Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 218. Sitzung. Berlin, Freitag, den 24. April 2009 23817
(A) )
(B) )
Gleicke, Iris SPD 24.04.2009 Dr. Scheer, Hermann SPD 24.04.2009
Dr. Geisen, Edmund FDP 24.04.2009
Dr. Gerhardt, Wolfgang FDP 24.04.2009
Scheel, Christine BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
24.04.2009
Anlage 1
Liste der entschuldigt
Abgeordnete(r)
entschuldigt bis
einschließlich
Ahrendt, Christian FDP 24.04.2009
Andreae, Kerstin BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
24.04.2009
Beck (Bremen),
Marieluise
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
24.04.2009
Beck (Köln), Volker BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
24.04.2009
Becker, Dirk SPD 24.04.2009
Bender, Birgitt BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
24.04.2009
Bluhm, Heidrun DIE LINKE 24.04.2009
Blumenthal, Antje CDU/CSU 24.04.2009
Blumentritt, Volker SPD 24.04.2009
Dr. Botz, Gerhard SPD 24.04.2009
Burkert, Martin SPD 24.04.2009
Dağdelen, Sevim DIE LINKE 24.04.2009
Dreibus, Werner DIE LINKE 24.04.2009
Duin, Garrelt SPD 24.04.2009
Eichel, Hans SPD 24.04.2009
Ernstberger, Petra SPD 24.04.2009
Eymer (Lübeck), Anke CDU/CSU 24.04.2009
Fell, Hans-Josef BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
24.04.2009
Freitag, Dagmar SPD 24.04.2009
Dr. Fuchs, Michael CDU/CSU 24.04.2009
Gabriel, Sigmar SPD 24.04.2009
Gehrcke, Wolfgang DIE LINKE 24.04.2009
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Anlagen zum Stenografischen Bericht
en Abgeordneten
riese, Kerstin SPD 24.04.2009
änsel, Heike DIE LINKE 24.04.2009
r. Hemker, Reinhold SPD 24.04.2009
ennrich, Michael CDU/CSU 24.04.2009
erlitzius, Bettina BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
24.04.2009
ermann, Winfried BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
24.04.2009
ill, Hans-Kurt DIE LINKE. 24.04.2009
alb, Bartholomäus CDU/CSU 24.04.2009
noche, Monika DIE LINKE 24.04.2009
ünast, Renate BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
24.04.2009
afontaine, Oskar DIE LINKE 24.04.2009
aurischk, Sibylle FDP 24.04.2009
eutert, Michael DIE LINKE 24.04.2009
ink (Heilbronn),
Michael
FDP 24.04.2009
opez, Helga SPD 24.04.2009
aisch, Nicole BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
24.04.2009
erz, Friedrich CDU/CSU 24.04.2009
üntefering, Franz SPD 24.04.2009
ahles, Andrea SPD 24.04.2009
r. Riesenhuber, Heinz CDU/CSU 24.04.2009
charfenberg, Elisabeth BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
24.04.2009
r. Schavan, Annette CDU/CSU 24.04.2009
bgeordnete(r)
entschuldigt bis
einschließlich
23818 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 218. Sitzung. Berlin, Freitag, den 24. April 2009
(A) )
(B) )
Anlage 2
Erklärung nach § 31 GO
des Abgeordneten Dr. Peter Jahr (CDU/CSU)
zur Abstimmung über den Entwurf eines
Gesetzes zur Änderung der Vorschriften zum
begünstigten Flächenerwerb nach § 3 des Aus-
gleichsleistungsgesetzes und der Flächen-
erwerbsverordnung (Flächenerwerbsänderungs-
gesetz – FlErwÄndG) (Tagesordnungspunkt 35 a)
Am Freitag, dem 24. April 2009, werde ich dem von
der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Ge-
setzes zur Änderung der Vorschriften zum begünstigten
Flächenerwerb nach § 3 Ausgleichsgesetz und der Flä-
chenerwerbsverordnung zustimmen.
Die Europäische Kommission verabschiedete am
6. Dezember 2006 einen neuen Gemeinschaftsrahmen
für staatliche Beihilfen im Agrar- und Forstsektor 2007
bis 2013. Die daraus resultierenden Verordnungen und
Richtlinien über die Anwendung der Art. 87 und 88 des
EG-Vertrages auf staatliche Beihilfen an kleine und
mittlere in der Erzeugung von landwirtschaftlichen Er-
zeugnissen tätige Unternehmen verursachen einen Ände-
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Dr. Schick, Gerhard BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
24.04.2009
Schily, Otto SPD 24.04.2009
Schmidt (Nürnberg),
Renate
SPD 24.04.2009
Schneider (Erfurt),
Carsten
SPD 24.04.2009
Schultz (Everswinkel),
Reinhard
SPD 24.04.2009
Dr. Schwanholz,
Martin
SPD 24.04.2009
Tauss, Jörg SPD 24.04.2009
Ulrich, Alexander DIE LINKE 24.04.2009
Wieczorek-Zeul,
Heidemarie
SPD 24.04.2009
Wolff (Wolmirstedt),
Waltraud
SPD 24.04.2009
Wunderlich, Jörn DIE LINKE 24.04.2009
Zapf, Uta SPD 24.04.2009
Zypries, Brigitte SPD 24.04.2009
Abgeordnete(r)
entschuldigt bis
einschließlich
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(D
ungsbedarf, welcher durch den vorliegenden Gesetzent-
urf erfüllt wird.
Gleichwohl ist die Entschädigungsregelung für Alt-
igentümer im Rahmen der Privatisierung land- und
orstwirtschaftlicher Flächen, insbesondere aufgrund
on Verzögerungen bei der Ausstellung von Leistungs-
escheiden, verbesserungswürdig. Es ist unzumutbar,
ass 20 Jahre nach der Wiedervereinigung noch circa
0 000 Anträge von Alteigentümern unbearbeitet sind.
a diese Bescheide aber Voraussetzung für einen be-
ünstigten Flächenerwerb sind, können die Betroffenen
hre gesetzlich zugesicherten Möglichkeiten nicht nut-
en. Dies führt bei einem konstanten monetären An-
pruch und im Zeitverlauf steigenden Bodenpreisen
wobei die Verfahren längst vor den Preissteigerungen
ätten abgeschlossen werden müssen – zu einer geringe-
en Erwerbsmöglichkeit von landwirtschaftlichen Flä-
hen.
Dies ist für die Betroffenen eine Ungerechtigkeit. Mit
ieser Frage wird man sich in der nächsten Legislatur-
eriode erneut beschäftigen müssen. Ich möchte an die
uständigen Landesbehörden eindringlich appellieren,
hren verfassungsgemäßen Verpflichtungen nachzukom-
en und die Leistungsbescheide zügig auszustellen.
Insgesamt stimme ich dem Gesetzentwurf zu, da zahl-
eiche wichtige weitere Regelungen zur Verbesserung
es Verfahrens zum begünstigten Bodenerwerb zuguns-
en der landwirtschaftlichen Betriebe in Ostdeutschland
nthalten sind.
nlage 3
Erklärung
der Abgeordneten Andrea Astrid Voßhoff
(CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung
über den Antrag: Keine Atomwaffen in
Deutschland (Drucksache 16/12684) (Tagesord-
nungspunkt 33 b)
In der Liste der Teilnehmer der zweiten namentlichen
bstimmung fehlt mein Name. Mein Votum lautet: Ab-
ehnung.
nlage 4
Erklärung
des Abgeordneten Dr. Guido Westerwelle
(FDP) zur namentlichen Abstimmung über
den Antrag: Für einen Abzug der in Deutsch-
land noch verbliebenen US-Nuklearwaffen
(Drucksache 16/12667) (Zusatztagesordnungs-
punkt 11)
Bei den soeben stattgefundenen namentlichen Ab-
timmungen habe ich versehentlich die dritte Abstim-
ung – über den FDP-Antrag – versäumt.
Ich möchte nur feststellen, dass ich diesem Antrag zu-
timme.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 218. Sitzung. Berlin, Freitag, den 24. April 2009 23819
(A) )
(B) )
Anlage 5
Zu Protokoll gegebene Rede
zur Beratung:
– Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung ei-
senbahnrechtlicher Vorschriften an die Ver-
ordnung (EG) Nr. 1371/2007 des Europäi-
schen Parlaments und des Rates vom 23. Ok-
tober 2007 über die Rechte und Pflichten der
Fahrgäste im Eisenbahnverkehr
– Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der
Fahrgastrechte
– Beschlussempfehlung und Bericht: Rechte
von Bahnkunden stärken
(Tagesordnungspunkt 32 a und b)
Hans-Michael Goldmann (FDP): Am Montag die-
ser Woche hatte ich einmal mehr ein einschneidendes
Erlebnis mit der Deutschen Bahn. Dieses zeigte wieder
auf, dass die jetzigen gesetzlichen Regelungen nicht an-
nähernd ausreichen, um unsere Verbraucher ausreichend
zu schützen und den hohen Preisen der DB AG gerecht
zu werden. Ein Gast in meinem Bundestagsbüro verspä-
tete sich um fast eine Stunde, weil sein Zug wieder ein-
mal 50 Minuten Verspätung hatte. Als in unserem Ge-
spräch die Worte Entschädigung von der Bahn von
meinem Gegenüber fielen, musste ich meinen Gast
freundlich darauf hinweisen, dass er keinerlei gesetzli-
chen Anspruch auf Entschädigung hat. Genau in diesen
Situationen, in denen unsere Verbraucher sich auf die
Pünktlichkeit der Bahn verlassen, müssen zeitliche Pläne
auch eingehalten und garantiert werden. Dabei spielt es
keine Rolle, ob es sich um wichtige geschäftliche Ter-
mine handelt oder Familie, Freunde und Verwandte be-
sucht werden. Es kann nicht sein, dass Fahrgäste be-
wusst frühere Züge nehmen müssen, um überhaupt
ansatzweise pünktlich zu sein, und bei auftretenden Ver-
spätungen unter einer Stunde noch nicht einmal entschä-
digt werden. Ist die Bahn nicht in der Lage, unsere Bür-
ger pünktlich von A nach B zu bringen, kann sie ihnen
auch leider nachträglich nicht die verlorene Zeit zurück-
geben. Aber dann muss es das Mindeste sein, dass die
Fahrgäste ohne Wenn und Aber entschädigt werden.
Die Bundesregierung feiert sich dafür, dass sie Fahr-
gästen ein Recht auf 25 Prozent Rückerstattung des
Fahrpreises ab einer Stunde Verspätung einräumt. In
Wahrheit wäre dieses Recht kraft EU-Verordnung ohne-
hin in einem halben Jahr gekommen. Sie verschweigt je-
doch die peinliche Tatsache, dass sie erst durch eine
europäische Verordnung gezwungen werden musste,
Fahrgästen überhaupt ein Recht auf Entschädigung zu
geben. Noch peinlicher ist es, dass sie entgegen dem Rat
der Verbraucherministerkonferenz nur eine Regelung
umsetzt, die in der EU-Verordnung ausdrücklich als
Mindestentschädigung bezeichnet wird. Alle Experten
halten eine Entschädigung bereits ab einer halben
Stunde, wie es der Antrag der FDP-Fraktion fordert, für
absolut richtig und angemessen.
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Was hemmt die Große Koalition, den Verbrauchern
ehr zu geben? Hatte die Bundesregierung Angst vor
er Drohung der DB AG, mit höheren Fahrpreisen auf
chärfere Entschädigungen zu reagieren? Allein die Dro-
ung halte ich für eine Frechheit. Das ist das typische
erhalten eines Monopolisten. Mein Eindruck ist: Dieser
egierung waren die Interessen von Monopolisten, ob
ei Bahn, Post oder Energie, immer wichtiger als die der
erbraucher. Ansonsten hätte sie alle Anstrengungen un-
ernommen, die Attraktivität der Bahn auch über mehr
echte der Kunden zu steigern. Das Postmonopol kon-
erviert sie über den Mindestlohn. Das Energieoligopol
urde durch Ministererlaubnis geschaffen. Die Bahn
ird vor dem Kunden und dem Wettbewerb geschützt.
Niemand müsste sich über die Pünktlichkeit der Bahn
edanken machen, wenn die Liberalisierung der Bahn-
ärkte zu echtem Wettbewerb im Fernverkehr geführt
ätte. Dann wäre Pünktlichkeit und Service Teil eines
atürlichen Leistungswettbewerbs. Bessere Fahrgast-
echte und eine schärfere Haftung sind letztlich nur eine
rücke für den Mangel an Wettbewerb. In diesem
rundverständnis unterscheiden wir uns auch maßgeb-
ich von der Fraktion der Linken. Ohne Wettbewerb
ann ein Anreiz für mehr Pünktlichkeit nur über stärkere
ahrgastrechte gesetzt werden. Nur wenn Mängel im
etrieb der Bahn auch finanzielle Konsequenzen haben,
ird sich etwas verbessern. Eine Entschädigung erst ab
0 Minuten setzt keinerlei Anreiz.
Was wir als Dauereinrichtung dringend brauchen, ist
ine neutrale Schlichterstelle. Die EU-Verordnung sagt
azu nichts. Stattdessen schreibt sie Beschwerdemög-
ichkeiten bei der Eisenbahnaufsicht vor. Als unabhän-
ige Schlichtungsstelle arbeitet zurzeit noch der Ver-
ehrsclub Deutschland. Diese Einrichtung hat sich sehr
ewährt und führt in 85 von 100 Fällen zu einer Eini-
ung. Sie ist für den Kunden kostenlos. Eine solche Ein-
ichtung brauchen wir auch in Zukunft. Wir fordern da-
er: eine unbürokratische Entschädigung der Kunden
ereits ab einer Verspätung von mindestens 30 Minuten
n Höhe von 25 Prozent und von 50 Prozent bei einer
erspätung ab 60 Minuten; die Entschädigungsregelun-
en müssen sowohl für den Fern- als auch den Nahver-
ehr gelten; das Eisenbahnunternehmen haftet nur dann
icht, wenn es sich um Fälle wie zum Beispiel höhere
ewalt handelt. Das hat dann das Unternehmen zu
eweisen. Außerdem fordern wir, eine unabhängige
chlichtungsstelle für Streitfälle gesetzlich zu verankern.
assen Sie uns Bahnfahrern endlich die nötige Unter-
tützung geben, mit den Vorschlägen der FDP fährt der
erbraucher einfach besser!
Der Zustand bei den Fahrgastrechten ist symptoma-
isch für den Zustand der Verbraucherpolitik der Bundes-
egierung. Es ist eine Strategie der verbraucherpolitischen
albherzigkeiten. Nachdem das Verbraucherressort von
errn Seehofer auf Frau Ministerin Aigner übergegan-
en war, habe ich mit großem Interesse ihre Ankündi-
ungen für mehr Verbraucherschutz vernommen. Pas-
iert ist dagegen nichts. Der Zugang zu behördlichen
nformationen durch das Verbraucherinformationsge-
etz ist schlecht und teuer. Der Schutz der Anleger vor
alschberatung ist im Ansatz steckengeblieben. Wer sein
23820 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 218. Sitzung. Berlin, Freitag, den 24. April 2009
(A) )
(B) )
Haus durch einen Kredit finanziert hat, muss immer
noch befürchten, dass der laufende Kredit ohne seine
Zustimmung veräußert wird. Eine vernünftige Kenn-
zeichnung der Nährwerte auf Lebensmitteln ist ebenso
wenig erfolgt.
Anlage 6
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung:
– Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der
Vorschriften zum begünstigten Flächenerwerb
nach § 3 des Ausgleichsleistungsgesetzes und
der Flächenerwerbsverordnung (Flächen-
erwerbsänderungsgesetz – FlErwÄndG)
– Beschlussempfehlung und Bericht: Boden-
privatisierung neu ausrichten
(Tagesordnungspunkt 35 a und b)
Ernst Bahr (Neuruppin) (SPD): Das Flächenerwerbs-
änderungsgesetz vereint als Artikelgesetz verschiedene
Vorhaben, die ihre Wurzeln in der schwierigen Beson-
derheit deutscher Geschichte haben, und zwar in Regie-
rungen, die Entscheidungen für Land und Leute fernab
von Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeiten fällten
und so Familien, Regionen, ein ganzes Land trennten.
Wenn ich von vergangenen Regierungsformen rede,
wird deutlich, über welchen Zeitraum sich das Unrecht
erstreckt, das wir hier aufgearbeitet haben. Denn die ehe-
mals volkseigenen Flächen, über deren Veräußerung wir
hier reden, sind nicht nur einmal enteignet worden, was
das Konfliktpotenzial im Zuge der heutigen Bodenver-
wertung nur noch erhöht.
Fakt ist, dass wir dieses Unrecht heute nicht wieder-
gutmachen können. Was wir aber können und müssen,
ist, endlich die Besitzverhältnisse zu klären, um allen
Beteiligten Sicherheit für die Zukunft zu geben. Die Be-
teiligten, das sind in erster Linie die Menschen vor Ort,
die den Transformationsprozess der Landwirtschaft in
Ostdeutschland gestaltet haben, aber auch die Alteigen-
tümer, denen eine Ausgleichsleistung für die Enteignung
ihrer Familien zusteht.
Bevor ich hier in die Details gehe, möchte ich zuvor
auf einen weiteren wichtigen Artikel dieses Gesetzes
hinweisen. Ein Projekt, das seit Jahren in Arbeit ist und
mit dem vorliegenden Gesetz endlich rechtliche Grund-
lagen erhält, ist das Grüne Band Deutschlands. Auf
1 400 Kilometern ehemals deutsch-deutscher Grenze
konnte sich ein einmaliges Naturschutzgebiet entwi-
ckeln. Dieser ökologisch wertvolle Naturraum gehört
zum Nationalen Naturerbe, das nun vom Bund unent-
geltlich an die Länder übertragen wird. Neben dem Grü-
nen Band werden in den nächsten Jahren Gebiete mit
einer Gesamtfläche 125 000 Hektar an Nationalparks,
Biosphärenreservate und weitere Projekte übertragen.
Das vorliegende Flächenerwerbsänderungsgesetz ak-
tualisiert auch die Rahmenbedingungen, die bei der Pri-
vatisierung der ehemals volkseigenen landwirtschaftli-
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hen Flächen in den neuen Bundesländern angewendet
erden. Dabei handelt es sich um eines der schwierigs-
en Gesetze der Nachwendezeit, mit großer Bedeutung
ür die weitere Entwicklung im ländlichen Raum. Des-
alb danke ich dem Bundesministerium der Finanzen für
en Kompromiss, den es mit dem Gesetzentwurf vorlegt.
ngesichts der sensiblen Bodenfrage in den neuen Län-
ern wird hiermit nämlich den Interessen aller Beteilig-
en Rechnung getragen.
In den neuen Bundesländern sind noch mehr als
00 000 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche des Bun-
es zu privatisieren. Sie werden von der Nachfolgeein-
ichtung der Treuhandanstalt, der Bodenverwertungs-
nd -verwaltungs GmbH – kurz BVVG – verwaltet. Und
erwertet! Dabei erfordern die besonderen agrarstruktu-
ellen Belange der neuen Länder nicht nur Feingefühl,
ondern auch spezielle Regelungen. So gibt es neben
ormalen Ausschreibungen und Verkäufen an bisherige
ächter auch die Möglichkeit zum begünstigten Flächen-
rwerb.
Das nun vorliegende Flächenerwerbsänderungsge-
etz ist notwendig, um eine Reihe von Problemen zu be-
eben. In der Öffentlichkeit sind dabei die Bodenpreis-
ntwicklung und die Interessen von Alteigentümern
esonders vehement diskutiert worden. Letztere beklag-
en die mit dem Erwerb von BVVG-Flächen verbun-
enen Auflagen. So gab es bisher Bindungsfristen von
0 Jahren, was zum Beispiel die Ortsansässigkeit der
anzen Familie oder ein Verkaufsverbot betraf. Im parla-
entarischen Verfahren wurden nun sämtliche Bin-
ungsfristen auf 15 Jahre reduziert. Dies betrifft die
rtsansässigkeit ebenso wie die Einhaltung eines Be-
iebskonzeptes, was ganz entscheidende Erleichterungen
ür Eigentümer darstellt. Auch ist es nun möglich, die
orangegangene Pachtzeit auf den erforderlichen Zeit-
aum der Ortsansässigkeit anzurechnen, was 18 Jahre
ach der deutschen Einheit bedeutet, dass mit Inkrafttre-
en dieses Gesetzes fast alle Erwerber von ihrer Orts-
nsässigkeit frei sind oder es in Kürze sein werden. Hier
urden ganz klar Lockerungen im Gesetz vorgenom-
en, die den Interessen der Alteigentümer entgegen-
ommen.
Was die Wertermittlung der Flächen betrifft, folgt der
esetzgeber in Übereinstimmung mit den Ländern ganz
lar dem Konzept eines einheitlichen Preises für die
ächter und die Alteigentümer. Einen anderen Weg zu
ehen, der zur Bevorzugung der einen und damit zur kla-
en Benachteilung der anderen Gruppe führt, ist absolut
ndiskutabel. Und wir würden damit in die Preisentwick-
ung des Bodenmarktes eingreifen. Der nun vorliegende
esetzentwurf hält daran ganz klar fest und stellt einen
ompromiss zwischen dem Kompensationsinteresse der
lteigentümer und den Interessen der neuen Länder dar.
