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    13. CDU/CSU-Fraktion.\n: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 16/205 Zusatztagesordnungspunkt 2: Eidesleistung des Bundesministers für Wirt- schaft und Technologie . . . . . . . . . . . . . . . . . Präsident Dr. Norbert Lammert . . . . . . . . . . . Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, Bundesminister BMWi . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 3: a) – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Zweiten Gesetzes zur Än- derung des Aufstiegsfortbildungsför- derungsgesetzes (Drucksachen 16/10996, 16/11904) . . (Drucksachen 16/11374, 16/11202, 16/11904) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Annette Schavan, Bundesministerin BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Patrick Meinhardt (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) . . . . . . . . . Volker Schneider (Saarbrücken) (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Kretschmer (CDU/CSU) . . . . . . . . . Cornelia Pieper (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Volker Schneider (Saarbrücken) (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22088 D 22088 D 22089 A 22089 B 22089 C 22090 A 22091 B 22092 B 22094 B 22096 A 22098 A 22099 A 22100 B Deutscher B Stenografisc 205. Si Berlin, Donnerstag, d I n h a Glückwünsche zum Geburtstag der Abgeord- neten Ortwin Runde, Karin Roth (Esslin- gen) und Dr. Michael Fuchs . . . . . . . . . . . . . Wahl der Abgeordneten Ute Berg in den Bei- rat der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisen- bahnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entsendung der Abgeordneten Maria Michalk als stellvertretendes Mitglied im Stiftungsrat der Stiftung zur Aufarbeitung der SED- Diktatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erweiterung und Abwicklung der Tagesord- nung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachträgliche Ausschussüberweisung . . . . . . 22087 A 22087 B 22087 B 22087 B 22088 C – Bericht des Haushaltsausschusses ge- mäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 16/11905) . . . . . . . . . . . . 22089 C undestag her Bericht tzung en 12. Februar 2009 l t : b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung – zu dem Antrag der Abgeordneten Volker Schneider (Saarbrücken), Dr. Lothar Bisky, Cornelia Hirsch, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion DIE LINKE: Verlässliche Bildungsförderung für Erwachsene noch in dieser Legisla- tur auf den Weg bringen – zu dem Antrag der Abgeordneten Priska Hinz (Herborn), Kai Gehring, Krista Sager, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Förderung des lebenslangen Lernens unverzüglich entscheidend voranbringen Cornelia Pieper (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dieter Grasedieck (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 22100 D 22101 A II Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009 Uwe Schummer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Jörg Tauss (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 4: Antrag der Abgeordneten Daniel Bahr (Müns- ter), Heinz Lanfermann, Dr. Konrad Schily, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Für ein einfaches, transparentes und leistungsgerechtes Gesundheitswesen (Drucksache 16/11879) . . . . . . . . . . . . . . . . . Heinz Lanfermann (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Zöller (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Frank Spieth (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Elke Ferner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Erwin Lotter (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Annette Widmann-Mauz (CDU/CSU) . . . . . . Daniel Bahr (Münster) (FDP) . . . . . . . . . . . . . Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Hans Georg Faust (CDU/CSU) . . . . . . . . Daniel Bahr (Münster) (FDP) . . . . . . . . . . . . . Ulla Schmidt, Bundesministerin BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Heinz Lanfermann (FDP) . . . . . . . . . . . . . Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Dr. Rolf Koschorrek (CDU/CSU) . . . . . . . . . Jens Spahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . Daniel Bahr (Münster) (FDP) . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 33: a) Antrag der Abgeordneten Hans-Michael Goldmann, Christian Ahrendt, Gisela Piltz, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der FDP: Nationale Küstenwache schaffen (Drucksache 16/8543) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Hans-Michael Goldmann, Dr. Christel Happach-Kasan, Dr. Edmund Peter Geisen, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der FDP: Ver- braucherfreundliche und praxistaugliche Lebensmittelkennzeichnung durchset- zen – Verbots- und Bevormundungspo- litik verhindern (Drucksache 16/11671) . . . . . . . . . . . . . . . c) Antrag der Abgeordneten Hans-Kurt Hill, Dr. Gesine Lötzsch, Dr. Barbara Höll, wei- 22102 A 22103 D 22105 D 22106 A 22107 A 22108 C 22109 C 22111 A 22113 C 22115 D 22117 C 22119 C 22121 C 22121 D 22122 A 22123 D 22126 A 22127 A 22128 C 22129 C 22130 C 22130 C terer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Anreizregulierung im Strom- und Gassektor nachbessern – Benach- teiligung von städtischen Versorgern verhindern (Drucksache 16/11878) . . . . . . . . . . . . . . d) Bericht des Ausschusses für Bildung, For- schung und Technikfolgenabschätzung ge- mäß § 56 a der Geschäftsordnung: Tech- nikfolgenabschätzung (TA) TA-Projekt: Gendoping (Drucksache 16/9552) . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 24: Antrag der Abgeordneten Rainder Steenblock, Omid Nouripour, Winfried Nachtwei, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Die Westeuropäi- sche Union als überholtes Konstrukt auflö- sen (Drucksache 16/11765) . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 3: a) Antrag der Abgeordneten Jan Korte, Wolfgang Nešković, Sevim Dağdelen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Datenschutz für Beschäf- tigte stärken (Drucksache 16/11376) . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Marion Seib, Alexander Dobrindt, Michael Kretschmer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Jörg Tauss, Willi Brase, Ulla Burchardt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Förderung des wissenschaftli- chen Nachwuchses ausbauen (Drucksache 16/11883) . . . . . . . . . . . . . . c) Antrag der Abgeordneten Uwe Barth, Cornelia Pieper, Patrick Meinhardt, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Entwicklungschancen für den wis- senschaftlichen Nachwuchs schaffen (Drucksache 16/11880) . . . . . . . . . . . . . . d) Antrag der Abgeordneten Dr. Heinrich L. Kolb, Jan Mücke, Jens Ackermann, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Faires Nachversicherungsangebot zur Vereinheitlichung des Rentenrechts in Ost und West (Drucksache 16/11236) . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 34: a) Zweite und dritte Beratung des vom Bun- desrat eingebrachten Entwurfs eines Ge- setzes zur Änderung des Gesetzes über 22130 D 22130 D 22131 A 22131 A 22131 A 22131 B 22131 B Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009 III den Bau und den Betrieb von Versuchs- anlagen zur Erprobung von Techniken für den spurgeführten Verkehr (Drucksachen 16/9899, 16/11304) . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadt- entwicklung – zu dem Antrag der Abgeordneten Peter Götz, Dirk Fischer (Hamburg), Dr. Klaus W. Lippold, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Petra Weis, Klaas Hübner, Sören Bartol, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Die integrierte Stadtentwick- lung weiter ausbauen – zu dem Antrag der Abgeordneten Patrick Döring, Gisela Piltz, Horst Friedrich (Bayreuth), weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der FDP: In- nenstädte stärken – Kooperationen fördern – Städtebauförderung wei- terentwickeln (Drucksachen 16/11414, 16/8076, 16/11875) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Wirtschaft und Technologie zu der Verordnung der Bundesregierung: Einhundertsiebenundfünfzigste Verord- nung zur Änderung der Einfuhrliste – An- lage zum Außenwirtschaftsgesetz – (Drucksachen 16/11614, 16/11718 Nr. 2.1, 16/11779) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu der Verordnung der Bundesregierung: Verordnung zur Ände- rung der Verordnung zur Begrenzung der Emissionen flüchtiger organischer Verbindungen beim Umfüllen und La- gern von Ottokraftstoffen – 20. BimSchV (Drucksachen 16/11719, 16/11818 Nr. 2, 16/11897) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) – k) Beschlussempfehlungen des Petitionsaus- schusses: Sammelübersichten 523, 524, 525, 526, 527, 528 und 529 zu Petitionen (Drucksachen 16/11766, 16/11767, 16/11768, 16/11769, 16/11770, 16/11771, 16/11772) Zusatztagesordnungspunkt 4: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Arbeit und Soziales zu dem An- trag der Abgeordneten Manuel Sarrazin, Jürgen Trittin, Rainder Steenblock, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Europäische Ar- 22131 D 22132 A 22132 C 22132 D 22133 A beitszeitrichtlinie – Hohen Arbeitnehmer- schutz EU-weit sicherstellen (Drucksachen 16/11758, 16/11894) . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 5: Unterrichtung durch die Bundesregierung: Fortschrittsbericht 2008 zur nationalen Nachhaltigkeitsstrategie (Drucksache 16/10700) . . . . . . . . . . . . . . . . . Ernst Kranz (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Kauch (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Andreas Scheuer (CDU/CSU) . . . . . . . . . Lutz Heilmann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Matthias Miersch (SPD) . . . . . . . . . . . . . Patrick Döring (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Andreas Jung (Konstanz) (CDU/CSU) . . . . . Ulrich Kelber (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Günter Krings (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 6: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Pfand- briefrechts (Drucksachen 16/11130, 16/11195, 16/11886, 16/11929) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bernd Scheelen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Carl-Ludwig Thiele (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . Leo Dautzenberg (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Albert Rupprecht (Weiden) (CDU/CSU) . . . . Tagesordnungspunkt 7: a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Kersten Naumann, Wolfgang Nešković, Karin Binder, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 45 c) (Drucksache 16/10397) . . . . . . . . . . . . . . b) Erste Beratung des von den Abgeordneten Kersten Naumann, Wolfgang Nešković, Karin Binder, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten 22133 C 22133 D 22134 A 22135 C 22136 D 22138 B 22139 D 22141 D 22143 A 22144 A 22145 B 22146 D 22148 C 22148 D 22151 A 22152 C 22153 D 22154 B 22155 B 22156 B IV Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009 Entwurfs eines Gesetzes über die Be- handlung von Petitionen und über die Aufgaben und Befugnisse des Petitions- ausschusses des Deutschen Bundesta- ges (Petitionsgesetz – PetG) (Drucksache 16/10385) . . . . . . . . . . . . . . . Kersten Naumann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Günter Baumann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Jens Ackermann (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus Hagemann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 8: a) Antrag der Abgeordneten Bernd Siebert, Ulrich Adam, Ernst-Reinhard Beck (Reut- lingen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU, der Abgeordne- ten Rainer Arnold, Dr. Hans-Peter Bartels, Petra Heß, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD, der Abgeordneten Elke Hoff, Birgit Homburger, Dr. Rainer Stinner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP sowie der Abgeordneten Winfried Nachtwei, Omid Nouripour, Renate Künast, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Betreuung bei posttraumatischen Belastungsstörungen stärken und wei- terentwickeln (Drucksache 16/11882) . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Verteidigungsausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Bernd Siebert, Ulrich Adam, Ernst-Reinhard Beck (Reutlin- gen), weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der CDU/CSU sowie der Abgeordne- ten Rainer Arnold, Dr. Hans-Peter Bartels, Petra Heß, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Betreuung bei post- traumatischen Belastungsstörungen stär- ken und weiterentwickeln (Drucksachen 16/11410, 16/11842) . . . . . c) Beschlussempfehlung und Bericht des Verteidigungsausschusses – zu dem Antrag der Abgeordneten Elke Hoff, Birgit Homburger, Dr. Rainer Stinner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Medizinische Ver- sorgung der Bundeswehr an die Ein- satzrealitäten anpassen – Kompe- tenzzentrum für posttraumatische Belastungsstörungen einrichten 22156 D 22156 D 22158 A 22159 A 22160 A 22161 C 22162 C 22163 B 22163 C – zu dem Antrag der Abgeordneten Paul Schäfer (Köln), Inge Höger, Monika Knoche, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Adäquate Behandlungs- und Betreuungskapa- zitäten für an posttraumatischen Be- lastungsstörungen erkrankte Ange- hörige der Bundeswehr (Drucksachen 16/7176, 16/8383, 16/10024) Dr. Franz Josef Jung, Bundesminister BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elke Hoff (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jörn Thießen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE) . . . . . . . . Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gert Winkelmeier (fraktionslos) . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 9: a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Jerzy Montag, Volker Beck (Köln), Monika Lazar, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Entschädigung für Strafverfolgungs- maßnahmen (Drucksache 16/11434) . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Jörg van Essen, Mechthild Dyckmans, Jens Ackermann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Angemessene Haftentschädi- gung für Justizopfer sicherstellen (Drucksache 16/10614) . . . . . . . . . . . . . . Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jörg van Essen (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Matthias Miersch (SPD) . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Nešković (DIE LINKE) . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 10: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Strukturreform des Versor- gungsausgleichs (VAStrRefG) (Drucksachen 16/10144, 16/11903) . . . . . . . . Brigitte Zypries, Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22163 C 22163 D 22165 A 22166 A 22167 B 22168 B 22169 A 22170 A 22170 A 22170 B 22171 A 22172 B 22172 C 22173 B 22174 B 22175 A 22175 B Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009 V Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) Ute Granold (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . Jörn Wunderlich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Christine Lambrecht (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 11: Antrag der Abgeordneten Dr. Edmund Peter Geisen, Hans-Michael Goldmann, Dr. Christel Happach-Kasan, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Agrardieselbesteue- rung senken – Wettbewerbsnachteile der deutschen Landwirtschaft abbauen (Drucksache 16/11670) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Edmund Peter Geisen (FDP) . . . . . . . . . . Norbert Schindler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Dr. Edmund Peter Geisen (FDP) . . . . . . . . Hans-Michael Goldmann (FDP) . . . . . . . . Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) . . . . . . . Ingrid Arndt-Brauer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Edmund Peter Geisen (FDP) . . . . . . . . Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peter Bleser (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD) . . . . . . . Dr. Edmund Peter Geisen (FDP) . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 12: Erste Beratung des vom Bundesrat einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Be- grenzung der Haftung von ehrenamtlich tätigen Vereinsvorständen (Drucksache 16/10120) . . . . . . . . . . . . . . . . . Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mechthild Dyckmans (FDP) . . . . . . . . . . . . . Peter Müller, Ministerpräsident (Saarland) . . Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Dr. Peter Danckert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 13: Beschlussempfehlung und Bericht des Innen- ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Ulla Jelpke, Wolfgang Nešković, Monika 22176 B 22177 A 22179 A 22180 A 22181 B 22182 A 22182 B 22183 C 22184 A 22185 B 22185 D 22186 C 22187 C 22188 A 22189 A 22189 C 22190 A 22190 D 22191 A 22191 D 22192 C 22193 D 22194 C Knoche, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion DIE LINKE: Keine Abschiebungen in das Kosovo (Drucksachen 16/9143, 16/11370) . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 14: Antrag der Abgeordneten Antje Blumenthal, Hubert Hüppe, Thomas Bareiß, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Marlene Rupprecht (Tuchenbach), Renate Gradistanac, Angelika Graf (Rosenheim), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Frauen und Mädchen mit Behinderungen wirksam vor Gewalt schützen und Hilfsangebote verbessern (Drucksache 16/11775) . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 15: Antrag der Abgeordneten Kerstin Andreae, Alexander Bonde, Christine Scheel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Kontrollrechte aus Bundesbeteiligungen strategisch nutzen (Drucksache 16/11761) . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 16: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Untersuchungshaftrechts (Drucksache 16/11644) . . . . . . . . . . . . . . . . . Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jörg van Essen (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Alfred Hartenbach (SPD) . . . . . . . . . . . . . Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Peter Danckert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 17: Antrag der Abgeordneten Frank Spieth, Klaus Ernst, Dr. Martina Bunge, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion DIE LINKE: Entschä- digungsregelung für durch Blutprodukte mit HCV infizierte Bluter schaffen (Drucksache 16/11685) . . . . . . . . . . . . . . . . . Jens Spahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . Christian Kleiminger (SPD) . . . . . . . . . . . . . Dr. Konrad Schily (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . 22195 B 22195 C 22195 D 22196 A 22196 B 22197 B 22198 A 22199 B 22199 D 22200 B 22201 A 22202 C 22202 D 22203 C 22204 A VI Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009 Frank Spieth (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rolf Schwanitz, Parl. Staatssekretär BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 18: Zweite und dritte Beratung des vom Bundes- rat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Bundesnotarordnung (Neuregelung des Zugangs zum Anwalts- notariat) (Drucksachen 16/4972, 16/11906) . . . . . . . . . Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU) . . . . . . Christoph Strässer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Mechthild Dyckmans (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Nešković (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 19: Antrag der Abgeordneten Hans-Josef Fell, Sylvia Kotting-Uhl, Bärbel Höhn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Vertragstreue Ab- schaltung alter Atomkraftwerke in Ost- europa (Drucksache 16/11764) . . . . . . . . . . . . . . . . . Christian Hirte (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Christoph Pries (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Angelika Brunkhorst (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Hans-Kurt Hill (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 20: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtli- nie, des zivilrechtlichen Teils der Zahlungs- diensterichtlinie sowie zur Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufs- und Rückgaberecht (Drucksache 16/11643) . . . . . . . . . . . . . . . . . Marco Wanderwitz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Dirk Manzewski (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mechthild Dyckmans (FDP) . . . . . . . . . . . . . . 