Plenarprotokoll 16/205
            Zusatztagesordnungspunkt 2:
            Eidesleistung des Bundesministers für Wirt-
            schaft und Technologie . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Präsident Dr. Norbert Lammert . . . . . . . . . . .
            Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg,
            Bundesminister BMWi . . . . . . . . . . . . . . .
            Tagesordnungspunkt 3:
            a) – Zweite und dritte Beratung des von der
            Bundesregierung eingebrachten Ent-
            wurfs eines Zweiten Gesetzes zur Än-
            derung des Aufstiegsfortbildungsför-
            derungsgesetzes
            (Drucksachen 16/10996, 16/11904) . .
            (Drucksachen 16/11374, 16/11202,
            16/11904) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Dr. Annette Schavan, Bundesministerin
            BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Patrick Meinhardt (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . .
            Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) . . . . . . . . .
            Volker Schneider (Saarbrücken)
            (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/
            DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Michael Kretschmer (CDU/CSU) . . . . . . . . .
            Cornelia Pieper (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Volker Schneider (Saarbrücken)
            (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            22088 D
            22088 D
            22089 A
            22089 B
            22089 C
            22090 A
            22091 B
            22092 B
            22094 B
            22096 A
            22098 A
            22099 A
            22100 B
            Deutscher B
            Stenografisc
            205. Si
            Berlin, Donnerstag, d
            I n h a
            Glückwünsche zum Geburtstag der Abgeord-
            neten Ortwin Runde, Karin Roth (Esslin-
            gen) und Dr. Michael Fuchs . . . . . . . . . . . . .
            Wahl der Abgeordneten Ute Berg in den Bei-
            rat der Bundesnetzagentur für Elektrizität,
            Gas, Telekommunikation, Post und Eisen-
            bahnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Entsendung der Abgeordneten Maria Michalk
            als stellvertretendes Mitglied im Stiftungsrat
            der Stiftung zur Aufarbeitung der SED-
            Diktatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Erweiterung und Abwicklung der Tagesord-
            nung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Nachträgliche Ausschussüberweisung . . . . . .
            22087 A
            22087 B
            22087 B
            22087 B
            22088 C
            – Bericht des Haushaltsausschusses ge-
            mäß § 96 der Geschäftsordnung
            (Drucksache 16/11905) . . . . . . . . . . . . 22089 C
            undestag
            her Bericht
            tzung
            en 12. Februar 2009
            l t :
            b) Beschlussempfehlung und Bericht des
            Ausschusses für Bildung, Forschung und
            Technikfolgenabschätzung
            – zu dem Antrag der Abgeordneten Volker
            Schneider (Saarbrücken), Dr. Lothar
            Bisky, Cornelia Hirsch, weiterer Abge-
            ordneter und der Fraktion DIE LINKE:
            Verlässliche Bildungsförderung für
            Erwachsene noch in dieser Legisla-
            tur auf den Weg bringen
            – zu dem Antrag der Abgeordneten Priska
            Hinz (Herborn), Kai Gehring, Krista
            Sager, weiterer Abgeordneter und der
            Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
            NEN: Förderung des lebenslangen
            Lernens unverzüglich entscheidend
            voranbringen
            Cornelia Pieper (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Dieter Grasedieck (SPD) . . . . . . . . . . . . . . .
            .
            .
            22100 D
            22101 A
            II Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009
            Uwe Schummer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . .
            Jörg Tauss (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Tagesordnungspunkt 4:
            Antrag der Abgeordneten Daniel Bahr (Müns-
            ter), Heinz Lanfermann, Dr. Konrad Schily,
            weiterer Abgeordneter und der Fraktion der
            FDP: Für ein einfaches, transparentes und
            leistungsgerechtes Gesundheitswesen
            (Drucksache 16/11879) . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Heinz Lanfermann (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . .
            Wolfgang Zöller (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . .
            Frank Spieth (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . .
            Elke Ferner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Dr. Erwin Lotter (FDP) . . . . . . . . . . . . . . .
            Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/
            DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Annette Widmann-Mauz (CDU/CSU) . . . . . .
            Daniel Bahr (Münster) (FDP) . . . . . . . . . . . . .
            Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/
            DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Dr. Hans Georg Faust (CDU/CSU) . . . . . . . .
            Daniel Bahr (Münster) (FDP) . . . . . . . . . . . . .
            Ulla Schmidt, Bundesministerin
            BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Heinz Lanfermann (FDP) . . . . . . . . . . . . .
            Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) . . . . . . . . . .
            Dr. Rolf Koschorrek (CDU/CSU) . . . . . . . . .
            Jens Spahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Daniel Bahr (Münster) (FDP) . . . . . . . . . .
            Tagesordnungspunkt 33:
            a) Antrag der Abgeordneten Hans-Michael
            Goldmann, Christian Ahrendt, Gisela
            Piltz, weiterer Abgeordneter und der Frak-
            tion der FDP: Nationale Küstenwache
            schaffen
            (Drucksache 16/8543) . . . . . . . . . . . . . . . .
            b) Antrag der Abgeordneten Hans-Michael
            Goldmann, Dr. Christel Happach-Kasan,
            Dr. Edmund Peter Geisen, weiterer Abge-
            ordneter und der Fraktion der FDP: Ver-
            braucherfreundliche und praxistaugliche
            Lebensmittelkennzeichnung durchset-
            zen – Verbots- und Bevormundungspo-
            litik verhindern
            (Drucksache 16/11671) . . . . . . . . . . . . . . .
            c) Antrag der Abgeordneten Hans-Kurt Hill,
            Dr. Gesine Lötzsch, Dr. Barbara Höll, wei-
            22102 A
            22103 D
            22105 D
            22106 A
            22107 A
            22108 C
            22109 C
            22111 A
            22113 C
            22115 D
            22117 C
            22119 C
            22121 C
            22121 D
            22122 A
            22123 D
            22126 A
            22127 A
            22128 C
            22129 C
            22130 C
            22130 C
            terer Abgeordneter und der Fraktion DIE
            LINKE: Anreizregulierung im Strom-
            und Gassektor nachbessern – Benach-
            teiligung von städtischen Versorgern
            verhindern
            (Drucksache 16/11878) . . . . . . . . . . . . . .
            d) Bericht des Ausschusses für Bildung, For-
            schung und Technikfolgenabschätzung ge-
            mäß § 56 a der Geschäftsordnung: Tech-
            nikfolgenabschätzung (TA)
            TA-Projekt: Gendoping
            (Drucksache 16/9552) . . . . . . . . . . . . . . .
            Tagesordnungspunkt 24:
            Antrag der Abgeordneten Rainder Steenblock,
            Omid Nouripour, Winfried Nachtwei, weite-
            rer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
            NIS 90/DIE GRÜNEN: Die Westeuropäi-
            sche Union als überholtes Konstrukt auflö-
            sen
            (Drucksache 16/11765) . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Zusatztagesordnungspunkt 3:
            a) Antrag der Abgeordneten Jan Korte,
            Wolfgang Nešković, Sevim Dağdelen,
            weiterer Abgeordneter und der Fraktion
            DIE LINKE: Datenschutz für Beschäf-
            tigte stärken
            (Drucksache 16/11376) . . . . . . . . . . . . . .
            b) Antrag der Abgeordneten Marion Seib,
            Alexander Dobrindt, Michael Kretschmer,
            weiterer Abgeordneter und der Fraktion
            der CDU/CSU sowie der Abgeordneten
            Jörg Tauss, Willi Brase, Ulla Burchardt,
            weiterer Abgeordneter und der Fraktion
            der SPD: Förderung des wissenschaftli-
            chen Nachwuchses ausbauen
            (Drucksache 16/11883) . . . . . . . . . . . . . .
            c) Antrag der Abgeordneten Uwe Barth,
            Cornelia Pieper, Patrick Meinhardt, weite-
            rer Abgeordneter und der Fraktion der
            FDP: Entwicklungschancen für den wis-
            senschaftlichen Nachwuchs schaffen
            (Drucksache 16/11880) . . . . . . . . . . . . . .
            d) Antrag der Abgeordneten Dr. Heinrich L.
            Kolb, Jan Mücke, Jens Ackermann, weite-
            rer Abgeordneter und der Fraktion der
            FDP: Faires Nachversicherungsangebot
            zur Vereinheitlichung des Rentenrechts
            in Ost und West
            (Drucksache 16/11236) . . . . . . . . . . . . . .
            Tagesordnungspunkt 34:
            a) Zweite und dritte Beratung des vom Bun-
            desrat eingebrachten Entwurfs eines Ge-
            setzes zur Änderung des Gesetzes über
            22130 D
            22130 D
            22131 A
            22131 A
            22131 A
            22131 B
            22131 B
            Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009 III
            den Bau und den Betrieb von Versuchs-
            anlagen zur Erprobung von Techniken
            für den spurgeführten Verkehr
            (Drucksachen 16/9899, 16/11304) . . . . . .
            b) Beschlussempfehlung und Bericht des
            Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadt-
            entwicklung
            – zu dem Antrag der Abgeordneten Peter
            Götz, Dirk Fischer (Hamburg), Dr.
            Klaus W. Lippold, weiterer Abgeord-
            neter und der Fraktion der CDU/CSU
            sowie der Abgeordneten Petra Weis,
            Klaas Hübner, Sören Bartol, weiterer
            Abgeordneter und der Fraktion der
            SPD: Die integrierte Stadtentwick-
            lung weiter ausbauen
            – zu dem Antrag der Abgeordneten
            Patrick Döring, Gisela Piltz, Horst
            Friedrich (Bayreuth), weiterer Abge-
            ordneter und der Fraktion der FDP: In-
            nenstädte stärken – Kooperationen
            fördern – Städtebauförderung wei-
            terentwickeln
            (Drucksachen 16/11414, 16/8076,
            16/11875) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            c) Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
            schusses für Wirtschaft und Technologie
            zu der Verordnung der Bundesregierung:
            Einhundertsiebenundfünfzigste Verord-
            nung zur Änderung der Einfuhrliste – An-
            lage zum Außenwirtschaftsgesetz –
            (Drucksachen 16/11614, 16/11718 Nr. 2.1,
            16/11779) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            d) Beschlussempfehlung und Bericht des
            Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und
            Reaktorsicherheit zu der Verordnung der
            Bundesregierung: Verordnung zur Ände-
            rung der Verordnung zur Begrenzung
            der Emissionen flüchtiger organischer
            Verbindungen beim Umfüllen und La-
            gern von Ottokraftstoffen – 20. BimSchV
            (Drucksachen 16/11719, 16/11818 Nr. 2,
            16/11897) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            e) – k)
            Beschlussempfehlungen des Petitionsaus-
            schusses: Sammelübersichten 523, 524,
            525, 526, 527, 528 und 529 zu Petitionen
            (Drucksachen 16/11766, 16/11767, 16/11768,
            16/11769, 16/11770, 16/11771, 16/11772)
            Zusatztagesordnungspunkt 4:
            Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
            schusses für Arbeit und Soziales zu dem An-
            trag der Abgeordneten Manuel Sarrazin,
            Jürgen Trittin, Rainder Steenblock, weiterer
            Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
            NIS 90/DIE GRÜNEN: Europäische Ar-
            22131 D
            22132 A
            22132 C
            22132 D
            22133 A
            beitszeitrichtlinie – Hohen Arbeitnehmer-
            schutz EU-weit sicherstellen
            (Drucksachen 16/11758, 16/11894) . . . . . . . .
            Tagesordnungspunkt 5:
            Unterrichtung durch die Bundesregierung:
            Fortschrittsbericht 2008 zur nationalen
            Nachhaltigkeitsstrategie
            (Drucksache 16/10700) . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Ernst Kranz (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Michael Kauch (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Dr. Andreas Scheuer (CDU/CSU) . . . . . . . . .
            Lutz Heilmann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . .
            Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/
            DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Dr. Matthias Miersch (SPD) . . . . . . . . . . . . .
            Patrick Döring (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Andreas Jung (Konstanz) (CDU/CSU) . . . . .
            Ulrich Kelber (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Dr. Günter Krings (CDU/CSU) . . . . . . . . . . .
            Tagesordnungspunkt 6:
            Zweite und dritte Beratung des von der Bun-
            desregierung eingebrachten Entwurfs eines
            Gesetzes zur Fortentwicklung des Pfand-
            briefrechts
            (Drucksachen 16/11130, 16/11195, 16/11886,
            16/11929) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Bernd Scheelen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Carl-Ludwig Thiele (FDP) . . . . . . . . . . . . . . .
            Leo Dautzenberg (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . .
            Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . . .
            Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/
            DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Albert Rupprecht (Weiden) (CDU/CSU) . . . .
            Tagesordnungspunkt 7:
            a) Erste Beratung des von den Abgeordneten
            Kersten Naumann, Wolfgang Nešković,
            Karin Binder, weiteren Abgeordneten und
            der Fraktion DIE LINKE eingebrachten
            Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung
            des Grundgesetzes (Artikel 45 c)
            (Drucksache 16/10397) . . . . . . . . . . . . . .
            b) Erste Beratung des von den Abgeordneten
            Kersten Naumann, Wolfgang Nešković,
            Karin Binder, weiteren Abgeordneten und
            der Fraktion DIE LINKE eingebrachten
            22133 C
            22133 D
            22134 A
            22135 C
            22136 D
            22138 B
            22139 D
            22141 D
            22143 A
            22144 A
            22145 B
            22146 D
            22148 C
            22148 D
            22151 A
            22152 C
            22153 D
            22154 B
            22155 B
            22156 B
            IV Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009
            Entwurfs eines Gesetzes über die Be-
            handlung von Petitionen und über die
            Aufgaben und Befugnisse des Petitions-
            ausschusses des Deutschen Bundesta-
            ges (Petitionsgesetz – PetG)
            (Drucksache 16/10385) . . . . . . . . . . . . . . .
            Kersten Naumann (DIE LINKE) . . . . . . . . . .
            Günter Baumann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . .
            Jens Ackermann (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Klaus Hagemann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/
            DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen)
            (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Tagesordnungspunkt 8:
            a) Antrag der Abgeordneten Bernd Siebert,
            Ulrich Adam, Ernst-Reinhard Beck (Reut-
            lingen), weiterer Abgeordneter und der
            Fraktion der CDU/CSU, der Abgeordne-
            ten Rainer Arnold, Dr. Hans-Peter Bartels,
            Petra Heß, weiterer Abgeordneter und der
            Fraktion der SPD, der Abgeordneten Elke
            Hoff, Birgit Homburger, Dr. Rainer
            Stinner, weiterer Abgeordneter und der
            Fraktion der FDP sowie der Abgeordneten
            Winfried Nachtwei, Omid Nouripour,
            Renate Künast, weiterer Abgeordneter und
            der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
            NEN: Betreuung bei posttraumatischen
            Belastungsstörungen stärken und wei-
            terentwickeln
            (Drucksache 16/11882) . . . . . . . . . . . . . . .
            b) Beschlussempfehlung und Bericht des
            Verteidigungsausschusses zu dem Antrag
            der Abgeordneten Bernd Siebert, Ulrich
            Adam, Ernst-Reinhard Beck (Reutlin-
            gen), weiterer Abgeordneter und der Frak-
            tion der CDU/CSU sowie der Abgeordne-
            ten Rainer Arnold, Dr. Hans-Peter Bartels,
            Petra Heß, weiterer Abgeordneter und der
            Fraktion der SPD: Betreuung bei post-
            traumatischen Belastungsstörungen stär-
            ken und weiterentwickeln
            (Drucksachen 16/11410, 16/11842) . . . . .
            c) Beschlussempfehlung und Bericht des
            Verteidigungsausschusses
            – zu dem Antrag der Abgeordneten Elke
            Hoff, Birgit Homburger, Dr. Rainer
            Stinner, weiterer Abgeordneter und der
            Fraktion der FDP: Medizinische Ver-
            sorgung der Bundeswehr an die Ein-
            satzrealitäten anpassen – Kompe-
            tenzzentrum für posttraumatische
            Belastungsstörungen einrichten
            22156 D
            22156 D
            22158 A
            22159 A
            22160 A
            22161 C
            22162 C
            22163 B
            22163 C
            – zu dem Antrag der Abgeordneten Paul
            Schäfer (Köln), Inge Höger, Monika
            Knoche, weiterer Abgeordneter und
            der Fraktion DIE LINKE: Adäquate
            Behandlungs- und Betreuungskapa-
            zitäten für an posttraumatischen Be-
            lastungsstörungen erkrankte Ange-
            hörige der Bundeswehr
            (Drucksachen 16/7176, 16/8383, 16/10024)
            Dr. Franz Josef Jung, Bundesminister
            BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Elke Hoff (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Jörn Thießen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE) . . . . . . . .
            Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/
            DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Gert Winkelmeier (fraktionslos) . . . . . . . . . .
            Tagesordnungspunkt 9:
            a) Erste Beratung des von den Abgeordneten
            Jerzy Montag, Volker Beck (Köln), Monika
            Lazar, weiteren Abgeordneten und der
            Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
            eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
            zur Änderung des Gesetzes über die
            Entschädigung für Strafverfolgungs-
            maßnahmen
            (Drucksache 16/11434) . . . . . . . . . . . . . .
            b) Antrag der Abgeordneten Jörg van Essen,
            Mechthild Dyckmans, Jens Ackermann,
            weiterer Abgeordneter und der Fraktion
            der FDP: Angemessene Haftentschädi-
            gung für Justizopfer sicherstellen
            (Drucksache 16/10614) . . . . . . . . . . . . . .
            Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/
            DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen)
            (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Jörg van Essen (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen)
            (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Dr. Matthias Miersch (SPD) . . . . . . . . . . . . .
            Wolfgang Nešković (DIE LINKE) . . . . . . . .
            Tagesordnungspunkt 10:
            Zweite und dritte Beratung des von der Bun-
            desregierung eingebrachten Entwurfs eines
            Gesetzes zur Strukturreform des Versor-
            gungsausgleichs (VAStrRefG)
            (Drucksachen 16/10144, 16/11903) . . . . . . . .
            Brigitte Zypries, Bundesministerin
            BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            22163 C
            22163 D
            22165 A
            22166 A
            22167 B
            22168 B
            22169 A
            22170 A
            22170 A
            22170 B
            22171 A
            22172 B
            22172 C
            22173 B
            22174 B
            22175 A
            22175 B
            Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009 V
            Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP)
            Ute Granold (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . .
            Jörn Wunderlich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . .
            Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/
            DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Christine Lambrecht (SPD) . . . . . . . . . . . . . .
            Tagesordnungspunkt 11:
            Antrag der Abgeordneten Dr. Edmund Peter
            Geisen, Hans-Michael Goldmann, Dr. Christel
            Happach-Kasan, weiterer Abgeordneter und
            der Fraktion der FDP: Agrardieselbesteue-
            rung senken – Wettbewerbsnachteile der
            deutschen Landwirtschaft abbauen
            (Drucksache 16/11670) . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Dr. Edmund Peter Geisen (FDP) . . . . . . . . . .
            Norbert Schindler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . .
            Dr. Edmund Peter Geisen (FDP) . . . . . . . .
            Hans-Michael Goldmann (FDP) . . . . . . . .
            Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) . . . . . . .
            Ingrid Arndt-Brauer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . .
            Dr. Edmund Peter Geisen (FDP) . . . . . . . .
            Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/
            DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Peter Bleser (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . .
            Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD) . . . . . . .
            Dr. Edmund Peter Geisen (FDP) . . . . . . . .
            Tagesordnungspunkt 12:
            Erste Beratung des vom Bundesrat einge-
            brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Be-
            grenzung der Haftung von ehrenamtlich
            tätigen Vereinsvorständen
            (Drucksache 16/10120) . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär
            BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Mechthild Dyckmans (FDP) . . . . . . . . . . . . .
            Peter Müller, Ministerpräsident (Saarland) . .
            Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . .
            Dr. Peter Danckert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . .
            Tagesordnungspunkt 13:
            Beschlussempfehlung und Bericht des Innen-
            ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten
            Ulla Jelpke, Wolfgang Nešković, Monika
            22176 B
            22177 A
            22179 A
            22180 A
            22181 B
            22182 A
            22182 B
            22183 C
            22184 A
            22185 B
            22185 D
            22186 C
            22187 C
            22188 A
            22189 A
            22189 C
            22190 A
            22190 D
            22191 A
            22191 D
            22192 C
            22193 D
            22194 C
            Knoche, weiterer Abgeordneter und der Frak-
            tion DIE LINKE: Keine Abschiebungen in
            das Kosovo
            (Drucksachen 16/9143, 16/11370) . . . . . . . . .
            Tagesordnungspunkt 14:
            Antrag der Abgeordneten Antje Blumenthal,
            Hubert Hüppe, Thomas Bareiß, weiterer Ab-
            geordneter und der Fraktion der CDU/CSU
            sowie der Abgeordneten Marlene Rupprecht
            (Tuchenbach), Renate Gradistanac, Angelika
            Graf (Rosenheim), weiterer Abgeordneter und
            der Fraktion der SPD: Frauen und Mädchen
            mit Behinderungen wirksam vor Gewalt
            schützen und Hilfsangebote verbessern
            (Drucksache 16/11775) . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Tagesordnungspunkt 15:
            Antrag der Abgeordneten Kerstin Andreae,
            Alexander Bonde, Christine Scheel, weiterer
            Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
            NIS 90/DIE GRÜNEN: Kontrollrechte aus
            Bundesbeteiligungen strategisch nutzen
            (Drucksache 16/11761) . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Tagesordnungspunkt 16:
            Erste Beratung des von der Bundesregierung
            eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur
            Änderung des Untersuchungshaftrechts
            (Drucksache 16/11644) . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär
            BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Jörg van Essen (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen)
            (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
            Alfred Hartenbach (SPD) . . . . . . . . . . . . .
            Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen)
            (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Dr. Peter Danckert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . .
            Tagesordnungspunkt 17:
            Antrag der Abgeordneten Frank Spieth, Klaus
            Ernst, Dr. Martina Bunge, weiterer Abgeord-
            neter und der Fraktion DIE LINKE: Entschä-
            digungsregelung für durch Blutprodukte
            mit HCV infizierte Bluter schaffen
            (Drucksache 16/11685) . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Jens Spahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Christian Kleiminger (SPD) . . . . . . . . . . . . .
            Dr. Konrad Schily (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . .
            22195 B
            22195 C
            22195 D
            22196 A
            22196 B
            22197 B
            22198 A
            22199 B
            22199 D
            22200 B
            22201 A
            22202 C
            22202 D
            22203 C
            22204 A
            VI Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009
            Frank Spieth (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . .
            Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/
            DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Rolf Schwanitz, Parl. Staatssekretär
            BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Tagesordnungspunkt 18:
            Zweite und dritte Beratung des vom Bundes-
            rat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
            zur Änderung der Bundesnotarordnung
            (Neuregelung des Zugangs zum Anwalts-
            notariat)
            (Drucksachen 16/4972, 16/11906) . . . . . . . . .
            Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU) . . . . . .
            Christoph Strässer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . .
            Mechthild Dyckmans (FDP) . . . . . . . . . . . . . .
            Wolfgang Nešković (DIE LINKE) . . . . . . . . . .
            Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/
            DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär
            BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Tagesordnungspunkt 19:
            Antrag der Abgeordneten Hans-Josef Fell,
            Sylvia Kotting-Uhl, Bärbel Höhn, weiterer
            Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
            NIS 90/DIE GRÜNEN: Vertragstreue Ab-
            schaltung alter Atomkraftwerke in Ost-
            europa
            (Drucksache 16/11764) . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Christian Hirte (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . .
            Christoph Pries (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Angelika Brunkhorst (FDP) . . . . . . . . . . . . . .
            Hans-Kurt Hill (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . .
            Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/
            DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Tagesordnungspunkt 20:
            Erste Beratung des von der Bundesregierung
            eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur
            Umsetzung der Verbraucherkreditrichtli-
            nie, des zivilrechtlichen Teils der Zahlungs-
            diensterichtlinie sowie zur Neuordnung der
            Vorschriften über das Widerrufs- und
            Rückgaberecht
            (Drucksache 16/11643) . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Marco Wanderwitz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . .
            Dirk Manzewski (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Mechthild Dyckmans (FDP) . . . . . . . . . . . . . .
            22204 B
            22205 A
            22205 D
            22206 B
            22206 B
            22207 C
            22208 D
            22209 C
            22210 C
            22211 A
            22212 A
            22212 B
            22213 A
            22214 D
            22215 B
            22215 D
            22216 C
            22216 D
            22218 B
            22219 A
            Karin Binder (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . .
            Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/
            DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär
            BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Tagesordnungspunkt 21:
            Antrag der Abgeordneten Frank Spieth, Klaus
            Ernst, Dr. Martina Bunge, weiterer Abgeord-
            neter und der Fraktion DIE LINKE: Kran-
            kenhausinfektionen vermeiden – Multiresis-
            tente Problemkeime wirksam bekämpfen
            (Drucksache 16/11660) . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Dr. Hans Georg Faust (CDU/CSU) . . . . . . . .
            Dr. Carola Reimann (SPD) . . . . . . . . . . . . . .
            Dr. Konrad Schily (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . .
            Frank Spieth (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . .
            Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/
            DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Rolf Schwanitz, Parl. Staatssekretär
            BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Tagesordnungspunkt 22:
            Antrag der Abgeordneten Dr. Harald Terpe,
            Birgitt Bender, Elisabeth Scharfenberg, weite-
            rer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
            NIS 90/DIE GRÜNEN: Besitz und Anbau
            von Cannabis zum Eigengebrauch entkri-
            minalisieren – Glaubwürdige und am Men-
            schen orientierte Cannabisprävention um-
            setzen
            (Drucksache 16/11762) . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Maria Eichhorn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . .
            Dr. Margrit Spielmann (SPD) . . . . . . . . . . . .
            Detlef Parr (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Monika Knoche (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . .
            Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/
            DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Tagesordnungspunkt 23:
            Antrag der Abgeordneten Frank Spieth, Klaus
            Ernst, Dr. Martina Bunge, weiterer Abgeord-
            neter und der Fraktion DIE LINKE: Kürzun-
            gen bei künstlicher Befruchtung zurück-
            nehmen (Drucksache 16/11663) . . . . . . . . . .
            Maria Eichhorn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . .
            Hubert Hüppe (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . .
            Mechthild Rawert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . .
            Dr. Konrad Schily (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . .
            22220 D
            22221 D
            22222 C
            22223 C
            22223 D
            22225 A
            22225 C
            22225 D
            22226 D
            22227 C
            22228 A
            22228 B
            22229 B
            22230 A
            22230 C
            22231 C
            22232 C
            22232 D
            22233 B
            22234 B
            22236 B
            Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009 VII
            Frank Spieth (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . .
            Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/
            DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Marion Caspers-Merk, Parl. Staatssekretärin
            BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Zusatztagesordnungspunkt 5:
            Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
            wärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Ab-
            geordneten Jürgen Trittin, Kerstin Müller
            (Köln), Winfried Nachtwei, weiterer Abge-
            ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
            DIE GRÜNEN: Kontraproduktive US-Ope-
            rationen in Pakistan sofort einstellen – Um-
            fassende Strategie zur Stabilisierung Pakis-
            tans entwickeln
            (Drucksachen 16/10333, 16/11251) . . . . . . . .
            Tagesordnungspunkt 25:
            Antrag der Abgeordneten Ulrike Höfken, Priska
            Hinz (Herborn), Jerzy Montag, weiterer Ab-
            geordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
            DIE GRÜNEN: Biopatentrecht verbessern –
            Patentierung von Pflanzen, Tieren und bio-
            logischen Züchtungsverfahren verhindern
            (Drucksache 16/11604) . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Dr. Günter Krings (CDU/CSU) . . . . . . . . . . .
            Dr. Matthias Miersch (SPD) . . . . . . . . . . . . . .
            Dr. Christel Happach-Kasan (FDP) . . . . . . .
            Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) . . . . . . .
            Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/
            DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Anlage 1
            Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . .
            Anlage 2
            Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des
            Entwurfs eines Gesetzes zur Begrenzung der
            Haftung von ehrenamtlich tätigen Vereinsvor-
            ständen (Tagesordnungspunkt 12)
            Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/
            DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Anlage 3
            Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung
            der Beschlussempfehlung und des Berichts:
            22236 B
            22237 B
            22238 A
            22238 D
            22239 A
            22239 B
            22240 B
            22241 B
            22241 D
            22242 C
            22243 D
            22245 A
            22245 C
            Keine Abschiebungen in das Kosovo (Tages-
            ordnungspunkt 13)
            Hans-Werner Kammer (CDU/CSU) . . . . . . . .
            Rüdiger Veit (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP) . . . . . . . .
            Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . .
            Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/
            DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Anlage 4
            Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung
            des Antrags: Frauen und Mädchen mit Behin-
            derungen wirksam vor Gewalt schützen und
            Hilfsangebote verbessern (Tagesordnungs-
            punkt 14)
            Antje Blumenthal (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . .
            Michaela Noll (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . .
            Marlene Rupprecht (Tuchenbach) (SPD) . . .
            Ina Lenke (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . .
            Markus Kurth (BÜNDNIS 90/
            DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Anlage 5
            Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung
            des Antrags: Kontrollrechte aus Bundesbetei-
            ligungen strategisch nutzen (Tagesordnungs-
            punkt 15)
            Klaus-Peter Willsch (CDU/CSU) . . . . . . . . . .
            Bernhard Brinkmann (Hildesheim) (SPD) . . .
            Ulrike Flach (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Roland Claus (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . .
            Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/
            DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Anlage 6
            Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des
            Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Un-
            tersuchungshaftrechts (Tagesordnungspunkt 16)
            Wolfgang Nešković (DIE LINKE) . . . . . . . . .
            Anlage 7
            Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung
            der Beschlussempfehlung und des Berichts:
            Kontraproduktive US-Operationen in Pakis-
            tan sofort einstellen – Umfassende Strategie
            22246 B
            22247 C
            22248 B
            22249 A
            22249 C
            22250 B
            22251 A
            22251 D
            22253 A
            22253 C
            22254 D
            22255 C
            22257 A
            22257 D
            22258 C
            22259 B
            22259 D
            VIII Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009
            zur Stabilisierung Pakistans entwickeln (Zu-
            satztagesordnungspunkt 5)
            Holger Haibach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . .
            Johannes Pflug (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Elke Hoff (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . .
            Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/
            DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
            22260 C
            22261 D
            22262 B
            22263 C
            22264 C
            Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009 22087
            (A) (C)
            (B) (D)
            205. Si
            Berlin, Donnerstag, d
            Beginn: 9
        
        
        
        
          
          
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009 22245
        (A) (C)
        (B) (D)
        Dr. Terpe, Harald BÜNDNIS 90/ 12.02.2009
        rung ist unangebracht. Anders als der Entwurf vor-
        schlägt, sollen die weiteren Vorstandsmitglieder sichDIE GRÜNEN
        Anlage 1
        Liste der entschuldigten Abgeordneten
        Abgeordnete(r)
        entschuldigt bis
        einschließlich
        Dr. Akgün, Lale SPD 12.02.2009
        Andreae, Kerstin BÜNDNIS 90/
        DIE GRÜNEN
        12.02.2009
        Burkert, Martin SPD 12.02.2009
        Ernstberger, Petra SPD 12.02.2009
        Gabriel, Sigmar SPD 12.02.2009
        Heller, Uda Carmen
        Freia
        CDU/CSU 12.02.2009
        Dr. Högl, Eva SPD 12.02.2009
        Hörster, Joachim CDU/CSU 12.02.2009
        Homburger, Birgit FDP 12.02.2009
        Lafontaine, Oskar DIE LINKE 12.02.2009
        Menzner, Dorothée DIE LINKE 12.02.2009
        Mücke, Jan FDP 12.02.2009
        Nitzsche, Henry fraktionslos 12.02.2009
        Parr, Detlef FDP 12.02.2009
        Paula, Heinz SPD 12.02.2009
        Pflug, Johannes SPD 12.02.2009
        Schily, Otto SPD 12.02.2009
        Schmidt (Fürth),
        Christian
        CDU/CSU 12.02.2009
        Schultz (Everswinkel),
        Reinhard
        SPD 12.02.2009
        Steinbach, Erika CDU/CSU 12.02.2009
        Dr. Strengmann-Kuhn,
        Wolfgang
        BÜNDNIS 90/
        DIE GRÜNEN
        12.02.2009
        Anlagen zum Stenografischen Bericht
        Anlage 2
        Zu Protokoll gegebene Rede
        zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur
        Begrenzung der Haftung von ehrenamtlich täti-
        gen Vereinsvorständen (Tagesordnungspunkt 12)
        Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
        NEN): Es ist richtig und notwendig, alles Vernünftige zu
        tun, um die Übernahme von ehrenamtlichen Ehrenämter
        zu erleichtern und die Bürger sogar dazu zu ermuntern,
        dies zu tun. Wir wollen auch nicht, dass engagierte Per-
        sonen durch Haftungsregelungen unzumutbaren Risiken
        ausgesetzt und von der Übernahme solcher Ämter in
        Vereinen abgehalten werden. Deshalb unterstützen wir
        Intentionen, Haftungseinschränkungen vorzunehmen.
        Aber doch nicht so, wie der Bundesrat es in seinem Ent-
        wurf vorgeschlagen hat. Damit würde das Haftungsri-
        siko zulasten der Vereine, der Interessen der Vereinsmit-
        glieder und Dritter umverteilt. Die Gegenäußerung der
        Bundesregierung enthält zahlreiche zutreffende Erwä-
        gungen und Argumente gegen die vom Bundesrat vorge-
        schlagene gesetzliche Neuregelung.
        Wir lehnen den Entwurf des Bundesrates ab. Maß-
        gelblich sind die folgenden Gründe: Große Vereine, auch
        gemeinnützige, sind häufig auch große Wirtschaftsunter-
        nehmen mit großen Umsätzen und zahlreichen Mitarbei-
        tenden. Gerade die Angestellten der Vereine, aber auch
        Mitglieder, Spender und Geschäftspartner sollten nicht
        schlechtergestellt werden. Im Interesse der Mitarbeiten-
        den sollten die gesamten Vereinsvorstände nicht aus der
        Verpflichtung entlassen werden, die Tätigkeit und die
        Geschäfte der Vereine so zu organisieren und zu kontrol-
        lieren, dass etwa die Steuer-, Sozial- und Versicherungs-
        angelegenheiten ordnungsgemäß geregelt und abgewi-
        ckelt werden, damit ihre berechtigten Interessen keinen
        Schaden nehmen können. Die Freistellung eines Teils
        der Vorstandes von der Haftung für fahrlässiges Handeln
        und Unterlassen könnte sich so auswirken, dass Vor-
        standsmitglieder meinen, ihre Verpflichtungen nicht
        mehr so ernst nehmen zu müssen wie bisher. Schuldhaf-
        ter Pflichtverletzung muss weiterhin vorgebeugt werden
        durch die Möglichkeit, für eventuelle Folgen oder Schä-
        den haften zu müssen.
        Beschäftigte von Vereinen, die sich auf ihre vertrag-
        lich vereinbarte Sozialversicherung verlassen, dürfen
        nicht gegenüber anderen Beschäftigten benachteiligt
        werden, indem ehrenamtlich unentgeltliche Vereinsvor-
        stände als Arbeitgeber letztlich folgenlos die Abführung
        von Sozialversicherungsbeiträge unterlassen, und dies
        zulasten der Versichertengemeinschaft. Das erscheint
        uns nicht verantwortbar. Diese Arbeitgeberfunktion
        müssen alle Vereinsvorstände gesamtschuldnerisch
        wahrnehmen oder innerorganisatorisch sicherstellen,
        dass jedenfalls ein Mitglied die Beiträge abführt. Die
        strafrechtliche Haftung der anderen ist dann ohnehin auf
        Vorsatz begrenzt; eine noch weiter gehende Verringe-
        22246 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009
        (A) (C)
        (B) (D)
        diesbezüglich nicht von jeglichen Kontroll- und Über-
        wachungspflichten freizeichnen können.
        Wenn in Konsequenz dieser Vorschläge nur einzelne
        ehrenamtliche Vorstände haftungsbefreit würden, aber
        wenigstens ein anderer ehrenamtlicher Vorstand dann al-
        lein das volle Haftungsrisiko tragen müsste, würde dies
        absehbar die Offenheit verringern, ehrenamtlich be-
        stimmte Vorstandsämter zu bekleiden. Hinzu kommt:
        Schädigt ein Vereinsvorstand leicht fahrlässig einen
        Dritten und bliebe er gleichwohl von dessen Ansprüchen
        freigestellt, würde der gesamte Verein mit dem Vereins-
        vermögen, das Mitglieder und Spender für gemeinnützige
        Zwecke aufgebracht haben, bis zur Insolvenz haften, nicht
        aber alle Vereinsvorständler. Diese Folgenlosigkeit von
        Pflichtverletzungen durch Vorstandsmitglieder können
        wir nicht wollen. Wenn in Konsequenz dieser Vor-
        schläge nur einzelne ehrenamtliche Vorstände haftungs-
        befreit würden, aber wenigstens ein anderer ehrenamtli-
        cher Vorstand dann allein das volle Haftungsrisiko
        tragen müsste, würde dies absehbar die Offenheit verrin-
        gern.
        Sorgen möglicher Vereins- und Stiftungsvorständler
        vor Haftungsrisiken aus ihrem Amt und ihrer Stellung
        im Verein können und sollen durch eine obligatorische
        Versicherung des Vereins gegen derlei Risken entgegen-
        gewirkt werden. Auch wäre die vorgeschlagene zivil-,
        steuer- und sozialrechtliche Haftungsprivilegierung von
        unentgeltlich tätigen Vereinsvorständen etwa gegenüber
        ebenso unentgeltlich ehrenamtlich tätigen Stiftungsvor-
        ständen, Vormünden, Betreuern und Pfleger erscheint
        unangemessen. Hier wäre eine stimmige Gesamtlösung
        für alle unentgeltlich und ehrenamtlich Tätigen nötig.
        Die vorgeschlagene steuerrechtliche Haftungsbegren-
        zung von ehrenamtlich unentgeltlich tätigen Vereinsvor-
        standsmitgliedern ist nicht vertretbar. Dies könnte dazu
        führen, dass sich alle Vorstandsmitglieder bis auf eines
        durch vorstandsinterne Abreden von der Erfüllung steu-
        erlicher Vereinspflichten zulasten des Steueraufkom-
        mens freizeichnen. Sie würden nur mithaften, wenn ih-
        nen Kenntnis etwaiger Pflichtverletzungen des haftenden
        Vorstandsmitglieds – in Missbrauchsfällen eventuell so-
        gar eines mittellosen Strohmanns – nachgewiesen wer-
        den könnten. Das jedoch wird kaum je gelingen.
        Das Land Nordrhein-Westfalen hat folglich bereits im
        Bundesrat beantragt, jedenfalls diese steuerliche Privile-
        gierung zu streichen, war damit jedoch unterlegen.
        Das richtige Ziel, die Übernahme von Ehrenämtern zu
        fördern, muss auf andere, überlegtere Art und Weise
        weiter verfolgt werden.
        Anlage 3
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung der Beschlussempfehlung und des
        Berichts: Keine Abschiebungen in das Kosovo
        (Tagesordnungspunkt 13)
        Hans-Werner Kammer (CDU/CSU): Zum wieder-
        holten Male behandeln wir hier einen Antrag der Frak-
        tion Die Linke, der einen totalen Abschiebestopp für
        Flüchtlinge fordert. Diesmal handelt es sich um Flücht-
        linge aus dem Kosovo. Der Antrag wird von der Linken
        mit dem mangelnden Schutz von Minderheiten wie zum
        Beispiel den Serben begründet. Nach Erkenntnissen des
        Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge ist die Lage
        seit der Unabhängigkeitserklärung, abgesehen von
        Nordkosovo, weitestgehend stabil. In dem bisher von der
        UNMIK kontrolliertem Gebiet sind sehr wohl Fort-
        schritte bei der Stabilisierung und Demokratisierung
        festzustellen. Seit der Unabhängigkeitserklärung sind
        militante bzw. gewaltbereite kosovo-albanische Gruppen
        kaum mehr in Erscheinung getreten. Aber auch wenn
        nun das Ziel der „Unabhängigkeit“ erreicht ist, können
        wir nicht davon ausgehen, dass sich diese vollkommen
        zurückziehen oder gar auflösen werden. Die Mehrzahl
        der Menschen will aber letztendlich in Frieden leben und
        endlich zur Tagesordnung übergehen.
        Am 21. Januar dieses Jahres nahm die Kosovo Security
        Force, KSF, als volksübergreifende Sicherheitseinheit
        ihre Arbeit auf. Sie soll Unruhen zwischen Kosovo-
        Albanern und Serben niederschlagen helfen. Dabei
        wurde darauf geachtet, dass die Einheit im Gegensatz
        zum Vorgänger Kosovo Protection Corps nicht von
        UCK-Veteranen dominiert wird, sondern multiethnisch
        zusammengesetzt ist. Auch dies ist ein wichtiger Beitrag
        zur Stabilisierung in der Region. Es gibt derzeit keinen
        triftigen Grund für einen totalen Abschiebestopp. Die
        Lage in Nordkosovo ist allerdings noch verhältnismäßig
        angespannt. Die serbische Regierung in Belgrad versuchte
        bisher mit allen Mitteln, die serbischen Siedlungsgebiete
        unter ihre volle Kontrolle zu bringen. Kosovo-serbische
        Beamte – Polizisten, Richter, Eisenbahner – verweigerten
        dem neuen Staat und der Rechtsstaatlichkeitsmission
        EULEX zum Teil ihre Dienste.
        Dies betrifft wohlgemerkt hauptsächlich den Nord-
        kosovo. Es sicher notwendig, dass in dieser Beziehung
        auch entsprechend stärker auf die serbische Regierung
        eingewirkt wird. Ein Schritt in die richtige Richtung ist
        damit getan worden, dass nunmehr die UNMIK im
        Nordkosovo Aufgaben der EULEX übernommen hat,
        was zu einer besseren Akzeptanz durch die Serben füh-
        ren soll. Hin und wieder sind immer noch gewaltsame
        Auseinandersetzungen zwischen Kosovo-Serben und
        Kosovo-Albanern zu beobachten. Hier ist jedoch nach
        Erkenntnissen des BAMF nicht immer klar, ob diese im-
        mer einen ethnischen Hintergrund haben oder ob es sich
        um Auseinandersetzungen zwischen kriminellen Verei-
        nigungen handelt.
        Trotz aller Probleme sollten wir die weiteren Fort-
        schritte in der Region abwarten. Ich bin der Meinung,
        hier geht es um Ursachenbekämpfung und nicht um den
        Kampf gegen die Symptome, sodass ein genereller Ab-
        schiebestopp und die damit verbundene Einstellung von
        Einzelfallprüfungen überhaupt keinen Sinn machen. Im
        Gegenteil: Mit einer Besserstellung der Flüchtlinge aus
        dem Kosovo gegenüber anderen Flüchtlingen verlassen
        wir den Pfad einer gerechten, aber konsequenten Flücht-
        lingspolitik.
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009 22247
        (A) (C)
        (B) (D)
        Als Begründung für einen generellen Abschiebestopp
        führt die Fraktion Die Linke ferner die schwierige öko-
        nomische Lage vor Ort an. Auch dies rechtfertigt keinen
        generellen Abschiebestopp. Hier sei auf das EU-Rück-
        kehrprojekt verwiesen, welches die Rückkehrer auch in
        wirtschaftlichen Belangen unterstützt. So hat die
        Arbeitsgruppe Entwicklung und Fachkräfte im Bereich
        Migration Rückkehrern, die sich selbstständig machen
        wollen, sowohl in Deutschland als auch im Kosovo spe-
        zielle Seminare für Existenzgründer angeboten. Auch die
        Arbeiterwohlfahrt Nürnberg bietet Qualifizierungsmaß-
        nahmen an, um freiwillige Rückkehrer bestmöglich auf
        die Anforderungen im Berufsleben vorzubereiten. Gegen
        einen generellen Abschiebestopp sprechen auch die ak-
        tuellen Fallzahlen: 2008 stammten insgesamt 879 Asyl-
        bewerber aus dem Kosovo. 0,5 Prozent der Anträge von
        Personen aus dem Kosovo wurden anerkannt. Für 1,9 Pro-
        zent der Antragsteller wurde 2008 subsidiärer Schutz ge-
        währt, indem ein Abschiebungsverbot für diese Personen
        erlassen wurde.
