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    Plenarprotokoll 16/200 Jahresgutachten 2008/09 des Sachver- ständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (Drucksache 16/10985) . . . . . . . . . . . . . . . Michael Glos, Bundesminister BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ernst Burgbacher (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Ludwig Stiegler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Oskar Lafontaine (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Michael Meister (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Gudrun Kopp (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Garrelt Duin (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (Drucksachen 16/10486, 16/11669) b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales zu dem Antrag der Abgeordneten Werner Dreibus, Ulla Lötzer, Dr. Barbara Höll, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Für einen sozial gerechten Mindestlohn in Deutschland (Drucksachen 16/1878, 16/11669) . . . . . . Olaf Scholz, Bundesminister BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Ralf Brauksiepe (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Ralf Brauksiepe (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 21566 D 21567 A 21569 A 21570 B 21573 A 21575 B 21577 C 21579 C 21580 D 21585 C 21585 D 21586 A 21588 D 21590 D 21593 B 21593 D Deutscher B Stenografisc 200. Si Berlin, Donnerstag, d I n h a Glückwünsche zum Geburtstag des Abgeord- neten Paul Schäfer (Köln) . . . . . . . . . . . . . . . Wahl der Abgeordneten Hedi Wegener zur Schriftführerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erweiterung und Abwicklung der Tagesord- nung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 11: a) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Jahreswirtschaftsbericht 2009 der Bun- desregierung Konjunkturgerechte Wachstumspolitik (Drucksache 16/11650) . . . . . . . . . . . . . . . b) Unterrichtung durch die Bundesregierung: 21565 B 21565 B 21565 B 21566 D Laurenz Meyer (Hamm) (CDU/CSU) . . . . . . Reinhard Schultz (Everswinkel) (SPD) . . . . . 21582 C 21584 B undestag her Bericht tzung en 22. Januar 2009 l t : Tagesordnungspunkt 12: a) – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Ersten Gesetzes zur Än- derung des Gesetzes über die Fest- setzung von Mindestarbeitsbedin- gungen (Drucksachen 16/10485, 16/11669) – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes über zwin- gende Arbeitsbedingungen für grenzüberschreitend entsandte und für regelmäßig im Inland beschäf- tigte Arbeitnehmer und Arbeitneh- merinnen (Arbeitnehmer-Entsende- gesetz – AEntG) 21585 C Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Karl-Georg Wellmann (CDU/CSU) . . . . . . 21594 B 21595 C II Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Januar 2009 Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Andrea Nahles (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Erwin Lotter (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Max Straubinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Anette Kramme (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gerald Weiß (Groß-Gerau) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Namentliche Abstimmungen . . . . . . . . . . . . . Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 31: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufs- recht, zur Errichtung einer Schlich- tungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung der Verwaltungsgerichts- ordnung, der Finanzgerichtsordnung und kostenrechtlicher Vorschriften (Drucksache 16/11385) . . . . . . . . . . . . . . . b) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Änderung truppenzollrechtlicher Vorschriften und anderer Vorschriften (Truppenzollrechtsänderungsgesetz) (Drucksache 16/11566) . . . . . . . . . . . . . . . c) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Abkommen vom 15. Okto- ber 2004 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Libysch-Arabischen Volks-Dschamahirija über die Förderung und den gegenseiti- gen Schutz von Kapitalanlagen (Drucksache 16/11567) . . . . . . . . . . . . . . . d) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Abkommen vom 13. Novem- ber 2007 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Haschemitischen Königreich Jordanien über die Förde- rung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen (Drucksache 16/11568) e) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes über den Zugang von Polizei- und Strafverfolgungsbehörden sowie Nach- richtendiensten zum Visa-Informations- system (VIS-Zugangsgesetz – VISZG) (Drucksache 16/11569) . . . . . . . . . . . . . . . 21597 C 21599 D 21602 A 21603 A 21604 C 21605 D 21607 C, D 21608 C, 21613 C 21610 B 21611 A 21611 A 21611 A 21611 B f) Antrag der Abgeordneten Dr. Christel Happach-Kasan, Hans-Michael Goldmann, Dr. Edmund Peter Geisen, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der FDP: Schutz der Bienenvölker sicherstellen (Drucksache 16/10322) . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 2: a) Antrag der Abgeordneten Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Volker Wissing, Frank Schäffler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Umstellung der Um- satzsteuer von der Soll- auf die Istbe- steuerung (Drucksache 16/9836) . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Ulrike Höfken, Undine Kurth (Quedlinburg), Cornelia Behm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Betäubungslose Kastration von Ferkeln beenden – Alternativen fördern (Drucksache 16/10615) . . . . . . . . . . . . . . c) Antrag der Abgeordneten Sylvia Kotting- Uhl, Hans-Josef Fell, Bärbel Höhn, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Mehrweg- systeme durch Lenkungsabgabe auf Einwegverpackungen stützen (Drucksache 16/11449) . . . . . . . . . . . . . . d) Antrag der Abgeordneten Dr. Harald Terpe, Kerstin Andreae, Birgitt Bender, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Präven- tion der Glücksspielsucht stärken (Drucksache 16/11661) . . . . . . . . . . . . . . e) Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter, Bettina Herlitzius, Winfried Hermann, weiteren Abgeordne- ten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des Perso- nenbeförderungsgesetzes (Drucksache 16/11635) . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 32: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung vom 23. März 2007 des Übereinkommens vom 20. August 1971 über die Interna- tionale Fernmeldesatellitenorganisation „ITSO“ (Drucksachen 16/10932, 16/11629) . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Thilo Hoppe, Ute Koczy, Kerstin Müller (Köln), weiterer Abgeord- 21611 B 21611 B 21611 C 21611 C 21611 D 21611 D 21612 A Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Januar 2009 III neter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Afrika auf dem Weg zu De- mokratie und nachhaltiger Entwick- lung unterstützen (Drucksachen 16/4425, 16/5310) . . . . . . . c) Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Kerstin Müller (Köln), Marieluise Beck (Bremen), Fritz Kuhn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Fahrplan zur Wiederbelebung des Friedenspro- zesses im Nahen Osten nach der Resolu- tion 1701 (2006) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom 11. August 2006 (Drucksachen 16/3547, 16/6496) . . . . . . . d) Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Uschi Eid, Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Neujustierung der Auswärtigen Kultur- politik (Drucksachen 16/6604, 16/7970) . . . . . . . e) Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Jürgen Trittin, Kerstin Müller (Köln), Ute Koczy, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Für eine umfassende Strategie zur demokratieverträglichen und zivilgesellschaftlichen Stabilisie- rung Pakistans (Drucksachen 16/8752, 16/9430) . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 3: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Arbeit und Soziales zu dem An- trag der Abgeordneten Irmingard Schewe- Gerigk, Volker Beck (Köln), Jerzy Montag, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Zugang zu Rentenleistungen für ehemalige Ghetto-In- sassen erleichtern (Drucksachen 16/6437, 16/10334) . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 4: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion DIE LINKE: Konsequenzen aus der Exis- tenz weiterer fauler Wertpapiere bei deut- schen Banken im Umfang von Hunderten Milliarden Euro . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulrich Maurer (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Leo Dautzenberg (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 21612 B 21612 C 21612 D 21612 D 21613 A 21615 B 21615 D 21617 A Florian Toncar (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Hans-Ulrich Krüger (SPD) . . . . . . . . . . . Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jochen-Konrad Fromme (CDU/CSU) . . . . . . Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . Ortwin Runde (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Albert Rupprecht (Weiden) (CDU/CSU) . . . . Nicolette Kressl, Parl. Staatssekretärin BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Otto Bernhardt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Lothar Binding (Heidelberg) (SPD) . . . . . . . . Ludwig Stiegler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 13: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Technolo- gie zu dem Antrag der Abgeordneten Hans-Kurt Hill, Eva Bulling-Schröter, Lutz Heilmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Energie- kosten sozial ausrichten – Sozialtarife einführen, wirksame Strompreisaufsicht schaffen, Energiesparen ermöglichen (Drucksachen 16/10510, 16/11626) . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Technolo- gie zu dem Antrag der Abgeordneten Ulla Lötzer, Hans-Kurt Hill, Dr. Barbara Höll, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: E.ON-Netz in die öffentli- che Hand übernehmen (Drucksachen 16/8494, 16/11627) . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 5: Antrag der Abgeordneten Hans-Josef Fell, Cornelia Behm, Bärbel Höhn, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Biogaseinspeisung und Wärme- einsparung jetzt voranbringen – Konse- quenzen aus Erdgas-Streit und Ressourcen- verknappung ziehen (Drucksache 16/11645) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU) . . . . . . . . . Gudrun Kopp (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Manfred Zöllmer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Kurt Hill (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21618 A 21619 B 21620 A 21621 B 21622 C 21623 D 21624 D 21625 D 21627 B 21628 A 21629 A 21630 B 21630 B 21630 B 21630 C 21632 B 21633 C 21635 B 21636 D IV Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Januar 2009 Franz Obermeier (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Elke Reinke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Hans-Kurt Hill (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Franz Obermeier (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Dr. Axel Berg (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Kurt Hill (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Dr. Axel Berg (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 14: a) – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur steuerlichen Förderung der Mitarbeiterkapital- beteiligung (Mitarbeiterkapitalbe- teiligungsgesetz) (Drucksachen 16/10531, 16/10721, 16/11679) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Bericht des Haushaltsausschusses ge- mäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 16/11680) . . . . . . . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Fi- nanzausschusses zu dem Antrag der Abge- ordneten Frank Schäffler, Dr. Hermann Otto Solms, Carl-Ludwig Thiele, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Mitarbeiterbeteiligung – Eigenverant- wortliche Vorsorge stärken (Drucksachen 16/9337, 16/11679) . . . . . . Klaus Brandner, Parl. Staatssekretär BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Frank Schäffler (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eduard Oswald (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Dr. Herbert Schui (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jörg-Otto Spiller (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Karl-Josef Laumann, Minister (Nordrhein-Westfalen) . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus-Peter Flosbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 15: Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zu den Änderungen vom 28. April und 5. Mai 2008 des Über- einkommens über den Internationalen Währungsfonds (IWF) (Drucksachen 16/10535, 16/11664) . . . . . . . . 21638 B 21639 B 21640 A 21640 B 21640 D 21643 A 21643 A 21643 D 21644 A 21644 A 21644 B 21645 D 21647 C 21648 C 21650 A 21651 D 21653 B 21654 B 21655 D 21657 C Ortwin Runde (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Carl-Ludwig Thiele (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . Leo Dautzenberg (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Dr. Axel Troost (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Otto Bernhardt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 6: Große Anfrage der Abgeordneten Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck (Köln), Alexander Bonde, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Zur Um- setzung der EU-Zentralasienstrategie (Drucksachen 16/8951, 16/10712) . . . . . . . . . Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eduard Lintner (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Michael Link (Heilbronn) (FDP) . . . . . . . . . . Hedi Wegener (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Alexander Ulrich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 17: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend – zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/ CSU, SPD und FDP: Angemessene und zukunftsorientierte Unterstützung der Contergangeschädigten sicherstellen – zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/ CSU und der SPD: Angemessene und zu- kunftsorientierte finanzielle Unterstüt- zung der Contergangeschädigten si- cherstellen – zu dem Antrag der Abgeordneten Markus Kurth, Birgitt Bender, Britta Haßelmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Für einen umfassenden Ansatz beim Umgang mit den Folgen des Contergan-Medi- zinskandals (Drucksachen 16/11223, 16/8754, 16/8748, 16/11625) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 7: Antrag der Abgeordneten Dr. Ilja Seifert, Klaus Ernst, Dr. Martina Bunge, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion DIE LINKE: 21657 D 21659 C 21660 D 21662 A 21662 D 21663 D 21664 D 21665 A 21666 A 21667 B 21668 C 21669 D 21670 D Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Januar 2009 V Soforthilfe zur Teilhabe-Ermöglichung für Conterganbetroffene (Drucksache 16/11639) . . . . . . . . . . . . . . . . . Antje Blumenthal (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Ina Lenke (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Marlene Rupprecht (Tuchenbach) (SPD) . . . . Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 18: a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Heinrich L. Kolb, Dirk Niebel, Jens Ackermann, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der FDP eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Lockerung des Verbots wiederholter Befristungen (Drucksache 16/10611) . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Werner Dreibus, Dr. Barbara Höll, Ulla Lötzer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Befristete Arbeitsverhältnisse begrenzen, unbefristete Beschäftigung stärken (Drucksache 16/9807) . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 19: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Verkehr, Bau und Stadtentwick- lung zu dem Antrag der Abgeordneten Renate Blank, Dirk Fischer (Hamburg), Dr. Klaus W. Lippold, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Annette Faße, Sören Bartol, Uwe Beckmeyer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Infrastruktur und Marketing für den Wassertourismus in Deutschland verbes- sern (Drucksachen 16/10593, 16/11303) . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 20: Antrag der Abgeordneten Werner Dreibus, Dr. Barbara Höll, Ulla Lötzer, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion DIE LINKE: Tarif- flucht verhindern – Geltung des Günstig- keitsprinzips bei Betriebsübergängen nach § 613 a BGB sicherstellen (Drucksache 16/10828) . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 21: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Bildung, Forschung und Tech- nikfolgenabschätzung 21671 A 21671 A 21672 C 21673 C 21674 D 21676 A 21677 B 21677 B 21677 C 21677 D – zu dem Antrag der Abgeordneten Anette Hübinger, Ilse Aigner, Michael Kretschmer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Gesine Multhaupt, Jörg Tauss, Willi Brase, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Qualitätssicherung im Wissenschaftssystem durch eine diffe- renzierte Gleichstellungspolitik voran- treiben – zu dem Antrag der Abgeordneten Cornelia Pieper, Uwe Barth, Patrick Meinhardt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Frauen auf dem Sprung in die Wissenschaftselite – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Petra Sitte, Cornelia Hirsch, Volker Schneider (Saarbrücken), Dr. Kirsten Tackmann und der Fraktion DIE LINKE: Gleichstellung in der Wissenschaft durch Modernisie- rung der Nachwuchsförderung und der Beschäftigungsverhältnisse herstellen – zu dem Antrag der Abgeordneten Krista Sager, Irmingard Schewe-Gerigk, Kai Gehring, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Mehr Qualität und Exzellenz durch mehr Chancengerechtigkeit und Gen- der-Perspektiven in Wissenschaft und Forschung – zu dem Antrag der Abgeordneten Krista Sager, Kai Gehring, Priska Hinz (Her- born), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Gleichstellung und Genderkompetenz als Erfolgsfaktor für mehr Qualität und Innovation in der Wissenschaft (Drucksachen 16/9756, 16/9604, 16/8742, 16/5898, 16/8753, 16/11631) . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 22: Antrag der Abgeordneten Kerstin Andreae, Hans-Josef Fell, Winfried Hermann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Einheitliches Strom- netz schaffen – Unabhängige Netzgesell- schaft gründen (Drucksache 16/9798) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 23: – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über das Verfahren des elektronischen Entgeltnachweises (ELENA- Verfahrensgesetz) (Drucksachen 16/10492, 16/11666) . . . . . 21678 A 21679 A 21679 B VI Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Januar 2009 – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 16/11667) . . . . . . . . . . . . . . . Kai Wegner (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . Doris Barnett (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulrike Flach (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Petra Pau (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 24: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Verkehr, Bau und Stadtentwick- lung – zu dem Antrag der Abgeordneten Horst Friedrich (Bayreuth), Patrick Döring, Joachim Günther (Plauen), weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der FDP: Novel- lierung des Personenbeförderungsge- setzes – Wettbewerb im öffentlichen Personenfernverkehr zulassen – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter, Winfried Hermann, Peter Hettlich und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Novellierung des Personenbeförderungsgesetzes – Fern- linienbusverkehre ermöglichen (Drucksachen 16/384, 16/842, 16/3905) . . . . Sören Bartol (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Horst Friedrich (Bayreuth) (FDP) . . . . . . . . . Klaus Hofbauer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Dorothée Menzner (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 25: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Wirt- schaftsplans des ERP-Sondervermögens für das Jahr 2009 (ERP-Wirtschaftsplan- gesetz 2009) (Drucksachen 16/10663, 16/11628) . . . . . . . . Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU) . . . . . Garrelt Duin (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ernst Burgbacher (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Herbert Schui (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21679 B 21679 C 21680 D 21681 D 21682 B 21682 D 21683 C 21684 A 21685 A 21686 A 21687 A 21688 A 21689 A 21689 B 21690 B 21690 D 21691 C 21692 A Tagesordnungspunkt 26: Beschlussempfehlung und Bericht des Innen- ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Sevim Dağdelen, Dr. Norman Paech, Hüseyin- Kenan Aydin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Abschiebestopp und Schutz für Flüchtlinge aus Afghanistan (Drucksachen 16/5141, 16/6778) . . . . . . . . . . Helmut Brandt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Rüdiger Veit (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP) . . . . . . . . Sevim Dağdelen (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 27: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Vereinfachung und Modernisierung des Patentrechts (Drucksache 16/11339) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Günter Krings (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Dirk Manzewski (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Roland Claus (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 28: Antrag der Abgeordneten Marieluise Beck (Bremen), Rainder Steenblock, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Frak- tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Stärkung des Hohen Repräsentanten der EU in Bos- nien-Herzegowina (Drucksache 16/11074) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dorothee Bär (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Detlef Dzembritzki (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Rainer Stinner (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Monika Knoche (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Marieluise Beck (Bremen)(BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21692 D 21693 A 21694 A 21694 D 21695 A 21696 B 21697 A 21697 A 21698 C 21699 C 21700 B 21701 A 21701 C 21702 B 21702 C 21703 B 21704 B 21705 A 21705 C Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Januar 2009 VII Tagesordnungspunkt 29: Beschlussempfehlung und Bericht des Innen- ausschusses – zu dem Antrag der Abgeordneten Ulla Jelpke, Michael Leutert, Sevim Dağdelen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Abschiebestopp für Flücht- linge aus Sri Lanka – zu dem Antrag der Abgeordneten Josef Philip Winkler, Volker Beck (Köln), Undine Kurth (Quedlinburg), Monika Lazar und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Asylsuchende aus Sri Lanka besser schützen (Drucksachen 16/4203, 16/4427, 16/9111) . . Hans-Werner Kammer (CDU/CSU) . . . . . . . . Rüdiger Veit (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP) . . . . . . . . Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 30: Antrag der Abgeordneten Paul Schäfer (Köln), Wolfgang Gehrcke, Monika Knoche, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Keine NATO-Erweiterung – Si- cherheit und Stabilität mit und nicht gegen Russland (Drucksache 16/11247) . . . . . . . . . . . . . . . . . Bernd Siebert (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Markus Meckel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Rainer Stinner (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE) . . . . . . . . . Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . Anlage 2 Erklärungen nach § 31 GO zur namentlichen Abstimmung: – Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Ände- rung des Gesetzes über die Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen – Entwurf eines Gesetzes über zwingende Ar- beitsbedingungen für grenzüberschreitend entsandte und für regelmäßig im Inland be- 21706 C 21706 D 21707 D 21708 C 21709 A 21709 D 21710 D 21710 D 21712 B 21713 B 21713 D 21714 D 21715 D 21717 A schäftigte Arbeitnehmer und Arbeitnehme- rinnen (Arbeitnehmer-Entsendegesetz – AEntG) – Beschlussempfehlung: Für einen sozial gerechten Mindestlohn in Deutschland (Tagesordnungspunkt 12 a und b) . . . . . . . . . Gitta Connemann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Laurenz Meyer (Hamm) (CDU/CSU) . . . . . . Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Entwurf eines Gesetzes zur Lockerung des Verbots wiederholter Befristungen – Antrag: Befristete Arbeitsverhältnisse be- grenzen, unbefristete Beschäftigung stärken (Tagesordnungspunkt 18 a und b) . . . . . . . . . Gitta Connemann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Josip Juratovic (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anette Kramme (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dirk Niebel (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kornelia Möller (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung: Infrastruktur und Marketing für den Wassertourismus in Deutsch- land verbessern (Tagesordnungspunkt 19) Renate Blank (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Annette Faße (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Patrick Döring (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dorothée Menzner (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Tarifflucht verhindern – Geltung des Günstigkeitsprinzips bei Betriebsübergän- gen nach § 613 a BGB sicherstellen (Tages- ordnungspunkt 20) Matthäus Strebl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Andreas Steppuhn (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Heinz-Peter Haustein (FDP) . . . . . . . . . . . . . 21717 D 21718 A 21719 B 21719 D 21720 B 21720 C 21720 C 21721 D 21722 C 21723 B 21724 A 21724 D 21725 C 21727 B 21729 B 21729 D 21730 C 21731 A 21732 B 21733 C VIII Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Januar 2009 Ulla Lötzer (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts zu den Anträgen: – Qualitätssicherung im Wissenschaftssys- tem durch eine differenzierte Gleichstel- lungspolitik vorantreiben – Frauen auf dem Sprung in die Wissen- schaftselite – Gleichstellung in der Wissenschaft durch Modernisierung der Nachwuchsförderung und der Beschäftigungsverhältnisse her- stellen – Mehr Qualität und Exzellenz durch mehr Chancengerechtigkeit und Gender-Per- spektiven in Wissenschaft und Forschung – Gleichstellung und Genderkompetenz als Erfolgsfaktor für mehr Qualität und Inno- vation in der Wissenschaft (Tagesordnungspunkt 21) inger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . thaupt (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . eper (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . itte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . r (BÜNDNIS 90/ NEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . l gegebene Reden zur Beratung des inheitliches Stromnetz schaffen – e Netzgesellschaft gründen (Ta- spunkt 22) üßlein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . lmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . pp (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . Fell (BÜNDNIS 90/ NEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . itteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21735 D 21737 A 21738 D 21740 A 21740 D 21741 D 21743 A 21744 C 21745 A 21745 D 21746 B Anette Hüb Gesine Mul Cornelia Pi Dr. Petra S Krista Sage DIE GRÜ Anlage 7 Zu Protokol Antrags: E Unabhängig gesordnung Dr. Georg N Rolf Hempe Gudrun Ko Ulla Lötzer Hans-Josef DIE GRÜ Anlage 8 Amtliche M 21734 B 21735 A Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Januar 2009 21565 (A) (C) (B) (D) 200. Si Berlin, Donnerstag, d Beginn: 9
