(D
Berichtigung
216. Sitzung, Seite 23487 (D), letzter Absatz: Der zweite Satz ist wie
folgt zu lesen: „Das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz
in Nordrhein-Westfalen misst TMDD seit 2005 in seinem Gewässerunter-
suchungsprogramm und weist diesen Stoff seitdem in Flüssen des Landes
in Konzentrationen von 0,1 bis 3 µg/l nach.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. Mai 2009 23945
(A) )
(B) )
fügen oftmals über Berufserfahrung und sind stärker an
ziehenden gerne arbeiten würden – auch unter nicht er-
werbstätigen Müttern mit Kindern unter drei Jahren ist
der Wunsch zu arbeiten weit verbreitet: mehr als die
Hälfte von ihnen möchte arbeiten. Alleinerziehende ver-
Nešković, Wolfgang DIE LINKE 06.05.2009
Pau, Petra DIE LINKE 06.05.2009
Dr. Scheer, Hermann SPD 06.05.2009
Anlage 1
Liste der entschuldigt
*
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Abgeordnete(r)
entschuldigt bis
einschließlich
Andreae, Kerstin BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
06.05.2009
Barnett, Doris SPD 06.05.2009*
Beck (Köln), Volker BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
06.05.2009
Becker, Dirk SPD 06.05.2009
Bodewig, Kurt SPD 06.05.2009
Borchert, Jochen CDU/CSU 06.05.2009
Dörflinger, Thomas CDU/CSU 06.05.2009
Ernstberger, Petra SPD 06.05.2009
Eymer (Lübeck), Anke CDU/CSU 06.05.2009
Fischer (Karlsruhe-
Land), Axel E.
CDU/CSU 06.05.2009*
Gehrcke, Wolfgang DIE LINKE 06.05.2009
Dr. Geisen, Edmund FDP 06.05.2009
Gleicke, Iris SPD 06.05.2009
Hänsel, Heike DIE LINKE 06.05.2009
Hill, Hans-Kurt DIE LINKE 06.05.2009
Humme, Christel SPD 06.05.2009
Irber, Brunhilde SPD 06.05.2009
Dr. Jahr, Peter CDU/CSU 06.05.2009
Krichbaum, Gunther CDU/CSU 06.05.2009
Lafontaine, Oskar DIE LINKE 06.05.2009
Lehn, Waltraud SPD 06.05.2009
Lührmann, Anna BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
06.05.2009
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Anlagen zum Stenografischen Bericht
en Abgeordneten
für die Teilnahme an den Sitzungen der Westeuropäischen Union
für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver-
sammlung der NATO
nlage 2
Antwort
es Parl. Staatssekretärs Dr. Hermann Kues auf die
rage der Abgeordneten Ina Lenke (FDP) (Drucksa-
he 16/12816, Frage 2):
Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung resultie-
rend aus den Erkenntnissen der Repräsentativumfrage „Al-
leinerziehende: Lebens- und Arbeitssituation sowie Lebens-
pläne“ – Herbst 2008 –, um die Lebens- und Arbeitssituation
von Alleinerziehenden zu verbessern?
Wie Sie wissen, machen Alleinerziehende fast
0 Prozent aller Familien mit Kindern unter 18 Jahren in
eutschland aus. Von den insgesamt 2,2 Millionen
indern aus Alleinerziehendenhaushalten leben rund
00 000 Kinder mit einem Armutsrisiko. Bei Allein-
rziehenden sind die fehlende oder eine nur einge-
chränkte Erwerbsbeteiligung, die Zahl und das Alter
er Kinder und eventuell ausbleibende Unterhaltszah-
ungen wesentliche Einflussfaktoren für niedrige Haus-
altseinkommen und für den häufig lang dauernden Ver-
leib in prekären Einkommenslagen. 42 Prozent der
lleinerziehendenhaushalte sind hilfebedürftig im Sinne
es SGB II. In diesen 650 000 Haushalten lebt circa
Million Kinder. Längsschnittuntersuchungen zeigen,
ass Alleinerziehende das gegenüber den anderen Be-
arfsgemeinschaften höchste Risiko einer im Zeitverlauf
auerhaften Hilfebedürftigkeit haben.
Aktuelle Befragungen – unter anderem auch die in
er Frage erwähnte Allensbach-Befragung – zeigen,
ass fast zwei Drittel der nicht erwerbstätigen Alleiner-
chily, Otto SPD 06.05.2009
r. Schui, Herbert DIE LINKE 06.05.2009
r. Stinner, Rainer FDP 06.05.2009**
trothmann, Lena CDU/CSU 06.05.2009
r. Tabillion, Rainer SPD 06.05.2009
bgeordnete(r)
entschuldigt bis
einschließlich
23946 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. Mai 2009
(A) )
(B) )
beruflicher Weiterbildung interessiert als Mütter in Paar-
haushalten. Sie sind hochmotiviert, ihren Lebensunter-
halt selbst zu erwirtschaften.
Ausgehend von der vielschichtigen Bedarfslage der
Alleinerziehenden im SGB II kann es die eine zielfüh-
rende Maßnahme für eine nachhaltige Arbeitsmarktinte-
gration nicht geben. Das Bundesministerium für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) und das Bun-
desministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) wollen
gemeinsam mit der Bundesagentur für Arbeit (BA) im
Rahmen einer kooperativen Partnerschaft und im Rah-
men ihrer Zuständigkeiten die Perspektiven für Allein-
erziehende für eine gelingende Arbeitsmarktintegration
verbessern. Dazu werden kontinuierlich Daten und For-
schungserkenntnisse zur Lebenssituation von Allein-
erziehenden und zur Identifizierung geeigneter sozial-,
arbeitsmarkt- und familienpolitischer Ansatzpunkte in
Deutschland sowie im internationalen Vergleich gesich-
tet und ausgewertet. Neben der bereits erwähnten Befra-
gung von Alleinerziehenden durch das Institut für De-
moskopie Allensbach Ende 2008, hat das BMFSFJ im
Dezember 2008 wichtige Erkenntnisse in einem Monitor
Familienforschung „Alleinerziehende in Deutschland“
und im März 2009 in einem Dossier „Vereinbarkeit von
Familie und Beruf für Alleinerziehende“ veröffentlicht.
Das BMAS wird für die Jahre 2009 bis 2011 ein interna-
tional vergleichendes Forschungsprojekt zur Arbeits-
marktintegration und zur sozioökonomischen Situation
von Alleinerziehenden ausschreiben.
Am 26. Mai 2009 wird vom BMAS, BMFSFJ und der
BA in Kooperation die Fachtagung „Perspektiven für
Alleinerziehende – Fachtagung im SGB II“ in Berlin
durchgeführt. Im Mittelpunkt der Tagung stehen innova-
tive und praxisgerechte Impulse zur Stärkung Allein-
erziehender mit guten Beispielen in den Bereichen Be-
schäftigung, Qualifizierung, Kinderbetreuung, Beratung/
Fallmanagement sowie Netzwerkbildung. ARGEn,
Lokale Bündnisse, MGHs und andere relevante Akteure
werden sich intensiv austauschen und miteinander disku-
tieren.
Wir wissen, dass Alleinerziehende in ihrer Lebenssi-
tuation ein funktionierendes Backup benötigen, eine be-
darfsgerechte und zielgenaue Unterstützung. In einem
vom BMFSFJ im April 2009 gestarteten, einjährigen
Modellprojekt mit zwölf Pilotstandorten werden bei-
spielhaft stabile und nachhaltige Netzwerkstrukturen zur
wirksamen Integration von Alleinerziehenden in den Ar-
beitsmarkt etabliert. Im Kern geht es um ein besseres
Ineinandergreifen von eher fallbezogener Arbeit der
Arbeitsagenturen mit Netzwerken, die infrastrukturbezo-
gene Akzente setzen. Dabei soll die Kooperation zwi-
schen SGB-II-Einrichtungen und anderen Akteuren wie
Unternehmen, Verbänden, Kammern, Organisationen
und Bildungs- sowie Jugendhilfeträgern, bestehenden
familienpolitischen Netzwerken wie Lokalen Bündnis-
sen für Familie und Mehrgenerationenhäusern im Sinne
der Bildung von Produktionsnetzwerken weiterentwi-
ckelt werden.
Die Projekte decken im Rahmen ihrer Netzwerke ver-
schiedene Ziele ab, unter anderem sollen zentrale
Anlaufstellen für Alleinerziehende in den Gemeinden ein-
gerichtet, passende Beratungsangebote für Alleinerzie-
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ende, die in die Erwerbstätigkeit wechseln, geschaffen,
eilzeitausbildungen entwickelt und die Betreuungs- und
ördersituation für Kinder von Alleinerziehenden ab
em ersten Lebensjahr verbessert werden. Im Rahmen
es Modellprojektes werden Umsetzungsempfehlungen
ür die Netzwerkarbeit in der Fläche sowie Handlungs-
mpfehlungen für die Politik erarbeitet.
Das BMAS hat im April 2009 den Aufruf für den
deenwettbewerb „Gute Arbeit für Alleinerziehende“
eröffentlicht. Ziel des Wettbewerbs ist die Entwicklung
nd Verbreitung von Praxisansätzen, die zu einer verbes-
erten Arbeitsmarktintegration hilfebedürftiger Allein-
rziehender führen und deren Erwerbs- und Verdienst-
hancen erhöhen.
Projekte zu diesem Ideenwettbewerb müssen sich
indestens einem der Handlungsschwerpunkte Aktivie-
ung, Integration in Erwerbstätigkeit und soziale und be-
chäftigungsbezogene Stabilisierung zuordnen lassen.
Für den Ideenwettbewerb stehen insgesamt bis zu
0 Millionen Euro aus ESF- und Bundesmitteln zur Ver-
ügung. Damit sollen mindestens 60 Projekte auf lokaler
nd regionaler Ebene gefördert werden.
Die Ausschreibung für den Ideenwettbewerb erfolgt
uf der Grundlage der Rahmenrichtlinie für thematische
SF-Projektförderungen des BMAS für die Förder-
eriode 2007 bis 2013. Gesucht werden Projekte von
rundsicherungsstellen oder Projekte unter Beteiligung
on Grundsicherungsstellen. Bewerbungsschluss für die
nteressenbekundungen ist der 8. Mai dieses Jahres.
nlage 3
Antwort
es Parl. Staatssekretärs Andreas Storm auf die Frage
er Abgeordneten Cornelia Hirsch (DIE LINKE)
Drucksache 16/12816, Frage 3):
Welche konkreten Schritte will die Bundesregierung um-
setzen, um zentrale Ziele des Bologna-Prozesses wie bei-
spielsweise die soziale Öffnung der Hochschulen oder die
Steigerung der Mobilität innerhalb Deutschlands sowie Euro-
pas zu erreichen, wie dies der Parlamentarische Staatssekretär
bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung Andreas
Storm erklärt (Pressemitteilung vom 29. April 2009)?
Bund und Länder haben für Deutschland durch die
ualifizierungsinitiative die Voraussetzungen für die
ffnung der Hochschulen geschaffen. Das Ziel, die Stu-
ienanfängerquote auf 40 Prozent zu steigern, ist mit
erzeit 39,3 Prozent in greifbare Nähe gerückt. Die mas-
ive Ausweitung der BAföG-Leistungen mit einer Erhö-
ung der Förderung um 10 Prozent und der Freibeträge
m 8 Prozent befördert die soziale Öffnung der Hoch-
chulen. Weitere konkrete Maßnahmen sind im Dritten
ericht zur Umsetzung des Bologna-Prozesses in
eutschland (Bundestagsdrucksache 16/12552) aufge-
ührt. Die studentische Mobilität von und nach Deutsch-
and hat sich seit der Einführung des Bologna-Prozesses
ositiv entwickelt. So gingen 1999 49 000 deutsche Stu-
ierende ins Ausland; 2006 waren es bereits 83 000. Die
ahl der ausländischen Studierenden in Deutschland
Bildungsausländer) erhöhte sich im Zeitraum 1999 bis
007 von 108 000 auf 178 000.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. Mai 2009 23947
(A) )
(B) )
Die internationale Mobilität von Studierenden und
Wissenschaftlern wird in Deutschland bereits lange und
erfolgreich durch erweiterte BAföG-Leistungen und
durch den DAAD und die europäischen Mobilitätspro-
gramme gefördert. Mit der Umstellung auf die neuen
Studienstrukturen sind teilweise Anpassungen bei der
Art der Förderung sinnvoll und wurden schon vorge-
nommen. So fördert der DAAD verstärkt Doppel-
abschlussprogramme (Joint Degrees) und Hochschul-
kooperationen. Die Hochschulen haben zudem die
Möglichkeit, Mobilitätsfenster in den Studienprogram-
men einzubauen, um die Mobilität zu erleichtern.
Anlage 4
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Karl Diller auf die Frage der
Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE)
(Drucksache 16/12816, Frage 6):
Sieht die Bundesregierung in Anbetracht einer Netto-
neuverschuldung von über 50 Milliarden Euro einen Hand-
lungsspielraum für Steuersenkungen in den nächsten Jahren,
und, wenn ja, wie könnten diese Steuersenkungen finanziert
werden?
Die Bundesregierung hat durch die bereits auf den
Weg gebrachten beiden Konjunkturpakete und das Fami-
lienleistungsgesetz zur Stabilisierung von Beschäftigung
und Wachstum beigetragen, indem auch Nachfrage sti-
mulierende Maßnahmen beschlossenen wurden.
Hierzu zählen beispielsweise die steuerlichen Entlas-
tungen bei der Einkommensteuer durch die Senkung des
Eingangssteuersatzes, die Anhebung des Grundfreibetra-
ges, Kinderfreibetrages und Kindergeldes sowie die
Ausweitung der steuerlichen Förderung von Handwer-
kerleistungen. Die Wiedereinführung der Pendlerpau-
schale und die ab 2010 vorgesehene verbesserte Berück-
sichtigung von Vorsorgebeiträgen für den Kranken- und
Pflegeversicherungsschutz sind zwei weitere Maßnah-
men, die zur Entlastung der Steuerpflichtigen führen.
Darüber hinaus sieht die Bundesregierung derzeit keinen
Spielraum für umfassende Steuersenkungen. Auch die
Reform der Verschuldungsregeln, auf die wir uns im
Rahmen der Föderalismusreform II geeinigt haben, geht
von einer fundamentalen Einsicht aus: Weder steigende
Ausgaben noch sinkende Einnahmen des Staates dürfen
auf Dauer über eine weiter steigende Kreditaufnahme fi-
nanziert werden. Wer Netto-Entlastungen fordert, muss
also sagen, wie er sie finanzieren will.
Anlage 5
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Franz Thönnes auf die Frage
des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE)
(Drucksache 16/12816, Frage 7):
Wann wird die Bundesregierung ihren Bericht über die
Lage behinderter Menschen und die Entwicklung ihrer Teil-
habe für die 16. Wahlperiode, welcher im März 2009 vorge-
legt werden sollte (siehe auch Antwort der Bundesregierung
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auf die schriftliche Frage 27 des Abgeordneten Dr. Ilja
Seifert, Bundestagsdrucksache 16/10076), dem Deutschen
Bundestag übergeben?
Der Bericht der Bundesregierung über die Lage be-
inderter Menschen und die Entwicklung ihrer Teilhabe
ür diese Legislaturperiode liegt im Entwurf vor. Er
uss zunächst jedoch noch innerhalb der Bundesregie-
ung abgestimmt werden. Die Ressortabstimmung wird
n Kürze eingeleitet, sodass der Bericht voraussichtlich
m Juni 2009 vom Kabinett beschlossen werden kann
nd anschließend dem Bundestag vorgelegt wird.
nlage 6
Antwort
es Parl. Staatssekretärs Franz Thönnes auf die Frage
es Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE)
Drucksache 16/12816, Frage 8):
Wann wird die Bundesregierung die Fragen zur Berliner
Vermittlungsagentur JobLife – siehe Antwort der Bundes-
regierung vom 25. Februar 2009 zu den Fragen 1 bis 4 aus der
Kleinen Anfrage der Fraktion Die Linke zur „Kontrolle der
Tätigkeit privater Arbeitsvermittler durch die Bundesagentur
für Arbeit“, Bundestagsdrucksache 16/11837, laut der die Er-
mittlungen noch nicht abgeschlossen sind – sachgerecht be-
antworten?
Die Bundesregierung hat die Fragen sachgerecht be-
ntwortet. Auf die Antwort zu der gleichlautenden Frage
r. 34 aus der Fragestunde des Deutschen Bundestages
om 25. März 2009 wird verwiesen. Die Sachlage ist un-
erändert.
nlage 7
Antwort
es Parl. Staatssekretärs Franz Thönnes auf die Frage
er Abgeordneten Irmingard Schewe-Gerigk (BÜND-
IS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 16/12816, Frage 11):
In welcher Höhe muss der Beitragssatz für das Jahr 2010
festgesetzt werden, wenn die Rentenformel nach den Plänen
vom Bundesminister für Arbeit und Soziales, Olaf Scholz, ge-
ändert würde bzw. wenn eine Senkung des aktuellen Renten-
werts für das Jahr 2010 ausgeschlossen würde, und welche
Folgen hätte das für die mittel- und langfristige Entwicklung
des Beitragssatzes?
Die Bundesregierung geht nach der Neueinschätzung
er gesamtwirtschaftlichen Eckwerte davon aus, dass die
ür die Rentenanpassung relevanten Löhne pro Kopf
uch in diesem Jahr steigen werden und es nicht zu einer
enkung des aktuellen Rentenwerts im Jahr 2010 kom-
en würde. Das gesetzgeberische Ausschließen einer
bsenkung des aktuellen Rentenwerts mit dem im
brigen die Anpassungsformel nicht verändert wird, ist
ielmehr eine vertrauensbildende Maßnahme. Auf der
asis der Neueinschätzung der Eckwerte kommt die ge-
etzgeberische Ergänzung im Jahr 2010 nicht zur An-
endung. Somit ergeben sich weder Folgen für die Fest-
etzung des Beitragssatzes für das Jahr 2010 noch für
essen mittel- und langfristige Entwicklung.
23948 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. Mai 2009
(A) )
(B) )
Anlage 8
Antwort
der Parl. Staatssekretärin Marion Caspers-Merk auf die
Frage der Abgeordneten Elisabeth Scharfenberg (BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 16/12816, Frage 12):
Haben die Bundesregierung und die Bundesländer in den
letzten Jahren ausreichende Pandemievorkehrungen getroffen,
und welche Maßnahmen hält die Bundesregierung für sinn-
voll, um eine Ausbreitung der sogenannten Schweinegrippe
zu verhindern?
Bund und Länder sind auf eine Pandemie vorbereitet.
Der gemeinsame Nationale Influenzapandemieplan von
Bund und Ländern wurde erstmals Anfang 2005 und
eine aktualisierte Fassung 2007 veröffentlicht. Der
Nationale Pandemieplan enthält eine Reihe von Maß-
nahmen, Aufgaben und Handlungsempfehlungen, erläu-
tert die wissenschaftlichen Zusammenhänge der Pande-
mieplanung, diente als Grundlage für die Planungen der
letzten Jahre und für das aktuelle Vorgehen.
In der gegenwärtigen WHO-Phase 5 wurde unter an-
derem die Überwachung des Krankheitsgeschehens in-
tensiviert. Reisende aus Mexiko und den USA werden
über Symptome und Verhaltensmaßgaben informiert, da-
mit Infizierte und Kontaktpersonen schnell identifiziert
werden können. Von nicht erforderlichen Reisen nach
Mexiko wird abgeraten. Hygieneempfehlungen wurden
veröffentlicht. Diese Maßnahmen tragen dazu bei, eine
schnelle Ausbreitung des neuen Influenzavirus zu ver-
hindern. Aufgrund der Eigenschaften der Influenzaviren
ist es dennoch nicht auszuschließen, dass es zu einer
weiteren Verbreitung kommen wird. In diesem Fall
würde durch weitere Maßnahmen (zum Beispiel Schul-
schließungen, Absage von Veranstaltungen) versucht
werden, die Infektionsrate zu verringern, um die Belas-
tung der medizinischen Einrichtungen zu reduzieren und
Zeit zur Impfstoffbereitstellung zu gewinnen.