        Ich bin dem Bundesinnenministerium und dem Bundes-
        amt für Migration und Flüchtlinge in diesem Zusammen-
        hang dankbar, dass nunmehr statistisch zwischen Antrag-
        stellern aus dem Kosovo und aus Serbien unterschieden
        wird. Ich hoffe jedoch, die Kolleginnen und Kollegen
        der Linken werfen der Bundesregierung hierbei nicht
        auch wieder die Unterstützung von völkerrechtswidrigem
        Separatismus vor. Durch die statistische Differenzierung
        wird es zukünftig möglich sein, genaue Schlussfolgerungen
        aus den Zahlen der Asylbewerber aus Serbien und dem
        Kosovo zu ziehen. Addiert man die Fallzahlen aus Serbien
        und Kosovo, so ergäbe sich bei 1 536 Asylerstanträgen im
        Jahr 2008 ein Rückgang um 460 Anträge, also 23 Pro-
        zent, im Vergleich zu 2007. Damit sind Serbien und Ko-
        sovo die einzigen unter den Hauptherkunftsstaaten mit
        einem deutlichen Rückgang an Asylbewerbern im Jahr
        2008. Leider ist bisher noch nicht daraus zu erkennen,
        welchen Anteil Flüchtlinge aus dem Kosovo an diesem
        signifikanten Rückgang haben. Aber die Zahlen des letzten
        Quartals 2008 lassen schon eine Tendenz erkennen. So
        war innerhalb des vierten Quartals die Zahl der monatli-
        chen Asylanträge aus dem Kosovo ebenfalls rückläufig.
        Auch ist bei den Asylbewerbern aus Serbien eine zu-
        rückgehende Tendenz zu beobachten.
        Das Bundesamt für Migration für Flüchtlinge lässt
        zudem bei den bewährten Einzelfallprüfungen auch die
        notwendige Sorgfalt walten. So werden zum Beispiel
        Rückführungen bei Kranken, deren ausreichende medi-
        zinische Versorgung vor Ort nicht sichergestellt werden
        kann, schon mal ausgesetzt. Zweifel an der guten Arbeit
        des BAMF sind in diesem Zusammenhang unange-
        bracht. Auch für die Roma wird ein besonderes Schutz-
        bedürfnis vor dem Hintergrund des UNHCR-Papiers
        vom Juni 2006 beachtet. So können nur besonders
        schwere Straftäter de facto zurückgeführt werden. In den
        meisten Fällen hat UNMIK im Rahmen der Einzelfall-
        prüfung die Rückführung nicht gestattet.
        Ich fasse zusammen: Die CDU/CSU-Fraktion steht für
        eine maßgeschneiderte Flüchtlingspolitik. Wozu haben
        wir denn sonst die vielen Ausnahmetatbestände, die es
        erlauben, gegebenenfalls auf Rückführungen im Einzel-
        fall zu verzichten? Mit ihren steten Forderungen nach
        generellen Abschiebestopps haben die Linken den Blick
        für eine Flüchtlingspolitik, die der jeweiligen Situation
        gerecht wird, verloren. Ihre Realitätsferne zeigt erneut,
        dass sie noch in einem anderem Staat zu Hause sind.
        Alle beteiligten Stellen, UNMIK, die Länder und
        auch das BAMF leisten eine gute Arbeit und gehen auf
        die berechtigten Interessen der Flüchtlinge ein. Trotz al-
        ler Schwierigkeiten zeichnet sich im zehnten Jahr der
        UNMIK-Mission eine, wenn auch nur allmähliche, Sta-
        bilisierung der Situation ab. Ich hoffe, dass die serbische
        Regierung, der ja einige Kolleginnen und Kollegen hier
        im Hause auch gerne das Wort reden, nach dem Rückzug
        von EULEX aus dem Nordkosovo sich dort auch koope-
        rationsbereiter zeigt. Ferner zeigt auch die offensichtlich
        zurückgehende Zahl von Anträgen aus dem Kosovo,
        dass es keine Veranlassung gibt, bei den Ländern einen
        generellen Abschiebestopp zu erwirken. Aus diesen
        Gründen lehnen wir von der Union den Antrag der Frak-
        tion Die Linke ab. Wir folgen damit der Empfehlung des
        Innenausschusses.
        Rüdiger Veit (SPD): Vor knapp acht Monaten haben
        wir über genau den gleichen Antrag schon einmal bera-
        ten. Damals habe ich gesagt, dass wir die Sicherheitslage
        im Kosovo nach wie vor kritisch beobachten müssen.
        „Sobald sich diese negativ entwickle, seien selbstver-
        ständlich weitere Maßnahmen zu ergreifen“, heißt es im
        Bericht und in der Beschlussempfehlung des Innenaus-
        schusses zum vorliegenden Antrag.
        Die auch von mir geteilte Befürchtung, es könne nach
        der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo im Februar
        2008 erneut zu schweren ethnisch motivierten Unruhen
        kommen, hat sich erfreulicherweise nicht bewahrheitet.
        Auch wenn die Lage von Minderheiten im Kosovo im-
        mer noch nicht stabil ist, so hat sich doch in den vergan-
        genen acht Monaten die Situation immer mehr verbes-
        sert.
        Bereits im Februar 2008 verpflichteten sich das Parla-
        ment und die politische Führung des Kosovo auf rechts-
        staatliche und demokratische Standards für ihr Land. Sie
        sagten zu, dass das Kosovo Heimat aller seiner Bürger
        sein werde. Dieses klare Bekenntnis zu Rechtsstaat, De-
        mokratie und Multiethnizität findet sich auch in der ko-
        sovarischen Verfassung, die am 15. Juni 2008 in Kraft
        trat.
        Seit Juni 2008 wurde dann auf Initiative des UN-Ge-
        neralsekretärs Ban Ki-Moon mit der Umgestaltung und
        Anpassung der internationalen zivilen Präsenz im Ko-
        sovo begonnen. Der UN-Sicherheitsrat hat dem Plan
        zum Aufbau der EU-Polizei- und -Justizmission EULEX
        zugestimmt. Am 9. Dezember letzten Jahres hat die zi-
        vile Polizeimission der Europäischen Union offiziell mit
        ihrer Arbeit auf dem gesamten Territorium des Kosovo
        begonnen.
        Das Ziel von EULEX ist es, eine multiethnische Poli-
        zei, Justiz und Verwaltung im Kosovo aufzubauen und
        eine Unterdrückung der serbischen Minderheit zu ver-
        hindern. EULEX ist die größte zivile Mission, die im
        22248 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009
        (A) (C)
        (B) (D)
        Rahmen der Europäischen Sicherheits- und Verteidi-
        gungspolitik, ESDP, bisher jemals aufgestellt wurde.
        Von den insgesamt 3 000 Mitarbeitern werden 1 900 an-
        reisen, die restlichen werden aus der örtlichen Bevölke-
        rung angeworben. Momentan zählt die Mission rund
        1 300 Mitarbeiter. Der EULEX-Etat für die ersten
        16 Monate beträgt 205 Millionen Euro.
        Der EU-Einsatz ist zunächst auf 28 Monate befristet.
        Diplomaten rechnen aber bereits mit einer Dauer von
        fünf bis zehn Jahren. Die EU ist mit beachtlichem Ein-
        satz im Kosovo vor allem auch zur Verhinderung von
        ethnisch motivierten Konflikten vor Ort und leistet prak-
        tische Hilfe beim Aufbau einer multiethnischen Verwal-
        tung. Auch wenn es immer noch jede Menge Probleme
        gibt, hat sich die Situation doch entschärft. Es ist zu kei-
        nen neuen ethnisch motivierten Krawallen mehr gekom-
        men. Für die Minderheitengruppe der Aschkali und
        Ägypter fordert selbst Amnesty International keinen ge-
        nerellen Abschiebestopp mehr.
        Schwieriger sieht die Situation generell für Roma aus
        und Serben, die aus dem Süden des Kosovo stammen.
        Immer noch werden Roma in allen Teilen des Landes
        schwerwiegend diskriminiert; die im Süden des Kosovo
        lebenden Serben sind dort die Minderheit. Sie leben in
        Enklaven und können sich häufig nur in Begleitung von
        Polizeischutz durchs Land bewegen.
        Auf der anderen Seite werden gegenwärtig aus der
        Gruppe der Roma nur schwere Straftäter abgeschoben.
        Auch seit das kosovarische Innenministerium die Kom-
        petenz für die Rückführungen innehat und nicht mehr
        UNMIK, ist die Zahl der Abschiebungen nicht sprung-
        haft angestiegen. Im Gegenteil: Jetzt, in den Wintermo-
        naten, sind die Abschiebungen in das Kosovo fast einge-
        stellt worden. Von Massenabschiebungen kann nicht die
        Rede sein. Auch die Zahl der Rückführungen insgesamt
        ist im vergangenen Jahr 2008 im Vergleich zu den Zah-
        len von 2007 gesunken und nicht etwa angestiegen.
        Dies alles lässt darauf schließen, dass in Einzelfällen
        mit Augenmaß entschieden und häufig auch auf Rück-
        führungen verzichtet wird. Wir werden die Entwicklung
        des Kosovo jedoch weiterhin kritisch verfolgen und un-
        ser Handeln den jeweils aktuellen Erfordernissen anpas-
        sen.
        Aus den vorgenannten Gründen kann ich einem gene-
        rellen Abschiebestopp heute allerdings genauso wenig
        oder eher noch weniger als vor knapp einem Jahr zustim-
        men. Ich empfehle daher, den Antrag abzulehnen.
        Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP): Auch nach den
        Ausschussberatungen ist der Eindruck, den die FDP vom
        vorliegenden Antrag hat, unverändert: Die Linke unter-
        nimmt einmal mehr einen Anlauf, das deutsche Auslän-
        derrecht auszuhebeln. Diesmal soll das Kosovo als Not-
        standsgebiet dargestellt werden, in das Deutschland
        niemanden abschieben dürfe. Das Auswärtige Amt und
        die diesbezügliche Praxis der Bundesregierung rechtfer-
        tigen eine solche Pauschalausnahme vom Ausländer-
        recht nicht. Die bisherigen Anträge der Linken zum
        Thema Ausländerrecht haben deren Weltbild zu deutlich
        gemacht: Die ganze Welt ist Notstandsgebiet, und diese
        Not nur auf deutschem Boden zu heilen: Am deutschen
        Wesen soll die Welt genesen – auf sozialistisch.
        Die Linke, so können wir auf ihrer Netzseite lesen,
        hält die Unabhängigkeit des Kosovo für „völkerrechts-
        widrig“; Denn, so heißt es dort:
        Letztendlich ist die Unabhängigkeit des Kosovo das
        Ergebnis des Krieges der NATO gegen das dama-
        lige Jugoslawien und basiert dementsprechend auf
        einer gewaltsam herbeigeführten Grenzverände-
        rung. Damit sind die jetzigen Entwicklungen eine
        direkte – zeitlich verzögerte – Folge des Krieges.
        Dass an einem solchen, gegen den strammen Sozialis-
        mus eines Milosevic und seiner Epigonen gegründeten
        Staat kein gutes Haar gelassen werden kann, ist in der
        Linken-Logik klar. Deshalb muss natürlich nach Sicht
        der Linken sofort ein Abschiebestopp für Menschen her,
        die zwar kein Aufenthaltsrecht in Deutschland haben,
        aber vor „diesem“ Kosovo unbedingt zu schützen sind.
        Niemand bestreitet mögliche Probleme in der inneren
        Ordnung des neuen Staates. Aber die Linke will diese
        Probleme nicht lösen. Sie vergießt Krokodilstränen in
        ihrem Antrag, wenn sie moniert, dass die KFOR-Trup-
        pen nicht gegen Ausschreitungen gegen Minderheiten
        vorgegangen seien. Gleichzeitig hat sie sich selbst laut-
        hals gegen den Einsatz der Bundeswehr im Kosovo aus-
        gesprochen.
        Die Linke will das Kosovo in möglichst schlechtem
        Licht erscheinen lassen, sein staatliches Existenzrecht
        und seine Legitimität in Abrede stellen, keinen wirksa-
        men Beitrag zur Problemlösung vor Ort leisten, schon
        gar nicht militärisch, und nutzt das so systematisch un-
        terstützte Chaos zur Forderung, dieses nun möglichst
        umfassend noch zu einem innenpolitischen Problem der
        Bundesrepublik zu machen. Das ist keine Politik; das ist
        Propaganda unter dem Deckmantel der Humanität. Es ist
        unerträglich, dass die Linke auch den Holocaust heran-
        zieht, um ihre Chaosförderungspolitik zu begründen.
        Ein genereller Abschiebestopp, wie die Linken for-
        dern, ist sachlich nicht angemessen. Gerade vor dem
        Hintergrund der Verantwortung für andere Fälle muss
        die Notwendigkeit eines Abschiebestopps genau geprüft
        werden. Der generelle Abschiebestopp ist ein politisches
        Instrument im Falle einer akuten Entwicklung, die ra-
        sches Handeln erfordert. Dieses Instrument darf nicht in-
        flationär verwendet werden. Die individuelle Prüfung,
        ob ein Asylgrund vorliegt, bleibt ja nicht ausgeschlos-
        sen. Eine darüber hinausgehende kollektive Ausnahme
        von den ausländerrechtlichen Bestimmungen scheint
        kaum angemessen.
        Die Konflikte im Kosovo sind unzweifelhaft eine
        langfristige Entwicklung. Die Probleme im Zusammen-
        leben verschiedener Ethnien und verfeindeter Gruppen
        können nicht auf dem Boden der Bundesrepublik
        Deutschland gelöst werden. Stattdessen müssen wir hel-
        fen, dass diese Konflikte im Kosovo beigelegt werden
        können. Wir tun das durch EULEX, der Rechtsstaats-
        mission der EU. Sie hilft, rechtsstaatliche Strukturen im
        Kosovo aufzubauen und nachhaltig zu entwickeln. Wir
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009 22249
        (A) (C)
        (B) (D)
        tun das, indem wir dem Bundeswehreinsatz im Kosovo
        zugestimmt haben, die hilft, diese Entwicklung militä-
        risch abzusichern. Es ist gerade die Linke, die das stän-
        dig und systematisch zu torpedieren versucht. Ihr Antrag
        ist durchsichtig: Ihre Ideologie ist der Linken wichtiger
        als das langfristige Wohl der Menschen.
        Der Antrag der Linken ist in seiner mehrfachen Ziel-
        setzung, der Destabilisierung des unabhängigen Kosovo,
        der Diffamierung der westlichen Anerkennung derselben
        und auch bei der Infragestellung wesentlicher Merkmale
        des bestehenden deutschen Ausländerrechts, allzu
        durchsichtig. Die FDP lehnt ihn ab.
        Ulla Jelpke (DIE LINKE): Wir beraten heute ab-
        schließend einen Antrag der Fraktion Die Linke, keine
        Angehörigen von Minderheiten in das Kosovo abzu-
        schieben. Der Bundesinnenminister soll sich dafür ein-
        setzen, dass alle Maßnahmen beendet werden, die solche
        Abschiebungen zum Ziel haben.
        Leider ist die Abschiebemaschinerie in Deutschland
        schon angelaufen. Ein Beispiel vom vergangenen
        Herbst: Am frühen Dienstagmorgen des 4. November
        reißen circa 30 Polizeibeamte die Familie Berisha in
        Mannheim aus dem Schlaf. Die Mutter und vier Kinder
        werden mit Handschellen gefesselt zum Flughafen Ba-
        den-Baden gebracht. Sie können nur mitnehmen, was sie
        am Körper tragen. Die Mutter ist schwer herzkrank, drei
        der Kinder sind minderjährig und in Deutschland gebo-
        ren, nachdem die Mutter vor 17 Jahren hierherkam. Sie
        leben nun auf der Straße und erhalten keinerlei Unter-
        stützung von den kosovarischen Behörden.
        Familien wie diese gibt es viele. Nach Schätzungen
        leben circa 100 000 Roma-Flüchtlinge in Europa. Allein
        in Deutschland geht es um schätzungsweise 23 000
        Menschen, die seit zehn Jahren und länger hier leben.
        Die meisten von ihnen werden nur geduldet, weil die Be-
        hörden eine Rückkehr in das Kosovo grundsätzlich für
        zumutbar halten.
        Die Fraktion Die Linke findet es nicht zumutbar,
        Menschen in ein Land zu schicken, in dem der Minder-
        heitenschutz weiterhin nur auf dem Papier steht. Die
        Linke findet es nicht zumutbar, Menschen in Armut und
        Rechtlosigkeit abzuschieben. Die Linke findet es nicht
        zumutbar, Kinder abzuschieben, die zehn Jahre und län-
        ger in Deutschland leben und das Kosovo nur aus Erzäh-
        lungen kennen.
        Circa ein Drittel der Roma, Aschkali und der soge-
        nannten Ägypter aus dem Kosovo haben keine gültigen
        Ausweispapiere. Es ist ihnen unmöglich, bei einer Rück-
        kehr in das Kosovo ihre Identität nachzuweisen und ih-
        ren früheren Besitz zurückzuerlangen. Und selbst wenn
        sie ihre Identität nachweisen können, hilft ihnen das oft
        nicht weiter. Denn ihnen fehlen die Mittel, um ihr Recht
        einzuklagen. Die Justiz im Kosovo ist nicht willens und
        oft schlicht nicht in der Lage, Angehörigen von Minder-
        heiten zu ihrem Recht zu verhelfen.
        Die soziale Situation vor allem der Roma ist insge-
        samt erbärmlich. Die meisten leben von weniger als ei-
        nem US-Dollar pro Tag, also in purer Armut. Vom sozia-
        len Sicherungssystem und vom Gesundheitssystem sind
        die Roma ebenfalls ausgeschlossen. Selbst wenn sie re-
        gistriert sind, können sie sich die Medikamente nicht
        leisten.
        Ich fordere Sie daher auf: Stoppen Sie Abschiebungen
        in Not und Elend! Sorgen Sie für eine dauerhafte Per-
        spektive der Roma-Flüchtlinge in der Bundesrepublik!
        Und nicht zuletzt: Leisten Sie einen Beitrag zur dauer-
        haften Stabilisierung des Kosovo!
        Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
        NEN): Die Stabilisierung der kosovarischen Institutio-
        nen muss aus unserer Sicht so kurz nach der Unabhän-
        gigkeit des Landes das wichtigste Ziel sein. Die
        Stabilisierung der kosovarischen Institutionen benötigt
        Zeit und die notwendige Hilfestellung durch EULEX.
        In diesem Zusammenhang sind Tausende von abge-
        schobenen ethnischen Minderheitsangehörigen aus
        Deutschland gar nicht hilfreich und schaffen ein großes
        Risiko der Destabilisierung. Es gibt nach wie vor im Ko-
        sovo keine Aufnahme- und Integrationskapazität für
        Minderheiten, Kranke oder für Rückkehrer, die mittellos
        sind. Es gibt für Abgeschobene keine Unterstützung im
        Kosovo, weder von kosovarischen noch von internatio-
        nalen Institutionen. Abgeschobene Flüchtlinge sind völ-
        lig auf sich selbst gestellt bzw. auf Unterstützung aus
        dem Familenverbund angewiesen. Roma und andere eth-
        nische Minderheiten haben häufig keine Unterkunfts-
        möglichkeit und finden keine Arbeit etc. Es gibt keine
        nachhaltige Verbesserung der medizinischen Versor-
        gungslage gerade im Bereich der Traumabehandlung,
        worauf auch zahlreiche Experten und die zuständigen
        Behörden immer wieder hinweisen. Auch aktuelle Be-
        richte, wie der der International Crisis Group, ICG, be-
        schreiben die Sicherheitslage nach wie vor als fragil und
        insbesondere für ethnische Minderheiten unvorherseh-
        bar. Auch kommt es nach wie vor zu interethnischen
        Zwischenfällen.
        Daher teilen wir das Grundanliegen des vorliegenden
        Antrags.
        Zu den Forderungen der Fraktion Die Linke im Ein-
        zelnen:
        Die Forderung nach einem generellen Abschie-
        bestopp für Flüchtlinge aus dem Kosovo, die keinen
        Aufenthaltstitel haben – also auch für alle ethnischen Al-
        baner – ist zwar sehr weitgehend; es sei aber noch ein-
        mal daran erinnert, dass die Bundesregierung den Vor-
        schlag des Sondergesandten des UN-Generalsekretärs
        für den zukünftigen Kosovo Martti Ahtisaari unterstützt
        hat. Herr Ahtisaari hat unmissverständlich deutlich ge-
        macht hat, dass eine Rückkehr ins Kosovo nur freiwillig
        erfolgen sollte. Im Annex zu seinem Bericht an den UN-
        Sicherheitsrat vom 26. März 2007, S/2007/168, wird
        dies klar. Es ist sehr bedauerlich, dass sich die Bundes-
        länder der Umsetzung dieser Empfehlung nicht ver-
        pflichtet fühlen. So kommt es trotz eines grundsätzlichen
        Rückführungsverbotes für Roma in den Kosovo insbe-
        sondere in Nordrhein-Westfalen – übrigens unter einem
        FDP-Innenminister – immer wieder zu Rückführungs-
        22250 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009
        (A) (C)
        (B) (D)
        versuchen dieser Gruppe. Der Abschiebungsschutz für
        Roma aus dem Kosovo wird in der Praxis der NRW-
        Ausländerbehörden umgangen, indem die Volkszugehö-
        rigkeit bei Rückführungsersuchen nicht angegeben wer-
        den und die Zuständigen im Kosovo diese nicht prüfen.
        Dies widerspricht eklatant der Readmission Policy, die
        regelt, dass den kosovarischen Behörden bei jedem Er-
        suchen unter anderem auch die ethnische Zugehörigkeit
        der Person mitgeteilt werden soll.
        Die zweite Forderung im Antrag der Linksfraktion
        nach der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für ethni-
        sche Minderheiten teilen wir ausdrücklich. Ähnliches
        hatte die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen schon mehr-
        fach gefordert. Es geht insbesondere um Roma und Ser-
        ben und Albaner aus Gebieten im Kosovo, in denen sie
        eine Minderheit darstellen, zum Beispiel in der Stadt
        Nordmitrovica.
        Auch die Forderung nach Beendigung bzw. Einstel-
        lung von Widerrufsverfahren gegenüber Flüchtlingen
        aus dem Kosovo teilen wir prinzipiell. In der Realität
        sind die Widerrufsverfahren für Kosovaren beim Bun-
        desamt für Migration und Flüchtlinge allerdings schon
        weitgehend abgeschlossen.
        Anlage 4
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung des Antrags: Frauen und Mäd-
        chen mit Behinderungen wirksam vor Gewalt
        schützen und Hilfsangebote verbessern (Tages-
        ordnungspunkt 14)
        Antje Blumenthal (CDU/CSU): Weltweit sind circa
        650 Millionen Menschen behindert. Für sie haben wir
        vor zwei Monaten, am 4. Dezember 2008, im Bundestag
        das UN-Übereinkommen über die Rechte von Menschen
        mit Behinderungen beschlossen und der Ratifizierung
        den Weg geebnet. Das Ziel ist, ihr Recht auf Teilhabe,
        auf Bildung und auf Arbeit zu gewährleisten. Für viele
        der 650 Millionen Menschen mit Behinderungen welt-
        weit sind diese Rechte jedoch nicht selbstverständlich.