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    Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Januar 2009 21717 (A) (C) (B) (D) nen (Arbeitnehmer-Entsendegesetz – AEntG) (Drucksache 16/1048616/11669)Paula, Heinz SPD 22.01.2009 – zum Entwurf eines Gesetzes über zwingende Arbeitsbedingungen für grenzüberschreitend entsandte und für regelmäßig im Inland be- schäftigte Arbeitnehmer und Arbeitnehmerin- Nitzsche, Henry fraktionslos 22.01.2009 Nouripour, Omid BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 22.01.2009 Anlage 1 Liste der entschuldi Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Addicks, Karl FDP 22.01.2009 Ahrendt, Christian FDP 22.01.2009 Dr. Akgün, Lale SPD 22.01.2009 Annen, Niels SPD 22.01.2009 Behm, Cornelia BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 22.01.2009 Bodewig, Kurt SPD 22.01.2009* Brüderle, Rainer FDP 22.01.2009 Bulling-Schröter, Eva DIE LINKE 22.01.2009 Dr. Bunge, Martina DIE LINKE 22.01.2009 Dreibus, Werner DIE LINKE 22.01.2009 Ehrmann, Siegmund SPD 22.01.2009 Ernst, Klaus DIE LINKE 22.01.2009 Frankenhauser, Herbert CDU/CSU 22.01.2009 Gloser, Günter SPD 22.01.2009 Granold, Ute CDU/CSU 22.01.2009 Großmann, Achim SPD 22.01.2009 Hauer, Nina SPD 22.01.2009 Hempelmann, Rolf SPD 22.01.2009 Hinz (Essen), Petra SPD 22.01.2009 Dr. Jahr, Peter CDU/CSU 22.01.2009 Kurth (Quedlinburg), Undine BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 22.01.2009 Dr. Lamers (Heidelberg), Karl A. CDU/CSU 22.01.2009** Lösekrug-Möller, Gabriele SPD 22.01.2009 Meinhardt, Patrick FDP 22.01.2009 Mücke, Jan FDP 22.01.2009 Anlagen zum Stenografischen Bericht gten Abgeordneten * für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver- sammlung des Europarates ** für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver- sammlung der NATO ** für die Teilnahme an der Jahrestagung der Ostseeparlamentarier- konferenz Anlage 2 Erklärungen nach § 31 GO zur namentlichen Abstimmung: – zum Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Än- derung des Gesetzes über die Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen (Drucksa- che 16/10485) Raab, Daniela CDU/CSU 22.01.2009 Raidel, Hans CDU/CSU 22.01.2009 Reiche (Potsdam), Katherina CDU/CSU 22.01.2009 Dr. Riesenhuber, Heinz CDU/CSU 22.01.2009 Dr. Schäuble, Wolfgang CDU/CSU 22.01.2009 Schily, Otto SPD 22.01.2009 Schmidt (Eisleben), Silvia SPD 22.01.2009 Dr. Stinner, Rainer FDP 22.01.2009 Strothmann, Lena CDU/CSU 22.01.2009 Dr. Struck, Peter SPD 22.01.2009 Tauss, Jörg SPD 22.01.2009 Teuchner, Jella SPD 22.01.2009 Thießen, Jörn SPD 22.01.2009 Thönnes, Franz SPD 22.01.2009*** Veit, Rüdiger SPD 22.01.2009 Dr. Wend, Rainer SPD 22.01.2009 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich 21718 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Januar 2009 (A) (C) (B) (D) – zur Beschlussempfehlung: Für einen sozial gerechten Mindestlohn in Deutschland (Drucksachen 16/1878, 16/11669) (Tagesordnungspunkt 12 a und b) Gitta Connemann (CDU/CSU): Ich stimme beiden Gesetzentwürfen der Bundesregierung nicht zu. Denn auch nach sorgfältiger Abwägung des Für und Wider habe ich schwerwiegende rechtliche und politische Be- denken sowohl im Hinblick auf die grundsätzlichen Wir- kungen beider Gesetzentwürfe als auch auf die hand- werkliche Umsetzung. Es ist zwar zuzubilligen, dass im Vergleich zu den ur- sprünglichen Vorstellungen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales erhebliche Verbesserungen erreicht werden konnten. Hier ist aus meiner Sicht insbesondere zu nennen, dass auf der Grundlage des AEntG nur bun- desweite Tarifverträge erstreckt werden dürfen, dass laut MiArbG der Hauptausschuss die Einführung von Min- destarbeitsentgelten nur beschließen darf, wenn er so- ziale Verwerfungen in einer Branche feststellt, dass durch das MiArbG ausschließlich Mindestentgelte und nicht auch sonstige Arbeitsbedingungen festgesetzt wer- den können, dass die Vereinbarung tarifvertraglicher Ausschlussfristen im AEntG und im MiArbG möglich bleibt und dass es eines gemeinsamen Antrages beider Tarifvertragsparteien bedarf. Diese Änderungen beseiti- gen aber nicht meine grundsätzliche Befürchtung, dass die grundgesetzlich verankerte Tarifautonomie durch beide Gesetzentwürfe geschwächt wird. Es bleibt die Kernfrage: Tarifautonomie, quo vadis? Diese muss ich für mich negativ beantworten. Denn aus meiner Sicht werden durch die beiden Gesetzentwürfe die Vorausset- zungen dafür eröffnet, Tarifverträge durch eine staatliche Lohnfestsetzung zu verdrängen. Es wird ein Tarifnach- rang geschaffen. Darin sehe ich eine Aushöhlung der Ta- rifautonomie und damit eines Eckpfeilers der sozialen Marktwirtschaft. Bei dieser Tarifautonomie handelt es sich nicht um eine Floskel, sondern um ein hohes Verfassungsgut, das aus gutem Grund seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland geschützt wird. Art. 9 Abs. 3 Grundgesetz garantiert die Koalitionsfreiheit, das heißt die Freiheit, eine Vereinigung zur Wahrung der Arbeits- und Wirt- schaftsbedingungen zu gründen, ihr beizutreten, ihr fern- zubleiben oder sie zu verlassen. Sie begründet das Recht der Tarifparteien, Tarifverträge frei von staatlichen Ein- griffen abzuschließen. Diese Regelungsbefugnis er- streckt sich insbesondere auf das Arbeitsentgelt und die anderen materiellen Arbeitsbedingungen. Die von Ge- werkschaften und Arbeitgebern verhandelten Tarifver- träge haben immer Vorrang vor staatlich festgesetzten Löhnen und Arbeitsbedingungen – bislang. Dieser Tarifvorrang ist bisher gesetzlich festgeschrie- ben. Durch beide Gesetzentwürfe wird diese gesetzliche Lage in ihr Gegenteil verkehrt. Zukünftig können staat- lich verordnete Löhne Tarifvertrage außer Kraft setzen. Dies kommt insbesondere in der Neuformulierung des Mindestarbeitsbedingungengesetzes zum Ausdruck. So bestimmt § 2 Abs. 3 des bisherigen MiArbG: „Tarif- vertragliche Bestimmungen gehen den Mindestarbeits- bedingungen vor.“ Dieser klare und eindeutige Tarifvorrang wird in dem Gesetzentwurf zum Mindestar- beitsbedingungenänderungsgesetz gestrichen und durch eine stark einschränkende Übergangsregelung ersetzt. Danach sollen zukünftig nur Tarifverträge, die vor dem 16. Juli 2008 bestanden, und deren Folgetarifverträge vorrangig sein. Diese Regelung nimmt Tarifregelungen per se den Vorrang, die später entstehen, wie zum Bei- spiel bei neuen Branchen oder Tariflandschaften. Im Übrigen kann der Abschluss eines Folgetarifvertrages je- derzeit einseitig von einer Tarifvertragspartei verhindert werden. Auch der Bundesrat hat deshalb zu Recht in sei- ner Stellungnahme die Beibehaltung eines absoluten Ta- rifvorrangs im MiArbG gefordert. Dieser Forderung ist bedauerlicherweise nicht Rechnung getragen worden, sodass ein Tarifnachrang geschaffen wird. Dies gilt auch für den Gesetzentwurf zum Arbeitneh- mer-Entsendegesetz. Laut § 1 Abs. 3 a des bisher gelten- den AEntG kann eine Rechtsverordnung nach diesem Gesetz nur für nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Ar- beitnehmer Anwendung finden. Dieser Tarifvorrang wird durch den vorliegenden Gesetzentwurf zum AEntG beseitigt. Die Rechtsverordnung nach dem AEntG soll zukünftig Vorrang vor Tarifverträgen haben. Sie unter- wirft alle, auch die Arbeitnehmer und Arbeitgeber, den Festsetzungen der Rechtsverordnung, die an einen ande- ren, abweichenden Tarifvertrag gebunden sind. Es wird damit die Möglichkeit eröffnet, bestehende Tarifsstruk- turen zu verdrängen, mithin ein Tarifnachrang einge- führt. Tarifautonomie, quo vadis? Das Recht, dass Gewerk- schaften und Arbeitgeberverbände, frei von politischen Diktaten und staatlicher Einflussnahme für ihre freiwilli- gen Mitglieder eigenverantwortlich und auf gleicher Au- genhöhe Mindestarbeitsbedingungen vereinbaren, wird ohne Not und sachliche Rechtfertigung ausgehöhlt. Diese besteht nur dann, wenn ein nachgewiesenes öf- fentliches Interesse besteht, wie beispielsweise die Ver- hinderung von sozialen Verwerfungen durch Lohndum- ping ausländischer Entsendearbeitnehmer. In diesen Fällen haben Branchenmindestlöhne ihren berechtigten Sinn. Deshalb ist das Arbeitnehmer-Entsendegesetz 1996 geschaffen worden. Es hat das Ziel, den deutschen Arbeitsmarkt vor Billigkonkurrenz aus dem Ausland zu schützen. Diese Zielsetzung befürworte ich uneingeschränkt, sofern seine bisherigen Voraussetzungen vorliegen. Es müssen eine Entsendeproblematik vorliegen und ein Ta- rifvertrag mit einer mindestens 50-prozentigen Tarifbin- dung vorliegen. Dies war bei dem Gebäudereinigerhand- werk der Fall, bei der Ausweitung auf die Branche der Briefdienstleistungen schon nicht mehr. Der Branchen- primus hat das Gesetz instrumentalisiert, inländischen Wettbewerb zu verhindern. Die Folgen zeigen sich vor Ort. Private Wettbewerber mussten aufgeben, Arbeits- plätze gingen verloren. Der verbleibende Monopolist schließt Filialen und zieht sich insbesondere aus der Flä- che zurück. Die Rechnung zahlen Verbraucher und Ar- beitnehmer. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Januar 2009 21719 (A) (C) (B) (D) Branchenmindestlöhne haben trotz dieses Sündenfalls ihren Sinn, wenn soziale Verwerfungen durch Entsende- arbeitnehmer nachgewiesen sind und in diesen Branchen Tarifverträge mit einer mindestens 50-prozentigen Tarif- bindung gelten. Dazu stehe ich uneingeschränkt. Die Baubranche ist ein solches positives Beispiel. Die 1996 geschaffenen Voraussetzungen haben sich insoweit be- währt. Diese sind jedoch bei einigen der Branchen, die jetzt in das AEntG aufgenommen werden sollen, nicht gegeben. So liegt im Fall der Aus- und Weiterbildungs- branche die Tarifbindung unter 50 Prozent. Und im Fall der Großwäschereien sowie des Wach- und Sicherheits- gewerbes weicht die gesetzliche Branchendefinition vom Geltungsbereich des zugrunde gelegten Mindest- lohntarifvertrages ab. Gute Arbeit muss anständig bezahlt werden. Ich glaube aber wie die Mütter und Väter des Grundgesetzes daran, dass die Tarifvertragsparteien besser als der Staat in der Lage sind, die angemessenen Regelungen zu tref- fen. Dieses Vermögen wird ihnen abgesprochen, auch durch die vorgesehene Differenzierung nach Art der Tä- tigkeit und damit der Erstreckung mehrerer Lohngrup- pen. Beide Gesetzentwürfe sehen vor, dass nach Art der Tätigkeiten (Berufe), nach Regionen und dem Kriterium „gelernt – ungelernt“ differenziert werden kann. Die Er- streckung mehrerer Lohngruppen ermöglicht faktisch die Erstreckung umfangreicher horizontaler Lohngitter. Ein Branchenmindestlohn im eigentlichen Sinne ist bei einer solchen Erstreckung nicht mehr gegeben. Nur das unterste Entgelt in einer Branche und in einer Region kann ein Mindestentgelt sein. Eine staatliche Festlegung ganzer Lohngitter verletzt die Tarifautonomie, die den Tarifvertragsparteien die Festlegung eines tätigkeits- adäquaten Entgelts zu Recht vorbehält. Ein so weitge- hender staatlicher Eingriff ist auch sozialpolitisch nicht gerechtfertigt, da soziale Verwerfungen in höheren Lohngruppen ausgeschlossen sind. Es ist deshalb auch kein anderes Land bekannt, in welchem der Staat im Rahmen von Mindestlöhnen eine solche Differenzierung vornehmen würde. Die Möglichkeit der Erstreckung mehrerer Lohngruppen lädt zudem dazu ein, Anträge auf Erstreckung eines Tarifvertrages zum bloßen Zweck der Verhinderung von Wettbewerb zu stellen und damit zu instrumentalisieren. Auch dies hat das unrühmliche Bei- spiel des Postmindestlohnes deutlich gezeigt. Durch beide Gesetzentwürfe wird die Möglichkeit er- öffnet, dass sich der Staat mehr und mehr in die Lohnfin- dung einmischt. Genau dies wollten die Mütter und Vä- ter des Grundgesetzes verhindern. Ich könnte weitere rechtliche und politische Bedenken anführen. Bereits die vorgenannten sind für mich persönlich jedoch so schwerwiegend, dass ich den heute zur Abstimmung ste- henden Gesetzentwürfen nicht zustimmen kann. Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU): Die funktionie- rende Tarifautonomie ist seit Jahrzehnten eine der zen- tralen Säulen der sozialen Marktwirtschaft in Deutsch- land. Aufgrund ihrer besonderen Bedeutung für unser erfolgreiches wirtschaftliches und gesellschaftliches Ordnungsmodell genießt sie zu Recht hohen Verfas- sungsrang und hat zwei Seiten. Die positive Koalitions- freiheit gibt Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften das Recht, frei von politischen Diktaten und staatlicher Einflussnahme für ihre freiwilligen Mitglieder eigenver- antwortlich und auf gleicher Augenhöhe Mindestarbeits- bedingungen zu vereinbaren. Die negative Koalitions- freiheit sichert zugleich das Recht von Arbeitnehmern und Arbeitgebern, nicht Mitglied einer Koalitionspartei zu sein. Fast zwanzig Jahre lang habe ich in der Vergangenheit als Unternehmer und als gewählter Arbeitgebervertreter in herausgehobener Stellung selbst aktiv tarifpolitische Verantwortung wahrnehmen dürfen. Aus dieser intensi- ven persönlichen Erfahrung konnte ich die Vorzüge deutscher Tarifautonomie für Beschäftigte und Unter- nehmen selbst hautnah erleben. Nach sorgfältiger Abwägung kann ich den vorliegen- den beiden Branchenmindestlohngesetzentwürfen des- halb nicht zustimmen. Denn sie gefährden meines Er- achtens die funktionierende deutsche Tarifautonomie ohne Not und sachliche Rechtfertigung, weil sie nicht in ausreichendem Maße sicherstellen, dass auch künftig Tarifverträge grundsätzlich Vorrang vor staatlich festge- setzten Mindestlöhnen genießen bzw. dass fremdbe- stimmte Tarifverträge oder Arbeitsbedingungen tatsäch- lich nur ausnahmsweise bei einem nachgewiesenen erheblichen Öffentlichen Interesse wie beispielsweise der Verhinderung von sozialen Verwerfungen durch Lohndumping ausländischer Entsendearbeitnehmer auf nicht Tarifgebundene erstreckt werden. Darum habe ich auch verfassungsrechtliche Beden- ken. Zugleich bergen die Gesetzentwürfe die große Ge- fahr, dass die unabdingbare Verhandlungssymmetrie von Gewerkschaften und Arbeitgebern empfindlich gestört wird und dass im Falle von Tarifkonkurrenz einseitig in eine pluralistische Tariflandschaft eingegriffen werden kann. Auch habe ich insbesondere nach den jüngsten Er- fahrungen des Postmindestlohns begründete wirtschafts- und beschäftigungspolitische Zweifel, ob bei allen der nun in das Arbeitnehmerentsendegesetz aufgenomme- nen Branchen hierfür eine tatsächliche Notwendigkeit besteht. Vielmehr fürchte ich, dass die Verfahren beider Gesetze zur Abschottung von Märkten und Verhinde- rung fairen Wettbewerbs instrumentalisiert werden kön- nen. Die Zeche hierfür zahlen am Ende vor allem der Mittelstand, die Beschäftigten und Verbraucher. Laurenz Meyer (Hamm) (CDU/CSU): Die funktio- nierende Tarifautonomie ist seit Jahrzehnten eine der zentralen Säulen der sozialen Marktwirtschaft in Deutschland. Aufgrund ihrer besonderen Bedeutung für unser erfolgreiches wirtschaftliches und gesellschaftli- ches Ordnungsmodell genießt sie zu Recht hohen Ver- fassungsrang. Sie drückt sich in zweifacher Weise aus: Die positive Koalitionsfreiheit gibt Arbeitgeberverbän- den und Gewerkschaften das Recht, frei von politischen 21720 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Januar 2009 (A) (C) (B) (D) Diktaten und staatlicher Einflussnahme für ihre freiwil- ligen Mitglieder eigenverantwortlich und auf gleicher Augenhöhe Mindestarbeitsbedingungen zu vereinbaren. Die negative Koalitionsfreiheit sichert das Recht von Ar- beitnehmern und Arbeitgebern, nicht Mitglied einer Koalitionspartei zu sein. Der Erhalt der Tarifautonomie war Grundlage meiner intensiven Mitarbeit in den beiden Koalitionsarbeits- gruppen „Arbeitsmarkt“ und „AEntG – Branchenerwei- terung“. Dabei stand ich einer Regelung auf Branchen- basis grundsätzlich positiv gegenüber und habe die in der Arbeitsgruppe der Koalition besprochenen Be- schlüsse zu Mindestlöhnen in fünf Branchen auch mitge- tragen. Allerdings kam für mich von Anfang an nur eine Lösung in Betracht, die den Vorrang von Tarifverträgen vor staatlicher Lohnfestsetzung unangetastet lässt. Tarif- verträge dürfen nicht durch staatliches Handeln gebro- chen werden. Dieser Grundsatz wird durch die beiden Gesetzesvorlagen verletzt. Im MiArbG wird der klare und eindeutige Tarifvorrang in § 8 Abs. 2 gestrichen und durch eine sehr einschränkende Übergangsregelung er- setzt. Im neuen § 7 des AEntG soll die Rechtsverord- nung künftig Vorrang vor Tarifverträgen haben und un- terwirft auch die Arbeitgeber und Arbeitnehmer den Festsetzungen der Rechtsverordnung, die an einen ande- ren, abweichenden Tarifvertrag gebunden sind. Staatliche Lohnfestlegungen müssen die absolute Ausnahme bleiben. Sie lassen sich schon aus verfas- sungsrechtlichen Gründen nur dann rechtfertigen, wenn nachgewiesenermaßen ein erhebliches öffentliches Inte- resse besteht. Dies ist beispielsweise bei der Verhinde- rung sozialer Verwerfungen durch Lohndumping auslän- discher Entsendearbeitnehmer der Fall. Mit den beiden Gesetzentwürfen kann eine Entwicklung in Gang gesetzt werden, die die Verhandlungssymmetrie von Gewerk- schaften und Arbeitgebern empfindlich stört und zu ei- ner Schwächung der Tarifautonomie in Deutschland füh- ren kann. Aus den genannten Gründen kann ich den beiden Ge- setzesvorlagen nicht zustimmen. Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU): Die Tarifautono- mie ist eine tragende Säule der sozialen Marktwirtschaft in Deutschland. Aufgrund ihrer besonderen Bedeutung für unser erfolgreiches wirtschaftliches und gesellschaft- liches Ordnungsmodell genießt sie zu Recht hohen Ver- fassungsrang. Die zu beschließenden Gesetzesänderun- gen geben Löhnen, die durch Rechtsverordnung festgesetzt werden, mithin diesen Ministerentscheidun- gen Vorrang vor den Einigungen der Tarifparteien. Als Ökonom sehe ich diese Problematik im Kontext der wei- ter gehenden wirtschaftlichen Problematik von Mindest- löhnen, die der Markträumung im Wege stehen und mit- hin Arbeitsplätze im unteren Leistungssegment kosten. Mir liegt daran, im Rahmen dieser Erklärung klarzu- stellen, dass ich den heute zu treffenden Beschluss für falsch halte. Gleichzeitig beuge ich mich aber der Mehr- heitsmeinung der Fraktion, insbesondere weil ich das umfangreiche Potential sehe, gegenteilige Entscheidun- gen in Wahlkampagnen zu instrumentalisieren. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Entwurf eines Gesetzes zur Lockerung des Verbots wiederholter Befristungen – Antrag: Befristete Arbeitsverhältnisse be- grenzen, unbefristete Beschäftigung stärken (Tagesordnungspunkt 18 a und b) Gitta Connemann (CDU/CSU): Was verbinden Sie mit dem Bild des Hahnenkampfes? Die Altsprachler un- ter Ihnen werden an die Antike erinnert. Schon bei Julius Cäsar ist in „De bello gallico“ vom Kampf der Hähne die Rede. Die Tierfreunde unter uns wissen darum, dass Hahnenkämpfe eine Tierquälerei darstellen und deshalb verboten sind. Die Freunde der Poesie sehen die meta- phorische Bedeutung, die für eine Auseinandersetzung zwischen zwei geltungsbewussten Kontrahenten um Einfluss und Status steht. Und ich? Ich denke an die Fraktionen der Linken und der FDP, jedenfalls in der heutigen Debatte. Denn Sie befehden sich wie das liebe Federvieh, in diesem Fall aufgehängt an der Frage einer Änderung des Teilzeit- und Befristungsgesetzes. Dieses Gesetz eröffnet derzeit die Möglichkeit des Abschlusses von befristeten Verträ- gen. Ein solcher ist zulässig, wenn ein sachlicher Grund vorliegt. Diese Gründe sind eng abgegrenzt. So können unter anderem öffentliche Arbeitgeber befristete Arbeits- verträge abschließen, wenn der Arbeitnehmer aus Haus- haltsmitteln vergütet wird, die haushaltsrechtlich für eine befristete Betätigung bestimmt sind, und der Arbeitnehmer entsprechend beschäftigt wird. Eine frühere Beschäftigung bei demselben Arbeitgeber ist hierbei kein Hinderungs- grund. Das Gesetz gestattet auch die Befristung ohne sachli- chen Grund bis zur Dauer von zwei Jahren mit einer höchstens dreimaligen Verlängerung innerhalb dieser Frist. Eine Befristung ist dann unzulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber zuvor ein befristetes oder unbe- fristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Hier betreten nun unsere Kontrahenten die Arena. Ihre Forderungen könnten gegensätzlicher nicht sein. Nach dem Willen der Fraktion der FDP soll die Mög- lichkeit einer sachgrundlosen Befristung nahezu unbe- schränkt ausgeweitet, nach dem Willen der Fraktion der Linken ersatzlos gestrichen werden. Die Lektüre beider Anträge offenbart eine sehr einseitige Weltsicht nach dem Motto „Schwarz-Weiß“. Eine solche Sichtweise ist einfach. Sie wird nur nicht der Realität gerecht. Denn dort geht es um Betroffene, deren Interessen aus jeweils legitimen Gründen abweichen. Ein unbefristeter Vertrag ist aus Sicht eines Arbeit- nehmers natürlich einem befristeten vorzuziehen. Denn er gibt größere Beschäftigungssicherheit und damit auch persönliche Sicherheit. Zwar kann auch ein unbefristetes Arbeitsverhältnis durch Kündigung beendet werden. Das Ende ist ihm aber nicht schon von Beginn an eigen. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Januar 2009 21721 (A) (C) (B) (D) Arbeitgeber sind dagegen eher zögerlich, sich in allen Fällen unbefristet zu binden. Denn eine Anpassung zum Beispiel an konjunkturelle Veränderungen, wie wir sie jetzt erleben, ist damit nur noch eingeschränkt möglich. Sie stellen deshalb tendenziell weniger Arbeitnehmer ein, wenn sie generell gezwungen sind, unbefristete Arbeits- verträge abzuschließen. Deshalb muss innerhalb des rechtlichen Rahmens eine Abwägung zwischen dem legitimen Wunsch nach Absicherung und der Beschäftigungswirkung vorgenom- men werden. Im Teilzeit- und Befristungsgesetz sind diese unterschiedlichen Interessen von Arbeitnehmern einerseits und Arbeitgebern andererseits miteinander in Einklang gebracht worden. Der Gesetzgeber hat beiden Interessen Rechnung getragen. Eine solche Interessenab- wägung findet in der Arena unserer beiden Antragsteller nicht statt. Beide schreiben sich lediglich die Interessen jeweils eines der Beteiligten auf das Gefieder; Verzei- hung: die Fahne. Und so prallen in der heutigen Debatte die Gegensätze aufeinander. Die Fraktion der FDP fordert, ein Verbot wiederholter Beschäftigung vor Ablauf von drei Monaten einzuführen und damit die Befristungsmöglichkeiten nahezu unbe- schränkt auszuweiten. Damit soll zwar vermeintlich den Interessen von Unternehmen Rechnung getragen werden, nicht jedoch von Arbeitnehmern. Denn eine solche grund- sätzliche Ausweitung birgt die Gefahr, dass die befristete Beschäftigung zum Dauerzustand wird. Aus diesem Grund muss die Möglichkeit der sachgrundlos befristeten Arbeitsverträge zum Schutz der Arbeitnehmer beschränkt werden. Die Fraktion der Linken will dagegen mit ihrer Forde- rung nach einer ersatzlosen Streichung der sachgrund- losen Befristung vermeintlich Arbeitnehmer schützen. Vermeintlich. Denn was sich auf den ersten Blick als Schutzmaßnahme darstellt, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als Bumerang. Befristete Arbeitsverträge sind besser als keine Arbeitsplätze. Und das wäre die Konsequenz, wenn es Arbeitgebern gänzlich verboten wäre, flexibel auf die Entwicklungen am Markt zu re- agieren. Ihre Forderung würde dazu führen, dass Arbeit- geber eher weniger Arbeitnehmer beschäftigen und in florierenden Zeiten Mengen an Überstunden anhäufen lassen, anstelle in diesen guten Zeiten mehr Arbeitneh- mer zu beschäftigen. Diese Arbeitnehmer erhalten mit ihrem befristeten Arbeitsvertrag eine Chance. Diese Chancen würden die Linken vernichten. Die seinerzeit rot-grüne Bundesregierung hat es in der Antwort auf eine Kleine Anfrage der FDP am 16. Februar 2005 wie folgt formuliert: Die Regelung des § 14 Abs. 2 Teilzeit- und Befris- tungsgesetz gibt Arbeitgebern, die sich zunächst nicht zu unbefristeten Einstellungen entschließen können, die Möglichkeit, bis zur Dauer von zwei Jahren befristete Arbeitsverträge abzuschließen, die nicht durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt sein müssen. Das ist vor allem eine beschäftigungs- politisch sinnvolle Alternative zur Überstundenarbeit. Zugleich bekommen Arbeitssuchende die Gelegen- heit, wieder im Berufsleben Fuß zu fassen, ihre Eignung und Leistungsfähigkeit zu beweisen und damit ihre Chancen auf eine unbefristete Weiterbe- schäftigung zu verbessern. Meine Damen und Herren von den Linken und der FDP, eine Interessenabwägung liegt Ihren Anträgen nicht zugrunde. Es geht Ihnen also offensichtlich nicht um die Sache, sondern allein um Einfluss und Status – wie eben bei einem Hahnenkampf. Wir befinden uns jedoch nicht in einer Arena, sondern im wirklichen Leben. Und dem wer- den Sie mit Ihren Anträgen nicht gerecht, die wir, die Mit- glieder der CDU/CSU-Fraktion, ablehnen werden. Schwarz-Weiß-Malerei ist mit uns nicht zu machen. Wir stellen uns der Realität. Diese zeigt das Bild, dass sich eine Anzahl von Betrieben und Unternehmen in- folge der internationalen Finanzmarktkrise aktuell in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befinden. Diese sehen sich laut einer Analyse des Deutschen Industrie- und Handelskammertages momentan nicht in der Lage, Mit- arbeiter am Ende ihres befristeten Arbeitsvertrages fest einzustellen. Der DIHK schlägt deshalb vor, zumindest für eine Übergangszeit eine Verlängerung von sach- grundlosen Befristungen über den Zeitraum von zwei Jahren zu ermöglichen. Die