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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 16/217 nung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stefan Müller (Erlangen) (CDU/CSU) . . . . .23495 C 23508 C Absetzung des Tagesordnungspunktes 27 . . . Nachträgliche Ausschussüberweisungen . . . . Tagesordnungspunkt 3: a) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Berufsbildungsbericht 2009 (Drucksache 16/12640) . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Priska Hinz (Herborn), Ekin Deligöz, Kai Gehring, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Recht auf Ausbildung umsetzen – Ausbildungs- system reformieren, überbetriebliche Ausbildungsstätten ausbauen und Übergangsmaßnahmen anrechnen Uwe Barth (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dieter Grasedieck (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Volker Schneider (Saarbrücken) (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Uwe Schummer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Willi Brase (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 4: a) Antrag der Abgeordneten Kornelia Möller, Dr. Barbara Höll, Werner Dreibus, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: 500 000 Arbeitsplätze – Exis- tenzsichernd und öffentlich gefördert (Drucksache 16/12682) . . . . . . . . . . . . . . 23499 A 23499 B 23500 A 23510 A 23511 A 23512 A 23513 A 23514 C 23516 A Deutscher B Stenografisc 217. Si Berlin, Donnerstag, I n h a Glückwünsche zum Geburtstag der Abgeord- neten Ludwig Stiegler, Anke Eymer (Lü- beck) und Frank Hofmann (Volkach) . . . . . Begrüßung der neuen Abgeordneten Hildegard Wester . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wahl des Abgeordneten Rolf Hempelmann in das Gremium gemäß § 23 c Abs. 8 des Zollfahndungsdienstgesetzes . . . . . . . . . . . . Wahl der Abgeordneten Julia Klöckner als stellvertretendes Mitglied im Kuratorium der Stiftung „Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland“ . . . . . . . . . . Wahl der Abgeordneten Sabine Zimmermann zur Schriftführerin . . . . . . . . Erweiterung und Abwicklung der Tagesord- 23495 A 23495 B 23495 B 23495 B 23495 C (Drucksache 16/12680) . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit 23500 C undestag her Bericht tzung den 23. April 2009 l t : Zusatztagesordnungspunkt 2: Antrag der Abgeordneten Patrick Meinhardt, Uwe Barth, Cornelia Pieper, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der FDP: Neue Chancen für die berufliche Bildung (Drucksache 16/12665) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Annette Schavan, Bundesministerin BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Patrick Meinhardt (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Olaf Scholz, Bundesminister BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Cornelia Hirsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23500 C 23500 D 23502 B 23503 C 23506 A 23507 A b) Beschlussempfehlung und Bericht d Ausschusses für Arbeit und Soziales z dem Antrag der Abgeordneten Wern es u er II Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 217. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 23. April 2009 Dreibus, Dr. Barbara Höll, Dr. Dagmar Enkelmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Sicherheit und Zukunft – Initiative für ein sozial gerechtes Antikrisenprogramm (Drucksachen 16/12292, 16/12485) . . . . . c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales zu dem Antrag der Abgeordneten Werner Dreibus, Kornelia Möller, Dr. Barbara Höll, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion DIE LINKE: Gute Arbeit – Gutes Leben Initiative für eine gerechte Arbeitswelt (Drucksachen 16/6698, 16/12469) . . . . . . Werner Dreibus (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Dr. Ralf Brauksiepe (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Dirk Niebel (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Grotthaus (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Paul Lehrieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Heinz-Peter Haustein (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Anette Kramme (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rolf Stöckel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dirk Niebel (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rolf Stöckel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 38: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Vertrag vom 12. November 2008 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Bulga- rien über die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung des grenzüberschreiten- den Missbrauchs bei Leistungen und Beiträgen zur sozialen Sicherheit durch Erwerbstätigkeit und von nicht ange- meldeter Erwerbstätigkeit sowie bei illegaler grenzüberschreitender Leih- arbeit (Drucksache 16/12588) . . . . . . . . . . . . . . . b) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Abkommen vom 9. Juli 2008 zwischen der Bundesrepublik Deutsch- land und den Vereinigten Mexikani- schen Staaten zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und der Steuerver- kürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (Drucksache 16/12589) . . . . . . . . . . . . . . . 23516 A 23516 B 23516 C 23518 B 23520 D 23521 D 23523 D 23525 C 23527 C 23528 D 23530 C 23532 C 23532 D 23533 B 23533 C c) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Vertrag vom 16. September 2004 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über die Vermarkung und Instandhal- tung der gemeinsamen Grenze auf den Festlandabschnitten sowie den Grenz- gewässern und die Einsetzung einer Ständigen Deutsch-Polnischen Grenz- kommission (Drucksache 16/12590) . . . . . . . . . . . . . . d) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu der Genfer Fassung vom 2. Juli 1999 (Genfer Akte) des Haager Abkom- mens vom 6. November 1925 über die internationale Eintragung gewerbli- cher Muster und Modelle (Drucksache 16/12591) . . . . . . . . . . . . . . e) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Internationalen Überein- kommen vom 20. Dezember 2006 zum Schutz aller Personen vor dem Ver- schwindenlassen (Drucksache 16/12592) . . . . . . . . . . . . . . f) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Ach- ten Gesetzes zur Änderung des Bundes- vertriebenengesetzes (Drucksache 16/12593) . . . . . . . . . . . . . . g) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung einer Bundes- anstalt für den Digitalfunk der Behör- den und Organisationen mit Sicher- heitsaufgaben (BDBOS-Gesetz) (Drucksache 16/12594) . . . . . . . . . . . . . . h) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Verbesserung der Absicherung von Zivilpersonal in internationalen Einsätzen zur zivilen Krisenprävention (Drucksache 16/12595) . . . . . . . . . . . . . . i) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Vier- ten Gesetzes zur Änderung des Spreng- stoffgesetzes (Drucksache 16/12597) . . . . . . . . . . . . . . j) Antrag der Abgeordneten Ulrike Höfken, Undine Kurth (Quedlinburg), Bärbel Höhn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die ge- werbliche Haltung von Mast- und Zuchtkaninchen in Deutschland und der Europäischen Union deutlich verbessern (Drucksache 16/12307) . . . . . . . . . . . . . . 23533 C 23533 D 23533 D 23534 A 23534 A 23534 A 23534 B 23534 B Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 217. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 23. April 2009 III k) Antrag der Abgeordneten Marion Seib, Stefan Müller (Erlangen), Michael Kretschmer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten René Röspel, Dr. Ernst Dieter Rossmann, Ulla Burchardt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Nanotechnologie – gezielte For- schungsförderung für zukunftsträchtige Innovationen und Wachstumsfelder (Drucksache 16/12695) . . . . . . . . . . . . . . . l) Antrag der Abgeordneten Renate Künast, Ulrike Höfken, Nicole Maisch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Verbraucher- informationsgesetz novellieren (Drucksache 16/12691) . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 3: a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Hermann Otto Solms, Frank Schäffler, Carl-Ludwig Thiele, weiteren Abgeordne- ten und der Fraktion der FDP eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zur Korrek- tur der Unternehmensteuerreform (Drucksache 16/12525) . . . . . . . . . . . . . . . b) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Ge- schmacksmustergesetzes (Drucksache 16/12586) . . . . . . . . . . . . . . . c) Erste Beratung des von den Abgeordneten Christel Humme, Irmingard Schewe- Gerigk, Elke Ferner und weiteren Abge- ordneten eingebrachten Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung des Schwan- gerschaftskonfliktgesetzes (Drucksache 16/12664) . . . . . . . . . . . . . . . d) Antrag der Abgeordneten Klaus Ernst, Dr. Martina Bunge, Diana Golze, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Erhöhung des Schonvermögens im Alter für Bezieher von Arbeitslosen- geld II (Drucksache 16/5457) . . . . . . . . . . . . . . . . e) Antrag der Abgeordneten Ernst Burgbacher, Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Ermäßigte Mehrwert- steuersätze für Hotellerie und Gastro- nomie in Deutschland einführen (Drucksache 16/12287) . . . . . . . . . . . . . . . f) Antrag der Abgeordneten Hans-Michael Goldmann, Dr. Christel Happach-Kasan, Dr. Edmund Peter Geisen, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der FDP: Die Evaluierung des Verbraucherinforma- tionsgesetzes muss so schnell wie mög- lich durchgeführt werden (Drucksache 16/12669) . . . . . . . . . . . . . . . 23534 B 23534 C 23534 D 23534 D 23534 D 23535 A 23535 A 23535 A g) Antrag der Abgeordneten Gisela Piltz, Dr. Heinrich L. Kolb, Jens Ackermann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Schutz von Arbeitnehmer- daten durch transparente und praxisge- rechte Regelungen gesetzlich absichern (Drucksache 16/12670) . . . . . . . . . . . . . . h) Antrag der Abgeordneten Dr. Andreas Scheuer, Dirk Fischer (Hamburg), Dr. Klaus W. Lippold, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Rita Schwarzelühr-Sutter, Klaas Hübner, Sören Bartol, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Mobilität zukunftsfä- hig machen – Elektromobilität fördern (Drucksache 16/12693) . . . . . . . . . . . . . . i) Antrag der Abgeordneten Bärbel Höhn, Nicole Maisch, Ulrike Höfken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Manipulierte Strompreise – Verbraucherinteressen wahren (Drucksache 16/12692) . . . . . . . . . . . . . . j) Antrag der Abgeordneten Markus Kurth, Kerstin Andreae, Britta Haßelmann, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Vergabe- recht konsequent sozial gestalten – Gemeinnützige Unternehmen nicht benachteiligen (Drucksache 16/12694) . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 39: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Direktzahlungen-Verpflichtungengeset- zes (Drucksachen 16/12117, 16/12696) . . . . . b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Durchführung der Gemeinsamen Marktorganisationen und der Direktzahlungen (Drucksachen 16/12231, 16/12517) . . . . . c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadt- entwicklung zu dem Antrag der Abgeord- neten Horst Friedrich (Bayreuth), Jan Mücke, Patrick Döring, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der FDP: Verlän- gerung der Hauptuntersuchungsinter- valle für Oldtimer mit H-Kennzeichen (Drucksachen 16/9480, 16/11082) . . . . . . 23535 B 23535 B 23535 C 23535 C 23536 B 23536 C 23536 D IV Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 217. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 23. April 2009 d) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadt- entwicklung zu dem Antrag der Abgeord- neten Horst Friedrich (Bayreuth), Jan Mücke, Patrick Döring, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der FDP: Keine Sperrung der Inntal-Autobahn für Lkw-Transitverkehre (Drucksachen 16/9095, 16/11083) . . . . . . e) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadt- entwicklung zu dem Antrag der Abgeord- neten Patrick Döring, Horst Friedrich (Bayreuth), Joachim Günther (Plauen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Technische Kriterien für Win- terreifenkennzeichnung M+S festlegen (Drucksachen 16/11213, 16/12348) . . . . . f) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadt- entwicklung zu dem Antrag der Abgeord- neten Patrick Döring, Horst Friedrich (Bayreuth), Joachim Günther (Plauen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Bußgeldkatalog bei Umwelt- zonen ändern – Zurück zur Verhältnis- mäßigkeit (Drucksachen 16/10313, 16/12349) . . . . . g) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu der Verordnung der Bundesregierung: Verordnung zur Ver- einfachung des Deponierechts (Drucksachen 16/12223, 16/12357 Nr. 2.3, 16/12722) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 4: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notari- ellen Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwalt- schaft sowie zur Änderung der Verwal- tungsgerichtsordnung, der Finanzge- richtsordnung und kostenrechtlicher Vorschriften (Drucksachen 16/11385, 16/12717) . . . . . b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Modernisierung von Verfahren im patentanwaltlichen Berufsrecht (Drucksachen 16/12061, 16/12718) . . . . . c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung 23537 A 23537 B 23537 B 23537 C 23537 D 23538 A – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Volker Wissing, Carl-Ludwig Thiele, Rainer Brüderle und weiterer Abgeordneter der Fraktion der FDP sowie der Abgeordneten Hüseyin- Kenan Aydin, Dr. Dietmar Bartsch, Karin Binder und weiterer Abgeordne- ter der Fraktion DIE LINKE sowie der Abgeordneten Kerstin Andreae, Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck (Köln) und weiterer Ab- geordneter der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Einsetzung eines Untersuchungsausschusses – zu dem Antrag der Abgeordneten Hüseyin-Kenan Aydin, Dr. Dietmar Bartsch, Karin Binder, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion DIE LINKE: Einsetzung eines Untersuchungsaus- schusses (Drucksachen 16/12480, 16/12130, 16/12690) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 5: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Meinungs- verschiedenheiten in der Bundesregierung zum Anbauverbot des gentechnisch verän- derten Mais MON 810 . . . . . . . . . . . . . . . . . Renate Künast (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ilse Aigner, Bundesministerin BMELV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Christel Happach-Kasan (FDP) . . . . . . . . Ulrich Kelber (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elvira Drobinski-Weiß (SPD) . . . . . . . . . . . . Johannes Röring (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . René Röspel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Kretschmer (CDU/CSU) . . . . . . . . . Dr. Wolfgang Wodarg (SPD) . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 5: Unterrichtung durch den Wehrbeauftragten: Jahresbericht 2008 (50. Bericht) (Drucksache 16/12200) . . . . . . . . . . . . . . . . . 23538 B 23538 D 23539 A 23540 B 23541 A 23542 B 23543 C 23545 A 23546 A 23547 A 23548 A 23549 B 23550 C 23551 C 23552 D Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 217. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 23. April 2009 V Reinhold Robbe, Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages . . . . . . . . . . . . Dr. Franz Josef Jung, Bundesminister BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elke Hoff (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hedi Wegener (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Hakki Keskin (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anita Schäfer (Saalstadt) (CDU/CSU) . . . . . . Petra Heß (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 6: a) – Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und der SPD eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Opferentschädigungsgesetzes (Drucksachen 16/12273, 16/12697) . . – Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Jerzy Montag, Volker Beck (Köln), Monika Lazar, weiteren Abgeordneten und der Frak- tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ausweitung der Opferentschädi- gung bei Gewalttaten (Drucksachen 16/1067, 16/12697) . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales zu dem Antrag der Abgeordneten Jörg van Essen, Dr. Max Stadler, Mechthild Dyckmans, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Opferentschädigung bei Terrorakten im Ausland sicherstel- len (Drucksachen 16/585, 16/12697) . . . . . . . Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jörg van Essen (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Siegfried Kauder (Villingen- Schwenningen) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Jörn Wunderlich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Siegfried Kauder (Villingen- Schwenningen) (CDU/CSU) . . . . . . . . . Anton Schaaf (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Paul Lehrieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23552 D 23554 D 23556 A 23557 C 23558 C 23559 B 23560 C 23561 D 23563 A 23563 A 23563 B 23563 B 23564 D 23565 C 23566 D 23567 D 23568 C 23569 A 23570 A 23570 C Tagesordnungspunkt 7: – Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Ernst Burgbacher, Gisela Piltz, Jens Ackermann, weiteren Abgeord- neten und der Fraktion der FDP einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung von Volksinitiative, Volks- begehren und Volksentscheid in das Grundgesetz (Drucksachen 16/474, 16/12019) . . . . . . . – Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Wolfgang Wieland, Hans- Christian Ströbele, Irmingard Schewe- Gerigk, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Ein- führung von Volksinitiative, Volksbe- gehren und Volksentscheid) (Drucksachen 16/680, 16/12019) . . . . . . . – Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Petra Pau, Dr. Gregor Gysi, Dr. Lothar Bisky, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zur Einfüh- rung der dreistufigen Volksgesetz- gebung in das Grundgesetz (Drucksachen 16/1411, 16/12019) . . . . . . Ingo Wellenreuther (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gisela Piltz (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU) . . . . Michael Hartmann (Wackernheim) (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Petra Pau (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jan Mücke (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gert Winkelmeier (fraktionslos) . . . . . . . . . . Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU) . . . . Maik Reichel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 6: – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Förde- rung von Biokraftstoffen (Drucksachen 16/11131, 16/11641, 16/12465) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23571 D 23571 D 23571 D 23572 A 23573 A 23574 A 23574 D 23576 A 23577 C 23578 D 23580 A 23580 B 23581 A 23583 A 23584 D VI Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 217. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 23. April 2009 – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 16/12466) . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 7: Beschlussempfehlung und Bericht des Fi- nanzausschusses zu dem Antrag der Abgeord- neten Hans-Kurt Hill, Eva Bulling-Schröter, Lutz Heilmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Stufenbesteue- rung und Quotenpflicht bei Biokraftstoffen zurücknehmen – Nachhaltigkeitskriterien umgehend einführen (Drucksachen 16/5679, 16/12699) . . . . . . . . . Marko Mühlstein (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Kauch (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Andreas Jung (Konstanz) (CDU/CSU) . . . . . Hans-Kurt Hill (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Christine Scheel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Müller, Parl. Staatssekretär BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Marie-Luise Dött (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 9: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für die Angelegenheiten der Euro- päischen Union – zu dem Antrag der Abgeordneten Markus Löning, Michael Link (Heilbronn), Florian Toncar, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Europäisches Parlament stärken – Sitzfrage durch Europaparlamentarier entscheiden las- sen – zu dem Antrag der Abgeordneten Rainder Steenblock, Jürgen Trittin, Omid Nouripour, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Plenarsitzungen des Europäischen Par- laments gänzlich in Brüssel und Tagun- gen des Europäischen Rates in Straß- burg abhalten (Drucksachen 16/9427, 16/8051, 16/9697) . . Michael Roth (Heringen) (SPD) . . . . . . . . . . . Dr. Daniel Volk (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thomas Dörflinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Alexander Ulrich (DIE LINKE) . . . . . . . . Dr. Diether Dehm (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 23585 A 23585 A 23585 B 23586 B 23587 B 23588 C 23589 C 23590 C 23591 D 23593 C 23593 D 23594 D 23596 A 23597 D 23598 C Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Axel Schäfer (Bochum) (SPD) . . . . . . . . . . . Dr. Diether Dehm (DIE LINKE) . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 10: Vereinbarte Debatte: Jährliche Strategiepla- nung der EU-Kommission für 2010 . . . . . . Günter Gloser, Staatsminister für Europa . . . . . . . . . . . . . Mechthild Dyckmans (FDP) . . . . . . . . . . . . . Helmut Lamp (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Alexander Ulrich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Eva Högl (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thomas Silberhorn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 11: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zu dem Antrag der Abge- ordneten Dr. Kirsten Tackmann, Dr. Gesine Lötzsch, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion DIE LINKE: Volkswirtschaftliche Kosten der Agro-Gen- technik ermitteln und offenlegen (Drucksachen 16/7903, 16/10578) . . . . . . . . . Johannes Röring (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Dr. Christel Happach-Kasan (FDP) . . . . . . . . Elvira Drobinski-Weiß (SPD) . . . . . . . . . . . . Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) . . . . . . . Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulrich Kelber (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 8: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung des Kinderschutzes (Kinder- schutzgesetz) (Drucksache 16/12429) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Miriam Gruß (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Caren Marks (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23599 C 23600 C 23601 C 23602 B 23602 B 23603 C 23604 D 23606 A 23607 B 23608 C 23610 A 23611 C 23611 D 23613 B 23614 C 23615 B 23616 A 23616 D 23617 C 23618 D 23619 A 23620 D 23622 A Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 217. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 23. April 2009 VII Diana Golze (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michaela Noll (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Marlene Rupprecht (Tuchenbach) (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 13: a) Antrag der Abgeordneten Silke Stokar von Neuforn, Volker Beck (Köln), Monika Lazar, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Abrüstung in Privatwohnungen – Maß- nahmen gegen Waffenmissbrauch (Drucksache 16/12477) . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Wolfgang Nešković, Ulla Jelpke, Ulrich Maurer, Bodo Ramelow und der Fraktion DIE LINKE: Keine Schusswaffen in Privat- haushalten – Änderung des Waffen- rechts (Drucksache 16/12395) . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 8: Erste Beratung des von den Abgeordneten Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Dr. Max Stadler, Gisela Piltz, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs ei- nes Gesetzes zur Änderung des Waffenge- setzes (Drucksache 16/12663) . . . . . . . . . . . . . . . . . Silke Stokar von Neuforn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reinhard Grindel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP) . . . . . . . . Gabriele Fograscher (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 12: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend – zu dem Antrag der Abgeordneten Antje Blumenthal, Hubert Hüppe, Thomas Bareiß, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Marlene Rupprecht (Tuchenbach), Renate 23623 B 23624 C 23625 C 23626 D 23628 B 23628 C 23628 C 23628 D 23629 D 23631 C 23632 D 23634 B Gradistanac, Angelika Graf (Rosenheim), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Frauen und Mädchen mit Be- hinderungen wirksam vor Gewalt schützen und Hilfsangebote verbessern – zu der Unterrichtung durch die Bundes- regierung: Lage der Frauen mit Behin- derungen in der Europäischen Union Entschließung des Europäischen Parla- ments vom 26. April 2007 zur Lage der Frauen mit Behinderungen in der Euro- päischen Union (2006/2277(INI)) (EuB-EP 1492) (Drucksachen 16/11775, 16/6041 Nr. 1.7, 16/12545) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 15: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Tourismus zu dem Antrag der Abgeordneten Ernst Burgbacher, Dr. Karl Addicks, Jens Ackermann, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der FDP: Potenziale der Tourismusbranche in der Entwick- lungszusammenarbeit durch Aufgaben- bündelung im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie ausschöpfen (Drucksachen 16/8176, 16/12185) . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 9: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Reform des Kontopfändungs- schutzes (Drucksachen 16/7615, 16/12714) . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 17: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zu dem Antrag der Abge- ordneten Heike Hänsel, Alexander Ulrich, Monika Knoche, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Keine Unterstüt- zung von Militäreinsätzen aus dem Euro- päischen Entwicklungsfonds (Drucksachen 16/4490, 16/5984) . . . . . . . . . . Anette Hübinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Dr. Bärbel Kofler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Hellmut Königshaus (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Thilo Hoppe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23635 A 23635 C 23635 D 23636 B 23636 C 23637 B 23638 C 23639 B 23640 A VIII Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 217. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 23. April 2009 Tagesordnungspunkt 14: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 30. Mai 2008 über Streumunition (Drucksachen 16/12226, 16/12698) . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 19: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Arbeit und Soziales – zu dem Antrag der Abgeordneten Brigitte Pothmer, Rainder Steenblock, Manuel Sarrazin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Abschottungspolitik beenden – Volle Arbeitnehmerfreizügigkeit ab 2009 her- stellen – zu dem Antrag der Abgeordneten Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Dr. Heinrich L. Kolb, Dirk Niebel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: EU-Arbeitnehmer- freizügigkeit sofort und unbeschränkt in der Bundesrepublik Deutschland ge- währen (Drucksachen 16/10237, 16/10310, 16/10688) Thomas Bareiß (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Josip Juratovic (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP) . . . . . . . . Kornelia Möller (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 16: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- wärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, Eckart von Klaeden, Anke Eymer (Lübeck), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Dr. Rolf Mützenich, Gert Weisskirchen (Wiesloch), Gerd Andres, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Nichtstaatliche militärische Sicherheitsunternehmen kontrollieren (Drucksachen 16/10846, 16/12479) . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- wärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Paul Schäfer (Köln), Monika Knoche, Hüseyin-Kenan Aydin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Internationale Ächtung des Söldnerwesens und Verbot der Erbrin- gung militärischer Dienstleistungen durch Privatpersonen und Unternehmen (Drucksachen 16/11375, 16/12134) . . . . . 23641 A 23641 B 23641 C 23643 A 23644 A 23644 D 23645 C 23646 B 23646 C Tagesordnungspunkt 21: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für die Angelegenheiten der Euro- päischen Union zu dem Antrag der Abgeord- neten Dr. Hakki Keskin, Monika Knoche, Hüseyin-Kenan Aydin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Gewerkschaf- ten in der Türkei stärken (Drucksachen 16/11248, 16/12655) . . . . . . . . Thomas Bareiß (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Dr. Lale Akgün (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Markus Löning (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Hakki Keskin (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Claudia Roth (Augsburg) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 18: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung der ab- fallrechtlichen Produktverantwortung für Batterien und Akkumulatoren (Drucksachen 16/12227, 16/12301, 16/12721) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Ab- geordneten Sylvia Kotting-Uhl, Hans- Josef Fell, Bärbel Höhn, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Schadstoffbelastung durch Batterien begrenzen (Drucksachen 16/11917, 16/12721) . . . . . Tagesordnungspunkt 23: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- wärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Ab- geordneten Dr. Uschi Eid, Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck (Köln), weiterer Ab- geordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Sanitäre Grundversorgung international verbessern (Drucksachen 16/11204, 16/11812) . . . . . . . . Sibylle Pfeiffer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Brunhilde Irber (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gabriele Groneberg (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Karl Addicks (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Hüseyin-Kenan Aydin (DIE LINKE) . . . . . . . Dr. Uschi Eid (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23647 A 23647 A 23649 A 23650 C 23651 B 23651 D 23652 D 23652 D 23653 B 23653 C 23654 B 23655 B 23656 A 23656 D 23657 C Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 217. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 23. April 2009 IX Tagesordnungspunkt 20: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung behördlicher Auf- gaben und Kompetenzen im Bereich des wirtschaftlichen Verbraucherschutzes (Drucksachen 16/12232, 16/12518) . . . . . . . . Kurt Segner (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . Elvira Drobinski-Weiß (SPD) . . . . . . . . . . . . . Hans-Michael Goldmann (FDP) . . . . . . . . . . Karin Binder (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 25: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Wirtschaft und Technologie zu dem Antrag der Abgeordneten Hans-Kurt Hill, Dr. Gesine Lötzsch, Dr. Barbara Höll, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Anreizregulierung im Strom- und Gassektor nachbessern – Benachteiligung von städtischen Versorgern verhindern (Drucksachen 16/11878, 16/12167) . . . . . . . . Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Rolf Hempelmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Gudrun Kopp (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Kurt Hill (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 22: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung des Beschlusses des Rates 2008/ 615/JI vom 23. Juni 2008 zur Vertiefung der grenzüberschreitenden Zusammen- arbeit, insbesondere zur Bekämpfung des Terrorismus und der grenzüberschreiten- den Kriminalität (Drucksache 16/12585) . . . . . . . . . . . . . . . . . Clemens Binninger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Wolfgang Gunkel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Max Stadler (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23658 B 23658 C 23659 B 23660 A 23660 B 23661 A 23661 D 23661 D 23663 C 23664 C 23665 A 23665 C 23666 B 23666 C 23667 B 23668 B 23668 C 23669 B Tagesordnungspunkt 28: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Gesundheit – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Harald Terpe, Birgitt Bender, Elisabeth Scharfenberg, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Humanitäre Entschädi- gungslösung für mit HCV infizierte Hämophilieerkrankte schaffen – zu dem Antrag der Abgeordneten Frank Spieth, Klaus Ernst, Dr. Martina Bunge, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Entschädigungsregelung für durch Blutprodukte mit HCV infi- zierte Bluter schaffen (Drucksachen 16/10879, 16/11685, 16/12515) Jens Spahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . Christian Kleiminger (SPD) . . . . . . . . . . . . . Dr. Konrad Schily (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Frank Spieth (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 24: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Geset- zes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (Drucksache 16/12596) . . . . . . . . . . . . . . . . . Peter Rauen (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Grotthaus (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Katja Kipping (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus Brandner, Parl. Staatssekretär BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 29: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Gesundheit zu dem Antrag der Abgeordneten Frank Spieth, Klaus Ernst, Dr. Martina Bunge, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Kürzungen bei künstlicher Befruchtung zurückneh- men (Drucksachen 16/11663, 16/12514) . . . . . . . . Dr. Rolf Koschorrek (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Mechthild Rawert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 23670 A 23670 B 23671 A 23671 D 23672 A 23672 D 23673 D 23674 A 23675 B 23675 D 23676 B 23677 B 23677 D 23679 A 23679 A 23680 A X Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 217. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 23. April 2009 Dr. Konrad Schily (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Frank Spieth (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 26: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung von Bürgerportalen und zur Änderung weiterer Vorschriften (Drucksache 16/12598) . . . . . . . . . . . . . . . . . Clemens Binninger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Dr. Michael Bürsch (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Gisela Piltz (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jan Korte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . Silke Stokar von Neuforn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 30: Antrag der Abgeordneten Sevim Dağdelen, Wolfgang Nešković, Ulla Jelpke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Unabhängige Beauftragte zur Untersu- chung von Polizeigewalt (Drucksache 16/12683) . . . . . . . . . . . . . . . . . Helmut Brandt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Gunkel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Gisela Piltz (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 31: Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zu dem Antrag der Abge- ordneten Katrin Kunert, Dr. Axel Troost, Dr. Gesine Lötzsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Gewerbesteu- erumlage – An den Bund abschaffen, an die Länder schrittweise auf Null absenken (Drucksachen 16/11373, 16/12700) . . . . . . . . Antje Tillmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Bernd Scheelen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Frank Schäffler (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Katrin Kunert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23682 B 23682 C 23683 C 23684 C 23684 C 23685 D 23686 C 23687 D 23688 C 23689 C 23689 D 23690 D 23691 B 23692 C 23694 B 23695 A 23695 A 23696 B 23696 D 23697 B 23698 C 23699 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . Anlage 2 Erklärungen nach § 31 GO zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Ände- rung der Förderung von Biokraftstoffen (Zu- satztagesordnungspunkt 6) Dr. Axel Berg (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elvira Drobinski-Weiß (SPD) . . . . . . . . . . . . . Gabriele Groneberg (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Gabriele Lösekrug-Möller (SPD) . . . . . . . . . Marko Mühlstein (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Detlef Müller (Chemnitz) (SPD) . . . . . . . . . . Mechthild Rawert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Anita Schäfer (Saalstadt) (CDU/CSU) . . . . . Dr. Hermann Scheer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Marianne Schieder (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Norbert Schindler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Reinhard Schultz (Everswinkel) (SPD) . . . . . Lydia Westrich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD) . . . . . . . Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Maria Flachsbarth und Dr. Joachim Pfeiffer (beide CDU/CSU) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Ände- rung der Förderung von Biokraftstoffen (Zu- satztagesordnungspunkt 6) . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Josef Göppel, Dr. Georg Nüßlein, Cajus Caesar und Jens Koeppen (alle CDU/CSU) zur Abstimmung über den Entwurf eines Ge- setzes zur Änderung der Förderung von Bio- kraftstoffen (Zusatztagesordnungspunkt 6) . . Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Beschlussempfehlung und Bericht: Frauen und Mädchen mit Behinderungen wirksam vor Gewalt schützen und Hilfsangebote verbessern 23701 A 23701 D 23703 B 23703 D 23704 C 23705 A 23705 B 23705 D 23706 B 23707 A 23707 C 23707 D 23708 C 23709 A 23709 D 23710 B 23710 D Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 217. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 23. April 2009 XI – Unterrichtung durch die Bundesregierung: Lage der Frauen mit Behinderungen in der Europäischen Union Entschließung des Europäischen Parla- Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zu dem Überein- kommen vom 30. Mai 2008 über Streumuni- ments vom 26. April 2007 zur Lage der Frauen mit Behinderungen in der Europäi- schen Union (2006/2277(INI)) (Tagesordnungspunkt 12) Antje Blumenthal (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Marlene Rupprecht (Tuchenbach) (SPD) . . . . Ina Lenke (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts: Potenziale der Tourismusbranche in der Ent- wicklungszusammenarbeit durch Aufgaben- bündelung im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie ausschöpfen (Ta- gesordnungspunkt 15) Jürgen Klimke (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Reinhold Hemker (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Ernst Burgbacher (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Reform des Kontopfändungsschutzes (Zusatztagesord- nungspunkt 9) Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU) . . . . . . Dirk Manzewski (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mechthild Dyckmans (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23611 C 23612 D 23614 A 23614 C 23615 B 23616 A 23617 C 23618 C 23619 C 23620 B 23620 D 23622 A 23622 C 23623 B 23624 B 23624 D tion (Tagesordnungspunkt 14) Eduard Lintner (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Andreas Weigel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Florian Toncar (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inge Höger (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Beschlussempfehlung und Bericht: Nicht- staatliche militärische Sicherheitsunter- nehmen kontrollieren – Beschlussempfehlung und Bericht: Inter- nationale Ächtung des Söldnerwesens und Verbot der Erbringung militärischer Dienstleistungen durch Privatpersonen und Unternehmen (Tagesordnungspunkt 16 a und b) Holger Haibach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Dr. Wolfgang Wodarg (SPD) . . . . . . . . . . . . . Jörg van Essen (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE) . . . . . . . . . Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der abfallrechtlichen Produktverantwor- tung für Batterien und Akkumulatoren – Beschlussempfehlung und Bericht: Schad- stoffbelastung durch Batterien begrenzen (Tagesordnungspunkt 18 a und b) Michael Brand (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Gerd Bollmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Horst Meierhofer (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . . Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23725 D 23726 C 23727 C 23728 C 23729 B 23730 C 23731 D 23732 C 23733 C 23734 C 23735 B 23736 D 23737 D 23738 C 23739 A Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 217. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 23. April 2009 23495 (A) (C) (B) (D) 217. Si Berlin, Donnerstag, Beginn: 9