        Bei uns in Deutschland dagegen sieht die Lage der Men-
        schen mit Behinderungen vergleichsweise gut aus. Die
        Menschenrechte und damit natürlich auch die Rechte
        von Menschen mit Behinderungen sind im Grundgesetz
        verankert und in einer Vielzahl von Gesetzen konkretisiert.
        Aber wir wissen alle, dass es bei der Umsetzung in
        die Praxis allzu oft noch hapert. Deswegen ist auch für
        uns das Übereinkommen der Vereinten Nationen ein
        beachtlicher Meilenstein in der Behindertenpolitik. Wir
        haben damit unsere politische Verpflichtung erneuert,
        immer wieder auf die Praxis zu schauen und uns ständig
        dafür einzusetzen, dass die Teilhabe, die wir in Gesetze
        schreiben, auch gelebt werden kann. Denn ein Gesetz al-
        lein ändert leider nichts an der Tatsache, dass Menschen
        mit Behinderungen immer noch Opfer von Diskriminie-
        rung und Opfer von Gewalt werden, und das weit häufi-
        ger als nicht behinderte Menschen. Ihr Risiko, vernach-
        lässigt, missbraucht oder geschlagen zu werden, steigt
        sogar noch weiter an, wenn die Behinderten Frauen oder
        Mädchen sind.
        Das Europäische Parlament geht davon aus, dass
        nahezu 80 Prozent der Frauen und Mädchen mit Behin-
        derungen Opfer von psychischer oder physischer Gewalt
        werden. Erste Stichproben zeigten: Mehr als jede zweite
        Frau mit Behinderungen hat bereits sexualisierte Gewalt
        erleben müssen. Wir haben eine Vermutung, eine dunkle
        Ahnung, dass die Täterinnen und Täter aus dem direkten
        sozialen Umfeld kommen. Wir können uns vorstellen – und
        lesen es immer wieder in der Presse –, dass Menschen
        mit Behinderungen vielfach Gewalt von den Menschen
        erfahren, die sie pflegen und betreuen.
        Bisher wissen wir in Deutschland nicht verlässlich
        über das Ausmaß und den Umfang von Gewalt gegen
        Frauen und Mädchen mit Behinderungen Bescheid. Die
        Datenlage ist dünn. Bisherige Studien fußen nicht auf
        repräsentativen und belastbaren Zahlen; meist greifen sie
        nur auf Stichproben zurück. Wenn wir die Frauen und
        Mädchen mit Behinderungen aber wirksam vor Gewalt
        und Übergriffen schützen wollen, brauchen wir genauere
        Informationen über Täter und Tatumstände. Wir müssen
        wissen, wer wo und wie betroffen ist, damit wir unter-
        stützende Strukturen aufbauen können und damit diese
        Gewalt verhindert werden kann.
        Deshalb fordern wir in unserem Antrag, im Rahmen
        einer Studie, die Situation der Frauen und Mädchen mit
        Behinderungen genau zu untersuchen. Denn die Frauen
        und Mädchen sind es, die wegen ihrer doppelten Aus-
        grenzung besonders gefährdet sind. Da die Bundesregie-
        rung derzeit eine Studie zu diesem Thema plant, können
        wir daran anknüpfen. Die Untersuchung im Rahmen des
        Aktionsplans II soll den häuslichen, den beruflichen und
        öffentlichen Bereich abdecken und auch ambulante und
        stationäre Einrichtungen in den Blick nehmen. Wir wol-
        len, dass bei der dreijährigen Studie besonders die Tat-
        umstände sowie die Täter- und Gewaltstruktur untersucht
        werden. Wir wollen weiter, dass dem Parlament ein Zwi-
        schenbericht vorgelegt wird, denn sonst geht wieder zu
        viel Zeit ins Land, ehe wir als Parlament gegebenenfalls
        dringend erforderliche Maßnahmen einleiten können.
        Unser Antrag hat noch ein weiteres Ziel: Gerade
        wenn wir wissen, dass Frauen und Mädchen mit Behin-
        derungen zu Opfern von Gewalt und Übergriffen werden
        können, muss es uns darum gehen, sie nicht ausschließlich
        als Opfer zu sehen. Vielmehr muss es uns darum gehen,
        Frauen und Mädchen mit Behinderungen bei ihrer Teil-
        habe und ihrer Selbstbestimmung zu unterstützen. Gerade
        in dem heute diskutierten Kontext geht Teilhabe über die
        Bereiche Arbeit, gesundheitliche Versorgung und Bil-
        dung hinaus. Sie betrifft den Bereich Partnerschaft und
        Sexualität, der in Verbindung mit Menschen mit Behin-
        derungen lange Zeit tabuisiert wurde. Aber gerade hier
        handelt es sich um Erfahrungen, die ganz wesentlich zur
        Persönlichkeitsentwicklung, zur Identitätsfindung und
        auch zur Selbstbestimmtheit beitragen können. Und ge-
        rade in der sexuellen Selbstbestimmung scheinen Lü-
        cken zu klaffen. Sexualaufklärung und Sexualerziehung
        müssen daher auch für Menschen mit geistigen Behinde-
        rungen selbstverständlich werden. Nur so können sie im
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009 22251
        (A) (C)
        (B) (D)
        Rahmen ihrer Möglichkeiten befähigt werden, Über-
        griffe als solche zu erkennen und sich zur Wehr setzen.
        Das Bewusstsein der Mädchen und Frauen muss dafür
        geschärft werden, wo sexuelle Übergriffe beginnen und
        welche Folgen sie haben.
        Die mit dem Übereinkommen der Vereinten Nationen
        verbundenen Erwartungen der Menschen mit Behinde-
        rungen sind hoch. Ich wünsche mir deshalb sehr, dass
        wir mit diesem Antrag den Handlungsspielraum für
        Frauen und Mädchen mit Behinderungen auf ihrem Weg
        zu mehr Selbstbestimmtheit und Teilhabe verbessern
        können. Ich denke, dass wir damit einen Teil dazu beitra-
        gen, die berechtigten Erwartungen, die die Menschen
        mit Behinderungen in das UN-Übereinkommen setzen,
        zu erfüllen.
        Michaela Noll (CDU/CSU): Psychische und physi-
        sche Gewalt gegenüber Frauen und Mädchen einschließ-
        lich sexueller Gewalt sind Menschenrechtsverletzun-
        gen, deren Ausmaß jeder aufgedeckte Fall aufs Neue
        bewusst werden lässt. Das Erschrecken darüber ist dann
        ganz besonders groß, wenn Mädchen und Frauen mit
        Behinderung betroffen sind. Das Thema Frauen und
        Mädchen mit Behinderung muss daher verstärkt in den
        Fokus der Öffentlichkeit gerückt und darf nicht länger
        tabuisiert werden. Gerade diese Frauen und Mädchen
        sind einem erhöhten Risiko ausgesetzt, sexueller Gewalt
        zu begegnen. Die Dunkelziffer ist hoch. Frauen und
        Mädchen mit Seh- oder Hörschäden, mit körperlicher
        Beeinträchtigung oder geistiger Behinderung können
        Gefahren nicht immer rechtzeitig erkennen. Sie haben
        noch weniger Möglichkeiten, sich zu schützen.
        Wie können wir nun Gewalt gegen behinderte Frauen
        und Mädchen reduzieren? Die bisher allgemein aner-
        kannten Strategien der Prävention oder Bewältigung se-
        xueller Übergriffe können nicht ohne Weiteres auf die
        Situation behinderter Frauen übertragen werden. Vieler-
        orts wird Aufklärungs- und Präventionsarbeit geleistet,
        aber darüber hinaus wollen wir mit unserem Antrag er-
        reichen, dass zielgruppenspezifisches Aufklärungs- und
        Informationsmaterial erarbeitet und auch den behinder-
        ten Frauen und Mädchen zur Verfügung gestellt wird.
        Mit dem Antrag verfolgen wir zudem das Ziel, Hilfsan-
        gebote für die Betroffenen zu verbessern. Denn die psy-
        chischen und körperlichen Folgen für diese Opfer sind in
        vieler Hinsicht identisch mit denen nicht behinderter
        Menschen.
        Die behinderten Frauen und Mädchen befinden sich
        in einem Teufelskreis, denn ihre Signale werden eher als
        Folge ihrer Behinderung und nicht als Folge von Gewalt
        interpretiert. Wenn es Vertrauenspersonen gelingt, Op-
        fern Mut zu machen, sich mitzuteilen und professionelle
        Hilfe anzunehmen, kann dies ein erster Schritt sein, Ta-
        buisierung aufzubrechen. Deshalb müssen wir Projekte
        und Modellversuche fördern, die zum Ziel haben, das
        Betreuungs- wie Pflegepersonal und die Ärzteschaft
        über Gewaltfolgen und Prävention in Bezug auf betrof-
        fene Frauen und Mädchen mit Behinderung fortzubil-
        den.
        Im Unterschied zu nicht behinderten Menschen befin-
        den sich Mädchen mit Behinderung nicht nur im Jugend-
        alter, sondern auch als Erwachsene in einer erhöhten so-
        zialen Abhängigkeit. Damit vergrößert sich auch die
        Gefahr, bis ins hohe Alter Opfer von Gewalt zu werden.
        Deshalb fordern wir, bei der Entwicklung von entspre-
        chenden Maßnahmen die Altersverteilung der Betroffe-
        nen besonders in den Blick zu nehmen und entsprechend
        zu berücksichtigen.
        Eine der wirksamsten Präventionsmöglichkeiten vor
        Gewalt ist es, die Betroffenen selbst im Vorfeld zu stär-
        ken, damit sie Übergriffen entgegentreten können. Häu-
        fig werden sexuelle Übergriffe aus dem ganz nahen Um-
        feld der betroffenen Frauen verübt. Die Täter sind meist
        in dem Personenkreis zu finden, auf den die behinderten
        Frauen täglich angewiesen sind. Je größer das Abhän-
        gigkeitsverhältnis, desto höher ist das Risiko sexueller
        Gewalterfahrung. Um uns ein genaueres Bild vom Aus-
        maß und Umfang von Gewalt gegen Frauen und Mäd-
        chen mit Behinderung unter Berücksichtigung der Ge-
        walt- und Täterstruktur zu verschaffen, wollen wir, dass
        die dazu geplante Studie schnellstmöglich in Auftrag ge-
        geben und dem Parlament ein Zwischenbericht vorgelegt
        wird.
        Weiterhin brauchen wir barrierefreie Beratungsange-
        bote. Kaum einer Frau, die Opfer sexueller Gewalt
        wurde, gelingt es ohne Hilfe von außen, sich aus dieser
        Situation zu befreien und die Folgen zu bewältigen. Be-
        hinderte Frauen mit Assistenzbedarf haben noch größere
        Probleme zu bewältigen und benötigen deshalb auch
        weitgehende und umfassende Beratung und Unterstüt-
        zung. Behindertenberatungsstellen sind eher selten in
        der Lage, frauenspezifisch zu sexueller Gewalt zu bera-
        ten, Frauenberatungsstellen sind hingegen nicht immer
        barrierefrei. Deswegen werden wir uns dafür einsetzen,
        dass das Hilfesystem verstärkt den Bedürfnissen von
        Frauen und Mädchen mit Behinderung gerecht wird und
        spezielle Unterstützungsangebote entwickelt und bereit-
        gestellt werden.
        Die Flucht ins Frauenhaus ist oftmals auch für die be-
        hinderten Frauen der letzte Ausweg. Barrierefreie Frau-
        enhäuser gibt es in der Bundesrepublik nur wenige. Aus
        diesem Grund setzen wir uns dafür ein, dass ein ausrei-
        chendes Angebot an barrierefreien Frauenberatungsstel-
        len und Frauenhäusern für Frauen mit Behinderung, die
        von Gewalt betroffen sind, zur Verfügung gestellt wird.
        Neben Prävention und Förderung der Selbstbestimmt-
        heit brauchen wir eine umfassende Hilfestruktur. Nur so
        kann es uns gelingen, Mädchen und Frauen mit Behinde-
        rung wirksam vor Gewalt zu schützen.
        Marlene Rupprecht (Tuchenbach) (SPD): Gewalt-
        freiheit ist einer der zentralsten Grundwerte unserer Ge-
        sellschaft. Die Ausübung von Gewalt verletzt Menschen
        in ihren gesetzlich verbürgten Grundrechten und be-
        schränkt sie in ihrer Entfaltung und Lebensgestaltung.
        Studien zeigen, dass Frauen quer durch alle Alters-
        gruppen, soziale Schichten und ethnische Zugehörigkei-
        ten in einem hohen Ausmaß von Gewalt betroffen sind.
        22252 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009
        (A) (C)
        (B) (D)
        Mit dem ersten Aktionsplan zur Bekämpfung der Gewalt
        gegen Frauen 1999 wurde in Deutschland ein Gesamt-
        konzept entwickelt, dessen Erfolge sich sehen lassen
        können, sei es das Gewaltschutzgesetz, Projekte gegen
        häusliche Gewalt oder das Gesetz zur gewaltfreien Er-
        ziehung.
        Eine Gruppe, die aber noch nicht genügend Beach-
        tung bekommen hat, ist die der behinderten Frauen und
        Mädchen. Die Datenlage ist schwierig. Es gibt noch
        keine repräsentativen Daten oder wissenschaftlichen Un-
        tersuchungen zum Thema Gewalt gegen behinderte
        Frauen und Mädchen. Doch man geht davon aus, dass
        80 Prozent der Frauen mit Behinderungen zu Opfern von
        physischer oder psychischer Gewalt werden. Sie sind oft
        von Mehrfachdiskriminierungen betroffen. Sie sind in
        höherem Maße als andere Frauen der Gefahr sexueller
        Gewalt ausgesetzt. Und Gewalt kommt bei behinderten
        Frauen nicht nur häufig vor, sondern ist oft selbst die Ur-
        sache für die Behinderung. Die Täter und manchmal
        auch Täterinnen kommen meistens aus dem sozialen
        Umfeld der behinderten Frauen und Mädchen. Die
        Übergriffe finden im häuslichen Bereich und in Ein-
        richtungen statt oder auf Fahrten zu Schule oder Werk-
        statt. Dabei wird die vorhandene Abhängigkeitssitua-
        tion ausgenutzt.
        Geistig behinderte Frauen und Mädchen sind oft un-
        genügend sexuell aufgeklärt und wissen über sexuelle
        Gewalt nicht Bescheid. Wenn es zu Übergriffen kommt,
        können sie sich oft nicht verständlich mitteilen oder das
        Betreuungspersonal kann die Mitteilung nicht richtig
        einschätzen. Dies stellt die Bekämpfung dieser Gewalt
        vor vielschichtige Probleme, und man muss hier ganz
        anders ansetzen als bei Fällen von Gewalt gegen nicht
        behinderte Frauen und Mädchen.
        Die Stärkung der Rechte von Frauen und Mädchen
        mit Behinderungen wird auf nationaler und internationa-
        ler Ebene verfolgt. Neben der auf internationaler Ebene
        im Jahr 2008 in Kraft getretenen UN-Behindertenrechts-
        konvention sind die EU-Ebene, die Europaratsebene so-
        wie die nationale Ebene zu nennen.
        Um in Deutschland die Umsetzung der UN-Behinder-
        tenrechtskonvention voranzutreiben, haben wir diesen
        Antrag auf den Weg gebracht. Wir sind der Auffassung,
        dass die Benachteiligung und Mehrfachdiskriminierun-
        gen von geistig und körperlich beeinträchtigten Frauen
        und Mädchen viel stärker als bislang in das Licht der Öf-
        fentlichkeit gerückt werden müssen. Die UN-Konven-
        tion über die Rechte von Menschen mit Behinderungen
        hat das Ziel, die Chancengleichheit der Menschen mit
        Behinderungen zu gewährleisten, ihre Grundrechte zu
        garantieren und ihnen umfassende Teilhabe in der Ge-
        sellschaft zu fördern.
        In Art. 6 der UN-Konvention über die Rechte der
        Menschen mit Behinderungen heißt es:
        (1) Die Vertragsstaaten erkennen an, dass behin-
        derte Frauen und Mädchen mehrfacher Diskrimi-
        nierung ausgesetzt sind, und ergreifen in dieser
        Hinsicht Maßnahmen, um sicherzustellen, dass sie
        alle Menschenrechte und Grundfreiheiten uneinge-
        schränkt und gleichberechtigt genießen können.
        (2) Die Vertragsstaaten treffen alle geeigneten Maß-
        nahmen zur Sicherung der vollen Entfaltung, der
        Förderung und der Stärkung der Autonomie der
        Frauen, damit gewährleistet wird, dass sie die in
        diesem Übereinkommen genannten Menschen-
        rechte und Grundfreiheiten ausüben und genießen
        können.
        Deutschland hat die Konvention ratifiziert und ver-
        pflichtet sich damit zur Umsetzung. Frauen mit Behinde-
        rung nehmen so im zweiten Aktionsplan der Bundesre-
        gierung zur Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen
        erstmals größeren Raum ein.
        Im Rahmen dieses zweiten Aktionsplans hat die Bun-
        desregierung eine Untersuchung zu Ausmaß und Um-
        fang der Gewalt gegen Frauen mit Behinderungen ange-
        kündigt. Die Studie soll über drei Jahre hinweg den
        häuslichen, beruflichen und öffentlichen Bereich sowie
        die ambulanten und stationären Einrichtungen und
        Dienste der Eingliederungshilfe untersuchen. Diese Un-
        tersuchung wird dringend gebraucht. Denn es wird deut-
        lich, dass sich Erkenntnisse aus dem Bereich häuslicher
        Gewalt gegen nicht behinderte Frauen nicht einfach
        übertragen lassen. Eine Verbesserung der Datenlage ist
        dringend notwendig. Auch an zielgruppenspezifischem
        Aufklärungsmaterial mangelt es.
        Gewalt gegen behinderte Frauen ist nicht altersspezi-
        fisch. Sie kann sich bis ins hohe Alter fortsetzen oder gar
        erst im höheren Lebensalter beginnen. Die Untersu-
        chung wird auch hier nützlich sein, denn bei der Ent-
        wicklung von Maßnahmen gegen Gewalt muss die Al-
        tersverteilung der Betroffenen natürlich erkannt und
        berücksichtigt werden.
        Das Schlüsselwort bei der Bekämpfung von Gewalt
        heißt Prävention. Unser Ziel ist es, die Betroffenen im
        Vorfeld zu stärken. Mit dem entsprechenden Selbstbe-
        wusstsein können behinderte Frauen und Mädchen
        Grenzüberschreitungen und Übergriffen rechtzeitig ent-
        gegentreten.
        Bei der Präventionsarbeit sehr wichtig ist ein behin-
        dertengerechter Zugang zu Frauenberatungsstellen und
        Frauenhäusern. Alle Barrieren, die das Aufsuchen von
        Gewaltberatungsstellen erschweren, müssen aus dem
        Weg geräumt werden. Damit ist nicht nur der uneinge-
        schränkte, hindernisfreie Zugang zu Beratungsstellen
        gemeint, sondern auch die Überwindung von sprachli-
        chen Missverständnissen, die im Rahmen der Beratung
        entstehen können. Ich denke hierbei an spezielle Beglei-
        terinnen und Begleiter und Ärztinnen und Ärzte, die in
        der Lage sind, die Kommunikation zwischen geistig be-
        hinderten Menschen und dem Beratungspersonal zu ver-
        mitteln.
        Die Fortbildung des Betreuungspersonals ist von ent-
        scheidender Bedeutung. Wir fordern die Bundesregie-
        rung daher auf, Projekte und Modellversuche zu fördern,
        die die Fortbildung des Betreuungs- und Pflegepersonals
        und der Ärzteschaft, die im Bereich Gewalt gegen behin-
        derte Frauen und Mädchen arbeiten, zum Ziel haben.
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009 22253
        (A) (C)
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        Wir wollen weiterhin, dass die Öffentlichkeit mithilfe
        von Projekten und Kampagnen noch intensiver mit dem
        Thema Gewalt gegen Frauen und Mädchen mit Behinde-
        rungen vertraut gemacht und dafür sensibilisiert wird.
        Wir wollen Menschen ermutigen, sich nicht mit Ge-
        walt abzufinden, sondern ihr aktiv entgegenzutreten.
        Und wir wollen Frauen, behinderte und nicht behinderte,
        darin stärken, ihre Rechte wahrzunehmen und ein Leben
        ohne Gewalt und Angst zu führen.
        Ina Lenke (FDP): Mit dem vorliegenden Antrag set-
        zen Union und SPD ihre unentschlossene Politik für
        Menschen mit Behinderung fort. So wird zum Beispiel
        Art. 6 der UN-Konvention über die Rechte behinderter
        Menschen zwar wörtlich zitiert, verschwiegen wird al-
        lerdings, dass die Bundesregierung über kein Konzept
        zur Umsetzung der Konvention verfügt. Das haben die
        Beratungen im Deutschen Bundestag im vergangenen
        Dezember gezeigt. Die Konvention, die von der FDP
        ausdrücklich begrüßt und mitgetragen wird, wurde im
        Hauruckverfahren und ohne eine angemessene parla-
        mentarische Beratung durch Bundesrat und Bundestag
        gepeitscht. Wie die Konvention mit Leben gefüllt wer-
        den soll, kann die Bundesregierung bis heute nicht erklä-
        ren.
        Auch die im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und
        SPD versprochene Weiterentwicklung der Eingliede-
        rungshilfe wurde Jahr um Jahr verschoben und ist jetzt
        endgültig von der Tagesordnung dieser Bundesregierung
        gestrichen worden. Frühestens im November 2009, nach
        der Wahl, wird wieder über Behindertenpolitik gespro-
        chen werden.
        Sie beschreiben in Ihrem Antrag, dass in den Ver-
        tragsstaaten behinderte Frauen und Mädchen mehrfacher
        Diskriminierung ausgesetzt sind, und geben die Auffor-
        derung nach Art. 6 der Konvention wieder: „dass die
        Vertragsstaaten alle geeigneten Maßnahmen zur Siche-
        rung der vollen Entfaltung, Förderung und der Stärkung
        der Autonomie der Frauen und Mädchen treffen, damit
        gewährleistet wird, dass sie die in dem Übereinkommen
        genannten Menschenrechte und Grundfreiheiten aus-
        üben und genießen können.“ Sie fordern also ihre eigene
        Bundesregierung auf, dass das Thema Frauen und Mäd-
        chen mit Behinderungen verstärkt in den Fokus der Öf-
        fentlichkeit gerückt werden müsse. Sie beschreiben rich-
        tigerweise die Probleme durch erhöhte Gefahr, Opfer
        von Gewalt zu werden. Da ist es sicher auch von beson-
        derer Bedeutung, dass sich Frauen und Mädchen mit
        geistiger Behinderung bei Übergriffen nicht immer ge-
        genüber Dritten entsprechend äußern können.