Möglichkeit, befristete Ver- träge nochmals sachgrundlos um zwei Jahre zu verlän- gern, sollte nach diesem Vorschlag zumindest für die Jahre 2009 und 2010 eingeführt werden. Der DIHK weist auch darauf hin, dass sich die derzei- tige Regelung, wonach eine sachgrundlose Befristung beim selben Unternehmen nur einmal im Erwerbsleben möglich ist, in der aktuellen Situation als problematisch erweisen könnte. Denn wenn heute aufgrund einer schwachen Auftragssituation ein Mitarbeiter am Ende eines befristeten Vertrages nicht weiter beschäftigt wer- den könne, könnte dieser Mitarbeiter zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr erneut befristet eingestellt werden, wenn sich Silberstreifen am Horizont zeigen würden. Da aber angesichts der Tiefe der Krise auch am Beginn der Erholungsphase noch Vorsicht bei Festeinstellungen vor- herrschen dürfte, könnte diese Regelung den Wiederauf- bau von Beschäftigung erschweren. Wohlgemerkt: Der DIHK fordert keine unbeschränkte Ausweitung wie die FDP. Ich finde, dass wir beide Vorschläge gemeinsam ernst- haft prüfen sollten. Die Bundesregierung hat sich zu Recht die Beschäftigungssicherheit als wichtiges Ziel des Stabilitätspaktes gesetzt. Sollte mit den vorgeschlagenen Regelungen Arbeitslosigkeit – übrigens auch daraus resul- tierende Transferleistungen – vermieden werden können, sollten wir diese ohne ideologische Scheuklappen be- handeln. Meine Damen und Herren von den Linken, liebe Kollegen aus der FDP, leider haben Sie diese ideo- logischen Scheuklappen nicht abgelegt. Wir werden des- halb die vorliegenden Anträge ablehnen, nach denen nun wirklich kein Hahn kräht. Josip Juratovic (SPD): Wir debattieren heute über Anträge von der FDP und der Linken zum Thema befris- tete Arbeitsverhältnisse. Die FDP möchte sachgrundlos befristete Arbeitsverhältnisse häufiger ermöglichen, die Linke möchte sie abschaffen und begründete Befristun- 21722 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Januar 2009 (A) (C) (B) (D) gen erschweren. Schon diese Bandbreite zeigt, dass es vernünftig ist, hier zurzeit keine Änderungen herbeizu- führen. Welche Motive hatte der Gesetzgeber, befristete Ar- beitsverträge zu gestatten? Befristete Arbeitsverträge er- möglichen den Unternehmern, flexibel auf schwankende und unsichere Auftragslagen zu reagieren. Befristete Ar- beitsverhältnisse sind eine sinnvolle Alternative zu Überstunden und zur Auslagerung von Aufträgen. Für Arbeitnehmer sind sie zudem eine Chance für einen Ein- stieg in ein längeres Arbeitsverhältnis. Im Jahr 2006 wurden 45 Prozent aller Abgänger aus Befristung in demselben Betrieb übernommen. Befristete Arbeitsver- träge sind also eine Brücke zur Dauerbeschäftigung. Natürlich sehe ich auch die Nachteile dieser Arbeits- verhältnisse. Es ist der Wunsch jeder Arbeitnehmerin und jedes Arbeitnehmers, eine Daueranstellung zu erhal- ten. Denn häufig sind befristete Arbeitsverhältnisse schlechter entlohnt. Außerdem erhalten Arbeitnehmerin- nen und Arbeitnehmer in befristeten Arbeitsverhältnis- sen viel seltener die Möglichkeit zur Teilnahme an Wei- terbildungsmaßnahmen. Die SPD-Fraktion lehnt den Antrag der FDP ab, weil befristete Arbeitsverträge die Ausnahme und unbefris- tete Beschäftigung der Normalfall bleiben müssen. Die FDP schlägt vor, dass die sachgrundlose Befristung nach einer kurzen dreimonatigen Unterbrechung wiederholt zulässig ist. Dies hätte eine erhebliche Ausweitung be- fristeter Arbeitsverhältnisse zur Folge, und das wollen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in unserem Land nicht. Außerdem würde dadurch die Arbeitslosen- versicherung belastet, da die dreimonatige Unterbre- chung wohl hauptsächlich durch die Zahlung von Ar- beitslosengeld überbrückt wird. Das vom Unternehmer zu tragende Risiko schwankender Auftragslagen würde weitgehend auf den Arbeitnehmer und die Arbeitslosen- versicherung abgewälzt. Würden wir dem Antrag zu- stimmen, so würden wir wieder eine Kette befristeter Arbeitsverhältnisse zulassen. Nach drei Monaten Pause wäre dann wieder eine bis zu zwei Jahre befristete An- stellung beim gleichen Arbeitgeber zulässig. Warum sollte ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer dann noch un- befristet einstellen? Kurzum: Der Antrag der FDP ist nicht zu Ende gedacht und ist eine Gefahr für die Arbeit- nehmerinnen und Arbeitnehmer. Auch der Antrag der Linken fordert Änderungen im Teilzeit- und Befristungsgesetz. Nur wollen die Linken die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung von Ar- beitsverträgen. Weiter wollen sie befristete Arbeitsver- träge erschweren und den Arbeitgeber verpflichten, befristet Beschäftigte unbefristet weiterzubeschäftigen. Diese generelle Pflicht zur Weiterbeschäftigung befristet Beschäftigter auf unbefristeten Stellen wäre aber ein Eingriff in die unternehmerische Freiheit, die im Grund- gesetz garantiert ist. Im Einzelfall kann heute schon der Betriebsrat darauf Einfluss nehmen, dass ein gleich ge- eigneter befristet Beschäftigter eine zu besetzende unbe- fristete Stelle erhält. Aus meiner langjährigen Erfahrung als Betriebsrat weiß ich, dass dies auch genutzt wird. Unser politisches Ziel muss es sein, die Rahmenbedin- gungen so zu gestalten, dass die Menschen in sichere Beschäftigung kommen, und zwar aufgrund ihrer per- sönlichen Fähigkeiten und Qualifikation und nicht durch politische Zwangsverordnung. Die Begründung des Antrags der Linken macht ein- mal mehr deutlich: Glaube keiner Statistik, die du nicht selber verfälscht hast. Der von den Linken beklagte An- stieg befristeter Beschäftigung ist nämlich nahezu aus- schließlich auf eine veränderte Erfassungsmethodik seit 2005 zurückzuführen. Die SPD-Fraktion will Arbeitneh- merinnen und Arbeitnehmer schützen und gleichzeitig die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen ermöglichen. Deswegen lehnen wir die Anträge von der FDP und der Linken ab. Anette Kramme (SPD): „Allen Menschen Recht ge- tan, ist eine Kunst, die niemand kann“ – weiß der Volks- mund seit langem. Angesichts der vorliegenden konträ- ren Anträge wird er wohl wieder einmal Recht behalten. Die Linke will die Möglichkeiten zur Befristung von Arbeitsverhältnissen massiv begrenzen. Die FDP will die Möglichkeiten zur Befristung von Arbeitsverhältnis- sen massiv ausweiten. Was ist in solchen Fällen die beste Lösung? Das zu tun, wovon man selbst überzeugt ist, um wenigstens mit sich selbst im Reinen zu sein. Wir Sozialdemokraten setzen uns in dieser Frage tra- ditionell für möglichst ausgewogene Regelungen ein. Unser Ziel ist in erster Linie die unbefristete und sozial abgesicherte Arbeit. Dies ist wichtig für die Lebenspla- nung der Menschen. Wer sich von Job zu Job hangelt, kann bestimmte Projekte im Leben nur schwer angehen. Die Familienplanung wird oft hintenangestellt, größere Anschaffungen werden meist nicht gewagt, oder man bekommt kaum Kredite bewilligt, etc. Studien belegen zudem, dass befristet Beschäftigte oft schlechter bezahlt werden und sich seltener weiterbilden. Wir wollen deshalb einen Ausgleich schaffen zwi- schen dem Schutz der Arbeitnehmer einerseits und ande- rerseits dem Bedürfnis der Unternehmen, auf Markt- schwankungen mit etwas Flexibilität zu reagieren. Deshalb haben wir uns 2001 bei der Auflage des Teil- zeit- und Befristungsgesetzes für eine maßvolle Begren- zung von Befristungen entschieden. Das TzBfG regelt in § 14 Abs. 1, wann ein sachlicher Grund zur Befristung vorliegt. Acht zulässige Sachgründe werden beispielhaft genannt. § 14 Abs. 2 eröffnet zudem die Möglichkeit zur sachgrundlosen Befristung eines Arbeitsvertrags, im- merhin bis zu maximal zwei Jahren. Letzteres kann man wie Sie, liebe Kollegen von der Linkspartei, durchaus kritisch sehen. Persönlich bin auch ich der Meinung, dass sich jede vereinbarte Befristung sachlich erklären lassen sollte. Das ist übrigens auch Po- sition der SPD-Fraktion. Ihre Forderung hingegen, ver- ehrte Kollegen der FDP, die sachgrundlose Befristung auszuweiten, halte ich für verfehlt! Schon 2001, als wir das Teilzeit- und Befristungsrecht schufen, existierte die von Ihnen vorgeschlagene Rege- lung im Beschäftigungsförderungsgesetz. Wir haben uns damals bewusst dagegen entschieden, sie ins TzBfG auf- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Januar 2009 21723 (A) (C) (B) (D) zunehmen. Denn sie schützt gerade nicht vor Kettenbe- fristungen, wie Sie behaupten. In der Praxis liefe Ihr Vorschlag darauf hinaus, dass ein Arbeitnehmer befristet beschäftigt ist, dann drei Monate arbeitslos bleibt, um anschließend neu befristet eingestellt zu werden. Die Kosten für die Überbrückung müsste die Arbeitslosen- versicherung tragen. Das ist nun gerade nicht das Ziel. Im Übrigen ist Ihre Darstellung vom armen Hascherl, das nicht auf eine befristete Stelle eingestellt werden könne, sobald es nur einen einzigen Tag als Student im gleichen Unternehmen gejobbt hatte, polemisch und zum Teil einfach falsch. Weder Ausbildung noch Be- triebspraktika von Studenten gelten als Arbeitsverhältnis im Sinne des TzBfG. Die Betroffenen können also nach dem Ende ihrer Ausbildung oder ihres Jobs durchaus sachgrundlos befristet eingestellt werden. Etwas anderes gilt zwar für sogenannte Werkstudenten oder Ferienjob- ber, bei denen die entgeltliche Arbeitsleistung im Vor- dergrund steht. Die können später tatsächlich nicht mehr auf eine sachgrundlos befristete Stelle eingestellt wer- den. Doch ich gehe fest davon aus, dass jeder Arbeitge- ber, der einen Ex-Werkstudenten oder Ex-Ferienjobber weiterbeschäftigen möchte, einen Sachgrund für die Be- fristung findet. § 14 Abs. 1 TzBfG bietet Möglichkeiten. Eine Befristung ist zum Beispiel möglich, wenn sie im Anschluss an eine Ausbildung oder ein Studium erfolgt – Nr. 2 – oder zur Erprobung dient – Nr. 5 –. Die geforderten Änderungen der FDP sind aus meiner Sicht nicht nur unnötig für den dargestellten Fall. Sie wären auch ein falsches arbeitsmarktpolitisches Signal. Deshalb empfehlen wir die Ablehnung des Antrags. Es spricht einiges dafür, sachgrundlose Befristungen künftig auszuschließen. Das steht sogar im Koalitions- vertrag. Wie wärs, liebe Kollegen von der Union? Wol- len wir das noch mal anpacken? Nachdem wir uns jetzt schon so friedlich auf Mindestlöhne und Entsendegesetz geeinigt haben? Es ist auch überlegenswert, Arbeitgeber dazu zu ver- pflichten, einen befristet Beschäftigten zu übernehmen, sobald eine entsprechende unbefristete Stelle frei wird. Zum Teil funktioniert das schon heute dank des Be- triebsverfassungsgesetzes – § 99 Abs. 2 Nr. 3 –. Ein Be- triebsrat kann die Zustimmung zur Einstellung auf einen unbefristeten Arbeitsplatz verweigern, wenn ein gleich geeigneter befristet Beschäftigter nicht berücksichtigt wurde. Die Verabschiedung von AEntG und MiArbG heute war ein Erfolg für die Arbeitnehmer in den Niedriglohn- branchen. Damit haben wir einen wichtigen Punkt aus dem Koalitionsvertrag erfüllt. Die Abschaffung sach- grundloser Befristungen wäre ein weiterer Etappensieg im Rennen um Arbeitnehmerrechte und Koalitionstreue. Liebe Kollegen der Union, geben Sie Ihrem Herzen ei- nen Stoß. Dirk Niebel (FDP): Die Finanzkrise ist auf dem Ar- beitsmarkt angekommen. Und auch die nahe Zukunft sieht trüb aus. Zwar sinkt das Arbeitskräfteangebot aus demografischen Gründen, aber schon in zwei Jahren werden nach den Prognosen wieder 4 Millionen Men- schen arbeitslos sein. Deshalb müssen wir jetzt alle Möglichkeiten nutzen, um Beschäftigung zu stabilisie- ren. Die Zahl der Kurzarbeiter ist überdurchschnittlich gestiegen. Mit dem Kurzarbeitergeld können Unterneh- men, die konjunkturbedingt in Schwierigkeiten geraten sind, ihre Mitarbeiter bis 18 Monate halten, ohne ihnen kündigen zu müssen. Das zeigt doch, dass Unternehmen sehr großes Interesse an ihrem eingearbeiteten, qualifi- zierten Personal haben und Instrumente brauchen, die ih- nen bei veränderter Auftragslage Flexibilität ermögli- chen. Unser Gesetzentwurf ist ein effektives Instrument für mehr Flexibilisierung auf dem Arbeitsmarkt. Es ist keine Satire, sondern Realität, dass derzeit ein Arbeitnehmer nicht auf eine sachgrundlos befristete Stelle eingestellt werden kann, wenn er als Student bei diesem Unterneh- men schon einmal befristet beschäftigt war. Sie werden mir doch zustimmen, dass es besser ist, befristet in Ar- beit zu sein als unbefristet arbeitslos bleiben zu müssen. Im Übrigen werden zum Beispiel im öffentlichen Dienst aus Haushaltsgründen kaum noch Dauerarbeitsverhält- nisse angeboten. Damit verschlechtern sich die Chancen für diejenigen weiter, die schon einmal bei einer Ge- bietskörperschaft befristet beschäftigt waren. In meinem Wahlkreis ist die Universität Heidelberg der größte Ar- beitgeber, also das Land Baden-Württemberg. Wer als Studierender einmal befristet an der Uni beschäftigt war, kann lebenslänglich nicht mehr auf eine befristete Stelle beim Land hoffen. Das ist doch schizophren. Eine befristete sachgrundlose Beschäftigung darf der- zeit höchstens zwei Jahre dauern. Die Möglichkeit sach- grundloser Befristung von Arbeitsverträgen ermöglicht Arbeitsuchenden, insbesondere denen, die länger ar- beitslos waren, wieder ins Berufsleben einzusteigen. Sie können ihre Leistungsfähigkeit beweisen und damit ihre Chancen auf Weiterbeschäftigung verbessern. Derzeit wird eine sachgrundlose Befristung ausge- schlossen, wenn mit dem Arbeitnehmer früher schon ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestan- den hat. Das führt zu einer Vielzahl von Problemen und hat insbesondere für ältere Arbeitnehmer große Nach- teile. Welches Unternehmen hat noch Personalunterla- gen von vor zwanzig Jahren? Wer nicht gegen dieses Ge- setz verstoßen will, muss frühere Beschäftigungszeiten durch mühsame Prozeduren ausfindig machen. Dabei besteht bei Frauen und Männern die Möglichkeit, dass sie unter einem anderen Namen schon einmal beschäftigt waren, wenn sie durch Heirat ihren Nachnamen geändert haben. Es ist an der Zeit, diese lebenslange Beschäftigungs- sperre aufzuheben. Wir sind auch gegen Kettenarbeits- verhältnisse. Die können wir mit einem Beschäftigungs- verbot beim ehemaligen Arbeitgeber für eine Frist von drei Monaten verhindern. Drei Monate reichen völlig aus. Das ist die bessere Alternative zu einem lebenslan- gen Arbeitsverbot. Damit haben diejenigen, um die es hier geht, wenigstens eine Chance, eine Zeit lang be- schäftigt zu werden und nicht dauerhaft in der Arbeitslo- sigkeit bleiben zu müssen. 