Die Bundesregierung hat zudem die wissenschaftli-
che Entwicklung von Prototypimpfstoffen für den
Influenzapandemiefall gefördert und gemeinsam mit den
Ländern durch Vereinbarungen mit den Impfstoffherstel-
lern sichergestellt, dass in der Pandemie eine frühest
mögliche Bereitstellung eines Impfstoffs für die Bevöl-
kerung gewährleistet ist. Ein solcher Impfstoff kann
nicht bevorratet werden. Er kann erst produziert werden,
wenn das auslösende Virus bekannt ist und für die Impf-
stoffproduktion angepasst wurde. Diese Arbeiten wur-
den bereits begonnen, ein Impfstoff kann voraussichtlich
in drei bis vier Monaten zur Verfügung stehen. Derzeit
werden Erkrankte mit antiviralen Medikamenten behan-
delt.
Anlage 9
Antwort
der Parl. Staatssekretärin Marion Caspers-Merk auf die
Frage der Abgeordneten Elisabeth Scharfenberg (BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 16/12816, Frage 13):
Wie bewertet die Bundesregierung das Gesundheitsrisiko,
das vom sogenannten Schweinegrippenvirus vom Typ H1N1
ausgeht, auch im Vergleich zu anderen Grippeerregern?
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Die für Mexiko vorliegenden Zahlen deuten auf eine
icht unerhebliche Sterblichkeit in Zusammenhang mit
rkrankungen durch das neue Influenzavirus hin. Außer-
alb von Mexiko kam es – bis auf einen Todesfall in den
SA – bisher zu relativ milden Krankheitsverläufen. Die
rsachen für die relativ hohe Sterblichkeit in Mexiko
im Vergleich zu den anderen betroffenen Ländern – ist
isher unklar. Über die Gefährlichkeit des neuen In-
luenzavirus lässt sich daher zum jetzigen Zeitpunkt
eine verlässliche Aussage machen. Der Präsident des
obert Koch-Instituts hat in seiner Situationseinschät-
ung von Sonntag, die weiterhin aktuell ist, auch darauf
ingewiesen, dass keine Entwarnung gegeben werden
ann. Mit weiteren Erkrankungen in Deutschland müsse
erechnet werden. Nach derzeitigem Stand sei das Virus
ut übertragbar. Hierzu komme, dass Grippeviren ihr
rbgut ständig verändern. Es müsse vor allem die inter-
ationale Situation im Auge behalten werden, um auch
ukünftig auf neue Entwicklungen rasch und angemes-
en reagieren zu können.
nlage 10
Antwort
er Parl. Staatssekretärin Marion Caspers-Merk auf die
rage der Abgeordneten Bettina Herlitzius (BÜND-
IS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 16/12816, Frage 14):
Wie werden aktuell zurückkehrende Personen aus Mexiko
über die Schweinegrippe informiert, und wie wird vermieden,
dass potenziell Infizierte die Krankheit auch in Deutschland
weitertragen?
Reisende aus Mexiko werden bereits im Flugzeug mit
inem mehrsprachigen Informationsschreiben über die
eue Grippe informiert und aufgefordert, sich beim Vor-
iegen von grippetypischen Symptomen beim Bordper-
onal zu melden. Möglicherweise erkrankte Personen
Verdachtsfälle) werden dann am Zielflughafen medizi-
isch betreut. Alle weiteren Fluggäste erhalten in diesem
all ein weiteres Informationsschreiben, das sie auf die
ituation hinweist und sie auffordert, in den nächsten Ta-
en auf entsprechende Krankheitssymptome zu achten
nd gegebenenfalls einen Arzt aufzusuchen. Zusätzlich
rhalten die Passagiere eine „Aussteigerkarte“, auf der
ie Personalien festgehalten werden, um eine spätere
ückverfolgung zu ermöglichen.
nlage 11
Antwort
es Parl. Staatssekretärs Achim Großmann auf die Frage
er Abgeordneten Veronika Bellmann (CDU/CSU)
Drucksache 16/12816, Frage 19):
Welche Werte für beispielsweise Autobahnstreckenkilo-
meter, Grundstücke etc. – Bezeichnung, prozentualer Anteil
und tatsächliche Summe – rechnet die Bundesregierung in die
Berechnung der Mauthöhe ein, und ist dies entgegen der Auf-
fassung des Bundesverbandes Güterkraftverkehr Logistik und
Entsorgung, BGL, der seine Mitgliedsunternehmen zur Maut-
zahlung „unter Vorbehalt“ auffordert, im Einklang mit den
Vorgaben des einschlägigen Rechts der Europäischen Union?
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. Mai 2009 23949
(A) )
(B) )
Die Mautsätze der Lkw-Maut wurden auf Grundlage
einer Wegekostenrechnung für die deutschen Bundes-
autobahnen festgelegt. Die Wegekostenrechnung wurde
im Vorfeld der Mauteinführung im Jahr 2001 erstmalig
beauftragt und 2006/2007 aktualisiert.
Die seit dem 1. Januar 2009 geltenden Mautsätze
basieren auf den Ergebnissen der aktualisierten Wege-
kostenrechnung für das Jahr 2010. Im Rahmen des Ge-
setzgebungsverfahrens zur Änderung der Mauthöhever-
ordnung wurde entschieden – insbesondere um der
wirtschaftlichen Situation des Gewerbes Rechnung zu
tragen –, von den gutachterlich ermittelten Wegekosten
der schweren Lkw einen Betrag von 330 Millionen Euro
und für die Jahre 2009/2010 weitere 60 Millionen Euro
nicht anzulasten; die Mautsätze sind entsprechend ange-
passt.
Die Methodik der Wegekostenrechnung, die einbezo-
genen Kostenkomponenten, die Verteilung der Kosten
auf die Nutzergruppen sowie die Differenzierung der
Mautsätze für schwere Lkw ab 12 Tonnen zulässigem
Gesamtgewicht nach Emissionsklassen ist in folgenden
zwei Berichten detailliert dokumentiert: Schlussbericht
„Wegekostenrechnung für das Bundesfernstraßennetz“,
März 2002 und Endbericht „Aktualisierung der Wege-
kostenrechnung für die Bundesfernstraßen in Deutsch-
land“, 30. November 2007.
Beide Berichte sind auf der Homepage des Bundes-
ministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
eingestellt.
Die Wegekostenrechnung ist sehr umfangreich. Zu-
dem wurden die Wegekosten für mehrere ausgewählte
Jahre ermittelt. Die aktualisierte Wegekostenrechnung
aus dem Jahr 2007 weist die Wegekosten für die Jahre
2005, 2007, 2008, 2010 und 2012 aus. Daher verweise
ich für konkrete Daten auf die genannten Berichte,
insbesondere auf die jahresbezogenen und nach Nutzer-
gruppen differenzierten Übersichten zu den Gesamt-
kosten für die Bundesautobahnen sowie auf die jahresbe-
zogenen Übersichten zur Kostenallokation für die
Bundesautobahnen.
Bestandteile der Wegekosten sind die Kapitalkosten
und die laufenden Kosten. Die Kapitalkosten umfassen
die Abschreibungen auf die Infrastrukturanlagen sowie
kalkulatorische Zinsen für das gebundene Kapital; zu
den laufenden Kosten zählen der betriebliche Unterhalt,
zuzurechnende Kosten der Verwaltung, der Verkehrspo-
lizei sowie die Kosten des Mauterhebungssystems.
Die Wegekosten werden differenziert nach folgenden
Kostenkomponenten ermittelt: Streckenobjekte (Grund-
stücke, Erdbau, Tragschicht, Deckenbau), Punktobjekte
(Ausstattung, Knoten, Tunnel, Brücken, Meistereien,
Rastanlagen) und Betrieb (betrieblicher Unterhalt, Ver-
waltung und Polizei, Erhebungssystem Lkw-Maut).
Die Wegekostenrechnung für die Bundesautobahnen
ist zukunftsorientiert am Ziel der Substanzerhaltung des
Autobahnnetzes ausgerichtet, der Zustand der Autobah-
nen wird also dauerhaft erhalten. In die Rechnung flie-
ßen daher insbesondere Informationen zum aktuellen
Zustand des Autobahnnetzes, die Fahrleistungsentwick-
lung bzw. die Entwicklung der Nutzungsintensität, die
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ntwicklung der Kosten für Bauleistungen sowie ge-
lante und bereits durchgeführte Baumaßnahmen ein.
ei der Aktualisierung der Wegekostenrechnung ist der
ethodische Ansatz – zukunftsbezogene Kostenkalkula-
ion – unverändert geblieben.
Die Änderung der Mautsätze zum 1. Januar 2009 er-
olgte in Vereinbarkeit mit der Richtlinie 1999/62/EG
ber die Erhebung von Gebühren für die Benutzung be-
timmter Verkehrswege durch schwere Nutzfahrzeuge in
er Fassung der Richtlinie 2006/38/EG.
nlage 12
Antwort
es Parl. Staatssekretärs Achim Großmann auf die Frage
er Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE)
Drucksache 16/12816, Frage 20):
Wird sich die Bundesregierung im Aufsichtsrat der Deut-
schen Bahn AG dafür einsetzen, dass der ehemalige Bahnchef
Hartmut Mehdorn, der wegen der Überwachung von Bahn-
mitarbeitern zurücktreten musste, nach seinem Ausscheiden
keine Bonizahlungen erhält, und, wenn nein, wie begründet
die Bundesregierung die leistungsabhängige Zahlung für
Hartmut Mehdorn, wenn er offensichtlich keine Leistungen
mehr für die Deutsche Bahn AG erbringen wird?
Der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn AG hat am
5. April 2009 beschlossen, den Vertrag mit Herrn
r. Mehdorn als Vorstandsvorsitzendem der Deutschen
ahn AG aufzulösen. Im Rahmen seines Ausscheidens
rhält Herr Dr. Mehdorn die für diesen Fall vertraglich
orgesehenen Leistungen.
nlage 13
Antwort
er Parl. Staatssekretärin Astrid Klug auf die Frage der
bgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE
RÜNEN) (Drucksache 16/12816, Frage 23):
Welche neuen Rahmenbedingungen wurden für die Arbeit
der Arbeitsgruppe „Optionenvergleich“, AGO, zum Atom-
mülllager Asse II im Januar 2009 vereinbart, und welche As-
pekte sind bislang vertraglich geregelt?
Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und
eaktorsicherheit (BMU) wird das Forschungszentrum
arlsruhe (FZK) – Projektträger Wassertechnologie und
ntsorgung mit der Fortführung der Arbeiten der Ar-
eitsgruppe Optionenvergleich (AGO) beauftragen. Der
ntsprechende Vertrag wird derzeit verhandelt.
FZK übernimmt dabei wie bisher die Funktion der
eschäftsstelle und koordiniert die AGO fachlich und
dministrativ. Auch die durch die Asse II Begleitgruppe
enannten Experten werden weiterhin im Rahmen der
ätigkeiten der AGO beschäftigt.
Die AGO wird folgende Aufgaben übernehmen: Ers-
ens. Wissenschaftliche Begleitung des Entscheidungs-
rozesses für ein Stilllegungskonzept. Zweitens. Erstel-
ung von Stellungnahmen zu vorhabensrelevanten
nterlagen und drittens Beratung der Asse II Begleit-
ruppe zu fachlichen Fragen.
23950 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. Mai 2009
(A) )
(B) )
Anlage 14
Antwort
der Parl. Staatssekretärin Astrid Klug auf die Frage der
Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN) (Drucksache 16/12816, Frage 24):
Auf welche Forschungsvorhaben gehen die im Atommüll-
lager Asse II eingelagerten Großtierkadaver zurück, und wel-
chem Forschungszweck dienten die Vorhaben jeweils?
Die damalige Kernforschungsanlage Jülich (KFA,
heute: Forschungszentrum Jülich) hat in der ersten
Hälfte der 1970er-Jahre Fässer mit radioaktiven Abfäl-
len in die Schachtanlage Asse II gebracht. Dabei waren
auch einige Fässer, die unter anderem „mumifizierte
Tierkadaver“ enthielten. Die dazu gehörenden Begleit-
listen weisen aus, dass die Tiere kontaminiert waren.
Deshalb durften sie seinerzeit nicht konventionell ent-
sorgt werden.
Bei den Tieren handelte es sich ausschließlich um
Kleintiere. Soweit die Tierkörper aus der medizinischen
Forschung der damaligen Kernforschungsanlage stamm-
ten, waren es ausschließlich Mäuse. Im Institut für Medi-
zin der KFA wurde damals die Wirkung von Strahlung
auf Zellen untersucht, darunter auch die Frage einer
möglicherweise positiven Wirkung niedriger Dosen. Ein
weiteres Thema war die Tumorforschung. Experimentell
wurde untersucht, inwieweit Applikationen von Jod-125
die therapeutische Wirkung einer nachfolgenden Tumor-
bestrahlung unterstützen.
Soweit Abfälle der Landessammelstelle NRW betroffen
sind, können nur die damaligen Ablieferer Angaben über
die Verwendung der Tiere für Forschungszwecke machen.
Anlage 15
Antwort
der Parl. Staatssekretärin Astrid Klug auf die Frage der
Abgeordneten Veronika Bellmann (CDU/CSU) (Druck-
sache 16/12816, Frage 25):
Wie entwickelt sich das Programm zur Förderung von In-
vestitionen zur Verminderung von Umweltbelastungen im
Ausland, Pilotprojekte Ausland – Mittelabfluss in welche
konkreten Projekte –, und werden – aktuell und künftig – wei-
tere Projekte wie insbesondere die geplanten Windparks in
Bozi Dar und Moldava – beide Tschechische Republik – im
Rahmen dieser Pilotprojekte mit deutschen Fördermitteln un-
terstützt?
Im „Programm zur Förderung von Investitionen zur
Verminderung von Umweltbelastungen im Ausland“ wer-
den vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit, BMU, derzeit Haushaltsmittel für
folgende Projekte zur Verfügung gestellt: Lettland
(Erneuerung der Wärmeversorgung der Stadt Jelgava) in
Höhe von insgesamt 728 359,62 Euro (Laufzeit 2007 bis
Ende 2009) sowie Polen (Modernisierung des Fernwär-
menetzes Zgorzelec einschließlich Rauchgasreinigungs-
anlage im Heizwerk ul. Groszowa) in Höhe von insgesamt
2 076 000 Euro (Laufzeit 2008 bis Ende 2010).
Auch künftig werden auf Antrag im Rahmen der ver-
fügbaren Haushaltsmittel förderfähige Projekte in den
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euen EU-Ländern sowie der Türkei aus dem BMU-Pro-
ramm unterstützt. Zu den geplanten Windparks in Bozi
ar und Moldava liegen dem BMU keine Informationen
or.
nlage 16
Antwort
es Staatsministers Günter Gloser auf die Frage der Ab-
eordneten Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/DIE
RÜNEN) (Drucksache 16/12816, Frage 26):
Beabsichtigt das Auswärtige Amt, nachdem am Abend des
25. April 2009 ein weiterer Versuch, ein Kreuzfahrtschiff vor
der Küste Somalias zu kapern, scheiterte, die Reisewarnungen
diesbezüglich zu verschärfen?
Das Auswärtige Amt hat seine seit mehreren Jahren
ür das Festland von Somalia ausgerufene Reisewarnung
m 23. September 2008 auch auf die Gewässer vor So-
alia ausgedehnt und warnt eindringlich vor Reisen in
ieses Gebiet.
Die Reisewarnung ist die schärfste Form, in der das
uswärtige Amt vor Aufenthalten in einem Land oder in
iner Region warnen kann. Sie ersetzt alle übrigen, unter
ieser Schwelle liegenden Reise- und Sicherheitshin-
eise des Auswärtigen Amts.
Das Auswärtige Amt wird die Situation am Horn von
frika und in den angrenzenden Gewässern weiterhin
ufmerksam verfolgen und bei Bedarf seine Hinweise
npassen.
Dabei wird auch die mögliche Gefährdung von
reuzfahrtschiffen berücksichtigt werden.
nlage 17
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung
– Unterrichtung: Dritter Bericht zur Umset-
zung des Bologna-Prozesses in Deutschland
– Antrag: Umsetzung der Bologna-Beschlüsse
kritisch begleiten
– Antrag: Bologna-Reform verbessern – Stu-
dienqualität erhöhen und soziale Dimension
stärken
– Beschlussempfehlung und Bericht: Neurege-
lung des Hochschulzugangs und der Hoch-
schulabschlüsse als Impuls zur Hochschul-
öffnung und Qualitätsentwicklung nutzen
– Beschlussempfehlung und Bericht zu den
Anträgen:
– Für einen sozialen Europäischen Hoch-
schulraum
– Den Bologna-Prozess voranbringen –
Qualität verbessern, Mobilität erleich-
tern und soziale Hürden abbauen
(Tagesordnungspunkt 6 a bis e)
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. Mai 2009 23951
(A) )
(B) )
Anette Hübinger (CDU/CSU): Die erste Dekade des
Bologna-Prozesses neigt sich dem Ende entgegen. Nicht
alle gesetzten Ziele wurden erreicht. In Kenntnis dessen
hat die Ministerkonferenz in Leuven am 28. und 29. April
2009 die Fortsetzung und Weiterentwicklung der Umge-
staltung der Hochschulausbildung auf Bachelor- und
Masterabschlüsse beschlossen. Zwar hinken wir in der
Umsetzung im Vergleich zu Italien, den Niederlanden,
Norwegen und Großbritannien noch etwas hinterher,
doch sind in Deutschland zum Sommersemester 2009
76 Prozent aller Studiengänge auf die gestufte Studien-
struktur umgestellt. Bezogen auf das Wintersemester
2007/2008 bedeutet dies, dass mehr als 600 000 Studie-
rende in Bachelor- und Masterstudiengänge eingeschrie-
ben sind. Für diese jungen Menschen tragen wir, unsere
Kollegen in den Bundesländern und die deutschen Hoch-
schulen eine große Verantwortung. Wir sind geradezu
verpflichtet, die Bologna-Reform mit Augenmaß und
Weitsicht weiterzuentwickeln.
Der Bund stellt sich im Rahmen seiner Regelungs-
kompetenz dieser Verantwortung. Genannt seien bei-
spielhaft der Hochschulpakt, die Änderungen bei der
Mitnahmemöglichkeit des BAföGs bei Auslandsstudium
oder die Einführung von Aufstiegsstipendien für beruf-
lich Qualifizierte. Auch bei der Mobilität wollen wir die
in Leuven vereinbarte Zielmarke von 20 Prozent bis
2020 übertreffen. Wir wollen, dass bis 2020 die Hälfte
der Studierenden während des Studiums Auslandserfah-
rung sammeln. Bei einer derzeitigen Quote von 23 Pro-
zent ist das ehrgeizig, aber erreichbar.
Nach den Beschlüssen von Leuven wird die soziale
Dimension des Bologna-Prozesses in den nächsten Jah-
ren im Vordergrund stehen. Auch hier sind wir auf einem
guten Weg. Denn wir haben bereits Maßnahmen in Be-
zug auf die Steigerung des Frauenanteils in den soge-
nannten MINT-Fächern und für eine höhere Bildungsbe-
teiligung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund
ergriffen. Der „Nationale Aktionsplan Soziale Dimen-
sion“ in Verbindung mit der Qualifizierungsinitiative
bietet eine vielversprechende Grundlage für die zukünf-
tige Entwicklung in diesen wichtigen Fragestellungen.
Leicht wird übersehen, dass Europa mit dem Bologna-
Prozess eine internationale Vorreiterrolle übernommen
hat. Die Grundidee des Prozesses und viele seiner an-
gewendeten Instrumente finden international große Be-
achtung. Mit dem Projekt „Tuning USA“ wird in drei
Bundesstaaten der Bologna-Prozess im Pilotverfahren
übernommen. Aber um den Bologna-Prozess zu einem
allseits anerkannten Erfolg zu machen, muss in vielen
Punkten nachgebessert werden. Dieser Verantwortung
müssen sich alle Beteiligten stellen.
Viele Probleme sind nicht der Bologna-Idee an sich
zuzuschreiben, sondern in erster Linie der teilweise ein-
fach schlechten Umsetzung. Aus meiner Sicht lassen
sich die grundlegenden Schwierigkeiten stichpunktartig
in folgenden drei Kategorien zusammenfassen: den in-
ternationalen Austausch hemmende Mobilitätshinder-
nisse, zu gedrängte Curricula in den Studiengängen und
mangelnde Anerkennung von – insbesondere im Aus-
land erworbenen – Studienleistungen und Qualifikatio-
nen. Gemeinsam ist diesen drei Punkten, dass sie – in
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ewisser Weise – einander bedingen. Hier muss drin-
end nachgebessert werden.