        Es verwundert nicht, dass der vorliegende Antrag
        zwar viele Probleme benennt, aber kaum Konkretes zur
        Verbesserung der Situation behinderter Frauen und Mäd-
        chen beinhaltet. Sie fordern als CDU/CSU-Fraktion und
        SPD-Fraktion, eine geplante Studie schnellstmöglich in
        Auftrag zu geben, bei der Entwicklung von entsprechen-
        den Maßnahmen die Altersverteilung in den Blick zu
        nehmen und zu berücksichtigen, Aufklärungsmaterial zu
        erarbeiten, öffentliche Kampagnen aufzulegen, zu prü-
        fen, sich einzusetzen …
        Also außer Studien und Prüfaufträgen beinhalten die
        Forderungen wenig Substanzielles.
        Was soll dieser Antrag erst jetzt zum Ende der Legis-
        laturperiode? Wenn, dann würden konkrete, in diesem
        Jahr noch von der Bundesregierung umsetzbare Vor-
        schläge der beiden Regierungsfraktionen für Frauen und
        Mädchen mit Behinderungen von Nutzen sein. Ange-
        sichts der mehr als zögerlichen Behindertenpolitik der
        Koalition ist deshalb leider nicht damit zu rechnen, dass
        diesem Antrag voller Willensbekundungen auch Taten
        folgen werden.
        Wir werden den Antrag im Familienausschuss beraten
        und zu konkreteren Vorschlägen kommen. Wir sind uns
        sicher einig, dass sich nicht die Behinderten der Lebens-
        welt von Nichtbehinderten anpassen müssen, sondern
        die Lebenswelt so gestaltet werden sollte, dass alle
        gleichberechtigt teilhaben können.
        Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE): Dass Frauen mit Be-
        hinderungen nachweisbar in vielen Lebensbereichen ei-
        ner Mehrfachdiskriminierung ausgesetzt sind, wissen
        Sie spätestens seit dem im November 2005 vom Famili-
        enministerium vorgelegten Gender-Datenreport. Mehr
        als drei Jahre später legen Sie nun diesen Antrag vor.
        Gut finde ich beim Koalitionsantrag, dass der Art. 6
        – „Frauen mit Behinderungen“ – der inzwischen auch in
        der Bundesrepublik Deutschland ratifizierten UN-Behin-
        dertenrechtskonvention genannt und zitiert wird. Ich
        finde es aber nicht gut, wenn die Bundesregierung auf
        eine Kleine Anfrage auf Drucksache 16/11603 antwor-
        tet, dass ihrer Meinung nach „aufgrund des Übereinkom-
        mens Änderungen der deutschen Rechtslage nicht erfor-
        derlich sind“, und wenn sich Bundeskanzlerin Angela
        Merkel bei einem Treffen mit dem Deutschen Behinder-
        tenrat, DBR, am 10. Februar 2009 zwar offen für die Er-
        stellung eines konkreten Aktionsplanes zur Umsetzung
        der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Natio-
        nen zeigt, aber gleichzeitig verkündet, dass dieses durch-
        aus sinnvolle Vorhaben realistischerweise erst in der
        nächsten Legislaturperiode umgesetzt werden könne.
        Auch der hier vorliegende Antrag der Koalition so
        kurz vor der Wahl spricht für sich bzw. für die „Ernsthaf-
        tigkeit“ und das Engagement, mit der die Regierungsko-
        alition um wirkliche Veränderungen für Frauen und
        Mädchen mit Behinderungen kämpft. So fordert sie un-
        ter anderem, „die geplante Studie zum Ausmaß und Um-
        fang von Gewalt gegen Frauen und Mädchen mit Behin-
        derungen“ schnellstmöglich in Auftrag zu geben und „zu
        prüfen, ob die Einführung von Frauenbeauftragten in
        Einrichtungen erfolgen sollte“. Das hört sich sehr sinn-
        voll an. Wer aber über die Maßnahmen im behinderten-
        politischen Bereich informiert ist, reibt sich verwundert
        die Augen: Im Haushaltsplan 2007 sind sowohl die Stu-
        die als auch das Modellprojekt „Etablierung von Frauen-
        beauftragten in Einrichtungen für Menschen mit Behin-
        derungen“ als neue Maßnahme des Aktionsplans II der
        Bundesregierung zur Bekämpfung von Gewalt gegen
        Frauen aufgeführt – als Titel 684 21 zu Kapitel 1702,
        klar benannt mit Laufzeit und Ausgaben. In den Haus-
        haltsplänen 2008 und 2009 sind dann beide Projekte als
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        Fortsetzungsmaßnahme aufgelistet. Laut Haushaltsplan
        2009 läuft die wissenschaftliche Untersuchung zu Ge-
        walt gegen behinderte Frauen und Mädchen bereits seit
        Oktober 2008. Auf eine Kleine Anfrage unserer Fraktion
        listete die Bundesregierung am 8. Juli 2008 – Drucksa-
        che 16/9934 – die gleiche Untersuchung plötzlich wie-
        der als neue – in der Vorbereitung befindliche – Maß-
        nahme auf. Und auf meine Anfrage antwortete erst
        gestern Staatssekretär Dr. Hermann Kues, dass das Bun-
        desministerium für Familie, Senioren und Jugend
        voraussichtlich noch in dieser Woche einen diesbezügli-
        chen Werkvertrag mit der Universität Bielefeld abschlie-
        ßen wird.
        Es erübrigt sich jeder weitere Kommentar dazu. Inte-
        ressant zu wissen wäre allerdings, was mit den bisher
        veranschlagten Geldern passiert ist. Für das Haushalts-
        jahr 2007 waren für die Studie und das Modellprojekt
        „Frauenbeauftragte“ jeweils 150 000 Euro veranschlagt,
        für 2008 jeweils 250 000 Euro und für 2009 für die Stu-
        die 335 000 Euro und für das Modellprojekt 161 000 Euro.
        Beim Verein Weibernetz gibt es ja nun seit Dezember
        2008 das Projekt „Frauenbeauftragte in Einrichtungen“,
        das vom Familienministerium bezahlt wird. Also wozu
        dann noch die Aufforderung dazu in diesem Antrag?
        Die anderen Forderungen des Antrags sind vernünf-
        tig, allerdings fehlt mir die klare Benennung, dass, wie
        und wo Gesetze konkret geändert werden sollen. Dazu
        verpflichtet bereits die UN-Behindertenrechtskonven-
        tion. Es reicht nicht, wenn sich die Bundesregierung bei
        den Ländern dafür einsetzt, das Hilfesystem zu verstär-
        ken, wie hier im Antrag gefordert. Vielmehr lese ich da-
        bei heraus, der Bund müsse sich nicht in der Verantwor-
        tung fühlen. Und wir müssen auch über weitere
        Ursachen reden: über die hohe Zahl von Frauen und
        Mädchen mit Behinderungen, die von Arbeitslosigkeit
        und Armut betroffen sind. Und wir müssen etwas dage-
        gen tun.
        Seit dem 30. Dezember 2003 gilt das neue Strafrecht
        mit neuen Regelungen, die auch behinderte und „wider-
        standsunfähige“ Frauen betreffen. Dabei sind einige For-
        derungen der Frauen- und Behindertenbewegung umge-
        setzt worden. Das war angesichts der Tatsache, dass
        nahezu 80 Prozent der Frauen und Mädchen mit Behin-
        derungen durchaus zu Opfern physischer und psychi-
        scher Gewalt werden und im Vergleich zu Frauen ohne
        Behinderungen doppelt so häufig Opfer sexueller Ge-
        walt sind, ein wichtiger Teilerfolg. Aber es bleibt für
        mich unakzeptabel, wenn in § 179 des Strafgesetzbuches
        nicht klargestellt wird, dass „behindert“ nicht gleich
        „widerstandsunfähig“ ist; denn widerstandsunfähig sind
        nur solche Personen, die keinen eigenen Willen entwi-
        ckeln können. Dies ist zum Beispiel bei Wachkomapa-
        tientinnen der Fall, aber bei weitem nicht bei allen
        Frauen mit Behinderung. Unerträglich ist für mich, dass
        „leichtere“ Sexualstraftaten bei behinderten Frauen nur
        als Vergehen bezeichnet werden, während diese bei nicht
        behinderten Frauen – richtigerweise – als Verbrechen ge-
        ahndet werden. Hier sieht die Linke dringenden Ände-
        rungsbedarf.
        Auch fehlt mir im Koalitionsantrag die klare Forde-
        rung nach einem flächendeckenden Präventionsnetz zum
        Schutz vor Gewalt gegen behinderte Frauen und Mäd-
        chen. Ohne dieses Netz ist der strukturellen Gewalt nicht
        wirklich zu begegnen. Strukturelle Gewalt liegt auch
        vor, wenn das Selbstbestimmungsrecht eingeschränkt ist
        oder vermeidbare Beeinträchtigungen gegeben sind.
        Hier trägt die Bundesregierung generell mit ihrer Spar-
        politik nicht zur Verbesserung der Situation behinderter
        Frauen bei – sei es bei der Gesundheitsreform, der Pfle-
        gereform oder der Föderalismusreform, die einen weite-
        ren Rückfall in Kleinstaaterei erwarten und befürchten
        lässt, dass die erkämpften Rechte der Behindertenbewe-
        gung im Hinblick auf bundeseinheitliche Standards wei-
        ter zerbröckeln. Nötig sind eine tatsächlich barrierefreie
        Gesundheitsversorgung, der Rechtsanspruch auf Eltern-
        assistenz, tatsächlich erreichbare Angebote der Frühför-
        derung usw.
        Auch die sogenannte Pflegereform im vergangenen
        Jahr war eine verpasste Chance, wirksame Maßnahmen
        zum Schutz von Frauen und Mädchen vor Gewalt zu er-
        greifen. Die Linke forderte das Recht der Wahl der Pfle-
        geperson; denn gerade vor dem Hintergrund der Gefahr
        von sexualisierter Gewalt in der Pflege wünschen sich
        viele Frauen mit Behinderung eine Frau als Pflegeperson
        für die (Intim-)Pflege. Sie haben den diesbezüglichen
        Antrag der Linken abgelehnt. Stattdessen steht nun im
        § 2 Satz 3 des SGB XI: Wünsche der Pflegebedürftigen
        nach gleichgeschlechtlicher Pflege haben nach Möglich-
        keit Berücksichtigung zu finden. – Diese Formulierung
        ist viel zu schwammig; denn mit dieser Formulierung ist
        es Pflegediensten nach wie vor möglich, einen Mann in
        die Pflegesituation zu schicken, wenn der Dienstplan es
        so ergibt. Welch eine Zumutung, wenn sich Frauen und
        Mädchen mit Behinderungen – darunter viele gewalter-
        fahrene Frauen – von Männern bei der Intimpflege hel-
        fen lassen müssen!
        Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der
        Koalition: Hören Sie auf, sich mit solchen Schaufenster-
        anträgen in Wahlkampfzeiten zu schmücken, und tun Sie
        wirklich etwas zur Verbesserung der Lebenssituation
        von Frauen und Mädchen – mit und ohne Behinderun-
        gen, und zwar vor der Wahl!
        Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
        Frauen und Mädchen mit Behinderungen sind einer er-
        höhten Gefahr ausgesetzt, Opfer von Gewalt zu werden.
        Dabei sind sie auch von sexualisierter Gewalt und Aus-
        beutung betroffen. Seit Mitte der 90er-Jahre gibt es hier-
        über ausführliche empirische Studien. So ergab 1994
        eine bundesweite Erhebung über sexualisierte Gewalt in
        stationären Einrichtungen, dass in der Hälfte der be-
        forschten Einrichtungen Fälle sexualisierter Gewalt ge-
        gen Menschen mit sogenannter geistiger Behinderung
        bekannt waren. Eine Studie in Wohneinrichtungen der
        Berliner Behindertenhilfe aus dem Jahr 1998 zeigt, dass
        jede dritte bis vierte Bewohnerin in der Altersgruppe der
        12- bis 25-Jährigen von sexualisierter Gewalt betroffen
        war.
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009 22255
        (A) (C)
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        Die Gründe für die besondere Gefährdung behinderter
        Mädchen und Frauen sind vielfältig. Sexualisierte Gewalt
        wird dabei jedoch nicht durch individuelle Verhaltens-
        weisen des Opfers provoziert; dies ist bekannt. Gewalt ist
        vielmehr im Kontext gesellschaftlicher Einstellungen zu
        den Opfergruppen zu sehen. Bündnis 90/Die Grünen
        sind der Auffassung, dass alle Frauen und Mädchen mit
        Behinderungen den gleichen Anspruch auf Schutz ihrer
        körperlichen Unversehrtheit wie Menschen ohne Behin-
        derung haben. Dies ist keine Selbstverständlichkeit.
        Noch bis zur letzten Reform des Strafgesetzbuches
        wirkte sich der sexuelle Missbrauch an sogenannten
        widerstandsunfähigen Personen, das heißt an Personen,
        die ihren Widerstand nicht äußern können, erheblich
        strafmildernd aus. Dies war ein unhaltbarer Zustand. Die
        rot-grüne Bundesregierung hat daher im Jahr 2003 dafür
        Sorge getragen, dass der Strafrahmen bei sexuellem
        Missbrauch widerstandsunfähiger Personen an den
        Strafrahmen, der üblicherweise bei sexueller Nötigung
        bzw. Vergewaltigung Anwendung findet, weitgehend
        angepasst wurde. Nichtsdestotrotz kann es auch heute
        noch zu Fallkonstellationen kommen, in denen bei sexu-
        ellem Missbrauch sogenannter Widerstandsunfähiger ein
        unterschiedlicher Strafrahmen zur Anwendung kommt.
        Auch Rot-Grün hat es in der vergangenen Legislatur
        nicht vermocht, die Frage der „Widerstandsunfähigkeit“
        politisch abschließend zu klären. Diese Entscheidung
        wurde den Gerichten überlassen. Der Bundesgerichtshof
        hat in mehreren Entscheidungen bekräftigt, dass eine
        Widerstandsunfähigkeit voraussetze, dass der oder die
        Geschädigte aufgrund ihres Zustands zum Zeitpunkt der
        Tat nicht in der Lage sei, sexuelle Übergriffe des Täters
        abzuwehren. Dieser Zustand ist beispielsweise bei
        Wachkoma oder epileptischen Anfällen anzunehmen.
        Allein aus dem Umstand einer sogenannten geistigen
        Behinderung sei, so das Gericht, eine Widerstandsunfähig-
        keit nicht mehr abzuleiten.
        Diese Ausführungen sind nicht zufriedenstellend, zu-
        mal wenn man bedenkt, dass der Bundesregierung keine
        Erkenntnisse darüber vorliegen, ob und wie häufig auch
        heute noch die Justiz bei sexualisierter Gewalt gegenüber
        Frauen mit Behinderungen weiterhin auf den strafmil-
        dernden § 179 des Strafgesetzbuches – sexueller Miss-
        brauch widerstandsunfähiger Personen – zugreift. Ich ver-
        weise auf die Antwort auf unsere Große Anfrage auf
        Drucksache 16/9283. Um diese Erkenntnisse zu erlangen,
        bedarf es nach Auffassung von Bündnis 90/Die Grünen
        daher einer rechtstatsächlichen Untersuchung über die
        Anwendungspraxis des § 177 Strafgesetzbuch – sexuelle
        Nötigung, Vergewaltigung – und des § 179 Strafgesetz-
        buch bei sexualisierter Gewalt gegenüber Frauen mit
        Behinderungen. Es obliegt der Bundesregierung, heraus-
        zufinden, inwiefern auch heute noch der sexuelle Miss-
        brauch behinderter Menschen strafmildernd beurteilt
        wird.
        Fernab der Frage des Strafrahmens ist es insbesondere
        Aufgabe der Prävention, sexualisierte Gewalt zu verhin-
        dern. So gibt es verschiedenste Faktoren, die behinderte
        Frauen und Mädchen besonders verletzlich machen.
        Fremdbestimmte Abhängigkeit, Diskriminierung, Stig-
        matisierung sowie Uninformiertheit sind da nur einige
        Stichpunkte. Das von der rot-grünen Bundesregierung
        im Rahmen des § 44 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch
        initiierte Projekt „SELBST – Selbstbewusstsein für
        behinderte Mädchen und Frauen“ hatte zum Ziel, Selbst-
        behauptungs- und Selbstverteidigungskurse für behin-
        derte Frauen und Mädchen innerhalb und außerhalb des
        Behindertensports zu konzipieren. Das Projekt endete im
        September 2006. Aus der Praxis hören wir jedoch, dass
        die Übungspläne im Rehabilitationssport nicht zur An-
        wendung kommen.
        Der nun vorliegende Antrag gibt uns die Möglichkeit,
        diese Problematiken in den Ausschüssen zur Sprache zu
        bringen und nach Lösungsmöglichkeiten zu suchen.
        Anlage 5
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung des Antrags: Kontrollrechte aus
        Bundesbeteiligungen strategisch nutzen (Tages-
        ordnungspunkt 15)
        Klaus-Peter Willsch (CDU/CSU): In Zeiten wie den
        gegenwärtigen, in denen wir als Staat aus Sorge um die
        Funktionsfähigkeit des Finanzsektors mit dem Finanz-
        marktstabilisierungsgesetz gewaltig in das Marktgesche-
        hen eingegriffen haben, mag die Verlockung groß sein,
        den Staat in weiteren Bereichen zum Akteur, gar zur
        Schlüsselfigur zu machen. Die Grünen bewegen sich in
        diesem Fahrwasser, wenn sie ein einheitliches Beteili-
        gungsmanagement für den Bund entwickeln wollen. Sie
        bemängeln darüber hinaus in ihrem Antrag, dass der
        Bund bei seinen Beteiligungen Kontrolldefizite habe und
        unter anderem die Aufsichtsratsmitglieder und die Ver-
        treter in den Hauptversammlungen ungenügend schule.
        Im Rahmen des Haushaltsrechts soll eine effektivere
        Kontrolle des Bundestages erreicht werden, welches
        nicht durch Geheimhaltungspflichten, zum Beispiel aus
        dem Aktiengesetz, unterlaufen werden soll.
        Die CDU/CSU-Fraktion lehnt den Antrag aus
        verschiedenen Gründen ab. So ist nicht nur die von den
        Grünen geforderte Entwicklung von sozialen und ökolo-
        gischen Kriterien für eine Unternehmenspolitik des Bun-
        des vollkommen sachfremd. Unternehmen sollten nach
        betriebswirtschaftlichen Kennziffern, nicht nach tages-
        politischen Opportunitäten oder Kategorien von Gut-
        menschentum und Political Correctness geführt werden.
        Dies ist für mich jedoch nicht der einzige Grund. Die
        ständigen Kollisionen von parlamentarischen Auskunfts-
        wünschen und betrieblichen Geheimhaltungspflichten
        machen deutlich, dass es klug ist, wenn der Staat sich
        weitgehend aus dem operativen Geschäft im Markt he-
        raushält. Diese beiden rechtlichen Regelkreise sind von
        ihrer Regulierungsabsicht her zu unterschiedlich, als dass
        sie sich sinnvoll versöhnen ließen: Parlamentarische Kon-
        trolle von Regierungshandeln ist auf Transparenz und
        Offenheit angelegt, um so eventuelles Fehlverhalten, Inef-
        fizienzen mit öffentlicher Kritik begleiten und abstellen
        zu können. Im Wirtschaftsrecht steht das Unternehmen
        im Vordergrund, Betriebsgeheimnisse und Wettbewerbs-
        22256 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009
        (A) (C)
        (B) (D)
        vorteile gegenüber Mitanbietern sind zu schützen, es
        müssen strategische Überlegungen zur zukünftigen Aus-
        richtung des Unternehmens vertraulich ausgetauscht und
        vereinbart werden können. Werden hier Fehler gemacht,
        werden sie vom Markt bestraft.
        Von Ausnahmen abgesehen – etwa bei herausragenden
        nationalen Interessen oder bei Marktversagen – ist der
        Staat in einer marktwirtschaftlichen Ordnung Regelsetzer,
        Normengeber, Regulierer, Überwacher, kurz: Er gibt den
        Rahmen vor und wacht über die Einhaltung der Regeln, er
        ist aber eben nicht Akteur im Markt. Beim Fußball gehört
        der Schiedsrichter zu keiner der beiden Mannschaften im
        sportlichen Wettbewerb, sondern er wacht über die Ein-
        haltung der Regeln und greift bei Verstößen ein, damit
        die bessere oder glücklichere Mannschaft sich im fairen
        Wettstreit durchsetzt. Natürlich sitzt er weder bei der einen
        noch bei der anderen Mannschaft bei der Teambespre-
        chung dabei, er würde seine Unparteilichkeit damit
        nachhaltig verspielen. Deshalb sollten wir uns von allen
        staatlichen Firmenbeteiligungen trennen, sofern diese
        nicht aus wichtigen nationalen Interessen erforderlich
        sind, sobald es das Marktumfeld zulässt.
        Neben diesen mehr grundsätzlichen Feststellungen muss
        der Antrag der Grünen auch als überflüssig bezeichnet
        werden, da die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die
        Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
        ausführlich über die Wahrnehmung der Aufsichts- und
        Kontrollfunktion des Staates als Anteilseigner berichtet
        hat. Die darin enthaltenen Informationen zeigen mir,
        dass hier keine weitere Regulierung notwendig ist.
        Dass Aufsichtsräte auch einmal Fehler begehen oder
        gewisse Entwicklungen nicht absehen können, ist nur
        natürlich. Weltweit haben nur wenige Wissenschaftler,
        Politiker, Manager und Aufsichtsräte die Finanz- und
        Wirtschaftskrise vorhergesehen. Die Schulung möchte ich
        sehen, welche Aufsichtsräte dazu in die Lage versetzt
        hätte, die aufziehende Gefahr in diesen Dimensionen zu
        erkennen. Ich habe hier Zutrauen in unser Spitzenpersonal:
        Der größte Teil der Mitglieder von Aufsichtsräten wird
        seine Aufgabe mit der notwendigen Sachkenntnis und
        großem Engagement erfüllen. Dazu gehört auch, dass
        sich die Aufsichtsräte bei Antritt ihres Postens in die
        Materie einarbeiten und auch während ihrer Zugehörig-
        keit selbstständig für eine entsprechende Weiterbildung
        sorgen. Sie erfüllen ihre Aufgabe nach bestem Wissen
        und Gewissen.