21724 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Januar 2009 (A) (C) (B) (D) Die aktive Arbeitsmarktpolitik der schwarz-roten Re- gierung war genauso wenig erfolgreich wie die Arbeits- marktpolitik der rot-grünen Regierung. Die eine Regie- rung hat formal abgewirtschaftet, die andere faktisch. Es ist Zeit für einen Politikwechsel, und den gibt es nur mit uns, mit der FDP, in den Ländern wie im Bund. Arbeit muss billiger werden. Steuern und Sozialabgaben müs- sen gesenkt werden. Und den Bürgerinnen und Bürgern muss mehr vom Bruttoverdienst bleiben. Kornelia Möller (DIE LINKE): Deutschland auf dem Weg zum Land der prekären Arbeitsverhältnisse! Das galt bereits während des Aufschwungs, und es gilt be- sonders in Zeiten von Rezession und Wirtschaftskrise. Deshalb kommt unser Antrag zur Begrenzung befristeter Arbeitsverhältnisse zum richtigen Zeitpunkt auf die Ta- gesordnung. Denn wir müssen jetzt handeln. Weit über 80 Prozent aller Beschäftigten halten ein unbefristetes Arbeitsverhältnis für einen Bestandteil gu- ter Arbeit. 80 Prozent! Die Realität hingegen sieht ganz anders aus: Bereits 2006 hatten wir mehr als 4,6 Millio- nen befristet Beschäftigte – neben 600 000 Leiharbeite- rinnen und Leiharbeitern, 6,75 Millionen geringfügig Beschäftigten und 4,5 Millionen sozialversicherungs- pflichtigen Teilzeitarbeiterinnen und Teilzeitarbeitern, die alle ebenfalls zur wachsenden Zahl prekär Beschäf- tigter zählen. Tendenz steigend. Die Linke betrachtet nicht nur mit Sorge, dass ein wachsender Anteil befristeter Beschäftigung das Ar- mutsrisiko erhöht, welches heute bereits viele Vollzeit- jobs charakterisiert; siehe JAB-Studie. Befristete Beschäftigung trägt vor allem dazu bei, Langzeitarbeits- losigkeit zu verfestigen. Denn aus betriebswirtschaftli- chen Erwägungen investieren Unternehmen eben nicht in befristet Beschäftigte, gehen Weiterbildungs-, Qualifi- zierungs- und andere Personalentwicklungsmaßnahmen meist an ihnen vorbei. Und daran werden auch die voll- mundig angekündigten Qualifizierungsprogramme der Koalition wenig ändern, von denen sich der Arbeits- minister bereits wieder Vollbeschäftigung verspricht. Befristete Beschäftigung ist generell mit der Tendenz beruflichen Kompetenzmangels bzw. -verlusts verbun- den. Befristete Beschäftigung schränkt den Kündigungs- schutz ein, benachteiligt besonders jüngere Menschen und Frauen, verhindert Ansprüche, die aus der Dauer der Betriebszugehörigkeit resultieren, und sie steht einer Entscheidung Jüngerer für Familie und Kinder entgegen, weil die aktuellen Regelungen zum Schutze von Mutter- und Elternschaft keine Sicherheit bei befristetem Ar- beitsverhältnis gewährleisten. All das ist bekannt und weitgehend auch wissen- schaftlich untermauert, ebenso wie die Ursachen, die den Druck auf zunehmend schlechtere Arbeit ständig erhö- hen. Die Ursachen sind im hohen Sockel der Langzeit- arbeitslosigkeit und natürlich in der Angst vor Hartz IV zu sehen, in der Angst vor gesellschaftlichem Absturz und großer Armut, vor Diskriminierung und Willkür. Wer Erwerbslose in zwei Klassen einteilt, der hat den Konkurrenzdruck unter den Erwerbslosen und zwischen ihnen sowie denen, die noch beschäftigt sind, so ver- schärft, dass die Schwelle, jede noch so schlechte Arbeit anzunehmen, immer tiefer rutscht. Getreu dem jedem Humanismus hohnsprechenden Slogan „Jede Arbeit ist besser als keine“. Auch deshalb fordern wir: Hartz IV muss weg. Dann wird es auch leichter, die Zahl befristeter Arbeitsverhält- nisse wieder einzuschränken, wie es unser Antrag vor- sieht. Wenn Sie Ihre Ankündigungen einer umfassenden Qualifizierungsoffensive ernst meinen, dann stimmen Sie unserem Antrag auf Einschränkung befristeter Ar- beitsverhältnisse zu. Denn Unternehmen werden vorran- gig in die Weiterbildung ihrer unbefristet beschäftigten Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen investieren. Nun zu Ihnen, Herr Arbeitsminister Olaf Scholz: Hören Sie auf, den Menschen das Märchen von der Voll- beschäftigung vorzugaukeln! Ihre Regierung ist nicht einmal in der Lage, die selbst gesetzten Ziele bei den Ar- beitsmarktprogrämmchen „Jobperspektive“ und „Kom- munalkombi“ umzusetzen. Optimismus zu verbreiten und sich der Lächerlichkeit preiszugeben, sind zwei un- terschiedliche Dinge. Und Ihre absurde Vorstellung von Vollbeschäftigung dient höchstens als Vorlage für neue Manipulationen der Arbeitsmarktstatistik. Wir würden es sehr begrüßen, wenn Sie als Arbeitsminister für aus- reichende Beschäftigung mit voller Bezahlung sorgen würden. Nehmen Sie endlich die Ausweitung öffentlich geförderter Beschäftigung in Ihr Konjunkturprogramm auf! Stattdessen haben Sie den Schutzschirm für diejeni- gen, die ihn am dringendsten benötigen, die Langzeit- arbeitslosen, fahrlässig in die Ecke gestellt. Da stellen Sie auf der einen Seite 480 Milliarden für die Banken bereit und reduzieren auf der anderen Seite trotz Rezes- sion und Entlassungswellen die Beiträge zur Arbeitslo- senversicherung auf 2,8 Prozent. Sie blockieren so die finanziellen Mittel für solche wertvollen Initiativen wie in Berlin. Hier kämpfen enga- gierte Frauen und Männer im Senat und in den Bezirken um neue sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze im Rahmen eines öffentlich geförderten Beschäftigungs- sektors. Das ist ein Kampf um gute Arbeit, den Sie, meine Damen und Herren Koalitionäre, über das Fest- halten an getrennten Rechtskreisen und mit dem Redu- zieren der Mittel für die Arbeitsmarktpolitik verhindern. Spannen Sie endlich den Schutzschirm auf für die Bür- gerinnen und Bürger, stellen Sie endlich die Menschen in den Mittelpunkt! Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die FDP spricht in ihrem Antrag ein Problem an, für das tatsächlich eine unkomplizierte Lösung gefunden wer- den sollte. Wer jemals in einem Unternehmen oder in ei- ner Behörde zum Beispiel als Student befristet oder auch unbefristet gearbeitet hat, hat, wenn in diesem Unterneh- men später wieder eine sachgrundlos befristete Stelle an- geboten wird, keine Chance auf diesen Job. Es gilt in diesem Falle ein Wiedereinstellungsverbot, und zwar le- benslang. Dadurch können den Betroffenen Praxiserfah- rungen zum Beispiel während der Ausbildung zum Nachteil gereichen: Sie knüpfen Kontakte, um hinterher vor verschlossenen Türen zu stehen. Gleiches gilt für Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Januar 2009 21725 (A) (C) (B) (D) Arbeitnehmer, die nach einer Phase der Arbeitslosigkeit einen Wiedereinstieg ins Erwerbsleben suchen und den bei einem vorherigen Arbeitgeber finden könnten. Auch wir Grünen glauben, dass der lebenslange Aus- schluss nicht notwendig ist, um unerwünschte sach- grundlose Kettenarbeitsverträge zu verhindern. Ob eine Wartefrist von drei Monaten eine angemessene Dauer ist, um diese Kettenverträge auszuschließen, sollten wir während der Beratungen im Ausschuss jedoch noch dis- kutieren; wir haben bislang eine Frist von sechs Monaten für sinnvoll gehalten. Diametral entgegengesetzt zum Antrag der FDP sind die Forderungen der Linken. Die Linke fordert unter an- derem, die sogenannte sachgrundlose Befristung ganz abzuschaffen, und darüber hinaus die Einschränkung be- fristeter Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung. Die geforderte Abschaffung der sachgrundlosen Be- fristung ist aus meiner Sicht aber ein Stochern im Nebel. Sie wissen genauso wenig wie ich, wie häufig und mit welcher Intention Verträge sachgrundlos befristet wer- den. Die Vermutung, ein Verbot würde schon die Richti- gen treffen, kann aber nicht zielführend sein. Es gibt eben Fälle, in denen eine befristete Beschäftigung nicht nach den geltenden Sachgründen gerechtfertigt werden kann. Gäbe es die sachgrundlose Befristung in diesen Fällen nicht, wäre in den allermeisten Fällen die Konse- quenz, dass diese Stellen überhaupt nicht angeboten würden. Denken Sie zum Beispiel an Existenzgründer und Existenzgründerinnen sowie kleine Unternehmen, die ihre Aktivitäten ausweiten, aber nicht sicher sein kön- nen, dass ihr Erfolg von Dauer ist. Das sind typische Konstellationen, die mit großer unternehmerischer Unsi- cherheit verbunden sind. Da ist es natürlich naheliegend und sinnvoll, zusätzliche Mitarbeiter zunächst einmal befristet einzustellen, um bei zurückgehenden Aufträgen reagieren zu können. Müsste der Unternehmer oder die Unternehmerin in einer solchen Situation die Verantwor- tung für ein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis ein- gehen, würden er oder sie auf den Versuch einer Expan- sion in den meisten Fällen wohl verzichten. Das Risiko wäre einfach zu hoch. Allerdings sehe ich ebenso wie die Linke mit großem Unbehagen den hohen Anteil befristeter Beschäftigung zum Beispiel im öffentlichen Dienst. Geradezu skanda- lös ist zum Beispiel die Praxis einiger Länder, Lehrer als befristete Saisonarbeiter zu beschäftigen und in den Sommerferien zulasten der Bundesagentur für Arbeit auf die Straße zu setzen. Hinzu kommt, dass insbesondere im öffentlichen Dienst die Chancen von befristet Be- schäftigten auf eine unbefristete Stelle schlecht sind: Nur etwa jedem Vierten gelingt binnen drei Jahren der Über- gang auf einen unbefristeten Arbeitsplatz. In anderen Branchen sieht das ganz anders aus, beispielsweise im produzierenden Gewerbe oder bei distributiven Dienst- leistungen. Befristete Beschäftigung kann ein wichtiges Instru- ment sein, um den Arbeitsmarkt insbesondere für Be- rufseinsteiger zugänglicher zu machen. Die Begleitfor- schung zeigt, dass dies in vielen Branchen eine dauerhafte Perspektive eröffnet. Das ist aber – und das sehe ich auch – nicht überall der Fall, und das sollten wir ändern. Die Ausschussberatungen bringen uns diesem Ziel hoffentlich näher. Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung: Infra- struktur und Marketing für den Wassertouris- mus in Deutschland verbessern (Tagesord- nungspunkt 19) Renate Blank (CDU/CSU): Ideale Segelwinde, ge- mütliche Häfen, lange Sandstrände, idyllische Buchten – ich sehe hier schon einige sehnsuchtsvolle Blicke –, aber nein, ich rede jetzt nicht von einer romantischen Südseeinsel, sondern von der Ostsee, einem der schöns- ten Segelreviere der Welt. Ja, das Wassersportland Deutschland, es ist vielfältig, hält Überraschungen bereit und liegt im Trend. „Das vornehmste Element ist das Wasser“; das wussten schon die alten Griechen – Pindar, etwa um 518 bis 442 v. Chr., altgriechischer Lyriker, Komponist. Deutschland bietet in der Tat „vornehmste“ Bedingungen für den Wassersport: Ein Wasserstraßennetz von 10 000 Kilome- tern Länge, rund 2 400 Kilometer Küste und 18 Inseln sowie eine der größten und schönsten zusammenhängen- den Gewässerlandschaften Europas in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern bilden einen einzigartigen Standortvorteil für Deutschland. 800 Fahrgastschiffe mit 200 000 Plätzen bieten Fahrten auf Flüssen und Seen an, und 750 000 Sport- und Freizeitboote garantieren indi- viduelle Entdeckungen. Acht der 13 deutschen Na- tionalparks, die direkt am Wasser liegen oder große Wasserflächen einschließen, sind ideale Gebiete für Wattwanderungen, Vogelbeobachtungen, Radtouren oder Kanuwanderungen. Auch Süddeutschland bietet viele und interessante Wassersportmöglichkeiten. Zahl- reiche Städte an Küsten, Seen, Kanälen oder Flüssen la- den zu kulturellen Erlebnissen ein. Keine Frage: Deutschland ist ein sehr interessantes Wassersport- und Urlaubsrevier. Leider sind die vielfältigen Möglichkei- ten, mit denen das Wasser touristisch genutzt werden kann, noch lange nicht ausgeschöpft. Eine große Stärke im internationalen Wettbewerb sind dabei unsere zentrale Lage in Europa und die guten Ver- kehrsanbindungen. Kurz gesagt: Die natürlichen geogra- fischen Besonderheiten in Deutschland machen das Wasser zum Ursprung für touristisch vielfältige Mög- lichkeiten in Deutschland. 