Anlage 8
        Anlage 9
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. März 2009 22921
        (A) )
        (B) )
        für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver-
        sammlung des Europarates Die Linke teilt deren Bedenken.
        Anlage 1
        Liste der entschuldigten Abgeordneten
        *
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        Abgeordnete(r)
        entschuldigt bis
        einschließlich
        Andreae, Kerstin BÜNDNIS 90/
        DIE GRÜNEN
        19.03.2009
        Brüderle, Rainer FDP 19.03.2009
        Dr. Eid, Uschi BÜNDNIS 90/
        DIE GRÜNEN
        19.03.2009
        Granold, Ute CDU/CSU 19.03.2009
        Hill, Hans-Kurt DIE LINKE 19.03.2009
        Hinz (Essen), Petra SPD 19.03.2009
        Hoppe, Thilo BÜNDNIS 90/
        DIE GRÜNEN
        19.03.2009
        Dr. Keskin, Hakki DIE LINKE 19.03.2009*
        Korte, Jan DIE LINKE 19.03.2009
        Kunert, Katrin DIE LINKE 19.03.2009
        Laurischk, Sibylle FDP 19.03.2009
        Lehn, Waltraud SPD 19.03.2009
        Lintner, Eduard CDU/CSU 19.03.2009*
        Lips, Patricia CDU/CSU 19.03.2009
        Merz, Friedrich CDU/CSU 19.03.2009
        Reichenbach, Gerold SPD 19.03.2009
        Dr. Schäuble, Wolfgang CDU/CSU 19.03.2009
        Schily, Otto SPD 19.03.2009
        Dr. Schmidt, Frank SPD 19.03.2009
        Scholz, Olaf SPD 19.03.2009
        Segner, Kurt CDU/CSU 19.03.2009
        Tauss, Jörg SPD 19.03.2009
        Wolff (Wolmirstedt),
        Waltraud
        SPD 19.03.2009
        Zimmermann, Sabine DIE LINKE 19.03.2009
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        Anlagen zum Stenografischen Bericht
        nlage 2
        Zu Protokoll gegebene Rede
        zur Beratung
        – des Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung
        des Datenschutzaudits und zur Änderung
        datenschutzrechtlicher Vorschriften
        – der Beschlussempfehlung und des Berichts
        zu der Unterrichtung: Tätigkeitsbericht
        2005 und 2006 des Bundesbeauftragten für
        den Datenschutz und die Informationsfrei-
        heit – 21. Tätigkeitsbericht –
        (Tagesordnungspunkt 13 a und b)
        Petra Pau (DIE LINKE): Darüber ist zu sprechen:
        Erstens. Wir diskutieren heute über einen Bericht des
        undesbeauftragten für Datenschutz. Der Bericht ist
        und zweieinhalb Jahre alt, also asbach-uralt. Inzwischen
        urde ein Datenskandal nach dem anderen publik. Wir
        önnten also genauso über die Bundesligasaison 2005/
        006 debattieren. Das wäre möglicherweise sogar span-
        ender, aber ebenso brotlos.
        Zweitens. Brotlos ist es auch deshalb, weil bisher
        eine Debatte des Bundestages über einen Bericht des
        undesbeauftragten für Datenschutz wirklich zu Konse-
        uenzen geführt hat. Bestenfalls haben die Fraktionen
        emeinsam Mängel beklagt. Aber immer nur nach dem
        otto: „Gut, dass wir mal darüber geredet haben!“ Mehr
        ar nie.
        Drittens. Der Bericht des Datenschutzbeauftragten
        nthält viele Warnzeichen. Ich nenne nur Stichworte:
        orratsdatenspeicherung, Antiterrordatei, biometrische
        aten in Ausweisen und Pässen. Ich könnte die Liste der
        atenrisiken fortsetzen, aber übergreifend ist: Alle War-
        ungen wurden verlässlich in den Wind geschlagen.
        Viertens. Deshalb wiederhole ich für Die Linke nur
        weierlei: Das Amt des Datenschutzbeauftragten muss
        ufgewertet werden – politisch, personell und finanziell.
        nd wir brauchen endlich ein Datenschutzrecht des
        1. Jahrhunderts. Beides wird durch die Union und
        urch die SPD bislang blockiert. Darüber wäre endlich
        u sprechen.
        Fünftens. Mit zur Debatte steht der Entwurf für ein
        atenschutzauditgesetz. Dazu wird es demnächst auch
        ine Anhörung von Experten geben. Heute mache ich le-
        iglich darauf aufmerksam, dass vielen der Gesetzent-
        urf nicht weit genug geht. Zu den Kritikern gehören
        atenschützer und Verbraucherschützer. Die Fraktion
        22922 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. März 2009
        (A) )
        (B) )
        Anlage 3
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung des Antrags: Faire Wettbewerbs-
        bedingungen für Öffentlich Private Partner-
        schaften schaffen (Tagesordnungspunkt 15)
        Dr. Ole Schröder (CDU/CSU): Öffentlich-private
        Partnerschaften, kurz ÖPP, verfolgen das Ziel, durch
        eine langfristige Zusammenarbeit zwischen öffentlicher
        Hand und privater Wirtschaft Infrastruktur effizienter
        bereitstellen zu können. Sie sind die Alternative zur kon-
        ventionellen Bereitstellung durch die öffentliche Hand
        auf der einen und materieller Privatisierung auf der an-
        deren Seite.
        Andere Länder, allen voran Großbritannien, haben
        mit dieser Form der Beschaffung sehr gute Erfahrungen
        gemacht. In Deutschland stehen wir gerade auf Bundes-
        ebene mit diesem Ansatz noch am Anfang. Das Poten-
        zial ist längst noch nicht ausgeschöpft. Das Besondere
        an öffentlich-privaten Partnerschaften ist der sogenannte
        Lebenszyklusansatz. Das bedeutet, dass planen, bauen,
        betreiben und finanzieren eines Projektes in einer Hand
        liegen. Die Vorteile eines solchen Ansatzes sind offen-
        sichtlich: Ist jemand nicht nur, wie im Fall der konven-
        tionellen Beschaffung, für die Planung oder das Bauen
        eines Gebäudes verantwortlich, sondern auch für das Be-
        treiben, dann berücksichtigt derjenige auch die Heraus-
        forderungen, die das Betreiben mit sich bringt. Das zeigt
        sich zum Beispiel bei der Wahl der Fenster, die er reini-
        gen lassen muss oder bei der Auswahl von langlebigen
        Baumaterialien. Der Lebenszyklusansatz von ÖPP ver-
        langt eine ausgewogene Risikoverteilung über die Ver-
        tragslaufzeit. Wenn der Private über die gesamte Projekt-
        laufzeit Risiken trägt, hat er ein eigenes Interesse an
        optimierten Kosten, Terminen und Qualitäten. Das führt
        zu Synergieeffekten und vor allem zu Kostenersparnis-
        sen, von denen der Bund, die Länder und die Gemeinden
        profitieren. Denn angesichts geringer finanzieller Spiel-
        räume sind neue Wege und Lösungen gefragt, um den
        Spagat zwischen einer guten Infrastruktur und soliden
        Finanzen zu schaffen.
        Aber ein ÖPP-Projekt bringt nicht nur Vorteile für die
        öffentliche Hand, sondern vor allem auch für den Nut-
        zer: Die Menschen können sich durch die vertraglichen
        Regelungen auf eine zügige Umsetzung verlassen, und
        gleichzeitig wird durch ÖPP langfristig eine Instandhal-
        tung und Unterhaltung auf hohem Niveau sichergestellt.
        Um die Vorteile, die ÖPP-Projekte bieten, wirkungs-
        voll nutzen zu können, sind die Rahmenbedingungen für
        ÖPP in den letzten Jahren verbessert worden: Im Som-
        mer 2008 ist mit der Gründung der Partnerschaften
        Deutschland ein weiterer Schritt zur Förderung von ÖPP
        gemacht wurden. Die Kompetenzen und das Know-how
        sollen dort gebündelt werden. Die Erfahrungen aus bis-
        herigen Projekten können so effektiv genutzt werden.
        Trotzdem gilt es, die Rahmenbedingungen weiter zu
        verbessern, denn aufgrund der Effizienzvorteile von
        ÖPP können auch die Haushaltsgrundsätze Sparsamkeit
        und Wirtschaftlichkeit besser erfüllt werden. Deshalb ist
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        s konsequent anzuregen, dass ÖPP auch in der Bundes-
        aushaltsordnung ausreichend berücksichtigt werden:
        ann immer geprüft wird, welches die wirtschaftlichste
        ariante ist, muss auch die Möglichkeit einer öffentlich-
        rivaten Partnerschaft mit einbezogen werden. Stellt sich
        eraus, dass Private eine staatliche Aufgabe besser er-
        ringen, müssen auch Private damit beauftragt werden.
        Im Umkehrschluss bedeutet dies nicht, dass sich die
        ffentliche Hand grundsätzlich für ÖPP entscheiden
        uss. Es ist wichtig, dass ein sorgfältiger Vergleich auf
        asis von Marktpreisen für alle Realisierungsvarianten
        orgenommen wird. ÖPP muss aber eine dieser mögli-
        hen Varianten sein. Insofern ist die Festschreibung in
        er Bundeshaushaltsordnung, die der Antrag „Faire
        ettbwerbsbedingungen für ÖPP schaffen“ vorsieht,
        ichtig.
        In diesem Zusammenhang weise ich darauf hin, dass
        s sinnvoll ist, noch weitere Änderungen der Bundes-
        aushaltsordnung vorzunehmen, um die Bedingungen
        ür ÖPP zu erleichtern. Derzeit zwingt die Bundeshaus-
        altsordnung dazu, die Finanzierungskosten von ÖPP in
        em entsprechenden Fachetat zu etatisieren. Das führt zu
        iner deutlichen Benachteiligung gegenüber der konven-
        ionellen Beschaffung. Bei der konventionellen Variante
        erden die gesamten Finanzierungskosten im Einzelplan
        0 etatisiert. Diese Ungleichbehandlung muss beseitigt
        erden. Sie führt in den einzelnen Ressorts dazu, dass
        ich gegen ÖPP entschieden wird, da die Finanzierungs-
        osten bei anderen Ausgaben eingespart werden müssen.
        enn ÖPP eine mögliche Realisierungsvariante ist, dann
        üssen wir auch dafür sorgen, dass die Wettbewerbsbe-
        ingungen für alle Varianten gleich sind. An diesem
        unkt besteht Nachholbedarf.
        Aber nicht nur die Haushaltsordnung ist der Grund
        ür die unterschiedlichen Wettbewerbsbedingungen.
        ine weitere Benachteiligung fällt besonders ins Ge-
        icht: Öffentlich-private Partnerschaften sind aufgrund
        es Lebenszyklusansatzes mitunter effizienter als die
        onventionelle Beschaffung. Trotzdem ist ÖPP für den
        aushalt des Auftraggebers nicht immer die kostengüns-
        igere Variante, weil die Finanzströme dem entgegenste-
        en: Vergibt zum Beispiel eine Kommune personalinten-
        ive Aufträge im Rahmen von ÖPP, muss Umsatzsteuer
        ezahlt werden. Diese wird aber nicht vollständig an die
        ommune zurückgeführt. Wenn die Kommune hingegen
        igenes Personal beschäftigt, fällt keine Umsatzsteuer
        n. Deshalb lohnen sich besonders personalintensive
        PP-Projekte für die Kommune häufig nicht, obwohl sie
        esamtstaatlich und auch für den Nutzer sinnvoll wären.
        iese Umsatzsteuerproblematik ist ein eindeutiger Wett-
        ewerbsnachteil für ÖPP. Wie groß diese Nachteile sind,
        st derzeit nicht genau zu bestimmen. Aus diesem Grund
        ird die Bundesregierung aufgefordert, in einem Mo-
        ellversuch zu klären, in welchem Ausmaß es zu Be-
        achteiligungen kommt, und zu prüfen, wie die Umsatz-
        teuerproblematik bei ÖPP-Projekten gelöst werden
        ann.
        Der Antrag für faire ÖPP-Wettbewerbsbedingungen
        at schließlich noch einen anderen Bereich im Auge, in
        em die Wettbewerbsbedingungen für ÖPP verbessert
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. März 2009 22923
        (A) )
        (B) )
        werden sollen. Bei der Finanzierung von Fernstraßen,
        die von Privaten im Rahmen von ÖPP ausgebaut wer-
        den, brauchen wir mehr Refinanzierungsflexibiliät. Über-
        nimmt ein Privater den Ausbau und Betrieb eines Auto-
        bahnabschnittes, bekommt er zur Refinanzierung für
        diesen Abschnitt vom Staat die entsprechende Maut. Bei
        besonders teuren Abschnitten rechnet sich das A-Modell
        nicht. Um die Wirtschaftlichkeit zu erhöhen, ist es des-
        halb sinnvoll, die mit einem Projekt in einem unmittel-
        baren Zusammenhang stehenden Teilstücke eines Bau-
        werkes oder einer Strecke in die Mautanteile mit
        einzubeziehen und damit für die privaten Unternehmen
        attraktiver zu gestalten.
        Besonders im Fernstraßenbau zeigen sich die Vorteile
        von ÖPP. Der private Projektträger hat aufgrund der Ab-
        hängigkeit von den Mauteinnahmen ein großes Interesse
        an einer schnellen Fertigstellung des gesamten Projek-
        tes. Dies ist wiederum im besonderen Interesse des Nut-
        zers, der ebenfalls durch den schnellen Ausbau profitiert
        und keine jahrelangen Baustellen und Staus in Kauf neh-
        men muss.
        Es ist eindeutig, dass öffentlich-private Partnerschaf-
        ten eine Vielzahl von Vorteilen für die öffentliche Hand,
        die Privatwirtschaft und für die Nutzer bieten. Deshalb
        müssen die Rahmenbedingungen für ÖPP weiter verbes-
        sert werden, damit diese Vorteile auch wirklich genutzt
        werden können.
        Christian Freiherr von Stetten (CDU/CSU): Im
        Sommer 2005 hat der Deutsche Bundestag ein ÖPP-Be-
        schleunigungsgesetz beschlossen. Dieses Gesetz hat
        wichtige Verbesserungen für die Betroffenen und Ent-
        bürokratisierungen gebracht. Die Beschlussfassung fiel
        noch unter die rot-grüne Regierungszeit, und ich erkenne
        diese Leistung ausdrücklich an. Wir haben als damalige
        Oppositionspartei den Gesetzgebungsprozess positiv be-
        gleitet und eigene Anregungen eingebracht. Aber ein
        wichtiger Punkt wurde damals vergessen oder besser
        ausgedrückt: Wir hatten damals noch nicht den richtigen
        Ansatz für die Lösung dieses speziellen Problems gefun-
        den. Es ist das Problem der umsatzsteuerlichen
        Ungleichbehandlung zwischen staatlich erbrachten
        Dienstleistungen und den Dienstleistungen, die private
        Unternehmen im Rahmen einer öffentlich-privaten Part-
        nerschaft erbringen. Ein Wirtschaftlichkeitsvergleich
        – und das wollen wir mit diesem Antrag erreichen – ist
        für den Bauherren oder Auftraggeber aber nur dann
        realisierbar, wenn diese steuerliche Ungleichbehandlung
        aufgehoben ist.
        Öffentliche-private Partnerschaften sind kein Allheil-
        mittel. Damit sind nicht alle wirtschaftlichen und fiskali-
        schen Probleme lösbar. Aber ich freue mich, dass sich in
        fast allen Fraktionen die Kenntnis durchgesetzt hat, dass
        der Staat nicht alles selber machen muss. Im Gegenteil.
        Das Bauen von Gebäuden und deren Bewirtschaftung
        können private Unternehmen in der Regel kostengünsti-
        ger. Deswegen muss unser Denken und Handeln freier
        werden. Wir brauchen Vorrang für privatwirtschaftliches
        Handeln. Da, wo bürokratische, vergaberechtliche oder
        steuerrechtliche Vorschriften eine Kooperation zwischen
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        er öffentlichen Hand und einem privaten Investor, oder
        was mir noch viel wichtiger ist – zwischen der öffentli-
        hen Hand und einem privaten Betreiber behindern,
        üssen wir als Gesetzgeber tätig werden und die Rah-
        enbedingungen schnellstens verändern.
        Angesichts der zu erwartenden erheblichen zusätzli-
        hen Belastungen des Staates durch die Bewältigung der
        eltwirtschaftskrise sind neue innovative, effizienzstei-
        ernde und damit kostensparende Beschaffungsmetho-
        en erforderlich, mit denen Pflichtaufgaben des Staates
        inanziert und abgewickelt werden können.
        Ich bitte den Bundestag heute um Zustimmung zu
        iesem Antrag und bitte Herrn Bundesfinanzminister
        eer Steinbrück, dass er anschließend einen entsprechen-
        en Gesetzentwurf zügig vorlegt. Zusätzlich wollen wir
        it der Änderung des Fernstraßenprivatfinanzierungsge-
        etzes die Bedingungen für die Erstellung von Verkehrs-
        onderbauten erleichtern. Auch dieses Gesetzesvorhaben
        oll noch in dieser Legislaturperiode umgesetzt werden.
        ie Große Koalition wird bei diesem wichtigen Thema
        hre Handlungsfähigkeit beweisen und im Interesse der
        teuerzahler und der betroffenen Unternehmen schnell
        andeln.
        Dr. Michael Bürsch (SPD): Die derzeitigen Kon-
        unkturprogramme mit ihren Investitionen in öffentliche
        nfrastruktur werden nichts an der Erkenntnis ändern:
        er Staat ist aktuell und auch künftig alleine nicht mehr
        n der Lage, den erheblichen Bedarf an öffentlicher In-
        rastruktur zu decken. Darum muss über die traditionelle
        rbeitsteilung zwischen Staat und Privatwirtschaft neu
        achgedacht und die Frage nach neuen Modellen gestellt
        erden. Öffentliche-private Partnerschaften – kurz ÖPP –
        eben hierauf eine Antwort.
        ÖPP sind ein neuer und – bei sorgfältiger Planung
        nd Durchführung – auch erfolgreicher Weg, öffentliche
        nfrastruktur und Dienstleistungen effizienter bereitzu-
        tellen. Internationale und inzwischen auch deutsche Er-
        ahrungen bestätigen, dass durch ÖPP Effizienzgewinne
        n Höhe von 10 bis 20 Prozent erzielt werden können,
        hne die Qualitätsstandards zu reduzieren. Die Effi-
        ienzsteigerungen entstehen vor allem durch Einsparun-
        en bei den Kosten für den gesamten Lebenszyklus
        Planung, Bau, Unterhalt, Verwertung –, durch Aus-
        chluss von Kostenüberschreitungen und kürzere Bau-
        eiten, durch kostengünstigeren Betrieb der ÖPP-Pro-
        ekte während der Vertragslaufzeit sowie eine optimale
        isikoverteilung.
        Ziel und Voraussetzung für den Erfolg von ÖPP ist,
        ass alle Beteiligten profitieren: die Politik, die Verwal-
        ung, die Bürger, der private Investor, der private Betrei-
        er. Wesentliche Instrumente für die erfolgreiche Gestal-
        ung einer ÖPP sind ein Wirtschaftlichkeitsvergleich
        öglicher Handlungsoptionen und eine interessenge-
        echte und faire Vertragsgestaltung.
        Um es klar zu sagen: ÖPP sind keine neue Form der
        rivatisierung öffentlicher Aufgaben und sie haben über-
        aupt nichts mit aberwitzigen, unverantwortlichen Steu-
        rsparmodellen mancher Kommunen wie Cross Border
        22924 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. März 2009
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        Leasing zu tun, die jetzt zunehmend gegen die Wand
        fahren. Sie sind vielmehr ein dritter Weg zwischen der
        Bereitstellung öffentlicher Infrastruktur und Dienstleis-
        tungen durch die öffentliche Hand selbst auf der einen
        Seite und der reinen Privatisierung auf der anderen Seite.
        Der Staat zieht sich bei ÖPP nicht aus der Verantwortung
        zurück, für ein hohes Niveau öffentlicher Leistungen zu
        sorgen. Der Staat entscheidet über die Art und den Um-
        fang der Leistungen, er entscheidet über ihre Qualität. Er
        setzt den Kostenrahmen fest. Auch während der gesam-
        ten Projektlaufzeit behält er die Kontrolle über das mit
        der ÖPP-Projektgesellschaft vereinbarte Leistungs-
        niveau. Der Staat verfügt über eine abgestufte Palette
        von Interventionsoptionen einschließlich Strafzahlungen
        oder Ausstieg aus dem Vertrag für den Fall, dass Ver-
        träge nicht eingehalten werden.
        Ziel von richtig verstandener ÖPP ist eine Projekt-
        realisierung vom Anfang bis zum Ende. Der gesamte Le-
        benszyklus einer öffentlichen Leistungserstellung von
        der Planung, dem Entwerfen, dem Bauen, Betreiben, In-
        standhalten, Verwerten und Finanzieren wird Gegen-
        stand der ÖPP. Durch den Wirtschaftlichkeitsvergleich
        auf der Basis der konventionellen Realisierung ist die öf-
        fentliche Verwaltung gezwungen, sich über die wahren
        Kosten einer über den Lebenszyklus betrachteten Leis-
        tungserstellung klar zu werden. Deshalb ist ÖPP auch
        mehr als ein bloßes Finanzierungsinstrument. ÖPP ist ei-
        ner der wesentlichen Treiber für die Modernisierung des
        Staates.
        Mit dem vorliegenden Antrag soll insbesondere ein
        Problem aus dem Bereich des Umsatzsteuerrechts gelöst
        werden. Erbringt die öffentliche Hand hoheitliche Leis-
        tungen mit eigenem Personal, so unterliegen diese Leis-
        tungen nicht der Umsatzbesteuerung. Werden derartige
        Leistungen aber im Rahmen von ÖPP erbracht, so wer-
        den sie beim privaten Projektpartner mit dem vollen
        Umsatzsteuersatz von 19 Prozent belastet. Damit kommt
        es zu einer Diskriminierung von ÖPP gegenüber der
        konventionellen Leistungserstellung durch die öffentli-
        che Verwaltung. Je höher der Personalkostenanteil an
        der Leistungserstellung ist, desto stärker schlägt diese
        Diskriminierung zu Buche.
        Das nicht gelöste Umsatzsteuerproblem für ÖPP ist
        verteilungspolitisch ungerecht, es werden dadurch fal-
        sche Anreize gesetzt, eine Leistungssteigerung der öf-
        fentlich Hand behindert, die Expansion von ÖPP auf
        personalintensive Bereiche verhindert: Die Gemeinde,
        die mit ÖPP effizienter arbeitet, Steuern spart und mehr
        für ihre Bürgerinnen und Bürger herausholt, wird da-
        durch „bestraft“, dass sie mit der gewählten ÖPP-Lö-
        sung gleichzeitig Umsatzsteuermehrbelastungen zu tra-
        gen hat, die anderen Gemeinden für eben dieselben
        Leistungen nicht zu tragen haben. Da die Beschaffungs-
        varianten „konventionelle Realisierung“ und „ÖPP“ im
        Wettbewerb stehen, wird die ÖPP-Variante aufgrund der
        Umsatzsteuermehrbelastung diskriminiert und es werden
        Entscheidungen getroffen, die für alle Beteiligten nach-
        teilig sind. Die Gemeinde, die den ÖPP-Weg wählt, trägt
        zu einer zusätzlichen Finanzierung des Bundeshaushalts,
        der Länderhaushalte und der Kommunalhaushalte bei.
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        ie selber kann jedoch mit keinem nennenswerten Rück-
        luss rechnen. Personalkostenintensive ÖPP werden
        aum eine Chance haben, sich gegen konventionelle
        eistungserstellungen der öffentlichen Hand durchzuset-
        en, wenn sie aufgrund der Umsatzsteuermehrbelastun-
        en bereits von Anfang an mit Kostennachteilen in der
        rößenordnung von fünf und mehr Prozent rechnen
        üssen. Faktisch wirkt die Umsatzsteuerpflicht für
        PP-Projekte damit als Expansionshindernis, das nicht
        m Interesse des Bürgers, des Steuerzahlers und auch des
        taates sein kann.
        Hier setzt das Modellprojekt an, das der Bund in den
        ächsten fünf Jahren mit einigen Ländern durchführen
        ird. Ziel ist die Erstattung von nachgewiesenen Um-
        atzsteuermehraufkommen an private ÖPP-Projektträ-
        er. Am Ende wird sich zeigen, ob auf diesem Wege
        leiche Augenhöhe zwischen öffentlicher und privater
        eistungserbringung erreicht werden kann.
        Zusammen mit den beiden gesetzgeberischen Ele-
        enten des Antrags im Bereich des Haushaltsrechts und
        es Fernstraßenbaus verspreche ich mir von den geplan-
        en Maßnahmen eine weitere Verbesserung der Rahmen-
        edingungen für ÖPP. Ausgelöst durch die Wirtschafts-
        nd Finanzkrise, hat im Moment die öffentliche Finan-
        ierung von Infrastruktur deutlich Vorrang. Aber ich bin
        icher: Der Ruf nach öffentlich-privaten Partnerschaften
        ird bald schon wieder lauter erschallen. Denn der
        odernisierungsbedarf in öffentlicher Infrastruktur in
        eutschland beträgt über 700 Milliarden Euro.
        Ulrike Flach (FDP): Als Liberale muss ich hier nicht
        eweisen, dass wir ÖPP- und PPP-Modelle für wichtige
        nstrumente zur kostengünstigen und effizienten Erbrin-
        ung von Leistungen halten. Wir haben uns schon für
        PP ausgesprochen, als auf der Seite der Sozialdemokra-
        en noch der Untergang des Abendlandes befürchtet
        urde, wenn der Staat nicht selbst ein Gebäude errichtet,
        ondern es einen privaten Investor errichten lässt und
        ann mietet.
        Ihr Antrag, der vor zwei Tagen noch gar nicht vorlag,
        rweckt den Eindruck, hier wird der Koalitionsvertrag
        och einmal ausgekehrt und geschaut: Was hat man ver-
        inbart? Was geht überhaupt noch in dieser Koalition der
        rmatteten? Und da hat offenbar jemand im Koalitions-
        ertrag (Seite 15) gelesen, dass die Koalition die Beseiti-
        ung der Diskriminierung von PPP im Fernstraßenbau-
        rivatisierungsgesetz vordringlich anpacken will. Na ja,
        o vordringlich kann sie nicht gewesen sein, dass Sie da-
        it so lange gewartet haben. Also wird das noch durch-
        ewunken, das ist Kehraus-Politik kurz vor dem Son-
        enuntergang.
        Wir halten die Vorschläge, die Sie zur Änderung der
        undeshaushaltsordnung machen, für akzeptabel, aber
        ir sind sehr kritisch, was Ihr Modellprojekt angeht. Es
        acht stutzig, dass dafür nur ein Betrag von 10 Millio-
        en Euro jährlich eingestellt werden soll. Ich werde den
        erdacht nicht los, dass Sie bereits ein konkretes Projekt
        aben, das schnell noch abgesegnet werden soll. Der
        ert ist so gering, das macht mich einfach misstrauisch.
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        Und auch die Konstruktion des Modellvorhabens ist
        nicht die ÖPP-Konstruktion, die wir uns vorstellen. Sie
        schaffen nämlich einen Subventionstatbestand, indem
        die Gebietskörperschaften, die am Modellprojekt teil-
        nehmen, ihren PPP-Projektträgern die Umsatzsteuer-
        Mehrbelastung als Projektförderung zurückerstatten.
        Auch das wirkt, als ob es da sehr konkrete Bewerber
        gibt. Auch die Festlegung, dass mindestens drei Länder
        teilnehmen müssen, macht stutzig.
        Wir wollen PPP als echte Wettbewerbspartnerschaft.
        Es wäre doch ein Leichtes, eine bestimmte Leistung aus-
        zuschreiben. Offenbar findet sich aber für die gesuchte
        Leistung nur dann ein privater Partner, wenn er die Um-
        satzsteuer zurückerhält oder wenn es sonst eine Subven-
        tion gibt. Dies einen Modellversuch zu nennen, erscheint
        mir äußerst verdächtig. Wenn Sie wirklich PPP steuer-
        lich besserstellen wollen, dann ändern Sie das Umsatz-
        steuergesetz und stellen die privaten PPP-Partner von
        der Umsatzsteuer frei. Das wird aber Herr Steinbrück
        nicht mitmachen, denn bei einer Investitionssumme von
        875 Millionen Euro im Jahr 2007 würde das einen erheb-
        lichen Umsatzsteuerverlust bedeuten. Was Sie jetzt ma-
        chen, verzerrt aber den Wettbewerb, indem der Staat
        dem Privaten die Steuern rückerstattet. Das verdirbt eher
        die Sitten, als dass es PPP fördert. Wir lehnen deshalb
        den Antrag ab.
        Ulla Lötzer (DIE LINKE): Was Sie hier vorlegen mit
        Ihrem Antrag zu öffentlich-privaten Partnerschaften, ist
        schon ein starkes Stück. Weil eine Gebietskörperschaft
        keine Umsatzsteuer zahlen muss, soll jetzt in einem Mo-
        dellversuch den Privaten die Umsatzsteuer zurückerstat-
        tet werden. Geht’s noch? Wie kann man ideologisch so
        verbohrt sein, dass man auf Teufel komm raus öffentli-
        che Gelder in die Taschen Privater umschaufeln will!
        Bevor Sie hier weiter das Hohelied auf die Privatisie-
        rung singen, sollten Sie sich endlich mit den realen
        Folgen vor Ort auseinandersetzen. Öffentlich-private
        Partnerschaften sind kein wirksames Instrument, den
        „Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit
        besser gerecht zu werden“, wie Sie in Ihrem Antrag
        schreiben. ÖPP verteilen die Gewinne an die Privaten
        und die Risiken auf die öffentliche Hand. Außer den In-
        vestoren verdienen sich die Beraterfirmen eine goldene
        Nase. Und ganz nebenbei wird die kommunale Demo-
        kratie ausgehebelt und werden die Verträge als „streng
        geheim“ eingestuft.
        Die ÖPP-Projekte in Deutschland sind noch nicht so
        alt, aber schon jetzt zeigt sich, dass die Versprechungen
        vielfach gelogen sind. Nehmen wir das Bildungszentrum
        Ostend in Frankfurt. Hier wurden Zusatzkosten ver-
        schwiegen und es wurde billigst gebaut. Da die Stadt die
        Strom-, Heiz- und Wasserkosten selbst zahlen muss,
        wurde vom Investor kein Geld für Sparvorrichtungen
        ausgegeben. Effiziente Verglasung, Bewegungsmelder,
        Wasserstoppuhren – Fehlanzeige. Das ist kein Einzelfall:
        Die Kölner Messehallen, die Schulsanierungen im Land-
        kreis Offenbach, das Mautsystem von Toll Collect – im-
        mer bleibt die öffentliche Hand auf den Zusatzkosten
        und auf allen Risiken sitzen.
