sowie die Möglichkeit
einer rechtssicheren Zustellung elektronischer Doku-
mente.
Diesen Erfordernissen sollte der vorliegende Gesetz-
entwurf gerecht werden: Er sieht gesetzliche Rahmenbe-
dingungen und technische Grundlagen für die Schaffung
sogenannter Bürgerportale im Internet vor. Diese Portale
sollen wie eine Art E-Mail-Intranet funktionieren. Dazu
müssen Privatpersonen oder Unternehmen ein elektroni-
sches Postfach eröffnen, über das sie später mit staatli-
chen Stellen kommunizieren können und das mit techni-
schen Sicherheitsvorkehrungen versehen sein soll,
sodass unbefugte Zugriffe durch Dritte unmöglich sind.
Ein sicheres Postfach lässt sich wechselseitig für alle
Angelegenheiten mit rechtlich verbindlichem Charakter
nutzen, also etwa für Widersprüche gegen Steuerbe-
scheide, Kaufverträge, Mahnungen usw.
Die SPD-Fraktion unterstützt das Vorhaben der Bun-
desregierung nach wie vor. Allerdings haben die Bera-
tungen seit der ersten Lesung gezeigt, dass das Gesetz
– vor allem angesichts der Kürze der zur Verfügung ste-
henden Zeit – noch nicht beschlussreif ist. Eine Reihe of-
fener Fragen bedürfen noch einer gründlicheren Klärung,
sodass wir uns in der Koalition darauf verständigt haben,
mit dem heute vorliegenden Antrag die Richtung für ein
Gesetz in der kommenden Legislaturperiode vorzuschla-
gen.
Dabei steht für uns im Mittelpunkt, mit einer gesetzli-
chen Regelung Sicherheit der Kommunikation und
Rechtsverbindlichkeit zu gewährleisten und dabei mög-
lichst geringe Zugangshürden für alle Nutzerinnen und
Nutzer von Bürgerportalen bzw. De-Mail zu errichten.
Elektronische Dienste müssen nutzerfreundlich und bar-
rierefrei sein. Dabei muss zugleich ein hoher Daten-
schutzstandard gewährleistet werden. Wie das im Ein-
zelnen aussehen wird, kann das in Friedrichshafen
geplante Pilotprojekt zur Einführung von Bürgerportalen
zeigen. Sinnvoll wäre vor allem, wenn sich alle am Bür-
gerportal interessierten Akteure an der Erarbeitung der
gesetzlichen Rahmenbedingungen beteiligen.
Gerade im Zeitalter der elektronischen Kommunika-
tion müssen die etablierten Standards von Transparenz
und Partizipation fortgelten. Daher unterstützen wir alle
Bemühungen, mithilfe einer neuen digitalen Raumord-
nung gleichberechtigte Teilhabe an der „Ressource Kom-
munikation“ auch im 21. Jahrhundert zu sichern.
Gisela Piltz (FDP): Der Antrag, den die Koalition
hier vorlegt, ist schon an sich ein Armutszeugnis für die
politische Handlungsfähigkeit der sogenannten Großen
26092 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009
(A) (C)
(B) (D)
Koalition. Sie hatten jetzt vier Jahre Zeit, sich um die
Verbesserung und Stärkung des E-Governments zu küm-
mern. Und dann kommen Sie in der letzten Sitzungswo-
che in einer Nacht-und-Nebel-Aktion mit so einem An-
trag.
Um das Bürgerportalgesetz, über welches sich die
Koalition nicht einig werden konnte, ist es nicht im Min-
desten schade. Aber statt dann die Konsequenz aus den
Zweifeln in den eigenen Reihen sowie von zahlreichen
Experten zu ziehen und es einfach zu lassen, schreiben
Sie einen Antrag, in dem Sie die Bundesregierung „bit-
ten“, den Murks weiter zu betreiben. Da kann ich nur
noch ungläubig den Kopf schütteln.