Rund 130 000 Hektar Landwirtschafts- und Waldflä-
hen werden für diesen begünstigten Erwerb benötigt,
er im Ausgleichsleistungsgesetz und in der Flächen-
rwerbsverordnung geregelt ist. Der Kaufpreis dieser
lächen wird mit 35 Prozent unter dem Verkehrswert be-
echnet. Nach neuer EU-Rechtsprechung können staatli-
he Beihilfen im land- und forstwirtschaftlichen Sektor
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 218. Sitzung. Berlin, Freitag, den 24. April 2009 23821
(A) )
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allerdings nur noch bis zu 10 Prozent gewährt werden.
Die Übergangsfrist für bestehende Regelungen wird für
landwirtschaftliche Flächen Ende 2009 auslaufen. Des-
halb ist es im Interesse aller Beteiligten, bis zu diesem
Stichtag so viele Kaufverträge wie möglich abzuschlie-
ßen.
Es liegt nahe, dass beim Verkauf der BVVG-Flächen
in Einzelfällen Probleme auftauchen. Denn die flächen-
bewirtschaftenden Betriebe wollen möglichst viel Boden
für möglichst wenig Geld kaufen und weiterhin langfris-
tig pachten. In den meisten Fällen handelt es sich hierbei
um LPG-Nachfolger, die natürlich über einen besonders
hohen Anteil an BVVG-Pachtflächen verfügen. Für sie
ist die Belastung, die mit der Veräußerung der von ihnen
bewirtschafteten Flächen einhergeht, besonders hoch
und angesichts der befürchteten Flächenverluste von
existenzieller Bedeutung. Denn was Betriebe und Unter-
nehmer brauchen, ist Planungssicherheit, basierend auf
einer Rechtssicherheit, mit der sie frei in die Zukunft bli-
cken können. Klagen kommen aber auf der anderen
Seite auch von Betrieben, die bislang keine oder nur we-
nige BVVG-Flächen bewirtschaften. Sie möchten bei
der Flächenprivatisierung stärker berücksichtigt werden.
An die Länder möchte ich abschließend appellieren,
ihren Pflichten, die mit diesem Gesetz einhergehen, auch
nachzukommen, sei es etwa, ausstehende Anträge auf
Entschädigung zügig zu beantworten oder im Falle des
Nationalen Naturerbes die Übertragung vom Bund an
die Länder voranzutreiben.
Zusammenfassend halte ich fest, dass die aktuellen
Probleme mit dem Inkrafttreten des Flächenerwerbsän-
derungsgesetzes für alle Beteiligten akzeptabel gelöst
werden. Der Weg hierher war nicht leicht. An diesem
sensiblen Thema haben Bund und Länder in den vergan-
genen Monaten eng zusammengearbeitet. Das Bundes-
ministerium der Finanzen hat sich dabei immer als fairer
Verhandlungspartner erwiesen und ist den einzelnen An-
liegen nachgegangen. Als Ergebnis liegt uns nun das ak-
tuelle Gesetz vor, und ich bin froh, dass wir es heute in
dieser Form verabschieden.
Hans-Michael Goldmann (FDP): „Es kreißen die
Berge, zur Welt kommt nur ein lächerliches Mäuschen.“
Dieser Ausspruch von Horaz fasst das Drama Flächener-
werbsänderungsgesetz am besten zusammen. Der Ge-
setzentwurf und die aktuellen Änderungen der Bundes-
regierung gehen zwar in die richtige Richtung, doch
leider bleiben entscheidende Punkte ungelöst. Zwar wer-
den einige der Missstände angepackt und abgeräumt,
doch nach einem Jahr Streit in der Koalition war zu er-
hoffen gewesen, dass auch die restlichen Probleme ge-
löst würden.
Die bisherige starre Regelung, dass prinzipiell Ver-
kauf vor Verpachtung stand, hat zu einigen Verwerfun-
gen in der ostdeutschen Landwirtschaft geführt. Deshalb
unterstützen wir die neu geschaffene Möglichkeit, dass
die BVVG nach dem Ablauf langfristiger Pachtverträge
von landwirtschaftlichen Flächen erneut Pachtverträge
von über fünf Jahren abschließen darf.
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Es ist natürlich auch zu begrüßen, dass der bevorrech-
igte begünstigte Erwerb land- und forstwirtschaftlicher
lächen durch Alteigentümer erhalten bleibt, aber der
esetzentwurf ignoriert immer noch das Problem, dass
iele kaufwillige Alteigentümer wegen der schleppen-
en Bearbeitung ihrer Vorgänge in der BVVG nicht zu
inem Zeitpunkt kaufen konnten, als die Preise noch mo-
erat waren. Inzwischen sind die Flächenpreise zum Teil
rastisch gestiegen, und dadurch haben sich die Hektar-
lächen, die von Alteigentümern begünstigt erworben
erden können, halbiert.
11 000 Anträge auf Ausgleichsleistungsbescheide
ind immer noch nicht von den Ländern ausgestellt, ob-
ohl das Verfassungsgericht Thüringen dies 2001 als
erfassungswidrig eingestuft hat. Wir haben vom Wis-
enschaftlichen Dienst prüfen lassen, was der Bund tun
önnte, um die Länder zum Handeln zu zwingen. Und in
etzter Konsequenz könnte der Bund erstmals den Bun-
eszwang nach Art. 37 GG anwenden. Nach Zustim-
ung des Bundesrates könnte er im Zweifel sogar
rsatzweise die Bescheide erlassen. Das Bundesfinanz-
inisterium hat also noch nicht einmal ansatzweise
eine Möglichkeiten ausgeschöpft, die Verfahren nach so
ielen Jahren abzuschließen.
Nun sind absurderweise insbesondere die selbst wirt-
chaftenden Alteigentümer betroffen. Sie haben jahre-
ang Flächen von der BVVG gepachtet und konnten
icht kaufen, da die Ausgleichsleistungsbescheide noch
icht abgeschlossen waren bzw. sind. Der Vorschlag der
etroffenen, einen Stichtag einzuführen, damit die Altei-
entümer nicht für die langsame Bearbeitung ihrer Aus-
leichsleistungsbescheide bestraft werden, war berech-
igt und sehr vernünftig. Umso unverständlicher ist die
eigerung der SPD, hier nicht nachzugeben.
Immerhin wurde eine Forderung erfüllt, nämlich die
0-Jahresfrist bei der Verpflichtung der Ortsansässigkeit
urch eine 15-Jahresfrist zu ersetzen. Einfacher und bes-
er wäre es allerdings gewesen, auf das Ortsansässig-
eitsprinzip komplett zu verzichten. Angesichts dessen,
ass bereits heute beim Erwerb von Waldflächen durch
lteigentümer auf das Ortsansässigkeitsprinzip verzich-
et wird, ist es auch ein Wertungswiderspruch, bei land-
irtschaftlichen Flächen darauf zu bestehen. Und wenn
ich die Regierung schon nicht zu einer solchen unbüro-
ratischen Regelung durchringen konnte, hätte man die
rist zumindest auf zehn Jahre senken müssen.
Es ist auch nicht nachzuvollziehen, dass die Regie-
ung nicht die Anregung Niedersachsens aufgegriffen
at, wonach Erwerber von forstwirtschaftlichen Flächen
uch gleichzeitig landwirtschaftliche Flächen erwerben
ürden.
Ebenfalls nicht nachvollziehen können wir Liberale
as großflächige Verschenken von Naturschutzflächen
n Verbände und Stiftungen. Flächen in Naturparken
ind Teil einer nachhaltigen Naturschutzpolitik. Sie sind
innvoll und im Einklang mit den Erfordernissen des Na-
ur- und Umweltschutzes auch landwirtschaftlich zu be-
irtschaften. Angesichts des ständigen Lamentierens
on Teilen der Bundesregierung über den Verlust land-
irtschaftlicher Flächen durch ökologische Ausgleichs-
23822 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 218. Sitzung. Berlin, Freitag, den 24. April 2009
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maßnahmen ist es völlig unverständlich, dass Natur-
parke nun ebenfalls der landwirtschaftlichen Nutzung
entzogen werden sollen, indem man sie Naturschutzver-
bänden und Stiftungen schenkt. Auch andere Natur-
schutzflächen sind grundsätzlich wirtschaftlich nutzbar,
und auch hier hätte man zunächst ein Primat des Ver-
kaufs vor Verschenkung festschreiben müssen.
Abschließend noch Wort zum Antrag der Grünen. Mit
ihrem Antrag zeigen sie wieder ihr wahres Gesicht einer
Ideologisierung der Landwirtschaftspolitik, und er ist ein
Paradebeispiel für den Grundsatz „gut gemeint ist oft das
Gegenteil von gut gemacht“. Ihre Forderung nach Be-
vorzugung arbeitsintensiver Betriebe geht beispielsweise
ins Leere. Jeder Betriebsteil muss für sich wirtschaftlich
sein, damit der Betrieb zukunftsfähig ist. Hier darf der
Staat bei der Flächenvergabe nicht falsche Anreize set-
zen. Ebenso wenig sinnvoll ist die Forderung, Betriebe
mit höchstens zwei Großvieheinheiten zu bevorzugen.
Moderne Landwirtschaft – vor allem junge Landwirte –
brauchen Strukturwandel. Der Sinn der Forderung, di-
versifizierte Betriebe zu bevorzugen, erschließt sich
auch nicht. Sollen wir jetzt vom grünen Tisch aus in die
Konzepte der Unternehmer eingreifen? Die öffentliche
Hand hat in den letzten 40 Jahren genug falsche Markt-
lenkung betrieben, in Ost wie in West. Damit muss end-
lich Schluss sein.
Das gilt auch für die Forderung, Öko-Landbetriebe zu
bevorzugen. Die FDP hat überhaupt nichts gegen den
Öko-Landbau. Im Gegenteil, angesichts der Marktlage
halten wir es durchaus für erfolgversprechend, in den
Öko-Landbau zu investieren. Wir haben nur etwas dage-
gen, wenn die öffentliche Hand durch ihre Förderung
glaubt Signale dafür setzen zu müssen, was objektiv die
„richtige Landwirtschaft“ ist. Es gibt nur einen, der qua-
lifiziert ist, dies im Einzelfall zu entscheiden: der Land-
wirt, der sein Geld in seinen Betrieb investiert.
Nahezu unglaublich ist die Forderung, dass Kaufver-
träge rückabgewickelt werden sollen, wenn ein Landwirt
innerhalb von 20 Jahren von seinem Betriebskonzept ab-
weichen sollte. Niemand darf 20 Jahre lang auf Markt-
entwicklungen reagieren? Absurd, wenn wir zurückden-
ken, wie sich die staatlichen Rahmenbedingungen in den
letzten 20 Jahren verändert haben. Zu so einem Antrag
kann man nur Nein sagen.
Anlage 7
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung der Beschlussempfehlung und des
Berichts: Verbraucherfreundliche und praxis-
taugliche Lebensmittelkennzeichnung durchset-
zen – Verbots- und Bevormundungspolitik ver-
hindern (Tagesordnungspunkt 36)
Julia Klöckner (CDU/CSU): Neue Kleider braucht
das Land. Diese und andere Schlagzeilen haben wir die-
ser Tage in der Presse verfolgen können. Grund: Die
Deutschen wachsen nicht mehr so stark in die Höhe, da-
für gehen sie immer mehr in die Breite. Das zumindest
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at die Vermessungsstudie „Size Germany“ ergeben.
ber 13 000 Männer, Frauen und Kinder wurden unter-
ucht. Es ist die erste große Vermessung deutscher
rauen seit 15 Jahren, der Männer seit 30 Jahren. Der
eibesumfang nahm sowohl bei Frauen wie auch bei
ännern in den vergangenen Jahren kontinuierlich zu.
Wir sind übrigens nicht nur das größte Land Europas,
ondern auch das dickste, ein Titel, den wir nur allzu
erne wieder abgeben würden … Das Problem darf und
ann nicht wegdiskutiert werden: Etwa 37 Millionen Er-
achsene und rund 2 Millionen Kinder und Jugendliche
ind in Deutschland übergewichtig oder sogar fettleibig.
ltersdiabetes wird bereits bei Kindern diagnostiziert –
in schockierender Trend!
Auf der Suche nach Gründen begegnen wir einer
ielzahl an Studien. „Gesunde Fertiggerichte sind das
lektroauto der Ernährungsindustrie“, so lautet das Fazit
er Untersuchung „So is(s)t Deutschland“. Die Ergeb-
isse zeigen uns, dass wir in Deutschland beim Thema
rnährung vor neuen Herausforderungen stehen: Men-
chen essen immer häufiger außer Haus, dementspre-
hend weniger wird zu Hause gekocht. Weniger als die
älfte der jungen Menschen unter 30 Jahren kochen bei-
pielsweise noch selbst. Wahrscheinlich sind die Ergeb-
isse noch alarmierender, da das Erhitzen einer Fertig-
uppe heute oftmals schon als „selbst kochen“ gilt.
eshalb darf uns auch nicht wundern, dass die Branche
er Schnellrestaurants ihre Umsätze um 7 Prozent ge-
teigert hat.
Ähnliches berichtet der Ernährungsbericht 2008, der
or einigen Monaten von der Deutschen Gesellschaft für
rnährung vorgestellt wurde. Viele Deutsche essen ein-
ach zu viel und bewegen sich zu wenig.
Gutes gibt es aber auch zu berichten. Der Verbrauch
on gesunden Speisen nimmt zu. Die Deutschen essen
ehr Obst und Gemüse. Der Verbrauch von Äpfeln, To-
aten und Möhren ist deutlich angestiegen, auch der
ischverbrauch steigt. Diese positiven Entwicklungen
önnen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich
mmer mehr Bundesbürger insgesamt falsch ernähren
nd zu wenig bewegen. Dass bereits Kinder an Alters-
iabetes leiden, ist nur eine Folge davon.
Bleibt die Frage, wie die Lösung aussehen kann und
elchen Weg wir gehen müssen, um wieder fitter und
chlanker zu werden. Es geht nicht um Stigmatisierung,
ondern um Sensibilisierung. Ziel muss sein, die Bedeu-
ung von Ernährung und Gesundheit in den Mittelpunkt
u rücken. Prävention heißt das Gebot der Stunde. Pro-
ekte alleine genügen hier sicher nicht, wir müssen An-
eize schaffen. Anders als meine Kollegen der Grünen
nd der Linken ist die Union der Meinung, dass ein un-
esunder Lebensstil nicht kurzfristig oder mit Gesetzen
bzuwenden ist. Es muss darum gehen, die Bedeutung
on Ernährung und Gesundheit wieder in den Mittel-
unkt zu rücken. Aufgefordert sind hierzu alle: Politik,
ereine, Krankenkassen, Eltern und Schulen. In den
chulen, in Sportvereinen und vor allem im Elternhaus
uss sensibilisiert werden.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 218. Sitzung. Berlin, Freitag, den 24. April 2009 23823
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Es geht um Orientierung. Lebensmittelkennzeichnung
kann hier ein wichtiger Baustein sein. Es ist aber kein
Allheilmittel und die alleinige politische Antwort auf un-
ser Gewichtsproblem. Kennzeichnung kann dem Ver-
braucher letztlich nur eine Navigationshilfe sein, um ein-
zuschätzen, wie sich Lebensmittel zusammensetzen, um
dann eine Wahl zu treffen. Um diese Wahl treffen zu
können, erwartet der Konsument wahre, leicht verständ-
liche und miteinander vergleichbare Informationen auf
der Schauseite der Produkte. Hier müssen wir ansetzen.
Dass der Weg dahin schwierig ist, zeigt die aktuelle
Diskussion im Europäischen Parlament: weit über
1 000 Änderungsanträge bei dem Gesetz zur Änderung
der Lebensmittelkennzeichnung. Umso vernünftiger ist
die Entscheidung des Europaparlamentes, erst nach der
Wahl eines neuen EU-Parlamentes über diese wichtige
Frage zu entscheiden. Wir brauchen gerade bei diesem
komplexen Bereich eine vernünftige, handhabbare Lö-
sung und keine politischen Schnellschüsse. Es gilt, na-
tionale Alleingänge zu vermeiden, das Ergebnis wäre ein
nationaler Flickenteppich, was letztlich niemandem hel-
fen würde. Im Gegenteil: Hohe Produktions- und Logis-
tikkosten für die Wirtschaft und Verwirrung für die Ver-
braucher wären die Folgen.
Die Union setzt auf ein System, das die Verbraucher
leitet und nicht bevormundet. Wenn sich dabei ein Wett-
bewerb unter den Herstellern entwickelt, ist das gut.
Wichtig ist, dass der Verbraucher es versteht und schnell
Orientierung erhält. Das im Bundesministerium für Er-
nährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz ent-
wickelte „1 plus 4“-Modell für erweiterte Nährwert-
informationen auf vorverpackten Lebensmitteln, eine an
die Lebensmittelwirtschaft gerichtete Empfehlung für
zusätzliche freiwillige Nährwertinformationen, bietet
sich als Grundlage für ein einheitliches europäisches
Modell an. Eine Ampel – da sind wir uns mit den Kolle-
gen der FDP einig – gehört in den Straßenverkehr, nicht
auf Lebensmittel oder Finanzprodukte. Sie teilt in gute
und schlechte Lebensmittel ein und ist simplifizierend.
Eine Ampel würde zudem auch die Produktinnovation
erschweren: Sahne erhält immer einen roten Punkt, egal
ob sie als fettreduzierendes Produkt auf den Markt
kommt oder nicht. In diesem Punkt sind aber auch die
Lebensmittelunternehmen in der Pflicht: Die Entwick-
lung innovativer Produkte muss verstärkt werden –
Stichwort: Kalorienreduzierte Lebensmittel werden an
Bedeutung gewinnen.
Weniger ist mehr, dieser Grundsatz gilt nicht nur für
das Essen, sondern auch für gesetzgeberische Maßnah-
men: Die CDU/CSU ist gegen Ernährungsdiktate, Gän-
geln und Verbieten. Auf die Einsicht und die Erkenntnis
eines jeden Einzelnen kommt es an. Wir müssen die El-
tern befähigen. Die Familien sind wichtig. Es kann nicht
sein, dass nun nach dem Staat und Frau Aigner gerufen
wird, wenn Eltern ihrer Verantwortung nicht nachkom-
men und ihre Kinder ohne Frühstück oder mit einem
Schokoriegel in die Schule schicken. Wir brauchen hier
als Unterstützung Ernährungslehrer. Deshalb unterstützt
die CDU/CSU-Fraktion einen gesamtgesellschaftlichen
Ansatz, der auf Einsicht, aber auch auf das spielerische
Erlernen setzt, auch in Kindergärten und der Schule.
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Der Politik muss es letztendlich um Hilfestellung ge-
en. Dort, wo der Staat Einfluss hat, muss er auch die
ahmenbedingungen dafür schaffen, dass Menschen die
ilfe bekommen, um in höherer Lebensqualität leben zu
önnen und weiterhin Spaß am Essen zu haben; denn
ssen und Bewegung können auch Freude bereiten. Ge-
au hier gilt es anzusetzen: Wir müssen Kindern, Ju-
endlichen, aber auch jedem Einzelnen von uns Essen
ls Genuss vermitteln, ohne die Gefahren von übermäßi-
em Konsum zu verschönen.
Der Aktionsplan des Bundesministeriums für Ernäh-
ung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz „In Form“
etzt hier erste wichtige Maßstäbe und dient als Leitlinie
ür eine solche Volksbewegung. Bis 2020 wollen wir mit
inem Maßnahmenbündel Essstörungen bekämpfen. Ziel
st es, das Ernährungs- und Bewegungsverhalten in der
evölkerung nachhaltig zu verbessern und die Zunahme
on ernährungsbedingten Krankheiten zu verringern.
ierbei sollen Akteure und Maßnahmen vernetzt, Emp-
ehlungen zum Ernährungs- und Bewegungsverhalten
ereinheitlicht und dauerhafte Strukturen vor Ort ge-
chaffen werden. Nicht gängeln, sondern vorleben, nicht
esetzlich regulieren, sondern Anreize schaffen – dies
uss unser gemeinsames Ziel für eine bessere und aus-
ewogene Ernährung und für mehr Bewegung in
eutschland sein. Hier sind wir alle gefragt.
Dr. Marlies Volkmer (SPD): Die FDP fordert die
undesregierung auf, den mündigen Verbraucher ins
entrum ihrer Politik zu stellen. Das wollen wir auch!
ffensichtlich hat die FDP aber andere Vorstellungen
on Mündigkeit als wir. Zu einer verantwortlichen Ent-
cheidung gehören nicht nur der Konsumwille und ent-
prechende Waren. Dazu gehören auch Informationen
ber das Produkt, die die Verbraucherin und der Ver-
raucher im Hinblick auf das Konsumziel bewerten und
ur Entscheidungsgrundlage machen können. Über diese
nformationen verfügt nur der Hersteller und deshalb
uss dieser sie zur Verfügung stellen. Abhängig vom
onkreten Produkt und dessen Kosten wird das Informa-
ionsbedürfnis unterschiedlich sein. Für den Kauf eines
anglebigen Konsumguts wird man in der Regel mehr
eit mit der Informationssammlung im Voraus aufwen-
en, als für preiswerte und regelmäßig zu kaufende Wa-
en. Aber ohne Informationen ist eine mündige Entschei-
ung nicht denkbar.