        Sagt Ihnen das Instrument „Forfaitierung mit Ein-
        redeverzicht“ etwas? Ich will Ihnen dieses gerne be-
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        utzte Instrument mal erläutern: Im Rahmen eines ÖPP-
        rojektes übernimmt der Investor den Bau oder die Sa-
        ierung eines Gebäudes. Die Kommune verpflichtet sich
        m Gegenzug dazu, 25 Jahre Miete an den Investor zu
        ahlen. Kaum ist die Unterschrift der Kommune unter
        em ÖPP-Vertrag, geht der Investor mit ihm zur Bank.
        er Bank verkauft er die Forderung für die 25 Jahre
        iete und lässt sie sich pauschal auszahlen. Das ist die
        orfaitierung. Das heißt, obwohl die Kommune formal
        icht selbst einen Kredit aufgenommen hat, steht sie
        etzt bei der Bank in der Kreide und zwar zu den Zinssät-
        en, die der Private zahlen muss, nicht etwa zu den güns-
        igeren Bedingungen für Kommunalkredite. Die Kom-
        une verpflichtet sich, im Gegenzug pünktlich immer
        ie volle Miete zu bezahlen, unabhängig davon, ob der
        nvestor mangelhaft arbeitet oder gar pleitegeht. Das ist
        er Einredeverzicht. Wenn Sie das als Erfolg bezeichnen –
        ch bezeichne das als Verlagerung von Problemen in die
        olgenden Legislaturperioden und als eine Potenzierung
        er Risiken und Kosten.
        Eine Besonderheit der öffentlich-privaten Partner-
        chaften ist das Cross Border Leasing. Mit diesem Ge-
        chäftsmodell sind die Kommunen heute schon baden
        egangen. Das Vorgehen war das gleiche: umfangreiche
        eheimverträge, Verlagerung aller Risiken auf die deut-
        chen Gebietskörperschaften. Warnungen, die es bei Ab-
        chluss der Verträge gab, wurden einfach in den Wind
        eblasen. Nun drohen infolge der Finanzkrise den Steu-
        rzahlern zusätzliche Kosten in zigfacher Millionen-
        öhe.
        Aus Erfahrungen sollte man klug werden. Deshalb
        ehnen wir Ihren Antrag ab und fordern Sie auf, die För-
        erung von ÖPP-Projekten zu stoppen.
        Alexander Bonde (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
        ffentlich-private Partnerschaften sind als Alternative
        u herkömmlichen Beschaffungsformen der öffentlichen
        uftraggeber in den vergangenen fünf Jahren erheblich
        ichtiger geworden. Nach einer Veröffentlichung der
        PP-Task-Force beim Bundesministerium für Verkehr,
        au und Stadtentwicklung wurden bis Mai 2008 bundes-
        eit 97 ÖPP-Projekte mit einem Investitionsvolumen
        on 3,5 Milliarden Euro an Investoren vergeben.
        Grundsätzlich halten wir ÖPPs für ein interessantes
        odell zur effizienteren Umsetzung von Beschaffungs-
        aßnahmen. Wir brauchen aber einen richtigen Ord-
        ungsrahmen, um bei jedem Projekt genau zu prüfen,
        ie es sich am wirtschaftlichsten umsetzen lässt. Dabei
        ind wir für eine konkrete Betrachtung am jeweiligen
        all: Ist ÖPP, ist rein privatwirtschaftliches oder ist rein
        taatliches Handeln angebracht und wirtschaftlich?
        Wir müssen sichere Investitionen ermöglichen und
        ür Vertrauen sorgen. Oft kann ein Beschaffungsauftrag
        ach Ausschreibung am effizientesten von einem Privat-
        nternehmen durchgeführt werden. Aber auch durch ge-
        uin staatliche Infrastruktur können Aufgaben häufig
        parsam durchgeführt werden. Die Ergänzung der Bun-
        eshaushaltsordnung, die Sie vorschlagen, unterstützen
        ir in diesem Sinne. Es ist wichtig, einen einheitlichen
        aßstab für Wirtschaftlichkeitsvergleiche zu schaffen.
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        Auch die Umsatzsteuerfrage ist in diesem Zusam-
        menhang von hoher Wichtigkeit. Die umsatzsteuerliche
        Benachteiligung gegenüber staatlicher Eigenleistung ist
        ein großes Problem bei ÖPP-Projekten. Ein Modellvor-
        haben, wie Sie es in Ihrem Antrag fordern, ist daher mei-
        nes Erachtens sinnvoll, um einen Umgang mit diesem
        Problem zu finden.
        Ein aktueller Bericht des Rechnungshofes in Baden-
        Württemberg, der diese Woche vorgelegt wurde, zeigt
        aber auch deutlich, dass die Effizienzrenditen von über
        10 Prozent für ÖPP-Projekte, wie sie bisher wiederholt
        angenommen wurden, in bestimmten Bereichen in Ba-
        den-Württemberg kaum zu realisieren waren. Es liegt
        nahe, anzunehmen, dass die Lage in Baden-Württem-
        berg den einen oder anderen Rückschluss auf die Ge-
        samtproblematik erlaubt.
        ÖPP-Projekte können nicht von vornherein als die
        wirtschaftlichere Variante angesehen werden. Deshalb
        benötigt man eine belastbare Vergleichsbasis für die Ent-
        scheidung zwischen einem ÖPP-Modell und einer staat-
        lich durchgeführten Variante. Insbesondere bei den ÖPP-
        Projekten der zweiten Generation, die neben Planung,
        Finanzierung und Bauen auch den Betrieb umfassen, ist
        es aufgrund der Kosten für die Risikovorsorge und der
        langen Vertragslaufzeiten schwierig, Vergleiche mit ei-
        ner Eigenrealisierung hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit
        anzustellen. Daher muss ein sorgfältiger Vergleich auf
        Basis von Marktpreisen für alle Realisierungsvarianten
        vorgenommen werden. Der Rechnungshof kam zum Er-
        gebnis, dass in Baden-Württemberg auch ÖPP-Projekte
        umgesetzt wurden, obwohl diese letztendlich teurer wa-
        ren als eine Eigenleistung des Staates. Außerdem warnt
        er vor einer steigenden Vorbelastung künftiger Haushalte
        durch ÖPP-Projekte bei Vertragslaufzeiten von üblicher-
        weise 20 bis 30 Jahren, der sogenannten grauen Ver-
        schuldung. Das muss uns bei der Diskussion um ÖPPs
        bewusst sein.
        Trotz unserer Zustimmung zu den Änderungen der
        Bundeshaushaltsordnung und des Modellvorhabens leh-
        nen wir den Antrag insgesamt ab: Durch die Novellie-
        rung des Fernstraßenbauprivatfinanzierungsgesetzes
        doktern Sie an einem Problem herum, statt zuzugeben,
        dass das F-Modell bisher gescheitert ist. Die Novellie-
        rung wäre unnötig, wenn der Verkehrsfluss bei den Pro-
        jekten realitätsnäher berechnet worden wäre. Eine an-
        dere Möglichkeit sehe ich in Konzessionsmodellen mit
        variabler Laufzeit. Durch den von Ihnen vorlegten Vor-
        schlag kann die Wirtschaftlichkeit eines Projektes nur
        unmaßgeblich verbessert werden.
        Anlage 4
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung der Beschlussempfehlung und des
        Berichts: Pakistan und Afghanistan stabilisie-
        ren – Für eine zentralasiatische regionale
        Sicherheitskonferenz (Tagesordnungspunkt 16)
        Holger Haibach (CDU/CSU): Zum zweiten Mal in
        Folge beschäftigen wir uns in einer Sitzungswoche des
        Deutschen Bundestages mit Pakistan und Afghanistan.
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        as ist gerade angesichts der schwierigen Lage und der
        ich überschlagenden Ereignisse in Pakistan in den ver-
        angenen Wochen und Tagen dringend geboten.
        Ob der Antrag der Linken zu diesem Thema aller-
        ings dabei sehr hilfreich ist, kann mit Recht bezweifelt
        erden. Denn es ist hier wie mit allem: Die Lösung des
        roblems beginnt mit der Betrachtung der Realität. Und
        enn man da bereits die falschen Erkenntnisse gewinnt,
        ann kann es auch keine richtigen Lösungen geben.
        Was fordern Sie in Ihrem Antrag? Ich will es einmal
        twas platt zusammenfassen: Wir setzen alle in dieser
        egion an Konflikten beteiligten Staaten an einen Tisch,
        ehmen noch die Paschtunen hinzu, lassen die alle mit-
        inander beraten. Dann fügen Sie noch ein paar ziemlich
        llgemeine und wohlklingende Forderungen wie die
        ach der Unterstützung bei der Demokratisierung Pakis-
        ans hinzu, mahnen väterlich das Ende von Rüstungs-
        xporten an, würzen das Ganze mit der bei Ihnen obliga-
        orischen USA-Kritik: Und schon herrscht himmlischer
        rieden auf Erden.
        Wohlgemerkt: Vieles von dem, was Sie hier vorschla-
        en, ist nicht falsch. Aber das liegt daran, dass Ihre For-
        erungen sehr allgemein sind, und nicht daran, dass man
        ufgrund ihrer Gedankentiefe sofort zustimmen müsste.
        Auf der anderen Seite wird Ihr Antrag aus meiner
        icht auch nicht annähernd der Komplexität der Lage,
        erade in Pakistan, gerecht. Worum geht es? Ihr Antrag
        rägt zwar Afghanistan und Pakistan im Titel, beschäftigt
        ich aber überwiegend mit der Lage in Pakistan und
        ann mit ihren Auswirkungen auf die Situation in
        fghanistan. Dagegen ist auch nichts einzuwenden.
        enn man allerdings Pakistan in besonderer Weise in
        en Blick nimmt, dann ergeben sich zwei Konsequen-
        en: Erstens ist der Titel Ihres Antrags falsch, denn Pa-
        istan liegt definitiv nicht in Zentralasien. Das wäre aber
        och zu verschmerzen. Wichtiger ist, dass Sie bei dem
        ext Ihres Antrags die inneren Verhältnisse in Pakistan
        m Grunde überhaupt nicht in Betracht ziehen.
        Dazu gibt es aber allen Grund. Pakistan ist durch das
        inlenken von Präsident Zadari im Streit um die Wieder-
        insetzung des Obersten Richters Chaudry gerade noch
        inmal so an einem das gesamte Land lahmlegenden
        treik und an vermutlich blutigen Auseinandersetzungen
        wischen Truppen der Regierung und des Präsidenten
        nd Anhängern Chaudrys und des Oppositionsführers
        harif entgangen. Die Macht des gewählten Präsidenten
        st so weit erodiert, dass nicht einmal der gegen Sharif
        erhängte Hausarrest tatsächlich durchgesetzt wurde.
        ach einer Umfrage des International Republican Insti-
        ute sprechen sich inzwischen 59 Prozent der befragten
        akistani für Oppositionsführer Sharif als Präsidenten
        us, nur 19 Prozent für den Amtsinhaber.
        Die wirtschaftliche Lage des Landes kann nur als ka-
        astrophal bezeichnet werden. Ohne die Unterstützung
        er internationalen Gemeinschaft wäre das Land nicht
        ehr „lebensfähig“. Zudem musste die Zentralregierung
        hre erfolglosen Bemühungen einstellen, die Taliban im
        ande militärisch erfolgreich zu bekämpfen. Dies hatte
        ur Folge, dass im Swat-Tal und anderen Regionen, das
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        war Teil der Verhandlungslösung, die Scharia das seithe-
        rige Rechtssystem abgelöst hat. Entgegen anderen Zusa-
        gen haben dort die regionalen Führer – nicht durch die
        Schließung, aber durch eine wesentlich effektivere
        Methode, nämlich Abbrennen der Schulen – dafür ge-
        sorgt, dass zum Beispiel der Unterricht für Mädchen er-
        schwert wurde. Und es steht zu befürchten, dass dies erst
        der Anfang der Repressalien ist.
        Mit ein wenig regionaler Zusammenarbeit und ein
        bisschen USA-Kritik ist es also nicht getan. Dafür bieten
        Sie dann die Forderung auf: „Pakistan vermehrt bei sei-
        nen Demokratisierungsbemühungen unterstützen.“ Eine
        beeindruckende Forderung! Leider bleibt die Linke die
        Antwort auf die Frage schuldig, wie dieses hehre Ziel er-
        reicht werden soll. Und wieso „vermehrt“? In der Zeit, in
        der dieser Antrag geschrieben wurde, hat diese Bundes-
        regierung, unterstützt durch die sie tragenden Fraktionen
        von CDU/CSU und SPD, gehandelt. Vertreter der Bun-
        desregierung haben Vorschläge zur Verbesserung der
        Lage gemacht, darüber hinaus wurden entsprechende
        Mittel zur Demokratisierung aus den Etats der betroffe-
        nen Ministerien zugesagt und bereitgestellt. Deutschland
        arbeitet engagiert und an führender Stelle in der interna-
        tionalen Gruppe der „Freunde des demokratischen Pa-
        kistans“ mit.
        Auch die Idee der „zentralasiatischen“ regionalen
        Sicherheitskonferenz scheint noch sehr unausgegoren.
        Im Antrag der Linken wird die Beteiligung aller mögli-
        chen regionalen Akteure gefordert, bis hin zu den Pasch-
        tunen. Gleichzeitig betonen Sie zu Recht die Existenz
        ganz anderer, schon Jahrzehnte währender Konflikte,
        wie etwa der Auseinandersetzung um und in Kaschmir.
        Warum soll den Kaschmiris das verwehrt werden, was
        den Paschtunen Ihrer Ansicht nach doch erlaubt sein
        soll?
        Weiterhin stellt sich die Frage, wie Sie sich die Ein-
        bindung der internationalen Staatengemeinschaft vor-
        stellen, deren Präsenz vor Ort Sie doch sonst immer kri-
        tisieren. Welche Rolle sollen die USA, Großbritannien
        und etwa Deutschland spielen? Welche Aufgabe hat die
        UN hierbei?
        Es ist völlig unbestreitbar, dass eine engere Einbin-
        dung sämtlicher regionalen Akteure dringend geboten
        ist, denn ohne diese werden sich stabile Verhältnisse in
        der Region nicht herstellen lassen. Aber dazu braucht es
        mehr als eine Idee oder Antrag im Deutschen Bundestag.
        Wenn eine solche Konferenz, noch dazu als ständige
        Einrichtung, durchgeführt werden soll, dann bedarf es
        hierzu sorgfältiger Planungen und Konsultationen. Denn
        eine Konferenz, die in einem Fehlschlag endet und dabei
        vielleicht noch ohnehin vorhandene Differenzen ver-
        schärft, wäre ein großer Rückschlag für die friedliche
        Beilegung von Konflikten in dieser Region.
        Schließlich stellt sich die Frage, ob es für eine solche
        Einrichtung Vorbilder gibt. Man könnte dabei an die
        KSZE/OSZE denken. Allerdings wäre auch hier zu er-
        wägen, ob das, was in Europa funktioniert, ohne Weite-
        res auch an anderer Stelle erfolgreich ist, zumal die Ver-
        hältnisse in Europa der 70er-Jahre völlig andere waren
        als die heutigen zwischen Pakistan, Afghanistan, Indien
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        nd den anderen Partnern, die zu beteiligen wären. Stan-
        en sich bei der KSZE zwei Machtblöcke und politische
        ysteme gegenüber, die aber beide bereit waren, auf
        affengewalt zu verzichten, so haben wir es im jetzigen
        all mit einer Region zu tun, die gerade durch inner- und
        wischenstaatliche kriegerische Auseinandersetzungen
        ekennzeichnet ist.
        Noch ein Wort zur Rolle der USA: Man mag zur Ver-
        endung beziehungsweise zur Ausweitung der Verwen-
        ung von Drohnen auf dem Staatsgebiet Pakistans in den
        ogenannten Tribal Areas und darüber hinaus stehen,
        ie man will. Aber eines darf jedenfalls festgehalten
        erden: Als Pakistan in der vergangenen Woche und in
        ieser Woche nahe am Rand von bürgerkriegsähnlichen
        uständen mit unabsehbaren Folgen aufgrund der Nicht-
        iedereinsetzung von Richter Chaudry war, hat der pa-
        istanische Minister Nabeel Gaboo die Abwendung der
        rise mit folgenden Worten kommentiert: „Die Eini-
        ung haben Amerika, die Armee und Allah herbeige-
        ührt.“ Und es ist der amerikanische Generalstabschef
        ike Mullen gewesen, der seinen pakistanischen Amts-
        ollegen mehr als einmal von einem gewaltsamen Ein-
        reifen in die gegenwärtigen Konflikte abgehalten hat.
        ancher von uns ist mit einer pauschalen Kritik an der
        altung und den Handlungsweisen der USA schnell bei
        er Hand. Manchmal wendet sich aber auch diese Pau-
        chalität gegen den, der diese Kritik angebracht hat.
        Wenn wir neben der „Afghan Ownership“ auch eine
        Pakistan Ownership“ ernsthaft vorantreiben wollen,
        ann ergeben sich daraus für mich drei Konsequenzen.
        rstens dürfen wir die vor Ort Handelnden nicht aus der
        erantwortung entlassen, indem wir Entscheidungen für
        ie treffen. Zweitens müssen wir sie aber auch mit den
        afür notwendigen Voraussetzungen ausstatten. Und
        rittens bedarf es eines Ansatzes, der die regionalen
        kteure und die internationale Gemeinschaft einbindet.
        enau an dieser Stelle greift der vorliegende Antrag zu
        urz. Er ist pauschal und wird den Aufgabenstellungen
        icht gerecht. Deshalb werden wir ihn ablehnen.
        Detlef Dzembritzki (SPD): Die Situation in Pakistan
        ietet ohne Zweifel Anlass zu Sorge, aber auch – wenn
        an die Entwicklungen der letzten Tage mit einbezieht –
        u vorsichtigem und verhaltenem Optimismus.
        Sosehr wir uns als Abgeordnete des Deutschen Bun-
        estages – ich schließe hier ausdrücklich das ganze Haus
        it ein – gefreut haben, dass der Übergang von einer
        ilitär- zu einer zivilen Regierung im September 2008
        n Pakistan gelungen ist, so sehr waren wir zumindest in
        einer Fraktion von Anfang an in Sorge und zwar da-
        über, dass sich die neuen „Koalitionsmehrheiten“ in Pa-
        istan nicht mit Entschiedenheit um die eigentlichen He-
        ausforderungen in ihrem Land gekümmert haben,
        ämlich die Wirtschaftskrise, die Arbeitslosigkeit, den
        nergiemangel und Infrastrukturdefizite. Der monate-
        ange Streit zwischen Zardari und Sharif, zum Beispiel
        m die Aufhebung der Amnestiegesetze und die Wieder-
        insetzung der Richter, führte zu einem Entwicklungs-
        tillstand und Verwerfungen zwischen den „Wahlsie-
        ern“.
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        Insofern möchte ich den Kolleginnen und Kollegen
        von der Linkspartei durchaus zugestehen, dass auch sie
        die ernste Sorge haben, dass der Weg in eine friedliche
        Zukunft für dieses in der Region so wichtige Land
        schwierig sein wird. Ich nehme dennoch für mich und
        meine Fraktion in Anspruch, dass wir immer betont ha-
        ben, dass nur mit einem regionalen Ansatz unter Einbe-
        ziehung von Afghanistan, Pakistan, Iran, aber auch In-
        dien und China eine Lösung der Konflikte möglich ist.
        Es reicht nicht, jetzt so zu tun, als genüge es, sich auf
        eine solche Konferenz zu fokussieren, als sei dies die
        einzige Lösung. Es ist schon etwas komplizierter!
        Natürlich haben auch wir ernste Sorgen um Pakistan.
        Lassen Sie mich die Herausforderungen in einigen kur-
        zen Sätzen skizzieren: Pakistan als Nuklearmacht wird
        von seinen Nachbarn Afghanistan und Iran eher kritisch
        betrachtet. Pakistan und Afghanistan teilen eine lange,
        sehr schwierige Geschichte. Wenn man – wie sicher ei-
        nige Kolleginnen und Kollegen dieses Hauses – die Ge-
        legenheit hatte, mit Vertretern dieser beiden Nationen zu
        sprechen, so fällt das tiefsitzende Misstrauen auf beiden
        Seiten sofort auf. Ohne die grundsätzliche Bereitschaft
        beider Staaten, aufeinander zuzugehen, wird mittelfristig
        kein regionaler Nachbarschaftsprozess gelingen. Wir ha-
        ben in der Vergangenheit einige ermutigende Zeichen
        auf diesem Weg gesehen, und wir hoffen, dass beide Sei-
        ten diesen Weg weiter gehen.
        Ich bin deshalb dankbar, dass Außenminister
        Steinmeier bereits im Juni 2007 in Potsdam eine Initiative
        gestartet hat, um beide Länder an einen Tisch zu bringen.
        Es wird in Zukunft in der Region nur dann Frieden geben,
        wenn beide Seiten bereit sind, Schritte zu gehen, die über
        das hinausgehen, was momentan vorstellbar erscheint.
        Dabei wird die gemeinsame, 2 400 Kilometer lange
        Grenze, die faktisch nicht zu sichern ist, eine Rolle spie-
        len. Fehler wurden in der Vergangenheit gemacht: Die
        Grenze wurde willkürlich durch die Kolonialherren ge-
        zogen. Dies kann aber nicht bedeuten, alte Streitigkeiten
        wieder aufzuwärmen: Auch hier müssen Pakistan und
        Afghanistan aufeinander zugehen. Es ist bekannt, dass
        die Grenzgebiete als Rekrutierungsgebiete für afghani-
        sche und pakistanische Taliban dienen. Es gibt darüber
        hinaus auch Erkenntnisse, dass international operierende
        Terrorgruppen diesen Rückzugsraum nutzen.
        Unabhängig davon, wie wir als Parlamentarier die
        neue pakistanische Regierung bewerten: Die Probleme
        sind immens. Jede demokratische Regierung wird auch
        in naher Zukunft mit den Problemen Islamisierung, Ein-
        kommensunterschiede, Armut und wirtschaftliche
        Schwierigkeiten zu kämpfen haben. Die jetzige Regie-
        rung Pakistans bietet zumindest die Chance, dass wir als
        Europäer mit Unterstützung, Know-how und Ressourcen
        dem Land beim eigenen Aufbau behilflich sind, aber
        auch den regionalen Dialog weiter fördern, zum Beispiel
        im Rahmen der Ende September 2008 gegründeten
        Gruppe „Freunde des demokratischen Pakistans“. Ein-
        seitige Militärschläge helfen sicher nicht weiter – sie
        verstärken nur die ohnehin vorhandene Abneigung ge-
        gen den Westen, die in Pakistan weit verbreitet ist und
        sich insbesondere auf die USA bezieht.
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        Wirtschaftlich steckt Pakistan in einer erheblichen
        rise. Dank eines von der Bundesregierung mit Nach-
        ruck unterstützten Beistandskredits des IWF in Höhe
        on 7,6 Milliarden US-Dollar konnte im Herbst des Jah-
        es 2008 ein finanzieller Zusammenbruch des Landes
        bgewendet werden. Über die Bewältigung der Wirt-
        chaftskrise hinaus wird die Überwindung der großen
        inkommensunterschiede innerhalb des Landes – auch
        wischen Stadt und Land – die zentrale Herausforderung
        ür die demokratische pakistanische Regierung sein. Die
        undesregierung ist durch die Gesellschaft für Techni-
        che Zusammenarbeit, GTZ, auf diesen Gebieten schon
        etzt mit Vorhaben zu Grundbildung, Gesundheit und
        nergie tätig. Insgesamt wurde die deutsche Entwick-
        ungszusammenarbeit mit Pakistan bei den Regierungs-
        erhandlungen im vergangenen Jahr verdoppelt. Aus un-
        erer Sicht setzt die Bundesregierung hier die richtigen
        chwerpunkte: Hilfen für die Wirtschaft, insbesondere
        urch Mikrokredite; Beratung der örtlichen Verwaltung
        nd Investitionen in die Bildung. Gerade dem Bildungs-
        ereich sollte aus unserer Sicht in Zukunft noch mehr
        ufmerksamkeit gewidmet werden. Schließlich ist ein
        ildungssystem für alle Heranwachsenden in Pakistan
        ie beste Garantie gegen die Madrassen, islamistische
        oranschulen, die bereits Kinder indoktrinieren und die
        ft nur deshalb frequentiert werden, weil staatliche
        chulen nicht existieren oder zu teuer sind. Armutsbe-
        ämpfung, Entwicklung und Bildungsmöglichkeiten
        ind die effektivsten, langfristig wirkenden Maßnahmen
        egen eine drohende Radikalisierung der Bevölkerung.
        Die EU hat letztes Jahr die Armutsbekämpfung zum
        ichtigsten Ziel ihrer Länderstrategie in Pakistan er-
        lärt. Dabei konzentriert sich die EU in ihrer Zusam-
        enarbeit auf die ländliche Entwicklung, den nachhalti-
        en Umgang mit natürlichen Ressourcen, den
        ildungssektor und die Qualifizierung staatlichen Perso-
        als.
        Sosehr wir die Hand reichen zum Dialog und zur
        ilfe, so sehr müssen wir unsere Ablehnung von gefähr-
        ichen Kompromissen wie der Wiedereinführung der
        charia im Swat-Tal zum Ausdruck bringen. Wir sind in
        akistan wie in anderen Teilen der Welt für eine Ent-
        icklungszusammenarbeit auf Augenhöhe, für Verhand-
        ungen auch mit schwierigen Partnern, für Respekt ge-
        enüber Traditionen und Werten. Dieser Ansatz findet
        edoch da seine Grenzen, wo Menschenrechte unter an-
        erem von Frauen und Minderheiten buchstäblich mit
        üßen getreten werden.
        In der Vergangenheit hat auch der pakistanische Ge-
        eimdienst ISI eine sehr problematische Rolle gespielt.
        eile des ISI bildeten einen Staat im Staat und unter-
        tützten die Entstehung und Entwicklung der Taliban,
        eil man sich von einem instabilen Afghanistan einen
        ugewinn an Macht versprach und die Taliban als mög-
        iche Bündnispartner für eine Auseinandersetzung mit
        ndien sah. Bis heute ist nicht eindeutig festzustellen,
        ie stark die Verbindungen zwischen Politik und ISI
        ind und auf welchen Feldern der ISI nach wie vor ver-
        ucht, seinen Einfluss zu sichern und die Entscheidun-
        en der demokratisch gewählten Regierung Pakistans zu
        eeinflussen. Hier bleibt die Bundesregierung aufgefor-
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. März 2009 22929
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        dert, weiterhin energisch auf eine effektive Kontrolle des
        Geheimdienstes zu dringen.
        Sicherlich stellen die Stammesgebiete im Grenzgebiet
        zu Afghanistan, die sogenannten Federally Admistered
        Tribal Areas, FATA, neben der sehr schlechten Wirt-
        schaftslage eine sehr große Herausforderung für Pakis-
        tan dar. Das pakistanische Militär hat hier einen hohen
        Preis bezahlt. Pakistanische Gesprächspartner, insbeson-
        dere Vertreter der Regierung, verweisen immer wieder
        auf diesen Beitrag im Kampf gegen den internationalen
        Terrorismus. Aus unserer Sicht war das Vorgehen der
        Regierung Musharraf und auch das der Bush-Adminis-
        tration zu sehr auf militärisches Vorgehen beschränkt.
        Auch ist die pakistanische Armee strukturell überhaupt
        noch nicht auf die Herausforderungen des internationa-
        len Terrorismus und der asymmetrischen Kriegsführung
        eingestellt. Die pakistanische Armee ist immer noch auf
        einen potenziellen Großkonflikt mit Indien ausgerichtet.
        Ohne eine deutliche Neuausrichtung wird die pakistani-
        sche Armee auch in Zukunft keinen Beitrag zu einer Be-
        kämpfung von Terrorgruppen in den Stammesgebieten
        leisten können.
        Gleichzeitig sollte die Bundesregierung bei ihren
        Kontakten zu den pakistanischen Partnern auch weiter-
        hin mit Nachdruck darauf dringen, die Rückkehr der Ar-
        mee in die Kasernen zu unterstützen und ihren direkten
        Einfluss auf die Politik zurückzudrängen. Erfreulich
        festzustellen ist, dass im aktuellen Konflikt zwischen
        Opposition und Präsident das Militär sich nicht hat in-
        strumentalisieren lassen. Das spannungsgeladene Ver-
        hältnis zu Indien hat sich seit Amtsantritt der neuen pa-
        kistanischen Regierung leicht verbessert. So hat die
        pakistanische Regierung angekündigt, die Doktrin des
        Ersteinsatzes von Nuklearwaffen nicht länger aufrecht-
        zuerhalten. Weitere Signale deuten darauf hin, dass die
        pakistanische Seite an einer Normalisierung der Bezie-
        hungen zu Indien interessiert ist. Die Bundesregierung
        sollte alles tun, um Pakistan auf diesem Wege zu unter-
        stützen. Überhaupt könnte eine engere wirtschaftliche
        Kooperation mit den Nachbarn – insbesondere mit In-
        dien und China, aber auch mit den zentralasiatischen
        Staaten sowie dem Iran – zur Stabilisierung der pakista-
        nischen Wirtschaft beitragen. Diese Zusammenarbeit auf
        wirtschaftlichem Gebiet könnte in Kombination mit Ko-
        operation auf anderen Gebieten zum Schlüssel für ein
        friedliches – oder zumindest friedlicheres – Miteinander
        in der Region beitragen.
        Aber auch auf politischem Terrain gibt es in der letz-
        ten Zeit Anzeichen, die eine friedliche Lösung möglich
        – oder möglicher – erscheinen lassen. Es gibt in Pakistan
        zunehmend Kräfte, die die Islamisierung des Landes
        nicht nur rhetorisch ablehnen, sondern auch bereit sind,
        diesen Tendenzen mutig entgegenzutreten. Dazu gehört
        für viele Experten auch Ministerpräsident Gilani, der
        sich jüngst für die tatsächliche Wiedereinsetzung des
        obersten Richters Chaudhry einsetzte. Präsident Zardari
        hatte die zunächst im Wahlkampf versprochene Wieder-
        einsetzung behindert. Auch ist ermutigend, dass Zehn-
        tausende Richter und Anwälte nicht nur damals unter
        Militärherrscher Musharraf demonstrierten, sondern
        auch jetzt in der Demokratie bereit waren, für die freie
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        erufsausübung ihrer Kollegen zu demonstrieren. Auch
        as Militär hat diesmal hinter den Kulissen für Demo-
        ratie und Rechtsstaat Partei ergriffen. So hat Armeechef
        ayani seinem Präsidenten Zardari frühzeitig signali-
        iert, dass dieser im Falle einer Eskalation nicht mit der
        nterstützung durch die Armee rechnen könne. Dies ist
        as erste Mal in der jüngsten pakistanischen Geschichte,
        ass ein Armeechef aufseiten der Demokratie steht.
        Bei aller Wachsamkeit gegenüber islamitischen Ten-
        enzen sollten wir diese Anzeichen auch als Hoffnung
        erstehen, dass Pakistan seine Angelegenheiten durch-
        us aus eigener Kraft bewältigen kann. Wir sollten Pa-
        istan auf diesem Wege weiter unterstützen.