Es ist nicht hinnehmbar, dass die Mobilität infolge
on Zeitmangel im Bachelorstudium noch schwieriger
ird. Es darf kein Grundsatzproblem sein, wenn ein
uslandsaufenthalt von einem halben Jahr geplant ist.
ier sind ganz eindeutig die Hochschulen gefragt, wel-
he schon jetzt „Mobilitätsfenster“ in die Studienstruktur
inbauen können, diese möglichen Freiräume aber zur-
eit noch unzureichend nutzen. Doch auch der inner-
eutsche Hochschulwechsel wird durch die starke Aus-
ifferenzierung in der Bachelorphase eher erschwert als
rleichtert. Genauso wie die Auslandsmobilität bedarf
iese Problematik einer kritischen Revision.
Weiterhin wird immer noch über die 1:1-Übertragung
on „alten“ in die „neuen“ Studiengänge geklagt, eine
raxis, die den Bologna-Zielen einer berufsorientierten
usbildung im Bachelorstudiengang zuwiderläuft. Es ist
uch kein Geheimnis, dass es in der Praxis Schwierig-
eiten beim Thema Anerkennung der Studienleistungen
ibt. Da dies indirekt auch ein Mobilitätshindernis dar-
tellt, muss auch hier dringend nachgebessert werden.
Neben den soeben angesprochenen Problemen möchte
ch zwei weitere Punkte herausgreifen, bei denen es im
etail Verbesserungsbedarf gibt:
Erstens zählt dazu das Problem der Studienabbrecher.
iese Thematik verfolgt uns schon seit Jahrzehnten.
uch wenn die ersten Zahlen auf Basis der neuen Stu-
ienstruktur darauf hindeuten, dass sich die Quote leicht
ückläufig entwickelt, gibt es Handlungsbedarf. Lösun-
en bietet der Bologna-Prozess selbst an, welche unter
en Stichworten „Betreuungsverhältnis“ und „Qualitäts-
anagement“ umrissen werden können.
Zweitens darf auch das deutsche Akkreditierungssys-
em nicht ungenannt bleiben. Schlankere und effizientere
erfahren wären sicherlich bei der Beschleunigung des
rozesses hilfreich.
Bei aller Kritik geraten leider die positiven Auswir-
ungen infolge des Bologna-Prozesses aus dem Blick-
eld. Hochschulen qualifizieren heute nicht nur für die
issenschaft, sondern haben auch für die Berufsbefähi-
ung zu sorgen – einem zentralen Anliegen von Bologna.
ktualität der Methoden, Forschungsstand und Praxis-
ähe des Studiums wurden vonseiten der Studierenden
ls vorteilhaft empfunden. Der Bachelor ist kein Hoch-
chulabschluss zweiter Klasse. Es würde sehr helfen,
enn auch die Lehrenden dies so kommunizieren wür-
en.
Bologna ist in der deutschen Hochschullandschaft zur
ormalität geworden und hat wichtige Strukturreformen
ngestoßen. Als CDU/CSU-Fraktion halten wir die
rundlegende Intention für richtig. Wie die Reform wei-
erentwickelt werden kann, darüber brauchen wir einen
ialog mit allen Beteiligten. Nach meiner Einschätzung
efindet sich dieser im vollen Gange und das stimmt
ich für die Zukunft optimistisch. Es steht für mich au-
er Zweifel, dass die Schaffung eines gemeinsamen ein-
eitlichen Hochschulraums der richtige Weg ist. Dieses
ignal muss von unserem Hause ausgehen!
23952 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. Mai 2009
(A) )
(B) )
Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Im Nachgang
zur großen Bologna-Folgekonferenz, die kürzlich in
Leuven stattgefunden hat, geben wir hier unsere Reden
zu Protokoll. Für die SPD-Fraktion heißt das, dass wir in
den folgenden Punkten im Einzelnen feststellen wollen:
Erstens. Fast zehn Jahre nach dem Beginn des soge-
nannten Bologna-Prozesses hat die Konferenz von
Leuven gezeigt, wie weit diese Initiative zu einem ge-
meinsamen europäischen Hochschulraum mittlerweile
ausgreift. Nicht nur, dass aus den ersten 27 Staaten, die
seinerzeit beim Beginn des Bologna-Prozesses dabei wa-
ren, mittlerweile 46 geworden sind. Nein, auch zahlrei-
che Drittstaaten bis hin zu Australien haben in einem as-
soziierten Bologna-Forum in Leuven Interesse an den
Zielen wie dem System dieser tiefgreifenden Hochschul-
reform in Europa gezeigt. Ohne dass hier gleich eine
„Bologna-UNO“ am Horizont erscheint, ist dennoch zu
konstatieren, dass Europa mit dem Bologna-Prozess of-
fensichtlich ein interessantes Modell entwickelt hat und
es in der weiteren Folge sehr wohl dahin kommen
könnte, dass dieses Modell zum Benchmark in der glo-
balen Hochschulwelt werden könnte. Umso wichtiger ist
es, dass einerseits alles getan wird, um die Transparenz
dieses Prozesses und die Ergebnisse noch weiter zu er-
höhen. Wir begrüßen daher, dass in Leuven auch Verab-
redungen zu einer Verbesserung des europäischen Hoch-
schulstatistikwesens getroffen worden sind. Natürlich
wird es entscheidend darauf ankommen, welche Qualität
dieses Statistik- und Berichtwesen erreicht. Für die SPD-
Bildungs- und Forschungspolitiker darf ich an dieser
Stelle noch einmal daran erinnern, dass wir die schroffe
Ablehnung eines seinerzeit von der OECD ins Gespräch
gebrachten „Hochschul-PISA“ nach wie vor nicht teilen.
Ein qualitatives Hochschul-PISA, selbst wenn die Be-
dingungen für ein Schul- und ein Hochschul-PISA natür-
lich ganz andere sind, ist für uns jedenfalls die bessere
Alternative zu einem simplen Hochschulranking, wie es
bis dato ins Gespräch gebracht und glücklicherweise
aber noch nicht beschlossen worden ist. Wir möchten
diese Idee jedenfalls wieder ins Gespräch bringen, denn
hilfreich könnte ein solches qualitatives, auf die Trans-
parenz von Ergebnissen und Prozessen abgestelltes
Hochschul-PISA durchaus sein.
Zweitens. Am Anfang des Bologna-Prozesses stand
nicht zuletzt die Erwartung, mit einer dualen Struktur
von Bachelor und Master den Ausbau des Studiums im
Sinne einer Berufsorientierung, einer Wissenschafts-
orientierung und einer Strukturierung des Studiums im
Sinne von Verkürzung und Stufenbildung zu erreichen.
Diese Debatte ist in den bisherigen Bologna-Folgekonfe-
renzen vor allem unter der Maßgabe geführt worden,
welche Quantitäten man in der Umstellung der Studien-
gänge im Sinne dieser Bologna-Struktur erreicht hat.
Wir begrüßen es, dass zunehmend auch die Qualität in
der Strukturdiskussion mehr Platz gewinnt. Tatsächlich
müssen wir uns fragen, ob die besondere Rigidität, mit
der in Deutschland die 3+1-Struktur durchgesetzt wor-
den ist, sich wirklich als vorteilhaft erweist. Wir begrü-
ßen als SPD, wenn es hier zu einer Öffnung kommt, die
wieder längere, differenzierte Studienzeiten zulässt, um
im Studium mehr Tiefe und Breite zu gewinnen. Außer-
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em halten wir es für sinnvoll, noch einmal sehr intensiv
arüber nachzudenken, in welcher Weise die Durchläs-
igkeit vom Bachelor- zum Masterstudium erhöht wer-
en kann. Dies ist dann nicht nur eine Frage der Kapazi-
äten, die hierfür vorgehalten werden, sondern auch der
ystematik, zum Beispiel in den Förderwerken bis hin
um BAföG. Wir sprechen uns als SPD dafür aus, die
ltersgrenzen beim BAföG entsprechend anzuheben
nd damit das möglich zu machen, was man quasi als ein
Master-BAföG“ bezeichnen könnte. Wenn es zu dieser
erbesserung in Breite und Tiefe des Curriculums
ommt, um den Kultursminister Olbertz, der Deutsch-
and für die Länder bei der Konferenz in Leuven vertre-
en hat, zu zitieren, dann erfordert dies auch zusätzliche
essourcen, sowohl in räumlicher und materieller wie
ersoneller Hinsicht. Als SPD sind wir nach wie vor sehr
tolz darauf, im Konjunkturprogramm II hier nicht zu-
etzt auf unsere Initiative hin auch durchgesetzt zu ha-
en, dass an den über 12 Milliarden, die für den Bil-
ungsbereich reserviert sind, die Hochschulen massiv
eteiligt werden. Außerdem bekräftigen wir hier noch
inmal nachdrücklich unsere Haltung, dass nach dem
ochschulpakt I auch ein Hochschulpakt II zwingend
otwendig ist, denn 275 000 zusätzliche Studienanfän-
er, die wir zum Glück bis 2015 erwarten dürfen, brau-
hen auch entsprechende Voraussetzungen, um in einer
odernisierten Studienstruktur nach dem Bachelor-Mas-
er-System gut studieren zu können. Ich sage hier auch
och einmal ausdrücklich, dass die Anhebung der
urchschnittlichen Fördersätze pro Studienplatz von
2 000 auf 26 000 Euro für uns ein notwendiger und un-
erzichtbarer Beitrag Richtung Qualität in der Lehre ist.
eides, die bessere materielle Ausstattung der Hoch-
chulen wie die Stärkung der Personalmittel in der Per-
pektive des Hochschulprogramms II, müssen auch den
aum schaffen, innerhalb der Struktur von Bachelor und
aster wieder ausreichend Platz für den kulturellen
ahmen des Studiums zu gewinnen. Denn natürlich ist
in Studium mehr als eine klassische Ausbildung und
ind individuelle Freiheiten und Interessen genauso da-
ei zu berücksichtigen wie die Vermittlung eines über
as Fach hinausreichenden Kontextes und allgemeinwis-
enschaftlichen Verständnisses. Außenminister Frank-
alter Steinmeier hat hierzu den Satz geprägt: „Bildung
st auf Emanzipation angelegt. Sie erweitert die Freiheit
es Einzelnen unmittelbar“. Dies muss auch für die
ochschulen der Zukunft gelten können.
Drittens. Ein Diskussionsthema in Leuven war, wie
as Ziel der Mobilität zwischen verschiedenen Stand-
rten bis hin zu Studienzeiten im Ausland weiter opti-
iert werden könnte. Die Schwächen, die es aktuell
och bei der Anrechnung nach dem ECTS-System gibt,
ind offensichtlich nach wie vor noch sehr groß, auch in
eutschland. Ohne ein wirklich funktionierendes ECTS-
nrechnungssystem würde das Bemühen um mehr
reite und Tiefe der Curricula einerseits und der Verstär-
ung von Individualisierung von Studiengestaltungen
ndererseits sehr schnell an Substanz verlieren. Tatsäch-
ich möchten wir von der SPD die Frage aufwerfen, ob
ie überwältigende Zahl an Studiengängen, die wir in
eutschland reklamieren, immer nur Grund zur Freude
ein muss. Wenn mittlerweile 9 510 Bachelor- und Mas-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. Mai 2009 23953
(A) )
(B) )
terstudiengänge umgestellt sind und 2 303 noch der Um-
stellung harren, wie es aus den jüngsten Sachstandspro-
zessen zum Bologna-Prozess ja ablesbar ist, wirft das
natürlich gleichzeitig die Frage auf, ob es tatsächlich so
viele eigene Studiengänge sein müssen oder ob es nicht
genauso ein Anliegen des Bologna-Prozesses sein
müsste, die Zahl der Studiengänge zumindest so weit zu
reduzieren, dass es dort noch eine Transparenz, eine
Überschaubarkeit und eine Vergleichbarkeit zwischen
den Studiengängen gibt, an denen sich Breite und Tiefe
der Curricula orientieren können, um hier noch einmal
Herrn Olbertz zu zitieren.
Viertens. Die Absicht des Bologna-Prozesses war
auch, über eine Strukturierung des Studiums dazu beizu-
tragen, dass sich die Bedeutung, die Qualität und auch
letztlich die Effizienz von Lehre im Sinne eines guten
Studiums für alle entwickeln kann. Wir halten es für er-
freulich, dass das Anliegen der „Guten Lehre für alle“
ein sozialdemokratisches Kernthema, auch in Leuven als
ein Schwerpunkt der Beratungen behandelt worden ist.
Die Reduktion der Studienabbrüche, die leider immer
noch bei 25 Prozent liegen, muss ein vorrangiges Ziel
sein. Wir stellen mit Befriedigung fest, dass sich nicht
zuletzt der Wissenschaftsrat, aber auch die Hochschul-
rektorenkonferenz und letztlich auch die politischen
Kräfte wieder mehr darauf konzentrieren, die gute Lehre
an den Hochschulen für alle zu entwickeln. Einschlägige
Konzepte hierzu liegen vor. Von der SPD-Seite ist be-
kannt, dass wir gerade in der Unterfütterung des Bolo-
gna-Prozesses wünschen, dass auch der Wissenschaftsrat
mit der Einrichtung von didaktischen Zentren und ande-
rem noch ehrgeiziger in seinen Zielvorstellungen wird.
Auf der anderen Seite beobachten wir hier auch sehr viel
positive Eigeninitiative an einzelnen Hochschulen und
von engagierten Hochschullehrerinnen und -lehrern. Das
Merkmal guter und erfolgreicher Lehre muss ein min-
destens gleichberechtigtes Markenzeichen der Hoch-
schulen der Zukunft werden. Den Vorschlag des Aus-
baus der Personalkapazitäten und ihrer Differenzierung
sowie des internationalen Austausches von Hochschul-
lehrern wollen wir gerne unterstützen. Mit Comenius,
Leonardo da Vinci, Erasmus und Grundtvig hat die EU
vier herausragende europäische Gelehrte zu Leitfiguren
ihrer Bildungsprogramme gemacht. Im Rahmen des
ERASMUS-Programms zum Austausch der Studieren-
den ein entsprechendes Programm zum Austausch von
Lehrenden zu entwickeln, würden wir von der SPD aus
nachdrücklich unterstützen. Ein solches Programm, wir
möchten es EINSTEIN-Programm nennen, wäre ein
wichtiges Zeichen dafür, dass auch die EU den Bologna-
Prozess anerkennt und aufnimmt sowie gleichzeitig die
Priorität „Gute Lehre“ durch den Austausch guter Hoch-
schullehrer anerkennt und materiell unterstützt.
Fünftens. Der Bologna-Prozess sollte, wenn man sich
an die ersten Erklärungen erinnert, vor allem auch der
europäischen Mobilität und letztlich der Hochschulmo-
bilität in einem globalen Wissens- und Forschungsraum
dienen. Für diese Mobilität ist die Strukturierung des
Studiums bis hin, dass es ein funktionierendes ECTS-
System gibt, unmittelbare Voraussetzung. Nur müssen
wir feststellen, dass gerade im Jubiläumsjahr vom Stu-
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entenaustauschprogramm ERASMUS erstmals seit län-
erem die Teilnehmerzahlen nachhaltig zurückgehen.
ie Ursachen dürfen auch in Bezug auf die bisherige
msetzung der Bachelor-Master-Struktur nicht ignoriert
erden. Sie liegen sicherlich auch in einer zu starken
erdichtung des Studiums und Überbeanspruchung der
tudierenden, die eben einfach kein Mobilitätsfenster in
hren Studienprogrammen vorfinden. Auf diese negative
irklichkeit hin hat nun die Konferenz von Leuven mit
esonders ehrgeizigen Zielen reagiert. 20 Prozent aller
tudierenden sollen danach Auslandserfahrung sam-
eln. So weit, so gut. Doch kommt es auch hier auf die
ualität der Auslandserfahrung mit an. Die Idee des
ologna-Prozesses ist gewesen, das Studium im Aus-
and für noch mehr Studenten erfahrbar und gestaltbar zu
achen. Billigvarianten dieses internationalen Stu-
iums, wie zum Beispiel die Reduzierung des Aus-
andsaufenthaltes auf Praktika, würden dem Geist von
ologna hingegen nicht mehr entsprechen. Die Gefahr
ierfür ist allerdings groß, denn nicht zuletzt das Zusatz-
rogramm ERASMUS-Praktikum, bei dem immerhin
is zu 400 Euro für berufliche und Praktikumstätigkeiten
m Ausland gezahlt werden, hat zwar eine große Attrak-
ivität, wie man an den wachsenden Teilnehmerzahlen
rsehen kann, aber es hat natürlich keinen Bezug mehr
u einem entsprechenden qualitativ hochwertigen Stu-
ium. Als SPD möchten wir deshalb nachdrücklich da-
auf bestehen, an dieser Stelle vor allem auch dafür zu
orgen, dass das klassische ERASMUS-Programm für
ie Studierenden wieder stärker nutzbar wird. Dazu
uss gehören, dass die ERASMUS-Fördersätze erhöht
erden und dass es eben auch von der Struktur und dem
eitraster des Studiums her möglich wird, tatsächlich ein
emester oder auch weitere Semester im Ausland ohne
ystematische Zeitverluste bis hin zum Studienabschluss
tudieren zu können.
Sechstens. Tatsächlich zeigt sich an den Schwierig-
eiten mit der Mobilität, dass die soziale Dimension im
ologna-Prozess noch viel stärker mit berücksichtigt
erden muss. Denn auch bei der Mobilität ist feststell-
ar, dass Studierende mit einem ausreichend starken ma-
eriellen Hintergrund ganz andere Möglichkeiten haben,
ls es bei der Masse der Studierenden der Fall ist. Des-
alb ist es ein großer Verdienst nicht nur seitens des
eutschen Studentenwerkes, sondern auch der Studen-
enverbände, immer wieder einzufordern, dass zu einem
uten Studium für alle eine Gebührenfreiheit des Stu-
iums gehört, eine ausreichende materielle Förderung
ber gesetzliche Stipendiensysteme wie das BAföG, ein
usreichendes Wohnangebot, ausreichende Beratung und
uch Kinderbetreuung. Die SPD kann, was Studienge-
ühren angeht, nur noch einmal nachdrücklich an alle
undesländer appellieren, dem hessischen Beispiel zu
olgen und durch Schaden zur Einsicht zu kommen. Die
tudiengebühren waren dort eingeführt worden und sind
um Glück wieder abgeschafft. Wir wünschen uns dieses
uch für andere Bundesländer. Wir werben jetzt schon
afür, den ausreichenden studentischen Wohnraum
arallel zum Hochschulpakt II auf die Tagesordnung von
und, Ländern und Kommunen zu setzen. Dass es uns
elungen ist, den studentischen Wohnheimbau auch in
as Konjunkturprogramm II hineinzubekommen, ist für
23954 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. Mai 2009
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uns nach wie vor ein Erfolg. Gute Beispiele aus einzel-
nen Bundesländern, wo dieses dankbar zur Verstärkung
der sozialen Dimension aufgegriffen wurde, bestärken
uns hierin. Dass Familienfreundlichkeit an Hochschulen
immer wichtiger wird, ergibt sich nicht zuletzt aus der
Bachelor-Master-Struktur, die ja auch einen längeren
Studienprozess in der Verknüpfung von Studium und be-
ruflicher Tätigkeit wie ein Teilzeitstudium ausdrücklich
mit unterstützen will. Beides erfordert dann aber auch
eine entsprechende familien- und kinderfreundliche
Hochschule. Schließlich bleibt der eine Zusammenhang
signifikant: Wenn im Bologna-Prozess intensiver als frü-
her studiert wird und die Studienzeit durch das Studium
intensiver ausgefüllt wird, gehen die Möglichkeiten für
eine studienbegleitende Erwerbstätigkeit zurück. Umso
wichtiger ist es gerade für die Studierenden aus materiell
nicht so gut gestellten Familien, dass sie ein ausreichen-
des BAföG bekommen. Um es knapp zu sagen: Wer
Bologna ernst nimmt, muss für das BAföG immer wie-
der neu kämpfen.