22204 B 22205 A 22205 D 22206 B 22206 B 22207 C 22208 D 22209 C 22210 C 22211 A 22212 A 22212 B 22213 A 22214 D 22215 B 22215 D 22216 C 22216 D 22218 B 22219 A Karin Binder (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 21: Antrag der Abgeordneten Frank Spieth, Klaus Ernst, Dr. Martina Bunge, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion DIE LINKE: Kran- kenhausinfektionen vermeiden – Multiresis- tente Problemkeime wirksam bekämpfen (Drucksache 16/11660) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Hans Georg Faust (CDU/CSU) . . . . . . . . Dr. Carola Reimann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Konrad Schily (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Frank Spieth (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rolf Schwanitz, Parl. Staatssekretär BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 22: Antrag der Abgeordneten Dr. Harald Terpe, Birgitt Bender, Elisabeth Scharfenberg, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Besitz und Anbau von Cannabis zum Eigengebrauch entkri- minalisieren – Glaubwürdige und am Men- schen orientierte Cannabisprävention um- setzen (Drucksache 16/11762) . . . . . . . . . . . . . . . . . Maria Eichhorn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Dr. Margrit Spielmann (SPD) . . . . . . . . . . . . Detlef Parr (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Monika Knoche (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 23: Antrag der Abgeordneten Frank Spieth, Klaus Ernst, Dr. Martina Bunge, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion DIE LINKE: Kürzun- gen bei künstlicher Befruchtung zurück- nehmen (Drucksache 16/11663) . . . . . . . . . . Maria Eichhorn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Hubert Hüppe (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Mechthild Rawert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Konrad Schily (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . 22220 D 22221 D 22222 C 22223 C 22223 D 22225 A 22225 C 22225 D 22226 D 22227 C 22228 A 22228 B 22229 B 22230 A 22230 C 22231 C 22232 C 22232 D 22233 B 22234 B 22236 B Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009 VII Frank Spieth (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Marion Caspers-Merk, Parl. Staatssekretärin BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 5: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- wärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Ab- geordneten Jürgen Trittin, Kerstin Müller (Köln), Winfried Nachtwei, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Kontraproduktive US-Ope- rationen in Pakistan sofort einstellen – Um- fassende Strategie zur Stabilisierung Pakis- tans entwickeln (Drucksachen 16/10333, 16/11251) . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 25: Antrag der Abgeordneten Ulrike Höfken, Priska Hinz (Herborn), Jerzy Montag, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Biopatentrecht verbessern – Patentierung von Pflanzen, Tieren und bio- logischen Züchtungsverfahren verhindern (Drucksache 16/11604) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Günter Krings (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Dr. Matthias Miersch (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Christel Happach-Kasan (FDP) . . . . . . . Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) . . . . . . . Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Begrenzung der Haftung von ehrenamtlich tätigen Vereinsvor- ständen (Tagesordnungspunkt 12) Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts: 22236 B 22237 B 22238 A 22238 D 22239 A 22239 B 22240 B 22241 B 22241 D 22242 C 22243 D 22245 A 22245 C Keine Abschiebungen in das Kosovo (Tages- ordnungspunkt 13) Hans-Werner Kammer (CDU/CSU) . . . . . . . . Rüdiger Veit (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP) . . . . . . . . Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Frauen und Mädchen mit Behin- derungen wirksam vor Gewalt schützen und Hilfsangebote verbessern (Tagesordnungs- punkt 14) Antje Blumenthal (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Michaela Noll (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Marlene Rupprecht (Tuchenbach) (SPD) . . . Ina Lenke (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Kontrollrechte aus Bundesbetei- ligungen strategisch nutzen (Tagesordnungs- punkt 15) Klaus-Peter Willsch (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Bernhard Brinkmann (Hildesheim) (SPD) . . . Ulrike Flach (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Roland Claus (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Un- tersuchungshaftrechts (Tagesordnungspunkt 16) Wolfgang Nešković (DIE LINKE) . . . . . . . . . Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts: Kontraproduktive US-Operationen in Pakis- tan sofort einstellen – Umfassende Strategie 22246 B 22247 C 22248 B 22249 A 22249 C 22250 B 22251 A 22251 D 22253 A 22253 C 22254 D 22255 C 22257 A 22257 D 22258 C 22259 B 22259 D VIII Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009 zur Stabilisierung Pakistans entwickeln (Zu- satztagesordnungspunkt 5) Holger Haibach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Johannes Pflug (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elke Hoff (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22260 C 22261 D 22262 B 22263 C 22264 C Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009 22087 (A) (C) (B) (D) 205. Si Berlin, Donnerstag, d Beginn: 9
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    Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009 22245 (A) (C) (B) (D) Dr. Terpe, Harald BÜNDNIS 90/ 12.02.2009 rung ist unangebracht. Anders als der Entwurf vor- schlägt, sollen die weiteren Vorstandsmitglieder sichDIE GRÜNEN Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Akgün, Lale SPD 12.02.2009 Andreae, Kerstin BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 12.02.2009 Burkert, Martin SPD 12.02.2009 Ernstberger, Petra SPD 12.02.2009 Gabriel, Sigmar SPD 12.02.2009 Heller, Uda Carmen Freia CDU/CSU 12.02.2009 Dr. Högl, Eva SPD 12.02.2009 Hörster, Joachim CDU/CSU 12.02.2009 Homburger, Birgit FDP 12.02.2009 Lafontaine, Oskar DIE LINKE 12.02.2009 Menzner, Dorothée DIE LINKE 12.02.2009 Mücke, Jan FDP 12.02.2009 Nitzsche, Henry fraktionslos 12.02.2009 Parr, Detlef FDP 12.02.2009 Paula, Heinz SPD 12.02.2009 Pflug, Johannes SPD 12.02.2009 Schily, Otto SPD 12.02.2009 Schmidt (Fürth), Christian CDU/CSU 12.02.2009 Schultz (Everswinkel), Reinhard SPD 12.02.2009 Steinbach, Erika CDU/CSU 12.02.2009 Dr. Strengmann-Kuhn, Wolfgang BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 12.02.2009 Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Begrenzung der Haftung von ehrenamtlich täti- gen Vereinsvorständen (Tagesordnungspunkt 12) Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Es ist richtig und notwendig, alles Vernünftige zu tun, um die Übernahme von ehrenamtlichen Ehrenämter zu erleichtern und die Bürger sogar dazu zu ermuntern, dies zu tun. Wir wollen auch nicht, dass engagierte Per- sonen durch Haftungsregelungen unzumutbaren Risiken ausgesetzt und von der Übernahme solcher Ämter in Vereinen abgehalten werden. Deshalb unterstützen wir Intentionen, Haftungseinschränkungen vorzunehmen. Aber doch nicht so, wie der Bundesrat es in seinem Ent- wurf vorgeschlagen hat. Damit würde das Haftungsri- siko zulasten der Vereine, der Interessen der Vereinsmit- glieder und Dritter umverteilt. Die Gegenäußerung der Bundesregierung enthält zahlreiche zutreffende Erwä- gungen und Argumente gegen die vom Bundesrat vorge- schlagene gesetzliche Neuregelung. Wir lehnen den Entwurf des Bundesrates ab. Maß- gelblich sind die folgenden Gründe: Große Vereine, auch gemeinnützige, sind häufig auch große Wirtschaftsunter- nehmen mit großen Umsätzen und zahlreichen Mitarbei- tenden. Gerade die Angestellten der Vereine, aber auch Mitglieder, Spender und Geschäftspartner sollten nicht schlechtergestellt werden. Im Interesse der Mitarbeiten- den sollten die gesamten Vereinsvorstände nicht aus der Verpflichtung entlassen werden, die Tätigkeit und die Geschäfte der Vereine so zu organisieren und zu kontrol- lieren, dass etwa die Steuer-, Sozial- und Versicherungs- angelegenheiten ordnungsgemäß geregelt und abgewi- ckelt werden, damit ihre berechtigten Interessen keinen Schaden nehmen können. Die Freistellung eines Teils der Vorstandes von der Haftung für fahrlässiges Handeln und Unterlassen könnte sich so auswirken, dass Vor- standsmitglieder meinen, ihre Verpflichtungen nicht mehr so ernst nehmen zu müssen wie bisher. Schuldhaf- ter Pflichtverletzung muss weiterhin vorgebeugt werden durch die Möglichkeit, für eventuelle Folgen oder Schä- den haften zu müssen. Beschäftigte von Vereinen, die sich auf ihre vertrag- lich vereinbarte Sozialversicherung verlassen, dürfen nicht gegenüber anderen Beschäftigten benachteiligt werden, indem ehrenamtlich unentgeltliche Vereinsvor- stände als Arbeitgeber letztlich folgenlos die Abführung von Sozialversicherungsbeiträge unterlassen, und dies zulasten der Versichertengemeinschaft. Das erscheint uns nicht verantwortbar. Diese Arbeitgeberfunktion müssen alle Vereinsvorstände gesamtschuldnerisch wahrnehmen oder innerorganisatorisch sicherstellen, dass jedenfalls ein Mitglied die Beiträge abführt. Die strafrechtliche Haftung der anderen ist dann ohnehin auf Vorsatz begrenzt; eine noch weiter gehende Verringe- 22246 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009 (A) (C) (B) (D) diesbezüglich nicht von jeglichen Kontroll- und Über- wachungspflichten freizeichnen können. Wenn in Konsequenz dieser Vorschläge nur einzelne ehrenamtliche Vorstände haftungsbefreit würden, aber wenigstens ein anderer ehrenamtlicher Vorstand dann al- lein das volle Haftungsrisiko tragen müsste, würde dies absehbar die Offenheit verringern, ehrenamtlich be- stimmte Vorstandsämter zu bekleiden. Hinzu kommt: Schädigt ein Vereinsvorstand leicht fahrlässig einen Dritten und bliebe er gleichwohl von dessen Ansprüchen freigestellt, würde der gesamte Verein mit dem Vereins- vermögen, das Mitglieder und Spender für gemeinnützige Zwecke aufgebracht haben, bis zur Insolvenz haften, nicht aber alle Vereinsvorständler. Diese Folgenlosigkeit von Pflichtverletzungen durch Vorstandsmitglieder können wir nicht wollen. Wenn in Konsequenz dieser Vor- schläge nur einzelne ehrenamtliche Vorstände haftungs- befreit würden, aber wenigstens ein anderer ehrenamtli- cher Vorstand dann allein das volle Haftungsrisiko tragen müsste, würde dies absehbar die Offenheit verrin- gern. Sorgen möglicher Vereins- und Stiftungsvorständler vor Haftungsrisiken aus ihrem Amt und ihrer Stellung im Verein können und sollen durch eine obligatorische Versicherung des Vereins gegen derlei Risken entgegen- gewirkt werden. Auch wäre die vorgeschlagene zivil-, steuer- und sozialrechtliche Haftungsprivilegierung von unentgeltlich tätigen Vereinsvorständen etwa gegenüber ebenso unentgeltlich ehrenamtlich tätigen Stiftungsvor- ständen, Vormünden, Betreuern und Pfleger erscheint unangemessen. Hier wäre eine stimmige Gesamtlösung für alle unentgeltlich und ehrenamtlich Tätigen nötig. Die vorgeschlagene steuerrechtliche Haftungsbegren- zung von ehrenamtlich unentgeltlich tätigen Vereinsvor- standsmitgliedern ist nicht vertretbar. Dies könnte dazu führen, dass sich alle Vorstandsmitglieder bis auf eines durch vorstandsinterne Abreden von der Erfüllung steu- erlicher Vereinspflichten zulasten des Steueraufkom- mens freizeichnen. Sie würden nur mithaften, wenn ih- nen Kenntnis etwaiger Pflichtverletzungen des haftenden Vorstandsmitglieds – in Missbrauchsfällen eventuell so- gar eines mittellosen Strohmanns – nachgewiesen wer- den könnten. Das jedoch wird kaum je gelingen. Das Land Nordrhein-Westfalen hat folglich bereits im Bundesrat beantragt, jedenfalls diese steuerliche Privile- gierung zu streichen, war damit jedoch unterlegen. Das richtige Ziel, die Übernahme von Ehrenämtern zu fördern, muss auf andere, überlegtere Art und Weise weiter verfolgt werden. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts: Keine Abschiebungen in das Kosovo (Tagesordnungspunkt 13) Hans-Werner Kammer (CDU/CSU): Zum wieder- holten Male behandeln wir hier einen Antrag der Frak- tion Die Linke, der einen totalen Abschiebestopp für Flüchtlinge fordert. Diesmal handelt es sich um Flücht- linge aus dem Kosovo. Der Antrag wird von der Linken mit dem mangelnden Schutz von Minderheiten wie zum Beispiel den Serben begründet. Nach Erkenntnissen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge ist die Lage seit der Unabhängigkeitserklärung, abgesehen von Nordkosovo, weitestgehend stabil. In dem bisher von der UNMIK kontrolliertem Gebiet sind sehr wohl Fort- schritte bei der Stabilisierung und Demokratisierung festzustellen. Seit der Unabhängigkeitserklärung sind militante bzw. gewaltbereite kosovo-albanische Gruppen kaum mehr in Erscheinung getreten. Aber auch wenn nun das Ziel der „Unabhängigkeit“ erreicht ist, können wir nicht davon ausgehen, dass sich diese vollkommen zurückziehen oder gar auflösen werden. Die Mehrzahl der Menschen will aber letztendlich in Frieden leben und endlich zur Tagesordnung übergehen. Am 21. Januar dieses Jahres nahm die Kosovo Security Force, KSF, als volksübergreifende Sicherheitseinheit ihre Arbeit auf. Sie soll Unruhen zwischen Kosovo- Albanern und Serben niederschlagen helfen. Dabei wurde darauf geachtet, dass die Einheit im Gegensatz zum Vorgänger Kosovo Protection Corps nicht von UCK-Veteranen dominiert wird, sondern multiethnisch zusammengesetzt ist. Auch dies ist ein wichtiger Beitrag zur Stabilisierung in der Region. Es gibt derzeit keinen triftigen Grund für einen totalen Abschiebestopp. Die Lage in Nordkosovo ist allerdings noch verhältnismäßig angespannt. Die serbische Regierung in Belgrad versuchte bisher mit allen Mitteln, die serbischen Siedlungsgebiete unter ihre volle Kontrolle zu bringen. Kosovo-serbische Beamte – Polizisten, Richter, Eisenbahner – verweigerten dem neuen Staat und der Rechtsstaatlichkeitsmission EULEX zum Teil ihre Dienste. Dies betrifft wohlgemerkt hauptsächlich den Nord- kosovo. Es sicher notwendig, dass in dieser Beziehung auch entsprechend stärker auf die serbische Regierung eingewirkt wird. Ein Schritt in die richtige Richtung ist damit getan worden, dass nunmehr die UNMIK im Nordkosovo Aufgaben der EULEX übernommen hat, was zu einer besseren Akzeptanz durch die Serben füh- ren soll. Hin und wieder sind immer noch gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Kosovo-Serben und Kosovo-Albanern zu beobachten. Hier ist jedoch nach Erkenntnissen des BAMF nicht immer klar, ob diese im- mer einen ethnischen Hintergrund haben oder ob es sich um Auseinandersetzungen zwischen kriminellen Verei- nigungen handelt. Trotz aller Probleme sollten wir die weiteren Fort- schritte in der Region abwarten. Ich bin der Meinung, hier geht es um Ursachenbekämpfung und nicht um den Kampf gegen die Symptome, sodass ein genereller Ab- schiebestopp und die damit verbundene Einstellung von Einzelfallprüfungen überhaupt keinen Sinn machen. Im Gegenteil: Mit einer Besserstellung der Flüchtlinge aus dem Kosovo gegenüber anderen Flüchtlingen verlassen wir den Pfad einer gerechten, aber konsequenten Flücht- lingspolitik. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009 22247 (A) (C) (B) (D) Als Begründung für einen generellen Abschiebestopp führt die Fraktion Die Linke ferner die schwierige öko- nomische Lage vor Ort an. Auch dies rechtfertigt keinen generellen Abschiebestopp. Hier sei auf das EU-Rück- kehrprojekt verwiesen, welches die Rückkehrer auch in wirtschaftlichen Belangen unterstützt. So hat die Arbeitsgruppe Entwicklung und Fachkräfte im Bereich Migration Rückkehrern, die sich selbstständig machen wollen, sowohl in Deutschland als auch im Kosovo spe- zielle Seminare für Existenzgründer angeboten. Auch die Arbeiterwohlfahrt Nürnberg bietet Qualifizierungsmaß- nahmen an, um freiwillige Rückkehrer bestmöglich auf die Anforderungen im Berufsleben vorzubereiten. Gegen einen generellen Abschiebestopp sprechen auch die ak- tuellen Fallzahlen: 2008 stammten insgesamt 879 Asyl- bewerber aus dem Kosovo. 0,5 Prozent der Anträge von Personen aus dem Kosovo wurden anerkannt. Für 1,9 Pro- zent der Antragsteller wurde 2008 subsidiärer Schutz ge- währt, indem ein Abschiebungsverbot für diese Personen erlassen wurde. Ich bin dem Bundesinnenministerium und dem Bundes- amt für Migration und Flüchtlinge in diesem Zusammen- hang dankbar, dass nunmehr statistisch zwischen Antrag- stellern aus dem Kosovo und aus Serbien unterschieden wird. Ich hoffe jedoch, die Kolleginnen und Kollegen der Linken werfen der Bundesregierung hierbei nicht auch wieder die Unterstützung von völkerrechtswidrigem Separatismus vor. Durch die statistische Differenzierung wird es zukünftig möglich sein, genaue Schlussfolgerungen aus den Zahlen der Asylbewerber aus Serbien und dem Kosovo zu ziehen. Addiert man die Fallzahlen aus Serbien und Kosovo, so ergäbe sich bei 1 536 Asylerstanträgen im Jahr 2008 ein Rückgang um 460 Anträge, also 23 Pro- zent, im Vergleich zu 2007. Damit sind Serbien und Ko- sovo die einzigen unter den Hauptherkunftsstaaten mit einem deutlichen Rückgang an Asylbewerbern im Jahr 2008. Leider ist bisher noch nicht daraus zu erkennen, welchen Anteil Flüchtlinge aus dem Kosovo an diesem signifikanten Rückgang haben. Aber die Zahlen des letzten Quartals 2008 lassen schon eine Tendenz erkennen. So war innerhalb des vierten Quartals die Zahl der monatli- chen Asylanträge aus dem Kosovo ebenfalls rückläufig. Auch ist bei den Asylbewerbern aus Serbien eine zu- rückgehende Tendenz zu beobachten. Das Bundesamt für Migration für Flüchtlinge lässt zudem bei den bewährten Einzelfallprüfungen auch die notwendige Sorgfalt walten. So werden zum Beispiel Rückführungen bei Kranken, deren ausreichende medi- zinische Versorgung vor Ort nicht sichergestellt werden kann, schon mal ausgesetzt. Zweifel an der guten Arbeit des BAMF sind in diesem Zusammenhang unange- bracht. Auch für die Roma wird ein besonderes Schutz- bedürfnis vor dem Hintergrund des UNHCR-Papiers vom Juni 2006 beachtet. So können nur besonders schwere Straftäter de facto zurückgeführt werden. In den meisten Fällen hat UNMIK im Rahmen der Einzelfall- prüfung die Rückführung nicht gestattet. Ich fasse zusammen: Die CDU/CSU-Fraktion steht für eine maßgeschneiderte Flüchtlingspolitik. Wozu haben wir denn sonst die vielen Ausnahmetatbestände, die es erlauben, gegebenenfalls auf Rückführungen im Einzel- fall zu verzichten? Mit ihren steten Forderungen nach generellen Abschiebestopps haben die Linken den Blick für eine Flüchtlingspolitik, die der jeweiligen Situation gerecht wird, verloren. Ihre Realitätsferne zeigt erneut, dass sie noch in einem anderem Staat zu Hause sind. Alle beteiligten Stellen, UNMIK, die Länder und auch das BAMF leisten eine gute Arbeit und gehen auf die berechtigten Interessen der Flüchtlinge ein. Trotz al- ler Schwierigkeiten zeichnet sich im zehnten Jahr der UNMIK-Mission eine, wenn auch nur allmähliche, Sta- bilisierung der Situation ab. Ich hoffe, dass die serbische Regierung, der ja einige Kolleginnen und Kollegen hier im Hause auch gerne das Wort reden, nach dem Rückzug von EULEX aus dem Nordkosovo sich dort auch koope- rationsbereiter zeigt. Ferner zeigt auch die offensichtlich zurückgehende Zahl von Anträgen aus dem Kosovo, dass es keine Veranlassung gibt, bei den Ländern einen generellen Abschiebestopp zu erwirken. Aus diesen Gründen lehnen wir von der Union den Antrag der Frak- tion Die Linke ab. Wir folgen damit der Empfehlung des Innenausschusses. Rüdiger Veit (SPD): Vor knapp acht Monaten haben wir über genau den gleichen Antrag schon einmal bera- ten. Damals habe ich gesagt, dass wir die Sicherheitslage im Kosovo nach wie vor kritisch beobachten müssen. „Sobald sich diese negativ entwickle, seien selbstver- ständlich weitere Maßnahmen zu ergreifen“, heißt es im Bericht und in der Beschlussempfehlung des Innenaus- schusses zum vorliegenden Antrag. Die auch von mir geteilte Befürchtung, es könne nach der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo im Februar 2008 erneut zu schweren ethnisch motivierten Unruhen kommen, hat sich erfreulicherweise nicht bewahrheitet. Auch wenn die Lage von Minderheiten im Kosovo im- mer noch nicht stabil ist, so hat sich doch in den vergan- genen acht Monaten die Situation immer mehr verbes- sert. Bereits im Februar 2008 verpflichteten sich das Parla- ment und die politische Führung des Kosovo auf rechts- staatliche und demokratische Standards für ihr Land. Sie sagten zu, dass das Kosovo Heimat aller seiner Bürger sein werde. Dieses klare Bekenntnis zu Rechtsstaat, De- mokratie und Multiethnizität findet sich auch in der ko- sovarischen Verfassung, die am 15. Juni 2008 in Kraft trat. Seit Juni 2008 wurde dann auf Initiative des UN-Ge- neralsekretärs Ban Ki-Moon mit der Umgestaltung und Anpassung der internationalen zivilen Präsenz im Ko- sovo begonnen. Der UN-Sicherheitsrat hat dem Plan zum Aufbau der EU-Polizei- und -Justizmission EULEX zugestimmt. Am 9. Dezember letzten Jahres hat die zi- vile Polizeimission der Europäischen Union offiziell mit ihrer Arbeit auf dem gesamten Territorium des Kosovo begonnen. Das Ziel von EULEX ist es, eine multiethnische Poli- zei, Justiz und Verwaltung im Kosovo aufzubauen und eine Unterdrückung der serbischen Minderheit zu ver- hindern. EULEX ist die größte zivile Mission, die im 22248 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009 (A) (C) (B) (D) Rahmen der Europäischen Sicherheits- und Verteidi- gungspolitik, ESDP, bisher jemals aufgestellt wurde. Von den insgesamt 3 000 Mitarbeitern werden 1 900 an- reisen, die restlichen werden aus der örtlichen Bevölke- rung angeworben. Momentan zählt die Mission rund 1 300 Mitarbeiter. Der EULEX-Etat für die ersten 16 Monate beträgt 205 Millionen Euro. Der EU-Einsatz ist zunächst auf 28 Monate befristet. Diplomaten rechnen aber bereits mit einer Dauer von fünf bis zehn Jahren. Die EU ist mit beachtlichem Ein- satz im Kosovo vor allem auch zur Verhinderung von ethnisch motivierten Konflikten vor Ort und leistet prak- tische Hilfe beim Aufbau einer multiethnischen Verwal- tung. Auch wenn es immer noch jede Menge Probleme gibt, hat sich die Situation doch entschärft. Es ist zu kei- nen neuen ethnisch motivierten Krawallen mehr gekom- men. Für die Minderheitengruppe der Aschkali und Ägypter fordert selbst Amnesty International keinen ge- nerellen Abschiebestopp mehr. Schwieriger sieht die Situation generell für Roma aus und Serben, die aus dem Süden des Kosovo stammen. Immer noch werden Roma in allen Teilen des Landes schwerwiegend diskriminiert; die im Süden des Kosovo lebenden Serben sind dort die Minderheit. Sie leben in Enklaven und können sich häufig nur in Begleitung von Polizeischutz durchs Land bewegen. Auf der anderen Seite werden gegenwärtig aus der Gruppe der Roma nur schwere Straftäter abgeschoben. Auch seit das kosovarische Innenministerium die Kom- petenz für die Rückführungen innehat und nicht mehr UNMIK, ist die Zahl der Abschiebungen nicht sprung- haft angestiegen. Im Gegenteil: Jetzt, in den Wintermo- naten, sind die Abschiebungen in das Kosovo fast einge- stellt worden. Von Massenabschiebungen kann nicht die Rede sein. Auch die Zahl der Rückführungen insgesamt ist im vergangenen Jahr 2008 im Vergleich zu den Zah- len von 2007 gesunken und nicht etwa angestiegen. Dies alles lässt darauf schließen, dass in Einzelfällen mit Augenmaß entschieden und häufig auch auf Rück- führungen verzichtet wird. Wir werden die Entwicklung des Kosovo jedoch weiterhin kritisch verfolgen und un- ser Handeln den jeweils aktuellen Erfordernissen anpas- sen. Aus den vorgenannten Gründen kann ich einem gene- rellen Abschiebestopp heute allerdings genauso wenig oder eher noch weniger als vor knapp einem Jahr zustim- men. Ich empfehle daher, den Antrag abzulehnen. Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP): Auch nach den Ausschussberatungen ist der Eindruck, den die FDP vom vorliegenden Antrag hat, unverändert: Die Linke unter- nimmt einmal mehr einen Anlauf, das deutsche Auslän- derrecht auszuhebeln. Diesmal soll das Kosovo als Not- standsgebiet dargestellt werden, in das Deutschland niemanden abschieben dürfe. Das Auswärtige Amt und die diesbezügliche Praxis der Bundesregierung rechtfer- tigen eine solche Pauschalausnahme vom Ausländer- recht nicht. Die bisherigen Anträge der Linken zum Thema Ausländerrecht haben deren Weltbild zu deutlich gemacht: Die ganze Welt ist Notstandsgebiet, und diese Not nur auf deutschem Boden zu heilen: Am deutschen Wesen soll die Welt genesen – auf sozialistisch. Die Linke, so können wir auf ihrer Netzseite lesen, hält die Unabhängigkeit des Kosovo für „völkerrechts- widrig“; Denn, so heißt es dort: Letztendlich ist die Unabhängigkeit des Kosovo das Ergebnis des Krieges der NATO gegen das dama- lige Jugoslawien und basiert dementsprechend auf einer gewaltsam herbeigeführten Grenzverände- rung. Damit sind die jetzigen Entwicklungen eine direkte – zeitlich verzögerte – Folge des Krieges. Dass an einem solchen, gegen den strammen Sozialis- mus eines Milosevic und seiner Epigonen gegründeten Staat kein gutes Haar gelassen werden kann, ist in der Linken-Logik klar. Deshalb muss natürlich nach Sicht der Linken sofort ein Abschiebestopp für Menschen her, die zwar kein Aufenthaltsrecht in Deutschland haben, aber vor „diesem“ Kosovo unbedingt zu schützen sind. Niemand bestreitet mögliche Probleme in der inneren Ordnung des neuen Staates. Aber die Linke will diese Probleme nicht lösen. Sie vergießt Krokodilstränen in ihrem Antrag, wenn sie moniert, dass die KFOR-Trup- pen nicht gegen Ausschreitungen gegen Minderheiten vorgegangen seien. Gleichzeitig hat sie sich selbst laut- hals gegen den Einsatz der Bundeswehr im Kosovo aus- gesprochen. Die Linke will das Kosovo in möglichst schlechtem Licht erscheinen lassen, sein staatliches Existenzrecht und seine Legitimität in Abrede stellen, keinen wirksa- men Beitrag zur Problemlösung vor Ort leisten, schon gar nicht militärisch, und nutzt das so systematisch un- terstützte Chaos zur Forderung, dieses nun möglichst umfassend noch zu einem innenpolitischen Problem der Bundesrepublik zu machen. Das ist keine Politik; das ist Propaganda unter dem Deckmantel der Humanität. Es ist unerträglich, dass die Linke auch den Holocaust heran- zieht, um ihre Chaosförderungspolitik zu begründen. Ein genereller Abschiebestopp, wie die Linken for- dern, ist sachlich nicht angemessen. Gerade vor dem Hintergrund der Verantwortung für andere Fälle muss die Notwendigkeit eines Abschiebestopps genau geprüft werden. Der generelle Abschiebestopp ist ein politisches Instrument im Falle einer akuten Entwicklung, die ra- sches Handeln erfordert. Dieses Instrument darf nicht in- flationär verwendet werden. Die individuelle Prüfung, ob ein Asylgrund vorliegt, bleibt ja nicht ausgeschlos- sen. Eine darüber hinausgehende kollektive Ausnahme von den ausländerrechtlichen Bestimmungen scheint kaum angemessen. Die Konflikte im Kosovo sind unzweifelhaft eine langfristige Entwicklung. Die Probleme im Zusammen- leben verschiedener Ethnien und verfeindeter Gruppen können nicht auf dem Boden der Bundesrepublik Deutschland gelöst werden. Stattdessen müssen wir hel- fen, dass diese Konflikte im Kosovo beigelegt werden können. Wir tun das durch EULEX, der Rechtsstaats- mission der EU. Sie hilft, rechtsstaatliche Strukturen im Kosovo aufzubauen und nachhaltig zu entwickeln. Wir Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009 22249 (A) (C) (B) (D) tun das, indem wir dem Bundeswehreinsatz im Kosovo zugestimmt haben, die hilft, diese Entwicklung militä- risch abzusichern. Es ist gerade die Linke, die das stän- dig und systematisch zu torpedieren versucht. Ihr Antrag ist durchsichtig: Ihre Ideologie ist der Linken wichtiger als das langfristige Wohl der Menschen. Der Antrag der Linken ist in seiner mehrfachen Ziel- setzung, der Destabilisierung des unabhängigen Kosovo, der Diffamierung der westlichen Anerkennung derselben und auch bei der Infragestellung wesentlicher Merkmale des bestehenden deutschen Ausländerrechts, allzu durchsichtig. Die FDP lehnt ihn ab. Ulla Jelpke (DIE LINKE): Wir beraten heute ab- schließend einen Antrag der Fraktion Die Linke, keine Angehörigen von Minderheiten in das Kosovo abzu- schieben. Der Bundesinnenminister soll sich dafür ein- setzen, dass alle Maßnahmen beendet werden, die solche Abschiebungen zum Ziel haben. Leider ist die Abschiebemaschinerie in Deutschland schon angelaufen. Ein Beispiel vom vergangenen Herbst: Am frühen Dienstagmorgen des 4. November reißen circa 30 Polizeibeamte die Familie Berisha in Mannheim aus dem Schlaf. Die Mutter und vier Kinder werden mit Handschellen gefesselt zum Flughafen Ba- den-Baden gebracht. Sie können nur mitnehmen, was sie am Körper tragen. Die Mutter ist schwer herzkrank, drei der Kinder sind minderjährig und in Deutschland gebo- ren, nachdem die Mutter vor 17 Jahren hierherkam. Sie leben nun auf der Straße und erhalten keinerlei Unter- stützung von den kosovarischen Behörden. Familien wie diese gibt es viele. Nach Schätzungen leben circa 100 000 Roma-Flüchtlinge in Europa. Allein in Deutschland geht es um schätzungsweise 23 000 Menschen, die seit zehn Jahren und länger hier leben. Die meisten von ihnen werden nur geduldet, weil die Be- hörden eine Rückkehr in das Kosovo grundsätzlich für zumutbar halten. Die Fraktion Die Linke findet es nicht zumutbar, Menschen in ein Land zu schicken, in dem der Minder- heitenschutz weiterhin nur auf dem Papier steht. Die Linke findet es nicht zumutbar, Menschen in Armut und Rechtlosigkeit abzuschieben. Die Linke findet es nicht zumutbar, Kinder abzuschieben, die zehn Jahre und län- ger in Deutschland leben und das Kosovo nur aus Erzäh- lungen kennen. Circa ein Drittel der Roma, Aschkali und der soge- nannten Ägypter aus dem Kosovo haben keine gültigen Ausweispapiere. Es ist ihnen unmöglich, bei einer Rück- kehr in das Kosovo ihre Identität nachzuweisen und ih- ren früheren Besitz zurückzuerlangen. Und selbst wenn sie ihre Identität nachweisen können, hilft ihnen das oft nicht weiter. Denn ihnen fehlen die Mittel, um ihr Recht einzuklagen. Die Justiz im Kosovo ist nicht willens und oft schlicht nicht in der Lage, Angehörigen von Minder- heiten zu ihrem Recht zu verhelfen. Die soziale Situation vor allem der Roma ist insge- samt erbärmlich. Die meisten leben von weniger als ei- nem US-Dollar pro Tag, also in purer Armut. Vom sozia- len Sicherungssystem und vom Gesundheitssystem sind die Roma ebenfalls ausgeschlossen. Selbst wenn sie re- gistriert sind, können sie sich die Medikamente nicht leisten. Ich fordere Sie daher auf: Stoppen Sie Abschiebungen in Not und Elend! Sorgen Sie für eine dauerhafte Per- spektive der Roma-Flüchtlinge in der Bundesrepublik! Und nicht zuletzt: Leisten Sie einen Beitrag zur dauer- haften Stabilisierung des Kosovo! Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Die Stabilisierung der kosovarischen Institutio- nen muss aus unserer Sicht so kurz nach der Unabhän- gigkeit des Landes das wichtigste Ziel sein. Die Stabilisierung der kosovarischen Institutionen benötigt Zeit und die notwendige Hilfestellung durch EULEX. In diesem Zusammenhang sind Tausende von abge- schobenen ethnischen Minderheitsangehörigen aus Deutschland gar nicht hilfreich und schaffen ein großes Risiko der Destabilisierung. Es gibt nach wie vor im Ko- sovo keine Aufnahme- und Integrationskapazität für Minderheiten, Kranke oder für Rückkehrer, die mittellos sind. Es gibt für Abgeschobene keine Unterstützung im Kosovo, weder von kosovarischen noch von internatio- nalen Institutionen. Abgeschobene Flüchtlinge sind völ- lig auf sich selbst gestellt bzw. auf Unterstützung aus dem Familenverbund angewiesen. Roma und andere eth- nische Minderheiten haben häufig keine Unterkunfts- möglichkeit und finden keine Arbeit etc. Es gibt keine nachhaltige Verbesserung der medizinischen Versor- gungslage gerade im Bereich der Traumabehandlung, worauf auch zahlreiche Experten und die zuständigen Behörden immer wieder hinweisen. Auch aktuelle Be- richte, wie der der International Crisis Group, ICG, be- schreiben die Sicherheitslage nach wie vor als fragil und insbesondere für ethnische Minderheiten unvorherseh- bar. Auch kommt es nach wie vor zu interethnischen Zwischenfällen. Daher teilen wir das Grundanliegen des vorliegenden Antrags. Zu den Forderungen der Fraktion Die Linke im Ein- zelnen: Die Forderung nach einem generellen Abschie- bestopp für Flüchtlinge aus dem Kosovo, die keinen Aufenthaltstitel haben – also auch für alle ethnischen Al- baner – ist zwar sehr weitgehend; es sei aber noch ein- mal daran erinnert, dass die Bundesregierung den Vor- schlag des Sondergesandten des UN-Generalsekretärs für den zukünftigen Kosovo Martti Ahtisaari unterstützt hat. Herr Ahtisaari hat unmissverständlich deutlich ge- macht hat, dass eine Rückkehr ins Kosovo nur freiwillig erfolgen sollte. Im Annex zu seinem Bericht an den UN- Sicherheitsrat vom 26. März 2007, S/2007/168, wird dies klar. Es ist sehr bedauerlich, dass sich die Bundes- länder der Umsetzung dieser Empfehlung nicht ver- pflichtet fühlen. So kommt es trotz eines grundsätzlichen Rückführungsverbotes für Roma in den Kosovo insbe- sondere in Nordrhein-Westfalen – übrigens unter einem FDP-Innenminister – immer wieder zu Rückführungs- 22250 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009 (A) (C) (B) (D) versuchen dieser Gruppe. Der Abschiebungsschutz für Roma aus dem Kosovo wird in der Praxis der NRW- Ausländerbehörden umgangen, indem die Volkszugehö- rigkeit bei Rückführungsersuchen nicht angegeben wer- den und die Zuständigen im Kosovo diese nicht prüfen. Dies widerspricht eklatant der Readmission Policy, die regelt, dass den kosovarischen Behörden bei jedem Er- suchen unter anderem auch die ethnische Zugehörigkeit der Person mitgeteilt werden soll. Die zweite Forderung im Antrag der Linksfraktion nach der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für ethni- sche Minderheiten teilen wir ausdrücklich. Ähnliches hatte die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen schon mehr- fach gefordert. Es geht insbesondere um Roma und Ser- ben und Albaner aus Gebieten im Kosovo, in denen sie eine Minderheit darstellen, zum Beispiel in der Stadt Nordmitrovica. Auch die Forderung nach Beendigung bzw. Einstel- lung von Widerrufsverfahren gegenüber Flüchtlingen aus dem Kosovo teilen wir prinzipiell. In der Realität sind die Widerrufsverfahren für Kosovaren beim Bun- desamt für Migration und Flüchtlinge allerdings schon weitgehend abgeschlossen. Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Frauen und Mäd- chen mit Behinderungen wirksam vor Gewalt schützen und Hilfsangebote verbessern (Tages- ordnungspunkt 14) Antje Blumenthal (CDU/CSU): Weltweit sind circa 650 Millionen Menschen behindert. Für sie haben wir vor zwei Monaten, am 4. Dezember 2008, im Bundestag das UN-Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen beschlossen und der Ratifizierung den Weg geebnet. Das Ziel ist, ihr Recht auf Teilhabe, auf Bildung und auf Arbeit zu gewährleisten. Für viele der 650 Millionen Menschen mit Behinderungen welt- weit sind diese Rechte jedoch nicht selbstverständlich. Bei uns in Deutschland dagegen sieht die Lage der Men- schen mit Behinderungen vergleichsweise gut aus. Die Menschenrechte und damit natürlich auch die Rechte von Menschen mit Behinderungen sind im Grundgesetz verankert und in einer Vielzahl von Gesetzen konkretisiert. Aber wir wissen alle, dass es bei der Umsetzung in die Praxis allzu oft noch hapert. Deswegen ist auch für uns das Übereinkommen der Vereinten Nationen ein beachtlicher Meilenstein in der Behindertenpolitik. Wir haben damit unsere politische Verpflichtung erneuert, immer wieder auf die Praxis zu schauen und uns ständig dafür einzusetzen, dass die Teilhabe, die wir in Gesetze schreiben, auch gelebt werden kann. Denn ein Gesetz al- lein ändert leider nichts an der Tatsache, dass Menschen mit Behinderungen immer noch Opfer von Diskriminie- rung und Opfer von Gewalt werden, und das weit häufi- ger als nicht behinderte Menschen. Ihr Risiko, vernach- lässigt, missbraucht oder geschlagen zu werden, steigt sogar noch weiter an, wenn die Behinderten Frauen oder Mädchen sind. Das Europäische Parlament geht davon aus, dass nahezu 80 Prozent der Frauen und Mädchen mit Behin- derungen Opfer von psychischer oder physischer Gewalt werden. Erste Stichproben zeigten: Mehr als jede zweite Frau mit Behinderungen hat bereits sexualisierte Gewalt erleben müssen. Wir haben eine Vermutung, eine dunkle Ahnung, dass die Täterinnen und Täter aus dem direkten sozialen Umfeld kommen. Wir können uns vorstellen – und lesen es immer wieder in der Presse –, dass Menschen mit Behinderungen vielfach Gewalt von den Menschen erfahren, die sie pflegen und betreuen. Bisher wissen wir in Deutschland nicht verlässlich über das Ausmaß und den Umfang von Gewalt gegen Frauen und Mädchen mit Behinderungen Bescheid. Die Datenlage ist dünn. Bisherige Studien fußen nicht auf repräsentativen und belastbaren Zahlen; meist greifen sie nur auf Stichproben zurück. Wenn wir die Frauen und Mädchen mit Behinderungen aber wirksam vor Gewalt und Übergriffen schützen wollen, brauchen wir genauere Informationen über Täter und Tatumstände. Wir müssen wissen, wer wo und wie betroffen ist, damit wir unter- stützende Strukturen aufbauen können und damit diese Gewalt verhindert werden kann. Deshalb fordern wir in unserem Antrag, im Rahmen einer Studie, die Situation der Frauen und Mädchen mit Behinderungen genau zu untersuchen. Denn die Frauen und Mädchen sind es, die wegen ihrer doppelten Aus- grenzung besonders gefährdet sind. Da die Bundesregie- rung derzeit eine Studie zu diesem Thema plant, können wir daran anknüpfen. Die Untersuchung im Rahmen des Aktionsplans II soll den häuslichen, den beruflichen und öffentlichen Bereich abdecken und auch ambulante und stationäre Einrichtungen in den Blick nehmen. Wir wol- len, dass bei der dreijährigen Studie besonders die Tat- umstände sowie die Täter- und Gewaltstruktur untersucht werden. Wir wollen weiter, dass dem Parlament ein Zwi- schenbericht vorgelegt wird, denn sonst geht wieder zu viel Zeit ins Land, ehe wir als Parlament gegebenenfalls dringend erforderliche Maßnahmen einleiten können. Unser Antrag hat noch ein weiteres Ziel: Gerade wenn wir wissen, dass Frauen und Mädchen mit Behin- derungen zu Opfern von Gewalt und Übergriffen werden können, muss es uns darum gehen, sie nicht ausschließlich als Opfer zu sehen. Vielmehr muss es uns darum gehen, Frauen und Mädchen mit Behinderungen bei ihrer Teil- habe und ihrer Selbstbestimmung zu unterstützen. Gerade in dem heute diskutierten Kontext geht Teilhabe über die Bereiche Arbeit, gesundheitliche Versorgung und Bil- dung hinaus. Sie betrifft den Bereich Partnerschaft und Sexualität, der in Verbindung mit Menschen mit Behin- derungen lange Zeit tabuisiert wurde. Aber gerade hier handelt es sich um Erfahrungen, die ganz wesentlich zur Persönlichkeitsentwicklung, zur Identitätsfindung und auch zur Selbstbestimmtheit beitragen können. Und ge- rade in der sexuellen Selbstbestimmung scheinen Lü- cken zu klaffen. Sexualaufklärung und Sexualerziehung müssen daher auch für Menschen mit geistigen Behinde- rungen selbstverständlich werden. Nur so können sie im Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009 22251 (A) (C) (B) (D) Rahmen ihrer Möglichkeiten befähigt werden, Über- griffe als solche zu erkennen und sich zur Wehr setzen. Das Bewusstsein der Mädchen und Frauen muss dafür geschärft werden, wo sexuelle Übergriffe beginnen und welche Folgen sie haben. Die mit dem Übereinkommen der Vereinten Nationen verbundenen Erwartungen der Menschen mit Behinde- rungen sind hoch. Ich wünsche mir deshalb sehr, dass wir mit diesem Antrag den Handlungsspielraum für Frauen und Mädchen mit Behinderungen auf ihrem Weg zu mehr Selbstbestimmtheit und Teilhabe verbessern können. Ich denke, dass wir damit einen Teil dazu beitra- gen, die berechtigten Erwartungen, die die Menschen mit Behinderungen in das UN-Übereinkommen setzen, zu erfüllen. Michaela Noll (CDU/CSU): Psychische und physi- sche Gewalt gegenüber Frauen und Mädchen einschließ- lich sexueller Gewalt sind Menschenrechtsverletzun- gen, deren Ausmaß jeder aufgedeckte Fall aufs Neue bewusst werden lässt. Das Erschrecken darüber ist dann ganz besonders groß, wenn Mädchen und Frauen mit Behinderung betroffen sind. Das Thema Frauen und Mädchen mit Behinderung muss daher verstärkt in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt und darf nicht länger tabuisiert werden. Gerade diese Frauen und Mädchen sind einem erhöhten Risiko ausgesetzt, sexueller Gewalt zu begegnen. Die Dunkelziffer ist hoch. Frauen und Mädchen mit Seh- oder Hörschäden, mit körperlicher Beeinträchtigung oder geistiger Behinderung können Gefahren nicht immer rechtzeitig erkennen. Sie haben noch weniger Möglichkeiten, sich zu schützen. Wie können wir nun Gewalt gegen behinderte Frauen und Mädchen reduzieren? Die bisher allgemein aner- kannten Strategien der Prävention oder Bewältigung se- xueller Übergriffe können nicht ohne Weiteres auf die Situation behinderter Frauen übertragen werden. Vieler- orts wird Aufklärungs- und Präventionsarbeit geleistet, aber darüber hinaus wollen wir mit unserem Antrag er- reichen, dass zielgruppenspezifisches Aufklärungs- und Informationsmaterial erarbeitet und auch den behinder- ten Frauen und Mädchen zur Verfügung gestellt wird. Mit dem Antrag verfolgen wir zudem das Ziel, Hilfsan- gebote für die Betroffenen zu verbessern. Denn die psy- chischen und körperlichen Folgen für diese Opfer sind in vieler Hinsicht identisch mit denen nicht behinderter Menschen. Die behinderten Frauen und Mädchen befinden sich in einem Teufelskreis, denn ihre Signale werden eher als Folge ihrer Behinderung und nicht als Folge von Gewalt interpretiert. Wenn es Vertrauenspersonen gelingt, Op- fern Mut zu machen, sich mitzuteilen und professionelle Hilfe anzunehmen, kann dies ein erster Schritt sein, Ta- buisierung aufzubrechen. Deshalb müssen wir Projekte und Modellversuche fördern, die zum Ziel haben, das Betreuungs- wie Pflegepersonal und die Ärzteschaft über Gewaltfolgen und Prävention in Bezug auf betrof- fene Frauen und Mädchen mit Behinderung fortzubil- den. Im Unterschied zu nicht behinderten Menschen befin- den sich Mädchen mit Behinderung nicht nur im Jugend- alter, sondern auch als Erwachsene in einer erhöhten so- zialen Abhängigkeit. Damit vergrößert sich auch die Gefahr, bis ins hohe Alter Opfer von Gewalt zu werden. Deshalb fordern wir, bei der Entwicklung von entspre- chenden Maßnahmen die Altersverteilung der Betroffe- nen besonders in den Blick zu nehmen und entsprechend zu berücksichtigen. Eine der wirksamsten Präventionsmöglichkeiten vor Gewalt ist es, die Betroffenen selbst im Vorfeld zu stär- ken, damit sie Übergriffen entgegentreten können. Häu- fig werden sexuelle Übergriffe aus dem ganz nahen Um- feld der betroffenen Frauen verübt. Die Täter sind meist in dem Personenkreis zu finden, auf den die behinderten Frauen täglich angewiesen sind. Je größer