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    Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 217. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 23. April 2009 23701 (A) (C) (B) (D) Förderung von Reinkraftstoffen, um den CO -Ausstoß preise fast vollständig zum Erliegen gebracht. Das ist eine Fehlentwicklung, denn Reinkraftstoffe entstehen inDr. Lauterbach, Karl SPD 23.04.2009 2 im Verkehrssektor zu verringern. Den Markt für Reinkraftstoffe haben die Steuererhö- hung für Reinkraftstoffe und die steigenden Rohstoff- Kipping, Katja DIE LINKE 23.04.2009 Knoche, Monika DIE LINKE 23.04.2009 Anlage 1 Liste der entschuldi Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Andreae, Kerstin BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 23.04.2009 Beck (Köln), Volker BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 23.04.2009 Becker, Dirk SPD 23.04.2009 Bender, Birgitt BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 23.04.2009 Bierwirth, Petra SPD 23.04.2009 Bluhm, Heidrun DIE LINKE 23.04.2009 Bodewig, Kurt SPD 23.04.2009* Dr. Botz, Gerhard SPD 23.04.2009 Burchardt, Ulla SPD 23.04.2009 Dağdelen, Sevim DIE LINKE 23.04.2009 Duin, Garrelt SPD 23.04.2009 Ernstberger, Petra SPD 23.04.2009 Eymer (Lübeck), Anke CDU/CSU 23.04.2009 Fell, Hans-Josef BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 23.04.2009 Dr. Fuchs, Michael CDU/CSU 23.04.2009 Gabriel, Sigmar SPD 23.04.2009 Gehrcke, Wolfgang DIE LINKE 23.04.2009 Dr. Geisen, Edmund Peter FDP 23.04.2009 Dr. Gerhardt, Wolfgang FDP 23.04.2009 Gleicke, Iris SPD 23.04.2009 Hermann, Winfried BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 23.04.2009 Anlagen zum Stenografischen Bericht gten Abgeordneten * für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver- sammlung der NATO Anlage 2 Erklärungen nach § 31 GO zur Abstimmung über den Entwurf eines Geset- zes zur Änderung der Förderung von Biokraft- stoffen (Zusatztagesordnungspunkt 6) Dr. Axel Berg (SPD): Ich habe mich im Rahmen der Diskussion um Biokraftstoffe immer für eine Zwei- Wege-Strategie eingesetzt. Ich wollte die Einführung ei- ner Quote zur Beimischung von Biokraftstoffen und eine Maisch, Nicole BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 23.04.2009 Nahles, Andrea SPD 23.04.2009 Scharfenberg, Elisabeth BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 23.04.2009 Dr. Scheer, Hermann SPD 23.04.2009 Schily, Otto SPD 23.04.2009 Schmidt (Nürnberg), Renate SPD 23.04.2009 Dr. Schwanholz, Martin SPD 23.04.2009 Tauss, Jörg SPD 23.04.2009 Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 23.04.2009 Wieczorek-Zeul, Heidemarie SPD 23.04.2009 Wolff (Wolmirstedt), Waltraud SPD 23.04.2009 Zapf, Uta SPD 23.04.2009 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich 23702 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 217. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 23. April 2009 (A) (C) (B) (D) einer regionalen Wertschöpfungskette. Vom Anbau der Pflanzen über die Veredelung bis zum Verbrauch wäre alles in Deutschland machbar gewesen. Biodiesel aus deutscher Produktion führt zu einer CO2-Reduktion von 45 Prozent gegenüber fossilem Diesel, Pflanzenöle aus deutschem Anbau sogar um 58 Prozent. In Deutschland könnten wir durch den Einsatz von Biodiesel bis zu 15 Prozent des fossilen Diesels ersetzen. Stattdessen hat der Tanktourismus wieder zugenommen. Allein 200 000 Speditions-Lkw, die bereits auf Biodiesel umgesattelt hatten, fahren jetzt wieder mit fossilem Diesel und tan- ken in der Regel im Ausland. Die damit verbundenen Mehrwertsteuerverluste dürften die Einnahmen aus der Biokraftstoffbesteuerung weit übertreffen. Wenn schon die Reinkraftstoffe nicht mehr zu einer CO2-Reduktion führen, weil sie praktisch aus dem Markt verdrängt werden, dürfen wir nicht auch noch die Beimi- schungsquoten senken. Durch die Entscheidung, aus- schließlich auf die Beimischung zu setzen, haben wir dem Mittelstand sehr geschadet, da die großen Mineral- ölkonzerne sich auf den Weltmärkten ihre nötigen bioge- nen Anteile sehr viel billiger besorgen und damit auf dem Markt mit Dumpingpreisen auftreten können. Aus ökologischen, ökonomischen und aus Gründen des Vertrauensschutzes dürfen wir nicht auch noch die Senkung der Quote zulassen. Wenn wir dieses Jahr die Quote um 1 Prozent senken und nächstes Jahr um 1 Prozent anheben, treffen wir ausschließlich den Mittel- stand. Dieser kann sich bei ständig wechselnden Quoten nicht auf einen Absatz verlassen. Die Verlässlichkeit des Absatzes ist aber zum Überleben notwendig. Ansonsten verdrängen die großen Mineralölkonzerne den Mittel- stand vom Markt. Das kann und möchte ich nicht unter- stützen. Im Rahmen der Verhandlungen zum Gesetz zur Än- derung der Förderung von Biokraftstoffen habe ich mich für eine Steuerbefreiung des im Öffentlichen Personen- nahverkehr – einschließlich Schienennahverkehr – ver- wendeten Biodiesels eingesetzt. Diese Maßnahme hätte einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz bedeutet. Weiterhin hätten von dieser Maßnahme nicht nur die Verkehrsbetriebe der Kommunen profitiert, sondern auch die Landwirte und Biodieselproduzenten vor Ort. Ich habe das Ziel verfolgt, den Kraftstoff E 10 als freiwilliges Angebot einzuführen. Hierdurch wäre der Wettbewerb auf dem Mineralölmarkt zugunsten von Millionen Autofahrern gestärkt worden. Denn E 10 ist ein qualitativ hochwertiger Kraftstoff, der im Vergleich zu den Premiumsorten der großen Mineralölkonzerne günstiger angeboten werden kann. Bei einer freiwilligen Einführung hätte zudem jeder Fahrzeughalter auf der Grundlage der Angaben des Herstellers selbst entschei- den können, ob er E 10 tankt oder auch nicht. Aufgrund der Abwrackprämie sind zudem viele E-10-untaugliche Fahrzeuge durch Fahrzeuge ersetzt worden, die E 10 vertragen. Dies nimmt der Argumentation, dass ein Großteil der Fahrzeuge E 10 nicht vertragen könnte, die Grundlage. Des Weiteren halte ich die im Gesetz enthaltene Ver- ordnungsermächtigung zur Zulassung des Co-Hydro- treating-Verfahrens ohne Zustimmung des Bundestages für äußerst problematisch. Co-Hydrotreating würde in Deutschland nahezu die kompletten Biokraftstoffherstel- ler des Absatzes berauben, weil Co-Hydrotreating als Vorprodukt nur Pflanzenöl und eben keinen Biodiesel benötigt. Betroffen sind zahlreiche Arbeitsplätze und Unternehmen. Außerdem werden damit umfangreiche öffentliche Fördermittel „in den Sand gesetzt“. Hier- durch droht eine möglicherweise grenzenlose Wettbe- werbsverzerrung zuungunsten des mittelständischen Mi- neralölhandels. Denn die ab 1. Januar 2010 vorgesehene Gesamtquote von 6,25 Prozent kann ohne das Inverkehr- bringen von E 10 und gleichzeitiger Möglichkeit des Co- Hydrotreating nur noch von den großen Mineralölkon- zernen erfüllt werden. Das Gesetz wird zusammen mit der 10. Bundes-Immissionsschutzverordnung (BlmschV) eine dramatische Verschlechterung der Wettbewerbs- situation zulasten des Mittelstandes und der Verbraucher herbeiführen. Kurz gesagt: Die 10. BlmSchV nimmt dem Mittelstand die Möglichkeit, freiwillig E 10 in den Markt zu bringen, und zugleich gibt sie ausschließlich den Konzernen die zusätzliche Möglichkeit, biogene Öle (Co-Hydrierung) als Quotenerfüllung einzusetzen. Auf die mittelständischen Firmen kämen hingegen jährliche Ausgleichzahlungen in Höhe von mindestens 100 Mil- lionen Euro zu. Da diese Belastungen nicht einfach auf die Kunden umgelegt werden können, wäre ein wirt- schaftliches Arbeiten nicht mehr möglich. Ich werde mich in den nächsten Wochen dafür einset- zen, dass der im Entschließungsantrag zum Gesetz von SPD und Union formulierte Wille, die Verordnungser- mächtigung unter Parlamentsvorbehalt zu stellen, umge- setzt wird. Die Bemühungen hinsichtlich einer Nachhaltigkeits- verordnung erachte ich als notwendig und positiv. Die größte Kritik an der Nutzung von Biomasse richtet sich auf eine vermeintliche Konkurrenz zwischen Nahrungs- mitteln und der energetischen Nutzung von Pflanzen. Es darf selbstverständlich nicht dazu kommen, dass es zu Entscheidungen zwischen Biokraftstoffen und Lebens- mitteln kommt. Wir dürfen nicht mit der Nahrung ande- rer Menschen unsere Autos antreiben, das muss allge- mein gültiger Konsens werden, auch oder vor allem wenn wirtschaftliche Interessen zu anderen Entscheidun- gen drängen. Nach aktuellen Zahlen ist das zurzeit nicht so. 5 Prozent der Weltgetreidenutzung werden für Kraft- stoffe genutzt, 95 Prozent werden als Nahrungs- oder Futtermittel verwendet. Die Probleme liegen an anderer Stelle. Europäische und deutsche Nutzflächen sind in den letzten Jahren still- gelegt worden, weil sich Anbau von Getreide nicht mehr lohnte und Importe günstiger waren. Die meisten Flä- chen, die in Deutschland genutzt werden, können nur durch massive Subventionen der Europäischen Union wirtschaftlich geführt werden. Derartige Subventionie- rungen spielen aber nicht nur für den europäischen Markt eine besondere Rolle, sondern vor allen Dingen sind sie der Grund für den Hunger in Schwellen- und Entwicklungsländern. Subventionierte Getreideexporte aus den USA oder Europa überschwemmen die Märkte in diesen Weltregionen. Weil die Importe günstiger sind Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 217. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 23. April 2009 23703 (A) (C) (B) (D) als der eigene Anbau, wurden Ackerflächen vor Ort nicht weiter genutzt oder zur Produktion von Nutzpflan- zen in Monokulturen umgewandelt. Dadurch begaben sich viele Länder in eine Abhängigkeit von Nahrungs- mittelimporten, obwohl die Potenziale zur eigenen Ver- sorgung vorhanden wären. Wenn die Preise für Lebens- mittel wie im letzten Jahr ansteigen, führt dies zu Hungerkatastrophen, weil viele Länder die teuren Im- porte nicht mehr zahlen können. Spekulation, leere La- ger, steigender Bedarf an Milch und Fleischprodukten sowie vernachlässigte Produktion führen ebenfalls zu steigenden Preisen. In diesem Zusammenhang könnten Quoten für die Beimischung von Biosprit oder Quoten für Reinkraftstoffe zu einer weiteren Verschärfung der Probleme führen. Sie sind aber nicht der Grund für der- artige vermeidbare Katastrophen. Die Problematik besteht allerdings auch in einer an- deren Richtung. Dadurch, dass Industrieländer ihre eige- nen Märkte für Importe aus Entwicklungsländern ab- schotten, können diese selbst von steigenden Weltmarktpreisen nicht profitieren, obwohl ihre Produk- tionskapazitäten ausreichend wären, um auch externe Nachfrage zu bedienen. Eine Nachhaltigkeitszertifizierung liegt bis heute nicht vor, sodass nicht nachhaltig erzeugte Biokraftstoffe auf den Markt kamen. Das führte zu berechtigter Kritik und beschädigte das ökologische Image von Biokraft- stoffen. Es ist richtig und wichtig, dass Quoten und Re- gelungen für die Nutzung von Biomasse anhand von Prinzipien wie Nachhaltigkeit, ökologischer Sinnhaftig- keit und im Zusammenhang mit der weltweiten Nah- rungsmittelsituation überprüft werden. Dies kann zwi- schenzeitlich dazu führen, dass Quoten nicht weiter steigen dürfen. Sie dürfen aber auch nicht sinken. Gene- rell sehe ich aber die Beimischung und direkte Nutzung von Biosprit als einen wichtigen Schritt, den wir hin zu einer nachhaltigen Mobilität gehen müssen. Auch die Nachhaltigkeitsverordnung sollte unter Par- lamentsvorbehalt gestellt werden. Zudem sollten für sämtliche Erzeugnisse Nachhaltigkeitsnachweise einge- fordert werden. Es ist nicht einzusehen, warum nur für die Biokraftstoffbranche Nachhaltigkeitskriterien festge- setzt werden sollten. Dies ist eine Wettbewerbsverzer- rung gegenüber vielen anderen Produkten, insbesondere fossilen Rohstoffen und auch Futtermitteln. Bei eingehender Betrachtung all dieser Argumente, kann ich diesem Gesetzentwurf, trotz einiger guter An- sätze, nicht zustimmen. Wir würden eine Branche ver- nichten, von der ich denke, dass sie ökologischen und ökonomischen Nutzen hat. Wir brauchen beides. Elvira Drobinski-Weiß (SPD): Der aktuelle Bio- kraftstoffzwischenbericht kommt für den Zeitraum Ja- nuar bis September 2008 zum Ergebnis, dass alle Bio- dieselanlagen unterkompensiert sind. Lediglich große Pflanzenölanlagen sind überkompensiert, kommen je- doch mit der nächsten Steuerstufe in 2009 wahrschein- lich in wirtschaftliche Bedrängnis. Auf diese Situation und insbesondere die für die kleinen Betriebe festge- stellte Unterkompensation hätte im Rahmen dieses Ge- setzes reagiert werden müssen. Im Rahmen der Verhandlungen zum Gesetz zur Än- derung der Förderung von Biokraftstoffen wurde insbe- sondere über eine Steuerbefreiung des im öffentlichen Personennahverkehr einschließlich Schienennahverkehr verwendeten Biodiesels diskutiert. Diese Maßnahme hätte einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz bedeu- tet; schließlich führt Biodiesel aus deutscher Produktion zu einer CO2-Reduktion von 45 Prozent gegenüber fos- silem Diesel. Weiterhin hätten von dieser Maßnahme nicht nur die Verkehrsbetriebe der Kommunen profitiert, sondern auch die Landwirte und Biodieselproduzenten vor Ort. Dies wäre ein sinnvoller Beitrag zur Stärkung und für den Aufbau regionaler nachhaltiger Wirtschafts- kreisläufe gewesen. Es wäre möglich gewesen, den Kraftstoff E 10 als freiwilliges Angebot einzuführen. Hierdurch wäre der Wettbewerb auf dem Mineralölmarkt zugunsten von Millionen Autofahrern gestärkt worden. Denn E 10 ist ein qualitativ hochwertiger Kraftstoff, der im Vergleich zu den Premiumsorten der großen Mineralölkonzerne günstiger angeboten werden kann. Bei einer freiwilligen Einführung hätte zudem jeder Fahrzeughalter auf der Grundlage der Angaben des Herstellers selbst entschei- den können, ob er E 10 tankt oder auch nicht. Die im Gesetz enthaltene Verordnungsermächtigung zur Zulassung des Co-Hydrotreating-Verfahrens halte ich für äußerst problematisch und ohne Zustimmung des Bundestages für falsch. Hierdurch wird eine grenzenlose Wettbewerbsverzerrung zuungunsten des mittelständi- schen Mineralölhandels in Gang gesetzt. Denn die ab 1. Januar 2010 vorgesehene Gesamtquote von 6,25 Pro- zent kann ohne das Inverkehrbringen von E 10 und gleichzeitiger Möglichkeit des Co-Hydrotreatings nur noch von den großen Mineralölkonzernen erfüllt wer- den. Auf die mittelständischen Firmen kämen hingegen jährliche Ausgleichzahlungen in Höhe von mindestens 100 Millionen Euro zu. Da diese Belastungen nicht ein- fach auf die Kunden umgelegt werden können, wäre ein wirtschaftliches Arbeiten nicht mehr möglich. Für diese Vorschläge gab es innerhalb der Koalition keine Mehrheit. Damit wurde die Möglichkeit vergeben, auf die Situation am Biokraftstoffmarkt zu reagieren. Aus diesen Gründen enthalte ich mich bei der Ab- stimmung. Gabriele Groneberg (SPD): Im Rahmen der Ver- handlungen zum Gesetz zur Änderung der Förderung von Biokraftstoffen habe ich mich für eine Steuerbefrei- ung des im Öffentlichen Personennahverkehr einschließ- lich Schienennahverkehr verwendeten Biodiesels einge- setzt. Diese Maßnahme hätte einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz bedeutet; schließlich führt Biodiesel aus deutscher Produktion zu einer CO2-Reduktion von 45 Prozent gegenüber fossilem Diesel. Weiterhin hätten von dieser Maßnahme nicht nur die Verkehrsbetriebe der Kommunen profitiert, sondern auch die Landwirte und Biodieselproduzenten vor Ort. Außerdem wäre dies ein 23704 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 217. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 23. April 2009 (A) (C) (B) (D) sinnvoller Beitrag zur Stärkung und für den Aufbau re- gionaler nachhaltiger Wirtschaftskreisläufe gewesen. Ich habe das Ziel verfolgt, den Kraftstoff E 10 als freiwilliges Angebot einzuführen. Hierdurch wäre der Wettbewerb auf dem Mineralölmarkt zugunsten von Millionen Autofahrern gestärkt worden. Denn E 10 ist ein qualitativ hochwertiger Kraftstoff, der im Vergleich zu den Premiumsorten der großen Mineralölkonzerne günstiger angeboten werden kann. Bei einer freiwilligen Einführung hätte zudem jeder Fahrzeughalter auf der Grundlage der Angaben des Herstellers selbst entschei- den können, ob er E 10 tankt oder auch nicht. Des Weiteren halte ich die im Gesetz enthaltene Ver- ordnungsermächtigung zur Zulassung des Co-Hydro- treating-Verfahrens ohne Zustimmung des Bundestages für äußerst problematisch. Hierdurch droht eine mögli- cherweise grenzenlose Wettbewerbsverzerrung zuun- gunsten des mittelständischen Mineralölhandels. Denn die ab 1. Januar 2010 vorgesehene Gesamtquote von 6,25 Prozent kann ohne das Inverkehrbringen von E 10 und gleichzeitiger Möglichkeit des Co-Hydrotreatings nur noch von den großen Mineralölkonzernen erfüllt werden. Auf die mittelständischen Firmen kämen hinge- gen jährliche Ausgleichzahlungen in Höhe von mindes- tens 100 Millionen Euro zu. Da diese Belastungen nicht einfach auf die Kunden umgelegt werden können, wäre ein wirtschaftliches Arbeiten nicht mehr möglich. Ich werde mich in den nächsten Wochen dafür einset- zen, dass der im Entschließungsantrag zum Gesetz von SPD und Union formulierte Wille, die Verordnungser- mächtigung unter Parlamentsvorbehalt zu stellen, umge- setzt wird. Die Bemühungen hinsichtlich einer Nachhaltigkeits- verordnung erachte ich als notwendig und positiv. Die größte Kritik an der Nutzung von Biomasse richtet sich auf eine zu erwartende Konkurrenz zwischen Nahrungs- mitteln und der energetischen Nutzung von Pflanzen. Es darf selbstverständlich nicht dazu kommen, dass es zu Entscheidungen zwischen Biokraftstoffen und Lebens- mitteln kommt. Wir dürfen nicht mit der Nahrung ande- rer Menschen unsere Autos antreiben, das muss allge- meingültiger Konsens werden, auch oder vor allem wenn wirtschaftliche Interessen zu anderen Entscheidun- gen drängen. Es ist richtig und wichtig, dass Quoten und Regelun- gen für die Nutzung von Biomasse anhand von Prinzi- pien wie Nachhaltigkeit, ökologischer Sinnhaftigkeit und im Zusammenhang mit der weltweiten Nahrungs- mittelsituation überprüft werden. Dies kann zwischen- zeitlich dazu führen, dass Quoten nicht weiter steigen dürfen. Generell sehe ich aber die Beimischung und di- rekte Nutzung von Biosprit als einen wichtigen Schritt, den wir hin zu einer nachhaltigen Mobilität gehen müs- sen. Wir brauchen dringend für die Nutzung von Biomasse eine Nachhaltigkeitsverordnung, die auch im Europarecht Geltung haben muss. Die Nachhaltigkeits- verordnung sollte auch unter Parlamentsvorbehalt ge- stellt werden. Für all die genannten Vorschläge habe ich innerhalb der Koalition keine mehrheitliche Unterstützung erfah- ren. Jedoch erachte ich die Bemühungen hinsichtlich ei- ner Nachhaltigkeitsverordnung als notwendig und sehr positiv. Deshalb enthalte ich mich bei der Abstimmung über dieses Gesetz der Stimme. Gabriele Lösekrug-Möller (SPD): Im Rahmen der Verhandlungen zum Gesetz zur Änderung der Förderung von Biokraftstoffen habe ich mich für eine Steuerbefrei- ung des im Öffentlichen Personennahverkehr einschließ- lich Schienennahverkehr verwendeten Biodiesels einge- setzt. Diese Maßnahme hätte einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz bedeutet; schließlich führt Biodiesel aus deutscher Produktion zu einer CO2-Reduktion von 45 Prozent gegenüber fossilem Diesel. Weiterhin hätten von dieser Maßnahme nicht nur die Verkehrsbetriebe der Kommunen profitiert, sondern auch die Landwirte und Biodieselproduzenten vor Ort. Außerdem wäre dies ein sinnvoller Beitrag zur Stärkung und für den Aufbau regio- naler nachhaltiger Wirtschaftskreisläufe gewesen. Ich habe das Ziel verfolgt, den Kraftstoff E 10 als freiwilliges Angebot einzuführen. Hierdurch wäre der Wettbewerb auf dem Mineralölmarkt zugunsten von Millionen Autofahrern gestärkt worden. Denn E 10 ist ein qualitativ hochwertiger Kraftstoff, der im Vergleich zu den Premiumsorten der großen Mineralölkonzerne günstiger angeboten werden kann. Bei einer freiwilligen Einführung hätte zudem jeder Fahrzeughalter auf der Grundlage der Angaben des Herstellers selbst entschei- den können, ob er E 10 tankt oder auch nicht. Des Weiteren halte ich die im Gesetz enthaltene Ver- ordnungsermächtigung zur Zulassung des Co-Hydro- treating-Verfahrens ohne Zustimmung des Bundestages für äußerst problematisch. Hierdurch droht eine mögli- cherweise grenzenlose Wettbewerbsverzerrung zuunguns- ten des mittelständischen Mineralölhandels. Denn die ab 1. Januar 2010 vorgesehene Gesamtquote von 6,25 Pro- zent kann ohne das Inverkehrbringen von E 10 und gleichzeitiger Möglichkeit des Co-Hydrotreatings nur noch von den großen Mineralölkonzernen erfüllt wer- den. Auf die mittelständischen Firmen kämen hingegen jährliche Ausgleichzahlungen in Höhe von mindestens 100 Millionen Euro zu. Da diese Belastungen nicht ein- fach auf die Kunden umgelegt werden können, wäre ein wirtschaftliches Arbeiten nicht mehr möglich. Ich werde mich in den nächsten Wochen dafür einset- zen, dass der im Entschließungsantrag zum Gesetz von SPD und Union formulierte Wille, die Verordnungs- ermächtigung unter Parlamentsvorbehalt zu stellen, um- gesetzt wird. Für all die genannten Vorschläge habe ich innerhalb der Koalition keine mehrheitliche Unterstützung erfah- ren. Jedoch erachte ich die Bemühungen hinsichtlich der Nachhaltigkeitsverordnungen als notwendig und sehr positiv. Deshalb enthalte ich mich bei der Abstimmung über dieses Gesetz der Stimme. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 217. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 23. April 2009 23705 (A) (C) (B) (D) Marko Mühlstein (SPD): Im Rahmen der Verhand- lungen zum Gesetz zur Änderung der Förderung von Biokraftstoffen habe ich mich für eine Steuerbefreiung des im öffentlichen Personennahverkehr einschließlich Schienennahverkehr verwendeten Biodiesels eingesetzt. Diese Maßnahme hätte einen wichtigen Beitrag zum Kli- maschutz bedeutet – schließlich führt Biodiesel aus deut- scher Produktion zu einer CO2-Reduktion von 45 Pro- zent gegenüber fossilem Diesel. Weiterhin hätten von dieser Maßnahme nicht nur die Verkehrsbetriebe der Kommunen profitiert, sondern auch die Landwirte und Biodieselproduzenten vor Ort. Außerdem wäre dies ein sinnvoller Beitrag zur Stärkung und für den Aufbau re- gionaler nachhaltiger Wirtschaftskreisläufe gewesen. Ich habe das Ziel verfolgt, den Kraftstoff E 10 als freiwilliges Angebot einzuführen. Hierdurch wäre der Wettbewerb auf dem Mineralölmarkt zugunsten von Millionen Autofahrern gestärkt worden. Denn E 10 ist ein qualitativ hochwertiger Kraftstoff, der im Vergleich zu den Premiumsorten der großen Mineralölkonzerne günstiger angeboten werden kann. Bei einer freiwilligen Einführung hätte zudem jeder Fahrzeughalter auf der Grundlage der Angaben des Herstellers selbst entschei- den können, ob er E 10 tankt oder auch nicht. Des Weiteren halte ich die im Gesetz enthaltene Ver- ordnungsermächtigung zur Zulassung des Co-Hydro- treating-Verfahrens ohne Zustimmung des Bundestages für äußerst problematisch. Hierdurch droht eine mögli- cherweise grenzenlose Wettbewerbsverzerrung zuunguns- ten des mittelständischen Mineralölhandels. Denn die ab 1. Januar 2010 vorgesehene Gesamtquote von 6,25 Pro- zent kann ohne das Inverkehrbringen von E 10 und die gleichzeitige Möglichkeit des Co-Hydrotreatings nur noch von den großen Mineralölkonzernen erfüllt wer- den. Auf die mittelständischen Firmen kämen hingegen jährliche Ausgleichszahlungen in Höhe von mindestens 100 Millionen Euro zu. Da diese Belastungen nicht ein- fach auf die Kunden umgelegt werden können, wäre ein wirtschaftliches Arbeiten nicht mehr möglich. Ich werde mich in den nächsten Wochen dafür einset- zen, dass der im Entschließungsantrag zum Gesetz von SPD und Union formulierte Wille, die Verordnungs- ermächtigung unter Parlamentsvorbehalt zu stellen, um- gesetzt wird. Für all die genannten Vorschläge habe ich innerhalb der Koalition keine mehrheitliche Unterstützung erfah- ren. Jedoch erachte ich die Bemühungen hinsichtlich ei- ner Nachhaltigkeitsverordnung als notwendig und sehr positiv. Deshalb enthalte ich mich bei der Abstimmung über dieses Gesetz der Stimme. Detlef Müller (Chemnitz) (SPD): Im Rahmen der Verhandlungen zum Gesetz zur Änderung der Förderung von Biokraftstoffen habe ich mich für eine Steuerbefrei- ung des im Öffentlichen Personennahverkehr einschließ- lich Schienennahverkehr verwendeten Biodiesels einge- setzt. Diese Maßnahme hätte einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz bedeutet; schließlich führt Biodiesel aus deutscher Produktion zu einer CO2-Reduktion von 45 Prozent gegenüber fossilem Diesel. Weiterhin hätten von dieser Maßnahme nicht nur die Verkehrsbetriebe der Kommunen profitiert, sondern auch die Landwirte und Biodieselproduzenten vor Ort. Außerdem wäre dies ein sinnvoller Beitrag zur Stärkung und für den Aufbau re- gionaler nachhaltiger Wirtschaftskreisläufe gewesen. Ich habe das Ziel verfolgt, den Kraftstoff E 10 als freiwilliges Angebot einzuführen. Hierdurch wäre der Wettbewerb auf dem Mineralölmarkt zugunsten von Millionen Autofahrern gestärkt worden. Denn E 10 ist ein qualitativ hochwertiger Kraftstoff, der im Vergleich zu den Premiumsorten der großen Mineralölkonzerne günstiger angeboten werden kann. Bei einer freiwilligen Einführung hätte zudem jeder Fahrzeughalter auf der Grundlage der Angaben des Herstellers selbst entschei- den können, ob er E 10 tankt oder auch nicht. Des Weiteren halte ich die im Gesetz enthaltene Ver- ordnungsermächtigung zur Zulassung des Co-Hydro- treating-Verfahrens ohne Zustimmung des Bundestages für äußerst problematisch. Hierdurch droht eine mögli- cherweise grenzenlose Wettbewerbsverzerrung zuun- gunsten des mittelständischen Mineralölhandels. Denn die ab 1. Januar 2010 vorgesehene Gesamtquote von 6,25 Prozent kann ohne das Inverkehrbringen von E 10 und gleichzeitiger Möglichkeit des Co-Hydrotreatings nur noch von den großen Mineralölkonzernen erfüllt werden. Auf die mittelständischen Firmen kämen hinge- gen jährliche Ausgleichszahlungen in Höhe von mindes- tens 100 Millionen Euro zu. Da diese Belastungen nicht einfach auf die Kunden umgelegt werden können, wäre ein wirtschaftliches Arbeiten nicht mehr möglich. Ich werde mich in den nächsten Wochen dafür einset- zen, dass der im Entschließungsantrag zum Gesetz von SPD und Union formulierte Wille, die Verordnungser- mächtigung unter Parlamentsvorbehalt zu stellen, umge- setzt wird. Für all die genannten Vorschläge habe ich innerhalb der Koalition keine mehrheitliche Unterstützung erfah- ren. Jedoch erachte ich die Bemühungen hinsichtlich ei- ner Nachhaltigkeitsverordnung als notwendig und sehr positiv. Deshalb enthalte ich mich bei der Abstimmung über dieses Gesetz der Stimme. Mechthild Rawert (SPD): Der aktuelle Biokraft- stoffzwischenbericht kommt für den Zeitraum Januar bis September 2008 zum Ergebnis, dass alle Biodieselanla- gen unterkompensiert sind. Lediglich große Pflanzenöl- anlagen sind überkompensiert, kommen jedoch mit der nächsten Steuerstufe in 2009 wahrscheinlich in wirt- schaftliche Bedrängnis. Auf diese Situation und insbe- sondere die für die kleinen Betriebe festgestellte Unter- kompensation hätte im Rahmen dieses Gesetzes reagiert werden müssen. Im Rahmen der Verhandlungen zum Gesetz zur Än- derung der Förderung von Biokraftstoffen wurde insbe- sondere über eine Steuerbefreiung des im Öffentlichen Personennahverkehr einschließlich Schienennahverkehr verwendeten Biodiesels diskutiert. Diese Maßnahme 23706 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 217. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 23. April 2009 (A) (C) (B) (D) hätte einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz bedeu- tet; schließlich führt Biodiesel aus deutscher Produktion zu einer CO2-Reduktion von 45 Prozent gegenüber fos- silem Diesel. Weiterhin hätten von dieser Maßnahme nicht nur die Verkehrsbetriebe der Kommunen profitiert, sondern auch die Landwirte und Biodieselproduzenten vor Ort. Dies wäre ein sinnvoller Beitrag zur Stärkung und für den Aufbau regionaler nachhaltiger Wirtschafts- kreisläufe gewesen. Es wäre möglich gewesen, den Kraftstoff E 10 als freiwilliges Angebot einzuführen. Hierdurch wäre der Wettbewerb auf dem Mineralölmarkt zugunsten von Millionen Autofahrern gestärkt worden. Denn E 10 ist ein qualitativ hochwertiger Kraftstoff, der im Vergleich zu den Premiumsorten der großen Mineralölkonzerne günstiger angeboten werden kann. Bei einer freiwilligen Einführung hätte zudem jeder Fahrzeughalter auf der Grundlage der Angaben des Herstellers selbst entschei- den können, ob er E 10 tankt oder auch nicht. Die im Gesetz enthaltene Verordnungsermächtigung zur Zulassung des Co-Hydrotreating-Verfahrens halte ich für äußerst problematisch und ohne Zustimmung des Bundestages für falsch. Hierdurch wird eine grenzenlose Wettbewerbsverzerrung zuungunsten des mittelständi- schen Mineralölhandels in Gang gesetzt. Denn die ab 1. Januar 2010 vorgesehene Gesamtquote von 6,25 Prozent kann ohne das Inverkehrbringen von E 10 und gleichzeitiger Möglichkeit des Co-Hydrotreatings nur noch von den großen Mineralölkonzernen erfüllt werden. Auf die mittelständischen Firmen hingegen kämen jährliche Ausgleichszahlungen in Höhe von mindestens 100 Millionen Euro zu. Da diese Belastungen nicht ein- fach auf die Kunden umgelegt werden können, wäre ein wirtschaftliches Arbeiten nicht mehr möglich. Für diese Vorschläge gab es innerhalb der Koalition keine Mehrheit. Damit wurde die Möglichkeit vergeben, auf die Situation am Biokraftstoffmarkt zu reagieren. Anita Schäfer (Saalstadt) (CDU/CSU): Das Euro- päische Parlament hat mit Beschluss vom 17. Dezember 2008 die Möglichkeit eröffnet, besonders CO2-sparende Kraftstoffe zu fördern. Die Erneuerbare-Energien-Richt- linie lässt in Art. 2 (k) die Steuerbefreiung und -begüns- tigung als Förderinstrument der Mitgliedstaaten aus- drücklich zu. Pflanzenöl aus deutschem Anbau erbringt eine CO2- Minderung von 58 Prozent, Biodiesel von 45 Prozent. Beide Reinkraftstoffe liegen damit deutlich über der eu- ropäischen Definition einer Nachhaltigkeitsgrenze von 35 Prozent. Mit dem vermehrten Einsatz von Pflanzenöl und Biodiesel in Reinform oder in der Beimischung kann somit ein Beitrag zur Reduzierung des CO2-Aus- stoßes im Verkehrsbereich geleistet werden. Dieses Ziel war Grundlage des Biokraftstoffförderungsgesetzes, in dem feste Quoten für die Beimischung von Biokraft- stoff- zu mineralischen Kraftstoffen und die langsame Steigerung der Besteuerung für biogene Reinkraftstoffe festgelegt wurden. Wie wir heute wissen, haben die Steuererhöhung und die Preiserhöhungen der Rohstoffe den Reinkraftstoff- markt zum Erliegen gebracht. Dies ist auch mit der vor- gesehenen geringeren Steuererhöhung für Biodiesel nicht mehr zu heilen! Wenn aber gleichzeitig, auf Wunsch der Mineralölin- dustrie, die Beimischungsquote um einen Prozentsatz gesenkt wird, bedeutet dies die Reduzierung des Einsat- zes von Biokraftstoffen um 19 Prozent! Das kann doch vom Gesetzgeber so nicht gewollt sein! Selbst die nicht weiter verfolgten Ideen, den öffentlichen Nahverkehr steuerfrei zu stellen und für den Lkw-Güterverkehr einen Steuernachlass von 50 Prozent auf den Steuersatz für Bio- diesel zu erwirken, könnten das durch die Senkung der Beimischungsquote hervorgerufene Absatzminus bei Pflanzenöl und Biodiesel nicht ausgleichen. Die Absenkung der Gesamtquote auf 5,25 Prozent und der Wiederanstieg auf 6,25 Prozent ab 2010 heißt Hü und Hott. Dies ist keine vertrauensbildende Maß- nahme, nicht für die Produzenten von Biokraftstoffen und eigentlich auch nicht für die Mineralölwirtschaft. Aber die Großen der Mineralölwirtschaft haben sich da- durch Luft verschafft, weiter ihr Ziel zu verfolgen, den gesamten Kraftstoffmarkt unter Kontrolle zu halten. Das immer wieder vorgetragene Argument, der Kraftstoff würde sich bei einer höheren Beimischung verteuern, ist das einzige und schwache – weil nicht stichhaltige – der Erdölriesen gegenüber der Politik. Weil wir diesem jetzt folgen, helfen wir mit, andere Anbieter von Kraftstoffen vom Markt zu verdrängen! Aber Großkonzernpolitik zu vertreten oder zu stützen, ist nicht mein Anliegen. Auch der Preisabsturz bei Getreide, Zuckerrüben und Raps zeigt, dass die im letzten Jahr geführte emotionale Diskussion um „Tank oder Teller“, die überhaupt Grund- lage dieses Gesetzentwurfs war, ad absurdum geführt wurde. Ich vertrete die Auffassung, dass Gesetze aus Grün- den der Kontinuität und des Vertrauensschutzes nicht per Jahresfrist aufgrund emotionaler Argumente geändert werden dürfen. Mit dem Herumdoktern an der Biokraft- stoffförderung verletzen wir zum wiederholten Male den Vertrauensschutz der Bürger in den Staat. Die vollstän- dige Steuerbefreiung für Reinkraftstoffe war in der 15. Legislaturperiode bis 2009 gesetzlich festgelegt wor- den. Durch das vorzeitige Einsetzen der Besteuerung ab 2006 wurden zahlreiche mittelständische Unternehmen in den Bankrott getrieben, die im Vertrauen auf eine klare gesetzliche Vorgabe investiert hatten. Dies wird jetzt in keinster Weise geheilt, auch wenn mit dem Be- schluss des Umweltausschusses noch der Versuch unter- nommen wird, dies schönzufärben! Ich kann und will dies nicht hinnehmen. Das Parlament hat sich von den Lobbyisten der Mine- ralölwirtschaft und vom Bundesumweltministerium das Heft des Handelns aus der Hand nehmen lassen. Es wurde kein konkretes Verbot von hydriertem Pflanzenöl zweifelhaften Ursprungs als Biodieselersatz in der Bei- mischung erlassen. Nicht nur in diesem Punkt wird deut- lich, dass das Thema Nachhaltigkeit in bestimmten Krei- sen nur ein Lippenbekenntnis darstellt. Auch wurde der Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 217. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 23. April 2009 23707 (A) (C) (B) (D) Vorschlag, E 10 freiwillig anbieten zu dürfen, einfach vom Tisch gewischt. Ein freiwilliges Angebot von E 10 böte die Möglich- keit, den Wettbewerb am Tankstellenmarkt zugunsten von Millionen Autofahrern zu verbessern. E 10 ist ein qualitativ hochwertiger Kraftstoff, der im Vergleich zu den Premiumsorten der großen Mineralölkonzerne ein preisgünstigeres Angebot an die Verbraucher darstellt. Jeder Fahrzeughalter, mündig genug, könnte auf Grund- lage der Herstellerangaben seines Autos selber entschei- den, E 10 zu tanken oder nicht. Nachdem diese Vorschläge innerhalb der Koalition keine mehrheitliche Unterstützung fanden, kann ich dem Gesetzentwurf nicht zustimmen. Eine Festlegung von einzelnen Punkten wie Quotenhöhe oder Zumischung von Biomethan ohne eine grundlegende Regelung der Nachhaltigkeitskriterien für Biokraftstoffe halte ich für Flickschusterei! Dr. Hermann Scheer (SPD): Der vorliegende Ge- setzentwurf heilt wesentliche Mängel der seit 2006 ge- troffenen Regelung des Gesetzes nicht. Der Reinbio- kraftstoffmarkt für Biodiesel und Pflanzenöl ist mit der seitdem eintretenden und ansteigenden Besteuerung weitgehend zum Erliegen gekommen. Dies hat viele in den Jahren zuvor neu gegründete Unternehmen zur Auf- gabe gezwungen. Die Chance, dass über den Reinbio- kraftstoffmarkt ein marktförderndes Gegengewicht zu dem Oligopol der Mineralölkonzerne erwachsen könnte, ist damit verspielt worden. Ein erheblicher Vertrauens- verlust vor allem im Bereich neuer mittelständischer Un- ternehmen war die Folge, weil das vorhergehende Ge- setz eine Steuerbefreiung bis 2009 regelte und im Anschluss daran eine Teilbesteuerung versprochen wor- den war, um zu gewährleisten, dass diese Biokraftstoffe am Markt billiger sein sollten als fossile Dieselkraft- stoffe. Der Tanktourismus für fossile Kraftstoffe, insbe- sondere bei Speditionsunternehmen, hat seitdem wieder erheblich zugenommen, sodass die damit verbundenen Steuereinnahmeverluste die Einnahmen aus der Besteue- rung dieser Biokraftstoffe übersteigen. Das mit der Bei- mischungspflicht beabsichtigte Ziel, damit zur Haus- haltskonsolidierung beizutragen, wurde verfehlt. Die stattdessen eingeführte Beimischungspflicht sollte ein Mengenäquivalent für Biokraftstoffproduzen- ten schaffen, auf der Basis einer Zertifizierung, die nach- haltige Anbauweisen sichern sollte. Eine dementspre- chende Zertifizierung liegt bis heute nicht vor, sodass ungeprüfte Biokraftstoffmengen auf den Markt kamen, die zu berechtigter Kritik führten und das ökologische Image von Biokraftstoffen beschädigten. Die Antwort darauf im anstehenden Änderungsgesetz in Form einer Senkung der Beimischungsquote ist deshalb Ausdruck eines politisch zu verantwortenden Versäumnisses, was erneut zulasten heimischer Produzenten geht. Bemühungen aus den Regierungsfraktionen, wie sie in der Erklärung zur Abstimmung des Kollegen Marco Mühlstein zum Ausdruck kommen, bestimmte Markt- segmente wie den öffentlichen Nahverkehr für diese Biokraftstoffe vorzusehen, blieben unbeachtet, ein- schließlich der Voten der Fachpolitiker beider Regie- rungsfraktionen. Das Gesetz mag erneut eine formelle Mehrheit mit den Stimmen aus den beiden Regierungs- fraktionen erhalten. Inhaltlich getragen wird es auch in diesen eher überwiegend nicht. Aus diesen Gründen kann ich dem vorliegenden Än- derungsgesetz nicht zustimmen, so wie ich bereits dem Gesetz von 2006 nicht zugestimmt habe, das seinerzeit auch großenteils in beiden Regierungsfraktionen hoch umstritten war. Marianne Schieder (SPD): Eine Steuerbefreiung des im öffentlichen Personennahverkehr einschließlich Schienennahverkehr verwendeten Biokraftstoffs wäre eine Maßnahme, die einen wichtigen Beitrag zum Kli- maschutz bedeutet; schließlich führt Biokraftstoff aus deutscher Produktion zu einer CO2-Reduktion von 45 Prozent gegenüber fossilem Kraftstoff. Weiterhin hät- ten von dieser Maßnahme nicht nur die Verkehrsbetriebe der Kommunen profitiert, sondern gerade die Landwirte und Biokraftstoffproduzenten vor Ort. Außerdem wäre dies ein sinnvoller Beitrag zur Stärkung und für den Auf- bau regionaler nachhaltiger Wirtschaftskreisläufe gewe- sen. Es wäre sinnvoll und möglich gewesen, den Kraft- stoff E 10 als freiwilliges Angebot einzuführen. Hier- durch wäre der Wettbewerb auf dem Mineralölmarkt zu- gunsten von Millionen Autofahrern gestärkt worden. E 10 ist ein qualitativ hochwertiger Kraftstoff, der im Vergleich zu den Premiumsorten der großen Mineralöl- konzerne günstiger angeboten werden könnte. Bei einer freiwilligen Einführung hätte zudem jeder Fahrzeughal- ter auf der Grundlage der Angaben des Herstellers selbst entscheiden können, ob er E 10 tankt oder auch nicht. Für die genannten Vorschläge gab es innerhalb der Koalition keine mehrheitliche Unterstützung. Damit wurde die Möglichkeit vergeben, auf die Situation am Biokraftstoffmarkt zu reagieren und insbesondere die mittelständischen Produzenten in der heimischen Land- wirtschaft zu stärken. Norbert Schindler (CDU/CSU): Das Europäische Parlament hat mit Beschluss vom 17. Dezember 2008 die Möglichkeit eröffnet, besonders CO2-sparende Kraft- stoffe zu fördern. Die Erneuerbare-Energien-Richtlinie lässt in Art. 2 (k) die Steuerbefreiung und -begünstigung als Förderinstrument der Mitgliedstaaten ausdrücklich zu. Pflanzenöl aus deutschem Anbau erbringt eine CO2- Minderung von 58 Prozent, Biodiesel von 45 Prozent. Beide Reinkraftstoffe liegen damit deutlich über der eu- ropäischen Definition einer Nachhaltigkeitsgrenze von 35 Prozent. Mit dem vermehrten Einsatz von Pflanzenöl und Biodiesel in Reinform oder in der Beimischung kann somit ein Beitrag zur Reduzierung des CO2-Aus- stoßes im Verkehrsbereich geleistet werden. Dieses Ziel war Grundlage des Biokraftstoffförderungsgesetzes, in dem feste Quoten für die Beimischung von Biokraft- stoff- zu mineralischen Kraftstoffen und die langsame 23708 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 217. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 23. April 2009 (A) (C) (B) (D) Steigerung der Besteuerung für biogene Reinkraftstoffe festgelegt wurden. Wie wir heute wissen, haben die Steuererhöhung und die Preiserhöhungen der Rohstoffe den Reinkraftstoff- markt zum Erliegen gebracht. Dies ist auch mit der vor- gesehenen geringeren Steuererhöhung für Biodiesel nicht mehr zu heilen! Wenn aber gleichzeitig, auf Wunsch der Mineralölindustrie, die Beimischungsquote um einen Prozentsatz gesenkt wird, bedeutet dies die Re- duzierung des Einsatzes von Biokraftstoffen um 19 Pro- zent! Das kann doch vom Gesetzgeber so nicht gewollt sein! Selbst die nicht weiter verfolgten Ideen, den öffentli- chen Nahverkehr steuerfrei zu stellen und für den Lkw- Güterverkehr einen Steuernachlass von 50 Prozent auf den Steuersatz für Biodiesel zu erwirken, könnten das durch die Senkung der Beimischungsquote hervorgeru- fene Absatzminus bei Pflanzenöl und Biodiesel nicht ausgleichen. Die Absenkung der Gesamtquote auf 5,25 Prozent und der Wiederanstieg auf 6,25 Prozent ab 2010 heißt Hü und Hott. Dies ist keine vertrauensbil- dende Maßnahme, nicht für die Produzenten von Bio- kraftstoffen und eigentlich auch nicht für die Mineralöl- wirtschaft. Aber die Großen der Mineralölwirtschaft haben sich dadurch Luft verschafft, weiter ihr Ziel zu verfolgen, den gesamten Kraftstoffmarkt unter Kontrolle zu halten. Das immer wieder vorgetragene Argument, der Kraftstoff würde sich bei einer höheren Beimischung verteuern, ist das einzige und schwache – weil nicht stichhaltige – der Erdölriesen gegenüber der Politik. Weil wir diesem jetzt folgen, helfen wir mit, andere An- bieter von Kraftstoffen vom Markt zu verdrängen! Aber Großkonzernpolitik zu vertreten oder zu stützen, ist nicht mein Anliegen. Auch der Preisabsturz bei Getreide, Zuckerrüben und Raps zeigt, dass die im letzten Jahr geführte emotionale Diskussion um „Tank oder Teller“, die überhaupt Grund- lage dieses Gesetzentwurfs war, ad absurdum geführt wurde. Ich vertrete die Auffassung, dass Gesetze aus Gründen der Kontinuität und des Vertrauensschutzes nicht per Jahresfrist aufgrund emotionaler Argumente geändert werden dürfen. Mit dem Herumdoktern an der Biokraftstoffförderung verletzen wir zum wiederholten Male den Vertrauensschutz der Bürger in den Staat. Die vollständige Steuerbefreiung für Reinkraftstoffe war in der 15. Legislaturperiode bis 2009 gesetzlich festgelegt worden. Durch das vorzeitige Einsetzen der Besteuerung ab 2006 wurden zahlreiche mittelständischen Unterneh- men in den Bankrott getrieben, die im Vertrauen auf eine klare gesetzliche Vorgabe investiert hatten. Dies wird jetzt in keinster Weise geheilt, auch wenn mit dem der Beschluss des Umweltausschusses noch der Versuch un- ternommen wird, dies schönzufärben! Ich kann und will dies nicht hinnehmen. Das Parlament hat sich von den Lobbyisten der Mine- ralölwirtschaft und vom Bundesumweltministerium das Heft des Handelns aus der Hand nehmen lassen. Es wurde kein konkretes Verbot von hydriertem Pflanzenöl zweifelhaften Ursprungs als Biodieselersatz in der Bei- mischung erlassen. Nicht nur in diesem Punkt wird deut- lich, dass das Thema Nachhaltigkeit in bestimmten Krei- sen nur ein Lippenbekenntnis darstellt. Auch wurde der Vorschlag, E 10 freiwillig anbieten zu dürfen, einfach vom Tisch gewischt. Ein freiwilliges Angebot von E 10 böte die Möglichkeit, den Wettbewerb am Tankstellen- markt zugunsten von Millionen Autofahrern zu verbes- sern. E 10 ist ein qualitativ hochwertiger Kraftstoff, der im Vergleich zu den Premiumsorten der großen Mineral- ölkonzerne ein preisgünstigeres Angebot an die Verbrau- cher darstellt. Jeder Fahrzeughalter, mündig genug, könnte auf Grundlage der Herstellerangaben seines Au- tos selber entscheiden, E 10 zu tanken oder nicht. Nachdem diese Vorschläge innerhalb der Koalition keine mehrheitliche Unterstützung fanden, kann ich dem Gesetzentwurf nicht zustimmen. Eine Festlegung von einzelnen Punkten wie Quotenhöhe oder Zumischung von Biomethan ohne eine grundlegende Regelung der Nachhaltigkeitskriterien für Biokraftstoffe halte ich für Flickschusterei! Reinhard Schultz (Everswinkel) (SPD): Im Rahmen der Verhandlungen zum Gesetz zur Änderung der Förde- rung von Biokraftstoffen habe ich mich für eine Steuer- befreiung des im Öffentlichen Personennahverkehr ein- schließlich Schienennahverkehr verwendeten Biodiesels eingesetzt. Diese Maßnahme hätte einen wichtigen Bei- trag zum Klimaschutz bedeutet; schließlich führt Biodie- sel aus deutscher Produktion zu einer CO2-Reduktion von 45 Prozent gegenüber fossilem Diesel. Weiterhin hätten von dieser Maßnahme nicht nur die Verkehrsbe- triebe der Kommunen profitiert, sondern auch die Land- wirte und Biodieselproduzenten vor Ort. Außerdem wäre dies ein sinnvoller Beitrag zur Stärkung und für den Aufbau regionaler nachhaltiger Wirtschaftskreis- läufe gewesen. Ich habe das Ziel verfolgt, den Kraftstoff E 10 als freiwilliges Angebot einzuführen. Hierdurch wäre der Wettbewerb auf dem Mineralölmarkt zugunsten von Millionen Autofahrern gestärkt worden. Denn E 10 ist ein qualitativ hochwertiger Kraftstoff, der im Vergleich zu den Premiumsorten der großen Mineralölkonzerne günstiger angeboten werden kann. Bei einer freiwilligen Einführung hätte zudem jeder Fahrzeughalter auf der Grundlage der Angaben des Herstellers selbst entschei- den können, ob er E 10 tankt oder auch nicht. Des Weiteren halte ich die im Gesetz enthaltene Ver- ordnungsermächtigung zur Zulassung des Co-Hydro- treating-Verfahrens ohne Zustimmung des Bundestages für äußerst problematisch. Hierdurch droht eine mögli- cherweise grenzenlose Wettbewerbsverzerrung zuun- gunsten des mittelständischen Mineralölhandels. Denn die ab 1. Januar 2010 vorgesehene Gesamtquote von 6,25 Prozent kann ohne das Inverkehrbringen von E 10 und gleichzeitiger Möglichkeit des Co-Hydrotreatings nur noch von den großen Mineralölkonzernen erfüllt werden. Auf die mittelständischen Firmen kämen hinge- gen jährliche Ausgleichszahlungen in Höhe von mindes- tens 100 Millionen Euro zu. Da diese Belastungen nicht einfach auf die Kunden umgelegt werden können, wäre ein wirtschaftliches Arbeiten nicht mehr möglich. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 217. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 23. April 2009 23709 (A) (C) (B) (D) Ich werde mich in den nächsten Wochen dafür einset- zen, dass der im Entschließungsantrag zum Gesetz von SPD und Union formulierte Wille, die Verordnungser- mächtigung unter Parlamentsvorbehalt zu stellen, umge- setzt wird. Für all die genannten Vorschläge habe ich innerhalb der Koalition keine mehrheitliche Unterstützung erfah- ren. Jedoch erachte ich die Bemühungen hinsichtlich ei- ner Nachhaltigkeitsverordnung als notwendig und sehr positiv. Deshalb enthalte ich mich bei der Abstimmung über dieses Gesetz der Stimme. Lydia Westrich (SPD): Das Europäische Parlament hat mit Beschluss vom 17. Dezember 2008 die Möglich- keit eröffnet, besonders CO2-sparende Kraftstoffe zu för- dern. Die Erneuerbare-Energien-Richtlinie lässt in Art. 2(k) die Steuerbefreiung und -begünstigung als Förderinstru- ment der Mitgliedstaaten ausdrücklich zu. Pflanzenöl aus deutschem Anbau erbringt eine CO2- Minderung von 58 Prozent, Biodiesel von 45 Prozent. Beide Reinkraftstoffe liegen damit deutlich über der eu- ropäischen Definition einer Nachhaltigkeitsgrenze von 35 Prozent. Mit dem vermehrten Einsatz von Pflanzenöl und Biodiesel in Reinform oder in der Beimischung kann somit ein Beitrag zur Reduzierung des CO2-Aus- stoßes im Verkehrsbereich geleistet werden. Dieses Ziel war Grundlage des Biokraftstoffförderungsgesetzes, in dem feste Quoten für die Beimischung von Biokraft zu mineralischen Kraftstoffen und die langsame Steigerung der Besteuerung für biogene Reinkraftstoffe festgelegt wurden. Wie wir heute wissen, haben die Steuererhöhung und die Preiserhöhungen der Rohstoffe den Reinkraftstoff- markt zum Erliegen gebracht. Dies ist auch mit der vor- gesehenen geringeren Steuererhöhung für Biodiesel nicht mehr zu heilen. Wenn aber gleichzeitig, auf Wunsch der Mineralöl- industrie, die Beimischungsquote um einen Prozentsatz gesenkt wird, bedeutet dies die Reduzierung des Einsat- zes von Biokraftstoffen um 19 Prozent. Das kann doch vom Gesetzgeber so nicht gewollt sein. Selbst die nicht weiter verfolgten Ideen, den öffentli- chen Nahverkehr steuerfrei zu stellen und für den Lkw- Güterverkehr einen Steuernachlass von 50 Prozent auf den Steuersatz für Biodiesel zu erwirken, könnten das durch die Senkung der Beimischungsquote hervorgeru- fene Absatzminus bei Pflanzenöl und Biodiesel nicht ausgleichen. Die Absenkung der Gesamtquote auf 5,25 Prozent und der Wiederanstieg auf 6,25 Prozent ab 2010 zeigt keine einheitliche Linie. Dies ist keine vertrauensbil- dende Maßnahme, nicht für die Produzenten von Bio- kraftstoffen und auch nicht für die Mineralölwirtschaft. Aber die Großen der Mineralölwirtschaft haben sich da- durch Luft verschafft, weiter ihr Ziel zu verfolgen, den gesamten Kraftstoffmarkt unter Kontrolle zu halten. Das immer wieder vorgetragene Argument, der Kraftstoff würde sich bei einer höheren Beimischung verteuern, ist das einzige und schwache – weil nicht stichhaltige – der Erdölriesen gegenüber der Politik. Weil wir diesem jetzt folgen, helfen wir mit, andere Anbieter von Kraftstoffen vom Markt zu verdrängen. Aber Großkonzernpolitik zu vertreten oder zu stützen, ist nicht mein Anliegen. Auch der Preisabsturz bei Getreide, Zuckerrüben und Raps zeigt, dass die im letzten Jahr geführte emotionale Diskussion um „Tank oder Teller“, die überhaupt Grund- lage dieses Gesetzentwurfs war, ad absurdum geführt wurde. Ich vertrete die Auffassung, dass Gesetze aus Grün- den der Kontinuität und des Vertrauensschutzes nicht per Jahresfrist aufgrund emotionaler Argumente geändert werden dürfen. Mit dem Herumdoktern an der Biokraft- stoffförderung verletzen wir zum wiederholten Male den Vertrauensschutz der Bürger in den Staat. Die vollstän- dige Steuerbefreiung für Reinkraftstoffe war in der 15. Legislaturperiode bis 2009 gesetzlich festgelegt wor- den. Durch das vorzeitige Einsetzen der Besteuerung ab 2006 wurden zahlreiche mittelständische Unternehmen in den Bankrott getrieben, die im Vertrauen auf eine klare gesetzliche Vorgabe investiert hatten. Dies wird jetzt in keiner Weise geheilt, auch wenn mit dem Be- schluss des Umweltausschusses noch der Versuch unter- nommen wird, dies schönzufärben! Ich kann und will dies nicht hinnehmen. Das Parlament hat sich von den Lobbyisten der Mine- ralölwirtschaft und vom Bundesumweltministerium das Heft des Handelns aus der Hand nehmen lassen. Es wurde kein konkretes Verbot von hydriertem Pflanzenöl zweifelhaften Ursprungs als Biodieselersatz in der Bei- mischung erlassen. Nicht nur in diesem Punkt wird deut- lich, dass das Thema Nachhaltigkeit in bestimmten Krei- sen nur ein Lippenbekenntnis darstellt. Auch wurde der Vorschlag, E 10 freiwillig anbieten zu dürfen, einfach vom Tisch gewischt. Ein freiwilliges Angebot von E 10 böte die Möglich- keit, den Wettbewerb am Tankstellenmarkt zugunsten von Millionen Autofahrern zu verbessern. E 10 ist ein qualitativ hochwertiger Kraftstoff, der im Vergleich zu den Premiumsorten der großen Mineralölkonzerne ein preisgünstigeres Angebot an die Verbraucher darstellt. Jeder Fahrzeughalter, mündig genug, könnte auf Grund- lage der Herstellerangaben seines Autos selber entschei- den, E 10 zu tanken oder nicht. Nachdem diese Vorschläge innerhalb der Koalition keine mehrheitliche Unterstützung fanden, kann ich dem Gesetzentwurf nicht zustimmen. Eine Festlegung von einzelnen Punkten wie Quotenhöhe oder Zumischung von Biomethan ohne eine grundlegende Regelung der Nachhaltigkeitskriterien für Biokraftstoffe ist für mich Flickschusterei. Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD): Der aktuelle Biokraftstoffzwischenbericht kommt für den Zeitraum Januar bis September 2008 zum Ergebnis, dass alle Bio- dieselanlagen unterkompensiert sind. Lediglich große Pflanzenölanlagen sind überkompensiert, kommen je- 23710 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 217. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 23. April 2009 (A) (C) (B) (D) doch mit der nächsten Steuerstufe 2009 wahrscheinlich in wirtschaftliche Bedrängnis. Auf diese Situation und insbesondere die für die kleinen Betriebe festgestellte Unterkompensation hätte im Rahmen dieses Gesetzes re- agiert werden müssen. Im Rahmen der Verhandlungen zum Gesetz zur Än- derung der Förderung von Biokraftstoffen wurde insbe- sondere über eine Steuerbefreiung des im öffentlichen Personennahverkehr einschließlich Schienennahverkehr verwendeten Biodiesels diskutiert. Diese Maßnahme hätte einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz bedeu- tet; schließlich führt Biodiesel aus deutscher Produktion zu einer CO2-Reduktion von 45 Prozent gegenüber fos- silem Diesel. Weiterhin hätten von dieser Maßnahme nicht nur die Verkehrsbetriebe der Kommunen profitiert, sondern auch die Landwirte und Biodieselproduzenten vor Ort. Dies wäre ein sinnvoller Beitrag zur Stärkung und für den Aufbau regionaler nachhaltiger Wirtschafts- kreisläufe gewesen. Es wäre möglich gewesen, den Kraftstoff E 10 als freiwilliges Angebot einzuführen. Hierdurch wäre der Wettbewerb auf dem Mineralölmarkt zugunsten von Millionen Autofahrern gestärkt worden. Denn E 10 ist ein qualitativ hochwertiger Kraftstoff, der im Vergleich zu den Premiumsorten der großen Mineralölkonzerne günstiger angeboten werden kann. Bei einer freiwilligen Einführung hätte zudem jeder Fahrzeughalter auf der Grundlage der Angaben des Herstellers selbst entschei- den können, ob er E 10 tankt oder auch nicht. Die im Gesetz enthaltene Verordnungsermächtigung zur Zulassung des Co-Hydrotreating-Verfahrens halte ich äußerst problematisch und ohne Zustimmung des Bundestages für falsch. Hierdurch wird eine grenzenlose Wettbewerbsverzerrung zuungunsten des mittelständi- schen Mineralölhandels in Gang gesetzt. Denn die ab 1. Januar 2010 vorgesehene Gesamtquote von 6,25 Pro- zent kann ohne das Inverkehrbringen von E 10 und die gleichzeitige Möglichkeit des Co-Hydrotreatings nur noch von den großen Mineralölkonzernen erfüllt wer- den. Auf die mittelständischen Firmen kämen hingegen jährliche Ausgleichszahlungen in Höhe von mindestens 100 Millionen Euro zu. Da diese Belastungen nicht ein- fach auf die Kunden umgelegt werden können, wäre ein wirtschaftliches Arbeiten nicht mehr möglich. Für diese Vorschläge gab es innerhalb der Koalition keine Mehrheit. Damit wurde die Möglichkeit vergeben, auf die Situation am Biokraftstoffmarkt zu reagieren. Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Maria Flachsbarth und Dr. Joachim Pfeiffer (beide CDU/CSU) zur Ab- stimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Förderung von Biokraftstoffen (Zusatztagesordnungspunkt 6) Die EU und Deutschland haben sich ehrgeizige Kli- maschutzziele auch im Sektor „Mobilität“ gesetzt. Im Dezember 2008 wurde die „Richtlinie zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen“ (RED) beschlossen, die ein verbindliches Mindestziel von 10 Prozent erneuerbarer Energien im Verkehrssektor festlegt. In Deutschland beschloss der Deutsche Bundes- tag im Dezember 2006 das Biokraftstoffquotengesetz. Es sieht eine kontinuierliche Steigerung der Gesamtquote für Biokraftstoffe von 6,25 Prozent in 2009 bis auf 8 Prozent in 2015 vor. Die Verwendung nachhaltig erzeugter Biokraftstoffe der ersten Generation hat das Potenzial, wesentlich zur CO2-Reduktion im Verkehrssektor beizutragen. Dabei ist es unerlässlich, sicherzustellen, dass Biokraftstoffe ent- sprechend strengen Nachhaltigkeitsregeln produziert wurden. Den Änderungsantrag der CDU/CSU und der SPD zur zügigen Vorlage einer Nachhaltigkeitsverord- nung unterstütze ich daher uneingeschränkt. Neben dem Ziel des Klimaschutzes ist es wichtig, die gesetzlichen Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass mittelständische Investoren aus den Reihen der Land- wirte, der Biokraftstoffproduzenten und der Mineralöl- händler Planungssicherheit haben, die eine Rentabilität ihrer Investitionen ermöglicht. Bislang bereits drei Än- derungen der Biokraftstoffgesetze in dieser Legislatur- periode stehen diesem Anliegen entgegen. (Energiesteu- ergesetz Juli 2006, Biokraftstoffquotengesetz Dezember 2006, Änderung der 10. BImSchV/Verbot von E 10 Ja- nuar 2009). Leider wurde jeweils auf Übergangsregelun- gen im Hinblick auf Bestandsanlagen verzichtet. Die nun vorliegende vierte gesetzliche Regelung zur Änderung der Biokraftstoffförderung in dieser Legisla- turperiode sieht die Absenkung der für das Jahr 2009 zu- nächst auf 6,25 festgelegten Beimischungsquote rück- wirkend zum 1. Januar auf 5,25 Prozent und Anhebung zum 1. Januar 2010 wieder auf 6,25 Prozent vor; das wi- derspricht jeglicher Planungssicherheit. Die Absenkung der Steuer auf Biodiesel um 3 Cent ist angesichts der Marktsituation völlig unzureichend; der am 12. November 2008 vorgelegte Biokraftstoffbericht der Bundesregierung (Bundestagsdrucksache 16/10964) weist Unterkompensierungen bei Biodiesel zwischen 6,68 und 10,76 Cent je Liter aus. Bedauerlich und wettbewerbsmindernd ist es zudem, dass der Vertrieb von E 10 praktisch verboten wurde; nachhaltig erzeugtes, der DIN-Norm entsprechendes und besonders gekennzeichnetes E 10 sollte als zusätzliches Angebot möglich sein. Deshalb kann ich dem vorliegenden Gesetzentwurf nicht zustimmen, auch wenn ich den Änderungsantrag begrüße. Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Josef Göppel, Dr. Georg Nüßlein, Cajus Caesar und Jens Koeppen (alle CDU/CSU) zur Abstimmung über den Entwurf Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 217. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 23. April 2009 23711 (A) (C) (B) (D) eines Gesetzes zur Änderung der Förderung von Biokraftstoffen (Zusatztagesordnungs- punkt 6) Das Europäische Parlament hat mit Beschluss vom 17. Dezember 2008 die Möglichkeit eröffnet, besonders CO2-sparende Kraftstoffe zu fördern. Die Erneuerbare- Energien-Richtlinie lässt in Art. 2(k) die Steuerbefreiung und -begünstigung als Förderinstrument der Mitglied- staaten ausdrücklich zu. Pflanzenöl aus deutschem Anbau erbringt eine CO2- Minderung von 58 Prozent, Biodiesel von 45 Prozent. Beide Reinkraftstoffe liegen damit deutlich über der euro- päischen Nachhaltigkeitsgrenze von 35 Prozent. Mit dem Antrag „Klimafreundliche Biokraftstoffe stärken“ vom 12. Februar 2009 versuchten wir, den Einsatz von Pflan- zenöl und Biodiesel im öffentlichen Nahverkehr steuerfrei zu stellen, für den Lkw-Güterverkehr einen Steuernach- lass von 50 Prozent des normalen Mineralölsteuersatzes zu erwirken und den Biotreibstoff E 10 (Beimischung von 10 Prozent Ethanol zu Ottokraftstoffen) für den Verkauf an öffentlichen Tankstellen zuzulassen. Die Steuerbefreiung von Pflanzentreibstoffen im öffent- lichen Nahverkehr würde einen verlässlichen Markt bis zu 1,1 Milliarden Liter pro Jahr schaffen. Die Abgren- zung zu anderem öffentlichen und privaten Verkehr könnte zielgenau nach § 56 Energiesteuergesetz erfolgen. Die Kommunen würden durch diesen Schritt beim Klima- schutz unterstützt. Regionale Wirtschaftskreisläufe würden gestärkt. Die Steuerbegünstigung des Speditionsgewerbes würde den Tanktourismus in das europäische Ausland eindäm- men. Mindereinnahmen durch einen geringeren Steuersatz würden so durch Mehreinnahmen schnell ausgeglichen. Ein freiwilliges Angebot von E 10 böte die Möglich- keit, den Wettbewerb auf dem Mineralölmarkt zugunsten von Millionen Autofahrern zu verbessern. E 10 ist ein qualitativ hochwertiger Kraftstoff, der im Vergleich zu den Premiumsorten der großen Mineralölkonzerne ein preisgünstigeres Angebot an die Verbraucher darstellt. Zudem könnte jeder Fahrzeughalter auf Grundlage der Angaben des Herstellers selbst entscheiden, ob er dieses Angebot annimmt. Nachdem all diese Vorschläge innerhalb der Koalition keine mehrheitliche Unterstützung fanden, kann ich dem Gesetzentwurf nicht zustimmen. Der Gesetzentwurf verletzt nämlich auch den Vertrau- ensschutz der Bürger in den Staat. Die vollständige Steu- erbefreiung für Reinkraftstoffe war in der 15. Legislatur- periode bis 2009 gesetzlich festgelegt worden. Durch das vorzeitige Einsetzen der Besteuerung ab 2006 wurden zahlreiche mittelständischen Unternehmen in den Bank- rott getrieben, die im Vertrauen auf eine klare gesetzliche Vorgabe investiert hatten. Das können und wollen wir nicht hinnehmen. Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Beschlussempfehlung und Bericht: Frauen und Mädchen mit Behinderungen wirksam vor Gewalt schützen und Hilfsangebote ver- bessern – Unterrichtung durch die Bundesregierung: Lage der Frauen mit Behinderungen in der Europäischen Union Entschließung des Europäischen Parlaments vom 26. April 2007 zur Lage der Frauen mit Behinderungen in der Europäischen Union (2006/2277(INI)) (Tagesordnungspunkt 12) Antje Blumenthal (CDU/CSU): Im März 2007 hat Deutschland das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen der Vereinten Nationen unterschrieben. Vor knapp einem Monat – also fast zwei Jahre später – ist diese Konvention nun endlich in Deutschland in Kraft getreten. Endlich, möchte man sa- gen, weil sich darin alle Unterzeichnerstaaten verpflich- ten, Menschen mit Behinderungen nicht als Problemfälle zu betrachten, sondern sie als gleichberechtigte Träge- rinnen und Träger von Rechten wahrzunehmen. Wie je- dem Mensch stehen auch ihnen die gleichen Rechte zu. Dieses Verständnis ist leider nicht überall selbstverständ- lich. Denn Menschen mit Behinderungen wollen kein Mitleid, sondern notwendige Unterstützung zur Selbst- bestimmung. Sie sind ein Teil unserer gesellschaftlichen Vielfalt, sie wollen und können ihren Teil dazu beitra- gen. Diesem Gedanken wird mit dem UN-Abkommen über die Rechte der Menschen mit Behinderung nun endlich Rechnung getragen. Die Konvention ist ein Mei- lenstein – nicht etwa, weil wir dadurch neue Rechte in Deutschland für Menschen mit Behinderungen veran- kern. Nein! Vielmehr, weil sich alle Unterzeichner darin verpflichten, längst bestehende Rechte und Gesetze an- zupassen und sie Menschen mit Behinderungen zugäng- lich zu machen! Das ist das Ziel der UN-Konvention und genau das tun wir mit dem Antrag, den wir heute hier ab- schließend beraten. Wir wollen Gesetze und Rechte nicht neu schaffen, sondern bestehende Regelungen so gestalten, dass sie auch für Menschen mit Behinderun- gen zugänglich sind. Einen ersten Schritt dahin haben wir mit dem Aktionsplan II der Bundesregierung zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen getan. Dieser Aktionsplan be- fasst sich unter anderem mit Frauen und Mädchen mit Behinderungen. Dieser Fokus wurde gelegt, weil Frauen und Mädchen mit Behinderungen mehrfach diskrimi- niert sind und häufiger als andere Gewalt erleben müs- sen. Schätzungen gehen davon aus, dass nahezu 80 Pro- zent der Frauen und Mädchen mit Behinderungen Opfer von psychischer oder physischer Gewalt werden. 23712 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 217. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 23. April 2009 (A) (C) (B) (D) Die Koalition hat sich zum Ziel gesetzt, dagegen an- zukämpfen. Wir wollen die Rechte der Frauen und Mäd- chen mit Behinderungen auch im gewaltbezogenen Kon- text umsetzen. Wie Sie dem Antrag entnehmen können, machen wir dazu Vorschläge in vier Bereichen: Erstens fordern wir die wissenschaftliche Untermauerung durch eine Studie, zweitens schlagen wir konkrete Maßnahmen zur Prävention von Gewalt und Übergriffen gegen Frauen und Mädchen mit Behinderungen vor, drittens wollen wir die Weiterbildung für Betreuende intensivie- ren und viertens fordern wir bessere situationsgerechte Hilfesysteme für die Betroffenen. Wir wollen verlässliche Zahlen und Daten! Das ist unser erstes Kernanliegen. Das Familienministerium hat bei der Uni Bielefeld bereits eine dreijährige Studie in Auftrag gegeben. Sie soll uns Ausmaß und Umfang von Gewalt gegen Frauen und Mädchen mit Behinderungen aufzeigen. Wichtig ist dabei besonders, wie die Gewalt geartet ist, wo die Übergriffe passieren und von wem die Gewalt verübt wird. Mit dem vorliegenden Antrag wol- len wir erreichen, dass dem Parlament ein Zwischenbe- richt dieser wissenschaftlichen Studie vorgelegt wird. Wir wollen einen Zwischenbericht, weil wir nicht bis 2011 auf den Endbericht warten und die Hände in den Schoß legen wollen. Wir wollen schon jetzt handeln! Daher fordern wir auch die Bundesregierung auf, zu prüfen, ob Gewalt gegen Frauen und Mädchen mit Be- hinderungen als Arbeitsschwerpunkt für das kommende Daphne-Programm der EU angeregt werden kann. So könnten wir unsere Politik für Menschen mit Behinde- rungen über nationale Grenzen hinaus auf die europäi- sche Ebene tragen. Unser zweiter Schwerpunkt im Antrag ist die Präven- tion. Das Forschungsprojekt „SELBST – Selbstbewusst- sein für behinderte Mädchen und Frauen“ des Familien- ministeriums ist dafür ein guter, ein erster Schritt. In diesem Projekt wurden Qualitätsanforderungen für Übungen und Kurse entwickelt, die das Selbstbewusst- sein von Frauen und Mädchen mit Behinderungen stär- ken sollen. Genau in diese Richtung gehen auch unsere Vorschläge zur Prävention: So fordern wir unter ande- rem eine zielgruppenspezifische Sexualerziehung. Sexualaufklärung und Sexualerziehung müssen auch für Menschen mit geistigen Behinderungen selbstverständ- lich werden. Nur so können sie im Rahmen ihrer Mög- lichkeiten befähigt werden, Übergriffe als solche zu er- kennen und sich zur Wehr zu setzen. Das Bewusstsein der Mädchen und Frauen muss dafür geschärft werden, wo sexuelle Übergriffe beginnen und welche Folgen sie haben. Es geht bei Sexualaufklärung aber nicht nur um di- rekte Gewaltprävention. Vielmehr ist sie die Grundlage für sexuelle Selbstbestimmung. Schließlich trägt Sexua- lität ganz wesentlich zur Persönlichkeitsentwicklung, zur Identitätsfindung und damit auch zur Selbstbe- stimmtheit bei. Wir wollen die Frauen und Mädchen mit Behinderungen damit unterstützen, ihre Selbstbestim- mung so weit als möglich umzusetzen. Wenn wir Frauen und Mädchen mit Behinderungen unterstützen wollen, müssen wir auch ihr Umfeld stär- ken. Dazu gehört in erster Line – und das ist der dritte Schwerpunkt unseres Antrages –, Betreuungspersonal zu schulen. Wir setzen auf Fortbildung und Wissensvermitt- lung für diejenigen, die Menschen mit Behinderung pro- fessionell betreuen. Durch Modellprojekte wollen wir sie unterstützen, damit sie gerüstet sind, um Präventions- maßnahmen zu ergreifen. Sie sollen einen Leitfaden er- halten, der ihnen hilft, Gewalt und sexuelle Übergriffe gegen Frauen und Mädchen mit Behinderungen zu er- kennen und zu handeln. Sie sollen wissen, welche Thera- pien und Maßnahmen sie bei Menschen mit Behinderun- gen einleiten können, die Opfer von Gewalt wurden. Doch damit nicht genug. Uns reicht es nicht, das di- rekte soziale Umfeld der betroffenen Frauen und Mäd- chen zu schulen und zu sensibilisieren. Wir möchten die gesamte Öffentlichkeit auf dieses Thema aufmerksam machen. Ganz im Sinne des UN-Übereinkommens for- dern wir, die Bürgerinnen und Bürger durch geeignete Kampagnen und Projekte zu sensibilisieren. Das Thema muss öffentlich gemacht werden, damit die Öffentlich- keit auch handeln kann! Trotz der Intention unseres Antrags, trotz des Über- einkommens über die Rechte der Menschen mit Behin- derungen, trotz des Aktionsplans II der Bundesregierung und vielen weiteren Initiativen: Wir werden es wohl nie vollständig verhindern können, dass Menschen mit Be- hinderungen und besonders die Frauen und Mädchen Opfer von Gewalt oder sexuellen Übergriffen werden. Wir hoffen, dass es uns heute und in Zukunft mit diesem Antrag gelingen wird, die Zahl der Übergriffe zu verrin- gern. Deshalb machen wir in unserem Antrag Vor- schläge, was verbessert werden soll, um Frauen und Mädchen mit Behinderungen zu unterstützen, wenn ih- nen bereits Leid zugefügt wurde. Darum fordern wir in unserem vierten Themenkom- plex, bestehende Hilfen den Bedürfnissen der Betroffe- nen anzupassen: Wir wollen, dass der Zugang zu psy- chologischer und psychotherapeutischer Behandlung für diese besondere Gruppe gesichert wird. Wir wollen, dass Frauen und Mädchen mit Behinderungen – auch barrie- refrei – entsprechende Angebote wahrnehmen kön- nen.Wir wollen, dass alle – ganz gleich ob Rollstuhlfah- rerin, Blinde oder Lernschwache – die Wege zur Polizei, in eine Beratung oder ins Frauenhaus bewältigen kön- nen. Uns geht es – wie dem UN-Übereinkommen – da- rum, die Handlungsspielräume für Frauen und Mädchen mit Behinderungen auf ihrem Weg zur mehr Selbstbe- stimmtheit und Teilhabe so groß wie möglich zu gestal- ten. Ich denke, dass wir mit dem vorliegenden Antrag ei- nen Teil dazu beitragen können. Marlene Rupprecht (Tuchenbach) (SPD): Bei mei- nen Besuchen in Einrichtungen, in denen behinderte Menschen leben, wird mir von Pflegekräften und Ange- hörigen immer wieder gesagt: Gewalt gegen Frauen und Mädchen mit Behinderungen ist ein enormes Problem. Das Thema ist komplex, die Problemlagen sind viel- schichtig, und vor allem spricht man nicht darüber. Das Thema ist tabuisiert. Es muss aber dringend in die Öffent- lichkeit und umfassend diskutiert werden, wie Gewalt Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 217. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 23. April 2009 23713 (A) (C) (B) (D) gegen behinderte Frauen und Mädchen verhindert und bekämpft werden kann – im Interesse und für das Wohl- ergehen der betroffenen Frauen und Mädchen. Gewaltfreiheit ist einer der zentralsten Grundwerte unserer Gesellschaft. Die Ausübung von Gewalt verletzt Menschen in ihren gesetzlich verbürgten Grundrechten und beschränkt sie in ihrer Entfaltung und Lebensgestal- tung. Alle Studien auf diesem Gebiet zeigen, dass Frauen quer durch alle Altersgruppen, sozialen Schichten und ethnischen Zugehörigkeiten in einem hohen Ausmaß von Gewalt betroffen sind. Mit dem ersten Aktionsplan zur Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen 1999 wurde in Deutschland ein Gesamtkonzept entwickelt, dessen Erfolge sich sehen lassen können, sei es das Gewalt- schutzgesetz, Projekte gegen häusliche Gewalt oder das Gesetz zur gewaltfreien Erziehung. Die Gruppe der behinderten Frauen und Mädchen hat hier aber noch nicht genügend Beachtung gefunden. Die Datenlage ist schwierig. Es gibt noch keine reprä- sentativen Daten oder wissenschaftlichen Untersuchun- gen zum Thema Gewalt gegen behinderte Frauen und Mädchen. Doch man geht davon aus, dass 80 Prozent der Frauen mit Behinderungen zu Opfern von physischer oder psychischer Gewalt werden. Sie sind oft von Mehr- fachdiskriminierungen betroffen. Sie sind in höherem Maße als andere Frauen der Gefahr sexueller Gewalt ausgesetzt. Und Gewalt kommt bei behinderten Frauen nicht nur häufig vor, sondern ist oft selbst die Ursache für die Behinderung. Die Täter und manchmal auch Tä- terinnen kommen meistens aus dem sozialen Umfeld der behinderten Frauen und Mädchen. Die Übergriffe finden im häuslichen Bereich und in Einrichtungen statt oder auf Fahrten zu Schule oder Werkstatt. Dabei wird die vorhandene Abhängigkeitssituation ausgenutzt. Geistig behinderte Frauen und Mädchen sind oft un- genügend sexuell aufgeklärt und wissen über sexuelle Gewalt nicht Bescheid. Wenn es zu Übergriffen kommt, können sie sich oft nicht verständlich mitteilen, oder das Betreuungspersonal kann die Mitteilung nicht richtig einschätzen. Dies stellt die Bekämpfung dieser Gewalt vor vielschichtige Probleme, und man muss hier ganz anders ansetzen als bei Fällen von Gewalt gegen nicht- behinderte Frauen und Mädchen. Die Stärkung der Rechte von Frauen und Mädchen mit Behinderungen wird auf nationaler und internationa- ler Ebene verfolgt. Neben der auf internationaler Ebene im Jahr 2008 in Kraft getretenen UN-Behindertenrechts- konvention sind die EU-Ebene, die Europaratsebene sowie die nationale Ebene zu nennen. Um in Deutschland die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention voran- zutreiben, haben wir diesen Antrag auf den Weg gebracht. Wir sind der Auffassung, dass die Benachteiligung und Mehrfachdiskriminierungen von geistig und körperlich beeinträchtigten Frauen und Mädchen viel stärker als bislang in das Licht der Öffentlichkeit gerückt werden müssen. Die UN-Konvention über die Rechte von Men- schen mit Behinderungen hat das Ziel, die Chancengleich- heit der Menschen mit Behinderungen zu gewährleisten, ihre Grundrechte zu garantieren und ihnen umfassende Teilhabe in der Gesellschaft zu fördern. In Art. 6 der UN-Konvention über die Rechte der Menschen mit Be- hinderungen heißt es: 1. Die Vertragsstaaten erkennen an, dass behinderte Frauen und Mädchen mehrfacher Diskriminierung ausgesetzt sind und ergreifen in dieser Hinsicht Maßnahmen, um sicherzustellen, dass sie alle Men- schenrechte und Grundfreiheiten uneingeschränkt und gleichberechtigt genießen können. 2. Die Vertragsstaaten treffen alle geeigneten Maß- nahmen zur Sicherung der vollen Entfaltung, der Förderung und der Stärkung der Autonomie der Frauen und Mädchen, damit gewährleistet wird, dass sie die in diesem Übereinkommen genannten Menschenrechte und Grundfreiheiten ausüben und genießen können. Deutschland hat die Konvention ratifiziert und verpflich- tet sich damit zur Umsetzung. Frauen mit Behinderung nehmen so im zweiten Aktionsplan der Bundesregierung zur Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen erstmals grö- ßeren Raum ein. Im Rahmen dieses zweiten Aktionsplans wird es eine Untersuchung der Bundesregierung zu Aus- maß und Umfang der Gewalt gegen Frauen mit Behinde- rungen geben. Die Studie soll über drei Jahre hinweg den häuslichen, beruflichen und öffentlichen Bereich sowie die ambulanten und stationären Einrichtungen und Dienste der Eingliederungshilfe untersuchen. Diese Untersuchung wird dringend gebraucht; denn es wird deutlich, dass sich Erkenntnisse aus dem Bereich der häuslichen Gewalt gegen nichtbehinderte Frauen nicht einfach übertragen lassen. Eine Verbesserung der Datenlage ist dringend notwendig. Auch an zielgruppenspezifischem Aufklärungs- material mangelt es. Gewalt gegen behinderte Frauen ist nicht altersspezifisch. Sie kann sich bis ins hohe Alter fortsetzen oder gar erst im höheren Lebensalter beginnen. Die Untersuchung wird auch hier nützlich sein; denn bei der Entwicklung von Maßnahmen gegen Gewalt muss die Altersverteilung der Betroffenen natürlich erkannt und berücksichtigt werden. Das Schlüsselwort bei der Bekämpfung von Gewalt heißt Prävention. Unser Ziel ist es, die Betroffenen im Vor- feld zu stärken. Mit dem entsprechenden Selbstbewusst- sein können behinderte Frauen und Mädchen Grenzüber- schreitungen und Übergriffen rechtzeitig entgegentreten. Bei der Präventionsarbeit sehr wichtig ist ein behinderten- gerechter Zugang zu Frauenberatungsstellen und Frauen- häusern. Alle Barrieren, die das Aufsuchen von Gewalt- beratungsstellen erschweren, müssen aus dem Weg geräumt werden. Damit ist nicht nur der uneinge- schränkte, hindernisfreie Zugang zu Beratungsstellen gemeint, sondern auch die Überwindung von sprachli- chen Missverständnissen, die im Rahmen der Beratung entstehen können. Ich denke hierbei an spezielle Beglei- terinnen und Begleiter und Ärztinnen und Ärzte, die in der Lage sind, die Kommunikation zwischen geistig behinderten Menschen und dem Beratungspersonal zu vermitteln. Die Fortbildung des Betreuungspersonals ist von ent- scheidender Bedeutung. Wir fordern die Bundesregierung daher auf, Projekte und Modellversuche zu fördern, die die Fortbildung des Betreuungs- und Pflegepersonals 23714 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 217. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 23. April 2009 (A) (C) (B) (D) und der Ärzteschaft, die im Bereich Gewalt gegen behin- derte Frauen und Mädchen arbeiten, zum Ziel haben. Wir wollen weiterhin, dass die Öffentlichkeit mithilfe von Projekten und Kampagnen noch intensiver mit dem Thema „Gewalt gegen Frauen und Mädchen mit Behin- derungen“ vertraut gemacht und dafür sensibilisiert wird. Wir wollen Menschen ermutigen, sich nicht mit Gewalt abzufinden, sondern ihr aktiv entgegenzutreten und sie wenn möglich zu verhindern. Und wir wollen Frauen, behinderte und nicht behinderte, darin stärken, ihre Rechte wahrzunehmen und ein Leben ohne Gewalt und Angst zu führen. Ina Lenke (FDP): Die Koalition stellt zu Recht in ih- rem Antrag fest, dass auch in Deutschland noch erhebli- che Defizite in der Analyse der Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen mit Behinderung bestehen. Das wurde be- reits in einer Entschließung des Europäischen Parla- ments von April 2007 festgestellt. Wenn Deutschland bereits im Dezember 2006 unter anderem das Überein- kommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderung ratifiziert hat, wusste die Große Koalition doch, dass sie eine Verpflichtung einge- gangen ist, die mit Leben hätte erfüllt werden müssen. Zweieinhalb Jahre sind bereits vergangen. Nun legen Sie von SPD und CDU/CSU dem Plenum diesen Antrag mit vielen Prüfaufträgen vor. Wenn es für Sie eine Ver- pflichtung ist und war, dass das Thema „Frauen und Mädchen mit Behinderung verstärkt in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt werden“ muss – das ist ein Zitat aus ihrem Antrag –, kommt die Initiative reichlich spät. Der Antrag zeigt, dass Sie in dieser Legislaturperiode kein Konzept erarbeitet haben. Dass jetzt die Fraktionen von CDU/CSU und SPD ihre eigene Bundesregierung auffordern müssen, nun aktiv zu werden, verwundert. Der Antrag benennt zwar viele Probleme, aber kaum Konkretes zur Verbesserung der Situation von Frauen und Mädchen mit Behinderung. Zum Ende der Legislaturperiode die Bundesregierung aufzufordern, eine geplante Studie schnellstmöglich in Auftrag zu geben, bei der Entwicklung von entsprechen- den Maßnahmen die Altersverteilung in den Blick zu nehmen und zu berücksichtigen, Aufklärungsmaterial zu erarbeiten, öffentliche Kampagnen aufzulegen und zu prüfen, sich einzusetzen, ist an Substanz zu wenig. Was wollen Sie in dieser Legislaturperiode noch erledigen? Zum Beispiel sind die im SGB IX neu eingeführten Übungen zur Stärkung des Selbstbewusstseins von Mäd- chen und Frauen mit Behinderungen im Rehabilitations- sport bis heute noch nicht in die Praxis umgesetzt wor- den. Das ist ein Versäumnis. Die FDP-Bundestagsfraktion hat im letzten Jahr in einem Entschließungsantrag, Bundestagsdrucksache 16/11243, die Bundesregierung aufgefordert, die deut- sche Übersetzung der Konventionen unter Mitarbeit der Menschen mit Behinderungen zu überarbeiten und die bereits angemahnten Übersetzungsfehler zu korrigieren. Mein Kollege Dr. Erwin Lotter hat bereits in der damali- gen Debatte zu Recht noch einmal deutlich gemacht, dass die Experten in der damaligen Ausschussanhörung eine gänzlich andere Realität der Hilfe- und Unterstüt- zungssysteme beschrieben, als die Bundesregierung das in ihrer Denkschrift zur Konvention dargestellt hatte. Es wird deutlich, mit welcher Verkennung der Situation und mit welch zurückhaltendem Handeln die Große Koali- tion dem Thema begegnet. Die Bundesregierung wird nach der Verabschiedung des Antrages also wieder eine Studie in Auftrag geben und Berichte erstellen. In der Sache sind wir uns einig, dass wir Frauen und Mädchen mit Behinderungen vor Gewalt und vor sexuel- len Übergriffe schützen müssen, damit sie nicht Opfer von Gewalt werden. Dass nicht die Menschen mit Be- hinderungen sich der Lebenswelt von Nichtbehinderten anpassen müssen, sondern die Lebenswelt so gestaltet werden muss, dass alle gleichberechtigt teilhaben kön- nen, ist die Position der Liberalen. In der kommenden Legislaturperiode sollten also nicht nur Prüfaufträge ver- geben werden, sondern die gesellschaftspolitischen und gesetzlichen Rahmenbedingungen real verändert wer- den. Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE): Heute war Girls’ Day. Eine tolle Initiative, wenn es um ernstgemeinte Verände- rungen statt um symbolische Aktionen ginge, wo sich Politikerinnen und Politiker kurzzeitig mit jungen Mäd- chen schmücken. Bei der nach Postleitzahlen angebote- nen Aktionssuche auf der Homepage www.girls-day.de wird man/frau staunen, wie viele Aktionen es gab. Wehe aber, man setzt bei der Aktionssuche noch einen Haken beim Kästchen „Nur rollstuhlgeeignete Veranstaltun- gen“. Die Angebote schmelzen schneller dahin als das Eis in der Sonne. Passend dazu die zeitliche Einordnung des Tagesordnungspunktes „Frauen und Mädchen mit Behinderung wirksam vor Gewalt schützen und Hilfsan- gebote verbessern“ am späten Abend, sodass hier die Reden nur zu Protokoll gegeben werden. Dass Frauen mit Behinderungen nachweisbar in vie- len Lebensbereichen einer Mehrfachdiskriminierung ausgesetzt sind, wissen wir spätestens seit dem im No- vember 2005 vom Familienministerium vorgelegten Gender-Datenreport. Das Tempo der Koalition, mit ge- eigneten Maßnahmen für Veränderung zu sorgen, ist „atemberaubend“. Nicht zu vergleichen mit dem Tempo von Maßnahmen zur Rettung von Banken. Immerhin: Die Entschließung des Europäischen Parlaments wurde am 10. Juli 2007 an die Ausschüsse des Bundestages überwiesen, und am 12. Februar dieses Jahres diskutier- ten wir in erster Lesung den Antrag der Koalition. Nicht wiederholen möchte ich meine positiven und kritischen Anmerkungen zum Antrag der Koalition in der Plenarrede vom 12. Februar. Insofern sind die dort benannten Forderungen der Linken weiterhin aktuell, und ich hoffe, dass Sie hier noch vor der Bundestags- wahl aktiv werden. Wie sieht es aber im „wirklichen Leben“ aus? Dazu ein Beispiel, über welches heute die Internetplattform www.kobinet-nachrichten.org unter der Überschrift „Aus Kostengründen ins Heim?“ berichtete: Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 217. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 23. April 2009 23715 (A) (C) (B) (D) In einem Rechtsstreit vor dem Sozialgericht Hamburg (Az. S 61 SO 328/08) geht es darum, ob eine junge, pfle- gebedürftige, aber immer selbstständig lebende Frau aus Kostengründen ins Heim gezwungen werden darf. Da- mit spielt erstmals in einem Rechtsstreit das Überein- kommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen eine wichtige Rolle. In dem Verfahren geht es um die persönliche Assistenz ei- ner jungen Frau, die die Freie und Hansestadt Hamburg nicht mehr bezahlen will. Sie hat deswegen verfügt, dass statt der erforderlichen Gelder für die persönliche Assis- tenz nur noch die Kosten für einen Heimplatz gezahlt werden sollen. Die Frau soll also nach dem Willen der schwarz-grün regierten Stadt gegen ihren Willen in ein Heim abgeschoben werden. Die Rechtsgrundlage dafür soll § 13 SGB XII sein, der den prinzipiellen Vorrang der ambulanten Versorgung für den Fall aushebelt, dass die stationäre Versorgung „zumutbar“ sei und die ambulante Versorgung erhebliche Mehrkosten verursacht. Nach Auffassung der jungen Frau stellt diese Be- stimmung einen Verstoß gegen Art. 19 des Gesetzes zu dem Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 13. Dezember 2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen dar, der regelt, dass Menschen mit Be- hinderungen gleichberechtigt die Möglichkeit haben zu entscheiden, wo und mit wem sie leben, und nicht ver- pflichtet sind, in besonderen Wohnformen zu leben. Der Senat von Hamburg vertritt die Auffassung, dass das Menschenrechtsübereinkommen auch nach seiner Umsetzung ins deutsche Recht die Auslegung von So- zialrechtsnormen nicht beeinflussen könnte. Es handele sich ebenfalls nur um einfaches Gesetzesrecht und nicht um höherrangiges Recht. Eine andere Sichtweise sei schon aus Kostengründen abzulehnen. Der Unterschied zwischen Menschenrecht und „Wohlfahrt“ wird schlicht ignoriert. Hier, so auch meine Meinung, zeigt die Hansestadt eine bestürzende Ignoranz, was die Menschenrechte von Behinderten angeht. Die Einweisung dieser Frau gegen ihren Willen in ein Heim – und es handelt sich um kei- nen Einzelfall – ist vergleichbar mit einer freiheitsentzie- henden Maßnahme, weil sie das Selbstbestimmungs- recht der Betroffenen dramatisch einschränkt. Hier rächen sich auch die unsägliche „Denkschrift“ der Bun- desregierung in ihrem Gesetzentwurf zur Ratifizierung der Konvention, die mangelhafte Übersetzung und das fehlende Umsetzungsgesetz. Es reicht eben nicht, wenn die Koalition im vorliegenden Antrag auf die UN-Behin- dertenrechtskonvention, insbesondere auf Art. 6 „Frauen mit Behinderungen“ verweist. Dem Schulterklopfen, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU/CSU und SPD, müssen Taten zur Verbesserung der Lebenssitua- tion von Frauen und Mädchen – mit und ohne Behinde- rungen – folgen. Die Linke wird Ihrem Antrag zustim- men, und Sie können gewiss sein, sie wird sich auch für seine zügige Umsetzung engagieren. Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): In Zeiten des Wahlkampfes kommen zuwei- len Themen auf die Tagesordnung, die ansonsten nur von der Opposition getragen werden. So freut es mich zum einen, dass die Bundesregierung sich aktuell einer Gruppe von Menschen annimmt, die Mehrfachdiskrimi- nierung ausgesetzt ist und trotzdem viel zu wenig Unterstützung erhält: Mädchen und Frauen mit Behinde- rungen werden in unserer Gesellschaft strukturell diskri- miniert und sind einer erhöhten Gefahr ausgesetzt, Opfer von sexualisierter Gewalt zu werden. Zum anderen be- fürchte ich, dass dieses Engagement so schnell gehen wird, wie es auch gekommen ist. Seit 2007 werden die Gelder für eine Studie zum Ausmaß und Umfang von Gewalt gegen Frauen und Mädchen mit Behinderungen in der Haushaltsplanung vorgesehen. Diese Studie wird dringend gebraucht, denn die Wissenslücken auf diesem Gebiet sind groß. Ich frage mich nur, wie es sein kann, dass diese erst jetzt in Auftrag gegeben werden soll – noch schnell vor der Wahl? Die Antwort auf unsere Große Anfrage 16/9283 zeigt die großen Wissens- und Handlungslücken der Bundes- regierung, fünf Jahre nach Einführung des Behinderten- gleichstellungsgesetzes, auf. Im Abschnitt über die Ge- walterfahrungen von Frauen mit Behinderung kann die Bundesregierung nur antworten, dass sie keine repräsen- tativen Daten hat. Doch obwohl keine wissenschaftli- chen Untersuchungen vorliegen und wir dies nicht erst seit der Beantwortung der Anfrage wissen, hat die Bun- desregierung es bisher nicht geschafft, diese in Auftrag zu geben. Wir von Bündnis 90/Die Grünen wollen hier gerne unterstützen, damit Sie bei der Themensetzung für die nun endlich kommende Studie auch nichts vergessen. Zwei Themenbereiche will ich kurz hervorheben: Unsere Große Anfrage verdeutlicht, dass die Bundes- regierung keine Erkenntnisse darüber hat, ob und wie häufig von der Justiz auch heute noch bei sexualisierter Gewalt gegenüber Frauen mit Behinderungen auf den strafmildernden Paragrafen 179 StGB („Sexueller Miss- brauch widerstandsunfähiger Personen“) zugegriffen wird. Die Anwendungspraxis der §§ 177 und 179 StGB muss erhoben werden, denn es darf nicht sein, dass hier ein Unterschied zwischen Frauen mit und ohne Behinde- rung gemacht wird. Jede Person hat den Anspruch auf körperliche Unversehrtheit. Eine Widerstandsunfähig- keit ist allein aus dem Umstand der sogenannten geisti- gen Behinderung nicht abzuleiten. Die Bundesregierung darf nicht zulassen, dass der sexuelle Missbrauch behin- derter Menschen strafmildernd beurteilt wird. Wir wollen auch, dass bei der Erstellung der Studie auch der Bereich der Prävention besondere Beachtung erhält. Wir wissen leider, dass die initiierten Projekte nicht zur Anwendung kommen. Frauen und Mädchen mit Behinderungen befinden sich in einer starken Ab- hängigkeit zu anderen Personen, werden von der Gesell- schaft diskriminiert und stigmatisiert. Prävention sollte ihnen die Chance geben, neue Handlungsmöglichkeiten zu erfahren und diese in ihren Alltag einbringen zu kön- nen. Das halbherzige Engagement der Bundesregierung zeigt sich am vorgelegten Antrag. Obwohl es dem An- trag an einer klaren Linie fehlt, wollen wir ihn unterstüt- zen, damit hier endlich etwas passiert. Es muss aber end- 23716 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 217. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 23. April 2009 (A) (C) (B) (D) lich mit Nachdruck gearbeitet werden. Nehmen Sie die Anregungen aus unserer Großen Anfrage auf und ma- chen Sie was draus! Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts Potenziale der Tourismusbranche in der Entwicklungszusammenarbeit durch Auf- gabenbündelung im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie ausschöpfen (Ta- gesordnungspunkt 15) Jürgen Klimke (CDU/CSU): Ich kann gut verstehen, dass Sie über den Antrag der FDP-Bundestagsfraktion mit dem etwas sperrigen Titel „Potenziale der Touris- musbranche in der Entwicklungszusammenarbeit durch Aufgabenbündelung im Bundesministerium für Wirt- schaft und Technologie ausschöpfen“ nicht unbedingt re- den wollten. Er ist wahrlich kein Ruhmesblatt für die FDP. Gestatten Sie mir, dass ich kurz auf den Sinn und Unsinn dieses Antrags und vor allem auf seine systema- tischen Mängel eingehe. Zunächst finde ich es schon bemerkenswert, wenn die FDP-Bundestagsfraktion ein halbes Jahr vor der Bundes- tagswahl einen Antrag stellt, in dem sie die Umstruktu- rierung von Bundesministerien mit all ihren Konsequen- zen fordert. Selbst wenn man den Antrag inhaltlich für unterstützenswert halten würde, wäre eine derartige Re- form zum jetzigen Zeitpunkt wenig zielführend, weil Änderungen gegebenenfalls von einer neuen Bundesre- gierung sofort wieder auf den Prüfstand gestellt würden. Ich bin der Auffassung, dass grundsätzliche Fragen der Gliederung der Ministerien zu Beginn einer Legislatur- periode angegangen werden sollten. Der zweite Punkt, der mich an der Ernsthaftigkeit die- ses Antrages zweifeln lässt, betrifft das Wörtchen „Ent- wicklungszusammenarbeit“. Im Antrag der FDP wird die Bundesregierung aufgefordert – ich zitiere –: „durch die Konzentration der touristischen Aufgaben im Bun- desministerium für Wirtschaft und Technologie die Potenziale der Tourismusbranche in der Entwicklungs- zusammenarbeit auszuschöpfen.“ Warum sollen denn die Potenziale der Tourismusbranche nicht durch eine generelle Konzentration der touristischen Aufgaben im BMWi ausgeschöpft werden? Also zum Beispiel auch aus der Umweltpolitik, Verkehrspolitik, Außenpolitik, Kulturpolitik, Familienpolitik und Bildungspolitik – um nur einige Beispiele zu nennen. Eine solche Änderung wäre dann ein wirklicher Systemwechsel, und darüber könnte man durchaus kontrovers diskutieren. Die Über- führung allein des Aspektes „Tourismus in Entwick- lungsländern“ ins Wirtschaftsministerium ist wenig sinnvoll und lässt systematisches Denken vermissen. Könnte die Fokussierung auf die Entwicklungspolitik – polemisch zugespitzt – vielleicht daran liegen, dass die FDP kein Interesse an einem starken Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung hat? Dass die FDP lieber die entsprechenden Kompetenzen beim Auswärtigen Amt und im Wirtschaftsministerium stärken will? Beides Ressorts, die die FDP nach der Wahl zu besetzen hofft. Ich sehe in der Konzentration des Antrags auf die Entwicklungspolitik jedenfalls nur Populismus und Taktieren. Schließlich ist jedem Ent- wicklungspolitiker bewusst, dass die spezifische Kennt- nis der Situation vor Ort in den Partnerländern sowie die Fachkompetenz zu den Ansätzen einer nachhaltigen Ent- wicklungspolitik nun einmal im Bundeswirtschaftsmi- nisterium höchstens ansatzweise vorhanden sind. Mehr Effizienz in der Entwicklungszusammenarbeit – dafür trete ich als Entwicklungspolitiker sehr gern ein. Ich bin aber auch der Meinung, dass die deutsche Entwicklungs- zusammenarbeit hier auf einem guten Weg ist. Ich vertrete weiterhin die Auffassung, dass die Förde- rung und Unterstützung des Aufbaus von touristischen Strukturen in Entwicklungsländern richtig und wichtig ist. Wir haben in diesem Bereich durchaus noch Nach- holbedarf – aber eben auch Fortschritte erreicht. Ich möchte dabei auf unseren Antrag „Zukunftstrends und Qualitätsanforderungen im internationalen Ferntouris- mus“ verweisen, mit dem wir beschlossen haben, dass der Tourismus in Entwicklungsländern auf Wunsch der Partner zu einem Schwerpunkt im Rahmen der nachhal- tigen Wirtschaftsentwicklung erklärt werden kann. Ich würde mich deshalb freuen, wenn diese Ansicht im BMZ noch stärker verinnerlicht würde. So sollte zum Beispiel ein Vertreter des Entwicklungsministeriums zu- künftig an den Gesprächen des Tourismusbeauftragten zur Ressortkoordinierung teilnehmen. Das würde die Wahrnehmung untermauern, dass Tourismus durchaus Wachstumspotenziale in Entwicklungsländern generie- ren kann. Lassen Sie mich jedoch zurück zum grundsätzlichen Thema kommen: Wäre es nicht sinnvoll, wenn wir alle tourismusrelevanten Aspekte aus allen Ministerien im Bundeswirtschaftsministerium bündeln würden? Der Gedanke hat durchaus Charme: Bisher spielt Tourismus fast überall eine Rolle, aber eben nicht immer eine be- sonders starke. Eine Konzentration aller Kräfte in einem Ministerium könnte helfen, der Bedeutung des Touris- mus gerechter zu werden und die Interessen des Touris- mus stärker zu vertreten. Allerdings muss dann auch si- chergestellt werden, dass in den einzelnen Ministerien touristische Aspekte auch weiterhin „mitgedacht“ wer- den. Das Thema ist grundsätzlich eine Überlegung wert, aber nicht so einfach, wie es sich die FDP hier macht. Ich möchte den Gedanken hinter dem Antrag der FDP gar nicht beiseite schieben. Es geht ihr ja offensichtlich um eine Stärkung des Tourismus auf der Regierungs- ebene. Lassen Sie mich dazu aus meiner Sicht zunächst die Ist-Situation analysieren: Seit dieser Legislatur- periode haben wir erstmals einen Beauftragten der Bun- desregierung für Tourismus, bei dem die Fäden der Tou- rismuspolitik zusammenlaufen. Ich bin der festen Überzeugung, und da wird mir auch Ernst Burgbacher zustimmen, dass wir diesen Beauftragten für Tourismus sowohl in seiner Funktion als auch in der Person von Ernst Hinsken zukünftig für unsere Tourismuspolitik nicht mehr missen möchten. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 217. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 23. April 2009 23717 (A) (C) (B) (D) Durch den Beauftragten für Tourismus ist die Touris- muspolitik der Bundesregierung sehr viel sichtbarer ge- worden. Wir haben für die Anliegen und Rahmenbedin- gungen der Branche deutlich mehr Öffentlichkeit und Aufmerksamkeit erfahren. Natürlich wünsche auch ich mir manchmal, dass die Erkenntnisse, die wir gemeinsam im Tourismusausschuss gewonnen haben, sofort eins zu eins von der Bundesregierung übernommen und in Poli- tik umgesetzt werden. Ich gestehe selbstkritisch ein, dass wir nicht alle ambitionierten Ziele erreichen und durch- setzen konnten. Aber Politik ist das Bohren dicker Bret- ter, und in der Tourismuspolitik sind die Bretter viel- leicht besonders dick – oder die Bohrer etwas stumpf. Vor diesem Hintergrund bewerte ich die Initiativen unseres Ausschusses zu wichtigen Tourismusthemen wie Geschäftsreisen, barrierefreiem Tourismus, Kreuzfahrt- tourismus, Fahrradtourismus usw. und deren Umsetzung durch die Bundesregierung als wichtige Unterstützung für die Tourismusbranche und vor allem das Reiseland Deutschland. Zudem war die Erstellung der tourismus- politischen Leitlinien ein Meilenstein für unseren Poli- tikbereich. Denn erstmals wurde eine verbindliche Rich- tungsvorgabe zum Tourismus vom Bundeskabinett beraten und beschlossen. Das ist unser Grundfahrplan, den man gemeinsam ausgestalten und mit Leben erfüllen kann. Ich weiß sehr wohl um die Kritik daran: Manch eine Branche fühlt sich nicht ausreichend einbezogen, manch eine Formulierung erscheint als zu schwammig. Aber es kann auch kein Ziel von Leitlinien sein, die Branchen durchzudeklinieren und deren Anliegen und Wünsche nachzubeten. Es geht hier doch vielmehr um grundsätzli- che Richtungsvorgaben. Wenn es also an der einen oder anderen Stelle Interpretationsspielräume gibt, dann las- sen sie uns diese Spielräume nutzen, indem wir damit unsere Anliegen und weitergehenden Ideen begründen und unterstützen! Zum Abschluss möchte ich gern festhalten, was wir von der Union uns für den Bereich der Tourismuspolitik in der Bundesregierung für die Zukunft wünschen. Erstens. Wir treten für eine Stärkung und Weiterent- wicklung des Tourismusbeauftragten der Bundesregie- rung innerhalb des Bundeswirtschaftsministeriums ein. Wir wollen, dass der Beauftragte für Tourismus institu- tionell stärker verankert wird und mehr Möglichkeiten zur Einflussnahme, aber auch zur öffentlichkeitswirksa- men Arbeit für die Tourismusbranche erhält. Zweitens. Wir wollen die Tourismuspolitik im Wirt- schaftsministerium personell verstärkt wissen. Eine Möglichkeit wäre eine deutliche personelle Aufstockung der tourismusrelevanten Referate oder aber die Schaf- fung eines neuen Referats. Drittens. Wir wünschen uns eine Stärkung der Koor- dinierungsfunktion des Tourismusbeauftragten gegen- über den anderen Ressorts. Wir möchten, dass der Tou- rismusbeauftragte in die Lage versetzt wird, die Tourismusinteressen in den verschiedenen Politikberei- chen auch gegenüber den anderen Ministerien mit größe- rem Nachdruck zu vertreten. Er sollte die Federführung für alle Bereiche der Tourismuspolitik haben. Viertens. Last but not least treten wir für eine signifi- kante Erhöhung der Mittel für die Deutsche Zentrale für Tourismus zur touristischen Vermarktung des Reiselan- des Deutschland ein. Das tun wir auch deshalb, weil wir der Auffassung sind, dass die Schönheit, die Qualität und das gute Preis-Leistungs-Verhältnis unseres Landes im Ausland – trotz der unbestrittenen Erfolge – noch nicht bekannt genug sind. Wenn wir diese Ziele gemeinsam umsetzen, bedeutet das einen Quantensprung in der Tourismuspolitik auf Bundesebene. Es versetzt uns in die Lage, die Vorgaben der tourismuspolitischen Leitlinien mit Leben zu erfül- len und die Interessen der Menschen, die in Deutschland vom Tourismus leben, nachhaltig und kraftvoll zu unter- stützen. Dr. Reinhold Hemker (SPD): Ich freue mich immer, wenn eine Fraktion im Deutschen Bundestag ein wichti- ges Thema aufgreift. Dies trifft besonders dann zu, wenn die Zielsetzung des Antrages darauf ausgerichtet ist, die Situation von Benachteiligten und sozial Schwächeren in Entwicklungsländern zu verbessern. Das gilt natürlich auch für den Antrag der FDP „Potenziale der Tourismus- branche in der Entwicklungszusammenarbeit durch Auf- gabenbündelung im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie ausschöpfen“ (Bundestagsdrucksache 16/8176). Allerdings sind viele Punkte im Analyseteil des FDP-Antrages bereits vor über einem Jahr hier im Bundestag bei der Behandlung des Koalitionsantrages „Zukunftstrends und Qualitätsanforderungen im interna- tionalen Ferntourismus“ (Bundestagsdrucksache 16/4603) diskutiert und dann auch verabschiedet worden. Bedauerlich ist, dass mit den berechtigten Anliegen und der damit verbundenen weitgehend treffenden Ana- lyse der Potenziale des Tourismus im vorliegenden An- trag der FDP eine grundlegend verfehlte Forderung verbunden wurde. Denn die meisten im Rahmen der Ent- wicklungszusammenarbeit zu fördernden Projekte liegen in der Verantwortlichkeit des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und der verschiedenen staatlichen oder nichtstaatlichen Aus- führungsorganisationen. Wenn es um umweltbezogene Maßnahmen – etwa zum Schutz der Biosphäre – geht, sind das Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz und das Umweltministerium zuständig. Auch in diesem Be- reich sind in den letzten Jahren viele gute Projekte ver- wirklicht worden, die für die Weiterentwicklung des Tourismus in den Entwicklungsländern förderlich waren und sind. Es wäre völlig verfehlt, alle Aufgaben, deren Schwer- punkte in den verschiedenen Ministerien weiterentwi- ckelt worden sind, ausschließlich im Ministerium für Wirtschaft und Technologie zu konzentrieren, wie es die Kolleginnen und Kollegen der FDP im vorliegenden An- trag zentral fordern. Es käme ja auch niemand auf die Idee, alle Sicherheitsfragen, die in den verschiedenen 23718 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 217. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 23. April 2009 (A) (C) (B) (D) Bereichen unserer Gesellschaft eine Rolle spielen, aus- schließlich im Innenministerium zu konzentrieren. Unserem Tourismusbeauftragten, dem Kollegen Ernst Hinsken, und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern kommt bei der Umsetzung der bereits Anfang 2008 in dem von mir bereits erwähnten Koalitionsantrag verab- schiedeten – und auch in den Auschüssen verhandelten – Beschlüsse eine wichtige Koordinationsfunktion zu. In der damaligen Debatte und in den Ausschussbera- tungen ist deutlich gemacht worden, dass für die Zukunft noch erheblicher Handlungsbedarf besteht. Insbesondere für die Entwicklungsländer und die Unterstützung von Vorhaben im Bereich Tourismus müssen noch mehr Mit- tel aufgebracht werden. Es kann angeknüpft werden an den positiven Erfahrungen in verschiedenen Projekten, insbesondere in den Bereichen, in denen die Fachleute des Deutschen Entwicklungsdienstes (DED) schon gute Erfahrungen gesammelt haben. Wir haben es bereits in der Debatte im Ausschuss ge- fordert, und ich wiederhole es: Für eine Weiterentwick- lung unserer Tourismuspolitik in diesem Bereich ist nicht eine Übertragung der Aufgaben des BMZ zum BMWi nötig. Es geht vielmehr um die Stärkung der Rolle des Tourismusbeauftragten und des Tourismusreferates im BMWi. Dabei sollten andere Ressorts, in denen es Tou- rismusprojekte gibt, ihre unterstützende Funktion weiter ausbauen. Nur so kann kohärente Tourismuspolitik unter Beteiligung aller beteiligten Ressorts gelingen. Ein Umdenken der Bundesregierung ist daher nicht nötig. Vielmehr geht es darum, den eingeschlagenen Weg parlamentarisch zu unterstützen. Nicht erst die auf der ITB 2007 vorgestellte Studie „Tourismus in Entwicklungsländer“ des Studienkreises für Tourismus und Entwicklung e. V. hat aufgezeigt, welche erheblichen Potenziale es beim nachhaltigen Ausbau des Tourismussektors in Entwicklungsländern gibt. Dass Ferntourismus traditionelle, naturverträgliche Wirtschaftsformen unterstützen und zur Erhaltung der Naturpotenziale der Entwicklungsländer, zu einer Wie- derbelebung traditioneller Werte und Gebräuche sowie zur Stärkung des Selbstbewusstseins und der kulturellen Identität beitragen kann, ist heute unstrittig. Wir konnten beobachten, dass eine der Folgen eines nachhaltigen Tourismus fast immer auch ein positiver sozialer Wandel in den Entwicklungsländern ist, der aus der Eröffnung neuer Tätigkeitsfelder hinsichtlich der so- zialen Schichtzugehörigkeit oder der Rolle der Frauen resultiert. Die von der Bundesregierung im Bereich der Förde- rung des nachhaltigen Tourismus durchgeführten Pro- gramme und Projekte zeigen bereits jetzt Wirkung. So ist in den letzten Jahren etwa die Zahl der Touristen in Na- tur- und Nationalparken vieler Entwicklungsländer, in deren Umfeld Art und Zahl der Unterbringungsmöglich- keiten erheblich verbessert wurden, stark angestiegen. Negative Effekte des Tourismus in ökonomischer, ökologischer, sozialer und kultureller Hinsicht sollen verhindert bzw. eingedämmt werden. Natur und Land- schaft müssen besser geschützt werden. Darin sind wir uns mit den Antragstellern einig. Ich rufe aber noch ein- mal in Erinnerung, dass wir dies bereits vor über einem Jahr im Bundestag diskutiert und beschlossen haben. Im Ergebnis der heute angestellten Überlegungen müsste man der FDP raten, ihren Antrag zurückzuzie- hen. Denn wie gezeigt wurde, befinden wir uns bereits auf einem guten Weg, den wir auch in der nächsten Le- gislaturperiode fortsetzen wollen. Ernst Burgbacher (FDP): Die FDP-Bundestags- fraktion hat den Antrag „Potenziale der Tourismusbran- che in der Entwicklungszusammenarbeit durch Aufga- benbündelung im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie ausschöpfen“ vorgelegt mit dem Ziel, die bisherige Förderpolitik im Bereich Tourismus und wirt- schaftliche Zusammenarbeit grundlegend zu korrigieren und ein schlüssiges Gesamtkonzept zu entwickeln, mit dem gezielt Schwerpunkte gesetzt und nur die effizien- testen Projekte gefördert werden. Unser Anliegen ist es insbesondere, durch eine Kon- zentration der touristischen Aufgaben im Bundesminis- terium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) die Potenziale der Tourismusbranche in der Entwicklungs- zusammenarbeit auszuschöpfen und damit die Effizienz der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Entwicklungs- ländern und den dort lebenden Menschen nachhaltig zu verbessern. In Kooperation mit der Tourismuswirtschaft geht es außerdem darum, bestehende Maßnahmen fort- zuentwickeln, um ein entschiedenes Vorgehen gegen „Sextourismus“ zu gewährleisten. Der Ferntourismus war und ist eine bedeutende Quelle von Wirtschaftswachstum in Entwicklungs- und Schwellenländern. Die heutigen Schwellenländer haben vom Ferntourismus als einem der ersten Devisenbringer profitiert, ebenso wie es die heutigen Entwicklungslän- der tun. Daher gilt es, den Ferntourismus mehr als bisher als Wachstumsmotor für die heutigen Entwicklungslän- der zu stärken. Der Marktanteil des Ferntourismus hat vor allem in den Entwicklungsländern in den vergange- nen Jahren kontinuierlich zugenommen und ist damit für einige Länder die Haupteinnahmequelle für Devisen. In ihrer Zukunftsstudie „TourismVision 2020“ erwartet die Welttourismusorganisation (UNWTO) weltweit 1,6 Mil- liarden Touristenankünfte und Ausgaben der Reisenden in Höhe von 2 Billionen US-Dollar im Jahr 2020. Insbe- sondere die Entwicklungs- und Schwellenländer werden als Begünstigte dieser Entwicklung gesehen. Nach Schät- zungen des Worldtravel und TourismCouncil (WTTC) hängen derzeit weltweit 234,3 Millionen Arbeitsplätze direkt oder indirekt vom Tourismus ab. Das sind rund 8,7 Prozent aller Arbeitsplätze. Der Tourismus leistet bereits heute einen zentralen Beitrag für die wirtschaftliche Entwicklung in Entwick- lungsländern zur Sicherung sowie Schaffung von Ar- beitsplätzen. Insbesondere periphere, strukturschwache Regionen in den Entwicklungsländern sind auf den Tou- rismus angewiesen, da dieser oftmals die einzige realisti- sche Option für wirtschaftlichen Aufschwung und wir- kungsvolle Armutsbekämpfung darstellt. Zudem ist der Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 217. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 23. April 2009 23719 (A) (C) (B) (D) Tourismus aufgrund seiner Dienstleistungsorientierung eine der arbeitsplatzintensivsten Wirtschaftsbranchen überhaupt, da die Subventionierung von Arbeitskraft durch Technik im Tourismus nur in sehr begrenztem Umfang möglich ist. Schließlich bietet der Tourismus eine Vielzahl von Arbeitsplätzen mit niedrigen und mitt- leren Qualifikationsansprüchen. Hier ergibt sich insbe- sondere für Menschen mit niedrigem Ausbildungs- und Bildungsstand die Chance auf neue bzw. alternative Ein- kommensquellen sowie die Möglichkeit der Weiterquali- fizierung. Damit bietet der Tourismus in Entwicklungs- ländern die Chance, das Wertschöpfungspotenzial gerade auch in ländlichen Räumen deutlich zu steigern. Menschen in Entwicklungsländern, die in der Touris- musbranche ein Auskommen und eine berufliche Per- spektive finden, haben ein persönliches und gesellschaft- liches Interesse, eine intakte Umwelt für eine weiterhin prosperierende wirtschaftliche Entwicklung ihres Lan- des zu erhalten. Fehlen solche Einkommensalternativen, geht dies oftmals mit der Zerstörung ökologisch wertvol- ler Regenwälder oder Feuchtgebiete einher, die dann zum Beispiel für landwirtschaftliche Nutzung bean- sprucht werden. Die Bundesregierung muss gemeinsam mit der Tou- rismuswirtschaft und insbesondere den Reiseveranstal- tern im Bereich der Angebots-, Produkt- und Preisgestal- tung Förderschwerpunkte für die touristischen Märkte in Entwicklungsländern entwickeln. Vor allem der Auf- rechterhaltung bestimmter Qualitätsstandards vor dem Hintergrund des steigenden Preisdrucks sowie dem Thema Sicherheit wird hier eine besondere Bedeutung beigemessen. Wichtig sind weiterhin die verstärkte För- derung nachhaltiger Tourismusformen sowie ein verbes- serter Informationsservice für Touristen. Innerhalb der Bundesregierung und vor allem im Bun- desministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) muss ein Umdenken stattfinden. Das Handlungsfeld Tourismus darf in der deutschen Ent- wicklungszusammenarbeit nicht länger als nachrangige Angelegenheit empfunden und eingestuft werden. Tou- rismus muss perspektivisch als eigenständiges bzw. quer- schnittsorientiertes Handlungsfeld innerhalb der deut- schen Entwicklungszusammenarbeit etabliert werden. Die heute immer noch übliche Förderung des BMZ nach dem „Gießkannenprinzip“ ohne schlüssiges Gesamtkon- zept oder Strategie ist ineffizient und sollte überarbeitet werden. Dazu sind die Evaluierung und das Monitoring der Tourismusvorhaben und die Entwicklung eines über- geordneten Leitbildes und die Festlegung von Zielgrup- pen erforderlich. Weiterhin sollte die Schaffung von ge- eigneten Rahmenbedingungen für die Durchführung von Tourismusprojekten erfolgen. Dazu sollten Länder und Regionen festgelegt werden, die Schwerpunkte für eine gebündelte und stärker koordinierte Zusammenarbeit bil- den. Zudem ist die Intensivierung der Forschungstätig- keit im Handlungsfeld Tourismus sinnvoll. Schließlich ist die strategische und inhaltliche Weiterentwicklung der entwicklungspolitischen Bildungsarbeit erforderlich. Durch die Konzentration der touristischen Aufgaben im BMWi sind die genannten Ziele effektiver als heute zu verwirk- lichen, da neben entwicklungspolitischen Aspekten auch weitere fachpolitische Bereiche berührt werden. Ich bitte Sie im Interesse einer gestärkten und ziel- orientierten deutschen Tourismuspolitik, dem Antrag der FDP-Bundestagsfraktion zuzustimmen. Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE): Am 4. Mai wird in Ha- vanna eine internationale Tourismusmesse eröffnet. Gastland ist diesmal die Bundesrepublik Deutschland. Rechtzeitig lud der Tourismusminister der Republik Kuba eine Delegation des Tourismusausschusses zu die- ser Messe ein. Der Ausschuss nahm die Einladung an und bestätigte noch auf der ITB am 12. März in Berlin dem Minister persönlich sein Kommen, nachdem Sie, verehrter Herr Präsident, diese Reise genehmigt hatten. Trotzdem wird kein Vertreter der Bundesrepublik Deutschland an der Tourismusmesse in Havanna teilneh- men, denn inzwischen wurde die Reise aus fadenscheini- gen Gründen auf Betreiben der Koalition abgesagt. Das ist nicht nur peinlich, sondern auch ein Beispiel, wie Potenziale der Tourismuswirtschaft in der Entwicklungs- zusammenarbeit nicht genutzt werden. In einem stimmen wir der FDP zu: Die Tourismus- politik und der Tourismus als einer der größten Wirt- schaftsbereiche werden in Deutschland stiefmütterlich behandelt. Es beginnt bei der Bundesregierung. Der Rei- seweltmeister BRD hat kein eigenes Tourismusministe- rium, das Wort „Tourismus“ kommt im zuständigen Mi- nisterium für Wirtschaft und Technologie nicht vor, der Minister und seine Staatssekretäre fühlen sich für die Tourismuswirtschaft nicht bzw. kaum zuständig. Es gibt einen Tourismusbeauftragten, unseren sehr rührigen Kollegen Ernst Hinsken, welcher aber kaum über Ent- scheidungskompetenzen, Personal und Finanzen verfügt. Tourismus ist unbestritten ein Querschnittsthema, und daraus folgt zwangsläufig, dass auch andere Ressorts mit tourismusrelevanten Fragen beschäftigt sind, auch das Entwicklungsministerium. Insofern gibt es logische und sinnvolle Aufgabenverteilungen zwischen den Ministe- rien, aber auch unakzeptable. Dazu zwei Beispiele: Die Förderung des barrierefreien Tourismus einschließlich der viel zu geringen Förderung der NatKo ist im Ge- sundheitsministerium angesiedelt. Dafür gibt es keine inhaltliche Begründung. Wenn, dann sollte sich dieses Ministerium mehr mit Fragen des Gesundheitstourismus und von Kurreisen befassen. Zweitens finde ich unakzeptabel, dass sich die Bun- desregierung in keiner Weise für Schulfahrten und kaum für den Kinder- und Jugendtourismus interessiert und stattdessen lediglich auf die Länder verweist. Insofern erwarte ich durchaus mit der nächsten Koalitionsverein- barung Veränderungen bei Zuständigkeiten und Stellen- wert der Tourismuspolitik, egal wer nach der nächsten Bundestagswahl die Regierungsverantwortung über- nimmt. Dass Sie, liebe Kollegen von der FDP, sich sehr fürs Wirtschaftsministerium, aber überhaupt nicht für die Entwicklungspolitik interessieren, spürt man auch bei dem vorliegenden Antrag. Von den wirklichen Zusam- menhängen zwischen nachhaltiger Entwicklungs- und Tourismuspolitik scheinen Sie keine Ahnung zu haben. Insofern empfehle ich Ihnen, sich bei Fachleuten von EED Tourism Watch, bei den Teilnehmerinnen und Teil- 23720 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 217. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 23. April 2009 (A) (C) (B) (D) nehmern des Weltsozialforums 2009 in Brasilien und den Organisatoren des brasilianischen Netzwerkes für solidarischen und gemeindebasierten Tourismus – Turi- sol – zu informieren. Auch in der deutschen Tourismus- wirtschaft gibt es Leute mit Kompetenz, ich denke da zum Beispiel an den Chef des Berliner Reiseunterneh- mens „Lernidee Erlebnisreisen“, Hans Engberding. Si- cher: In den Haushaltsberatungen war ich ebenso wie die Kolleginnen und Kollegen der anderen Fraktionen er- staunt, wie viele Kleinst- und Kleinprojekte das Ent- wicklungsministerium weltweit unter der Überschrift „Tourismus“ fördert. Eine Evaluierung und gegebenen- falls Konzentration der Mittel in Abstimmung mit den Tourismuspolitikern halte ich für sinnvoll. Die Übergabe dieses Bereiches an das Wirtschaftsministerium – so die Forderung der FDP – lehnen wir aber unter den gegen- wärtigen Bedingungen ab. Krisen verführen auch immer zu egoistischem Verhal- ten, zur Nabelschau. So freuen wir uns einerseits, dass zunehmend mehr Menschen für ihren Urlaub keine Fern- reise, sondern eine Reise im Inland buchen. Das stärkt die heimische Tourismuswirtschaft und ist meist auch ökologischer. Andererseits verschärft dieser Trend die Auswirkungen der Wirtschafts- und Finanzkrise gerade in den ärmsten Ländern der Welt. Deswegen stehen auch wir vor der Herausforderung, nicht nur Kleinstprojekte des Wirtschaftsministeriums unter der Überschrift „Kon- zentration“ zu streichen, sondern eher auch zu umfang- reicheren und damit nachhaltigeren Projekten zu entwi- ckeln. Auch das eine oder andere Vorhaben der deutschen Tourismuswirtschaft ist unterstützenswert. In- sofern – und hier verweise ich noch einmal auf den Be- ginn meiner Rede – haben wir mit der Absage der Kuba- Reise weder der Tourismuswirtschaft in Kuba noch den dort engagierten deutschen Tourismusunternehmen ei- nen guten Dienst erwiesen. Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Tourismus ist einer der wichtigsten Wirtschaftszweige der Welt, ein riesiges Geschäft, das auch in der Entwick- lungszusammenarbeit klar von unseren, den westlichen Interessen dominiert wird. Aus den Industrieländern kommen die Ferienreisenden. Hier haben auch die gro- ßen Tourismuskonzerne ihren Sitz. Neben vielen positiven Effekten für die Entwick- lungs- und Schwellenländer hat das Thema Tourismus in der Entwicklungszusammenarbeit aber auch seine Schat- tenseiten: So bleiben laut Berechnung des Arbeitskreises Tourismus & Entwicklung in Basel nur 42 Prozent des Preises, der für eine Pauschalreise nach Südafrika ge- zahlt wird, auch in Südafrika. Weniger entwickelte Län- der können oftmals sogar nur 10 Prozent der Einnahmen aus dem Tourismus zurückhalten. Es kann nicht angehen, dass Tourismusförderung in Entwicklungs- und Schwellenländern dazu führt, dass es in immer mehr Ländern vergleichbare Angebote gibt: Strände, Luxushotels und „verwechselbare“ Touristenat- traktionen. Das kostet Geld für aufwendige Infrastruktu- ren: Straßen, Flughäfen, Wasser- und Stromversorgung, all das oder auch ein Golfplatz in der Wüste trägt aber den Bedürfnissen der einheimischen Bevölkerung kaum Rechnung. Das kann nicht unser Ziel sein! Aus meiner Sicht geht es vielmehr darum, innovative Tourismuskonzepte zu fördern, die Natur und Umwelt als schützenswertes Kapital in Wert setzen und die das Wissen um Natur- und Kulturerbe beleben und erhalten. Wir sind gegen eine weitgehend vom Privatsektor und von internationalen Ketten geprägte Dynamik der touris- tischen Entwicklung in Entwicklungs- und Schwellen- ländern! Abenteuer, Luxus, „Öko“ oder Schnäppchen – die Tourismusindustrie setzt auf immer wieder neue Trends. Aber es geht um die Menschen mit ihrer Kultur, die in Tourismusgebieten in Entwicklungs- und Schwellenlän- dern leben: Tourismus bringt Hoffnung, neue Perspekti- ven, aber auch brutale Ausbeutung und Menschenrechts- verletzungen. Das nehmen wir in der Hochglanzwelt der Urlaubskataloge nicht gerne zur Kenntnis. Ich glaube, liebe Kollegen von der FDP, bezüglich Ih- rer Forderung der Konzentration der finanziellen Mittel auf zukunftsweisende Projekte haben wir durchaus un- terschiedliche Vorstellungen. Nicht die großen Hotel- ketten, insbesondere kleine und mittlere Hotels und Restaurants haben hervorragende Arbeitsplatzbilanzen. Regionale Wirtschaftskreisläufe stärken, dass muss auch touristisch in der Entwicklungspolitik unser Ziel sein. Ein positives Beispiel für Entwicklungszusammenarbeit im Tourismus ist Tobago. Hier ist es gelungen, die Ein- künfte der Bauern durch den Verkauf ihrer Agrarpro- dukte an die Hotels binnen eines Jahres nahezu zu ver- doppeln. Das Leitbild des nachhaltigen Tourismus ist bislang der Rahmen für das Engagement der deutschen Entwick- lungspolitik im Tourismus. Ich finde, das ist richtig so! Finanzielle Mittel darf es nur für sozial gerechte, kultu- rell angepasste, ökologisch tragfähige und, ganz wichtig, für die ortsansässige Bevölkerung wirtschaftlich sinn- volle und ergiebige Projekte geben. Wir dürfen hier nicht rein wirtschaftlichen Interessen folgen. Deshalb gehören die Mittel für Tourismus und Entwicklungszusammen- arbeit auch nicht ins BMWi. Tourismuspolitik ist und bleibt eine Querschnittsauf- gabe, auch wenn wir uns grundlegende Gedanken da- rüber machen sollten, welche Wertigkeit wir hier in Ber- lin dem Tourismus zugestehen. Ohne Herrn Hinsken zu nahe zu treten, ein einzelner Tourismusbeauftragter im BMWi ohne wirkliche Anbindung an den Ministeriums- apparat wird auch in meinen Augen einem der wichtigs- ten Wirtschaftszweige politisch nicht gerecht. Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Reform des Kontopfändungsschutzes (Zusatz- tagesordnungspunkt 9) Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Der vorlie- gende Gesetzentwurf zur Reform des Kontopfändungs- schutzes ist das Ergebnis von über einem Jahr intensiver parlamentarischer Beratung. Aus Überzeugung kann ich sagen, diese mitunter anstrengende Tätigkeit hat sich gelohnt. Von der Einführung des sogenannten P-Kontos Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 217. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 23. April 2009 23721 (A) (C) (B) (D) – das ist ja der Kern der Reform – können alle beteilig- ten Interessengruppen profitieren. Schuldner wie Gläu- biger, die Kreditwirtschaft, die öffentlichen Haushalte, die Gerichte und nicht zuletzt auch die große Gruppe der Selbstständigen, die bislang keinen nennenswerten Kontopfändungsschutz hatte. Neudeutsch könnte man über den Gesetzentwurf also sagen, er schafft eine „Win-Win-Situation“. Das war aber nicht von Anfang an so. Zwar möchte ich nicht auf Hans Christian Andersen und seine Geschichte vom häss- lichen Entlein zurückkommen, aber in den 15 Monaten seit der ersten Lesung haben wir den Entwurf schon sehr verbessert. Ob er ein ausgewachsener Schwan wird, muss sich dann erweisen. Im September 2007 war der Regierungsentwurf bei seiner Vorstellung auch auf Kritik und ablehnende Worte gestoßen. Auch ich hatte durchgreifende Bedenken und habe mich bei der ersten Lesung im Januar 2008 sehr kritisch geäußert. Warum ich den Entwurf nun entgegen der ursprünglichen Kritik für gelungen halte, möchte ich anhand der Positionen der eingangs erwähnten Interessen- gruppen erläutern: Erstens. Schuldner: Die Teilnahme am modernen Wirtschaftsleben steht im Zusammenhang mit dem höchsten Gut unserer Verfassung – der Menschenwürde. Wenn nun das P-Konto dafür sorgt, dass weniger erfolg- lose Kontopfändungen ausgebracht werden, dann wird dies zu weniger Kontokündigungen und so zu geringerer Kontolosigkeit führen. Dies haben auch die Banken durch den Zentralen Kreditausschuss signalisiert. Hierzu war aber zunächst erforderlich, dass wir das P-Konto praxistauglich ausgestalteten. Mein erster Kritikpunkt, dass es keine zwei parallelen Vollstreckungsverfahren geben dürfe, damit das Prozedere vereinfacht werden kann, wurde dadurch ausgeräumt, dass ab 1. Januar 2012 nur noch das P-Konto gilt. Wir alle hoffen nun – und wir erwarten das auch –, dass es aufgrund der Einführung des P-Kontos zu weniger Kontokündigungen kommt als bis- lang. Zweitens. Gläubiger: Auch die Gläubiger können vom P-Konto profitieren, denn Schuldnerschutz muss nicht automatisch zulasten der Gläubigerinteressen gehen. Grundsätzlich liegt es sogar im Interesse des Gläubigers, dass der Schuldner sein Konto behält, denn nur so kann dieser weiterhin am Wirtschaftsleben teilnehmen und seinen Schuldnerverpflichtungen nachkommen. Die größte Gefahr für die Gläubigerinteressen hatte ich in den vielen evidenten Missbrauchsmöglichkeiten gesehen, die in dem Ursprungsentwurf begründet waren. Die Gefahr des vollstreckungsvereitelnden Gebrauchs von P-Konten wurde beseitigt. Dazu gehört nicht nur, dass die Banken im Rahmen ihrer Informationspflicht darauf hinweisen werden, dass eine Mehrfachnutzung von P-Konten strafbar ist. Ich habe mich im Laufe der Beratungen auch mit CDU-Kollegen aus dem Finanz- ausschuss für einen effektiven Kontrollmechanismus eingesetzt. Dieser wurde nun im Rahmen einer Schufa- Abfrage eingeführt: Wird die Eröffnung eines P-Kontos beantragt, so kann die Bank bei der Schufa abfragen, ob bereits ein weiteres P-Konto bei einer anderen Bank be- steht. Falls nicht, wird das neue P-Konto registriert. Auf- grund einer Selbstverpflichtung werden alle deutschen Kreditinstitute von diesem Kontrollinstrument Gebrauch machen. Das liegt nicht nur im Interesse der Gläubiger und Banken, sondern dient auch der weit überwiegenden Mehrzahl der redlichen Schuldner. Das P-Konto soll nicht durch einige wenige Betrüger in Verruf geraten. Wenn nun jemand meint, man soll nicht nur das Schlechte im Menschen sehen, so hat er recht. Wenn Sie sich, liebe Kolleginnen und Kollegen, aber ansehen, welche unseriösen Angebote zum P-Konto schon jetzt im Internet zu finden sind, dann ist die Überlegung, Missbrauch zu verhindern, schon nachvollziehbar. Dabei wird es bei den meisten Angeboten ohnehin nur darum gehen, die Interessenten „abzuzocken“. Ich finde, die Gläubiger haben es bereits heute schwer genug, gerichtlich anerkannte und titulierte Forderungen durchzusetzen. Deshalb habe ich mich im Laufe der Beratungen sehr dafür eingesetzt, dass die – ebenfalls verfassungsrechtlich garantierten – Eigentumsinteressen nicht aus den Augen verloren werden. Deshalb wurde auf Bestreben der Union ein Bestimmungsrecht des Gläubigers eingeführt: Hat ein Schuldner rechtswidrig mehrere P-Konten eröffnet, so kann der Gläubiger das Konto mit dem geringsten Guthaben als P-Konto bestim- men und in die übrigen in voller Höhe vollstrecken. Drittens. Selbstständige: Besonders wertvoll am Ent- wurf ist auch die Tatsache, dass er für die bislang schlecht geschützte Gruppe der Selbstständigen einen ei- genständigen Kontopfändungsschutz einführt. Dies ist nicht nur ein Signal, sondern eine wichtige Unterstüt- zungsmaßnahme für den Mittelstand – in wirtschaftlich leider nicht einfachen Zeiten. Viertens. Die Kreditwirtschaft: Mit dem P-Konto bekommt die Kreditwirtschaft ein praktikables und we- niger pfändungsintensives Kontomodell an die Hand. Dieses kann zu deutlichen Einspareffekten führen. Die Preise für die Kontoführung können die Banken künftig mit geschützten Beträgen verrechnen. Deshalb besteht nun kein Bedürfnis mehr für Kontokündigungen. Hierin liegt für die Banken eine große Chance. Wenn das P-Konto nämlich mit Blick auf die Reduzierung der Kontolosig- keit zum Erfolgsmodell wird, muss man nicht mehr über ein „Girokonto für Jedermann“ nachdenken. Der damit einhergehende gesetzlich vorzuschreibende Kontrahie- rungszwang hat in unserer sozialen Marktwirtschaft, in der der Grundsatz der Vertragsautonomie gilt, meiner Meinung nach ohnehin nichts zu suchen. Fünftens. Öffentliche Haushalte: Letztendlich dürften nicht nur die erwähnten Interessengruppen, sondern wir alle von der Einführung des P-Kontos profitieren. Denn nach den Schätzungen gehen bislang deutlich mehr als die Hälfte aller Kontopfändungen auf die öffentliche Hand zurück, und dies oft wegen Kleinstbeträgen. Hier- durch entstehen jedes Jahr immense Kosten für den Steuerzahler. Das P-Konto mit seinem monatlich garan- tierten Sockelfreibetrag wird hier Abhilfe schaffen. Zu- dem besteht die Möglichkeit, bei dauerhaft vermögenslo- sen Schuldnern die Unpfändbarkeit des Kontoguthabens für bis zu 12 Monate anzuordnen. Deshalb hoffe ich, dass 23722 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 217. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 23. April 2009 (A) (C) (B) (D) der vorliegende Entwurf in diesem Hohen Hause eine breite Unterstützung finden wird. Dirk Manzewski (SPD): Dem Girokonto kommt auf- grund des zunehmenden bargeldlosen Zahlungsverkehrs in der heutigen Zeit eine immer stärkere Bedeutung zu. Die im Zusammenhang mit der Pfändung von Guthaben immer häufiger vorkommenden Kündigungen von Giro- konten sind deshalb besonders problematisch. Die Gründe für die Kündigungen haben ihre Ursache dabei in der weitreichenden Blockadewirkung, die durch solch eine Kontopfändung ausgelöst wird, und natürlich in den Kosten, die hierdurch anfallen. Das Ansinnen der Bundesregierung, hier eine Verbesserung zu erreichen, ist daher völlig richtig, zumal das meist hieran anschlie- ßende Verfahren auf Pfändungsschutz einen ungeheuren Aufwand für die Vollstreckungsgerichte bedeutet, der oft genug dazu führt, dass eben kein rechtzeitiger Schutz ge- währt wird. Die Reform hatte daher von Anfang an das berech- tigte Ziel, einerseits für einen effektiveren Schutz des Schuldners zu sorgen und andererseits aber auch das Bankkonto als Objekt für den Zugriff von Gläubigern zu erhalten. Ich bin der Auffassung, dass der Gesetzentwurf dieses Ziel vor allem nach den zahlreichen Beratungen unter uns Rechtspolitikern und den hierdurch erfolgten Änderungen erreicht hat. Die der Existenzsicherung dienenden Einkünfte von Schuldnern werden künftig auf dem sogenannten Pfän- dungsschutzkonto gutgeschrieben. Dem Schuldner wird hierdurch geholfen, da er einen automatischen Kon- topfändungsschutz in Höhe des Pfändungsfreibetrags er- hält, also die Geldgeschäfte des täglichen Lebens trotz Pfändung weiter vornehmen kann. Da das künftige Recht alle Einkünfte betrifft, werden hiervon übrigens erstmalig auch Selbständige profitieren können. Wir haben auch sichergestellt, dass das Verrechnungs- verbot für überwiesene Sozialleistungen und Kindergeld im Kontokorrent auch im Hinblick auf das Pfändungs- schutzkonto erhalten bleibt. Das folgt dem Grundgedan- ken, dass Sozialleistungen und Kindergeld besonders schutzwürdig sind und dem Betroffenen zur Existenz- sicherung selbst bei einem debitorisch geführten Konto zur Verfügung stehen sollten. Dieser automatische Pfän- dungsschutz wird – dies ist wichtig – allerdings nur für ein Girokonto gewährt. Dies macht die Sache für alle Beteiligten einfacher. Die Befürchtung, der Pfändungsschutz könnte durch Führen mehrerer Konten ausgehöhlt werden, hat sich meiner Meinung nach durch entsprechende Veränderun- gen im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens auf ein Minimum reduziert – was den Gläubigern weiterhelfen wird. Ich nenne nur die Möglichkeit der Schufa-Abfrage, ob ein weiteres P-Konto besteht, das Bestimmungsrecht des Gläubigers, welches Konto des Schuldners beim unrechtmäßigen Vorliegen mehrerer P-Konten als Pfändungsschutzkonto anzusehen ist, und die individua- lisierten Voraussetzungen zur Eröffnung eines solchen P-Kontos. Ich finde, dass das Verfahren auch relativ un- kompliziert ausgestaltet und der Aufwand der Banken in einem vertretbaren Rahmen gehalten worden ist. Soweit ich in der ersten Lesung noch Probleme gese- hen habe, ob wir den Kreditinstituten mit dem neuen Verfahren nicht zu viel Aufwand aufbürden, haben sich für mich diese Bedenken im Laufe des Gesetzgebungs- verfahrens zerstreut. Indem unter anderem der Gutglau- bensschutz der Banken bei vorzulegenden Nachweisen verbessert wird und einheitliche Schutzregeln für alle Freibeträge festgelegt werden, wird vielmehr eine Ver- einfachung für die Kreditwirtschaft stattfinden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie sehen, wir ha- ben ein interessantes Gesetzgebungsverfahren hinter uns und sind nach meiner Auffassung nach intensiver Bera- tung zu einem vernünftigen Ergebnis gelangt. Ich würde mich freuen, wenn Sie diese Auffassung teilen könnten und dem Gesetzentwurf zustimmen würden. Mechthild Dyckmans (FDP): Dem Kontopfän- dungsschutz kommt in unserer Wirtschaftsordnung eine große Bedeutung zu. Der bargeldlose Zahlungsverkehr hat in alle Bereiche des Lebens Einzug gehalten. Bürge- rinnen und Bürger, die vom bargeldlosen Zahlungsver- kehr ausgeschlossen sind, erfahren damit erhebliche Ein- schränkungen in ihrem alltäglichen Leben. Die Versagung der Teilnahme am bargeldlosen Zahlungsver- kehr ist heute mit vielfältigen gesellschaftlichen und fi- nanziellen Problemen verbunden. Die FDP-Bundestags- fraktion begrüßt es daher, dass die Bundesregierung eine Initiative vorgelegt hat zur Reform des Kontopfändungs- schutzes. Das geltende Recht zeigt hier dringenden Re- formbedarf auf und offenbart unvertretbare Härten für Schuldner, Gläubiger und Banken. Der Schuldner sah sich immer wieder mit der Gefahr konfrontiert, dass die Bank sein Girokonto kündigt, weil ein Gläubiger das Guthaben pfänden will. Der Schuldner war dann ge- zwungen, gerichtlichen Rechtsschutz einzuholen, um den notwendigen Pfändungsschutz zu erhalten. Die Bundesregierung hat hierzu bereits 2007 einen Gesetzentwurf vorgelegt, der von der Zielrichtung getra- gen war, den Schutz bei Kontopfändungen zu verbes- sern. Letztendlich hat es der Gesetzentwurf jedoch nicht vermocht, die unterschiedlichen Interessen von Schuld- nern und Gläubigern einerseits und den Kreditinstituten andererseits in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen. Anstatt das Verfahren insgesamt zu vereinfachen, sah der Gesetzentwurf insbesondere für die Kreditinstitute erhebliche Mehrbelastungen in Form von Kontroll- und Prüfpflichten vor. Zu Recht sah sich der Gesetzentwurf daher auch massiver Kritik aus Wissenschaft und Praxis ausgesetzt. Im Gesetzgebungsverfahren haben wir auf diese Kri- tik reagiert und den Gesetzentwurf an zahlreichen Stel- len erheblich geändert. Die FDP-Bundestagsfraktion hat von Anfang an darauf hingewiesen, dass die Reform nur dann zustimmungsfähig sein kann, wenn sie zu einem sachgerechten Ausgleich der Interessen von Schuldnern und Gläubigern führt. Darüber hinaus haben wir gefor- dert das Verfahren so auszugestalten, dass hinsichtlich Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 217. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 23. April 2009 23723 (A) (C) (B) (D) der bereits bestehenden Regelungen zur Kontenpfän- dung Verfahrenserleichterungen für alle Beteiligten ein- treten. Der Gesetzentwurf in seiner aktuellen Fassung wird diesen Vorgaben nunmehr gerecht. Er schafft Klar- heit, dass ab 2012 der Kontopfändungsschutz nur noch für das Pfändungsschutzkonto gewährt wird. Damit ent- fällt das Nebeneinander von Pfändungsschutzkonto und bisherigem Kontopfändungsschutz. Diese Regelung wird zu einer wesentlichen Vereinfachung in der Praxis führen. Verbesserungen aus der Sicht des Gläubigers tre- ten ein durch den Abbau von Missbrauchsmöglichkei- ten. So soll beispielsweise regelmäßig eine Schufa-Ab- frage erfolgen, ob bereits ein Pfändungsschutzkonto des Kunden besteht. Auch für die Kreditinstitute wird der Gesetzentwurf zu Vereinfachungen führen. So wird bei- spielsweise der gute Glaube der Bank im Hinblick auf die vom Schuldner für die Erhöhung der Freibeträge vor- zulegenden Nachweise geschützt. Besonders erwähnen möchte ich auch, dass bei Vermögenslosigkeit des Schuldners die Anordnung der Unpfändbarkeit des Kon- toguthabens bis zu 12 Monate gelten kann. Ein Vorteil für die Banken ist auch die Möglichkeit der Verrechnung der Kontoführungspreise mit den geschützten Beträgen. Es freut mich, dass nun auch die Kreditwirtschaft ihre Zustimmung zu dem Gesetzentwurf signalisiert hat. Das zeigt, dass der Interessenausgleich geglückt ist. Der Gesetzentwurf folgt ganz bewusst nicht der For- derung nach der Einführung eines „Girokontos für Jeder- mann“. Ich bin mir aber sicher, dass die Regelung das Girokonto für viele sichert, die bisher vom bargeldlosen Zahlungsverkehr ausgeschlossen wurden. Der Bericht der Bundesregierung zur Umsetzung der Empfehlung des Zentralen Kreditausschusses zum „Girokonto für Je- dermann“ vom Dezember 2008 zeigt zudem, dass die Anzahl der Girokonten in Deutschland stetig ansteigt. Dies ist ein weiterer Beleg dafür, dass die Selbstver- pflichtung der Banken zur Bereitstellung von Girokon- ten wirkt. Die FDP-Bundestagsfraktion wird dem Gesetzent- wurf heute zustimmen. Dr. Barbara Höll (DIE LINKE): Das, was die Große Koalition hier vorschlägt, ist nicht der große Wurf. Sie gehen den zweiten Schritt vor dem ersten. Sie wollen ein Pfändungsschutzkonto einführen, ohne gleichzeitig zu regeln, dass jeder, der ein Konto eröffnen möchte, dies auch tun kann. Das Pfändungsschutzkonto und das Giro- konto für jedermann sind untrennbar miteinander ver- bunden. Deshalb wird sich meine Fraktion heute enthal- ten. Verstehen Sie mich nicht falsch, das Pfändungs- schutzkonto ist sinnvoll. Das gegenwertige Pfändungs- schutzrecht ist viel zu kompliziert, aufwändig und bietet keinen wirksamen Schutz für Schuldner. Eine Kon- topfändung entzieht dem Schuldner die Möglichkeit, über sein Guthaben zu verfügen. Er kann nicht nur kein Geld mehr abheben, auch seine Daueraufträge bzw. Ein- zugsermächtigungen für Miete, Telefon etc. werden nicht ausgeführt. Deshalb ist die Einführung eines Pfän- dungsschutzkontos, dessen Pfändungsfreibetrag auch im Falle der Pfändung weiter verfügbar bleibt, grundsätz- lich zu begrüßen. Damit wird die Lage von Schuldnern deutlich verbessert, ohne die notwendige Abwägung mit den Gläubigerinteressen zu vernachlässigen In einem Sozialstaat darf niemand kahl gepfändet werden. Auch einem Schuldner muss immer so viel Geld bleiben, dass seine Existenz gesichert ist. Es gibt keine per se guten Schuldner und bösen Gläubiger. Denken Sie nur an das Kind, das von seinem Vater Unterhalt verlangt oder an das Opfer einer Gewalttat, das Schadenersatz geltend macht. Der Gläubiger hat einen rechtskräftigen Titel ge- gen den Schuldner. Alle materiellrechtlichen Fragen wurden bereits in einem Gerichtsverfahren geklärt. Im Zeitpunkt der Pfändung geht es nur noch um eine Inte- ressensabwägung zwischen dem verfassungsrechtlich garantierten Anspruch des Gläubigers auf eine effektive Durchsetzung seiner bestehenden Forderungen und dem ebenfalls verfassungsrechtlich garantierten Existenz- minimum des Schuldners. Die Einführung eines Pfän- dungsschutzkontos stellt nichts anderes als eine solche Interessensabwägung dar. So sinnvoll das Pfändungsschutzkonto ist – es setzt voraus, dass der Schuldner überhaupt über ein Konto verfügt. Nur im Zusammenhang mit einem Recht auf Kontoeröffnung macht das Pfändungsschutzkonto erst richtig Sinn und wird zu einer runden Sache. Sonst wer- den auch weiterhin alle Menschen, die nicht über ein Girokonto verfügen, wirtschaftlich und sozial ausge- grenzt. Der bargeldlose Zahlungsverkehr ist in der heuti- gen Gesellschaft für die Teilnahme am Erwerbs- und Wirtschaftsleben nicht mehr wegzudenken. Die Mög- lichkeit des baren Zahlungsverkehrs wird immer weiter eingeschränkt und ist vor allem teurer als der bargeldlose Zahlungsverkehr. Viele Vermieter wollen eine Einzugs- ermächtigung sehen. Auch auf dem Arbeitsmarkt macht es sich schlecht, kein Konto zu haben. Welcher Arbeit- geber stellt einen heute noch ein, wenn er den Lohn dann bar auszahlen muss und damit mehr Aufwand hat? An- ders als die Regierungsparteien behaupten, wird sich die Notwendigkeit eines Rechts auf Kontoeröffnung durch die Einführung des Pfändungsschutzkontos nicht erledi- gen. Das Phänomen der Kontolosigkeit lässt sich nicht allein damit erklären, dass die Banken nach einer Kon- topfändung kündigen, weil ihnen ein Mehraufwand und erhöhte Kosten entstehen. Banken kündigen auch aus anderen wichtigen Gründen. Vor allem aber können sie die Eröffnung eines Kontos aus anderen Gründen ver- weigern. Mit armen Bankkunden lassen sich keine ge- winnbringenden Geschäfte machen, und auch ohne Pfändungsbeschluss kann eine Bank einen Bürger als nicht kreditwürdig ansehen. Deshalb brauchen wir ein Girokonto für jedermann. Es gibt auch keine rechtlichen Einwände gegen einen Abschlusszwang für die Banken. Dies ist nicht allein die Auffassung meiner Fraktion, dies wird auch vom Bun- desministerium der Justiz so vertreten. Sicher, ein Ab- schlusszwang greift in die grundrechtlich geschützte Vertrags- und Berufsfreiheit der Banken ein. Aber dieser Eingriff ist gerechtfertigt, da vernünftige Allgemein- wohlinteressen hierfür bestehen und der Eingriff verhält- nismäßig ist. Auf die wirtschaftliche und soziale Bedeu- 23724 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 217. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 23. April 2009 (A) (C) (B) (D) tung eines Kontos habe ich bereits hingewiesen. Die Abwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der Allgemeinwohlinteressen kann nur zuguns- ten des Allgemeinwohls ausfallen. Dies gebietet nicht zuletzt das Sozialstaatsgebot aus Art. 20 Abs. 1 und Art. 28 Abs. 1 Grundgesetz, wonach der Gesetzgeber für einen Ausgleich der sozialen Gegensätze und damit für eine gerechte Sozialordnung zu sorgen hat. Es gibt auch keine milderen Mittel, die Banken dazu zu bringen, Konten einzurichten. Die „freiwillige Selbst- verpflichtungserklärung“ auf ein Konto für jedermann des Zentralen Kreditausschusses ist nicht verbindlich. Sie hat es deshalb auch nach über 13 Jahren nicht ge- schafft, das Problem der Kontolosigkeit zu überwinden. Die Kreditwirtschaft ist noch nicht einmal bereit, voll- ständige und verlässliche Angaben über die Anzahl der eingerichteten und verweigerten Girokonten für jeder- mann zu liefern. Die Schuldnerberatungsstellen beteuern regelmäßig, dass unbegründete Kontoverweigerungen und fehlende Verweise auf die Möglichkeit zur Be- schwerde gegen die Verweigerung keine Einzelfälle sind. Die Schätzung der Arbeitsgemeinschaft der Schuldnerberatung der Verbände geht von über 500 000, das Institut für Finanzdienstleistungen Hamburg sogar von über 1 Million Menschen ohne eigenes Girokonto aus. Das Thema „Girokonto für jedermann“ liegt seit lan- gem auf dem Tisch. Die zweijährig erscheinenden Be- richte der Bundesregierung zur Umsetzung der Empfeh- lungen des Zentralen Kreditausschusses zum Girokonto für jedermann zeugen davon, dass sich seit Jahren nichts an der Problematik geändert hat. Während die Fraktion Die Linke bereits vor über drei Jahren, am 16. Februar 2006, einen Gesetzentwurf für eine gesetzliche Ver- pflichtung der Kreditinstitute eingebracht hat, hat die Bundesregierung eine Lösung des Problems immer wie- der hinausgeschoben. Wir fordern Sie daher auf: Führen Sie endlich das gesetzlich verankerte Recht auf ein Giro- konto für jedermann ein! Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Teilhabe am bargeldlosen Geldverkehr ist in einer mo- dernen arbeitsteiligen und hochtechnisierten Gesell- schaft wie der unseren eine Notwendigkeit für alle Men- schen. Ohne ein Girokonto für jedermann werden Tausende von Menschen vor schier unlösbare Probleme gestellt: bei der Arbeitssuche, bei der Anmietung von Wohnraum, beim Bezug von Energie und der Teilnahme an der Telekommunikation. Deshalb ist ein Girokonto für jedermann eine richtige Forderung. Seit über zehn Jahren reden wir darüber hier im Parlament – die aktu- elle Lage ist immer noch völlig unbefriedigend. Tausende von Menschen in Deutschland haben kein Girokonto, da die Banken den Abschluss eines Girokon- tovertrags ablehnen oder den Verwaltungs- und Kosten- aufwand bei gepfändeten Konten scheuen und deshalb die Girokonten der Betroffenen kündigen. Das ist ein un- haltbarer Zustand. Eine rechtlich bindende Verpflichtung der Banken, Girokontenverträge abzuschließen, gibt es nicht. Wir haben seit 1995 eine Selbstverpflichtung der Banken, jedem Interessenten ein Girokonto anzubieten, die jedoch nicht eingelöst ist; die Banken mit Ausnahme der Sparkassen haben sich nicht daran gehalten. Es wäre endlich Zeit, zu handeln. Der vorgelegte Gesetzentwurf zur Reform des Kon- topfändungsschutzes beschränkt sich auf die Einführung eines Pfändungsschutzkontos, des sogenannten P-Kon- tos, um vorhandenen Missstände zu beseitigen. In der Tat bringt der Gesetzentwurf auch viel Gutes: Nach mehreren Beratungen im Kreis der Berichterstatter und im Rechtsausschuss, an denen wir Grüne tatkräftig mit- gewirkt haben, bringt er erhebliche Verbesserungen für Menschen, die sich in der Zwangsvollstreckung befin- den. Girokontonutzerinnen und -nutzer haben auf Antrag nun einen Anspruch darauf, dass eines ihrer Konten als P-Konto geführt wird. Damit ist ein automatischer Pfän- dungsschutz in Höhe des Pfändungsfreibetrags von 985,15 Euro monatlich verbunden. So ist – anders als heute – kein zeitraubendes Verfahren vor Gericht mehr nötig, um Kontopfändungsschutz zu erhalten. Dies be- grüßen wir ausdrücklich. Alle Arten von Einkünften sind nunmehr geschützt. Damit gibt es so erstmals auch Kon- topfändungsschutz für Selbstständige. Auch dies bewer- ten wir sehr positiv. Wir werden dem Gesetz deshalb heute zustimmen. Ob jedoch die Vorhersage der Bundesregierung ein- tritt, dass sich mit dem heute hier debattierten Gesetz faktisch auch die Forderung nach einem Girokonto für jedermann erledigt, bleibt abzuwarten. Für die Banken ergibt sich mit dem neuen P-Konto ein geringerer Ver- waltungs- und Kostenaufwand als beim bisherigen Pfän- dungsschutz. Das mag dazu führen, dass auch Menschen mit sehr geringem Einkommen und in prekären finan- ziellen Situationen Girokontenverträge abschließen kön- nen und die Banken bestehende Kontoverbindungen nicht wegen Pfändungsmaßnahmen kündigen. Wir wer- den die Auswirkungen des Gesetzes verfolgen und gege- benenfalls unsere Forderung nach einem Girokonto für jedermann erneuern. Das Thema Girokonto für jeder- mann kommt dann wieder auf die Tagesordnung. Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Wir beraten heute in zweiter/ dritter Lesung einen Gesetzentwurf, den das Bundeskabi- nett bereits am 5. September 2007 beschlossen hat: den Gesetzentwurf zur Reform des Kontopfändungsschutzes. Die Beratungen im Deutschen Bundestag haben rund 15 Monate in Anspruch genommen. Es bedurfte einiger Anstrengungen, die Interessen von Gläubigern und Schuldnern, der Justiz und der Kreditwirtschaft in diesem Bereich in Einklang zu bringen. Schuldnerinnen und Schuldnern soll mit dem Basis- pfändungsschutz auf dem Pfändungsschutzkonto die Möglichkeit erhalten werden, während und nach einer Kontopfändung weiter am Wirtschaftsleben teilzunehmen und das Konto zu nutzen. Wie wir alle wissen, geht heute ohne ein Girokonto fast gar nichts mehr. Um einen Mietvertrag, einen Stromlieferungsvertrag oder auch einen Arbeitsvertrag abzuschließen, benötigt man heutzutage den Nachweis einer Kontoverbindung oder die Erteilung Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 217. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 23. April 2009 23725 (A) (C) (B) (D) einer Einzugsermächtigung für ein Girokonto. Kontolosig- keit ist mehr als nur ein Stigma; wer kein Girokonto hat, ist vom Wirtschaftsleben weitgehend ausgeschlossen und insoweit quasi handlungsunfähig. Auf dem Pfändungsschutzkonto erhält ein Schuldner für sein Guthaben nunmehr einen automatischen Basis- pfändungsschutz in Höhe seines Pfändungsfreibetrages. Das sind 985,15 Euro pro Monat bei Ledigen ohne Unter- haltsverpflichtungen. Die Pfändung bewirkt nun bis zur Höhe des Pfändungsfreibetrages keine Kontosperre mehr, die erst durch eine gerichtliche Schutzanordnung wieder aufgehoben werden müsste. Es kommt auch nicht mehr darauf an, aus welcher Art von Einkünften dieses Guthaben herrührt. Damit genießen künftig auch Selbst- ständige Pfändungsschutz für ihr Kontoguthaben. Jeder Kunde kann von seiner Bank oder Sparkasse verlangen, dass sein Girokonto als P-Konto geführt wird. Das Pfändungsschutzkonto nützt nicht nur den Schuld- nern, sondern wirkt sich auch positiv auf die Belange der Gläubiger aus. Denn der Schuldner, der weiter arbeiten und mit seinen pfandfreien Einkünften wirtschaften kann, hat letztlich auch eher eine Aussicht darauf, seine Schulden zu tilgen. Jede Person darf nur ein P-Konto einrichten und muss bei Einrichtung des P-Kontos versichern, dass er nicht schon ein P-Konto hat. Um einen Missbrauch zum Nachteil der Gläubiger von vornherein auszuschließen, können die Banken durch eine Schufa-Abfrage kontrol- lieren, ob diese Versicherung auch zutrifft. Ich freue mich, dass die Kreditwirtschaft angekündigt hat, diese Überprüfung auch flächendeckend durchzuführen, soweit die Kreditinstitute mit der Schufa zusammenarbeiten. Wir haben bei diesem Gesetzgebungsprojekt immer auch die Belange der Kreditwirtschaft und der Justiz im Auge behalten. Sie sind beide berechtigterweise daran interessiert, den Kontopfändungsschutz so effizient wie möglich auszugestalten. Deshalb begrüße ich die Empfeh- lung des Rechtsausschusses, den Kontopfändungsschutz ab 1. Januar 2012 nur noch über das P-Konto zu bewirken. In den langen und intensiven Beratungen um die Re- form des Kontopfändungsschutzes ging es in den letzten Monaten sehr viel um die Aufgaben der Banken. Es stellte sich die Frage: Womit kann die Kreditwirtschaft bei circa 350 000 Kontopfändungen monatlich bundes- weit am besten umgehen? Wir wollten mit dem P-Konto einen wesentlichen Anreiz für Banken setzen, die Geschäftsverbindung mit dem Kunden nicht wegen der Bürokratie bei der Pfändung zu beenden. Und ich meine, das ist uns auch gelungen. Wir haben mit dem Pfändungsschutzkonto ein gut handhabbares Instrument für den Kontopfändungsschutz auf den Weg gebracht. Die Kreditwirtschaft hat mir gesagt, dass die Funktionsweise des P-Kontos sich EDV- technisch gut umsetzen lässt. Den Banken werden keine Abwägungen im Einzelfall oder komplizierte Berechnun- gen zugemutet. Damit gelingt beim Pfändungsschutzkonto, was zuvor noch unmöglich schien: Vorgaben der Gerichte werden auf das Nötigste begrenzt, und die Verwaltung von Pfändungen insgesamt wird mehr an den Bedürfnissen der Wirtschaft ausgerichtet. Gerichtliche Entscheidungen über den Pfändungsschutz für ein Girokonto sind also nur noch im Ausnahmefall not- wendig. Dies freut nicht nur die Banken, sondern wird auch zu Entlastungen bei den Vollstreckungsgerichten und den Rechtsantragsstellen führen. Ich denke, die Länder werden dies gerne hören. In der gegenwärtigen Situation sind viele Bürgerinnen und Bürger verunsichert, ob mit der Krise an den Finanzmärkten und in der Realwirtschaft mittelfristig auch ganz persönliche Schwierigkeiten verbunden sein werden. Arbeitslosigkeit kann gerade Familien schnell in die Überschuldung führen. Ich denke, mit der Reform des Kontopfändungsschutzes setzt der Deutsche Bundestag ein deutliches Zeichen. Auch gegenüber den globalen Fragen der Finanzkrise treten die ganz individuellen Belange der Bürgerinnen und Bürger nicht in den Hin- tergrund. Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 30. Mai 2008 über Streumunition (Tagesordnungspunkt 14) Eduard Lintner (CDU/CSU): Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf verabschiedet heute der Deutsche Bun- destag das Verbot der Streumunition. Das ist ein Schritt, der durchaus als historisch bezeichnet werden kann und der auch erneut die Vorreiterrolle der Bundesrepublik auf dem Gebiet der humanitären internationalen Rüs- tungskontrolle bestätigt, wobei nicht verschwiegen wer- den sollte, dass es gerade Abgeordnete dieses Hohen Hauses waren, nämlich die Kollegen von und zu Guttenberg und Weigel, die die Initiative dazu ergriffen haben. Deutsche Politiker und Diplomaten waren also schon an der Erarbeitung des Textes der Konvention maßgeblich beteiligt und – man muss es sagen – ihre Ar- beit hat sich gelohnt. Der vorliegende Gesetzesentwurf orientiert sich auch an realistischen Gesichtspunkten. Einerseits verbietet er Entwicklung, Produktion, Lagerung und Einsatz von Streumunition, erlaubt aber weiterhin die Verwendung der sogenannten Punktzielmunition. Die Punktzielmuni- tion ist ein vertretbarer Ersatz für die Streumunition. Da- mit ist ein realistischer Kompromiss zwischen humanitä- ren Erwägungen und militärischen Notwendigkeiten gefunden worden. Über die genauen Fähigkeiten und Einsatzszenarien der Punktzielmunition werden wir uns ja in den zuständigen Ausschüssen noch ausführlich un- terhalten. Die künftige Einsatzfähigkeit der Bundeswehr, auch im Zusammenwirken mit unseren Verbündeten, wird somit nicht tangiert. Weitergehende Forderungen, wie sie etwa die Grünen erheben, sind unrealistisch. Sie würden faktisch darauf hinauslaufen, dass sich die Bun- deswehr aus Afghanistan und aus anderen Einsatzgebie- ten zurückziehen müsste, nur weil einige unserer Ver- 23726 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 217. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 23. April 2009 (A) (C) (B) (D) bündeten die Konvention noch nicht angenommen haben. Solche Positionen können keine Grundlage für eine vernünftige und verlässliche Außen- und Abrüs- tungspolitik sein. Die Wichtigkeit der Streumunitionskonvention wird eindrücklich demonstriert durch einen in der vergange- nen Woche veröffentlichten Bericht der Menschen- rechtsorganisation Human Rights Watch. Dort werden die Folgen des Einsatzes von Streumunition durch Russ- land und Georgien in dem Krieg zwischen den beiden Staaten im vergangenen Sommer eindringlich geschil- dert werden. Dutzende von Zivilisten sind in diesem Konflikt durch Streumunition getötet und verletzt wor- den. In den umkämpften Gebieten liegen immer noch Blindgänger, die eine anhaltende Gefahr für die Bevöl- kerung darstellen und den Wiederaufbau behindern. Vor allem Kinder und Frauen werden erfahrungsgemäß auch nach dem Einsatz solcher Munition oft zu Opfern der zahlreichen im Gelände vorhandenen Blindgänger. Hier wird die ganze Grausamkeit, die diesem Munitionstyp zu eigen ist, sichtbar. Die Studie zeigt auch, dass ein „verantwortungsvoller“ Einsatz von Streumunition nicht möglich ist, der Einsatz in bevölkerten Gegenden zieht immer auch zivile Opfer nach sich. Gerade Georgien und Russland möchte ich daher hier und heute dazu auf- fordern, der Streumunitionskonvention beizutreten und so ein Zeichen zu setzen, dass sie bereit sind, aus diesen Erfahrungen die Konsequenzen zu ziehen. Im Rahmen der Diskussion über eine Weiterentwick- lung der Konvention über konventionelle Waffen wer- den gegenwärtig alternative Wege zu einem völkerrecht- lichen Verbot von Streumunition erörtert. Auch diesen Prozess sollten wir unterstützen und damit Ländern, die aus welchen Gründen auch immer der Streumunitions- konvention nicht beitreten wollen, eine Alternative an- bieten. So zeigen die jüngsten Entscheidungen in den USA, wo die Möglichkeiten zum Export von Streumuni- tion im vergangenen Monat drastisch eingeschränkt wurden, dass es Länder gibt, die auf alternativen Wegen dasselbe Ziel verfolgen, das wir mit der Streumunitions- konvention erreichen wollen. Ein wichtiges Ziel der deutschen Außen- und Abrüs- tungspolitik muss es künftig sein, auch die Länder, die sich diesem Trend bislang noch verweigern, zu überzeu- gen, den von der Mehrheit der Staatengemeinschaft ein- geschlagenen Weg mitzugehen. Ebenso muss sich die deutsche Politik dafür einsetzen, dass allen Staaten, die ihre Bestände an Streumunition vernichten wollen, die dafür notwendige Technik und Expertise zur Verfügung steht. Daher ist es auch äußerst begrüßenswert, dass die Bundesregierung Ende Juni hier in Berlin eine interna- tionale Konferenz zu den praktischen Aspekten der Ver- nichtung von Streumunition durchführen wird. Dabei können wir auf unseren Umgang mit derartiger Munition verweisen. Von deutschen Firmen produzierte Streumu- nition wurde ausschließlich an die Bundeswehr geliefert, die sie nie eingesetzt hat und die ihre Bestände jetzt ver- nichten lassen wird. Gerade bei der Vernichtung solcher Munition hat sich Deutschland wiederum technisch her- vorgetan, sodass wir heute weltweit die effizienteste Technik für die Zerstörung dieser Munitionsart anbieten. Dabei hoffe ich, dass die anderen Unterzeichnerstaa- ten der Streumunitionskonvention dem deutschen Bei- spiel folgen und das Abkommen bald ratifizieren, damit so schnell wie möglich die entscheidende Schwelle von 30 Ratifikationsurkunden erreicht wird und die Konven- tion somit in Kraft treten kann. Das wäre mit Hinblick auf die teuflische Wirkung von Streumunition für Leben und Gesundheit einer großen Anzahl von Menschen eine gute Nachricht. Andreas Weigel (SPD): Es ist ein wichtiger und ein guter Schritt, dass der Deutsche Bundestag das im ver- gangenen Jahr verabschiedete Abkommen zur Ächtung von Streumunition hier und jetzt in zweiter und dritter Lesung so schnell und unverzüglich ratifiziert. Genauso wie die Bundesregierung die parlamentarische Initiative für dieses Abkommen aufgegriffen und bei den Verhand- lungen maßgeblich dazu beigetragen hat, dass sich rund 100 Staaten auf ein umfassendes Verbot dieser entsetzli- chen Kampfmittel geeinigt haben, genauso konsequent setzen wir im Parlament nun die Initiative fort, um den Weg für die Ratifizierung schnellstmöglich freizuma- chen. Das Abkommen zur Ächtung von Streumunition tritt in Kraft, wenn es von 30 Staaten ratifiziert worden ist. So verbinden wir die heutige Debatte natürlich auch mit der Hoffnung, dass andere europäische Staaten in ähnli- cher Zügigkeit diese für die Abrüstung so wichtige Ini- tiative voranbringen. Und denjenigen Staaten, die nicht zu den Unterzeichnern gehören, wird deutlich gemacht: Hier geht es nicht um ein Lippenbekenntnis, hier wird ein Ziel – die weltweite Vernichtung der Streubombenar- senale – konsequent weiterverfolgt. Damit wird der öf- fentliche Druck, diesem Abkommen beizutreten, auf die Regierungen der Nichtunterzeichnerstaaten verstärkt. Wir schauen dabei natürlich mit Interesse auf die Verei- nigten Staaten. Nach der kompromisslosen Blockadehal- tung der Bush-Administration sehen wir mit Erleichte- rung und großer Hoffnung, wie die neue US-Regierung selbst die Initiative für Abrüstung und Rüstungskontrolle ergreift. Anfang März haben die Vereinigten Staaten mit der Einschränkung von Exportbedingungen für Streumu- nition schon den ersten Schritt getan. Das kann ein Schritt hin zum Ziel der Ächtung von Streumunition sein. Bei aller Freude über das, was geschafft worden ist und was nun vielleicht möglich wird, gibt es keinen Grund zur Selbstzufriedenheit. Vielmehr bedeutet die Ratifizierung des Abkommens die Verpflichtung, hier weiterzumachen und den Rückenwind für weitere Ab- rüstungsinitiativen zu nutzen. Und wir müssen dafür Sorge tragen, dass das Abkommen zur Ächtung von Streumunition nicht nur mehr Unterzeichnerstaaten fin- det, sondern dass die Ächtung und Vernichtung dieser Waffen auch konsequent eingehalten und nicht ausge- höhlt wird. So wissen wir um die Kritik aus den zivilgesellschaft- lichen Organisationen an weiterhin genutzter Submuni- tion. Das Problem der genauen Definition von Streumu- nition und die Gefahr, dass hier die Grenzen schnell verschwimmen, sind uns bewusst. Wir sind der Auffas- sung, dass man diese Problematik mit höchster Sorgfalt Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 217. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 23. April 2009 23727 (A) (C) (B) (D) und aller Objektivität prüfen muss. Deshalb werden wir uns mit der Wirkungsweise solcher Submunition, die auch von der Bundeswehr verwendet werden kann, in ei- ner Anhörung des Unterausschusses für Abrüstung und Rüstungskontrolle genau beschäftigen. In der Anhörung wird es darum gehen, welche Kriterien der Erprobung und Neubeschaffung von Submunition zugrunde zu le- gen sind? Welche Erkenntnisse liegen über die Erpro- bung von Submunitionsmodellen wie SMArt, Baszalt, BONUS und SKEET vor? Welche Einrichtungen haben derartige Tests durchgeführt, und wer fungierte dabei als Auftraggeber? Welche Erkenntnisse liegen über die Zu- verlässigkeit von Submunition unter Einsatzbedingun- gen vor? Wir werden uns nach der Anhörung mit deren Ergebnissen befassen, und – wenn notwendig – politi- sche Konsequenzen daraus ziehen. Es ist also falsch, zu behaupten, wir klammerten das Thema Submunition aus. Vielmehr ist es für uns sehr wichtig, hier Klarheit zu noch offenen Fragen zu bekommen, genauso, wie wir dafür gesorgt haben, dass die Streumunitionsbestände der Bundeswehr in einem transparenten Verfahren ver- nichtet werden. Das Bundesverteidigungsministerium muss laut eines Beschlusses des Haushalts- und Verteidi- gungsausschusses bis zum 31. Mai einen detaillierten Vernichtungsplan für die deutschen Bestände vorlegen. Darüber hinaus hat der Haushaltsausschuss des Bundes- tages schon im Haushaltsplan 2009 erhebliche Mittel für die Vernichtung der Streumunitionsbestände eingeplant. Damit ist die Grundlage für eine zügige Umsetzung des Vernichtungsplans gelegt. Aus heutiger Sicht werden die Gesamtkosten für die Vernichtung rund 40 Millionen Euro betragen – die haushalterischen Voraussetzungen zur Aufbringung dieser Mittel sind geschaffen. Die erfolgreichen Verhandlungen zur Ächtung von Streumunition motivieren uns aber vor allem, in weite- ren Fragen und Initiativen der Abrüstung energischer vo- ranzugehen. Im Mittelpunkt wird in nächster Zeit der Arms Trade Treaty – kurz ATT – stehen. Die unkontrol- lierte Verbreitung von Kleinwaffen und anderer konven- tioneller Waffen ist eines der dringlichsten Probleme in- ternationaler Rüstungskontrollpolitik. Im vergangenen Jahr haben über 2 000 Parlamentarier aus aller Welt die Vereinten Nationen zur raschen Aushandlung eines ATT aufgefordert (in Deutschland übrigens mehrheitlich Mit- glieder der SPD-Bundestagsfraktion). Auch hier sollte es möglich sein, gemeinsam mit gleichgesinnten zivilge- sellschaftlichen Organisationen, engagierten Regierun- gen und Parlamenten lange blockierte und verzögerte Abrüstungsverhandlungen wieder in Gang zu bringen. Der Oslo-Prozess ist hier ein ermutigendes Beispiel. In der internationalen Rüstungskontrollpolitik stehen wir augenblicklich vor vielen offenen Fragen. Verhandlun- gen drehen sich seit Jahren im Kreis und kommen nicht weiter. Bei manchem Vorhaben besteht schon lange der Eindruck, es geschehe fast gar nichts mehr. Dies gilt be- sonders für die KSE-Verhandlungen, für die Verhandlun- gen zur konventionellen Abrüstung. Nach Jahren des Stillstands gibt es jetzt aber Signale aus den Vereinigten Staaten und Russland, den KSE-Prozess wiederbeleben zu wollen. Das ist – so wie der erfolgreiche Oslo-Prozess zur Ächtung von Streumunition – ein deutliches Zei- chen, das Mut macht für neue Initiativen. Die Chancen für substanzielle Verbesserungen in der Abrüstungspoli- tik sind da. Florian Toncar (FDP): In der heutigen Debatte geht es um ein Thema, das in der Vergangenheit wiederholt Gegenstand parlamentarischer Debatten war: das Verbot von Streumunition. Dabei handelt es sich um Waffen, die durch Artilleriegeschosse, Raketen oder Fliegerbomben verbracht werden. Über dem Zielgebiet öffnen sich die Waffenbehälter, um Hunderte kleiner Submunitionen, sogenannter Bomblets, freizusetzen. Diese verteilen sich großflächig und töten und verstümmeln unterschiedslos beim Aufschlag. Ein großer Teil dieser Bomblets deto- niert jedoch nicht beim Aufschlag und verbleibt als Blindgänger in der Landschaft. Damit stellen sie auf un- bestimmte Zeit auch nach dem Ende von Konflikten eine heimtückische Gefahr für die Bevölkerung dar. In der Folge werden landwirtschaftliche Flächen oder Wohnge- biete aus Furcht vor diesen explosiven Altlasten nicht wieder genutzt. Besonders häufig werden neugierige, spielende Kinder Opfer dieser Sprengsätze. Daher freut es mich, dass nach zähen Verhandlungen im Dezember 2008 in Oslo ein Abkommen zum Verbot dieser Waffen geschlossen wurde. Dies ist besonders dem Engagement der Bürgergesellschaft zu verdanken, die in der Öffent- lichkeit ein Bewusstsein für dieses Problem hergestellt hat. Die FDP-Bundestagsfraktion hatte bereits im Herbst 2006 ein vollständiges Verbot dieser Flächenwaffen ge- fordert, wie es jetzt international beschlossen wurde. Nachdem wir am 19. März 2009 die erste Lesung des von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzes zum Streumunitionsverbotsabkommen durchgeführt haben, treten wir nun in die entscheidende Phase. Ich freue mich, dass Beratungen in den Ausschüssen so zügig abge- schlossen werden konnten und wir heute die zweite und dritte Lesung halten können. Damit wird es für Deutsch- land möglich, das Osloer Streumunitionsabkommen noch rechtzeitig zu ratifizieren, bevor am 25./26. Juni 2009 in Berlin eine weitere Konferenz zur Umsetzung des Ver- botsabkommens stattfinden wird. Deutschland kann so als Gastgeber glaubwürdig auftreten und darauf verwei- sen, dass es den Vertrag ratifiziert hat. Außerdem freut es mich, dass die in dem Gesetz vorgesehenen Gelder zur Beseitigung der deutschen Streumunition in Höhe von 40 Millionen Euro erkennen lassen, dass die Bundesre- gierung ausreichend Mittel für die Aufgabe bereitstellen wird. Daher werden wir dem Gesetzentwurf der Bundes- regierung zustimmen. Leider hat die Bundesregierung in der dem Gesetzent- wurf beigefügten Darstellung des Verhandlungsprozes- ses nicht darauf verzichtet, sich selbst Lorbeeren zu ver- leihen, die ihr nicht gebühren. So stellt sich die Bundesregierung als Vorreiter bei der Forderung nach Abschaffung der Streumunition dar. Dabei war sie es, die über lange Zeit eine Ausnahme von einem umfassen- den Streumunitionsverbot erreichen wollte, indem sie Streumunition mit einer Blindgängerrate von unter ei- nem Prozent von einem Verbot ausnehmen wollte. Diese Streumunition sah sie als „für die Zivilbevölkerung un- gefährlich“ an. Erst auf Druck der Organisationen der Bürgergesellschaft und anderer Regierungen ließ die 23728 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 217. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 23. April 2009 (A) (C) (B) (D) Bundesregierung bei den entscheidenden Verhandlungen in letzter Minute von dieser semantischen Augenwische- rei ab. Es freut mich, dass die Bundesregierung ein Ein- sehen hatte und sich der Forderung der FDP nach einem umfassenden Streumunitionsverbot angeschlossen hat und zu einer tragfähigen Position gelangt ist. Anders verhält es sich mit dem ebenfalls heute auf der Tagesordnung stehenden Entschließungsantrag der Grü- nen zum Gesetzentwurf der Bundesregierung. Dieser Entschließungsantrag enthält einige Forderungen, die weit über das Streumunitionsverbotsabkommen hinaus- gehen. Zum einen zielen die Grünen darauf ab, Punkt- zielmunition in das Streumunitionsverbot einzubeziehen. Dabei handelt es sich um hochtechnische Waffen insbe- sondere zur Panzerbekämpfung. Im Unterschied zur Streumunition tötet sie nicht wahllos in der Fläche, son- dern identifiziert Ziele und steuert diese an. Falls sie kein Ziel findet, neutralisiert sie sich selbst. Ferner wird Punktzielmunition nicht in großen Stückzahlen ver- schossen wie Streumunition, sondern nur in ganz kleinen Mengen. Damit ist klar, dass diese Art von Waffen eine andere Aufgabe und andere technische Parameter hat, die bewirken, dass sie in keiner Weise eine der Streumu- nition vergleichbare Gefährdung darstellen. Aus gutem Grund wurde diese Punktzielmunition also nicht als Streumunition definiert. Die Grünen wollen mit ihrer Forderung somit die mühsam ausgehandelte Definition des Osloer Vertrags erneut infrage stellen. Ein anderer Grund gegen ein Verbot von Punktziel- munition besteht darin, dass sie es erlaubt, die durch das Verbot von Streumunition entstandene Lücke in militäri- schen Arsenalen teilweise zu schließen. Diese Möglich- keit wird es Staaten, die bisher noch nicht dem Streumu- nitionsverbot beigetreten sind, erleichtern, diesen Schritt künftig doch noch zu wagen. Wenn man, wie von den Grünen angestrebt, auch Punktzielmunition verbieten würde, ist es unwahrscheinlich, dass beispielsweise Russland, China, Indien, Pakistan, Israel oder die USA dem Streumunitionsverbot beitreten werden. Dies ist aber dringend notwendig, denn derzeit fallen nur 10 Pro- zent der weltweiten Streumunitionsbestände unter das Osloer Verbotsabkommen. Die Forderung der Grünen, der Bundeswehr gemein- same Operationen mit Verbündeten zu verbieten, bei de- nen diese möglicherweise Streumunition einsetzen, ist kontraproduktiv. Deutschland kann und soll bei seinen Partnern für ein Streumunitionsverbot aktiv werben. Dies ist richtig. Jedoch die Handlungsspielräume der Bundeswehr dadurch zu beschränken, dass sie vom poli- tischen Willen anderer Staaten für einen Streumunitions- verzicht abhängig würde, geht zu weit. Ein solcher Schritt würde die Fähigkeit zur Zusammenarbeit im Bündnis, die sogenannte Interoperabilität, schwächen. Derzeit scheint der Meinungsbildungsprozess in der NATO dahin zu gehen, von der Nutzung von Streumuni- tion langfristig Abstand zu nehmen. Auch die neue US- Regierung will keine neue Streumunition mehr anschaf- fen. Die Zeichen zeigen also ohnehin in die richtige Richtung. Aus diesen Gründen werden wir den Ent- schließungsantrag der Grünen ablehnen. Insgesamt freue ich mich, dass die breite öffentliche Debatte der letzten Jahre von Erfolg gekrönt war und ein internationales Streumunitionsverbot erreicht werden konnte. Jetzt muss es einerseits darum gehen, dass die Unterzeichnerstaaten das Verbot zügig umsetzen. Ande- rerseits müssen die Staaten, die dem Verbot bisher fern- geblieben sind, überzeugt werden, auch auf diese schrecklichen Waffen zu verzichten. Bei dieser Überzeu- gungsarbeit kommt auch der Bundesregierung und ins- besondere Bundesaußenminister Steinmeier eine weiter- hin wichtige Rolle zu. Steinmeier muss hier nun die Ärmel hochkrempeln und auf diese Staaten zugehen, die weiterhin stark auf Streumunition zurückgreifen. Er steht in der Pflicht, bald Ergebnisse vorzeigen zu können. Die im Juni in Berlin stattfindende Konferenz ist dafür ein geeigneter Anlass. Inge Höger (DIE LINKE): Streumunition wurde im Kosovo, in Afghanistan, im Libanonkrieg und auch im letzten Sommer in Georgien eingesetzt. Human Rights Watch erklärte vor wenigen Tagen: „Der sogenannte ver- antwortungsvolle Einsatz von Streumunition ist ein Mär- chen. Bemühungen, das Verbot aufzuweichen, müssen abgewehrt werden.“ Schon der Abschuss einer Salve Streumunition kann ein ganzes Dorf unbewohnbar oder das Bestellen von Gemüsegärten und Feldern zur tödlichen Falle machen. Noch nach Jahrzehnten werden Menschen verstümmelt von den Blindgängern der Streumunition. Das erzeugt ein fortgesetztes Leiden der Bevölkerungen in den Kon- fliktregionen und macht diese Waffe zu einem ganz ent- scheidenden Hindernis für den Wiederaufbau nach Krie- gen. Es ist ein großer Fortschritt, wenn nun ein Staat nach dem anderen die Konvention zum weltweiten Verbot von Streumunition unterzeichnet. Die Ächtung dieser Waffe bekommt so einen rechtlich verbindlichen Charakter. Das ist vor allem das Verdienst zivilgesellschaftlicher Akteure wie handicap international und Aktionsbündnis Landmine, die in unermüdlicher Arbeit den Oslo-Pro- zess zum Verbot der Streumunition zum Laufen gebracht haben. Nach der Verabschiedung des „Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 30. Mai 2008 über Streumunition“ kann auch die deutsche Regierung das Verbot der Streu- munition ratifizieren. Die Fraktion Die Linke begrüßt diesen längst überfälligen Schritt ausdrücklich! Ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung wird so ge- macht. Bis zur vollständigen Ächtung sämtlicher For- men von Streumunition bleibt jedoch noch mehr zu tun. Die Regelungen der Oslo-Konvention und des hier de- battierten Gesetzes enthalten noch zu viele Ausnahme- regelungen. Diese sind aus humanitären Erwägungen nicht akzeptabel. Auf Betreiben der Bundesregierung sind die Ausnah- meregelungen im Gesetzestext von Oslo genau so for- muliert, dass sie präzise auf das neueste Streubomben- produkt des deutschen Rüstungskonzerns Diehl mit der Bezeichnung „SMArt 155“ zutreffen. Die Bundesregie- rung hat sich in den Verhandlungen über das Oslo-Ab- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 217. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 23. April 2009 23729 (A) (C) (B) (D) kommen als Lobbyist der deutschen Rüstungsindustrie profiliert. So genannte Zielpunktmunition – wie eben das deutsche Rüstungsprodukt „SMArt 155“ – gilt nach dieser Definition als akzeptabel und wird somit zum ex- klusiven Exportangebot. Die britische und die Schweizer Regierung haben bereits SMArt-155-Munition in Deutschland bestellt. Zielpunktmunition wurde in Verhandlungsdokumen- ten der Genfer UNO-Abrüstungskonferenz unter dem Titel „Ausnahmen für weiterhin erlaubte Streumuni- tionstypen“ geführt. Diese Formulierung zeigt deutlich: Zielpunktmunition ist Streumunition – auch wenn die Anzahl der Submunitionskörper geringer ist. In Öster- reich war Zielpunktmunition seit 2007 als Streubomben verboten. Wohin die von der Bundesregierung durchge- setzten Ausnahmen führen, zeigt das österreichische Beispiel: Die österreichische Regierung hat mit ihrer Unterschrift unter das Oslo-Abkommen Anfang April 2009 auch das österreichische Streumunitionsverbot auf- geweicht. SMArt 155 ist nun in Österreich wieder legal. Die Rüstungsunternehmen Diehl und Rheinmetall wis- sen die Zuarbeit der deutschen Regierung zu schätzen und werben nun weltweit damit „Die Beschaffung ist OHNE RISIKO“. Eine solche Wertung ist makaber! „Ohne Risiko“ ist die Munition nur für die Regierungen, die nicht befürchten müssen, dass die Munition, mit der sie ihre Armeen ausstatten, für illegal erklärt wird. Für die Opfer des Einsatzes der Streumunition bleibt das Risiko enorm groß und unkalkulierbar. Nicht einmal un- abhängige Tests existieren, die besagen, dass SMArt-155 auch die angepriesene Qualität erfüllt. Die Fehlerquoten liegen erfahrungsgemäß immer über den Produzentenan- gaben, die unter realitätsfernen Testbedingungen entste- hen. Die Linke erwartet von der Bundesregierung, dass sie endlich die Interessen der Menschen und nicht dieje- nigen der Rüstungsindustrie in den Mittelpunkt ihrer Po- litik stellt. Dazu ist es notwendig, nicht nur schnell zu ratifizieren, sondern auch alle Lagerbestände zu vernich- ten und die Beteiligung an Einsätzen auszuschließen, bei denen Streumunition eingesetzt wird. Die Linke wird vor allen Dingen sehr genau die Pläne für sogenannte alternative Flächenmunition verfolgen. Es darf nicht sein, dass eine grausame Waffe gegen eine andere grausame Waffenform ausgetauscht wird und diese von Deutschland in alle Welt exportiert wird. Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die heutige Ratifikation des Übereinkommens zum Ver- bot von Streumunition durch den Deutschen Bundestag ist ein Meilenstein der humanitären Rüstungskontrolle. Er ist zuallererst das Verdienst einer breiten und über- zeugungskräftigen Koalition von Nichtregierungsorgani- sationen. Auch wir haben lange auf diesen Schritt hinge- arbeitet. Gemeinsam mit den NGOs haben wir die Bundesregierung immer und immer wieder gedrängt, von ihrer Rolle als Bremserin des Oslo-Prozesses abzu- rücken. Es ist erfreulich, dass sich die Bundesregierung im Mai letzten Jahres schließlich besonnen hat und im Dezember zu den 94 Unterzeichnern des Oslo-Abkom- mens gehörte. Es freut mich auch persönlich ungemein, dass ich damit kurz vor Ende meiner Parlamentarierzeit doch noch einen Lichtblick in den ansonsten düsteren letzten Jahren der Abrüstungspolitik erleben durfte. Mit dieser Ratifikation ächtet Deutschland nun endlich eine Waffe, die wahllos verletzt und tötet und der ganz über- wiegend Zivilisten und Kinder – gerade auch nach Kriegsende – zum Opfer fallen. Ich möchte an dieser Stelle nicht wiederholen, was wir in den vorangegange- nen Debatten oder in unseren parlamentarischen Initia- tiven zu diesem Thema gesagt haben. Ich möchte auf die Brutalität und die völkerrechtliche Unverhältnismäßig- keit jedoch im Rahmen der heutigen Ratifikation noch einmal hinweisen, um daran zu erinnern, dass das Engagement zu diesem Thema mit dem heutigen Tag nicht enden darf. Auf dem Weg zu einem vollständigen, universellen und wirksamen Verbot von Streumunition bedarf es drin- gend weiterer Schritte. Hierbei ist vor allem die Bundes- regierung gefragt. Deutschland kann in der nächsten Zeit die Glaubwürdigkeit wiedererlangen, die die deutsche Bundesregierung zu Beginn des Verhandlungsprozesses mit ihrer restriktiven Haltung beschädigt hatte. Dafür muss die deutsche Bundesregierung in den nächsten Mo- naten gemeinsam mit den anderen Oslo-Partnern außer- halb des Abkommens stehende Staaten, insbesondere die bedeutenden Herstellerländer von Streumunition wie die USA, Russland und China, an das Abkommen heranfüh- ren. Seit Dezember sind dem Abkommen zwei weitere Staaten beigetreten. Und auch in den USA bewegt sich was. US-Präsident Barack Obama hat am 11. März 2009 ein Gesetz unterzeichnet, das ein dauerhaftes Verbot für fast alle Exporte von Streumunition aus den Vereinigten Staaten beinhaltet. Hier muss weiter Druck gemacht werden. Auch in der EU gehört das Thema auf den Tisch: Acht der 27 EU-Mitgliedstaaten sind dem Ab- kommen noch nicht beigetreten. Auch von den NATO- Staaten stehen acht außerhalb des Abkommens. Die Ant- wort darauf kann nur eine sein: Die Bundesrepublik muss erklären, dass sie sich zukünftig nicht an gemein- samen Militäraktionen beteiligt, bei denen Nichtver- tragsstaaten Streumunition einsetzen. Eine solche Aus- nahme widerspräche nämlich der im Übereinkommen festgeschriebenen Verpflichtung der Vertragsstaaten, un- ter keinen Umständen Streumunition einzusetzen oder dabei mitzuwirken. Zweitens steht die Bundesregierung den anderen Oslo-Partnern gegenüber in der Pflicht, die Wirksamkeit der in Art. 2 c vom Verbot ausgenommenen „alternati- ven“ Streumunition – sogenannte Punkt-Ziel-Munition – genauestens zu prüfen. Schließlich hatte die deutsche Delegation bei den Verhandlungen im Mai 2008 in Dublin offen damit gedroht, den Vertrag nicht zu unter- zeichnen, sollte die Verbotsausnahme für alternative Streumunition nicht akzeptiert werden. Ergebnis: Streu- munition wie zum Beispiel die von Rheinmetall und Diehl produzierte SMArt-155-Artilleriemunition ist vom Verbot ausgenommen. Und in der Praxis wird entlang der technischen Parameter des Art. 2 c des Übereinkom- mens eine neue Generation von Streuwaffen entwickelt. Diese Entwicklung steht konträr zu dem Anliegen der Konvention. Wir erwarten von der Bundesregierung, die für dieses Hintertürchen verantwortlich ist, dass sie dem 23730 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 217. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 23. April 2009 (A) (C) (B) (D) völkerrechtlichen Verbot von Kampfmitteln, deren Wir- kung nicht begrenzt werden kann und die damit militäri- sche Ziele und Zivilpersonen unterschiedslos treffen können, gerecht wird. Die Bundesregierung muss prü- fen, ob alternative Streumunition wirklich eine Waffe ist, die zuverlässig zwischen zivilen und militärischen Zie- len unterscheiden kann. Und diese Prüfung, liebe Kolle- ginnen und Kollegen, darf sich nicht darauf beschrän- ken, lediglich die Angaben der Hersteller zu rezitieren, wie es die Bundesregierung in Antwort auf unsere An- frage getan hat. Vielmehr muss die Bundeswehr die Wir- kung selbst testen, und die Prüfergebnisse müssen offen gelegt werden. Die heutige Ratifikation bedeutet zudem den Beginn der Vernichtung aller deutschen Streumunitionsbestände. Schätzungen zufolge hat die Bundeswehr 30 Millionen einzelne Sprengkörper im Depot, die über mehrere 10 000 Trägersysteme verteilt werden können. Offizielle Angaben zum Bestand gibt es unter Verweis auf die Ge- heimhaltung ja bedauerlicherweise nicht. Mit dem Ver- bot von Streumunition ist diese Geheimniskrämerei al- lerdings hinfällig. Das Parlament hat schließlich auch eine Kontrollfunktion. Der Delaborierungsprozess darf daher nicht im stillen Kämmerlein vonstattengehen, son- dern muss für uns Parlamentarier verifizierbar sein. Die Bundesregierung muss die Streumunitionsbestände ge- genüber dem Deutschen Bundestag offenlegen und uns einen konkreten Zeitplan für die Vernichtung vorlegen. Dies beinhaltet auch, die US-Administration aufzufor- dern, die in Deutschland auf exterritorialem Gebiet gela- gerte US-Streumunition zu beseitigen und die Zuliefe- rung von streumunitionsrelevanten Komponenten zu beenden. Wir erwarten, dass auch hinsichtlich der In- vestmentpolitik klare Richtlinien geschaffen werden, die das Investment in eine deutschem oder ausländischem Recht unterliegende Firma verbieten, die Streumunition herstellt, zum Verkauf anbietet, ein- oder ausführt bzw. befördert. Lassen Sie mich zum Schluss noch zu einem Punkt kommen, der gerne überlesen wird: Gemäß Art. 6 ist je- der Vertragsstaat, der dazu in der Lage ist, verpflichtet, Vertragsstaaten, die von Streumunition betroffen sind, technische, materielle und finanzielle Hilfe zukommen zu lassen. Denn die Unterzeichnung des Abkommens al- lein wird die Zahl der Opfer nicht von heute auf morgen reduzieren. UN-Angaben zufolge droht der Zivilbevöl- kerung weiterhin in rund 30 Ländern noch immer Todes- gefahr durch verstreute Munition. Wenn wir die Konven- tion mit Leben füllen wollen, müssen wir unsere Anstrengungen im Bereich der humanitären Minenräu- mung in kontaminierten Regionen sowie die Hilfe bei der Fürsorge, Rehabilitation sowie der sozialen und wirt- schaftlichen Wiedereingliederung der Opfer von Streu- munition deutlich verstärken. Die heutige Ratifikation ist ein abrüstungspolitischer Meilenstein. Für unseren nächsten Abrüstungsschritt müssen wir keine Meile ge- hen: Fordern wir morgen gemeinsam die Bundesregie- rung auf, Gespräche über den Abzug der US-Atomwaf- fen aus Deutschland in die Wege zu leiten. Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Beschlussempfehlung und Bericht: Nicht- staatliche militärische Sicherheitsunterneh- men kontrollieren – Beschlussempfehlung und Bericht: Interna- tionale Ächtung des Söldnerwesens und Verbot der Erbringung militärischer Dienst- leistungen durch Privatpersonen und Un- ternehmen (Tagesordnungspunkt 16 a und 16 b) Holger Haibach (CDU/CSU): Uns liegen heute zwei Anträge vor, die sich mit nichtstaatlichen militärischen Sicherheitsunternehmen beschäftigen. Schon beim ers- ten Durchsehen wird dabei klar, wohin der Weg gehen soll. Beide Anträge eint das Ziel, diese Unternehmen stärker als bisher zu kontrollieren, die Beschäftigung von Söldnern zu verhindern und zu mehr Sicherheit in bewaffneten Konflikten beizutragen. Und dennoch ist klar, dass hier in einigen Punkten ganz verschiedene Sichtweisen zwischen dem Antrag der Koalition und dem der Linken vorherrschen. In der Tat besteht Handlungsbedarf, wenn es um die Kontrolle der privaten Sicherheitsunternehmen geht. Der Skandal um die Firma Blackwater hat gezeigt, dass im- mer häufiger Konflikte und militärische Operationen in die Hände Privater gegeben werden, die sich offenbar nicht an das humanitäre Völkerrecht halten wollen. Die Mitarbeiter dieser Unternehmen sind rechtlich in einer Grauzone; denn es handelt sich zwar nicht um echte Kombattanten im Sinne des Völkerrechts, aber ihnen den Status eines Zivilisten zuzusprechen, auf diese Idee käme wohl auch kein Mensch. Die CDU/CSU und die SPD sind sich sehr bewusst, dass es hier Handlungsbe- darf gibt, um das Problem anzugehen. Was wollen wir? Wir fordern, dass gerade die Unternehmen einer stren- gen Kontrolle und Registrierung unterzogen werden, die ihren Kunden Dienstleistungen anbieten, die den Einsatz ausschließlich militärischer Fähigkeiten sowie von Kriegswaffen einschließt. Allerdings gilt es hierbei, ge- nau zu unterscheiden, welche Unternehmen man dieser Kontrolle unterziehen möchte. Die Unternehmen, die etwa nur logistische Dienstleistungen wie den Transport von militärischen Gütern abwickeln, aber nicht in die Konflikte selbst hineingezogen werden, sollten nicht für die Skandale in Haftung genommen werden, die andere verursacht haben. Genau hierbei unterscheiden wir uns von dem Antrag der Linken, der pauschal alle Sicherheitsunternehmen über einen Kamm schert. Wie so oft bei solchen Themen bleibt der Antrag unpräzise und verschwommen und wirft Dinge zusammen, die so nicht zusammengehören. CDU und CSU wollen, dass die privaten militärischen Sicherheitsunternehmen auf nationaler Ebene registriert und lizenziert werden und ihr Geschäftsgebaren kontrol- liert wird. Wir halten es für wichtig, dass die Bundesre- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 217. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 23. April 2009 23731 (A) (C) (B) (D) gierung über die Vertragsabschlüsse und die von den Un- ternehmen angenommenen Aufgaben genau informiert ist. Die Unternehmen, die militärische Dienstleistungen anbieten, sollen sich einem strengen Regime unterzie- hen, um zukünftig Menschenrechtsverletzungen durch Mitarbeiter solcher Firmen bei Konflikten zu verhin- dern. Dabei dürfen wir nicht die Firmen schädigen, die zum Beispiel die Bundeswehr bei ihren wichtigen Aus- landseinsätzen unterstützen und Transportkapazitäten für unsere Soldaten zur Verfügung stellen. Wer hier se- riöse Dienstleistungen erbringt, muss nicht damit rech- nen, strafrechtlich belangt oder verboten zu werden. Nur wenn die Kontrolle und Lizenzierung der militärischen Sicherheitsunternehmen sichergestellt ist, ist auch ge- währleistet, dass die Unternehmen in einem klaren recht- lichen Rahmen agieren können; denn wir fordern auch klare Haftungsbedingungen sowie Regelungen zur Ver- folgung bei möglichen Straftaten. Damit wird deutlich: Der bisherige rechtsfreie Raum muss ein Ende haben, damit klare Grenzen für die Einsätze der Sicherheitsun- ternehmen bestehen. Das Thema hat jedoch nicht nur eine deutsche, son- dern auch eine internationale Komponente. Wir bitten die Bundesregierung, die Ratifizierung der Konvention gegen das Söldnertum einzuleiten und einen entspre- chenden Gesetzentwurf vorzulegen. Wenn diese Kon- vention endlich die notwendige Zustimmung erlangt, die sie benötigt, um wirksam zu werden, dann ist auch die Anwerbung von Söldnern wirksamer als bisher zu unter- binden. Deutschland muss hier auch aktiv werden und die Konvention unterstützen. Zwar beinhaltet das beste- hende Völkerstrafgesetzbuch entsprechende Regelun- gen, die Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht un- ter Strafe stellen, aber dennoch ist es uns wichtig, dass das Söldnerwesen bekämpft wird. Die Konvention kann dazu einen wesentlichen Beitrag leisten. Die oben be- reits erwähnte begriffliche Unschärfe bei der Definition von militärischen Sicherheitsunternehmen setzt sich lei- der auch auf der Ebene der Vereinten Nationen fort. Auch hier ist eine klare und unmissverständliche Be- griffsbestimmung notwendig, um die Grenzen zwischen Dienstleistern und Söldnerfirmen zu ziehen. Damit ein- hergehen soll, wie auch auf nationaler Ebene, die Regis- trierung der Unternehmen und eine Kontrolle der von ihnen geschlossenen Verträge. Auch hier muss es Sank- tionsmöglichkeiten und gesetzliche Regelungen geben, die Verstöße gegen das geltende Völkerrecht unter Strafe stellen. Internationale Einsätze dürfen nicht dazu miss- braucht werden, Menschenrechtsverletzungen zuzulas- sen und Konflikte anzuheizen. Die Bundesrepublik sollte hier die Initiative ergreifen und Vorschläge zur Klärung der rechtlichen Fragen und notwendigen Defini- tionen erarbeiten. Eines möchte ich an dieser Stelle ganz deutlich machen: Meine Fraktion lehnt das Söldnertum und die häufig damit verbundenen Menschenrechtsver- letzungen entschieden ab. Jedoch muss man sehen, dass es auch weiterhin bewaffnete Konflikte in der Welt ge- ben wird, die den Einsatz internationaler Streitkräfte zur Friedenssicherung erfordern. Und diese Streitkräfte, auch die deutsche Bundeswehr, werden, wenn es der Einsatz erfordert, auch auf private Dienstleister zurück- greifen müssen, um ihre Aufgaben zu erfüllen. Wir brau- chen die Unterstützung von Unternehmen im Bereich des Transports und der Logistik. Wir wollen aber keines- falls eine Aushöhlung des staatlichen Gewaltmonopols, sondern halten an dem bisher Bewährten fest. Dies erfor- dert aber auch, dass wir auch zukünftig auf private Un- ternehmen zurückgreifen können müssen, wenn es not- wendig erscheint. Daher treten wir entschieden für eine Bekämpfung des Söldnertums und für klare rechtliche Rahmenbedingungen für militärische Sicherheitsunter- nehmen ein. Lassen Sie mich noch ein paar Worte zu dem Antrag der Linken sagen. Auch wenn die Verfasser teilweise ähnliche Ziele wie wir verfolgen, so lehnen wir diesen Antrag jedoch entschieden ab. Er ist erfüllt vom Geist des Anti-Amerikanismus und der lange gehegten Feindschaft gegenüber den Sicherheitsstrukturen der NATO. Es ist lei- der wahr, dass es im Umfeld des Irakkriegs zu Menschen- rechtsverletzungen durch militärische Sicherheitsunter- nehmen gekommen ist. Diese sind jedoch nicht den kollektiven Sicherheitsmechanismen der NATO anzulas- ten, sondern sind eklatante Verstöße der Mitarbeiter sol- cher Firmen. Wir verurteilen dies aufs Schärfste, sind aber nicht bereit, Ihre pauschalen Vorwürfe gegenüber der NATO hinzunehmen. Hier vermischen Sie in unzu- lässiger Weise Ihre berechtigte Kritik an dem Vorgehen solcher Söldnerfirmen mit dem Einsatz der NATO in be- waffneten Konflikten. Auch sonst bleiben Ihre Forderun- gen aufgrund der begrifflichen Unschärfe sehr vage. Ich will dies an einem Beispiel verdeutlichen. So fordern Sie zwar die Erfassung und Kontrolle aller Sicherheitsunter- nehmen in Deutschland. In Ihrem nächsten Punkt wollen Sie jedoch die Auftragsannahme und -erfüllung privater militärischer Sicherheitsaufgaben deutschen Staatsbür- gern und Unternehmen verbieten. Wie soll das zusam- menpassen? Entweder Sie entscheiden sich dafür, dass es solche Unternehmen gibt, und dann müssen sie sich auch registrieren und kontrollieren lassen, oder Sie ver- bieten sie ganz. Dann allerdings ist eine Registrierung auch nicht mehr notwendig. Für mich ist dies ein erheb- licher Widerspruch, den Ihr Antrag nicht lösen kann. Vor diesem Hintergrund bitte ich Sie um die Stimmen für un- seren Antrag, denn ich bin überzeugt, dass wir damit ei- nen wichtigen Beitrag für die Bekämpfung des Söldner- wesens leisten können. Kontrolle und Registrierung scheinen mir sinnvoller als ein Verdrängen des Problems in die unkontrollierbare Illegalität zu sein. Dr. Wolfgang Wodarg (SPD): Es erfüllt mich mit großer Freude und Genugtuung, dass dieser Initiativ- antrag letztendlich doch noch den Weg ins Parlament ge- funden hat. Allen, die daran mitgewirkt haben, allen, die viele Stunden Arbeit in den verschiedensten Ausschüs- sen, die damit befasst waren und befasst werden muss- ten, in das Gelingen investiert haben, möchte ich meinen besonderen Dank aussprechen. Es war eine schwierige Materie, die es mit den priva- ten Militär- und Sicherheitsfirmen, PMSF, zu behandeln galt. Und das kann auch nicht anders sein, wenn man et- was regeln muss, das die Grundlagen unseres Staates und unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens anbe- trifft, nämlich wenn es – wie in diesem Fall – um unsere 23732 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 217. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 23. April 2009 (A) (C) (B) (D) Sicherheit und das staatliche Gewaltmonopol geht. Aber gerade weil es eine solch fundamentale Materie ist, die wir hier behandeln – und die ja jeden Bürger in unserem Lande ganz grundsätzlich angeht und betrifft –, finde ich es bedauerlich, dass wir diesen Antrag zu nachtschlafen- der Stunde quasi unter Ausschluss der Öffentlichkeit ohne weitere Aussprache und Debatte beschließen. Als Abgeordneter des Europarats habe ich in jenem Gremium einen Antrag eingebracht, der sich gegen die Erodierung des staatlichen Gewaltmonopols durch pri- vate Militär- und Sicherheitsfirmen wendet. Der Bericht, den ich im Februar erstattet habe, wurde von allen 47 Mitgliedstaaten und von allen dort vertretenen Par- teien – von rechts bis links – einstimmig angenommen. Hierin werden die nationalen Regierungen und Parla- mente unter anderem aufgefordert, entlang verschiede- ner Kriterien den Bereich der PMSF gesetzlich zu re- geln. Er fordert die Mitgliedstaaten aber auch dazu auf, gemeinsame Prinzipien zur Verteidigung des staatlichen – inneren wie äußeren – Gewaltmonopols zu erarbeiten. Ich bin deshalb stolz darauf, dass Deutschland zu den Ersten gehört, die den privaten militärischen Sicherheits- unternehmen gesetzliche Zügel anlegen wollen. Den- noch hätte ich mir gewünscht, dass wir bei der Ausarbei- tung der Regelungen etwas mutiger gewesen wären. Die Beteiligung privatwirtschaftlicher nichtstaatlicher – deut- scher – Akteure an bewaffneten Konflikten haben wir beispielsweise in diesem Initiativantrag nicht ausge- schlossen. Und es ist auch fraglich, ob wir mit diesen Regelungen eine weitgehende Kontrolle und Transpa- renz der PMSF erzielen werden. Aber diese neun Punkte, die wir die Bundesregierung auffordern, gesetz- lich umzusetzen, sind ein erster Schritt – und, wie ich meine, ein bedeutender Schritt in die richtige Richtung. Wahrscheinlich wären weitergehende Forderungen bei den gegenwärtigen Interessenlagen nicht kompromiss- und damit beschlussfähig gewesen. Aber gerade deshalb möchte ich betonen, dass wir meiner Meinung nach nur den ersten Schritt gemacht haben und weitere schnellst- möglich folgen müssen. Einige wenige Punkte möchte ich benennen, die uns noch zu beschäftigen haben und für die wir als Parlamentarier und Gesetzgeber eine Lö- sung finden müssen. Es ist wenig glaubhaft, wenn wir einerseits mehr Transparenz und Kontrolle von PMSF einfordern, ande- rerseits aber Auslandseinsätze von privaten militärischen Sicherheitsunternehmen, die im Auftrag der Bundesre- publik Deutschland tätig werden, nicht an den Parla- mentsvorbehalt binden. Die Praxis in den USA unter der Präsidentschaft von Georg W. Bush hat beispielsweise im Hinblick auf den Einsatz von PMSF im Irak deutlich gemacht, dass deren Aktivitäten vom Parlament nicht zu kontrollieren waren. Wir können auch nicht einfach zusehen, wenn deut- sche Unternehmen, NGOs, humanitäre Organisationen etc. für ihre Tätigkeiten im Ausland PMSF engagieren. Es wäre an eine Anzeigepflicht beim Außenministerium und BND einerseits sowie bei den jeweils betroffenen deutschen Botschaften andererseits zu denken. Unge- klärt ist außerdem, welche Aufgaben und Kompetenzen private militärische Sicherheitsunternehmen überhaupt übernehmen und anbieten dürfen. Schon jetzt reichen deren Dienstleistungsangebote weit in den Bereich staat- licher Hoheitsaufgaben hinein. Es ist daher erforderlich, einerseits eine Definition der Bereiche im Sicherheits- sektor vorzunehmen, die keinesfalls aus staatlicher Ho- heit entlassen werden dürfen, und andererseits ist eine Festlegung von klar abgegrenzten Aufgaben- bzw. Kom- petenzbereichen für PMSF vonnöten. Des Weiteren müs- sen für diese Unternehmen Zulassungs- und Tätigkeits- kriterien erarbeitet werden. Auf internationaler Ebene – um nur einen Punkt zu nennen – können wir es nicht allein den Vereinten Natio- nen überlassen – oder den VN allein die Verantwortung zuschieben –, für Transparenz und Kontrolle der PMSF zu sorgen. Auch auf bilateraler bzw. zwischenstaatlicher oder auf EU- und NATO-Ebene müssen Abkommen zur Kontrolle von PMSF geschlossen, müssen Aufsichtsme- chanismen und Kooperationsforen für diesen Bereich geschaffen werden. Lassen Sie mich zum Schluss die Hoffnung aussprechen, dass dieser Initiativantrag trotz der vorhandenen Lücken, die er aufweist und die wir bald schließen müssen, Zustimmung und eine breite Mehrheit in diesem Haus findet. Jörg van Essen (FDP): Erlauben Sie mir, an dieser Stelle zunächst den Blick zurückzuwerfen! Auf Verlan- gen meiner Fraktion haben wir hier am 11. April 2008 in einer Aktuellen Stunde die Haltung der Bundesregierung zur Tätigkeit deutscher Sicherheitskräfte in Libyen dis- kutiert. Unabhängig wie man die damaligen Vorgänge bewertet, so hatte ich doch schon damals den Eindruck, dass es in allen Fraktionen gewichtige Stimmen gab, die in Anbetracht der gegenwärtigen Rechtslage Unbehagen empfanden und empfinden. Für meine Fraktion möchte ich auch vorwegschicken: Ich bin sehr froh, dass wir keine militärischen Sicherheitsunternehmen in Deutsch- land haben. Das Gewaltmonopol des Staates bei militäri- schen Aufgaben ist für mich unverrückbar. Unser Grundgesetz gibt uns hier klare Vorgaben. Danach hat der Bund die Streitkräfte zur Verteidigung aufzustellen. Es handelt sich grundsätzlich also um eine staatliche Aufgabe. Das ist auch richtig so. Man braucht sich nur vorzustellen, was Waffen in falschen Händen anrichten können! Piraterie ist hier nur ein Beispiel von vielen. Der vorliegende Antrag der Koalitionsfraktionen macht deshalb auch vollkommen zu Recht klar, dass die Privatisierung militärischer Funktionen langfristig zu ei- nem fundamentalen Wandel im Verhältnis zwischen Militär und Nationalstaat führen und das Gewaltmono- pol des Staates infrage gestellt werden könnte. Diese Sorge teilt meine Fraktion uneingeschränkt. Ich komme auch deswegen gerne auf die Debatte im Jahr 2008 zu sprechen, da der CDU-Kollege Holger Haibach damals eine Begebenheit aus der rot-grünen Regierungszeit in Erinnerung gerufen hat, mit der ich ihn hier gerne noch- mals zitieren möchte: Ganz interessant ist auch die Antwort der damali- gen rot-grünen Bundesregierung auf eine Anfrage der FDP-Fraktion zu diesem Thema. Da heißt es, Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 217. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 23. April 2009 23733 (A) (C) (B) (D) dass die Registrierung einen erheblichen Eingriff in die unternehmerische Freiheit bedeuten würde, ohne dass die Aussicht besteht, dadurch ungewollte Aktivitäten privater Sicherheitsunternehmen in Drittstaaten zu erschweren oder zu unterbinden. Das ist schon interessant: Die FDP, die Partei der freien und sozialen Marktwirtschaft, fordert eine Registrierung, und Rot-Grün hat sie abgelehnt. Das ist ein interessanter Nebenaspekt in dieser Angele- genheit. Die FDP-Bundestagsfraktion hat sich auch in dieser Legislaturperiode schon frühzeitig ganz intensiv mit dem Thema Privatisierung von Sicherheit befasst. Zwar ist Deutschland im internationalen Vergleich ein Land, das sich bei der Auslagerung – was ich auch richtig finde – am meisten zurückhält. Gleichzeitig habe ich große Sympathien für Forderungen nach einer Regulierung, wo und wieweit Sicherheitsdienstleister zum Einsatz kommen können. Es kann nicht sein, dass wir detaillierte Regeln zum Feinstaub erlassen, aber in dieser Frage schweigen! Umso enttäuschter war ich, als die Bundes- regierung mir im Herbst auf meine schriftliche Frage nach einem entsprechenden Gesetz zur besseren Kon- trolle nichtstaatlicher Sicherheitsunternehmen beschied, dass eine Prüfung ergeben habe, dass vor dem Hinter- grund der bereits existierenden Vorschriften im Außen- wirtschafts- und Beamtenrecht zusätzliche Regelungen nicht nötig seien. Umso mehr freue ich mich heute, dass der Antrag der Koalitionsfraktionen, den wir heute bera- ten, durchaus den Bedarf an rechtlichen Leitplanken sieht. Auch die FDP-Bundestagsfraktion sieht hier Re- gulierungsbedarf. Ich weiß, dass dieser Antrag nur einen ersten Schritt darstellt und auch nur einen Minimalkon- sens widerspiegeln kann. Gleichzeitig ist es wichtig, dass sich das Parlament dieses Themas endlich ange- nommen hat. Gerade weil wir das Selbstverständnis ei- ner Parlamentsarmee haben, kann es nicht sein, dass wir uns an dieser Stelle im privaten Bereich wegducken. Dabei finde ich es richtig, dass der Antrag zwischen nationalen und internationalen Handlungsaufträgen dif- ferenziert und einen eindeutigen Fokus auf den Umgang mit privaten militärischen Sicherheitsunternehmen legt. Die Bundesregierung wird gut beraten sein, wenn auch sie bei ihren Überlegungen zwischen privaten Sicher- heitsdienstleistern auf der einen Seite und privaten Mili- tärdienstleistern auf der anderen Seite genau unterschei- det, wobei mir durchaus bewusst ist, dass dies nicht immer einfach ist. Eine Private Military Company kennt einen Feind, den sie bekämpfen will, während eine Pri- vate Security Company diesen in dem Sinne nicht kennt. Ich habe übrigens auch aus einer Anhörung der FDP das große Bedürfnis nach klaren gesetzlichen Leitplanken aus der Sicherheitsbranche im weitesten Sinne selbst mitgenommen. Sie selbst sind es zuallererst, die klare Richtlinien benötigen, die aufzeigen, was aus unserer Sicht zulässig ist und was nicht. Ein Teilnehmer unserer Anhörung sagte – wenn ich mich recht erinnere – sinn- gemäß, dass in Deutschland der Milchmarkt und das Fleischerhandwerk besser reguliert sind als der Markt privater Sicherheitsdienstleister. Dieser Zustand ist nicht haltbar! Ich möchte an dieser Stelle noch kurz auf eine Ausführung aus dem Bericht des Auswärtigen Aus- schusses zu sprechen kommen: Auch mir ist es wichtig, an dieser Stelle nochmals klarzumachen, dass militäri- sche Aufgaben im Auftrag der Bundesregierung im Aus- land im Sinne des staatlichen Gewaltmonopols nur von der Bundeswehr wahrgenommen werden können. Es ist gut, dass dies hier unstrittig ist. Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE): Der Erosion des staatlichen Gewaltmonopols durch die Privatisierung von militärischen Dienstleistungen muss entgegenge- wirkt werden. Darin scheinen sich alle einig. In der Tat: Die Privatisierung des Krieges bzw. der militärischen Gewalt ist inzwischen ein Riesenproblem. Vor allem im Irak und in Afghanistan ist ein gewaltiges Heer von so- genannten Sicherheitsdienstleistern unterwegs – Men- schen also, die ihren Sold von sogenannten Private Mili- tary Companies beziehen. Im Irak tummelten sich zeitweise genauso viele Privatiers im Auftrag der USA wie Soldaten: 160 000! In Afghanistan geht man von 30 000 Sicherheitsdienstleistern aus. Und es geht nicht in erster Linie um die Bereitstellung von Toiletten oder anderen logistischen Leistungen: Es geht um bewaffne- ten Schutz, die Ausbildung von Milizen und Soldaten, um das Verhör von Gefangenen, um Aufklärung und auch um Unterstützung für Kampfeinsätze. Die Linke will diese Entwicklung nicht als gegeben hinnehmen. Und das ist die entscheidende Differenz zwischen uns und der Regierungskoalition. In ihrem Antrag heißt es, – ich zitiere wörtlich – „ein striktes Verbot von privaten militärischen Sicherheitsun- ternehmen ist nicht durchsetzbar“. Nachdem man diese Entwicklung nunmehr bald zwanzig Jahre tatenlos hin- genommen hat, ist es in der Tat schwierig, den Geist wieder in die Flasche zu bekommen. Aber es reicht ein- fach nicht, diese Privatisierung des Militärischen nur et- was regeln, etwas besser kontrollieren zu wollen. Nie- mand hier hat etwas dagegen, dass sich diese nichtstaatlichen Sicherheitsunternehmen registriert las- sen müssen, dass sie eine Lizenz brauchen, dass sie sich einem Verhaltenskodex unterwerfen und dass sie für Ge- setzesverstöße haftbar gemacht werden können. Aber das genügt eben nicht. Wir, die Linke, halten diesen An- satz für grundfalsch. Weil es um demokratische Kon- trolle, um rechtlich verbindliche Grundlagen und um klare Haftungsregeln geht, sagen wir: Sicherheit ist ein öffentliches Gut, auch weil es hier – wir reden von Kriegs- und Krisensituationen – immer auch um den Schutz von Menschenleben, den Schutz körperlicher In- tegrität geht. Daher muss dem allgemeinen Trend zur Privatisie- rung der Gewalt endlich etwas entgegengesetzt werden. Aber bleiben wir realistisch: Es wird auf absehbare Zeit nicht gelingen, private Sicherheitsunternehmen in Deutschland per se zu verbieten, auch weil der Staat, der sich selber arm gemacht hat, seinen Verpflichtungen zur öffentlichen Daseinssicherung nur noch ungenügend nachkommt. Aber die Aufgabe bleibt, dass dieser Trend zur Privatisierung umgekehrt werden muss. Vor allem geht es uns darum, besonders restriktive Regelungen für die Bundesrepublik Deutschland festzuschreiben – weil 23734 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 217. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 23. April 2009 (A) (C) (B) (D) wir hier diese Dinge noch regulieren können! Im Klar- text: Wir wollen, dass hierzulande keine Sicherheitsun- ternehmen zugelassen werden, die eng mit dem harten Kern des Militärischen verbandelt sind. Noch gibt es hier keine Dyncorps und Blackwaters, noch plant die Bundeswehr – zumindest offiziell – keine Auslandsein- sätze gemeinsam mit privaten Anbietern. Noch kann man aus den Erfahrungen anderer Staaten wie den USA und Südafrika lernen und deren Fehler vermeiden. Noch ist es möglich, die rechtlichen Grundlagen für ein umfas- sendes Verbot für die Erbringung von militärischen Dienstleistungen durch Unternehmen im Ausland zu schaffen. Hier aber wird zu später Stunde und quasi unter Aus- schluss der Öffentlichkeit abschließend über die Legali- sierung eines neuen Kriegsinstruments entschieden. Das ist eigentlich völlig inakzeptabel. Wir stehen in Deutsch- land heute an einem Scheideweg. Machen wir die Tür auf, oder lassen wir sie zu? Leider muss es gesagt wer- den: Ihr Antrag macht eine Tür auf, die geschlossen blei- ben muss. Dass Sie vor der Aufgabe kapitulieren, der Privatisierung militärischer Gewalt eine klare Absage zu erteilen, hat auch damit zu tun, dass Sie leider wieder einmal Opfer Ihrer Unterwerfung unter die neoliberale Logik werden. Wenn letztlich alles der Logik und den Prinzipien des Marktes untergeordnet werden kann, warum nicht der Sicherheitssektor? Und dass es sich um einen lukrativen Markt handelt, ist nicht zu übersehen. Inzwischen gibt es auch hier in Deutschland mehrere Tausend Sicherheits- firmen mit milliardenschweren Umsätzen. Diese Unter- nehmen schielen zunehmend auch auf den lukrativen in- ternationalen Markt. Der weltweite Umsatz wird immerhin auf über 100 Milliarden US-Dollar geschätzt. Es ist eine gefährliche Illusion, wenn Sie in Ihrem Antrag suggerieren, dass unter Kriegs- und Konfliktbe- dingungen private Sicherheitsakteure hinreichend kon- trolliert werden könnten. Schon die parlamentarische Kontrolle von Streitkräften ist häufig schwierig. Wie soll dies bei Firmen gelingen, die sich – ähnlich wie die Rüs- tungsindustrie – auf den Schutz ihrer Geschäftsinteres- sen berufen? Personal wird auf Zeit angeheuert, Auf- träge werden über Subunternehmer abgewickelt. Läuft etwas schief, kann einfach der Firmensitz verlegt wer- den. Konkurs wird angemeldet, oder man ändert einfach den Namen, wie zum Beispiel jüngst Blackwater – die sich nun Xe nennen. Hier von Haftungsmöglichkeiten durch die Opfer zu reden, grenzt an Zynismus. Auch andere Punkte sprechen gegen Ihren minimalis- tischen Ansatz: Die Grenzen zwischen Söldnern, militä- rischen Dienstleistern und Sicherheitsdienstleistern sind fließend. Zum Schutz von Transporten oder Objekten angeheuerte Privatfirmen kommen nahezu unweigerlich in die Lage, auch schießen zu müssen. Weiter: Diese Si- cherheitsunternehmen sind in der Regel transnationalen „Gemischtwarenläden“ zugehörig. Enge Verflechtungen zu Rüstungsunternehmen und Rohstoffkonzernen sorgen dafür, dass beim Einsatz auch noch andere Eigeninteres- sen den Grad der Auftragserfüllung bestimmen. Wie groß ist deren Interesse an einer schnellen Beendigung des Konflikts wirklich? Die Inanspruchnahme von Si- cherheitsunternehmen in gewaltträchtigen Konfliktla- gen bedeutet daher nichts anderes, als den Bock zum Gärtner zu machen. Und genau dies will die Linke nicht. Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Zögern, zaudern und interne Kontroversen, das hat Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, bei den bisherigen Beratungen zum Antrag zu nichtstaatli- chen militärischen Sicherheitsunternehmen umgetrie- ben. Manchmal ist Zögern ja ganz gut und fruchtbar, dasselbe gilt für Kontroversen. Im vor uns liegenden Fall ist das leider nicht der Fall. Zugegeben, an einer Stelle ist der Antrag zuletzt tat- sächlich besser geworden, und zwar dort, wo Sie einge- sehen haben, dass eine Sache nicht sein kann: nämlich dass wir als Parlament künftig statt der Bundeswehr auch private Sicherheitsunternehmen in Auslandsein- sätze schicken. Der Groschen ist bei Ihnen noch recht- zeitig gefallen. Immerhin! Doch das ändert nichts daran, dass der Antrag weiter- hin an zwei entscheidenden Stellen zu schwach, ungenau und damit gefährlich zahnlos ist. Erstens: Sie bieten wei- terhin keine Antwort darauf, wie sichergestellt werden kann, dass das Gewaltmonopol des Staates unbedingt eingehalten und gesichert wird. Und zweitens: Sie leis- ten keinen Beitrag dazu, die komplexe Frage nach der rechtlichen Stellung privater Sicherheitsunternehmen zu klären. Militärische Aufgaben sind und bleiben Aufgaben des Staates. Was Sie hier als Antrag präsentieren, der die Aushöhlung dieses Prinzips unterbinden soll, ist so ne- bulös, dass er maximal ein Feigenblatt ist. Und dahinter können private Sicherheitsunternehmen weiterhin un- kontrolliert ihren Geschäften nachgehen! Da ist sogar der Antrag der Linksfraktion konsequen- ter; denn er sieht wenigstens dem Problem ins Auge. Doch es wird der Sache nicht gerecht, dass Sie, liebe Kol- leginnen und Kollegen von der Linksfraktion, sich auch bei einem so heiklen Thema nicht zu schade sind, Ihr Mantra vom Ende der Auslandseinsätze der Bundeswehr abzuspielen. Was wollen Sie eigentlich? Das Problem der unkontrollierten privaten Sicherheitsfirmen lösen oder uns weiter Ihre außenpolitische Verantwortungslosigkeit vorführen? Seit dem Ende des Kalten Krieges hat die Zahl der privaten Sicherheitsunternehmen auffällig zugenommen. Sie sind international aktiv, in Konfliktgebieten, in de- nen vor allem eines herrscht: Unübersichtlichkeit. Viele Staaten ziehen sich immer weiter zurück und schaffen so überhaupt erst das Operationsgebiet für private Sicher- heitsunternehmen – land- wie seeseitig. Das ist der fal- sche Weg! Wenn der Staat seine Aufgaben ernst nimmt und erfüllt, dann löst sich die äußerst heikle Frage des Einsatzes privater Sicherheitsunternehmen von selbst. So wird ein Schuh daraus! Um Missverständnissen vorzubeugen: Mir geht es nicht darum, private Sicherheitsunternehmen zu verbie- ten. Das Beispiel Südafrika zeigt, dass dieser Schritt Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 217. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 23. April 2009 23735 (A) (C) (B) (D) keine Lösung darstellt. Uns geht es darum, dass der Staat seine Aufgaben erfüllt, das Gewaltmonopol nicht ausge- höhlt wird und dass klargestellt wird, was private Sicher- heitsunternehmen dürfen und was nicht, und vor allem, wie sie effektiv kontrolliert werden. Auch vor dieser Frage – der Kontrolle privater Sicher- heitsunternehmen – ziehen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, den Kopf ein. „Selbstregu- lierung“ ist Ihr Vorschlag: freiwillige Verhaltenskodizes. Meine Fraktion hat in dieser Woche eine interne Anhö- rung zu diesem Thema durchgeführt, bei der der Ge- schäftsführer einer privaten Sicherheitsfirma anwesend war. Seine Firma ist selbst im Irak aktiv. Ich habe ihn auf Ihr Wundermittel „Selbstregulierung“ angesprochen. Seine Reaktion war klar: Das ist doch alles nur – Zitat – „blah, blah“; daran halte sich sowieso niemand. – Sie präsentieren uns hier einen Feigenblatt-Antrag, wir wol- len Klarheit und verbindliche Regeln. Anders geht es nicht! Ein Beispiel dazu: Mir hat bis heute noch niemand er- klären können, warum wir im Außenwirtschaftsgesetz den Export von Waffen regeln, aber nicht den Export von Menschen, die diese benutzen. Wir sind der Ansicht, dass auch Dienstleistungen im Außenwirtschaftsgesetz reguliert werden müssen! Natürlich sind solche klaren Regelungen auf nationaler Ebene nur der Anfang. Wo wir hinkommen müssen, das sind internationale Regeln und Mechanismen zu Lizenzierung, Kontrolle und Sank- tionierung! Der Antrag der Koalition ist kein hilfreicher Schritt auf diesem Weg. Daher werden wir ihn ablehnen. Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der abfallrechtlichen Produktverantwortung für Batterien und Akkumulatoren – Beschlussempfehlung und Bericht: Schad- stoffbelastung durch Batterien begrenzen (Tagesordnungspunkt 18 a und b) Michael Brand (CDU/CSU): Der heute zu beratende Gesetzentwurf zu einem Batteriegesetz ist vor allem er- forderlich, um die entsprechende EU-Richtlinie umzu- setzen. Dass wir dabei noch immer auf entsprechende Ausführungsbestimmungen der EU-Kommission war- ten, ist bedauerlich und erfordert die Einfügung von Ver- ordnungsermächtigungen für die Bundesregierung. Dass wir bei der Ausformulierung der dann zu erlassenden Bestimmungen darauf setzen, dass das Bundesumwelt- ministerium dies im Geiste der Beratungen dieses Batte- riegesetzes tut, will ich ausdrücklich zu Beginn meiner Rede betonen. Dass wir die Gelegenheit dazu nutzen, um weitere Verbesserungen an der Sammlung und auch dem Inver- kehrbringen von Batterien und Akkus sowie eine zeitge- mäße Erhöhung des Umwelt- und Verbraucherschutzes zu bewirken, ist ein gutes Beispiel für eine besonnene Umsetzung von Richtlinien der EU, an deren Zustande- kommen auf europäischer Ebene wir als Mitgliedstaat im Jahre 2006 schon intensiv beteiligt waren. Folglich will ich vorab für die CDU/CSU ausdrück- lich hervorheben, dass wir im Batteriegesetz nicht nur das wichtige Recycling von gebrauchten Altbatterien und -akkus regeln und modernisieren. Wir setzen auch klare Eckpunkte in der Information beim Verbraucher- schutz: Durch die erweiterte Kennzeichnungspflicht wird in Zukunft auf jeder Batterie die Kapazität abzule- sen sein, was bei der doch sehr unterschiedlichen Leis- tungsfähigkeit der in unserem Alltag immer wichtiger werdenden Batterien einen sehr wichtigen Beitrag gegen Billigbatterien von schlechterer Qualität leisten kann. Allerdings ist aus umweltpolitischer Sicht der starke Zu- wachs des Gebrauchs von wiederaufladbaren Akkus sehr zu begrüßen; zudem ist dort die Angabe der Leistungsfä- higkeit schon lange Standard. Wir können uns in Deutschland auch im Bereich des Batterie-Recyclings durchaus als Vorreiter in Europa be- trachten. Die bereits seit zehn Jahren durch die nun ab- zulösende Batterieverordnung etablierten Rücknahme- systeme in Deutschland haben dazu geführt, dass wir bereits heute die im Batteriegesetz vorgesehene Rück- nahmequote von 35 Prozent ab dem Jahr 2012 mit 41 Prozent erfüllen und ohne Frage auch die ab dem Jahr 2016 geltende Quote von 45 Prozent sicher ebenfalls er- reichen bzw. überschreiten werden. Es ist möglich, dass wir mit dem zentralen Register eventuell rechnerisch die Basis der in Verkehr gebrachten Batterien vergrößern, weil wir dann auch diejenigen Hersteller und Inverkehr- bringer erfassen, die sich bislang an den Rücknahmesys- temen vorbeimogeln. Wenn das kurzfristig zu einem langsameren Anstieg der Quote führen sollte, ist dies si- cherlich durch entsprechende Maßnahmen kompensier- bar. Ohnehin wird es – wie später auszuführen ist – eine sorgfältige weitere Beobachtung der Auswirkungen ein- zelner Teile des Batteriegesetzes geben. Natürlich begrüßen wir als CDU/CSU auch die künf- tige weitere Beschränkung der Verwendung von Gift- stoffen wie vor allem Cadmium. Wir haben einen hohen Stand an Schutz für Verbraucher und Umwelt erreicht, und wir bauen diesen mit diesem Gesetz weiter aus. In diesem Zusammenhang ist auch zu sagen, dass die weit überdehnten Anträge von Bündnis 90/Die Grünen übers Ziel hinausschießen und deshalb abgelehnt werden müs- sen. Durch das in Deutschland seit zehn Jahren erfolgrei- che System werden weit höhere Rücknahmequoten als die in der Vorgabe der Batterierichtlinie genannten er- reicht. Dieses erfolgreiche System ist im Zusammenspiel zwischen Hersteller und Handel auf der einen und quali- fizierten mittelständischen Entsorgern und Kommunen auf der anderen Seite eingerichtet und erfolgreich umge- setzt worden. In diesem Zusammenhang soll und muss hier aus- drücklich die stabilisierende und den Wettbewerb stär- kende Rolle der mehr als 400 mittelständischen Sammler herausgehoben werden. Umso kritischer muss daher 23736 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 217. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 23. April 2009 (A) (C) (B) (D) auch hier zum BMU-Entwurf angemerkt werden, dass diese zum Teil diskriminiert werden, indem die gewerb- lichen Sammler – sie sind doch besser als andere im Umgang mit dem Sondermüll Altbatterie qualifiziert – aus eben dieser gewachsenen Struktur nun herausge- drängt werden können, wenn die nun ermöglichte Ge- staltung der Verträge zwischen Herstellern und Handel den Herstellern quasi einen Monopolzugriff auf den wichtigen Stoffstrom der Altbatterien durch die Hinter- tür ermöglicht. Dieses Aussperren des Mittelstandes durch den Gesetzentwurf des BMU ist und bleibt ein Makel. Wir bedauern als CDU/CSU, dass es in den Ge- sprächen mit der SPD-Fraktion nicht mehr gelungen ist, die erfolgreiche Praxis aus den letzten zehn Jahren abzu- sichern und die Aussperrung des Mittelstandes aus dem Sammlungs- und Verwertungsprozess zurückzuweisen. Und nun werden ja alle möglichen Einwände vorge- tragen, um dieses eher ideologisch motivierte Heraus- drängen qualifizierter privater mittelständischer Samm- ler zu begründen. Dazu ist klar festzustellen: Im Gegensatz zu erkennbar übertriebenen Formulierungen wird auch künftig niemand in Deutschland das Problem haben, auf Gehwegen über alte Autobatterien zu stolpern – wie dies teils vorgetragen wurde, um ein Argument zu finden, private Mittelständler herauszudrängen. Die Er- fahrung der vergangenen Jahre zeigt im Gegenteil: Die- ses ungeeignete Argument ist nur ein Vorwand, um fach- lich qualifizierte mittelständische Entsorger bewusst von der Sammlung auszuschließen, weil man in Teilen der SPD die totale Kommunalisierung der Abfallentsorgung anstrebt – und damit die großen Fortschritte der unter den Umweltministern Töpfer und Merkel entwickelten und durchgesetzten Kreislaufwirtschaft als Wirkung aus hohen Umweltstandards und Umsetzung im Wettbewerb der besten Lösungen gefährdet. Die CDU/CSU hat immer wieder – bis hin zur EU- Ebene – das Prinzip der Subsidiarität und der Daseins- vorsorge vertreten und dies mit Erfolg getan. Bei allem Eintreten für die Verantwortung und die Rechte der Kommunen in der Daseinsvorsorge und der Abfallwirt- schaft wenden wir uns allerdings entschieden gegen eine von manchen in der SPD offenbar angesteuerte totale Dominanz der Kommunen in der Abfallwirtschaft und die damit verbundene Schwächung des regionalen Mit- telstandes. Wir wollen in der Recyclingwirtschaft keinen Kampf der Konzerne gegen die Kommunen um jede Tonne an der Ecke. Aber wir wollen auch keine Aus- grenzung des Mittelstandes durch die Kommunen – wir brauchen vielmehr eine faire Partnerschaft statt künstli- cher Gegnerschaft. Diese Haltung findet sich in der Mehrzahl der Kommunen in Deutschland, deren Sicht nicht von den Partikularinteressen der kommunalen Un- ternehmen und der dort zahlreich vertretenen Vertreter aus der Politik beeinträchtigt wird. Vor allem die Land- kreise ohne eigene Abfallwirtschaft werden an einer Partnerschaft mit mittelständischen Partnern interessiert sein. Insofern erwarten wir als CDU/CSU durchaus bereits früh in der nächsten Wahlperiode einen Korrekturbedarf am heute auf den Weg gebrachten Gesetz. Sofern wir Fehlentwicklungen im Bereich Mittelstand oder auch Missbrauch von Marktpositionen bei Handel oder Her- stellern identifizieren, müssen wir nachbessern. Dies gilt im Übrigen auch für den Fall, dass die von uns durchaus gewünschte Rolle der Kommunen in einer zu starken Form überdehnt würde. Gerade in den letzten Wochen haben wir hier das eine oder andere Signal erhalten, dass auch bei der Trägerschaft für die Kosten des Batterie- Recyclings die einen bestellen wollen, um dann anderen einfach die Rechnung zu schicken. Verantwortung in der Daseinsvorsorge bedeutet sicher auch, die aktive Teil- nahme an einem bislang erfolgreichen Sammelsystem nicht völlig zurückzufahren und einen fairen Ausgleich der Lasten zu suchen. Dass es dabei primär auf die Pro- duzenten ankommt, ist wohl eindeutig. Dies darf aber weder den Handel zu überzogenen Forderungen führen, noch sollten sich die Kommunen als wesentlicher Teil der Sammlung allzu stark zurückziehen. Zu der von den Grünen wieder einmal vorgeschlage- nen Überregulierung ist zu sagen: Vorschläge wie die to- tale Ausdehnung der Pfandpflicht auf alle Batterien oder radikale Quoten trotz aller Übererfüllung der bisherigen Quoten können nicht akzeptiert werden. Wer die deut- sche Vorreiterrolle in der EU weiter innehaben will, darf uns nicht mit Überregulierung ins Straucheln bringen. Wir brauchen Augenmaß statt blindem Aktionismus. Heute allerdings geht es zunächst um eine zügige Umsetzung der EU-Richtlinie. Wir bitten als CDU/CSU um Zustimmung zu dem vorliegenden Gesetzentwurf. Gerd Bollmann (SPD): Zum zweiten Mal befassen wir uns heute im Plenum mit dem Batteriegesetz. Mit diesem Gesetz setzen wir die entsprechenden europäi- schen Richtlinien vom 6. September 2006 um. Mit dem vorliegenden „Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der abfallrechtlichen Produktverantwor- tung für Batterien und Akkumulatoren“ verbessern wir Sammlung und stoffliche Verwertung ebenso wie die ordnungsgemäße Entsorgung alter Batterien. Zusätzlich erhöhen wir den Gesundheitsschutz durch niedrigere Grenzwerte für den Einsatz von Schadstoffen. Gestern haben wir im Umweltausschuss dieses Batte- riegesetz abschließend beraten. Dabei haben wir diejeni- gen Änderungswünsche des Bundesrates übernommen, denen auch die Bundesregierung zustimmt. Dies begrüßt die SPD ausdrücklich. Bevor ich auf Einzelheiten und konkrete Änderungswünsche eingehe, will ich noch ein- mal die Kernpunkte des Gesetzentwurfes ansprechen. Aufgrund der geltenden Batterieverordnung gibt es bereits ein gut funktionierendes gemeinsames Rücknah- mesystem der Industrie. Darüber hinaus unterhalten auch viele Kommunen freiwillig eingerichtete Rücknah- mestellen. Bundesweit kommen wir damit auf über 170 000 Sammelstellen. Unsere Bürger haben somit zahlreiche Möglichkeiten, gebrauchte Batterien zurück- zugeben. Mit dem neuen Batteriegesetz wird sich daran nichts Grundlegendes ändern. Auch nach dem neuen Gesetz müssen die Vertreiber, sprich der Handel, deutlich sicht- bare Sammelstellen in ihren Verkaufsstellen einrichten. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 217. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 23. April 2009 23737 (A) (C) (B) (D) Das Gesetz verpflichtet die Hersteller, Altbatterien von den Sammelstellen abzuholen und weitgehend stofflich zu verwerten. Wie bisher können die Hersteller diese Aufgabe über das bereits bestehende Rücknahmesystem der Industrie bewerkstelligen. Auch herstellerindividu- elle Rücknahmesysteme, quasi Selbstentsorger, sind zur Durchführung zugelassen, bedürfen aber einer Genehmi- gung. Diese Genehmigungen sind meiner Ansicht nach unbedingt notwendig. Ohne ein Genehmigungsverfahren würden, wie bei der Verpackungsverordnung, Probleme entstehen. Die Gefahr, dass Trittbrettfahrer den Vollzug des Gesetzes unterlaufen, wäre sehr groß. Für die Kommunen wird die Sammlung von Altbatte- rien zukünftig freiwillig sein. Im Gegensatz zur bisheri- gen Regelung sind sie nicht verpflichtet, Sammelstellen einzurichten. Ich gehe davon aus, dass die Kommunen auch weiterhin Altbatterien sammeln werden. Die Bür- ger haben sich an diese Rücknahmemöglichkeiten ge- wöhnt. Zugunsten der Bürger appelliere ich daher an die Kommunen, die Rücknahmesysteme beizubehalten. Wichtig für uns Sozialdemokraten ist hierbei aber die Freiwilligkeit. Das Batteriegesetz legt eindeutig fest, dass die Her- steller und Vertreiber für die umweltgerechte stoffliche Entsorgung und Sammlung zuständig sind. Damit wird die ungeteilte Produktverantwortung in diesem Bereich der Abfallwirtschaft durchgesetzt. Dies begrüße ich aus- drücklich. Damit ist ein sozialdemokratisches Ziel in der Abfallpolitik zumindest in einem Teilbereich durchge- setzt worden. Positiv hervorzuheben sind die Einschrän- kung des Einsatzes gefährlicher Stoffe und die Festle- gung verbindlicher Sammelziele für Altbatterien. Der heute vorgelegte Gesetzentwurf ist nach Ansicht der Sozialdemokraten grundsätzlich positiv zu bewerten. Neben den genannten einzelnen Punkten ist besonders hervorzuheben, dass sich für die Bürger nichts Grundle- gendes ändert. Sie können wie gewohnt die Altbatterien beim Handel oder bei kommunalen Rückgabestellen ab- geben. Aus der Wirtschaft, von anderen Parteien und von den Bundesländern gibt es weitgehende Änderungswün- sche. So fordert der ZVEI eine Sammelpflicht der Kom- munen. Ich habe bereist dargelegt, dass die SPD aus grundlegender Überzeugung dagegen ist. Wir sind für die ungeteilte Produktverantwortung. Wer ein Produkt in den Markt bringt, muss auch die umweltgerechte Entsor- gung sicherstellen. Darüber hinaus gibt es weitere sach- liche Gründe, einen Sammelzwang der Kommunen ab- zulehnen. In dem Entwurf zum Batteriegesetz stehen sich öf- fentlich-rechtliche Entsorger und Hersteller gleichrangig gegenüber. Die öffentlich-rechtlichen Entsorger müssen nicht sammeln, und die Hersteller müssen nicht für die Sammlung der öffentlich-rechtlichen Entsorger bezah- len. Grundsätzlich sind beide Seiten dazu bereit, umstrit- ten ist nur die Höhe der Zahlungen. Wenn wir die Kommunen zum Sammeln zwingen würden, müssten wir auch Regelungen für die Höhe des Deckungsbeitrages festlegen. Im Hinblick auf die schwankenden Rohstoffpreise und das Marktgeschehen sind privatwirtschaftliche Regelungen sinnvoller. Gefor- dert wird auch, dass gewerbliche Abfallentsorger Fahr- zeugaltbatterien bei privaten Endnutzern sammeln bzw. abholen dürfen. Mit anderen Worten: Eine solche Ände- rung hätte zur Folge, dass gefährliche Abfälle direkt bei privaten Haushalten gesammelt werden. Ich frage mich: Wie soll die Sammlung durchgeführt werden? Sollen die Bürger Fahrzeugaltbatterien auf die Straße stellen oder in Behältern vor die Haustür? Ohne Aufsicht, sodass zum Beispiel Kinder an diese gefährlichen Abfälle kom- men? – Absolut unmöglich, finde ich. Oder klingeln die gewerblichen Sammler an den Haustüren? – Ich weiß, die Befürworter argumentieren, dass diese gewerblichen Abfallentsorger ja zertifiziert sind. Aber bei einer Sammlung bei privaten Haushalten müsste der Bürger entscheiden, ob der Sammler zertifi- ziert ist. Er müsste entscheiden, ob die Zertifizierung korrekt ist. Wollen wir wirklich, dass der Bürger darüber entscheidet? Und das bei gefährlichen Abfällen? Können Sie mir garantieren, dass keine Trittbrettfahrer oder schwarze Schafe dies ausnutzen? Wollen wir wirklich die Gefahr neuer Skandale riskieren? Dazu sage ich ganz klar Nein. Wie haben im Abfallbereich schon genug Vollzugsdefizite. Außerdem lehnen wir Sozialdemokraten die Samm- lung bei Privathaushalten durch die gewerbliche Wirt- schaft aus grundsätzlichen Überlegungen ab. Dies gehört zur Daseinsvorsorge und damit in die Zuständigkeit der Kommunen. Eine Ausweitung des Kreises, der sammeln darf, erschwert auch die Vollzugskontrolle. Wir wollen keine Verhältnisse, wie sie zeitweise bei den Verkaufs- verpackungen herrschten. Aus diesem Grund ist eine Genehmigungspflicht für herstellereigene Rücknahme- systeme absolut notwendig. Eine Anzeigepflicht genügt dem nicht. Ohne ein Genehmigungsverfahren wären Trittbrettfahrern Tür und Tor geöffnet. Eine Kontrolle wäre nicht mehr möglich. Zum Schluss noch einige Worte zu den Anträgen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Die Ziele gehen durchaus in die richtige Richtung: höhere Sammelquo- ten, keine Ausnahmen für den Einsatz gefährlicher Stoffe, Begrenzung des Einsatzes von Einwegbatterien. Das sind grundsätzlich alles Punkte, die zu befürworten sind. Allerdings geht es auch um die praktische Umset- zung. Nach meinem Kenntnisstand gibt es zum Beispiel momentan keine Alternativen zu Knopfzellen mit Quecksilber, wie das gefordert wird. Eine Pfandpflicht für Altbatterien halte ich ebenfalls für sehr schwer zu or- ganisieren. Insgesamt halte ich das Gesetz in der jetzigen Fassung für gut und bitte Sie um Ihre Zustimmung. Horst Meierhofer (FDP): Dass die Entsorgung von Altbatterien bei uns in Deutschland auch jetzt schon funktioniert, habe ich ja bereits an mehreren Stellen deutlich gemacht. Und auch die vorgesehene Kennzeich- nung mit den chemischen Zeichen „Cd“ für Cadmium, „Pb“ für Blei und „Hg“ für Quecksilber habe ich bereits mehrfach kritisiert, denn ich glaube nicht, dass eine sol- che Kennzeichnung für die Verbraucher wirklich ver- 23738 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 217. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 23. April 2009 (A) (C) (B) (D) ständlich ist. Aus rein deutscher Sicht wäre das Batterie- gesetz also nicht unbedingt nötig gewesen. Doch die Vorgaben hierzu kommen wie so oft aus Brüssel. Im Großem und Ganzen können wir Liberale mit dem Umsetzungsvorschlag der Großen Koalition leben, zu- mal gestern im Ausschuss noch einmal einige Klarstel- lungen beschlossen wurden. Trotzdem: Hundertprozen- tig zufrieden sind wir nicht. An der einen oder anderen Stelle hätten wir Liberale es uns schon anders ge- wünscht. Das betrifft vor allem die Rolle des Mittelstan- des. Natürlich begrüßen wir das Ziel der Bundesregierung, den Fortbestand der dezentralen Rücknahmestrukturen – und darum geht es, wenn wir vom Mittelstand spre- chen – zu gewährleisten. Aber wenn man in den Geset- zestext schaut, dann sieht die Realität doch anders aus: Gerade dem Mittelstand wird das Leben – oder besser gesagt die Existenz – schwer gemacht. Deshalb auch un- ser Änderungsantrag, den wir gestern in den Ausschuss eingebracht haben. Wir sind der Meinung, Endverbraucher müssen ihre alten Fahrzeugbatterien eben auch bei gewerblichen Alt- batterieentsorgern abgeben können, und nicht nur bei Vertreibern oder öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträ- gern. Dafür spricht auch, dass der Mittelstand bei Indus- triebatterien nach dem Gesetzentwurf bereits mit im Boot ist. Warum hier eine solche Differenzierung vorge- nommen werden soll, leuchtet mir nicht ein. Doch obwohl die Union diese Ansicht in der Sache teilt, hat sie unseren Antrag abgelehnt und uns auf die nächste Legislaturperiode vertröstet. Statt sinnvoller Sachpolitik also Koalitionsraison. Und die heißt bei Schwarz-Rot anscheinend: Der Mittelstand muss drau- ßen bleiben. Schade! Hinweisen möchte ich an dieser Stelle auch noch ein- mal auf die Befürchtung, dass große Hersteller mit dem jetzigen Gesetzesvorschlag die Möglichkeit hätten, den Verkauf von Neubatterien durch die Zahlung von Um- weltprämien an die Rücknahnahme von Altbatterien zu koppeln und so einmal mehr die mittelständischen Ent- sorger – die sich eben nur auf das Entsorgen beschrän- ken – das Nachsehen hätten. Gerade noch die Kurve bekommen hat die Große Ko- alition im Übrigen bei der Frage, welche Rolle die öf- fentlich-rechtlichen Entsorgungsträger spielen sollen. Vor allem der CDU-Kollege Brand hat in der ersten Le- sung noch über den Sinn bzw. Nichtsinn einer verpflich- tenden Beteiligung der Kommunen philosophiert. Ich bin froh, dass entsprechende Änderungsanträge ausge- blieben sind, denn nur so kann dem Prinzip der Produkt- verantwortung auch vollumfänglich Rechnung getragen werden. Gegen eine freiwillige Teilnahme der Kommu- nen habe ich im Übrigen nichts einzuwenden. Zum Schluss möchte ich noch kurz auf den Antrag der Grünen eingehen: Eine zusätzliche Pfandpflicht für Gerätebatterien ist und bleibt falsch. Wir glauben nicht, dass dies zu einer nennenswerten Lenkungswirkung führt, sondern lediglich dem Handel eine ähnlich hüb- sche Zusatzeinnahme bescheren wird, wie wir das schon vom Zwangspfand im Getränkebereich kennen. Den Antrag der Grünen lehnen wir daher ab. Bei dem Gesetzentwurf werden wir uns enthalten. Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE): Die Bundesre- gierung betonte bei der Vorlage ihres Entwurfs eines Batteriegesetzes, dieser Rechtsakt sei nur eine 1:1-Um- setzung der entsprechende EU-Richtlinie. So verzichtet sie in diesem Bereich der Abfall- und Produktpolitik je- doch auf eine Vorreiterrolle in der EU. Mehr noch: In zentralen Details ist der Entwurf sogar ein Rückschritt. Denn wie kann es sein, dass für Gerätealtbatterien ledig- lich Rücknahmequoten von 35 Prozent bis zum Jahr 2012 gefordert werden, wo doch in der Praxis schon 2007 rund 40 Prozent erreicht wurden? Hier sind min- destens 70 Prozent gefordert. Die Sammelquoten könn- ten noch weiter erhöht werden, indem die Pfandpflicht von Starterbatterien auf alle Batterien ausgedehnt würde – auch hier Fehlanzeige im Gesetzentwurf. Hohe Sammel- und Verwertungsquoten sind unter an- derem deshalb wichtig, weil durch die Zunahme mobiler Endgeräte der Bedarf an ökologisch problematischen Einwegbatterien und Akkumulatoren rasant angestiegen ist und wohl noch weiter steigen wird. Gefordert sind pa- rallel energische Schritte, um den Einsatz von Einweg- batterien zugunsten von langlebigen wiederaufladbaren Akkumulatoren zu begrenzen. Schließlich vermindern 2 bis 3 Prozent mehr Akkus in den entsprechenden An- wendungen circa 20 Prozent Einwegbatterien. Doch von solchen Regelugen ist im künftigen Gesetz nichts zu le- sen. Deshalb finden wir den Vorschlag der Grünen im Ausschuss sinnvoll, das Inverkehrbringen sogenannter Primärbatterien – welche ja nicht wiederaufladbar sind – bis 2012 auf 80 und bis 2016 auf 50 Prozent gegenüber 2007 zu senken. Zu einer verantwortungsvollen Abfall- und Produkt- politik gehört zudem, den Einsatz hochgiftiger Stoffe in Batterien und Akkus zu reduzieren und einen hohen Anteil stofflicher Verwertung anzustreben. Auch hier hat die Bundesregierung gepatzt: Ausnahmebestimmungen, etwa bei Knopfzellen oder schnurlosen Elektrowerk- zeugen, durchlöchern das weitgehende Verbot des Ein- satzes von Quecksilber bzw. Cadmium. Diese Ausnah- men sind nicht zu verstehen, denn es gibt bereits Alter- nativen für den Einsatz der gefährlichen und umweltbelastenden Stoffe. Bei der Verwertung fordert die Linke anspruchsvolle Quoten für die stoffliche Ver- wertung sowie – angesichts der hohen Schadstoffbelas- tung – die „bestverfügbare Technik“ als Standard bei den Verwertungsverfahren anstelle des vorgesehenen „Stan- des der Technik“. Kritisch zu sehen ist schließlich auch die Behandlung von Produkten mit fest eingebauten Altbatterien im Ge- setz. Zwar ist nachvollziehbar, dass sich der Rücknah- meweg für Altbatterien für entsprechende Elektrogeräte nicht eignet. Allerdings wirkt die Freistellung von der Rücknahmeverpflichtung für eingebaute Batterien nach § 9 des Gesetzentwurfes wie eine Belohnung dafür, Ak- kus unsinnigerweise fest in Gehäuse zu integrieren. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 217. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 23. April 2009 23739 (A) (C) (B) (D) Sinnvollerweise müsste also hier ein grundsätzliches Verbot des festen Einbaus – etwa über eine Stichtagsre- gelung – die vorgesehene Lösung flankieren. In diesem Sinne unterstützen wir den Antrag der Grü- nen und lehnen den Gesetzentwurf ab. zum Tod des Fötus führen kann. Was nützt uns heute das Quecksilberverbot, wie es auf der letzten UNEP-Konfe- renz in Nairobi beschlossen wurde, wenn wir auf Jahre weitere ordnungsrechtliche Maßnahmen und ambitio- nierte Quoten scheuen? Bis ein Vertrag rechtskräftig wird, der Produktion und Emissionen von Quecksilber regelt, wird sicher ein Jahrzehnt vergehen. Das ist nicht Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir stimmen heute über einen Gesetzesvorschlag ab, der die Vorreiterrolle Deutschlands gerade im Bereich der Abfalltechnologie und des Recyclings bestenfalls igno- riert, möglicherweise sogar konterkariert, haben die Sammelsysteme doch, wie sie zur Vermeidung der Um- weltverschmutzung mit Cadmium und Quecksilber be- reits mit dem Elektro- und Elektronikgerätegesetz 2005 eingerichtet wurden, bisher auch ohne das heute zur De- batte stehende Batteriegesetz 42 Prozent der Altbatterien wieder eingesammelt. Liegt es nun „nur“ am Dogma der Großen Koalition, dass man grundsätzlich nicht über die europaweiten Vorgaben von umzusetzenden Richtlinien hinausgeht? Oder – weitaus schlimmer für die Umwelt – geht die Regierungskoalition davon aus, dass auch den Sammelquoten bei Batterien dasselbe Schicksal wie dem Mehrwegsystem bei Flaschen blühen könnte: fallende Rückläufe, nicht zu steuernde Quotenverfehlungen? Die Debatte im Umweltausschuss hat gezeigt: Auch für die FDP wiegt im Falle von Vorschriften für Hersteller zur Produktverantwortung offensichtlich das Gut des unein- geschränkten Marktes schwerer als das der unversehrten Gesundheit. Wie ließe sich sonst erklären, dass der bündnisgrüne Vorschlag, die Mindestsammelquoten in § 16 – die laut Gesetzentwurf bis 2012 für Geräte-Alt- batterien auf mindestens 35 Prozent festgesetzt ist – mit mindestens 50 Prozent vorzugeben, abgetan wird mit dem Hinweis auf eine „unzumutbare“ Belastung der Bat- teriehersteller? Batterien gehören nicht in den Hausmüll! Unbestrit- ten sind die metallischen Stoffe, die für den Vorgang der Elektrolyse zur Energiespeicherung notwendig sind, to- xikologisch hoch gefährlich! Blei, Zink, Nickel, Kupfer, Lithium, Cadmium und Quecksilber gelangen bei über 33 000 Tonnen verbrauchten Batterien tonnenweise in die Umwelt, wenn die Altbatterien nicht ordnungsgemäß entsorgt werden! Jedes Gramm dieser Schwermetalle, das in die Umwelt gelangt, sei es nun durch unsachge- mäße Entsorgung oder auch durch eine Müllverbren- nung von tonnengängigen Batterien zusammen mit dem Siedlungsabfall, ist ein Gramm zu viel! Nehmen wir Quecksilber: Bereits geringe Dosen von Quecksilber können im menschlichen Organismus durch Anreiche- rung Hirn, Nerven und Organe schädigen. Quecksilber steht zudem im Verdacht, das Alzheimer-Risiko zu erhö- hen. Bei Babys und Kindern sind Entwicklungsstörun- gen möglich. Schwangeren wird vom Verzehr bestimm- ter Fischarten abgeraten, da eine Quecksilbervergiftung verwunderlich, wenn schon die 1 : 1-Umsetzung einer EU-Richtlinie in deutsches Recht – die keine Verände- rung in der Versorgungspraxis bedarf – ein Dreiviertel- jahr länger als die vorgegebene EU-Frist braucht. Es ist wohl dieser Folgenlosigkeit geschuldet, dass sich ledig- lich der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reak- torsicherheit mit dem Gesetzentwurf befasst. Das Instrument von Bündnis 90/Die Grünen zur Er- höhung der Rückgabemengen für Gerätebatterien ist das Pfand. Bei den Autobatterien hat sich die bereits einge- führte Pfandpflicht bewährt. Gerade für die Unzahl an kleinen Batterien wäre die Rückgabe gegen Pfand über den Handel eine gute Lösung, um kurzfristig zu weit hö- heren Rückführungen zu gelangen. Alle notwendigen Einrichtungen für die Pfandeinführung gibt es bereits mit den Rücknahmesystemen. Es fehlt nur der politische Wille. Auch kritisieren Bündnis 90/Die Grünen die nun durch die Regierungskoalition in das neue Batteriegesetz gestimmte Einschränkung der Unverletzlichkeit der Wohnung (§ 21, Abs. 2). Ich zitiere: „Das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 Abs. 1 des Grundgesetzes) wird insoweit eingeschränkt.“ Es er- schließt sich nicht, warum Überwachungspflichten der Behörden zur Einhaltung des Abfallrechtes das Betreten von Privatwohnungen auch ohne einen richterlichen Be- schluss sinnvoll und notwendig machen könnten. Ande- rerseits wird nichts weiter unternommen, als durch EU- Recht ohnehin bereits geltend. Ohne weitere Erläuterung einen solchen – angesichts der aktuellen Datenskandale namhafter Firmen – beunruhigenden Satz aufzunehmen, ist äußerst hilflos! Das Gemeinsame Rücknahmesystem hat nach der nun durch dieses Gesetz abgelösten Batterieverordnung von 2001 gut gearbeitet, und es kann mit anderen Rück- nahmesystemen der Hersteller gemeinsam noch viel mehr leisten! Ebenso wie die Hersteller, deren Innovationen für die mobile Stromversorgung gebraucht werden. Die Chance, hier für Batterien die Produktverantwortung zu stärken, wird leider vorerst vertan. Dem Gesetzentwurf, in den keiner unserer Änderungsvorschläge Aufnahme ge- funden hat, verweigern wir deshalb unsere Zustimmung. Ich wünsche mir allerdings sehr, dass der Zustimmung zu unserem Antrag auf Bundestagsdrucksache 16/1117 le- diglich der Koalitionszwang entgegensteht und dass un- sere inhaltlichen Vorschläge – Pfandausweitung, Schad- stoffbegrenzung – bald in anderer Form aufgenommen und umgesetzt werden. 217. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 23. April 2009 Inhalt: Redetext Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4 Anlage 5 Anlage 6 Anlage 7 Anlage 8 Anlage 9 Anlage 10
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Ulrich Kelber