Noch einige grundsätzliche Bemerkungen zum
Schluss: Die Konferenz von Leuven war die letzte
Bologna-Folgekonferenz, die noch im Zwei-Jahres-
Rhythmus stattgefunden hat. Die nächste Konferenz
wird erst in drei Jahren stattfinden. Wir sehen hierin
auch ein Stück Normalisierung, dass man der Gefahr des
Konferenztourismus dadurch vorbeugend entgehen will.
Umso wichtiger wird es sein, das kontinuierliche Be-
richtssystem über den Bologna-Prozess gleichwohl bei-
zubehalten und qualitativ zu verfeinern. Dabei sollten
nicht immer nur Erfolge, sondern auch genauso die
Schwächen und die kritischen Punkte im Bologna-Pro-
zess mit dargestellt werden. Denn im Vorfeld der 10-jäh-
rigen Jubiläumsfeiern, die Anfang 2010 mit Recht vom
Kreis der Bologna-Teilnehmer wahrgenommen werden,
wird man darauf hinweisen dürfen: Weder die Euphorie,
wie sie von einigen zu Beginn dieses Prozesses transpor-
tiert worden ist, wird der Komplexität des Bologna-Pro-
zesses gerecht, noch die vernichtende Kritik, wie sie im-
mer noch besonders aus konservativen Kreisen von
Hochschulprofessoren geäußert wird, noch der Attentis-
mus, wie er zum Beispiel vom Deutschen Hochschulver-
band mit seiner Forderung nach einem Moratorium ver-
treten wird. Für ein Moratorium ist keine Zeit mehr,
sondern die Hochschulen in Europa und auch darüber hi-
naus sind in einem Prozess, der gestaltet werden muss,
der aber auch gestaltet werden kann. Weder Professoren
und Hochschulangehörige noch Studenten müssen die
Hamster im Laufrad sein, um hier den Hochschulver-
bandvorsitzenden Kempen zu zitieren. Sie können
Hochschule vielmehr gestalten und müssen dies noch
viel mehr tun, als es zwischenzeitlich schon von ihnen
getan worden ist. Wer nach wie vor unter dem Hum-
boldt-Syndrom unbedingt leiden muss, hat Humboldt
nicht richtig verstanden. Die Freiheit von Forschung und
Lehre in der Einheit von Forschung und Lehre ist durch
den Bologna-Prozess ja gerade nicht ausgeschlossen
worden, sondern kann von jedem einzelnen Hochschul-
angehörigen nach wie vor realisiert werden. So wenig
wie zu Humboldts Zeiten selbst diese Freiheit eine abso-
lute war, so wenig ist sie es in den veränderten Zeiten ei-
ner Hochschule als Großbildungseinrichtung für Millio-
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en von Studierenden. Professor Kleiner, der Präsident
er DFG, hat im Magazin des Deutschen Studentenwerks
m März dieses Jahres ganz praktisch dargestellt, welche
eränderung die Bologna-Reform auch für sein eigenes
mgehen mit seinem ganz persönlichen Curriculum be-
eutet hat. Er hat Humboldt dadurch ganz praktisch wer-
en lassen und gleichzeitig neuen Elan und neuen Im-
uls und Freude an Hochschule mit einer guten Lehre für
lle Studierenden und mit einer guten Forschung für die
llgemeinheit erfahren. Das bleibt im Jahr 10 des Bolo-
na-Prozesses die Hoffnung und Verpflichtung für die
ukunft: Hochschule praktisch besser zu gestalten.
Uwe Barth (FDP): Bologna ist in der Kritik und es
ilt derzeit als en vogue, alles, was im Hochschulbereich
icht rund läuft – und das ist durchaus einiges –, dem
ologna-Prozess anzuhaften. Schlechte Betreuungsver-
ältnisse, Leistungsdruck und Mobilitätshemmnisse:
er Sündenbock Bologna ist stets zur Hand!
Bologna ist in der Kritik und da ist sicher ein guter
eil berechtigter Kritik dabei. Manches fällt aber auch in
ie Rubrik platte Schuldzuweisung und das Fatale dabei
st, dass die wirklichen Ursachen unbenannt bleiben und
nter den Tisch fallen. Das ist weder redlich noch in der
ache förderlich. Wer so tut, als ob mit der Bologna-Er-
lärung vor zehn Jahren der Niedergang unseres Hoch-
chulsystems eingeläutet worden sei, der verkennt die
ealität. Denn es herrschte auch im Jahr 1999 keines-
egs eitel Sonnenschein an den deutschen Hochschulen
nd Universitäten.
Mit dem realistischen Blick in die Zeit vor zehn Jah-
en ist auch erklärt, dass mit den Reformen Hoffnungen
eweckt wurden, die – und da sind wir bei den Proble-
en – eben nicht alle erfüllt wurden. Manche konnten
ar nicht erfüllt werden, sie beruhten offenbar auf Miss-
erständnissen oder anderen Kommunikationsproble-
en. Manche waren vielleicht überzogen. Wenn man
ies alles einmal abzieht und die Sache realistisch be-
rachtet, ist die Bilanz besser, als oft dargestellt.
Aber auch die, die kritisieren, haben ernsthafte Anlie-
en. Wenn der Deutsche Juristen-Fakultätentag sagt, Bo-
ogna sei in allen Zielen gescheitert, dann ist das sicher
icht richtig. Was hier zum Ausdruck kommt, ist aber
uch das Gefühl, eine Reform aufgezwungen zu bekom-
en, die man nicht wollte und mit deren Umsetzung
an nun auch noch allein gelassen wird.
Die in unserem Antrag aufgelisteten Punkte zeigen,
ass Politik, Wirtschaft und in weiten Teilen die Hoch-
chulen selbst einer ganzen Reihe von Pflichten nicht
der nur schleppend nachgekommen sind. Dies muss
ich schleunigst ändern! Denn es besteht die Gefahr,
ass der Reformprozess auf drei Vierteln des Weges ins
tocken kommt und im Dickicht der Bedenken, Vorbe-
alte und vagen Ängste stecken bleibt. Aber eine Rolle-
ückwärts könnte hier zum Salto mortale werden! Eine
ehrtwende ist nicht zu verantworten – gerade jenen ge-
enüber, die nach hochwertiger Ausbildung verlangen.
und und Länder tragen eine Verantwortung dafür, dass
er Bologna-Prozess zu einem guten Ende geführt wird.
enn nur so ist sichergestellt, dass die Lebensplanung
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. Mai 2009 23955
(A) )
(B) )
und Perspektive von Studierenden nicht in Mitleiden-
schaft gezogen wird.
Ich bin ein großer Anhänger der Diplomstudiengänge,
ich habe selbst einen belegt und erfolgreich beendet, das
muss man ja immer mal dazu sagen. Aber die Frage
kann doch nicht lauten: Wollen wir Diplom oder
Bologna? Deutlicher, drastischer formuliert wird das
auch mal so ausgedrückt: Wollen wir unsere guten Di-
plomstudiengänge gegen einen minderwertigen Bache-
lor oder Master eintauschen? Eine solche Frage ließe nur
eine Antwort zu: Nein, das wollen wir natürlich nicht!
Die Konsequenz hieße: raus aus dem Reformprozess,
und zwar so schnell wie irgend möglich. Wenn eine sol-
che Frage ihre Berechtigung hätte, würde dies aber auch
bedeuten, dass jene, die diese Reform erdacht und be-
schlossen haben, entweder böswillig oder schwachsinnig
gewesen wären. Beides mag ich nicht glauben und ein
Blick auf die Ziele lässt auch keines von beidem vermu-
ten.
Es kommt auf die Umsetzung der Reform und die
Konzeption von Studienangeboten an – beides unzwei-
felhaft Aufgaben der Hochschulautonomie. Hier müssen
die Hochschulen selber Hand anlegen und den gegebe-
nen Handlungsspielraum nutzen. Es kommt dabei auf
die institutionellen Rahmenbedingungen, etwa Landes-
hochschulgesetze und Hochschulverträge an, wichtig ist
aber vor allem etwas, was uns seitens der HRK in den
letzten Jahren immer wieder in Erinnerung gerufen
wurde: eine ausreichende finanzielle Ausstattung der
Hochschulen. Alle Kolleginnen und Kollegen aus dem
Ausschuss werden sich erinnern, dass die HRK immer
wieder darauf hingewiesen hat, dass neben der ohnehin
drastischen Unterfinanzierung der Hochschulen ein we-
sentliches Problem der Umsetzung von Bologna eben
genau darin besteht, dass diese Fundamentalreform der
Hochschullehre ohne einen einzigen Euro zusätzlichen
Geldes bewerkstelligt werden musste und muss.
Die FDP-Fraktion hat beim Hochschulpakt darauf
hingewiesen, dass der Ansatz von 5 500 Euro pro Stu-
dienplatz und Semester bei tatsächlichen Kosten in Höhe
von durchschnittlich 7 300 Euro eine Farce ist. Nun soll
in der Nachfolgevereinbarung, sofern sie zustande
kommt, der Ansatz auf 6 500 Euro erhöht werden. Dass
das auch nicht reicht, ist sofort klar, wird aber schon fast
zur Nebensache, wenn wir nun hören, dass Bundes-
minister Steinbrück Bedenken angemeldet hat und die
Sonderprogramme für Forschung und Hochschulen ins-
gesamt, also die Exzellenzinitiative, den Pakt für Inno-
vation und Forschung und eben auch den Hochschul-
pakt II, unter Haushaltsvorbehalt gestellt sind. Damit
gehen ja auch die Befürchtungen der Bildungspolitiker
in seiner eigenen Fraktion in Erfüllung, die vor wenigen
Wochen vor genau diesem Szenario als Ergebnis des
Konjunkturpakets gewarnt hatten. Es ist schon eine
Farce, dass die Koalition, ohne mit der Wimper zu zu-
cken, für die Abwrackprämie Milliarden bereitstellt, Bil-
dung, Wissenschaft und Forschung aber der Haushalts-
lage anheimstellt. Ein Skandal!
Wir haben schon in unserem Antrag zum Hochschul-
pakt II darauf hingewiesen, dass die überhastet zuwege
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ebrachten Konjunkturmaßnahmen der Bundesregierung
ie langfristig geplanten, durchdachten und mit Sorgfalt
bgestimmten Förderprogramme gefährden würden. Es
rgert mich persönlich maßlos, wenn ich sehe, wie diese
irnrissige Geldverschwendung die Grundlage für einen
o dringend notwendigen Substanzaufbau bei Wissen-
chaft und Forschung bedroht.
Aber es geht ja im Zusammenhang mit der Umset-
ung des Bologna-Prozesses nicht nur um eine adäquate
usfinanzierung der Studienplätze. Wichtig ist auch, für
ie entsprechenden Bedingungen für Studierende zu sor-
en. „Bisher aufgetretene Probleme bei der Umsetzung
er Bologna-Reform, wie die tendenziell rückläufige
obilität der Bachelorstudierenden, steigende Leis-
ungs- und Prüfungsanforderungen, zunehmender Stress
der geringerer zeitlicher Spielraum für studienfinanzie-
ende Erwerbstätigkeit machen adäquate, leistungsfä-
ige Service- und Beratungsangebote für Studierende
mmer wichtiger“, so formuliert es das DSW und hat
echt mit dieser Mahnung. Wir haben uns in verschiede-
en Anträgen in dieser Legislatur immer wieder auch für
erbesserten Service während, aber auch vor dem Stu-
ium ausgesprochen, weil wir wollen, dass erstens jeder,
er studieren will und intellektuell dazu in der Lage ist,
ies auch tun kann, zweitens jeder, der studieren geht,
eiß, was an Anforderungen auf ihn zukommt und drit-
ens auch jedem klar ist, welche Chancen ein erfolgrei-
her Hochschulabschluss bietet.
Wir müssen den Aufbau von Kredit-, Darlehens- und
tipendiensystemen unterstützen, um denjenigen eine
ilfestellung zukommen zu lassen, die nicht in den Ge-
uss von BAföG kommen. Derzeit erhalten gerade ein-
al 2 Prozent aller Studenten ein Stipendium – die FDP
ill diese Quote auf 10 Prozent steigern. Das treibt die
PD auf die Palme. Sie hat das vom nordrhein-westfäli-
chen FDP-Innovationsminister Professor Pinkwart vor-
elegte Konzept mit allen zur Verfügung stehenden Mit-
eln bekämpft. Die Damen und Herren „Genossen“
ollen doch einmal den Stipendiaten erklären, weswegen
ie dieses Vorhaben blockieren! Als ob eine leistungsbe-
ogene Unterstützung nicht allen Studierenden gleicher-
aßen offen stünde!
Bologna ist Realität. Da hilft weder Zetern oder Jam-
ern noch ein verklärter Rückblick in vermeintlich bes-
ere Zeiten. Entscheidend ist, dass die Bedingungen an
nseren Hochschulen den Erfordernissen einer moder-
en Wissensgesellschaft entsprechen müssen. Denn an-
onsten setzen wir die Zukunftsfähigkeit unseres Nach-
uchses und des Landes insgesamt aufs Spiel. Und
ieses Risiko dürfen wir nicht in Kauf nehmen!
Cornelia Hirsch (DIE LINKE): Die Idee eines euro-
äischen Hochschulraums ist aus Sicht der Linken nicht
u kritisieren! Dass jedoch nicht alles so läuft, wie uns
ier gerne weisgemacht wird, scheint inzwischen sogar
ie Union zu verstehen. In ihrer heutigen Pressemittei-
ung ist zu lesen: „Zum Teil wurden Inhalte von Diplom-
tudiengängen eins zu eins in Bachelorstudiengänge
bernommen, was eine Überfrachtung der Curricula zur
olge hatte. Problematisch ist auch die noch fehlende
23956 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. Mai 2009
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Akzeptanz der Bachelor-Abschlüsse.“ Schön, dass end-
lich auch das Regierungslager zu verstehen beginnt, was
die Linke hier schon mehrfach problematisiert hat: Der
Bologna-Prozess wird mangelhaft bis ungenügend um-
gesetzt! Viele Studiengänge werden nur umetikettiert,
der Prüfungsdruck steigt in ein beinahe unerträgliches
Ausmaß und eine demokratische Beteiligung liegt in
weiter Ferne. So wird diese Reform kein Erfolg.
Wenn der Bologna-Prozess zu einem Erfolg werden
soll, dann muss sich in drei zentralen Fragen etwas än-
dern.
Erstens: Am neu geschaffenen Hochschulraum müs-
sen alle gleichermaßen partizipieren können. Das ist bis-
her nicht der Fall. Weder konnte die Studierendenquote
deutlich erhöht, geschweige denn der Anteil von Studie-
renden aus finanzschwachen und bildungsfernen Eltern-
häusern gesteigert werden. Er dümpelt auf einem be-
schämend niedrigem Niveau. Außerdem befindet sich
die Studienfinanzierung trotz der 22. BAföG-Novelle,
für die sich die Große Koalition feiern ließ, in einem
desolaten Zustand. Die Bedarfssätze und Freibeträge
wurden nicht ausreichend erhöht und eine generelle För-
derung im Master ist ebenfalls nicht möglich. Die Linke
fordert deshalb, dass die soziale Dimension nicht zum
Feigenblatt verkommt, sondern endlich ernst genommen
wird!
Zweitens muss Mobilität tatsächlich und nicht nur in
wohlfeilen Erklärungen erhöht werden. Dieses zentrale
Versprechen des Prozesses kann die Bundesregierung
bisher nicht halten. Es reicht nicht, nur auf die Erfolge
der Umstellungsgeschwindigkeit zu verweisen, wenn
mittlerweile sogar innerhalb von Deutschland der Wech-
sel von Hochschule zu Hochschule immer schwieriger
wird. Den Studierenden wurde versprochen, dass sie zu-
künftig zwischen Berlin und Madrid wechseln können
werden. Nun stellen sie fest, dass nicht mal mehr ein
Hochschulwechsel von Berlin nach Frankfurt funktio-
niert. Das ist ein Armutszeugnis für die Bundesregie-
rung!
Und als dritten Punkt muss der Bologna-Prozess zu
mehr Qualität im Studium führen. Bisher ist das Gegen-
teil der Fall. Im Hauruckverfahren wurde der Prozess in
Deutschland eingeleitet und umgesetzt. Die Hochschu-
len waren hiermit deutlich überfordert. Die Studierenden
wurden viel zu wenig einbezogen, aber vor allem fehlten
die notwendigen finanziellen Mittel. Eine qualitative
Studienreform geht nur mit deutlich mehr Geld. Deshalb
ist es ein Skandal ohnegleichen, dass Bundesfinanzminis-
ter Peer Steinbrück die Fortsetzung des Hochschulpaktes
auf die Zeit nach der Bundestagswahl verschoben hat.
Wie perfide muss man sein, vor wenigen Tagen noch ein
Wahlprogramm für die SPD mit einem zentralen
Schwerpunkt auf der Bildung auf den Weg zu bringen,
um kurz darauf eine Haushaltssperre in diesem Politik-
feld zu verhängen?
Die Kritik an der Umsetzung allein ist für die Linke
aber noch lange nicht ausreichend. Wir kritisieren zu-
dem, dass der Bologna-Prozess auf einer falschen
Grundlage steht. Er orientiert sich an der EU-Politik und
damit an der Lissabon-Strategie. Diese Lissabon-Strate-
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ie impliziert im Bildungsbereich konkrete Empfehlun-
en der EU-Kommission zur Einführung von Studienge-
ühren oder für die Erleichterung von Public-Private-
artnership-Modellen im Hochschulbereich. Die Linke
etzt sich dagegen dafür ein, dass die konsequente Um-
etzung der Verpflichtungen aus dem UN-Sozialpakt zur
oraussetzung für die Teilnahme am Bologna-Prozess
ird. Im UN-Sozialpakt, den fast alle Bologna-Staaten
nterzeichnet haben, ist die Gebührenfreiheit des Stu-
iums als Ziel verankert. Bisher lehnten alle anderen
raktionen unser Ansinnen ab. Das zeigt nicht nur, wie
nwichtig ihnen internationale Verpflichtungen sind,
ondern auch, wie halbherzig gerade SPD oder Grüne
atsächlich gegen Studiengebühren eintreten. Die Linke
ordert europaweite Gebührenfreiheit der Bildung!
Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ein ge-
einsamer europäischer Hochschulraum ist ein starkes
nd visionäres Ziel für die junge Generation. Darin sind
ir uns sicher alle einig. Ein erfolgreicher Bologna-Pro-
ess könnte daher einen wichtigen Beitrag für das tat-
ächliche Zusammenwachsen unseres Kontinents leis-
en. Die Umstellung auf das zweistufige Bachelor- und
astersystem sollte grenzenlose Mobilität ermöglichen
nd zu einem Treiber für eine echte Studienreform wer-
en.
Zum zehnten Geburtstag der Bologna-Reform müs-
en wir aber konstatieren: Die Bilanz ihrer Umsetzung
ierzulande ist durchwachsen. Einerseits sind mittler-
eile drei Viertel aller Studiengänge auf Bachelor und
aster umgestellt. Andererseits sind wesentliche Re-
ormziele wie mehr Mobilität der Studierenden, bessere
nerkennung von Studienleistungen, geringere Abbre-
herquoten, höhere Studienqualität und eine bessere Be-
reuung der Studierenden noch immer nicht erreicht oder
urden sogar deutlich verfehlt. Es zeigt sich, dass es
trotz aller Anstrengungen an den Hochschulen vor Ort –
uch im zehnten Umsetzungsjahr noch immer ein weiter
eg von Bologna nach Deutschland ist. Dafür gibt es
uch im Bologna-Bericht der Bundesregierung zahlrei-
he Belege.
Zu einer ehrlichen Bilanz gehört daher, sich einzu-
estehen, dass wir einen ganze Palette an Problemen ha-
en. Die Konsequenz daraus kann aber nicht sein, Bo-
ogna rückgängig zu machen und damit auf halbem
ege auszusteigen. Nein, das wäre unvernünftig und
ahrlässig. Wir brauchen vielmehr von allen handelnden
kteuren – im Bund, in den Ländern, an den Hochschu-
en – gemeinsam getragene Strategien, wie wir für alle
tudierenden tatsächlich ein besseres Studium und einen
ansparenten mobilitätsfreundlichen europäischen Hoch-
chulraum verwirklichen.