        Die Grünen übersehen auch, dass wir eine klare Geset-
        zeslage haben: Vorstände deutscher Unternehmen haften
        für eine ordnungsgemäße Unternehmensführung. Falls
        Sorgfaltspflichtverletzungen vorliegen, können die Kapital-
        geber Schadensersatzansprüche geltend machen; die
        Staatsanwaltschaft hat gegebenenfalls Straftatbestände
        wie den der Untreue zu prüfen. Aufsichtsratsmitglieder
        haften für die Sorgfalt eines ordnungsgemäßen Überwa-
        chers, ihnen drohen vergleichbare Sanktionen im Falle
        von Pflichtverletzungen. Ich bin davon überzeugt, dass
        die Krise im Finanzsektor der letzten Monate dazu führt,
        dass diejenigen Aufsichtsräte, welche sich bisher der
        Verantwortung nicht genug bewusst waren, sich nun we-
        sentlich intensiver mit ihrer Aufgabe auseinandersetzen.
        Auch treten die Aufsichtsräte durch die Vorgänge in der
        derzeitigen Krise mehr in den Blickpunkt der Öffentlich-
        keit und unterliegen somit verstärkt einer Kontrolle
        durch die Gesellschaft insgesamt.
        Ich habe mir im Vorfeld der Debatte einmal die Beset-
        zung der Aufsichts- bzw. Verwaltungsräte von Deutscher
        Telekom, Deutscher Bahn, Deutscher Post und KfW
        angesehen. Nach der Theorie der Grünen sollten wir
        zumindest den Vertretern des Bundes in diesen Gremien
        Nachhilfe zur Erfüllung der Aufgaben im Aufsichtsrat
        geben. Demnach sollten wir also die gesamte Führungs-
        spitze des Bundesfinanzministeriums auf die Schulbank
        schicken. Meine lieben Kollegen von den Grünen, das
        wird doch nicht Ihr Ernst sein. Zudem hat die Bundes-
        regierung in ihrer Antwort darauf hingewiesen, dass bei
        besonderem Bedarf bereits Fortbildungsveranstaltungen
        angeboten werden.
        In ihrer Kleinen Anfrage aus dem Dezember führen
        die Grünen die Überwachungsskandale bei der Deut-
        schen Telekom AG und der Deutschen Bahn AG als Be-
        lege für das Versagen des Staates bei der Kontrolle sei-
        ner Beteiligungen an. Wie hätte hier der Staat Regeln
        entwickeln sollen, die diese Vorgänge verhindert hätten?
        Vor wenigen Monaten hätte wohl kaum jemand vermu-
        tet, dass solche Vorgänge möglich sind. Oder wie hätten
        bundespolitische Vorgaben die berühmte Montagsbu-
        chung der KfW an Lehman verhindern sollen? Wie hät-
        ten die Aufsichtsräte der Deutschen Bahn die Achsen der
        ICEs mit ihrem Röntgenblick selbstständig untersuchen
        sollen? Es gibt Vorgänge in Unternehmen, die durch noch
        so viele Regeln nicht zu verhindern oder zu beeinflussen
        sind.
        Bitte bedenken Sie: Der Staat ist kein guter Unterneh-
        mer, wofür wir in jüngster Vergangenheit eine Reihe
        trauriger Belege vorgefunden haben. Umso weniger
        sollte er versuchen, privatwirtschaftlich wirtschaftende
        Unternehmen etwa Leitlinien für ein Geschäftsmodell
        vorzugeben. In der Sondersituation durch die Finanz-
        krise sind in Teilen besondere Schritte eingeleitet worden.
        Diese staatliche Einflussnahme sollte jedoch nicht zur
        Regel werden, sondern eine Ausnahme bleiben und
        strikt auf die zur Zweckerreichung erforderliche Zeit be-
        schränkt werden.
        Wie andere börsennotierte Unternehmen auch unter-
        liegen Unternehmen mit Bundesbeteiligung dem An-
        wendungsbereich des Deutschen Corporate Governance
        Kodex. Darüber hinaus haben die auf Veranlassung des
        Bundes gewählten oder entsandten Mitglieder in Überwa-
        chungsorganen sowie die beteiligungsführenden Stellen
        des Bundes mit den Hinweisen für die Verwaltung von
        Bundesbeteiligungen eigene Grundsätze guter Unterneh-
        mensführung.
        Die Eingriffs- und Kontrollmöglichkeiten des Bundes
        aus den vorgenannten Sachverhalten sind ausreichend, um
        die Kontrollrechte in Unternehmen mit Bundesbeteiligun-
        gen auszuüben. Daher sei abschließend noch einmal fest-
        gestellt: Meine Fraktion lehnt den Antrag von Bündnis 90/
        Die Grünen ab.
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009 22257
        (A) (C)
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        Bernhard Brinkmann (Hildesheim) (SPD): Lassen
        Sie mich zunächst feststellen, dass der heutige Antrag
        von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf einer Ant-
        wort der Bundesregierung beruht, die anlässlich einer
        Kleinen Anfrage bereits ausführlich behandelt worden
        ist. Schon der Ausgangspunkt dieser Anfrage und der
        heute gestellte Antrag gehen nach Auffassung der SPD-
        Fraktion von unzutreffenden Annahmen und falschen
        Tatsachen aus.
        Ich möchte das an zwei Beispielen deutlich machen:
        Erstens. Die Aussage, es gebe massive Probleme im
        Management von Unternehmen mit bedeutenden staatli-
        chen Beteiligungen, ist weit hergeholt und trifft nicht zu.
        Unternehmerisches Handeln ist nicht per se erfolgreich,
        sondern auch mit dem Risiko von Verlusten verbunden.
        Wer etwas anderes behauptet und dabei die Deutsche
        Post AG, die Deutsche Telekom oder die Deutsche Bahn
        AG – aktuell den Überwachungsskandal – als pauschale
        Gründe für das Versagen des Staates aufführt, handelt
        unverantwortlich und fahrlässig, denn gerade in den ak-
        tuellen Fällen erfolgt eine Aufarbeitung und Überprü-
        fung auch durch die Aufsichtsräte des Unternehmens.
        Zweitens. Der Staat übt wie jeder private Anteilseig-
        ner seine Funktionen aus. Er hat bei der Kontrolle seiner
        Beteiligungen nicht versagt, sondern er verhält sich nach
        Aktien- und Beteiligungsrecht sehr verantwortungsbe-
        wusst und korrekt. Auch hier hat der hehre Grundsatz
        Gültigkeit: „Wo Menschen tätig sind, passieren auch
        Fehler“ – fehlerfrei ist jedenfalls niemand. Die Unter-
        nehmen mit Bundesbeteiligungen werden wie Unterneh-
        men mit privater Anteilsstruktur geführt, und das ist
        auch gut so. Dies ist der richtige Ansatz der seit Jahr-
        zehnten bewährten privatwirtschaftlich orientierten Be-
        teiligungsführung. Der Bund kann hier auch nur den
        Einfluss geltend machen, der ihm aufgrund seiner Betei-
        ligung zusteht. Nicht mehr und auch nicht weniger.
        Der Bund verfolgt mit seinen Beteiligungen keine
        übergeordnete Konzernstrategie, denn der Staat ist nicht
        Unternehmer im Wettbewerb auf verschiedenen Märk-
        ten. In einer marktwirtschaftlichen Ordnung soll er sich
        nach Auffassung meiner Fraktion grundsätzlich nicht an
        industriellen oder sonstigen erwerbswirtschaftlichen Un-
        ternehmen beteiligen, es sei denn, dieses dient, wie § 65
        BHO sagt, zur Erfüllung einer wichtigen Aufgabe des
        Bundes. Die aktuellen Ereignisse, die in der internatio-
        nalen Finanzkrise begründet sind, bedürfen einer gründ-
        lichen Prüfung. Das wird durch die Bundesregierung
        auch gewährleistet. Darüber hinaus gilt für den Umgang
        mit den aus Bundesbeteilungen entstehenden Kontroll-
        rechten seit langem eine Grundlage, die auch über das
        Internet einsehbar ist. Hier gibt es viele „Hinweise für
        die Verwaltung von Bundesbeteiligungen“.
        Auch der populistische Hinweis, die vom Bund ge-
        wählten oder entsandten Mitglieder von Überwachungs-
        organen seien nicht ausreichend qualifiziert und müssten
        darüber hinaus regelmäßig geschult werden, geht völlig
        ins Leere. Wie bei jedem privaten Anteilseigner ist es im
        Interesse des Bundes, nur entsprechend qualifizierte Per-
        sonen in Aufsichtsräte zu berufen oder in Hauptver-
        sammlungen zu entsenden. Aus diesem Grund wurden
        die bereits seit 1959 bestehenden und auch im Internet
        einsehbaren „Berufungsrichtlinien für die Besetzung
        von Gremien“ fortentwickelt. Dort sind auch die Krite-
        rien – insbesondere fachliche Qualifikation; keine Inte-
        ressenskonflikte – und Entscheidungswege dargelegt.
        Bei Bundesbeteiligungen sehen diese Regeln auch
        vor, dass bei der Besetzung von Aufsichtsräten keine
        Personen berücksichtigt werden sollen, die bereits drei
        Aufsichtsratsmandate haben – und sind damit enger ge-
        fasst als im Deutschen Corporate Governance Kodex.
        Die Qualifikation der Aufsichtsräte etc. beruht auf
        Ausbildung, erfolgreichem beruflichen Werdegang und
        einer entsprechenden Persönlichkeit, nicht auf Schulun-
        gen. Man kann „Aufsichtsrat“ meines Erachtens nicht
        erlernen, man muss aber bereit sein, sich das „Hand-
        werkszeug“ anzueignen. Gleichwohl werden Schulun-
        gen mit unterschiedlichen Zielsetzungen angeboten.
        Der Bund ist kein Konzern: Angesichts der Band-
        breite der Unternehmen, die von Forschungseinrichtun-
        gen wie dem Deutschen Primatenzentrum über die Fi-
        nanzagentur bis hin zu Minderheitsbeteiligungen in der
        Telekommunikation reichen, sind einheitliche uniforme
        Strategien weder sinnvoll noch möglich.
        Die Unternehmensplanung und -organisation, wie
        etwa Investitions- und Standortpolitik, Datenschutz,
        technische Kontrolle bei Maschinen und Geräten, ist zu-
        dem grundsätzlich Aufgabe des Vorstands bzw. der Ge-
        schäftsleitung. Diese Maßnahmen werden – soweit
        rechtlich vorgesehen – mit den Überwachungsorganen
        und/oder der Anteilseignerversammlung abgestimmt.
        Besonderheiten aus der Umsetzung der Konjunkturpa-
        kete sind für jedes Unternehmen einzeln durch die zu-
        ständigen Unternehmensorgane zu beurteilen.
        Eine Änderung des Haushaltsrechts mit Blick auf die
        Kontrollfunktion des Parlaments ist nicht erforderlich.
        Das operative Geschäft organisationsprivatisierter oder
        teilprivatisierter Gesellschaften mit Bundesbeteiligung
        fällt nach geltender Verfassungslage in die alleinige Zu-
        ständigkeit der Unternehmen selbst. Diese Trennung ist
        mit Blick auf klare Zuständigkeiten und Verantwortlich-
        keiten wichtig und hat sich bewährt. Soweit Informatio-
        nen, die den Zuständigkeitsbereich der Regierung und
        zugleich die Rechte der Unternehmen betreffen, erbeten
        werden, können diese mit Einverständnis der Betroffe-
        nen in Verfahren, die die Vertraulichkeit sichern, auch
        dem Parlament oder den zuständigen Ausschüssen zur
        Kenntnis gegeben werden. Geheimhaltungspflichten ste-
        hen einer parlamentarischen Kontrolle nicht entgegen,
        sondern sind ihr notwendiger und fester Bestandteil.
        Meine Ausführungen haben deutlich gemacht, dass
        der vorliegende Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die
        Grünen nicht zielgerichtet ist und daher abgelehnt wer-
        den muss.
        Ulrike Flach (FDP): Der vorliegende Antrag greift
        ein Problem auf, das auch die FDP-Fraktion erkennt und
        ernst nimmt. Wie geht der Bund mit seinen Möglichkei-
        ten um, die ihm aus den strategischen Beteiligungen an
        Unternehmen erwachsen?
        22258 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009
        (A) (C)
        (B) (D)
        In der Analyse können wir durchaus zustimmen. Der
        Bund hat bisher offenbar keine Strategie, was er durch
        seine Beteiligungen erreichen will, wie er sie nutzt und
        entsprechend dem politischen Willen steuert. Bei Bahn,
        Post oder Telekom ist das klar zu erkennen. Und ich füge
        hinzu: Bei der IKB gab es ebenfalls keine Strategie.
        Beim Einstieg in die Bankenlandschaft fehlt mir auch
        nach wie vor eine klare Perspektive, welche Rolle sich
        der Bund hier vorstellt.
        Allerdings gibt es deutliche Akzentverschiebungen
        zwischen Ihrem und unserem Lösungsansatz. Ihr Antrag
        sagt zwar, es solle keine Rückkehr zu Wirtschaftsdirigis-
        mus und Eingriffen ins operative Management geben.
        Aber einige Spiegelstriche dahinter fordern Sie die An-
        wendung ökologischer und sozialer Kriterien in den bun-
        desbeteiligten Unternehmen. Sie meinen, mit ein wenig
        Schulung könnten Sie aus Bundesbeamten Manager ma-
        chen. Das wird scheitern.
        Unser Weg geht in eine andere Richtung: Wenn der
        Staat bzw. seine Repräsentanten in den Aufsichtsräten
        nicht strategisch ausgerichtet agieren, wenn sie nicht für
        ihre Rolle ausgebildet sind und ihre Kontrollrechte nicht
        kennen, dann ist nicht ein bisschen Schulung die Lö-
        sung, sondern der Rückzug des Staates aus solchen Un-
        ternehmen. Der Staat ist nicht der bessere Unternehmer.
        Das haben die Landesbanken gezeigt, das hat auch die
        KfW gezeigt, und ich fürchte, das wird sich auch bei der
        Commerzbank zeigen. Deshalb kann man zwar einzelne
        Punkte Ihres Antrags durchaus begrüßen, aber die Lö-
        sung liegt nicht in einer Begrenzung der Zahl der Auf-
        sichtsratsmandate, sondern in einer Begrenzung des
        Staatsanteils.
        Ich sage das gerade, weil der Trend momentan in eine
        andere Richtung geht. Es wird die große Aufgabe der
        nächsten Bundesregierung sein, eine Ausstiegsstrategie
        für die staatlichen Unternehmensbeteiligungen zu entwi-
        ckeln. Wir sollten uns beispielsweise nicht in den
        25 Prozent plus eine Aktie Anteil an der Commerzbank
        eine ökologische Nische bauen, sondern der Bund sollte
        dort baldmöglichst mit einer gewinnorientierten Strate-
        gie wieder aussteigen, sobald die Bank eigenständig ihr
        Geschäftsmodell weiterfahren kann.
        Größere Staatsanteile an Unternehmen verzerren den
        Markt. Wir können das jetzt schon erkennen in einer
        Flucht der Anleger hinter einen vermeintlichen staatli-
        chen Garantieschirm. Diesen Ausnahmezustand als Dau-
        erzustand zu akzeptieren hieße, diejenigen Unterneh-
        men, die nicht staatliche Beteiligungen oder Garantien
        bekommen, mittelfristig ebenfalls zu Bittstellern zu ma-
        chen. Das wäre der Einstieg in den Staatskapitalismus,
        den zumindest der überwiegende Teil des Hauses sicher-
        lich nicht will.
        Ich glaube, viele haben noch gar nicht erkannt, wel-
        che massiven Probleme wir uns mit den Staatsanteilen
        an Unternehmen ins Haus holen. Diesen Ausstieg zu or-
        ganisieren wird eine der historischen Aufgaben der deut-
        schen Liberalen sein, denn alle anderen Parteien sind zu
        staatsgläubig, um dies entschieden durchzusetzen.
        Ihr Antrag bringt zwar einige kleine Verbesserungen;
        der Herausforderung eines völlig neuen Verhältnisses
        von Staat und Wirtschaft wird er aber nicht gerecht. Des-
        halb werden wir uns zu Ihrem Antrag enthalten.
        Roland Claus (DIE LINKE): Selbstverständlich ist
        der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen von ak-
        tueller Bedeutung. Und weil er das ist, will ich mir auch
        die Frage verkneifen, warum diese strategische Kontroll-
        rechtenutzung nicht in den sieben Jahren bündnisgrüner
        Regierungsbeteiligung verwirklicht worden ist. Es ist ja
        gut und wichtig, dass der einen oder anderen einstigen
        Verfechterin, dem einen oder anderen einstigen Verfech-
        ter neoliberaler Wirtschaftsstrategien nun doch endlich
        ein Licht aufgeht. Und da soll man dann ja auch nicht
        kleinlich sein, sondern an einem Strang ziehen.
        Allerdings ist der Begriff „strategisch“ im Antrags-
        titel zu vollmundig gewählt. Strategie heißt Summe und
        Vielfalt aller Wege zu einem vorbestimmten Ziel. Was
        die Grünen-Fraktion hier anbietet, ist ein respektabler
        Reparaturbetrieb des bestehenden Gefüges. Ein Weg zu
        neuen Zielen der Bundesbeteiligung an übergroßen Un-
        ternehmen jedoch ist das nicht.
        Es liegt auf der Hand, dass sich dieser Tage eine De-
        batte wie die heutige auf die Deutsche Bahn AG fokus-
        siert. Es gibt dort einen in seinem Gesamtausmaß immer
        noch nicht bekannten Mitarbeiterausspionierungsskan-
        dal, und sowohl Vorstandsvorsitzender Hartmut Meh-
        dorn als auch der zuständige Minister Wolfgang Tiefen-
        see versagen vollständig bei der Aufklärung, bei einem
        Konzern, bei dem der Staat, also die öffentliche Hand
        Alleingesellschafter ist. Der Skandal macht deutlich, wie
        viel da absolut im Argen liegt.
        Wenn man nun etwa versucht, sich mittels des Beteili-
        gungsberichts 2008 der Bundesregierung ein wenig ins
        Bild zu setzen über die Situation des Konzerns Deutsche
        Bahn AG, wächst die Undurchsichtigkeit von Seite zu
        Seite. Nehmen wir nur die Deutsche Bahn AG als Be-
        standteil des Konzerns Deutsche Bahn AG, zu dem au-
        ßerdem Unternehmen wie DB Mobility Logistics AG,
        Schenker AG, Railion Deutschland AG, DB Netz AG,
        DB Regio AG, DB Fernverkehr AG und DB Station&
        Service AG gehören. Beim Teilunternehmen Deutsche
        Bahn AG stellt die öffentliche Hand mit 2,15 Milliarden
        Euro 100 Prozent des Grundkapitals, aber im 25-köpfi-
        gen Aufsichtsrat ist sie mit ganzen 5 Personen – also ei-
        nem Fünftel – vertreten: einem Mitglied des Bundesta-
        ges und vier Staatssekretären; einem aus dem Bundes-
        ministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, ei-
        nem aus dem Bundesministerium der Finanzen und
        zweien aus dem Bundesministerium für Wirtschaft und
        Technologie. Was müssen die wissen, was können die
        beeinflussen, was dürfen die tun als so kleine Minder-
        heit? Im Aufsichtsrat des Konzernbestandteils DB Mobi-
        lity Logistics AG ist die öffentliche Hand gar nicht ver-
        treten, bei DB Netz mit 3 von 22 Mitgliedern usw.
        Mit Recht wird im Antrag die Forderung nach einer
        Beteiligungsstrategie aufgestellt. Bleiben wir beim Kon-
        zern Deutsche Bahn AG. Die Gewinn- und Verlustrech-
        nung des Konzerns weist im Beteiligungsbericht keine
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009 22259
        (A) (C)
        (B) (D)
        Angaben dahin gehend aus, wie sich die Umsatzerlöse
        auf die Inlands- und Auslandsgeschäfte verteilen. Es
        wird ein Jahresüberschuss 2007 in Höhe von
        1,716 Milliarden Euro vermeldet, aber man weiß nicht,
        wie er sich zusammensetzt. Und das lässt die Bundesre-
        gierung zu. Sie lässt zu, dass es keine Klarheit darüber
        gibt, was dieses ganze Getöne der Konzernspitze vom
        „Globalen Logistiker“ wirklich gebracht hat und wie
        groß der Anteil der öffentlichen Gelder, die aus den Län-
        dern an die DB Regio AG für den Regionalverkehr ge-
        zahlt werden, am Jahresüberschuss ist. Die Frage ist also
        ganz einfach: Hat die Bundesregierung die Strategie,
        dass die DB AG vor allem der Daseinsfürsorge in
        Deutschland zu dienen hat, oder ist ihre Strategie noch
        immer der Börsengang, dem – wie man von Tag zu Tag
        deutlicher erkennen kann – alle Dienstleistung im Sinne
        der Daseinsfürsorge geopfert werden wird?
        Eine höchst undurchsichtige Beteiligungsstrategie
        verfolgt die Bundesregierung auch in Bezug auf Ost-
        deutschland. Der Beteiligungsbericht 2008 weist insge-
        samt für Deutschland und das Ausland 454 Beteiligun-
        gen des Bundes mit einem Nennkapital von mindestens
        50 000 Euro und mindestens 25 Prozent aus. Von diesen
        454 Beteiligungen sind ganze 18 – ich wiederhole: 18,
        also ganze 3,9 Prozent – in Ostdeutschland ohne Berlin
        angesiedelt. Die bedeutendsten unter diesen 18 sind mit
        dem Konzern DB AG verbunden. Übrig bleiben dann
        solche Posten wie etwa eine Beteiligung mit 51 129
        Euro an der Abwicklung – ja, Abwicklung! – des DFA
        Fertigungs- und Anlagenbaus GmbH Chemnitz.
        Solche Zahlen sagen über den Stand der deutschen
        Einheit mehr aus als alle Reden des Ost-Beauftragten der
        Bundesregierung zum Osten zusammen. Man stelle sich
        nur für einen winzigen Moment vor, er hätte sich dafür
        eingesetzt, dass die High-Tech Gründerfonds GmbH &
        Co. KG mit 88,24-prozentiger Bundesbeteiligung, die
        239,95 Millionen Euro ausmacht, statt in Bonn in Dres-
        den oder Jena angesiedelt wird. So aber begnügen wir uns
        freudig damit, dass der Bund über die TLG mit 188 000
        Euro – gleich 94 Prozent – am Hotel de Saxe an der Frau-
        enkirche GmbH & Co. KG in Dresden beteiligt ist – und
        hoffen, dass es wenigstens da keine Skandale gibt.
        Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
        Immer wieder geraten Unternehmen im staatlichen Be-
        sitz, mit staatlicher Mehrheit bei den Anteilen oder mit
        maßgeblicher staatlicher Beteiligung in die Schlagzeilen.