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)


    Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

    Herren! Liebe Kollegin Höfken, bei aller inhaltlichen
    Gemeinsamkeit beim Thema Gentechnik: Sich eine
    „spontane“ Frage stellen zu lassen und dann die Antwort
    vom Zettel abzulesen, das ist aus meiner Sicht ein Miss-
    brauch des Parlaments. Das tut man nicht. Das schadet
    auch dem gemeinsamen Anliegen.


    (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)


    Heute Mittag gab es die Aktuelle Stunde. Es ist gut,
    dass wir über dieses Thema sprechen. Stichwort jetzt:
    volkswirtschaftliche Kosten. Wenn man diese betrachtet,
    darf man nicht nur über die eigene Volkswirtschaft spre-
    chen. Ich tue das deswegen gern, weil ich vor der Oster-
    pause die Chance hatte, einige Tage in Sambia bei einer
    Kleinbauernfamilie zu leben und zu arbeiten und danach
    zu einer Konferenz über agrarische Entwicklung, Welt-
    handel und Gentechnik zu fahren. Da hat man was er-
    lebt.

    Als die Bundesrepublik Deutschland die Entschei-
    dung getroffen hat, den Mais MON 810 nicht anbauen
    zu lassen, haben wir erlebt, dass deswegen der deutsche
    Botschafter einbestellt wurde. Können Sie sich das auch
    bei einer anderen Entscheidung von ähnlicher monetärer
    Größenordnung vorstellen? Sicherlich nicht. Das hat mit
    dem Ziel zu tun: der Monopolisierung von Lebensmit-
    teln, der Monopolisierung von Saatgut, der Monopolisie-
    rung von Landwirtschaft.

    Etwas Ähnliches ist in Sambia passiert. Dort hat die
    katholische Kirche so lange Druck auf die Regierung
    ausgeübt, bis diese ein Einfuhr- und Anbauverbot für
    gentechnisch veränderte Organismen ausgesprochen hat.
    Daraufhin hat der damalige Außenminister der Vereinig-
    ten Staaten von Amerika persönlich im Vatikan angeru-
    fen und gebeten, die katholischen Priester in Sambia zu
    stoppen. Das zeigt die strategische Bedeutung, die die-
    sem Thema beigemessen wird. Es geht darum, einen
    ganzen Bereich für ein Land, für eine bestimmte Firma
    zu monopolisieren. Das wird volkswirtschaftliche Kos-
    ten ungeahnter Größenordnung für den wichtigsten Be-
    reich, nämlich die Ernährung von Menschen, nach sich
    ziehen; das ist nicht zu akzeptieren.


    (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE])







    (A) (C)



    (B) (D)


    Ulrich Kelber
    Ich habe nun eine Bitte an das Landwirtschaftsminis-
    terium, die Ministerin oder an die Staatssekretäre. Ich
    habe hier leider nur eine kleine eigene Auswahl von
    Schreiben. Die Kenntnisnahme biete ich Ihnen, Frau
    Happach-Kasan, aber auch den Kollegen der CDU und
    der CSU an. Herr Seehofer kann sie Ihnen ebenfalls zur
    Verfügung stellen.

    Als wir das Gentechnikgesetz novelliert haben, ist öf-
    fentlich nur von Herrn Hipp gesprochen worden, der
    nämlich gesagt hat: Wenn der Anbau von solchen Pflan-
    zen in diesem Land zunimmt, muss ich dieses Land ver-
    lassen, um meinen Kunden ein bestimmtes Produkt an-
    bieten zu können. – Wer ein bisschen eingeweiht ist,
    weiß – Peter Bleser, du kannst das bestätigen, denke ich,
    weil du an Sitzungen teilgenommen hast, in denen das
    erwähnt wurde –, dass dies nicht die einzige Firma war,
    die sich bei uns gemeldet hat. Auch viele andere nam-
    hafte Lebensmittelproduzenten in Deutschland, große
    Firmen, haben sich gemeldet.


    (Peter Bleser [CDU/CSU]: Andere haben die Werbemöglichkeit auch genutzt!)


    Sie haben allerdings gesagt: Wir gehen nicht wie Herr
    Hipp in die Öffentlichkeit, weil wir den Namen unserer
    Firma nicht in einem Atemzug mit der Grünen Gentech-
    nik genannt haben wollen, weil sich die Menschen nach-
    her vielleicht falsch erinnern. – Es war das Who’s who
    der deutschen Lebensmittelwirtschaft. Sie haben gesagt:
    Uns geht es um die Rohstoffversorgung für unsere Le-
    bensmittel. Wir sind bereit, dieses Land zu verlassen,
    wenn wir hier nicht in der Lage sind, gentechnikfreie
    Rohstoffe zu beziehen.

    Ich glaube, dass Sie sich unter Zusage der Einhaltung
    der Vertraulichkeit diese Schreiben im Ministerium an-
    sehen können. Sie werden erstaunt sein, zu erfahren, was
    das für die Volkswirtschaft hier bedeutet.

    Noch einmal zur Hightech-Strategie und zur Menge
    des Geldes, das in den nächsten Jahren in den Lebens-
    mittelbereich, in die Agrarforschung investiert wird. Ich
    bin der Meinung, dass wir als Bundesrepublik Deutsch-
    land deutlich zu wenig Geld in die Agrarforschung in-
    vestieren.


    (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


    Wenn investiert wird, sollte das in einer Technologieof-
    fenheit geschehen. Es geht nicht an, dass wir dann festle-
    gen: 95 Prozent des Geldes gehen in die Lösung des Pro-
    blems durch Grüne Gentechnik und eben nicht in
    integrierten Anbau, nicht in Smart Breeding und nicht in
    konventionelle Züchtung.

    Das hat einen einfachen Grund. Es gibt typische Kul-
    turpflanzen, die wir in der Bundesrepublik Deutschland
    von den Alpen bis zum Meer anpflanzen. Wir pflanzen
    aber nicht eine Sorte an. In den Mittelgebirgen Baden-
    Württembergs, liebe Elvira Drobinski-Weiß, werden an-
    dere Sorten angebaut als in der Jülicher Börde, meiner
    Heimat, im Rheinland, mit den wesentlich besseren Bö-
    den. Wenn es aber zu gentechnisch veränderten paten-
    tierten Pflanzen kommt, wird in der Regel nur eine Sorte
    angeboten, die über viele Jahre nicht mehr verändert
    werden kann, die zum Teil schon uralt ist, wenn sie auf
    den Markt kommt. Demgegenüber können konventionell
    gezüchtete Pflanzensorten, in die ebenfalls Trockenresis-
    tenz, Salzresistenz oder Hochwasserresistenz hineinge-
    züchtet werden können, sofort an die verschiedenen Ni-
    schen und die unterschiedlichen Kulturräume unserer
    Heimat angepasst werden. Das ist der Unterschied.

    Noch einmal zum aktuellen Verbot der Maissorte der
    Firma Monsanto. Der Landwirt, der diese Maissorte
    kennt, wundert sich nicht darüber, dass sie auf den
    Äckern geringere Erträge liefert als moderner konventio-
    nell gezüchteter Mais.


    (Peter Bleser [CDU/CSU]: Warum bauen die Landwirte ihn dann an?)


    Dafür gibt es nämlich einen einfachen Grund. Die Mais-
    sorte ist eigentlich 15 Jahre alt; damals hat ihr die Firma
    Monsanto eine Eigenschaft, nämlich die Produktion ei-
    nes Pestizids, aufgestülpt. In den letzten 15 Jahren hat
    sich aber der Ertrag der Maissorten um etwa 2 bis 3 Pro-
    zent pro Jahr erhöht. Deswegen haben die konventionel-
    len, der Gemeinschaft gehörenden Maissorten, die heute
    auf dem Markt angebaut werden, ein höheres Ertragspo-
    tenzial als alle Maissorten, die aus den Gentechniklabo-
    ren stammen.

    Es geht darum, eine Dinosauriertechnologie, die die
    Monopolisierung unserer Lebensgrundlagen zum Ziel
    hat, nicht zum Zug kommen zu lassen. Das sollte weiter-
    hin Politik in Deutschland sein.


    (Beifall bei der SPD)




Rede von Katrin Dagmar Göring-Eckardt
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Damit schließe ich die Aussprache.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die Be-
schlussempfehlung des Ausschusses für Ernährung,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz zu dem Antrag
der Fraktion Die Linke mit dem Titel „Volkswirtschaftli-
che Kosten der Agro-Gentechnik ermitteln und offenle-
gen“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussemp-
fehlung auf Drucksache 16/10578, den Antrag der
Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/7903 abzulehnen.
Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Gegen-
stimmen? – Enthaltungen? – Damit ist die Beschluss-
empfehlung bei Zustimmung der Fraktionen der CDU/
CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen
Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen angenommen.

Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 8 auf:

Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbes-

(Kinderschutzgesetz)


– Drucksache 16/12429 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (f)

Innenausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Gesundheit






(A) (C)



(B) (D)


Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
Nach einer interfraktionellen Verabredung ist eine
dreiviertelstündige Debatte vorgesehen. – Ich sehe kei-
nen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Bevor ich die Aussprache eröffne, möchte ich unserer
Kollegin Maria Böhmer herzlich zum Geburtstag gratu-
lieren. Ich finde es sehr erfreulich, dass sie ihn heute
Abend hier mit uns verbringt. Das muss ausdrücklich ge-
würdigt werden.


(Beifall – Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin: Danke schön, Frau Präsidentin!)


Als Erster in dieser Debatte hat der Parlamentarische
Staatssekretär Dr. Hermann Kues für die Bundesregie-
rung das Wort.

Dr
  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hermann Kues


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)



    Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-
    legen! Mit dem Kinderschutzgesetz setzen wir Maßstäbe
    für den Kinderschutz in Deutschland. Wir sind alle stets
    aufs Neue von Fällen extremer Kindeswohlgefährdung
    erschüttert, die uns immer wieder in dramatischer Weise
    vor Augen geführt haben, dass wir unsere Anstrengun-
    gen für Kinder in Not weiter verstärken müssen. Die
    Analyse solcher Fälle zeigt uns Schutzlücken auf, die es
    zu vermeiden gilt; denn diese Lücken haben Kindern das
    Leben gekostet.

    Gefährdete Kinder drohen vor allem dann durchs
    Netz zu fallen, wenn verschiedene Systeme oder Organi-
    sationen zusammenarbeiten und ihren Schutz sicherstel-
    len müssen. Das nehmen wir auch auf Ebene der poli-
    tisch Verantwortlichen sehr ernst. Der Schutz von
    Kindern und Jugendlichen ist eine Aufgabe, die Bund
    und Länder in gemeinsamer Verantwortung wahrneh-
    men. Die Bundeskanzlerin und die Regierungschefs der
    Länder haben deshalb auf ihrer Konferenz am 12. Juni
    2008 gemeinsam ein Programm zur Verbesserung des
    Kinderschutzes in Deutschland erarbeitet. Mit dem Ent-
    wurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Kinderschut-
    zes liefern wir einen zentralen Baustein, um die Be-
    schlüsse der Kanzlerin und der Länderchefs in die Praxis
    zu überführen.

    Das Kinderschutzgesetz soll als Bundesrecht die ge-
    meinsamen Beschlüsse umsetzen, wonach erstens ge-
    setzliche Regelungen dafür Sorge tragen müssen, dass
    der Datenschutz den Kinderschutz nicht behindert,


    (Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Sehr richtig!)


    und zweitens jedes gefährdete Kind persönlich durch
    eine Fachkraft in Augenschein genommen werden muss.


    (Beifall bei der CDU/CSU)


    Einen zentralen Schwerpunkt des Gesetzentwurfes
    bildet deshalb die ausdrückliche Befugnisnorm für Be-
    rufsgeheimnisträger zur Weitergabe von Anhaltspunkten
    für eine Kindeswohlgefährdung. Insbesondere für Ärzte
    und Beratungsfachkräfte entsteht dadurch Sicherheit,
    wie sie damit umgehen, wenn sie bei einem Kind Hin-
    weise auf Misshandlung oder Vernachlässigung feststel-
    len. Sicherheit im Umgang mit relevanten Wahrnehmun-
    gen ist für einen relevanten Kinderschutz unerlässlich.


    (Johannes Singhammer [CDU/CSU]: So ist es!)


    Im Gesetzentwurf ist daher vorgesehen, Gefährdungs-
    hinweise für eine Beratung der Eltern zu nutzen und ih-
    nen Unterstützung anzubieten. Ärzte wie auch andere
    Berufsgeheimnisträger können dabei externe Fachbera-
    tung in Anspruch nehmen. Erst wenn solche Bemühun-
    gen bei den Eltern erfolglos bleiben, ohne dass die Be-
    fürchtung einer Gefährdung ausgeräumt ist, dürfen die
    erforderlichen Daten an das Jugendamt weitergegeben
    werden. Gleiches gilt im Übrigen, wenn die Einbezie-
    hung der Eltern dem Schutz des Kindes widerspricht.

    Werden Informationen auf dieser Grundlage weiter-
    gegeben, müssen Berufsgeheimnisträger künftig nicht
    mehr befürchten, wegen Bruchs der Schweigepflicht
    strafrechtlich zur Verantwortung gezogen zu werden.


    (Johannes Singhammer [CDU/CSU]: So ist es!)


    Insofern sorgt dieses Gesetz für Klarheit. Wir weisen da-
    mit den Weg, wie Kinderschutz gelingen kann, ohne die
    Vertrauensbeziehung zwischen Arzt und Patienten zu
    zerstören. Stattdessen nutzen wir diese Vertrauensbezie-
    hung für den gezielten Schutz von Kindern.


    (Beifall bei der CDU/CSU)


    Der Gesetzentwurf regelt auch die Weitergabe von
    Gefährdungshinweisen durch Angehörige solcher Be-
    rufsgruppen, die Kinder und Jugendliche ausbilden, er-
    ziehen und betreuen. Kinder und Jugendliche sind näm-
    lich darauf angewiesen, dass die Personen
    Verantwortung übernehmen, die sie jeden Tag sehen und
    erleben, die Veränderungen im Verhalten wahrnehmen
    und ihre Entwicklung aufmerksam verfolgen. Diese Per-
    sonen haben als Erste und manchmal als Einzige außer-
    halb der Familie die Möglichkeit, gewichtige Anhalts-
    punkte für Gefährdungen von Kindern wahrzunehmen.
    Für sie besteht bislang große Unsicherheit, wie sie mit
    solchen Hinweisen umgehen sollen und dürfen. Deswe-
    gen geben wir mit diesem Gesetzentwurf Antworten.
    Auch diese Personen werden dazu aufgerufen, mit den
    Eltern eines gefährdeten Kindes in Kontakt zu treten.
    Zur Klärung der Kindeswohlgefährdung können sie ex-
    terne Fachberatung in Anspruch nehmen. Wird über
    diese Zugänge der Schutz eines Kindes nicht sicherge-
    stellt, so dürfen die erforderlichen Hinweise dem Ju-
    gendamt übermittelt werden.

    Mit diesen gesetzlichen Regelungen zur Zusammen-
    arbeit im Kinderschutz werden wir künftig die Sensibili-
    tät der betroffenen Berufsgruppen für Hinweise auf eine
    Kindeswohlgefährdung schärfen und ihre Bereitschaft
    zur Zusammenarbeit mit dem Jugendamt stärken.


    (Beifall bei der CDU/CSU)


    Auch das führt zu Rechtssicherheit. Die notwendige
    Rechtssicherheit kann nur über eine bundeseinheitliche
    Rechtslage geschaffen werden. Ob und wie ein Kind am






    (A) (C)



    (B) (D)


    Parl. Staatssekretär Dr. Hermann Kues
    besten geschützt wird, kann und darf nicht davon abhän-
    gen, ob es an der Nordsee oder in den Alpen aufwächst.
    Das muss in Deutschland einheitlich geregelt werden.
    Einigkeit zwischen Bund und Ländern besteht auch über
    die Notwendigkeit, die Pflichten des Jugendamtes bei
    der Wahrnehmung des Schutzauftrages konkreter zu fas-
    sen.

    Wir setzen das um, was zwischen Bundeskanzlerin
    und Länderchefs politisch abgesprochen wurde. Tragi-
    sche Fälle offenbaren immer wieder Lücken und Defi-
    zite bei der Einschätzung der Gefährdung des Kindes-
    wohles. Dies gilt insbesondere für kleine Kinder, bei
    denen eine Gefährdung in kürzester Zeit zu einer Frage
    von Leben und Tod werden kann. Nehmen die Fach-
    kräfte des Jugendamts das Kind nicht selbst in Augen-
    schein, lassen sie sich vertrösten und vertrauen den un-
    zuverlässigen Eindrücken Dritter, kann es ganz schnell
    zur Katastrophe kommen. Das ist leider keine Theorie,
    sondern eine schreckliche Erfahrung, etwas, was wir im-
    mer wieder erleben. Deswegen muss der Hausbesuch als
    Regelfall gesetzlich festgeschrieben werden. Das
    Schutzbedürfnis gerade der Kleinsten gebietet es in den
    allermeisten Fällen, dass Fachkräfte das gefährdete Kind
    und dessen persönliches Umfeld in Augenschein neh-
    men.

    Der Gesetzentwurf berücksichtigt selbstverständlich
    auch die Ausnahmefälle, in denen ein Hausbesuch den
    wirksamen Schutz des Kindes infrage stellen würde. In-
    sofern laufen die kritischen Kommentare ins Leere. Ein
    Hausbesuch muss nicht unter allen Umständen durchge-
    führt werden; gerade wenn die Gefahr besteht, dass da-
    durch die Dinge eskalieren – das kann zum Beispiel bei
    sexuellem Missbrauch der Fall sein –, kann auf den
    Hausbesuch verzichtet werden.


    (Beifall bei der CDU/CSU)


    Es wird jedoch festgelegt, dass sich die Fachkräfte in der
    Regel einen unmittelbaren Eindruck von Kind und El-
    tern verschaffen müssen. Wir müssen hier Mut zu einem
    aktiven und offensiven Kinderschutz haben. Hierfür ist
    auch der persönliche Kontakt mit betroffenen Familien
    notwendig.

    Das Gleiche gilt im Prinzip für das Phänomen des Ju-
    gendamt-Hoppings durch Umzüge. Ziehen Eltern um,
    dürfen Informationen über die Gefährdung ihres Kindes
    nicht auf der Strecke bleiben. Das gilt unabhängig da-
    von, ob der Verlust der Informationen von den Eltern be-
    absichtigt wird oder nur unerwünschte Folge eines Um-
    zugs ist. Deshalb regeln wir verbindlich, dass beim
    Wohnortwechsel einer Familie die erforderlichen Daten
    dem neuen Jugendamt übermittelt werden müssen. Dies
    wird künftig in einem gemeinsamen Gespräch der Fach-
    kräfte unter Beteiligung der Eltern und ihres Kindes er-
    folgen. Häufig stellt sich erst im Gespräch heraus, wel-
    che Schwierigkeiten in einem Fall vorhanden sind und
    welche Konsequenzen gezogen werden müssen. Solche
    Informationen entziehen sich oft einer schriftlichen Do-
    kumentation. Wenn diese Informationen verloren gehen,
    beeinträchtigt das den Kinderschutz. Mit der ausdrückli-
    chen Regelung zur Fallübergabe werden wir unser ge-
    meinsames Anliegen einer nachhaltigen Qualifizierung
    der Fallübergabe in Kinderschutzfällen erreichen.
    Als verbesserungswürdig sehen wir schließlich auch
    den präventiven Schutz von Kindern und Jugendlichen
    in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe an. Auch
    in solchen Institutionen kommt es vor, dass sich Mitar-
    beiterinnen und Mitarbeiter in ihrem unmittelbaren Kon-
    takt zu Kindern und Jugendlichen fehlverhalten. Häufig
    wird aufgrund falsch verstandener Kollegialität von kri-
    tischen Fragen und offener Diskussion abgesehen. Wird
    dieses Thema jedoch tabuisiert, sind betroffene Kinder
    und Jugendliche zusätzlich gefährdet.

    Um diesen präventiven Schutz zu stärken, wird mit
    der Änderung des Bundeszentralregistergesetzes ein mit
    Blick auf den Kinder- und Jugendschutz erweitertes
    Führungszeugnis für kinder- und jugendnah Beschäftigte
    eingeführt. Künftig kann auch von strafrechtlichen Ver-
    urteilungen mit besonderem Bezug zur Gefährdung jun-
    ger Menschen Kenntnis genommen werden, die bislang
    nicht in Führungszeugnissen enthalten waren. Das Kin-
    der- und Jugendhilferecht verweist auf die Möglichkei-
    ten des Bundeszentralregisters, dass das erweiterte Füh-
    rungszeugnis vorgelegt werden muss, wenn es um eine
    Beschäftigung im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe
    geht. Ich finde, auch das gehört zur Prävention.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Bund und Länder sind sich einig: Wir wollen neue
    Maßstäbe für einen wirksamen Kinderschutz in Deutsch-
    land setzen. Mit dem Kinderschutzgesetz haben wir uns
    auf den Weg gemacht. Das Kinderschutzgesetz stellt ei-
    nen wichtigen Schritt zur Verbesserung des Kinderschut-
    zes dar. Wir fordern Verantwortlichkeit nicht nur ein,
    sondern wir geben auch Wege vor, wie diese Verantwor-
    tung wahrgenommen werden kann. Wir präzisieren Vor-
    schriften und den verfassungsrechtlichen Schutzauftrag.
    Ich möchte Sie deshalb ganz herzlich bitten, diese Fort-
    schritte zu unterstützen und aktiv für das Gesetz einzu-
    treten.

    Herzlichen Dank.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)