Bei der Lebensmittelkennzeichnung geht es um Infor-
ationen über Produkte, die beinahe täglich eingekauft
erden müssen. Für diesen Einkauf haben die Menschen
ur wenig Zeit zur Verfügung und wollen gewiss nicht
orher im Internet recherchieren. Sie wollen insbeson-
ere bei zusammengesetzten Lebensmitteln auf einen
lick erkennen können, welches Produkt in einer Waren-
ruppe das geeignete für ihre Ernährungsziele ist. Das
eistet die auf Wünschen der Lebensmittelindustrie ba-
ierende freiwillige „1 plus 4“-Kennzeichnung nicht.
as gilt auch für den Vorschlag der EU-Kommission zur
ährwertkennzeichnung. Hier besteht noch Verbesse-
ungsbedarf, der uns in der kommenden Legislatur-
eriode noch beschäftigen wird.
23824 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 218. Sitzung. Berlin, Freitag, den 24. April 2009
(A) )
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Die Information, die die von uns geforderte Nähr-
wertampel liefert, würde eine mündige Kaufentschei-
dung im Alltag überhaupt erst möglich machen. Das hat
mit Verbot und Bevormundung nichts gemein. Wer die
Information nicht will, wird sie ignorieren. Aber weil
einige Verbraucher die Information vielleicht nicht wün-
schen, darf sie nicht allen anderen vorenthalten werden.
Ein weiterer Effekt der Nährwertkennzeichnung darf
nicht unterschätzt werden: Eine verbindliche, klare
Kennzeichnung stellt Vergleichbarkeit her, die dem fai-
ren Wettbewerb nützt. Gerade im Interesse der kleinen
und mittleren Unternehmen müssen deshalb eine Vielfalt
von Kennzeichnungsarten und das Ausklinken einzelner
Marktteilnehmer vermieden werden.
Auch wir treten für eine einheitliche Lebensmittel-
kennzeichnung in Europa ein. Schließlich haben alle eu-
ropäischen Verbraucherinnen und Verbraucher densel-
ben Anspruch auf hilfreiche Informationen über die von
ihnen täglich benötigten Produkte. Deshalb wollen wir
erreichen, dass die Nährwertampel durch die EU-Ver-
ordnung für alle verbindlich gemacht wird. Wir teilen
die Auffassung, dass die Kennzeichnungsvorschriften
für verpackte Lebensmittel nicht 1:1 auf lose Ware über-
tragen werden können. Aber der Status quo muss enden!
Mehr als 30 Prozent der Deutschen leiden zum Bei-
spiel an einer allergischen Erkrankung, auch die Zahl
von Menschen mit Lebensmittelallergien steigt stetig.
Die Allergenkennzeichnung bei verpackter Ware konnte
in den vergangenen Jahren sehr verbessert werden. Nur
bei loser Ware hat es noch keine entscheidende Verbes-
serung gegeben. Das Lebensmittelhandwerk und der
Einzelhandel haben es hier verabsäumt, eigene Informa-
tionsstrategien zu entwickeln. Dabei geht es einerseits
um den Schutz der Verbraucher mit Allergien vor zum
Teil erheblichen gesundheitlichen Gefährdungen, und
zum anderen um das Schaffen von Wahlmöglichkeiten
und damit Lebensqualität. Auch Allergiker möchten
zum Brötchen- oder Wurstkauf zu Fuß um die Ecke ge-
hen können und nicht ins Auto steigen müssen. Auch sie
möchten aus unterschiedlichen Produkten wählen kön-
nen und nicht immer nur auf das eine Produkt des einen
Herstellers angewiesen sein.
Es muss deshalb leicht zugängliche Zutatenlisten ge-
ben. Das heißt, am Ort des Verkaufs muss die Informa-
tion jederzeit griffbereit sein (ohne Suchen durch das
Personal, ohne zusätzliche Wartezeit für die Kunden).
Zusätzliche Informationen im Internet sind wünschens-
wert.
Die Listen müssen verlässlich sein.
Die Betriebe müssen mit ihrer Prozesshygiene Konta-
minationen vermeiden.
Einige Rezepturen sollten bewusst allergikerfreund-
lich sein.
Angesichts recht unterschiedlicher Situationen in den
Mitgliedstaaten ist der Vorschlag der Kommission sinn-
voll, den Mitgliedstaaten zu überlassen, in welcher Form
Allergene bei loser Ware gekennzeichnet werden sollen.
Für die Übertragung dieses Vorschlags in deutsches
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echt verlangen wir schon jetzt, dass die vorgenannten
unkte zügig umgesetzt werden müssen. Die Verkäufer
oser Ware können die Zeit bis dahin nutzen, sich mit
reativen Lösungen einen Marktvorteil bei den Verbrau-
herinnen und Verbrauchern mit Allergien zu verschaf-
en.
Hans-Michael Goldmann (FDP): Monatelang dis-
utierten Politik, Wirtschaft und Verbraucherschützer in-
ensiv und sehr konträr über die Frage der Nährwert-
ennzeichnung auf Lebensmitteln, um den Verbrauchern
ie Wahl der richtigen Produkte zu einer gesunden und
usgewogenen Ernährung zu erleichtern. Sie alle können
ich sicher noch an die großen Ankündigungen des ehe-
aligen Ministers Seehofer erinnern. Zunächst sprach er
on der Ampelkennzeichnung als Volksverdummung,
ann wurde er zum Ampelmann, fand nachträglich, dass
ie Ampel auf Produkten eine großartige Idee wäre. Auf
uropäischer Ebene fand eine ähnliche Diskussion statt.
Nach diesem Umfallen von Herrn Seehofer zog vor
inigen Monaten frischer und positiver Wind ein, als un-
ere neue Ministerin Frau Aigner auch wieder andere
odelle gegenüber dem von Herrn Seehofer angepriese-
en Ampelmodell in Betracht zog. Allerdings wissen wir
eute auch bei ihr nicht, was sie wirklich möchte.
Allerdings muss ich besorgt feststellen, dass seit eini-
en Wochen „absolute Stille im Walde“ herrscht, wenn
s um das Thema Nährwertkennzeichnung geht. Auch
enn auf EU-Ebene die Kennzeichnungsfrage erst ein-
al bis nach den Wahlen auf Eis gelegt ist, heißt das
och nun wirklich nicht, dass selbiges für die Entwick-
ung in Deutschland gelten muss, denn es gilt doch pri-
är zuerst die Frage zu klären, welches Modell für un-
ere Verbraucher das beste ist. Dies ist ein eindeutiges
eichen dafür, dass das Wohl der Verbraucher bei der
undesregierung wieder einmal ganz hinten ansteht.
iese sind die Leidtragenden in diesem Prozess und
üssen sich auch weiterhin in Geduld üben bezüglich
er Frage, welche Form der Nährwertkennzeichnung
ich durchsetzen soll. Und die neue Bundesverbraucher-
inisterin zieht das Schweigen der Entscheidung vor,
m nicht bei ihrem Vorgänger und jetzigen CSU-Vorsit-
enden in Ungnade zu fallen. Die dauerhaft unkonkrete
nd uneffiziente Arbeit der Bundesregierung bei dieser
ichtigen Fragestellung ist unverantwortlich, und daher
ann ich nur ein weiteres Mal appellieren, dass die Bun-
esregierung endlich eine klare Position beziehen soll.
Frau Aigner, an Sie geht mein besonderer Aufruf. Ihre
nfängliche Offenheit bei der Kennzeichnungsfrage ließ
ie Hoffnung auf ein schnelles und effektives Vorgehen
ei dieser Problematik zu, aber leider sind Sie viel zu
chnell abgetaucht. Sie dürfen nicht länger um dieses
hema einen Bogen machen, es wird langsam Zeit für
lare Bekenntnisse.
Die FDP hat in ihrem Antrag noch einmal ganz ein-
eutig betont, dass Seehofers Erbe der Verbraucher-
evormundung ein Ende haben muss. Lebensmittelkenn-
eichnung soll im Sinne des interessierten und mündigen
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 218. Sitzung. Berlin, Freitag, den 24. April 2009 23825
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Verbrauchers geschaffen werden, ohne unnötige büro-
kratische Reglementierungen. Wir wollen den eigenstän-
dig und bewusst handelnden Konsumenten, der frei ent-
scheidet, welche Ware für ihn die richtige ist.
Ich will an dieser Stelle noch einmal betonen, dass die
Ampel absolut nicht der richtige Weg sein kann, um den
Verbrauchern eine Hilfestellung bei der Auswahl ihrer
Lebensmittel zu geben. Vielmehr wird sie sich als Blo-
ckade erweisen, weil kein Mensch in diesem Farbenge-
wirr verstehen wird, was ihm wirklich guttut, und auto-
matisch Verdrossenheit und Desinteresse einsetzt. Es
gibt mittlerweile schon verschiedene Kennzeichnungs-
systeme, die auf freiwilliger Basis sehr gut von Verbrau-
chern angenommen werden und auch in Zukunft gute
Erfolge versprechen. Lassen Sie uns dort ansetzen, wo in
der Praxis schon erprobt wurde, was den Konsumenten
voranbringt. Endlose Phrasen in der Theorie bringen nie-
mandem etwas.
Lassen Sie mich zum Schluss noch einen Gedanken
ansprechen. Wir dürfen nicht vergessen, dass selbst ein
einwandfrei verständliches Label auf der Verpackung
noch lange nicht dazu führen wird, dass unsere Verbrau-
cher sich zukünftig durchgehend gesund und ausgewo-
gen ernähren. Vielmehr sind Wirtschaft und Politik in
der Pflicht, aufzuklären und zu sensibilisieren. Das heißt
nichts anderes, als dass der Bildungs- und Informations-
faktor im Lebensmittelbereich weiterhin verbessert wer-
den muss. Dies gilt auch bei vielen weiteren Themen,
zum Beispiel bei dem aktuell aufgetretenen Problem mit
dem Analog-Käse oder immer wiederkehrenden Skanda-
len im Bereich Gammelfleisch. Nur wenn die verschie-
denen Komponenten parallel erweitert werden, können
wir erfolgreich unsere Verbraucher unterstützen.
Frau Aigner, es ist Zeit, aus dem Dornröschenschlaf
zu erwachen und endlich im Interesse der Verbraucher
zu handeln.
Karin Binder (DIE LINKE): Wir diskutieren hier ei-
nen Antrag der FDP mit dem Titel „Verbraucherfreundli-
che und praxistaugliche Lebensmittelkennzeichnung
durchsetzen“. Das hört sich erstmal gut an, doch dieser
FDP-Antrag ist eine Mogelpackung. Denn es ist nicht
drin, was draufsteht. Die Liberalen wollen damit in ers-
ter Linie die Ampelkennzeichnung verhindern. Stattdes-
sen machen sie sich für freiwillige Nährwertkennzeich-
nungsmodelle der Wirtschaft und das vom Bundesminis-
terium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucher-
schutz (BMELV) geförderte, ebenfalls freiwillige
„1 plus 4“-Modell stark.
Solche Forderungen sind weder verbraucherfreund-
lich noch praxistauglich! Im Gegenteil, gerade die Ein-
führung der Ampelkennzeichnung wäre verbraucher-
freundlich und praxistauglich. Es ist doch kein Zufall,
dass Verbraucherorganisationen und zunehmend mehr
gesellschaftliche Institutionen, unter anderem Kranken-
kassen, die Bundesärztekammer oder auch der Bundes-
elternrat eine Ampelkennzeichnung von Lebensmitteln
wollen. Auch die Verbraucherschutzministerkonferenz
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VSMK) hat sich im vergangenen Herbst dafür ausge-
prochen.
Die „Ampel“ setzt die Forderung nach einer verbind-
ichen, einfachen und leicht verständlichen Nährwert-
ennzeichnung am konsequentesten um. Die Verbrau-
herinnen und Verbraucher können damit in ihrem
lltag ohne großes Vorwissen und ohne viel Zeitauf-
and umgehen. So können sie beispielsweise beim Ein-
auf auf den ersten Blick erkennen, ob es sich bei Fertig-
rodukten und zusammengesetzten Lebensmitteln um
ett- oder zuckerreiche Kalorienbomben handelt. Denn
er von uns Verbraucherinnen und Verbrauchern kann
pontan die Nährwerte einer Tiefkühlpizza oder eines
rühstücksmüslis richtig einschätzen? Und wer von uns
at die Muße, im Supermarkt schwer durchschaubare
abellen mit Prozentzahlen umzurechnen? Die Realität
ieht doch so aus: Kaum eine Verbraucherin oder ein
erbraucher hat die Zeit und die Energie, sich während
es Einkaufs mit den komplizierten Nährwertkennzeich-
ungen der Lebensmittelwirtschaft auseinanderzusetzen.
och dazu sind diese sehr unterschiedlich, was die
andhabung nicht gerade vereinfacht.
Aus Sicht der Linken gibt es kein stichhaltiges Argu-
ent gegen die Ampel, auch wenn sich die Lebensmit-
elindustrie nicht freuen wird, wenn ungesunde Produkte
ukünftig zu Ladenhütern werden sollten. Aber da die
iberalen bekanntlich gerne mit der Industrie und deren
obby kuscheln, lehnen sie diese einheitliche und vor al-
em verbindliche Nährwertkennzeichnung von Lebens-
itteln ab.
Damit befinden sie sich in „bester“ Gesellschaft mit
er Union. Politikerinnen und Politiker von CDU/CSU
nd FDP verbreiten auch gerne und immer wieder fal-
che Informationen über dieses Kennzeichnungsmodell.
on daher macht es sicher Sinn, hier noch mal zentrale
unkte klarzustellen: Die Ampel zeigt je nach Zusam-
ensetzung der Produkte grün, gelb oder rot für mindes-
ens vier Kategorien an – nämlich Fett, gesättigte Fett-
äuren, Zucker und Salz. Sie enthält also jeweils immer
ier farbig unterlegte Angaben. Schon allein deshalb ist
ie von konservativer und liberaler Seite verbreitete
orstellung absurd, dass da ein roter Punkt auf einem
rodukt als Warnsignal prange und es dadurch in die Ka-
egorie „schlechtes Lebensmittel“ fallen würde. Abgese-
en davon signalisiert rot lediglich, dass man darauf ach-
en sollte, nicht zu viel und zu häufig davon zu essen.
ber ab und zu kann man sich die Torte oder die Chips
uhig mal erlauben.
Doch CDU/CSU und FDP halten die Verbraucherin-
en und Verbraucher offensichtlich für unzurechnungs-
ähig und vermuten, dass diese in Zukunft zum Beispiel
eine Butter mehr verwenden würden, weil diese rot für
ett und gesättigte Fettsäuren hätte. Dabei wissen doch
uch ohne Ampel alle – und seien sie aus noch so bil-
ungsfernen Schichten –, dass Butter viel Fett enthält,
an diese nicht kiloweise isst, sondern sie in kleinen
engen als Brotaufstrich verwendet.
23826 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 218. Sitzung. Berlin, Freitag, den 24. April 2009
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Es bleibt festzuhalten: Das Verhalten von Liberalen
und Union ist nicht verbraucherfreundlich. Gerade erst
Anfang Februar dieses Jahres präsentierte die Verbrau-
cherorganisation „foodwatch“ eine repräsentative Emnid-
Umfrage, laut der 67 Prozent der Befragten für eine Am-
pelkennzeichnung von Lebensmitteln sind. Doch eine
einheitliche und rechtlich verbindliche Lebensmittel-
kennzeichnung ist vorerst in weite Ferne gerückt: Die
CDU hat Mitte März im Europaparlament dafür gesorgt,
dass die geplante Regelung verschleppt und blockiert
wird. Dank ihrer Abgeordneten in Brüssel wird dort auf
längere Sicht rein gar nichts passieren. Auf nationaler
Ebene haben die Union und das von der CSU geführte
Verbraucherministerium dagegen immer behauptet, man
müsse die Entwicklungen auf EU-Ebene abwarten, be-
vor man in Deutschland aktiv werden könne. Ob dafür
nun wahltaktische Überlegungen oder nur ein erneutes
Einknicken vor der Lebensmittellobby ausschlaggebend
waren, die FDP wird sich über diese Entwicklung
freuen.
Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ver-
braucherfreundliche Lebensmittelkennzeichnung möchte
die FDP für den – ich zitiere aus dem Antrag: „mündi-
gen Verbraucher“ und „eigenverantwortlich handelnden
Konsumenten und Marktteilnehmer“. Darunter versteht
die FDP offensichtlich den durch eine zweitägige Fort-
bildung in Nährwertkennzeichnung vorgebildeten Aka-
demiker, der Urlaub hat. Beides sind nämlich Vorausset-
zungen dafür, sich im Supermarkt den komplizierten
Nährwertangaben des „1 plus 4“-Vorschlages widmen zu
können.
Aber komplizierte Leitfäden für Lebensmitteletiket-
ten sind ernährungs- und gesundheitspolitische Mogel-
packungen! Sie sind Verschleierungs-Codes der Ernäh-
rungsindustrie und sie verbessern für die Zielgruppen
mit den größten Gesundheitsproblemen nichts.
16 Millionen Menschen sind an der schweren Form
der Übergewichtigkeit, an der Adipositas erkrankt.
70 Milliarden Euro pro Jahr geben wir in Deutschland
für die ernährungsbedingten Folgekosten der Krankhei-
ten aus, bei Fortsetzung dieses Trends werden die Folge-
kosten ungesunder Ernährung auf über 100 Milliarden
Euro in den nächsten Jahren explodieren. Es geht also
nicht um ein Problem einzelner Menschen und vor allem
nicht um die Schuld einzelner Menschen.
Differenzierte Studien weisen auf eine wichtige Ursa-
che für ungesunde Ernährung und Übergewicht hin:
Finanzarmut und ihre Folgen: 70 Prozent der Hauptschü-
ler sind übergewichtig; bei Abiturienten sind es nur
35 Prozent. In niedrigen sozialen Schichten ist der Anteil
an übergewichtigen und fettleibigen Kindern mehr als
doppelt so hoch, über 20 Prozent der Kinder aus Fami-
lien mit Migrationshintergrund sind adipös! Sozial be-
nachteiligte Menschen, insbesondere Kinder, essen deut-
lich weniger frisches Obst und Gemüse, Milchprodukte,
fettarmes Fleisch, dafür aber deutlich mehr Weißbrot,
Konserven, Fertigprodukte, Fast Food, fettreiche Wurst,
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nacks, Chips, Softdrinks und Süßes. Eigenverantwort-
ichkeit und Mündigkeit nach FDP-Manier heißt hier
wie so oft bei der FDP, wenn es um Verbraucherfragen
eht –, diese Bürger im Regen stehen zu lassen. Hilf dir
elbst, denn die FDP hilft dir nicht!
Selbstverständlich müssen in erster Linie die Ursa-
hen der Armut bekämpft werden, für gute Bildung
auch im Bereich Ernährung –, gutes Essen in Schulen
nd Kitas und auch mehr für Bewegung gesorgt werden.
ber die Ampel-Kennzeichnung ist ein wichtiges und
nverzichtbares Instrument zur Verbesserung der Orien-
ierungsmöglichkeiten der Verbraucher bei der Zusam-
enstellung des Warenkorbs. Wir Grünen fordern schon
eit langem eine Orientierungshilfe, bei der man im Su-
ermarkt auch ohne Lupe, Ernährungsstudium und Ta-
chenrechner auskommt. Wer der Bevölkerung eine Hil-
estellung bei der Lebensmittelauswahl geben möchte,
arf nicht auf kompliziertes Prozentrechnen und unsin-
ige Tagesportionen setzen. Gesucht ist eine Ent-
cheidungshilfe im Laden, die auch für berufstätige Al-
einerziehende unter Zeitdruck und für Menschen jeder
ildungsstufe schnell und einfach verständlich ist.
In Studien bevorzugten 65 Prozent der Teilnehmer
arbige Darstellungen, eine Ampel-Kennzeichnung kam
iederholt auf die besten Ergebnisse. Verbraucherorga-
isationen sammelten Tausende von Unterschriften von
ürgerinnen und Bürgern, die die Einführung der Am-
el-Kennzeichnung auf Lebensmitteln fordern. Und an-
cheinend wachen nach und nach die Ernährungspoliti-
er auf. Auch in der SPD mehren sich die Stimmen für
ine einfache und klare Kennzeichnung in den Signalfar-
en Rot, Gelb, Grün. Wir fordern von der Bundesregie-
ung, ihre wissenschaftlich zweifelhaften und völlig
raxisfernen Vorschläge zurückzuziehen und eine ver-
raucherfreundliche Lebensmittelkennzeichnung auf
en Weg zu bringen.