Wir meinen daher, dass der Bologna-Prozess eine
weite Reformstufe braucht, eine Reformstufe, welche
ie Studierenden endlich in den Mittelpunkt stellt. Denn
ie bisherige Umsetzung in Deutschland hat sich viel zu
ehr auf die Struktur beschränkt und teilweise zu Über-
trukturierungen geführt. Es war keine Studienreform im
inne ihrer Erfinder, vielerorts auf alte Diplom- und Ma-
isterstudiengänge einfach das Etikett „Bachelor“ zu
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. Mai 2009 23957
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kleben und nach dem Motto „verschulen, verdichten,
umbenennen“ vorzugehen. Es war ein Fehler, Studien-
ordnungen häufig nicht zu entrümpeln und auf diese
Weise die Arbeitsbelastung der Studierenden – unter an-
derem durch vielzählige studienbegleitende Prüfungen –
hochzuschrauben, anstatt vordringlich auf hohe Studien-
qualität und gute Studierbarkeit zu achten.
Deshalb müssen wir in einer zweiten Reformstufe
dringend die Qualität von Studiengängen und Lehre auf
Vordermann bringen. Wir benötigen dabei eine kritische
Revision der Studieninhalte. Nur so kann die Vision ei-
nes europäischen Hochschulraums Wirklichkeit werden.
Die Bundesregierung hat von der Bologna-Konferenz
in Löwen ein dickes Hausaufgabenheft mitbekommen.
Es deckt sich weitgehend mit grünen Forderungen aus
unserem Antrag. Wir wollen eine soziale Öffnung der
Hochschulen und mehr gesellschaftliche Vielfalt auf
dem Campus anstatt exklusive Zugänge für einzelne
Herkunftsgruppen. Wir wollen eine bessere Betreuung
für die Studierenden statt Vorlesungen und Prüfungen im
Akkord. Wir wollen innovative Lehrkonzepte fördern
statt Steinzeitdidaktik. Abbruchquoten müssen in allen
Studiengängen sinken, nicht steigen. Auslandsaufent-
halte müssen im Bachelorstudium zeitlich machbar und
einfacher möglich sein als vorher. Und Bachelorabsol-
venten brauchen anstelle neuer Übergangshürden reale
Möglichkeiten, ein Masterstudium aufnehmen zu kön-
nen. Bundesregierung, Länder und Hochschulen müssen
in diesem Sinne zusammenwirken, damit die „Kinder-
krankheiten“ der Bologna-Reform endlich geheilt wer-
den. Dieser Wille ist bei der amtierenden Bundesregie-
rung jedoch an keiner Stelle auszumachen.
Stichwort „Soziale Öffnung der Hochschulen“: Im
Studienanfängerjahrgang 2005 ist der Anteil der Arbeiter-
kinder nur halb so groß wie ihr Anteil an der altersglei-
chen Bevölkerung (20 zu 40 Prozent). Zugangshürden
zum Hörsaal gehören abgeräumt und nicht verteidigt, so
wie es Studiengebührenbefürworterin Schavan tut. Und
wenn wir wissen, dass die Möglichkeit zu Auslands-
semestern stark von der sozialen und finanziellen Lage
der Studierenden abhängt, dann braucht es unter ande-
rem eine stärkere Studienfinanzierung als heute.
Stichwort „Studierbarkeit“: Die Studienstrukturreform
muss in eine umfassende Lehr- und Qualitätsreform ein-
münden: Die Hochschulen müssen den Spielraum erhal-
ten und nutzen, sieben- und achtsemestrige Bachelor-
studiengänge anzubieten. Auslandssemester, Praktika
oder studentisches, soziales oder politisches Engage-
ment müssen ohne Studienverzögerung oder Dauerstress
einzutakten sein – dazu braucht es mehr Flexibilität und
Mobilitätsfenster im Studienangebot. Studierende müs-
sen zudem die Sicherheit erhalten, dass andernorts er-
brachte Studienleistungen einheitlich, vorhersehbar und
großzügig anerkannt anstatt überpenibel gehandhabt
werden.
Stichwort „Finanzierung der Bologna-Reform“: Ba-
chelorabschlüsse kosten in der Regel mehr als die bishe-
rigen Studiengänge. Die notwendigen zusätzlichen Mit-
tel wurden aber nicht bereitgestellt. Es ist Aufgabe des
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undes und vor allem der Länder, im Rahmen einer
weiten Reformstufe endlich für eine angemessene Ge-
enfinanzierung der Bologna-Reform zu sorgen, damit
ie Betreuung und soziale Flankierung gestärkt werden.
Beim Hochschulpakt haben Finanzminister Steinbrück
nd die Landesfinanzminister der Union die vorgeschla-
ene Erhöhung der Pauschale pro Studienplatz aber
eider gerade vom Tisch gewischt – während die Bun-
esregierung für Banken und Neuwagen riesige Schul-
enberge und Haushaltsrisiken auftürmt. Gleichzeitig
ntzieht der Finanzminister den nachfolgenden Genera-
ionen die Grundlagen, die Schulden jemals wieder ab-
ubauen. Damit wird einmal mehr überdeutlich: Merkels
ildungsgipfel war ein Jammertal – eine Showveranstal-
ung ohne Substanz. Wir sind hier aber nicht im Kino,
ondern in der hochschulpolitischen Realität. Und die
chreit nach beherzten Taten und einem neuen Aufbruch
ach Bologna. Für Ernüchterung und gebrochene Ver-
prechen in der Hochschulpolitik hat die große Streit-
oalition schon genug gesorgt.
Andreas Storm, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
esministerin für Bildung und Forschung: In diesem
ahr sind zehn Jahre seit der Unterzeichnung der Bologna-
rklärung vergangen, zehn Jahre, in denen die deutsche
ochschullandschaft entscheidend modernisiert wurde
nd in denen die Idee eines europäischen Hochschul-
aums Wirklichkeit geworden ist. Das gilt etwa für die
inführung von vergleichbaren Studienabschlüssen, von
egeln und Institutionen der Qualitätssicherung und Trans-
arenzinstrumenten wie ECTS und Diploma Supplement.
in untrügliches Indiz für den Erfolg des Bologna-Pro-
esses ist, dass auch das außereuropäische Ausland mit
nteresse auf die Reformen blickt und sich in einigen Be-
eichen an ihnen orientiert.
Lassen Sie mich auch sagen: Zehn Jahre waren noch
icht in allen Bereichen genug, um mit den Fortschritten
ufrieden zu sein. Die Ministerinnen und Minister der
6 Bologna-Staaten haben sich daher in der vergangenen
oche in Leuven für die Fortsetzung der Zusammenar-
eit im Europäischen Hochschulraum in der kommenden
ekade ausgesprochen, um die Attraktivität der europäi-
chen Hochschulen zu steigern, die Mobilität der Studie-
enden auszuweiten und das Lebenslange Lernen fortzu-
ntwickeln.
In Deutschland sind von den insgesamt gut 12 000 Stu-
iengängen mittlerweile drei Viertel auf Bachelor und
aster umgestellt. Bei dem letzen Bericht zur Umset-
ung des Bologna-Prozesses in Deutschland vor zwei
ahren lag der Anteil noch bei weniger als der Hälfte.
ut 30 Prozent der Studierenden und rund zwei Drittel
ller Studienanfänger sind in diesen Studiengängen ein-
eschrieben; auch hier ganz klar mit steigender Tendenz.
Im Zuge der Bologna-Reformen und der Umstellung
uf BA und MA ist eine große Vielfalt von Studiengän-
en entstanden. Diese Entwicklung ist zu begrüßen, da
ie den Innovationsgeist unserer Hochschulen zeigt!
ennoch ist die Umsetzung noch nicht überall zufrie-
enstellend gelungen. Insbesondere dort, wo bisherige
23958 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. Mai 2009
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Studiengänge ohne inhaltliche und qualitative Weiterent-
wicklung auf die neue Studienstruktur umgestellt wur-
den und dadurch Dichte und Fülle des Studienstoffes nur
schwer beherrschbar sind, muss nachgebessert werden.
Die Weiterentwicklung der Curricula wird daher auch
im kommenden Jahrzehnt entscheidend für die erfolgrei-
che Umsetzung des Bologna-Prozesses sein. Dabei wird
von den Hochschulen die Breite und Tiefe der Studienin-
halte, vor allem im Bachelorstudium, kritisch zu über-
prüfen sein. Berufspraktische Ansprüche müssen besser
berücksichtigt werden, Mobilität muss auch im Bachelor-
studium leichter möglich sein, und die Studierbarkeit der
Studiengänge muss gewährleistet sein. Die Hochschulen
haben durch die Reformen mehr Spielräume erhalten,
ein eigenes Profil zu entwickeln und Verantwortung für
die Inhalte und die Qualität ihres Angebotes zu überneh-
men. Ich möchte die Universitäten und Fachhochschulen
nachdrücklich auffordern, die Reform pragmatisch an
den Interessen der Studierenden so zu orientieren, dass
Forschung und Lehre verbessert werden.
Die Erhöhung der Mobilität von Studierenden und
akademischem Personal bleibt eines der Kernziele des
Bologna-Prozesses. Für Deutschland ist die Bilanz zwi-
schen den aktuellen Werten und dem Ausgangsjahr des
Bologna-Prozesses 1999 positiv: Die deutschen Studie-
renden gehen öfter ins Ausland, und auch als Gastgeber-
land ist Deutschland attraktiv. Dennoch gilt es hier noch
ehrgeiziger zu sein: In Leuven haben wir europaweit das
Ziel vereinbart, dass bis 2020 20 Prozent der Studieren-
den während ihres Studiums ins Ausland gehen. Für
Deutschland haben wir uns noch höhere Ziele gesetzt:
Wir wollen, dass 20 Prozent aller Studierenden mindes-
tens ein Semester an einer ausländischen Hochschule ab-
solvieren und dass insgesamt 50 Prozent aller Studieren-
den zum Zwecke des Studiums, eines Praktikums oder
eines Sprachkurses während ihres Studiums ins Ausland
gehen. Zur Steigerung der Mobilität müssen wir in den
kommenden Jahren auch daran arbeiten, dass im Aus-
land erbrachte Studienleistungen bei uns besser aner-
kannt werden.
Ein großes Thema der Bologna-Ministerkonferenz
war auch das Lebenslange Lernen und die Frage, wie
Europa seinen Bedarf an hochqualifizierten Fachkräften
dauerhaft decken kann. Der Bologna-Prozess bietet hier
die Gelegenheit, auf neue Herausforderungen zu reagie-
ren, die ich mit der Überschrift „Veränderte Bildungs-
biografien“ kurz umreißen möchte: Wir müssen die
Durchlässigkeit aus der beruflichen Bildung in die
Hochschulen verbessern, indem der Hochschulzugang
für beruflich Qualifizierte erleichtert und die Anrech-
nung mitgebrachter Kompetenzen verstärkt wird. Hier
liegen große Potenziale für eine Steigerung der Studien-
anfängerquote und die Ausschöpfung von Begabungs-
reserven, die bisher zu wenig genutzt werden. Wir müs-
sen den Wechsel zwischen Phasen des Studiums bzw.
der akademischen Weiterbildung und der Berufstätigkeit
erleichtern und mehr Möglichkeiten für ein berufsbeglei-
tendes Studium oder ein Teilzeitstudium schaffen.
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Durchlässigkeit, berufsbegleitende Weiterbildung und
er Aufstieg durch Bildung sind auch Kernpunkte der
ualifizierungsinitiative für Deutschland, die Bundes-
egierung und Länder am 22. Oktober 2008 in Dresden
eschlossen haben. Zahlreiche konkrete Schritte wurden
ereinbart, um die Potenziale für einen Aufstieg durch
ildung zu heben. So haben die Länder spürbare Verbes-
erungen beim Hochschulzugang für beruflich Qualifi-
ierte und bei der Anrechnung ihrer Kompetenzen auf
in Studium zugesagt. Beruflich Qualifizierte sollen künf-
g nach dreijähriger Berufstätigkeit die Möglichkeit zum
achgebundenen Hochschulzugang erhalten, Meister, Tech-
iker und Fachwirte sogar den allgemeinen Hochschul-
ugang. Die Bundesregierung hat bereits im vergangenen
ahr speziell für diese Zielgruppe mit den Aufstiegs-
tipendien ein neues und attraktives Instrument der Be-
abtenförderung geschaffen. Bis Ende dieses Jahres sol-
en bereits 1 500 Stipendiaten von der Förderung
rofitieren.
Zudem wollen Bund und Länder in der nächsten
ahlperiode einen Wettbewerb „Aufstieg durch Bil-
ung: Lebenslange wissenschaftliche Qualifizierung“
tarten. Damit soll die Entwicklung von praxisnahen, be-
ufs- und ausbildungsbegleitenden Studiengängen an
en Hochschulen gefördert und die Integration von Be-
ufstätigen und beruflich Qualifizierten in die Hoch-
chulbildung erhöht werden. Auch für Studierende mit
indern ist ein solches Angebot interessant.
Stärker als bisher wird im kommenden Jahrzehnt auch
ie soziale Dimension des Bologna-Prozesses im Vor-
ergrund der Aufmerksamkeit stehen. Die europäischen
ochschulminister haben sich in Leuven darauf verstän-
igt, dass jedes Land quantifizierbare Ziele für die Teil-
ahme an der Hochschulbildung und eine stärkere Teil-
abe bislang unterrepräsentierter Gruppen erarbeitet.
und und Länder haben hier für Deutschland durch den
ationalen Aktionsplan Soziale Dimension und die Qua-
ifizierungsinitiative die Weichen richtig gestellt. Unser
iel, die Studienanfängerquote auf 40 Prozent zu stei-
ern, ist mit derzeit 39,3 Prozent in greifbare Nähe ge-
ückt. Für die Steigerung des Frauenanteils in MINT-
ächern und für eine höhere Bildungsbeteiligung von Ju-
endlichen mit Migrationshintergrund haben wir neue
aßnahmen ergriffen. Die massive Ausweitung der
AföG-Leistungen mit einer Erhöhung der Förderung
m 10 Prozent und der Freibeträge um 8 Prozent sowie
erbesserten Regelungen für mobile Studierende, die
erstärkte Förderung integrierter Studiengänge und die
ensibilisierung der Hochschulen für Studierende in be-
onderen Lebenslagen sind weitere Bausteine.
Die Fortsetzung der Bologna-Reformen in der nächs-
en Dekade ist alternativlos, wenn wir unser Land zu-
unftsfähig machen wollen. An einer erfolgreichen Um-
etzung werden wir in der bewährten Kooperation
wischen allen Akteuren auf Bundes- und Landesebene,
it Hochschulen und Hochschullehrern, Studierenden
nd Sozialpartnern weiterarbeiten.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. Mai 2009 23959
(A) )
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Anlage 18
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung der Beschlussempfehlung und des
Berichts zu den Anträgen:
– Rehabilitierung für die Verfolgung und
Unterdrückung einvernehmlicher gleich-
geschlechtlicher Handlungen in der Bundes-
republik Deutschland und der Deutschen De-
mokratischen Republik und Entschädigung
der Verurteilten
– Rehabilitierung und Entschädigung der nach
1945 in Deutschland wegen homosexueller
Handlungen Verurteilten
(Tagesordnungspunkt 7)
Dr. Jürgen Gehb (CDU/CSU): Zum besseren Ver-
ständnis der heutigen Debatte empfehle ich jedem, sich den
Bericht des Rechtsausschusses auf Drucksache 16/12371
zu Gemüte zu führen. Dort wird man zweierlei Interes-
santes entdecken. Erstens: Es gibt keine Stellungnahme
der Grünen. Dies verwundert überhaupt nicht, denn je-
dem verantwortlichen Rechtspolitiker auch bei den Grü-
nen ist klar, dass gewisse Dinge nicht gehen, die so gern
andere Politiker aus den eigenen Reihen oft vollmundig
in den Mund nehmen und damit beifallheischend auch
durch die Lande ziehen. Zweitens: Im Bericht findet sich
folgender Satz der Linken: „Jenseits von Ideologien
seien daher die nach 1945 ausgesprochenen Urteile auf-
zuheben“.
Dies ist der entscheidende Punkt. Wenn man unter
Ideologie auch den Rechtsstaat und das Gewaltentei-
lungsprinzip versteht, dann ist die Botschaft der Linken
klar: Wenn es passt, wenn es politisch opportun ist, dann
ist es nicht mehr weit her mit dem zu schuldenden Re-
spekt der Gewalten untereinander, und man hat schein-
bar überhaupt kein Problem damit, flugs einmal die Axt
an das Gewaltenteilungsprinzip zu legen. Ich finde dies
gar nicht lustig, denn hier geht es um sehr prinzipielle
Fragen des Rechtstaates, und ich bin sehr erschrocken,
wie schnell und auch locker-flockig fundamentale Prin-
zipen unseres Gemeinwesens hier geopfert werden sol-
len.
Zum wiederholten Male stelle ich fest: Erstens. Es
gibt Nachkriegsurteile, und nicht nur auf diesem Feld,
über die wir heute nur den Kopf schütteln oder man sich
gar schämen muss, wie es der Kollege van Essen im Ja-
nuar ausgeführt hat.
Zweitens. Die Stärke unseres Staates, unserer Demo-
kratie, liegt allerdings darin, dass der Gesetzgeber, dass
dieses Parlament Dinge ändert, wenn er sie für falsch
hält. Dies ist mit dem § 175 StGB im Laufe der Jahre
auch geschehen – wenn man so will, ein durch und durch
demokratischer Vorgang.
Drittens. Dieses Parlament hat sich bereits mehrfach
und zuletzt im Jahr 2000 ganz ausführlich mit dem
Schicksal homosexueller Menschen in der NS- und auch
der Nachkriegszeit beschäftigt. Dieses Haus hat förmlich
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ür das angetane Leid gerade auch aus der Nachkriegs-
eit um Entschuldigung gebeten. Und im Gegensatz zur
alschinformation von Frau Höll in der Januardebatte ist
ie damalige Entschließung auch einstimmig vom Ple-
um dieses Hauses angenommen worden. Die wenigen
egenstimmen gab es in der Ausschussabstimmung und
icht im Plenum – aber diesen kleinen, feinen Unter-
chied muss man kennen oder sich gegebenenfalls auf-
chreiben lassen.
Viertens. Wir haben uns im Jahr 2000 auch für einen
nderen Weg der Rehabilitierung und Entschädigung
ntschieden. Ich kann nur jeden ermuntern, den damali-
en Beschluss und die damaligen Reden noch einmal
achzulesen, damit nicht der falsche und fatale Eindruck
ntsteht, der Bundestag würde sich erstmals 2009 und
ur auf Drängen der Opposition dieses Themas anneh-
en. Geschichtsklitterungen dieser Art sollten wir
leich im Keim ersticken. Ich gebe auch die Hoffnung
icht auf, dass eines Tages die Magnus-Hirschfeld-Stif-
ung noch das Licht der Welt erblicken wird.
Fünftens. Wie der Kollege Dressel, wie viele andere
ollegen einschließlich meiner Person und wie ganz ex-
lizit die rot-grüne Bundesregierung selbst bereits mehr-
ach ausgeführt haben, können nachkonstitutionelle Ur-
eile aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht
ufgehoben werden. Außer, und dies sage ich ganz deut-
ich, man stellt sich hier hin und steht auch dazu, dass
an bereit ist, die Axt an das Gewaltenteilungsprinzip
nd die Unabhängigkeit der Justiz zu legen.
Vor diesem Hintergrund frage ich heute in aller Ernst-
aftigkeit und Öffentlichkeit den Kollegen Montag, der
mmerhin zu den Unterzeichnern des heutigen Grünen-
ntrags gehört, ob er wirklich die Auffassung vertritt,
er Gesetzgeber – also dieses Haus – könne und solle
echtskräftige Urteile aufheben, die auf einer Strafnorm
eruhen, die wiederum zum Zeitpunkt des Urteils-
pruchs vom Bundesverfassungsgericht als verfassungs-
onform eingestuft wurde.