        Hellmut Königshaus (FDP): Der Ansatz des hier
        ingebrachten Antrages ist nicht falsch. In Afghanistan
        aben wir es nicht mit einem nur nationalen Konflikt zu
        un, der an den Grenzen des Landes endet. Nicht zuletzt
        akistan fällt dabei eine bedeutende Rolle zu. Das Land
        st ein entscheidender Faktor bei der politischen Stabili-
        ierung Afghanistans. Die pakistanische Regierung hat
        erzeit offenkundig keine wirksame Kontrolle über die
        ordwestlichen Grenzprovinzen, in denen 3,5 Millionen
        inwohner leben. Stattdessen üben diese Kontrolle ex-
        remistische, terroristische und kriminelle Kräfte aus, die
        us dem Grenzgebiet auch nach Afghanistan eindringen,
        m dort ebenfalls ihren Einfluss auszubauen. Der Ver-
        uch der pakistanischen Regierung, diese Gebiete militä-
        isch wieder zurückzugewinnen, ist zumindest vorerst
        escheitert. Trotz seiner komplizierten innenpolitischen
        age darf Pakistan die Kontrolle über diese Region je-
        och nicht dauerhaft aus der Hand geben. Der Afghanis-
        an-Konflikt ist zwar ein regionaler Konflikt, aber seine
        rsachen sind im gesamten zentralasiatischen Raum an-
        esiedelt, und er entfaltet auch dort seine Wirkungen.
        Eine Sicherheitskonferenz für die Region kann inso-
        eit zur Lösung der dortigen Probleme beitragen, aber
        icherlich nicht allein. Dem Antrag fehlen insoweit er-
        änzende Maßnahmen und Schritte, die über die Einbe-
        ufung einer Sicherheitskonferenz hinausgehen. Auch
        ktuelle Bezüge und geopolitische Konsequenzen feh-
        en. Zudem ist der Antrag mit seiner verkürzenden Art
        er Darstellung auch ungeeignet, die Probleme hinrei-
        hend zu beschreiben und die vorgeschlagenen Lösungs-
        nsätze nachzuvollziehen.
        Die neue US-Administration hat begriffen, dass der
        onflikt in Afghanistan längst kein ausschließlich af-
        hanischer mehr ist und dass die gesamte Region in der
        efahr steht, politisch zu kollabieren. Deshalb spricht
        ie mittlerweile von „AfPak“, wenn sie auf die Region
        chaut. Das Engagement der US-Administration zeigt
        och einmal deutlich, dass Pakistan essenziell für die
        tabilität der gesamten Region ist. Nicht zuletzt mit
        lick auf die pakistanischen Nuklearwaffen müssen wir
        it unseren Partnern gemeinsam handeln, neue Kon-
        epte entwickeln und umsetzen.
        Dafür müssen wir aber zunächst die gleiche Sprache
        prechen. Dieser Ansatz ist auch im vorliegenden Antrag
        u finden. Allerdings ignoriert er die Möglichkeit, dass
        ine solche Konferenz auch scheitern könnte. Und er
        22930 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. März 2009
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        geht auch nicht hinreichend auf die nachfolgenden
        Schritte ein, sollte eine solche Sicherheitskonferenz für
        die Region erfolgreich verlaufen. Welche Bedeutung
        werden die erreichten Ergebnisse haben? Wer verfolgt
        die Umsetzung der Vorgaben? Welche Konsequenzen
        hat die Nichteinhaltung der vereinbarten Vorgaben?
        Und damit sind wir bei einem Kernproblem der deut-
        schen Politik in diesem Bereich; während die USA mit
        der Ernennung Richard Holbrookes zum Sonderbeauf-
        tragten für Pakistan und Afghanistan auf diese Kompe-
        tenzfrage reagiert haben, schafft es die Koalition nicht
        einmal, sich auf einen Sondergesandten für die Region
        zu einigen, der für die gesamte Bundesregierung spricht
        und handelt. Im Ergebnis haben wir jetzt einen „Beauf-
        tragten des Auswärtigen Amtes“, der nur für seinen Mi-
        nister und sich selbst sprechen darf. So sieht also die
        vielbeschworene „vernetzte Sicherheit“ in der Realität
        dieser Bundesregierung aus. Das hat auch der Beauf-
        tragte selbst, der ein hervorragender Diplomat ist, so
        nicht verdient. Es ist traurig, dass ein so wichtiges
        Thema ganz offenkundig allein zu Wahlkampfzwecken
        missbraucht wird. Insgesamt lähmt der Wahlkampf mitt-
        lerweile offenbar die Bundesregierung so stark, dass un-
        sere außenpolitische Handlungsfähigkeit gefährdet ist.
        Wir werden so zum Gespött unserer Partner. Das darf so
        nicht weitergehen.
        Eine Sicherheitskonferenz, wie der Antrag sie fordert,
        kann nur mit einer durchsetzungsfähigen Leitung von
        Erfolg gekrönt sein. Hillary Clinton hat beispielsweise
        für den nächsten NATO-Gipfel gleich auch eine Afgha-
        nistan-Konferenz einberufen. Diese Handlungsfähigkeit
        vermisst man leider bei der Bundesregierung. Wir brau-
        chen jetzt aber gemeinsames und entschlossenes Han-
        deln aller Partner, um in der Region Fortschritte zu erzie-
        len. Denn Afghanistan entwickelt sich zurzeit nicht in
        die richtige Richtung. Auch sieben Jahre nach dem Sturz
        der Taliban kommt Afghanistan nicht zur Ruhe. Nach ei-
        nigen vielversprechenden Ansätzen zur Demokratisie-
        rung und Stabilisierung droht das Land unter den An-
        schlägen der islamistischen Kämpfer wieder im Chaos
        zu versinken. Die allgegenwärtige Gewalt und die wirt-
        schaftliche Stagnation haben in der Bevölkerung ein
        Klima der Hoffnungslosigkeit geschaffen. Eine aktuelle
        Umfrage zeigt die Zweifel der Afghanen. Unter der all-
        täglichen Erfahrung von Krieg, Gewalt, Korruption und
        Armut ist auch das anfangs große Vertrauen in USA und
        NATO in Resignation umgeschlagen. Das ist das Ergeb-
        nis einer großen repräsentativen Umfrage, die das
        Afghan Institute for Social and Public Opinion Research
        im Auftrag von ARD, ABC und BBC durchgeführt hat.
        Es ist zu befürchten, dass sich die Lage im Laufe des
        Jahres noch einmal verschlimmert, wenn nicht entschie-
        den gegengesteuert wird.
        Der Präsidentschaftswahlkampf macht 2009 zu einem
        Entscheidungsjahr für Afghanistan. Die neue US-Admi-
        nistration hat auf die veränderten Vorzeichen bereits re-
        agiert und ein deutlich verstärktes Engagement in
        Afghanistan angekündigt. Nun ist auch die Bundesregie-
        rung gefordert, ihre Afghanistanpolitik zu verstärken,
        damit 2009 zu einem erfolgreichen Jahr für das Land
        und für die Region wird.
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        Die UN-Hilfsorganisationen legten Ende 2008 einen
        berblick über die humanitäre Situation in Afghanistan
        or. Die Situation der afghanischen Bevölkerung habe
        ich 2008 verschlechtert, heißt es darin. Die Gründe für
        ie Verschlechterung seien in der Hauptsache in der
        unahme der Kämpfe, den gestiegenen Nahrungsmittel-
        reisen und einer akuten Dürre zu sehen. Zu den
        ekannten Schwierigkeiten tritt verschärfend das Trink-
        asserproblem hinzu. Es ist also eindeutig, dass das in-
        ernationale Engagement für den Wiederaufbau nicht
        usreicht. Auch die deutschen Beiträge sind im Ver-
        leich zu den Leistungen anderer Geber, etwa Kanadas,
        mmer noch viel zu gering. Eine verstärkte entwick-
        ungspolitische Zusammenarbeit würde auch die Akzep-
        anz für die deutsche Präsenz in Afghanistan erhöhen
        nd damit auch die Sicherheit unserer Soldatinnen und
        oldaten.
        Der Ernst der Lage in Afghanistan zeigt, dass wir alle
        eine Zeit zu verlieren haben. Die Bundesregierung
        uss Schluss machen mit ihrem Wahlkampfgezänk und
        ich gemeinsam und verstärkt für Afghanistan und die
        egion einsetzen. Der Antrag der Linken ist dabei leider
        eine wirkliche Hilfe.
        Dr. Norman Paech (DIE LINKE): Gerade einen
        onat ist es her, dass wir im Bundestag über einen An-
        rag des Bündnisses 90/Die Grünen diskutiert haben, der
        och zur Zeit der Bush-Administration konzipiert war
        nd die gleiche Frage wie heute aufwarf: Was ist für die
        tabilisierung Pakistans notwendig? Ein Jahr zuvor hatte
        s demokratische Wahlen in Pakistan gegeben, die
        benso hoffen ließen wie der Wahlsieg Barack Obamas.
        och nichts ist von dieser Hoffnung geblieben. Pakistan
        st in keiner guten Verfassung, aber nicht erst seit der Er-
        ordung Benazir Bhuttos, den Attentaten, die bis auf
        en Norden Indiens übergreifen, der Einrichtung der
        charia in den Grenzgebieten zu Afghanistan auf Druck
        er Taliban und der Wiedereinstellung der aus dem Amt
        ejagten Richter unter dem Druck der Straße. Das ist nur
        er oberflächliche Ausdruck einer seit langem schwelen-
        en tiefen Krise dieses Landes. Pakistan ist seit langem
        ezeichnet durch eine dramatische Abwärtsentwicklung
        er Wirtschaft und das ebenso dramatische Anwachsen
        er Auseinandersetzungen zwischen muslimischen Fun-
        amentalisten in den Grenzgebieten zu Afghanistan. Da-
        inter tritt der immer noch ungelöste Streit mit Indien
        m Kaschmir zurzeit in den Hintergrund – er kann jeder-
        eit zu neuer gefährlicher Gewalt eskalieren. Pakistan,
        on den USA als wichtigster Verbündeter gegen den in-
        ernationalen Terrorismus finanziert und hochgerüstet,
        st selbst schon lange zur Quelle des Terrorismus gewor-
        en.
        Es ist klar, dass nicht nur die USA ein vitales Inte-
        esse daran haben müssen, dass dieser instabile Staat
        icht noch weiter zerfällt und sich durch einen erneuten
        ilitärputsch radikalisiert. Denn dieser Prozess bleibt
        icht auf Pakistan begrenzt. Der Souveränitätszerfall Pa-
        istans würde auch die Desintegration Afghanistans be-
        chleunigen und die Gewalt in der Region würde enorm
        skalieren. Die Folge wäre die zwangsläufige Auswei-
        ung der Interventionen auf weitere Provinzen Pakistans,
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. März 2009 22931
        (A) )
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        wie sie die USA soeben schon für den Einsatz von
        Kampfdrohnen angekündigt haben.
        Was kann man dagegen tun? Aus den USA kommt
        wieder das alte Rezept: 4 bis 5 Milliarden US-Dollar
        seien unmittelbar notwendig, 1 Milliarde davon für Poli-
        zei und Militär. Gerade hatte Pakistan 7,6 Milliarden
        US-Dollar vom Internationalen Währungsfonds bekom-
        men. Alle Militärputsche sind mit Milliarden US-Dollar
        für die Rüstung belohnt worden. Eines ist daher sicher:
        Weitere Finanzmittel werden in einem Land mit
        170 Millionen Einwohnern, in dem eine schmale Schicht
        über märchenhaften Reichtum verfügt, die Mehrheit
        aber in sozialem Elend lebt, nicht die erhoffte Stabilisie-
        rung bringen. Eine solche Gesellschaft kann man nicht
        mit Geld sanieren.
        Man wird dieser Gesellschaft darüber hinaus auch
        nicht mehr Sicherheit geben, wenn man weitere
        17 000 Soldaten in das benachbarte Afghanistan sendet
        und gleichzeitig die Kampfzonen auf pakistanischem
        Territorium ausweitet. Was Afghanistan in sieben Jahren
        Krieg nicht sicherer gemacht hat, wird auch Pakistan
        keine Sicherheit bringen.
        Viele soziale, ökonomische und politische Maßnah-
        men wären notwendig, um Pakistan die notwendige ge-
        sellschaftliche Stabilität zu bringen. Allerdings be-
        schränken sich Instabilität und steigende Gewalt nicht
        auf Pakistan, sondern haben die ganze Region ergriffen.
        Deshalb wird Pakistan nicht so schnell aus sich selbst
        heraus Stabilität entwickeln – die Probleme sind zu kom-
        plex und eben nicht auf seine Grenzen beschränkt.
        Von außen gibt es bestimmt kein Patentrezept. Eine
        Krise, die nicht auf ein nationales Territorium begrenzt
        ist, muss mit einem internationalen Konzept bekämpft
        werden. Es müssen die Staaten zusammengeführt wer-
        den, die direkt oder indirekt von dieser Krise gefährdet
        werden. Deshalb erneuern wir noch einmal unseren Vor-
        schlag einer Konferenz, die die Staaten der Region von
        Iran über Afghanistan bis China und Indien mit Pakistan
        an einen Tisch holt, um ein gemeinsames, auf wechsel-
        seitiger Unterstützung basierendes Sicherheitskonzept
        zu entwickeln. – Übrigens wurde solch eine Konferenz
        jüngst auch in einem Bericht eines US-amerikanischen
        Think Tanks zu Pakistan gefordert. Sicherheit kann nur
        mithilfe und der Verpflichtung der Staaten der gesamten
        Region erreicht werden. Und nehmen Sie die neue Ge-
        sprächsbereitschaft der US-Administration ernst und sa-
        gen Sie ihr, sie möge die Souveränität Pakistans achten
        und von der Ausweitung ihrer Kampfeinsätze Abstand
        nehmen – aus politischen und aus rechtlichen Gründen.
        Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
        Vor einem halben Jahr hatten wir Grüne an dieser Stelle
        eine Aktuelle Stunde beantragt mit dem Titel „Pakistan
        stabilisieren, Völkerrecht beachten“. Damals gab es
        Hoffnung. Es hatte einen demokratischen Machtwechsel
        im Land gegeben. Wir alle warben um Unterstützung der
        internationalen Gemeinschaft dafür, die Regierung
        Zardari-Gilani handlungsfähig zu machen. Die Hoffnung
        ist noch da, die Euphorie von damals ist allerdings sehr
        schnell vergangen – vor allem in Pakistan selbst.
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        Im Nordwesten von Pakistan, im Swat-Tal, bestim-
        en inzwischen Scharia-Gerichte anstatt staatlicher In-
        titutionen, was richtig und was falsch ist. In Waziristan
        rleben wir eine zunehmende Talibanisierung und einen
        erfall der staatlichen Strukturen, keine 200 Kilometer
        on Islamabad entfernt. Aber auch in der Hauptstadt
        eigt sich Erschreckendes. Die erbitterten Kämpfe zwi-
        chen den beiden verfeindeten Parteien, der Pakistan
        eoples Party (PPP) und der Muslim Liga, lähmen die
        nnenpolitik.
        Es ist unglaublich: Bislang haben wir gehofft, Gene-
        al Musharraf zugunsten demokratischer Kräfte ein für
        llemal los zu sein. Jetzt scheint die Situation so verfah-
        en, dass ausgerechnet er sich wieder als „Retter in der
        ot“ anbieten kann. Ich appelliere an den Präsidenten
        ardari und an den Oppositionsführer Sharif, ihre alten
        rabenkämpfe endlich ruhen zu lassen und sich zum
        ohle Pakistans zu einer demokratischen Zusammenar-
        eit durchzuringen!
        Wenn man der gestrigen Ausgabe der New York Times
        lauben darf, droht allerdings noch mehr Ungemach.
        ort wird von geradezu kontraproduktiven Planungen
        er US-Administration berichtet. Angeblich will sie die
        isherigen völkerrechtswidrigen Luftschläge in Pakistan
        icht nur fortsetzen, sondern sie sogar auf weitere Ge-
        iete des Landes ausweiten. Gegen diese Luftschläge ha-
        en wir uns in zahllosen Anträgen und nicht zuletzt in
        er Aktuellen Stunde ausgesprochen. Eine Ausweitung
        ieser Angriffe würde zu nichts anderem als zu einer
        eiteren Eskalation der Gewalt und einer weiteren
        chwächung der staatlichen Institutionen Pakistans füh-
        en.
        In dem hier zu beratenden Antrag macht es sich die
        inke sehr einfach. Sie fordern eine Regionalkonferenz.
        hne Zweifel muss eine solche Konferenz Bestandteil
        es regionalen Lösungsansatzes sein, keine Frage. Aller-
        ings wurde der Antrag inzwischen von der Realität
        berholt: Eine Afghanistan-Konferenz findet statt, Ende
        es Monats in Den Haag. Mit dabei werden viele Ak-
        eure aus der Region sein, nicht nur Staaten, sondern
        uch Nichtregierungsorganisationen und Hilfsorganisa-
        ionen. Die Zusammensetzung dieser Konferenz zeigt
        umindest eine teilweise Abkehr von der bisherigen Au-
        enpolitik der Bush-Ära durch den US-Präsidenten
        arack Obama und seine Außenministerin Hillary
        linton. Die Vereinten Nationen spielen eine wichtigere
        olle als bisher. Der Ansatz ist tatsächlich regional und
        ichtig, das heißt, man sucht gemeinsam mit den Betei-
        igten und deren Nachbarn nach einer Lösung. Und dies
        offentlich unter Beteiligung Irans.
        Eine Konferenz alleine wird allerdings nicht ausrei-
        hen, um die zahlreichen und unterschiedlichen Streit-
        ragen im Verhältnis zwischen Pakistan und Afghanistan
        owie zwischen Pakistan und Indien zu lösen. Dazu sind
        angfristiger angelegte regionale Initiativen notwendig,
        ie Vertrauen schaffen. Und es braucht übergreifende
        berlegungen zu regionalen Entwicklungsstrategien,
        ersöhnungsinitiativen und eine dauerhafte Sicher-
        eitskooperation in der Region.
        22932 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. März 2009
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        Es wäre völlig falsch, Pakistan ausschließlich aus der
        Perspektive der Situation in Afghanistan zu betrachten.
        Pakistan ist ein selbstständiges Land mit über 160 Mil-
        lionen Einwohnern, ein sehr wichtiges Land in der Re-
        gion und nicht zuletzt eine Atommacht. Sie aber, meine
        Damen und Herren von der Linksfraktion, machen wie-
        der einmal deutlich, dass Sie in der Außenpolitik kein
        Interesse für Details haben. Sie nutzen das Thema vor al-
        lem, um Ihre populistische Forderung nach dem soforti-
        gen und unverantwortlichen Abzug der Bundeswehr aus
        Afghanistan zu transportieren. Das ist weder sachge-
        recht, noch ist es der Ernsthaftigkeit der Situation in Pa-
        kistan angemessen. Wir lehnen Ihren Antrag daher ab.
        Diese Substanzlosigkeit des Antrags der Linksfration
        entlässt die Bundesregierung allerdings nicht aus der
        Pflicht, uns endlich zu erklären, welche Strategie sie für
        Pakistan verfolgt. Doch die Koalition ist mittlerweile au-
        genscheinlich in allen Feldern handlungsunfähig. Es
        steht zu befürchten, dass sie auch diese wichtige Frage
        nicht beantwortet.
        Anlage 5
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung des Entwurfs eines … Gesetzes
        zur Änderung des Strafgesetzbuches – Anhe-
        bung der Höchstgrenze des Tagessatzes bei
        Geldstrafen (Tagesordnungspunkt 17)
        Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) (CDU/
        CSU): Wie ein Lindwurm schlängelt sich die Bezeich-
        nung des Gesetzes, das wir in erster Lesung beraten,
        über zwei Zeilen: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung
        des Strafgesetzbuches – Anhebung der Höchstgrenze des
        Tagessatzes bei Geldstrafen. Zwei Zeilen, die auf den
        Punkt gebracht bedeuten: mehr Belastungsgleichheit bei
        Geldstrafen. Eine Geldstrafe, die ein Strafgericht fest-
        setzt, ist nur dann gerecht, wenn sie bei gleicher Tat den
        „kleinen Mann“ nicht stärker belastet als den gut Situier-
        ten.
        Das geltende Recht nimmt bei der Verhängung von
        Geldstrafen ohnehin schon Ungleichgewichtigkeiten in
        Kauf. Wird ein Familienvater zu einer Geldstrafe verur-
        teilt, wird der unschuldige Rest der Familie mitbelastet.
        Außerdem besteht die Möglichkeit, das Strafübel der
        Geldstrafe straflos auf Dritte abzuwälzen. Wer eine frei-
        giebige, vermögende Tante hat, spürt die Last einer
        Geldstrafe nicht. Außerdem wird das Vermögen privile-
        giert. Es darf bei der Bemessung der Geldstrafe nur ein-
        geschränkt herangezogen werden (Bay NJW87, 2029).
        Eine Ungleichgewichtigkeit besteht aber auch in der
        Privilegierung von Straftätern mit außergewöhnlich ho-
        hem Einkommen, sofern sie zu einer Geldstrafe verurteilt
        werden. Das bei der Geldstrafenbildung zu berücksichti-
        gende Tagesnettoeinkommen ist nämlich bei 5 000 Euro
        gedeckelt. Bis zum 2. StrRG vom 4. Juli 1969 wurde
        eine Geldstrafe als sogenannte Geldsummenstrafe aus-
        geworfen. Die Bürger verstanden nicht, warum bei glei-
        cher Tat ein Verurteilter 500, der andere 5 000 DM zah-
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        en musste. Seit dem Jahr 1969 gilt nunmehr das
        ogenannte Tagessatzprinzip. Die Geldstrafe wird nicht
        ehr in einem Betrag festgesetzt, sondern in Tagen ge-
        äß § 40 Abs. 1 des Strafgesetzbuches von fünf Tagen
        is 360 Tagen. Nach diesem ersten Zumessungsschritt
        olgt der zweite, in dem das tägliche Nettoeinkommen
        es zu Verurteilenden ermittelt wird. Dabei sind Unter-
        altsverpflichtungen zu berücksichtigen, aber Belastun-
        en aus Vermögensbildung nicht und Erträge aus
        ermögen nur eingeschränkt. Das Gericht kann die Ver-
        ögens- und Einkommenslage schätzen (§ 40 Abs. 3 des
        trafgesetzbuches). Durch den zweiten Zumessungs-
        chritt wird sichergestellt, dass Gering- und Besserver-
        ienende ihren Einkommensverhältnissen angemessen
        leiche Vermögensopfer erbringen müssen.
        Die Höhe eines Tagessatzes beträgt mindestens 1,
        öchstens 5 000 Euro. Bei den höchstmöglich verhäng-
        aren 360 Tagessätzen ergibt sich daraus eine gesetzli-
        he Höchstgeldstrafe von 1,8 Millionen Euro, der rech-
        erisch ein Monatsnettoeinkommen von 150 000 Euro
        ugrunde liegt. Nun gibt es aber immer mehr Personen,
        eren Monatsnettoeinkommen diesen Betrag deutlich
        bersteigt. So entsteht eine Belastungsungleichheit zwi-
        chen Arm und Reich. Während selbst der Sozialhilfe-
        mpfänger von seinem eigentlich pfändungsfreien Ein-
        ommen zur Geldstrafenzahlung herangezogen werden
        ann, profitiert der Großverdiener von der Deckelung
        er Tagessatzhöhe auf 5 000 Euro. Dieses Ungleichge-
        icht beseitigt der Gesetzentwurf dadurch, dass die
        bergrenze der Tagessatzhöhe nach § 40 Abs. 2 Satz 3
        es Strafgesetzbuches von 5 000 auf 30 000 Euro ange-
        oben wird. Damit kann Belastungsgleichheit bis zu ei-
        em monatlichen Nettoeinkommen von 600 000 Euro
        ergestellt werden.
        Dieses Gesetz wird zu nicht unerheblichen Mehrein-
        ahmen bei den Ländern führen. Die Höhe der Mehrein-
        ahmen lässt sich nicht einmal grob schätzen. Führt aber
        ie Gesetzesänderung in Deutschland auch nur in fünf
        ällen zu einer fiktiven Verurteilung von 180 Tagessät-
        en á 30 000, Euro ergibt sich daraus eine Mehrein-
        ahme von 27 Millionen Euro. Damit lässt sich eine von
        en Ländern nachhaltig abgewiesene Forderung der Op-
        erschutzorganisation Weißer Ring umsetzen, dass näm-
        ich auf der Grundlage von Art. 13 Abs. 1 des EU-Rah-
        enbeschlusses vom 15. März 2001 10 Prozent der
        eldstrafen Opferschutzzwecken zugeführt werden soll-
        en. Das wäre nicht nur vor dem Hintergrund des am
        2. März jedes Jahres anstehenden Tages des Kriminali-
        ätsopfers eine nicht nur noble Geste. Finanzierbar wäre
        ber auch die von Kollegen Danckert und mir in unseren
        eden im Deutschen Bundestag vom 12. Februar 2009
        rhobene Forderung, einem in U-Haft genommenen Be-
        chuldigten ab dem Zeitpunkt seiner polizeilichen Fest-
        ahme (und nicht wie nach bestehendem Recht des
        140 Abs. 1 Ziff. 5 StPO erst nach dreimonatiger Unter-
        uchungshaft) einen Pflichtverteidiger beizuordnen.
        ies sind zwei rechtspolitische Forderungen, denen mei-
        es Erachtens der Vorrang vor fiskalischen Interessen
        er Länder eingeräumt werden muss. Darauf sollten wir
        n der Ausschussberatung unser Augenmerk lenken.
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. März 2009 22933
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        Dr. Peter Danckert (SPD): Wir beraten heute Abend
        in zweiter und dritter Lesung den „Gesetzentwurf der
        Bundesregierung zur Anhebung des Tagessatzes bei
        Geldstraftaten“. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf
        soll die Obergrenze eines Tagessatzes bei Geldstrafen
        von bisher 5 000 Euro auf maximal 20 000 Euro angeho-
        ben werden. Im Zuge der parlamentarischen Beratungen
        haben wir die Obergrenze sogar noch auf 30 000 Euro
        erhöht. Damit stellen wir sicher, dass es auch in Zukunft
        kein Gerechtigkeitsdefizit im Bereich der Geldstrafen
        gibt.
        Das Tagessatzsystem basiert auf dem Gedanken der
        Belastungsgleichheit und damit dem Grundsatz der ma-
        teriellen Gerechtigkeit. Die Anzahl der Tagessätze spie-
        gelt den Unrechts- und Schuldgehalt der Tat wider. Bei
        einer Einzeltat kann das Gericht maximal 360 und meh-
        reren Taten maximal 720 Tagessätze verhängen. Die
        Höhe des Tagessatzes soll die Belastungsgleichheit si-
        cherstellen und bemisst sich an den wirtschaftlichen Ver-
        hältnissen des Täters. Ein Tagessatz entspricht daher in
        der Regel dem Nettoeinkommen, das dem Täter durch-
        schnittlich an einem Tag zur Verfügung steht.
        Was ist der Hintergrund für diese in meinen Augen
        notwendige Initiative von Bundesjustizministerin Bri-
        gitte Zypries zur Anhebung der Höchstgrenze eines Ta-
        gessatzes bei Geldstrafen? Im Kern geht es darum, Täter
        mit sehr hohen Einkünften bei der Bemessung der Geld-
        strafe angemessen erfassen zu können. Seit 1975 ist das
        sogenannte Tagessatzsystem, mit dem die Höhe einer
        Geldstrafe festgelegt wird, nicht verändert worden. Vor
        dem Hintergrund der Einkommensentwicklung in den
        letzten gut 30 Jahren ist die Höchstgrenze des Tagessat-
        zes von 5 000 Euro nicht mehr zeitgemäß und angemes-
        sen. Während 1975 ein Tagesnettoeinkommen oberhalb
        dieser Grenze (damals 10 000 DM) die große Ausnahme
        darstellte, mehren sich heute die Fälle, in denen das Ein-
        kommen des Täters dieses Höchstmaß überschreitet –
        und zwar deutlich. Spitzenverdiener mit einem Jahres-
        nettoeinkommen von 6 Millionen Euro trifft somit die
        Geldstrafe weniger hart als einen Geringverdiener. Das
        ist nicht gerecht! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf
        schaffen wir die Voraussetzung, dass die Geldstrafe je-
        den Täter mit gleicher Wirkung trifft. Wir wollen, dass
        die Strafe den unterschiedlichen wirtschaftlichen Ver-
        hältnissen der Täter angepasst wird. Es ist in meinen Au-
        gen nur gerecht, wenn dem einkommensstarken Täter
        grundsätzlich ein vergleichbares finanzielles Opfer ab-
        verlangt wird wie dem einkommensschwachen Täter.
        Aufgrund von verfassungsrechtlichen Bedenken ha-
        ben wir davon abgesehen, die Obergrenze für einen Ta-
        gessatz ganz aufzuheben. Im Rahmen der parlamentari-
        schen Beratungen haben wir allerdings die derzeitige
        Obergrenze von 5 000 Euro nicht nur wie im Regie-
        rungsentwurf vorgesehen auf 20 000 Euro, sondern auf
        30 000 Euro erhöht. Durch eine Anhebung der Höchst-
        grenze auf ein Tagesnettoeinkommen von 30 000 Euro
        werden auch Täter der höchsten Einkommensgruppe an-
        gemessen erfasst. Zukünftig kann als höchste mögliche
        Geldstrafe ein Betrag in Höhe von 10,8 Millionen Euro
        bei einer Einzeltat und von 21,6 Millionen Euro bei
        mehreren Taten verhängt werden; die bisherigen Höchst-
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        renzen liegen bei 1,8 bzw. 3,6 Millionen Euro. Dank
        er Neuregelung geht es auch Besserverdienenden an
        en Kragen. Und das ist auch gut so!
        An dem Grundsatz, dass die schuldangemessene
        trafe nach der Anzahl der Tagessätze zu bemessen ist
        nd nicht nach deren Höhe, ändert der vorliegende Ge-
        etzentwurf nichts. Was sich ändert, ist, dass jetzt auch
        in Generaldirektor mit einem Jahresnettoeinkommen
        on mehreren Millionen Euro, der Steuern in größerem
        mfang hinterzogen hat, eine Geldstrafe zu zahlen hat,
        ie auch ihn – jedenfalls im Ansatz – schmerzhaft trifft.
        amit schaffen wir mehr Gerechtigkeit.
        Gestatten Sie mir zum Abschluss noch folgende Be-
        erkung. Die Financial Times titelte gestern „Fall
        umwinkel schreckt ab“. Die Steuerskandale des ver-
        angenen Jahres haben bei den Deutschen zu einer leicht
        erbesserten Steuermoral geführt: Mittlerweile 57 Pro-
        ent der Bevölkerung sagen, sie würden „auf keinen Fall
        teuern hinterziehen“. Vor allem die Angst vor Entde-
        kung und Strafe schrecke ab. Das ist doch mal eine
        eldung, die die Gerichte, die Staatskasse und nicht zu-
        etzt uns Rechtspolitiker freuen dürfte.