2007 haben wir ja bereits den Antrag „Attraktivität des Wassertourismus und des Was- sersports stärken“ verabschiedet, um diesen Positivtrend zu verstärken. Der damalige Beschluss beinhaltete zahl- reiche Vorschläge zur Förderung und Verbesserung des Wassersports in Deutschland. Unser jetziger Antrag soll diese Maßnahmen ergän- zen und flankieren bzw. eine ins Stocken geratene Um- 21726 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Januar 2009 (A) (C) (B) (D) setzung aktivieren. Der Charterboottourismus verzeich- net zum Beispiel besonders hohe Zuwächse, wobei als wesentliche Voraussetzung für ein Wachstum des Char- terboottourismus die Schaffung von gebietsübergreifen- den Einwegfahrten gilt. Die hohen Zuwächse sind unter anderem auch dadurch entstanden, dass nach vielen Jah- ren des Zögerns die Möglichkeit geschaffen wurde, ein Boot zu mieten, um auf Kanälen und Flüssen – natürlich nicht auf dem Rhein – zu schippern, ohne einen Boots- führerschein zu besitzen. Für Wasserwanderer, Motor- bootfahrer und die Fahrgastschifffahrt müssen neue Routen erschlossen werden. Die Sport- und Wasser- sportwirtschaftsverbände sollen zukünftig verstärkt bei diesbezüglichen Planungen beteiligt werden und ihre praktischen Kenntnisse einbringen. Engpässe bei der Befahrbarkeit von Wasserwegen be- hindern den Wassertourismus. Hier könnte das Konjunk- turprogramm II helfen. Um auch eine optimale Nutzung zu erreichen, ist der sportbootgerechte Ausbau von War- testellen durch Anlegestege eine wichtige Vorausset- zung. Die Aufstellung einheitlicher Piktogramme erleichtert die Nutzung wassersportlicher Einrichtungen für deut- sche und ausländische Wassersportler. In unserem An- trag wird deshalb vorgeschlagen, diese flächendeckend und für alle Wassersportarten einzusetzen. Bereits vor- handene Informationsangebote sollen zu einem bundes- weiten Marketingkonzept zusammengeführt werden, und eine Broschüre sowie ein nutzergerechtes Internet- portal sollen den Wassersport endlich auch bundesweit präsentieren. Auch Genehmigungsverfahren können mithilfe einer Koordinierungsstelle erleichtert werden. Bei diesen Verfahren brauchen wir aber dringend eine Verschlankung. Dringend muss auch über Bürokratieab- bau nachgedacht werden. Deshalb fordern wir das Ministerium auf, alle Betei- ligten, Verbände und Vereine, auch den ADAC an einen Tisch zu holen, um unbürokratische Lösungen für alle Wassersportarten zu finden. Ein solcher Termin sollte bald zustande kommen, damit vielleicht noch in diesem Jahr mit Aktivitäten begonnen werden kann, damit die Bürgerinnen und Bürger touristische Angebote in Deutschland nutzen können. Die grenzenlose Freiheit auf dem Wasser, sie ist in Deutschland allzu oft nicht gegeben, stattdessen Regu- lierungswut allerorten. Allein auf Bundesebene mischen fünf Ministerien mit. Die Zahl der nachrangigen Behör- den, die in irgendeiner Form direkt oder indirekt Ein- fluss auf den Segelsport nehmen, ist enorm: 60 an der Zahl laut Zeitschrift Yacht 2005. Hinzu kommen die Ämter der Länder bis hin zu den regionalen Verkehrsres- sorts. Kompetenzgerangel und Streit um Zuständigkeiten sind da keine Seltenheit. Zu Beginn der Legislaturperiode ist man ja schon auf diese Probleme zum Thema Wassersport und Tourismus gestoßen; leider wurden die Hindernisse nicht so ganz beachtet. Mir fällt hierzu auch das Thema Bootsführer- scheine ein. Zum Beispiel: Wenn jemand den Bootsfüh- rerschein macht, anschließend dann den Segelschein und später den Küstensegelschein usw., wird immer wieder Grundwissen abgefragt. Das wäre nicht nötig; hier könnte Zeit gespart und Bürokratie abgebaut werden. Wir brauchen also eine komplette Überarbeitung des deutschen Führerscheinsystems unter Berücksichtigung der Fahrtgebiete und Bootstypen sowie die Überarbei- tung der Prüfungsfragenkataloge. Deshalb begrüße ich die Ankündigung des Verkehrsministers, die Moderni- sierung der Sportbootführerscheine voranzutreiben. Oder das Thema Sicherheit: Ich befürworte im Grundsatz die Forderung der Verbände nach verlässli- chen Unfallstatistiken und gemeinsame Kampagnen zur Schaffung eines Sicherheitsbewusstseins im Sportboot- bereich, aber auch die Entwicklung von Qualitätsstan- dards für die Ausbildung der Weiterentwicklung prakti- scher Prüfungsteile, die Bindung der Mindestausrüstung auch an das Fahrtgebiet, die Änderung der Trinkwasser- verordnung und die Schaffung eines einheitlichen Sport- schifffahrtrechts. Über eine Kennzeichnungspflicht muss noch diskutiert werden. Aber natürlich kann niemand, auch wenn wir einiges ändern, deshalb rosige Zukunftsaussichten für den Was- sertourismus verkünden. Auch der Tourismus muss sich in Schlechtwetterzeiten auf wirtschaftliche Krisen ein- stellen. Unstrittig ist aber: Der Tourismus ist eine der Leitökonomien der Zukunft. Der Wassertourismus rückt dabei zunehmend in den Fokus. Ich bin froh, dass nach der ersten großen bundesweiten Grundlagenuntersuchung zum Wassertourismus 2003, et- lichen Studien auf Landes- und kommunaler Ebene, mehreren Anläufen und Anträgen nun die Große Koali- tion dieses Thema ausführlich würdigt und Handlungs- empfehlungen ausspricht. Um aber im sich verschärfen- den nationalen und internationalen Wettbewerb bestehen zu können, müssen wir die sich bietenden wassertouristi- schen Potenziale verstärkt nutzen und den hohen Erwar- tungen der Gäste an das Angebot und die Dienstleis- tungsqualität gerecht werden. Hier soll der nun heute vorliegende Antrag den Grundstein für weitere gezielte Maßnahmen für dieses lukrative und deutschlandweit wachsende Marktsegment legen. Die Handlungsfelder zur Stärkung des Wassertouris- mus in unserem Antrag lassen sich kurz zusammenfas- sen in Stärkung der Infrastruktur für den Wassertouris- mus, Schaffung neuer wassertouristischer Angebote, begleitende Maßnahmen zur Stärkung des Wassertouris- mus, Steigerung der Qualität der wassertouristischen Angebote, verbessertes Marketing. Wassertourismus ist für alle Bundesländer ein Thema, wobei allerdings die Bedeutung dieses Marktsegmentes nicht zuletzt aufgrund ungleicher naturräumlicher Vo- raussetzungen sehr unterschiedlich ist. Während für die norddeutschen Bundesländer ein klarer Schwerpunkt beim Wassertourismus liegt, ist dieser für die anderen Bundesländer ein Teilsegment des gesamttouristischen Angebotes, das mehr oder weniger stark ausgefüllt und bedient wird. Zu den infrastrukturellen Basisangeboten auf und am Wasser gehören qualitativ gut ausgebaute Anlegestellen und Wasserwanderrastplätze. Deutschlandweit kenn- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Januar 2009 21727 (A) (C) (B) (D) zeichnen zurzeit über 260 „Gelbe Wellen“ Anlegemög- lichkeiten und signalisieren dem Wassertouristen und Wassersportler ein „Herzliches Willkommen“. Allein Schleswig-Holstein bietet seinen Gästen rund 250 Sport- boothäfen mit über 30 000 Liegeplätzen. Rund 30 Sport- boothäfen und Marinas, hauptsächlich in Mecklenburg- Vorpommern, sind bislang mit den „Blauen Sternen“ ausgezeichnet worden. Sie sind Vorreiter, sichern Quali- tätsstandards, bauen ihre bestehenden Angebote aus und geben dem Verbraucher bessere Vergleichsmöglichkei- ten des Infrastruktur- und Serviceangebots. Bei aller Freude über das Wachstum im Wassertouris- mus: Es muss uns gelingen, weitere Marktanteile zu ge- winnen. Um dieses Ziel zu erreichen, setzen wir auf eine vielfältige Strategie. Wir brauchen eine verbesserte Imagepflege, Internationalität, Innovation, Individuali- sierung, Investitionsfreundlichkeit, Kooperation und Qualität. Ein Paket aus Rücksichtnahme gehört aber auch an Bord jedes Freizeitkapitäns. „Das Wasser ist ein freund- liches Element für den, der damit bekannt ist und es zu behandeln weiß“, stellte bereits Johann Wolfgang von Goethe fest. Sorgen wir gemeinsam dafür, dass durch die richtige Behandlung von Struktur und Marketing der Wassertourismus in Deutschland profitiert. Unser Antrag hat zweifellos das Zeug dazu. Ich sage daher „Leinen los!“ und bitte um Zustimmung. Annette Faße (SPD): Das Jahr 2008 war für den Wassertourismus ein gutes Jahr! Zwei Anträge sind im letzten Jahr entstanden, den zweiten mit dem Titel „In- frastruktur und Marketing für den Wassertourismus ver- bessern“ werden wir heute verabschieden. Wenn es ge- lingt, die Forderungen im vorliegenden Antrag zügig umzusetzen, kann auch das Jahr 2009 ein wirklich gutes Jahr für die Wassersportler werden. Wassersport hat sich zum Breitensport entwickelt, den Wasseraffinen geht es um körperliche Fitness, um den Ausgleich von Bewegungsmangel und den Spaß am Sport und dem Erleben von Natur pur. Eines ist dabei klar, meine Damen und Herren: die Potenziale des Was- sertourismus sind nicht ausgeschöpft! Diese Feststellung war der Anlass und Auslöser zu zwei Anträgen im Deut- schen Bundestag, die beide den Wassertourismus zum Gegenstand haben. Der zweite Antrag ist im Verkehrsausschuss mit den Stimmen der Koalition und bei Zustimmung von FDP und Linken angenommen worden. Darüber freue ich mich, und es zeigt, dass wir parteiübergreifend die Chan- cen des Wassertourismus verbessern möchten. Allen Ur- laubern, ob aus Deutschland, Europa oder weltweit, möchten wir unser Land von der schönsten Seite präsen- tieren. Der Wassersport und Wassertourismus bietet uns dabei zahlreiche Möglichkeiten, die wir nutzen müssen. Wir stehen im Wettbewerb mit anderen Destinationen des Wassertourismus. Segeln, Surfen, Kanu fahren oder Motorbootsport: Das sind Perlen, die wir auch entspre- chend präsentieren müssen. Der Tourismus insgesamt ist ein wichtiger Wirt- schaftsfaktor in Deutschland. Zwar sagt die Deutsche Zentrale für Tourismus für 2009 eine Abschwächung des Wachstums im weltweiten Tourismus von 2 bis 3 Pro- zent im letzten Jahr auf 0 bis 2 Prozent in 2009 voraus, dennoch stehen wir weltweit an vierter Stelle der belieb- testen Urlaubsziele, ein Wachstum bis zu 2 Prozent ist für das Reiseland Deutschland möglich. Deutschland hält damit einen Weltmarktanteil von 6 Prozent an allen Auslandsreisen. 75 Prozent der Incoming-Reisen kom- men aus Europa. Beim Inlandstourismus sind wir stark und bleiben es auch. In den ersten zehn Monaten des letzten Jahres verzeichneten wir im Deutschlandtouris- mus ein Plus von 3 Prozent. Allein in Deutschland exis- tieren 2,8 Millionen nicht exportierbare, an den Mittel- stand gebundene Arbeitsplätze im Tourismus. Schaut man sich genauer an, unter welchen Bedin- gungen der Tourismus in der Zukunft wachsen muss, dann wird klar: Der Wassertourismus kann dabei gewin- nen. Die Deutsche Zentrale für Tourismus stellt dazu fest: Jeder dritte Bundesbürger verbringt seine Hauptur- laubsreise in Deutschland. Deutschland liegt im Trend bei den Deutschen. Die Zahl der längeren innerdeut- schen Urlaubsreisen ab vier Nächten verstetigt sich. Durch die sich ändernden klimatischen Bedingungen ge- winnen Alternativen zum klassischen Skiurlaub an Be- deutung. Das weltweite Deutschland-Image wird in Zu- kunft stärker vom Image des Reiselandes Deutschland geprägt. Die Wachstumsdynamik kommt aus dem Aus- land; auch darauf müssen wir im Bereich Wassertouris- mus reagieren. Beispielsweise brauchen wir flächende- ckend international verständliche Beschilderungen. Tourismus muss sich insgesamt stärker international orientieren und in das Auslandsmarketing und Bildung investieren. Bund und Länder sollten dies unterstützen. Ein stärkeres Augenmerk sollten wir auf die Nutzung al- ler Vertriebswege richten. Das Internet nimmt eine wich- tige Rolle ein: 46 Prozent der Europäer beispielsweise informieren sich und buchen im Internet. Stichwort: Look and book! Wir müssen die Chancen des demogra- fischen Wandels nutzen. Hier ist natürlich auch die Wirt- schaft gefragt, ihre Angebote auf älter werdende Touristen auszurichten. Weltweiter Klimawandel: Kli- mawandel erzeugt verstärkte Nachfrage nach sanftem Tourismus. Gerade hier kann der Wassertourismus punk- ten. Der Wassertourismus als sanfte, an den intakten Ge- gebenheiten der Natur orientierte Form des Reisens hat noch starkes Wachstumspotenzial. Die DZT bezeichnet diese Form des Erholungstourismus als „Megatrend Ge- sundheit“ und plant bereits die Verstärkung ihrer Marke- tingaktivitäten in diesem Segment. Sportliche Aktivitä- ten im Urlaub werden immer beliebter, Wassersport bietet dabei die ideale Bandbreite von Natur, Sport und dem Bedürfnis, nachhaltig Urlaub zu machen, also die Umwelt dabei zu schonen. Tourismus besitzt eine beson- dere wirtschaftliche Bedeutung für die neuen Länder. Dort befinden sich einige der schönsten Wassersportge- biete, eine Chance für die betreffenden Regionen. Nach einer Mitgliederumfrage des ADAC (2008) sind allein in Deutschland 1,8 Millionen der 16 Millionen Mitglieder aktive Skipper, also Bootsführer in der Freizeitschiff- 21728 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Januar 2009 (A) (C) (B) (D) fahrt, die insbesondere in deutschen Revieren unterwegs sind. Der Bundesverband Wassersport stellt außerdem fest, dass circa 500 000 Wassersportler in Deutschland Boots- eigner sind. Sie besitzen Segeljollen, Segeljachten, Mo- toryachten oder offene Sportboote. 