        Der Überwachungsskandal bei der Telekom und die Spit-
        zelaffäre bei der Deutschen Bahn, die immer weitere
        Kreise zieht, sind aktuelle und besonders negative Bei-
        spiele. Die Telekom hat auch durch Rationalisierungsmaß-
        nahmen bei den Servicecentern heftigen Protest auf sich
        gezogen, die Deutsche Bahn ist mit den Problemen beim
        ICE-Einsatz in der Kritik. Die Deutsche Post AG musste
        nach den Verlusten auf dem US-Paketmarkt ihre Ge-
        winnerwartungen drastisch reduzieren. Managementpro-
        bleme bei der KfW und den Landesbanken haben sowohl
        die Medien als auch Bund und Länder stark beschäftigt.
        An schlechten Beispielen mangelt es wahrhaftig
        nicht. Und für die meisten Skandale brauchte es noch
        nicht einmal die Finanzkrise. Da drängt sich doch die
        Frage auf, ob der Staat bei der Kontrolle seiner Beteili-
        gungen versagt. Nun haben wir die Finanz- und Wirt-
        schaftskrise, Skandale und Versagen können wir noch
        weniger gebrauchen als sonst. Doch beim Bankenret-
        tungspaket ist genau das zu befürchten, da der Bund auf
        verbindliche Vorgaben für die Geschäftspolitik der Ban-
        ken verzichtet und eine aktive Rolle als Anteilseigner
        ausschließt.
        Die Antwort der Bundesregierung auf unsere Kleine
        Anfrage zum Beteiligungsmanagement des Bundes
        zeigt: Der Bund verfolgt beim Umgang mit seinen Betei-
        ligungen keine Strategie. Die Schulung von Aufsichts-
        ratsmitgliedern und Vertretern auf Hauptversammlungen
        findet nicht statt. Zwar sprechen die „Hinweise für die
        Verwaltung von Bundesbeteiligungen“ des Finanzminis-
        teriums davon, dass der Einfluss des Bundes bei Beteili-
        gungen an Unternehmen entsprechend sichergestellt
        werden muss. Es gibt Aufgabenbeschreibungen für die
        Vertreterinnen und Vertreter des Bundes in den Unter-
        nehmen. Die Praxis lässt aber deutliche Zweifel am ver-
        antwortlichen Umgang mit diesen Kontrollrechten zu.
        Vertreter des Bundes in Aufsichtsräten oder Anteilseig-
        nerversammlungen von Unternehmen werden nicht be-
        sonders auf ihre Aufgabe vorbereitet. Sie sollen sich die
        notwendigen Kenntnisse selbst aneignen, heißt es in der
        Antwort der Bundesregierung. Die Unternehmenspla-
        nung und -organisation sei grundsätzlich Aufgabe des
        Vorstandes bzw. der Geschäftsleitung.
        Auch wir wollen nicht, dass der Staat dirigistisch in die
        Unternehmensführung eingreift. Es geht lediglich um
        Kontrollrechte, wie sie jeder private Investor auch ausübt.
        Doch die massiven Probleme im Management von Unter-
        nehmen mit bedeutenden staatlichen Beteiligungen oder
        Mehrheitsbeteiligungen haben die Bundesregierung nicht
        zu einer Änderung dieser Haltung bewegt. Sie hat aus den
        Fehlern der Vergangenheit nichts gelernt und wird diese
        auch bei den weiteren Maßnahmen zur Bewältigung der
        Finanzmarktkrise wiederholen. Darum fordern wir die
        Bundesregierung noch einmal nachdrücklich auf, ihrer
        Verantwortung bei den Bundesbeteiligungen nachzu-
        kommen und ihre Kontrollrechte auszuüben. Sonst sind
        die nächsten Skandale durch Missmanagement vorpro-
        grammiert.
        Anlage 6
        Zu Protokoll gegebene Rede
        zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur
        Änderung des Untersuchungshaftrechts (Tages-
        ordnungspunkt 16)
        Wolfgang Nešković (DIE LINKE): Seit Jahrzehnten
        demonstriert der Gesetzgeber an kaum einem anderen
        Rechtsgebiet so deutlich fehlendes rechtsstaatliches Inte-
        resse wie bei dem Untersuchungshaftrecht. Eine Hand-
        voll Normen, gewürzt durch Verwaltungsvorschriften der
        Länder aus dem Jahre 1953 waren schon alles, was der
        Rechtsstaat aufbot, um der Unschuldsvermutung und den
        Freiheitsrechten der Beschuldigten Rechnung zu tragen.
        22260 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009
        (A) (C)
        (B) (D)
        Umso höher waren die Erwartungen an den nun einge-
        brachten Entwurf. Es hätte sich die Gelegenheit geboten,
        zahlreiche sinnvolle Forderungen aus Wissenschaft und
        Praxis der letzten Jahrzehnte zu berücksichtigten. Der
        Entwurf berücksichtigt jedoch nicht die geforderte Ein-
        schränkung und Konkretisierung der Haftgründe, die
        Forderung nach der Abschaffung des Haftgrundes der
        Wiederholungsgefahr, die Notwendigkeit, den Beschleuni-
        gungsgrundsatz zu präzisieren, und auch nicht die ange-
        mahnte Festschreibung von zwingenden Höchstgrenzen
        der Haftdauer.
        Trotz einer längst überfälligen großen Reform des
        Untersuchungshaftrechts hinsichtlich dieser und anderer
        Forderungen hat sich Frau Zypries nicht einmal in der
        Lage gesehen, ein Reförmchen auf die Beine zu stellen.
        Das liegt nicht nur am unzureichenden politischen Gestal-
        tungswillen der Ministerin, sondern auch daran, dass sie
        in der Vergangenheit dafür gesorgt hat, ein Juwel sozial-
        demokratischer Rechtspolitik aus der Zuständigkeit des
        Bundes den Ländern zu überantworten. Im Rahmen der
        Föderalismusreform hat sie das Strafvollzugsgesetz aus
        dem Jahre 1976 gegen den heftigen Widerstand der
        Fachwelt aus rein opportunistischen Gründen in die
        Kompetenz der Länder gegeben. Hierbei hat man im
        Untersuchungshaftrecht den vollzugsrechtlichen Teil,
        der bisher immer Teil des Gerichtsverfahrens gewesen
        war, auch den Ländern übertragen.
        Damit hat man sinnwidrig getrennt, was früher einheit-
        lich geregelt war und heute nicht mehr einheitlich geregelt
        werden kann. Bisher lag gemäß § 119 StPO der gesamte
        Vollzug einheitlich in der Hand desselben Richters. Das
        betraf nicht nur den Zweck der Untersuchungshaft, sondern
        auch den der Ordnung in der Vollzugsanstalt. Da nun der
        Bund nicht mehr einheitlich zuständig ist, muss die bishe-
        rige Rechtsgrundlage in § 119 StPO geändert werden.
        Die neuen Regelungen erfassen nur noch diejenigen An-
        ordnungen und Beschränkungen der Rechte, die dem
        Zweck der Untersuchungshaft zur Sicherung der Durch-
        führung des Strafverfahrens dienen. Die Länder dürfen nun
        selbst darüber entscheiden, wie die Regelungen aussehen
        sollen, die den Vollzug als solchen betreffen, also alles,
        was man für die Wahrung von Sicherheit und Ordnung in
        der Vollzugsanstalt regeln muss. Die Trennung hat sich in
        der Praxis bisher als völlig untauglich erwiesen. Das zeigen
        zum Beispiel die Erfahrungen mit dem niedersächsischen
        Justizvollzugsgesetz. Jetzt werden zwei verschiedene
        Richter auf der Grundlage von zwei verschiedenen Ge-
        setzen Entscheidungen treffen müssen, die durchaus
        denselben Gegenstand betreffen können. Denn für die
        Durchführung des Verfahrens ist auch die Sicherheit der
        Haftanstalt maßgeblich, die wiederum durch Regelungen
        zur Durchführung des Verfahrens betroffen sein kann.
        Für diesen groben Unfug findet der Gesetzentwurf
        eine feine Sprache. Er nennt es eine „gewisse Über-
        schneidung der Kompetenzen“. Es bleibt aber ein grober
        Unfug. Es ist ein grober Unfug auf dem Rücken der
        Beschuldigten, der Richter und der Strafvollzugsanstalten.
        Es bleibt zu hoffen, dass sich in Zukunft verstärkt euro-
        päische Organisationen dieses Problems annehmen. Denn
        nahezu alles, was am vorgelegten Entwurf begrüßenswert
        ist, stammt aus deren Initiativen. So enthält der Entwurf
        tatsächlich die Umsetzungen von Forderungen nach
        erweiterten Informationsrechten für die Beschuldigten,
        wie sie der Europäische Ausschusses zur Verhütung von
        Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behand-
        lung oder Strafe erhob.
        Das führt mich zum Fazit: Die Justizministerin zeigt
        erneut, dass sie ihr Amt lediglich mit dem Bewusstsein
        einer Politikbeamtin verwaltet. Große rechtspolitische
        Gestaltungsakte sind von ihr nicht zu erwarten. Für das
        Untersuchungshaftrecht heißt das konkret: Wenn auch
        die Rechte der Beschuldigten bei Festnahmen und in der
        Untersuchungshaft weiterhin unzureichend ausgestaltet
        sind, sollen die Beschuldigten nun wenigstens in umfas-
        sender Weise über ihre unzureichenden Rechte informiert
        werden.
        Anlage 7
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung der Beschlussempfehlung und des
        Berichts: Kontraproduktive US-Operationen in
        Pakistan sofort einstellen – Umfassende Strate-
        gie zur Stabilisierung Pakistans entwickeln (Zu-
        satztagesordnungspunkt 5)
        Holger Haibach (CDU/CSU): In einem trifft der
        vorliegende Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
        den Kern der Sache: Es ist höchste Zeit, dass die interna-
        tionale Gemeinschaft die Situation in Pakistan vertieft in
        den Blick nimmt und hilft, Lösungsansätze zu entwi-
        ckeln. Das ergibt sich aus der Bedeutung Pakistans an
        sich, aber auch aufgrund seiner geografischen Lage.
        Pakistan ist mit mehr als 150 Millionen Menschen ein
        sehr bevölkerungsreicher Staat. Er ist Atommacht, hat
        sich aber nicht oder nur teilweise den entsprechenden in-
        ternationalen Kontrollregimen unterworfen. Pakistan be-
        findet sich durch vielfältige Interessenkollisionen seit
        seiner Gründung in einer ständigen Auseinandersetzung
        mit Indien, die bisweilen gewaltsame Züge annimmt.
        Und nicht zuletzt ist Pakistan Nachbar Afghanistans und
        damit auch deshalb für Deutschland und die internatio-
        nale Staatengemeinschaft ein wichtiger Partner. Es ist als
        Transitland für Drogen, Rückzugsort für Terroristen,
        aber eben auch als wichtiger regionaler Akteur und mili-
        tärischer Verbündeter Teil des „Problems“ und Teil der
        Lösung des Problems.
        Da sich die Lage aber als dermaßen komplex darstellt,
        greift der vorliegende Antrag meines Erachtens zu kurz.
        Im Wesentlichen auf die Militäroperationen der USA ab-
        zustellen, die man kritisieren kann, wird nicht die Lö-
        sung des Problems bringen. Interessanterweise enthält
        dann der Forderungsteil viele richtige Ansätze, auch
        wenn sie im einen oder anderen Fall zumindest sprach-
        lich extrem ambitioniert und überdimensioniert daher-
        kommen.
        Es hängt viel von der Frage ab, wie man die gegen-
        wärtige Lage in Pakistan einschätzt. Es ist jedenfalls
        richtig – das wird im Antrag auch betont –, dass das Mi-
        litärregime von General Pervez Musharraf durch eine in
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009 22261
        (A) (C)
        (B) (D)
        Wahlen legitimierte Regierung ersetzt wurde. Ob man
        allerdings der leicht romantisierenden Vorstellung an-
        hängen sollte, damit sei sozusagen der Siegeszug der
        Demokratie in Pakistan eingeläutet, wage ich dann doch
        zu bezweifeln. Zu sehr werden auch demokratische
        Wahlen in diesem wie in vielen anderen Ländern entlang
        der Linien von ethnischer Verbundenheit und nicht im
        Wettbewerb von Ideen entschieden, zu instabil ist die
        Lage, zu wenig ausgebildet ist dabei noch das rechts-
        staatliche System, das unbedingte Voraussetzung für
        eine funktionierende Demokratie ist.
        Allerdings ist es richtig, dass den Vereinigten Staaten
        als langjährigem wichtigen Partner bei der Stabilisierung
        und weiteren Entwicklung Pakistans eine entscheidende
        Rolle zukommt. Ich will nicht in die aufgekommene
        Mode verfallen, die neue amerikanische Administration
        als omnipräsenten und omnipotenten Heilsbringer zu se-
        hen, aber es bleibt jedenfalls zu hoffen, dass es eine grö-
        ßere Bereitschaft gibt als bisher, die eigene Politik auch
        in diesem Fall mit der der anderen Verbündeten besser
        zu koordinieren. Angesichts der Tatsache, dass die USA
        in Pakistan über lange Zeit durch verschiedenste Maß-
        nahmen ihre Einflusssphäre ausgebaut haben, ist dies
        dringend geboten.
        Wenn auch die Rolle der USA nicht unterschätzt wer-
        den darf, so gibt es keinen Grund anzunehmen, Deutsch-
        land und die EU hätten hier keine Aufgabe oder keine
        Handlungsmöglichkeiten und auch -notwendigkeiten.
        Die Tatsache alleine, dass in Afghanistan mehrere Tau-
        send Soldaten ihren Dienst versehen und dass es ohne
        ein stabiles Pakistan ein stabiles Afghanistan nicht wird
        geben können, ist schon Grund genug, sich in und für
        Pakistan zu engagieren. Der Vorwurf, Deutschland und
        die EU seien hier ohne eigenen Ansatz, ist allerdings
        falsch. Gerade die Bundesregierung hat durch entspre-
        chende Initiativen des Außenministers gezeigt, dass sie
        bereit und in der Lage ist, einen eigenen substanziellen
        Beitrag zu leisten.
        In einem weiteren Punkt geht der Antrag ebenfalls
        fehl. Zwar ist es sicherlich richtig, Pakistan in seinem re-
        gionalen Umfeld zu sehen, aber es ist meines Erachtens
        nicht richtig, Pakistan hauptsächlich in seiner Funktion
        als Nachbar Afghanistans zu betrachten. Deshalb ist die
        zum Teil etwas mühsam hergestellte Verbindung zwi-
        schen Militäraktionen in Afghanistan und Pakistan pro-
        blematisch. Dass sich militärische Aktionen nach Ansicht
        des Deutschen Bundestages auf das absolute Minimum
        beschränken und dabei die sogenannten Kollateralschä-
        den möglichst niedrig gehalten werden müssen, versteht
        sich zumindest aus der Sicht meiner Fraktion von selbst.
        Dass die Forderung, Deutschland möge sich nicht
        weiter an OEF beteiligen, inzwischen faktisch erfüllt ist,
        dürfte sich inzwischen auch herumgesprochen haben.
        Einigkeit besteht aus meiner Sicht darin, dass Deutsch-
        land mit seiner Expertise wichtige Beiträge leisten kann
        zum Aufbau einer funktionierenden Justiz und einer wa-
        chen Zivilgesellschaft, zu demokratischen Institutionen
        und damit zu einem Pakistan, das als stabiler und wichti-
        ger regionaler Akteur zur Befriedung der gesamten Re-
        gion beiträgt.
        Bei aller Richtigkeit dieser Aussagen und bei aller
        Notwendigkeit, diese Aussagen auch durch entspre-
        chende Maßnahmen in der Entwicklungszusammenar-
        beit zu flankieren, ist es notwendig – da enthält der An-
        trag einen wichtigen Punkt –, die Krisen und Krisenherde
        an den Grenzen Pakistans ebenfalls in Betracht zu zie-
        hen. Dies betrifft die von der Zentralregierung in Islama-
        bad völlig unkontrollierten Tribal Areas an der Grenze zu
        Afghanistan ebenso wie die Kaschmir-Region, die be-
        reits seit Jahrzehnten Streitpunkt zwischen Indien und
        Pakistan sind. Sollte durch den Antrag allerdings der Ein-
        druck erweckt werden, Deutschland könne durch sein
        Engagement diese zum Teil seit mehr als 50 Jahren wäh-
        renden Probleme lösen, wäre dies eine fatale Überschät-
        zung unserer Möglichkeiten.
        Viele Schwierigkeiten in internationalen Konflikten
        der vergangenen Jahre sind auch dadurch entstanden,
        dass mancherorts – manchmal auch in Deutschland – der
        Eindruck erweckt wurde, dass die Lösung dieser Kon-
        flikte eigentlich recht einfach sei, wenn man nur mit ge-
        nügend Mitteln und einem in der Theorie gut funktionie-
        renden Plan vorgehe. Auch hier beginnt gute Politik mit
        der richtigen Analyse der Lage und der nüchternen Be-
        trachtung der eigenen Möglichkeiten. Wer diese einfache
        Weisheit nicht beherzigt, wird sich verheben und der
        Glaubwürdigkeit Deutschlands und der internationalen
        Gemeinschaft einen Bärendienst erweisen.
        Deshalb ist es richtig, dass im vorliegenden Antrag
        von uns Engagement, und zwar intensives Engagement,
        in und für Pakistan eingefordert wird. Aber wir sollten
        dieses Engagement mit Blick auf unseren tatsächlichen
        Einfluss und unsere tatsächlichen Möglichkeiten erbrin-
        gen. Dann kann unser Beitrag für Pakistan und seine
        Menschen ein substanzieller sein.
        Johannes Pflug (SPD): Pakistan hat seit dem
        9. September 2008 unter dem neuen Präsidenten Asif
        Zardari wieder eine Zivilregierung. Trotzdem bleibt die
        Situation an der 1 600 Kilometer langen Grenze zu Af-
        ghanistan – Durant-Linie – weitgehend unkontrollierbar.
        Insbesondere die FATAS, Federally Administrative Tri-
        bal Areas, im Nordwesten werden zunehmend zum
        Rückzugs-, Ausbildungs- und Versorgungsraum der Ta-
        liban. Die Stabilität der Atommacht Pakistan spielt des-
        halb eine zentrale Rolle für den Erfolg der ISAF-Mission
        in Afghanistan.
        Präsident Zardari erklärte bei seiner Amtseinführung,
        der Bekämpfung des Terrorismus oberste Priorität einzu-
        räumen; aufgrund des Terroranschlags auf das Mariott-
        Hotel in Islamabad würden diese Anstrengungen ver-
        stärkt. Pakistan hat bereits rund 120 000 Soldaten in der
        Grenzregion, die ein Eindringen von Taliban und Al-
        Qaida-Kämpfern nach Afghanistan verhindern sollen.
        Im Rahmen der Triparite-Kommission haben Pakistan,
        Afghanistan und die ISAF-Truppen ihre militärische Zu-
        sammenarbeit verstärkt und wollen sechs gemeinsame
        Grenzpunkte errichten. Im März 2008 eröffneten sie das
        erste Border Coordination Centre, BCC.
        Die Talibanisierung ist in den vergangenen Monaten
        trotzdem weiter vorangeschritten. In den Stammesgebie-
        22262 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009
        (A) (C)
        (B) (D)
        ten haben die Taliban und mit ihnen paktierende Banden
        viele Familienoberhäupter – Maliks – umgebracht. Bei
        vielen Beobachtern gilt es als wahrscheinlich, dass auch
        Teile des pakistanischen Geheimdienstes ISI und des
        Militärs afghanische Taliban unterstützen. Sie hoffen,
        dass die Taliban nach dem Abzug der ausländischen
        Truppen aus Afghanistan wieder die Macht übernehmen
        und sich als Verbündete an die Seite Pakistans stellen in
        der Frage des Kaschmir-Konfliktes und im Falle von
        Auseinandersetzungen mit Indien.
        Bei den andauernden Kämpfen wurden bereits mehr
        als 2 000 Menschen getötet, mehr als 200 000 sind aus
        den Stammesgebieten im Grenzland geflohen. Dabei su-
        chen aber andererseits viele afghanische Flüchtlinge
        Schutz in Flüchtlingslagern auf pakistanischer Seite. An-
        fang 2007 lebten bereits 2,2 Millionen afghanische
        Flüchtlinge in Pakistan, die bis Ende 2009 auf Drängen
        Pakistans zurückgeführt werden sollten. Die Sicherheits-
        lage in Afghanistan hat dies aber unmöglich gemacht.
        Der Plan wurde im August 2008 wieder verworfen, und
        das Problem verschlimmert sich rasend schnell. In Kara-
        chi leben mittlerweile 700 000 Flüchtlinge aus den
        Stammesgebieten, die dort auf andere große Bevölke-
        rungsgruppen treffen. Dies birgt permanentes zusätzli-
        ches Konfliktpotenzial.
        Die internationale Gemeinschaft muss von Pakistan
        auch weiterhin harte Anstrengungen im Kampf gegen
        den Terrorismus verlangen, aber Pakistan auch stabili-
        sieren helfen. Nur ein stabiles Pakistan kann ein guter
        Nachbar für Afghanistan sein. Dafür müssen auch die re-
        gionalen Player Indien und China einbezogen werden.
        Dazu zählt aber auch ein maßvolles und völkerrechts-
        konformes Vorgehen der USA im Grenzgebiet zu Afgha-
        nistan. Die Stimmung der Pakistani gegenüber den Ame-
        rikanern ist bestenfalls reserviert, häufig auch feindselig.
        Das ist nicht nur Reaktion auf die amerikanischen An-
        griffe auf pakistanisches Territorium. Man fühlt sich ver-
        raten durch die amerikanische Annäherung an Indien.
        Bündnis 90/Die Grünen fordern in ihrem Antrag al-
        lerdings zu viel und das zu schnell. Wir würden uns
        übernehmen. Deshalb lehnen wir diesen Antrag ab.
        Elke Hoff (FDP): Wir behandeln heute einen Antrag,
        der in einigen Teilen seines Forderungskatalogs überholt
        ist, da eine deutsche Beteiligung an der Operation Endu-
        ring Freedom in Afghanistan nicht mehr mandatiert ist.
        Darüber hinaus vermischt der Antrag leider Dinge, die
        nicht zielführend sind. Dies hat uns auch bereits in den
        Ausschüssen bewogen, ihn abzulehnen, obwohl er viele
        Punkte enthält, die wir unterstützen.
