Plenarprotokoll 16/205
Zusatztagesordnungspunkt 2:
Eidesleistung des Bundesministers für Wirt-
schaft und Technologie . . . . . . . . . . . . . . . . .
Präsident Dr. Norbert Lammert . . . . . . . . . . .
Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg,
Bundesminister BMWi . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 3:
a) – Zweite und dritte Beratung des von der
Bundesregierung eingebrachten Ent-
wurfs eines Zweiten Gesetzes zur Än-
derung des Aufstiegsfortbildungsför-
derungsgesetzes
(Drucksachen 16/10996, 16/11904) . .
(Drucksachen 16/11374, 16/11202,
16/11904) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Annette Schavan, Bundesministerin
BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Patrick Meinhardt (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) . . . . . . . . .
Volker Schneider (Saarbrücken)
(DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Michael Kretschmer (CDU/CSU) . . . . . . . . .
Cornelia Pieper (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Volker Schneider (Saarbrücken)
(DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
22088 D
22088 D
22089 A
22089 B
22089 C
22090 A
22091 B
22092 B
22094 B
22096 A
22098 A
22099 A
22100 B
Deutscher B
Stenografisc
205. Si
Berlin, Donnerstag, d
I n h a
Glückwünsche zum Geburtstag der Abgeord-
neten Ortwin Runde, Karin Roth (Esslin-
gen) und Dr. Michael Fuchs . . . . . . . . . . . . .
Wahl der Abgeordneten Ute Berg in den Bei-
rat der Bundesnetzagentur für Elektrizität,
Gas, Telekommunikation, Post und Eisen-
bahnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Entsendung der Abgeordneten Maria Michalk
als stellvertretendes Mitglied im Stiftungsrat
der Stiftung zur Aufarbeitung der SED-
Diktatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Erweiterung und Abwicklung der Tagesord-
nung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Nachträgliche Ausschussüberweisung . . . . . .
22087 A
22087 B
22087 B
22087 B
22088 C
– Bericht des Haushaltsausschusses ge-
mäß § 96 der Geschäftsordnung
(Drucksache 16/11905) . . . . . . . . . . . . 22089 C
undestag
her Bericht
tzung
en 12. Februar 2009
l t :
b) Beschlussempfehlung und Bericht des
Ausschusses für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
– zu dem Antrag der Abgeordneten Volker
Schneider (Saarbrücken), Dr. Lothar
Bisky, Cornelia Hirsch, weiterer Abge-
ordneter und der Fraktion DIE LINKE:
Verlässliche Bildungsförderung für
Erwachsene noch in dieser Legisla-
tur auf den Weg bringen
– zu dem Antrag der Abgeordneten Priska
Hinz (Herborn), Kai Gehring, Krista
Sager, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN: Förderung des lebenslangen
Lernens unverzüglich entscheidend
voranbringen
Cornelia Pieper (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dieter Grasedieck (SPD) . . . . . . . . . . . . . . .
.
.
22100 D
22101 A
II Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009
Uwe Schummer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . .
Jörg Tauss (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 4:
Antrag der Abgeordneten Daniel Bahr (Müns-
ter), Heinz Lanfermann, Dr. Konrad Schily,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der
FDP: Für ein einfaches, transparentes und
leistungsgerechtes Gesundheitswesen
(Drucksache 16/11879) . . . . . . . . . . . . . . . . .
Heinz Lanfermann (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . .
Wolfgang Zöller (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . .
Frank Spieth (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . .
Elke Ferner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Erwin Lotter (FDP) . . . . . . . . . . . . . . .
Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Annette Widmann-Mauz (CDU/CSU) . . . . . .
Daniel Bahr (Münster) (FDP) . . . . . . . . . . . . .
Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Hans Georg Faust (CDU/CSU) . . . . . . . .
Daniel Bahr (Münster) (FDP) . . . . . . . . . . . . .
Ulla Schmidt, Bundesministerin
BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Heinz Lanfermann (FDP) . . . . . . . . . . . . .
Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) . . . . . . . . . .
Dr. Rolf Koschorrek (CDU/CSU) . . . . . . . . .
Jens Spahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . .
Daniel Bahr (Münster) (FDP) . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 33:
a) Antrag der Abgeordneten Hans-Michael
Goldmann, Christian Ahrendt, Gisela
Piltz, weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion der FDP: Nationale Küstenwache
schaffen
(Drucksache 16/8543) . . . . . . . . . . . . . . . .
b) Antrag der Abgeordneten Hans-Michael
Goldmann, Dr. Christel Happach-Kasan,
Dr. Edmund Peter Geisen, weiterer Abge-
ordneter und der Fraktion der FDP: Ver-
braucherfreundliche und praxistaugliche
Lebensmittelkennzeichnung durchset-
zen – Verbots- und Bevormundungspo-
litik verhindern
(Drucksache 16/11671) . . . . . . . . . . . . . . .
c) Antrag der Abgeordneten Hans-Kurt Hill,
Dr. Gesine Lötzsch, Dr. Barbara Höll, wei-
22102 A
22103 D
22105 D
22106 A
22107 A
22108 C
22109 C
22111 A
22113 C
22115 D
22117 C
22119 C
22121 C
22121 D
22122 A
22123 D
22126 A
22127 A
22128 C
22129 C
22130 C
22130 C
terer Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE: Anreizregulierung im Strom-
und Gassektor nachbessern – Benach-
teiligung von städtischen Versorgern
verhindern
(Drucksache 16/11878) . . . . . . . . . . . . . .
d) Bericht des Ausschusses für Bildung, For-
schung und Technikfolgenabschätzung ge-
mäß § 56 a der Geschäftsordnung: Tech-
nikfolgenabschätzung (TA)
TA-Projekt: Gendoping
(Drucksache 16/9552) . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 24:
Antrag der Abgeordneten Rainder Steenblock,
Omid Nouripour, Winfried Nachtwei, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN: Die Westeuropäi-
sche Union als überholtes Konstrukt auflö-
sen
(Drucksache 16/11765) . . . . . . . . . . . . . . . . .
Zusatztagesordnungspunkt 3:
a) Antrag der Abgeordneten Jan Korte,
Wolfgang Nešković, Sevim Dağdelen,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion
DIE LINKE: Datenschutz für Beschäf-
tigte stärken
(Drucksache 16/11376) . . . . . . . . . . . . . .
b) Antrag der Abgeordneten Marion Seib,
Alexander Dobrindt, Michael Kretschmer,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der CDU/CSU sowie der Abgeordneten
Jörg Tauss, Willi Brase, Ulla Burchardt,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der SPD: Förderung des wissenschaftli-
chen Nachwuchses ausbauen
(Drucksache 16/11883) . . . . . . . . . . . . . .
c) Antrag der Abgeordneten Uwe Barth,
Cornelia Pieper, Patrick Meinhardt, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion der
FDP: Entwicklungschancen für den wis-
senschaftlichen Nachwuchs schaffen
(Drucksache 16/11880) . . . . . . . . . . . . . .
d) Antrag der Abgeordneten Dr. Heinrich L.
Kolb, Jan Mücke, Jens Ackermann, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion der
FDP: Faires Nachversicherungsangebot
zur Vereinheitlichung des Rentenrechts
in Ost und West
(Drucksache 16/11236) . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 34:
a) Zweite und dritte Beratung des vom Bun-
desrat eingebrachten Entwurfs eines Ge-
setzes zur Änderung des Gesetzes über
22130 D
22130 D
22131 A
22131 A
22131 A
22131 B
22131 B
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009 III
den Bau und den Betrieb von Versuchs-
anlagen zur Erprobung von Techniken
für den spurgeführten Verkehr
(Drucksachen 16/9899, 16/11304) . . . . . .
b) Beschlussempfehlung und Bericht des
Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadt-
entwicklung
– zu dem Antrag der Abgeordneten Peter
Götz, Dirk Fischer (Hamburg), Dr.
Klaus W. Lippold, weiterer Abgeord-
neter und der Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Petra Weis,
Klaas Hübner, Sören Bartol, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der
SPD: Die integrierte Stadtentwick-
lung weiter ausbauen
– zu dem Antrag der Abgeordneten
Patrick Döring, Gisela Piltz, Horst
Friedrich (Bayreuth), weiterer Abge-
ordneter und der Fraktion der FDP: In-
nenstädte stärken – Kooperationen
fördern – Städtebauförderung wei-
terentwickeln
(Drucksachen 16/11414, 16/8076,
16/11875) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
c) Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
schusses für Wirtschaft und Technologie
zu der Verordnung der Bundesregierung:
Einhundertsiebenundfünfzigste Verord-
nung zur Änderung der Einfuhrliste – An-
lage zum Außenwirtschaftsgesetz –
(Drucksachen 16/11614, 16/11718 Nr. 2.1,
16/11779) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
d) Beschlussempfehlung und Bericht des
Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und
Reaktorsicherheit zu der Verordnung der
Bundesregierung: Verordnung zur Ände-
rung der Verordnung zur Begrenzung
der Emissionen flüchtiger organischer
Verbindungen beim Umfüllen und La-
gern von Ottokraftstoffen – 20. BimSchV
(Drucksachen 16/11719, 16/11818 Nr. 2,
16/11897) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
e) – k)
Beschlussempfehlungen des Petitionsaus-
schusses: Sammelübersichten 523, 524,
525, 526, 527, 528 und 529 zu Petitionen
(Drucksachen 16/11766, 16/11767, 16/11768,
16/11769, 16/11770, 16/11771, 16/11772)
Zusatztagesordnungspunkt 4:
Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
schusses für Arbeit und Soziales zu dem An-
trag der Abgeordneten Manuel Sarrazin,
Jürgen Trittin, Rainder Steenblock, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN: Europäische Ar-
22131 D
22132 A
22132 C
22132 D
22133 A
beitszeitrichtlinie – Hohen Arbeitnehmer-
schutz EU-weit sicherstellen
(Drucksachen 16/11758, 16/11894) . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 5:
Unterrichtung durch die Bundesregierung:
Fortschrittsbericht 2008 zur nationalen
Nachhaltigkeitsstrategie
(Drucksache 16/10700) . . . . . . . . . . . . . . . . .
Ernst Kranz (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Michael Kauch (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Andreas Scheuer (CDU/CSU) . . . . . . . . .
Lutz Heilmann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . .
Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Matthias Miersch (SPD) . . . . . . . . . . . . .
Patrick Döring (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Andreas Jung (Konstanz) (CDU/CSU) . . . . .
Ulrich Kelber (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Günter Krings (CDU/CSU) . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 6:
Zweite und dritte Beratung des von der Bun-
desregierung eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur Fortentwicklung des Pfand-
briefrechts
(Drucksachen 16/11130, 16/11195, 16/11886,
16/11929) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Bernd Scheelen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Carl-Ludwig Thiele (FDP) . . . . . . . . . . . . . . .
Leo Dautzenberg (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . .
Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . . .
Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Albert Rupprecht (Weiden) (CDU/CSU) . . . .
Tagesordnungspunkt 7:
a) Erste Beratung des von den Abgeordneten
Kersten Naumann, Wolfgang Nešković,
Karin Binder, weiteren Abgeordneten und
der Fraktion DIE LINKE eingebrachten
Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung
des Grundgesetzes (Artikel 45 c)
(Drucksache 16/10397) . . . . . . . . . . . . . .
b) Erste Beratung des von den Abgeordneten
Kersten Naumann, Wolfgang Nešković,
Karin Binder, weiteren Abgeordneten und
der Fraktion DIE LINKE eingebrachten
22133 C
22133 D
22134 A
22135 C
22136 D
22138 B
22139 D
22141 D
22143 A
22144 A
22145 B
22146 D
22148 C
22148 D
22151 A
22152 C
22153 D
22154 B
22155 B
22156 B
IV Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009
Entwurfs eines Gesetzes über die Be-
handlung von Petitionen und über die
Aufgaben und Befugnisse des Petitions-
ausschusses des Deutschen Bundesta-
ges (Petitionsgesetz – PetG)
(Drucksache 16/10385) . . . . . . . . . . . . . . .
Kersten Naumann (DIE LINKE) . . . . . . . . . .
Günter Baumann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . .
Jens Ackermann (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . .
Klaus Hagemann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . .
Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen)
(CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 8:
a) Antrag der Abgeordneten Bernd Siebert,
Ulrich Adam, Ernst-Reinhard Beck (Reut-
lingen), weiterer Abgeordneter und der
Fraktion der CDU/CSU, der Abgeordne-
ten Rainer Arnold, Dr. Hans-Peter Bartels,
Petra Heß, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion der SPD, der Abgeordneten Elke
Hoff, Birgit Homburger, Dr. Rainer
Stinner, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion der FDP sowie der Abgeordneten
Winfried Nachtwei, Omid Nouripour,
Renate Künast, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN: Betreuung bei posttraumatischen
Belastungsstörungen stärken und wei-
terentwickeln
(Drucksache 16/11882) . . . . . . . . . . . . . . .
b) Beschlussempfehlung und Bericht des
Verteidigungsausschusses zu dem Antrag
der Abgeordneten Bernd Siebert, Ulrich
Adam, Ernst-Reinhard Beck (Reutlin-
gen), weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion der CDU/CSU sowie der Abgeordne-
ten Rainer Arnold, Dr. Hans-Peter Bartels,
Petra Heß, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion der SPD: Betreuung bei post-
traumatischen Belastungsstörungen stär-
ken und weiterentwickeln
(Drucksachen 16/11410, 16/11842) . . . . .
c) Beschlussempfehlung und Bericht des
Verteidigungsausschusses
– zu dem Antrag der Abgeordneten Elke
Hoff, Birgit Homburger, Dr. Rainer
Stinner, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion der FDP: Medizinische Ver-
sorgung der Bundeswehr an die Ein-
satzrealitäten anpassen – Kompe-
tenzzentrum für posttraumatische
Belastungsstörungen einrichten
22156 D
22156 D
22158 A
22159 A
22160 A
22161 C
22162 C
22163 B
22163 C
– zu dem Antrag der Abgeordneten Paul
Schäfer (Köln), Inge Höger, Monika
Knoche, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion DIE LINKE: Adäquate
Behandlungs- und Betreuungskapa-
zitäten für an posttraumatischen Be-
lastungsstörungen erkrankte Ange-
hörige der Bundeswehr
(Drucksachen 16/7176, 16/8383, 16/10024)
Dr. Franz Josef Jung, Bundesminister
BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Elke Hoff (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Jörn Thießen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE) . . . . . . . .
Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Gert Winkelmeier (fraktionslos) . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 9:
a) Erste Beratung des von den Abgeordneten
Jerzy Montag, Volker Beck (Köln), Monika
Lazar, weiteren Abgeordneten und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Änderung des Gesetzes über die
Entschädigung für Strafverfolgungs-
maßnahmen
(Drucksache 16/11434) . . . . . . . . . . . . . .
b) Antrag der Abgeordneten Jörg van Essen,
Mechthild Dyckmans, Jens Ackermann,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der FDP: Angemessene Haftentschädi-
gung für Justizopfer sicherstellen
(Drucksache 16/10614) . . . . . . . . . . . . . .
Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen)
(CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Jörg van Essen (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen)
(CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Matthias Miersch (SPD) . . . . . . . . . . . . .
Wolfgang Nešković (DIE LINKE) . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 10:
Zweite und dritte Beratung des von der Bun-
desregierung eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur Strukturreform des Versor-
gungsausgleichs (VAStrRefG)
(Drucksachen 16/10144, 16/11903) . . . . . . . .
Brigitte Zypries, Bundesministerin
BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
22163 C
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22165 A
22166 A
22167 B
22168 B
22169 A
22170 A
22170 A
22170 B
22171 A
22172 B
22172 C
22173 B
22174 B
22175 A
22175 B
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009 V
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP)
Ute Granold (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . .
Jörn Wunderlich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . .
Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Christine Lambrecht (SPD) . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 11:
Antrag der Abgeordneten Dr. Edmund Peter
Geisen, Hans-Michael Goldmann, Dr. Christel
Happach-Kasan, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion der FDP: Agrardieselbesteue-
rung senken – Wettbewerbsnachteile der
deutschen Landwirtschaft abbauen
(Drucksache 16/11670) . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Edmund Peter Geisen (FDP) . . . . . . . . . .
Norbert Schindler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . .
Dr. Edmund Peter Geisen (FDP) . . . . . . . .
Hans-Michael Goldmann (FDP) . . . . . . . .
Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) . . . . . . .
Ingrid Arndt-Brauer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Edmund Peter Geisen (FDP) . . . . . . . .
Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Peter Bleser (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . .
Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD) . . . . . . .
Dr. Edmund Peter Geisen (FDP) . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 12:
Erste Beratung des vom Bundesrat einge-
brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Be-
grenzung der Haftung von ehrenamtlich
tätigen Vereinsvorständen
(Drucksache 16/10120) . . . . . . . . . . . . . . . . .
Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär
BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Mechthild Dyckmans (FDP) . . . . . . . . . . . . .
Peter Müller, Ministerpräsident (Saarland) . .
Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . .
Dr. Peter Danckert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 13:
Beschlussempfehlung und Bericht des Innen-
ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten
Ulla Jelpke, Wolfgang Nešković, Monika
22176 B
22177 A
22179 A
22180 A
22181 B
22182 A
22182 B
22183 C
22184 A
22185 B
22185 D
22186 C
22187 C
22188 A
22189 A
22189 C
22190 A
22190 D
22191 A
22191 D
22192 C
22193 D
22194 C
Knoche, weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion DIE LINKE: Keine Abschiebungen in
das Kosovo
(Drucksachen 16/9143, 16/11370) . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 14:
Antrag der Abgeordneten Antje Blumenthal,
Hubert Hüppe, Thomas Bareiß, weiterer Ab-
geordneter und der Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Marlene Rupprecht
(Tuchenbach), Renate Gradistanac, Angelika
Graf (Rosenheim), weiterer Abgeordneter und
der Fraktion der SPD: Frauen und Mädchen
mit Behinderungen wirksam vor Gewalt
schützen und Hilfsangebote verbessern
(Drucksache 16/11775) . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 15:
Antrag der Abgeordneten Kerstin Andreae,
Alexander Bonde, Christine Scheel, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN: Kontrollrechte aus
Bundesbeteiligungen strategisch nutzen
(Drucksache 16/11761) . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 16:
Erste Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur
Änderung des Untersuchungshaftrechts
(Drucksache 16/11644) . . . . . . . . . . . . . . . . .
Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär
BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Jörg van Essen (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen)
(CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Alfred Hartenbach (SPD) . . . . . . . . . . . . .
Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen)
(CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Peter Danckert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 17:
Antrag der Abgeordneten Frank Spieth, Klaus
Ernst, Dr. Martina Bunge, weiterer Abgeord-
neter und der Fraktion DIE LINKE: Entschä-
digungsregelung für durch Blutprodukte
mit HCV infizierte Bluter schaffen
(Drucksache 16/11685) . . . . . . . . . . . . . . . . .
Jens Spahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . .
Christian Kleiminger (SPD) . . . . . . . . . . . . .
Dr. Konrad Schily (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . .
22195 B
22195 C
22195 D
22196 A
22196 B
22197 B
22198 A
22199 B
22199 D
22200 B
22201 A
22202 C
22202 D
22203 C
22204 A
VI Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009
Frank Spieth (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Rolf Schwanitz, Parl. Staatssekretär
BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 18:
Zweite und dritte Beratung des vom Bundes-
rat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Änderung der Bundesnotarordnung
(Neuregelung des Zugangs zum Anwalts-
notariat)
(Drucksachen 16/4972, 16/11906) . . . . . . . . .
Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU) . . . . . .
Christoph Strässer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . .
Mechthild Dyckmans (FDP) . . . . . . . . . . . . . .
Wolfgang Nešković (DIE LINKE) . . . . . . . . . .
Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär
BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 19:
Antrag der Abgeordneten Hans-Josef Fell,
Sylvia Kotting-Uhl, Bärbel Höhn, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN: Vertragstreue Ab-
schaltung alter Atomkraftwerke in Ost-
europa
(Drucksache 16/11764) . . . . . . . . . . . . . . . . .
Christian Hirte (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . .
Christoph Pries (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Angelika Brunkhorst (FDP) . . . . . . . . . . . . . .
Hans-Kurt Hill (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . .
Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 20:
Erste Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur
Umsetzung der Verbraucherkreditrichtli-
nie, des zivilrechtlichen Teils der Zahlungs-
diensterichtlinie sowie zur Neuordnung der
Vorschriften über das Widerrufs- und
Rückgaberecht
(Drucksache 16/11643) . . . . . . . . . . . . . . . . .
Marco Wanderwitz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . .
Dirk Manzewski (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Mechthild Dyckmans (FDP) . . . . . . . . . . . . . .
22204 B
22205 A
22205 D
22206 B
22206 B
22207 C
22208 D
22209 C
22210 C
22211 A
22212 A
22212 B
22213 A
22214 D
22215 B
22215 D
22216 C
22216 D
22218 B
22219 A
Karin Binder (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . .
Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär
BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 21:
Antrag der Abgeordneten Frank Spieth, Klaus
Ernst, Dr. Martina Bunge, weiterer Abgeord-
neter und der Fraktion DIE LINKE: Kran-
kenhausinfektionen vermeiden – Multiresis-
tente Problemkeime wirksam bekämpfen
(Drucksache 16/11660) . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Hans Georg Faust (CDU/CSU) . . . . . . . .