In Ihrem Antrag gehen Sie genau auf dem Holzweg
weiter, den Sie mit Ihrem Gesetzentwurf schon beschrit-
ten hatten. Sie setzen auf das Mammutprojekt De-Mail
statt auf von der Wirtschaft entwickelte funktionierende
Standards für sichere elektronische Kommunikation. Es
ist illusorisch, anzunehmen, dass eine Bundesbehörde
besser geeignet ist, die Standards zu entwickeln, als Lö-
sungen, die am Markt stetig fortentwickelt werden.
Wenn die deutschen Behörden künftig unter Rückgriff
auf die zahlreichen guten Lösungen am Markt die Nach-
frage nach sicheren Kommunikationsstandards verstär-
ken würden, wäre damit eine ordnungspolitisch saubere
Lösung gefunden, die zudem eher Gewähr bietet, dass
aktuelle Standards fortentwickelt werden. Der Staat ist
nicht der bessere Anbieter von Technologien.
Offensichtlich haben Sie wenigstens erkannt, dass es
bei der Frage der förmlichen Zustellung mittels elektro-
nischer Post Probleme gibt, die in dem früheren Gesetz-
entwurf völlig unzureichend geregelt waren. Die Aus-
wirkungen auf das Verwaltungsverfahren waren und sind
nicht zu Ende gedacht angesichts dessen, dass die Koali-
tion vier Jahre Zeit hatte, sich damit zu befassen, wie
eine sinnvolle und notwendige Stärkung von E-Govern-
ment aussehen könnte und wie sich das auf das Verwal-
tungsverfahren auswirkt. Insbesondere haben Sie es ver-
säumt, sich damit zu befassen, wie E-Government
anwenderfreundlich und rechtssicher für die Bürgerin-
nen und Bürger ausgestaltet werden kann. Einen zielfüh-
renden Vorschlag vermag ich in Ihrem Antrag dazu nicht
zu erkennen.
Noch immer halten Sie an dem verfehlten Konzept
fest, dass der elektronische Personalausweis mit der
Funktion des elektronischen Identitätsnachweises mit
De-Mail verknüpft werden soll. Damit konterkarieren
Sie die angebliche „Freiwilligkeit“ der Nutzung dieser
Funktion im Personalausweis. Denn die Folge wird sein,
dass jeder, der nicht mehr Nummern ziehen will, ge-
zwungen ist, den elektronischen Personalausweis inklu-
sive der Identitätsfunktion zu verwenden. Damit ist die
Freiwilligkeit nurmehr ein leeres Versprechen.
Sichere Identifikation im E-Commerce und im E-Go-
vernment ist erforderlich, um Vertrauen zu schaffen und
Missbrauch vorzubeugen. Dass aber auch hier wieder
der Staat der – einzige – Anbieter sein soll, erschließt
sich aus ordnungspolitischer Sicht nicht, zumal auf dem
privaten Markt durchaus entsprechende Technologien
angeboten und entwickelt werden. Aus innenpolitischer
Sicht, insbesondere mit Blick auf den Datenschutz, ist es
erst recht nicht klug, zusätzliche und für den eigentli-
chen Zweck nicht erforderliche Daten auf dem Personal-
ausweis zu speichern. Die FDP-Bundestagsfraktion
lehnt den E-Personalausweis nach wie vor ab. Es ist aus
Sicht des Datenschutzes unverantwortlich, diesen nun
zur Voraussetzung für die Teilnahme an der modernen
Verwaltung zu machen.
Die FDP-Bundestagsfraktion hat immer wieder be-
tont, dass die Fortentwicklung und Stärkung von E-Go-
vernment für eine moderne, leistungsfähige und bürger-
freundliche Verwaltung von großer Bedeutung sind. Wir
sind gerne bereit, an einer sinnvollen Gesamtstrategie
konstruktiv mitzuarbeiten. In meiner Heimatstadt Düssel-
dorf, in der die FDP seit Jahren Regierungsverantwortung
trägt, ist E-Government kein leeres Wort, sondern leben-
dige Verwaltungswirtschaft. Gerade vor dem Hintergrund
der Umsetzung der EU-Dienstleistungsrichtlinie ist es
ohnehin geboten, E-Government-Angebote, die auch von
den Bürgerinnen und Bürgern sowie Unternehmen aus
dem EU-Ausland genutzt werden können, nun zügig um-
zusetzen. Hier eine Insellösung mit dem E-Perso und De-
Mail zu schaffen, ist der falsche Weg.