Noch einmal, weil es so wichtig ist: Es geht nicht um
as Leid homosexueller Mitbürger, sondern es geht um
ie zentrale und grundsätzlich zu beantwortende Frage,
b eine jeweilige Parlamentsmehrheit, also die Legisla-
ive, rechtskräftige Urteile unabhängiger Gerichte
chlicht und einfach aufheben kann und ob dies mit dem
echtsstaat und unserem Grundgesetz zu vereinbaren
st. Sie sehen, es geht an dieser Stelle überhaupt nicht um
as Schicksal einer Gruppe, sondern um eine verfas-
ungsrechtliche Grundsatzfrage. Diese Grundsatzfrage
at meine Fraktion, und nach meinem Eindruck ebenso
uch SPD und FDP, klar für sich beantwortet. Und genau
us diesem Grunde wird die Union die vorliegenden An-
räge ablehnen.
Dr. Carl-Christian Dressel (SPD): Die strafrechtli-
he Verfolgung homosexueller Beziehungen unter Er-
achsenen in der Vergangenheit ist der Gegenstand die-
er Debatte. Dabei müssen wir unterscheiden. Denn es
eht hier um die Verfolgungen während der Zeit des Na-
ionalsozialismus einerseits und um die Repressionen in
er Zeit nach 1945 andererseits. Während der Zeit der
23960 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. Mai 2009
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Naziherrschaft erreichten Verfolgungen, Anfeindungen
und Gewalt gegen Homosexuelle einen traurigen Höhe-
punkt. In der Bundesrepublik Deutschland und in der
DDR bestand die Strafandrohung lange Zeit mit den für
die Betroffenen verbundenen Auswirkungen fort.
Vor diesem Hintergrund erscheint das Ziel der beiden
Anträge, die wir jetzt in 2./3. Lesung beraten, durchaus
ehrenwert. Ich unterstelle zumindest Bündnis 90/Die
Grünen eine positive Intention, da sie mit ihrer Initiative
den Versuch unternehmen wollen, geschehenes Unrecht
zu mildern. Bei der PDS sticht nach wie vor heraus, dass
Zielrichtung des Antrages ist, die Bundesrepublik
Deutschland und die DDR in einem Satz zu nennen.
Wir alle wissen, dass Versuche der Rehabilitation in
der jüngeren Vergangenheit immer wieder unternommen
worden sind, notwendigerweise, wie ich finde. Ich
glaube, darüber besteht fraktionsübergreifend Einigkeit.
Beide Anträge klassifizieren die strafrechtliche Ver-
folgung gleichgeschlechtlicher sexueller Handlungen als
einen Verstoß gegen die Europäische Menschenrechts-
konvention – dies ist seit 1984 durch den Europäischen
Gerichtshof für Menschenrechte anerkannt. Darüber hi-
naus wird in den Anträgen argumentiert, dass nach der
erfolgten Rehabilitierung der von NS-Urteilen Betroffe-
nen diese auch für die Zeit nach 1945 erfolgen könne
und müsse. Um dies schon an dieser Stelle festzustellen:
Ich halte dieses Ansinnen für nicht realisierbar und
werde dies ausführlich begründen.
Ich habe das bereits während der 1. Lesung an dieser
Stelle gesagt, und gebe es heute erneut zu Protokoll: Die
deutsche Sozialdemokratie hat die Verfolgung von Men-
schen, die aufgrund einvernehmlicher gleichgeschlecht-
licher Handlungen unterdrückt wurden – diese Unterdrü-
ckung ging bis hin zum Mord (!) –, stets bekämpft. Es
gab dazu bereits in der Weimarer Republik entspre-
chende SPD-Initiativen und nicht zuletzt wurde das All-
gemeine Gleichbehandlungsgesetz gegen massive Wi-
derstände von uns durchgesetzt. Seit dem 1. Januar 2009
sieht das Bundesrecht vor, dass Lebenspartnerschaften
genauso wie Ehen in allen Bundesländern vor einem
Staatsbeamten geschlossen werden können. Damit
wurde ein klares Signal für die Gleichberechtigung aller
Partnerschaften gesetzt!
Wir haben die beiden vorliegenden Anträge detailliert
geprüft. Und bevor ich Ihnen die Punkte aufzählen
werde, die für meine Fraktion dafür ausschlaggebend
sind, die eingebrachten Anträge abzulehnen, möchte ich
einige verfassungsrechtliche Anmerkungen beitragen:
Die Aufhebung von nachkonstitutionellen Urteilen
nach §§ 175, 175 a Nr. 4 StGB würde massiven verfas-
sungsrechtlichen Einwänden begegnen. Aus dem in
Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG normierten Gewaltenteilungs-
prinzip folgt, dass jede der drei Staatsgewalten grund-
sätzlich verpflichtet ist, die von den beiden anderen
Staatsgewalten erlassenen Akte anzuerkennen und als
rechtsgültig zu behandeln. Ferner hat das Bundesverfas-
sungsgericht darauf hingewiesen, dass Gesetze, die rück-
wirkend in die Rechtskraft von Gerichtsentscheidungen
eingreifen, den Grundsatz der Gewaltenteilung berühren.
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Ich will das noch etwas präzisieren: Das den Verurtei-
ungen zugrunde liegende Strafrecht nach 1945 (§§ 175,
75 a StGB bzw. § 151 StGB-DDR) war gültig. Die Ur-
eile sind deshalb rechtskräftig. Der normative Einstel-
ungswandel gegenüber Homosexualität hat zu einer Ab-
chaffung der Straftatbestände und darüber hinaus zur
ntsprechenden Interpretation der Europäischen Men-
chenrechtskonvention geführt. Beides ist jedoch kein
rund zur Durchbrechung der Rechtskraft. Insofern ist
ie in den Anträgen in der Begründung vorgenommene
leichsetzung mit den aufgehobenen NS-Urteilen an-
reifbar. Diese waren von Anfang an menschenrechts-
nd verfassungswidrig – deshalb wurden sie aufgeho-
en. Gleiches gilt jedoch nicht für die nach 1945 erfolg-
en Urteile, gleichwohl dies nicht mehr den heutigen
ertevorstellungen entspricht. Aus diesem Grund sind
n der 14. Wahlperiode ja auch nur die Urteile aus der
eit des Nationalsozialismus pauschal aufgehoben wor-
en.
Um es ganz klar zu veranschaulichen: Eine nachträg-
iche Rückwirkung der Gesetzesänderung wäre ein Prä-
edenzfall, verbunden mit dem Risiko, dass in Zukunft
eformen wegen der Gefahr von Entschädigungsleistun-
en in der Tendenz erschwert würden!
Ich möchte jetzt noch zwei weitere Kritikpunkte hin-
ichtlich der beiden Anträge anbringen, die meines Er-
chtens seit der ersten Lesung fortbestehen. Erstens zur
ntschädigungsfrage. Dazu ist zu sagen, dass der Deut-
che Bundestag es bereits im Rahmen des NS-AufhebG
nd seiner Änderungsgesetze abgelehnt hat, eine pau-
chale Entschädigung bei der Aufhebung eines NS-Un-
echtsurteils vorzusehen. Es gelten die allgemeinen Ent-
chädigungsregeln für erlittenes NS-Unrecht. Darüber
inaus besteht lediglich die Möglichkeit einer Billig-
eitsentscheidung.
Zweitens. Sowohl für die Rehabilitierung von in der
undesrepublik Deutschland als auch in der DDR Verur-
eilten hat der Bundestag bereits eine umfassende Erklä-
ung (Drucksache 14/4894) abgegeben, die eindeutig ist.
Aus diesen Gründen wird meine Fraktion nicht für die
eiden Anträge von Bündnis 90/Die Grünen und PDS-
inke stimmen.
Jörg van Essen (FDP): Ich stimme der Aussage in
em Antrag von Bündnis 90/Die Grünen zu, dass in
eutschland auch nach 1945 die strafrechtliche Verfol-
ung von Homosexuellen ein Klima der Angst und der
inschüchterung erzeugte. Ich stimme auch der Aussage
u, dass die strafrechtliche Verfolgung einherging mit
iner gesellschaftlichen Ächtung von Homosexualität.
Die FDP-Bundestagsfraktion hat nie einen Zweifel
aran gelassen, dass die Urteile von deutschen Gerichten
n den 50er-Jahren aus heutiger Sicht auf völliges Unver-
tändnis stoßen müssen. Selbst das Bundesverfassungs-
ericht hat in einem Urteil von 1957 festgestellt, dass die
leichgeschlechtliche Betätigung eindeutig gegen das
ittengesetz verstößt. Eine strafrechtliche Verfolgung
nd eine Verurteilung wegen einer Tat nach § 175 StGB
ar geeignet, ganze Lebensbiografien zu zerstören. Für
ie Betroffenen hatte eine derartige Verurteilung weitrei-
hende Konsequenzen in alle Lebensbereiche hinein. Es
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. Mai 2009 23961
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war daher richtig und notwendig, dass der Deutsche
Bundestag in der 14. Wahlperiode einmütig bekundet
hat, dass die in der BRD und DDR fortbestehende Straf-
androhung für homosexuelle Männer die Betroffenen in
ihrer Menschenwürde verletzt hat. Der Bundestag hat
bekräftigt, dass die Verfolgung einvernehmlicher gleich-
geschlechtlicher Beziehungen gegen die Europäische
Menschenrechtskonvention und nach heutigem Verständ-
nis auch gegen das freiheitliche Menschenbild des
Grundgesetzes verstößt. Der Bundestag hat damit einen
Weg gefunden, um den Opfern ihre Ehre wiederzugeben
und sich bei all denen zu entschuldigen, die im Namen
des Staates zu leiden hatten und denen Unrecht wider-
fahren ist.
Ich stimme den vorliegenden Anträgen nicht zu be-
züglich der Forderungen, die aus den vorliegenden Sach-
verhalten abgeleitet werden. Aus meiner Sicht machen
es sich die Antragsteller zu einfach, wenn sie die Aufhe-
bung der wegen § 175 StGB ergangenen Urteile nach
1945 fordern. Wir feiern in diesem Jahr das Jubiläum
„60 Jahre Grundgesetz“. Zu Recht nehmen wir dieses
Jubiläum zum Anlass, mit Stolz auf unsere Verfassung
und unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung zu
schauen. 60 Jahre Grundgesetz bedeutet 60 Jahre Frei-
heit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Vor diesem
Hintergrund ist es rechtssystematisch höchst bedenklich,
die Forderung nach Aufhebung von Urteilen der Ge-
richte nach 1945 zu stellen. Es ist schon ein elementarer
Unterschied, über die Aufhebung von Urteilen zu disku-
tieren, die während eines Unrechtsregimes ergangen
sind, und über Urteile, die von unabhängigen Gerichten
in einem demokratischen Rechtsstaat ergangen sind. Die
Urteile wegen § 175 Reichsstrafgesetzbuch sind vom
Gesetzgeber in der 14. Wahlperiode durch das NS-Auf-
hebungsgesetz zu Recht aufgehoben worden. Die Maß-
stäbe, die seinerzeit an das Aufhebungsgesetz angelegt
wurden, können nicht in gleicher Weise für die Urteile
gelten, die nach 1945 ergangen sind. Es hat, insbeson-
dere in den 50er-Jahren, in der BRD eine Reihe von
strafgerichtlichen Entscheidungen gegeben, die heute
auf völliges Unverständnis stoßen. Insbesondere Ver-
urteilungen wegen Kuppelei sind mit dem heutigen
Rechtsempfinden nicht vereinbar. Es hat zahlreiche Ur-
teile gegeben, wo die Gerichte mit Blick auf das Sitten-
gesetz wegen kleinster Vergehen hohe Strafen ausge-
sprochen haben. Auch solche Entscheidungen sind aus
heutiger Sicht nur schwer nachzuvollziehen. Würde man
den vorliegenden Anträgen folgen, würden den Verur-
teilungen nach § 175 StGB weitere Urteile folgen müs-
sen, bei denen zu überlegen wäre, sie nachträglich auf-
zuheben. Die isolierte Betrachtung der Urteile wegen
§ 175 StGB führt zu einer willkürlichen Ungleichbe-
handlung gegenüber all denjenigen Opfern, gegen die
Urteile wegen ähnlicher Vergehen ergangen sind. Wir
würden hier ein Fass öffnen, das nie wieder geschlossen
werden könnte.
Es bleibt daher bei der grundsätzlichen Frage, ob der
Gesetzgeber gut beraten ist, wenn er nachkonstitutionel-
les Recht unter Geltung des Grundgesetzes aufhebt. Für
meine Fraktion verneine ich diese Frage. Ich finde, der
Gesetzgeber hat in der 14. Wahlperiode einen angemes-
senen Weg gefunden, um die Ehre der Opfer wiederher-
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ustellen. Ich weise im Übrigen darauf hin, dass die Ver-
rteilungen nach 1945 wegen § 175 StGB heute keine
echtswirkungen mehr entfalten. In den Strafregistern
nd in den polizeilichen Führungszeugnissen taucht die
erurteilung nicht mehr auf. Ein weiteres Handeln des
esetzgebers ist daher nicht mehr erforderlich. Am
ichtigsten ist mir jedoch: Gerade Homosexuelle haben
ich immer zu Recht gegen eine Ungleichbehandlung
ewandt und für die Gleichheit ihrer Lebensweisen ge-
ämpft. Zwei Fraktionen wollen nun eine Ungleichbe-
andlung gegenüber anderen, gegen die in den 50er- und
0er-Jahren aus heutiger Sicht unangemessene Urteile
rgangen sind.
In dem Antrag von Bündnis 90/Die Grünen werden
ie Verurteilungen des Europäischen Gerichtshofs für
enschenrechte angesprochen bezüglich der strafrecht-
ichen Verfolgung von einvernehmlichen homosexuellen
andlungen unter Erwachsenen. Das Gericht hat wie-
erholt festgestellt, dass entsprechende Strafnormen das
n Art. 8 EMRK garantierte Recht auf Achtung des Pri-
atlebens verletzen. Der Gerichtshof hat die Eingriffe als
o schwerwiegend angesehen, dass er Klägern, die von
erfolgung aufgrund diskriminierender Strafrechtsnor-
en betroffen waren, mehrfach Entschädigungen zuge-
prochen hat. Die FDP-Bundestagsfraktion nimmt die-
en Sachverhalt sehr ernst. Es ist daher berechtigt, die
rage aufzuwerfen, wie der Gesetzgeber mit den Wir-
ungen von Entscheidungen des Europäischen Men-
chengerichtshofs umgeht. Diese Frage ist jedoch allge-
ein zu diskutieren und nicht auf die Verurteilungen
ach § 175 StGB zu beschränken. Es ist ein allgemeines
roblem, dass die Staaten bezüglich der Entschädigung
äufig säumig sind. Die Opfer sind dann gehalten, die
ntschädigung gegebenenfalls innerstaatlich einzu-
lagen. In Deutschland ist hierfür der ordentliche
echtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet. Die
robleme, die um diesen Sachverhalt kreisen, sind viel-
chichtig und müssen an anderer Stelle diskutiert wer-
en.
Die FDP-Bundestagsfraktion lehnt die vorliegenden
nträge ab.
Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
ir feiern in diesem Monat 60 Jahre Grundgesetz. Dabei
st daran zu erinnern, dass die Grundrechte nicht sofort
nd überall nach dem Inkrafttreten unserer Verfassung
egriffen haben. Die Homosexuellen sind bis zur Aufhe-
ung der Strafbarkeit 1969 noch wegen Verstoßes gegen
as „Sittengesetz“ strafverfolgt worden. Grundlage war
er unsägliche § 175 Strafgesetzbuch. Dieser Paragraf
st eins zu eins aus dem Nazi-StGB übernommen wor-
en. Statt freier Entfaltung der Persönlichkeit, statt Anti-
iskriminierung sind bis zu seiner Aufhebung 50 000 Ver-
rteilungen wegen sexueller Handlungen unter Erwach-
enen ergangen. Der Religionsphilosoph Hans-Joachim
choeps prägte 1963 das bittere Wort: „Für die Homose-
uellen ist das Dritte Reich noch nicht zu Ende.“
Erst 2002 ist es Rot-Grün nach langen Diskussionen
elungen, die Strafurteile wegen Homosexualität aus der
S-Zeit aufzuheben. Die bundesdeutschen Urteile bis
969, die auf der gleichen Strafrechtsbestimmung fuß-
en, sind aber immer noch nicht aufgehoben. Das kann
23962 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. Mai 2009
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niemand erklären. Wir wollen die Opfer, die § 175 nach
1945 gefordert hat, rehabilitieren und entschädigen. Es
geht uns nicht darum, die Gewaltenteilung zu durchbre-
chen und den Strafgerichten Fehlurteile vorzuwerfen.
Aber der Gesetzgeber steht in der Verantwortung für
eine jahrzehntelange menschenrechtswidrige Gesetzge-
bung.
Es geht darum, Verantwortung dafür wahrzunehmen,
dass der Gesetzgeber, der 20 Jahre lang Nazirecht gegen
Homosexuelle billigte, seine homosexuellen Bürger stets
mit einem Bein ins Gefängnis gestellt, gesellschaftlich
geächtet und Erpressungen aller Art ausgeliefert hat. Es
geht um den Gesetzgeber, der 1969 leider nicht den Mut
fand, Homosexualität vollständig zu entkriminialisieren,
sondern weitere 25 Jahre wider alle Argumente aus
Strafrechtslehre und Humanwissenschaften an unter-
schiedlichen Schutzaltersgrenzen für Homo- und Hetero-
sexualität festhielt. Die Statistik zählt weitere 3 545 Ver-
urteilungen bis 1994. Auch unterschiedliche Schutz-
altersgrenzen sind ein Verstoß gegen die Europäische
Menschenrechtskonvention, sagt der Europäische Ge-
richtshof für Menschenrechte in ständiger Rechtspre-
chung.
Und wir sollten im Jahr 20 nach dem Mauerfall nicht
die Urteile in der DDR vergessen. Über sie wurde in der
ersten Lesung wenig gesprochen. Kein Wunder, denn
hier zieht das Argument Gewaltenteilung schon gar
nicht. Anders als die Bundesrepublik hatte die DDR
zwar das Nazistrafrecht gegen Homosexuelle im Zuge
geändert. Dennoch hat die Staats- und Parteiführung da-
für gesorgt, dass es bis 1968 massive politische und ge-
sellschaftliche Repression gegen Schwule und Lesben
gab. Von 1968 bis zum 30. Mai 1989 galten dann in der
DDR mit § 151 StGB-DDR unterschiedliche Schutz-
altersgrenzen für homo- und heterosexuelle Handlungen.
Man schätzt, dass es in der DDR insgesamt circa
4 300 Verurteilungen gab, also auch hier keine vollstän-
dige Entkriminalisierung, wenn auch weniger Opfer.
Und auch die Opfer der antihomosexuellen Strafgesetze
der DDR haben Anspruch auf Gerechtigkeit.
Der Bundestag hat die Strafverfolgung Homosexuel-
ler im Jahr 2000 einstimmig bedauert. Das war ein wich-
tiges Signal. Aber das reicht noch nicht aus. Wir müssen
als Gesetzgeber unserer Verantwortung gerecht werden,
den Opfern menschenrechtswidriger Strafgesetze indivi-
duell Genugtuung für das erlittene Unrecht verschaffen
und auch für Entschädigung sorgen. Das kostet nicht
viel, das kostet nur Überwindung.
Anlage 19
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung:
– Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des
Grundgesetzes (Art. 38)
– Entwurf eines Gesetzes zur Herabsetzung
des Wahlalters im Bundeswahlgesetz und im
Europawahlgesetz
(Tagesordnungspunkt 9 a und b)
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Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU): Die De-
atte, die wir heute führen, haben wir in dieser Wahl-
eriode schon einmal geführt. Die Grünen bringen einen
esetzentwurf ein, mit dem das aktive Wahlalter bei den
ahlen zum Deutschen Bundestag und zum Euro-
äischen Parlament von 18 auf 16 Jahre abgesenkt wer-
en soll. Erst vor wenigen Monaten – nämlich am 4. De-
ember 2008 – haben wir in zweiter und dritter Lesung
ber einen Antrag der Grünen beraten, der den selben In-
alt hatte – allerdings dort noch beschränkt auf die Wah-
en zum Deutschen Bundestag. Es handelt sich um den
ntrag mit der Drucksachennummer 16/6647, den der
eutsche Bundestag am 4. Dezember 2008 in zweiter
nd dritter Lesung abgelehnt hat.