das Abhän- gigkeitsverhältnis, desto höher ist das Risiko sexueller Gewalterfahrung. Um uns ein genaueres Bild vom Aus- maß und Umfang von Gewalt gegen Frauen und Mäd- chen mit Behinderung unter Berücksichtigung der Ge- walt- und Täterstruktur zu verschaffen, wollen wir, dass die dazu geplante Studie schnellstmöglich in Auftrag ge- geben und dem Parlament ein Zwischenbericht vorgelegt wird. Weiterhin brauchen wir barrierefreie Beratungsange- bote. Kaum einer Frau, die Opfer sexueller Gewalt wurde, gelingt es ohne Hilfe von außen, sich aus dieser Situation zu befreien und die Folgen zu bewältigen. Be- hinderte Frauen mit Assistenzbedarf haben noch größere Probleme zu bewältigen und benötigen deshalb auch weitgehende und umfassende Beratung und Unterstüt- zung. Behindertenberatungsstellen sind eher selten in der Lage, frauenspezifisch zu sexueller Gewalt zu bera- ten, Frauenberatungsstellen sind hingegen nicht immer barrierefrei. Deswegen werden wir uns dafür einsetzen, dass das Hilfesystem verstärkt den Bedürfnissen von Frauen und Mädchen mit Behinderung gerecht wird und spezielle Unterstützungsangebote entwickelt und bereit- gestellt werden. Die Flucht ins Frauenhaus ist oftmals auch für die be- hinderten Frauen der letzte Ausweg. Barrierefreie Frau- enhäuser gibt es in der Bundesrepublik nur wenige. Aus diesem Grund setzen wir uns dafür ein, dass ein ausrei- chendes Angebot an barrierefreien Frauenberatungsstel- len und Frauenhäusern für Frauen mit Behinderung, die von Gewalt betroffen sind, zur Verfügung gestellt wird. Neben Prävention und Förderung der Selbstbestimmt- heit brauchen wir eine umfassende Hilfestruktur. Nur so kann es uns gelingen, Mädchen und Frauen mit Behinde- rung wirksam vor Gewalt zu schützen. Marlene Rupprecht (Tuchenbach) (SPD): Gewalt- freiheit ist einer der zentralsten Grundwerte unserer Ge- sellschaft. Die Ausübung von Gewalt verletzt Menschen in ihren gesetzlich verbürgten Grundrechten und be- schränkt sie in ihrer Entfaltung und Lebensgestaltung. Studien zeigen, dass Frauen quer durch alle Alters- gruppen, soziale Schichten und ethnische Zugehörigkei- ten in einem hohen Ausmaß von Gewalt betroffen sind. 22252 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009 (A) (C) (B) (D) Mit dem ersten Aktionsplan zur Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen 1999 wurde in Deutschland ein Gesamt- konzept entwickelt, dessen Erfolge sich sehen lassen können, sei es das Gewaltschutzgesetz, Projekte gegen häusliche Gewalt oder das Gesetz zur gewaltfreien Er- ziehung. Eine Gruppe, die aber noch nicht genügend Beach- tung bekommen hat, ist die der behinderten Frauen und Mädchen. Die Datenlage ist schwierig. Es gibt noch keine repräsentativen Daten oder wissenschaftlichen Un- tersuchungen zum Thema Gewalt gegen behinderte Frauen und Mädchen. Doch man geht davon aus, dass 80 Prozent der Frauen mit Behinderungen zu Opfern von physischer oder psychischer Gewalt werden. Sie sind oft von Mehrfachdiskriminierungen betroffen. Sie sind in höherem Maße als andere Frauen der Gefahr sexueller Gewalt ausgesetzt. Und Gewalt kommt bei behinderten Frauen nicht nur häufig vor, sondern ist oft selbst die Ur- sache für die Behinderung. Die Täter und manchmal auch Täterinnen kommen meistens aus dem sozialen Umfeld der behinderten Frauen und Mädchen. Die Übergriffe finden im häuslichen Bereich und in Ein- richtungen statt oder auf Fahrten zu Schule oder Werk- statt. Dabei wird die vorhandene Abhängigkeitssitua- tion ausgenutzt. Geistig behinderte Frauen und Mädchen sind oft un- genügend sexuell aufgeklärt und wissen über sexuelle Gewalt nicht Bescheid. Wenn es zu Übergriffen kommt, können sie sich oft nicht verständlich mitteilen oder das Betreuungspersonal kann die Mitteilung nicht richtig einschätzen. Dies stellt die Bekämpfung dieser Gewalt vor vielschichtige Probleme, und man muss hier ganz anders ansetzen als bei Fällen von Gewalt gegen nicht behinderte Frauen und Mädchen. Die Stärkung der Rechte von Frauen und Mädchen mit Behinderungen wird auf nationaler und internationa- ler Ebene verfolgt. Neben der auf internationaler Ebene im Jahr 2008 in Kraft getretenen UN-Behindertenrechts- konvention sind die EU-Ebene, die Europaratsebene so- wie die nationale Ebene zu nennen. Um in Deutschland die Umsetzung der UN-Behinder- tenrechtskonvention voranzutreiben, haben wir diesen Antrag auf den Weg gebracht. Wir sind der Auffassung, dass die Benachteiligung und Mehrfachdiskriminierun- gen von geistig und körperlich beeinträchtigten Frauen und Mädchen viel stärker als bislang in das Licht der Öf- fentlichkeit gerückt werden müssen. Die UN-Konven- tion über die Rechte von Menschen mit Behinderungen hat das Ziel, die Chancengleichheit der Menschen mit Behinderungen zu gewährleisten, ihre Grundrechte zu garantieren und ihnen umfassende Teilhabe in der Ge- sellschaft zu fördern. In Art. 6 der UN-Konvention über die Rechte der Menschen mit Behinderungen heißt es: (1) Die Vertragsstaaten erkennen an, dass behin- derte Frauen und Mädchen mehrfacher Diskrimi- nierung ausgesetzt sind, und ergreifen in dieser Hinsicht Maßnahmen, um sicherzustellen, dass sie alle Menschenrechte und Grundfreiheiten uneinge- schränkt und gleichberechtigt genießen können. (2) Die Vertragsstaaten treffen alle geeigneten Maß- nahmen zur Sicherung der vollen Entfaltung, der Förderung und der Stärkung der Autonomie der Frauen, damit gewährleistet wird, dass sie die in diesem Übereinkommen genannten Menschen- rechte und Grundfreiheiten ausüben und genießen können. Deutschland hat die Konvention ratifiziert und ver- pflichtet sich damit zur Umsetzung. Frauen mit Behinde- rung nehmen so im zweiten Aktionsplan der Bundesre- gierung zur Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen erstmals größeren Raum ein. Im Rahmen dieses zweiten Aktionsplans hat die Bun- desregierung eine Untersuchung zu Ausmaß und Um- fang der Gewalt gegen Frauen mit Behinderungen ange- kündigt. Die Studie soll über drei Jahre hinweg den häuslichen, beruflichen und öffentlichen Bereich sowie die ambulanten und stationären Einrichtungen und Dienste der Eingliederungshilfe untersuchen. Diese Un- tersuchung wird dringend gebraucht. Denn es wird deut- lich, dass sich Erkenntnisse aus dem Bereich häuslicher Gewalt gegen nicht behinderte Frauen nicht einfach übertragen lassen. Eine Verbesserung der Datenlage ist dringend notwendig. Auch an zielgruppenspezifischem Aufklärungsmaterial mangelt es. Gewalt gegen behinderte Frauen ist nicht altersspezi- fisch. Sie kann sich bis ins hohe Alter fortsetzen oder gar erst im höheren Lebensalter beginnen. Die Untersu- chung wird auch hier nützlich sein, denn bei der Ent- wicklung von Maßnahmen gegen Gewalt muss die Al- tersverteilung der Betroffenen natürlich erkannt und berücksichtigt werden. Das Schlüsselwort bei der Bekämpfung von Gewalt heißt Prävention. Unser Ziel ist es, die Betroffenen im Vorfeld zu stärken. Mit dem entsprechenden Selbstbe- wusstsein können behinderte Frauen und Mädchen Grenzüberschreitungen und Übergriffen rechtzeitig ent- gegentreten. Bei der Präventionsarbeit sehr wichtig ist ein behin- dertengerechter Zugang zu Frauenberatungsstellen und Frauenhäusern. Alle Barrieren, die das Aufsuchen von Gewaltberatungsstellen erschweren, müssen aus dem Weg geräumt werden. Damit ist nicht nur der uneinge- schränkte, hindernisfreie Zugang zu Beratungsstellen gemeint, sondern auch die Überwindung von sprachli- chen Missverständnissen, die im Rahmen der Beratung entstehen können. Ich denke hierbei an spezielle Beglei- terinnen und Begleiter und Ärztinnen und Ärzte, die in der Lage sind, die Kommunikation zwischen geistig be- hinderten Menschen und dem Beratungspersonal zu ver- mitteln. Die Fortbildung des Betreuungspersonals ist von ent- scheidender Bedeutung. Wir fordern die Bundesregie- rung daher auf, Projekte und Modellversuche zu fördern, die die Fortbildung des Betreuungs- und Pflegepersonals und der Ärzteschaft, die im Bereich Gewalt gegen behin- derte Frauen und Mädchen arbeiten, zum Ziel haben. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009 22253 (A) (C) (B) (D) Wir wollen weiterhin, dass die Öffentlichkeit mithilfe von Projekten und Kampagnen noch intensiver mit dem Thema Gewalt gegen Frauen und Mädchen mit Behinde- rungen vertraut gemacht und dafür sensibilisiert wird. Wir wollen Menschen ermutigen, sich nicht mit Ge- walt abzufinden, sondern ihr aktiv entgegenzutreten. Und wir wollen Frauen, behinderte und nicht behinderte, darin stärken, ihre Rechte wahrzunehmen und ein Leben ohne Gewalt und Angst zu führen. Ina Lenke (FDP): Mit dem vorliegenden Antrag set- zen Union und SPD ihre unentschlossene Politik für Menschen mit Behinderung fort. So wird zum Beispiel Art. 6 der UN-Konvention über die Rechte behinderter Menschen zwar wörtlich zitiert, verschwiegen wird al- lerdings, dass die Bundesregierung über kein Konzept zur Umsetzung der Konvention verfügt. Das haben die Beratungen im Deutschen Bundestag im vergangenen Dezember gezeigt. Die Konvention, die von der FDP ausdrücklich begrüßt und mitgetragen wird, wurde im Hauruckverfahren und ohne eine angemessene parla- mentarische Beratung durch Bundesrat und Bundestag gepeitscht. Wie die Konvention mit Leben gefüllt wer- den soll, kann die Bundesregierung bis heute nicht erklä- ren. Auch die im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD versprochene Weiterentwicklung der Eingliede- rungshilfe wurde Jahr um Jahr verschoben und ist jetzt endgültig von der Tagesordnung dieser Bundesregierung gestrichen worden. Frühestens im November 2009, nach der Wahl, wird wieder über Behindertenpolitik gespro- chen werden. Sie beschreiben in Ihrem Antrag, dass in den Ver- tragsstaaten behinderte Frauen und Mädchen mehrfacher Diskriminierung ausgesetzt sind, und geben die Auffor- derung nach Art. 6 der Konvention wieder: „dass die Vertragsstaaten alle geeigneten Maßnahmen zur Siche- rung der vollen Entfaltung, Förderung und der Stärkung der Autonomie der Frauen und Mädchen treffen, damit gewährleistet wird, dass sie die in dem Übereinkommen genannten Menschenrechte und Grundfreiheiten aus- üben und genießen können.“ Sie fordern also ihre eigene Bundesregierung auf, dass das Thema Frauen und Mäd- chen mit Behinderungen verstärkt in den Fokus der Öf- fentlichkeit gerückt werden müsse. Sie beschreiben rich- tigerweise die Probleme durch erhöhte Gefahr, Opfer von Gewalt zu werden. Da ist es sicher auch von beson- derer Bedeutung, dass sich Frauen und Mädchen mit geistiger Behinderung bei Übergriffen nicht immer ge- genüber Dritten entsprechend äußern können. Es verwundert nicht, dass der vorliegende Antrag zwar viele Probleme benennt, aber kaum Konkretes zur Verbesserung der Situation behinderter Frauen und Mäd- chen beinhaltet. Sie fordern als CDU/CSU-Fraktion und SPD-Fraktion, eine geplante Studie schnellstmöglich in Auftrag zu geben, bei der Entwicklung von entsprechen- den Maßnahmen die Altersverteilung in den Blick zu nehmen und zu berücksichtigen, Aufklärungsmaterial zu erarbeiten, öffentliche Kampagnen aufzulegen, zu prü- fen, sich einzusetzen … Also außer Studien und Prüfaufträgen beinhalten die Forderungen wenig Substanzielles. Was soll dieser Antrag erst jetzt zum Ende der Legis- laturperiode? Wenn, dann würden konkrete, in diesem Jahr noch von der Bundesregierung umsetzbare Vor- schläge der beiden Regierungsfraktionen für Frauen und Mädchen mit Behinderungen von Nutzen sein. Ange- sichts der mehr als zögerlichen Behindertenpolitik der Koalition ist deshalb leider nicht damit zu rechnen, dass diesem Antrag voller Willensbekundungen auch Taten folgen werden. Wir werden den Antrag im Familienausschuss beraten und zu konkreteren Vorschlägen kommen. Wir sind uns sicher einig, dass sich nicht die Behinderten der Lebens- welt von Nichtbehinderten anpassen müssen, sondern die Lebenswelt so gestaltet werden sollte, dass alle gleichberechtigt teilhaben können. Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE): Dass Frauen mit Be- hinderungen nachweisbar in vielen Lebensbereichen ei- ner Mehrfachdiskriminierung ausgesetzt sind, wissen Sie spätestens seit dem im November 2005 vom Famili- enministerium vorgelegten Gender-Datenreport. Mehr als drei Jahre später legen Sie nun diesen Antrag vor. Gut finde ich beim Koalitionsantrag, dass der Art. 6 – „Frauen mit Behinderungen“ – der inzwischen auch in der Bundesrepublik Deutschland ratifizierten UN-Behin- dertenrechtskonvention genannt und zitiert wird. Ich finde es aber nicht gut, wenn die Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage auf Drucksache 16/11603 antwor- tet, dass ihrer Meinung nach „aufgrund des Übereinkom- mens Änderungen der deutschen Rechtslage nicht erfor- derlich sind“, und wenn sich Bundeskanzlerin Angela Merkel bei einem Treffen mit dem Deutschen Behinder- tenrat, DBR, am 10. Februar 2009 zwar offen für die Er- stellung eines konkreten Aktionsplanes zur Umsetzung der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Natio- nen zeigt, aber gleichzeitig verkündet, dass dieses durch- aus sinnvolle Vorhaben realistischerweise erst in der nächsten Legislaturperiode umgesetzt werden könne. Auch der hier vorliegende Antrag der Koalition so kurz vor der Wahl spricht für sich bzw. für die „Ernsthaf- tigkeit“ und das Engagement, mit der die Regierungsko- alition um wirkliche Veränderungen für Frauen und Mädchen mit Behinderungen kämpft. So fordert sie un- ter anderem, „die geplante Studie zum Ausmaß und Um- fang von Gewalt gegen Frauen und Mädchen mit Behin- derungen“ schnellstmöglich in Auftrag zu geben und „zu prüfen, ob die Einführung von Frauenbeauftragten in Einrichtungen erfolgen sollte“. Das hört sich sehr sinn- voll an. Wer aber über die Maßnahmen im behinderten- politischen Bereich informiert ist, reibt sich verwundert die Augen: Im Haushaltsplan 2007 sind sowohl die Stu- die als auch das Modellprojekt „Etablierung von Frauen- beauftragten in Einrichtungen für Menschen mit Behin- derungen“ als neue Maßnahme des Aktionsplans II der Bundesregierung zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen aufgeführt – als Titel 684 21 zu Kapitel 1702, klar benannt mit Laufzeit und Ausgaben. In den Haus- haltsplänen 2008 und 2009 sind dann beide Projekte als 22254 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009 (A) (C) (B) (D) Fortsetzungsmaßnahme aufgelistet. Laut Haushaltsplan 2009 läuft die wissenschaftliche Untersuchung zu Ge- walt gegen behinderte Frauen und Mädchen bereits seit Oktober 2008. Auf eine Kleine Anfrage unserer Fraktion listete die Bundesregierung am 8. Juli 2008 – Drucksa- che 16/9934 – die gleiche Untersuchung plötzlich wie- der als neue – in der Vorbereitung befindliche – Maß- nahme auf. Und auf meine Anfrage antwortete erst gestern Staatssekretär Dr. Hermann Kues, dass das Bun- desministerium für Familie, Senioren und Jugend voraussichtlich noch in dieser Woche einen diesbezügli- chen Werkvertrag mit der Universität Bielefeld abschlie- ßen wird. Es erübrigt sich jeder weitere Kommentar dazu. Inte- ressant zu wissen wäre allerdings, was mit den bisher veranschlagten Geldern passiert ist. Für das Haushalts- jahr 2007 waren für die Studie und das Modellprojekt „Frauenbeauftragte“ jeweils 150 000 Euro veranschlagt, für 2008 jeweils 250 000 Euro und für 2009 für die Stu- die 335 000 Euro und für das Modellprojekt 161 000 Euro. Beim Verein Weibernetz gibt es ja nun seit Dezember 2008 das Projekt „Frauenbeauftragte in Einrichtungen“, das vom Familienministerium bezahlt wird. Also wozu dann noch die Aufforderung dazu in diesem Antrag? Die anderen Forderungen des Antrags sind vernünf- tig, allerdings fehlt mir die klare Benennung, dass, wie und wo Gesetze konkret geändert werden sollen. Dazu verpflichtet bereits die UN-Behindertenrechtskonven- tion. Es reicht nicht, wenn sich die Bundesregierung bei den Ländern dafür einsetzt, das Hilfesystem zu verstär- ken, wie hier im Antrag gefordert. Vielmehr lese ich da- bei heraus, der Bund müsse sich nicht in der Verantwor- tung fühlen. Und wir müssen auch über weitere Ursachen reden: über die hohe Zahl von Frauen und Mädchen mit Behinderungen, die von Arbeitslosigkeit und Armut betroffen sind. Und wir müssen etwas dage- gen tun. Seit dem 30. Dezember 2003 gilt das neue Strafrecht mit neuen Regelungen, die auch behinderte und „wider- standsunfähige“ Frauen betreffen. Dabei sind einige For- derungen der Frauen- und Behindertenbewegung umge- setzt worden. Das war angesichts der Tatsache, dass nahezu 80 Prozent der Frauen und Mädchen mit Behin- derungen durchaus zu Opfern physischer und psychi- scher Gewalt werden und im Vergleich zu Frauen ohne Behinderungen doppelt so häufig Opfer sexueller Ge- walt sind, ein wichtiger Teilerfolg. Aber es bleibt für mich unakzeptabel, wenn in § 179 des Strafgesetzbuches nicht klargestellt wird, dass „behindert“ nicht gleich „widerstandsunfähig“ ist; denn widerstandsunfähig sind nur solche Personen, die keinen eigenen Willen entwi- ckeln können. Dies ist zum Beispiel bei Wachkomapa- tientinnen der Fall, aber bei weitem nicht bei allen Frauen mit Behinderung. Unerträglich ist für mich, dass „leichtere“ Sexualstraftaten bei behinderten Frauen nur als Vergehen bezeichnet werden, während diese bei nicht behinderten Frauen – richtigerweise – als Verbrechen ge- ahndet werden. Hier sieht die Linke dringenden Ände- rungsbedarf. Auch fehlt mir im Koalitionsantrag die klare Forde- rung nach einem flächendeckenden Präventionsnetz zum Schutz vor Gewalt gegen behinderte Frauen und Mäd- chen. Ohne dieses Netz ist der strukturellen Gewalt nicht wirklich zu begegnen. Strukturelle Gewalt liegt auch vor, wenn das Selbstbestimmungsrecht eingeschränkt ist oder vermeidbare Beeinträchtigungen gegeben sind. Hier trägt die Bundesregierung generell mit ihrer Spar- politik nicht zur Verbesserung der Situation behinderter Frauen bei – sei es bei der Gesundheitsreform, der Pfle- gereform oder der Föderalismusreform, die einen weite- ren Rückfall in Kleinstaaterei erwarten und befürchten lässt, dass die erkämpften Rechte der Behindertenbewe- gung im Hinblick auf bundeseinheitliche Standards wei- ter zerbröckeln. Nötig sind eine tatsächlich barrierefreie Gesundheitsversorgung, der Rechtsanspruch auf Eltern- assistenz, tatsächlich erreichbare Angebote der Frühför- derung usw. Auch die sogenannte Pflegereform im vergangenen Jahr war eine verpasste Chance, wirksame Maßnahmen zum Schutz von Frauen und Mädchen vor Gewalt zu er- greifen. Die Linke forderte das Recht der Wahl der Pfle- geperson; denn gerade vor dem Hintergrund der Gefahr von sexualisierter Gewalt in der Pflege wünschen sich viele Frauen mit Behinderung eine Frau als Pflegeperson für die (Intim-)Pflege. Sie haben den diesbezüglichen Antrag der Linken abgelehnt. Stattdessen steht nun im § 2 Satz 3 des SGB XI: Wünsche der Pflegebedürftigen nach gleichgeschlechtlicher Pflege haben nach Möglich- keit Berücksichtigung zu finden. – Diese Formulierung ist viel zu schwammig; denn mit dieser Formulierung ist es Pflegediensten nach wie vor möglich, einen Mann in die Pflegesituation zu schicken, wenn der Dienstplan es so ergibt. Welch eine Zumutung, wenn sich Frauen und Mädchen mit Behinderungen – darunter viele gewalter- fahrene Frauen – von Männern bei der Intimpflege hel- fen lassen müssen! Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition: Hören Sie auf, sich mit solchen Schaufenster- anträgen in Wahlkampfzeiten zu schmücken, und tun Sie wirklich etwas zur Verbesserung der Lebenssituation von Frauen und Mädchen – mit und ohne Behinderun- gen, und zwar vor der Wahl! Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frauen und Mädchen mit Behinderungen sind einer er- höhten Gefahr ausgesetzt, Opfer von Gewalt zu werden. Dabei sind sie auch von sexualisierter Gewalt und Aus- beutung betroffen. Seit Mitte der 90er-Jahre gibt es hier- über ausführliche empirische Studien. So ergab 1994 eine bundesweite Erhebung über sexualisierte Gewalt in stationären Einrichtungen, dass in der Hälfte der be- forschten Einrichtungen Fälle sexualisierter Gewalt ge- gen Menschen mit sogenannter geistiger Behinderung bekannt waren. Eine Studie in Wohneinrichtungen der Berliner Behindertenhilfe aus dem Jahr 1998 zeigt, dass jede dritte bis vierte Bewohnerin in der Altersgruppe der 12- bis 25-Jährigen von sexualisierter Gewalt betroffen war. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009 22255 (A) (C) (B) (D) Die Gründe für die besondere Gefährdung behinderter Mädchen und Frauen sind vielfältig. Sexualisierte Gewalt wird dabei jedoch nicht durch individuelle Verhaltens- weisen des Opfers provoziert; dies ist bekannt. Gewalt ist vielmehr im Kontext gesellschaftlicher Einstellungen zu den Opfergruppen zu sehen. Bündnis 90/Die Grünen sind der Auffassung, dass alle Frauen und Mädchen mit Behinderungen den gleichen Anspruch auf Schutz ihrer körperlichen Unversehrtheit wie Menschen ohne Behin- derung haben. Dies ist keine Selbstverständlichkeit. Noch bis zur letzten Reform des Strafgesetzbuches wirkte sich der sexuelle Missbrauch an sogenannten widerstandsunfähigen Personen, das heißt an Personen, die ihren Widerstand nicht äußern können, erheblich strafmildernd aus. Dies war ein unhaltbarer Zustand. Die rot-grüne Bundesregierung hat daher im Jahr 2003 dafür Sorge getragen, dass der Strafrahmen bei sexuellem Missbrauch widerstandsunfähiger Personen an den Strafrahmen, der üblicherweise bei sexueller Nötigung bzw. Vergewaltigung Anwendung findet, weitgehend angepasst wurde. Nichtsdestotrotz kann es auch heute noch zu Fallkonstellationen kommen, in denen bei sexu- ellem Missbrauch sogenannter Widerstandsunfähiger ein unterschiedlicher Strafrahmen zur Anwendung kommt. Auch Rot-Grün hat es in der vergangenen Legislatur nicht vermocht, die Frage der „Widerstandsunfähigkeit“ politisch abschließend zu klären. Diese Entscheidung wurde den Gerichten überlassen. Der Bundesgerichtshof hat in mehreren Entscheidungen bekräftigt, dass eine Widerstandsunfähigkeit voraussetze, dass der oder die Geschädigte aufgrund ihres Zustands zum Zeitpunkt der Tat nicht in der Lage sei, sexuelle Übergriffe des Täters abzuwehren. Dieser Zustand ist beispielsweise bei Wachkoma oder epileptischen Anfällen anzunehmen. Allein aus dem Umstand einer sogenannten geistigen Behinderung sei, so das Gericht, eine Widerstandsunfähig- keit nicht mehr abzuleiten. Diese Ausführungen sind nicht zufriedenstellend, zu- mal wenn man bedenkt, dass der Bundesregierung keine Erkenntnisse darüber vorliegen, ob und wie häufig auch heute noch die Justiz bei sexualisierter Gewalt gegenüber Frauen mit Behinderungen weiterhin auf den strafmil- dernden § 179 des Strafgesetzbuches – sexueller Miss- brauch widerstandsunfähiger Personen – zugreift. Ich ver- weise auf die Antwort auf unsere Große Anfrage auf Drucksache 16/9283. Um diese Erkenntnisse zu erlangen, bedarf es nach Auffassung von Bündnis 90/Die Grünen daher einer rechtstatsächlichen Untersuchung über die Anwendungspraxis des § 177 Strafgesetzbuch – sexuelle Nötigung, Vergewaltigung – und des § 179 Strafgesetz- buch bei sexualisierter Gewalt gegenüber Frauen mit Behinderungen. Es obliegt der Bundesregierung, heraus- zufinden, inwiefern auch heute noch der sexuelle Miss- brauch behinderter Menschen strafmildernd beurteilt wird. Fernab der Frage des Strafrahmens ist es insbesondere Aufgabe der Prävention, sexualisierte Gewalt zu verhin- dern. So gibt es verschiedenste Faktoren, die behinderte Frauen und Mädchen besonders verletzlich machen. Fremdbestimmte Abhängigkeit, Diskriminierung, Stig- matisierung sowie Uninformiertheit sind da nur einige Stichpunkte. Das von der rot-grünen Bundesregierung im Rahmen des § 44 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch initiierte Projekt „SELBST – Selbstbewusstsein für behinderte Mädchen und Frauen“ hatte zum Ziel, Selbst- behauptungs- und Selbstverteidigungskurse für behin- derte Frauen und Mädchen innerhalb und außerhalb des Behindertensports zu konzipieren. Das Projekt endete im September 2006. Aus der Praxis hören wir jedoch, dass die Übungspläne im Rehabilitationssport nicht zur An- wendung kommen. Der nun vorliegende Antrag gibt uns die Möglichkeit, diese Problematiken in den Ausschüssen zur Sprache zu bringen und nach Lösungsmöglichkeiten zu suchen. Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Kontrollrechte aus Bundesbeteiligungen strategisch nutzen (Tages- ordnungspunkt 15) Klaus-Peter Willsch (CDU/CSU): In Zeiten wie den gegenwärtigen, in denen wir als Staat aus Sorge um die Funktionsfähigkeit des Finanzsektors mit dem Finanz- marktstabilisierungsgesetz gewaltig in das Marktgesche- hen eingegriffen haben, mag die Verlockung groß sein, den Staat in weiteren Bereichen zum Akteur, gar zur Schlüsselfigur zu machen. Die Grünen bewegen sich in diesem Fahrwasser, wenn sie ein einheitliches Beteili- gungsmanagement für den Bund entwickeln wollen. Sie bemängeln darüber hinaus in ihrem Antrag, dass der Bund bei seinen Beteiligungen Kontrolldefizite habe und unter anderem die Aufsichtsratsmitglieder und die Ver- treter in den Hauptversammlungen ungenügend schule. Im Rahmen des Haushaltsrechts soll eine effektivere Kontrolle des Bundestages erreicht werden, welches nicht durch Geheimhaltungspflichten, zum Beispiel aus dem Aktiengesetz, unterlaufen werden soll. Die CDU/CSU-Fraktion lehnt den Antrag aus verschiedenen Gründen ab. So ist nicht nur die von den Grünen geforderte Entwicklung von sozialen und ökolo- gischen Kriterien für eine Unternehmenspolitik des Bun- des vollkommen sachfremd. Unternehmen sollten nach betriebswirtschaftlichen Kennziffern, nicht nach tages- politischen Opportunitäten oder Kategorien von Gut- menschentum und Political Correctness geführt werden. Dies ist für mich jedoch nicht der einzige Grund. Die ständigen Kollisionen von parlamentarischen Auskunfts- wünschen und betrieblichen Geheimhaltungspflichten machen deutlich, dass es klug ist, wenn der Staat sich weitgehend aus dem operativen Geschäft im Markt he- raushält. Diese beiden rechtlichen Regelkreise sind von ihrer Regulierungsabsicht her zu unterschiedlich, als dass sie sich sinnvoll versöhnen ließen: Parlamentarische Kon- trolle von Regierungshandeln ist auf Transparenz und Offenheit angelegt, um so eventuelles Fehlverhalten, Inef- fizienzen mit öffentlicher Kritik begleiten und abstellen zu können. Im Wirtschaftsrecht steht das Unternehmen im Vordergrund, Betriebsgeheimnisse und Wettbewerbs- 22256 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009 (A) (C) (B) (D) vorteile gegenüber Mitanbietern sind zu schützen, es müssen strategische Überlegungen zur zukünftigen Aus- richtung des Unternehmens vertraulich ausgetauscht und vereinbart werden können. Werden hier Fehler gemacht, werden sie vom Markt bestraft. Von Ausnahmen abgesehen – etwa bei herausragenden nationalen Interessen oder bei Marktversagen – ist der Staat in einer marktwirtschaftlichen Ordnung Regelsetzer, Normengeber, Regulierer, Überwacher, kurz: Er gibt den Rahmen vor und wacht über die Einhaltung der Regeln, er ist aber eben nicht Akteur im Markt. Beim Fußball gehört der Schiedsrichter zu keiner der beiden Mannschaften im sportlichen Wettbewerb, sondern er wacht über die Ein- haltung der Regeln und greift bei Verstößen ein, damit die bessere oder glücklichere Mannschaft sich im fairen Wettstreit durchsetzt. Natürlich sitzt er weder bei der einen noch bei der anderen Mannschaft bei der Teambespre- chung dabei, er würde seine Unparteilichkeit damit nachhaltig verspielen. Deshalb sollten wir uns von allen staatlichen Firmenbeteiligungen trennen, sofern diese nicht aus wichtigen nationalen Interessen erforderlich sind, sobald es das Marktumfeld zulässt. Neben diesen mehr grundsätzlichen Feststellungen muss der Antrag der Grünen auch als überflüssig bezeichnet werden, da die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ausführlich über die Wahrnehmung der Aufsichts- und Kontrollfunktion des Staates als Anteilseigner berichtet hat. Die darin enthaltenen Informationen zeigen mir, dass hier keine weitere Regulierung notwendig ist. Dass Aufsichtsräte auch einmal Fehler begehen oder gewisse Entwicklungen nicht absehen können, ist nur natürlich. Weltweit haben nur wenige Wissenschaftler, Politiker, Manager und Aufsichtsräte die Finanz- und Wirtschaftskrise vorhergesehen. Die Schulung möchte ich sehen, welche Aufsichtsräte dazu in die Lage versetzt hätte, die aufziehende Gefahr in diesen Dimensionen zu erkennen. Ich habe hier Zutrauen in unser Spitzenpersonal: Der größte Teil der Mitglieder von Aufsichtsräten wird seine Aufgabe mit der notwendigen Sachkenntnis und großem Engagement erfüllen. Dazu gehört auch, dass sich die Aufsichtsräte bei Antritt ihres Postens in die Materie einarbeiten und auch während ihrer Zugehörig- keit selbstständig für eine entsprechende Weiterbildung sorgen. Sie erfüllen ihre Aufgabe nach bestem Wissen und Gewissen. Die Grünen übersehen auch, dass wir eine klare Geset- zeslage haben: Vorstände deutscher Unternehmen haften für eine ordnungsgemäße Unternehmensführung. Falls Sorgfaltspflichtverletzungen vorliegen, können die Kapital- geber Schadensersatzansprüche geltend machen; die Staatsanwaltschaft hat gegebenenfalls Straftatbestände wie den der Untreue zu prüfen. Aufsichtsratsmitglieder haften für die Sorgfalt eines ordnungsgemäßen Überwa- chers, ihnen drohen vergleichbare Sanktionen im Falle von Pflichtverletzungen. Ich bin davon überzeugt, dass die Krise im Finanzsektor der letzten Monate dazu führt, dass diejenigen Aufsichtsräte, welche sich bisher der Verantwortung nicht genug bewusst waren, sich nun we- sentlich intensiver mit ihrer Aufgabe auseinandersetzen. Auch treten die Aufsichtsräte durch die Vorgänge in der derzeitigen Krise mehr in den Blickpunkt der Öffentlich- keit und unterliegen somit verstärkt einer Kontrolle durch die Gesellschaft insgesamt. Ich habe mir im Vorfeld der Debatte einmal die Beset- zung der Aufsichts- bzw. Verwaltungsräte von Deutscher Telekom, Deutscher Bahn, Deutscher Post und KfW angesehen. Nach der Theorie der Grünen sollten wir zumindest den Vertretern des Bundes in diesen Gremien Nachhilfe zur Erfüllung der Aufgaben im Aufsichtsrat geben. Demnach sollten wir also die gesamte Führungs- spitze des Bundesfinanzministeriums auf die Schulbank schicken. Meine lieben Kollegen von den Grünen, das wird doch nicht Ihr Ernst sein. Zudem hat die Bundes- regierung in ihrer Antwort darauf hingewiesen, dass bei besonderem Bedarf bereits Fortbildungsveranstaltungen angeboten werden. In ihrer Kleinen Anfrage aus dem Dezember führen die Grünen die Überwachungsskandale bei der Deut- schen Telekom AG und der Deutschen Bahn AG als Be- lege für das Versagen des Staates bei der Kontrolle sei- ner Beteiligungen an. Wie hätte hier der Staat Regeln entwickeln sollen, die diese Vorgänge verhindert hätten? Vor wenigen Monaten hätte wohl kaum jemand vermu- tet, dass solche Vorgänge möglich sind. Oder wie hätten bundespolitische Vorgaben die berühmte Montagsbu- chung der KfW an Lehman verhindern sollen? Wie hät- ten die Aufsichtsräte der Deutschen Bahn die Achsen der ICEs mit ihrem Röntgenblick selbstständig untersuchen sollen? Es gibt Vorgänge in Unternehmen, die durch noch so viele Regeln nicht zu verhindern oder zu beeinflussen sind. Bitte bedenken Sie: Der Staat ist kein guter Unterneh- mer, wofür wir in jüngster Vergangenheit eine Reihe trauriger Belege vorgefunden haben. Umso weniger sollte er versuchen, privatwirtschaftlich wirtschaftende Unternehmen etwa Leitlinien für ein Geschäftsmodell vorzugeben. In der Sondersituation durch die Finanz- krise sind in Teilen besondere Schritte eingeleitet worden. Diese staatliche Einflussnahme sollte jedoch nicht zur Regel werden, sondern eine Ausnahme bleiben und strikt auf die zur Zweckerreichung erforderliche Zeit be- schränkt werden. Wie andere börsennotierte Unternehmen auch unter- liegen Unternehmen mit Bundesbeteiligung dem An- wendungsbereich des Deutschen Corporate Governance Kodex. Darüber hinaus haben die auf Veranlassung des Bundes gewählten oder entsandten Mitglieder in Überwa- chungsorganen sowie die beteiligungsführenden Stellen des Bundes mit den Hinweisen für die Verwaltung von Bundesbeteiligungen eigene Grundsätze guter Unterneh- mensführung. Die Eingriffs- und Kontrollmöglichkeiten des Bundes aus den vorgenannten Sachverhalten sind ausreichend, um die Kontrollrechte in Unternehmen mit Bundesbeteiligun- gen auszuüben. Daher sei abschließend noch einmal fest- gestellt: Meine Fraktion lehnt den Antrag von Bündnis 90/ Die Grünen ab. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009 22257 (A) (C) (B) (D) Bernhard Brinkmann (Hildesheim) (SPD): Lassen Sie mich zunächst feststellen, dass der heutige Antrag von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf einer Ant- wort der Bundesregierung beruht, die anlässlich einer Kleinen Anfrage bereits ausführlich behandelt worden ist. Schon der Ausgangspunkt dieser Anfrage und der heute gestellte Antrag gehen nach Auffassung der SPD- Fraktion von unzutreffenden Annahmen und falschen Tatsachen aus. Ich möchte das an zwei Beispielen deutlich machen: Erstens. Die Aussage, es gebe massive Probleme im Management von Unternehmen mit bedeutenden staatli- chen Beteiligungen, ist weit hergeholt und trifft nicht zu. Unternehmerisches Handeln ist nicht per se erfolgreich, sondern auch mit dem Risiko von Verlusten verbunden. Wer etwas anderes behauptet und dabei die Deutsche Post AG, die Deutsche Telekom oder die Deutsche Bahn AG – aktuell den Überwachungsskandal – als pauschale Gründe für das Versagen des Staates aufführt, handelt unverantwortlich und fahrlässig, denn gerade in den ak- tuellen Fällen erfolgt eine Aufarbeitung und Überprü- fung auch durch die Aufsichtsräte des Unternehmens. Zweitens. Der Staat übt wie jeder private Anteilseig- ner seine Funktionen aus. Er hat bei der Kontrolle seiner Beteiligungen nicht versagt, sondern er verhält sich nach Aktien- und Beteiligungsrecht sehr verantwortungsbe- wusst und korrekt. Auch hier hat der hehre Grundsatz Gültigkeit: „Wo Menschen tätig sind, passieren auch Fehler“ – fehlerfrei ist jedenfalls niemand. Die Unter- nehmen mit Bundesbeteiligungen werden wie Unterneh- men mit privater Anteilsstruktur geführt, und das ist auch gut so. Dies ist der richtige Ansatz der seit Jahr- zehnten bewährten privatwirtschaftlich orientierten Be- teiligungsführung. Der Bund kann hier auch nur den Einfluss geltend machen, der ihm aufgrund seiner Betei- ligung zusteht. Nicht mehr und auch nicht weniger. Der Bund verfolgt mit seinen Beteiligungen keine übergeordnete Konzernstrategie, denn der Staat ist nicht Unternehmer im Wettbewerb auf verschiedenen Märk- ten. In einer marktwirtschaftlichen Ordnung soll er sich nach Auffassung meiner Fraktion grundsätzlich nicht an industriellen oder sonstigen erwerbswirtschaftlichen Un- ternehmen beteiligen, es sei denn, dieses dient, wie § 65 BHO sagt, zur Erfüllung einer wichtigen Aufgabe des Bundes. Die aktuellen Ereignisse, die in der internatio- nalen Finanzkrise begründet sind, bedürfen einer gründ- lichen Prüfung. Das wird durch die Bundesregierung auch gewährleistet. Darüber hinaus gilt für den Umgang mit den aus Bundesbeteilungen entstehenden Kontroll- rechten seit langem eine Grundlage, die auch über das Internet einsehbar ist. Hier gibt es viele „Hinweise für die Verwaltung von Bundesbeteiligungen“. Auch der populistische Hinweis, die vom Bund ge- wählten oder entsandten Mitglieder von Überwachungs- organen seien nicht ausreichend qualifiziert und müssten darüber hinaus regelmäßig geschult werden, geht völlig ins Leere. Wie bei jedem privaten Anteilseigner ist es im Interesse des Bundes, nur entsprechend qualifizierte Per- sonen in Aufsichtsräte zu berufen oder in Hauptver- sammlungen zu entsenden. Aus diesem Grund wurden die bereits seit 1959 bestehenden und auch im Internet einsehbaren „Berufungsrichtlinien für die Besetzung von Gremien“ fortentwickelt. Dort sind auch die Krite- rien – insbesondere fachliche Qualifikation; keine Inte- ressenskonflikte – und Entscheidungswege dargelegt. Bei Bundesbeteiligungen sehen diese Regeln auch vor, dass bei der Besetzung von Aufsichtsräten keine Personen berücksichtigt werden sollen, die bereits drei Aufsichtsratsmandate haben – und sind damit enger ge- fasst als im Deutschen Corporate Governance Kodex. Die Qualifikation der Aufsichtsräte etc. beruht auf Ausbildung, erfolgreichem beruflichen Werdegang und einer entsprechenden Persönlichkeit, nicht auf Schulun- gen. Man kann „Aufsichtsrat“ meines Erachtens nicht erlernen, man muss aber bereit sein, sich das „Hand- werkszeug“ anzueignen. Gleichwohl werden Schulun- gen mit unterschiedlichen Zielsetzungen angeboten. Der Bund ist kein Konzern: Angesichts der Band- breite der Unternehmen, die von Forschungseinrichtun- gen wie dem Deutschen Primatenzentrum über die Fi- nanzagentur bis hin zu Minderheitsbeteiligungen in der Telekommunikation reichen, sind einheitliche uniforme Strategien weder sinnvoll noch möglich. Die Unternehmensplanung und -organisation, wie etwa Investitions- und Standortpolitik, Datenschutz, technische Kontrolle bei Maschinen und Geräten, ist zu- dem grundsätzlich Aufgabe des Vorstands bzw. der Ge- schäftsleitung. Diese Maßnahmen werden – soweit rechtlich vorgesehen – mit den Überwachungsorganen und/oder der Anteilseignerversammlung abgestimmt. Besonderheiten aus der Umsetzung der Konjunkturpa- kete sind für jedes Unternehmen einzeln durch die zu- ständigen Unternehmensorgane zu beurteilen. Eine Änderung des Haushaltsrechts mit Blick auf die Kontrollfunktion des Parlaments ist nicht erforderlich. Das operative Geschäft organisationsprivatisierter oder teilprivatisierter Gesellschaften mit Bundesbeteiligung fällt nach geltender Verfassungslage in die alleinige Zu- ständigkeit der Unternehmen selbst. Diese Trennung ist mit Blick auf klare Zuständigkeiten und Verantwortlich- keiten wichtig und hat sich bewährt. Soweit Informatio- nen, die den Zuständigkeitsbereich der Regierung und zugleich die Rechte der Unternehmen betreffen, erbeten werden, können diese mit Einverständnis der Betroffe- nen in Verfahren, die die Vertraulichkeit sichern, auch dem Parlament oder den zuständigen Ausschüssen zur Kenntnis gegeben werden. Geheimhaltungspflichten ste- hen einer parlamentarischen Kontrolle nicht entgegen, sondern sind ihr notwendiger und fester Bestandteil. Meine Ausführungen haben deutlich gemacht, dass der vorliegende Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen nicht zielgerichtet ist und daher abgelehnt wer- den muss. Ulrike Flach (FDP): Der vorliegende Antrag greift ein Problem auf, das auch die FDP-Fraktion erkennt und ernst nimmt. Wie geht der Bund mit seinen Möglichkei- ten um, die ihm aus den strategischen Beteiligungen an Unternehmen erwachsen? 22258 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009 (A) (C) (B) (D) In der Analyse können wir durchaus zustimmen. Der Bund hat bisher offenbar keine Strategie, was er durch seine Beteiligungen erreichen will, wie er sie nutzt und entsprechend dem politischen Willen steuert. Bei Bahn, Post oder Telekom ist das klar zu erkennen. Und ich füge hinzu: Bei der IKB gab es ebenfalls keine Strategie. Beim Einstieg in die Bankenlandschaft fehlt mir auch nach wie vor eine klare Perspektive, welche Rolle sich der Bund hier vorstellt. Allerdings gibt es deutliche Akzentverschiebungen zwischen Ihrem und unserem Lösungsansatz. Ihr Antrag sagt zwar, es solle keine Rückkehr zu Wirtschaftsdirigis- mus und Eingriffen ins operative Management geben. Aber einige Spiegelstriche dahinter fordern Sie die An- wendung ökologischer und sozialer Kriterien in den bun- desbeteiligten Unternehmen. Sie meinen, mit ein wenig Schulung könnten Sie aus Bundesbeamten Manager ma- chen. Das wird scheitern. Unser Weg geht in eine andere Richtung: Wenn der Staat bzw. seine Repräsentanten in den Aufsichtsräten nicht strategisch ausgerichtet agieren, wenn sie nicht für ihre Rolle ausgebildet sind und ihre Kontrollrechte nicht kennen, dann ist nicht ein bisschen Schulung die Lö- sung, sondern der Rückzug des Staates aus solchen Un- ternehmen. Der Staat ist nicht der bessere Unternehmer. Das haben die Landesbanken gezeigt, das hat auch die KfW gezeigt, und ich fürchte, das wird sich auch bei der Commerzbank zeigen. Deshalb kann man zwar einzelne Punkte Ihres Antrags durchaus begrüßen, aber die Lö- sung liegt nicht in einer Begrenzung der Zahl der Auf- sichtsratsmandate, sondern in einer Begrenzung des Staatsanteils. Ich sage das gerade, weil der Trend momentan in eine andere Richtung geht. Es wird die große Aufgabe der nächsten Bundesregierung sein, eine Ausstiegsstrategie für die staatlichen Unternehmensbeteiligungen zu entwi- ckeln. Wir sollten uns beispielsweise nicht in den 25 Prozent plus eine Aktie Anteil an der Commerzbank eine ökologische Nische bauen, sondern der Bund sollte dort baldmöglichst mit einer gewinnorientierten Strate- gie wieder aussteigen, sobald die Bank eigenständig ihr Geschäftsmodell weiterfahren kann. Größere Staatsanteile an Unternehmen verzerren den Markt. Wir können das jetzt schon erkennen in einer Flucht der Anleger hinter einen vermeintlichen staatli- chen Garantieschirm. Diesen Ausnahmezustand als Dau- erzustand zu akzeptieren hieße, diejenigen Unterneh- men, die nicht staatliche Beteiligungen oder Garantien bekommen, mittelfristig ebenfalls zu Bittstellern zu ma- chen. Das wäre der Einstieg in den Staatskapitalismus, den zumindest der überwiegende Teil des Hauses sicher- lich nicht will. Ich glaube, viele haben noch gar nicht erkannt, wel- che massiven Probleme wir uns mit den Staatsanteilen an Unternehmen ins Haus holen. Diesen Ausstieg zu or- ganisieren wird eine der historischen Aufgaben der deut- schen Liberalen sein, denn alle anderen Parteien sind zu staatsgläubig, um dies entschieden durchzusetzen. Ihr Antrag bringt zwar einige kleine Verbesserungen; der Herausforderung eines völlig neuen Verhältnisses von Staat und Wirtschaft wird er aber nicht gerecht. Des- halb werden wir uns zu Ihrem Antrag enthalten. Roland Claus (DIE LINKE): Selbstverständlich ist der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen von ak- tueller Bedeutung. Und weil er das ist, will ich mir auch die Frage verkneifen, warum diese strategische Kontroll- rechtenutzung nicht in den sieben Jahren bündnisgrüner Regierungsbeteiligung verwirklicht worden ist. Es ist ja gut und wichtig, dass der einen oder anderen einstigen Verfechterin, dem einen oder anderen einstigen Verfech- ter neoliberaler Wirtschaftsstrategien nun doch endlich ein Licht aufgeht. Und