        Jörg van Essen (FDP): Mich wundert, dass wir
        eute über ein Gesetz eine Debatte führen müssen, bei
        em wir in den Beratungen Einigkeit hatten. Mehr noch:
        ie in der letzten Sitzungswoche vom Bundesjustiz-
        inisterium vorgelegte Formulierungshilfe passierte den
        echtsausschuss ohne Debatte. Alle Fraktionen haben
        ugestimmt – nur Die Linke hat sich enthalten. Wieso
        un die heutige Debatte? Ist es nicht so, dass wir sehr
        iel dringendere Dinge haben als die – in der Tat überfäl-
        ige – Angleichung von Geldstrafen an die heutige Le-
        enswirklichkeit?
        Selbstverständlich – daran möchte ich hier keinen
        weifel lassen – sieht auch die FDP-Bundestagsfraktion
        ie Notwendigkeit einer Anpassung der Höchstgrenze
        ür Geldstrafen. Der Tagessatz liegt derzeit bei höchs-
        ens 5 000 Euro. Diese Höchstsumme ist seit Jahrzehn-
        en gleich geblieben. Die 1975 eingeführte Regelung ist
        m Lichte der Lebenswirklichkeit im Jahr 2009 damit in
        er Tat ungerecht. Dabei soll das in § 40 StGB normierte
        weiaktige System der Festlegung der Zahl der verwirk-
        en Tagessätze und ihrer Höhe gerade sicherstellen, dass
        ie Geldstrafe nicht nur dem Unrechts- und Schuldgehalt
        er Tat entspricht, sondern diese Strafe jeden Täter unge-
        chtet seiner finanziellen Leistungskraft grundsätzlich
        it gleicher Wirkung trifft. Es ist daher nur recht und
        illig, einem Täter mit einem hohen Nettoeinkommen
        in vergleichbares finanzielles Opfer abzuverlangen wie
        inem einkommensschwachen Täter. Die Anhebung der
        trafrechtlichen Tageshöchstsätze ist somit folgerichtig.
        amit wird der Entwicklung der vergangenen Jahre
        echnung getragen, dass die Menschen heute über ein
        eitaus höheres Nettoeinkommen verfügen, als dies
        och in den 70er-Jahren der Fall war.
        Ich verhehle nicht, dass ich im Lichte des zuvor Ge-
        agten auch Sympathien für den Ansatz des Bundesrates
        nd auch des DAV hatte, die Obergrenze vollkommen
        ufzuheben. Dies hätte den Vorteil, dass eine erneute
        22934 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. März 2009
        (A) )
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        Anpassung des § 40 StGB künftig nicht mehr notwendig
        werden würde. Auch würden mit der vollständigen Auf-
        hebung der Obergrenze alle Straftäter – auch mit extrem
        hohen Einkommen – nach ihrer vollen Leistungsfähig-
        keit belastet werden. Die FDP-Bundestagsfraktion
        nimmt aber den Hinweis der Bundesregierung auf
        Art. 103 Abs. 2 GG – Bestimmtheitsgrundsatz – sehr
        ernst. Es wäre nichts erreicht, wenn wir hier eine Rege-
        lung schaffen würden, die Gefahr liefe, mit dem Grund-
        gesetz unvereinbar zu sein. Der Rechtsprechung des
        Bundesverfassungsgerichts ist unbedingt Rechnung zu
        tragen.
        Der von dem Bundesjustizministerium vorgelegte
        Kompromissvorschlag ist ein guter und gangbarer Weg.
        Mit der jetzt gefundenen Regelung steigt der mögliche
        Höchstbetrag einer Geldstrafe auf 10,8 Millionen Euro
        bei einer Einzeltat und auf 21,6 Millionen Euro bei Tat-
        mehrheit. Das sind keine Peanuts!
        Ich möchte die Gelegenheit aber nutzen, auf die in der
        letzten Woche von dem Deutschen Institut für Wirt-
        schaftsforschung, DIW, vorgestellte Studie zu 40 Jahren
        Strafrechtsreform zu sprechen kommen. Diese zeigt zum
        einen die weiter zunehmende Bedeutung von Geldstra-
        fen. Sie zeigt damit, dass dieses Gesetzgebungsverfahren
        in der Praxis Bedeutung hat. Zum anderen kommt die
        Studie aber in meinen Augen zu einem sehr alarmieren-
        den Befund: Die Autoren der Studie kamen so unter an-
        derem zu dem klaren Schluss, dass es auf Täter negativ
        wirke, dass zunehmend Verfahren eingestellt werden.
        Das Problem ist: Seit der Strafrechtsreform 1969 hat die
        Zahl der Verfahrenseinstellungen massiv zugenommen.
        Vor diesem Ergebnis dürfen wir die Augen nicht ver-
        schließen! Die Überschrift „Verbrechen lohnt sich zu
        oft“ einer Tageszeitung zu der Studie hat mich sehr be-
        unruhigt.
        Abschreckend wirken nach Erkenntnissen der Studie
        vor allem hohe Aufklärungs- und Verurteilungsraten.
        Daher ist es essenziell, dass wir bei den Ermittlungsbe-
        hörden nicht den Rotstift ansetzen. Dass dabei gar nicht
        so sehr die Härte des Urteils die Kriminalitätsentwick-
        lung beeinflusst – das sage ich ganz bewusst in Richtung
        der Vertreter der Unionsfraktionen –, habe ich übrigens
        mit großem Interesse gelesen. Dieses werden wir bei
        manch kommender Diskussion über Strafrahmenver-
        schärfungen im Hinterkopf haben müssen. Vielmehr
        kommt die Studie zu dem klaren Ergebnis, dass Strafver-
        urteilung dann wirkt, wenn auf die Straftat die Strafe auf
        dem Fuße folgt. Eine Feststellung, die ich auch aufgrund
        meiner Erfahrung als früherer Oberstaatsanwalt nur un-
        eingeschränkt bestätigen kann. Hoher Verfolgungsdruck
        wirkt besser als hohe Strafrahmen. Wichtig ist gerade bei
        jungen Menschen, dass die Strafe auf dem Fuße folgt.
        Umso schlimmer ist es, wenn bei leichten und mittle-
        ren Delikten laut der Studie immer mehr Verfahren ein-
        gestellt werden. Die hohen Zahlen der Verfahrenseinstel-
        lungen sehe ich mit großer Sorge. Vorschnelle
        Verfahrenseinstellungen sind das falsche Signal an die
        Täter und ein Schlag ins Gesicht für die Opfer. Dies gilt
        umso mehr, als im Bereich der „kleinen Sünden“, also
        im Ordnungswidrigkeitenrecht, unbarmherzig zuge-
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        chlagen wird. Es ist heute leichter, bis in den Bereich
        er mittleren Kriminalität ungeschoren mit einer Verfah-
        enseinstellung wegen Geringfügigkeit ohne Geldauf-
        age davonzukommen als nach einem völlig belanglosen
        leinen Verstoß im Straßenverkehr. Auch da wird die
        erechtigkeit auf den Kopf gestellt. Es wird Zeit, dass
        ir den Abschnitt Rechtsfolgen der Tat im Strafgesetz-
        uch und im Ordnungswidrigkeitenrecht noch einmal
        enauer unter die Lupe nehmen. Hier besteht Hand-
        ungsbedarf.
        Ulrich Maurer (DIE LINKE): Mit dem vorliegenden
        esetzentwurf der Bundesregierung sollte das Höchstmaß
        ür einen Tagessatz bei einer Geldstrafe von 5 000 Euro
        uf 20 000 Euro angehoben werden. Die Beschlussemp-
        ehlung des Rechtssauschusses sieht nunmehr eine An-
        ebung auf 30 000 Euro vor. Wir werden uns enthalten,
        eil nicht einsichtig ist, warum es überhaupt eine Ober-
        renze gibt und weiter geben soll. Richtig wäre deren er-
        atzlose Streichung gewesen.
        Die Höhe eines Tagessatzes orientiert sich an den per-
        önlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Täters.
        abei soll das Gericht in der Regel das durchschnittliche
        ettoeinkommen, das der Täter an einem Tag hat oder
        aben könnte, zugrunde legen. Dies zielt auf die Herstel-
        ung von Opfergerechtigkeit bzw. -gleichheit. Der „Rei-
        he“ soll durch die Strafe möglichst gleich hart getroffen
        erden wie der „Arme.“ Dieses Ziel – das hat die Bun-
        esregierung zutreffend erkannt – ist mit einem Höchst-
        etrag von 5 000 Euro nicht zu erreichen. Man braucht
        ich lediglich die absurden Auswüchse bei der Manager-
        ergütung in Erinnerung zu rufen. Es gibt Menschen, die
        eutlich mehr als 5 000 Euro pro Tag verdienen.
        Es gibt aber (leider) auch Menschen, die mehr als
        0 000 Euro pro Tag verdienen, besser gesagt: bekom-
        en. Dass diese Menschen nicht nach ihrer tatsächlichen
        eistungsfähigkeit belangt werden sollen, ist grob unge-
        echt. Die materiell Privilegiertesten in dieser Gesell-
        chaft werden durch die künstliche Deckelung der
        öchstgrenze nochmals begünstigt. Dabei wird der
        Reiche“ die Geldstrafe ohnehin stets leichter verkraften
        ls der „Arme“, weil er über Möglichkeiten verfügt, die
        er „Arme“ nicht hat. Er hat Rücklagen und Ersparnisse,
        insetzbares sonstiges Vermögen, Sicherheiten für eine
        reditaufnahme und so weiter. Warum also die unan-
        tändig Reichen durch eine Obergrenze zusätzlich privi-
        egieren? Für unsere Fraktion sind keine überzeugenden
        ründe erkennbar.
        Die von der Bundesregierung vorgebrachten verfas-
        ungsrechtlichen Scheinargumente wurden vom Bundesrat
        seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf aus zutreffen-
        en Gründen zurückgewiesen. Die in Bezug genommene
        ntscheidung des Verfassungsgerichts zur Vermögens-
        trafe lässt sich auf den hier interessierenden Bereich
        icht übertragen. Die Haltung der Bundesregierung wäre
        ur verständlich, wenn sie annähme, dass Menschen mit
        inem Tageseinkommen von über 30 000 per se nicht
        riminell werden oder sich jedenfalls der Strafverfol-
        ung erfolgreich entziehen können.
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. März 2009 22935
        (A) )
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        Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Eine
        von einem Strafgericht verhängte Freiheitsstrafe trifft je-
        den Straftäter gleich. Ein Jahr Freiheitsentzug belastet
        jeden gleich, zumindest dem Grundsatz nach; denn Frei-
        heit und Lebenszeit sind grundsätzlich gleich viel wert.
        Bei einer Geldstrafe ist dies völlig anders. 1 000 Euro
        Geldstrafe sind für einen Armen sehr viel und für einen
        Reichen sehr wenig. Deshalb haben wir in Deutschland
        ein zweistufiges Geldstrafensystem. Zuerst wird die
        Geldstrafe einem Freiheitsentzug angenähert und erst in
        einer zweiten Stufe in Geld umgerechnet. In der ersten
        Stufe entscheidet das Gericht über die schuldangemes-
        sene Strafe von – in diesem Fall – 100 Tagen bzw. Ta-
        gessätzen. Danach wird das Tagesnettoeinkommen er-
        mittelt und mit der Anzahl der Tage multipliziert. Im
        Ergebnis ist ein Jahr Freiheitsstrafe immer ein Jahr Frei-
        heitsstrafe, aber 1 000 Euro Geldstrafe für einen können
        sehr wohl das Gleiche sein wie 15 000 Euro für einen
        anderen.
        Das geltende Recht kennt eine Höchstgrenze der Ta-
        gessätze von 360 und eine Höchstgrenze eines einzelnen
        Tagessatzes, also ein höchstes zu berücksichtigendes Ta-
        gesnettoeinkommen von 5 000 Euro. Diese Regelung
        bevorzugt alle Straftäter, die mehr als 5 000 Euro täglich
        netto einnehmen. Dies war vor Jahren ein Randproblem,
        ist es aber heute nicht mehr. Deshalb begrüßen wir Grü-
        nen den Gesetzentwurf, mit dem die Höchstgrenze des
        Tagesnettoneinkommens auf 30 000 Euro angehoben
        wird.
        Auf eine völlige Aufhebung der Obergrenze des
        Höchstsatzes hat die Bundesregierung verzichtet, um
        eventuellen Zweifeln an dem Bestimmtheitsgrundsatz
        im Sinne des Art. 103 Abs. 2 GG und der diesbezügli-
        chen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
        Rechnung zu tragen, obwohl sie selbst von diesen Zwei-
        feln nicht sehr überzeugt ist.
        Das sehen der Deutsche Richterbund und der Deut-
        sche Anwaltsverein anders. Sie meinen, dass eine zif-
        fernmäßige Begrenzung der Tagessatzhöhe nicht erfor-
        derlich sei und auch vom Bundesverfassungsgericht
        nicht gefordert werde. Zur Vorhersehbarkeit der Strafe
        reiche es aus, wenn die Tagessatzanzahl durch das Ge-
        setz bestimmt bleibe. Der DAV sieht bei Beibehaltung
        der Obergrenze sogar die Gefahr, dass auf unbeschränkte
        Geldauflagen ausgewichen wird und damit wieder mehr
        kurze Freiheitsstrafen verhängt werden.
        Verlassen wir doch einmal die intellektuell hochinteres-
        sante Verfassungsdebatte und mühen uns hinab in die Re-
        alität der Praxis. Bei einer Tagessatzhöhe von 30 000 Euro
        sprechen wir von einem monatlichen Nettogehalt von
        900 000 Euro. Das entspricht einem Jahreseinkommen
        von 10 800 000 Euro netto. Dieses Einkommen hat weder
        ein Josef Ackermann mit einer Jahresvergütung von brutto
        13,2 Millionen Euro noch ein Klaus Zumwinkel mit einem
        Einkommen von gut 4 Millionen Euro brutto. Selbst an-
        dere Spitzenmanager mit einem Jahresnettoeinkommen
        von 6 Millionen Euro bleiben mit einem Tagessatz von
        16 667 Euro weit unter der Höchstgrenze im Gesetzent-
        wurf; nicht zu vergessen, dass wir hier von Gehältern
        sprechen, die 0,001 Prozent der Bevölkerung erhalten.
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        b diese Spitzengehälter auch verdient sind, will ich in
        ieser Debatte nicht bewerten.
        Eine Anhebung der Höchstsätze ist wichtig und rich-
        ig. Die Höchstgrenze von 30 000 Euro reicht aus, um
        elbst sehr hohe Einkommen abzudecken und eine ge-
        echte Strafe zu verhängen. Wir werden diesem Gesetz
        eshalb zustimmen.
        Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
        esministerin der Justiz: Mit dem Ihnen heute vorliegen-
        en Gesetzentwurf wollen wir die Höchstgrenze des Ta-
        essatzes bei Geldstrafen von 5 000 auf 30 000 Euro
        nheben. Hierbei handelt es sich nur scheinbar um eine
        her unbedeutende Änderung in unserem Sanktionensys-
        em. Tatsächlich bedeutet diese Änderung: wieder mehr
        erechtigkeit bei der Verhängung von Geldstrafen und
        amit mehr Gerechtigkeit bei der Anwendung unseres
        trafrechts. Ich freue mich daher, dass der Entwurf bei
        en Beratungen im Rechtsausschuss eine breite und über
        ie Koalitionsgrenzen hinausgehende Zustimmung er-
        ahren hat.
        Was ist nun der Hintergrund der Anhebung des soge-
        annten Tagessatzes? Wir wollen mit der Anhebung der
        öchstgrenze des Tagessatzes auch Täter mit sehr hohen
        inkünften bei der Bemessung der Geldstrafe wieder an-
        emessen erfassen können. Es handelt sich hierbei um
        in Vorhaben, das wir unter anderem vor dem Hinter-
        rund des „Mannesmann-Verfahrens“ und der „Liech-
        enstein-Affäre“ angestoßen haben. Sollte sich aber he-
        ausstellen, dass strafrechtlich relevantes Fehlverhalten
        on Spitzenmanagern mitursächlich war für die aktuelle
        inanz- und Wirtschaftskrise, wäre dies ein weiterer Be-
        eg dafür, dass die vorgeschlagene Änderung notwendig
        st, um künftige Vorkommnisse dieser Art – Strafver-
        chärfungen können natürlich immer nur für die Zukunft
        irken – noch angemessener ahnden zu können.
        Dabei möchte ich allerdings gleich zu Beginn ein
        ögliches Missverständnis ausräumen: Selbstverständ-
        ich ändert der Entwurf nichts an der geltenden Rechts-
        age, wonach bei besonders schweren Taten eine Frei-
        eitsstrafe zu verhängen ist. Es geht also nicht etwa
        arum, dass sich reiche Täter von einer an sich gebote-
        en Freiheitsstrafe „freikaufen“ können. Mit dem Vor-
        chlag stellen wir vielmehr sicher, dass in den Fällen, in
        enen das Gericht eine Geldstrafe für angemessen und
        usreichend hält, es auch in Zukunft kein Gerechtig-
        eitsdefizit hinsichtlich der konkreten Höhe dieser Strafe
        ibt.
        Zum Verständnis der Änderung möchte ich kurz das
        m deutschen Strafrecht seit langem geltende sogenannte
        agessatzsystem erläutern: Eine gerechte Geldstrafe hat
        icht nur dem Schuldgehalt der Tat zu entsprechen, sie
        oll auch jeden Täter gleich schwer treffen. Deshalb
        uss der einkommensstarke Täter für dieselbe Tat eine
        nsgesamt höhere Geldstrafe zahlen als der einkommens-
        chwache. Daher bemisst das Gericht bei der Bestim-
        ung der Geldstrafe die Zahl der Tagessätze am
        nrechts- und Schuldgehalt der Tat; die Höhe des Tages-
        atzes legt es hingegen unter Berücksichtigung der wirt-
        chaftlichen Verhältnisse des Täters fest. Dabei geht es
        22936 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. März 2009
        (A) )
        (B) )
        in der Regel von dem Nettoeinkommen aus, das der Tä-
        ter durchschnittlich an einem Tag erzielt oder erzielen
        könnte.
        Belastungsgleichheit und damit materielle Gerechtig-
        keit können wir hier nur erreichen, solange nicht das täg-
        liche Nettoeinkommen des Täters die Obergrenze eines
        Tagessatzes – womöglich deutlich – übersteigt. Ein Spit-
        zenverdiener mit einem Jahresnettoeinkommen von über
        3 Millionen Euro und damit einem Tagesnettoeinkom-
        men von fast 9 000 Euro kann den derzeitigen Höchst-
        satz von 5 000 Euro in der Regel zwar auch nicht aus der
        berühmten „Portokasse“ bezahlen. Diese Sanktion ist für
        ihn aber nicht mehr vergleichbar spürbar wie für einen
        durchschnittlich verdienenden Täter, dessen Tagesnetto-
        einkommen von, sagen wir, 100 Euro durch einen ent-
        sprechenden Tagessatz von 100 Euro voll aufgezehrt
        wird.
        Die Erhebungen des Statistischen Bundesamts bele-
        gen nun – zusätzlich zu den eingangs erwähnten Ein-
        zelfällen –, dass die seit 1975 im Kern unveränderte
        Tagessatzobergrenze von 5 000 Euro – 1975 waren es
        10 000 DM – der heutigen Entwicklung von Spitzenein-
        kommen nicht mehr gerecht wird. Danach kann man
        selbst bei zurückhaltender Bewertung davon ausgehen,
        dass sich die Zahl der Personen, die über ein tägliches
        Nettoeinkommen von mehr als 5000 Euro verfügen, in
        den letzten dreißig Jahren mindestens verachtfacht hat.
        Während 1974 nur das Einkommen von 88 Steuerpflich-
        tigen klar über dieser Grenze lag, waren dies in den letz-
        ten Jahren deutlich mehr als 700 Personen. Natürlich
        wird es trotz dieses Anstiegs auch in Zukunft nur wenige
        Einzelfälle geben, in denen wir es mit Straftätern in die-
        ser extremen Einkommensklasse zu tun haben. Ich halte
        es aber für wichtig, dass unser Strafrecht gerade auch bei
        diesen wenigen, zumeist sehr publikumswirksamen Ein-
        zelfällen verdeutlicht, dass es besonders einkommens-
        starke Täter keinesfalls privilegiert, sondern auch hier
        eine angemessen hohe Strafe ermöglicht.
        Die vorgesehene Versechsfachung der Tagessatzober-
        grenze von 5 000 auf 30 000 Euro wird dies gewährleis-
        ten. Sie wird im Ergebnis dazu führen, dass als höchste
        mögliche Geldstrafe zukünftig ein Betrag von 10,8 Mil-
        lionen Euro bei einer Einzeltat und von 21,6 Millionen
        Euro bei mehreren Taten verhängt werden kann. Nur als
        Vergleich, ohne dass ich damit natürlich diese Berufs-
        gruppe unter den Verdacht stellen will, eine potenzielle
        Tätergruppe zu sein: Nach einer aktuellen Studie des
        Bundesanzeigers liegt das durchschnittliche Bruttoein-
        kommen eines Vorstandsvorsitzenden eines DAX-Unter-
        nehmens doch deutlich darunter, nämlich bei etwa
        5 Millionen Euro, inklusive Boni, was bei steuerlichen
        Abzügen von etwa der Hälfte circa 2,5 Millionen Euro
        netto bedeuten dürfte.
        Von einer völligen Aufhebung der Obergrenze haben
        wir hingegen bewusst abgesehen. Wir wollen damit et-
        waige Zweifel an der hinreichenden Bestimmtheit der
        Neuregelung von vorneherein ausschließen. In seiner
        recht restriktiven Entscheidung zur Vermögensstrafe
        – BverfG-Urteil vom 20. März 2002 (2 BvR 794/95) –
        hat das Bundesverfassungsgericht nämlich verlangt, dass
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        er Gesetzgeber dem Strafrichter bei der Strafzumes-
        ung grundsätzlich eine „fallunabhängige abstrakte Be-
        astungsobergrenze“ vorgeben müsse. Konkret zu § 43 a
        tGB hat das Bundesverfassungsgericht seinerzeit mo-
        iert, dass dieser auf einen „seinem Betrag nach von
        ornherein festgelegten Strafrahmen“ verzichte. Zwar
        prechen gute Gründe dafür, dass trotz dieser Vorgaben
        uch eine völlige Aufhebung der Obergrenze keinen
        erstoß gegen das Bestimmtheitsgebot darstellen würde.
        enn die vom Bestimmtheitsgrundsatz geforderte Fest-
        egung der Grenzen der Rechtsfolgen wird bei der Geld-
        trafe in erster Linie durch die Vorgabe eines festen
        ahmens für die Zahl der Tagessätze erfüllt. Dennoch
        ollten wir hier kein Risiko eingehen, zumal die jetzt
        orgesehene deutliche Erhöhung – ich hoffe, dies haben
        eine Ausführungen verdeutlicht – auch bei Tätern mit
        ehr hohen Einkommen in Zukunft wieder eine weitest-
        ehend belastungsgleiche Bestrafung ermöglichen wird.
        nlage 6
        Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung:
        – Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des
        Einlagensicherungs- und Anlegerentschädi-
        gungsgesetzes und anderer Gesetze
        – Antrag: Reform der Anlegerentschädigung
        in Deutschland
        – Beschlussempfehlung und Bericht: Verbrau-
        cherschutz auf den Finanzmärkten stärken
        (Tagesordnungspunkt 19 a bis c)
        Klaus-Peter Flosbach (CDU/CSU): Den uns
        orliegenden Gesetzesentwurf möchte ich in zwei
        bschnitte unterteilen: Der erste Teil ist die Umsetzung
        iner EU-Richtlinie vom Dezember 2008. Mit ihr soll-
        en, vor dem Hintergrund der Finanzkrise, Anleger von
        parguthaben und anderer Einlagen besser abgesichert
        erden. Ein wichtiger Schritt dazu ist die Aufstockung der
        esetzlichen Mindestdeckung für diese Einlagen. Sie soll
        b dem 30. Juni 2009 50 000 Euro statt zuvor 20 000 Euro
        etragen. Die bisherige 10-prozentige Selbstbeteiligung
        ällt komplett weg. Des Weiteren prüft die EU eine wei-
        ere Erhöhung der Mindestabdeckung auf 100 000 Euro.
        Eine zusätzliche Maßnahme wird sein, dass die Aus-
        ahlungsfristen an Sparer im Entschädigungsfall stark
        erkürzt werden sollen, von zuvor drei Monaten auf nun
        0 Werktage, in besonderen Fällen höchstens 30 Werk-
        age.
        Dieser Teil des Entwurfes entspricht größtenteils der
        U-Richtlinie und ist also entsprechend umzusetzen. In
        einen Augen ist das nicht sehr problematisch, Lassen
        ie mich aber trotzdem noch ein paar Anmerkungen
        azu machen.
        Erstens. Ich bin der Meinung, der komplette Wegfall der
        ns bekannten Selbstbeteiligung in Höhe von 10 Prozent
        m Falle einer Entschädigung sollte zumindest diskutiert
        erden. Die Abschaffung lähmt meiner Meinung nach
        ie Eigenverantwortung bei der Auswahl der Finanz-
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. März 2009 22937
        (A) )
        (B) )
        anlage. Es werden beim Kauf bestimmter Produkte Garan-
        tieversprechungen suggeriert, die nur die Bereitschaft
        stärken, ein höheres Risiko einzugehen. Eine Entschädi-
        gungseinrichtung werde im Notfall ja schon einspringen.
        Ich sehe hier eine ganz problematische Denkweise! Die
        Pleite des Wertpapierhandelsunternehmens Phoenix ist
        dafür das beste Beispiel. Auch hier wurden Anleger mit
        unseriösen Garantieversprechungen gelockt und betro-
        gen.
        Zweitens. Die Verkürzung der Frist, in der eine Insol-
        venz durch die Behörden festgestellt wird, soll sich auf
        fünf Tage reduzieren. Das finde ich schon sehr knapp. Das
        gilt auch für die Auszahlungsfrist von maximal 30 Tagen.
        Es ist zu prüfen, ob ein geordnetes Entschädigungsver-
        fahren mit dieser kurzen Frist überhaupt möglich ist.
        Lassen Sie mich nun zum zweiten Teil des Entwurfes
        kommen, zur Reform der Entschädigungseinrichtungen
        in der deutschen Finanzwirtschaft. In meinen Augen
        sollte dieser Teil von der doch relativ unproblematischen
        Umsetzung der EU-Richtlinie getrennt und in einem ei-
        genen Gesetz verabschiedet werden. Warum?
        Ich sehe hier noch einigen Diskussionsbedarf, denn das
        Thema Anlegerentschädigung ist einfach sehr komplex.
        Außerdem ist das Problem Phoenix, bei dem Anleger auf
        betrügerische Weise getäuscht und mit Garantieverspre-
        chungen gelockt wurden, immer noch nicht gelöst. So
        lange können wir auch nicht eine Anlegerentschädigungs-
        einrichtung – genauer die Entschädigungseinrichtung für
        Wertpapierhandelsunternehmen, kurz EdW – reformieren.
        Mindestens drei gerichtliche Verfahren sind noch anhän-
        gig und die Entschädigungsmodalitäten immer noch
        nicht richtig geklärt. Erst muss dieses Problem gelöst sein,
        dann kann auch die entsprechende Einrichtung reformiert
        werden.
        Dieser Teil des Gesetzesentwurfes hat noch einige
        weitere kritische Punkte: Erstens. Es soll unter anderem
        ein sogenanntes risikoorientiertes Beitragssystem einge-
        führt werden, mit dem sich die Entschädigungseinrichtun-
        gen in Zukunft finanzieren sollen. Eine gute Idee, aber
        welche Höhe werden diese Beiträge wohl haben? Gibt es
        einen Grundbeitrag plus einen Anteil vom Umsatz? Aber
        was ist mit den kleinen Wertpapierunternehmen? Zu hohe
        Beiträge können schnell die Existenz gefährden. Das
        könnte kritisch werden. Deshalb sollte uns recht bald ein
        Vorschlag für eine geplante Beitragsordnung vorliegen.
        Zweitens. Der Entwurf enthält keine Versicherungs-
        lösung für Vermögensverwalter. Das sind Institutionen,
        die im Auftrag Vermögen verwalten und anlegen. Wa-
        rum keine Versicherungslösung? Nach Aussagen des
        Bundesfinanzministeriums wäre diese nicht konform mit
        EU-Recht. Das ist nach meinen Informationen nicht nach-
        vollziehbar. Eine Zwangsmitgliedschaft für Vermögens-
        verwalter, wie sie die EU-Richtlinie vorsieht, bedeutet
        doch nicht, dass diese nicht durch eine Versicherung er-
        setzt werden könnte. Solch eine Haftpflichtversicherung
        ist in den meisten freien Berufen schon längst üblich und
        vorgeschrieben. Das wäre auch für die Vermögens-
        verwalter ein geeignetes Modell. Eine solche Haft-
        pflichtversicherung muss weiter geprüft werden.
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        Drittens. Wie sieht es mit der Nachhaftung für ausge-
        chiedene Mitglieder aus? Was passiert nach Festsetzung
        es Entschädigungsfalls? Dieser Punkt ist weiter unklar.
        Die nächsten Gespräche werden zeigen, wie wir in
        eutschland die Einlagensicherung und Anlegerentschä-
        igung noch besser reformieren können.
        Jörg-Otto Spiller (SPD): Der große Themenkom-
        lex „Lehren aus der Finanzmarktkrise“, also etwas pau-
        chal gesagt: die Frage nach dem international zu verab-
        edenden und national umzusetzenden Regelwerk, das
        ur Wiederherstellung von Stabilität und Vertrauen ge-
        ignet ist, wird den Bundestag in den nächsten Monaten
        nd vermutlich über die Wahlperiode hinaus noch aus-
        iebig beschäftigen. Bei dem Teilaspekt des Sparer- und
        inlagenschutzes, um den es im vorliegenden Gesetzent-
        urf geht, ist der Entscheidungs- und Handlungsbedarf
        rfreulicherweise weitaus geringer. Denn die Kunden-
        inlagen bei deutschen Kreditinstituten sind seit langem
        o gut abgesichert wie kaum irgendwo sonst auf der
        elt. Bei nahezu allen deutschen Kreditinstituten geht
        ie Einlagensicherung auch wesentlich über das Maß hi-
        aus, das Gesetz und EU-Richtlinie als Mindestabsiche-
        ung vorschreiben.
        Einer unbeschränkten Garantie unterliegen die Kun-
        enforderungen an Sparkassen und Genossenschaftsban-
        en. Denn alle Sparkassen haben sich verpflichtet, falls
        ötig, füreinander einzustehen und keine Sparkasse in-
        olvent werden zu lassen. In diesen Haftungsverbund
        ind übrigens auch die Landesbausparkassen einbezo-
        en. Ganz ähnlich konzipiert ist die Bestandssicherung
        er Genossenschaftsbanken. Die meisten – allerdings
        icht alle – privaten Banken gehören freiwillig dem Ein-
        agensicherungsfonds des Bundesverbandes deutscher
        anken an. Auch er bietet ein sehr hohes Maß an Absi-
        herung. Geschützt sind alle Einlagen von sogenannten
        ichtbanken, also von Privatpersonen, Wirtschaftsunter-
        ehmen und öffentlichen Stellen. Zu den gesicherten
        uthaben gehören neben den Sicht-, Spar- und Termin-
        inlagen auch auf den Namen lautende Sparbriefe, aller-
        ings keine Inhaberpapiere wie zum Beispiel Inhaber-
        chuldverschreibungen und -zertifikate.