Dr. Carola Reimann (SPD) . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Konrad Schily (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . .
Frank Spieth (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Rolf Schwanitz, Parl. Staatssekretär
BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 22:
Antrag der Abgeordneten Dr. Harald Terpe,
Birgitt Bender, Elisabeth Scharfenberg, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN: Besitz und Anbau
von Cannabis zum Eigengebrauch entkri-
minalisieren – Glaubwürdige und am Men-
schen orientierte Cannabisprävention um-
setzen
(Drucksache 16/11762) . . . . . . . . . . . . . . . . .
Maria Eichhorn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . .
Dr. Margrit Spielmann (SPD) . . . . . . . . . . . .
Detlef Parr (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Monika Knoche (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . .
Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 23:
Antrag der Abgeordneten Frank Spieth, Klaus
Ernst, Dr. Martina Bunge, weiterer Abgeord-
neter und der Fraktion DIE LINKE: Kürzun-
gen bei künstlicher Befruchtung zurück-
nehmen (Drucksache 16/11663) . . . . . . . . . .
Maria Eichhorn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . .
Hubert Hüppe (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . .
Mechthild Rawert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Konrad Schily (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . .
22220 D
22221 D
22222 C
22223 C
22223 D
22225 A
22225 C
22225 D
22226 D
22227 C
22228 A
22228 B
22229 B
22230 A
22230 C
22231 C
22232 C
22232 D
22233 B
22234 B
22236 B
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009 VII
Frank Spieth (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . .
Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Marion Caspers-Merk, Parl. Staatssekretärin
BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Zusatztagesordnungspunkt 5:
Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
wärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Ab-
geordneten Jürgen Trittin, Kerstin Müller
(Köln), Winfried Nachtwei, weiterer Abge-
ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN: Kontraproduktive US-Ope-
rationen in Pakistan sofort einstellen – Um-
fassende Strategie zur Stabilisierung Pakis-
tans entwickeln
(Drucksachen 16/10333, 16/11251) . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 25:
Antrag der Abgeordneten Ulrike Höfken, Priska
Hinz (Herborn), Jerzy Montag, weiterer Ab-
geordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN: Biopatentrecht verbessern –
Patentierung von Pflanzen, Tieren und bio-
logischen Züchtungsverfahren verhindern
(Drucksache 16/11604) . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Günter Krings (CDU/CSU) . . . . . . . . . . .
Dr. Matthias Miersch (SPD) . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Christel Happach-Kasan (FDP) . . . . . . .
Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) . . . . . . .
Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Anlage 1
Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . .
Anlage 2
Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des
Entwurfs eines Gesetzes zur Begrenzung der
Haftung von ehrenamtlich tätigen Vereinsvor-
ständen (Tagesordnungspunkt 12)
Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Anlage 3
Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung
der Beschlussempfehlung und des Berichts:
22236 B
22237 B
22238 A
22238 D
22239 A
22239 B
22240 B
22241 B
22241 D
22242 C
22243 D
22245 A
22245 C
Keine Abschiebungen in das Kosovo (Tages-
ordnungspunkt 13)
Hans-Werner Kammer (CDU/CSU) . . . . . . . .
Rüdiger Veit (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP) . . . . . . . .
Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . .
Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Anlage 4
Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung
des Antrags: Frauen und Mädchen mit Behin-
derungen wirksam vor Gewalt schützen und
Hilfsangebote verbessern (Tagesordnungs-
punkt 14)
Antje Blumenthal (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . .
Michaela Noll (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . .
Marlene Rupprecht (Tuchenbach) (SPD) . . .
Ina Lenke (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . .
Markus Kurth (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Anlage 5
Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung
des Antrags: Kontrollrechte aus Bundesbetei-
ligungen strategisch nutzen (Tagesordnungs-
punkt 15)
Klaus-Peter Willsch (CDU/CSU) . . . . . . . . . .
Bernhard Brinkmann (Hildesheim) (SPD) . . .
Ulrike Flach (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Roland Claus (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Anlage 6
Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des
Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Un-
tersuchungshaftrechts (Tagesordnungspunkt 16)
Wolfgang Nešković (DIE LINKE) . . . . . . . . .
Anlage 7
Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung
der Beschlussempfehlung und des Berichts:
Kontraproduktive US-Operationen in Pakis-
tan sofort einstellen – Umfassende Strategie
22246 B
22247 C
22248 B
22249 A
22249 C
22250 B
22251 A
22251 D
22253 A
22253 C
22254 D
22255 C
22257 A
22257 D
22258 C
22259 B
22259 D
VIII Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009
zur Stabilisierung Pakistans entwickeln (Zu-
satztagesordnungspunkt 5)
Holger Haibach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . .
Johannes Pflug (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Elke Hoff (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . .
Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
22260 C
22261 D
22262 B
22263 C
22264 C
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009 22087
(A) (C)
(B) (D)
205. Si
Berlin, Donnerstag, d
Beginn: 9
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009 22245
(A) (C)
(B) (D)
Dr. Terpe, Harald BÜNDNIS 90/ 12.02.2009
rung ist unangebracht. Anders als der Entwurf vor-
schlägt, sollen die weiteren Vorstandsmitglieder sichDIE GRÜNEN
Anlage 1
Liste der entschuldigten Abgeordneten
Abgeordnete(r)
entschuldigt bis
einschließlich
Dr. Akgün, Lale SPD 12.02.2009
Andreae, Kerstin BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
12.02.2009
Burkert, Martin SPD 12.02.2009
Ernstberger, Petra SPD 12.02.2009
Gabriel, Sigmar SPD 12.02.2009
Heller, Uda Carmen
Freia
CDU/CSU 12.02.2009
Dr. Högl, Eva SPD 12.02.2009
Hörster, Joachim CDU/CSU 12.02.2009
Homburger, Birgit FDP 12.02.2009
Lafontaine, Oskar DIE LINKE 12.02.2009
Menzner, Dorothée DIE LINKE 12.02.2009
Mücke, Jan FDP 12.02.2009
Nitzsche, Henry fraktionslos 12.02.2009
Parr, Detlef FDP 12.02.2009
Paula, Heinz SPD 12.02.2009
Pflug, Johannes SPD 12.02.2009
Schily, Otto SPD 12.02.2009
Schmidt (Fürth),
Christian
CDU/CSU 12.02.2009
Schultz (Everswinkel),
Reinhard
SPD 12.02.2009
Steinbach, Erika CDU/CSU 12.02.2009
Dr. Strengmann-Kuhn,
Wolfgang
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
12.02.2009
Anlagen zum Stenografischen Bericht
Anlage 2
Zu Protokoll gegebene Rede
zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur
Begrenzung der Haftung von ehrenamtlich täti-
gen Vereinsvorständen (Tagesordnungspunkt 12)
Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN): Es ist richtig und notwendig, alles Vernünftige zu
tun, um die Übernahme von ehrenamtlichen Ehrenämter
zu erleichtern und die Bürger sogar dazu zu ermuntern,
dies zu tun. Wir wollen auch nicht, dass engagierte Per-
sonen durch Haftungsregelungen unzumutbaren Risiken
ausgesetzt und von der Übernahme solcher Ämter in
Vereinen abgehalten werden. Deshalb unterstützen wir
Intentionen, Haftungseinschränkungen vorzunehmen.
Aber doch nicht so, wie der Bundesrat es in seinem Ent-
wurf vorgeschlagen hat. Damit würde das Haftungsri-
siko zulasten der Vereine, der Interessen der Vereinsmit-
glieder und Dritter umverteilt. Die Gegenäußerung der
Bundesregierung enthält zahlreiche zutreffende Erwä-
gungen und Argumente gegen die vom Bundesrat vorge-
schlagene gesetzliche Neuregelung.
Wir lehnen den Entwurf des Bundesrates ab. Maß-
gelblich sind die folgenden Gründe: Große Vereine, auch
gemeinnützige, sind häufig auch große Wirtschaftsunter-
nehmen mit großen Umsätzen und zahlreichen Mitarbei-
tenden. Gerade die Angestellten der Vereine, aber auch
Mitglieder, Spender und Geschäftspartner sollten nicht
schlechtergestellt werden. Im Interesse der Mitarbeiten-
den sollten die gesamten Vereinsvorstände nicht aus der
Verpflichtung entlassen werden, die Tätigkeit und die
Geschäfte der Vereine so zu organisieren und zu kontrol-
lieren, dass etwa die Steuer-, Sozial- und Versicherungs-
angelegenheiten ordnungsgemäß geregelt und abgewi-
ckelt werden, damit ihre berechtigten Interessen keinen
Schaden nehmen können. Die Freistellung eines Teils
der Vorstandes von der Haftung für fahrlässiges Handeln
und Unterlassen könnte sich so auswirken, dass Vor-
standsmitglieder meinen, ihre Verpflichtungen nicht
mehr so ernst nehmen zu müssen wie bisher. Schuldhaf-
ter Pflichtverletzung muss weiterhin vorgebeugt werden
durch die Möglichkeit, für eventuelle Folgen oder Schä-
den haften zu müssen.
Beschäftigte von Vereinen, die sich auf ihre vertrag-
lich vereinbarte Sozialversicherung verlassen, dürfen
nicht gegenüber anderen Beschäftigten benachteiligt
werden, indem ehrenamtlich unentgeltliche Vereinsvor-
stände als Arbeitgeber letztlich folgenlos die Abführung
von Sozialversicherungsbeiträge unterlassen, und dies
zulasten der Versichertengemeinschaft. Das erscheint
uns nicht verantwortbar. Diese Arbeitgeberfunktion
müssen alle Vereinsvorstände gesamtschuldnerisch
wahrnehmen oder innerorganisatorisch sicherstellen,
dass jedenfalls ein Mitglied die Beiträge abführt. Die
strafrechtliche Haftung der anderen ist dann ohnehin auf
Vorsatz begrenzt; eine noch weiter gehende Verringe-
22246 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009
(A) (C)
(B) (D)
diesbezüglich nicht von jeglichen Kontroll- und Über-
wachungspflichten freizeichnen können.
Wenn in Konsequenz dieser Vorschläge nur einzelne
ehrenamtliche Vorstände haftungsbefreit würden, aber
wenigstens ein anderer ehrenamtlicher Vorstand dann al-
lein das volle Haftungsrisiko tragen müsste, würde dies
absehbar die Offenheit verringern, ehrenamtlich be-
stimmte Vorstandsämter zu bekleiden. Hinzu kommt:
Schädigt ein Vereinsvorstand leicht fahrlässig einen
Dritten und bliebe er gleichwohl von dessen Ansprüchen
freigestellt, würde der gesamte Verein mit dem Vereins-
vermögen, das Mitglieder und Spender für gemeinnützige
Zwecke aufgebracht haben, bis zur Insolvenz haften, nicht
aber alle Vereinsvorständler. Diese Folgenlosigkeit von
Pflichtverletzungen durch Vorstandsmitglieder können
wir nicht wollen. Wenn in Konsequenz dieser Vor-
schläge nur einzelne ehrenamtliche Vorstände haftungs-
befreit würden, aber wenigstens ein anderer ehrenamtli-
cher Vorstand dann allein das volle Haftungsrisiko
tragen müsste, würde dies absehbar die Offenheit verrin-
gern.
Sorgen möglicher Vereins- und Stiftungsvorständler
vor Haftungsrisiken aus ihrem Amt und ihrer Stellung
im Verein können und sollen durch eine obligatorische
Versicherung des Vereins gegen derlei Risken entgegen-
gewirkt werden. Auch wäre die vorgeschlagene zivil-,
steuer- und sozialrechtliche Haftungsprivilegierung von
unentgeltlich tätigen Vereinsvorständen etwa gegenüber
ebenso unentgeltlich ehrenamtlich tätigen Stiftungsvor-
ständen, Vormünden, Betreuern und Pfleger erscheint
unangemessen. Hier wäre eine stimmige Gesamtlösung
für alle unentgeltlich und ehrenamtlich Tätigen nötig.
Die vorgeschlagene steuerrechtliche Haftungsbegren-
zung von ehrenamtlich unentgeltlich tätigen Vereinsvor-
standsmitgliedern ist nicht vertretbar. Dies könnte dazu
führen, dass sich alle Vorstandsmitglieder bis auf eines
durch vorstandsinterne Abreden von der Erfüllung steu-
erlicher Vereinspflichten zulasten des Steueraufkom-
mens freizeichnen. Sie würden nur mithaften, wenn ih-
nen Kenntnis etwaiger Pflichtverletzungen des haftenden
Vorstandsmitglieds – in Missbrauchsfällen eventuell so-
gar eines mittellosen Strohmanns – nachgewiesen wer-
den könnten. Das jedoch wird kaum je gelingen.
Das Land Nordrhein-Westfalen hat folglich bereits im
Bundesrat beantragt, jedenfalls diese steuerliche Privile-
gierung zu streichen, war damit jedoch unterlegen.
Das richtige Ziel, die Übernahme von Ehrenämtern zu
fördern, muss auf andere, überlegtere Art und Weise
weiter verfolgt werden.
Anlage 3
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung der Beschlussempfehlung und des
Berichts: Keine Abschiebungen in das Kosovo
(Tagesordnungspunkt 13)
Hans-Werner Kammer (CDU/CSU): Zum wieder-
holten Male behandeln wir hier einen Antrag der Frak-
tion Die Linke, der einen totalen Abschiebestopp für
Flüchtlinge fordert. Diesmal handelt es sich um Flücht-
linge aus dem Kosovo. Der Antrag wird von der Linken
mit dem mangelnden Schutz von Minderheiten wie zum
Beispiel den Serben begründet. Nach Erkenntnissen des
Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge ist die Lage
seit der Unabhängigkeitserklärung, abgesehen von
Nordkosovo, weitestgehend stabil. In dem bisher von der
UNMIK kontrolliertem Gebiet sind sehr wohl Fort-
schritte bei der Stabilisierung und Demokratisierung
festzustellen. Seit der Unabhängigkeitserklärung sind
militante bzw. gewaltbereite kosovo-albanische Gruppen
kaum mehr in Erscheinung getreten. Aber auch wenn
nun das Ziel der „Unabhängigkeit“ erreicht ist, können
wir nicht davon ausgehen, dass sich diese vollkommen
zurückziehen oder gar auflösen werden. Die Mehrzahl
der Menschen will aber letztendlich in Frieden leben und
endlich zur Tagesordnung übergehen.
Am 21. Januar dieses Jahres nahm die Kosovo Security
Force, KSF, als volksübergreifende Sicherheitseinheit
ihre Arbeit auf. Sie soll Unruhen zwischen Kosovo-
Albanern und Serben niederschlagen helfen. Dabei
wurde darauf geachtet, dass die Einheit im Gegensatz
zum Vorgänger Kosovo Protection Corps nicht von
UCK-Veteranen dominiert wird, sondern multiethnisch
zusammengesetzt ist. Auch dies ist ein wichtiger Beitrag
zur Stabilisierung in der Region. Es gibt derzeit keinen
triftigen Grund für einen totalen Abschiebestopp. Die
Lage in Nordkosovo ist allerdings noch verhältnismäßig
angespannt. Die serbische Regierung in Belgrad versuchte
bisher mit allen Mitteln, die serbischen Siedlungsgebiete
unter ihre volle Kontrolle zu bringen. Kosovo-serbische
Beamte – Polizisten, Richter, Eisenbahner – verweigerten
dem neuen Staat und der Rechtsstaatlichkeitsmission
EULEX zum Teil ihre Dienste.
Dies betrifft wohlgemerkt hauptsächlich den Nord-
kosovo. Es sicher notwendig, dass in dieser Beziehung
auch entsprechend stärker auf die serbische Regierung
eingewirkt wird. Ein Schritt in die richtige Richtung ist
damit getan worden, dass nunmehr die UNMIK im
Nordkosovo Aufgaben der EULEX übernommen hat,
was zu einer besseren Akzeptanz durch die Serben füh-
ren soll. Hin und wieder sind immer noch gewaltsame
Auseinandersetzungen zwischen Kosovo-Serben und
Kosovo-Albanern zu beobachten. Hier ist jedoch nach
Erkenntnissen des BAMF nicht immer klar, ob diese im-
mer einen ethnischen Hintergrund haben oder ob es sich
um Auseinandersetzungen zwischen kriminellen Verei-
nigungen handelt.
Trotz aller Probleme sollten wir die weiteren Fort-
schritte in der Region abwarten. Ich bin der Meinung,
hier geht es um Ursachenbekämpfung und nicht um den
Kampf gegen die Symptome, sodass ein genereller Ab-
schiebestopp und die damit verbundene Einstellung von
Einzelfallprüfungen überhaupt keinen Sinn machen. Im
Gegenteil: Mit einer Besserstellung der Flüchtlinge aus
dem Kosovo gegenüber anderen Flüchtlingen verlassen
wir den Pfad einer gerechten, aber konsequenten Flücht-
lingspolitik.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009 22247
(A) (C)
(B) (D)
Als Begründung für einen generellen Abschiebestopp
führt die Fraktion Die Linke ferner die schwierige öko-
nomische Lage vor Ort an. Auch dies rechtfertigt keinen
generellen Abschiebestopp. Hier sei auf das EU-Rück-
kehrprojekt verwiesen, welches die Rückkehrer auch in
wirtschaftlichen Belangen unterstützt. So hat die
Arbeitsgruppe Entwicklung und Fachkräfte im Bereich
Migration Rückkehrern, die sich selbstständig machen
wollen, sowohl in Deutschland als auch im Kosovo spe-
zielle Seminare für Existenzgründer angeboten. Auch die
Arbeiterwohlfahrt Nürnberg bietet Qualifizierungsmaß-
nahmen an, um freiwillige Rückkehrer bestmöglich auf
die Anforderungen im Berufsleben vorzubereiten. Gegen
einen generellen Abschiebestopp sprechen auch die ak-
tuellen Fallzahlen: 2008 stammten insgesamt 879 Asyl-
bewerber aus dem Kosovo. 0,5 Prozent der Anträge von
Personen aus dem Kosovo wurden anerkannt. Für 1,9 Pro-
zent der Antragsteller wurde 2008 subsidiärer Schutz ge-
währt, indem ein Abschiebungsverbot für diese Personen
erlassen wurde.
Ich bin dem Bundesinnenministerium und dem Bundes-
amt für Migration und Flüchtlinge in diesem Zusammen-
hang dankbar, dass nunmehr statistisch zwischen Antrag-
stellern aus dem Kosovo und aus Serbien unterschieden
wird. Ich hoffe jedoch, die Kolleginnen und Kollegen
der Linken werfen der Bundesregierung hierbei nicht
auch wieder die Unterstützung von völkerrechtswidrigem
Separatismus vor. Durch die statistische Differenzierung
wird es zukünftig möglich sein, genaue Schlussfolgerungen
aus den Zahlen der Asylbewerber aus Serbien und dem
Kosovo zu ziehen. Addiert man die Fallzahlen aus Serbien
und Kosovo, so ergäbe sich bei 1 536 Asylerstanträgen im
Jahr 2008 ein Rückgang um 460 Anträge, also 23 Pro-
zent, im Vergleich zu 2007. Damit sind Serbien und Ko-
sovo die einzigen unter den Hauptherkunftsstaaten mit
einem deutlichen Rückgang an Asylbewerbern im Jahr
2008. Leider ist bisher noch nicht daraus zu erkennen,
welchen Anteil Flüchtlinge aus dem Kosovo an diesem
signifikanten Rückgang haben. Aber die Zahlen des letzten
Quartals 2008 lassen schon eine Tendenz erkennen. So
war innerhalb des vierten Quartals die Zahl der monatli-
chen Asylanträge aus dem Kosovo ebenfalls rückläufig.
Auch ist bei den Asylbewerbern aus Serbien eine zu-
rückgehende Tendenz zu beobachten.
Das Bundesamt für Migration für Flüchtlinge lässt
zudem bei den bewährten Einzelfallprüfungen auch die
notwendige Sorgfalt walten. So werden zum Beispiel
Rückführungen bei Kranken, deren ausreichende medi-
zinische Versorgung vor Ort nicht sichergestellt werden
kann, schon mal ausgesetzt. Zweifel an der guten Arbeit
des BAMF sind in diesem Zusammenhang unange-
bracht. Auch für die Roma wird ein besonderes Schutz-
bedürfnis vor dem Hintergrund des UNHCR-Papiers
vom Juni 2006 beachtet. So können nur besonders
schwere Straftäter de facto zurückgeführt werden. In den
meisten Fällen hat UNMIK im Rahmen der Einzelfall-
prüfung die Rückführung nicht gestattet.
Ich fasse zusammen: Die CDU/CSU-Fraktion steht für
eine maßgeschneiderte Flüchtlingspolitik. Wozu haben
wir denn sonst die vielen Ausnahmetatbestände, die es
erlauben, gegebenenfalls auf Rückführungen im Einzel-
fall zu verzichten? Mit ihren steten Forderungen nach
generellen Abschiebestopps haben die Linken den Blick
für eine Flüchtlingspolitik, die der jeweiligen Situation
gerecht wird, verloren. Ihre Realitätsferne zeigt erneut,
dass sie noch in einem anderem Staat zu Hause sind.