Ihren Antrag kann die FDP-Bundestagsfraktion daher
nicht unterstützen.
Jan Korte (DIE LINKE): Der Titel des Antrages der
Koalition, der heute Gegenstand der Beratungen ist,
klingt verheißungsvoll, fast könnte man meinen, Union
und SPD wollten vor sich selber warnen. Und den ersten
vier Sätzen im Feststellungsteil kann die Linke auch
noch vollauf zustimmen. Dann allerdings wird es bereits
kompliziert, und politisch geht es in die völlig falsche
Richtung. Am Ende steht der Versuch, sich auf den letz-
ten Drücker mit diesem Antrag quasi eine Blankovoll-
macht für ein weiteres, in seinen Ausmaßen und Konse-
quenzen noch überhaupt nicht abzusehendes Großprojekt
zu erteilen. Doch der Reihe nach.
Ihre Sorge gilt in erster Linie dem elektronischen Ge-
schäftsverkehr. Das für diesen notwendige Vertrauen der
Bürgerinnen und Bürger in die elektronischen Kommu-
nikationsdienste ist nicht zuletzt durch die regelmäßig
auftretenden Datenschutzskandale empfindlich gestört.
Nun soll durch eine Gesamtstrategie, die unter anderem
die Einführung eines elektronischen Identitätsnachwei-
ses und einer elektronischen Signatur sowie von De-
Mail und Bürgerportalen enthält, das Vertrauen wieder-
hergestellt werden. Ihr Antrag liest sich dann auch wie
ein Heilsversprechen.
Sie suggerieren, dass sich mit ihren Projekten, die al-
lesamt datenschutzrechtlich und technisch umstritten,
teilweise noch nicht machbar und schon gar nicht praxis-
erprobt sind, ein Höchstmaß an Sicherheit für Bürgerin-
nen und Bürger sowie den Geschäftsverkehr im Netz er-
reichen ließe. Aber Sie wissen es so gut wie ich: Jedem
Menschen, der jemals einen Geldautomaten oder einen
PC benutzt hat, ist klar, dass Computer regelmäßig ver-
sagen. Einen absoluten Schutz vor Manipulationen kann
und wird es nicht geben.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009 26093
(A) (C)
(B) (D)
Wenn man sich dann die Mühe macht und Ihre angeb-
lich so sicheren neuen Lösungen hinterfragt und etwas
genauer ansieht, dann kommt man zu dem Ergebnis,
dass etwas mehr Datensicherheit mit sehr viel mehr
Überwachung, Monopolisierung von Programmen und
Hardware erkauft werden soll. Mit Datenschutz, mit der
Förderung von Vertrauen, die auch mit Vorleistungen
staatlicherseits zu tun hätte, hat Ihr Antrag nichts im
Sinn.
Datenschutz ist natürlich unlösbar mit dem Aufkom-
men der Computertechnologie und den immer größeren
technischen Möglichkeiten, persönliches Verhalten auto-
matisiert zu registrieren, personenbezogene Daten aus-
zuwerten, miteinander zu verknüpfen und daraus
Schlüsse zu ziehen, verbunden. Darüber hinaus gewinnt
in einer digitalen Welt die Frage, wie bei elektronischen
Diensten die Identität der Beteiligten festgestellt und ge-
schützt werden kann und welche Daten dabei offenbart
werden, immer mehr an Bedeutung. Identitätssicherung
ist allerdings mehr als die bloße Identifizierung einer
Person. Sie ist vielmehr die Sicherung individueller Frei-
heit und Freizügigkeit, von unbeobachtetem Handeln
und Wandeln bei gleichzeitigem Schutz gegen Betrug
und Missbrauch. Die Sicherung von unbeobachtetem
Handeln und der Schutz davor, dass Daten aus allen
möglichen Bereichen über Bürgerinnen und Bürger zu
Persönlichkeitsprofilen zusammengeführt werden, stellt
eine Grundbedingung eines grundrechtskonformen ID-
Managements dar. Sie hingegen versuchen, uns weiszu-
machen, dass Identitätsmanagement eine umfassende
Personalisierung, Registrierung und Kontrolle bedeutet.