da soll man dann ja auch nicht kleinlich sein, sondern an einem Strang ziehen. Allerdings ist der Begriff „strategisch“ im Antrags- titel zu vollmundig gewählt. Strategie heißt Summe und Vielfalt aller Wege zu einem vorbestimmten Ziel. Was die Grünen-Fraktion hier anbietet, ist ein respektabler Reparaturbetrieb des bestehenden Gefüges. Ein Weg zu neuen Zielen der Bundesbeteiligung an übergroßen Un- ternehmen jedoch ist das nicht. Es liegt auf der Hand, dass sich dieser Tage eine De- batte wie die heutige auf die Deutsche Bahn AG fokus- siert. Es gibt dort einen in seinem Gesamtausmaß immer noch nicht bekannten Mitarbeiterausspionierungsskan- dal, und sowohl Vorstandsvorsitzender Hartmut Meh- dorn als auch der zuständige Minister Wolfgang Tiefen- see versagen vollständig bei der Aufklärung, bei einem Konzern, bei dem der Staat, also die öffentliche Hand Alleingesellschafter ist. Der Skandal macht deutlich, wie viel da absolut im Argen liegt. Wenn man nun etwa versucht, sich mittels des Beteili- gungsberichts 2008 der Bundesregierung ein wenig ins Bild zu setzen über die Situation des Konzerns Deutsche Bahn AG, wächst die Undurchsichtigkeit von Seite zu Seite. Nehmen wir nur die Deutsche Bahn AG als Be- standteil des Konzerns Deutsche Bahn AG, zu dem au- ßerdem Unternehmen wie DB Mobility Logistics AG, Schenker AG, Railion Deutschland AG, DB Netz AG, DB Regio AG, DB Fernverkehr AG und DB Station& Service AG gehören. Beim Teilunternehmen Deutsche Bahn AG stellt die öffentliche Hand mit 2,15 Milliarden Euro 100 Prozent des Grundkapitals, aber im 25-köpfi- gen Aufsichtsrat ist sie mit ganzen 5 Personen – also ei- nem Fünftel – vertreten: einem Mitglied des Bundesta- ges und vier Staatssekretären; einem aus dem Bundes- ministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, ei- nem aus dem Bundesministerium der Finanzen und zweien aus dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie. Was müssen die wissen, was können die beeinflussen, was dürfen die tun als so kleine Minder- heit? Im Aufsichtsrat des Konzernbestandteils DB Mobi- lity Logistics AG ist die öffentliche Hand gar nicht ver- treten, bei DB Netz mit 3 von 22 Mitgliedern usw. Mit Recht wird im Antrag die Forderung nach einer Beteiligungsstrategie aufgestellt. Bleiben wir beim Kon- zern Deutsche Bahn AG. Die Gewinn- und Verlustrech- nung des Konzerns weist im Beteiligungsbericht keine Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009 22259 (A) (C) (B) (D) Angaben dahin gehend aus, wie sich die Umsatzerlöse auf die Inlands- und Auslandsgeschäfte verteilen. Es wird ein Jahresüberschuss 2007 in Höhe von 1,716 Milliarden Euro vermeldet, aber man weiß nicht, wie er sich zusammensetzt. Und das lässt die Bundesre- gierung zu. Sie lässt zu, dass es keine Klarheit darüber gibt, was dieses ganze Getöne der Konzernspitze vom „Globalen Logistiker“ wirklich gebracht hat und wie groß der Anteil der öffentlichen Gelder, die aus den Län- dern an die DB Regio AG für den Regionalverkehr ge- zahlt werden, am Jahresüberschuss ist. Die Frage ist also ganz einfach: Hat die Bundesregierung die Strategie, dass die DB AG vor allem der Daseinsfürsorge in Deutschland zu dienen hat, oder ist ihre Strategie noch immer der Börsengang, dem – wie man von Tag zu Tag deutlicher erkennen kann – alle Dienstleistung im Sinne der Daseinsfürsorge geopfert werden wird? Eine höchst undurchsichtige Beteiligungsstrategie verfolgt die Bundesregierung auch in Bezug auf Ost- deutschland. Der Beteiligungsbericht 2008 weist insge- samt für Deutschland und das Ausland 454 Beteiligun- gen des Bundes mit einem Nennkapital von mindestens 50 000 Euro und mindestens 25 Prozent aus. Von diesen 454 Beteiligungen sind ganze 18 – ich wiederhole: 18, also ganze 3,9 Prozent – in Ostdeutschland ohne Berlin angesiedelt. Die bedeutendsten unter diesen 18 sind mit dem Konzern DB AG verbunden. Übrig bleiben dann solche Posten wie etwa eine Beteiligung mit 51 129 Euro an der Abwicklung – ja, Abwicklung! – des DFA Fertigungs- und Anlagenbaus GmbH Chemnitz. Solche Zahlen sagen über den Stand der deutschen Einheit mehr aus als alle Reden des Ost-Beauftragten der Bundesregierung zum Osten zusammen. Man stelle sich nur für einen winzigen Moment vor, er hätte sich dafür eingesetzt, dass die High-Tech Gründerfonds GmbH & Co. KG mit 88,24-prozentiger Bundesbeteiligung, die 239,95 Millionen Euro ausmacht, statt in Bonn in Dres- den oder Jena angesiedelt wird. So aber begnügen wir uns freudig damit, dass der Bund über die TLG mit 188 000 Euro – gleich 94 Prozent – am Hotel de Saxe an der Frau- enkirche GmbH & Co. KG in Dresden beteiligt ist – und hoffen, dass es wenigstens da keine Skandale gibt. Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Immer wieder geraten Unternehmen im staatlichen Be- sitz, mit staatlicher Mehrheit bei den Anteilen oder mit maßgeblicher staatlicher Beteiligung in die Schlagzeilen. Der Überwachungsskandal bei der Telekom und die Spit- zelaffäre bei der Deutschen Bahn, die immer weitere Kreise zieht, sind aktuelle und besonders negative Bei- spiele. Die Telekom hat auch durch Rationalisierungsmaß- nahmen bei den Servicecentern heftigen Protest auf sich gezogen, die Deutsche Bahn ist mit den Problemen beim ICE-Einsatz in der Kritik. Die Deutsche Post AG musste nach den Verlusten auf dem US-Paketmarkt ihre Ge- winnerwartungen drastisch reduzieren. Managementpro- bleme bei der KfW und den Landesbanken haben sowohl die Medien als auch Bund und Länder stark beschäftigt. An schlechten Beispielen mangelt es wahrhaftig nicht. Und für die meisten Skandale brauchte es noch nicht einmal die Finanzkrise. Da drängt sich doch die Frage auf, ob der Staat bei der Kontrolle seiner Beteili- gungen versagt. Nun haben wir die Finanz- und Wirt- schaftskrise, Skandale und Versagen können wir noch weniger gebrauchen als sonst. Doch beim Bankenret- tungspaket ist genau das zu befürchten, da der Bund auf verbindliche Vorgaben für die Geschäftspolitik der Ban- ken verzichtet und eine aktive Rolle als Anteilseigner ausschließt. Die Antwort der Bundesregierung auf unsere Kleine Anfrage zum Beteiligungsmanagement des Bundes zeigt: Der Bund verfolgt beim Umgang mit seinen Betei- ligungen keine Strategie. Die Schulung von Aufsichts- ratsmitgliedern und Vertretern auf Hauptversammlungen findet nicht statt. Zwar sprechen die „Hinweise für die Verwaltung von Bundesbeteiligungen“ des Finanzminis- teriums davon, dass der Einfluss des Bundes bei Beteili- gungen an Unternehmen entsprechend sichergestellt werden muss. Es gibt Aufgabenbeschreibungen für die Vertreterinnen und Vertreter des Bundes in den Unter- nehmen. Die Praxis lässt aber deutliche Zweifel am ver- antwortlichen Umgang mit diesen Kontrollrechten zu. Vertreter des Bundes in Aufsichtsräten oder Anteilseig- nerversammlungen von Unternehmen werden nicht be- sonders auf ihre Aufgabe vorbereitet. Sie sollen sich die notwendigen Kenntnisse selbst aneignen, heißt es in der Antwort der Bundesregierung. Die Unternehmenspla- nung und -organisation sei grundsätzlich Aufgabe des Vorstandes bzw. der Geschäftsleitung. Auch wir wollen nicht, dass der Staat dirigistisch in die Unternehmensführung eingreift. Es geht lediglich um Kontrollrechte, wie sie jeder private Investor auch ausübt. Doch die massiven Probleme im Management von Unter- nehmen mit bedeutenden staatlichen Beteiligungen oder Mehrheitsbeteiligungen haben die Bundesregierung nicht zu einer Änderung dieser Haltung bewegt. Sie hat aus den Fehlern der Vergangenheit nichts gelernt und wird diese auch bei den weiteren Maßnahmen zur Bewältigung der Finanzmarktkrise wiederholen. Darum fordern wir die Bundesregierung noch einmal nachdrücklich auf, ihrer Verantwortung bei den Bundesbeteiligungen nachzu- kommen und ihre Kontrollrechte auszuüben. Sonst sind die nächsten Skandale durch Missmanagement vorpro- grammiert. Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Untersuchungshaftrechts (Tages- ordnungspunkt 16) Wolfgang Nešković (DIE LINKE): Seit Jahrzehnten demonstriert der Gesetzgeber an kaum einem anderen Rechtsgebiet so deutlich fehlendes rechtsstaatliches Inte- resse wie bei dem Untersuchungshaftrecht. Eine Hand- voll Normen, gewürzt durch Verwaltungsvorschriften der Länder aus dem Jahre 1953 waren schon alles, was der Rechtsstaat aufbot, um der Unschuldsvermutung und den Freiheitsrechten der Beschuldigten Rechnung zu tragen. 22260 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009 (A) (C) (B) (D) Umso höher waren die Erwartungen an den nun einge- brachten Entwurf. Es hätte sich die Gelegenheit geboten, zahlreiche sinnvolle Forderungen aus Wissenschaft und Praxis der letzten Jahrzehnte zu berücksichtigten. Der Entwurf berücksichtigt jedoch nicht die geforderte Ein- schränkung und Konkretisierung der Haftgründe, die Forderung nach der Abschaffung des Haftgrundes der Wiederholungsgefahr, die Notwendigkeit, den Beschleuni- gungsgrundsatz zu präzisieren, und auch nicht die ange- mahnte Festschreibung von zwingenden Höchstgrenzen der Haftdauer. Trotz einer längst überfälligen großen Reform des Untersuchungshaftrechts hinsichtlich dieser und anderer Forderungen hat sich Frau Zypries nicht einmal in der Lage gesehen, ein Reförmchen auf die Beine zu stellen. Das liegt nicht nur am unzureichenden politischen Gestal- tungswillen der Ministerin, sondern auch daran, dass sie in der Vergangenheit dafür gesorgt hat, ein Juwel sozial- demokratischer Rechtspolitik aus der Zuständigkeit des Bundes den Ländern zu überantworten. Im Rahmen der Föderalismusreform hat sie das Strafvollzugsgesetz aus dem Jahre 1976 gegen den heftigen Widerstand der Fachwelt aus rein opportunistischen Gründen in die Kompetenz der Länder gegeben. Hierbei hat man im Untersuchungshaftrecht den vollzugsrechtlichen Teil, der bisher immer Teil des Gerichtsverfahrens gewesen war, auch den Ländern übertragen. Damit hat man sinnwidrig getrennt, was früher einheit- lich geregelt war und heute nicht mehr einheitlich geregelt werden kann. Bisher lag gemäß § 119 StPO der gesamte Vollzug einheitlich in der Hand desselben Richters. Das betraf nicht nur den Zweck der Untersuchungshaft, sondern auch den der Ordnung in der Vollzugsanstalt. Da nun der Bund nicht mehr einheitlich zuständig ist, muss die bishe- rige Rechtsgrundlage in § 119 StPO geändert werden. Die neuen Regelungen erfassen nur noch diejenigen An- ordnungen und Beschränkungen der Rechte, die dem Zweck der Untersuchungshaft zur Sicherung der Durch- führung des Strafverfahrens dienen. Die Länder dürfen nun selbst darüber entscheiden, wie die Regelungen aussehen sollen, die den Vollzug als solchen betreffen, also alles, was man für die Wahrung von Sicherheit und Ordnung in der Vollzugsanstalt regeln muss. Die Trennung hat sich in der Praxis bisher als völlig untauglich erwiesen. Das zeigen zum Beispiel die Erfahrungen mit dem niedersächsischen Justizvollzugsgesetz. Jetzt werden zwei verschiedene Richter auf der Grundlage von zwei verschiedenen Ge- setzen Entscheidungen treffen müssen, die durchaus denselben Gegenstand betreffen können. Denn für die Durchführung des Verfahrens ist auch die Sicherheit der Haftanstalt maßgeblich, die wiederum durch Regelungen zur Durchführung des Verfahrens betroffen sein kann. Für diesen groben Unfug findet der Gesetzentwurf eine feine Sprache. Er nennt es eine „gewisse Über- schneidung der Kompetenzen“. Es bleibt aber ein grober Unfug. Es ist ein grober Unfug auf dem Rücken der Beschuldigten, der Richter und der Strafvollzugsanstalten. Es bleibt zu hoffen, dass sich in Zukunft verstärkt euro- päische Organisationen dieses Problems annehmen. Denn nahezu alles, was am vorgelegten Entwurf begrüßenswert ist, stammt aus deren Initiativen. So enthält der Entwurf tatsächlich die Umsetzungen von Forderungen nach erweiterten Informationsrechten für die Beschuldigten, wie sie der Europäische Ausschusses zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behand- lung oder Strafe erhob. Das führt mich zum Fazit: Die Justizministerin zeigt erneut, dass sie ihr Amt lediglich mit dem Bewusstsein einer Politikbeamtin verwaltet. Große rechtspolitische Gestaltungsakte sind von ihr nicht zu erwarten. Für das Untersuchungshaftrecht heißt das konkret: Wenn auch die Rechte der Beschuldigten bei Festnahmen und in der Untersuchungshaft weiterhin unzureichend ausgestaltet sind, sollen die Beschuldigten nun wenigstens in umfas- sender Weise über ihre unzureichenden Rechte informiert werden. Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts: Kontraproduktive US-Operationen in Pakistan sofort einstellen – Umfassende Strate- gie zur Stabilisierung Pakistans entwickeln (Zu- satztagesordnungspunkt 5) Holger Haibach (CDU/CSU): In einem trifft der vorliegende Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen den Kern der Sache: Es ist höchste Zeit, dass die interna- tionale Gemeinschaft die Situation in Pakistan vertieft in den Blick nimmt und hilft, Lösungsansätze zu entwi- ckeln. Das ergibt sich aus der Bedeutung Pakistans an sich, aber auch aufgrund seiner geografischen Lage. Pakistan ist mit mehr als 150 Millionen Menschen ein sehr bevölkerungsreicher Staat. Er ist Atommacht, hat sich aber nicht oder nur teilweise den entsprechenden in- ternationalen Kontrollregimen unterworfen. Pakistan be- findet sich durch vielfältige Interessenkollisionen seit seiner Gründung in einer ständigen Auseinandersetzung mit Indien, die bisweilen gewaltsame Züge annimmt. Und nicht zuletzt ist Pakistan Nachbar Afghanistans und damit auch deshalb für Deutschland und die internatio- nale Staatengemeinschaft ein wichtiger Partner. Es ist als Transitland für Drogen, Rückzugsort für Terroristen, aber eben auch als wichtiger regionaler Akteur und mili- tärischer Verbündeter Teil des „Problems“ und Teil der Lösung des Problems. Da sich die Lage aber als dermaßen komplex darstellt, greift der vorliegende Antrag meines Erachtens zu kurz. Im Wesentlichen auf die Militäroperationen der USA ab- zustellen, die man kritisieren kann, wird nicht die Lö- sung des Problems bringen. Interessanterweise enthält dann der Forderungsteil viele richtige Ansätze, auch wenn sie im einen oder anderen Fall zumindest sprach- lich extrem ambitioniert und überdimensioniert daher- kommen. Es hängt viel von der Frage ab, wie man die gegen- wärtige Lage in Pakistan einschätzt. Es ist jedenfalls richtig – das wird im Antrag auch betont –, dass das Mi- litärregime von General Pervez Musharraf durch eine in Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009 22261 (A) (C) (B) (D) Wahlen legitimierte Regierung ersetzt wurde. Ob man allerdings der leicht romantisierenden Vorstellung an- hängen sollte, damit sei sozusagen der Siegeszug der Demokratie in Pakistan eingeläutet, wage ich dann doch zu bezweifeln. Zu sehr werden auch demokratische Wahlen in diesem wie in vielen anderen Ländern entlang der Linien von ethnischer Verbundenheit und nicht im Wettbewerb von Ideen entschieden, zu instabil ist die Lage, zu wenig ausgebildet ist dabei noch das rechts- staatliche System, das unbedingte Voraussetzung für eine funktionierende Demokratie ist. Allerdings ist es richtig, dass den Vereinigten Staaten als langjährigem wichtigen Partner bei der Stabilisierung und weiteren Entwicklung Pakistans eine entscheidende Rolle zukommt. Ich will nicht in die aufgekommene Mode verfallen, die neue amerikanische Administration als omnipräsenten und omnipotenten Heilsbringer zu se- hen, aber es bleibt jedenfalls zu hoffen, dass es eine grö- ßere Bereitschaft gibt als bisher, die eigene Politik auch in diesem Fall mit der der anderen Verbündeten besser zu koordinieren. Angesichts der Tatsache, dass die USA in Pakistan über lange Zeit durch verschiedenste Maß- nahmen ihre Einflusssphäre ausgebaut haben, ist dies dringend geboten. Wenn auch die Rolle der USA nicht unterschätzt wer- den darf, so gibt es keinen Grund anzunehmen, Deutsch- land und die EU hätten hier keine Aufgabe oder keine Handlungsmöglichkeiten und auch -notwendigkeiten. Die Tatsache alleine, dass in Afghanistan mehrere Tau- send Soldaten ihren Dienst versehen und dass es ohne ein stabiles Pakistan ein stabiles Afghanistan nicht wird geben können, ist schon Grund genug, sich in und für Pakistan zu engagieren. Der Vorwurf, Deutschland und die EU seien hier ohne eigenen Ansatz, ist allerdings falsch. Gerade die Bundesregierung hat durch entspre- chende Initiativen des Außenministers gezeigt, dass sie bereit und in der Lage ist, einen eigenen substanziellen Beitrag zu leisten. In einem weiteren Punkt geht der Antrag ebenfalls fehl. Zwar ist es sicherlich richtig, Pakistan in seinem re- gionalen Umfeld zu sehen, aber es ist meines Erachtens nicht richtig, Pakistan hauptsächlich in seiner Funktion als Nachbar Afghanistans zu betrachten. Deshalb ist die zum Teil etwas mühsam hergestellte Verbindung zwi- schen Militäraktionen in Afghanistan und Pakistan pro- blematisch. Dass sich militärische Aktionen nach Ansicht des Deutschen Bundestages auf das absolute Minimum beschränken und dabei die sogenannten Kollateralschä- den möglichst niedrig gehalten werden müssen, versteht sich zumindest aus der Sicht meiner Fraktion von selbst. Dass die Forderung, Deutschland möge sich nicht weiter an OEF beteiligen, inzwischen faktisch erfüllt ist, dürfte sich inzwischen auch herumgesprochen haben. Einigkeit besteht aus meiner Sicht darin, dass Deutsch- land mit seiner Expertise wichtige Beiträge leisten kann zum Aufbau einer funktionierenden Justiz und einer wa- chen Zivilgesellschaft, zu demokratischen Institutionen und damit zu einem Pakistan, das als stabiler und wichti- ger regionaler Akteur zur Befriedung der gesamten Re- gion beiträgt. Bei aller Richtigkeit dieser Aussagen und bei aller Notwendigkeit, diese Aussagen auch durch entspre- chende Maßnahmen in der Entwicklungszusammenar- beit zu flankieren, ist es notwendig – da enthält der An- trag einen wichtigen Punkt –, die Krisen und Krisenherde an den Grenzen Pakistans ebenfalls in Betracht zu zie- hen. Dies betrifft die von der Zentralregierung in Islama- bad völlig unkontrollierten Tribal Areas an der Grenze zu Afghanistan ebenso wie die Kaschmir-Region, die be- reits seit Jahrzehnten Streitpunkt zwischen Indien und Pakistan sind. Sollte durch den Antrag allerdings der Ein- druck erweckt werden, Deutschland könne durch sein Engagement diese zum Teil seit mehr als 50 Jahren wäh- renden Probleme lösen, wäre dies eine fatale Überschät- zung unserer Möglichkeiten. Viele Schwierigkeiten in internationalen Konflikten der vergangenen Jahre sind auch dadurch entstanden, dass mancherorts – manchmal auch in Deutschland – der Eindruck erweckt wurde, dass die Lösung dieser Kon- flikte eigentlich recht einfach sei, wenn man nur mit ge- nügend Mitteln und einem in der Theorie gut funktionie- renden Plan vorgehe. Auch hier beginnt gute Politik mit der richtigen Analyse der Lage und der nüchternen Be- trachtung der eigenen Möglichkeiten. Wer diese einfache Weisheit nicht beherzigt, wird sich verheben und der Glaubwürdigkeit Deutschlands und der internationalen Gemeinschaft einen Bärendienst erweisen. Deshalb ist es richtig, dass im vorliegenden Antrag von uns Engagement, und zwar intensives Engagement, in und für Pakistan eingefordert wird. Aber wir sollten dieses Engagement mit Blick auf unseren tatsächlichen Einfluss und unsere tatsächlichen Möglichkeiten erbrin- gen. Dann kann unser Beitrag für Pakistan und seine Menschen ein substanzieller sein. Johannes Pflug (SPD): Pakistan hat seit dem 9. September 2008 unter dem neuen Präsidenten Asif Zardari wieder eine Zivilregierung. Trotzdem bleibt die Situation an der 1 600 Kilometer langen Grenze zu Af- ghanistan – Durant-Linie – weitgehend unkontrollierbar. Insbesondere die FATAS, Federally Administrative Tri- bal Areas, im Nordwesten werden zunehmend zum Rückzugs-, Ausbildungs- und Versorgungsraum der Ta- liban. Die Stabilität der Atommacht Pakistan spielt des- halb eine zentrale Rolle für den Erfolg der ISAF-Mission in Afghanistan. Präsident Zardari erklärte bei seiner Amtseinführung, der Bekämpfung des Terrorismus oberste Priorität einzu- räumen; aufgrund des Terroranschlags auf das Mariott- Hotel in Islamabad würden diese Anstrengungen ver- stärkt. Pakistan hat bereits rund 120 000 Soldaten in der Grenzregion, die ein Eindringen von Taliban und Al- Qaida-Kämpfern nach Afghanistan verhindern sollen. Im Rahmen der Triparite-Kommission haben Pakistan, Afghanistan und die ISAF-Truppen ihre militärische Zu- sammenarbeit verstärkt und wollen sechs gemeinsame Grenzpunkte errichten. Im März 2008 eröffneten sie das erste Border Coordination Centre, BCC. Die Talibanisierung ist in den vergangenen Monaten trotzdem weiter vorangeschritten. In den Stammesgebie- 22262 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009 (A) (C) (B) (D) ten haben die Taliban und mit ihnen paktierende Banden viele Familienoberhäupter – Maliks – umgebracht. Bei vielen Beobachtern gilt es als wahrscheinlich, dass auch Teile des pakistanischen Geheimdienstes ISI und des Militärs afghanische Taliban unterstützen. Sie hoffen, dass die Taliban nach dem Abzug der ausländischen Truppen aus Afghanistan wieder die Macht übernehmen und sich als Verbündete an die Seite Pakistans stellen in der Frage des Kaschmir-Konfliktes und im Falle von Auseinandersetzungen mit Indien. Bei