Wir brauchen eine unternehmensübergreifende, ver-
raucherfreundliche Kennzeichnung auf Lebensmitteln,
ie wie die Ampelkennzeichnung der britischen Lebens-
ittelbehörde klar und einfach vermittelt, welchen Bei-
rag das Lebensmittel zu einer gesunden Ernährung
eisten kann, eine Informationskampagne, die die neue
ebensmittelkennzeichnung breiten Bevölkerungs-
chichten bekannt macht und die Vorteile für die tägliche
ssensauswahl unterstreicht und im Rahmen der Ernäh-
ungsforschung Lebensmittelprodukte, die weniger Fett
nd Zucker enthalten, möglichst naturbelassen sind und
n empfehlenswerten Portionsgrößen angeboten werden.
in guter Kompromiss, auch auf Veranstaltungen des
undes für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde
elbst vorgestellt, kann es sein, die Anwendung der
Ampel“ auf verarbeitete Lebensmittel zu begrenzen.
ann sind auch all die Bedenken, zum Beispiel bei den
len, vom Tisch. Wir fordern darüber hinaus eine Rege-
ung für Werbung für Kinderlebensmittel und den Ver-
auf von Süßigkeiten und Süßgetränken an Schulen zu
ntersagen.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 218. Sitzung. Berlin, Freitag, den 24. April 2009 23827
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Anlage 8
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur
Anordnung des Zensus 2011 sowie zur Ände-
rung von Statistikgesetzen (Zusatztagesord-
nungspunkt 17)
Dr. Kristina Köhler (Wiesbaden) (CDU/CSU): Wir
haben heute einen Gesetzentwurf vor uns liegen, der das
gemeinsame Ergebnis einer ebenso mühevollen wie kon-
struktiven Arbeit von allen Seiten ist. Mit dieser Arbeit
haben wir uns ein Vermittlungsverfahren erspart. Des-
halb möchte ich zu Beginn meiner Rede auch zunächst
allen Beteiligten danken, und zwar insbesondere dem
Bundesinnenministerium, den Vertretern der Länder und
vor allem natürlich auch meinem Kollegen von der SPD,
Maik Reichel. Lieber Maik Reichel, wenn die Zusam-
menarbeit immer so gut wäre wie in diesem Fall, dann
könnte ich die Große Koalition richtig in mein Herz
schließen.
Zugleich geht mein Dank an das Statistische Bundes-
amt in meinem Wahlkreis Wiesbaden, an die statisti-
schen Landesämter und an die Zensuskommission unter
dem Vorsitz von Professor Dr. Gert G. Wagner. Seit Jah-
ren arbeiten sie daran, dass wir 2011 ein völlig neues Ka-
pitel der Volkszählungen in Deutschland aufschlagen
können. Sie leisten echte Pionierarbeit und sind dabei
akribisch und innovativ zugleich. Dank ihnen werden
wir 2011 wohl den weltweit modernsten registergestütz-
ten Zensus erleben.
Es gibt einen schönen Satz: „Politik beginnt mit der
Betrachtung der Realität“. Und genau darum geht es im
Zensus 2011. Um die Betrachtung der Realität. Zurzeit
kennen wir die demografische Realität in Deutschland
nicht. Wir wissen zwar genau, wie viele Rindviecher wir
haben – zum Stichtag 3. November 2008: genau
12 987 543 – aber wir haben keine Ahnung, wie viele
Einwohner. Unsere „aktuellen“ Daten basieren auf Fort-
schreibungen der Ergebnisse der Volkszählungen von
1987 in der Bundesrepublik und 1981 in der ehemaligen
DDR. Es ist wahrscheinlich, dass sich beim Zensus 2011
zeigen wird, dass wir mindestens 1,3 Millionen weniger
Einwohner in Deutschland haben als errechnet. Schon
beim Zensus 1987 in der alten Bundesrepublik Deutsch-
land mussten wir unsere Bevölkerungszahlen deutlich
korrigieren. Nur bei der letzten Volkszählung in der
DDR 1981 mussten die Bevölkerungszahlen nur um
0,2 Prozent korrigiert werden, es gab also kaum Aus-
wanderung oder Zuwanderung. Ob die Kollegen von der
Linken dies auch als eine „bewundernswerte Errungen-
schaft“ der DDR verbuchen, würde mich interessieren.
Für unsere politischen und wirtschaftlichen Planun-
gen, ebenso für die wissenschaftliche Forschung, brau-
chen wir aber verlässliche Daten, nicht nur darüber, wie
viele Menschen in Deutschland wo leben, sondern
ebenso darüber, welche Bildungsabschlüsse diese Men-
schen haben oder welchen Beruf sie ausüben. Dabei be-
treten wir mit der Volkszählung 2011 methodisches Neu-
land. Es wird keine Vollerhebung geben, bei der jeder
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inwohner befragt wird. Sondern wir legen die wich-
igsten Register – die Einwohnermelderegister, die Re-
ister der Bundesagentur für Arbeit und der öffentlichen
and – übereinander. Wir wissen aber, dass diese Regis-
er nicht fehlerfrei sind – gerade in großen Städten gibt
s zum Beispiel viele Karteileichen, also Personen, die
ich nicht abgemeldet haben, obwohl sie umgezogen
ind. Daher werden wir zusätzlich maximal 10 Prozent
er Bevölkerung befragen. Mit den Ergebnissen dieser
efragung werden zum einen die Fehler der Melderegis-
er korrigiert – Statistiker können so etwas –, zum ande-
en werden weitere Merkmale erhoben, die wir aus den
egistern nicht gewinnen können, zum Beispiel Daten
ur Bildung und Ausbildung oder über die Erwerbstätig-
eit.
Mit diesem hochmodernen Verfahren wollen wir drei
inge erreichen: Erstens. Wir wollen Geld sparen. Der
egistergestützte Zensus ist nur etwa halb so teuer wie
ine Vollerhebung. Zweitens. Wir wollen die Bevölke-
ung so wenig wie möglich belasten; rund 90 Prozent
erden 2011 nicht befragt werden. Drittens. Wir wollen
ber auch genauso gute Daten erhalten wie bei einer
ollerhebung. Daher schreibt der Bundestag heute fest,
ass der Fehler dieser Erhebung bei maximal 1 Prozent
iegen darf. Die Daten müssen also zu 99 Prozent korrekt
ein. Eine höhere Genauigkeit hat man in der Vergan-
enheit auch bei traditionellen Volkszählungen nicht er-
eicht.
Gelegentlich wird ja behauptet, wir bräuchten keine
olkszählung, wir hätten ja den Mikrozensus. In der Tat
erden jedes Jahr 1 Prozent der Bevölkerung im Mikro-
ensus befragt. Aber der Mikrozensus kann den Zensus
icht ersetzen. Denn sowohl für die Ziehung als auch für
ie Hochrechnung der Stichprobe des Mikrozensus muss
ie Grundgesamtheit bekannt sein. Aber unser Wissen
ber die Grundgesamtheit basiert immer noch auf den al-
en Zahlen von 1981 und 1987. Daher brauchen wir mit
em Zensus 2011 endlich wieder aktuelle Zahlen über
ie Grundgesamtheit, damit auch der Mikrozensus wie-
er exaktere Ergebnisse liefert.
Wenn der Deutsche Bundestag heute dieses Gesetz
eschließt, dann hat er es an einigen entscheidenden
tellen verändert. Denn, wie gesagt, mit dem Zensus
ollen wir die Realität in Deutschland betrachten. Und
u dieser Realität gehört auch, dass wir ein Land sind, in
em Menschen mit unterschiedlichen Religionen und
ulturellen Hintergründen zusammenleben. Daher haben
ir Abgeordnete uns dafür eingesetzt, dass zwei weitere
erkmale in den Zensus aufgenommen werden. Damit
ehen wir über den ursprünglichen Entwurf des Bundes-
nnenministeriums hinaus, der sich dabei an den Vor-
chlägen der EU orientiert hatte. In den Beratungen
urde demgegenüber ein Konsens darüber erzielt, dass
uch die Erfassung des Migrationshintergrundes und der
eligionszugehörigkeit in der Haushaltsstichprobe zum
ensus 2011 unabdingbar insbesondere für die weiteren
ntegrationspolitischen Planungen sind. Bei der Frage
ach dem Migrationshintergrund werden dabei auch An-
aben zum Herkunftsland der Eltern erfasst, sodass erst-
als ein realistisches Bild auch von Migranten der zwei-
en Generation möglich sein wird. Bisher muss die
23828 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 218. Sitzung. Berlin, Freitag, den 24. April 2009
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Migrationspolitik hier ziemlich im Dunkeln operieren.
Bund, Länder und Gemeinden haben im Nationalen Inte-
grationsplan zu Recht darauf hingewiesen, dass statisti-
sche Daten bisher in der Regel nur zwischen Deutschen
und Ausländern unterscheiden. Für die Erfassung von
Integrationsprozessen ist dies wenig aussagekräftig.
Außerdem werden wir die Religionszugehörigkeit der
Befragten erheben. Seit 1871 erheben wir dieses Merk-
mal in Deutschland, und es wäre meines Erachtens ein
großer Fehler, dies nicht auch 2011 zu tun. Wir können
die gesellschaftliche Realität eines Landes nicht be-
schreiben, wenn wir die religiöse Realität nicht kennen.
Daher haben sich auch sowohl die Evangelische als auch
die Katholische Kirche in Deutschland als auch zum
Beispiel muslimische Glaubensvertreter eindrücklich für
dieses Merkmal ausgesprochen.
Das Zensus-Gesetz orientiert sich streng an den Vor-
gaben des Bundesverfassungsgerichtes und seines
Volkszählungsurteils vom Dezember 1983. Erstens. Dies
beginnt schon damit, dass das Bundesverfassungsgericht
im Volkszählungsurteil vom Gesetzgeber forderte, dass
wir uns vor einer künftigen Volkszählung mit dem jewei-
ligen Stand der statistischen Methodendiskussion ausei-
nandersetzen. Dies wurde gemacht und aus dieser Dis-
kussion wurde die nun vorliegende Methode des
registergestützten Zensus entwickelt.
Zweitens. Wir haben im Gesetz auch ganz klar unter-
schieden zwischen Erhebungsmerkmalen, die dauerhaft
für die statistische Auswertung zur Verfügung stehen
werden, und Hilfsmerkmalen, die nur für die Durchfüh-
rung des Zensus genutzt werden dürfen und anschlie-
ßend gelöscht werden müssen. Darunter sind Hilfsmerk-
male wie „Adresse“, die eigentlich für die Kommunen
als richtige Erhebungsmerkmale außerordentlich wichtig
gewesen wären. Dem steht jedoch das Urteil des Bun-
desverfassungsgerichtes entgegen. Denn unsere Vorgabe
heißt, dass die Daten frühzeitig zu anonymisieren sind
und dass Vorkehrungen gegen eine Wiederherstellung
des Personenbezugs getroffen werden.
Drittens. Wie vom Bundesverfassungsgericht gefor-
dert, wird es auch keinen Rückfluss der Daten in die
Melderegister geben. Dies wäre ein Verstoß gegen das
allgemeine Persönlichkeitsrecht.
Viertens. Auch beim Thema Religionszugehörigkeit
orientieren wir uns eng am Volkszählungsurteil. Bei Mit-
gliedern einer Religionsgemeinschaft, die Körperschaft
des öffentlichen Rechts ist, dürfen wir demnach diese
Frage für eine gesetzlich angeordnete statistische Erhe-
bung stellen. Das betrifft etwa die katholische oder die
evangelische Kirche. Da es verfassungsrechtlich sehr
umstritten ist, ob man dies auch bei Religionsgemein-
schaften darf, die keine Körperschaft des öffentlichen
Rechtes sind, werden diese Angaben freiwillig sein.
Deutschland braucht endlich wieder einen Zensus.
Schon im Jahr 2000 hätten wir aktuelle Daten eigentlich
dringend benötigt. Ich danke allen Beteiligten, dass wir
dies nun gemeinsam heute auf den Weg bringen.
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Maik Reichel (SPD): Nach 1981 in der DDR und
987 in der damaligen BRD wird im Jahre 2011 eine
olkszählung innerhalb der EU durchgeführt. In
eutschland wird es erstmals einen registergestützten
ensus geben, das heißt, nicht alle Bürgerinnen und Bür-
er werden persönlich befragt, nur durch eine Stichprobe
er aus verschiedenen Registern gewonnenen Daten
erden sie durch diesen Zensus persönlich berührt.
2007 haben wir durch das Zensusvorbereitungsgesetz
ereits parlamentarische Vorarbeit geleistet. Es ist für
und und Länder sowie die Kommunen ein wichtiges
nd notwendiges Gesetz, nicht nur, weil die festgestell-
en Zahlen Bemessungsgrundlage für die Bevölkerungs-
ortschreibungen darstellen, sondern auch, weil sie
rundlage für etwa 50 Rechtsvorschriften sind, unter an-
erem folgende: Verteilung der Länderstimmen im Bun-
esrat, Beteiligung der Länder am Aufkommen der
msatzsteuer, Verteilung der Lasten bei Sanktionsmaß-
ahmen der EU, Ergänzungsanteile an der Umsatzsteuer,
usgleichsmesszahl, horizontaler Ausgleich der Steuer-
innahmen, Einwohner-Gewichtung, Verteilung der Ein-
uhrumsatzsteuer, Verteilung der Mittel aus dem Fonds
eutsche Einheit, Einteilung der Wahlkreise, Erstattung
er Wahlkosten durch den Bund an die Länder, Größe
er Wahlbezirke, Stimmenzahl bei den Gemeindeunfall-
ersicherungsverbänden, Beiträge bei den Gemeindeun-
allversicherungsverbänden, Finanzhilfen für Investitio-
en in Pflegeeinrichtungen.
Der Bundesrat hat der Bundesregierung 47 Empfeh-
ungen zugesandt, von denen nur wenige die Akzeptanz
er Regierung fanden. Jedoch waren in zentralen Fragen
ie deutlichen Unterschiede zwischen Bund und Län-
ern zu spüren, was nicht nur die finanzielle Seite des
roßvorhabens betraf. Dies versuchten die beiden Ko-
litionsberichterstatter zu bereinigen, denn alle haben
in großes Interesse am ordnungsgemäßen und reibungs-
osen Ablauf des Zensus. In einem von den beiden
oalitionsberichterstattern beantragten Bund-Länder-
espräch konnten einige der – auch aus unserer Sicht er-
lärlichen – Forderungen der Länder besprochen wer-
en, um Eingang in das Gesetz zu finden. Diese
rgebnisse wurden durch das anschließende erweiterte
erichterstattergespräch mit den verschiedenen Gutach-
ern noch einmal bestätigt. An dieser Stelle möchte ich
ich bei meinen Mitberichterstattern der Oppositions-
raktionen entschuldigen, dass diese Änderungsanträge
rst sehr spät in den Innenausschuss gekommen sind.
ies war auch aufgrund der späteren finanziellen Eini-
ung nicht früher möglich. Es war aber notwendig, noch
olche Änderungen einzufügen, um eine Verzögerung
es Vorhabens nicht aufkommen zu lassen.
Die Änderungen betreffen (ich zitiere im Wesentli-
hen aus dem Änderungsantrag der Koalition):
§ 1 Abs. 2, Sonderbereiche
Mit der Änderung werden Personen miterfasst, die
war an der Anschrift, aber nicht im Sonderbereich woh-
en. Eine weitere Änderung nimmt Erhebungen zur Be-
ertung der Qualität der Zensusergebnisse als Nr. 8 in
en Katalog des Abs. 2 auf.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 218. Sitzung. Berlin, Freitag, den 24. April 2009 23829
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§ 2 Abs. 3
„Erhebungseinheiten der Gebäude- und Wohnungs-
zählung sind Gebäude mit Wohnraum, bewohnte Unter-
künfte und Wohnungen. Ausgenommen sind Gebäude,
Unterkünfte und Wohnungen, die von ausländischen
Staaten oder Angehörigen ausländischer Streitkräfte, di-
plomatischer oder berufskonsularischer Vertretungen ge-
nutzt werden und auf Grund internationaler Vereinbarun-
gen unverletzlich sind.“
Mit der Neufassung wird einem Vorschlag des Bun-
desrates entsprochen. Die vom Bundesrat vorgeschla-
gene Aufteilung des Satzes in zwei Sätze dient der Klar-
stellung.
Abs. 5 Satz 5
„Anschriften, unter denen Personen auf Grund der
Meldepflichten für Personen in Krankenhäusern, Hei-
men und ähnlichen Einrichtungen gemeldet sind, werden
den Sonderbereichen zugeordnet.“
Nach dem Konzept, das dem Gesetzentwurf zugrunde
liegt, sind diejenigen Beherbergungsbetriebe, die nach
melderechtlichen Vorschriften als Haupt- oder Neben-
wohnsitz benannt sind, bereits regulär über die Register-
datennutzung erfasst, sodass ihre Zuordnung zu den
Sonderbereichen nicht erforderlich ist. Auch für An-
schriften, unter denen Binnenschiffer und Seeleute auf-
grund spezieller Meldepflichten gemeldet sind, ist eine
Zuordnung zu den Sonderbereichen nicht erforderlich.
Abs. 6 Satz 1
„Soweit Erhebungen auf Kreise, Gemeindeverbände
unterhalb der Kreisebene und Gemeinden sowie Teile
von Städten Bezug nehmen, werden der Gebietsstand
und die in § 5 des Bevölkerungsstatistikgesetzes gere-
gelte Bevölkerungsfortschreibung mit Stand vom
31. Dezember 2009 zugrunde gelegt.“
Durch die Erweiterung auf Gemeindeverbände unter-
halb der Kreisebene sowie auf Teile von Städten können
regional differenzierte Informationen auch für Gebiete
mit überwiegend kleinen Gemeinden und für Teile von
Großstädten gewonnen werden.
Die fehlerhafte Verweisung im Regierungsentwurf
auf § 5 des Bundesstatistikgesetzes wird durch die rich-
tige Verweisung auf § 5 des Bevölkerungsstatistikgeset-
zes ersetzt.
§ 3 Abs. 1, Rechtliche Zugehörigkeit zu einer öffent-
lich-rechtlichen Religionsgesellschaft
Die Erhebung der rechtlichen Zugehörigkeit zu einer
öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaft ermöglicht
es Bund, Ländern und Gemeinden, in Verbindung mit
demografischen und sozialen Tatbeständen wichtige zu-
sätzliche Informationen über die Zusammensetzung der
Gesamtbevölkerung zu erhalten.
§ 7 Abs. 1, Satz 2
In Nr. 1 werden nach dem Wort „Einwohnern“ die
Wörter „sowie in Städten mit mindestens 400 000 Ein-
wohnern für Teile der Stadt mit durchschnittlich etwa
200 000 Einwohnern“ eingefügt.
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In Nr. 2 werden die Wörter „sowie für alle Kreise“
urch die Wörter „in allen Kreisen sowie in Städten mit
indestens 400 000 Einwohnern für Teile der Stadt mit
urchschnittlich etwa 200 000 Einwohnern“ und die
örter „des betreffenden Kreises“ durch die Wörter
der betreffenden Gebietseinheit; als Gemeinden im
inne dieser Vorschrift gelten auch die Verbandsgemein-
en in Rheinland-Pfalz“ ersetzt. Durch die Erweiterung
uf Teile von Großstädten sowie auf Verbandsgemein-
en in Rheinland-Pfalz können regional differenzierte
nformationen auch für Teile von Großstädten und für
ebiete mit überwiegend kleinen Gemeinden gewonnen
erden.
Satz 3
„Die Feststellung umfasst nicht die Berichtigung der
us den Melderegistern übernommenen Angaben zum
ohnungsstatus der Person.“ Die Änderung dient der
larstellung und der Einheitlichkeit der Formulierung
insichtlich des Wohnungsstatus.
Abs. 2
Die Erhöhung des vorgegebenen Stichprobenumfangs
on 8 auf 10 Prozent berücksichtigt die Erweiterung der
aushaltsstichprobe auf Gemeindeverbände unterhalb
er Kreisebene sowie auf Teile von Städten. Es ist eine
olgeänderung zur Änderung in Abs. 1.
Satz 2
„Die Bundesregierung legt zur Erreichung der Ziele
es § 1 Absatz 3 und der Qualitätsvorgaben des § 7 Ab-
atz 1 durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des
undesrates das Stichprobenverfahren sowie den kon-
reten Stichprobenumfang fest. Der Entwurf dieser
echtsverordnung ist dem Bundesrat bis zum 15. März
010 zuzuleiten.“ Die Festlegung eines einheitlichen
tichprobendesigns aufgrund des vom Statistischen
undesamt in Auftrag gegebenen wissenschaftlichen
orschungsprojekts wird in die Rechtsverordnung der
undesregierung einbezogen.
Abs. 3 Satz 2
„Beziehen sich Anschriften auf Neuzugänge mit
ohnraum, die in dem Zeitraum zwischen der Stichpro-
enziehung und dem Berichtszeitpunkt in das Anschrif-
en- und Gebäuderegister aufgenommen worden sind, ist
ine ergänzende Stichprobe zu ziehen.“
Die Änderung dient der Klarstellung, dass nicht nur
rstmals bezogene Neubauten, sondern alle Neuzugänge
it Wohnraum in die ergänzende Stichprobe aufgenom-
en werden.
Im Satz 7 werden folgende Wörter angefügt: „sowie
n Städten mit mindestens 400 000 Einwohnern auf der
bene von Teilen der Stadt mit durchschnittlich etwa
00 000 Einwohnern; als Gemeinden im Sinne dieser
orschrift gelten auch die Verbandsgemeinden in Rhein-
and-Pfalz“.
Durch die Erweiterung auf Gemeindeverbände unter-
alb der Kreisebene sowie auf Teile von Städten können
egional differenzierte Informationen auch für Gebiete
23830 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 218. Sitzung. Berlin, Freitag, den 24. April 2009
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mit überwiegend kleinen Gemeinden und für Teile von
Großstädten gewonnen werden.