Meine Damen und Herren von der Regierungskoali-
tion; das Gegenteil ist der Fall.
Die in § 3 a des Bundesdatenschutzgesetzes enthalte-
nen Vorgaben Datenvermeidung und Datensparsamkeit
müssen der Maßstab sowohl für die Kommunikation
zwischen den Bürgerinnen und Bürgern mit staatlichen
Stellen als auch bei kommerziellen Transaktionen jeder
Art sein. Liest man Ihren Antrag kritisch, können einem
schon erhebliche Zweifel kommen. Sie wollen unter
dem Stichwort E-Government alle möglichen Behörden
und Institutionen miteinander vernetzen. Wie dabei die
„informationelle Gewaltenteilung“ bestehen bleiben
soll, also die Trennung zwischen den von verschiedenen
Verwaltungsbereichen für unterschiedliche Zwecke er-
hobenen Daten, das behalten Sie für sich.
Auch stellt sich nach wie vor die Frage, ob das von
Wirtschaft und öffentlicher Verwaltung getragene Projekt
De-Mail ebenso wie DE-Safe technisch überhaupt ausge-
reift genug sind, um damit Pilotprojekte zu starten. Die
damit in Zukunft mögliche Verknüpfung des Identitäts-
managements im Internet mit der schon angestrebten Er-
fassung des Fingerabdrucks gibt gleichfalls nach wie vor
großen Anlass zur Sorge. Das bislang eher aus Science-
Fiction-Romanen bekannte Risiko eines Identitätsdieb-
stahls oder seiner Verfälschung könnte schon sehr bald
real werden.
Bei der Verabschiedung des Gesetzes über die Ein-
führung eines elektronischen Personalausweises ver-
kaufte uns die SPD-Fraktion die Freiwilligkeit der Ab-
gabe von Fingerabdrücken noch als großen Sieg gegen
CDU/CSU und für die Bürgerrechte. Angesichts des vor-
liegenden Antrages und der darin in Zukunft möglich ge-
wordenen Verknüpfung des geplanten sicheren Internet-
verkehrs und der Abgabe von Fingerabdrücken im
elektronischen Personalausweis ist der Koalitionskom-
promiss aus 2008 ein Pyrrhussieg der SPD. Der Vertrau-
ensvorschuss, den Sie einmal mehr von Bürgerinnen und
Bürgern und auch von uns als Opposition verlangen, ist
schlichtweg zu hoch. Die ganze Legislaturperiode ist ein
einziges vernünftiges Argument dafür, dass Misstrauen
in Ihre Projekte in diesem Bereich das einzig mögliche
angemessene Verhalten ist.
Zu mehr Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger
– das lässt sich schon heute prognostizieren, ohne dass
man dafür ein Prophet sein muss – wird Ihre Gesamtstra-
tegie nicht führen. Dies hat selbst BKA-Präsident
Ziercke in Bezug auf die Einführung des E-Passes wie
auch die Bundesregierung in einer Antwort auf eine
Kleine Anfrage der Linksfraktion einräumen müssen.
Sie wollen jetzt, am letzten regulären Sitzungstag die-
ser Wahlperiode und noch dazu zu nachtschlafender Zeit,
eine Generalvollmacht für die Fortsetzung und Auswei-
tung einer Hightech-Kommunikationsstrategie durch das
Parlament peitschen, obwohl wesentliche Punkte Ihrer
Strategie völlig unklar bleiben, rechtlich umstritten und
noch dazu zahlreiche technische Fragen nach wie vor un-
geklärt sind. Die Linke kann einer solchen an den Bedürf-
nissen der Bürgerinnen und Bürger vorbeigehenden Si-
cherheitspolitik nicht zustimmen.
Silke Stokar von Neuforn (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN): Es hat sich mir nicht erschlossen, welche
politische Botschaft der großen Koalition sich hinter die-
sem in aller Eile auf die Tagesordnung gesetzten Zusatz-
punkt verbirgt.