        Summenmäßig gibt es formal eine Begrenzung. Pro
        unde werden Einlagen bis zu insgesamt 30 Prozent des
        aftenden Eigenkapitals seiner Bank garantiert. In der
        raxis heißt das, der Schutz ist summenmäßig so gut wie
        nbegrenzt. Denn schon die kleinste Bank in Deutsch-
        and benötigt, um überhaupt zugelassen zu werden, ein
        igenkapital von 5 Millionen Euro. Selbst bei einem so
        leinen Institut gilt also ein Schutz von 1,5 Millionen
        uro pro Kunde. Die gesetzlich bisher vorgeschriebene
        indestgarantie von bis zu 20 000 Euro pro Kunde ist
        esentlich geringer. Für die Kunden der meisten deut-
        chen Banken wird sich materiell also durch die Neure-
        elung nichts ändern.
        Vor allem soll mit dem Gesetzentwurf die Änderung
        er EU-Einlagensicherungsrichtlinie in deutsches Recht
        mgesetzt werden, auf die sich die EU im Dezember
        008 aufgrund der weltweiten Finanzmarktkrise geeinigt
        at. Spätestens ab dem 30. Juni 2009 soll die Mindest-
        22938 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. März 2009
        (A) )
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        deckung für Einlagen auf 50 000 Euro angehoben und
        die bisherige Selbstbeteiligung von Anlegern in Höhe
        von 10 Prozent abgeschafft werden. Ab dem 31. Dezem-
        ber 2010 ist eine weitere Anhebung auf 100 000 Euro
        und eine Verkürzung der Auszahlungsfrist auf höchstens
        30 Arbeitstage vorgesehen.
        Der Gesetzentwurf zielt auch darauf ab, die Entschädi-
        gungseinrichtungen in Deutschland krisenfester zu ma-
        chen. Er enthält verbesserte Regelungen zur Früherken-
        nung von Risiken und der Schadensprävention. Um die
        Gefahr des Eintritts eines Entschädigungsfalls besser
        einzuschätzen, werden die Entschädigungseinrichtun-
        gen verpflichtet, bei den ihnen zugeordneten Instituten
        regelmäßig Prüfungen vorzunehmen.
        Frank Schäffler (FDP): Vor etwas mehr als einem
        Jahr haben wir hier den Antrag der FDP-Fraktion „Kon-
        sequenzen aus dem Entschädigungsfall Phoenix GmbH“
        – Bundestagsdrucksache 16/5786 – diskutiert. Die An-
        legerentschädigungsrichtlinie der EU, die Grundlage für
        das deutsche System der Anlegerentschädigung ist, be-
        trifft die Verbindlichkeiten aus Wertpapiergeschäften.
        Die deutsche Umsetzung im Einlagensicherungs- und
        Anlegerentschädigungsgesetz ist jedoch nicht tragfähig,
        wie der Fall Phoenix zeigt. Bereits vor einem Jahr war
        die Untätigkeit der Koalition in diesem Entschädigungs-
        fall mit 30 000 betroffenen Anlegern skandalös. Den-
        noch wurde unser Antrag von allen Fraktionen abge-
        lehnt. Seitens der Koalition wurde auf ein Gutachten
        verwiesen, das man abwarten wolle. Sie haben das Gut-
        achten nicht nur abgewartet, sondern direkt nach der
        Vorlage des Gutachtens, das umfassenden Reformbedarf
        bei der Anlegerentschädigung nachgewiesen hat, weiter
        gewartet.
        Was die Bundesregierung für die heutige Beratung
        vorgelegt hat, ist – soweit es die Anlegerentschädigung
        betrifft – ein reines Mini-Reparaturgesetz. Die Bundes-
        regierung hat in Person der Entschädigungseinrichtung
        der Wertpapierhandelsunternehmen, EdW, vor dem
        Verwaltungsgericht Berlin im September 2008 eine kra-
        chende Niederlage erlitten. Die Erhebung der Sonderbei-
        träge bei den Zwangsmitgliedern der EdW ist rechtswi-
        drig. Darauf reagiert die Bundesregierung nun mit
        kleinen Korrekturen im Bereich der Anlegerentschädi-
        gung. Das Grundproblem, dass die EdW nicht tragfähig
        ist, wird dadurch nicht gelöst. Selbst wenn die Erhebung
        der Sonderbeiträge auf dieser Grundlage vor Gericht Be-
        stand hätte, wäre die EdW dennoch nicht in der Lage, die
        Entschädigung im Fall Phoenix zu finanzieren. Wir for-
        dern daher eine umfassende Reform der Anlegerentschä-
        digung.
        Wir fordern aber auch, dass die Bundesregierung end-
        lich ein Konzept vorlegt, wie der Fall Phoenix gelöst
        werden kann. Die Bundesregierung steht deshalb in der
        Verantwortung, weil sie das unzureichende deutsche
        Anlegerentschädigungsgesetz und die Schlamperei der
        Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, BaFin,
        politisch zu vertreten hat. Sie muss handeln, damit die
        Unsicherheit über drohende existenzgefährdende Son-
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        erbeiträge endlich von den EdW-Mitgliedern genom-
        en wird.
        Sie muss auch handeln, damit die betroffenen Anleger
        ndlich ihr Geld bekommen. Diese Menschen wollten
        uf Nummer sicher gehen und haben sich auf die Aus-
        age, 20 000 Euro seien gesetzlich geschützt, verlassen.
        iese Anleger dürfen Sie nicht länger im Regen stehen
        ssen. Das Verhalten seitens der Bundesregierung und der
        oalition ist nicht hinnehmbar: Statt einer vernünftigen
        ntschädigung gibt es nur Teilentschädigungen, die wie
        m Lotterieverfahren innerhalb von zweieinhalb Jahren
        usgezahlt werden sollen. Wer Glück hat, bekommt sein
        eld jetzt, wer Pech hat, muss warten. Aber das
        chlimmste ist, dass Sie tatenlos zusehen, wie diese Bür-
        er nun Post vom Finanzamt bekommen: Sie sollen ihr
        erlorenes Geld auch noch versteuern. Das zeigt die Ab-
        urdität der Politik dieser Koalition.
        Dr. Axel Troost (DIE LINKE): Die Bundesregierung
        ill die gesetzlich gesicherte Mindestsumme für Spar-
        inlagen und Wertpapiere erhöhen. Ab dem 30. Juni
        009 sollen 50 000 Euro pro Person garantiert sein, ab
        em 1. Januar 2011 sogar 100 000 Euro. Bisher lag der
        esicherte Betrag bei maximal 20 000 Euro.
        Gewöhnlich mag man denken, wir hätten es mit ei-
        em Fortschritt zu tun. Tatsächlich jedoch ist es nicht der
        erbraucherschutz, der dieses Gesetz angestoßen hat.
        ir laufen sogar Gefahr, als Steuerzahlerinnen und Steu-
        rzahler zur Kasse gebeten zu werden. Um diesen
        usammenhang zu verdeutlichen, erzähle ich zunächst
        twas zum Hintergrund des Gesetzes. Anschließend
        omme ich auf die entscheidende Frage, wie zahlungsfä-
        ig die Einlagen- und Wertpapiersicherung ist. Diese
        rage bekommt umso mehr Gewicht, als wir uns in einer
        rise befinden.
        Zum Hintergrund des Gesetzes: Die Finanzwelt steckt
        ereits mitten in der Krise, da verkündet Kanzlerin
        ngela Merkel in ihrer Regierungserklärung: „Kein Spa-
        er muss um seine Einlagen fürchten. Diese Zusage gilt.“
        as war am 7. Oktober 2008. Nach diesem Versprechen
        rage ich mich, warum wir über ein Gesetz reden, das
        inter diese Zusage zurückfällt. Aber es soll nicht meine
        ufgabe sein, die Widersprüche der Regierung zu recht-
        ertigen. Fakt ist: Die Europäische Kommission will nun
        inen Wettlauf um die besten Garantien verhindern und
        eshalb die Mindestsumme europaweit anheben. Das
        iel dabei lautet: Bürgerinnen und Bürger zu beruhigen,
        amit sie ihr Geld bei den Banken lassen. Denn für die
        anken wäre es möglicherweise fatal, würden Kundin-
        en und Kunden zuhauf ihre Konten räumen.
        Doch unumgänglich stellt sich hier die folgende
        rage: Wie zahlungsfähig ist die Einlagen- und Wertpa-
        iersicherung? Und: Wer zahlt, wenn der Sicherungs-
        onds erschöpft ist? Alle deutschen Einlagensicherungen
        usammengenommen – gesetzliche wie freiwillige –
        önnten keinen Einlagenverlust bei der Deutschen Bank
        uffangen. Weltweit ist kein Einlagensicherungssystem
        n der Lage, Schieflagen bei größeren Geldhäusern zu
        eheben. Die Fonds sind einzig dazu angelegt, Schwie-
        igkeiten bei kleinen und mittleren Instituten auszuglei-
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. März 2009 22939
        (A) )
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        chen. Wie sollen sie da krisentauglich sein? Der Jahres-
        beitrag je Kreditinstitut ist hierzulande nicht mehr als ein
        symbolischer Obolus: 0,008 Prozent der Verbindlichkei-
        ten gegenüber Kundinnen und Kunden. Bei der Wertpa-
        piersicherung ist es ähnlich.
        Symbolisch bleiben auch die im Gesetzentwurf vor-
        gesehenen Nachbesserungen zum Fondsvolumen der ge-
        setzlichen Einlagensicherung. Zwar soll der Fonds Son-
        derbeiträge fordern und Kredite aufnehmen dürfen. Für
        anfallende Zins- und Tilgungszahlungen können wie-
        derum Sonderzahlungen erhoben werden. Doch alles zu-
        sammen darf das Fünffache des Jahresbeitrags nicht
        überschreiten. Mehr sei nicht zumutbar. Der unbe-
        schränkte Rest wird stattdessen den Steuerzahlerinnen
        und Steuerzahlern zugemutet, wenn verlorene Einlagen
        eingefordert werden. Geht es um Bürgerinnen und Bür-
        ger, handelt die Regierung nach dem Motto: Den letzten
        beißen die Hunde. Geht es um die Regulierung von Ban-
        ken, handelt sie – trotz blumiger Rhetorik – zahnlos.
        Die Linke hat einen zusätzlichen Sicherungsfonds für
        private Finanzinstitute vorgeschlagen, den diese selbst
        finanzieren: Die Finanzinstitute könnten sich untereinan-
        der vor Insolvenz schützen und damit automatisch zum
        Erhalt der Einlagen beitragen. Alle anderen Parteien ha-
        ben diesen Antrag als unnötig abgelehnt. Wer allerdings
        Stabilität will, kommt nicht umhin, glaubwürdig und
        konsequent zu regulieren. Er kommt nicht umhin, Ein-
        kommen sozial gerecht zu verteilen, statt Vermögensbla-
        sen zu produzieren und zu erhalten. Er kommt nicht um-
        hin, die Sozialisierung von Verlusten zu verhindern. Das
        wäre wahrer Schutz der Bürgerinnen und Bürger, ob als
        Verbraucherin oder als Steuerzahler.
        Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
        Der vorliegende Entwurf der Bundesregierung eines Ge-
        setzes zur Änderung des Einlagensicherungs- und Anle-
        gerentschädigungsgesetzes (EAEG) macht es sich zur
        Aufgabe, das deutsche System der Sicherungseinrich-
        tungen auf eine europarechtskonforme und finanziell
        tragfähige Grundlage zu stellen. Dazu sollen einerseits
        die aktuellen Vorgaben der europäischen Richtlinie
        2009/14/EG vom 11. März 2009 zur Änderung der Ein-
        lagensicherungssysteme im Hinblick auf die Deckungs-
        summe und Auszahlungsfrist umgesetzt werden. Ande-
        rerseits sollen neben der Einlagensicherung auch
        Nachbesserungen am System der Anlegerentschädigung
        bei Wertpapierdienstleistungen erfolgen.
        Diese Zielvorgaben begrüßen wir außerordentlich.
        Eine Reform des unübersichtlichen und unpraktikablen
        Systems der deutschen Einlagensicherungs- und Anleger-
        entschädigung fordern wir Grüne seit langem. Sie ist
        überfällig. Im Bereich der Anlegerentschädigung durch
        die Entschädigungseinrichtung der Wertpapierhandels-
        unternehmen (EdW) hat die Bundesregierung bereits in
        Ausschusssitzungen im Frühjahr 2007 konzediert, das
        EAEG sei unzulänglich. Seitdem ließen Nachbesserun-
        gen auf sich warten.
        Bei der Einlagensicherung hat die Finanzmarktkrise
        eindrucksvoll bewiesen, dass das bestehende System
        ebenfalls mangelhaft ist und einer grundlegenden Über-
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        rbeitung bedarf. Die politische Erklärung der Bundes-
        egierung einer Garantie für die Spareinlagen der Bürge-
        innen und Bürger im Oktober 2008 mochte vorläufige
        icherheit suggerieren. Sie ersetzt aber keinesfalls eine
        echtlich verbindliche Lösung zugunsten der Bürgerin-
        en und Bürger. Auch enthält eine solche politische Zu-
        icherung keinerlei Aussage darüber, auf welchem Wege
        ine solche Absicherung sinnvoll und über die akute
        otlage hinaus tragfähig installiert werden kann.
        Der nun im Gesetzentwurf vorgeschlagene Weg zur
        erbesserung des jetzigen Systems der Einlagensiche-
        ung und Anlegerentschädigung vermag in keiner Weise
        u überzeugen. Diese punktuellen Änderungen sind
        lickschusterei und Garant dafür, dass das System beim
        ächsten Ausfall eines Institutes aus dem Einlagen- oder
        ertpapieranlagebereich erneut kollabiert. Leidtra-
        ende solcher halbherzigen Änderungsvorschläge sind
        ie Bürgerinnen und Bürger, Investoren und Kommu-
        en, die bei kommenden Turbulenzen um die Sicherheit
        hres Geldes bangen müssen, statt sich auf eine zeitnahe
        ntschädigung verlassen zu können.
        Lassen Sie mich zunächst einige Punkte hinsichtlich
        er vorgesehenen Änderungen im Bereich der Einlagen-
        icherung ausführen, bevor ich mich den Vorschlägen
        ur Reformierung der EdW zuwende. Dass die De-
        kungssumme von der EU zunächst auf 50 000 Euro
        ochgesetzt wird und insbesondere der Selbstbehalt der
        parer von 10 Prozent entfällt, ist eine vertrauensbil-
        ende Maßnahme, die wir begrüßen. Auch dass die Aus-
        ahlungsfrist verkürzt wird, sehen wir als positive Stär-
        ung des Verbraucherschutzes auf Finanzmärkten.
        Fraglich ist jedoch, ob eine schlichte Anhebung der
        eckungssumme – ohne die Tragfähigkeit des Systems
        u überdenken – eine geeignete Lösung des Problems
        arstellt. Diese Frage stellt sich insbesondere bei der
        eiteren vorgesehenen Anhebung auf 100 000 Euro ab
        em Jahr 2011. Es mutet fast wie ein Freud’scher Ver-
        precher an, wenn die EU-Richtlinie 2009/14/EG dazu
        n Erwägungsgrund drei ausführt, dass diese Aufsto-
        kung davon abhängig gemacht wird, ob eine zu erstel-
        ende Folgenabschätzung zu dem Schluss gelangt, dass
        ine solche Erhöhung für alle Mitgliedstaaten finanziell
        ragbar ist. Hier zeigt sich implizit die Annahme, dass
        olche Summen die Tragfähigkeit der Sicherungssys-
        eme überfordern könnten und im Zweifel doch wieder
        er Staat einzuspringen hat. Wir werden uns hier im par-
        amentarischen Verfahren dafür einsetzen, dass konkret
        estgelegt wird, wie ein System auszusehen hat, das aus
        igener Kraft solche Entschädigungssummen bewerk-
        telligen kann.
        Dass es gegenwärtig jedenfalls nicht funktioniert, hat
        er Fall der Lehman Brothers Bankhaus AG offenbart,
        u dessen Behebung der Einlagensicherungsfonds der
        eutschen Banken Garantien des Sonderfonds Finanz-
        arktstabilisierung (SoFFin) in Anspruch nehmen
        usste. Und auch die aktuellen Probleme bei der Aus-
        ahlung der Gelder von deutschen Kundinnen und Kun-
        en der isländischen Kaupthing Bank führen vor Augen,
        ass das System nicht ausreichend durchdacht ist bezie-
        ungsweise schlichtweg nicht adäquat funktioniert. Zu-
        22940 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. März 2009
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        gegeben ist der Staatsbankrott Islands und die Finanz-
        marktkrise eine außergewöhnliche Situation. Aber das
        Mindeste, was man von der Bundesregierung fordern
        muss, ist, dass die gesammelten Erfahrungen genutzt
        und für eine Reform des EAEG fruchtbar gemacht wer-
        den. Diese Konsequenzen sucht man im vorliegenden
        Gesetzentwurf indes vergeblich.
        Das gleiche Bild ergibt sich bei Betrachtung desjeni-
        gen Teils des EAEG, der die Änderungen bei der Ent-
        schädigungseinrichtung der Wertpapierhandelsunterneh-
        men, EdW, enthält. Hier muss bei Nachbesserungen der
        Präzedenzfall Phoenix Kapitaldienst GmbH den Orien-
        tierungsmaßstab bilden. Die Anleger von Phoenix
        warten seit über vier Jahren auf die Entschädigungsleis-
        tungen durch die EdW, und die EdW-pflichtigen Wert-
        papierdienstleister wurden durch plötzlich erhobene
        Sonderbeiträge oder die nunmehr angedachte Finanzie-
        rung mittels Darlehensaufnahme an den Rand der Insol-
        venz geführt. Dass ein solches System dem Grunde nach
        völlig verkehrt und mit hoher Wahrscheinlichkeit gar eu-
        roparechtswidrig konzipiert ist, muss auf der Hand lie-
        gen. Die Bundesregierung beschreibt den Handlungsbe-
        darf allerdings überraschend wie folgt: „Auch hat die
        Entschädigungspraxis gezeigt, dass eine Konkretisie-
        rung der bestehenden Regelungen über die Finanzierung
        der Entschädigungseinrichtung sinnvoll ist.“ (Gesetzent-
        wurf Seite 1, A. Problem und Ziel). Das ist eine Verken-
        nung der Tatsachen. Es bedarf keiner Konkretisierungen
        bestehender Regelungen. Es bedarf eines kompletten
        Überdenkens der bestehenden Strukturen des deutschen
        Sicherungssystems zumindest im Bereich der Entschädi-
        gungseinrichtung für Wertpapierhandelsunternehmen.
        Die EdW scheint für sich gesehen nicht finanziell tragfä-
        hig. Das aber war und ist Vorgabe der EU-Richtlinie. In-
        dem die Bundesregierung die explizite Möglichkeit der
        Kreditaufnahme bei fehlender Entschädigungsmasse
        vorsieht, wird das Problem lediglich in die Zukunft ver-
        lagert. Es ist nicht nachvollziehbar, warum die Bundes-
        regierung hier diverse aufgezeigte Lösungsansätze eines
        eigens in Auftrag gegebenen Gutachtens nicht berück-
        sichtigt.
        Auch ein weiteres Zuwarten unter Verweis auf derzeit
        laufende Konsultationsverfahren der EU im Bereich der
        Entschädigungseinrichtung bei Wertpapierdienstleistern
        verbietet sich. Denn erstens resultieren die Probleme der
        EdW vor allem aus den nationalen Besonderheiten des
        grundsätzlich sinnvollen Aufbaus des Bankensystems in
        drei Säulen. Und zweitens ist durch die Finanzmarkt-
        krise die Wahrscheinlichkeit gestiegen, dass es bei den
        der EdW zugehörigen Unternehmen zeitnah zu weiteren
        Ausfällen kommt. Schließlich zeigt der Gesetzentwurf
        zur Änderung des EAEGs auch keine Lösung für das
        Problem, dass die Entschädigungszahlungen im Fall
        Phoenix auch deshalb seit vier Jahren auf sich warten
        lassen, weil Auszahlungen unter Hinweis auf das noch
        laufende Insolvenzverfahren zurückgehalten wurden.
        Das EAEG muss dringend festschreiben, dass Auszah-
        lungen unabhängig von laufenden Insolvenzverfahren
        möglich sind. Es ist den Betroffenen nicht zumutbar,
        Jahre auf die Entschädigung zu warten, nur weil Rechts-
        streitigkeiten im Insolvenzverfahren noch anhängig sind;
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        ies schon deshalb nicht, weil Forderungen aus der In-
        olvenzmasse erfahrungsgemäß nur zu marginalen Tei-
        en befriedigt werden können.
        Kurzum, wir begrüßen den Ansatz der EU, durch eine
        eform der Einlagensicherung das durch die Finanz-
        arktkrise gebeutelte Vertrauen der Bürgerinnen und
        ürger wieder herzustellen. Der vorliegende Gesetzent-
        urf der Bundesregierung enthält aber nicht die notwen-
        igen Konzeptverbesserungen, um die ambitionierten
        orgaben der EU – höhere Einlagendeckung und kurz-
        ristige, unbürokratische Auszahlungen – praxistauglich
        mzusetzen. Auf diesem Weg geht man nicht gestärkt
        us der Krise hervor, sondern zementiert Strukturen auf
        öherem Niveau, die sich bereits als nicht funktionsfähig
        ntlarvt haben.
        Der Vollständigkeit halber sei abschließend ange-
        erkt, dass wir die vorgesehene Neuregelung in § 7
        ertpapierhandelsgesetz begrüßen, die den grenzüber-
        chreitenden Informationsaustausch der Aufsichtsbehör-
        en bezüglich der Handelsplätze für Strom, Gas und an-
        ere Waren stärkt. Eine rein nationale Aufsicht wird der
        truktur dieser Märkte nicht gerecht.
        nlage 7
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur
        Stärkung der Sicherheit in der Informationstech-
        nik des Bundes (Tagesordnungspunkt 21)
        Clemens Binninger (CDU/CSU): Wir zählen heute
        ehr als 1,4 Milliarden Internetnutzer weltweit – weit
        ber 40 Millionen davon in Deutschland. Damit hat sich
        ie Zahl der Menschen, die regelmäßig im Internet un-
        erwegs sind, seit 2000 weit mehr als verdoppelt. Allein
        as zeigt, wie stark sich die Informations- und Telekom-
        unikationswelt in den letzten Jahren verändert hat.
        irtschaftliche Aktivitäten und staatliches Verwaltungs-
        andeln sind in hohem Maße von einer funktionierenden
        T-Infrastruktur abhängig. Genau das trifft auch auf die
        rivate Nutzung zu. Die Informations- und Kommunika-
        ionstechnologie ist mittlerweile eine zentrale Vorausset-
        ung für das Funktionieren unseres Gemeinwesens. Von
        hr sind weitere Infrastrukturen etwa in den Bereichen
        nergie- und Wasserversorgung oder auf dem Verkehrs-
        ektor abhängig. Deshalb stellen gezielte kriminelle An-
        riffe auf die IKT-Infrastruktur eine ganz erhebliche Ge-
        ahr dar. Die Attacke auf das Computersystem Estlands
        007 zeigt, welch schwerwiegende Folgen solche An-
        riffe haben können. Vor zwei Jahren wurden in Estland
        ie Websites von Regierung und Parlament manipuliert
        nd lahmgelegt. Außerdem wurde das IT-System einer
        er größten Banken des Landes gestört, sodass der Zah-
        ungsverkehr für zwei Tage ausgesetzt werden musste.
        eitere Bereiche waren betroffen.
        Das Bundesamt für Sicherheit in der Informa-
        ionstechnik – über das wir heute sprechen – ist als IT-
        ienstleister des Bundes für die IT-Sicherheit in
        eutschland zuständig. Das Bundesamt für Sicherheit in
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. März 2009 22941
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        der Informationstechnik untersucht und bewertet Sicher-
        heitsrisiken und schätzt vorausschauend auch die Auswir-
        kungen neuer Entwicklungen ab. Dazu muss es auch zu-
        künftig die notwendigen Kompetenzen haben. Internet-
        Banking, e-Commerce, e-Government, diverse Kommu-
        nikationsplattformen und soziale Netzwerke im Internet
        sind neben der reinen Informationsbeschaffung schon
        lange Bestandteil fester Alltagsgewohnheiten rund um
        den Erdball. Angesichts der rasanten Entwicklung der
        letzten Jahre auf diesem Sektor ergeben sich Aufgaben
        und Erwartungen an das BSI, die sich in der heute gülti-
        gen gesetzlichen Grundlage nicht mehr widerspiegeln.
        Das BSI-Errichtungsgesetz wurde 1990 verabschiedet,
        ist 1991 in Kraft getreten und seither im Wesentlichen
        unverändert geblieben. Deshalb wollen wir mit dem
        heute von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzent-
        wurf die Rechtsgrundlage für die Arbeit des BSI refor-
        mieren und an die Anforderungen von heute und morgen
        anpassen. Damit wird das BSI auch in Zukunft zu einem
        hohen Sicherheitsstandard für die IT-Struktur des Bun-
        des und darüber hinaus beitragen können.
        Sichere und verfügbare Kommunikationsnetze sind
        für staatliches Verwaltungshandeln unverzichtbar, des-
        halb schaffen wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf
        die Grundlage für einheitliche Sicherheitsstandards und
        klare Kompetenzen im Bereich IT-Systeme innerhalb
        der Bundesverwaltung.
        Das BSI wird befugt, technische Vorgaben und ver-
        bindliche Mindeststandards für die Sicherung der Infor-
        mationstechnik innerhalb der Bundesverwaltung zu ma-
        chen. Das betrifft auch Richtlinien für die Beschaffung
        von IT-Produkten. Darüber hinaus werden die heute
        schon existierenden Regelungen zur Zertifizierung durch
        das BSI modernisiert und neben der reinen Produktzerti-
        fizierung auch auf die Zertifizierung von Personen und
        Dienstleistungen ausgeweitet. Das BSI kann so private
        IT-Dienstleister prüfen und zertifizieren sowie deren
        Eignung und Zuverlässigkeit bestätigen. Das ist für
        Wirtschaft und Verwaltung gleichermaßen von Bedeu-
        tung, kaufen doch Unternehmen und zunehmend auch
        Behörden Komplettlösungen, die bis zur vollständigen
        Auslagerung der IT reichen. Die Prüfung von Kompe-
        tenz und Vertrauenswürdigkeit eines Dienstleisters wird
        hier einen erheblichen Qualitätsschub bewirken.
        In diesem Zusammenhang mit diesen Vorgaben wird
        das BSI innerhalb der Bundesverwaltung Maßnahmen
        umsetzen können, um Gefahren, die von Schadprogram-
        men auf die Kommunikationsinfrastruktur von Bundes-
        behörden ausgehen, abzuwehren. Bisher war das BSI
        lediglich beratend tätig ohne eigene Befugnisse, die es
        ermöglichen würden, ohne Anforderung aktiv zu wer-
        den. Das soll jetzt geändert werden. Darüber hinaus soll
        das BSI als zentrale Meldestelle des Bundes für IT-
        Sicherheit Informationen über Sicherheitslücken, Schad-
        programme und neue Angriffsmuster sammeln und aus-
        werten und diese Erkenntnisse an die betroffenen Stellen
        weitergeben.
        Die Entwicklung der Informations- und Kommunika-
        tionssysteme hat nicht nur positive Seiten – darüber le-
        sen wir jeden Tag. 1983 wurde im Rahmen einer wissen-
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        chaftlichen Arbeit das erste Computervirus entwickelt,
        as dann – einmal eingespeist – Programme eigenstän-
        ig veränderte. Heute wird davon ausgegangen, dass
        wischen 60 000 und 100 000 Computerviren existieren,
        ie sich über das World Wide Web innerhalb kurzer Zeit
        erbreiten können. Hinzu kommen weitere Computer-
        chädlinge wie Trojanische Pferde oder Würmer. Nicht
        ur die Zahl von Schadprogrammen ist aus meiner Sicht
        esorgniserregend, sondern auch ihre neue Qualität. Im-
        er häufiger werden Schadprogramme nicht mehr dazu
        erwandt, unmittelbaren Schaden anzurichten, der be-
        erkbar wird. Vielmehr verbreiten sich solche Pro-
        ramme unbemerkt und zielen darauf, Daten dauerhaft
        uszuspionieren, um etwa Passworte, Kreditkarteninfor-
        ationen oder Zugangsdaten zu erhalten, die dann bei-
        pielsweise an andere Kriminelle verkauft werden. Der
        ekämpfung dieser Form der Internetkriminalität wird
        n einer Zeit, in der digitale Informationen eine immer
        rößere Bedeutung haben, notwendigerweise ein höhe-
        er Stellenwert zukommen müssen.
        Deshalb sieht der vorliegende Gesetzentwurf auch
        nderungen des Telekommunikationsgesetzes und des
        elemediengesetzes vor. Im Telekommunikationsrecht
        ird die Bundesnetzagentur im Benehmen mit dem BSI
        nd dem Bundesdatenschutzbeauftragten in der Lage
        ein, Sicherheitsanforderungen für Anbieter von Tele-
        ommunikations- und Datenverarbeitungssystemen zu
        rstellen. Diese sollen Grundlage für die Sicherheitskon-
        epte von Telekommunikationsprovidern werden. Hier-
        urch soll der Schutz des Fernmeldegeheimnisses auch
        urch technische Maßnahmen gewährleistet werden.
        Durch eine Änderung des Telemediengesetzes wird
        elemediendienstanbietern die Befugnis eingeräumt,
        utzungsdaten für Zwecke der Sicherheit ihrer techni-
        chen Einrichtungen zu erheben und zu verwenden. Im
        egensatz zu den Telekommunikationsprovidern, die
        ntsprechende Daten zum Erkennen, Eingrenzen oder
        eseitigen von Störungen erheben können, besteht hier
        ei den sogenannten Telemedienanbietern, also etwa
        uch den Betreibern von Internetseiten, eine Rechtslü-
        ke. Das ist ein erhebliches Problem, das immer mehr an
        edeutung gewinnt, denn Angriffe auf Telemedienange-
        ote nehmen zu, sei es, um Internetangebote zu manipu-
        ieren oder angebotene Leistungen zu stören. Eine erheb-
        iche Gefahr besteht hier aber nicht nur durch die
        chädigung von angebotenen Diensten. Vielmehr sind
        mmer häufiger sogenannte Drive-By Infections zu
        eobachten, also dass auf PCs der Besucher einer Seite
        eimlich Schadprogramme installiert werden, die sich
        ann weiter verbreiten. Das heißt, die Angriffsstrategien
        erändern sich und damit auch die Sicherheitsziele von
        ienstanbietern. Es geht nicht mehr nur um Selbstschutz
        egen Manipulationen oder Verfügbarkeitsstörungen,
        ondern heute müssen Systeme auch gegen Angriffe ge-
        chützt werden, die diese Systeme nur als Zwischensta-
        ion nutzen. Zur Erkennung und Abwehr bestimmter
        ngriffe ist also die kurzfristige Speicherung und Aus-
        ertung der Nutzungsdaten notwendig. Durch die Ände-
        ung des Telemediengesetzes soll auch für diese Fälle
        echtssicherheit geschaffen werden. Die strenge Zweck-
        indung der Daten nach dem Telemediengesetz bleibt
        22942 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. März 2009
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        dabei unangetastet. Eine Datenverarbeitung ist nur zu-
        lässig, soweit und solange dies für die Absicherung der
        Technik tatsächlich erforderlich ist.