den andauernden Kämpfen wurden bereits mehr als 2 000 Menschen getötet, mehr als 200 000 sind aus den Stammesgebieten im Grenzland geflohen. Dabei su- chen aber andererseits viele afghanische Flüchtlinge Schutz in Flüchtlingslagern auf pakistanischer Seite. An- fang 2007 lebten bereits 2,2 Millionen afghanische Flüchtlinge in Pakistan, die bis Ende 2009 auf Drängen Pakistans zurückgeführt werden sollten. Die Sicherheits- lage in Afghanistan hat dies aber unmöglich gemacht. Der Plan wurde im August 2008 wieder verworfen, und das Problem verschlimmert sich rasend schnell. In Kara- chi leben mittlerweile 700 000 Flüchtlinge aus den Stammesgebieten, die dort auf andere große Bevölke- rungsgruppen treffen. Dies birgt permanentes zusätzli- ches Konfliktpotenzial. Die internationale Gemeinschaft muss von Pakistan auch weiterhin harte Anstrengungen im Kampf gegen den Terrorismus verlangen, aber Pakistan auch stabili- sieren helfen. Nur ein stabiles Pakistan kann ein guter Nachbar für Afghanistan sein. Dafür müssen auch die re- gionalen Player Indien und China einbezogen werden. Dazu zählt aber auch ein maßvolles und völkerrechts- konformes Vorgehen der USA im Grenzgebiet zu Afgha- nistan. Die Stimmung der Pakistani gegenüber den Ame- rikanern ist bestenfalls reserviert, häufig auch feindselig. Das ist nicht nur Reaktion auf die amerikanischen An- griffe auf pakistanisches Territorium. Man fühlt sich ver- raten durch die amerikanische Annäherung an Indien. Bündnis 90/Die Grünen fordern in ihrem Antrag al- lerdings zu viel und das zu schnell. Wir würden uns übernehmen. Deshalb lehnen wir diesen Antrag ab. Elke Hoff (FDP): Wir behandeln heute einen Antrag, der in einigen Teilen seines Forderungskatalogs überholt ist, da eine deutsche Beteiligung an der Operation Endu- ring Freedom in Afghanistan nicht mehr mandatiert ist. Darüber hinaus vermischt der Antrag leider Dinge, die nicht zielführend sind. Dies hat uns auch bereits in den Ausschüssen bewogen, ihn abzulehnen, obwohl er viele Punkte enthält, die wir unterstützen. Eine Pakistan-Strategie der Bundesregierung ist über- fällig und immer noch nicht erkennbar. Es genügt nicht, immer wieder Pakistan als einen Schlüssel zur Lösung der Probleme in der Region zu benennen, wenn dann nur sehr wenige gemeinsame Anstrengungen tatsächlich un- ternommen werden. Nach meinen Beobachtungen sind die Impulse, die nach der Reise des Bundesaußenminis- ters im Herbst letzten Jahres gesetzt werden sollten, weitgehend verpufft. Von der pakistanischen Freund- schaftsgruppe hört man seit geraumer Zeit nichts mehr. Von einer Stabilisierung Pakistans kann insbesondere in den teilautonomen Stammesgebieten im Nordwesten des Landes leider keine Rede sein. Der zunehmende Verlust der Kontrolle im Swat-Tal, die Angriffe auf Nachschub- lager und Nachschubwege der ISAF am Khyber-Pass und die große Zahl ziviler Verluste bei Gefechten zwi- schen Extremisten und den pakistanischen Sicherheits- kräften machen wenig Mut. Pakistan ist sich allerdings zunehmend bewusst, dass es einen eigenen Beitrag zur Bekämpfung des internatio- nalen Terrorismus leisten muss. Es besteht auch die Be- reitschaft Pakistans, dabei militärische Mittel einzuset- zen. Damit dies aber in der Praxis auch Erfolg haben kann, muss die pakistanische Bevölkerung diesen Kampf gegen Extremisten und Terroristen als ein ureige- nes Anliegen begreifen. In der Vergangenheit war dies leider nicht der Fall. Die Wahrnehmung innerhalb der pakistanischen Bevölkerung, dass das Vorgehen der pa- kistanischen Regierung und der Sicherheitskräfte ledig- lich stellvertretend und im Auftrag der US-Amerikaner erfolge, ist fatal. Diese Wahrnehmung kann nur überwunden werden, wenn unabgestimmte militärische Operationen der USA in Pakistan unterbleiben. Die nationale Souveränität Pa- kistans ist zu achten. Auf der anderen Seite wäre es aber auch hilfreich, wenn die pakistanische Regierung gegen- über der eigenen Bevölkerung offener kommunizieren würde, dass sie mitunter auf die militärische Koopera- tion mit den USA und anderen Partnern im Kampf gegen Extremisten und Terroristen im eigenen Land angewie- sen ist. Daher sollte die Gunst der Stunde genutzt werden, die der Wechsel der Administration in Washington mit sich bringt. Ich finde es ermutigend, dass US-Vizepräsident Joe Biden am Wochenende auf der Münchner Sicher- heitskonferenz angekündigt hat, dass die Regierung von Barack Obama die Politik für Afghanistan und Pakistan überprüfen wird und über Anregungen der Partner dank- bar ist. Auch der Umstand, dass die neue US-amerikani- sche Regierung mit Richard Holbrooke einen Sonderge- sandten für Afghanistan und Pakistan benannt hat, ist ein gutes Signal. So banal die Wiederholung dieser simplen Erkenntnis klingt: Ohne Pakistan wird es keine Lösung in Afghanistan geben und umgekehrt. Deshalb ist es auch alternativlos, eine internationale Strategie zur Stabilisierung und Entwicklung der pakis- tanischen und zugleich der afghanischen Wirtschaft kurzfristig auf den Weg zu bringen. Dies bedeutet neben der Entwicklung von lokalen und regionalen Märkten auch die Öffnung westlicher Märkte für Produkte aus beiden Ländern. Die Rekrutierungswelle von immer neuen Extremisten ist nur durch eine positive ökonomi- sche Entwicklung, durch Zukunftsperspektiven für junge Menschen zu stoppen. Ein weiterer gravierender Konfliktherd Pakistans ist die mangelhafte Versorgung mit Energie und Elektrizi- tät. Die Gasversorgung über eine neue Pipeline aus dem Iran wird von der internationalen Gemeinschaft nicht ge- rade unterstützt, sodass die pakistanische Regierung kaum eine Alternative zu chinesischer Atomenergie hat, Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009 22263 (A) (C) (B) (D) um seine 170 Millionen Bürger mit Energie zu versor- gen. Gerade in diesem Bereich könnte Deutschland ei- nen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung Pakistans leis- ten. Hilfe bei der konzeptionellen Entwicklung und beim technologischen Ausbau erneuerbarer Energien wären auf pakistanischer Seite hochwillkommen. Der Bau und die Wartung dieser Anlagen vor Ort würden mittelfristig neue Arbeitsplätze generieren und knappe Ressourcen schonen. Ein weiterer Bereich, der eine Stabilisierung des Lan- des gefährdet, ist das hohe Ausmaß an Analphabetismus sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen. Eine breit angelegte, gut strukturierte Alphabetisierungskampagne, verbunden mit der Unterstützung zum Aufbau funktio- nierender staatlicher Schulen und entsprechender Curri- cula unter Berücksichtigung religiöser Befindlichkeiten, könnte ein äußerst sinnvoller Beitrag der internationalen Gemeinschaft sein. Diese Anstrengungen müssten je- doch weit über einen Projektcharakter hinausgehen und langfristig angelegt sein. Pakistan hofft gerade nach der überraschend fair und demokratisch verlaufenen Parlamentswahl vor einem Jahr auf deutsche Unterstützung bei der weiteren Stabili- sierung und Demokratisierung des Landes. Deutschland ist als ehrlicher Makler hochwillkommen. Uns sollte Mut machen, dass Pakistan trotz des ver- breiteten Analphabetismus auch über ein großes Reser- voir an gut ausgebildeten jungen Menschen verfügt, die Teil einer zukünftigen politischen und wirtschaftlichen Elite sein können. Mit diesen Hoffnungsträgern muss ein intensiver Dialog aufgenommen werden. Ohne Frage ist Pakistan auch ein Jahr nach den Wah- len weiterhin von stabilen demokratischen Verhältnis- sen, wie wir sie uns vorstellen, entfernt. Daher brauchen wir Geduld und sollten unsere Erwartungen an die Ge- schwindigkeit von Modernisierungsprozessen auf ein re- alistisches Maß reduzieren. Nur wenn wir die gesell- schaftlichen und kulturellen Besonderheiten Pakistans verstehen, wird ein Dialog mit Pakistan Erfolg haben können. Bei aller angebrachten Skepsis teile ich die düstere Einschätzung der Lage in Pakistan der Grünen nicht und halte die Zustandsbeschreibung auch für keine sinnvolle Grundlage, die Rolle Deutschlands im Stabilisierungs- prozess Pakistans zu definieren. Pakistan steht nicht an der Grenze zum Staatszerfall, und die Nuklearwaffen drohen derzeit auch nicht in die Hände von Extremisten zu fallen. Auch wenn sich die Rolle des Militärs in Pa- kistan mit unseren Vorstellungen von Streitkräften inner- halb einer Demokratie nicht vereinbaren lässt, so muss man aber konstatieren, dass es auch in den Zeiten größ- ter Instabilität die Kontrolle über die pakistanischen Nu- klearwaffen sichergestellt hat. Die Wahlen haben gezeigt, dass die Masse der pakis- tanischen Bevölkerung die Islamisten nicht will und po- litisch nicht unterstützt. Sie haben nur einen Sitz im Par- lament errungen und haben darüber hinaus in den paschtunischen Stammesgebieten an der Grenze zu Af- ghanistan und in der Nordwestprovinz ihre Regierungs- beteiligung verloren. Die Bewegung der Rechtsanwälte hat in den letzten Monaten gezeigt, dass es auch außer- halb der Parteien ein großes zivilgesellschaftliches Po- tenzial in Pakistan gibt. Wenn Deutschland einen Beitrag zur Stabilisierung Pakistans leisten will, muss es auch möglich sein, die pa- kistanischen Sicherheitskräfte, insbesondere die Grenz- polizei sowohl bei deren Ausbildung als auch bei der Ausstattung zu unterstützen. Pakistan muss vor allem auch durch die internationale Unterstützung in die Lage versetzt werden, gegen die Proliferation von sensiblem Wissen und Technologien nichtstaatlicher Akteure bes- ser gerüstet zu sein. Hier war Pakistan in der Vergangen- heit zu anfällig, wie der Erfolg des Khan-Netzwerkes ge- zeigt hat. Ich möchte die Bundesregierung ermuntern, die Anstrengungen beim Ausbau der bilateralen Bezie- hungen deutlich zu verstärken und die in Pakistan bisher gemachten Erfahrungen dafür zu nutzen. Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): Der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen hat in den vergangenen Wochen eine neue Aktualität erhalten. Die Entscheidung des neuen US-Präsidenten Obama, das militärische Engage- ment in Afghanistan zu verstärken, ist der Mühlstein, der die gesamte außenpolitische Konzeption Obamas in den Abgrund reißen kann. Die Beendigung des Krieges in Afghanistan ist ohne eine intensivere Einbeziehung Pa- kistans nicht möglich. Das heißt auch, dass die USA so- fort und bedingungslos ihre völkerrechtswidrigen An- griffe auf pakistanisches Territorium einstellen müssen. Wenn diese Forderung Zustimmung im Deutschen Bundestag fände, wäre es auch ein Argument, dass Deutschland seine Waffenlieferungen an Pakistan ein- stellen muss. Es ist schlichtweg inakzeptabel, dass Deutschland an Pakistan unter anderem U-Boote liefert. Diese U-Boote könnten technisch auch auf den Ab- schuss atomar bestückter Raketen umgerüstet werden. Wir alle wissen: Pakistan und Indien sind Atommächte, deren gegenseitige Beziehungen höchst angespannt sind. Wer Waffen an Pakistan liefert, verschärft den Konflikt. Verschärfend für diesen Konflikt ist auch der Atom- deal zwischen den USA und Indien. Zu Recht werden im vorliegenden Antrag diese Probleme angesprochen; das begrüßt die Linke. Er verweigert sich aber der notwendi- gen Konsequenz, den Krieg in Afghanistan sofort zu be- enden. Deswegen können wir nicht zustimmen. Wir haben es mit einem Übergreifen des afghanischen Widerstandes auf die paschtunischen und belutschischen Stammesgebiete Pakistans zu tun. Diese Stammesge- biete kennen keine Grenzen zwischen Staaten und keine wirkliche Kontrolle durch den pakistanischen Staat. Dies ist so seit der kolonialen Staatsbildung. Alle staatlichen Versuche seit dem Ende der Militärdiktatur Musharrafs, die westlichen Stammesgebiete zu befrieden, scheiterten an der zunehmenden Intensität des Krieges in Afghanis- tan. Deshalb ist eine Lösung des pakistanischen Pro- blems immer mit der Beendigung des Krieges in Afgha- nistan verbunden. 22264 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009 (A) (C) (B) (D) Krieg als Mittel zur Befriedung Afghanistans ist ge- scheitert. Die jüngste Umfrage der ARD zu Afghanistan zeigt deutlich, dass immer größere Teile der afghani- schen Bevölkerung die westliche Präsenz als Besatzung empfinden. Aus der Umfrage geht auch hervor, dass im- mer mehr Menschen in Afghanistan es als legitim emp- finden, sich gegen die ausländische Besatzung zur Wehr zu setzen. Mittlerweile sind aber die afghanischen Erschütterun- gen nicht nur in Pakistan, sondern auch in Indien zu spü- ren und tragen zu einer Verschärfung der Lage zwischen den beiden Atommächten bei. Die Frage ist: Was ist zu tun? Der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen, den wir hier behandeln, zeigt ein Maß an selbstkritischer Refle- xion. Wir können vielen der Detailforderungen zustim- men. Ebenso wie wir fordern die Grünen einen zivilge- sellschaftlichen Ansatz in Pakistan, mit dem Demokratie und die Achtung der Menschenrechte gestärkt, aber auch wirtschaftliche und soziale Reformen eingeleitet werden sollen. Pakistan gehört zu den Ländern mit den krasses- ten sozialen Unterschieden. Neben einer reichen Elite lebt eine Mehrheit der Bevölkerung unter unbeschreibli- chen sozialen Verhältnissen. Dies ist Nahrung für den militanten Islamismus. Große Teile der Bevölkerung sind Analphabeten. Ebenso wichtig ist, das Wettrüsten zwischen den Staaten in der Region zu beenden. Die Bundesrepublik kann dazu einen Beitrag leisten, indem sie nicht weiter deutsche Rüstungsgüter in die Region liefert. Wir benötigen einen ernsthaften Neuanfang in Ko- operation mit den Anrainerstaaten und unter Verantwor- tung der Vereinten Nationen. Die NATO sollte umge- hend ihre Bereitschaft deutlich machen, in Verbindung mit einem Waffenstillstand in Afghanistan ihre Truppen aus dem Land abzuziehen. Die USA ihrerseits dürfen keine weiteren Angriffe auf pakistanisches Territorium ausführen, und die pakistanische Regierung sollte ihre militärischen Operationen in den Stammesgebieten be- enden. In Afghanistan und in Pakistan bilden sich immer mehr „Friedens-Jirgas“, das heißt, der Weg einer natio- nalen Versöhnung ist nicht mehr ausgeschlossen. Die Arbeit der „Friedens-Jirgas“ sollte durch die Vereinten Nationen und auch von Deutschland intensiv gefördert werden. Nationale Versöhnung, Rechtssicherheit und der Aufbau ziviler Strukturen sind der Weg, um Stabilität in Afghanistan und in Pakistan zu erreichen. Dieser Weg ist versperrt, solange in Afghanistan und Pakistan der Ein- druck besteht, militärisch besetzt und politisch fremdbe- stimmt zu sein. Selbstbestimmung ist die entscheidende Voraussetzung, Gewalt und Krieg zu beenden. Die Linke wirbt seit Monaten für die Idee einer regio- nalen Sicherheitskonferenz. Wir freuen uns darüber, dass sich die Bundesregierung offensichtlich ebenfalls von der Sinnhaftigkeit eines solchen Vorschlages überzeugt hat. Die Staaten der Schanghai-Gruppe haben dieses Thema zum Mittelpunkt ihrer nächsten Konferenz ge- macht. Insbesondere gilt es, Pakistan, seine Nachbarn China, Indien, Iran und Afghanistan sowie Russland und die zentralasiatischen Nachbarn für einen Prozess der re- gionalen Stabilisierung zu gewinnen. Auch die USA sind sich darüber im Klaren, dass ein Prozess der regio- nalen Stabilisierung nicht ohne Einbeziehung des Iran auf den Weg gebracht werden kann. Solange aber die Drohungen gegen den Iran auch vonseiten der USA, nicht vom Tisch sind, ist dieser Weg nur sehr schwer zu beschreiten. Es bleibt unverständlich, warum die vielen Bereitschaftserklärungen des Iran, zur Lösung des Af- ghanistan-Konfliktes vermittelnd zur Verfügung zu ste- hen, nie ernsthaft geprüft und aufgegriffen worden sind. Das kann und muss sich ändern. Neben Themen der Demokratisierung und der Ver- besserung der sozialen Lage der Menschen in der Region müssen auch die Grenzstreitigkeiten zwischen Pakistan und Afghanistan sowie zwischen Pakistan und Indien behandelt werden. Ohne Beteiligung des Volkes der Paschtunen wird es nicht gehen. Eine solche Konferenz würde einem Waffenstillstand Dauerhaftigkeit verleihen können und wäre der Weg zu Frieden und Stabilität in der Region. Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Den Antrag, den wir heute hier diskutieren, haben wir eingebracht, als in Washington noch die Bush-Admi- nistration regierte. Mittlerweile haben wir mit Barack Obama einen neuen US-Präsidenten, der sich dem Thema Afghanistan und Pakistan von Anbeginn mit ho- her Aufmerksamkeit zuwendet. Er hat mit Richard Holbrooke einen Sonderbeauftragten für Afghanistan und Pakistan eingesetzt, der gerade beide Staaten be- sucht. Er hat damit von Anfang an klar gemacht, dass die Stabilisierung der Region hohe Priorität hat. Auf seiner Reise wurde Holbrooke unmittelbar mit der Instabilität und dem Eskalationspotenzial in der Re- gion konfrontiert: Bei einem extremistischen Anschlag in Peschawar kam ein Politiker ums Leben, mehrere Menschen wurden verletzt. Zeitgleich machten die bluti- gen Angriffe der Taliban in Kabul deutlich, wie groß die Schwierigkeiten für die Stabilisierungsbemühungen in Afghanistan weiter sein werden. Wir wissen: Der logisti- sche Nachschub für diese Gewalttaten läuft über Pakis- tan. Auch die Anschläge in Mumbai im November 2008 mit über 170 Toten zeigen, dass das Thema einer regio- nalen Stabilisierung dringend auf die internationale Agenda rücken muss. Insofern bleibt unser Antrag zum Thema Pakistan hochaktuell. Mit dem neuen US-Präsidenten besteht grundsätzlich die große Chance zu einer Überprüfung der Strategie in Afghanistan, aber auch des diplomatischen Konzepts für die ganze Region. Auf der Münchner Sicherheitskonfe- renz wurde bereits eine große 60-tägige Revision der Af- ghanistan-Strategie angekündigt. Vor allem aber bieten sich große Chancen für eine regionale Strategie, weil die neue Administration hier einen bedeutsamen Wechsel angekündigt hat. So soll mehr Diplomatie möglich wer- den, insbesondere auch im direkten Kontakt mit Iran. Eine Einbeziehung Irans in die regionale Diplomatie kann eine Verbesserung bei der Zusammenarbeit und die Suche nach gemeinsamen Interessen erleichtern. Die Nachbarländer teilen durchaus das gemeinsame Interesse Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009 22265 (A) (C) (B) (D) an Stabilität in der Region – das gilt auch für Russland und China, die auch einen beachtlichen muslimischen Bevölkerungsanteil haben. Die seit längerem diskutierte „Kontaktgruppe Afghanistan/Pakistan“ einzurichten und entsprechende Konferenzen zu planen, wäre deshalb ein wichtiger Fortschritt. Ungeachtet dieser Chancen möchte ich hier ausdrück- lich unterstreichen, dass die Gefahren, auf die wir in un- serem Antrag hinweisen, keinesfalls vom Tisch sind: In den letzten Wochen kam es wieder zu Bombardements im Grenzgebiet, bei denen mehrfach erneut Zivilisten starben. Gerade der Anstieg der Zahl der Opfer unter der Zivilbevölkerung in Afghanistan – 2008 kamen in Af- ghanistan 40 Prozent mehr Zivilisten ums Leben als 2007 – ist Besorgnis erregend und trägt zur Vertrauens- krise in der Region bei. Es ist deshalb dringend erforder- lich, dass die Bundesregierung sich nachdrücklich für ei- nen militärischen Strategiewechsel der NATO einsetzt. OEF muss endlich beendet werden. Wir müssen zu einer einheitlichen Rechtsgrundlage für die militärische Prä- senz in Afghanistan zurückkehren und endlich die Al- leingänge der USA im pakistanischen Grenzgebiet been- den, die destabilisierend wirken. Bei der neuen US- Administration wird sie dafür zweifelsohne offenere Oh- ren finden als bei der Bush-Regierung. Joe Biden hat sich in seiner Rede in München deutlich von der „Bush- Doktrin“ – also von Präventivschlägen und Alleingän- gen – distanziert; entsprechend muss der militärische Ansatz geändert werden. Die Bemühungen der neuen Administration in Rich- tung Abrüstung müssen ebenfalls – mit Bezug auf diese Region – ernst genommen werden: Es darf kein Wettrüs- ten zwischen Pakistan, Indien, China und anderen Staa- ten der Region einsetzen, und dieses darf nicht mit deut- schen Rüstungslieferungen angeheizt werden. Es muss alles getan werden, damit Pakistan nicht weiter eine Quelle der Weiterverbreitung von Massenvernichtungs- waffen und deren Trägerwaffen bleibt, sondern sich den internationalen Rüstungskontrollregimen anschließt. Um Pakistan zu stabilisieren, gilt darüber hinaus vie- les, was auch für Afghanistan richtig ist: Notwendig sind eine Sicherheitssektorreform, eine Stärkung des Justiz- wesens und der Aufbau einer effektiven rechtsstaatli- chen Polizei. Die Entwicklungszusammenarbeit muss nachhaltig gestärkt werden. Investitionen in die Grund- bildung, Basisgesundheit und ländliche Entwicklung so- wie die Förderung der unabhängigen Justiz und Presse sowie der Rechte der Frauen sind unerlässlich für eine langfristige Stabilisierung. Die pakistanische Regierung muss dabei ihrerseits in die Pflicht genommen werden, die notwendigen Beiträge entschlossen umzusetzen. Ohne Stabilität in Pakistan wird es keine Stabilität in Af- ghanistan und der ganzen Region geben. Lassen Sie uns die Chancen ergreifen, die sich mit der neuen US-Admi- nistration für einen Neustart ergeben. 205. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 12. Februar 2009 Inhalt: Redetext Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4 Anlage 5 Anlage 6 Anlage 7
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Ulrich Kelber