Die Meinung der CDU/CSU-Fraktion zu diesem
hema hat sich innerhalb der letzten wenigen Monate
itnichten geändert. Es ist zwar das gute parlamentari-
che Recht der Grünen, den Inhalt ihres abgelehnten An-
rags noch einmal als Gesetz verpackt in den Deutschen
undestag einzubringen. In weiten Bereichen haben die
rünen ganze Sätze aus ihrem alten Antrag wörtlich ab-
eschrieben und jetzt lediglich in etwas anderer Reihen-
olge wieder aufgewärmt.
Bei dieser Vorgeschichte bin ich aber davon über-
eugt, dass die Grünen auch selbst nicht ernsthaft damit
echnen, dass es im Deutschen Bundestag plötzlich ganz
ndere Mehrheitsverhältnisse zu diesem Thema als noch
m 4. Dezember 2008 gibt. Es spricht stattdessen sehr
ieles dafür, dass die Grünen hier einen reinen Schau-
ensterantrag eingebracht haben, denn die Argumente zu
iesem Thema sind in der laufenden Wahlperiode dieses
auses bereits umfassend ausgetauscht worden.
Es ergibt sich auch nichts Neues aus der bloßen Tatsa-
he, dass die Grünen die Absenkung des aktiven Wahlal-
ers jetzt nicht nur bei Bundestagswahlen, sondern auch
ei Europawahlen fordern. Diese Ausweitung – wenige
ochen vor den Europawahlen am 7. Juni 2009 – ver-
tärkt vielmehr den Eindruck, dass wir es mit einem
chaufensterantrag zu tun haben. Trotzdem sei an dieser
telle die Position der CDU/CSU-Fraktion noch einmal
usammengefasst.
Die Grünen behaupten, ihnen gehe es um eine Stär-
ung der demokratischen Teilhabe der Bürgerinnen und
ürger. Das ist ein leidlich vordergründiges Argument,
as einer genaueren Prüfung in keiner Weise standhält.
it diesem Argument könnte man im Grunde jede belie-
ige andere niedrigere Altersgrenze für das aktive Wahl-
echt zu begründen versuchen; richtiger wird das Argu-
ent dadurch in der Sache nicht. Entscheidend ist es
och, zunächst die Frage zu beantworten: Halten wir ein
indestalter für das aktive Wahlrecht zum Deutschen
undestag und zum Europäischen Parlament überhaupt
ür richtig? Auch wenn ich weiß, dass es einige Mitglie-
er dieses Hauses gibt, die ein „Wahlrecht von Geburt
n“ ins Gespräch gebracht haben, so glaube ich doch,
ass die weit überwiegende Mehrheit der Kolleginnen
nd Kollegen im Bundestag grundsätzlich ein Min-
estalter für sachgerecht halten. Dazu gehöre auch ich.
Wenn man aber ein Mindestalter für notwendig hält,
ann sollte diese Altersgrenze gemessen an der Gesamt-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. Mai 2009 23963
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heit unserer Rechtsordnung so schlüssig und konsequent
wie möglich gewählt werden. Das ist der entscheidende
Punkt. Und an dieser Stelle steht für die CDU/CSU fest:
Die mit großem Abstand besten Argumente sprechen da-
für, die Altersgrenze bei 18 Jahren zu belassen.
Wir halten es für richtig, dass das Wahlalter für den
Deutschen Bundestag wie für das Europäische Parla-
ment im Einklang mit der Altersgrenze für die zivilrecht-
liche Volljährigkeit steht. Die Volljährigkeit ist die ent-
scheidende Zäsur, die für den gesamten Bereich des
zivilen Rechtsverkehrs gilt. Erst mit Volljährigkeit – also
mit Vollendung des 18. Lebensjahres – tritt die volle Ge-
schäftsfähigkeit ein. Unterhalb dieser Altersgrenze hal-
ten wir es im Zivilrecht – das heißt: im ganz normalen
Alltag – ganz selbstverständlich für notwendig, junge
Menschen vor etwaigen nachteiligen rechtlichen Folgen
ihres Handelns zu schützen, indem eine von dem Betref-
fenden abgegebene Willenserklärung nur wirksam ist,
wenn sein gesetzlicher Vertreter zustimmt. Anders ist
das im Zivilrecht nur dann, wenn der Minderjährige
durch seine Willenserklärung ausschließlich einen recht-
lichen Vorteil erlangt. Es gibt für mich bis heute keine
überzeugenden Argumente, dass wir einerseits den Min-
derjährigen im Zivilrecht vor der Verantwortung für die
negativen Folgen seines Handelns schützen sollen, ihn
aber andererseits plötzlich für reif genug halten sollen,
eine Wahlentscheidung mit Konsequenzen für die Ge-
samtheit der Wahlberechtigten zu treffen. Das passt nicht
zusammen.
Die Grünen stellen die Frage nach der Altersgrenze
falsch. Sie argumentieren, dass Jugendliche regelmäßig
bereits zu einem früheren Zeitpunkt als mit 18 Jahren
über die Fähigkeit verfügen würden, sich eine eigene
politische Meinung zu bilden. Diese Annahme der Grü-
nen greift zu kurz und geht der entscheidenden Frage
nicht auf den Grund. Die entscheidende Frage muss
doch lauten: Welchen Maßstab legen wir an diese politi-
sche Meinungsbildung an? Selbstverständlich besitzen
Jugendliche die Fähigkeit, sich in allen möglichen Fra-
gen, so auch zu politischen Fragen, eine – wie auch im-
mer geartete – Meinung zu bilden. Die entscheidende
Frage ist aber: Ist es mit Blick auf die Bedeutung der de-
mokratischen Wahlen in unserer Verfassungsordnung
konsequent, hier einen weniger strengen Maßstab an die
erforderliche persönliche Reife anzulegen als für einen
völlig unspektakulären Kaufvertrag zum Beispiel über
ein gebrauchtes Fahrrad? Auch über die Konsequenzen
eines solchen Kaufvertrages kann sich ein Jugendlicher
in aller Regel ein gewisses Urteil – in den Worten der
Grünen: eine Meinung – bilden. Aber wir müssen doch
weiterfragen: Genügt diese Meinungsbildung, um den
Jugendlichen an den Konsequenzen seines Handelns in
dem einen wie in dem anderen Fall verbindlich festzu-
halten? Beim Fahrradkauf sagen wir: Nein. Wollen wir
allen Ernstes dem Minderjährigen zumuten, Verantwor-
tung für das Gemeinwesen auf Bundes- oder europäi-
scher Ebene zu übernehmen, obwohl wir ihm das für den
Kauf eines Fahrrads nicht zumuten? Meine Antwort lau-
tet hier klar: Nein. Volljährigkeit und Wahlrecht zum
Deutschen Bundestag und zum Europäischen Parlament
sollten miteinander in Einklang stehen.
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Ich möchte nicht missverstanden werden: Selbstver-
tändlich gibt es erfreulicherweise viele junge Men-
chen, die sich für politische Prozesse, für Politik und
ragen der Entscheidungsfindung in der Demokratie in-
eressieren. Das weiß ich aus vielen Gesprächen mit
chülerinnen und Schülern in meinem Wahlkreis, die ich
uch regelmäßig und sehr gerne hierhin nach Berlin zu
inem Besuch des Deutschen Bundestages einlade. Ich
alte es für absolut richtig, dass wir Politiker junge Men-
chen ermuntern und ermutigen sollten, sich schon in
ungen Jahren mit Politik und Demokratie auseinander-
usetzen. Wir als Abgeordnete des Deutschen Bundes-
ages sind hier ganz besonders gefordert, mit den jungen
enschen, beispielsweise in Schulklassen, über Politik
u diskutieren, ihnen den Blickwinkel der politischen
raxis zu erläutern und vielleicht sogar junge Menschen
ür Politik zu begeistern. Ich habe aber in meinen Ge-
prächen mit vielen jungen Menschen nicht den Ein-
ruck gewonnen, dass die Wahlaltersgrenze von 18 Jah-
en bei Bundestags- und Europawahlen in größerem
aße bei ihnen ein Thema ist. Ich habe vielmehr den
indruck, dass es den meisten Jugendlichen viel wichti-
er ist, zunächst Möglichkeiten aufgezeigt zu bekom-
en, wie sie mehr über Politik erfahren können. Hinzu
ommt dann im günstigen Fall, das Interesse und viel-
eicht sogar die Freude der jungen Menschen an der poli-
ischen Sachdebatte und Argumentation zu wecken. Im
esten Fall gelingt es, junge Menschen vielleicht dazu zu
otivieren, sich politisch zu engagieren, auch wenn sie
ielleicht noch nicht sofort bei den Wahlen zum Deut-
chen Bundestag wahlberechtigt sind.
Ich habe den Eindruck, dass die meisten jungen Men-
chen, die an Politik interessiert sind, eine solche stufen-
eise Heranführung an die politische Mitwirkung durch-
us für sinnvoll halten. Es gibt auch außerhalb der
eilnahme an Wahlen Möglichkeiten für junge Men-
chen, Verantwortung zu übernehmen, sich für das Ge-
einwesen und für andere Menschen zu engagieren. Es
äre völlig falsch, wenn wir den Eindruck erwecken
ürden, dass allein das Wahlrecht den jungen Menschen
eilhabemöglichkeiten in unserem Gemeinwesen bieten
ürde. Freilich bildet das Wahlrecht das fundamentale
eilhaberecht in unserer demokratischen Grundordnung.
hne Wahlrecht gibt es keine Demokratie. Das ist auch
öllig unbestritten. Aber es gibt übergeordnete Gesichts-
unkte, die ich hier skizziert habe, die gute Gründe dafür
iefern, dieses grundlegende demokratische Recht an das
indestalter von 18 Jahren zu knüpfen. Wir sollten aber
ie vielfältigen anderen Möglichkeiten, sich in unserem
and zu engagieren, nicht ausblenden. Viele junge Men-
chen engagieren sich für das Gemeinwesen, für andere
enschen, für bestimmte Projekte – die als solche
urchaus politischen Inhalt haben können. Viele junge
enschen sind in Sportvereinen oder bei der Jugendfeu-
rwehr ehrenamtlich tätig, viele Schüler engagieren sich
n der Hausaufgabenbetreuung für Schulkameraden oder
bernehmen Aufgaben in der Kirchengemeinde. Allein
m Bundesverband Deutsche Jugendfeuerwehr sind über
60 000 junge Menschen organisiert. Diese Jugendli-
hen übernehmen ganz bewusst Verantwortung in der
esellschaft – in einer anderen, aber genau so wichtigen
orm wie bei der Ausübung des Wahlrechts. Es ist
23964 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. Mai 2009
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schlüssig und in der Gesamtschau unserer Rechtsord-
nung konsequent, dass die Möglichkeit zur aktiven Teil-
nahme an Wahlen zum Deutschen Bundestag und zum
Europäischen Parlament dann mit 18 Jahren hinzutritt.
Auch wenn wir den Gesetzentwurf der Grünen heute
erst in der ersten Lesung beraten, kann ich dennoch
schon deutlich signalisieren, dass die CDU/CSU-Frak-
tion eine Herabsenkung des aktiven Wahlalters auf
16 Jahre für inkonsequent halten würde und deshalb ab-
lehnen wird.
Klaus Uwe Benneter (SPD): Meine Anerkennung
für Ihre Hartnäckigkeit: Zuletzt am 4. Dezember 2008
– also vor nicht mal ganz einem halben Jahr – haben wir
uns mit einem Antrag Ihrer Fraktion befasst, der eine
praktisch identische Forderung zu den heute diskutierten
Gesetzentwürfen beinhaltete: Die Absenkung des akti-
ven Wahlalters bei Bundestagswahlen auf 16 Jahre. Ich
meine das keineswegs ironisch: Wir Sozialdemokraten
haben große Sympathie für alle Initiativen, die zu mehr
politischer Partizipation von jungen Menschen und einer
Stärkung des demokratischen Prinzips in unserem Land
führen sollen. Willy Brandt hat dies erstmals in dem oft
zitierten Satz „Mehr Demokratie wagen“ zum Ausdruck
gebracht und auch unser Parteivorsitzender Franz
Müntefering hat unlängst seine Sympathie für Ihren Vor-
schlag bekundet.
Mittlerweile liegt uns sogar ein ausformulierter Ge-
setzentwurf Ihrer Fraktion vor. Mit einer Änderung des
Art. 38 Grundgesetz wollen Sie die verfassungsrechtli-
chen Voraussetzungen dafür schaffen, dass Jugendliche
schon mit 16 Jahren den Deutschen Bundestag wählen
können. Art. 38 Grundgesetz lautet heute: „Die Abge-
ordneten des Deutschen Bundestages werden in allge-
meiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer
Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an
Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem
Gewissen unterworfen. Wahlberechtigt ist, wer das acht-
zehnte Lebensjahr vollendet hat; wählbar ist, wer das Al-
ter erreicht hat, mit dem die Volljährigkeit eintritt. …“
Art. 38 Grundgesetz enthält damit das Bekenntnis zum
parlamentarischen System und stellt Grundsätze für die
wichtigste Form der politischen Willensbildung des Vol-
kes auf Bundesebene auf: der Wahl des Deutschen Bun-
destages. Und ich will es gleich vorwegnehmen: Bei die-
sen Regelungen sollten wir es derzeit auch belassen.
Eine Reihe von Argumenten ist in diesem Zusammen-
hang schon ausgetauscht worden. Man hat ein bisschen
den Eindruck, dass schon alles gesagt worden ist, nur
noch nicht von jedem. Ich will deshalb heute auch nicht
die gesamte Diskussion wiederholen. Dennoch halte ich
es für wichtig, auf die wesentlichen Positionen der An-
tragsteller zu antworten:
Die Grünen argumentieren mit der Einsichtsfähigkeit
der Jugendlichen. Die sei auch schon mit 16 Jahren vor-
handen. Das bestreitet doch auch niemand. Immer wie-
der treffe ich auf Veranstaltungen in meinem Wahlkreis
in Schulen und Freizeiteinrichtungen auf hochinteres-
sierte Jugendliche, teilweise auch viel jünger als 16, die
ihre eigene politische Meinung engagiert vertreten. Ich
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in mir sicher, jeder von uns hier hat so etwas schon oft
rlebt. Politikverdrossenheit entsteht nicht dadurch, dass
an erst mit 18 Jahren wählen kann. Und sie wird nicht
adurch bekämpft, dass das Wahlalter auf 16 Jahre abge-
enkt wird.
Stellen wir doch einmal gegenüber: Was spricht für
8 Jahre, was spricht dagegen? Und machen wir das-
elbe mit dem Wahlalter 16. Beim Wehrdienst knüpft un-
ere Rechtsordnung an das Alter von 18 Jahren an. Es
äre auch ein unhaltbarer Zustand, wenn wir von jungen
rauen und Männern verlangen, ihr Leben im Verteidi-
ungsfall einzusetzen, sie aber nicht wählen lassen. Oder
enken Sie an das Bürgerliche Recht: Dass ein Jugendli-
her mit 16 Jahren ein Fahrrad nur mit Genehmigung
einer Eltern kaufen kann, stellt niemand ernsthaft in
rage. Andererseits wollen Sie ihm erlauben, die Abge-
rdneten des Deutschen Bundestags zu wählen? Das
asst nicht zusammen!
Mit 18 Jahren kann ein Jugendlicher zum ersten Mal
ach Erwachsenenstrafrecht bestraft werden. Er kann
einen Führerschein machen. Oder ihm wird erlaubt, zu
auchen. Das Alter dafür haben wir übrigens gerade von
6 Jahren angehoben – auch mit Ihren Stimmen, liebe
olleginnen und Kollegen der Grünen. Offenbar gibt es
ine Reihe von Bereichen, in denen wir es für sinnvoll
alten, 18 Jahre als das Alter zu bestimmen, in dem Ju-
endliche rechtlich ihre volle Freiheit und Eigenverant-
ortung gewinnen.
Natürlich ist mir dabei bewusst: Die Verknüpfung des
ahlalters mit der Volljährigkeit ist nur ein möglicher,
enn auch gut vertretbarer Ansatzpunkt. Zwingend ist er
amit noch nicht. Die Antragsteller behaupten einerseits,
ugendliche seien schon mit 16 Jahren intellektuell reif
nd unabhängig genug, den Deutschen Bundestag zu
ählen, andererseits sprechen sie ihnen aber klar die ei-
ene Wählbarkeit ab. Was ist nun?
In diesem Zusammenhang noch ein Wort zum Gesetz
ber die religiöse Kindererziehung. Jugendliche haben
anach bereits mit 14 Jahren das Recht zu umfassenden
ntscheidungen über ihre Religionsausübung. Auch das
st mit ihrer Einsichtsfähigkeit begründet worden. Wa-
um senken wir dann das Wahlrecht nicht auf 14 Jahre
b? Das machen wir deshalb nicht, weil die Bestimmung
ber die Religionsausübung allein dem Zwang vorbeu-
en will, dass junge Menschen mit einer Religion auf-
achsen müssen, die sie innerlich ablehnen. Art. 38
rundgesetz hat aber eine gänzlich andere Zielsetzung.
Die Antragsteller argumentieren mit der Generatio-
engerechtigkeit: Die Jugendlichen werden in unserem
and immer weniger, die Menschen immer älter. Ein
ahlrecht ab 16 Jahren stärke deshalb einen fairen Inte-
essenausgleich zwischen den Generationen. Das hört
ich ja erstmal gut an. Aber dann haben die jüngeren
inder in unserem Land wirklich schlechte Karten!
enn denen wollen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen
er Grünen, ausdrücklich kein Wahlrecht über die Eltern
ugestehen. Das ist doch nicht logisch!
Wir Sozialdemokraten haben den Anspruch auf För-
erung in einer Kindertageseinrichtung oder durch eine
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. Mai 2009 23965
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Tagesmutter ab 1. August 2013 festgeschrieben. Wir ha-
ben den Ausbau der Ganztagsschulen beschlossen. In
unserem Wahlprogramm 2009 sprechen wir uns zudem
für die Einrichtung einer nationalen Kinderkonferenz
aus: und das ganz ohne die Wählerstimmen der Kinder.
Weil es die richtigen Antworten auf die Veränderungen
in unserer Gesellschaft sind!
Ich habe weiter den Eindruck, dass ein Wahlrecht mit
18 Jahren von der überwiegenden Mehrheit der Bevölke-
rung und von der ganz überwiegenden Mehrheit in der
betroffenen Altersgruppe als angemessen und richtig be-
trachtet wird. An mich ist jedenfalls noch kein 16-Jähri-
ger herangetreten, der sich das Wahlrecht für die
Bundestagswahl gewünscht hätte. Im Gegenteil: Die
derzeitige Regelung stärkt das Bewusstsein, dass das
Wahlrecht keine Bagatelle, sondern in einer Demokratie
ein Recht von großer Tragweite ist.
Am Anfang meiner Rede habe ich Art. 38 Grund-
gesetz zitiert. Mit den vorliegenden Gesetzentwürfen
wollen die Grünen das Grundgesetz in einer für die par-
lamentarische Demokratie wesentlichen Bestimmung
ändern. Dazu bedarf es – wie immer – überzeugender
und eindeutiger Argumente. Die sehe ich noch nicht.
In einer Feststellung stimme ich aber voll mit den An-
tragstellern überein: Wir brauchen eine Verstärkung der
politischen Bildung in Schulen, Jugendeinrichtungen,
Elternhäusern und Medien. Das sind die Diskussionen,
die wir eigentlich führen müssten. Das Wahlrecht ab
16 ist demgegenüber ein Nebenschauplatz und wäre vor-
erst nur eine reine Symbolpolitik. Aber ich will mich
nicht der Diskussion verschließen. Bevor wir wichtige
Grundgesetzbestimmungen ändern, müssen wir uns die
Erfahrungen mit dem kommunalen Wahlalter ab 16 Jah-
ren anschauen.