Alle beteiligten Stellen, UNMIK, die Länder und
auch das BAMF leisten eine gute Arbeit und gehen auf
die berechtigten Interessen der Flüchtlinge ein. Trotz al-
ler Schwierigkeiten zeichnet sich im zehnten Jahr der
UNMIK-Mission eine, wenn auch nur allmähliche, Sta-
bilisierung der Situation ab. Ich hoffe, dass die serbische
Regierung, der ja einige Kolleginnen und Kollegen hier
im Hause auch gerne das Wort reden, nach dem Rückzug
von EULEX aus dem Nordkosovo sich dort auch koope-
rationsbereiter zeigt. Ferner zeigt auch die offensichtlich
zurückgehende Zahl von Anträgen aus dem Kosovo,
dass es keine Veranlassung gibt, bei den Ländern einen
generellen Abschiebestopp zu erwirken. Aus diesen
Gründen lehnen wir von der Union den Antrag der Frak-
tion Die Linke ab. Wir folgen damit der Empfehlung des
Innenausschusses.
Rüdiger Veit (SPD): Vor knapp acht Monaten haben
wir über genau den gleichen Antrag schon einmal bera-
ten. Damals habe ich gesagt, dass wir die Sicherheitslage
im Kosovo nach wie vor kritisch beobachten müssen.
„Sobald sich diese negativ entwickle, seien selbstver-
ständlich weitere Maßnahmen zu ergreifen“, heißt es im
Bericht und in der Beschlussempfehlung des Innenaus-
schusses zum vorliegenden Antrag.
Die auch von mir geteilte Befürchtung, es könne nach
der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo im Februar
2008 erneut zu schweren ethnisch motivierten Unruhen
kommen, hat sich erfreulicherweise nicht bewahrheitet.
Auch wenn die Lage von Minderheiten im Kosovo im-
mer noch nicht stabil ist, so hat sich doch in den vergan-
genen acht Monaten die Situation immer mehr verbes-
sert.
Bereits im Februar 2008 verpflichteten sich das Parla-
ment und die politische Führung des Kosovo auf rechts-
staatliche und demokratische Standards für ihr Land. Sie
sagten zu, dass das Kosovo Heimat aller seiner Bürger
sein werde. Dieses klare Bekenntnis zu Rechtsstaat, De-
mokratie und Multiethnizität findet sich auch in der ko-
sovarischen Verfassung, die am 15. Juni 2008 in Kraft
trat.
Seit Juni 2008 wurde dann auf Initiative des UN-Ge-
neralsekretärs Ban Ki-Moon mit der Umgestaltung und
Anpassung der internationalen zivilen Präsenz im Ko-
sovo begonnen. Der UN-Sicherheitsrat hat dem Plan
zum Aufbau der EU-Polizei- und -Justizmission EULEX
zugestimmt. Am 9. Dezember letzten Jahres hat die zi-
vile Polizeimission der Europäischen Union offiziell mit
ihrer Arbeit auf dem gesamten Territorium des Kosovo
begonnen.
Das Ziel von EULEX ist es, eine multiethnische Poli-
zei, Justiz und Verwaltung im Kosovo aufzubauen und
eine Unterdrückung der serbischen Minderheit zu ver-
hindern. EULEX ist die größte zivile Mission, die im
22248 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009
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Rahmen der Europäischen Sicherheits- und Verteidi-
gungspolitik, ESDP, bisher jemals aufgestellt wurde.
Von den insgesamt 3 000 Mitarbeitern werden 1 900 an-
reisen, die restlichen werden aus der örtlichen Bevölke-
rung angeworben. Momentan zählt die Mission rund
1 300 Mitarbeiter. Der EULEX-Etat für die ersten
16 Monate beträgt 205 Millionen Euro.
Der EU-Einsatz ist zunächst auf 28 Monate befristet.
Diplomaten rechnen aber bereits mit einer Dauer von
fünf bis zehn Jahren. Die EU ist mit beachtlichem Ein-
satz im Kosovo vor allem auch zur Verhinderung von
ethnisch motivierten Konflikten vor Ort und leistet prak-
tische Hilfe beim Aufbau einer multiethnischen Verwal-
tung. Auch wenn es immer noch jede Menge Probleme
gibt, hat sich die Situation doch entschärft. Es ist zu kei-
nen neuen ethnisch motivierten Krawallen mehr gekom-
men. Für die Minderheitengruppe der Aschkali und
Ägypter fordert selbst Amnesty International keinen ge-
nerellen Abschiebestopp mehr.
Schwieriger sieht die Situation generell für Roma aus
und Serben, die aus dem Süden des Kosovo stammen.
Immer noch werden Roma in allen Teilen des Landes
schwerwiegend diskriminiert; die im Süden des Kosovo
lebenden Serben sind dort die Minderheit. Sie leben in
Enklaven und können sich häufig nur in Begleitung von
Polizeischutz durchs Land bewegen.
Auf der anderen Seite werden gegenwärtig aus der
Gruppe der Roma nur schwere Straftäter abgeschoben.
Auch seit das kosovarische Innenministerium die Kom-
petenz für die Rückführungen innehat und nicht mehr
UNMIK, ist die Zahl der Abschiebungen nicht sprung-
haft angestiegen. Im Gegenteil: Jetzt, in den Wintermo-
naten, sind die Abschiebungen in das Kosovo fast einge-
stellt worden. Von Massenabschiebungen kann nicht die
Rede sein. Auch die Zahl der Rückführungen insgesamt
ist im vergangenen Jahr 2008 im Vergleich zu den Zah-
len von 2007 gesunken und nicht etwa angestiegen.
Dies alles lässt darauf schließen, dass in Einzelfällen
mit Augenmaß entschieden und häufig auch auf Rück-
führungen verzichtet wird. Wir werden die Entwicklung
des Kosovo jedoch weiterhin kritisch verfolgen und un-
ser Handeln den jeweils aktuellen Erfordernissen anpas-
sen.
Aus den vorgenannten Gründen kann ich einem gene-
rellen Abschiebestopp heute allerdings genauso wenig
oder eher noch weniger als vor knapp einem Jahr zustim-
men. Ich empfehle daher, den Antrag abzulehnen.
Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP): Auch nach den
Ausschussberatungen ist der Eindruck, den die FDP vom
vorliegenden Antrag hat, unverändert: Die Linke unter-
nimmt einmal mehr einen Anlauf, das deutsche Auslän-
derrecht auszuhebeln. Diesmal soll das Kosovo als Not-
standsgebiet dargestellt werden, in das Deutschland
niemanden abschieben dürfe. Das Auswärtige Amt und
die diesbezügliche Praxis der Bundesregierung rechtfer-
tigen eine solche Pauschalausnahme vom Ausländer-
recht nicht. Die bisherigen Anträge der Linken zum
Thema Ausländerrecht haben deren Weltbild zu deutlich
gemacht: Die ganze Welt ist Notstandsgebiet, und diese
Not nur auf deutschem Boden zu heilen: Am deutschen
Wesen soll die Welt genesen – auf sozialistisch.
Die Linke, so können wir auf ihrer Netzseite lesen,
hält die Unabhängigkeit des Kosovo für „völkerrechts-
widrig“; Denn, so heißt es dort:
Letztendlich ist die Unabhängigkeit des Kosovo das
Ergebnis des Krieges der NATO gegen das dama-
lige Jugoslawien und basiert dementsprechend auf
einer gewaltsam herbeigeführten Grenzverände-
rung. Damit sind die jetzigen Entwicklungen eine
direkte – zeitlich verzögerte – Folge des Krieges.
Dass an einem solchen, gegen den strammen Sozialis-
mus eines Milosevic und seiner Epigonen gegründeten
Staat kein gutes Haar gelassen werden kann, ist in der
Linken-Logik klar. Deshalb muss natürlich nach Sicht
der Linken sofort ein Abschiebestopp für Menschen her,
die zwar kein Aufenthaltsrecht in Deutschland haben,
aber vor „diesem“ Kosovo unbedingt zu schützen sind.
Niemand bestreitet mögliche Probleme in der inneren
Ordnung des neuen Staates. Aber die Linke will diese
Probleme nicht lösen. Sie vergießt Krokodilstränen in
ihrem Antrag, wenn sie moniert, dass die KFOR-Trup-
pen nicht gegen Ausschreitungen gegen Minderheiten
vorgegangen seien. Gleichzeitig hat sie sich selbst laut-
hals gegen den Einsatz der Bundeswehr im Kosovo aus-
gesprochen.
Die Linke will das Kosovo in möglichst schlechtem
Licht erscheinen lassen, sein staatliches Existenzrecht
und seine Legitimität in Abrede stellen, keinen wirksa-
men Beitrag zur Problemlösung vor Ort leisten, schon
gar nicht militärisch, und nutzt das so systematisch un-
terstützte Chaos zur Forderung, dieses nun möglichst
umfassend noch zu einem innenpolitischen Problem der
Bundesrepublik zu machen. Das ist keine Politik; das ist
Propaganda unter dem Deckmantel der Humanität. Es ist
unerträglich, dass die Linke auch den Holocaust heran-
zieht, um ihre Chaosförderungspolitik zu begründen.
Ein genereller Abschiebestopp, wie die Linken for-
dern, ist sachlich nicht angemessen. Gerade vor dem
Hintergrund der Verantwortung für andere Fälle muss
die Notwendigkeit eines Abschiebestopps genau geprüft
werden. Der generelle Abschiebestopp ist ein politisches
Instrument im Falle einer akuten Entwicklung, die ra-
sches Handeln erfordert. Dieses Instrument darf nicht in-
flationär verwendet werden. Die individuelle Prüfung,
ob ein Asylgrund vorliegt, bleibt ja nicht ausgeschlos-
sen. Eine darüber hinausgehende kollektive Ausnahme
von den ausländerrechtlichen Bestimmungen scheint
kaum angemessen.
Die Konflikte im Kosovo sind unzweifelhaft eine
langfristige Entwicklung. Die Probleme im Zusammen-
leben verschiedener Ethnien und verfeindeter Gruppen
können nicht auf dem Boden der Bundesrepublik
Deutschland gelöst werden. Stattdessen müssen wir hel-
fen, dass diese Konflikte im Kosovo beigelegt werden
können. Wir tun das durch EULEX, der Rechtsstaats-
mission der EU. Sie hilft, rechtsstaatliche Strukturen im
Kosovo aufzubauen und nachhaltig zu entwickeln. Wir
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009 22249
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tun das, indem wir dem Bundeswehreinsatz im Kosovo
zugestimmt haben, die hilft, diese Entwicklung militä-
risch abzusichern. Es ist gerade die Linke, die das stän-
dig und systematisch zu torpedieren versucht. Ihr Antrag
ist durchsichtig: Ihre Ideologie ist der Linken wichtiger
als das langfristige Wohl der Menschen.
Der Antrag der Linken ist in seiner mehrfachen Ziel-
setzung, der Destabilisierung des unabhängigen Kosovo,
der Diffamierung der westlichen Anerkennung derselben
und auch bei der Infragestellung wesentlicher Merkmale
des bestehenden deutschen Ausländerrechts, allzu
durchsichtig. Die FDP lehnt ihn ab.
Ulla Jelpke (DIE LINKE): Wir beraten heute ab-
schließend einen Antrag der Fraktion Die Linke, keine
Angehörigen von Minderheiten in das Kosovo abzu-
schieben. Der Bundesinnenminister soll sich dafür ein-
setzen, dass alle Maßnahmen beendet werden, die solche
Abschiebungen zum Ziel haben.
Leider ist die Abschiebemaschinerie in Deutschland
schon angelaufen. Ein Beispiel vom vergangenen
Herbst: Am frühen Dienstagmorgen des 4. November
reißen circa 30 Polizeibeamte die Familie Berisha in
Mannheim aus dem Schlaf. Die Mutter und vier Kinder
werden mit Handschellen gefesselt zum Flughafen Ba-
den-Baden gebracht. Sie können nur mitnehmen, was sie
am Körper tragen. Die Mutter ist schwer herzkrank, drei
der Kinder sind minderjährig und in Deutschland gebo-
ren, nachdem die Mutter vor 17 Jahren hierherkam. Sie
leben nun auf der Straße und erhalten keinerlei Unter-
stützung von den kosovarischen Behörden.
Familien wie diese gibt es viele. Nach Schätzungen
leben circa 100 000 Roma-Flüchtlinge in Europa. Allein
in Deutschland geht es um schätzungsweise 23 000
Menschen, die seit zehn Jahren und länger hier leben.
Die meisten von ihnen werden nur geduldet, weil die Be-
hörden eine Rückkehr in das Kosovo grundsätzlich für
zumutbar halten.
Die Fraktion Die Linke findet es nicht zumutbar,
Menschen in ein Land zu schicken, in dem der Minder-
heitenschutz weiterhin nur auf dem Papier steht. Die
Linke findet es nicht zumutbar, Menschen in Armut und
Rechtlosigkeit abzuschieben. Die Linke findet es nicht
zumutbar, Kinder abzuschieben, die zehn Jahre und län-
ger in Deutschland leben und das Kosovo nur aus Erzäh-
lungen kennen.
Circa ein Drittel der Roma, Aschkali und der soge-
nannten Ägypter aus dem Kosovo haben keine gültigen
Ausweispapiere. Es ist ihnen unmöglich, bei einer Rück-
kehr in das Kosovo ihre Identität nachzuweisen und ih-
ren früheren Besitz zurückzuerlangen. Und selbst wenn
sie ihre Identität nachweisen können, hilft ihnen das oft
nicht weiter. Denn ihnen fehlen die Mittel, um ihr Recht
einzuklagen. Die Justiz im Kosovo ist nicht willens und
oft schlicht nicht in der Lage, Angehörigen von Minder-
heiten zu ihrem Recht zu verhelfen.
Die soziale Situation vor allem der Roma ist insge-
samt erbärmlich. Die meisten leben von weniger als ei-
nem US-Dollar pro Tag, also in purer Armut. Vom sozia-
len Sicherungssystem und vom Gesundheitssystem sind
die Roma ebenfalls ausgeschlossen. Selbst wenn sie re-
gistriert sind, können sie sich die Medikamente nicht
leisten.
Ich fordere Sie daher auf: Stoppen Sie Abschiebungen
in Not und Elend! Sorgen Sie für eine dauerhafte Per-
spektive der Roma-Flüchtlinge in der Bundesrepublik!
Und nicht zuletzt: Leisten Sie einen Beitrag zur dauer-
haften Stabilisierung des Kosovo!
Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN): Die Stabilisierung der kosovarischen Institutio-
nen muss aus unserer Sicht so kurz nach der Unabhän-
gigkeit des Landes das wichtigste Ziel sein. Die
Stabilisierung der kosovarischen Institutionen benötigt
Zeit und die notwendige Hilfestellung durch EULEX.
In diesem Zusammenhang sind Tausende von abge-
schobenen ethnischen Minderheitsangehörigen aus
Deutschland gar nicht hilfreich und schaffen ein großes
Risiko der Destabilisierung. Es gibt nach wie vor im Ko-
sovo keine Aufnahme- und Integrationskapazität für
Minderheiten, Kranke oder für Rückkehrer, die mittellos
sind. Es gibt für Abgeschobene keine Unterstützung im
Kosovo, weder von kosovarischen noch von internatio-
nalen Institutionen. Abgeschobene Flüchtlinge sind völ-
lig auf sich selbst gestellt bzw. auf Unterstützung aus
dem Familenverbund angewiesen. Roma und andere eth-
nische Minderheiten haben häufig keine Unterkunfts-
möglichkeit und finden keine Arbeit etc. Es gibt keine
nachhaltige Verbesserung der medizinischen Versor-
gungslage gerade im Bereich der Traumabehandlung,
worauf auch zahlreiche Experten und die zuständigen
Behörden immer wieder hinweisen. Auch aktuelle Be-
richte, wie der der International Crisis Group, ICG, be-
schreiben die Sicherheitslage nach wie vor als fragil und
insbesondere für ethnische Minderheiten unvorherseh-
bar. Auch kommt es nach wie vor zu interethnischen
Zwischenfällen.
Daher teilen wir das Grundanliegen des vorliegenden
Antrags.
Zu den Forderungen der Fraktion Die Linke im Ein-
zelnen:
Die Forderung nach einem generellen Abschie-
bestopp für Flüchtlinge aus dem Kosovo, die keinen
Aufenthaltstitel haben – also auch für alle ethnischen Al-
baner – ist zwar sehr weitgehend; es sei aber noch ein-
mal daran erinnert, dass die Bundesregierung den Vor-
schlag des Sondergesandten des UN-Generalsekretärs
für den zukünftigen Kosovo Martti Ahtisaari unterstützt
hat. Herr Ahtisaari hat unmissverständlich deutlich ge-
macht hat, dass eine Rückkehr ins Kosovo nur freiwillig
erfolgen sollte. Im Annex zu seinem Bericht an den UN-
Sicherheitsrat vom 26. März 2007, S/2007/168, wird
dies klar. Es ist sehr bedauerlich, dass sich die Bundes-
länder der Umsetzung dieser Empfehlung nicht ver-
pflichtet fühlen. So kommt es trotz eines grundsätzlichen
Rückführungsverbotes für Roma in den Kosovo insbe-
sondere in Nordrhein-Westfalen – übrigens unter einem
FDP-Innenminister – immer wieder zu Rückführungs-
22250 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009
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versuchen dieser Gruppe. Der Abschiebungsschutz für
Roma aus dem Kosovo wird in der Praxis der NRW-
Ausländerbehörden umgangen, indem die Volkszugehö-
rigkeit bei Rückführungsersuchen nicht angegeben wer-
den und die Zuständigen im Kosovo diese nicht prüfen.
Dies widerspricht eklatant der Readmission Policy, die
regelt, dass den kosovarischen Behörden bei jedem Er-
suchen unter anderem auch die ethnische Zugehörigkeit
der Person mitgeteilt werden soll.
Die zweite Forderung im Antrag der Linksfraktion
nach der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für ethni-
sche Minderheiten teilen wir ausdrücklich. Ähnliches
hatte die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen schon mehr-
fach gefordert. Es geht insbesondere um Roma und Ser-
ben und Albaner aus Gebieten im Kosovo, in denen sie
eine Minderheit darstellen, zum Beispiel in der Stadt
Nordmitrovica.
Auch die Forderung nach Beendigung bzw. Einstel-
lung von Widerrufsverfahren gegenüber Flüchtlingen
aus dem Kosovo teilen wir prinzipiell. In der Realität
sind die Widerrufsverfahren für Kosovaren beim Bun-
desamt für Migration und Flüchtlinge allerdings schon
weitgehend abgeschlossen.
Anlage 4
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Antrags: Frauen und Mäd-
chen mit Behinderungen wirksam vor Gewalt
schützen und Hilfsangebote verbessern (Tages-
ordnungspunkt 14)
Antje Blumenthal (CDU/CSU): Weltweit sind circa
650 Millionen Menschen behindert. Für sie haben wir
vor zwei Monaten, am 4. Dezember 2008, im Bundestag
das UN-Übereinkommen über die Rechte von Menschen
mit Behinderungen beschlossen und der Ratifizierung
den Weg geebnet. Das Ziel ist, ihr Recht auf Teilhabe,
auf Bildung und auf Arbeit zu gewährleisten. Für viele
der 650 Millionen Menschen mit Behinderungen welt-
weit sind diese Rechte jedoch nicht selbstverständlich.
Bei uns in Deutschland dagegen sieht die Lage der Men-
schen mit Behinderungen vergleichsweise gut aus. Die
Menschenrechte und damit natürlich auch die Rechte
von Menschen mit Behinderungen sind im Grundgesetz
verankert und in einer Vielzahl von Gesetzen konkretisiert.
Aber wir wissen alle, dass es bei der Umsetzung in
die Praxis allzu oft noch hapert. Deswegen ist auch für
uns das Übereinkommen der Vereinten Nationen ein
beachtlicher Meilenstein in der Behindertenpolitik. Wir
haben damit unsere politische Verpflichtung erneuert,
immer wieder auf die Praxis zu schauen und uns ständig
dafür einzusetzen, dass die Teilhabe, die wir in Gesetze
schreiben, auch gelebt werden kann. Denn ein Gesetz al-
lein ändert leider nichts an der Tatsache, dass Menschen
mit Behinderungen immer noch Opfer von Diskriminie-
rung und Opfer von Gewalt werden, und das weit häufi-
ger als nicht behinderte Menschen. Ihr Risiko, vernach-
lässigt, missbraucht oder geschlagen zu werden, steigt
sogar noch weiter an, wenn die Behinderten Frauen oder
Mädchen sind.
Das Europäische Parlament geht davon aus, dass
nahezu 80 Prozent der Frauen und Mädchen mit Behin-
derungen Opfer von psychischer oder physischer Gewalt
werden. Erste Stichproben zeigten: Mehr als jede zweite
Frau mit Behinderungen hat bereits sexualisierte Gewalt
erleben müssen. Wir haben eine Vermutung, eine dunkle
Ahnung, dass die Täterinnen und Täter aus dem direkten
sozialen Umfeld kommen. Wir können uns vorstellen – und
lesen es immer wieder in der Presse –, dass Menschen
mit Behinderungen vielfach Gewalt von den Menschen
erfahren, die sie pflegen und betreuen.
Bisher wissen wir in Deutschland nicht verlässlich
über das Ausmaß und den Umfang von Gewalt gegen
Frauen und Mädchen mit Behinderungen Bescheid. Die
Datenlage ist dünn. Bisherige Studien fußen nicht auf
repräsentativen und belastbaren Zahlen; meist greifen sie
nur auf Stichproben zurück. Wenn wir die Frauen und
Mädchen mit Behinderungen aber wirksam vor Gewalt
und Übergriffen schützen wollen, brauchen wir genauere
Informationen über Täter und Tatumstände. Wir müssen
wissen, wer wo und wie betroffen ist, damit wir unter-
stützende Strukturen aufbauen können und damit diese
Gewalt verhindert werden kann.