Nr. 7
Die EU-Zensusverordnung sieht nicht nur die Erhe-
bung des früheren Wohnsitzes im Ausland, sondern auch
des Jahres der Ankunft im Inland vor, weshalb Angaben
zum Zuzugsjahr aufgenommen werden. Diese Angaben
sowie Angaben zum Herkunftsland der Eltern liefern
Daten zur Migration und können im Zusammenhang mit
den anderen für den Zensus erhobenen Daten zu weite-
ren Erkenntnissen im Hinblick auf Migration und Inte-
gration führen. Das Datum 1955 ist an die „Vereinba-
rung über die Anwerbung und Vermittlung von
italienischen Arbeitskräften nach der Bundesrepublik
Deutschland“ vom 20. Dezember 1955 ausgerichtet.
Durch Verknüpfung mit den anderen Daten des Zensus
lässt sich ein zeitlich besserer Überblick über Migranten
in der Bundesrepublik Deutschland verschaffen.
Folgende Nrn. 18 und 19 werden angefügt:
„18. rechtliche Zugehörigkeit zu einer öffentlich-
rechtlichen Religionsgesellschaft,
19. Bekenntnis zu einer Religion, Glaubensrichtung
oder Weltanschauung (sunnitischer Islam, schiitischer
Islam, alevitischer Islam, Buddhismus, Hinduismus und
sonstige Religionen, Glaubensrichtungen oder Weltan-
schauungen).“
Während die Erhebungen unter § 3 Abs. 1 Nr. 27 und
§ 7 Abs. 4 Nr. 18 im Wesentlichen die christlichen Kir-
chen, die als öffentlich-rechtliche Körperschaften aner-
kannt sind, erfassen, ermöglicht dieses Erhebungsmerk-
mal die Erhebung von Daten zu sonstigen christlichen
Glaubensgemeinschaften, insbesondere aber auch zu is-
lamischen Glaubensrichtungen und anderen Weltreligio-
nen. Die – wenn auch freiwillige – Erhebung ist wichtig
für das Verständnis von Prozessen der Integration von
Zuwanderern und ihrer Kinder.
§ 8 Abs. 4 neu
„In sensiblen Sonderbereichen werden bei der Ge-
bäude- und Wohnungszählung nur die Erhebungsmerk-
male nach § 6 Absatz 2 und als Hilfsmerkmale die Fami-
liennamen, die Vornamen, die Anschriften und die
Telekommunikationsnummern der Auskunftspflichtigen
erhoben.“
Auch bei der Gebäude- und Wohnungszählung in sen-
siblen Sonderbereichen sind Hilfsmerkmale der Aus-
kunftspflichtigen notwendig, um Nachfragen stellen zu
können.
§ 12 Satz 4
„Der Referenzdatenbestand ist im Zusammenwirken
mit den statistischen Ämtern der Länder zu nutzen, um
Erhebungs- und Hilfsmerkmale erhebungsteilübergrei-
fend durch automatisierten Abgleich auf ihre Schlüssig-
keit und Vollständigkeit zu prüfen; die Fachkonzepte
sind abzustimmen.“
Weitere Änderungen will ich aufgrund der Kürze nur
streifen. Der Regierungsentwurf sah 1:1 die Übernahme
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er Vorgaben der EU vor. Wir haben in den Beratungen
och zwei weitere Merkmale aufgenommen bzw.
eitlich erweitert. Dies betrifft zum einen die Religions-
ugehörigkeit und zum anderen die Migration. Die Zen-
uskommission hatte insgesamt zehn Merkmale vorge-
chlagen.
Die Koalition hat sich darauf verständigt, dass das
erkmal der Religionszugehörigkeit Bestandteil des
ragenkataloges bleibt; hier wurde den vielfach vorge-
rachten Wünschen diverser Religionsgemeinschaften
echnung getragen. Verpflichtend abgefragt wird aller-
ings nur die Zugehörigkeit zu anerkannten Religionsge-
einschaften; die Auskunft über andere Religionen kann
reiwillig erfolgen.
Die Erfassung des Merkmals des Migrationshinter-
rundes, also die Frage nach einem früheren Wohnsitz
es Befragten oder seiner Eltern außerhalb des Bundes-
ebietes, wurde auf den Stichtag 31. Dezember 1955
orgezogen, um die mit der Anwerbung sogenannter
astarbeiter seit Mitte der 1950er-Jahre einsetzende Ein-
anderung erfassen zu können.
Zwei Bemerkungen möchte ich zu den Merkmalen,
peziell zur Religionszugehörigkeit machen. Erstens.
ach dem Zensus 2011 sollte noch einmal detailliert
usgewertet werden, ob die Frage der Religionszugehö-
igkeit ein notwendiges Merkmal bei weiteren Volkszäh-
ungen bleiben sollte. Hier ist also die Frage nach dem
utzen zu stellen. Zweitens. Zum anderen ist laut
rundgesetz Religion Privatsache. Da eine Verweige-
ung der Angabe von verpflichtenden Teilen des Fragen-
ataloges ein Bußgeld nach sich ziehen kann, möchte ich
erade in dem Fall der Religion die dafür zuständigen
änder bitten, mit vorsichtiger Hand umzugehen, wenn
ürgerinnen und Bürger keine Angabe machen wollen.
as Bußgeld sollte nicht als Strafandrohungshammer
enutzt werden, auch nicht hinterher.
Der Bundesrat hat beantragt, in Art. 1 § 13 Abs. 3
atz 2 zu streichen. Hierbei geht es um die Speicherung
er Ordnungsnummern. Die im Gesetzentwurf vorgese-
ene Regelung führt dazu, dass nach Löschung der Ord-
ungsnummern ein Großteil der Zensusergebnisse nach
er Aufbereitung vernichtet wird. Es sind dann keine
uswertungen zu Haushalten, zur Wohnsituation der Be-
ölkerung oder zur Gebäudestruktur mehr möglich. Das
st nicht im Interesse aller Nutzer der Zensusergebnisse.
iner Änderung des Gesetzentwurfs bedarf es zum jetzi-
en Zeitpunkt jedoch nicht. Gelöst werden kann diese
roblemstellung dadurch, dass im Rahmen einer nächs-
en Änderung des Zensusgesetzes analog der Vorschrift
n § 15 Abs. 3 des Volkszählungsgesetzes 1987 eine
ergleichbare Regelung vorgesehen wird, um sicherzu-
tellen, dass Auswertungen der Zensusergebnisse später
mmer noch möglich sind. Diese Forderung sollte auf
hre datenschutzrechtlichen und erfassungsrechtlichen
rundlagen geprüft werden, inwieweit hier eine Mög-
ichkeit besteht.
Nach Schätzungen wird der Zensus circa 670 Millio-
en Euro kosten, womöglich noch mehr. Der Bund betei-
igt sich mit einer Festfinanzierung in Höhe von
50 Millionen an diesem Gemeinschaftsprojekt.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 218. Sitzung. Berlin, Freitag, den 24. April 2009 23831
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Ein weiterer Punkt ist mir noch wichtig: Das Gesetz
sieht vor, dass die Länder bei der Erhebung in bestimm-
ten Fällen abweichen können. Dies darf aber nicht zu ei-
ner rechtlichen Anfechtung des Zensus führen. Ich hoffe
auf ein gemeinsames Vorgehen von Bund und Ländern
in dieser Angelegenheit. Der gefundene Kompromiss zu
diesem Gesetz sollte dabei Grundlage sein. Ich werde
den weiteren Verlauf mit Interesse und unterstützender
Hilfe immer begleiten
Ich danke an dieser Stelle meiner Kollegin Kristina
Köhler für die äußerst konstruktive und zielführende Zu-
sammenarbeit sowie allen Beteiligten von Bund und
Ländern, dass dieser Kompromiss – auch wenn er nicht
alle Wünsche erfüllen konnte – zustande kam.
Gisela Piltz (FDP): Manchmal geht Gesetzgebung ja
ganz schnell: am Montag eine Anhörung und heute
schon die abschließende Lesung, am Mittwoch Aus-
schussberatung, bei der als Tischvorlage die 13 Seiten
mit Änderungsanträgen verteilt wurden. Das Verfahren
spottet jedem geordneten Gesetzgebungsverfahren. Der
Deutsche Bundestag wird von der sogenannten Großen
Koalition als Abnickgremium verstanden. Wenn vor der
Anhörung der Experten im Ausschuss bereits eine Eini-
gung im Hinterzimmer der sogenannten Großen Koali-
tion erzielt wurde, ist das nicht nur eine Düpierung des
Parlaments, sondern auch eine Beleidigung der gelade-
nen Sachverständigen.
In der Ausschussberatung wurde die Tischvorlage
zwar zu Beginn der Sitzung verteilt, aber dann noch zu-
rückgestellt, weil noch eine Rückmeldung eines Bundes-
lands ausstand. Bis dahin war ich der Meinung, dass wir
hier im Bundestag verhandeln, aber offensichtlich ver-
wechselt die sogenannte Große Koalition Bundestag und
Bundesrat. Das Grundgesetz sieht nämlich, das möchte
ich den Kolleginnen und Kollegen von Union und SPD
noch einmal kurz darlegen, ein recht klares Verfahren
dafür vor, wann und an welcher Stelle und nach wel-
chem Verfahren die Länder an der Gesetzgebung betei-
ligt werden. Von Hinterzimmerkungelei habe ich jeden-
falls im Grundgesetz bislang nichts gelesen. Wenigstens
haben sich die Kolleginnen und Kollegen von CDU/
CSU und SPD dafür entschuldigt.
Dass diese Debatte heute stattfindet, haben Union und
SPD mit ihrer Mehrheit gegen den Protest der FDP-
Fraktion beschlossen. Die FDP-Fraktion hat gegen die-
ses undemokratische Hauruckverfahren protestiert,
musste dann aber erfahren, dass sich die sogenannte
Große Koalition nicht einmal zu schade ist, die Opposi-
tion zu nötigen. Union und SPD drohten damit, der Auf-
setzung von Anträgen der FDP-Fraktion, die sogar ohne
Debatte in dieser Woche auf die Tagesordnung gesetzt
werden sollten, mit ihrer Mehrheit einen Riegel vorzu-
schieben, wenn die FDP-Fraktion ihren Widerstand nicht
aufgeben würde. Ein solcher Umgang mit parlamentari-
schen Rechten und Verfahren ist unerträglich.
Inhaltlich hat diese ganze Nacht-und-Nebel-Aktion
dem Gesetz im Übrigen nicht wirklich geholfen. Der
entscheidende Punkt ist nach wie vor ungeregelt: Auch
weiterhin kann in jedem Bundesland das Verfahren an-
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ers gestaltet werden. Die Folge sind Ergebnisse, deren
ergleichbarkeit infrage steht, Ergebnisse, die ja nicht
ur einfach mal so interessant und zum Nachschlagen
ind, sondern Ergebnisse, aufgrund derer sich Bundes-
atssitze bestimmen, aufgrund derer der Finanzausgleich
tattfindet, aufgrund derer sich entscheidet, ob eine Stadt
ls Großstadt gilt oder nicht und dann zum Beispiel ei-
en Oberbürgermeister hat oder nicht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition,
ei einem Projekt, das jeden Bürger betrifft und das
70 Millionen Euro kostet, sind solche Ungenauigkeiten
infach grob fahrlässig. Eine Volkszählung durchzufüh-
en, deren Ergebnisse nicht verlässlich sind, ist aber
icht nur unsinnig, sondern vor allem sehr gefährlich.
enn wenn die Ergebnisse am Ende keinen Pfifferling
ert sind, heißt es im schlimmsten Fall: noch einmal von
orne. Dem kann die FDP-Fraktion nicht zustimmen.
Dabei möchte ich noch einmal ausdrücklich betonen,
ass die FDP-Bundestagsfraktion erstens generell eine
olkszählung für notwendig hält, zweitens großen Wert
uf die Einhaltung der europäischen Verpflichtungen
egt und drittens den Ansatz eines registergestützten
ensus grundsätzlich begrüßt und unterstützt. Mit einem
ernünftig durchgeführten Zensus wird die notwendige
rhebung valider Daten für statistische Zwecke, die un-
rlässliche Grundlage für staatliches Handeln sind, er-
öglicht. Ein registergestützter Zensus bietet dabei die
hance, die für die Funktionsfähigkeit des Staates erfor-
erliche Datenerhebung mit dem grundrechtlich garan-
ierten Schutz personenbezogener Daten in Einklang zu
ringen.
Insbesondere unterstützt die FDP-Bundestagsfrak-
ion die Beschränkung auf wenige Merkmale und Regis-
er, um so dem Volkszählungsurteil von 1983 Rechnung
u tragen. Ob die Aufnahme des Merkmals Religion in
er von Union und SPD geforderten und beschlossenen
assung als teils verpflichtendes, teils freiwilliges Merk-
al dem entspricht, wird sich zeigen. Die mögliche Buß-
eldbewehrung ist im Hinblick auf die Achtung der
egativen Bekenntnisfreiheit verfassungsrechtlich frag-
ürdig. An diesem Punkt zeigt sich überdeutlich, dass es
lug gewesen wäre, die Ergebnisse der Sachverständi-
enanhörung gründlich zu würdigen. Nur in einem ge-
rdneten Verfahren können vernünftige Lösungen gefun-
en werden, die verfassungsrechtliche Grenzen wahren
nd die verschiedenen berechtigten Interessen in Ein-
lang bringen.
Die FDP-Bundestagsfraktion begrüßt auch, dass nun-
ehr Konsens besteht, dass das Stichprobendesign die
egitimen Interessen der Kommunen an Daten aus dem
ensus besser berücksichtigt. Auch begrüßt die FDP-
raktion, dass die Gemeindeverbände nunmehr berück-
ichtigt werden, ebenso wie die Stadtteile in großen
tädten.
Die Regelung für die Erhebung in Sonderbereichen
rifft nach wie vor auf datenschutzrechtliche Bedenken,
a entgegen dem Volkszählungsurteil nicht nur zahlen-
äßig, sondern personalisiert erhoben wird, wer auch in
ensiblen Sonderbereichen gemeldet ist. Dadurch blei-
en Betroffene dauerhaft mit einem „Makel“ behaftet,
23832 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 218. Sitzung. Berlin, Freitag, den 24. April 2009
(A) )
(B) )
der diskriminierende Wirkungen haben kann. Darin liegt
eine Missachtung des Volkszählungsurteils, die auch
nicht lapidar mit „statistischen Notwendigkeiten“ be-
gründet weggeredet werden kann.
In meiner Rede zur ersten Lesung habe ich damit ge-
schlossen, dass die FDP-Bundestagsfraktion „den Bera-
tungen mit der Hoffnung entgegensieht, dass die berech-
tigten Kritikpunkte des Bundesrats hier im Hause Gehör
finden werden und am Ende ein notwendiges Vorhaben
mit einem vernünftigen Gesetz auf den Weg gebracht
werden kann“. Diese Hoffnung hat sich nicht erfüllt. Im
Gegenteil: Sie wurde enttäuscht. Die FDP-Bundestags-
fraktion kann daher dem vorgelegten Gesetz nicht zu-
stimmen.
Petra Pau (DIE LINKE): Unsere Bedenken wurden
vermehrt, deshalb Nein zum Zensus.
Erstens. Wir beraten heute abschließend, was vor fünf
Wochen schon einmal im Plenum debattiert wurde: ein
Gesetz zur Anordnung des Zensus 2011. Für jene, denen
die schlichte Sprache des Bundestages wie ein Brief mit
sieben Siegeln erscheint, so viel: Es sollen Daten erho-
ben werden für künftige Bewertungen und Planungen,
nicht so massiv und nicht so direkt wie bei einer allge-
meinen Volkszählung, aber immerhin Daten.
Zweitens. In der Auftaktdebatte hatte ich gesagt:
„Aber auch eine kleine Volkszählung will bürgerrecht-
lich begründet sein. Oder anders gesagt: Der erwartete
Nutzen für die Bürgerinnen und Bürger muss erkenntlich
weit größer sein als das befürchtete Risiko für ihre ver-
brieften Rechte. Und genau da bestehen unausgeräumte
Zweifel.“ So weit meine Einschätzung am 19. März.
Drittens. Heute stehen wir also vor der Frage, ob
diese Zweifel ausgeräumt wurden und ob die Relation
zwischen Datenerfassung und Persönlichkeitsrechten
vertretbar ist. Nach unserem Ermessen ist die Antwort
Nein. Demzufolge wird die Fraktion Die Linke das
„Zensus 2011“-Gesetz auch ablehnen. Wir bleiben statt-
dessen bei unserer Forderung nach einem Moratorium
für alle datenschutzrechtlichen Großvorhaben.
Viertens. Ein persönlicher Gedanke: Erfasst werden
soll auch die Religionszugehörigkeit der Bürgerinnen
und Bürger. Das entspricht zwar nicht der EU-Empfeh-
lung. Aber die Kirchen haben darauf gedrängt und die
CDU/CSU hat dafür gekämpft. Ich hingegen frage sie:
Angenommen, ich wäre religiös. Dann ginge das mich
etwas an und Gott, sonst niemanden, schon gar nicht den
Staat und erst recht nicht per Gesetz.
Fünftens. Es gab eine Expertenanhörung. Aus der
Fülle der Bedenken möchte ich nur eine Mahnung auf-
greifen. Sie lautete: Die Planungssicherheit wird nach
dem Zensus mitnichten so gut sein wie angenommen.
Dafür werden die Zensuskosten weit höher liegen als
ausgewiesen. Die Kosten aber betreffen vor allem die
Länder. Und dabei geht es immerhin um 500 Millionen
Euro und mehr. Für bessere Bildung wären die klüger
angelegt.
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Sechstens. Die Liste dieser Fragwürdigkeiten ließe
ich fortsetzen. Sie betreffen Inhalte des Zensus 2011,
ie betreffen das Verfahren der Erfassung und sie betref-
en den Schutz der erhobenen Daten vor Missbrauch.
eshalb abschließend meine Bewertung: Ein besseres
esetz wäre möglich gewesen. Die Regierungsfraktio-
en haben es verhindert. Die Linke war offen. Nun aber
wingen sie uns zum Nein.
Silke Stokar von Neuforn (BÜNDNIS 90/DIE
RÜNEN): Wieder einmal hat es die Bundesregierung
icht geschafft, aus einer EU-Richtlinie ein vernünftiges
nd tragfähiges nationales Gesetz zu machen. Schon die
rste Zusage, beim sensiblen Thema Zensus gibt es eine
:1-Umsetzung des EU-Rechtes, wird nicht eingehalten.
as wäre nicht so schlimm, wenn Ihre Änderungen denn
atsächlich zu einer Verbesserung des Gesetzes geführt
ätten. Dies ist nicht der Fall. Sie halten die Vorgaben
es Volkszählungsurteils von 1983 nicht ein. Sie waren
icht in der Lage, in den Verhandlungen mit den Län-
ern sicherzustellen, dass es ein bundeseinheitliches sta-
istisches Erhebungsverfahren gibt, und Sie führen im
igrationsbereich Merkmale ein, die diskriminierend
ind. Warum wollen wir von eingebürgerten Deutschen
issen, woher die Eltern stammen?
Wir haben es begrüßt, dass beim Zensus 2011 weitge-
end auf vorhandene Daten zurückgegriffen werden soll.
ber auch hier haben Sie in nächtlichen Änderungsan-
rägen kurzfristig noch eingegriffen. So soll die direkte
efragung der Bevölkerung von vormals 8 Prozent auf
0 Prozent erhöht werden. Eine vernünftige Begründung
iefern Sie nicht. Besonders gravierend ist, dass Sie bei
er Erhebung besonders sensibler Daten in Sonderberei-
hen sich nicht an die Vorgaben des Volkszählungsurteils
alten. Hier gehen Sie das Risiko der Verfassungswid-
igkeit ein, das ist eine Steilvorlage für eine Verfassungs-
lage. Bei dem Anschriften- und Gebäuderegister lassen
ie die Zweckentfremdung der Daten zu, auch dies kön-
en wir nicht hinnehmen. Gerade beim Zensus müssen
er Grundsatz der schnellstmöglichen und strikten Ano-
ymisierung und die enge Zweckbindung durchgehend
ültigkeit haben. Das ursprünglich für den Zensus 2011
ufgebaute Anschriften- und Gebäuderegister soll für
ine zensusunabhängige „umwelt- und wohnungsstatisti-
che Stichprobenerhebung“ genutzt werden. Der daten-
chutzrechtliche Grundsatz der Zweckbindung wird hier
icht gewahrt. Doch gerade bei einer so umfassenden
rhebung muss dieser unbedingt beachtet werden.
Auch bei der Erhebung personenbezogener Daten in
en Sonderbereichen wird das Persönlichkeitsrecht der
etroffenen nicht beachtet. Das Bundesverfassungsge-
icht schützt dieses ausdrücklich. In sensiblen Sonderbe-
eichen sollen nur anonymisierte Erhebungen stattfin-
en, um eine soziale Abstempelung zu vermeiden. Beim
ensus 2011 werden allerdings die personenbezogenen
aten der Bewohnerinnen und Bewohner dieser Berei-
he voll erkenntlich erhoben und zum Abgleich weiter-
eleitet. Ich möchte verdeutlichen, um welche Einrich-
en es sich handelt: Gemeinschafts-, Anstalts- und
otunterkünfte, Wohnheime und ähnliche Unterkünfte.
ies können also Justizvollzugsanstalten, psychiatri-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 218. Sitzung. Berlin, Freitag, den 24. April 2009 23833
(A) )
(B) )
sche Einrichtungen und Entzugskliniken sein. Der Bun-
desbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit
hat mehrmals auf diesen Missstand aufmerksam ge-
macht und wurde dennoch nicht in die weiteren Planun-
gen zum Zensus 2011 einbezogen, ganz zu schweigen
vom Verfahren, mit dem wir uns im Innenausschuss kon-
frontiert sahen. In der letzten Sitzung des Innenaus-
schusses wurden uns eilig umfassende Änderungsan-
träge vorgelegt, über die in gleicher Sitzung abgestimmt
wurde. Das Gesetz ist mit der heißen Nadel gestrickt, es
ist fehlerhaft und mangelhaft und kann unsere Zustim-
mung wahrlich nicht erhalten.