Wollen Sie jetzt für alle nachlesbar noch einmal doku-
mentieren, dass Sie beim Thema E-Government außer
ein paar Absichtserklärungen nichts Wesentliches vorzu-
weisen haben, oder wollen Sie von dem völlig miss-
glückten Projekt „Bürgerportale“ ablenken?
Zum Ende der Legislaturperiode, in der letzten Sit-
zungswoche, teilen Sie uns in einem Antrag mit, was die
Aufgaben der kommenden Jahre sein sollten. Warum ha-
ben Sie das E-Government-Programm 2.0 nicht in der
Regierungszeit der großen Koalition – wie angekündigt –
tatsächlich zumindest in einzelnen Projekten realisiert?
Sie kommen zu der Erkenntnis, dass Vertrauen in Da-
tenschutz und Datensicherheit gefördert werden muss,
damit es eine Akzeptanz für E-Government und E-Busi-
ness gibt. Prima, warum haben Sie diese Erkenntnis
nicht umgesetzt, zum Beispiel in einem Gesetz für Bür-
gerportale oder beim De-Mail-Projekt? Oder warum ver-
weigern Sie trotz nicht enden wollender Datenschutz-
skandale weiterhin klare verbraucherfreundliche Regeln
für den Datenschutz in der Privatwirtschaft?
Letztendlich legen Sie noch einmal fest, dass der elek-
tronische Personalausweis mit dem umstrittenen Finger-
26094 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 230. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009
(A) (C)
(B) (D)
abdruck zukünftig der alleinige Schlüssel zum Zugang
zum E-Government sein soll. Sie geben keine Garantie
für eine End-zu-End-Verschlüsselung, die in der Hand
der Nutzerinnen und Nutzer liegt. Unter E-Government
verstehen Sie die permanente Pflicht, sich elektronisch
identifizieren zu müssen, sie lassen den geheimen Blick
der Sicherheitsbehörden in die De-Mail zu, sie schützen
die Verbraucherinnen und Verbraucher nicht vor einer
weiteren Datensammelwut, wenn Sie sich zukünftig mit
dem elektronischen Ausweis im E-Business identifizie-
ren müssen. Ihre E-Government-Projekte sind weitere
Überwachungs- und Ausforschungsprojekte.
Wir wollen ein interaktives E-Government, und als
ersten Schritt sollten die Ministerien der kommenden
Bundesregierung Internetbürgerportale einrichten, auf
denen es im Sinne der Informationsfreiheit möglich ist,
per Mausklick grundsätzlich Einblick in die Akten zu
nehmen. Wir wollen eine Bürgerkarte für das E-Govern-
ment, bei denen allein die Nutzerinnen und Nutzer ent-
scheiden, welche Informationen über Sie freigegeben
werden; und wir wollen die Sicherheit, dass E-Govern-
ment nicht heimlich überwacht wird.
Erst, wenn Sie wirklich Datenschutz und Datensicher-
heit schaffen, wird es Vertrauen in E-Government-Projekte
wie De-Mail geben. Wer den elektronischen Ausweis
durchsetzen will, indem er immer neue Kopplungen
schafft, begeht Nötigung, und das ist das Gegenteil von
Vertrauen schaffen. Ihren Antrag lehnen wir ab. Als
Schlussbemerkung lassen Sie mich sagen: Ich finde es
wenig demokratisch, wenn Sie hier als Zusatzpunkt, ohne
Beratung in den Ausschüssen und ohne öffentliche De-
batte in der letzten Sitzungswoche einer zukünftigen Re-
gierung vorschreiben wollen, wo sie ihre Schwerpunkte
legen soll.
230. Sitzung
Berlin, Donnerstag, den 2. Juli 2009
Inhalt:
Redetext
Anlagen zum Stenografischen Bericht
Anlage 1
Anlage 2
Anlage 3
Anlage 4
Anlage 5
Anlage 6
Anlage 7
Anlage 8
Anlage 9
Anlage 10
Anlage 11
Anlage 12
Anlage 13
Anlage 14
Anlage 15
Anlage 16
Anlage 17
Anlage 18
Anlage 19
Anlage 20
Anlage 21
Anlage 22