        IT-Sicherheit ist eine dynamische Aufgabe mit sich
        verändernden Anforderungen und Problemen. Mit dem
        vorliegenden Gesetz zur Stärkung der Sicherheit in der
        Informationstechnik des Bundes stellen wir sicher, dass
        das BSI in Zukunft in der Lage ist, seine Aufgabe erfolg-
        reich zu erfüllen. Es wird ein Beitrag geleistet zu mehr
        Sicherheit in der Informations- und Kommunika-
        tionstechnologie.
        Frank Hofmann (Volkach) (SPD): Jeder von uns hat
        gemerkt, ohne PC läuft hier nichts. Das gilt aber nicht
        nur für den Bundestag, das gilt für unsere gesamte Ge-
        sellschaft, für die Verkehrsmittel (siehe Ausfall der
        Computer bei der Deutschen Bahn im Februar), für un-
        sere bargeldlosen Zahlungen, für die Versorgung mit
        Energie oder Wasser.
        Wir sind abhängig von der Sicherheit unserer Infor-
        mations- und Kommunikationstechnologie. Und wer
        kümmert sich maßgeblich um diese Sicherheit? Soweit
        es den Bund und die Bundesbehörden betrifft: das BSI.
        Was ist das? Das Bundesamt für Sicherheit in der Infor-
        mationstechnologie. Kurz gesagt BSI. Das BSI wurde
        1991 gegründet. Vorläufer war Mitte der 1950er-Jahre
        die Zentralstelle für das Chiffrierwesen, die dem BND
        unterstellt war. Und direkter Vorgänger war die Zentral-
        stelle für die Sicherheit in der Informationstechnik, die
        1989 aus der Zentralstelle für das Chiffrierwesen (ZfCh)
        hervorging. Seit 1991 heißt diese Bundesbehörde nun
        BSI, ist mit 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dem
        Bundesministerium des Innern (BMI) unterstellt und be-
        schäftigt sich mit der Sicherheit in Anwendungen, kriti-
        schen Infrastrukturen und dem Internet, mit Kryptogra-
        fie und Abhörsicherheit, mit Zertifizierung, Zulassung
        und Konformitätsprüfungen sowie mit neuen Technolo-
        gien.
        Nun hat sich seit 1991 der Internetverkehr und die
        Gefahrenlage quantitativ und qualitativ verändert. Das
        Schadens- und Katastrophenpotenzial, die Verletzlich-
        keit des Staates und der Gesellschaft ist immens ange-
        stiegen. Verändern muss sich deshalb auch der Schutz
        vor Computerattacken. Der vorliegende Gesetzesent-
        wurf will darauf eine Antwort geben.
        Dass die Bundesregierung die Chance ergreift, sich
        gegen Cyberattacks zu wehren, ist notwendig und erfor-
        derlich. Dass man neuartige, bisher unbekannte An-
        griffsmuster erkennen muss, steht ebenfalls außer Zwei-
        fel. Es ist deshalb ein sinnvolles Vorhaben, dafür neue
        Grundlagen zu legen. Die erste Frage muss sein: Kann
        der Bund seine EDV so aufstellen, dass eine möglichst
        geringe Gefahr durch Schadprogramme entsteht?
        Ist eine Bündelung der EDV richtig, wie wir sie bei
        der Telekommunikationsüberwachung nunmehr im Bun-
        desverwaltungsamt vornehmen? Wird dadurch der Staat
        nicht noch stärker angreifbar? Damit will ich zum Aus-
        druck bringen, dass man präventiv nicht erst ansetzen
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        uss bei Befugnissen für das BSI, sondern bereits im
        orfeld.
        Mit diesem Gesetzesentwurf wird das ganze BSI-Er-
        ichtungsgesetz abgelöst. Es soll etwas völlig Neues ent-
        tehen. Das BSI soll Gefahrenabwehrbehörde, Prüfbe-
        örde, Zertifiziererbehörde und Anbieter von IT-
        icherheitsprodukten sein. Alles wird beim BSI zentrali-
        iert. Kann das richtig sein? Der Gesetzesentwurf geht
        avon aus, dass alle eingehenden Datenverkehre bei
        undesbehörden (mit Ausnahme Bundespräsidialamt,
        undestag, Bundesrechnungshof etc.) automatisch ge-
        cannt werden und die Protokolldaten für eine gewisse
        eit gespeichert werden. Ist es notwendig, dass diese
        atenverkehre offen gespeichert werden, oder könnten
        iese nicht auch pseudonymisiert oder anonymisiert
        erden? Geht es in erster Linie um die Gefahrenabwehr,
        ann kommt es weniger auf den Adressaten an. Geht es
        m die Feststellung der Täter und deren Hintermänner,
        ann muss man natürlich die Adressaten rückverfolgen
        önnen. Der vorliegende Gesetzesentwurf hat dies nicht
        efriedigend gelöst.
        Soll das BSI bei der Weitergabe von Daten an Straf-
        erfolgungsbehörden und Verfassungsschutz (§ 5
        bs. 4) so weit gehen dürfen, dass auch nicht erhebliche
        traftaten gemeldet werden können, wenn sie mittels Te-
        ekommunikation begangen wurden? An welche Krimi-
        alitätsbereiche denkt man hierbei? Ist hier nicht eine
        ushöhlung von Art. 10 GG zu erwarten?
        Interessant finde ich, dass auch die Datenverkehre des
        undesamtes für Datenschutz und Informationstechnik
        escannt werden sollen. Hier fehlt das Fingerspitzenge-
        ühl. Der Bürger muss mit dem Datenschutzbeauftragten
        neingeschränkt und unbeeinträchtigt kommunizieren
        ürfen. Deshalb muss man hier für andere Lösungen sor-
        en.
        In § 5 Abs. 6 regelt der Gesetzentwurf den Kernbe-
        eich privater Lebensgestaltung. Danach soll das BMI
        iesen Kernbereichsschutz gewährleisten. Es wird keine
        enaue Funktionsstelle genannt. Es kann aber doch nicht
        ein, dass es irgendjemand aus dem Innenministerium
        acht, Fahrbereitschaft oder Pforte. Hier ist der Gesetz-
        ntwurf schlampig. Mit diesem minimalen Kernbe-
        eichsschutz fällt man in Zeiten zurück, in denen dies
        or dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur
        nlinedurchsuchung Rechtsauffassung im Innenministe-
        ium gewesen sein könnte. Aber heute ist das doch
        ängst überholt. Weshalb man im Zusammenhang mit
        iesem Gesetzesentwurf in Art. 3 auch noch das Teleme-
        iengesetz ändern will, ist für mich nicht nachvollzieh-
        ar. Eine pauschale Befugnisnorm für Diensteanbieter
        ollte vermieden werden. Ohne intensive und breite Aus-
        inandersetzung, juristisch, technisch und ökonomisch,
        ann ich diesem Gesetzesentwurf nicht zustimmen.
        Petra Pau (DIE LINKE): Kein Freibrief zur Überwa-
        hung.
        Erstens. Man versuche sich unsere Gesellschaft, ins-
        esondere die Wirtschaft, aber auch die Verwaltung ohne
        oderne Informationstechnik vorzustellen. Es wird
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. März 2009 22943
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        nicht gelingen. Denn ohne moderne Informationstechnik
        ständen „alle Räder still“, um ein altes Bild zu bemühen.
        Deshalb ist es nachvollziehbar, dass der Bund für seine
        Informationstechnik höchste Sicherheitsstandards an-
        strebt.
        Zweitens. Das ist der Sinn des vorliegenden Gesetz-
        entwurfs und des Bundesamtes für Sicherheit in der In-
        formationstechnik (BSI). Der Gesetzentwurf umfasst in
        vier Artikeln zwölf Paragrafen mit zahlreichen Unter-
        punkten. Sie alle scheinen einleuchtend, auch wenn sie
        nicht auf den ersten Blick überschaubar sind. Insofern
        könnte man meinen: „Je sicherer, desto besser!“ Wäre da
        nicht ein versteckter Pferdefuß.
        Drittens. Fast alles, was geregelt werden soll, betrifft
        die interne Informationstechnik und die inneren Infor-
        mationssysteme des Bundes. Sofern weitere Behörden
        betroffen sein könnten, werden die Kompetenzen des
        BSI beschrieben bzw. Grenzen gesetzt. Auch das klingt
        vertrauenswürdig. Allerdings nur bis zum Verweis auf
        das Telemediengesetz, konkret § 15 Abs. 9.
        Viertens. Dort heißt es:
        Soweit erforderlich, darf der Diensteanbieter Nut-
        zungsdaten zum Erkennen, Eingrenzen oder Besei-
        tigen von Störungen seiner für Zwecke seines
        Dienstes genutzten technischen Einrichtungen erhe-
        ben und verwenden.
        Hier geht es nicht mehr um interne Systeme von Bundes-
        behörden, sondern um allgemeine Anbieter von Internet-
        leistungen, und die können Google, Yahoo oder anders
        heißen.
        Fünftens. Im Klartext: Das Gesetz zur internen
        Sicherheit des Bundes ermächtigt externe Anbieter, Nut-
        zungsdaten zu erheben, zu speichern und gegebenenfalls
        weiterzumelden. Damit würde das Surfverhalten von In-
        ternetnutzern registriert und kontrolliert, und das alles
        ohne konkreten Verdacht. Das wäre ein Freibrief zur
        Überwachung aller Internetnutzer. Einem solchen Ge-
        setzentwurf wird die Fraktion Die Linke nicht zustim-
        men.
        Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
        Die Ära Schäuble wird als die Ära der neuen zentralen
        Überwachungs- und Kontrollbehörden in die Annalen
        eingehen. Das belegt auch dieses vorliegende Gesetz.
        Bisher war das Bundesamt für die Sicherheit in der
        Informationstechnik vor allem für die Prüfung von IT-
        Strukturen, von Programmen und Geräten zuständig. Es
        hatte also vor allem eine forschende und beratende
        Funktion. In dieser Funktion hat das Amt auch weithin
        anerkannte Arbeit geleistet und zur Verbesserung der
        Sicherheit der Informationsverarbeitung im öffentlichen,
        aber auch im privaten Bereich viel beigetragen.
        In seinem angestammten Bereich soll das BSI neue
        Kompetenzen bekommen. Es soll Warnungen zu be-
        kannten Sicherheitsproblemen veröffentlichen, Vorga-
        ben für IT-Systeme des Bundes machen und nationale
        Zertifizierungsstelle im IT-Bereich werden. Das ist im
        Prinzip zu begrüßen, denn eine Stärkung der IT-Sicher-
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        eit ist angesichts der Sensibilität der verarbeiteten Da-
        en und des immer noch wachsenden IT-Einsatzes ein
        ichtiges Ziel. Aber schon hier stellen sich Fragen: Das
        SI „kann“ nach dem Entwurf Warnungen zu Sicher-
        eitslücken veröffentlichen. Es sollte doch zumindest
        er Regelfall sein, dass es über solche Lücken infor-
        iert! Natürlich sind gewisse Ausnahmen und eine ge-
        isse Flexibilität im Verfahren erforderlich – zum Bei-
        piel zuerst den Hersteller zu warnen und eine Lösung zu
        ntwickeln. Es fragt sich auch, warum der Rat der IT-Be-
        uftragten der Ministerien eine so starke Rolle bekom-
        en soll. Es muss doch selbstverständlich sein, dass
        undesbehörden in der Pflicht sind, die Vorgaben des
        SI, die ja nicht leichtfertig gemacht werden, umzuset-
        en. Hier ist zu befürchten, dass ressorteigene Prioritäten
        llzu oft über die Sicherheitsbelange gestellt werden.
        enn man IT-Sicherheit ernst meint, ist das zu wenig.
        Besonders kritisch müssen aber die neuen Analyse-
        nd Überwachungskompetenzen des BSI gesehen wer-
        en. Das Amt erhält zur Gefahrenabwehr weitgehende
        echte, um die in der Kommunikation mit den Bundes-
        ehörden anfallenden Daten zu analysieren. Aber da
        eht es nicht nur um harmlose Dinge, zum Beispiel um
        -Mails von Bürgerinnen und Bürgern an Behörden.
        ier weiß der Bürger, dass er mit dem Staat kommuni-
        iert. Doch die Struktur des Internet ist so, dass die an
        en sogenannten Schnittstellen der Kommunika-
        ionstechnik des Bundes anfallenden Daten auch ohne
        eden Zusammenhang mit den Bundesbehörden sein
        önnen. Die gutwillige Lesart ist: Hier wird eine auto-
        atisierte Auswertung vorgesehen – sprich, die Kon-
        rolle eingehender Post durch Virenscanner. Wird etwas
        efunden, darf der Absender identifiziert werden. Nur,
        enn man genau das meint, dann muss man das auch so
        ormulieren. Aber so wie es in diesem Entwurf steht,
        ind auch weit weniger harmlose Eingriffe möglich. Und
        enn das gewollt ist, dann stimmt der häufig gemachte
        orwurf, dass hier eine allgemeine E-Mail-Überwa-
        hungsbehörde geschaffen werden soll.
        Und selbst bei dieser gutwilligen Lesart gibt es reich-
        ich Kritikpunkte: Warum werden die persönlichen Da-
        en nicht pseudonymisiert? Wieso gibt es für die nicht-
        utomatisierte Verarbeitung der persönlichen Daten kei-
        en Richtervorbehalt? Wir sprechen hier immerhin vom
        esen persönlicher Post, es geht also potenziell um kern-
        ereichsrelevante Inhalte! Und – ganz besonders frag-
        ürdig – warum um alles in der Welt soll ausgerechnet
        as BMI berechtigt werden, in Zweifelsfällen zu ent-
        cheiden, ob der Kernbereich betroffen ist oder nicht?
        a fällt kaum noch auf, dass auch die Benachrichtigung
        er Betroffenen viel zu lax gehandhabt wird.
        Es fragt sich auch ganz generell: Warum wird in die-
        em Gesetz sehr wenig über die Pflicht der Behörden ge-
        agt, zunächst die eigenen IT-Systeme optimal zu schüt-
        en? Denn ob Schadsoftware oder sonstige Angriffe
        irken, hängt doch zuallererst davon ab. Da sollte es
        icht die erste Maßnahme sein, den eingehenden Daten-
        erkehr zu filtern, sondern die Angriffsfläche zu reduzie-
        en. Dann sind auch viel weniger Abwehrmaßnahmen
        nd Eingriffe in den Datenverkehr erforderlich! Die per-
        onenbezogenen Daten, die das BSI so erhebt, dürfen
        22944 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. März 2009
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        auch an Polizei- und Geheimdienstbehörden weitergege-
        ben werden. Das Problem liegt darin: Die Schwelle ist
        hier viel zu niedrig gewählt! Denn es geht dabei nicht
        nur um schwere Verbrechen, sondern um jede Straftat,
        die mittels Telekommunikation begangen wird! Da wird
        dann aus der Behörde, die IT-Expertise sammeln sollte,
        endgültig eine Hilfsbehörde zur Strafverfolgung!
        Neben diesen systematischen Mängeln springen zwei
        weitere Einzelpunkte ins Auge: Warum werden manche
        unabhängigen Bundesbehörden wie das Bundespräsi-
        dialamt und der Rechnungshof ausgenommen – der ganz
        besonders auf vertrauliche und integere Kommunikation
        angewiesene Bundesdatenschutzbeauftragte aber nicht?
        Schließlich enthält das Gesetz eine Änderung des Tele-
        mediengesetzes, die es Dienstanbietern erlaubt, Nut-
        zungsdaten über die normalen Zwecke hinaus zu spei-
        chern und zu verarbeiten, auch wieder begründet mit der
        Abwehr von Schadprogrammen und Ähnlichem, aber
        auch wieder zu weit und zu offen formuliert. Denn so,
        wie es jetzt im Entwurf steht, ist auch die Erstellung von
        Surfprofilen möglich.
        In dieser Form ist das Gesetz abzulehnen. Es hat zu
        viele Lücken und bietet unzulänglichen Schutz für die
        Bürgerinnen und Bürger.
        Anlage 8
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur
        Änderung des Gesetzes zur Errichtung einer
        „Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden
        Europas“ (Tagesordnungspunkt 39 e)
        Monika Grütters (CDU/CSU): Vor zehn Jahren be-
        schloss der Deutsche Bundestag das Gesetz zur Errich-
        tung des Denkmals für die ermordeten Juden Europas.
        Vor zehn weiteren Jahren bereits war der „Förderkreis
        zur Errichtung eines Denkmals für die ermordeten Juden
        Europas“ gegründet worden. Heute debattieren wir da-
        rüber, die Verantwortung der daraus entstandenen Stif-
        tung um das Denkmal für die im Nationalsozialismus
        verfolgten Homosexuellen und das Denkmal für die
        Sinti und Roma zu erweitern sowie die Stiftung in die
        übliche Struktur vergleichbarer Institutionen zu überfüh-
        ren.
        Nach mehr als zehn Jahren kontroverser Debatte über
        die Notwendigkeit eines eigenständigen Holocaust-
        Mahnmals in Berlin, über den Ort und die Form des Ge-
        denkens sowie nach fast vier Jahren seit der Eröffnung
        ist die öffentliche Meinung einhellig: Weltweit gilt das
        Denkmal für die ermordeten Juden Europas mittlerweile
        als Erfolg.
        1,7 Millionen Gäste haben seit der Eröffnung im Mai
        2005 bis Ende letzten Jahres den Ort der Information des
        Holocaust-Mahnmals besucht. Im Spätsommer 2009
        wird der zweimillionste Besucher in der Ausstellung er-
        wartet. Die Zahl der täglichen Besucher des Stelenfeldes
        kann die Stiftung schon lange nicht mehr zählen. Seit
        2006 kamen rund 460 000 Besucher jährlich in den un-
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        erirdischen Ort der Information. Mehr als die Hälfte der
        nteressierten kommt aus Deutschland, die anderen vor
        llem aus Israel, Polen und den USA. An einigen Tagen
        ind es weit mehr als 2 000 Gäste, die die Ausstellung
        esichtigen. 2 300 Führungen, Workshops und Projekt-
        age wurden in den vergangenen zwei Jahren an Schüler-
        nd Erwachsenengruppen vermittelt.
        Zum Vergleich: Zwischen 500 000 und 600 000 schätzt
        ie Stiftung der Gedenkstätte Buchenwald die Zahl der
        ährlichen Besucher ihrer weiträumigen Anlage. Das In-
        eresse an betreuten Besuchen ist von 2002 bis 2008
        ontinuierlich um 15 000 Teilnehmer angestiegen. Auch
        ie geschätzte Besucherzahl der Gedenkstätte Sachsen-
        ausen in unmittelbarer Hauptstadtnähe ist im vergange-
        en Jahr von 350 000 auf mehr als 400 000 gestiegen.
        ie Anzahl der Führungen, der Teilnehmer insgesamt
        nd der Anteil ausländischer Besucher haben sich eben-
        alls signifikant erhöht. Die Befürchtungen, die Errich-
        ung eines zentralen Holocaust-Mahnmals könne
        egative Auswirkungen auf die Wahrnehmung der au-
        hentischen Orte des nationalsozialistischen Verbrechens
        aben, haben sich also keinesfalls bestätigt. Das Gegen-
        eil lässt sich eher vermuten: Wer die Berliner Mitte be-
        ichtigt, besucht heute selbstverständlich auch das
        ahnmal für die ermordeten Juden. Das sind natürlich
        eit mehr Gäste, als diejenigen, die die außerhalb touris-
        ischer Zentren liegenden KZ-Gedenkstätten besuchen.
        s ist naheliegend, dass das Interesse des einen oder an-
        eren Besuchers des Mahnmals für die KZ-Gedenkstät-
        en erst durch dieses Erlebnis in Berlin geweckt wurde.
        Eindrucksvoller als nüchterne Besucherzahlen berich-
        en jedoch die Einträge im Gästebuch der Stiftung vom
        rfolg ihrer Erinnerungs- und Versöhnungsarbeit:
        Thanks for this impressing and shocking visit. Every
        tudent, every people should be here once, to not forget“,
        chrieb der damalige EU-Kommissar Franco Frattini.
        Erschütternd und zutiefst beeindruckend! Die persönli-
        he Nähe durch die Dokumentation einzelner Opfer war
        ür mich am prägendsten“, notierte eine deutsche Besu-
        herin. „Thank you for doing this, even though I believe
        his matter could never be forgotten“, hinterließ die
        nkelin von Isac Weizman aus Tel Aviv. Kindern des
        indertransports hat der Besuch in der Ausstellung Auf-
        chluss über das Todesdatum der Eltern gegeben.
        Auch das Ergebnis einer Schülerumfrage im Sommer
        006 bestätigt das Denkmalsanliegen: Neun von zehn
        ugendlichen werteten den Mahnmalsbau als Zeichen
        on Stärke und Selbstbewusstsein im Umgang mit der
        eutschen Schuld. Der unterirdische Ort der Information
        eherbergt eine der eindrucksvollsten Gedenkstätten
        erlins. In der Konzentration auf Namen, Familienbio-
        rafien und Orte wird hier jüdisches Leben in ganz
        uropa ebenso vergegenwärtigt wie dessen Zerstörung
        nd Auslöschung. Unterstützt mit Mitteln des privaten
        ördervereins konnte die Stiftung inzwischen insgesamt
        400 Biografien recherchieren, die im Raum der Namen
        or dem Vergessen bewahrt werden und auch im Internet
        ugänglich sind.
        Ende vergangenen Jahres eröffnete die Stiftung das
        ideoarchiv mit den Geschichten betroffener Zeitzeu-
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. März 2009 22945
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        gen. Rund tausend Videozeugnisse der in der Universität
        Yale gesammelten Erinnerungen Überlebender in der
        ganzen Welt sind hier nun aufgearbeitet und digitalisiert
        einzusehen. Diese aktive Erinnerungsarbeit ist ebenso
        wichtig wie das stille Gedenken. Denn der Moment ist
        nicht mehr fern, an dem der letzte Überlebende ver-
        stummt sein wird.
        In der kurzen Zeit des Dauerbetriebes beteiligte sich
        die Stiftung darüber hinaus an der Erarbeitung zweier
        Sonderausstellungen gemeinsam mit anderen Gedenk-
        stätten und Einrichtungen und veranstaltete eindrucks-
        volle Vortrags-, Gesprächs- und Zeitzeugen-Abende.
        Sechs verschiedene Workshops für Schülergruppen und
        zwei für größere Zielgruppen stehen neben Führungen
        und Projekttagen für das museumspädagogische Ange-
        bot des Denkmals.
        Es ist nur folgerichtig, endlich umzusetzen, was be-
        reits seit Gründung der Stiftung vorgesehen war: die
        Geschäftsordnung der anderen Denkmale durch die
        „Stiftung für das Denkmal für die ermordeten Juden
        Europas“ erledigen zu lassen. Mit der Kabinettsvorlage
        vom 14. Januar dieses Jahres sollen demnach in die
        überzeugende Stiftungsarbeit zur Erinnerung und Ver-
        söhnung mit den Opfern des nationalsozialistischen Ter-
        rors und ihren Angehörigen nun auch das räumlich und
        gestalterisch korrespondierende Mahnmal für die vom
        Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen und das
        entstehende Mahnmal für die Sinti und Roma am nord-
        östlichen Rande des Tiergartens in die Denkmalsarbeit
        der vorhandenen Stiftung mit einbezogen werden.
        Faktisch betreut die Stiftung bereits das Denkmal für
        die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen.
        Die Feier zur Übergabe an die Öffentlichkeit am 27. Mai
        2008 wurde von der Stiftung organisiert. Technisch unter-
        stützt sie die dort im Rahmen des Berliner Christopher
        Street Days und des Gedenktages am 27. Januar stattfin-
        denden Veranstaltungen. Darüber hinaus zeichnet die
        Stiftung für Begleitmedien (Faltblatt und Materialien-
        band) verantwortlich und bemüht sich, das Denkmal in
        Zusammenarbeit mit dem Schwulen Museum Berlin und
        dem LSVD in die Bildungsarbeit der Stiftung einzube-
        ziehen.
        Das Denkmal für die im Nationalsozialismus ermor-
        deten Sinti und Roma soll bis September 2009 errichtet
        und der Öffentlichkeit übergeben werden. Der offizielle
        Baubeginn am 19. Dezember 2008 wurde von der Stif-
        tung organisiert. Ein entsprechendes Faltblatt zum
        Denkmal erstellt sie in Absprache mit BKM und dem
        Künstler Dani Karavan bis zur Eröffnung.
        Die Errichtung eigener Gedenkstätten für unter-
        schiedliche Opfergruppen des Nationalsozialismus folgt
        dem Respekt vor den Betroffenen und ihrem Wunsch
        nach einer eigenen Form des Erinnerns und Gedenkens.
        Sowohl das Mahnmal für die ermordeten Juden Europas
        als auch die Denkmäler für die verfolgten Homosexuel-
        len und Sinti und Roma verdanken ihre Entstehung und
        Umsetzung in staatlicher Verantwortung jeweils einer
        bürgerschaftlichen Initiative und der engagierten Vertre-
        tung durch die Betroffenengruppen.
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        Dieses notwendige Miteinander gesellschaftlicher
        räfte macht politisches Agieren auf dem Feld des Ge-
        enkens und Erinnerns aber auch so anspruchsvoll; denn
        ier sollte immer auch ein parteiübergreifender Aus-
        leich der Ansichten und Interessen gesucht werden.
        ber alle strittigen Diskussionen über das Wie des Ge-
        enkens hinweg sollte der mittlerweile stabile Konsens
        icht übersehen werden, in dem die Auseinandersetzung
        it der Vergangenheit heute in der Bundesrepublik grün-
        et. Ich möchte dazu nur an die gemeinsame Entschlie-
        ung der Fraktionen der CDU/CSU, der SPD, der FDP
        nd Bündnis 90/Die Grünen zur „Fortschreibung der Ge-
        enkstättenkonzeption des Bundes“ durch den Beauf-
        ragten der Bundesregierung für Kultur und Medien im
        erbst vergangenen Jahres erinnern. Bei der organisato-
        ischen Einbindung der Denkmale für die verfolgten
        omosexuellen sowie die Sinti und Roma in die „Stif-
        ung Denkmal für die ermordeten Juden Europas“ müs-
        en natürlich die Vertreter der Opfergruppen gehört wer-
        en. Grundsätzlich sind jedoch eine gemeinsame
        erwaltung, der Betrieb und die Pflege der Mahnmale
        ine naheliegende Lösung. Die Individualität des jewei-
        igen Gedenkens für die Betroffenengruppen und die öf-
        entliche Wahrnehmung bleiben davon unberührt.
        Über die Art der Einbindung der Vertreter einzelner
        pfergruppen in die betreuenden Gremien der Stiftung
        ollte noch einmal gemeinsam nachgedacht werden.
        ine von einigen angeregte Änderung des Namens der
        tiftung kann ich mir allerdings nicht vorstellen.
        Gleichzeitig mit der Erweiterung der Verantwortung
        oll die Stiftung durch die Gesetzesänderung nach Been-
        igung der Aufbauphase des Denkmals für die ermorde-
        en Juden Europas nun in die Organisationsstruktur ver-
        leichbarer Einrichtungen überführt werden.
        Der im Stiftungszweck formulierte gesetzliche Auf-
        rag, den Entwurf des Stelenfeldes von Peter Eisenman
        nd den ergänzenden Ort der Information zu verwirkli-
        hen, wurde inzwischen in vollem Umfang umgesetzt.
        ur Fortführung der erfolgreichen Stiftungsarbeit soll
        as Gesetz in einigen Punkten geändert und den Erfor-
        ernissen des Dauerbetriebes angepasst werden.
        Dazu gehört neben anderem die Abschaffung des
        reiköpfigen Vorstands. Seine Aufgaben sowie die der
        isherigen Geschäftsführung sollen nun in dem neuen
        rgan des Direktors oder der Direktorin zusammenge-
        ührt werden. Damit wird die Stiftung wie auch an ande-
        er Stelle üblich zukünftig von drei Organen geleitet:
        em Kuratorium, einem Direktor oder einer Direktorin
        nd dem Beirat. Darüber hinaus wird der engagierten,
        umeist auf der Grundlage eingeworbener Spendenmit-
        el des „Förderkreises Denkmal für die ermordeten Ju-
        en Europas“ bereits geleisteten Arbeit im Stiftungs-
        weck Rechnung getragen. Die Stiftung erhält nun den
        esetzlichen Auftrag, wechselnde Sonderausstellungen,
        ortrags- und Seminarveranstaltungen durchzuführen
        nd begleitende Publikationen im notwendigen Umfang
        u erstellen. Damit erkennt die Bundesregierung die bis-
        erigen Stiftungsaktivitäten ausdrücklich an.
        Die Auseinandersetzung um die Denkmale der ver-
        chiedenen Opfergruppen des nationalsozialistischen
        22946 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. März 2009
        (A) )
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        Terrorregimes macht deutlich: Nationales Gedenken
        lässt sich weder amtlich formulieren, noch behördlich
        regeln. Gleichwohl sind Erinnern und Gedenken weder
        Privatsache noch rein bürgerschaftlich zu bewältigen.
        Sie sind immer eine öffentliche Angelegenheit, und das
        heißt in staatlicher Gesamtverantwortung. In der Bun-
        desrepublik Deutschland ist mittlerweile eine zukunfts-
        weisende Erinnerungskultur gewachsen, die nicht selten
        auch einen parteiübergreifenden Charakter zeigt. Das
        sollte auch in diesem Falle unser Anspruch sein.
        Die Art und Weise, wie eine Nation, wie ein Staat sein
        Verhältnis zur Geschichte formuliert, gibt Auskunft über
        sein Selbstverständnis und prägt seine Identität. Mit
        Konrad Adenauer möchte ich schließen, der 1952 dazu
        bekannte: „Man muss das Gestern kennen, man muss
        auch an das Gestern denken, wenn man das Morgen
        wirklich gut und dauerhaft gestalten will. Die Vergan-
        genheit ist eine Realität. Sie lässt sich nicht aus der Welt
        schaffen, und sie wirkt fort, auch wenn man die Augen
        schließt, um sie zu vergessen.“ Deshalb ist die Bewah-
        rung der Erinnerung, das nationale Gedächtnis, eine
        politische, also eine gemeinsame Aufgabe über Partei-
        und Fraktionsgrenzen hinweg.
        Dr. h. c. Wolfgang Thierse (SPD): Vor zehn Jahren
        haben wir die Errichtung des Denkmals für die ermorde-
        ten Juden Europas in Berlin beschlossen – eine der letz-
        ten Entscheidungen, die noch in Bonn getroffen wurden.