Die Regierung hat ihre Hausaufgaben mal wieder
nicht gemacht. Die Große Koalition will zum Schluss
noch möglichst viel fertig bekommen. Was Sie hier aller-
dings abliefern, das ist Murks. Bei solchen Ergebnissen
wäre liegen lassen besser gewesen, denn die Fehler müs-
sen dann nach der Wahl korrigiert werden. Die Bundes-
tagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen kann diesem Gesetz
nicht zustimmen. Die derzeitige Bundesregierung trägt
die Verantwortung dafür, wenn ein Zensus in Deutsch-
land erneut scheitert.
Anlage 9
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung:
– Antrag: Bundesausbildungsförderung an
die Studienrealität anpassen und Struktur-
reform vorbereiten
– Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des
Ausbildungsförderungsbedarfs
– Beschlussempfehlung und Bericht: Hoch-
schulen öffnen – BAföG ausweiten
(Tagesordnungspunkt 37 a bis c)
Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) (CDU/CSU): Wir
reden hier heute über BAföG, und ich möchte dies zum
Anlass nehmen, auf die erfolgreiche Hochschulpolitik
dieser Legislaturperiode hinzuweisen. Bundesministerin
Dr. Annette Schavan und der CDU/CSU-Bundestags-
fraktion ist es gelungen, die Bildungs- und Forschungs-
politik ins Zentrum der politischen Agenda zu rücken.
Als erste Regierungschefin überhaupt hat unsere Bun-
deskanzlerin Angela Merkel das Thema Bildung zur
Chefsache erklärt und auch entsprechend gehandelt.
Denn eines ist klar: Deutschlands wichtigster Rohstoff
sind der Ideenreichtum und die Kreativität seiner Bevöl-
kerung. Um dieses Potenzial auszuschöpfen, schafft die
Bundesregierung beste Arbeitsbedingungen nicht nur für
die Guten, sondern auch für die Besten.
Mit dem Konjunkturpaket stellen wir einerseits die
Weichen für eine gute Zukunft, für die Überwindung der
Krise. Durch Investitionen in Bildung und Forschung le-
gen wir gleichzeitig das Fundament für den nächsten
Aufschwung und für den langfristigen Erhalt des hart er-
arbeiteten Wohlstandes in unserem Land. Nie zuvor
wurde stärker in Bildung und Forschung investiert. Zwei
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rittel aller Investitionen in die Infrastruktur kommen
itas, Schulen und Hochschulen zugute. In jeder Krise
teckt auch eine Chance. Diese wollen wir ergreifen. In
ildung und Forschung ist das Geld gut angelegt.
Ganz in diesem Sinne zeigen die Exzellenzinitiative
er Bundesregierung und der Pakt für Forschung und In-
ovation bereits Wirkung. Unser Ziel ist die „Wissensge-
ellschaft Deutschland“. Erreichen können wir es jedoch
ur mithilfe der Menschen – das Land der Ideen braucht
ngenieure, Mathematiker und Naturwissenschaftler. Wir
aben deswegen eine Nationale Qualifizierungsinitiative
onzipiert, die auf allen Stufen – Schulbildung, Ausbil-
ung und Übergang in den Arbeitsmarkt – neue Impulse
etzt. Als gemeinsame Anstrengung von Bund, Ländern,
nternehmen und Verbänden wird sie individuelle
hancen erhöhen und das Angebot an Fachkräften si-
herstellen.
Einige Beispiele unserer Erfolgsbilanz: Die Hoch-
chulen in Deutschland stehen vor großen Herausforde-
ungen. Die Zahl der Studienberechtigten wird sich vo-
aussichtlich in den nächsten Jahren deutlich erhöhen.
m Hochschul- und Wissenschaftsbereich ist der Bund
ereits sehr engagiert. Insgesamt haben wir die Mittel
ür den Bereich des Ministeriums für Bildung und For-
chung in dieser Legislaturperiode von rund 8 Milliarden
uro in 2006 auf über 10 Milliarden Euro (Regierungs-
ntwurf) erhöht.
Um die Leistungsfähigkeit der Hochschulen zu si-
hern und die Hochschulen offenzuhalten für eine er-
öhte Zahl von Studienanfängern, haben Bund und Län-
er den Hochschulpakt geschlossen. Damit können die
ochschulen bis 2010 insgesamt 91 370 zusätzliche Stu-
ienanfänger gegenüber 2005 aufnehmen und erhalten in
er Forschung Unterstützung durch die Finanzierung
on Programmpauschalen (565 Millionen Euro). Nach
010 soll der Hochschulpakt fortgeschrieben werden.
nser Ziel ist ein Studienplatzangebot für 40 Prozent ei-
es Jahrgangs. Wir entlasten die Hochschulen im Be-
eich der Forschung mit einer Gemeinkosten-Finanzie-
ung aus DFG-Mitteln (700 Millionen Euro). Wir haben
twa 1,4 Milliarden Euro für die Exzellenzinitiative zur
erfügung gestellt und zuletzt die BAföG-Förderung er-
eblich erweitert. Mit dem Hochschulpakt 2020 wurden
ie richtigen Weichen für die Erhöhung der Anzahl der
ochschulabsolventen um 30 Prozent gestellt.
Nach den Ergebnissen des Statistischen Bundesamtes
aben im Studienjahr 2008 rund 385 500 Erstsemester
in Studium aufgenommen. Die Studienanfängerquote
iegt für das Studienjahr 2008 bei 39 Prozent. Sie er-
eicht damit einen neuen Höchststand. Der Arbeitsmarkt
erzeichnet einen steigenden Bedarf an Hochqualifi-
ierten, sowohl aus dem akademischen als auch dem
erufsbildenden Bereich. 2006 bestanden insgesamt
21 000 Menschen eine Hochschulprüfung. Das waren
0 Prozent mehr als 2001. Hinzu kamen rund
6 000 Personen, die ihre Fortbildungsprüfungen als
eister, Techniker und Fachwirte bestanden. Daraus er-
ab sich eine Hochqualifizierungsquote von rund
3 Prozent. Ziel muss sein, diese Quote weiter zu stei-
ern. Dabei kommt es nicht darauf an, auf welchem
23834 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 218. Sitzung. Berlin, Freitag, den 24. April 2009
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Wege dies erreicht wird (zum Beispiel Steigerung der
Abiturientenquote, Steigerung der Studienanfänger-
quote, Öffnung der Hochschulen für beruflich Qualifi-
zierte, Verbesserung der Bedingungen für berufsbeglei-
tende Studiengänge, Reduzierung der Abbrecherquoten,
Reduzierung der Durchfallquoten etc.). Der beste Weg
dorthin ist in einem transparenten Wettbewerb zwischen
den Ländern zu ermitteln, beispielsweise durch zentrale
Abschlussprüfungen an Schulen und Gymnasien. Im
Wintersemester 2008/2009 sind an den Hochschulen in
Deutschland insgesamt 2,01 Millionen Studierende ein-
geschrieben. Gegenüber dem Vorjahr entspricht dies ei-
ner Steigerung von knapp 4 Prozent. Damit wird erst-
mals seit dem Wintersemester 2003/2004 wieder die
Zwei-Millionen-Grenze überschritten. Die vorgelegten
Zahlen zeigen, dass die vielfältigen Reformen im Bil-
dungsbereich wirken.
Am 18. Juli 2005 einigten sich Bund und Länder über
die Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder zur
Förderung von Wissenschaft und Forschung an deut-
schen Hochschulen auf die Bereitstellung von zusätzli-
chen öffentlichen Mitteln für die projektbezogene Förde-
rung von Graduiertenschulen, Exzellenzclustern und
Zukunftskonzepten an deutschen Universitäten. Für die
Umsetzung des Gesamtprogramms waren von Beginn an
zwei Ausschreibungsrunden vorgesehen, die mit einem
Abstand von einem Jahr gestartet wurden. Insgesamt ste-
hen für die Exzellenzinitiative im Zeitraum 2006 bis
2011 Mittel in Höhe von 1,9 Milliarden Euro zur Verfü-
gung (Anteil: 75 Prozent Bund, 25 Prozent Land). Dabei
wird der Landesanteil vom jeweiligen Sitzland der Ex-
zellenzeinrichtung finanziert. 37 Hochschulen waren in
den ersten beiden Runden erfolgreich. Insgesamt wurden
39 Graduiertenschulen, 37 Exzellenzcluster und 9 Zu-
kunftskonzepte bewilligt. Kriterien für die Förderung
der Graduiertenschulen waren: Forschungs- und Qualifi-
zierungsumgebung, Exzellenz der beteiligten Wissen-
schaftler, interdisziplinärer Ansatz, internationale
Vernetzung, Kooperation mit außeruniversitären Ein-
richtungen.
Bereits ab 2010 wollen wir 3 Prozent des BIP in For-
schung und Entwicklung investieren. Hierzu sind wir auf
einem guten Weg. Ebenso wichtig sind uns Investitionen
in die Bildung. Leider ist der Anteil der Bildungsaus-
gaben am BIP zwischen 1995 und 2005 gesunken, von
6,9 auf 6,2 Prozent. Diesen Trend kehrten wir um. Seit
2005 haben wir die Begabtenförderung erheblich ausge-
weitet, 2007 das BAföG um 10 Prozent erhöht und den
Kreis der Empfänger um 100 000 Studierende erweitert.
2009 werden wir die Rahmenbedingungen für das
Meister-BAföG deutlich verbessern und zusätzliche Be-
rufsgruppen in die Förderung einbeziehen.
Deutschland soll es schaffen, ab 2010 3 Prozent des
BIP in Forschung und Entwicklung zu investieren. Des-
halb werden wir jährlich mehr als eine halbe Milliarden
Euro zusätzlich in Forschung und Entwicklung investie-
ren. Damit aus Forschungsergebnissen innovative Pro-
dukte und Dienstleistungen werden, machen wir eine In-
novationspolitik aus einem Guss. Das heißt Stärkung der
Grundlagenforschung, Projektförderung neuer Techno-
logien, wie Bio, Nano und Mikro, und Schaffung inno-
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ationsfreundlicher Rahmenbedingungen für die Märkte
er Zukunft. In Deutschland darf nicht länger einseitig
ur über Risiken, sondern muss auch wieder über Chan-
en neuer Technologien gesprochen werden.
Zur Integration von Auszubildenden mit Migrations-
intergrund wird die Förderungsberechtigung nach
AföG erleichtert. Ausländische Auszubildende mit
angfristiger Aufenthaltsberechtigung oder die schon
ange in Deutschland leben und eine dauerhafte Bleibe-
erspektive haben, erhalten BAföG auch ohne Anknüp-
ung an eine vorherige Mindesterwerbsdauer der Eltern
Eine breite Basis an gut ausgebildeten, engagierten
nd motivierten Technikern, Ingenieuren und Naturwis-
enschaftlern ist die Voraussetzung für unseren künfti-
en Wohlstand. Die gegenwärtigen Absolventenzahlen
eichen – trotz Steigerungsrate – nicht aus, den altersbe-
ingten Abgang zu decken. Besonders junge Frauen ent-
cheiden sich in Deutschland sehr selten für einen tech-
ischen Beruf. In Frankreich und Großbritannien sind es
eutlich mehr. Deshalb ist die Initiative „Mehr Frauen in
INT-Berufen“, in der sich die Bundesregierung und
ertreter aus Wirtschaft und Wissenschaft, Medien und
esellschaft verpflichtet haben, Frauen nachdrücklich
u fördern, sehr zu begrüßen. Schon in der Grundschule
ird die Basis für ein technisches Verständnis und Inte-
esse gelegt. Dies muss sich vermehrt in der Unterrichts-
estaltung widerspiegeln. Außerdem darf aus unserer
icht auf Mathematik als Abiturfach nicht verzichtet
erden.
Um die Grundlagen für ein technisches oder natur-
issenschaftliches Studium in den Schulen legen zu
önnen, brauchen wir gerade in diesem Bereich gut aus-
ebildete Lehrkräfte, die es schaffen, die Begeisterung
ür Technik und Naturwissenschaften in den jungen
enschen frühzeitig zu wecken. Dazu geeignete außer-
chulische Projekte wie zum Beispiel das Potsdamer
Exploratorium“ oder das Berliner „Spektrum“ müssen
taatlich gefördert werden.
Der diesjährige OECD-Bericht „Bildung auf einen
lick“ belegt eindrucksvoll den Bildungserfolg junger
rauen in Deutschland. Mit 55 Prozent stellen Frauen
ittlerweile die Mehrheit bei den Studienanfängern. In
er traditionell überwiegend von Männern gewählten
ächergruppe Mathematik und Informatik sind es im-
erhin schon 35 Prozent. In keinem anderen Land ist
ieser Anteil höher. Im internationalen Durchschnitt
iegt der Frauenanteil in dieser Fächergruppe bei ledig-
ich 24 Prozent. Diese erfreuliche Entwicklung wollen
ir weiter unterstützen. Hierzu soll insbesondere auch
as von Bundesbildungsministerin Dr. Annette Schavan
ufgelegte Professorinnenprogramm, für das das Bun-
esministerium für Bildung und Forschung und die Län-
er zusammen 150 Millionen Euro zur Verfügung stel-
en, einen Beitrag leisten, damit nicht nur viele Frauen
iese spannenden und für unsere Volkswirtschaft so
ichtigen Fächer studieren, sondern später dann auch
ehr Frauen eine Chance erhalten, in diesen Fächern zu
orschen und zu lehren.
Das Programm „Aufstiegsstipendien – Studium ohne
bitur“ ist ein wichtiger Baustein, um Jugendlichen die
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 218. Sitzung. Berlin, Freitag, den 24. April 2009 23835
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Aufnahme eines Studiums zu erleichtern. Es ergänzt die
vielen Instrumente, die in Deutschland für Studierende
zur Verfügung stehen. Neben dem BAföG, das nach der
Erhöhung in dieser Legislaturperiode von einem Drittel
der Studierenden in Anspruch genommen werden kann,
bis zu den Leistungsstipendien reicht die Palette.
Deutschland ist mit diesen staatlichen Angeboten sehr
vorbildlich. Nun können rund 1 000 sogenannte Auf-
stiegsstipendien vergeben werden. Damit werden beruf-
lich besonders Qualifizierte ohne klassisches Abitur bei
ihrem Studium unterstützt.
Der Ausbildungspakt und die vielfältigen Ausbildungs-
programme, die Bundesbildungsministerin Dr. Annette
Schavan aufgelegt hat, zeigen deutliche Erfolge. Die Er-
höhung des Ausbildungsplatzangebotes um 14 Prozent
ist ein Beleg dafür. Die Qualifizierungsinitiative und der
Ausbildungsbonus sind weitere Maßnahmen der Bun-
desregierung, die den Wirtschaftsstandort Deutschland
stärken, die Durchlässigkeit des Bildungssystems erhö-
hen und allen Jugendlichen die Chance eröffnen werden,
eine arbeitsmarktverwertbare Berufsausbildung zu be-
ginnen. Dennoch können die Ergebnisse des Nationalen
Bildungsberichtes keine Entwarnung für weitere Reform-
anstrengungen bedeuten. Während der Anteil der Bil-
dungsausgaben im Bundeshaushalt seit 2005 kontinuier-
lich steigt, ist die Situation in den Ländern sehr
unterschiedlich. Auch die Länder müssen ihrer Verant-
wortung in der Bildungspolitik nachkommen und mehr
finanzielle Mittel für Investitionen in Köpfe zur Verfü-
gung stellen. Talente fördern und Schwächen ausglei-
chen, das ist das Erfolgskonzept.
Deutschland verfügt im internationalen Vergleich
nicht nur in der Breite über einen sehr hohen Bildungs-
stand, sondern auch in der Spitze. Der Bundesbericht zur
Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchs belegt:
Nirgendwo gibt es mehr hochqualifizierte Frauen und
Männer als in Deutschland. Nirgendwo ist der Anteil der
Hochschulabsolventen mit Promotion höher als in
Deutschland. Nirgendwo ist der Anteil der Doktoren an
der jungen Bevölkerung höher als in Deutschland. So-
wohl bei den Männern als auch bei den Frauen ist der
Anteil der Doktoren etwa doppelt so hoch wie im EU-
Durchschnitt, in Frankreich oder den USA. Der hohe
Bildungsstand der jungen Menschen ist unser wichtigs-
ter Standortfaktor. Die Zahlen des Bundesberichts Wis-
senschaftlicher Nachwuchs bestätigen die Förderpolitik
der Bundesregierung. Dies gilt besonders für die Förde-
rung weiblicher Nachwuchskräfte, deren Anteil an den
Promotionen seit 1995 um ein Viertel auf inzwischen
etwa 40 Prozent gestiegen ist. Im Fach Medizin ist sogar
schon der Gleichstand erreicht.
Damit wir den internationalen Spitzenplatz behaupten
können, müssen wir die Rahmenbedingungen für den
wissenschaftlichen Nachwuchs weiter optimieren. Wich-
tigstes Anliegen ist dabei die Verbesserung der Karriere-
perspektiven für junge Wissenschaftler („Tenure
Track“), damit sie für sich bei uns eine Zukunft sehen
und wir auch langfristig von ihnen profitieren können.
Wir werden auch in Zukunft unseren Beitrag leisten,
dass Bund und Länder erfolgreich in der Bildungspolitik
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usammenarbeiten und ihre gesamtstaatliche Verantwor-
ung wahrnehmen.
Der Bund hat vieles auf den Weg gebracht und ist in
ielen Dingen besser aufgestellt als 2005. Der SPD-Bun-
estagsfraktion und den Linken fällt es offensichtlich
chwer, dies anzuerkennen. Offenbar können es einige
ildungs- und Forschungspolitiker nicht verwinden,
ass das von Dr. Annette Schavan (CDU) geführte Bun-
esministerium für Bildung und Forschung ein glänzen-
es Ergebnis der Arbeit der vergangenen Jahre vorwei-
en kann.
Vor diesem Hintergrund bleibt mir abschließend nur
estzustellen, dass der Antrag der Fraktion Die Linke auf
inem Zerrbild der tatsächlichen Verhältnisse fußt, in-
altlich daher in eine völlig falsche Richtung weist und
aher abzulehnen ist.
Carsten Müller (Braunschweig) (CDU/CSU): Wir
prechen heute über BAföG und ich möchte dies
unächst zum Anlass nehmen, auf die erfolgreiche
ochschulpolitik dieser Legislatur hinzuweisen. Bundes-
inisterin Dr. Annette Schavan und die CDU/CSU-Bun-
estagsfraktion haben die Bildungs- und Forschungs-
olitik ins Zentrum der politischen Agenda gerückt. Als
rste Regierungschefin überhaupt hat Bundeskanzlerin
r. Angela Merkel das Thema Bildung zur Chefsache
rklärt und entsprechend gehandelt.
Der wichtigste Rohstoff in Deutschland – es kann
icht oft genug betont werden – ist der Ideenreichtum
er Menschen, die hier leben. Um dieses Potenzial aus-
uschöpfen, schafft die Bundesregierung beste Bedin-
ungen für die Bildung. Mit dem zweiten Konjunktur-
aket wird neben der wirtschaftlichen Belebung vor
llem das Fundament für den nächsten Aufschwung ge-
egt. Nie zuvor wurde in Deutschland stärker in Bildung
nd Forschung investiert. Im Hochschul- und Wissen-
chaftsbereich ist der Bund bereits sehr engagiert. Insge-
amt haben wir die Mittel für den Bereich des Ministeriums
ür Bildung und Forschung in dieser Legislaturperiode
on rund 8 Milliarden Euro in 2006 auf über 10 Milliar-
en Euro erhöht. Das ist ein großer Erfolg!
Um die Leistungsfähigkeit der Hochschulen zu si-
hern und die Hochschulen offenzuhalten für eine er-
öhte Zahl von Studienanfängern, haben Bund und Län-
er den Hochschulpakt geschlossen. Damit können die
ochschulen bis 2010 insgesamt über 90 000 zusätzli-
he Studienanfänger gegenüber 2005 aufnehmen. Unser
iel ist ein Studienplatzangebot für 40 Prozent eines
ahrgangs. Wir haben die Hochschulen mit Programm-
auschalen von rund 550 Millionen Euro und mit einer
emeinkosten-Finanzierung von 700 Euro unterstützt.
ir haben etwa 1,4 Milliarden Euro für die Exzellenz-
itiative zur Verfügung gestellt und zuletzt die Berufsaus-
ildungsförderung erheblich erweitert. Der Arbeitsmarkt
erzeichnet einen steigenden Bedarf an Hochqualifizier-
en, sowohl aus dem akademischen als auch dem berufs-
ildenden Bereich.