Deshalb fordern wir in unserem Antrag, im Rahmen
einer Studie, die Situation der Frauen und Mädchen mit
Behinderungen genau zu untersuchen. Denn die Frauen
und Mädchen sind es, die wegen ihrer doppelten Aus-
grenzung besonders gefährdet sind. Da die Bundesregie-
rung derzeit eine Studie zu diesem Thema plant, können
wir daran anknüpfen. Die Untersuchung im Rahmen des
Aktionsplans II soll den häuslichen, den beruflichen und
öffentlichen Bereich abdecken und auch ambulante und
stationäre Einrichtungen in den Blick nehmen. Wir wol-
len, dass bei der dreijährigen Studie besonders die Tat-
umstände sowie die Täter- und Gewaltstruktur untersucht
werden. Wir wollen weiter, dass dem Parlament ein Zwi-
schenbericht vorgelegt wird, denn sonst geht wieder zu
viel Zeit ins Land, ehe wir als Parlament gegebenenfalls
dringend erforderliche Maßnahmen einleiten können.
Unser Antrag hat noch ein weiteres Ziel: Gerade
wenn wir wissen, dass Frauen und Mädchen mit Behin-
derungen zu Opfern von Gewalt und Übergriffen werden
können, muss es uns darum gehen, sie nicht ausschließlich
als Opfer zu sehen. Vielmehr muss es uns darum gehen,
Frauen und Mädchen mit Behinderungen bei ihrer Teil-
habe und ihrer Selbstbestimmung zu unterstützen. Gerade
in dem heute diskutierten Kontext geht Teilhabe über die
Bereiche Arbeit, gesundheitliche Versorgung und Bil-
dung hinaus. Sie betrifft den Bereich Partnerschaft und
Sexualität, der in Verbindung mit Menschen mit Behin-
derungen lange Zeit tabuisiert wurde. Aber gerade hier
handelt es sich um Erfahrungen, die ganz wesentlich zur
Persönlichkeitsentwicklung, zur Identitätsfindung und
auch zur Selbstbestimmtheit beitragen können. Und ge-
rade in der sexuellen Selbstbestimmung scheinen Lü-
cken zu klaffen. Sexualaufklärung und Sexualerziehung
müssen daher auch für Menschen mit geistigen Behinde-
rungen selbstverständlich werden. Nur so können sie im
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009 22251
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Rahmen ihrer Möglichkeiten befähigt werden, Über-
griffe als solche zu erkennen und sich zur Wehr setzen.
Das Bewusstsein der Mädchen und Frauen muss dafür
geschärft werden, wo sexuelle Übergriffe beginnen und
welche Folgen sie haben.
Die mit dem Übereinkommen der Vereinten Nationen
verbundenen Erwartungen der Menschen mit Behinde-
rungen sind hoch. Ich wünsche mir deshalb sehr, dass
wir mit diesem Antrag den Handlungsspielraum für
Frauen und Mädchen mit Behinderungen auf ihrem Weg
zu mehr Selbstbestimmtheit und Teilhabe verbessern
können. Ich denke, dass wir damit einen Teil dazu beitra-
gen, die berechtigten Erwartungen, die die Menschen
mit Behinderungen in das UN-Übereinkommen setzen,
zu erfüllen.
Michaela Noll (CDU/CSU): Psychische und physi-
sche Gewalt gegenüber Frauen und Mädchen einschließ-
lich sexueller Gewalt sind Menschenrechtsverletzun-
gen, deren Ausmaß jeder aufgedeckte Fall aufs Neue
bewusst werden lässt. Das Erschrecken darüber ist dann
ganz besonders groß, wenn Mädchen und Frauen mit
Behinderung betroffen sind. Das Thema Frauen und
Mädchen mit Behinderung muss daher verstärkt in den
Fokus der Öffentlichkeit gerückt und darf nicht länger
tabuisiert werden. Gerade diese Frauen und Mädchen
sind einem erhöhten Risiko ausgesetzt, sexueller Gewalt
zu begegnen. Die Dunkelziffer ist hoch. Frauen und
Mädchen mit Seh- oder Hörschäden, mit körperlicher
Beeinträchtigung oder geistiger Behinderung können
Gefahren nicht immer rechtzeitig erkennen. Sie haben
noch weniger Möglichkeiten, sich zu schützen.
Wie können wir nun Gewalt gegen behinderte Frauen
und Mädchen reduzieren? Die bisher allgemein aner-
kannten Strategien der Prävention oder Bewältigung se-
xueller Übergriffe können nicht ohne Weiteres auf die
Situation behinderter Frauen übertragen werden. Vieler-
orts wird Aufklärungs- und Präventionsarbeit geleistet,
aber darüber hinaus wollen wir mit unserem Antrag er-
reichen, dass zielgruppenspezifisches Aufklärungs- und
Informationsmaterial erarbeitet und auch den behinder-
ten Frauen und Mädchen zur Verfügung gestellt wird.
Mit dem Antrag verfolgen wir zudem das Ziel, Hilfsan-
gebote für die Betroffenen zu verbessern. Denn die psy-
chischen und körperlichen Folgen für diese Opfer sind in
vieler Hinsicht identisch mit denen nicht behinderter
Menschen.
Die behinderten Frauen und Mädchen befinden sich
in einem Teufelskreis, denn ihre Signale werden eher als
Folge ihrer Behinderung und nicht als Folge von Gewalt
interpretiert. Wenn es Vertrauenspersonen gelingt, Op-
fern Mut zu machen, sich mitzuteilen und professionelle
Hilfe anzunehmen, kann dies ein erster Schritt sein, Ta-
buisierung aufzubrechen. Deshalb müssen wir Projekte
und Modellversuche fördern, die zum Ziel haben, das
Betreuungs- wie Pflegepersonal und die Ärzteschaft
über Gewaltfolgen und Prävention in Bezug auf betrof-
fene Frauen und Mädchen mit Behinderung fortzubil-
den.
Im Unterschied zu nicht behinderten Menschen befin-
den sich Mädchen mit Behinderung nicht nur im Jugend-
alter, sondern auch als Erwachsene in einer erhöhten so-
zialen Abhängigkeit. Damit vergrößert sich auch die
Gefahr, bis ins hohe Alter Opfer von Gewalt zu werden.
Deshalb fordern wir, bei der Entwicklung von entspre-
chenden Maßnahmen die Altersverteilung der Betroffe-
nen besonders in den Blick zu nehmen und entsprechend
zu berücksichtigen.
Eine der wirksamsten Präventionsmöglichkeiten vor
Gewalt ist es, die Betroffenen selbst im Vorfeld zu stär-
ken, damit sie Übergriffen entgegentreten können. Häu-
fig werden sexuelle Übergriffe aus dem ganz nahen Um-
feld der betroffenen Frauen verübt. Die Täter sind meist
in dem Personenkreis zu finden, auf den die behinderten
Frauen täglich angewiesen sind. Je größer das Abhän-
gigkeitsverhältnis, desto höher ist das Risiko sexueller
Gewalterfahrung. Um uns ein genaueres Bild vom Aus-
maß und Umfang von Gewalt gegen Frauen und Mäd-
chen mit Behinderung unter Berücksichtigung der Ge-
walt- und Täterstruktur zu verschaffen, wollen wir, dass
die dazu geplante Studie schnellstmöglich in Auftrag ge-
geben und dem Parlament ein Zwischenbericht vorgelegt
wird.
Weiterhin brauchen wir barrierefreie Beratungsange-
bote. Kaum einer Frau, die Opfer sexueller Gewalt
wurde, gelingt es ohne Hilfe von außen, sich aus dieser
Situation zu befreien und die Folgen zu bewältigen. Be-
hinderte Frauen mit Assistenzbedarf haben noch größere
Probleme zu bewältigen und benötigen deshalb auch
weitgehende und umfassende Beratung und Unterstüt-
zung. Behindertenberatungsstellen sind eher selten in
der Lage, frauenspezifisch zu sexueller Gewalt zu bera-
ten, Frauenberatungsstellen sind hingegen nicht immer
barrierefrei. Deswegen werden wir uns dafür einsetzen,
dass das Hilfesystem verstärkt den Bedürfnissen von
Frauen und Mädchen mit Behinderung gerecht wird und
spezielle Unterstützungsangebote entwickelt und bereit-
gestellt werden.
Die Flucht ins Frauenhaus ist oftmals auch für die be-
hinderten Frauen der letzte Ausweg. Barrierefreie Frau-
enhäuser gibt es in der Bundesrepublik nur wenige. Aus
diesem Grund setzen wir uns dafür ein, dass ein ausrei-
chendes Angebot an barrierefreien Frauenberatungsstel-
len und Frauenhäusern für Frauen mit Behinderung, die
von Gewalt betroffen sind, zur Verfügung gestellt wird.
Neben Prävention und Förderung der Selbstbestimmt-
heit brauchen wir eine umfassende Hilfestruktur. Nur so
kann es uns gelingen, Mädchen und Frauen mit Behinde-
rung wirksam vor Gewalt zu schützen.
Marlene Rupprecht (Tuchenbach) (SPD): Gewalt-
freiheit ist einer der zentralsten Grundwerte unserer Ge-
sellschaft. Die Ausübung von Gewalt verletzt Menschen
in ihren gesetzlich verbürgten Grundrechten und be-
schränkt sie in ihrer Entfaltung und Lebensgestaltung.
Studien zeigen, dass Frauen quer durch alle Alters-
gruppen, soziale Schichten und ethnische Zugehörigkei-
ten in einem hohen Ausmaß von Gewalt betroffen sind.
22252 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009
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Mit dem ersten Aktionsplan zur Bekämpfung der Gewalt
gegen Frauen 1999 wurde in Deutschland ein Gesamt-
konzept entwickelt, dessen Erfolge sich sehen lassen
können, sei es das Gewaltschutzgesetz, Projekte gegen
häusliche Gewalt oder das Gesetz zur gewaltfreien Er-
ziehung.
Eine Gruppe, die aber noch nicht genügend Beach-
tung bekommen hat, ist die der behinderten Frauen und
Mädchen. Die Datenlage ist schwierig. Es gibt noch
keine repräsentativen Daten oder wissenschaftlichen Un-
tersuchungen zum Thema Gewalt gegen behinderte
Frauen und Mädchen. Doch man geht davon aus, dass
80 Prozent der Frauen mit Behinderungen zu Opfern von
physischer oder psychischer Gewalt werden. Sie sind oft
von Mehrfachdiskriminierungen betroffen. Sie sind in
höherem Maße als andere Frauen der Gefahr sexueller
Gewalt ausgesetzt. Und Gewalt kommt bei behinderten
Frauen nicht nur häufig vor, sondern ist oft selbst die Ur-
sache für die Behinderung. Die Täter und manchmal
auch Täterinnen kommen meistens aus dem sozialen
Umfeld der behinderten Frauen und Mädchen. Die
Übergriffe finden im häuslichen Bereich und in Ein-
richtungen statt oder auf Fahrten zu Schule oder Werk-
statt. Dabei wird die vorhandene Abhängigkeitssitua-
tion ausgenutzt.
Geistig behinderte Frauen und Mädchen sind oft un-
genügend sexuell aufgeklärt und wissen über sexuelle
Gewalt nicht Bescheid. Wenn es zu Übergriffen kommt,
können sie sich oft nicht verständlich mitteilen oder das
Betreuungspersonal kann die Mitteilung nicht richtig
einschätzen. Dies stellt die Bekämpfung dieser Gewalt
vor vielschichtige Probleme, und man muss hier ganz
anders ansetzen als bei Fällen von Gewalt gegen nicht
behinderte Frauen und Mädchen.
Die Stärkung der Rechte von Frauen und Mädchen
mit Behinderungen wird auf nationaler und internationa-
ler Ebene verfolgt. Neben der auf internationaler Ebene
im Jahr 2008 in Kraft getretenen UN-Behindertenrechts-
konvention sind die EU-Ebene, die Europaratsebene so-
wie die nationale Ebene zu nennen.
Um in Deutschland die Umsetzung der UN-Behinder-
tenrechtskonvention voranzutreiben, haben wir diesen
Antrag auf den Weg gebracht. Wir sind der Auffassung,
dass die Benachteiligung und Mehrfachdiskriminierun-
gen von geistig und körperlich beeinträchtigten Frauen
und Mädchen viel stärker als bislang in das Licht der Öf-
fentlichkeit gerückt werden müssen. Die UN-Konven-
tion über die Rechte von Menschen mit Behinderungen
hat das Ziel, die Chancengleichheit der Menschen mit
Behinderungen zu gewährleisten, ihre Grundrechte zu
garantieren und ihnen umfassende Teilhabe in der Ge-
sellschaft zu fördern.
In Art. 6 der UN-Konvention über die Rechte der
Menschen mit Behinderungen heißt es:
(1) Die Vertragsstaaten erkennen an, dass behin-
derte Frauen und Mädchen mehrfacher Diskrimi-
nierung ausgesetzt sind, und ergreifen in dieser
Hinsicht Maßnahmen, um sicherzustellen, dass sie
alle Menschenrechte und Grundfreiheiten uneinge-
schränkt und gleichberechtigt genießen können.
(2) Die Vertragsstaaten treffen alle geeigneten Maß-
nahmen zur Sicherung der vollen Entfaltung, der
Förderung und der Stärkung der Autonomie der
Frauen, damit gewährleistet wird, dass sie die in
diesem Übereinkommen genannten Menschen-
rechte und Grundfreiheiten ausüben und genießen
können.
Deutschland hat die Konvention ratifiziert und ver-
pflichtet sich damit zur Umsetzung. Frauen mit Behinde-
rung nehmen so im zweiten Aktionsplan der Bundesre-
gierung zur Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen
erstmals größeren Raum ein.
Im Rahmen dieses zweiten Aktionsplans hat die Bun-
desregierung eine Untersuchung zu Ausmaß und Um-
fang der Gewalt gegen Frauen mit Behinderungen ange-
kündigt. Die Studie soll über drei Jahre hinweg den
häuslichen, beruflichen und öffentlichen Bereich sowie
die ambulanten und stationären Einrichtungen und
Dienste der Eingliederungshilfe untersuchen. Diese Un-
tersuchung wird dringend gebraucht. Denn es wird deut-
lich, dass sich Erkenntnisse aus dem Bereich häuslicher
Gewalt gegen nicht behinderte Frauen nicht einfach
übertragen lassen. Eine Verbesserung der Datenlage ist
dringend notwendig. Auch an zielgruppenspezifischem
Aufklärungsmaterial mangelt es.
Gewalt gegen behinderte Frauen ist nicht altersspezi-
fisch. Sie kann sich bis ins hohe Alter fortsetzen oder gar
erst im höheren Lebensalter beginnen. Die Untersu-
chung wird auch hier nützlich sein, denn bei der Ent-
wicklung von Maßnahmen gegen Gewalt muss die Al-
tersverteilung der Betroffenen natürlich erkannt und
berücksichtigt werden.
Das Schlüsselwort bei der Bekämpfung von Gewalt
heißt Prävention. Unser Ziel ist es, die Betroffenen im
Vorfeld zu stärken. Mit dem entsprechenden Selbstbe-
wusstsein können behinderte Frauen und Mädchen
Grenzüberschreitungen und Übergriffen rechtzeitig ent-
gegentreten.
Bei der Präventionsarbeit sehr wichtig ist ein behin-
dertengerechter Zugang zu Frauenberatungsstellen und
Frauenhäusern. Alle Barrieren, die das Aufsuchen von
Gewaltberatungsstellen erschweren, müssen aus dem
Weg geräumt werden. Damit ist nicht nur der uneinge-
schränkte, hindernisfreie Zugang zu Beratungsstellen
gemeint, sondern auch die Überwindung von sprachli-
chen Missverständnissen, die im Rahmen der Beratung
entstehen können. Ich denke hierbei an spezielle Beglei-
terinnen und Begleiter und Ärztinnen und Ärzte, die in
der Lage sind, die Kommunikation zwischen geistig be-
hinderten Menschen und dem Beratungspersonal zu ver-
mitteln.
Die Fortbildung des Betreuungspersonals ist von ent-
scheidender Bedeutung. Wir fordern die Bundesregie-
rung daher auf, Projekte und Modellversuche zu fördern,
die die Fortbildung des Betreuungs- und Pflegepersonals
und der Ärzteschaft, die im Bereich Gewalt gegen behin-
derte Frauen und Mädchen arbeiten, zum Ziel haben.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009 22253
(A) (C)
(B) (D)
Wir wollen weiterhin, dass die Öffentlichkeit mithilfe
von Projekten und Kampagnen noch intensiver mit dem
Thema Gewalt gegen Frauen und Mädchen mit Behinde-
rungen vertraut gemacht und dafür sensibilisiert wird.
Wir wollen Menschen ermutigen, sich nicht mit Ge-
walt abzufinden, sondern ihr aktiv entgegenzutreten.
Und wir wollen Frauen, behinderte und nicht behinderte,
darin stärken, ihre Rechte wahrzunehmen und ein Leben
ohne Gewalt und Angst zu führen.
Ina Lenke (FDP): Mit dem vorliegenden Antrag set-
zen Union und SPD ihre unentschlossene Politik für
Menschen mit Behinderung fort. So wird zum Beispiel
Art. 6 der UN-Konvention über die Rechte behinderter
Menschen zwar wörtlich zitiert, verschwiegen wird al-
lerdings, dass die Bundesregierung über kein Konzept
zur Umsetzung der Konvention verfügt. Das haben die
Beratungen im Deutschen Bundestag im vergangenen
Dezember gezeigt. Die Konvention, die von der FDP
ausdrücklich begrüßt und mitgetragen wird, wurde im
Hauruckverfahren und ohne eine angemessene parla-
mentarische Beratung durch Bundesrat und Bundestag
gepeitscht. Wie die Konvention mit Leben gefüllt wer-
den soll, kann die Bundesregierung bis heute nicht erklä-
ren.
Auch die im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und
SPD versprochene Weiterentwicklung der Eingliede-
rungshilfe wurde Jahr um Jahr verschoben und ist jetzt
endgültig von der Tagesordnung dieser Bundesregierung
gestrichen worden. Frühestens im November 2009, nach
der Wahl, wird wieder über Behindertenpolitik gespro-
chen werden.
Sie beschreiben in Ihrem Antrag, dass in den Ver-
tragsstaaten behinderte Frauen und Mädchen mehrfacher
Diskriminierung ausgesetzt sind, und geben die Auffor-
derung nach Art. 6 der Konvention wieder: „dass die
Vertragsstaaten alle geeigneten Maßnahmen zur Siche-
rung der vollen Entfaltung, Förderung und der Stärkung
der Autonomie der Frauen und Mädchen treffen, damit
gewährleistet wird, dass sie die in dem Übereinkommen
genannten Menschenrechte und Grundfreiheiten aus-
üben und genießen können.“ Sie fordern also ihre eigene
Bundesregierung auf, dass das Thema Frauen und Mäd-
chen mit Behinderungen verstärkt in den Fokus der Öf-
fentlichkeit gerückt werden müsse. Sie beschreiben rich-
tigerweise die Probleme durch erhöhte Gefahr, Opfer
von Gewalt zu werden. Da ist es sicher auch von beson-
derer Bedeutung, dass sich Frauen und Mädchen mit
geistiger Behinderung bei Übergriffen nicht immer ge-
genüber Dritten entsprechend äußern können.
Es verwundert nicht, dass der vorliegende Antrag
zwar viele Probleme benennt, aber kaum Konkretes zur
Verbesserung der Situation behinderter Frauen und Mäd-
chen beinhaltet. Sie fordern als CDU/CSU-Fraktion und
SPD-Fraktion, eine geplante Studie schnellstmöglich in
Auftrag zu geben, bei der Entwicklung von entsprechen-
den Maßnahmen die Altersverteilung in den Blick zu
nehmen und zu berücksichtigen, Aufklärungsmaterial zu
erarbeiten, öffentliche Kampagnen aufzulegen, zu prü-
fen, sich einzusetzen …
Also außer Studien und Prüfaufträgen beinhalten die
Forderungen wenig Substanzielles.
Was soll dieser Antrag erst jetzt zum Ende der Legis-
laturperiode? Wenn, dann würden konkrete, in diesem
Jahr noch von der Bundesregierung umsetzbare Vor-
schläge der beiden Regierungsfraktionen für Frauen und
Mädchen mit Behinderungen von Nutzen sein. Ange-
sichts der mehr als zögerlichen Behindertenpolitik der
Koalition ist deshalb leider nicht damit zu rechnen, dass
diesem Antrag voller Willensbekundungen auch Taten
folgen werden.
Wir werden den Antrag im Familienausschuss beraten
und zu konkreteren Vorschlägen kommen. Wir sind uns
sicher einig, dass sich nicht die Behinderten der Lebens-
welt von Nichtbehinderten anpassen müssen, sondern
die Lebenswelt so gestaltet werden sollte, dass alle
gleichberechtigt teilhaben können.
Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE): Dass Frauen mit Be-
hinderungen nachweisbar in vielen Lebensbereichen ei-
ner Mehrfachdiskriminierung ausgesetzt sind, wissen
Sie spätestens seit dem im November 2005 vom Famili-
enministerium vorgelegten Gender-Datenreport. Mehr
als drei Jahre später legen Sie nun diesen Antrag vor.
Gut finde ich beim Koalitionsantrag, dass der Art. 6
– „Frauen mit Behinderungen“ – der inzwischen auch in
der Bundesrepublik Deutschland ratifizierten UN-Behin-
dertenrechtskonvention genannt und zitiert wird. Ich
finde es aber nicht gut, wenn die Bundesregierung auf
eine Kleine Anfrage auf Drucksache 16/11603 antwor-
tet, dass ihrer Meinung nach „aufgrund des Übereinkom-
mens Änderungen der deutschen Rechtslage nicht erfor-
derlich sind“, und wenn sich Bundeskanzlerin Angela
Merkel bei einem Treffen mit dem Deutschen Behinder-
tenrat, DBR, am 10. Februar 2009 zwar offen für die Er-
stellung eines konkreten Aktionsplanes zur Umsetzung
der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Natio-
nen zeigt, aber gleichzeitig verkündet, dass dieses durch-
aus sinnvolle Vorhaben realistischerweise erst in der
nächsten Legislaturperiode umgesetzt werden könne.
Auch der hier vorliegende Antrag der Koalition so
kurz vor der Wahl spricht für sich bzw. für die „Ernsthaf-
tigkeit“ und das Engagement, mit der die Regierungsko-
alition um wirkliche Veränderungen für Frauen und
Mädchen mit Behinderungen kämpft. So fordert sie un-
ter anderem, „die geplante Studie zum Ausmaß und Um-
fang von Gewalt gegen Frauen und Mädchen mit Behin-
derungen“ schnellstmöglich in Auftrag zu geben und „zu
prüfen, ob die Einführung von Frauenbeauftragten in
Einrichtungen erfolgen sollte“. Das hört sich sehr sinn-
voll an. Wer aber über die Maßnahmen im behinderten-
politischen Bereich informiert ist, reibt sich verwundert
die Augen: Im Haushaltsplan 2007 sind sowohl die Stu-
die als auch das Modellprojekt „Etablierung von Frauen-
beauftragten in Einrichtungen für Menschen mit Behin-
derungen“ als neue Maßnahme des Aktionsplans II der
Bundesregierung zur Bekämpfung von Gewalt gegen
Frauen aufgeführt – als Titel 684 21 zu Kapitel 1702,
klar benannt mit Laufzeit und Ausgaben. In den Haus-
haltsplänen 2008 und 2009 sind dann beide Projekte als
22254 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009
(A) (C)
(B) (D)
Fortsetzungsmaßnahme aufgelistet. Laut Haushaltsplan
2009 läuft die wissenschaftliche Untersuchung zu Ge-
walt gegen behinderte Frauen und Mädchen bereits seit
Oktober 2008. Auf eine Kleine Anfrage unserer Fraktion
listete die Bundesregierung am 8. Juli 2008 – Drucksa-
che 16/9934 – die gleiche Untersuchung plötzlich wie-
der als neue – in der Vorbereitung befindliche – Maß-
nahme auf. Und auf meine Anfrage antwortete erst
gestern Staatssekretär Dr. Hermann Kues, dass das Bun-
desministerium für Familie, Senioren und Jugend
voraussichtlich noch in dieser Woche einen diesbezügli-
chen Werkvertrag mit der Universität Bielefeld abschlie-
ßen wird.
Es erübrigt sich jeder weitere Kommentar dazu. Inte-
ressant zu wissen wäre allerdings, was mit den bisher
veranschlagten Geldern passiert ist. Für das Haushalts-
jahr 2007 waren für die Studie und das Modellprojekt
„Frauenbeauftragte“ jeweils 150 000 Euro veranschlagt,
für 2008 jeweils 250 000 Euro und für 2009 für die Stu-
die 335 000 Euro und für das Modellprojekt 161 000 Euro.
Beim Verein Weibernetz gibt es ja nun seit Dezember
2008 das Projekt „Frauenbeauftragte in Einrichtungen“,
das vom Familienministerium bezahlt wird. Also wozu
dann noch die Aufforderung dazu in diesem Antrag?
Die anderen Forderungen des Antrags sind vernünf-
tig, allerdings fehlt mir die klare Benennung, dass, wie
und wo Gesetze konkret geändert werden sollen. Dazu
verpflichtet bereits die UN-Behindertenrechtskonven-
tion. Es reicht nicht, wenn sich die Bundesregierung bei
den Ländern dafür einsetzt, das Hilfesystem zu verstär-
ken, wie hier im Antrag gefordert. Vielmehr lese ich da-
bei heraus, der Bund müsse sich nicht in der Verantwor-
tung fühlen. Und wir müssen auch über weitere
Ursachen reden: über die hohe Zahl von Frauen und
Mädchen mit Behinderungen, die von Arbeitslosigkeit
und Armut betroffen sind. Und wir müssen etwas dage-
gen tun.
Seit dem 30. Dezember 2003 gilt das neue Strafrecht
mit neuen Regelungen, die auch behinderte und „wider-
standsunfähige“ Frauen betreffen. Dabei sind einige For-
derungen der Frauen- und Behindertenbewegung umge-
setzt worden. Das war angesichts der Tatsache, dass
nahezu 80 Prozent der Frauen und Mädchen mit Behin-
derungen durchaus zu Opfern physischer und psychi-
scher Gewalt werden und im Vergleich zu Frauen ohne
Behinderungen doppelt so häufig Opfer sexueller Ge-
walt sind, ein wichtiger Teilerfolg. Aber es bleibt für
mich unakzeptabel, wenn in § 179 des Strafgesetzbuches
nicht klargestellt wird, dass „behindert“ nicht gleich
„widerstandsunfähig“ ist; denn widerstandsunfähig sind
nur solche Personen, die keinen eigenen Willen entwi-
ckeln können. Dies ist zum Beispiel bei Wachkomapa-
tientinnen der Fall, aber bei weitem nicht bei allen
Frauen mit Behinderung. Unerträglich ist für mich, dass
„leichtere“ Sexualstraftaten bei behinderten Frauen nur
als Vergehen bezeichnet werden, während diese bei nicht
behinderten Frauen – richtigerweise – als Verbrechen ge-
ahndet werden. Hier sieht die Linke dringenden Ände-
rungsbedarf.
Auch fehlt mir im Koalitionsantrag die klare Forde-
rung nach einem flächendeckenden Präventionsnetz zum
Schutz vor Gewalt gegen behinderte Frauen und Mäd-
chen. Ohne dieses Netz ist der strukturellen Gewalt nicht
wirklich zu begegnen. Strukturelle Gewalt liegt auch
vor, wenn das Selbstbestimmungsrecht eingeschränkt ist
oder vermeidbare Beeinträchtigungen gegeben sind.
Hier trägt die Bundesregierung generell mit ihrer Spar-
politik nicht zur Verbesserung der Situation behinderter
Frauen bei – sei es bei der Gesundheitsreform, der Pfle-
gereform oder der Föderalismusreform, die einen weite-
ren Rückfall in Kleinstaaterei erwarten und befürchten
lässt, dass die erkämpften Rechte der Behindertenbewe-
gung im Hinblick auf bundeseinheitliche Standards wei-
ter zerbröckeln. Nötig sind eine tatsächlich barrierefreie
Gesundheitsversorgung, der Rechtsanspruch auf Eltern-
assistenz, tatsächlich erreichbare Angebote der Frühför-
derung usw.
Auch die sogenannte Pflegereform im vergangenen
Jahr war eine verpasste Chance, wirksame Maßnahmen
zum Schutz von Frauen und Mädchen vor Gewalt zu er-
greifen. Die Linke forderte das Recht der Wahl der Pfle-
geperson; denn gerade vor dem Hintergrund der Gefahr
von sexualisierter Gewalt in der Pflege wünschen sich
viele Frauen mit Behinderung eine Frau als Pflegeperson
für die (Intim-)Pflege. Sie haben den diesbezüglichen
Antrag der Linken abgelehnt. Stattdessen steht nun im
§ 2 Satz 3 des SGB XI: Wünsche der Pflegebedürftigen
nach gleichgeschlechtlicher Pflege haben nach Möglich-
keit Berücksichtigung zu finden. – Diese Formulierung
ist viel zu schwammig; denn mit dieser Formulierung ist
es Pflegediensten nach wie vor möglich, einen Mann in
die Pflegesituation zu schicken, wenn der Dienstplan es
so ergibt. Welch eine Zumutung, wenn sich Frauen und
Mädchen mit Behinderungen – darunter viele gewalter-
fahrene Frauen – von Männern bei der Intimpflege hel-
fen lassen müssen!
Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der
Koalition: Hören Sie auf, sich mit solchen Schaufenster-
anträgen in Wahlkampfzeiten zu schmücken, und tun Sie
wirklich etwas zur Verbesserung der Lebenssituation
von Frauen und Mädchen – mit und ohne Behinderun-
gen, und zwar vor der Wahl!
Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Frauen und Mädchen mit Behinderungen sind einer er-
höhten Gefahr ausgesetzt, Opfer von Gewalt zu werden.
Dabei sind sie auch von sexualisierter Gewalt und Aus-
beutung betroffen. Seit Mitte der 90er-Jahre gibt es hier-
über ausführliche empirische Studien. So ergab 1994
eine bundesweite Erhebung über sexualisierte Gewalt in
stationären Einrichtungen, dass in der Hälfte der be-
forschten Einrichtungen Fälle sexualisierter Gewalt ge-
gen Menschen mit sogenannter geistiger Behinderung
bekannt waren. Eine Studie in Wohneinrichtungen der
Berliner Behindertenhilfe aus dem Jahr 1998 zeigt, dass
jede dritte bis vierte Bewohnerin in der Altersgruppe der
12- bis 25-Jährigen von sexualisierter Gewalt betroffen
war.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009 22255
(A) (C)
(B) (D)
Die Gründe für die besondere Gefährdung behinderter
Mädchen und Frauen sind vielfältig. Sexualisierte Gewalt
wird dabei jedoch nicht durch individuelle Verhaltens-
weisen des Opfers provoziert; dies ist bekannt. Gewalt ist
vielmehr im Kontext gesellschaftlicher Einstellungen zu
den Opfergruppen zu sehen. Bündnis 90/Die Grünen
sind der Auffassung, dass alle Frauen und Mädchen mit
Behinderungen den gleichen Anspruch auf Schutz ihrer
körperlichen Unversehrtheit wie Menschen ohne Behin-
derung haben. Dies ist keine Selbstverständlichkeit.
Noch bis zur letzten Reform des Strafgesetzbuches
wirkte sich der sexuelle Missbrauch an sogenannten
widerstandsunfähigen Personen, das heißt an Personen,
die ihren Widerstand nicht äußern können, erheblich
strafmildernd aus. Dies war ein unhaltbarer Zustand. Die
rot-grüne Bundesregierung hat daher im Jahr 2003 dafür
Sorge getragen, dass der Strafrahmen bei sexuellem
Missbrauch widerstandsunfähiger Personen an den
Strafrahmen, der üblicherweise bei sexueller Nötigung
bzw. Vergewaltigung Anwendung findet, weitgehend
angepasst wurde. Nichtsdestotrotz kann es auch heute
noch zu Fallkonstellationen kommen, in denen bei sexu-
ellem Missbrauch sogenannter Widerstandsunfähiger ein
unterschiedlicher Strafrahmen zur Anwendung kommt.
Auch Rot-Grün hat es in der vergangenen Legislatur
nicht vermocht, die Frage der „Widerstandsunfähigkeit“
politisch abschließend zu klären. Diese Entscheidung
wurde den Gerichten überlassen. Der Bundesgerichtshof
hat in mehreren Entscheidungen bekräftigt, dass eine
Widerstandsunfähigkeit voraussetze, dass der oder die
Geschädigte aufgrund ihres Zustands zum Zeitpunkt der
Tat nicht in der Lage sei, sexuelle Übergriffe des Täters
abzuwehren. Dieser Zustand ist beispielsweise bei
Wachkoma oder epileptischen Anfällen anzunehmen.
Allein aus dem Umstand einer sogenannten geistigen
Behinderung sei, so das Gericht, eine Widerstandsunfähig-
keit nicht mehr abzuleiten.
Diese Ausführungen sind nicht zufriedenstellend, zu-
mal wenn man bedenkt, dass der Bundesregierung keine
Erkenntnisse darüber vorliegen, ob und wie häufig auch
heute noch die Justiz bei sexualisierter Gewalt gegenüber
Frauen mit Behinderungen weiterhin auf den strafmil-
dernden § 179 des Strafgesetzbuches – sexueller Miss-
brauch widerstandsunfähiger Personen – zugreift. Ich ver-
weise auf die Antwort auf unsere Große Anfrage auf
Drucksache 16/9283. Um diese Erkenntnisse zu erlangen,
bedarf es nach Auffassung von Bündnis 90/Die Grünen
daher einer rechtstatsächlichen Untersuchung über die
Anwendungspraxis des § 177 Strafgesetzbuch – sexuelle
Nötigung, Vergewaltigung – und des § 179 Strafgesetz-
buch bei sexualisierter Gewalt gegenüber Frauen mit
Behinderungen. Es obliegt der Bundesregierung, heraus-
zufinden, inwiefern auch heute noch der sexuelle Miss-
brauch behinderter Menschen strafmildernd beurteilt
wird.
Fernab der Frage des Strafrahmens ist es insbesondere
Aufgabe der Prävention, sexualisierte Gewalt zu verhin-
dern. So gibt es verschiedenste Faktoren, die behinderte
Frauen und Mädchen besonders verletzlich machen.
Fremdbestimmte Abhängigkeit, Diskriminierung, Stig-
matisierung sowie Uninformiertheit sind da nur einige
Stichpunkte. Das von der rot-grünen Bundesregierung
im Rahmen des § 44 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch
initiierte Projekt „SELBST – Selbstbewusstsein für
behinderte Mädchen und Frauen“ hatte zum Ziel, Selbst-
behauptungs- und Selbstverteidigungskurse für behin-
derte Frauen und Mädchen innerhalb und außerhalb des
Behindertensports zu konzipieren. Das Projekt endete im
September 2006. Aus der Praxis hören wir jedoch, dass
die Übungspläne im Rehabilitationssport nicht zur An-
wendung kommen.
Der nun vorliegende Antrag gibt uns die Möglichkeit,
diese Problematiken in den Ausschüssen zur Sprache zu
bringen und nach Lösungsmöglichkeiten zu suchen.
Anlage 5
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Antrags: Kontrollrechte aus
Bundesbeteiligungen strategisch nutzen (Tages-
ordnungspunkt 15)
Klaus-Peter Willsch (CDU/CSU): In Zeiten wie den
gegenwärtigen, in denen wir als Staat aus Sorge um die
Funktionsfähigkeit des Finanzsektors mit dem Finanz-
marktstabilisierungsgesetz gewaltig in das Marktgesche-
hen eingegriffen haben, mag die Verlockung groß sein,
den Staat in weiteren Bereichen zum Akteur, gar zur
Schlüsselfigur zu machen. Die Grünen bewegen sich in
diesem Fahrwasser, wenn sie ein einheitliches Beteili-
gungsmanagement für den Bund entwickeln wollen. Sie
bemängeln darüber hinaus in ihrem Antrag, dass der
Bund bei seinen Beteiligungen Kontrolldefizite habe und
unter anderem die Aufsichtsratsmitglieder und die Ver-
treter in den Hauptversammlungen ungenügend schule.
Im Rahmen des Haushaltsrechts soll eine effektivere
Kontrolle des Bundestages erreicht werden, welches
nicht durch Geheimhaltungspflichten, zum Beispiel aus
dem Aktiengesetz, unterlaufen werden soll.
Die CDU/CSU-Fraktion lehnt den Antrag aus
verschiedenen Gründen ab. So ist nicht nur die von den
Grünen geforderte Entwicklung von sozialen und ökolo-
gischen Kriterien für eine Unternehmenspolitik des Bun-
des vollkommen sachfremd. Unternehmen sollten nach
betriebswirtschaftlichen Kennziffern, nicht nach tages-
politischen Opportunitäten oder Kategorien von Gut-
menschentum und Political Correctness geführt werden.
Dies ist für mich jedoch nicht der einzige Grund. Die
ständigen Kollisionen von parlamentarischen Auskunfts-
wünschen und betrieblichen Geheimhaltungspflichten
machen deutlich, dass es klug ist, wenn der Staat sich
weitgehend aus dem operativen Geschäft im Markt he-
raushält. Diese beiden rechtlichen Regelkreise sind von
ihrer Regulierungsabsicht her zu unterschiedlich, als dass
sie sich sinnvoll versöhnen ließen: Parlamentarische Kon-
trolle von Regierungshandeln ist auf Transparenz und
Offenheit angelegt, um so eventuelles Fehlverhalten, Inef-
fizienzen mit öffentlicher Kritik begleiten und abstellen
zu können. Im Wirtschaftsrecht steht das Unternehmen
im Vordergrund, Betriebsgeheimnisse und Wettbewerbs-
22256 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009
(A) (C)
(B) (D)
vorteile gegenüber Mitanbietern sind zu schützen, es
müssen strategische Überlegungen zur zukünftigen Aus-
richtung des Unternehmens vertraulich ausgetauscht und
vereinbart werden können. Werden hier Fehler gemacht,
werden sie vom Markt bestraft.
Von Ausnahmen abgesehen – etwa bei herausragenden
nationalen Interessen oder bei Marktversagen – ist der
Staat in einer marktwirtschaftlichen Ordnung Regelsetzer,
Normengeber, Regulierer, Überwacher, kurz: Er gibt den
Rahmen vor und wacht über die Einhaltung der Regeln, er
ist aber eben nicht Akteur im Markt. Beim Fußball gehört
der Schiedsrichter zu keiner der beiden Mannschaften im
sportlichen Wettbewerb, sondern er wacht über die Ein-
haltung der Regeln und greift bei Verstößen ein, damit
die bessere oder glücklichere Mannschaft sich im fairen
Wettstreit durchsetzt. Natürlich sitzt er weder bei der einen
noch bei der anderen Mannschaft bei der Teambespre-
chung dabei, er würde seine Unparteilichkeit damit
nachhaltig verspielen. Deshalb sollten wir uns von allen
staatlichen Firmenbeteiligungen trennen, sofern diese
nicht aus wichtigen nationalen Interessen erforderlich
sind, sobald es das Marktumfeld zulässt.
Neben diesen mehr grundsätzlichen Feststellungen muss
der Antrag der Grünen auch als überflüssig bezeichnet
werden, da die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die
Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
ausführlich über die Wahrnehmung der Aufsichts- und
Kontrollfunktion des Staates als Anteilseigner berichtet
hat. Die darin enthaltenen Informationen zeigen mir,
dass hier keine weitere Regulierung notwendig ist.
Dass Aufsichtsräte auch einmal Fehler begehen oder
gewisse Entwicklungen nicht absehen können, ist nur
natürlich. Weltweit haben nur wenige Wissenschaftler,
Politiker, Manager und Aufsichtsräte die Finanz- und
Wirtschaftskrise vorhergesehen. Die Schulung möchte ich
sehen, welche Aufsichtsräte dazu in die Lage versetzt
hätte, die aufziehende Gefahr in diesen Dimensionen zu
erkennen. Ich habe hier Zutrauen in unser Spitzenpersonal:
Der größte Teil der Mitglieder von Aufsichtsräten wird
seine Aufgabe mit der notwendigen Sachkenntnis und
großem Engagement erfüllen. Dazu gehört auch, dass
sich die Aufsichtsräte bei Antritt ihres Postens in die
Materie einarbeiten und auch während ihrer Zugehörig-
keit selbstständig für eine entsprechende Weiterbildung
sorgen. Sie erfüllen ihre Aufgabe nach bestem Wissen
und Gewissen.
Die Grünen übersehen auch, dass wir eine klare Geset-
zeslage haben: Vorstände deutscher Unternehmen haften
für eine ordnungsgemäße Unternehmensführung. Falls
Sorgfaltspflichtverletzungen vorliegen, können die Kapital-
geber Schadensersatzansprüche geltend machen; die
Staatsanwaltschaft hat gegebenenfalls Straftatbestände
wie den der Untreue zu prüfen. Aufsichtsratsmitglieder
haften für die Sorgfalt eines ordnungsgemäßen Überwa-
chers, ihnen drohen vergleichbare Sanktionen im Falle
von Pflichtverletzungen. Ich bin davon überzeugt, dass
die Krise im Finanzsektor der letzten Monate dazu führt,
dass diejenigen Aufsichtsräte, welche sich bisher der
Verantwortung nicht genug bewusst waren, sich nun we-
sentlich intensiver mit ihrer Aufgabe auseinandersetzen.
Auch treten die Aufsichtsräte durch die Vorgänge in der
derzeitigen Krise mehr in den Blickpunkt der Öffentlich-
keit und unterliegen somit verstärkt einer Kontrolle
durch die Gesellschaft insgesamt.