        Vorausgegangen war dem Beschluss eine langjährige
        Debatte – die sich gelohnt hat, wie man wenige Hundert
        Meter von hier entfernt besichtigen kann. Im Mai 2005
        wurde das Denkmal eröffnet. Bereits im ersten Jahr be-
        suchten mehr als eine Million Gäste das Stelenfeld.
        Streitpunkt der Diskussion und ein wichtiger Punkt
        des damaligen Beschlusses war die Ergänzung des
        Denkmals durch einen Ort der Information. Selbst der
        Architekt Peter Eisenman, der ursprünglich gegen diese
        Erweiterung war, ist mittlerweile längst von der Richtig-
        keit dieser Entscheidung überzeugt. Ohne den Ort der
        Information hätte das Denkmal nicht seine Wirkung und
        seine Anziehungskraft entfalten können. Den Mitarbei-
        tern der Stiftung ist es auf sehr eindrückliche Art gelun-
        gen, an diesem nicht authentischen Ort an die Schrecken
        des NS-Terrors zu erinnern und ihn zu vergegenwärti-
        gen. Die jüdischen Opfer bekommen Namen und Ge-
        sicht, sodass das Grauen gerade für die jüngeren Genera-
        tionen nachvollziehbar wird. Mit dem Projekt „Leben
        mit der Erinnerung. Überlebende des Holocaust erzäh-
        len“ werden das Wissen und die Erfahrungen der Zeit-
        zeugen, deren Zahl immer weiter abnimmt, gesichert
        und an die nachfolgenden Generationen vermittelt.
        Die Sorge übrigens, das Mahnmal im Herzen der
        Hauptstadt würde Besucher von den authentischen Ge-
        denkorten abziehen, hat sich nicht als zutreffend erwie-
        sen. Im Gesetz zur Errichtung der Stiftung wurde als
        Stiftungszweck im Abs. 1 die „Verwirklichung des
        Grundsatzbeschlusses des Deutschen Bundestages vom
        25. Juni 1999 (Drucksache 14/1238) zur Errichtung ei-
        nes Denkmals für die ermordeten Juden Europas“ festge-
        schrieben. Der Bundestagsbeschluss ist umgesetzt, das
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        enkmal seit vier Jahren fertiggestellt. Der ursprüngli-
        he Stiftungszweck ist damit hinfällig und es ist an der
        eit, das Stiftungsgesetz entsprechend anzupassen. Das
        st das Ziel des vorliegenden Gesetzentwurfs.
        „Zweck der Stiftung ist die Erinnerung an den natio-
        alsozialistischen Völkermord an den Juden Europas.
        ie Stiftung trägt dazu bei, die Erinnerung an alle Opfer
        es Nationalsozialismus und ihre Würdigung in geeigne-
        er Weise sicherzustellen“, heißt es jetzt im § 2 des
        esetzentwurfs. Aufgabe der Stiftung ist auch die Be-
        reuung des Denkmals für die im Nationalsozialismus
        erfolgten Homosexuellen, das im letzen Jahr einge-
        eiht wurde, und des Denkmals für die im National-
        ozialismus ermordeten Sinti und Roma, das, hoffent-
        ich, in diesem Jahr fertiggestellt wird.
        Die anderen Änderungen sind im Wesentlichen An-
        leichungen an die Strukturen vergleichbarer Einrich-
        ungen. So wird der dreiköpfige Vorstand abgeschafft
        nd die Aufgaben des bisherigen Vorstands und der Ge-
        chäftsführung werden in dem neuen Organ „Direktor
        der Direktorin“ zusammengeführt. Allerdings müsste
        analog zu vergleichbaren Einrichtungen – die Bestel-
        ung des Direktors für fünf statt für vier Jahre erfolgen.
        Über diesen Punkt und über den Sinn einer Änderung
        es Stiftungsnamens und der Besetzung des Kuratoriums
        wie von den Grünen vorgeschlagen – sollten wir im
        usschuss diskutieren.
        Hans-Joachim Otto (Frankfurt) (FDP): Die „Stif-
        ung Denkmal für die ermordeten Juden Europas“ bedarf
        er Erweiterung. Wir setzen damit einen weiteren Stein
        n das Mosaik der Erinnerungs- und Gedenkstättenarbeit
        eutschlands ein. Die Wurzeln der heutigen Erweite-
        ung der „Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden
        uropas“ liegen im Denkmalsbeschluss des Bundestages
        om 25. Juni 1999. Damals beschloss der Deutsche Bun-
        estag das Holocaust-Mahnmal. Wie kaum ein zweites
        esellschafts- und geschichtspolitisches Ereignis in der
        undesrepublik hat dieses Vorhaben in einer elf Jahre
        auernden Diskussion die Gemüter durch alle politi-
        chen Lager und sozialen Schichten bewegt.
        Mit seinem Beschluss stellte der Deutsche Bundestag
        leichzeitig fest: „Die Bundesrepublik Deutschland
        leibt verpflichtet, der anderen Oper des Nationalsozia-
        ismus würdig zu gedenken.“ Dies ist die Grundlage des
        enkmals für die im Nationalsozialismus ermordeten
        inti und Roma und des Denkmals für die im National-
        ozialismus verfolgten Homosexuellen.
        Vor fast auf den Tag genau neun Jahren – am
        7. März 2000 – wurde die „Stiftung Denkmal für die er-
        ordeten Juden Europas“ errichtet. Stiftungszweck war
        amals die Errichtung und Unterhaltung des Denkmals,
        ines Ortes der Erinnerung und des Gedenkens an bis zu
        Millionen Opfer. Nachdem die Stiftung in den Jahren
        003 bis 2005 die Bauherrenfunktion ausübte, ist sie
        unmehr für den Betrieb des Denkmals als Ort des Ge-
        enkens, der Aufklärung und der Begegnung zuständig.
        eit seiner Eröffnung im Jahr 2005 ist das Stelenfeld des
        rchitekten Peter Eisenman eine wahrlich vielbesuchte
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. März 2009 22947
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        Stätte. Über 5,3 Millionen Menschen besuchten bisher
        das Mahnmal und schon 1,5 Millionen Menschen waren
        Gast des Dokumentationszentrums, welches erst im
        Sommer 2008 durch das Videoarchiv ergänzt wurde.
        Mitte Mai 2008 konnte das Denkmal für die im Natio-
        nalsozialismus verfolgten Homosexuellen der Öffent-
        lichkeit übergeben werden. Im Sommer 2009 wird das
        Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten
        Sinti und Roma endlich vollendet sein. Die „Stiftung
        Denkmal für die ermordeten Juden Europas“ bekommt
        damit neue Aufgaben; das Stiftungsgesetz muss durch
        die Neuzugänge aktualisiert und an die Erfordernisse des
        Dauerbetriebs angepasst werden.
        Neben technischen Details, die ich hier nicht vertiefen
        möchte, sind zwei Punkte hervorzuheben, die im neuen
        Stiftungsgesetz verankert werden müssen und sicherlich
        unstrittig sind:
        Erstens: Selbstverständlich muss der Stiftungszweck
        an seine erweiterten Aufgabenstellungen angepasst wer-
        den. Dagegen ist nichts einzuwenden. Zum einen ist es
        notwendig, den Stiftungszweck beim Denkmal für die
        ermordeten Juden um die ständige Ausstellung im Ort
        der Information sowie Vortrags- und Seminarveranstal-
        tungen zu erweitern. Zum anderen müssen die beiden
        neuen Denkmäler mit unter die Obhut der Stiftung fal-
        len.
        Zweitens wird der bisher neben dem Kuratorium exis-
        tierende Vorstand aufgelöst, und der ehemalige Vorstand
        sowie die Geschäftsführung werden im neuen Organ
        „Direktorin oder Direktor“ zusammengeführt.
        Zwei Punkte, die durch den Gesetzesentwurf nicht an-
        gepackt wurden, bedürfen jedoch noch einmal einer Ver-
        tiefung:
        Erstens gilt es, noch einmal zu überdenken, ob durch
        die Erweiterung des Stiftungszweckes auch der Name
        der Stiftung geändert werden müsste. Hier hat sich die
        FDP-Fraktion noch kein abschließendes Urteil gebildet.
        Die Für und Wider werden wir sicherlich eingehend im
        Ausschuss diskutieren und die Argumente der sich jetzt
        schon positionierenden Gruppen einbeziehen.
        Zweitens gilt es, zu bedenken, ob das Kuratorium mit
        Erweiterung des Stiftungszwecks durch neue Mitglieder
        ergänzt werden muss. Persönlich erachte ich es als prü-
        fenswert, ob das bisher schon 23-köpfige Gremium des
        Kuratoriums erweitert werden sollte. Schon jetzt sitzen
        im Kuratorium alle Fraktionen des Deutschen Bundesta-
        ges, die Bundesregierung, das Land Berlin, der Förder-
        kreis Denkmal für die ermordeten Juden Europas e.V.,
        der Zentralrat der Juden in Deutschland, die Stiftung
        Topographie des Terrors, um nur einige zu nennen. Wird
        dieser Kreis erweitert, ist die Arbeitsfähigkeit des Gre-
        miums infrage zu stellen. In den kommenden Wochen
        freue ich mich auf eine konstruktive Diskussion im fe-
        derführenden Ausschuss für Kultur und Medien.
        Petra Pau (DIE LINKE): Die Linke stimmt zu. Das
        Gesetz über die „Stiftung Denkmal für die ermordeten
        Juden Europas“ soll verändert werden. De facto geht es
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        arum, den Stiftungszweck zu erweitern. Er soll
        usätzlich das Denkmal für die durch das NS-Regime er-
        ordeten Homosexuellen umfassen, ebenso das für die
        rmordeten Sinti und Roma. Außerdem soll die interne
        truktur der Stiftung „verschlankt“ werden. Auch das
        ntspricht den Vorschlägen, die das Kuratorium für die
        tiftung bereits vor Jahresfrist beschlossen hatte. Sie
        ind plausibel begründet. Die Fraktion Die Linke wird
        em Gesetzentwurf daher zustimmen.
        Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
        ie Fraktion Bündnis 90/Die Grünen unterstützt durch-
        us die Zielsetzung des zugrunde liegenden Gesetzent-
        urfes: Die Aktualisierung des Stiftungszweckes im
        inne einer Ausdehnung auf die Betreuung des Denk-
        als für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti
        nd Roma sowie des Denkmals für die im Nationalsozia-
        ismus verfolgten Homosexuellen ist sinnvoll. Auch die
        trukturveränderung bei der Organisation der Stiftung
        alten wir grundsätzlich für richtig.
        Gleichwohl bin ich irritiert, dass der Gesetzentwurf
        eder mit der Opposition noch mit dem Zentralrat der
        uden, dem Verband der Sinti und Roma oder dem Les-
        en- und Schwulenverband besprochen wurde: Ich hatte
        ereits in der letzten Kuratoriumssitzung zur Denkmals-
        efassung angeregt, dem neuen Aufgabengebiet auch
        urch eine Anpassung des Namens der Stiftung Aus-
        ruck zu verleihen. Ich gehe davon aus, dass wir diesen
        unkt im anschließenden Ausschussverfahren erörtern
        nd gemeinsam lösen werden.
        Im Ausschussverfahren muss auch geklärt werden,
        ie die von der Aufgabenerweiterung betroffenen Initia-
        iven und Verbände im Kuratorium angemessen einge-
        unden werden. Der Gesetzentwurf gibt hier bedauerli-
        herweise keinerlei Hinweis. Er ist insofern aus meiner
        icht lückenhaft. Das Kuratorium muss entsprechend er-
        eitert werden.
        Die Gesetzesänderung muss auch haushalterische
        onsequenzen haben: Denn wenn die Stiftung tatsäch-
        ich zwei neue Denkmäler zur Betreuung hinzugewinnt,
        o muss sich dies auch bei der Mittelausstattung nieder-
        chlagen. Der Gesetzentwurf verliert auch darüber kein
        ort.
        Ich gehe davon aus, dass wir die von mir angespro-
        henen Punkte im Ausschussverfahren einvernehmlich
        iner Lösung zuführen werden. Der Gegenstand des Ge-
        etzentwurfes eignet sich aus meiner Sicht ganz und gar
        icht für parteipolitische Reibereien.
        nlage 9
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung des Antrags: Programm „Stadt-
        umbau Ost“ – Fortsetzung eines Erfolgspro-
        gramms (Zusatztagesordnungspunkt 6)
        Volkmar Uwe Vogel (CDU/CSU): Das Programm
        Stadtumbau Ost“ hat sich bewährt. Bisher haben Bund,
        änder und Gemeinden 2,5 Milliarden Euro aufgewen-
        22948 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. März 2009
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        det, um der spezifischen Probleme der ostdeutschen
        Wohnungswirtschaft Herr zu werden. Mit diesen Mitteln
        ist es gelungen, einen großen Schritt zum ansehnlichen
        und bezahlbaren Wohnraum, auch in Zeiten der Verstäd-
        terung und des Wegzugs, zu machen. So wurden allein
        von 2002 bis 2007 circa 220 000 Wohnungen vom Markt
        genommen, die jetzt nicht mehr bewirtschaftet werden
        müssen oder erhöhte Kosten bei den Vermietern und da-
        mit bei den Mietern verursachen.
        Der Wegzug und der damit verbundene Wohnungs-
        leerstand haben nicht nur zur Folge, dass die Vermieter
        und Wohnungsgesellschaften Einnahmen einbüßen müs-
        sen. Auch die technische Infrastruktur muss den neuen
        Bedingungen angepasst werden, um die Kosten im Griff
        zu behalten. Und auch die soziale Infrastruktur ist davon
        betroffen. Kindertagesstätten, Schulen, Arztpraxen und
        Freizeiteinrichtungen müssen wegen mangelnder Aus-
        lastung oder Rentabilität geschlossen werden. Das sind
        Faktoren, die die Lebens- und Wohnqualität negativ be-
        einflussen und den Wegzug noch beschleunigen.
        Aber mit dem aktuell laufenden Programm ist es
        gelungen, nach und nach die Situation in den Griff zu
        bekommen. Nach Anfangsschwierigkeiten waren die
        Kommunen und Wohnungsunternehmen immer besser
        in der Lage, mit dem Programm umzugehen.
        Dabei müssen wir eine wesentliche Fehlentwicklung
        der DDR-Wohnungspolitik korrigieren. Die Mangel-
        wirtschaft hatte zur Folge, dass nur noch schnell mit
        minimalem Aufwand Plattenbausiedlungen an den
        Stadträndern hochgezogen wurden. Stadtkerne und in-
        nerstädtische Wohnbebauung wurden dem Verfall preis-
        gegeben. Das ist ein Grund dafür, warum das Programm
        „Stadtumbau Ost“ von Anfang an als „lernendes Pro-
        gramm“ angelegt wurde.
        In den vergangenen Jahren lag der Schwerpunkt auf
        dem Abriss, was vorrangig von großen Wohnungsunter-
        nehmen genutzt wurde, die Plattenbauten zu bewirt-
        schaften hatten. Der Abriss wird auch in Zukunft ein
        wichtiger Faktor sein, aber nicht mehr so absolut im
        Vordergrund stehen.
        Trotzdem sind die strukturellen Probleme zwischen
        westdeutschen und ostdeutschen Kommunen bzw. der
        Wohnungswirtschaft noch zu unterschiedlich, um beide
        Programme zusammenzuführen – zu vereinigen. Es bleibt
        aber für uns das Ziel! Wichtig ist der intensive Erfah-
        rungsaustausch, damit sich Fehler nicht wiederholen.
        Wir wollen das Programm flexibler gestalten, damit
        eine zielgenaue Gestaltung zwischen Abriss und Aufwer-
        tung möglich ist. Außerdem eröffnen wir den Kommunen
        und Wohnungsunternehmen die Möglichkeit, nach Ihrer
        spezifischen Situation vor Ort zu handeln.
        Ein Manko der letzten Jahre waren auch die nicht vor-
        handene Verbindlichkeit der Stadtentwicklungskonzepte
        und die Beteiligungsverfahren betroffener Akteure. Auch
        unter diesem Aspekt werden wir das – ich erwähnte es be-
        reits – „lernende Programm“ fortentwickeln.
        Die aktuelle Evaluierung untermauert, dass die Innen-
        städte mit Aufwertungs- und Umgestaltungskonzepten
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        tärker berücksichtigt werden sollten. Dort sind auch die
        leinteiligen Eigentümerstrukturen zu finden, die unter
        nderem die Urbanität einer Innenstadt ausmachen.
        aher muss das Programm auch für den privaten Eigen-
        ümer besser nutzbar gemacht werden. Eine Möglich-
        eit, die es zu prüfen gilt, ist die Wiederbelebung der
        nvestitionszulage für diesen Bereich.
        Zum Schluss möchte ich Sie darauf aufmerksam ma-
        hen, dass bisher 390 Kommunen in Ostdeutschland von
        em Programm profitiert haben. Die graue Platte einer
        iktatur – eines Unrechtsstaates – ist verschwunden. Die
        erbliebenen Wohnviertel wurden attraktiv, bunt und
        reundlich – so wie die Freiheit. Es ist auch gelungen,
        en der Heimat treu gebliebenen Bürgern nicht nur noch
        öhere Lebenshaltungskosten zu ersparen – nein, wir
        onnten das gesamte Stadt- bzw. Lebensumfeld in den
        ommunen positiv beeinflussen.
        Mit dem vorliegenden Antrag will meine Fraktion das
        rogramm „Stadtumbau Ost“ bis in das Jahr 2016
        eiterführen und die einzelnen Instrumente weiterentwi-
        keln. Ich möchte dafür werben, dass die nachfolgenden
        iskussionen in den beteiligten Gremien zügig zum
        nde gebracht werden. Das jetzige Programm läuft 2009
        us, und die Fortschreibung ist, das habe ich auch in den
        esprächen mit Kollegen gespürt, unstrittig. Deswegen
        ommt es jetzt darauf an, die Finanzierungsgrundlage im
        aushalt ab 2010 festzuschreiben. Dabei muss auch die
        ltschuldenproblematik der Wohnungsunternehmen, un-
        bhängig von der jetzigen Regelung bis 2013, weitere
        eachtung finden.
        Ich hoffe auf konstruktive und zielführende Beratun-
        en in den Ausschüssen.
        Ernst Kranz (SPD): Die ostdeutsche Wohnungswirt-
        chaft hatte mit der deutschen Einheit große Herausfor-
        erungen zu bewältigen. Die von den Kommunen über-
        ommenen Wohnungsbestände waren mit Altschulden
        elastet und zum Teil sanierungsbedürftig. Arbeits-
        arktbedingte Abwanderungen und allgemeiner Bevöl-
        erungsrückgang führten zu überdurchschnittlichen
        ohnungsleerständen. Diese Entwicklung war für die
        ohnungsunternehmen nicht vorhersehbar und häufig
        uch nicht zu beeinflussen, für den Wohnungsmarkt war
        ine solche Situation ebenfalls neu.
        Die Bundesregierung hat deshalb im Jahr 2002 das
        rogramm „Stadtumbau Ost“ aufgelegt. Im Vorfeld hat
        ie Bundesregierung die Kommission für den woh-
        ungswirtschaftlichen Strukturwandel, auch Lehmann-
        rube-Kommission genannt, einberufen, die die Situa-
        ion analysiert und den Handlungsbedarf ermittelt hat.
        ie Kommission hat sehr klar die Forderung nach einer
        mfassenden Abbruchförderung durch Bund und Land
        rhoben.
        So stellten Bund und Länder im Rahmen des Pro-
        ramms finanzielle Mittel für den Rückbau von Woh-
        ungen bereit; ebenso für die Aufwertung von Stadt-
        uartieren, wofür die Kommunen einen eigenen Anteil
        eisten müssen. Damit konnte die Lösung der Probleme
        n Angriff genommen werden, die die Kommunen und
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. März 2009 22949
        (A) )
        (B) )
        ihre Wohnungsunternehmen alleine nicht hätten bewälti-
        gen können. Bis Ende 2007 haben sich 390 Kommunen
        mit über 820 Stadtumbaugebieten beteiligt. Inzwischen
        hat sich der Wohnungsmarkt sichtbar stabilisiert. Bis
        Ende 2007 wurden rund 220 000 der 350 000 geplanten
        Wohnungen vom Markt genommen. In den Quartieren
        ist eine neue Lebensqualität entstanden und die Bevölke-
        rung steht nach anfänglichen Zweifeln zum Abrissvolu-
        men nun hinter dem Programm. Dies ist das Ergebnis
        sowohl der Gutachter als auch der parallel vom Ministe-
        rium eingesetzten Lenkungsgruppe, die im Auftrag des
        Bundesministeriums das Programm rechtzeitig vor sei-
        nem Ablauf im Jahr 2009 evaluiert haben. Deren Auf-
        gabe war es, Empfehlungen zu formulieren für die
        laufende Umsetzung des Programms und dessen Fortset-
        zung sowie zukünftige Handlungsfelder und spezifische
        Schwerpunkte des Programms für die Fortsetzung aufzu-
        zeigen. Laut Lenkungsgruppe hat die Anzahl leer-
        stehender Wohnungen kontinuierlich abgenommen, die
        wirtschaftliche Situation der Wohnungsunternehmen hat
        sich spürbar verbessert und indirekt hat sich dadurch
        auch die wirtschaftliche Situation privater Einzeleigen-
        tümer verbessert.
        Zur Verbesserung der Gesamtsituation hat auch die
        Investitionszulage zur Modernisierung innerstädtischer
        Altbauquartiere in den Jahren 2002 bis 2004 beigetra-
        gen; genauso die befristete Befreiung von der Grunder-
        werbsteuer bei Fusionen von Wohnungsunternehmen in
        den Jahren 2004 bis 2006 sowie die Verankerung des
        Stadtumbaus im Baugesetzbuch. Bei der Wohnumfeld-
        verbesserung durch Aufwertungsmaßnahmen war es ent-
        scheidend, dass die Mittel überwiegend für die Gestal-
        tung des Wohnumfelds und des öffentlichen Raums
        inklusive der durch Rückbau freigewordenen Flächen
        und für Maßnahmen der Infrastruktur verwendet wur-
        den.
        Die Lenkungsgruppe hat weiterhin festgestellt, dass
        es in unsanierten Gründerzeitgebieten deutliche Ent-
        wicklungsdefizite gibt. Es besteht weiterhin ein gesamt-
        städtischer Aufwertungsbedarf in den Handlungsfeldern
        öffentliche Räume, Grün-, Verkehrsflächen und Stadt-
        bildpflege; Aufwertungsprozesse benötigen ausreichend
        Zeit, deshalb ist die Programmfortführung wichtig. Oft
        fehlen sinnvolle Nachnutzungen oder Investoren, Über-
        gangssituationen und Zwischennutzungen stellen ein
        Planungsprinzip dar.
        Die Lenkungsgruppe hat auch diskutiert, inwieweit
        eine Zusammenführung der Programme Ost und West
        sinnvoll ist, und kam zu dem Ergebnis, dass mit den ho-
        hen Leerständen aufgrund einst überzogener Wachstums-
        erwartungen und mit der jahrzehntelang verschleppten
        Sanierung von Altbauten noch vereinigungsbedingte
        Sonderbedingungen vorhanden sind, die spezieller Re-
        gelungen bedürfen.
        Wichtig für den Erfolg des Programms war, dass das
        Programm als „lernendes Programm“ angelegt war, so
        konnte auf neu entstandene Probleme flexibel reagiert
        werden: Es gab die Möglichkeit, Aufwertungsmittel für
        den Rückbau einsetzen zu können. Es gab weiterhin die
        Möglichkeit der Übernahme des kommunalen Anteils
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        urch private Investoren; so konnten die Kommune ent-
        astet und private Investoren einbezogen werden. In be-
        onders begründeten Einzelfällen konnte der kommunale
        igenanteil auf mindestens 10 Prozent reduziert werden.
        ür sanierungsbedürftige innerstädtische Altbauten, die
        us stadtplanerischen und Denkmalschutzgründen nicht
        bgerissen werden sollten, wurde eine Soforthilfe einge-
        ichtet, indem 2005 und 2006 bis zu 3 Prozent, 2007 bis
        u 5 Prozent und seit 2008 bis zu 15 Prozent des Förder-
        olumens des Bundes auch für Sicherungsmaßnahmen
        n Altbauten ohne kommunalen Eigenanteil verwendet
        erden können. Damit wird der Altbau vor dem Zerfall
        erettet und Zeit gegeben, um eine geeignete Lösung zu
        inden.
        Für die stadtumbaubedingte Anpassung der sozialen
        nd technischen Infrastruktur hat der Bund für die Pro-
        rammjahre 2006 und 2007 zusätzlich je 20 Millionen
        uro zur Verfügung gestellt. Für das Jahr 2008 wurden
        5 Millionen Euro und für das Jahr 2009 werden 10 Mil-
        ionen Euro für diesen Zweck bereitgestellt.
        Es ist zu begrüßen, dass die Bundesregierung die Ab-
        issfrist bei der Altschuldenhilfe verlängert hat. Für die
        ereits genehmigten Anträge sollten die Gebäude ur-
        prünglich bis Ende 2010 abgerissen werden. Diese Frist
        ird nun bis zum 31. Dezember 2013 verlängert, um den
        nternehmen die erforderliche Zeit einzuräumen. Mit
        nderung der Altschuldenhilfeverordnung ist jetzt auch
        er Abriss von solcher Wohnfläche in die Entlastung mit
        inbezogen worden, die nach dem für die ursprüngliche
        ltschuldenhilfe maßgeblichen Stichtag, dem 1. Januar
        993, erworben wurde. Dabei geht es vor allem um
        älle, in denen das kommunale Wohnungsunternehmen
        m Interesse und im Auftrag der Stadt Immobilien er-
        orben hat, die entsprechend dem integrierten Stadtent-
        icklungskonzept abzureißen sind, deren Eigentümer
        ber hierzu nicht bereit oder in der Lage waren. Die Un-
        ernehmen erhalten somit mehr Flexibilität bei der An-
        assung ihrer Abrissplanungen an den Stadtumbaube-
        arf.
        In dem vorliegenden Antrag erkennen wir die Erfolge
        es Programms an. Jetzt geht es darum, anhand der Be-
        tandsaufnahme durch die Gutachter und die Lenkungs-
        ruppe sich Gedanken zu machen, was noch zu erledi-
        en ist, das nicht ohne finanzielle Mittel vom Bund
        ewältigt werden kann. Im Großen und Ganzen halte ich
        s für sinnvoll, das Programm, so wie es bislang ausge-
        taltet war, fortzuführen. Dabei sind die Erfahrungen, die
        emacht wurden, genauso mit einzubeziehen wie der er-
        ittelte weitere Bedarf. So ist das Programm mindestens
        is zum Jahr 2016 fortzuführen. Der finanzielle Förder-
        ahmen sollte so ausgestaltet werden, dass die genannten
        ufgaben des für notwendig erachteten Rückbaus von
        ohnungen, der Aufwertung von innerstädtischer Alt-
        austruktur sowie der Pflege des Stadtbildes bewältigt
        erden können.
        Die bisherigen Ansätze zur Flexibilisierung des Pro-
        ramms sollten weiter verstärkt werden, um mit regio-
        alspezifischen Vorgehensweisen auf die jeweilige örtli-
        he Situation eingehen zu können. Ich erachte es als
        innvoll, dass eine bedarfsgerechte Quote für die einzel-
        22950 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. März 2009
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        nen Städte und Kommunen weiter ermöglicht wird. Der
        Verteilungsschlüssel ist stärker problemorientiert festzu-
        legen. Neben den bisherigen Kriterien Wohnungsbestand
        und Einwohner sind Indikatoren zu verwenden, die die
        Bevölkerungsentwicklung in geeigneter Weise abbilden.
        Dabei ist stets die gesamte regionale Entwicklung mit
        einzubeziehen. Die Stadtumbauziele sind im Rahmen ei-
        ner überörtlichen Kooperation abzustimmen und in den
        Planungen verbindlich zu berücksichtigen. Es ist ein ge-
        eigneter Weg zu finden, den immer noch großen Nach-
        holbedarf bei der Sanierung innerstädtischer Altbauquar-
        tiere zu bewältigen. Ziel muss es sein, die Identität der
        Gesamtstadt aufzuwerten. Das erhöht nicht nur die
        Standortqualität für die Bewohner, sondern gibt auch der
        Wirtschaft wichtige Impulse.
        Die Fördermittel sind möglichst effizient einzusetzen.
        Die Kommunen sind anzuhalten, ein gut durchdachtes
        Umbaumanagement zu schaffen. Die „Transferstelle
        Stadtumbau Ost“ sollte dies auch weiterhin aufmerksam
        begleiten. Die „Experimentierklausel“, die die Über-
        nahme des kommunalen Anteils durch Dritte erlaubt,
        sollte dauerhaft in die Verwaltungsvereinbarung aufge-
        nommen werden. Neben den Wohnungsunternehmen
        sind die privaten Investoren künftig in geeigneter Weise
        stärker mit einzubeziehen. Die Länder sind dazu anzu-
        halten, die Mittel im Rahmen der Wohnungsbauförde-
        rungsprogramme so einzusetzen, dass innerstädtisches
        Wohneigentum in Neubau und Bestand sowie generatio-
        nengemischte Stadtquartiere gefördert werden und er-
        gänzend zum Stadtumbau wirken.
        Ein mir besonders wichtiger Punkt ist es, die Verbind-
        lichkeit der Stadtentwicklungskonzepte insgesamt weiter
        zu stärken, um die Planungssicherheit für alle beteiligten
        Akteure, insbesondere auch für die privaten Grundstücks-
        eigentümer und die Träger der Infrastruktureinrichtun-
        gen, zu erhöhen. Hierzu müssen die integrierten Stadt-
        entwicklungskonzepte unter Beachtung der dauerhaft
        weiter benötigten Wohnungsbestände und der Entwick-
        lung der Städte insgesamt weiter fortgeschrieben wer-
        den. Aufbauend auf dem integrierten Planungsansatz,
        der dem Stadtumbau zugrunde gelegt wurde, sind geeig-
        nete Beteiligungsverfahren zu finden, um zum einen den
        Bürgerinnen und Bürgern die Rückbaumaßnahmen früh-
        zeitig zu erläutern und zum anderen die unterschiedli-
        chen Bedürfnisse von Bewohnern, Gewerbetreibenden,
        Händlern und anderen im Rahmen des Stadtumbaus stär-
        ker berücksichtigen zu können.