Nach den Ergebnissen des Statistischen Bundesamtes
aben im Studienjahr 2008 rund 390 000 Erstsemester
23836 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 218. Sitzung. Berlin, Freitag, den 24. April 2009
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ein Studium aufgenommen. Die Studienanfängerquote
lag im Studienjahr 2008 bei 39 Prozent. Sie erreicht da-
mit einen neuen Höchststand. Insgesamt waren im letz-
ten Wintersemester 2,01 Millionen Studierende an Deut-
schen Hochschulen eingeschrieben – ein Zuwachs von
4 Prozent gegenüber dem Vorjahr. 2006 bestanden insge-
samt 221 000 Menschen eine Hochschulprüfung. Das
waren 30 Prozent mehr als 2001. Hinzu kamen rund
96 000 Personen, die ihre Fortbildungsprüfungen als
Meister, Techniker oder Fachwirte bestanden. Daraus er-
gab sich eine Hochqualifizierungsquote von rund 33 Pro-
zent. Wir wollen diese Quote weiter steigern! Die vorge-
legten Zahlen zeigen, dass die vielfältigen Reformen im
Bildungsbereich wirken!
Die von der Bundesregierung entfachte Aufbruch-
stimmung für eine bessere Bildungslandschaft scheint
die Linke allerdings für absurde Forderungen nutzen zu
wollen. Denn sie versucht mit vorliegendem Antrag zum
wiederholten Male ihre bekannten und nicht realisierba-
ren Vorstellungen von einer elternunabhängigen, aber
voll bedarfsdeckenden Zuschussförderung für alle Stu-
dierenden durchzusetzen. Dies ist jedoch nicht der Sinn
des BAföG. Bis zum Abschluss einer Berufsausbildung
gehört es zur Verantwortung der Eltern, für den Unter-
halt ihrer Kinder aufzukommen. Das BAföG springt ge-
wissermaßen als soziale Sicherung ein, wenn die Eltern
ihrer Unterhaltspflicht aus wirtschaftlichen Gründen
nicht nachkommen können. Nichts anderes ist der Sinn
dieser steuerfinanzierten Leistung des Staates! Sie stellt
Chancengleichheit im Ausbildungsbereich her!
Das BAföG folgt aber auch dem unterhaltsrechtlichen
Grundsatz der abnehmenden Finanzierungsverantwor-
tung bei gleichzeitig wachsender Eigenverantwortung
des Kindes mit zunehmendem Alter und Ausbildungs-
stand. Das BAföG dient der Ermöglichung einer nei-
gungsentsprechenden Erstausbildung für jeden. Entspre-
chend ist es ebenso sinnvoll, das Alter auf 30 Jahre zu
begrenzen. Wir wollen, dass junge Menschen schnell ih-
ren Weg auf den Arbeitsmarkt finden. Daher können und
wollen wir die studienzeitverlängernden Maßnahmen
der Linken nicht zulassen! Selbstverständlich ist zwi-
schen dem Interesse des Einzelnen an individuell be-
darfsgerechten Mitteln zur zügigen Durchführung der
Ausbildung und dem Interesse der Allgemeinheit an
sparsamer Verwendung von Steuermitteln abzuwägen.
Dabei ist anzumerken, dass die Leistungen für das
BAföG kontinuierlich gestiegen sind und mit 2,3 Mil-
liarden Euro eine gewaltige Größe erreicht haben! Et-
waige Anpassungen werden entsprechend der BAföG-
Berichte immer wieder vorgenommen.
Ebenso absurd wie die Forderungen der Linken ist die
Idee der Grünen, jedem Studierenden monatlich pau-
schal 200 Euro auszuzahlen. Der ganze Sinn des Sozial-
staates, soziale Ungerechtigkeiten auszugleichen, würde
dadurch ad absurdum geführt. Es kann nicht im Sinne
unserer Gesellschaft sein, wenn auch Kinder Besserver-
dienender den Lebensunterhalt im Studium aus Steuer-
mitteln finanziert bekämen. Wir kommen nicht um eine
bedarfsabhängige Regelung herum, wenn die Leistungen
des Sozialstaates wirklich mehr Gerechtigkeit bringen
sollen!
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Die Linke scheint mir geradezu eine Unterstützung
ür Hobby-Studenten anzustreben – ohne Bedarfsgerech-
igkeit, mit möglichst langer Studiendauer, ohne Erbrin-
ung von Leistungsnachweisen und ohne Altersbegren-
ung. Ich warte auf den Antrag mit dem Sie fordern, dass
ür die Auszahlung der Ausbildungsförderung gar keine
ufnahme einer Ausbildung erforderlich ist. So funktio-
iert unsere Gesellschaft leider nicht!
Jürgen Kucharczyk (SPD): Das BAföG bleibt das
entrale Instrument für junge Menschen, wenn es um
chte Chancengleichheit in der Bildung geht. Das haben
ir bei der großen BAföG-Reform 2002 gezeigt, das ha-
en wir Ende 2007 mit dem 22. Änderungsgesetz erneut
nter Beweis gestellt. Die zentralen Verbesserungen sind
em Haus bekannt. Kurzum: Mehr und ein besseres
AföG für mehr Studierende heißt schlicht mehr Zu-
unft für viele junge Menschen in Deutschland. Dies gilt
twa für den Kinderbetreuungszuschlag für Studierende
it Kindern, für die Verbesserung der Förderung von
tudierenden mit Migrationshintergrund oder für die
ögliche BAföG-Förderung im EU-Ausland bereits ab
em 1. Semester.
Von der eigentlichen Erhöhung der Bedarfssätze um
0 Prozent und der Freibeträge um 8 Prozent profitieren
m Sommersemester 2009 zum zweiten Mal weit über
00 000 Studierende. Rund 25 Prozent aller Studentin-
en und Studenten werden über das BAföG gefördert.
ir fördern damit mehr junge Leute, die damit in den
tand versetzt werden, materiell gesichert ein Studium
ufzunehmen. Ohne die Förderung – insbesondere durch
as BAföG – ginge uns in Deutschland das Begabungs-
otenzial junger Menschen aus allen sozialen Schichten
erloren. Das können wir uns nicht leisten, insbesondere
enn es um die Zukunft der Wirtschaftsstandorte
eutschland und Europa geht! Deshalb war und ist es
ichtig, dass wir die Bedarfssätze und die Freibeträge in
er 22. BAföG-Novelle erhöht haben. Als einzige Frak-
ion im Deutschen Bundestag hat sich Die Linke gewei-
ert, dieser Erhöhung zuzustimmen.
Wie sich die Wirkungen der anderen Maßnahmen ge-
talten – ich denke hier vor allem an die Vereinbarkeit
on Studium und Kindern –, wird der nächste BAföG-
ericht zeigen. Bei den Schlussfolgerungen können sich
ie Studierenden auf die SPD verlassen, die sich immer
n der Seite der Bildungsverbände und -organisationen
ür eine Weiterentwicklung des BAföG stark gemacht
at, dies auch weiterhin mit Herz und Verstand in An-
riff nehmen wird und auch den unbequemen Wahrhei-
en mit sachlichen Lösungen entgegentreten wird. Dazu
ehört auch das klare Bekenntnis der SPD gegen Stu-
iengebühren.
Auch die Verbesserungen beim Meister-BAföG kön-
en sich sehen lassen. Auf Initiative der SPD-Bundes-
agsfraktion wurde es im vergangenen Jahr novelliert
nd leistungsfähiger gemacht. Ich möchte aus Zeitgrün-
en nur auf einen zentralen Baustein aufmerksam ma-
hen, der mir als Familienpolitiker am Herzen liegt. Ab
uli 2009 wird es erhebliche Verbesserungen beispiels-
eise in der Frauen- und Familienförderung geben: Die
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 218. Sitzung. Berlin, Freitag, den 24. April 2009 23837
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Förderung von Alleinerziehenden, Frauen und Familien
wird durch mehrere Komponenten ausgebaut. So wird
der Kinderzuschlag beim Unterhaltsbeitrag von bisher
179 Euro auf 210 Euro angehoben und künftig zu
50 Prozent als Zuschuss ausbezahlt. Außerdem wird der
Kinderbetreuungszuschlag für Alleinerziehende pauscha-
lisiert und künftig in Höhe von 113 Euro monatlich pro
Kind ohne Kostennachweis bis zum 10. Geburtstag ge-
zahlt. Bei der Betreuung von Kindern mit Behinderun-
gen entfällt künftig diese Altersbegrenzung.
Mit der 22. BAföG- und mit der 2. Meister-BAföG-
Novelle haben wir eines gezeigt: Das ist gute Bildungs-
politik. Das ist sozial gerechte Bildungspolitik, die auch
zugleich gute Familienpolitik ist, weil sie die Realität in
Deutschland anerkennt.
An dieser Stelle möchte ich keinen Hehl daraus ma-
chen, dass für mich genau hier der Irrweg der uns heute
vorliegenden Anträge und des Gesetzentwurfs der Lin-
ken liegt. Die überwiegende Zahl der Forderungen geht
einfach an der Lebenswirklichkeit in unserem Land vor-
bei. Unter anderem mein Fraktionskollege Ernst-Dieter
Rossmann hat sich in den ersten Lesungen hinlänglich
mit ihren Vorschlägen auseinandergesetzt, mit einer
Ernsthaftigkeit, die ich in den Anträgen der Linken zu-
weilen vermisse. Auch der neue Antrag von April 2009
ist eine Tour d’Horizon altbekannter Vorschläge, wo
nicht immer genau hingeschaut wird, wo die Ursachen
liegen und als Lösung oftmals nur Transfers angedacht
sind. Unsere Politik hat System und sorgt für Chancen-
gleichheit, und dabei bleiben wir.
Swen Schulz (Spandau) (SPD): Die Linke beantragt
heute eine deutliche Verbesserung des Bundesausbil-
dungsförderungsgesetzes, kurz: BAföG. Das hört sich
natürlich erst mal gut und schön an. Doch zunächst ist
darauf hinzuweisen, dass das BAföG gerade von uns So-
zialdemokraten kontinuierlich und stetig ausgebaut
wurde. Gerade im letzten Jahr haben wir, obwohl es bei
unserem Koalitionspartner noch massive Einwände ge-
gen das BAföG gab, deutliche Verbesserungen durchge-
setzt. Ich nenne nur die Stichworte: Kinderbetreuungszu-
schlag, Verbesserung der Förderung von Studierenden
mit Migrationshintergrund, Förderung im Ausland, Er-
höhung der Bedarfssätze um 10 Prozent sowie der Frei-
beträge um 8 Prozent, Erhöhung der Hinzuverdienst-
obergrenze auf 400 Euro im Monat – das sind deutliche
Verbesserungen. Über 300 Millionen Euro wird der
Bund dadurch jährlich zusätzlich aufwenden und Studie-
renden zur Verfügung stellen.
Und in der Tat ist das BAföG nötig, damit sich Inte-
ressierte, die nicht viel Geld haben, das Studium tatsäch-
lich leisten können und nicht einfach aus finanziellen
Gründen von höherer Bildung abgehalten werden. Das
brauchen wir aus volkswirtschaftlichen Gründen und vor
allem, damit alle die gleichen Chancen haben ihr Leben
zu gestalten und voranzukommen. Das ist ein Gebot der
Vernunft und der sozialen Gerechtigkeit!
Das BAföG ist also gut, doch es kann weiter verbes-
sert werden. Darum sind gute Vorschläge immer will-
kommen. Ich will im hier möglichen Rahmen kurz auf
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inige Vorschläge des aktuellen Antrages der Fraktion
ie Linke eingehen, ohne die weiteren Beratungen vor-
egnehmen zu wollen. Einige Forderungen sind nicht
chlecht. Die Anhebung oder Streichung der Alters-
renze etwa haben auch wir von der SPD uns vorgenom-
en. Wir wollen über 30-Jährigen ein Hochschulstu-
ium ermöglichen, gerade auch mit Blick auf die
ffnung der Hochschulen für beruflich Qualifizierte. Sie
prechen auch das Schüler-BAföG ab der 11. Klasse an –
benfalls ein Bestandteil des SPD-Programmes, damit
chülerinnen und Schüler aus nicht so einkommensstar-
en Familien sich das Abitur leisten können. Über man-
he andere Punkte sollten wir in den weiteren Beratun-
en sprechen.
Allerdings ist das Gesamtpaket der Forderungen der
raktion Die Linke wieder vollkommen illusorisch, voll-
ommen aus einer anderen Welt. Langfristig wollen sie
in elternunabhängiges BAföG. Das hätte einen zwei-
telligen Milliardenbetrag als Mehraufwand zur Folge,
ürde die gesamte Finanzierung sprengen und wäre
uch unter Gerechtigkeitsaspekten fragwürdig: Warum
oll denn der Lebensunterhalt von Kindern vermögender
ltern aus Steuermitteln, sprich von allen Arbeitnehme-
innen und Arbeitnehmern, finanziert werden? Nein, da-
it würde man auch die Akzeptanz der BAföG-Förde-
ung in der Gesellschaft untergraben, das wäre letztlich
in Schaden für die Bildungspolitik.
Die Fraktion Die Linke fordert in einem der Anträge
ie Öffnung der Hochschulen. Dieses Ziel teilen wir im
rundsatz. Und das BAföG ist ein zentrales Instrument
afür, dass die Hochschulen für diejenigen offen sind,
ie sich sonst ein Studium nicht leisten könnten. Darum
aben wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten
as BAföG immer verteidigt und ausgebaut, auch wenn
wie in dieser Koalition – andere Partien ganz andere
orstellungen hatten. Trotzdem müssen wir konstatieren,
ass immer noch viel weniger Menschen aus einkom-
ensschwachen und bildungsfernen Familien den Weg
n die Hochschulen finden. Das hat natürlich auch mit
nserem Bildungssystem vor der Hochschule zu tun. Die
ISA-Studien haben es gezeigt: Die Kinder und Jugend-
ichen werden in Deutschland nicht ihren Fähigkeiten
ntsprechend gefördert und unterstützt, sondern erleiden
achteile, wenn ihre Eltern nicht so mithelfen können
der wollen. Darum ist es von entscheidender Bedeu-
ung, dass wir bereits vor der Schule ansetzen, damit die
inder einen guten Start in die Schule, gleiche Chancen
rhalten. Und darum müssen die Schulen verbessert wer-
en, wir brauchen Ganztagsschulen mit mehr und quali-
izierter Förderung, damit die Kinder und Jugendlichen,
eren Eltern sich die Nachhilfe nicht leisten können,
rotzdem mitkommen. Nur mit solchen Maßnahmen
chaffen wir es, dass alle die gleichen Möglichkeiten zu
öherer Bildung bekommen. Das BAföG bleibt dann ein
ichtiger Baustein in einer ganzen Kette von Hilfen für
ute Bildung für alle.
Uwe Barth (FDP): Uns liegen drei Initiativen der
inken vor, die sich in allen wesentlichen Aspekten zum
ähnen gleichen. Realitätsbezogene, pragmatische Lö-
ungsansätze gehören nicht zur Stärke der Altkader –
23838 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 218. Sitzung. Berlin, Freitag, den 24. April 2009
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und auch hier sucht man Innovatives vergeblich. Statt-
dessen meint man, in alter Manier Ängste schüren zu
müssen. Blendwirkung erzielt man natürlich nur in hin-
reichend düsterer Kulisse, und die muss man eben erst
mal schaffen.
Jeglicher Realitätsbezug wird ausgeblendet – sobald
sich die Linke aber in Regierungsverantwortung befin-
det, bröckelt die Fassade, und es wird deutlich, wie de-
saströs sich linke Wissenschafts- und Hochschulpolitik
darstellt. Man sollte sich daran erinnern, dass der letzte
linke Hochschulminister im Amt, Dr. Thomas Flierl, von
Studierenden ausgepfiffen und sogar aus dem eigenen
Büro gejagt wurde. Der Koalitionspartner SPD war heil-
froh, dass man die jämmerliche Fehlbesetzung schnell
loswurde. Fakt ist, dass seit diesem Zeitpunkt die Linke
nichts Substanzielles an deutschen Hochschulen zu sa-
gen hatte – und das ist gut so!
Verantwortungsvolle Hochschulpolitik gestaltet sich
anders. Es war richtig, die BAföG-Sätze zum August
2008 anzuheben und die Situation für die berechtigten
Studierenden zu verbessern. Deswegen hat die FDP, im
Unterschied zu Grünen und der Linken, die BAföG-No-
vellierung vorangetrieben, unterstützt und ihr auch
schließlich zugestimmt.
Wir haben allerdings auch darauf hingewiesen, dass
gerade einmal jeder zehnte Studierende die Vollförde-
rung per BAföG erhält. Laut Erhebung des Studenten-
werks muss jeder fünfte Studierende mit deutlich weni-
ger als dem BAföG-Höchstsatz sein Leben bestreiten.
Wir brauchen Unterstützungsinstrumente neben dem
BAföG. Die FDP hat sich in den vergangenen Monaten
dafür eingesetzt, dass mindestens jeder zehnte Studie-
rende in den Genuss eines Stipendiums kommt. Unsere
Vorstöße – und hier sei nochmals dem FDP-Innovations-
minister Pinkwart in NRW gedankt – wurden allesamt
von der SPD blockiert und zunichtegemacht. Leidtra-
gende sind die Studierenden. Nun wird das Land Nord-
rhein-Westfalen in dieser Frage alleine voranschreiten.
Neben den Stipendien brauchen wir ein reichhaltiges
Angebot an kostengünstigen Studiendarlehen und ein
Anreizsystem zur Förderung des privaten Bildungsspa-
rens. Keiner – außer möglicherweise den Mitgliedern
dieser Regierungskoalition – versteht, weswegen Bil-
dungssparen und Investitionen in die Hochschulbildung
im Unterschied zur Wohnungsbauförderung und dem
Vermögensaufbau nicht staatlich unterstützt werden soll-
ten. Diese Investition lohnt! Denn Akademiker sind,
ganz im Gegensatz zu den von SPD und Grünen verbrei-
teten Angst- und Gruselgeschichten, weitgehend gegen
Armut und Arbeitslosigkeit gefeit. Sicherlich gibt es im-
mer Einzelfälle. Doch die jüngste HIS-Studie zeigt ein-
drucksvoll, dass gerade einmal 1 Prozent der Hochschul-
absolventen sich als arbeitssuchend bezeichnen. Zwar ist
jede fünfte Akademikerin im zehnten Jahr nach Ab-
schluss nicht erwerbstätig – doch Grund hierfür ist laut
Studie die freiwillige Elternzeit.
Das Durchschnittseinkommen von Akademikern ran-
giert 10 Jahre nach Abschluss zwischen durchschnittlich
87 000 Euro (Wirtschaftsingenieure) und 45 300 Euro
(Lehrer). Durchschnittseinkommen! Wer will, ange-
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ichts dieser doch beträchtlichen Rendite für die Investi-
ion „Studium“, Klein- und Geringverdiener dazu
erdonnern, Studierenden das Studium nebst Lebenshal-
ungskosten per Steuer voll zu bezahlen? Wir müssen
tudierende in die Lage versetzen, die mit dem Studium
n Verbindung stehenden Kosten finanzieren zu können.
ie brauchen hierzu Hilfestellungen, aber keine staatli-
he Vollversorgung.
Von der Linken wird nichts Neues geboten. Es han-
elt sich um dieselben alten Rezepte wie eh und je. Man
pielt mit Ängsten, schürt Misstrauen, baut Feindbilder
uf – bietet aber keine wirklich brauchbaren Optionen.
as gilt auch und gerade für die hier vorgelegten Initia-
iven, die wir deswegen auch ablehnen.
Cornelia Hirsch (DIE LINKE): Bis heute lässt sich
ie Große Koalition für ihr BAföG-Reförmchen im ver-
angenen Jahr feiern. Die Frage ist nur, wofür: Mit der
2. BAföG-Novelle wurden ausschließlich längst über-
ällige oder dringend notwendige Punkte beschlossen.
em tatsächlichen Reformbedarf wurde die Novelle
icht gerecht. Dies betrifft sowohl die Erhöhung der Be-
arfssätze und Freibeträge als auch die vorgenommenen
trukturellen Änderungen.
Was die Freibeträge und Bedarfssätze betrifft, so
erständigten sich SPD und Union nach langem Ringen
uf eine BAföG-Erhöhung um gerade einmal 10 Pro-
ent. In den letzten Jahren hatte der Beirat jährlich eine
und 2-prozentige Erhöhung aufgrund der steigenden
ebenshaltungskosten gefordert. Die Freibeträge wur-
en nach sechsjähriger Stagnation um gerade einmal
Prozent erhöht. Faktisch wurde damit eine Politik der
eiteren Aushöhlung des BAföG betrieben. Damit diese
olitik nicht weiterbetrieben werden kann, fordern wir
it unserem Antrag eine automatische Kopplung der
edarfssätze an die Steigerung der Lebenshaltungskos-
en.
Wir alle wissen um den erheblichen Einfluss der Ge-
taltung der Studienfinanzierung auf die Zugangsmög-
ichkeiten zum Studium und auf die soziale Zusammen-
etzung der Studierenden. Trotzdem wurde die
2. BAföG-Novelle noch nicht einmal dem entstehenden
eformbedarf durch die Umstellung der Studienstruktur
uf Bachelor/Master gerecht. Am Beispiel der Alters-
renze wird dies besonders deutlich: Aktuell besteht eine
ltersgrenze von 30 Jahren im BAföG. Angesichts der
orderungen nach mehr Flexibilität, nach individueller
estaltung der Bildungsbiografie und nach lebenslan-
em Lernen ist diese Altersgrenze anachronistisch. Zu-
em hat sie sich durch die zweistufige Studienstruktur
erschärft: Während Studierende früher mit 33 Jahren
inen vollständig geförderten Diplomstudiengang ab-
chließen konnten, endet die Förderung heute in diesem
all bereits bei 31 Jahren mit dem Bachelorabschluss.
er daran einen Masterstudiengang anschließen will
der muss, geht leer aus.