        Eine Pakistan-Strategie der Bundesregierung ist über-
        fällig und immer noch nicht erkennbar. Es genügt nicht,
        immer wieder Pakistan als einen Schlüssel zur Lösung
        der Probleme in der Region zu benennen, wenn dann nur
        sehr wenige gemeinsame Anstrengungen tatsächlich un-
        ternommen werden. Nach meinen Beobachtungen sind
        die Impulse, die nach der Reise des Bundesaußenminis-
        ters im Herbst letzten Jahres gesetzt werden sollten,
        weitgehend verpufft. Von der pakistanischen Freund-
        schaftsgruppe hört man seit geraumer Zeit nichts mehr.
        Von einer Stabilisierung Pakistans kann insbesondere in
        den teilautonomen Stammesgebieten im Nordwesten des
        Landes leider keine Rede sein. Der zunehmende Verlust
        der Kontrolle im Swat-Tal, die Angriffe auf Nachschub-
        lager und Nachschubwege der ISAF am Khyber-Pass
        und die große Zahl ziviler Verluste bei Gefechten zwi-
        schen Extremisten und den pakistanischen Sicherheits-
        kräften machen wenig Mut.
        Pakistan ist sich allerdings zunehmend bewusst, dass
        es einen eigenen Beitrag zur Bekämpfung des internatio-
        nalen Terrorismus leisten muss. Es besteht auch die Be-
        reitschaft Pakistans, dabei militärische Mittel einzuset-
        zen. Damit dies aber in der Praxis auch Erfolg haben
        kann, muss die pakistanische Bevölkerung diesen
        Kampf gegen Extremisten und Terroristen als ein ureige-
        nes Anliegen begreifen. In der Vergangenheit war dies
        leider nicht der Fall. Die Wahrnehmung innerhalb der
        pakistanischen Bevölkerung, dass das Vorgehen der pa-
        kistanischen Regierung und der Sicherheitskräfte ledig-
        lich stellvertretend und im Auftrag der US-Amerikaner
        erfolge, ist fatal.
        Diese Wahrnehmung kann nur überwunden werden,
        wenn unabgestimmte militärische Operationen der USA
        in Pakistan unterbleiben. Die nationale Souveränität Pa-
        kistans ist zu achten. Auf der anderen Seite wäre es aber
        auch hilfreich, wenn die pakistanische Regierung gegen-
        über der eigenen Bevölkerung offener kommunizieren
        würde, dass sie mitunter auf die militärische Koopera-
        tion mit den USA und anderen Partnern im Kampf gegen
        Extremisten und Terroristen im eigenen Land angewie-
        sen ist.
        Daher sollte die Gunst der Stunde genutzt werden, die
        der Wechsel der Administration in Washington mit sich
        bringt. Ich finde es ermutigend, dass US-Vizepräsident
        Joe Biden am Wochenende auf der Münchner Sicher-
        heitskonferenz angekündigt hat, dass die Regierung von
        Barack Obama die Politik für Afghanistan und Pakistan
        überprüfen wird und über Anregungen der Partner dank-
        bar ist. Auch der Umstand, dass die neue US-amerikani-
        sche Regierung mit Richard Holbrooke einen Sonderge-
        sandten für Afghanistan und Pakistan benannt hat, ist ein
        gutes Signal. So banal die Wiederholung dieser simplen
        Erkenntnis klingt: Ohne Pakistan wird es keine Lösung
        in Afghanistan geben und umgekehrt.
        Deshalb ist es auch alternativlos, eine internationale
        Strategie zur Stabilisierung und Entwicklung der pakis-
        tanischen und zugleich der afghanischen Wirtschaft
        kurzfristig auf den Weg zu bringen. Dies bedeutet neben
        der Entwicklung von lokalen und regionalen Märkten
        auch die Öffnung westlicher Märkte für Produkte aus
        beiden Ländern. Die Rekrutierungswelle von immer
        neuen Extremisten ist nur durch eine positive ökonomi-
        sche Entwicklung, durch Zukunftsperspektiven für junge
        Menschen zu stoppen.
        Ein weiterer gravierender Konfliktherd Pakistans ist
        die mangelhafte Versorgung mit Energie und Elektrizi-
        tät. Die Gasversorgung über eine neue Pipeline aus dem
        Iran wird von der internationalen Gemeinschaft nicht ge-
        rade unterstützt, sodass die pakistanische Regierung
        kaum eine Alternative zu chinesischer Atomenergie hat,
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009 22263
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        um seine 170 Millionen Bürger mit Energie zu versor-
        gen. Gerade in diesem Bereich könnte Deutschland ei-
        nen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung Pakistans leis-
        ten. Hilfe bei der konzeptionellen Entwicklung und beim
        technologischen Ausbau erneuerbarer Energien wären
        auf pakistanischer Seite hochwillkommen. Der Bau und
        die Wartung dieser Anlagen vor Ort würden mittelfristig
        neue Arbeitsplätze generieren und knappe Ressourcen
        schonen.
        Ein weiterer Bereich, der eine Stabilisierung des Lan-
        des gefährdet, ist das hohe Ausmaß an Analphabetismus
        sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen. Eine breit
        angelegte, gut strukturierte Alphabetisierungskampagne,
        verbunden mit der Unterstützung zum Aufbau funktio-
        nierender staatlicher Schulen und entsprechender Curri-
        cula unter Berücksichtigung religiöser Befindlichkeiten,
        könnte ein äußerst sinnvoller Beitrag der internationalen
        Gemeinschaft sein. Diese Anstrengungen müssten je-
        doch weit über einen Projektcharakter hinausgehen und
        langfristig angelegt sein.
        Pakistan hofft gerade nach der überraschend fair und
        demokratisch verlaufenen Parlamentswahl vor einem
        Jahr auf deutsche Unterstützung bei der weiteren Stabili-
        sierung und Demokratisierung des Landes. Deutschland
        ist als ehrlicher Makler hochwillkommen.
        Uns sollte Mut machen, dass Pakistan trotz des ver-
        breiteten Analphabetismus auch über ein großes Reser-
        voir an gut ausgebildeten jungen Menschen verfügt, die
        Teil einer zukünftigen politischen und wirtschaftlichen
        Elite sein können. Mit diesen Hoffnungsträgern muss ein
        intensiver Dialog aufgenommen werden.
        Ohne Frage ist Pakistan auch ein Jahr nach den Wah-
        len weiterhin von stabilen demokratischen Verhältnis-
        sen, wie wir sie uns vorstellen, entfernt. Daher brauchen
        wir Geduld und sollten unsere Erwartungen an die Ge-
        schwindigkeit von Modernisierungsprozessen auf ein re-
        alistisches Maß reduzieren. Nur wenn wir die gesell-
        schaftlichen und kulturellen Besonderheiten Pakistans
        verstehen, wird ein Dialog mit Pakistan Erfolg haben
        können.
        Bei aller angebrachten Skepsis teile ich die düstere
        Einschätzung der Lage in Pakistan der Grünen nicht und
        halte die Zustandsbeschreibung auch für keine sinnvolle
        Grundlage, die Rolle Deutschlands im Stabilisierungs-
        prozess Pakistans zu definieren. Pakistan steht nicht an
        der Grenze zum Staatszerfall, und die Nuklearwaffen
        drohen derzeit auch nicht in die Hände von Extremisten
        zu fallen. Auch wenn sich die Rolle des Militärs in Pa-
        kistan mit unseren Vorstellungen von Streitkräften inner-
        halb einer Demokratie nicht vereinbaren lässt, so muss
        man aber konstatieren, dass es auch in den Zeiten größ-
        ter Instabilität die Kontrolle über die pakistanischen Nu-
        klearwaffen sichergestellt hat.
        Die Wahlen haben gezeigt, dass die Masse der pakis-
        tanischen Bevölkerung die Islamisten nicht will und po-
        litisch nicht unterstützt. Sie haben nur einen Sitz im Par-
        lament errungen und haben darüber hinaus in den
        paschtunischen Stammesgebieten an der Grenze zu Af-
        ghanistan und in der Nordwestprovinz ihre Regierungs-
        beteiligung verloren. Die Bewegung der Rechtsanwälte
        hat in den letzten Monaten gezeigt, dass es auch außer-
        halb der Parteien ein großes zivilgesellschaftliches Po-
        tenzial in Pakistan gibt.
        Wenn Deutschland einen Beitrag zur Stabilisierung
        Pakistans leisten will, muss es auch möglich sein, die pa-
        kistanischen Sicherheitskräfte, insbesondere die Grenz-
        polizei sowohl bei deren Ausbildung als auch bei der
        Ausstattung zu unterstützen. Pakistan muss vor allem
        auch durch die internationale Unterstützung in die Lage
        versetzt werden, gegen die Proliferation von sensiblem
        Wissen und Technologien nichtstaatlicher Akteure bes-
        ser gerüstet zu sein. Hier war Pakistan in der Vergangen-
        heit zu anfällig, wie der Erfolg des Khan-Netzwerkes ge-
        zeigt hat. Ich möchte die Bundesregierung ermuntern,
        die Anstrengungen beim Ausbau der bilateralen Bezie-
        hungen deutlich zu verstärken und die in Pakistan bisher
        gemachten Erfahrungen dafür zu nutzen.
        Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): Der Antrag von
        Bündnis 90/Die Grünen hat in den vergangenen Wochen
        eine neue Aktualität erhalten. Die Entscheidung des
        neuen US-Präsidenten Obama, das militärische Engage-
        ment in Afghanistan zu verstärken, ist der Mühlstein, der
        die gesamte außenpolitische Konzeption Obamas in den
        Abgrund reißen kann. Die Beendigung des Krieges in
        Afghanistan ist ohne eine intensivere Einbeziehung Pa-
        kistans nicht möglich. Das heißt auch, dass die USA so-
        fort und bedingungslos ihre völkerrechtswidrigen An-
        griffe auf pakistanisches Territorium einstellen müssen.
        Wenn diese Forderung Zustimmung im Deutschen
        Bundestag fände, wäre es auch ein Argument, dass
        Deutschland seine Waffenlieferungen an Pakistan ein-
        stellen muss. Es ist schlichtweg inakzeptabel, dass
        Deutschland an Pakistan unter anderem U-Boote liefert.
        Diese U-Boote könnten technisch auch auf den Ab-
        schuss atomar bestückter Raketen umgerüstet werden.
        Wir alle wissen: Pakistan und Indien sind Atommächte,
        deren gegenseitige Beziehungen höchst angespannt sind.
        Wer Waffen an Pakistan liefert, verschärft den Konflikt.
        Verschärfend für diesen Konflikt ist auch der Atom-
        deal zwischen den USA und Indien. Zu Recht werden im
        vorliegenden Antrag diese Probleme angesprochen; das
        begrüßt die Linke. Er verweigert sich aber der notwendi-
        gen Konsequenz, den Krieg in Afghanistan sofort zu be-
        enden. Deswegen können wir nicht zustimmen.
        Wir haben es mit einem Übergreifen des afghanischen
        Widerstandes auf die paschtunischen und belutschischen
        Stammesgebiete Pakistans zu tun. Diese Stammesge-
        biete kennen keine Grenzen zwischen Staaten und keine
        wirkliche Kontrolle durch den pakistanischen Staat. Dies
        ist so seit der kolonialen Staatsbildung. Alle staatlichen
        Versuche seit dem Ende der Militärdiktatur Musharrafs,
        die westlichen Stammesgebiete zu befrieden, scheiterten
        an der zunehmenden Intensität des Krieges in Afghanis-
        tan. Deshalb ist eine Lösung des pakistanischen Pro-
        blems immer mit der Beendigung des Krieges in Afgha-
        nistan verbunden.
        22264 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009
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        Krieg als Mittel zur Befriedung Afghanistans ist ge-
        scheitert. Die jüngste Umfrage der ARD zu Afghanistan
        zeigt deutlich, dass immer größere Teile der afghani-
        schen Bevölkerung die westliche Präsenz als Besatzung
        empfinden. Aus der Umfrage geht auch hervor, dass im-
        mer mehr Menschen in Afghanistan es als legitim emp-
        finden, sich gegen die ausländische Besatzung zur Wehr
        zu setzen.
        Mittlerweile sind aber die afghanischen Erschütterun-
        gen nicht nur in Pakistan, sondern auch in Indien zu spü-
        ren und tragen zu einer Verschärfung der Lage zwischen
        den beiden Atommächten bei. Die Frage ist: Was ist zu
        tun? Der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen, den wir
        hier behandeln, zeigt ein Maß an selbstkritischer Refle-
        xion. Wir können vielen der Detailforderungen zustim-
        men. Ebenso wie wir fordern die Grünen einen zivilge-
        sellschaftlichen Ansatz in Pakistan, mit dem Demokratie
        und die Achtung der Menschenrechte gestärkt, aber auch
        wirtschaftliche und soziale Reformen eingeleitet werden
        sollen. Pakistan gehört zu den Ländern mit den krasses-
        ten sozialen Unterschieden. Neben einer reichen Elite
        lebt eine Mehrheit der Bevölkerung unter unbeschreibli-
        chen sozialen Verhältnissen. Dies ist Nahrung für den
        militanten Islamismus. Große Teile der Bevölkerung
        sind Analphabeten.
        Ebenso wichtig ist, das Wettrüsten zwischen den
        Staaten in der Region zu beenden. Die Bundesrepublik
        kann dazu einen Beitrag leisten, indem sie nicht weiter
        deutsche Rüstungsgüter in die Region liefert.
        Wir benötigen einen ernsthaften Neuanfang in Ko-
        operation mit den Anrainerstaaten und unter Verantwor-
        tung der Vereinten Nationen. Die NATO sollte umge-
        hend ihre Bereitschaft deutlich machen, in Verbindung
        mit einem Waffenstillstand in Afghanistan ihre Truppen
        aus dem Land abzuziehen. Die USA ihrerseits dürfen
        keine weiteren Angriffe auf pakistanisches Territorium
        ausführen, und die pakistanische Regierung sollte ihre
        militärischen Operationen in den Stammesgebieten be-
        enden.
        In Afghanistan und in Pakistan bilden sich immer
        mehr „Friedens-Jirgas“, das heißt, der Weg einer natio-
        nalen Versöhnung ist nicht mehr ausgeschlossen. Die
        Arbeit der „Friedens-Jirgas“ sollte durch die Vereinten
        Nationen und auch von Deutschland intensiv gefördert
        werden. Nationale Versöhnung, Rechtssicherheit und der
        Aufbau ziviler Strukturen sind der Weg, um Stabilität in
        Afghanistan und in Pakistan zu erreichen. Dieser Weg ist
        versperrt, solange in Afghanistan und Pakistan der Ein-
        druck besteht, militärisch besetzt und politisch fremdbe-
        stimmt zu sein. Selbstbestimmung ist die entscheidende
        Voraussetzung, Gewalt und Krieg zu beenden.
        Die Linke wirbt seit Monaten für die Idee einer regio-
        nalen Sicherheitskonferenz. Wir freuen uns darüber, dass
        sich die Bundesregierung offensichtlich ebenfalls von
        der Sinnhaftigkeit eines solchen Vorschlages überzeugt
        hat. Die Staaten der Schanghai-Gruppe haben dieses
        Thema zum Mittelpunkt ihrer nächsten Konferenz ge-
        macht. Insbesondere gilt es, Pakistan, seine Nachbarn
        China, Indien, Iran und Afghanistan sowie Russland und
        die zentralasiatischen Nachbarn für einen Prozess der re-
        gionalen Stabilisierung zu gewinnen. Auch die USA
        sind sich darüber im Klaren, dass ein Prozess der regio-
        nalen Stabilisierung nicht ohne Einbeziehung des Iran
        auf den Weg gebracht werden kann. Solange aber die
        Drohungen gegen den Iran auch vonseiten der USA,
        nicht vom Tisch sind, ist dieser Weg nur sehr schwer zu
        beschreiten. Es bleibt unverständlich, warum die vielen
        Bereitschaftserklärungen des Iran, zur Lösung des Af-
        ghanistan-Konfliktes vermittelnd zur Verfügung zu ste-
        hen, nie ernsthaft geprüft und aufgegriffen worden sind.
        Das kann und muss sich ändern.
        Neben Themen der Demokratisierung und der Ver-
        besserung der sozialen Lage der Menschen in der Region
        müssen auch die Grenzstreitigkeiten zwischen Pakistan
        und Afghanistan sowie zwischen Pakistan und Indien
        behandelt werden. Ohne Beteiligung des Volkes der
        Paschtunen wird es nicht gehen. Eine solche Konferenz
        würde einem Waffenstillstand Dauerhaftigkeit verleihen
        können und wäre der Weg zu Frieden und Stabilität in
        der Region.
        Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
        NEN): Den Antrag, den wir heute hier diskutieren, haben
        wir eingebracht, als in Washington noch die Bush-Admi-
        nistration regierte. Mittlerweile haben wir mit Barack
        Obama einen neuen US-Präsidenten, der sich dem
        Thema Afghanistan und Pakistan von Anbeginn mit ho-
        her Aufmerksamkeit zuwendet. Er hat mit Richard
        Holbrooke einen Sonderbeauftragten für Afghanistan
        und Pakistan eingesetzt, der gerade beide Staaten be-
        sucht. Er hat damit von Anfang an klar gemacht, dass die
        Stabilisierung der Region hohe Priorität hat.
        Auf seiner Reise wurde Holbrooke unmittelbar mit
        der Instabilität und dem Eskalationspotenzial in der Re-
        gion konfrontiert: Bei einem extremistischen Anschlag
        in Peschawar kam ein Politiker ums Leben, mehrere
        Menschen wurden verletzt. Zeitgleich machten die bluti-
        gen Angriffe der Taliban in Kabul deutlich, wie groß die
        Schwierigkeiten für die Stabilisierungsbemühungen in
        Afghanistan weiter sein werden. Wir wissen: Der logisti-
        sche Nachschub für diese Gewalttaten läuft über Pakis-
        tan. Auch die Anschläge in Mumbai im November 2008
        mit über 170 Toten zeigen, dass das Thema einer regio-
        nalen Stabilisierung dringend auf die internationale
        Agenda rücken muss. Insofern bleibt unser Antrag zum
        Thema Pakistan hochaktuell.
        Mit dem neuen US-Präsidenten besteht grundsätzlich
        die große Chance zu einer Überprüfung der Strategie in
        Afghanistan, aber auch des diplomatischen Konzepts für
        die ganze Region. Auf der Münchner Sicherheitskonfe-
        renz wurde bereits eine große 60-tägige Revision der Af-
        ghanistan-Strategie angekündigt. Vor allem aber bieten
        sich große Chancen für eine regionale Strategie, weil die
        neue Administration hier einen bedeutsamen Wechsel
        angekündigt hat. So soll mehr Diplomatie möglich wer-
        den, insbesondere auch im direkten Kontakt mit Iran.
        Eine Einbeziehung Irans in die regionale Diplomatie
        kann eine Verbesserung bei der Zusammenarbeit und die
        Suche nach gemeinsamen Interessen erleichtern. Die
        Nachbarländer teilen durchaus das gemeinsame Interesse
        Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009 22265
        (A) (C)
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        an Stabilität in der Region – das gilt auch für Russland
        und China, die auch einen beachtlichen muslimischen
        Bevölkerungsanteil haben. Die seit längerem diskutierte
        „Kontaktgruppe Afghanistan/Pakistan“ einzurichten und
        entsprechende Konferenzen zu planen, wäre deshalb ein
        wichtiger Fortschritt.
        Ungeachtet dieser Chancen möchte ich hier ausdrück-
        lich unterstreichen, dass die Gefahren, auf die wir in un-
        serem Antrag hinweisen, keinesfalls vom Tisch sind: In
        den letzten Wochen kam es wieder zu Bombardements
        im Grenzgebiet, bei denen mehrfach erneut Zivilisten
        starben. Gerade der Anstieg der Zahl der Opfer unter der
        Zivilbevölkerung in Afghanistan – 2008 kamen in Af-
        ghanistan 40 Prozent mehr Zivilisten ums Leben als
        2007 – ist Besorgnis erregend und trägt zur Vertrauens-
        krise in der Region bei. Es ist deshalb dringend erforder-
        lich, dass die Bundesregierung sich nachdrücklich für ei-
        nen militärischen Strategiewechsel der NATO einsetzt.
        OEF muss endlich beendet werden. Wir müssen zu einer
        einheitlichen Rechtsgrundlage für die militärische Prä-
        senz in Afghanistan zurückkehren und endlich die Al-
        leingänge der USA im pakistanischen Grenzgebiet been-
        den, die destabilisierend wirken. Bei der neuen US-
        Administration wird sie dafür zweifelsohne offenere Oh-
        ren finden als bei der Bush-Regierung. Joe Biden hat
        sich in seiner Rede in München deutlich von der „Bush-
        Doktrin“ – also von Präventivschlägen und Alleingän-
        gen – distanziert; entsprechend muss der militärische
        Ansatz geändert werden.
        Die Bemühungen der neuen Administration in Rich-
        tung Abrüstung müssen ebenfalls – mit Bezug auf diese
        Region – ernst genommen werden: Es darf kein Wettrüs-
        ten zwischen Pakistan, Indien, China und anderen Staa-
        ten der Region einsetzen, und dieses darf nicht mit deut-
        schen Rüstungslieferungen angeheizt werden. Es muss
        alles getan werden, damit Pakistan nicht weiter eine
        Quelle der Weiterverbreitung von Massenvernichtungs-
        waffen und deren Trägerwaffen bleibt, sondern sich den
        internationalen Rüstungskontrollregimen anschließt.
        Um Pakistan zu stabilisieren, gilt darüber hinaus vie-
        les, was auch für Afghanistan richtig ist: Notwendig sind
        eine Sicherheitssektorreform, eine Stärkung des Justiz-
        wesens und der Aufbau einer effektiven rechtsstaatli-
        chen Polizei. Die Entwicklungszusammenarbeit muss
        nachhaltig gestärkt werden. Investitionen in die Grund-
        bildung, Basisgesundheit und ländliche Entwicklung so-
        wie die Förderung der unabhängigen Justiz und Presse
        sowie der Rechte der Frauen sind unerlässlich für eine
        langfristige Stabilisierung. Die pakistanische Regierung
        muss dabei ihrerseits in die Pflicht genommen werden,
        die notwendigen Beiträge entschlossen umzusetzen.
        Ohne Stabilität in Pakistan wird es keine Stabilität in Af-
        ghanistan und der ganzen Region geben. Lassen Sie uns
        die Chancen ergreifen, die sich mit der neuen US-Admi-
        nistration für einen Neustart ergeben.
        205. Sitzung
        Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009
        Inhalt:
        Redetext
        Anlagen zum Stenografischen Bericht
        Anlage 1
        Anlage 2
        Anlage 3
        Anlage 4
        Anlage 5
        Anlage 6
        Anlage 7