Ich habe mir im Vorfeld der Debatte einmal die Beset-
zung der Aufsichts- bzw. Verwaltungsräte von Deutscher
Telekom, Deutscher Bahn, Deutscher Post und KfW
angesehen. Nach der Theorie der Grünen sollten wir
zumindest den Vertretern des Bundes in diesen Gremien
Nachhilfe zur Erfüllung der Aufgaben im Aufsichtsrat
geben. Demnach sollten wir also die gesamte Führungs-
spitze des Bundesfinanzministeriums auf die Schulbank
schicken. Meine lieben Kollegen von den Grünen, das
wird doch nicht Ihr Ernst sein. Zudem hat die Bundes-
regierung in ihrer Antwort darauf hingewiesen, dass bei
besonderem Bedarf bereits Fortbildungsveranstaltungen
angeboten werden.
In ihrer Kleinen Anfrage aus dem Dezember führen
die Grünen die Überwachungsskandale bei der Deut-
schen Telekom AG und der Deutschen Bahn AG als Be-
lege für das Versagen des Staates bei der Kontrolle sei-
ner Beteiligungen an. Wie hätte hier der Staat Regeln
entwickeln sollen, die diese Vorgänge verhindert hätten?
Vor wenigen Monaten hätte wohl kaum jemand vermu-
tet, dass solche Vorgänge möglich sind. Oder wie hätten
bundespolitische Vorgaben die berühmte Montagsbu-
chung der KfW an Lehman verhindern sollen? Wie hät-
ten die Aufsichtsräte der Deutschen Bahn die Achsen der
ICEs mit ihrem Röntgenblick selbstständig untersuchen
sollen? Es gibt Vorgänge in Unternehmen, die durch noch
so viele Regeln nicht zu verhindern oder zu beeinflussen
sind.
Bitte bedenken Sie: Der Staat ist kein guter Unterneh-
mer, wofür wir in jüngster Vergangenheit eine Reihe
trauriger Belege vorgefunden haben. Umso weniger
sollte er versuchen, privatwirtschaftlich wirtschaftende
Unternehmen etwa Leitlinien für ein Geschäftsmodell
vorzugeben. In der Sondersituation durch die Finanz-
krise sind in Teilen besondere Schritte eingeleitet worden.
Diese staatliche Einflussnahme sollte jedoch nicht zur
Regel werden, sondern eine Ausnahme bleiben und
strikt auf die zur Zweckerreichung erforderliche Zeit be-
schränkt werden.
Wie andere börsennotierte Unternehmen auch unter-
liegen Unternehmen mit Bundesbeteiligung dem An-
wendungsbereich des Deutschen Corporate Governance
Kodex. Darüber hinaus haben die auf Veranlassung des
Bundes gewählten oder entsandten Mitglieder in Überwa-
chungsorganen sowie die beteiligungsführenden Stellen
des Bundes mit den Hinweisen für die Verwaltung von
Bundesbeteiligungen eigene Grundsätze guter Unterneh-
mensführung.
Die Eingriffs- und Kontrollmöglichkeiten des Bundes
aus den vorgenannten Sachverhalten sind ausreichend, um
die Kontrollrechte in Unternehmen mit Bundesbeteiligun-
gen auszuüben. Daher sei abschließend noch einmal fest-
gestellt: Meine Fraktion lehnt den Antrag von Bündnis 90/
Die Grünen ab.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009 22257
(A) (C)
(B) (D)
Bernhard Brinkmann (Hildesheim) (SPD): Lassen
Sie mich zunächst feststellen, dass der heutige Antrag
von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf einer Ant-
wort der Bundesregierung beruht, die anlässlich einer
Kleinen Anfrage bereits ausführlich behandelt worden
ist. Schon der Ausgangspunkt dieser Anfrage und der
heute gestellte Antrag gehen nach Auffassung der SPD-
Fraktion von unzutreffenden Annahmen und falschen
Tatsachen aus.
Ich möchte das an zwei Beispielen deutlich machen:
Erstens. Die Aussage, es gebe massive Probleme im
Management von Unternehmen mit bedeutenden staatli-
chen Beteiligungen, ist weit hergeholt und trifft nicht zu.
Unternehmerisches Handeln ist nicht per se erfolgreich,
sondern auch mit dem Risiko von Verlusten verbunden.
Wer etwas anderes behauptet und dabei die Deutsche
Post AG, die Deutsche Telekom oder die Deutsche Bahn
AG – aktuell den Überwachungsskandal – als pauschale
Gründe für das Versagen des Staates aufführt, handelt
unverantwortlich und fahrlässig, denn gerade in den ak-
tuellen Fällen erfolgt eine Aufarbeitung und Überprü-
fung auch durch die Aufsichtsräte des Unternehmens.
Zweitens. Der Staat übt wie jeder private Anteilseig-
ner seine Funktionen aus. Er hat bei der Kontrolle seiner
Beteiligungen nicht versagt, sondern er verhält sich nach
Aktien- und Beteiligungsrecht sehr verantwortungsbe-
wusst und korrekt. Auch hier hat der hehre Grundsatz
Gültigkeit: „Wo Menschen tätig sind, passieren auch
Fehler“ – fehlerfrei ist jedenfalls niemand. Die Unter-
nehmen mit Bundesbeteiligungen werden wie Unterneh-
men mit privater Anteilsstruktur geführt, und das ist
auch gut so. Dies ist der richtige Ansatz der seit Jahr-
zehnten bewährten privatwirtschaftlich orientierten Be-
teiligungsführung. Der Bund kann hier auch nur den
Einfluss geltend machen, der ihm aufgrund seiner Betei-
ligung zusteht. Nicht mehr und auch nicht weniger.
Der Bund verfolgt mit seinen Beteiligungen keine
übergeordnete Konzernstrategie, denn der Staat ist nicht
Unternehmer im Wettbewerb auf verschiedenen Märk-
ten. In einer marktwirtschaftlichen Ordnung soll er sich
nach Auffassung meiner Fraktion grundsätzlich nicht an
industriellen oder sonstigen erwerbswirtschaftlichen Un-
ternehmen beteiligen, es sei denn, dieses dient, wie § 65
BHO sagt, zur Erfüllung einer wichtigen Aufgabe des
Bundes. Die aktuellen Ereignisse, die in der internatio-
nalen Finanzkrise begründet sind, bedürfen einer gründ-
lichen Prüfung. Das wird durch die Bundesregierung
auch gewährleistet. Darüber hinaus gilt für den Umgang
mit den aus Bundesbeteilungen entstehenden Kontroll-
rechten seit langem eine Grundlage, die auch über das
Internet einsehbar ist. Hier gibt es viele „Hinweise für
die Verwaltung von Bundesbeteiligungen“.
Auch der populistische Hinweis, die vom Bund ge-
wählten oder entsandten Mitglieder von Überwachungs-
organen seien nicht ausreichend qualifiziert und müssten
darüber hinaus regelmäßig geschult werden, geht völlig
ins Leere. Wie bei jedem privaten Anteilseigner ist es im
Interesse des Bundes, nur entsprechend qualifizierte Per-
sonen in Aufsichtsräte zu berufen oder in Hauptver-
sammlungen zu entsenden. Aus diesem Grund wurden
die bereits seit 1959 bestehenden und auch im Internet
einsehbaren „Berufungsrichtlinien für die Besetzung
von Gremien“ fortentwickelt. Dort sind auch die Krite-
rien – insbesondere fachliche Qualifikation; keine Inte-
ressenskonflikte – und Entscheidungswege dargelegt.
Bei Bundesbeteiligungen sehen diese Regeln auch
vor, dass bei der Besetzung von Aufsichtsräten keine
Personen berücksichtigt werden sollen, die bereits drei
Aufsichtsratsmandate haben – und sind damit enger ge-
fasst als im Deutschen Corporate Governance Kodex.
Die Qualifikation der Aufsichtsräte etc. beruht auf
Ausbildung, erfolgreichem beruflichen Werdegang und
einer entsprechenden Persönlichkeit, nicht auf Schulun-
gen. Man kann „Aufsichtsrat“ meines Erachtens nicht
erlernen, man muss aber bereit sein, sich das „Hand-
werkszeug“ anzueignen. Gleichwohl werden Schulun-
gen mit unterschiedlichen Zielsetzungen angeboten.
Der Bund ist kein Konzern: Angesichts der Band-
breite der Unternehmen, die von Forschungseinrichtun-
gen wie dem Deutschen Primatenzentrum über die Fi-
nanzagentur bis hin zu Minderheitsbeteiligungen in der
Telekommunikation reichen, sind einheitliche uniforme
Strategien weder sinnvoll noch möglich.
Die Unternehmensplanung und -organisation, wie
etwa Investitions- und Standortpolitik, Datenschutz,
technische Kontrolle bei Maschinen und Geräten, ist zu-
dem grundsätzlich Aufgabe des Vorstands bzw. der Ge-
schäftsleitung. Diese Maßnahmen werden – soweit
rechtlich vorgesehen – mit den Überwachungsorganen
und/oder der Anteilseignerversammlung abgestimmt.
Besonderheiten aus der Umsetzung der Konjunkturpa-
kete sind für jedes Unternehmen einzeln durch die zu-
ständigen Unternehmensorgane zu beurteilen.
Eine Änderung des Haushaltsrechts mit Blick auf die
Kontrollfunktion des Parlaments ist nicht erforderlich.
Das operative Geschäft organisationsprivatisierter oder
teilprivatisierter Gesellschaften mit Bundesbeteiligung
fällt nach geltender Verfassungslage in die alleinige Zu-
ständigkeit der Unternehmen selbst. Diese Trennung ist
mit Blick auf klare Zuständigkeiten und Verantwortlich-
keiten wichtig und hat sich bewährt. Soweit Informatio-
nen, die den Zuständigkeitsbereich der Regierung und
zugleich die Rechte der Unternehmen betreffen, erbeten
werden, können diese mit Einverständnis der Betroffe-
nen in Verfahren, die die Vertraulichkeit sichern, auch
dem Parlament oder den zuständigen Ausschüssen zur
Kenntnis gegeben werden. Geheimhaltungspflichten ste-
hen einer parlamentarischen Kontrolle nicht entgegen,
sondern sind ihr notwendiger und fester Bestandteil.
Meine Ausführungen haben deutlich gemacht, dass
der vorliegende Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen nicht zielgerichtet ist und daher abgelehnt wer-
den muss.
Ulrike Flach (FDP): Der vorliegende Antrag greift
ein Problem auf, das auch die FDP-Fraktion erkennt und
ernst nimmt. Wie geht der Bund mit seinen Möglichkei-
ten um, die ihm aus den strategischen Beteiligungen an
Unternehmen erwachsen?
22258 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009
(A) (C)
(B) (D)
In der Analyse können wir durchaus zustimmen. Der
Bund hat bisher offenbar keine Strategie, was er durch
seine Beteiligungen erreichen will, wie er sie nutzt und
entsprechend dem politischen Willen steuert. Bei Bahn,
Post oder Telekom ist das klar zu erkennen. Und ich füge
hinzu: Bei der IKB gab es ebenfalls keine Strategie.
Beim Einstieg in die Bankenlandschaft fehlt mir auch
nach wie vor eine klare Perspektive, welche Rolle sich
der Bund hier vorstellt.
Allerdings gibt es deutliche Akzentverschiebungen
zwischen Ihrem und unserem Lösungsansatz. Ihr Antrag
sagt zwar, es solle keine Rückkehr zu Wirtschaftsdirigis-
mus und Eingriffen ins operative Management geben.
Aber einige Spiegelstriche dahinter fordern Sie die An-
wendung ökologischer und sozialer Kriterien in den bun-
desbeteiligten Unternehmen. Sie meinen, mit ein wenig
Schulung könnten Sie aus Bundesbeamten Manager ma-
chen. Das wird scheitern.
Unser Weg geht in eine andere Richtung: Wenn der
Staat bzw. seine Repräsentanten in den Aufsichtsräten
nicht strategisch ausgerichtet agieren, wenn sie nicht für
ihre Rolle ausgebildet sind und ihre Kontrollrechte nicht
kennen, dann ist nicht ein bisschen Schulung die Lö-
sung, sondern der Rückzug des Staates aus solchen Un-
ternehmen. Der Staat ist nicht der bessere Unternehmer.
Das haben die Landesbanken gezeigt, das hat auch die
KfW gezeigt, und ich fürchte, das wird sich auch bei der
Commerzbank zeigen. Deshalb kann man zwar einzelne
Punkte Ihres Antrags durchaus begrüßen, aber die Lö-
sung liegt nicht in einer Begrenzung der Zahl der Auf-
sichtsratsmandate, sondern in einer Begrenzung des
Staatsanteils.
Ich sage das gerade, weil der Trend momentan in eine
andere Richtung geht. Es wird die große Aufgabe der
nächsten Bundesregierung sein, eine Ausstiegsstrategie
für die staatlichen Unternehmensbeteiligungen zu entwi-
ckeln. Wir sollten uns beispielsweise nicht in den
25 Prozent plus eine Aktie Anteil an der Commerzbank
eine ökologische Nische bauen, sondern der Bund sollte
dort baldmöglichst mit einer gewinnorientierten Strate-
gie wieder aussteigen, sobald die Bank eigenständig ihr
Geschäftsmodell weiterfahren kann.
Größere Staatsanteile an Unternehmen verzerren den
Markt. Wir können das jetzt schon erkennen in einer
Flucht der Anleger hinter einen vermeintlichen staatli-
chen Garantieschirm. Diesen Ausnahmezustand als Dau-
erzustand zu akzeptieren hieße, diejenigen Unterneh-
men, die nicht staatliche Beteiligungen oder Garantien
bekommen, mittelfristig ebenfalls zu Bittstellern zu ma-
chen. Das wäre der Einstieg in den Staatskapitalismus,
den zumindest der überwiegende Teil des Hauses sicher-
lich nicht will.
Ich glaube, viele haben noch gar nicht erkannt, wel-
che massiven Probleme wir uns mit den Staatsanteilen
an Unternehmen ins Haus holen. Diesen Ausstieg zu or-
ganisieren wird eine der historischen Aufgaben der deut-
schen Liberalen sein, denn alle anderen Parteien sind zu
staatsgläubig, um dies entschieden durchzusetzen.
Ihr Antrag bringt zwar einige kleine Verbesserungen;
der Herausforderung eines völlig neuen Verhältnisses
von Staat und Wirtschaft wird er aber nicht gerecht. Des-
halb werden wir uns zu Ihrem Antrag enthalten.
Roland Claus (DIE LINKE): Selbstverständlich ist
der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen von ak-
tueller Bedeutung. Und weil er das ist, will ich mir auch
die Frage verkneifen, warum diese strategische Kontroll-
rechtenutzung nicht in den sieben Jahren bündnisgrüner
Regierungsbeteiligung verwirklicht worden ist. Es ist ja
gut und wichtig, dass der einen oder anderen einstigen
Verfechterin, dem einen oder anderen einstigen Verfech-
ter neoliberaler Wirtschaftsstrategien nun doch endlich
ein Licht aufgeht. Und da soll man dann ja auch nicht
kleinlich sein, sondern an einem Strang ziehen.
Allerdings ist der Begriff „strategisch“ im Antrags-
titel zu vollmundig gewählt. Strategie heißt Summe und
Vielfalt aller Wege zu einem vorbestimmten Ziel. Was
die Grünen-Fraktion hier anbietet, ist ein respektabler
Reparaturbetrieb des bestehenden Gefüges. Ein Weg zu
neuen Zielen der Bundesbeteiligung an übergroßen Un-
ternehmen jedoch ist das nicht.
Es liegt auf der Hand, dass sich dieser Tage eine De-
batte wie die heutige auf die Deutsche Bahn AG fokus-
siert. Es gibt dort einen in seinem Gesamtausmaß immer
noch nicht bekannten Mitarbeiterausspionierungsskan-
dal, und sowohl Vorstandsvorsitzender Hartmut Meh-
dorn als auch der zuständige Minister Wolfgang Tiefen-
see versagen vollständig bei der Aufklärung, bei einem
Konzern, bei dem der Staat, also die öffentliche Hand
Alleingesellschafter ist. Der Skandal macht deutlich, wie
viel da absolut im Argen liegt.
Wenn man nun etwa versucht, sich mittels des Beteili-
gungsberichts 2008 der Bundesregierung ein wenig ins
Bild zu setzen über die Situation des Konzerns Deutsche
Bahn AG, wächst die Undurchsichtigkeit von Seite zu
Seite. Nehmen wir nur die Deutsche Bahn AG als Be-
standteil des Konzerns Deutsche Bahn AG, zu dem au-
ßerdem Unternehmen wie DB Mobility Logistics AG,
Schenker AG, Railion Deutschland AG, DB Netz AG,
DB Regio AG, DB Fernverkehr AG und DB Station&
Service AG gehören. Beim Teilunternehmen Deutsche
Bahn AG stellt die öffentliche Hand mit 2,15 Milliarden
Euro 100 Prozent des Grundkapitals, aber im 25-köpfi-
gen Aufsichtsrat ist sie mit ganzen 5 Personen – also ei-
nem Fünftel – vertreten: einem Mitglied des Bundesta-
ges und vier Staatssekretären; einem aus dem Bundes-
ministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, ei-
nem aus dem Bundesministerium der Finanzen und
zweien aus dem Bundesministerium für Wirtschaft und
Technologie. Was müssen die wissen, was können die
beeinflussen, was dürfen die tun als so kleine Minder-
heit? Im Aufsichtsrat des Konzernbestandteils DB Mobi-
lity Logistics AG ist die öffentliche Hand gar nicht ver-
treten, bei DB Netz mit 3 von 22 Mitgliedern usw.
Mit Recht wird im Antrag die Forderung nach einer
Beteiligungsstrategie aufgestellt. Bleiben wir beim Kon-
zern Deutsche Bahn AG. Die Gewinn- und Verlustrech-
nung des Konzerns weist im Beteiligungsbericht keine
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009 22259
(A) (C)
(B) (D)
Angaben dahin gehend aus, wie sich die Umsatzerlöse
auf die Inlands- und Auslandsgeschäfte verteilen. Es
wird ein Jahresüberschuss 2007 in Höhe von
1,716 Milliarden Euro vermeldet, aber man weiß nicht,
wie er sich zusammensetzt. Und das lässt die Bundesre-
gierung zu. Sie lässt zu, dass es keine Klarheit darüber
gibt, was dieses ganze Getöne der Konzernspitze vom
„Globalen Logistiker“ wirklich gebracht hat und wie
groß der Anteil der öffentlichen Gelder, die aus den Län-
dern an die DB Regio AG für den Regionalverkehr ge-
zahlt werden, am Jahresüberschuss ist. Die Frage ist also
ganz einfach: Hat die Bundesregierung die Strategie,
dass die DB AG vor allem der Daseinsfürsorge in
Deutschland zu dienen hat, oder ist ihre Strategie noch
immer der Börsengang, dem – wie man von Tag zu Tag
deutlicher erkennen kann – alle Dienstleistung im Sinne
der Daseinsfürsorge geopfert werden wird?
Eine höchst undurchsichtige Beteiligungsstrategie
verfolgt die Bundesregierung auch in Bezug auf Ost-
deutschland. Der Beteiligungsbericht 2008 weist insge-
samt für Deutschland und das Ausland 454 Beteiligun-
gen des Bundes mit einem Nennkapital von mindestens
50 000 Euro und mindestens 25 Prozent aus. Von diesen
454 Beteiligungen sind ganze 18 – ich wiederhole: 18,
also ganze 3,9 Prozent – in Ostdeutschland ohne Berlin
angesiedelt. Die bedeutendsten unter diesen 18 sind mit
dem Konzern DB AG verbunden. Übrig bleiben dann
solche Posten wie etwa eine Beteiligung mit 51 129
Euro an der Abwicklung – ja, Abwicklung! – des DFA
Fertigungs- und Anlagenbaus GmbH Chemnitz.
Solche Zahlen sagen über den Stand der deutschen
Einheit mehr aus als alle Reden des Ost-Beauftragten der
Bundesregierung zum Osten zusammen. Man stelle sich
nur für einen winzigen Moment vor, er hätte sich dafür
eingesetzt, dass die High-Tech Gründerfonds GmbH &
Co. KG mit 88,24-prozentiger Bundesbeteiligung, die
239,95 Millionen Euro ausmacht, statt in Bonn in Dres-
den oder Jena angesiedelt wird. So aber begnügen wir uns
freudig damit, dass der Bund über die TLG mit 188 000
Euro – gleich 94 Prozent – am Hotel de Saxe an der Frau-
enkirche GmbH & Co. KG in Dresden beteiligt ist – und
hoffen, dass es wenigstens da keine Skandale gibt.
Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Immer wieder geraten Unternehmen im staatlichen Be-
sitz, mit staatlicher Mehrheit bei den Anteilen oder mit
maßgeblicher staatlicher Beteiligung in die Schlagzeilen.
Der Überwachungsskandal bei der Telekom und die Spit-
zelaffäre bei der Deutschen Bahn, die immer weitere
Kreise zieht, sind aktuelle und besonders negative Bei-
spiele. Die Telekom hat auch durch Rationalisierungsmaß-
nahmen bei den Servicecentern heftigen Protest auf sich
gezogen, die Deutsche Bahn ist mit den Problemen beim
ICE-Einsatz in der Kritik. Die Deutsche Post AG musste
nach den Verlusten auf dem US-Paketmarkt ihre Ge-
winnerwartungen drastisch reduzieren. Managementpro-
bleme bei der KfW und den Landesbanken haben sowohl
die Medien als auch Bund und Länder stark beschäftigt.