Noch eine abschließende Bemerkung: Uns, der SPD,
ist es weiter ernst mit: „Mehr Demokratie wagen“: Wir
sind zum Beispiel für die Einführung von Volksbegehren
und Volksentscheiden auf Bundesebene und wir wollen,
dass Staatsangehörige von Staaten, die nicht der Euro-
päischen Union angehören, endlich auf kommunaler
Ebene mitwählen dürfen – und in möglichst vielen Ge-
meinden auch 16-Jährige. Aber darüber dürfen, können
und müssen die Menschen am 27. September zur Bun-
destagswahl entscheiden, jedenfalls soweit sie über
18 Jahre alt sind.
Gisela Piltz (FDP): Seit nunmehr fast 30 Jahren
wird das sogenannte Kinderwahlrecht in Deutschland
diskutiert. Als Begründung werden vor allem der demo-
grafische Wandel und die Partizipationsfeindlichkeit des
Wählervolkes ins Feld geführt. In der Diskussion sind
dabei im Wesentlichen drei Gestaltungsformen: die Ab-
senkung der Wahlaltersschranke, die stellvertretende
Wahlrechtsausübung durch die Eltern und das soge-
nannte Familienwahlrecht, das heißt die Gewährung
mehrfachen Stimmrechts für die Eltern.
Die heute zu debattierenden Gesetzentwürfe der Grü-
nen verfolgen den erstgenannten Lösungsansatz, wonach
eine – wie es im jeweiligen Teil B heißt – „maßvolle“
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erabsetzung des Wahlalters von 18 auf 16 Jahre ange-
trebt wird. In der Begründung der Gesetzentwürfe wird
usgeführt, dass, „die Interessen nachfolgender Genera-
ionen … heute häufig ignoriert und strukturell vernach-
ässigt“ werden. Meine Damen und Herren von den Grü-
en, in sieben Jahren Regierungsverantwortung war
iese Einschätzung augenscheinlich nicht Leitlinie Ihrer
olitik. Die Senkung der Wahlaltersgrenze nun als Ret-
ung unserer Demokratie darzustellen, geht nach Ein-
chätzung der FDP-Bundestagsfraktion jedenfalls viel zu
eit.
Das Bundesverfassungsgericht hat das im Übrigen
enau so gesehen. In Bestätigung seiner Rechtsprechung
at der 2. Senat zuletzt im Jahr 2000 beschlossen, dass
ie Mindestaltersgrenze für die aktive Wahlberechtigung
n Art. 38 Abs. 1 GG gerade nicht dem Demokratieprin-
ip und dem Prinzip der Allgemeinheit der Wahl zuwi-
erläuft. Das höchste Gericht hat ausgeführt, dass es von
eher aus zwingenden Gründen als mit dem Grundsatz
er Allgemeinheit der Wahl verträglich angesehen wor-
en ist, die Ausübung des Wahlrechts an die Erreichung
ines Mindestalters zu knüpfen.
Nun kann man es mit den Grünen halten und entgeg-
en, das Mindestalter in diesem Sinne habe auch ein Ju-
endlicher mit Vollendung seines 15. Lebensjahres er-
eicht. In diesem Zusammenhang möchte ich aber darauf
inweisen, dass nach unserer Einschätzung politische
nd damit gesellschaftliche Partizipation nicht mit dem
ang zur Wahlurne aufhört. Nach unserem Verständnis
eht die Möglichkeit, Entscheidungen zu treffen, stets
it der Pflicht einher, die Konsequenzen der eigenen
ntscheidung abzuschätzen und im Zweifel auch selbst
u tragen. Nicht, dass Sie mich falsch verstehen. Ich bin
urchaus bei Ihnen und Ihrer Einschätzung, dass ein Ju-
endlicher, der heute 14, 15 oder 16 Jahre alt ist, im
weifel reifer und weiter entwickelt ist, als es noch ein
ugendlicher vor 30 Jahren war. Politisches und soziales
rteilsvermögen sind zweifellos bei der heutigen Jugend
eiter ausgeprägt, als es noch vor Jahren der Fall war.
nsofern ist die Ausweitung von Partizipationsmöglich-
eiten auch auf Jugendliche grundsätzlich ein richtiger
chritt. Wählen allein um des Wählens willen kann je-
och nicht Sinn und Zweck unserer Demokratie sein.
nsere Rechtsordnung sieht, im Übrigen, wie ich finde,
us guten Gründen, vor, dass die Konsequenzen des ei-
enen Verhaltens im Sinne einer vollen Verantwortung
egelmäßig erst mit der Volljährigkeit zu tragen sind. Die
olljährigkeit ist der Dreh- und Angelpunkt für Rechte
nd Pflichten des Einzelnen. Sie markiert den Zeitpunkt,
u dem ein junger Mensch vollständig für sich Verant-
ortung übernimmt und zu übernehmen hat.
Nicht zuletzt deswegen hält es die FDP-Bundestags-
raktion für falsch, das sogenannte Kinderwahlrecht als
as Mittel zum Erhalt unserer Demokratie hochzustili-
ieren. Die Argumentation, alle Staatsgewalt würde al-
ein vom volljährigen Volk ausgehen, ist polemisch und
eht im Übrigen auch an der Sache vorbei. Eltern
chauen heutzutage ganz genau hin, welche Politik tat-
ächlich kinder- und familienfreundlich ist. Kinder und
ie Entscheidung für Kinder beeinflussen auch ohne ak-
ives Kinderwahlrecht unmittelbar die politische Wil-
23966 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. Mai 2009
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lensbildung in den Familien. Kinder und Jugendliche
sind gerade keine Bürger zweiter Klasse. Dies wird aber
nicht selten von den Befürwortern einer Herabsetzung
des Wahlalters kolportiert.
Um der allgemeinen Politikverdrossenheit entgegen-
zutreten, bedarf es vielmehr eines ganzen Bündels von
Maßnahmen. Hier und da Flickschusterei zu betreiben,
ist wenig zielführend. Um Jugendlichen politische Pro-
zesse näherzubringen und Politikverdrossenheit abzu-
bauen, müssen andere, attraktivere Angebote gemacht
und bestehende Angebote verbessert werden. Alle Par-
teien verzeichnen einen Mitgliederschwund. Und trotz
der Vielzahl an Jugendlichen, die sich bei Vereinen, in
Verbänden oder bei Initiativen engagieren, wäre eine
noch höhere Beteiligung wünschenswert. Wir Liberale
halten Jugendparlamente, die von den Schulen oder der
Stadt organisiert werden, für einen guten Weg, demokra-
tische Prozesse auch vor dem Erreichen der Volljährig-
keitsgrenze zu erlernen.
Auch auf europäischer Ebene hat sich die Beschrän-
kung des aktiven Wahlrechts auf 18 Jahre bewährt. Inso-
fern halten wir es mit den meisten europäischen Mit-
gliedstaaten und plädieren für die Beibehaltung der
bestehenden Wahlaltersgrenze.
Diana Golze (DIE LINKE): Die Absenkung des
Wahlalters für die Bundestags- und Europawahlen trifft
bei mir auf große Zustimmung. Das liegt zum einen an
meiner eigenen politischen Biografie, die in der PDS be-
gonnen hat. Von dieser Quellpartei der heutigen Linken
wurde das Wahlalter ab 16 nicht nur gefordert, sondern
auf kommunaler Ebene auch mit durchgesetzt. Sie fin-
den in mir auch eine Unterstützerin in einigen Teilen der
Begründung und Problemschilderung Ihres Antrages. Es
dürfte selbst bei hartgesottenen Gegnern der Absenkung
des Wahlalters inzwischen angekommen sein, dass junge
Menschen bereits sehr frühzeitig nicht nur eine eigene
Meinung haben, sondern diese auch in das gesellschaftli-
che Leben einbringen wollen. Junge Menschen bilden
sich sehr wohl auch eine politische Meinung. Ich möchte
an dieser Stelle unterstreichen, dass für uns als Linke die
Mittel und Wege der Mitbestimmung von Kindern und
Jugendlichen in der Bundesrepublik völlig unzureichend
sind.
Doch auch wenn ich das Anliegen an sich sehr be-
grüße, möchte ich nicht leugnen, dass ich viele Punkte
kritisch und einige sogar nicht begrüßenswert finde. Un-
logisch erscheint mir zum Beispiel die Heranziehung der
Ausübungsfreiheit von Religionen. Was das Recht auf
freie Wahl der ausgeübten Religion mit einem abgesenk-
ten Wahlalter zu tun hat, ist mir nicht ganz klar und au-
ßerdem als politische Aussage mehr als fraglich. Wenn
man dann aber in dieser Logik bliebe, müsste man das
Wahlalter eigentlich auf 14 absenken, da dies der Zeit-
punkt ist, ab dem Kinder ihre Religion frei wählen kön-
nen. Kurz: Dieser Nebenvermerk in der Problembenen-
nung des Antrages ist nicht nur unnötig, er ist dem
Antrag aus meiner Sicht nicht dienlich. Auch bei den Al-
ternativen, die laut Punkt C des Antrages nicht gesehen
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erden, kommt der Grundcharakter des Antrages zum
usdruck: Ihm fehlt bei der Auslotung demokratischer
itbestimmungsformen die Konsequenz! Denn erstens
ieht die Linke eine ganze Menge „anderer Lösungs-
öglichkeiten zur Stärkung des Demokratischen Prin-
ips“! Wer glaubt, dass dieses nur mit einer Erweiterung
es Wahlberechtigtenkreises zu schaffen ist, der irrt aus
nserer Sicht! In der Onlineausgabe des Spiegels vom
9. April 2009 wird die Frage gestellt: „Warum soll je-
and über die Geschicke des Staates mitentscheiden
ürfen, den man noch nicht für reif genug hält, seine pri-
aten Lebensverhältnisse zu regeln?“ Ich möchte das
ern umdrehen und die Abgeordneten der SPD fragen,
ie dem Anliegen laut Presse ja sehr positiv gegenüber-
tehen: Warum darf auf der einen Seite jemand mit
6 wählen – soll aber den Staat bis zum 25. Lebensjahr
ragen, ob er zu Hause ausziehen darf, nur weil er
LG II bezieht? Wie wollen Sie einem Auszubildenden
larmachen, dass er zwar Bundestags- und Europaparla-
entarier wählen darf, aber in seinem Ausbildungsbe-
rieb immer weniger Mitspracherechte hat?
Es gibt viele Punkte, die angepackt werden müssten
nd auch ohne Weiteres angepackt werden könnten,
enn man Kindern und Jugendlichen eine Beteiligung
m demokratischen Leben geben möchte. Der Antrag
at den faden Beigeschmack, dass die Absenkung des
ahlalters ein Allheilmittel gegen Politikverdrossenheit
nd fehlende demokratische Mitbestimmungsrechte dar-
tellt.
In ihrem Antrag „Mitbestimmungsrechte von Kindern
nd Jugendlichen erweitern – Partizipation umfassend
ichern!“ hat die Linke ihre Vorschläge dargelegt. Er
urde im Ausschuss höhnisch als Sammelsurium und
Wünsch-dir-was-Liste“ abgetan. Die Mitbestimmungs-
echte von jungen Menschen sind in den vergangenen
ahren nicht nur schmählich und sträflich vernachlässigt
orden. Sie wurden durch die jeweiligen politischen
kteure vermindert und teilweise verhindert. Diejeni-
en, die jetzt von der Wichtigkeit der demokratischen
itbestimmung der jungen Generation reden, haben die
asis von Mitbestimmung in den vergangenen Jahren
urch Mittelkürzungen im Jugendhilfeplan ausgedünnt
nd geschwächt! Die Träger der Bildungsarbeit, die
chulen und die Jugendeinrichtungen brauchen nämlich
icht nur Zeit, wie Sie es in Ihrer Begründung zur
rundgesetzänderung formulieren. Sie brauchen vor al-
em eine solide finanzielle Unterstützung, mit der quali-
ativ und quantitativ hochwertige Bildungsarbeit vorge-
alten werden kann. Die Stärkung der Träger der freien
ugendhilfe, der Vereine, Verbände und Initiatoren der
olitischen Bildung stand aber in den vergangenen Jah-
en immer weniger auf der jugendpolitischen Agenda.
iel häufiger wurde sie zum Thema der Haushaltsver-
andlungen bei Bund und Ländern – mit vollmundigen
orten der Anerkennung auf den Lippen, aber dem Rot-
tift in der Hand.
Natürlich ist uns klar, dass es nicht angenehm ist, den
piegel vorgehalten zu bekommen, wenn das Bild darin
ein schönes ist. Aber ich versichere Ihnen, wir werden
hn Ihnen an jeder passenden Stelle vorhalten!
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. Mai 2009 23967
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Abschließend möchte ich zusammenfassen: Eine
Absenkung des Wahlalters ist eine begrüßenswerte Ini-
tiative. Sie aber zur obersten und alleinigen Lösungs-
möglichkeit zu erheben, verstellt den Blick auf die Rea-
litäten. Ich gebe den Bedenken der Konrad-Adenauer-
Stiftung an einer Stelle recht, die meint: „dass Interesse,
Verständnis und Engagement für die Politik nicht durch
den Akt der Wahlrechtsverleihung verordnet werden
kann“.
Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die
grüne Forderung nach einer Absenkung des Wahlalters
auf 16 Jahre findet offenbar immer mehr Unterstützerin-
nen und Unterstützer – das freut mich! Neben Jugend-
verbänden und Jugendforschern haben vor kurzem auch
der Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts,
Andreas Voßkuhle, und der SPD-Vorsitzende Müntefering
ihre Zustimmung bekundet. An Münteferings Adresse
kann ich nur sagen: Willkommen im Club! Meinen Sie
das ernst oder bleibt Ihre Äußerung unglaubwürdiger
und folgenloser Vorwahlkampf?
Die Frage drängt sich umso mehr nach einem Blick
ins SPD-Wahlprogramm auf: Hier findet sich zum Wahl-
alter kein Wort. Justizministerin Zypries (ebenfalls SPD)
lehnt eine Wahlalterabsenkung sogar explizit ab. Es wäre
hier und heute an der Zeit, dass insbesondere die Kolle-
ginnen und Kollegen von der SPD den Jugendlichen in
Deutschland mitteilen, ob sie die 16- bis 18-Jährigen
weiterhin mit warmen Worten verschaukeln wollen oder
ob sie unseren konkreten Gesetzesinitiativen zustimmen!
Ihr unverbindliches Mantra, man bräuchte „eine breite
Diskussion über eine Absenkung des Wahlalters“, zeigt,
dass sich die SPD vor einer klaren Entscheidung drückt
und Jugendliche offenbar auf den Sankt-Nimmerleins-
Tag vertrösten will. In Schleswig-Holstein haben Union
und SPD heute einen Grünen-Antrag leider abgeschmet-
tert, wonach 16-Jährige künftig den Landtag hätten wäh-
len dürfen. Also: Hören Sie auf mit Ihrer Doppelzüngig-
keit, geben Sie sich einen Ruck und stimmen Sie unseren
Initiativen im Bundestag zu!
Den Kritikern eines aktiven Wahlrechts ab 16 möchte
ich entgegenhalten, dass jede Einschränkung des allge-
meinen und gleichen Wahlrechts begründungsbedürftig
ist. Es ist schlicht falsch, mit einer zwingenden Koppe-
lung des Wahlalters an die Volljährigkeit zu argumentie-
ren. In Österreich wurde das Wahlalter auf 16 Jahre
abgesenkt, ohne dabei die Volljährigkeit zu verändern.
Auch in Deutschland wich das Wahlalter für mehrere
Jahre von der Volljährigkeit ab, als es von 21 auf 18 Jahre
gesenkt wurde.
Wie wir alle wissen, kennt unser Rechtssystem viel-
fältige und differenzierte Altersabstufungen, deren zen-
traler Bezugspunkt nicht die Volljährigkeit ist. Beispiels-
weise wird die volle Religionsmündigkeit mit 14 Jahren
erreicht, der Führerscheinerwerb ist möglich und ein
Personalausweis nötig. In vielen Bundesländern hat sich
zudem bekanntlich das Kommunalwahlrecht ab 16 Jah-
ren als Demokratiegewinn bewährt. Diese positive Ent-
wicklung setzt sich fort: Als erstes Bundesland plant die
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ot-grüne Regierung in Bremen, 16-Jährige das Landes-
arlament mitwählen zu lassen. Dies soll Teil einer um-
assenden Strategie zur Förderung der Partizipation sein,
n die auch wir die Altersabsenkung auf Bundesebene
inbetten wollen. In Bremen wird die Regierungsinitia-
ive übrigens von der Linken und der FDP unterstützt.
Eine Wahlaltersenkung auf Bundesebene ist für uns
in zentraler Baustein einer neuen Beteiligungskultur. Es
st deshalb unredlich, unseren Vorschlag gegen andere
ormen der Beteiligung auszuspielen. Wir wollen, dass
m Zuge einer Beteiligungsoffensive in Kindertagesstät-
en, Bildungs- und Jugendeinrichtungen demokratische
pielregeln früh erlernt werden. Wir wollen mehr und
rüher Demokratie wagen – anstatt über Politikverdros-
enheit zu lamentieren.
Hinzukommen muss eine systematische Aufwertung
er politischen Bildung. Wie Sie unseren Gesetzentwür-
en entnehmen können, soll die Zeit bis zur nächsten
undestagswahl von allen Trägern der Bildungsarbeit
azu genutzt werden, sich auf die neu auf sie zukom-
ende Verantwortung vorzubereiten. Die Wahlalterab-
enkung wäre somit eine Chance, unsere demokratische
ultur insgesamt zu beleben und das Wissen über politi-
che Entscheidungsprozesse zu verbreitern. Wir wissen:
e besser die politische Teilhabe und die Kenntnisse über
olitik, umso höher ist die Akzeptanz unserer Demokra-
ie.
Wenn 16- und 17-Jährige das aktive Wahlrecht auch
ei Bundestags- und Europawahlen erhalten, können sie
ndlich über die politische Zukunft mitentscheiden. Da-
ür sprechen verschiedene gute Argumente: Jugendliche
aben die Urteilsfähigkeit, um zu wählen. Politik muss
en Sachverstand von Jugendlichen einbeziehen. Ju-
endliche müssen mit den Folgen heutiger Entscheidun-
en morgen leben. Sie sollten Demokratie aktiv erleben
nd auch per Wahlentscheidung mit gestalten – das
acht unser politisches System greifbar, erfahrbar und
achvollziehbar. Wesentlich für ein Wahlalter 16 sind
uch die Auswirkungen der demografischen Entwick-
ung auf die demokratische Entscheidungsfindung und
as Gemeinwohl.
Jugend- und Entwicklungsforschung belegen, dass
6- und 17-Jährige entscheidungsfähig genug sind, um
n politischen Wahlen teilzunehmen. Jugendliche ent-
cheiden heute zunehmend selbstständig über ihren Le-
ensweg und ihre Bildungsbiografie. Sie sind zudem die
eneration mit der höchsten ehrenamtlichen Engage-
entbereitschaft. Ihnen darf das Wahlrecht als zentrale
itbestimmungsmöglichkeit nicht länger verweigert
erden!
Bereits im nächsten Jahr werden erstmals weniger Ju-
endliche unter 20 Jahren als ältere Menschen über
5 Jahre in Deutschland leben. Jugendliche werden so-
it immer mehr zur gesellschaftlichen Minderheit. Ihre
timme muss Gewicht bekommen, um zu nachhaltigen
nd generationengerechten Lösungen zu kommen. Sonst
ind weiterhin Milliarden für eine unsinnige Abwrack-
rämie da, aber nicht für Zukunftsinvestitionen in bes-
23968 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 6. Mai 2009
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sere Bildung! Auch der willkürliche Umgang der Gro-
ßen Koalition mit der Rentenformel zeigt, dass die
Interessen jüngerer Menschen an nachhaltiger Politik
und einem fairen Interessenausgleich zwischen den Ge-
nerationen ignoriert oder sogar mit Füßen getreten wer-
den!
Die demokratischen Rechte der Jugendlichen müssen
gestärkt werden. Unsere Gesetzentwürfe beschreiben da-
für einen ambitionierten, aber machbaren und rechtlich
zweifellos zulässigen Weg. Geben Sie den Jugendlichen
die Möglichkeit, sich selbstbewusst an der demokrati-
schen Gestaltung ihrer eigenen Zukunft zu beteiligen!
219. Sitzung
Berlin, Mittwoch, den 6. Mai 2009
Inhalt:
Redetext
Anlagen zum Stenografischen Bericht
Anlage 1
Anlage 2
Anlage 3
Anlage 4
Anlage 5
Anlage 6
Anlage 7
Anlage 8
Anlage 9
Anlage 10
Anlage 11
Anlage 12
Anlage 13
Anlage 14
Anlage 15
Anlage 16
Anlage 17
Anlage 18
Anlage 19