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)


    Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

    Herren! Etwas Negatives zu Beginn: Wir müssen, wie
    ich denke, bilanzieren, dass unsere Debatten darüber,
    wie Nachhaltigkeit und nachhaltige Politik zu bewerk-
    stelligen sind, noch nicht an die breite Öffentlichkeit
    durchgedrungen sind. Würde man fragen, welche The-
    men die deutsche Innen- und Außenpolitik sowie andere
    Politikfelder beherrschen, würde der Begriff der Nach-
    haltigkeit in einer Aufzählung nicht an vorderer Stelle
    stehen. Würde man in der Öffentlichkeit, in den Medien
    oder auch in einer Runde von Abgeordneten fragen:
    „Wie definieren Sie für sich Nachhaltigkeit?“, würde
    man vielfach auf Ratlosigkeit treffen.


    (Andreas Jung [Konstanz] [CDU/CSU]: In meiner Fraktion nicht!)


    Parallel zu dieser Debatte erleben wir fast schon eine
    Trivialisierung des Begriffs Nachhaltigkeit. Er ver-
    kommt zu einem überhäufig verwendeten Füllwort. Es
    gibt zwei Ursachen für diesen Zustand, der auch schon
    von einigen Kolleginnen und Kollegen angesprochen
    wurde.

    Erstens. Es gibt einen Missbrauch des Begriffs. Den
    findet man natürlich vor allem im Bereich von Lobby-
    verbänden, von Unternehmen und Interessengruppen,
    die bestimmte Dinge durchsetzen bzw. für ihr Handeln
    werben wollen. Diesen Missbrauch, auch „green
    washing“ genannt, kann man relativ leicht auf einen
    Punkt bringen: Man macht so weiter, wie man bisher ge-
    arbeitet hat; man bezeichnet das aber ab sofort als nach-
    haltig. Man verändert also die Begründung für das, was
    man tut. Früher, als es noch keinen interessierte, ob et-
    was nachhaltig ist oder nicht, hat man die Leute, die für
    nachhaltige Politik eingetreten sind, veräppelt. Heute, da
    sich die Mehrheit der Leute dafür interessiert, behauptet
    man einfach, dass das, was getan wird, nachhaltig ist. –
    Diesem Missbrauch muss man natürlich entgegentreten.
    Es wäre gut, wenn wir das als Politiker relativ geschlos-
    sen täten.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)


    Zweitens. Darüber hinaus beinhaltet dieser Begriff
    eine gewisse Sperrigkeit. Wir müssen einen neuen Be-
    griff mit Leben füllen und klarstellen, wie wir ihn ver-
    wenden wollen. Ein wichtiger Schritt, um das zu errei-
    chen, wäre, die Vorteile nachhaltiger Politik deutlicher
    zu machen: der Erhalt von Chancen; der Wunsch, in ei-
    nigen Jahren den kommenden Generationen die gleichen
    Chancen, die gleichen Handlungsspielräume und die
    gleiche Qualität von öffentlichen Gütern einzuräumen.

    Ein anderes Beispiel ist die Möglichkeit zur Koopera-
    tion. Wir merken das zum Beispiel in Klimaschutzver-
    handlungen. Wir können andere Länder nur dann über-
    zeugen, mitzuziehen, wenn diese das Gefühl haben: Die
    westliche Welt und die industrialisierten Staaten sind be-
    reit, eine nachhaltige Politik zu machen, mit der uns die
    gleichen Chancen, die gleichen Partizipationsmöglich-
    keiten und die gleichen Anteile am weltweiten Wohl-
    stand eingeräumt werden.

    Nachhaltigkeit gibt die Chance für dauerhafte Lösun-
    gen. Es geht nicht nur um Lösungen, mit denen ich für
    drei, vier oder fünf Jahre ein Problem behoben habe.
    Vielmehr muss der Ansatz sein, dass das Problem dauer-
    haft gelöst wird. Das muss man den Menschen deutlich
    machen. Dafür gibt es eine gute Methode: Wir sollten
    nicht nur darüber sprechen, was wir an Instrumenten ein-
    setzen wollen, sondern wir müssen die Menschen über-
    zeugen, welchen Vorteil eine Welt beispielsweise im
    Jahr 2020 hätte, wenn wir die Ziele mit Blick auf die In-
    dikatoren erreicht hätten. Das muss einmal dargestellt
    werden, auch in der Öffentlichkeitsarbeit.

    Stellen Sie sich einmal vor, wie die Tagesthemen im
    Jahr 2020 in einer Gesellschaft aussehen, die die Ziele
    erreicht hat, die wir im Fortschrittsbericht für eine nach-
    haltige Politik beschreiben. Das wäre eine andere, eine
    bessere Gesellschaft mit mehr Lebensqualität als die
    heutige. Für solche Ziele kann man vor allem bei jungen






    (A) (C)



    (B) (D)


    Ulrich Kelber
    Menschen werben. Wir müssen die Zielvorstellungen
    und nicht die Instrumentendebatte nach vorne stellen.

    Dabei bietet die Breite der Nachhaltigkeitspolitik eine
    große Chance. Als jemand, der in der Umweltpolitik zu
    Hause ist, nenne ich diesen Punkt bewusst an erster
    Stelle. Ich mache das auch deswegen, weil man dann,
    wenn man von den drei Säulen der Nachhaltigkeit
    spricht, eines nicht vergessen darf: Die verletzlichste
    dieser Säulen ist die uns umgebende Umwelt, die Ökolo-
    gie. Sie kann am leichtesten unwiederbringlich verloren
    gehen. Daher darf sie bei der Verfolgung unserer Ziele
    nicht relativiert werden, sondern sie muss immer mitge-
    dacht werden. Sie bildet klare Grenzen für all das, was
    man in der Politik machen kann.

    Wir debattieren natürlich auch über die Bildungsziele.
    Ein Land wie Deutschland muss sich fragen: Sind wir
    richtig aufgestellt, um die Empfehlungen der internatio-
    nalen Organisationen wie der OECD umzusetzen, näm-
    lich die Anzahl der Menschen mit einem Hochschulab-
    schluss, den sie zum Beispiel für die Jobs der Zukunft
    benötigen, zu erhöhen? Ist unser System, mit dem wir
    Bildung vermitteln, und sind die Investitionen in die ver-
    schiedenen Stufen der Bildung richtig ausgerichtet, um
    dieses Ziel zu erreichen?

    Wir sehen, dass führende Länder wie Finnland bei
    Bildungsvergleichen besser abschneiden, weil dort
    90 Prozent eines Jahrgangs einen Schulabschluss ma-
    chen, der den Zugang zur Hochschule erlaubt. Um es auf
    unsere Verhältnisse zu übertragen: 90 Prozent eines
    Jahrgangs machen dort Abitur. Wenn in Debatten Bil-
    dungspolitiker erklären, es könne nicht das Ziel sein,
    dass die Mehrheit eines Jahrgangs Abitur macht, dann
    muss man sagen: Diese Politiker sind in ihrem Lösungs-
    ansatz nicht nachhaltig. Sie müssen entweder dazulernen
    oder abgelöst werden.


    (Beifall bei der SPD)


    Angesichts der Tatsache, dass in der Bundesrepublik
    Deutschland die Hälfte aller Kinder in den Ballungsge-
    bieten aus Familien mit Migrationshintergrund kommt,
    muss die sprachliche Integration weit über das Maß der
    Verbesserung in den letzten Jahren – die Situation hat
    sich hinsichtlich der Bemühungen um Integration schon
    verbessert – fortgesetzt werden. Das sind so einfach ab-
    lesbare Größenordnungen, dass die Debatten der Vergan-
    genheit über die Instrumente leicht überwunden werden
    können.

    Wie auch andere Staaten in Europa – wir haben diese
    Debatte etwas früher begonnen – stellt uns natürlich die
    demografische Veränderung, also die Tatsache, dass das
    Durchschnittsalter der Menschen steigt und es immer
    mehr ältere Menschen gibt, vor entsprechende Heraus-
    forderungen. Wir müssen uns fragen: Wie muss eine In-
    frastruktur ausgerichtet werden, die eventuell später von
    weniger Menschen genutzt wird? Wie werden die
    Sozialsysteme gestützt?

    Wenn wir wissen, dass in Zukunft mehr Menschen
    durch ihr Alter auf Solidarität in den Sozialsystem ange-
    wiesen sind, dann stellt sich die Frage, ob wir es uns er-
    lauben können, die Sozialsysteme aufzuteilen in einen
    Teil von Niedrig- und Mittelverdienern, die in das Soli-
    darsystem einzahlen müssen, und in einen Teil von Bes-
    serverdienenden, denen es freigestellt wird, ob sie in das
    Solidarsystem einsteigen oder nur unter sich für Solida-
    rität sorgen. Diese Frage muss man erneut stellen, weil
    man ansonsten viele Menschen ihrer Zukunftschancen
    beraubt.

    Deswegen müssen wir uns wirklich überlegen: Wel-
    che Methoden haben wir eigentlich, nachhaltig zu arbei-
    ten? Im Rahmen einer Nachhaltigkeitsprüfung jedes Ge-
    setzes wäre es nötig, eine Debatte über die Frage zu
    führen: Machen wir ein Gesetz, mit dem wir notdürftig
    etwas flicken? Machen wir ein Gesetz, mit dem wir ei-
    nen ersten Baustein für eine Lösung schaffen, was ja
    auch in Ordnung ist? Oder machen wir ein Gesetz, mit
    dem wir nachhaltig etwas verändern? Letzteres führt
    möglicherweise dazu, dass die heutige Generation mehr
    tragen muss, zumindest so viel, wie sie selber davon pro-
    fitiert; aber das wäre im Sinne der nächsten Generation,
    und die Probleme wären in zehn Jahren umso geringer.
    Diese Debatte sollten wir jedes Mal auf der Grundlage
    von Expertisen ausführlich führen; das ist die Anstren-
    gung wert.

    Wenn wir diese Debatte im Zusammenhang mit einer
    Nachhaltigkeitsprüfung für jedes neue Gesetz führen, soll-
    ten wir eines noch ergänzen – das wäre meine Bitte –: Wir
    sollten auch darüber nachdenken, ob wir nicht für die
    Gesetze, die keine nachhaltigen Subventionen betreffen,
    die Selbstverpflichtung einführen, sämtliche Subventio-
    nen – wir haben ja den Subventionsbericht – noch ein-
    mal auf ihre Nachhaltigkeit hin zu überprüfen, und wir
    sollten überlegen, ob wir nicht zumindest die Subven-
    tionen, die nicht nachhaltig wirken, in der Gesamt-
    summe – nicht jede einzelne; sonst kommt immer eine
    neue dazu – um 10 Prozent jedes Jahr reduzieren. Auch
    das wäre ein wichtiger Schritt hin zu einer nachhaltigen
    Politik.

    Vielen Dank.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)




Rede von Katrin Dagmar Göring-Eckardt
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der letzte Redner in der Debatte ist der Kollege

Dr. Günter Krings für die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Günter Krings


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)


    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

    Herren Kollegen! Ich möchte, auch meiner Rolle als
    Vorsitzender des Parlamentarischen Beirats gemäß, die
    letzte Rede in dieser Debatte zunächst dazu nutzen, mich
    zu bedanken: bei allen Kolleginnen und Kollegen im
    Beirat für die Arbeit, die wir im Zusammenhang mit der
    Erarbeitung unserer Stellungnahme zu diesem Fort-
    schrittsbericht, die kurz vor der Vollendung steht, bereits
    geleistet haben, sowie bei der Bundesregierung für die
    Erstellung des Berichts. Ich darf auch meiner Freude
    Ausdruck verleihen, dass nicht nur der Staatsminister






    (A) (C)



    (B) (D)


    Dr. Günter Krings
    aus dem Kanzleramt, Bernd Neumann, in dieser Debatte
    anwesend ist, sondern – jedenfalls auf dem Höhepunkt
    der Debatte und ich nehme es nicht persönlich, dass der
    Höhepunkt in der Wahrnehmung einiger schon vorbei zu
    sein scheint – auch über ein halbes Dutzend Ministerien
    vertreten waren. Daran zeigt sich, dass die Bundesregie-
    rung begriffen hat, dass es sich um eine Querschnittsauf-
    gabe handelt. Allerdings muss die Ausdauer mancher
    Ressorts noch gesteigert werden.


    (Otto Fricke [FDP]: Nachhaltigkeit beim Zuhören!)


    Aber der Grad der Anwesenheit war auf jeden Fall ein
    gutes Zeichen.

    Der Bericht selber weist Licht und Schatten auf. Das
    wird mit den schönen Symbolen für Sonne über Wolken
    bis hin zu Gewitter dargestellt. Zwölfmal scheint die
    Sonne über Indikatoren; deutlich weniger – nur sieben-
    mal – sind Gewitterwolken zu sehen. Das zeigt, dass wir
    in vielen Punkten – wenn auch nicht in allen – auf einem
    guten Wege sind. Stichworte wurden genannt: Reduzie-
    rung der Treibhausgase, die Übererfüllung der Ziele bei
    den erneuerbaren Energien, eine stärkere Berücksichti-
    gung älterer Erwerbstätiger im Erwerbsleben, Ausbau
    der Ganztagsbetreuung – insbesondere aufgrund der letz-
    ten Initiativen aus dem von-der-Leyen-Ministerium – für
    die Drei- bis Fünfjährigen. Insofern sind zu Recht einige
    Sonnen zu sehen.

    Aber das Wetter kann sich manchmal schnell ändern.
    Das sehen wir etwa beim Indikator Staatsverschuldung.
    Vor der Finanzmarktkrise sah das noch alles sehr gut
    aus. Es war wichtig, dass wir die Anstrengungen zur
    Konsolidierung unternommen haben; denn sonst hätten
    wir es noch schwerer, in dieser Krise zu reagieren.

    Dass Nachhaltigkeit ein Thema ist, das – Herr Kol-
    lege Kelber, da stimme ich Ihnen zu – von den Medien
    und in der Öffentlichkeit noch nicht ausreichend wahr-
    genommen worden ist, ist sicherlich richtig. Aber das
    liegt auch daran, dass unsere mediale Öffentlichkeit in
    erster Linie Probleme wahrnimmt und beschreibt. So
    sind die Nachrichten im Fernsehen und in den Zeitungen
    aufgebaut. Nachhaltigkeit ist aber keine Problembe-
    schreibung, sondern ein Lösungsansatz. Deshalb ist es
    gerade jetzt, in der Zeit der Finanzmarktkrise, wichtig,
    dass wir dieses Thema gemeinsam nach vorne bringen.

    In Teilen der Wirtschaft – nicht in allen Bereichen der
    Wirtschaft –, die übrigens auch von Ihrer Partei, Herr
    Kollege Döring, als besonders modern, wegweisend und
    dynamisch dargestellt worden sind, war und ist vielleicht
    noch heute oft zu kurzfristiges, zu kurzatmiges Denken
    und Handeln an der Tagesordnung. Es wurde mehr auf
    Quartalsberichte und weniger auf langfristige Erfolge,
    mehr auf Tageskurse als auf bleibende Werte geachtet.


    (Patrick Döring [FDP]: Vom Gesetzgeber vorgeschrieben!)


    – Da gab es zugegebenermaßen falsche Wegweisungen,
    teilweise auch durch den Gesetzgeber.

    Es gibt einen zweiten aktuellen Anlass, warum dies
    heute eine besonders wichtige Debatte ist. Ich habe in ei-
    ner guten Stunde das Vergnügen, den Beratungen in der
    Endphase der Föderalismuskommission II beizuwohnen.
    Hier versuchen wir, mit den Folgen eines nicht nachhal-
    tigen politischen Denkens, mit dem Marsch in den
    Schuldenstaat seit über vier Jahrzehnten aufzuräumen.
    Die Instrumente wurden genannt: Schuldenbremse, Sta-
    bilitätsrat. Es soll ferner ein Frühwarnsystem gegen neue
    Schulden eingeführt werden. Es ist allerdings ein biss-
    chen gewöhnungsbedürftig, wenn man nach vier Jahr-
    zehnten des Schuldenmachens jetzt von einem Früh-
    warnsystem spricht. In der Sache kommen wir dadurch
    aber weiter. Die Nachhaltigkeitsstrategie und der Grund-
    satz der Nachhaltigkeit müssen stärker in der Tagespoli-
    tik ankommen. Daran werden wir gemeinsam arbeiten.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


    Um das zu erreichen, ist das Management von Nach-
    haltigkeit ein ganz entscheidender Punkt. Wir begrüßen
    es daher sehr, dass die Bundesregierung sich bereit er-
    klärt hat, diesen Punkt in die Gemeinsame Geschäftsord-
    nung der Bundesministerien – das klingt sehr langweilig,
    ist aber ganz wichtig – aufzunehmen und zu sagen: Teil
    der Gesetzesfolgenabschätzung, die sich in der Praxis
    leider seit Jahren in einem Dornröschenschlaf befindet,
    soll jetzt die Nachhaltigkeitsprüfung werden. – Dies ist
    die große Chance, die Gesetzesfolgenabschätzung end-
    lich zu reaktivieren. Ich war vor einigen Monaten sehr
    erfreut, als wir sehr kurzfristig und sehr rasch von Bun-
    desinnenminister Schäuble in dieser Frage grünes Licht
    bekommen haben und er sich sehr klar hinter diese For-
    derungen des Nachhaltigkeitsbeirates gestellt hat.

    Wir brauchen also ein stärkeres Langfristdenken – das
    bedeutet auch mehr Generationengerechtigkeit – in der
    Politik. Es ist gut, dass die Regierung jetzt ihren Teil
    dazu beitragen will. Es ist genauso wichtig, dass das Par-
    lament in dieser Frage aktiv und führend bleibt. Dies ist
    eine Querschnittsaufgabe. Deswegen ist es unverzicht-
    bar, dass wir vom Nachhaltigkeitsbeirat diese Frage wei-
    ter behandeln und daran mitwirken, bei der Fortschrei-
    bung der Nachhaltigkeitsstrategie die richtigen Weichen
    zu stellen, aber auch die Regierung da kontrollieren, wo
    sie ihre Ziele nicht erreicht hat, oder ihr Hilfestellung ge-
    ben, sie besser zu erreichen. Aus diesem Grunde wird si-
    cherlich, ohne große hellseherische Fähigkeiten zu ha-
    ben, am Ende der Wahlperiode ein Vorschlag unseres
    Gremiums sein, diesen Beirat dauerhaft zu verankern
    und für uns eine aktive Rolle vor allem bei der Durch-
    führung von Nachhaltigkeitsprüfungen vorzusehen. Wir
    wollen einfordern, dass Gesetze im Hinblick auf ihre
    Nachhaltigkeit geprüft werden.

    In der Regierung macht das federführend das Kanz-
    leramt. Das ist eine gute Sache. Wir würden uns wün-
    schen – mehr können wir nicht tun –, dass dies im Kanz-
    leramt weiter aufgewertet wird, zum Beispiel in Form
    eines eigenen Referates. Es sollte darüber hinaus in je-
    dem Ministerium ein eigenes Referat für diese Aufgabe
    geben. Das wäre sicher ein richtiges Signal.


    (Beifall des Abg. Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Ulrich Kelber [SPD]: Dr. Günter Krings Im Kanzleramt muss es eine ganze Abteilung werden!)





    (A) (C)


    (B) (D)


    – Es kann auch über ein Referat hinausgehen. Wir fan-
    gen mal klein an, Herr Kollege Kelber.

    Das Herzstück der Nachhaltigkeitsstrategie sind die
    Indikatoren. Das ist ein fast revolutionärer Politikansatz,
    der in anderen Bereichen Schule machen sollte. Wir ge-
    hen nicht von Instrumenten aus und sagen nicht, wie viel
    Geld wir für ein bestimmtes Thema ausgeben wollen,
    sondern sagen, was wir erreichen wollen. Wir haben in
    der Nachhaltigkeitsstrategie definierte, klare Ziele ver-
    bunden mit messbaren Zahlen. Jeder, der sich in Wirt-
    schaftsfragen etwas auskennt, weiß: Nur das, was ich
    messen kann, kann ich letztlich auch managen. Es ist ei-
    gentlich ein bisschen traurig, dass man in der Politik die-
    sem Grundsatz außerhalb des Bereichs der Nachhaltig-
    keitsstrategie noch zu wenig Beachtung schenkt.

    Wenn Indikatoren aber so wichtig sind, dann ist es na-
    türlich logisch, dass Kontinuität gewahrt bleiben muss.
    Wir können nicht in dem einen Jahr Äpfel und im ande-
    ren Jahr Birnen zählen; es muss bei den Indikatoren
    Kontinuität geben. Trotz allem sind behutsame Anpas-
    sungen und Lehren aus der Entwicklung richtig und not-
    wendig. Als Mitglied des Rechtsausschusses in diesem
    Hause möchte ich einen Punkt herausgreifen: Der Indi-
    kator „Zahl der Wohnungseinbrüche“ hat eine gegen null
    tendierende Aussagekraft für das Thema Nachhaltigkeit.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Wir sollten den Mut haben, solche Indikatoren auch zu
    streichen. Wenn alles nachhaltig ist, ist eben leider bald
    nichts mehr nachhaltig. Der Begriff benötigt Konturen.
    Dabei sollte man sich auf die wesentlichen Punkte kon-
    zentrieren.

    Ein wesentlicher Punkt etwa ist all das, was mit dem
    demografischen Wandel zu tun hat. Ich finde es gut, dass
    ein Indikator der Ausbau der Ganztagsbetreuung ist. Wa-
    rum gibt es keinen Indikator zur Entwicklung der Gebur-
    tenrate insgesamt? Das wäre sicherlich ein sinnvoller
    Punkt für künftige Fortschreibungen.

    Mein letzter Punkt – ich komme zum Schluss –: Ich
    glaube, dass wir in diesem Land gemeinsam dafür sor-
    gen müssen – dieses Ziel ist noch nicht erreicht –, dass
    Nachhaltigkeit zu einem echten Leitprinzip der Politik
    wird, dass sich auch die Tagespolitik aus der Nachhaltig-
    keitsstrategie heraus entwickelt. Die Beiratsmitglieder
    sind der Überzeugung – ich hoffe, das gilt auch über un-
    seren Beirat hinaus –, dass der Nachhaltigkeitsgrundsatz
    insbesondere in diesen wirtschaftlich schwierigen Zeiten
    sowohl eine Stabilitätsgarantie als auch ein Innovations-
    motor für unser Land sein kann. In diesem Sinne erhoffe
    ich mir für den nächsten Fortschrittsbericht: noch mehr
    Sonne und noch weniger Wolken.

    Herzlichen Dank.


    (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Eva Bulling-Schröter [DIE LINKE])