        Aufgrund des Erfolgs der bereits früher vorhandenen
        ergänzenden Instrumente sollte geprüft werden, inwie-
        weit und in welchem Rahmen diese aufgelegt werden
        können, um den Effekt des Programms „Stadtumbau Ost“
        insbesondere in den Kernproblemen zu erhöhen. Dies
        gilt für die Härtefallregelung nach § 6a Altschuldenhilfe-
        verordnung sowie für die Investitionszulage für Moder-
        nisierungsinvestitionen im Altbaubestand. Darüber hi-
        naus könnten dazu beitragen: eine bessere Information
        der privaten Eigentümer und Investoren über die bereits
        vorhandenen Möglichkeiten zur steuerlichen Absetzbar-
        keit sowie das Lösen der steuerlichen Probleme der
        Versorgungsunternehmen, wie zum Beispiel der Abzugs-
        fähigkeit von Rückbaumaßnahmen, der Bildung von
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        ückstellungen, und zwar aufgrund ihrer Zuständigkeit
        usammen mit den Finanzministerien der Länder, oder
        uch eine bessere Verzahnung der Förderprogramme der
        fW mit den Förderinstrumenten der Stadtentwicklung
        insbesondere gilt dies für das KfW-Wohneigentums-
        rogramm und das Wohnraummodernisierungspro-
        ramm sowie für die energetische Sanierung – und
        chließlich die Möglichkeit der Mobilisierung von priva-
        em Kapital über neue Finanzierungsinstrumente für den
        tadtumbau.
        Darüber hinaus fordern wir von den Ländern einen
        ericht über die Durchführung der Maßnahmen. In die-
        em Bericht sollen nicht nur die besonders positiven Bei-
        piele der Zusammenarbeit im Rahmen des Stadtumbaus
        eschildert werden, sondern auch angegeben werden, wo
        ie Hürden liegen. Für das Jahr 2012 empfehlen wir der
        undesregierung, einen Zwischenbericht vorzulegen,
        amit das Programm gegebenenfalls korrigiert werden
        ann. Und rechtzeitig vor Ablauf des Programms, also
        m Jahr 2015, sollte wiederum eine Evaluierung durch-
        eführt werden, um Bilanz zu ziehen und das weitere
        orgehen diskutieren zu können.
        Zusammenfassend und abschließend möchte ich sa-
        en, das Programm „Stadtumbau Ost“ ist ein Erfolgspro-
        ramm, und dennoch sind in den nächsten Jahren noch
        iele Aufgaben zu lösen. Ich halte eine Fortsetzung bis
        016 deshalb für notwendig.
        Joachim Günther (Plauen) (FDP): Wir sprechen
        eute über das bislang sehr erfolgreiche Bund-Länder-
        rogramm „Stadtumbau Ost“, das seit seiner Einführung
        m Jahr 2002 eines der wichtigsten Instrumente der
        tadtentwicklungspolitik in den neuen Ländern ist. Da-
        ei stehen die Innenstadtentwicklung, der bedarfsorien-
        ierte Umbau, die Aufwertung der Stadtquartiere, aber
        uch immer noch der Wohnungsrückbau im Mittelpunkt
        iner nachhaltigen Strategie.
        Die Evaluierung durch das Deutsche Institut für Ur-
        anistik (Difu) und das Institut für Stadtforschung und
        trukturpolitik (IfS) bekräftigt, dass sich das Programm
        Stadtumbau Ost“ in der Praxis bewährt hat. Dem
        chließt sich auch die Stellungnahme der Lenkungs-
        ruppe an, die aus Vertretern von Bund, Ländern,
        emeinden, Verbänden, Wohnungsunternehmen und
        ietorganisationen besteht. Nun gilt es, das Stadtum-
        auprogramm entsprechend der Evaluierungsergebnisse
        nzupassen, weiterzuentwickeln und die Förderrahmen
        u überprüfen. Gerade in Zeiten der Wirtschaftskrise
        ann es wesentlich zur Stabilisierung von Arbeitsplätzen
        eitragen. Ich begrüße die Empfehlung der Gutachter
        nd der Lenkungsgruppe, das Stadtumbauprogramm Ost
        ls eigenständiges Programm im Bereich der Städte-
        auförderung mindestens bis zum Jahr 2016 fortzuset-
        en.
        Für die FDP war und ist das Bauen im Bestand sowie
        ie Umnutzung leerstehender Gebäude verstärkt förde-
        ungswürdig. Vorhaben wie Abriss und Aufwertung
        üssen dabei immer auf ihre Demografiefestigkeit über-
        rüft werden. Rückbau ist nach wie vor wichtig, um den
        ohnungsleerstand nicht wieder ansteigen zu lassen,
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. März 2009 22951
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        wobei Wohnungsleerstände inzwischen sowohl in den
        neuen als auch den alten Bundesländern ein regionales
        Problem sind. Bisher konnte der Leerstand in den Be-
        ständen des DDR-Wohnungsbaus reduziert und das Ent-
        stehen zusätzlicher Leerstände verhindert werden. Aus
        den mittelfristigen Prognosen zur Bevölkerungs- und
        Haushaltsentwicklung wird jedoch deutlich, dass insge-
        samt auf dem Wohnungsmarkt ein erneutes Ansteigen
        der Leerstände droht, wenn der Rückbau nicht im selben
        Maße fortgesetzt wird. So begrüße ich die Empfehlung
        der Gutachter und Lenkungsgruppe – zusätzlich zu den
        aus dem bisherigen Stadtumbauprogramm noch offenen
        Rückbauzahlen – bis 2016 den Rückbau von weiteren
        200 000 bis 250 000 Wohnungen aus Mitteln der Städte-
        bauförderung zu unterstützen.
        Nachdem die bisherigen Stadtumbauprogramme vor
        allem den Rückbau im Blick hatten, muss nun verstärkt
        die Aufwertung der städtischen Kerne und Stadtquartiere
        zum Ziel werden. Bei der Aufwertung der Innenstädte
        und des innerstädtischen Altbaus können mittlerweile
        sichtbare Erfolge festgestellt werden. Die eingetretenen
        Aufwertungseffekte in verschiedenen städtebaulich be-
        deutenden Teilräumen, zu denen auch zukunftsfähige
        Plattenbaugebiete zählen, beginnen vielerorts auf das ge-
        samte Stadtbild auszustrahlen. Innerstädtische Stadt-
        quartiere durchlaufen eine differenzierte Entwicklung.
        Trotz erster positiver Effekte besteht weiterer gesamt-
        städtischer Aufwertungs- und Gestaltungsbedarf.
        Insbesondere der demografische Wandel bedeutet
        eine Herausforderung, aber auch eine Chance für die
        Stadtentwicklung. Eine Fortschreibung der gegenwärti-
        gen Entwicklung bedeutet, dass die Gesamtbevölkerung
        bis zum Jahr 2050 auf circa 68,5 Millionen sinkt. Drei
        von vier deutschen Kreisstädten werden bereits im Jahr
        2020 weniger Einwohner zählen als heute. Noch stärker
        fällt die Entwicklung außerhalb der Städte aus. Zugleich
        verschiebt sich bis zum Jahr 2050 die Relation der im
        Arbeitsleben stehenden Bevölkerung zwischen 20- und
        64- zu den über 65-Jährigen dramatisch. Der Anteil von
        20- bis 64-Jährigen an der Gesamtbevölkerung wird
        dann nur noch 60 Prozent, der Anteil der über 65-Jähri-
        gen hingegen bereits über 30 Prozent betragen. In
        diesem Zusammenhang wird es eine große Herausforde-
        rung sein, vor allem altersgerechtes Wohnen zu garantie-
        ren.
        Vor allem strukturschwache Städte und Regionen
        werden von dieser Entwicklung betroffen sein, wo sich
        diese Trends durch Abwanderung verstärken. Zugleich
        werden insbesondere wirtschaftlich starke Regionen
        weiter wachsen. Die Stadtentwicklungsprogramme müs-
        sen in diesem Sinne angepasst und flexibilisiert werden.
        Wachstum und Schrumpfung bedeuten jeweils verschie-
        dene Herausforderungen, die es politisch zu gestalten
        gilt. Ziel muss es sein, die Zentren zu stärken, schrump-
        fende Städte zu stabilisieren und generell die Attraktivi-
        tät städtischen Wohnens und Arbeitens und damit die un-
        ter den Bedingungen des demografischen Wandels aus
        ökologischen, ökonomischen und sozialen Gründen
        sinnvolle und notwendige Reurbanisierung zu erleich-
        tern.
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        In vielen Fällen überschneiden sich die Stadterneue-
        ungsprogramme „Allgemeine Städtebauförderung“,
        Stadtumbau Ost und West“, „Soziale Stadt“. Sie müs-
        en hinsichtlich ihrer Zielsetzung, Zielerreichung und
        msetzung neu überprüft und sollten zu gegebener Zeit
        u einem modernen Stadt- und Raumentwicklungspro-
        ramm zusammengefasst werden. Zur Beantragung ei-
        er Förderung durch Mittel des Bundes genügt ein abge-
        timmtes Stadt- und/oder Raumentwicklungskonzept,
        as die lokale Situation und Entwicklungsmöglichkeiten
        bbildet. Die Förderung erfolgt pauschal, der Einsatz der
        ittel obliegt den Kommunen. Eine Mitfinanzierung der
        rojekte durch Private ist wünschenswert und kann den
        ommunalen Eigenanteil ersetzen. – So weit zu unseren
        orschlägen.
        Heidrun Bluhm (DIE LINKE): Im vorliegenden An-
        rag der Koalitionsfraktionen finden sich schon im Titel
        rei Schlüsselwörter. Diese Schlüsselwörter sind „Stadt-
        mbau Ost“, „Erfolgsprogramm“ und „Fortsetzung“. In
        er Logik der Regierungsfraktionen stellt sich das 2002
        egonnene Programm „Stadtumbau Ost“ als ein Er-
        olgsprogramm dar, das sich in der Praxis bewährt habe
        nd das in diesem Sinne folgerichtig bis zum Jahr 2016
        ortgesetzt werden solle – wenn auch mit einigen Ände-
        ungen wie einer stärkeren Flexibilisierung des
        rogramms, einem stärker problemorientierten Vertei-
        ungsschlüssel und einer dauerhaften Aufnahme der
        Experimentierklausel“ in die Verwaltungsvereinbarung,
        elche die Übernahme des kommunalen Anteils durch
        ritte erlaubt. Das alles klingt auf den ersten Blick
        chlüssig und glatt, sehr glatt sogar. Aber ist es auch so?
        Wenden wir uns noch einmal den bereits erwähnten
        chlüsselwörtern im vorliegenden Antrag zu, und gehen
        ir ans Entschlüsseln. Dazu habe ich jetzt ein paar Fra-
        en: Stimmt die generelle Beschreibung des „Stadtum-
        au Ost“ als Erfolgsprogramm überhaupt? Sollte es wie
        isher fortgesetzt werden? Oder braucht es deutliche Än-
        erungen? Und vor allem frage ich: Erfolg für wen?
        Ziel des zunächst für den Zeitraum 2002 bis 2009 an-
        elegten Stadtumbauprogramms Ost war es, die Attrak-
        ivität der Städte in den neuen Bundesländern zu erhöhen
        nd das damalige Überangebot an Wohnraum durch den
        briss von 350 000 Wohnungen zu reduzieren – euphe-
        istisch als „Rückbau“ bezeichnet. Vor dem Hinter-
        rund rückläufiger Bevölkerungszahlen und hoher Leer-
        tände sollte die Kombination beider, sich allerdings
        um Teil widersprechender Ziele die Zukunftsfähigkeit
        er ostdeutschen Städte sichern.
        Aber schon zu Beginn des Stadtumbauprogramms äu-
        erten Praktiker die Meinung, dass das, was aus woh-
        ungswirtschaftlicher Sicht sinnvoll ist, sich aus stadt-
        lanerischer Sicht als eine Katastrophe erweisen kann –
        nd umgekehrt. Zur Frage nach dem Erfolg des Pro-
        ramms gehört also auch die Frage, ob und, wenn ja, wie
        ieser dem Programm von Anfang an innewohnende
        ielkonflikt gelöst wurde. Denn natürlich kann Abriss
        uch eine Chance sein, wenn er sich denn einem sinnvol-
        en gesamtstädtischen Leitbild unter- oder besser in ein
        olches einordnet. Unter „sinnvoll“ verstehe ich in die-
        22952 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. März 2009
        (A) )
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        sem Zusammenhang das Nutzen sich bietender Chancen –
        so zum Beispiel die Chance, die freiwerdende Fläche am
        Stadtrand der Natur zurückzugeben, die jetzt verklei-
        nerte Stadt überirdisch als Stadt der kurzen Wege zu or-
        ganisieren und unterirdisch auch die technische Infra-
        struktur zurückzubauen. Das verringert letztlich die
        finanziellen Belastungen ihrer Bewohnerinnen und Be-
        wohner.
        Zudem darf man bei der Betrachtung des Stadtum-
        baus Ost und bei seiner Bewertung die große Dimension
        der Herausforderung nicht vergessen: Fast ein Drittel der
        Kommunen, die sich an diesem Programm beteiligen,
        hatten es mit einem gesamtstädtischen Wohnungsleer-
        stand von mehr als 15 Prozent zu tun. In 37 Städten stan-
        den sogar mehr als 20 Prozent, also ein Fünftel, aller
        Wohnungen leer. Und obwohl inzwischen insgesamt
        mehr als 250 000 Wohnungen abgerissen wurden, wurde
        bisher lediglich ein weiteres Anwachsen des Leerstandes
        verhindert – womit wir wieder bei der Frage nach dem
        Erfolg wären. Denn der Erfolg des Stadtumbaupro-
        gramms Ost – was ja nicht ohne Grund so und nicht etwa
        „Abrissprogramm Ost“ heißt – kann nicht allein quanti-
        tativ und an wohnungswirtschaftlichen Kennzahlen
        orientiert gemessen werden, sondern es ist vor allem
        nach den qualitativen Ergebnissen gleich in doppelter
        Hinsicht nach dem Platz des Menschen in diesem Pro-
        gramm zu fragen: Wie wurden und werden die Einwoh-
        nerinnen und Einwohner in die Vorbereitung und Reali-
        sierung des Stadtumbaus Ost einbezogen? Werden auch
        die gehört, die letztlich in und mit den Resultaten leben
        werden? Und: Haben sich die Standortfaktoren verbes-
        sert? Was hat sich für die Menschen, für die Bewohne-
        rinnen und Bewohner, für die Mieterinnen und Mieter,
        konkret getan? Wie lebt es sich in den umgebauten Städ-
        ten in den neuen Bundesländern?
        Insgesamt gesehen erweist sich die qualitative Bewer-
        tung in der Praxis als schwierig, aber dennoch machen
        auch aus linker Sicht eine Reihe überzeugender Stadt-
        umbauten wie in der Lutherstadt Wittenberg, in Cottbus,
        in Güstrow und Schwerin oder auch in Schwedt an der
        Oder Mut und lassen an den Erfolg des Programms glau-
        ben. So hat sich gerade Dagmar Enkelmann, Erste Parla-
        mentarische Geschäftsführerin unserer Bundestagsfrak-
        tion, bei einer mehrstündigen Visite in Schwedt von den
        positiven Seiten des Stadtumbaus Ost überzeugen kön-
        nen. Frau Dr. Enkelmann fügte hinzu: Angesichts des
        demografischen Wandels und eines anhaltenden Weg-
        zugs unter anderem aus Schwedt bleibt die Aufgabe, den
        Stadtumbau finanziell zu fördern, aktuell. Kommunale
        Wohnungsgesellschaften beziehungsweise -genossen-
        schaften allein wären damit überfordert.
        Unsere Vorschläge resultieren aber nicht nur aus Stu-
        dienreisen, sondern sind vor allem das Ergebnis intensi-
        ver Diskussionen auf drei Stadtumbaukonferenzen, die
        die Fraktion Die Linke in dieser Legislaturperiode in
        zwei ostdeutschen Städten – Bitterfeld und Eisenhütten-
        stadt – sowie in Essen durchgeführt hat. Alle drei haben
        bestätigt, dass Stadtumbau nicht nur als wohnungs-
        wirtschaftliche Aufgabe gesehen werden kann, sondern
        als gesamtgesellschaftliche Herausforderung verstanden
        und behandelt werden muss.
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        Insgesamt gesehen kann der Stadtumbau Ost nur dann
        ls eine Erfolgsgeschichte gelesen werden, wenn Zu-
        unft nicht allein aus dem Abriss gewonnen werden soll.
        s geht vielmehr um positive und für die Einwohnerin-
        en und Einwohner nachvollziehbare Perspektiven ihrer
        eweiligen Heimatstadt. Es geht um strategische gesamt-
        tädtische Entscheidungen. Es geht um das Gestalten
        nd um das Erhalten und Schaffen von Identität. Und es
        eht nicht zuletzt um das Thema Altschuldenentlastung.
        n diesem Zusammenhang nehmen wir die Formulierung
        es vorliegenden Antrags sehr aufmerksam zur Kennt-
        is, wonach die Bundesregierung auch aufgefordert
        ird, zu prüfen, „ob eine neue Antragstellung ähnlich
        er Härtefallregelung nach § 6 a Altschuldenhilfeverord-
        ung für eine befristete Zeit erforderlich und finanzier-
        ar ist“. An dieser Stelle möchte ich natürlich daran erin-
        ern, dass meine Fraktion gerade erst einen Antrag zur
        ntschuldung der ostdeutschen Wohnungsunternehmen
        ingebracht hat, dem Sie, meine Damen und Herren von
        er Koalition, im Laufe des parlamentarischen Verfah-
        ens gern noch zustimmen können.
        Auch wenn wir nicht in allen Fragen unbedingt einer
        einung mit dem Bundesverband deutscher Wohnungs-
        nd Immobilienunternehmen, GdW, sind, teilen wir aus-
        rücklich dessen Auffassung, dass die entscheidende
        lankierung einer Neuauflage des Programms eine ab-
        chließende Regelung der Altschulden der Wohnungs-
        nternehmen sein müsse. Ohne eine Streichung der Alt-
        chulden bei Abriss der damit belasteten Wohnungen
        ürden die Wohnungsunternehmen nur in seltenen Aus-
        ahmefällen in der Lage sein, sich weiter am Stadtum-
        au zu beteiligen. Die mögliche Folge aus GdW-Sicht:
        as gewünschte neue Stadtumbauprogramm könnte
        eine Wirkung nicht entfalten, und ganze Wohnquartiere
        ürden sowohl baulich als auch sozial erodieren.
        Alles in allem bedeutet Erfolg im Stadtumbau Ost,
        olche Städte zu entwickeln, deren kommunale Struktu-
        en funktionieren und in denen man gern bleiben will.
        as ist das wohl wichtigste Kriterium für die Bewertung
        es Stadtumbauprogramms. Und daher kann die Haupt-
        rage auch nur lauten: Ist es mit diesem Programm ge-
        ungen, Zukunft für die beteiligten Städte zu organisie-
        en?
        Aus unserer Sicht, aus Sicht der Bundestagsfraktion
        ie Linke, sollte das Programm „Stadtumbau Ost“ wie
        eantragt als eigenständiger Bereich der Städtebauförde-
        ung auch über das Jahr 2009 hinaus und mindestens bis
        016 fortgesetzt werden. Gerade im Interesse der Zu-
        unftsfähigkeit ostdeutscher Städte, gleichsam im Inte-
        esse urbaner Landschaften, sollte mehr als bisher Wert
        uf die menschliche und soziale Dimension dieses Um-
        aus gelegt werden. Im Sinne des auch von den Antrag-
        tellern hervorgehobenen „lernenden Programms“ ist
        mmer wieder nach der Aufwertung der städtischen
        uartiere zu fragen, statt lediglich Abrisszahlen zusam-
        enzuzählen.
        Aus unserer Sicht darf bei aller Bedeutung finanziel-
        er Fragen nicht allein das Geld die künftige Entwick-
        ung der Städte in Ostdeutschland bestimmen. Erste
        riorität müssen vielmehr die Ansprüche, Bedürfnisse
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. März 2009 22953
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        und Lebensgewohnheiten der Menschen, der Einwohne-
        rinnen und Einwohner, haben. Von einem Erfolg des
        Programms kann dann gesprochen werden, wenn solche
        Meinungen zu hören sind wie aus Cottbus, wo sich eine
        Vertreterin des Mieterbundes folgendermaßen über den
        Stadtumbau in Cottbus-Sachsendorf äußerte: Die Men-
        schen, die hier wohnen, wollen nicht mehr weg, weil sie
        sich wohlfühlen.
        Im Übrigen sind sinkende Einwohnerzahlen und da-
        her leerstehende Wohnungen schon längst kein allein
        ostdeutsches Problem mehr. Nach Expertenangaben
        dürfte spätestens in zwei Jahrzehnten jede zweite deut-
        sche Stadt mit sinkenden Einwohnerzahlen konfrontiert
        sein. Daher erscheint es auch aus unserer Sicht durchaus
        angebracht, beide Programme, „Stadtumbau Ost“ und
        „Stadtumbau West“, weiterzuentwickeln. Genügend Er-
        fahrungen aus den neuen Bundesländern, Erfolgsge-
        schichten und solche, die erst noch zum Erfolg geführt
        werden müssen, bringt Ostdeutschland mit. Und hier
        gibt es einmal die Chance, dass der Osten Vorreiter für
        den Westen sein kann.
        Peter Hettlich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es ist
        schon ein Kreuz mit dieser Großen Koalition. Einerseits
        müsste sie ja angesichts ihrer satten Mehrheit im Bun-
        destag vor Kraft und Energie strotzen und die Republik
        durcheinanderwirbeln. Aber davon kann bei Schwarz-
        Rot keine Rede sein: Beide Körperhälften bewegen sich
        schon lange nicht mehr synchron zu- und miteinander.
        Und das führt bekanntermaßen zu dem Stillstand, den
        wir schon seit vielen Monaten erleben und erleiden müs-
        sen.
        Und der betrifft auch das wichtige Thema „Stadtum-
        bau Ost“. Um der Legendenbildung vorzubeugen: Ich
        brauche nicht zu betonen, dass meine Fraktion dieses
        Programm entscheidend mit initiiert und geprägt hat.
        Wir haben uns immer dazu bekannt, dass das Programm
        auch über das Jahr 2009 verlängert werden muss. Aber
        das bedeutet nicht, dass wir allem zustimmen, was zum
        Beispiel diese Koalition zum „Stadtumbau Ost“ zu sagen
        hat bzw. zu tun gedenkt. So frage ich mich, warum neun
        Monate seit der Evaluierung vergehen mussten, bevor
        wir uns wieder mit diesem Thema im Ausschuss be-
        schäftigen. Und ich frage mich des Weiteren, warum der
        heute debattierte Antrag es wieder einmal erst fünf Mi-
        nuten vor der Angst als Zusatzpunkt – und dazu noch als
        Protokollrede – auf die Tagesordnung geschafft hat.
        Als die Lehmann-Grube-Kommission 2001 ihre Zah-
        len über die Wohnungsleerstände in Ostdeutschland prä-
        sentierte, herrschte blankes Entsetzen, denn eine derartig
        katastrophale Situation hatte niemand erwartet. Insofern
        war es auch richtig, die Schwerpunkte in den ersten Jah-
        ren dort zu setzen, wo die Not am größten war. Das wa-
        ren die Leerstände der großen kommunalen und genos-
        senschaftlichen Wohnungsgesellschaften, die kurz vor
        dem wirtschaftlichen Ende standen. Dabei kamen natür-
        lich einige Aspekte wie zum Beispiel die Aufwertung
        „unter die Räder“, die zwar von Anfang an im Pro-
        gramm angelegt waren und die für meine Fraktion min-
        destens genauso wichtig waren und sind. Diese Finan-
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        ierungsmöglichkeiten spielten eine geringere Rolle,
        eil bestimmte Vorgaben (zum Beispiel der zu hohe Ko-
        inanzierungsanteil der Kommunen) nicht praxistauglich
        aren und erst durch die Erfahrungen vor Ort im Rah-
        en der jährlich mit den Ländern ausgehandelten Ver-
        altungsvereinbarungen angepasst werden mussten. Das
        ar und ist der Vorteil eines „lernenden“ Programms,
        nd ich wünschte mir, dass wir auch bei anderen Pro-
        rammen und Gesetzen diesen „lernenden“ Charakter
        tärken würden.
        Eines ist jedoch Fakt, und daran wird auch die Verlän-
        erung des Programms bis 2016 nichts ändern: Der
        eerstandsdruck wird hoch bleiben, möglicherweise
        erden der demografische Wandel und der weitere Zu-
        achs an Wohngebäuden den Bedarf an Rückbaumaß-
        ahmen sogar noch erhöhen. Trotz dieser Erkenntnisse
        ördert Schwarz-Rot weiterhin den Wohnungsneubau
        uf der grünen Wiese durch Eigenheimbau, sprich
        ohnriester. Und Kommunen leisten sich einen ruinösen
        ettbewerb um Zuzüge, indem Wohngebiete und billige
        augrundstücke in direkter Nachbarschaft, Stichwort:
        Speckgürtel“, miteinander konkurrieren. Dies alles ge-
        chieht mit Steuergeldern, die andererseits dann auch in
        ie Hand genommen werden, wenn die dadurch indu-
        ierten Leerstände später vom Markt bereinigt werden.
        as ist doch der Wahnsinn im Quadrat! Und ich will die
        robleme des ungebremsten Flächenverbrauchs und der
        mmer geringeren Tragfähigkeit öffentlicher Infrastruk-
        ureinrichtungen hier überhaupt nicht ansprechen.
        Der Leerstand wird in Ostdeutschland unser ständiger
        egleiter und auch eine stete Erinnerung an unser Hand-
        ungsversagen sein. Er wird uns viel mehr Geld kosten,
        ls wir es heute auszusprechen wagen, und er wird uns
        aher in den kommenden Jahren zwingend neue Lösun-
        en abverlangen. Spätestens zu Beginn der nächsten
        örderperiode 2009 bis 2016 muss nämlich geklärt wer-
        en, wie eine Regulierung des Wohnungsmarktes in
        chrumpfenden Regionen ohne überbordende Staatsin-
        ervention und den übermäßigen Einsatz von Steuergel-
        ern machbar ist.
        Was Schwarz-Rot in diesem Zusammenhang immer
        ieder verschweigt, ist die Tatsache, dass die Mittel des
        Stadtumbaus Ost“ zu einem großen Teil aus den über-
        roportionalen Leistungen des Bundes aus dem Korb II
        es Solidarpakts II stammen. Das heißt, die Bundes-
        egierung und die Große Koalition bejubeln sich für die
        ortführung des Programms, aber sie verwenden Mittel,
        ie für die Herstellung einer nachhaltigen und selbststän-
        igen wirtschaftlichen Entwicklung in Ostdeutschland
        orgesehen waren. Das Geld ist zu schade, um hausge-
        achte Fehlentwicklungen auf dem Wohnungsmarkt zu
        orrigieren. Wie stellen Sie sich das eigentlich nach dem
        uslaufen des Solidarpaktes im Jahre 2019 vor, und wie
        asst das mit einer rigiden Sparpolitik zusammen, die
        pätestens nach dem Überstehen der aktuellen Wirt-
        chafts- und Finanzkrise keinen Haushalt ungeschoren
        avonkommen lassen wird?
        Wir müssen uns also der Frage stellen: Was kann ab
        016 eigentlich noch der Staat und was müssen die
        igentümer, das heißt kommunale, genossenschaftliche
        (A) (C)und freie Wohnungsbaugesellschaften und private
        Wohngebäudeeigentümer aus eigener Kraft leisten? Ge-
        rade die letztgenannte Gruppe ist mein großes Sorgen-
        kind und war häufig Leidtragende im bisherigen
        Prozess, da sie häufig nicht einmal die benötigten Eigen-
        mittel zur Verfügung hatte, um am „Stadtumbau Ost“
        teilzunehmen. Die starken kommunalen und genossen-
        schaftlichen Akteure betrieben zudem zum Teil ihre
        Leerstandspolitik ohne Rücksicht auf die privaten Eigen-
        tümer, sodass in einigen Städten zum Teil absurd perfo-
        rierte Straßenzüge und Quartiere entstanden sind.
        Eigentlich hätte eine bessere Abstimmung zwischen den
        Betroffenen im Rahmen von integrierten Stadtentwick-
        lungsplänen solche Fehlentwicklung ausschließen müs-
        sen. Unsere Beobachtung war und ist jedoch, dass es
        zwar Stadtentwicklungspläne gab und gibt, aber dass
        sich viele Akteure nicht danach richten bzw. nicht da-
        nach gerichtet haben. Diese Missachtung der eigenen
        Planung und die mangelhafte Partizipation der Betroffe-
        nen hat in vielen Orten zu Recht zu Protesten und erheb-
        lichen Konflikten geführt, die auch dadurch nicht gelöst
        werden konnten, dass das Verhältnis zwischen Abriss
        und Aufwertung deutlich zugunsten der Aufwertung ver-
        schoben wurde. Denn damit bleiben die Probleme des
        künftigen Leerstandes ungelöst.
        Der „Stadtumbau Ost“ könnte allerdings durch die ge-
        stärkte Aufwertungskomponente eine wirkliche Chance
        sein, den ökologischen und klimagerechten Umbau der
        ostdeutschen Städte zu befördern. Nur lebenswerte
        Städte werden in Zukunft eine Überlebenschance haben,
        und das heißt auch, dass wir sie demografiefest und ge-
        nerationengerecht gestalten müssen. Dafür müssen die
        Aufwertungsmittel verwendet werden, denn es nützt uns
        nicht, wenn wir damit schön sanierten Leerstand in Alt-
        bauquartieren schaffen. Die Lebensbedingungen insbe-
        sondere für die schwächeren Stadtbewohner wie Kinder
        und Alte müssen daher signifikant verbessert und die At-
        traktivität der Klein-, Mittel- und Großstädte erhöht wer-
        den. Wir brauchen daher endlich den Paradigmenwech-
        sel weg von der autofreundlichen hin zur menschen- und
        bürgerfreundlichen Stadt. Ansonsten werden wir schnell
        an die Grenzen der Aufwertung stoßen, denn diese kann
        nur unter Beachtung aller Teilaspekte einer lebenswerten
        Stadt erfolgreich sein.
        Zu guter Letzt möchte ich noch auf das Dauerthema
        „Altschuldenhilfe“ im „Stadtumbau Ost“ eingehen. Wir
        werden uns auch mit den gut gemeinten Vorschlägen aus
        dem Antrag der Großen Koalition dieses ewige Ärgernis
        nicht vom Hals schaffen. Der grundsätzliche Webfehler
        aus dem Einigungsvertrag bleibt erhalten und die beste-
        henden Rest-Altschulden werden durch Zins und Zinses-
        zins schon dafür sorgen, dass sie ein Dauerthema blei-
        ben. Hier fehlt einfach der Mut aufseiten der Großen
        Koalition, einzugestehen, dass nur ein radikaler und ein-
        maliger schmerzhafter Schnitt dazu führen kann, dass
        diese überflüssige Belastung ein für allemal der Vergan-
        genheit angehört. Ohne eine dauerhafte Klärung der Alt-
        schuldenproblematik wird es keine eigenwirtschaftliche
        Lösung der Leerstandsproblematik geben. Daher werden
        Bund und Länder immer wieder dafür in die Verantwor-
        tung gezogen. Und das wird uns noch viel Geld kosten.
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        22954 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 211. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. März 2009
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        211. Sitzung
        Berlin, Donnerstag, den 19. März 2009
        Inhalt:
        Redetext
        Anlagen zum Stenografischen Bericht
        Anlage 1
        Anlage 2
        Anlage 3
        Anlage 4
        Anlage 5
        Anlage 6
        Anlage 7
        Anlage 8
        Anlage 9