Auch weitere Punkte stoßen immer wieder auf Kritik
nd müssten geändert werden. Etwa diskriminiert das
AföG eingetragene Lebenspartnerschaften gegenüber
er Ehe, indem für sie beispielsweise Teilerlasse ausge-
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schlossen sind sowie die Anrechnung des Einkommens
nicht erfolgt und dementsprechend auch keine Einkom-
mensfreibeträge im BAföG berücksichtigt werden. Bei
der Berücksichtigung von Fremdsprachenkenntnissen
wird mit unterschiedlichem Maß gemessen. Die eltern-
unabhängige Förderung ist nicht umfassend genug. Mit
einer Änderung in diesen Punkten wäre vielen Studie-
renden geholfen. Deshalb setzt sich die Linke noch in
dieser Legislatur für eine BAföG-Novelle ein, die diesen
Reformbedarf endlich angeht.
Mittelfristig muss das BAföG aber grundlegend refor-
miert werden. Die Linke möchte die Hochschulen sozial
öffnen und zugleich Studierende als erwachsene Men-
schen ernst nehmen. Deshalb wollen wir eine Studienfi-
nanzierung, die als Vollzuschuss gezahlt wird, sodass
Studierende nach ihrem Studium nicht vor einem Schul-
denberg stehen. Zudem muss das Schüler-BAföG ausge-
weitet werden, damit der Bildungsungleichheit bereits
frühzeitig begegnet werden kann. Zum anderen setzen
wir uns dafür ein, die Studienfinanzierung Schritt für
Schritt elternunabhängig zu gestalten. Wer studieren
möchte, sollte dies unabhängig und selbstständig von
seinen Eltern tun können.
Vor diesem Hintergrund schlagen wir heute das
„Zwei-Körbe-Modell“ vor. Der erste Korb soll aus ei-
nem für alle Studierenden einheitlichen Sockelbetrag be-
stehen, in dem alle kindbezogenen Transferleistungen
und Freibeträge zusammengefasst werden und direkt an
die Studierenden fließen. Der zweite Korb soll aus ei-
nem – in einem ersten Schritt elternabhängigen – Zu-
schussteil bestehen, der schrittweise hin zur Elternunab-
hängigkeit ausgeweitet wird.
Hinzu kommen muss selbstverständlich eine bundes-
weite Gebührenfreiheit des Studiums, für das die Linke
eintritt. Das Bezahlstudium konterkariert sämtliche Be-
strebungen, die Hochschulen zu öffnen und die Studie-
rendenquote zu erhöhen. Deshalb müssen Studiengebüh-
ren in allen Bundesländern Geschichte werden. Neben
den bisherigen BAföG-Leistungen und den gebündelten
kindbezogenen Transferleistungen und Freibeträgen soll
unser Modell durch eine sozial gerechtere Steuerpolitik
finanziert werden. Die Hochschulbildung sehen wir so-
mit als eine öffentliche Aufgabe an, die auch öffentlich
finanziert werden muss. Wer studiert, sollte dies nicht als
Investition in das eigene Humankapital begreifen, son-
dern als gesellschaftliche Aufgabe. So könnte die Ge-
staltung der Studienfinanzierung nicht nur zu einem so-
zial gerechteren Studium führen, sondern auch zu einem
Umdenken, was ihre gesellschaftspolitische Funktion
betrifft.
Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Im letz-
ten Wahlkampf wollte die damalige baden-württember-
gische Kultusministerin Annette Schavan das BAföG
abschaffen. An seine Stelle sollten Studienkredite treten.
Die Empörung war groß – zu Recht! Das BAföG hat in
den letzten Jahrzehnten dazu beigetragen, finanzschwa-
chen und bildungsfernen Schichten den Zugang zu
Hochschulreife und Studium zu verbreitern. Wer die so-
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iale Öffnung der Hochschulen will, darf die staatliche
tudienfinanzierung nicht durch Kreditmodelle mit ho-
en Verschuldungsrisiken ersetzen!
Dieser Tatsache hat sich auch die heutige Bundesbil-
ungsministerin nicht verschließen können. Am Ende
er 16. Legislaturperiode können wir festhalten: Die
AföG-Fördersätze und Freibeträge sind erhöht worden.
as erkennen wir an, das war ein notwendiger und rich-
iger Schritt der parlamentarischen Mehrheit in diesem
aus. Und für diese zehnprozentige BAföG-Erhöhung
aben wir als Grüne hart gekämpft. Bevor es zur Erhö-
ung im Oktober 2008 kommen konnte, mussten SPD-
nd Unions-Fraktion von uns über die Schwelle getragen
erden. Im Kabinett saßen Bildungsministerin Schavan
nd Finanzminister Steinbrück auf der Bremse und woll-
en den Studierenden eine weitere Nullrunde verordnen.
s ist gut, dass das Parlament anders entschieden hat,
ierin liegt das gemeinsame Verdienst der Oppositions-
raktionen und der Bildungspolitiker der SPD: Die
lockade der Union und seitens des Bundeskabinetts
urde durchbrochen. Durch die Langsamkeit der Gro-
en Koalition und angesichts steigender Lebenshal-
ungskosten ist die BAföG-Erhöhungsrunde 2008 aber
u gering ausgefallen. Die Koalition hat das BAföG auf
osten der Studierenden nur halbherzig erhöht.
Dennoch ist auch das abermals reformierte BAföG in
ielfacher Hinsicht kein Idealkonzept, sondern in vielfa-
her Hinsicht unzureichend und ungerecht. Deshalb ha-
en wir im Rahmen der 22. BAföG-Novelle ein ganzes
ündel an Sofortmaßnahmen vorgeschlagen, welche die
oalition leider abgelehnt hat. Es geht uns dabei darum,
ehler und Gerechtigkeitslücken zu beseitigen. Für die
etroffenen Studierenden hätten diese Korrekturen viel
ebracht: Warum hält die Koalition an starren Obergren-
en beim Unterkunftszuschuss fest? Warum übernimmt
ie nicht unseren Vorschlag, angemessene Miet- und
eizkosten komplett zu übernehmen, sodass man auch
n München und Düsseldorf vom BAföG leben kann?
arum stellt sie Lebenspartnerinnen und Lebenspartner
icht endlich auch im BAföG mit Ehegattinnen und Ehe-
atten gleich, anstatt gleichgeschlechtliche Paare weiter
u diskriminieren? Warum verweigern Union und SPD
ich einer Klarstellung im Gesetz, dass Studierende nicht
enachteiligt werden dürfen, wenn die Hochschule ihre
tudiengänge von Diplom auf Bachelor umstellt und das
AföG-Amt dies als „förderschädlichen Fachrichtungs-
echsel“ wertet? Diese und weitere unserer Sofortmaß-
ahmen, die wir im Februar 2007 vorgeschlagen haben,
at nun die Linke in ihrem Antrag übernommen – da
ann ich nur sagen: herzlich willkommen im Club!
Kleinteilige Reparaturen am BAföG werden mittel-
ristig jedoch nicht ausreichen. Der Anteil der Kinder
us hochschulfernen Gruppen, der ein Hochschulstu-
ium aufnimmt, nimmt immer weiter ab: von 57 Prozent
m Jahr 1982 auf 38 Prozent im Jahr 2006. Arbeiterkin-
er haben mittlerweile Seltenheitswert auf dem Campus:
on 100 Akademikerkindern gelangen 83 an die Hoch-
chulen, von 100 Nicht-Akademikerkindern sind es nur
3. Das BAföG mit seiner Mischung aus Zuschuss und
23840 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 218. Sitzung. Berlin, Freitag, den 24. April 2009
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Darlehen konnte diese gewachsene Ungerechtigkeit
nicht verhindern. Die Linke skizziert in ihrem Antrag
vage Vorstellungen für eine strukturelle Weiterentwick-
lung des BAföG – die grüne Bundestagsfraktion ist da
schon deutlich weiter: Wir haben ein gerechteres grünes
Zwei-Säulen-Modell entwickelt und beschlossen, mit
dem wir die staatliche Studienfinanzierung stärken und
ausbauen wollen.
Das neue grüne Modell umfasst und kombiniert zwei
Säulen: den Studierendenzuschuss und den Bedarfszu-
schuss. Mit dem Studierendenzuschuss erhalten alle Stu-
dierenden einen Sockelbetrag, der unabhängig vom Ein-
kommen der Eltern gezahlt wird und eine
Basisabsicherung und Unterstützung für alle schafft. Zur
Gegenfinanzierung werden das bisherige Kindergeld so-
wie steuerliche Freibeträge in den neuen Sockel über-
führt. Diese familienbezogenen Leistungen kommen
dann direkt und ohne „Umweg“ den Studierenden zu-
gute. Dies ist ein erheblicher Paradigmenwechsel.
Das grüne Zwei-Säulen-Modell umfasst zusätzlich
eine starke und unerlässliche soziale Komponente: Die-
ser Bedarfszuschuss ist anders als das derzeitige BAföG
als nicht zurückzuzahlender Zuschuss ausgestaltet. Aus
finanziellen Gründen liegen in den einkommensarmen
und bildungsfernen Familien derzeit die meisten Bil-
dungspotenziale brach. Daher begünstigen wir diese Stu-
dierenden mit dem Bedarfszuschusses gezielt. Mit dem
grünen Zwei-Säulen-Modell können Studierende inklu-
sive Wohngeld und etwaiger Ausgaben für die Kranken-
versicherung bis rund 800 Euro im Monat erhalten – also
mehr als Empfänger des derzeitigen BAföG-Höchstsat-
zes. Ferner können ergänzende Finanzierungsbausteine
genutzt werden, zum Beispiel zusätzliche Stipendien so-
wie risikoarme und sozial abgefederte Darlehen. Unser
Modell reagiert auf vielfältige Lebens- und Studienreali-
täten und bringt all denen Verbesserungen, die bisher
Probleme bei ihrer Studienfinanzierung haben. Studie-
rende aus der unteren und mittleren Mittelschicht wer-
den sich ebenfalls besserstellen. Gerade für Mehrkindfa-
milien ist der neue Sockelbetrag eine Erleichterung.
Wir wollen mehr Teilhabe- und Verteilungsgerechtig-
keit sicherstellen. Eine vollständig elternunabhängige
Studienfinanzierung, wie es die Linke fordert, würde vor
allem Studierende aus Gutverdiener-Haushalten begüns-
tigen – und damit unseren Anspruch an soziale Gerech-
tigkeit verletzen und ihm widersprechen. Studierenden
aus einkommensreichen Elternhäusern ein genauso ho-
hes Studierendengrundeinkommen zu überweisen wie
Studierenden aus einkommensarmen Familien, wäre un-
gerecht und nicht zielgenau. Das trägt nicht zur sozialen
Öffnung der Hochschulen bei! Chancengerechtigkeit
geht vor völliger Elternunabhängigkeit!
Das neue grüne Zwei-Säulen-Modell leistet einen ent-
scheidenden Beitrag zur dringend notwendigen sozialen
Öffnung unserer Hochschulen. Die neue Studienfinan-
zierung erfordert eine ambitionierte Reform, die zu-
gleich politisch umsetzbar und gut vermittelbar wäre.
Dafür werden wir streiten.
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nlage 10
Erklärung nach § 31 GO
des Abgeordneten Marco Bülow (SPD) zur Ab-
stimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur
Änderung der Förderung von Biokraftstoffen
(217. Sitzung, Zusatztagesordnungspunkt 6)
Im Rahmen der Verhandlungen zum Gesetz zur Än-
erung der Förderung von Biokraftstoffen habe ich mich
ür eine Steuerbefreiung des im öffentlichen Personen-
ahverkehr einschließlich Schienennahverkehr verwen-
eten Biodiesels eingesetzt. Diese Maßnahme hätte ei-
en wichtigen Beitrag zum Klimaschutz bedeutet –
chließlich führt Biodiesel aus deutscher Produktion zu
iner CO2-Reduktion von 45 Prozent gegenüber fossilem
iesel. Weiterhin hätten von dieser Maßnahme nicht nur
ie Verkehrsbetriebe der Kommunen profitiert, sondern
uch die Landwirte und Biodieselproduzenten vor Ort.
ußerdem wäre dies ein sinnvoller Beitrag zur Stärkung
nd für den Aufbau regionaler nachhaltiger Wirtschafts-
reisläufe gewesen.
Ich habe das Ziel verfolgt, den Kraftstoff E 10 als
reiwilliges Angebot einzuführen. Hierdurch wäre der
ettbewerb auf dem Mineralölmarkt zugunsten von
illionen Autofahrern gestärkt worden. Denn E 10 ist
in qualitativ hochwertiger Kraftstoff, der im Vergleich
u den Premiumsorten der großen Mineralölkonzerne
ünstiger angeboten werden kann. Bei einer freiwilligen
inführung hätte zudem jeder Fahrzeughalter auf der
rundlage der Angaben des Herstellers selbst entschei-
en können, ob er E 10 tankt oder auch nicht.
Des Weiteren halte ich die im Gesetz enthaltene Ver-
rdnungsermächtigung zur Zulassung des Co-Hydro-
reating-Verfahrens ohne Zustimmung des Bundestages
ür äußerst problematisch. Hierdurch droht eine mögli-
herweise grenzenlose Wettbewerbsverzerrung zuun-
unsten des mittelständischen Mineralölhandels. Denn
ie ab 1. Januar 2010 vorgesehene Gesamtquote von
,25 Prozent kann ohne das Inverkehrbringen von E 10
nd die gleichzeitige Möglichkeit des Co-Hydrotreatings
ur noch von den großen Mineralölkonzernen erfüllt
erden.
Auf die mittelständischen Firmen kämen hingegen
ährliche Ausgleichszahlungen in Höhe von mindestens
00 Millionen Euro zu. Da diese Belastungen nicht ein-
ach auf die Kunden umgelegt werden können, wäre ein
irtschaftliches Arbeiten nicht mehr möglich.
Ich werde mich in den nächsten Wochen dafür einset-
en, dass der im Entschließungsantrag zum Gesetz von
PD und Union formulierte Wille, die Verordnungser-
ächtigung unter Parlamentsvorbehalt zu stellen, umge-
etzt wird.
Für all die genannten Vorschläge habe ich innerhalb
er Koalition keine mehrheitliche Unterstützung erfah-
en. Jedoch erachte ich die Bemühungen hinsichtlich ei-
er Nachhaltigkeitsverordnung als notwendig und sehr
ositiv. Deshalb enthalte ich mich bei der Abstimmung
ber dieses Gesetz der Stimme.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 218. Sitzung. Berlin, Freitag, den 24. April 2009 23841
(A) )
(B) )
Anlage 11
Berichtigung
zu der Beschlussempfehlung des Innenaus-
schusses auf Drucksache 16/12711 zu dem Ent-
wurf eines Gesetzes zur Anordnung des Zensus
2011 sowie zur Änderung von Statistikgesetzen
(Zusatztagesordnungspunkt 16)
1) Der Einleitungssatz lautet: „Der Bundestag hat mit
Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz
beschlossen:“
2) Die in Nummer 5 und Nummer 10 des Änderungs-
antrages enthaltenen Änderungen der Überschriften
der §§ 8 und 17 gelten auch für die Inhaltsübersicht
zu Artikel 1 und lauten somit in deren Abschnitt 2
„§ 8 Erhebungen an Anschriften mit Sonderberei-
chen“ und in Abschnitt 4 „§ 17 Bewertung der Quali-
tät der Zensusergebnisse“.
3) Die Überschrift des neuen § 25 lautet „Finanzzuwei-
sung“ und ist ebenfalls in die Inhaltsübersicht bei
Abschnitt 6 als „§ 25 Finanzzuweisung“ aufzuneh-
men.
Anlage 12
Amtliche Mitteilungen
Der Bundesrat hat in seiner 857. Sitzung am 3. April
2009 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzu-
stimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Absatz 2
des Grundgesetzes nicht zu stellen:
– Gesetz zur Änderung truppenzollrechtlicher Vor-
schriften und anderer Vorschriften (Truppenzoll-
rechtsänderungsgesetz)
– Gesetz zur Fortführung der Gesetzeslage 2006 bei
der Entfernungspauschale
– Gesetz zur weiteren Stabilisierung des Finanz-
marktes (Finanzmarktstabilisierungsergänzungs-
gesetz – FMStErgG)
– Viertes Gesetz zur Änderung des Allgemeinen
Eisenbahngesetzes
– Gesetz zu dem Abkommen vom 15. Oktober 2004
zwischen der Bundesrepublik Deutschland und
der Sozialistischen Libysch-Arabischen Volks-
Dschamahirija über die Förderung und den ge-
genseitigen Schutz von Kapitalanlagen
– Gesetz zu dem Abkommen vom 13. November
2007 zwischen der Bundesrepublik Deutschland
und dem Haschemitischen Königreich Jordanien
über die Förderung und den gegenseitigen Schutz
von Kapitalanlagen
– Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts
(Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz – BilMoG)
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Der Abgeordnete Dieter Grasedieck hat darum gebe-
n, bei dem Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung
es Gesetzes zur Vermeidung und Bewältigung von
chwangerschaftskonflikten auf Drucksache 16/11347
achträglich in die Liste der Antragsteller aufgenommen
u werden.
Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben
itgeteilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Absatz 3
atz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung
u den nachstehenden Vorlagen absieht:
Haushaltsausschuss
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Haushalts- und Wirtschaftsführung 2009
Mitteilung gemäß § 37 Absatz 4 der Bundeshaushalts-
ordnung über die Einwilligung in eine überplanmäßige
Ausgabe bei Kapitel 06 15 Titel 681 12
– Leistungen nach dem Heimkehrerentschädigungs-
gesetz – bis zu einer Höhe von 5,07 Mio. Euro
– Drucksachen 16/12263, 16/12357 Nr. 1.3 –
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Haushaltsführung 2009
Mitteilung gemäß § 37 Absatz 4 der Bundeshaushalts-
ordnung über die Einwilligung in eine außerplan-
mäßige Ausgabe bei Kapitel 08 02 Titel 532 01
– Kosten im Zusammenhang mit dem Erwerb der
authentos GmbH (Bundesdruckerei) – bis zur Höhe von
4,8 Mio. Euro
– Drucksachen 16/12478, 16/12524 Nr. 4 –
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Bericht der Bundesregierung über ihre Exportpolitik für
konventionelle Rüstungsgüter im Jahre 2004 (Rüstungs-
exportbericht 2004)
– Drucksache 16/507 –
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Bericht der Bundesregierung über ihre Exportpolitik für
konventionelle Rüstungsgüter im Jahre 2005 (Rüstungs-
exportbericht 2005)
– Drucksache 16/3730 –
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Bericht der Bundesregierung über ihre Exportpolitik für
konventionelle Rüstungsgüter im Jahre 2006 (Rüstungs-
exportbericht 2006)
– Drucksache 16/8855 –
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Siebzehntes Hauptgutachten der Monopolkommission
2006/2007
– Drucksachen 16/10140, 16/10398 Nr. 1.1 –
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Bericht über die stärkere Verzahnung von Maßnahmen
der Entwicklungszusammenarbeit mit dem Ansatz der
Exportunterstützung für Erneuerbare Energien
– Drucksachen 16/10476, 16/10949 Nr. 3 –
23842 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 218. Sitzung. Berlin, Freitag, den 24. April 2009
(A) (C)
(B) (D)
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Neunter Bericht der Bundesregierung über die Aktivi-
täten des Gemeinsamen Fonds für Rohstoffe und der
einzelnen Rohstoffabkommen
– Drucksachen 16/10760, 16/10949 Nr. 10 –
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Jahresgutachten 2008/09 des Sachverständigenrates zur
Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung
– Drucksache 16/10985 –
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Sondergutachten der Monopolkommission gemäß § 62
Abs. 1 des Energiewirtschaftsgesetzes
Strom und Gas 2007: Wettbewerbsdefizite und zöger-
liche Regulierung
– Drucksache 16/7087 –
Stellungnahme der Bundesregierung
– Drucksachen 16/11366, 16/11478 Nr. 1.5 –
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Siebzehntes Hauptgutachten der Monopolkommission
2006/2007
– Drucksache 16/10140 –
Stellungnahme der Bundesregierung
– Drucksachen 16/11558, 16/11718 Nr. 1.8 –
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Jahreswirtschaftsbericht 2009 der Bundesregierung
Konjunkturgerechte Wachstumspolitik
– Drucksache 16/11650 –
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Entwicklung und Wiederaufbau Afghanistans
– Drucksachen 16/10477, 16/10949 Nr. 4. –
91, 1
0, T
218. Sitzung
Berlin, Freitag, den 24. April 2009
Inhalt:
Redetext
Anlagen zum Stenografischen Bericht
Anlage 1
Anlage 2
Anlage 3
Anlage 4
Anlage 5
Anlage 6
Anlage 7
Anlage 8
Anlage 9
Anlage 10
Anlage 11
Anlage 12