An schlechten Beispielen mangelt es wahrhaftig
nicht. Und für die meisten Skandale brauchte es noch
nicht einmal die Finanzkrise. Da drängt sich doch die
Frage auf, ob der Staat bei der Kontrolle seiner Beteili-
gungen versagt. Nun haben wir die Finanz- und Wirt-
schaftskrise, Skandale und Versagen können wir noch
weniger gebrauchen als sonst. Doch beim Bankenret-
tungspaket ist genau das zu befürchten, da der Bund auf
verbindliche Vorgaben für die Geschäftspolitik der Ban-
ken verzichtet und eine aktive Rolle als Anteilseigner
ausschließt.
Die Antwort der Bundesregierung auf unsere Kleine
Anfrage zum Beteiligungsmanagement des Bundes
zeigt: Der Bund verfolgt beim Umgang mit seinen Betei-
ligungen keine Strategie. Die Schulung von Aufsichts-
ratsmitgliedern und Vertretern auf Hauptversammlungen
findet nicht statt. Zwar sprechen die „Hinweise für die
Verwaltung von Bundesbeteiligungen“ des Finanzminis-
teriums davon, dass der Einfluss des Bundes bei Beteili-
gungen an Unternehmen entsprechend sichergestellt
werden muss. Es gibt Aufgabenbeschreibungen für die
Vertreterinnen und Vertreter des Bundes in den Unter-
nehmen. Die Praxis lässt aber deutliche Zweifel am ver-
antwortlichen Umgang mit diesen Kontrollrechten zu.
Vertreter des Bundes in Aufsichtsräten oder Anteilseig-
nerversammlungen von Unternehmen werden nicht be-
sonders auf ihre Aufgabe vorbereitet. Sie sollen sich die
notwendigen Kenntnisse selbst aneignen, heißt es in der
Antwort der Bundesregierung. Die Unternehmenspla-
nung und -organisation sei grundsätzlich Aufgabe des
Vorstandes bzw. der Geschäftsleitung.
Auch wir wollen nicht, dass der Staat dirigistisch in die
Unternehmensführung eingreift. Es geht lediglich um
Kontrollrechte, wie sie jeder private Investor auch ausübt.
Doch die massiven Probleme im Management von Unter-
nehmen mit bedeutenden staatlichen Beteiligungen oder
Mehrheitsbeteiligungen haben die Bundesregierung nicht
zu einer Änderung dieser Haltung bewegt. Sie hat aus den
Fehlern der Vergangenheit nichts gelernt und wird diese
auch bei den weiteren Maßnahmen zur Bewältigung der
Finanzmarktkrise wiederholen. Darum fordern wir die
Bundesregierung noch einmal nachdrücklich auf, ihrer
Verantwortung bei den Bundesbeteiligungen nachzu-
kommen und ihre Kontrollrechte auszuüben. Sonst sind
die nächsten Skandale durch Missmanagement vorpro-
grammiert.
Anlage 6
Zu Protokoll gegebene Rede
zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur
Änderung des Untersuchungshaftrechts (Tages-
ordnungspunkt 16)
Wolfgang Nešković (DIE LINKE): Seit Jahrzehnten
demonstriert der Gesetzgeber an kaum einem anderen
Rechtsgebiet so deutlich fehlendes rechtsstaatliches Inte-
resse wie bei dem Untersuchungshaftrecht. Eine Hand-
voll Normen, gewürzt durch Verwaltungsvorschriften der
Länder aus dem Jahre 1953 waren schon alles, was der
Rechtsstaat aufbot, um der Unschuldsvermutung und den
Freiheitsrechten der Beschuldigten Rechnung zu tragen.
22260 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009
(A) (C)
(B) (D)
Umso höher waren die Erwartungen an den nun einge-
brachten Entwurf. Es hätte sich die Gelegenheit geboten,
zahlreiche sinnvolle Forderungen aus Wissenschaft und
Praxis der letzten Jahrzehnte zu berücksichtigten. Der
Entwurf berücksichtigt jedoch nicht die geforderte Ein-
schränkung und Konkretisierung der Haftgründe, die
Forderung nach der Abschaffung des Haftgrundes der
Wiederholungsgefahr, die Notwendigkeit, den Beschleuni-
gungsgrundsatz zu präzisieren, und auch nicht die ange-
mahnte Festschreibung von zwingenden Höchstgrenzen
der Haftdauer.
Trotz einer längst überfälligen großen Reform des
Untersuchungshaftrechts hinsichtlich dieser und anderer
Forderungen hat sich Frau Zypries nicht einmal in der
Lage gesehen, ein Reförmchen auf die Beine zu stellen.
Das liegt nicht nur am unzureichenden politischen Gestal-
tungswillen der Ministerin, sondern auch daran, dass sie
in der Vergangenheit dafür gesorgt hat, ein Juwel sozial-
demokratischer Rechtspolitik aus der Zuständigkeit des
Bundes den Ländern zu überantworten. Im Rahmen der
Föderalismusreform hat sie das Strafvollzugsgesetz aus
dem Jahre 1976 gegen den heftigen Widerstand der
Fachwelt aus rein opportunistischen Gründen in die
Kompetenz der Länder gegeben. Hierbei hat man im
Untersuchungshaftrecht den vollzugsrechtlichen Teil,
der bisher immer Teil des Gerichtsverfahrens gewesen
war, auch den Ländern übertragen.
Damit hat man sinnwidrig getrennt, was früher einheit-
lich geregelt war und heute nicht mehr einheitlich geregelt
werden kann. Bisher lag gemäß § 119 StPO der gesamte
Vollzug einheitlich in der Hand desselben Richters. Das
betraf nicht nur den Zweck der Untersuchungshaft, sondern
auch den der Ordnung in der Vollzugsanstalt. Da nun der
Bund nicht mehr einheitlich zuständig ist, muss die bishe-
rige Rechtsgrundlage in § 119 StPO geändert werden.
Die neuen Regelungen erfassen nur noch diejenigen An-
ordnungen und Beschränkungen der Rechte, die dem
Zweck der Untersuchungshaft zur Sicherung der Durch-
führung des Strafverfahrens dienen. Die Länder dürfen nun
selbst darüber entscheiden, wie die Regelungen aussehen
sollen, die den Vollzug als solchen betreffen, also alles,
was man für die Wahrung von Sicherheit und Ordnung in
der Vollzugsanstalt regeln muss. Die Trennung hat sich in
der Praxis bisher als völlig untauglich erwiesen. Das zeigen
zum Beispiel die Erfahrungen mit dem niedersächsischen
Justizvollzugsgesetz. Jetzt werden zwei verschiedene
Richter auf der Grundlage von zwei verschiedenen Ge-
setzen Entscheidungen treffen müssen, die durchaus
denselben Gegenstand betreffen können. Denn für die
Durchführung des Verfahrens ist auch die Sicherheit der
Haftanstalt maßgeblich, die wiederum durch Regelungen
zur Durchführung des Verfahrens betroffen sein kann.
Für diesen groben Unfug findet der Gesetzentwurf
eine feine Sprache. Er nennt es eine „gewisse Über-
schneidung der Kompetenzen“. Es bleibt aber ein grober
Unfug. Es ist ein grober Unfug auf dem Rücken der
Beschuldigten, der Richter und der Strafvollzugsanstalten.
Es bleibt zu hoffen, dass sich in Zukunft verstärkt euro-
päische Organisationen dieses Problems annehmen. Denn
nahezu alles, was am vorgelegten Entwurf begrüßenswert
ist, stammt aus deren Initiativen. So enthält der Entwurf
tatsächlich die Umsetzungen von Forderungen nach
erweiterten Informationsrechten für die Beschuldigten,
wie sie der Europäische Ausschusses zur Verhütung von
Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behand-
lung oder Strafe erhob.
Das führt mich zum Fazit: Die Justizministerin zeigt
erneut, dass sie ihr Amt lediglich mit dem Bewusstsein
einer Politikbeamtin verwaltet. Große rechtspolitische
Gestaltungsakte sind von ihr nicht zu erwarten. Für das
Untersuchungshaftrecht heißt das konkret: Wenn auch
die Rechte der Beschuldigten bei Festnahmen und in der
Untersuchungshaft weiterhin unzureichend ausgestaltet
sind, sollen die Beschuldigten nun wenigstens in umfas-
sender Weise über ihre unzureichenden Rechte informiert
werden.
Anlage 7
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung der Beschlussempfehlung und des
Berichts: Kontraproduktive US-Operationen in
Pakistan sofort einstellen – Umfassende Strate-
gie zur Stabilisierung Pakistans entwickeln (Zu-
satztagesordnungspunkt 5)
Holger Haibach (CDU/CSU): In einem trifft der
vorliegende Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
den Kern der Sache: Es ist höchste Zeit, dass die interna-
tionale Gemeinschaft die Situation in Pakistan vertieft in
den Blick nimmt und hilft, Lösungsansätze zu entwi-
ckeln. Das ergibt sich aus der Bedeutung Pakistans an
sich, aber auch aufgrund seiner geografischen Lage.
Pakistan ist mit mehr als 150 Millionen Menschen ein
sehr bevölkerungsreicher Staat. Er ist Atommacht, hat
sich aber nicht oder nur teilweise den entsprechenden in-
ternationalen Kontrollregimen unterworfen. Pakistan be-
findet sich durch vielfältige Interessenkollisionen seit
seiner Gründung in einer ständigen Auseinandersetzung
mit Indien, die bisweilen gewaltsame Züge annimmt.
Und nicht zuletzt ist Pakistan Nachbar Afghanistans und
damit auch deshalb für Deutschland und die internatio-
nale Staatengemeinschaft ein wichtiger Partner. Es ist als
Transitland für Drogen, Rückzugsort für Terroristen,
aber eben auch als wichtiger regionaler Akteur und mili-
tärischer Verbündeter Teil des „Problems“ und Teil der
Lösung des Problems.
Da sich die Lage aber als dermaßen komplex darstellt,
greift der vorliegende Antrag meines Erachtens zu kurz.
Im Wesentlichen auf die Militäroperationen der USA ab-
zustellen, die man kritisieren kann, wird nicht die Lö-
sung des Problems bringen. Interessanterweise enthält
dann der Forderungsteil viele richtige Ansätze, auch
wenn sie im einen oder anderen Fall zumindest sprach-
lich extrem ambitioniert und überdimensioniert daher-
kommen.
Es hängt viel von der Frage ab, wie man die gegen-
wärtige Lage in Pakistan einschätzt. Es ist jedenfalls
richtig – das wird im Antrag auch betont –, dass das Mi-
litärregime von General Pervez Musharraf durch eine in
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009 22261
(A) (C)
(B) (D)
Wahlen legitimierte Regierung ersetzt wurde. Ob man
allerdings der leicht romantisierenden Vorstellung an-
hängen sollte, damit sei sozusagen der Siegeszug der
Demokratie in Pakistan eingeläutet, wage ich dann doch
zu bezweifeln. Zu sehr werden auch demokratische
Wahlen in diesem wie in vielen anderen Ländern entlang
der Linien von ethnischer Verbundenheit und nicht im
Wettbewerb von Ideen entschieden, zu instabil ist die
Lage, zu wenig ausgebildet ist dabei noch das rechts-
staatliche System, das unbedingte Voraussetzung für
eine funktionierende Demokratie ist.
Allerdings ist es richtig, dass den Vereinigten Staaten
als langjährigem wichtigen Partner bei der Stabilisierung
und weiteren Entwicklung Pakistans eine entscheidende
Rolle zukommt. Ich will nicht in die aufgekommene
Mode verfallen, die neue amerikanische Administration
als omnipräsenten und omnipotenten Heilsbringer zu se-
hen, aber es bleibt jedenfalls zu hoffen, dass es eine grö-
ßere Bereitschaft gibt als bisher, die eigene Politik auch
in diesem Fall mit der der anderen Verbündeten besser
zu koordinieren. Angesichts der Tatsache, dass die USA
in Pakistan über lange Zeit durch verschiedenste Maß-
nahmen ihre Einflusssphäre ausgebaut haben, ist dies
dringend geboten.
Wenn auch die Rolle der USA nicht unterschätzt wer-
den darf, so gibt es keinen Grund anzunehmen, Deutsch-
land und die EU hätten hier keine Aufgabe oder keine
Handlungsmöglichkeiten und auch -notwendigkeiten.
Die Tatsache alleine, dass in Afghanistan mehrere Tau-
send Soldaten ihren Dienst versehen und dass es ohne
ein stabiles Pakistan ein stabiles Afghanistan nicht wird
geben können, ist schon Grund genug, sich in und für
Pakistan zu engagieren. Der Vorwurf, Deutschland und
die EU seien hier ohne eigenen Ansatz, ist allerdings
falsch. Gerade die Bundesregierung hat durch entspre-
chende Initiativen des Außenministers gezeigt, dass sie
bereit und in der Lage ist, einen eigenen substanziellen
Beitrag zu leisten.
In einem weiteren Punkt geht der Antrag ebenfalls
fehl. Zwar ist es sicherlich richtig, Pakistan in seinem re-
gionalen Umfeld zu sehen, aber es ist meines Erachtens
nicht richtig, Pakistan hauptsächlich in seiner Funktion
als Nachbar Afghanistans zu betrachten. Deshalb ist die
zum Teil etwas mühsam hergestellte Verbindung zwi-
schen Militäraktionen in Afghanistan und Pakistan pro-
blematisch. Dass sich militärische Aktionen nach Ansicht
des Deutschen Bundestages auf das absolute Minimum
beschränken und dabei die sogenannten Kollateralschä-
den möglichst niedrig gehalten werden müssen, versteht
sich zumindest aus der Sicht meiner Fraktion von selbst.
Dass die Forderung, Deutschland möge sich nicht
weiter an OEF beteiligen, inzwischen faktisch erfüllt ist,
dürfte sich inzwischen auch herumgesprochen haben.
Einigkeit besteht aus meiner Sicht darin, dass Deutsch-
land mit seiner Expertise wichtige Beiträge leisten kann
zum Aufbau einer funktionierenden Justiz und einer wa-
chen Zivilgesellschaft, zu demokratischen Institutionen
und damit zu einem Pakistan, das als stabiler und wichti-
ger regionaler Akteur zur Befriedung der gesamten Re-
gion beiträgt.
Bei aller Richtigkeit dieser Aussagen und bei aller
Notwendigkeit, diese Aussagen auch durch entspre-
chende Maßnahmen in der Entwicklungszusammenar-
beit zu flankieren, ist es notwendig – da enthält der An-
trag einen wichtigen Punkt –, die Krisen und Krisenherde
an den Grenzen Pakistans ebenfalls in Betracht zu zie-
hen. Dies betrifft die von der Zentralregierung in Islama-
bad völlig unkontrollierten Tribal Areas an der Grenze zu
Afghanistan ebenso wie die Kaschmir-Region, die be-
reits seit Jahrzehnten Streitpunkt zwischen Indien und
Pakistan sind. Sollte durch den Antrag allerdings der Ein-
druck erweckt werden, Deutschland könne durch sein
Engagement diese zum Teil seit mehr als 50 Jahren wäh-
renden Probleme lösen, wäre dies eine fatale Überschät-
zung unserer Möglichkeiten.
Viele Schwierigkeiten in internationalen Konflikten
der vergangenen Jahre sind auch dadurch entstanden,
dass mancherorts – manchmal auch in Deutschland – der
Eindruck erweckt wurde, dass die Lösung dieser Kon-
flikte eigentlich recht einfach sei, wenn man nur mit ge-
nügend Mitteln und einem in der Theorie gut funktionie-
renden Plan vorgehe. Auch hier beginnt gute Politik mit
der richtigen Analyse der Lage und der nüchternen Be-
trachtung der eigenen Möglichkeiten. Wer diese einfache
Weisheit nicht beherzigt, wird sich verheben und der
Glaubwürdigkeit Deutschlands und der internationalen
Gemeinschaft einen Bärendienst erweisen.
Deshalb ist es richtig, dass im vorliegenden Antrag
von uns Engagement, und zwar intensives Engagement,
in und für Pakistan eingefordert wird. Aber wir sollten
dieses Engagement mit Blick auf unseren tatsächlichen
Einfluss und unsere tatsächlichen Möglichkeiten erbrin-
gen. Dann kann unser Beitrag für Pakistan und seine
Menschen ein substanzieller sein.
Johannes Pflug (SPD): Pakistan hat seit dem
9. September 2008 unter dem neuen Präsidenten Asif
Zardari wieder eine Zivilregierung. Trotzdem bleibt die
Situation an der 1 600 Kilometer langen Grenze zu Af-
ghanistan – Durant-Linie – weitgehend unkontrollierbar.
Insbesondere die FATAS, Federally Administrative Tri-
bal Areas, im Nordwesten werden zunehmend zum
Rückzugs-, Ausbildungs- und Versorgungsraum der Ta-
liban. Die Stabilität der Atommacht Pakistan spielt des-
halb eine zentrale Rolle für den Erfolg der ISAF-Mission
in Afghanistan.
Präsident Zardari erklärte bei seiner Amtseinführung,
der Bekämpfung des Terrorismus oberste Priorität einzu-
räumen; aufgrund des Terroranschlags auf das Mariott-
Hotel in Islamabad würden diese Anstrengungen ver-
stärkt. Pakistan hat bereits rund 120 000 Soldaten in der
Grenzregion, die ein Eindringen von Taliban und Al-
Qaida-Kämpfern nach Afghanistan verhindern sollen.
Im Rahmen der Triparite-Kommission haben Pakistan,
Afghanistan und die ISAF-Truppen ihre militärische Zu-
sammenarbeit verstärkt und wollen sechs gemeinsame
Grenzpunkte errichten. Im März 2008 eröffneten sie das
erste Border Coordination Centre, BCC.
Die Talibanisierung ist in den vergangenen Monaten
trotzdem weiter vorangeschritten. In den Stammesgebie-
22262 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009
(A) (C)
(B) (D)
ten haben die Taliban und mit ihnen paktierende Banden
viele Familienoberhäupter – Maliks – umgebracht. Bei
vielen Beobachtern gilt es als wahrscheinlich, dass auch
Teile des pakistanischen Geheimdienstes ISI und des
Militärs afghanische Taliban unterstützen. Sie hoffen,
dass die Taliban nach dem Abzug der ausländischen
Truppen aus Afghanistan wieder die Macht übernehmen
und sich als Verbündete an die Seite Pakistans stellen in
der Frage des Kaschmir-Konfliktes und im Falle von
Auseinandersetzungen mit Indien.
Bei den andauernden Kämpfen wurden bereits mehr
als 2 000 Menschen getötet, mehr als 200 000 sind aus
den Stammesgebieten im Grenzland geflohen. Dabei su-
chen aber andererseits viele afghanische Flüchtlinge
Schutz in Flüchtlingslagern auf pakistanischer Seite. An-
fang 2007 lebten bereits 2,2 Millionen afghanische
Flüchtlinge in Pakistan, die bis Ende 2009 auf Drängen
Pakistans zurückgeführt werden sollten. Die Sicherheits-
lage in Afghanistan hat dies aber unmöglich gemacht.
Der Plan wurde im August 2008 wieder verworfen, und
das Problem verschlimmert sich rasend schnell. In Kara-
chi leben mittlerweile 700 000 Flüchtlinge aus den
Stammesgebieten, die dort auf andere große Bevölke-
rungsgruppen treffen. Dies birgt permanentes zusätzli-
ches Konfliktpotenzial.
Die internationale Gemeinschaft muss von Pakistan
auch weiterhin harte Anstrengungen im Kampf gegen
den Terrorismus verlangen, aber Pakistan auch stabili-
sieren helfen. Nur ein stabiles Pakistan kann ein guter
Nachbar für Afghanistan sein. Dafür müssen auch die re-
gionalen Player Indien und China einbezogen werden.
Dazu zählt aber auch ein maßvolles und völkerrechts-
konformes Vorgehen der USA im Grenzgebiet zu Afgha-
nistan. Die Stimmung der Pakistani gegenüber den Ame-
rikanern ist bestenfalls reserviert, häufig auch feindselig.
Das ist nicht nur Reaktion auf die amerikanischen An-
griffe auf pakistanisches Territorium. Man fühlt sich ver-
raten durch die amerikanische Annäherung an Indien.
Bündnis 90/Die Grünen fordern in ihrem Antrag al-
lerdings zu viel und das zu schnell. Wir würden uns
übernehmen. Deshalb lehnen wir diesen Antrag ab.
Elke Hoff (FDP): Wir behandeln heute einen Antrag,
der in einigen Teilen seines Forderungskatalogs überholt
ist, da eine deutsche Beteiligung an der Operation Endu-
ring Freedom in Afghanistan nicht mehr mandatiert ist.
Darüber hinaus vermischt der Antrag leider Dinge, die
nicht zielführend sind. Dies hat uns auch bereits in den
Ausschüssen bewogen, ihn abzulehnen, obwohl er viele
Punkte enthält, die wir unterstützen.
Eine Pakistan-Strategie der Bundesregierung ist über-
fällig und immer noch nicht erkennbar. Es genügt nicht,
immer wieder Pakistan als einen Schlüssel zur Lösung
der Probleme in der Region zu benennen, wenn dann nur
sehr wenige gemeinsame Anstrengungen tatsächlich un-
ternommen werden. Nach meinen Beobachtungen sind
die Impulse, die nach der Reise des Bundesaußenminis-
ters im Herbst letzten Jahres gesetzt werden sollten,
weitgehend verpufft. Von der pakistanischen Freund-
schaftsgruppe hört man seit geraumer Zeit nichts mehr.
Von einer Stabilisierung Pakistans kann insbesondere in
den teilautonomen Stammesgebieten im Nordwesten des
Landes leider keine Rede sein. Der zunehmende Verlust
der Kontrolle im Swat-Tal, die Angriffe auf Nachschub-
lager und Nachschubwege der ISAF am Khyber-Pass
und die große Zahl ziviler Verluste bei Gefechten zwi-
schen Extremisten und den pakistanischen Sicherheits-
kräften machen wenig Mut.
Pakistan ist sich allerdings zunehmend bewusst, dass
es einen eigenen Beitrag zur Bekämpfung des internatio-
nalen Terrorismus leisten muss. Es besteht auch die Be-
reitschaft Pakistans, dabei militärische Mittel einzuset-
zen. Damit dies aber in der Praxis auch Erfolg haben
kann, muss die pakistanische Bevölkerung diesen
Kampf gegen Extremisten und Terroristen als ein ureige-
nes Anliegen begreifen. In der Vergangenheit war dies
leider nicht der Fall. Die Wahrnehmung innerhalb der
pakistanischen Bevölkerung, dass das Vorgehen der pa-
kistanischen Regierung und der Sicherheitskräfte ledig-
lich stellvertretend und im Auftrag der US-Amerikaner
erfolge, ist fatal.
Diese Wahrnehmung kann nur überwunden werden,
wenn unabgestimmte militärische Operationen der USA
in Pakistan unterbleiben. Die nationale Souveränität Pa-
kistans ist zu achten. Auf der anderen Seite wäre es aber
auch hilfreich, wenn die pakistanische Regierung gegen-
über der eigenen Bevölkerung offener kommunizieren
würde, dass sie mitunter auf die militärische Koopera-
tion mit den USA und anderen Partnern im Kampf gegen
Extremisten und Terroristen im eigenen Land angewie-
sen ist.
Daher sollte die Gunst der Stunde genutzt werden, die
der Wechsel der Administration in Washington mit sich
bringt. Ich finde es ermutigend, dass US-Vizepräsident
Joe Biden am Wochenende auf der Münchner Sicher-
heitskonferenz angekündigt hat, dass die Regierung von
Barack Obama die Politik für Afghanistan und Pakistan
überprüfen wird und über Anregungen der Partner dank-
bar ist. Auch der Umstand, dass die neue US-amerikani-
sche Regierung mit Richard Holbrooke einen Sonderge-
sandten für Afghanistan und Pakistan benannt hat, ist ein
gutes Signal. So banal die Wiederholung dieser simplen
Erkenntnis klingt: Ohne Pakistan wird es keine Lösung
in Afghanistan geben und umgekehrt.
Deshalb ist es auch alternativlos, eine internationale
Strategie zur Stabilisierung und Entwicklung der pakis-
tanischen und zugleich der afghanischen Wirtschaft
kurzfristig auf den Weg zu bringen. Dies bedeutet neben
der Entwicklung von lokalen und regionalen Märkten
auch die Öffnung westlicher Märkte für Produkte aus
beiden Ländern. Die Rekrutierungswelle von immer
neuen Extremisten ist nur durch eine positive ökonomi-
sche Entwicklung, durch Zukunftsperspektiven für junge
Menschen zu stoppen.
Ein weiterer gravierender Konfliktherd Pakistans ist
die mangelhafte Versorgung mit Energie und Elektrizi-
tät. Die Gasversorgung über eine neue Pipeline aus dem
Iran wird von der internationalen Gemeinschaft nicht ge-
rade unterstützt, sodass die pakistanische Regierung
kaum eine Alternative zu chinesischer Atomenergie hat,
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009 22263
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um seine 170 Millionen Bürger mit Energie zu versor-
gen. Gerade in diesem Bereich könnte Deutschland ei-
nen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung Pakistans leis-
ten. Hilfe bei der konzeptionellen Entwicklung und beim
technologischen Ausbau erneuerbarer Energien wären
auf pakistanischer Seite hochwillkommen. Der Bau und
die Wartung dieser Anlagen vor Ort würden mittelfristig
neue Arbeitsplätze generieren und knappe Ressourcen
schonen.
Ein weiterer Bereich, der eine Stabilisierung des Lan-
des gefährdet, ist das hohe Ausmaß an Analphabetismus
sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen. Eine breit
angelegte, gut strukturierte Alphabetisierungskampagne,
verbunden mit der Unterstützung zum Aufbau funktio-
nierender staatlicher Schulen und entsprechender Curri-
cula unter Berücksichtigung religiöser Befindlichkeiten,
könnte ein äußerst sinnvoller Beitrag der internationalen
Gemeinschaft sein. Diese Anstrengungen müssten je-
doch weit über einen Projektcharakter hinausgehen und
langfristig angelegt sein.
Pakistan hofft gerade nach der überraschend fair und
demokratisch verlaufenen Parlamentswahl vor einem
Jahr auf deutsche Unterstützung bei der weiteren Stabili-
sierung und Demokratisierung des Landes. Deutschland
ist als ehrlicher Makler hochwillkommen.
Uns sollte Mut machen, dass Pakistan trotz des ver-
breiteten Analphabetismus auch über ein großes Reser-
voir an gut ausgebildeten jungen Menschen verfügt, die
Teil einer zukünftigen politischen und wirtschaftlichen
Elite sein können. Mit diesen Hoffnungsträgern muss ein
intensiver Dialog aufgenommen werden.
Ohne Frage ist Pakistan auch ein Jahr nach den Wah-
len weiterhin von stabilen demokratischen Verhältnis-
sen, wie wir sie uns vorstellen, entfernt. Daher brauchen
wir Geduld und sollten unsere Erwartungen an die Ge-
schwindigkeit von Modernisierungsprozessen auf ein re-
alistisches Maß reduzieren. Nur wenn wir die gesell-
schaftlichen und kulturellen Besonderheiten Pakistans
verstehen, wird ein Dialog mit Pakistan Erfolg haben
können.
Bei aller angebrachten Skepsis teile ich die düstere
Einschätzung der Lage in Pakistan der Grünen nicht und
halte die Zustandsbeschreibung auch für keine sinnvolle
Grundlage, die Rolle Deutschlands im Stabilisierungs-
prozess Pakistans zu definieren. Pakistan steht nicht an
der Grenze zum Staatszerfall, und die Nuklearwaffen
drohen derzeit auch nicht in die Hände von Extremisten
zu fallen. Auch wenn sich die Rolle des Militärs in Pa-
kistan mit unseren Vorstellungen von Streitkräften inner-
halb einer Demokratie nicht vereinbaren lässt, so muss
man aber konstatieren, dass es auch in den Zeiten größ-
ter Instabilität die Kontrolle über die pakistanischen Nu-
klearwaffen sichergestellt hat.
Die Wahlen haben gezeigt, dass die Masse der pakis-
tanischen Bevölkerung die Islamisten nicht will und po-
litisch nicht unterstützt. Sie haben nur einen Sitz im Par-
lament errungen und haben darüber hinaus in den
paschtunischen Stammesgebieten an der Grenze zu Af-
ghanistan und in der Nordwestprovinz ihre Regierungs-
beteiligung verloren. Die Bewegung der Rechtsanwälte
hat in den letzten Monaten gezeigt, dass es auch außer-
halb der Parteien ein großes zivilgesellschaftliches Po-
tenzial in Pakistan gibt.
Wenn Deutschland einen Beitrag zur Stabilisierung
Pakistans leisten will, muss es auch möglich sein, die pa-
kistanischen Sicherheitskräfte, insbesondere die Grenz-
polizei sowohl bei deren Ausbildung als auch bei der
Ausstattung zu unterstützen. Pakistan muss vor allem
auch durch die internationale Unterstützung in die Lage
versetzt werden, gegen die Proliferation von sensiblem
Wissen und Technologien nichtstaatlicher Akteure bes-
ser gerüstet zu sein. Hier war Pakistan in der Vergangen-
heit zu anfällig, wie der Erfolg des Khan-Netzwerkes ge-
zeigt hat. Ich möchte die Bundesregierung ermuntern,
die Anstrengungen beim Ausbau der bilateralen Bezie-
hungen deutlich zu verstärken und die in Pakistan bisher
gemachten Erfahrungen dafür zu nutzen.
Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): Der Antrag von
Bündnis 90/Die Grünen hat in den vergangenen Wochen
eine neue Aktualität erhalten. Die Entscheidung des
neuen US-Präsidenten Obama, das militärische Engage-
ment in Afghanistan zu verstärken, ist der Mühlstein, der
die gesamte außenpolitische Konzeption Obamas in den
Abgrund reißen kann. Die Beendigung des Krieges in
Afghanistan ist ohne eine intensivere Einbeziehung Pa-
kistans nicht möglich. Das heißt auch, dass die USA so-
fort und bedingungslos ihre völkerrechtswidrigen An-
griffe auf pakistanisches Territorium einstellen müssen.
Wenn diese Forderung Zustimmung im Deutschen
Bundestag fände, wäre es auch ein Argument, dass
Deutschland seine Waffenlieferungen an Pakistan ein-
stellen muss. Es ist schlichtweg inakzeptabel, dass
Deutschland an Pakistan unter anderem U-Boote liefert.
Diese U-Boote könnten technisch auch auf den Ab-
schuss atomar bestückter Raketen umgerüstet werden.
Wir alle wissen: Pakistan und Indien sind Atommächte,
deren gegenseitige Beziehungen höchst angespannt sind.
Wer Waffen an Pakistan liefert, verschärft den Konflikt.
Verschärfend für diesen Konflikt ist auch der Atom-
deal zwischen den USA und Indien. Zu Recht werden im
vorliegenden Antrag diese Probleme angesprochen; das
begrüßt die Linke. Er verweigert sich aber der notwendi-
gen Konsequenz, den Krieg in Afghanistan sofort zu be-
enden. Deswegen können wir nicht zustimmen.
Wir haben es mit einem Übergreifen des afghanischen
Widerstandes auf die paschtunischen und belutschischen
Stammesgebiete Pakistans zu tun. Diese Stammesge-
biete kennen keine Grenzen zwischen Staaten und keine
wirkliche Kontrolle durch den pakistanischen Staat. Dies
ist so seit der kolonialen Staatsbildung. Alle staatlichen
Versuche seit dem Ende der Militärdiktatur Musharrafs,
die westlichen Stammesgebiete zu befrieden, scheiterten
an der zunehmenden Intensität des Krieges in Afghanis-
tan. Deshalb ist eine Lösung des pakistanischen Pro-
blems immer mit der Beendigung des Krieges in Afgha-
nistan verbunden.
22264 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009
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Krieg als Mittel zur Befriedung Afghanistans ist ge-
scheitert. Die jüngste Umfrage der ARD zu Afghanistan
zeigt deutlich, dass immer größere Teile der afghani-
schen Bevölkerung die westliche Präsenz als Besatzung
empfinden. Aus der Umfrage geht auch hervor, dass im-
mer mehr Menschen in Afghanistan es als legitim emp-
finden, sich gegen die ausländische Besatzung zur Wehr
zu setzen.
Mittlerweile sind aber die afghanischen Erschütterun-
gen nicht nur in Pakistan, sondern auch in Indien zu spü-
ren und tragen zu einer Verschärfung der Lage zwischen
den beiden Atommächten bei. Die Frage ist: Was ist zu
tun? Der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen, den wir
hier behandeln, zeigt ein Maß an selbstkritischer Refle-
xion. Wir können vielen der Detailforderungen zustim-
men. Ebenso wie wir fordern die Grünen einen zivilge-
sellschaftlichen Ansatz in Pakistan, mit dem Demokratie
und die Achtung der Menschenrechte gestärkt, aber auch
wirtschaftliche und soziale Reformen eingeleitet werden
sollen. Pakistan gehört zu den Ländern mit den krasses-
ten sozialen Unterschieden. Neben einer reichen Elite
lebt eine Mehrheit der Bevölkerung unter unbeschreibli-
chen sozialen Verhältnissen. Dies ist Nahrung für den
militanten Islamismus. Große Teile der Bevölkerung
sind Analphabeten.
Ebenso wichtig ist, das Wettrüsten zwischen den
Staaten in der Region zu beenden. Die Bundesrepublik
kann dazu einen Beitrag leisten, indem sie nicht weiter
deutsche Rüstungsgüter in die Region liefert.
Wir benötigen einen ernsthaften Neuanfang in Ko-
operation mit den Anrainerstaaten und unter Verantwor-
tung der Vereinten Nationen. Die NATO sollte umge-
hend ihre Bereitschaft deutlich machen, in Verbindung
mit einem Waffenstillstand in Afghanistan ihre Truppen
aus dem Land abzuziehen. Die USA ihrerseits dürfen
keine weiteren Angriffe auf pakistanisches Territorium
ausführen, und die pakistanische Regierung sollte ihre
militärischen Operationen in den Stammesgebieten be-
enden.
In Afghanistan und in Pakistan bilden sich immer
mehr „Friedens-Jirgas“, das heißt, der Weg einer natio-
nalen Versöhnung ist nicht mehr ausgeschlossen. Die
Arbeit der „Friedens-Jirgas“ sollte durch die Vereinten
Nationen und auch von Deutschland intensiv gefördert
werden. Nationale Versöhnung, Rechtssicherheit und der
Aufbau ziviler Strukturen sind der Weg, um Stabilität in
Afghanistan und in Pakistan zu erreichen. Dieser Weg ist
versperrt, solange in Afghanistan und Pakistan der Ein-
druck besteht, militärisch besetzt und politisch fremdbe-
stimmt zu sein. Selbstbestimmung ist die entscheidende
Voraussetzung, Gewalt und Krieg zu beenden.
Die Linke wirbt seit Monaten für die Idee einer regio-
nalen Sicherheitskonferenz. Wir freuen uns darüber, dass
sich die Bundesregierung offensichtlich ebenfalls von
der Sinnhaftigkeit eines solchen Vorschlages überzeugt
hat. Die Staaten der Schanghai-Gruppe haben dieses
Thema zum Mittelpunkt ihrer nächsten Konferenz ge-
macht. Insbesondere gilt es, Pakistan, seine Nachbarn
China, Indien, Iran und Afghanistan sowie Russland und
die zentralasiatischen Nachbarn für einen Prozess der re-
gionalen Stabilisierung zu gewinnen. Auch die USA
sind sich darüber im Klaren, dass ein Prozess der regio-
nalen Stabilisierung nicht ohne Einbeziehung des Iran
auf den Weg gebracht werden kann. Solange aber die
Drohungen gegen den Iran auch vonseiten der USA,
nicht vom Tisch sind, ist dieser Weg nur sehr schwer zu
beschreiten. Es bleibt unverständlich, warum die vielen
Bereitschaftserklärungen des Iran, zur Lösung des Af-
ghanistan-Konfliktes vermittelnd zur Verfügung zu ste-
hen, nie ernsthaft geprüft und aufgegriffen worden sind.
Das kann und muss sich ändern.
Neben Themen der Demokratisierung und der Ver-
besserung der sozialen Lage der Menschen in der Region
müssen auch die Grenzstreitigkeiten zwischen Pakistan
und Afghanistan sowie zwischen Pakistan und Indien
behandelt werden. Ohne Beteiligung des Volkes der
Paschtunen wird es nicht gehen. Eine solche Konferenz
würde einem Waffenstillstand Dauerhaftigkeit verleihen
können und wäre der Weg zu Frieden und Stabilität in
der Region.
Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN): Den Antrag, den wir heute hier diskutieren, haben
wir eingebracht, als in Washington noch die Bush-Admi-
nistration regierte. Mittlerweile haben wir mit Barack
Obama einen neuen US-Präsidenten, der sich dem
Thema Afghanistan und Pakistan von Anbeginn mit ho-
her Aufmerksamkeit zuwendet. Er hat mit Richard
Holbrooke einen Sonderbeauftragten für Afghanistan
und Pakistan eingesetzt, der gerade beide Staaten be-
sucht. Er hat damit von Anfang an klar gemacht, dass die
Stabilisierung der Region hohe Priorität hat.
Auf seiner Reise wurde Holbrooke unmittelbar mit
der Instabilität und dem Eskalationspotenzial in der Re-
gion konfrontiert: Bei einem extremistischen Anschlag
in Peschawar kam ein Politiker ums Leben, mehrere
Menschen wurden verletzt. Zeitgleich machten die bluti-
gen Angriffe der Taliban in Kabul deutlich, wie groß die
Schwierigkeiten für die Stabilisierungsbemühungen in
Afghanistan weiter sein werden. Wir wissen: Der logisti-
sche Nachschub für diese Gewalttaten läuft über Pakis-
tan. Auch die Anschläge in Mumbai im November 2008
mit über 170 Toten zeigen, dass das Thema einer regio-
nalen Stabilisierung dringend auf die internationale
Agenda rücken muss. Insofern bleibt unser Antrag zum
Thema Pakistan hochaktuell.
Mit dem neuen US-Präsidenten besteht grundsätzlich
die große Chance zu einer Überprüfung der Strategie in
Afghanistan, aber auch des diplomatischen Konzepts für
die ganze Region. Auf der Münchner Sicherheitskonfe-
renz wurde bereits eine große 60-tägige Revision der Af-
ghanistan-Strategie angekündigt. Vor allem aber bieten
sich große Chancen für eine regionale Strategie, weil die
neue Administration hier einen bedeutsamen Wechsel
angekündigt hat. So soll mehr Diplomatie möglich wer-
den, insbesondere auch im direkten Kontakt mit Iran.
Eine Einbeziehung Irans in die regionale Diplomatie
kann eine Verbesserung bei der Zusammenarbeit und die
Suche nach gemeinsamen Interessen erleichtern. Die
Nachbarländer teilen durchaus das gemeinsame Interesse
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009 22265
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an Stabilität in der Region – das gilt auch für Russland
und China, die auch einen beachtlichen muslimischen
Bevölkerungsanteil haben. Die seit längerem diskutierte
„Kontaktgruppe Afghanistan/Pakistan“ einzurichten und
entsprechende Konferenzen zu planen, wäre deshalb ein
wichtiger Fortschritt.
Ungeachtet dieser Chancen möchte ich hier ausdrück-
lich unterstreichen, dass die Gefahren, auf die wir in un-
serem Antrag hinweisen, keinesfalls vom Tisch sind: In
den letzten Wochen kam es wieder zu Bombardements
im Grenzgebiet, bei denen mehrfach erneut Zivilisten
starben. Gerade der Anstieg der Zahl der Opfer unter der
Zivilbevölkerung in Afghanistan – 2008 kamen in Af-
ghanistan 40 Prozent mehr Zivilisten ums Leben als
2007 – ist Besorgnis erregend und trägt zur Vertrauens-
krise in der Region bei. Es ist deshalb dringend erforder-
lich, dass die Bundesregierung sich nachdrücklich für ei-
nen militärischen Strategiewechsel der NATO einsetzt.
OEF muss endlich beendet werden. Wir müssen zu einer
einheitlichen Rechtsgrundlage für die militärische Prä-
senz in Afghanistan zurückkehren und endlich die Al-
leingänge der USA im pakistanischen Grenzgebiet been-
den, die destabilisierend wirken. Bei der neuen US-
Administration wird sie dafür zweifelsohne offenere Oh-
ren finden als bei der Bush-Regierung. Joe Biden hat
sich in seiner Rede in München deutlich von der „Bush-
Doktrin“ – also von Präventivschlägen und Alleingän-
gen – distanziert; entsprechend muss der militärische
Ansatz geändert werden.
Die Bemühungen der neuen Administration in Rich-
tung Abrüstung müssen ebenfalls – mit Bezug auf diese
Region – ernst genommen werden: Es darf kein Wettrüs-
ten zwischen Pakistan, Indien, China und anderen Staa-
ten der Region einsetzen, und dieses darf nicht mit deut-
schen Rüstungslieferungen angeheizt werden. Es muss
alles getan werden, damit Pakistan nicht weiter eine
Quelle der Weiterverbreitung von Massenvernichtungs-
waffen und deren Trägerwaffen bleibt, sondern sich den
internationalen Rüstungskontrollregimen anschließt.
Um Pakistan zu stabilisieren, gilt darüber hinaus vie-
les, was auch für Afghanistan richtig ist: Notwendig sind
eine Sicherheitssektorreform, eine Stärkung des Justiz-
wesens und der Aufbau einer effektiven rechtsstaatli-
chen Polizei. Die Entwicklungszusammenarbeit muss
nachhaltig gestärkt werden. Investitionen in die Grund-
bildung, Basisgesundheit und ländliche Entwicklung so-
wie die Förderung der unabhängigen Justiz und Presse
sowie der Rechte der Frauen sind unerlässlich für eine
langfristige Stabilisierung. Die pakistanische Regierung
muss dabei ihrerseits in die Pflicht genommen werden,
die notwendigen Beiträge entschlossen umzusetzen.
Ohne Stabilität in Pakistan wird es keine Stabilität in Af-
ghanistan und der ganzen Region geben. Lassen Sie uns
die Chancen ergreifen, die sich mit der neuen US-Admi-
nistration für einen Neustart ergeben.
205. Sitzung
Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009
Inhalt:
Redetext
Anlagen zum Stenografischen Bericht
Anlage 1
Anlage 2
Anlage 3
Anlage 4
Anlage 5
Anlage 6
Anlage 7