400 000 Boote sind allein auf deutschen Gewässern unterwegs. Der demografische Wandel macht sich bereits be- merkbar. Rund 80 Prozent der Bootseigner sind zwi- schen 40 und 70 Jahre alt. Am häufigsten sind Bootseig- ner in der Altersgruppe von 60 bis 64 Jahren. Die Verbände gehen davon aus, dass dies eine Folge des Booms der Freizeitschifffahrt in den 70er-Jahren ist. Das Interesse am eigenen Boot sinkt seitdem kontinuierlich mit den jüngeren Jahrgängen. Junge Familien beispiels- weise sollten als Zielgruppe verstärkt angesprochen wer- den. Das ist ein weiterer Indikator dafür, dass wir und natürlich auch die Verbände, die Industrie und die Län- der selbst neue Zielgruppen für den Wassersport begeis- tern müssen. Um mehr Menschen für den Wassersport zu gewin- nen, müssen einige Rahmenbedingungen vereinfacht werden. Wir haben bereits im letzten Jahr herausgearbei- tet, dass wir ein großes Problem sehr zügig lösen müs- sen: Das sind die Prüfungen, die notwendig sind, um Sportbootscheine zu erwerben. Sie sind theorielastig und mit Lernstoff überlastet. Der Anreiz, sich in diesen Lern- marathon zu begeben, um überhaupt in den Sport einsteigen zu können, ist nicht groß. Immer wieder errei- chen uns E-Mails und Briefe von aktiven Wassersport- lern oder solchen, die es werden wollen und die den Sinn nicht verstehen, warum sie die Antworten auf 593 Fra- gen auswendig lernen müssen, um mit ihrer kleinen Se- geljolle auf der Havel zu segeln. Ich habe mir die Prü- fungsfragen auf elwis.de angesehen, mit Rock’n’Roll hat das wirklich gar nichts zu tun, was man dort zu sehen be- kommt. Es gibt Fragen, die sind aus meiner Sicht nicht nötig. Ich gebe Ihnen zwei Beispiele: Welche Anforderungen muss der Führer eines Segelboots auf den Binnenschiff- fahrtsstraßen erfüllen? Antwort: Er soll körperlich und geistig und fachlich geeignet sein. Oder: Wie ist die Ein- satzfähigkeit eines Feuerlöschers zu gewährleisten? Durch Einhaltung der Wartungsintervalle und durch das „Sich-vertraut-machen mit der Handhabung“. Zu Deutsch: Gebrauchsanleitung lesen. Deshalb haben wir im ersten Antrag beschlossen, dass die theoretische Prüfung überarbeitet und von praxisfer- nen Fragen befreit werden muss. Gleichzeitig wird die praktische Prüfung ausgebaut. Die einzelnen Führer- scheine werden besser aufeinander abgestimmt und auf Multiple-Choice-Verfahren umgestellt. Die Vorarbeiten hierzu laufen im Verkehrsministerium unter Mitarbeit der Verbände, und nächstes Jahr sollen die neuen Prü- fungen abgenommen werden. Das ist ein guter Erfolg für den Wassersport, der sich auch positiv auf den Wasser- tourismus auswirken wird. Ein ganz besonderes Segment im Wassersport bietet ein enormes Potenzial: die führerscheinfreien Charter- boote, die nach einer Einweisung auf besonderen Gebie- ten an Touristen vergeben werden dürfen. Die Wasser- tourismus Initiative Nordbrandenburg (WIN AG) hat sich dieser Urlaubsform besonders angenommen. Die WIN AG hat bereits einige Gebiete für die führerschein- freien Bootsfahrten eingerichtet und plant die Erweite- rung der Fahrmöglichkeiten. Bedingung für die Realisie- rung ist, dass eine Anschubfinanzierung des Bundes für die Übertragung von Bundeswasserstraßen an Länder und Kommunen möglich ist. Dieser Durchbruch ist uns ebenfalls nach langen Verhandlungen gelungen. Die Möglichkeit der Übertragung von Wasserstraßen mit ei- ner finanziellen Unterstützung durch den Bund hat es vorher nicht gegeben und ist für den Wassersport eine riesige Chance. Wichtige Voraussetzung für den Wassersport und den -tourismus sind durchgängig befahrbare Wasserwege- netze und die Beseitigung von Engpässen. Der Charter- boottourismus ist besonders auf die Erweiterung gebiets- übergreifender Einwegfahrten angewiesen. Schleusen, Bootsrutschen und -schleppen dürfen nicht zu einem Na- delöhr in der Infrastruktur werden. Die stetig wachsende Nutzung der Wassersportgebiete führt unweigerlich zu Engpässen an einigen Schleusen und mehrstündigen Wartezeiten in der Saison. Hier müssen wir Verbesserun- gen erzielen: Durch den Einsatz von Saisonkräften und die Erweiterung der Öffnungszeiten an Sportbootschleu- sen könnten Wartezeiten vermieden werden. Die Sport- und Wassersportverbände sollen stärker an Infrastruktur- planungen beteiligt werden, im Kontakt mit der Praxis können Maßnahmen effizienter geplant werden. Warte- stellen sollen sportbootgerecht und umweltverträglich ausgebaut werden, zum Beispiel durch Anlegestege und Laufrohre. Für viele Maßnahmen im Bereich Wassersport sind zahlreiche Genehmigungen erforderlich. Die landseiti- gen Genehmigungsverfahren sollten so koordiniert wer- den, dass nur ein Ansprechpartner aufgesucht werden muss. Generell müssen Möglichkeiten geprüft werden, wie zusätzliche Ressourcen erschlossen und bessere or- ganisatorische Strukturen geschaffen werden können. Ein weiterer wesentlicher Punkt ist das Marketing; ich habe es schon angesprochen. Das Marketing im Was- sertourismus muss verbessert werden. Printbroschüren sollten verstärkt Gäste aus dem Ausland informieren und auf die Angebote in Deutschland aufmerksam machen. Dabei sollen wassertouristische und landseitige Ange- bote stärker verknüpft werden. Die DZT bestätigt, dass ein erfolgreiches Marketing Deutschland im Tourismus voranbringen wird. Vorhandene Informationsangebote sollten daher zu ei- nem bundesweiten Marketingkonzept zusammengeführt werden, das die Deutsche Zentrale für Tourismus in ei- ner Werbeaktion präsentieren oder in einer Broschüre zusammenfassen soll. Einheitliche Piktogramme sind mit ihrer Bildsprache besonders hilfreich für ausländi- sche Touristen. Sie sollten daher flächendeckend einge- setzt werden. Das gut sichtbare Symbol der gelben Welle ermöglicht ein gutes Erkennen der Anlegemöglichkeit und gibt Auskunft über Ausstattung des Anlegers und Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Januar 2009 21729 (A) (C) (B) (D) des Hafens, über touristische Einrichtungen und Sehens- würdigkeiten. Die gelbe Welle sollte in Kombination mit den Informationssymbolen ebenfalls flächendeckend eingesetzt werden. Das „Blaue Sterne“-System zur bun- deseinheitlichen Klassifizierung von Sportboothäfen in Bezug auf Service, Komfort und Sicherheit kann die Touristen ebenfalls bei der Auswahl ihrer Aufenthalte unterstützen. Neben der besseren Beschilderung müssen die Aus- und Weiterbildungsangebote im Tourismus vermehrt ge- nutzt werden. Speziell im Wassertourismus müssen sich die Anbieter und Mitarbeiter hohen Anforderungen stel- len, sie müssen optimale Touren planen und Informatio- nen häufig in einer Fremdsprache weitergeben können. Investitionen in Bildungsmaßnahmen sind Investitionen in die Zukunft der Unternehmen. Zum Marketing soll in- nerhalb eines Jahres ein Bericht vorgelegt werden, der ein Maßnahmenprogramm zum Wassersport enthält. Eine gute Vermarktungsstrategie, aber auch die Zu- sammenarbeit aller Beteiligten ist nötig, um die Men- schen an und in das Wasser zu bringen. Deshalb sollten zukünftig Bund, Länder und Kommunen verstärkt mit allen Verbänden zusammenarbeiten und sie in neue Pro- jekte und Entwicklungen einbeziehen. Alte Zöpfe dürfen auch mal abgeschnitten und neue Arbeitsformen einge- führt werden. Ich bin sicher, meine Damen und Herren, so werden wir den Wassertourismus in Deutschland er- folgreich voranbringen! Patrick Döring (FDP): Ich freue mich, dass wir heute gemeinsam einen Antrag beschließen können, der für die Zukunft des Wassersports und des Wassertouris- mus in Deutschland einiges hoffen lässt. Ich kann mich noch gut an die Debatten und Diskussionen erinnern, die wir an diesem Ort vor nicht langer Zeit zur Deregulie- rung und Erleichterung der Sport- und Freizeitschifffahrt geführt haben. Seinerzeit stand die FDP recht alleine in dem Bemühen, weitere Hürden für den Wassersport zu verhindern. Der von der Koalition vorgelegte Antrag und die Äußerungen des Ministers in den letzten Tagen lassen allerdings erkennen, dass gute und richtige Argu- mente auch vor der Regierung nicht Halt machen. Es bleibt weiterhin einiges zu tun, damit der Wasser- sport auch in den kommenden Jahren und Jahrzehnten in Deutschland eine Zukunft hat. Dabei gilt es nicht nur, die Infrastrukturen auszubauen, zu verbessern und zu erhalten. Wir müssen vor allem auch die Zugangshürden senken, um jüngere Generationen an diesen Sport heran- zuführen. Denn – das lassen die Zahlen deutlich erken- nen – wenn der Anteil an jüngeren Einsteigern in die Freizeitschifffahrt in den kommenden Jahren nicht deut- lich erhöht wird, ist damit zu rechnen, dass sich die Zahl der Bootseigner in den nächsten zwanzig Jahren halbiert. Um den, wie die Koalition in ihrem Antrag zu Recht herausstellt, bedeutsamen Markt und die damit verbun- denen Arbeitsplätze vor allem auch in strukturschwa- chen Regionen zu erhalten, müssen die Einstiegshürden dringend gesenkt werden. Ich begrüße es deshalb ausdrücklich, wenn Minister Tiefensee in diesen Tagen eine Reform der Sportbootführerscheinprüfung ankün- digt, die deutlich schlanker und praxisnäher aussehen soll. Ich werde sehr aufmerksam beobachten, ob das, was am Ende herauskommt, auch dieser Zielsetzung ent- spricht. Denn wir haben bei dieser Regierung ja leider immer wieder erleben müssen, dass der Inhalt nicht hielt, was die Verpackung versprach. Die Reform der Prüfungsordnung darf in keinem Fall zu einer Mogelpackung werden. Die Verunsicherung und Skepsis bei den Wassersportlern ist durch Fehler der Vergangenheit bereits immens. Ich erinnere nur etwa an die Regierungspläne zur Einführung einer Kennzeich- nungspflicht auf See oder das aktuelle Desaster bei den Funkzeugnissen. Es ist geradezu unglaublich, wie die Koalition hier in den letzten Jahren Ansehen und Ver- trauen verspielt hat. Das war alles andere als Werbung für den Wassersport. Auch für die betroffenen Unternehmen hat das Hin und Her des Ministeriums bei der Zulassung britischer Funklizenzen nicht zu verachtende Folgen. Seit nunmehr über einem Jahr verlangt Ihr Haus, Minister Tiefensee, dass deutsche Inhaber der britischen Lizenz eine Zusatz- prüfung machen müssen. Aber trotz dieser langen Frist gibt es diese Prüfung nicht. Sie wird verlangt, kann aber nicht abgelegt werden. Mit Verlaub, das ist ein sehr schlechter Witz. Mittlerweile sind Hunderte Menschen betroffen. Und dabei ist auch noch höchst zweifelhaft, ob die Position der Regierung internationalen Abkommen entspricht, an die wir gebunden sind. Da liegt also noch einiges im Argen, das sie in Ihrem Antrag nicht einmal erwähnen, geschweige denn lösen. Ich will allerdings gerne einräumen, dass diese Pro- blematik nicht die Stoßrichtung ihrer Initiative ist. Und so sehr ich es für ein Versäumnis halte, dass sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen, sich dieser Dinge nicht end- lich annehmen und dem Ministerium klar und deutlich Weisung geben, dass in einer sicheren Sportart wie dem Wassersport im Zweifel in jedem Fall der Deregulierung Vorzug gegeben werden sollte, so sehr ich dies auch bedau- ere, so sind die von Ihnen hier vorgelegten Forderungen doch richtig und begrüßenswert. Die Verbesserung und Koordinierung des Marketings, die bessere Beschilderung und der touristische Ausbau von Wasserwegen, die Er- leichterung von Genehmigungsverfahren, die Verbesse- rung der Situation an den Schleusen, das ist alles richtig. Allerdings möchte ich gleichzeitig noch einmal war- nend darauf hinweisen, dass es nicht reichen wird, mehr für den Wassersport zu werben und die Situation auf den Wasserwegen etwas zu verbessern. Denn die Nachfrage bei Neueinsteigern wird in der gegenwärtigen Situation auch weiterhin viel zu oft und viel zu schnell erlöschen, sobald diese des finanziellen und vor allem auch zeitli- chen Aufwandes gewahr werden, dessen es in Deutschland bedarf, um ein Sportboot führen zu dürfen. Vieles von dem, was Sie heute zu tun gewillt sind, wird verpuffen, wenn Sie nicht auch diese Hürde für den Einstieg schnell und entschieden senken. Dorothée Menzner (DIE LINKE): Die Koalition konstatiert einen erhöhten Bedarf an Geldern für Infra- struktur und Marketing im Wassertourismus und im 21730 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Januar 2009 (A) (C) (B) (D) Wassersport. Es ist gut und richtig, dass der Binnentou- rismus in den letzten Jahren gewachsen ist. Es ist auch ökologisch begrüßenswert, wenn Menschen vermehrt die vielfältigen Reize deutscher Regionen erkunden, statt Fernreisen zu unternehmen. In Zeiten der Wirt- schaftskrise wird sich dieser Trend zur inländischen Er- holung voraussichtlich noch weiter verstärken. Wollen wir die Attraktivität unserer Gewässer für Freizeit und Erholung steigern, so ist es unerlässlich, die Bedürfnisse insbesondere jener besonders zu beachten, die aus den unterschiedlichsten Gründen häufig kaum andere als inländische Erholungsmöglichkeiten nutzen können. Hierzu gehören auch insbesondere mobilitäts- eingeschränkte Personen. Wenn man sich vor Augen hält, dass nur zwei Bootsanleger der Fahrgastschifffahrt in Berlin barrierefrei sind und nur ein Schiff, so wird überdeutlich, wie viel da noch zu tun bleibt. Bei steigendem Nutzungsgrad der Wassersport- und Wassertourismusgebiete müssen wir aber auch verbind- liche Regeln reklamieren, um Risiken für Mensch und Umwelt zu minimieren. Der Schutz sensibler Uferzonen ist genauso sicherzustellen wie das möglichst gefahrlose Miteinander der verschiedenen Gewässernutzer. Dass dann, im Antrag versteckt, auch gleich die Vereinfachun- gen bei Ausbildung und Erwerb eines Sportbootführer- scheins vorgeschlagen werden, ist nicht ganz redlich. Denn nur bei „geeigneten Gewässern“ sollte auch die führerscheinfreie Führung bestimmter Kategorien von Sportbooten zugelassen werden. Damit die Risiken besser eingeschätzt werden kön- nen, ist eine Unfallstatistik, die Unfälle mit Freizeitboo- ten erfasst, aus unserer Sicht dringend notwendig. Die Fraktion Die Linke unterstützt die Förderung von Sport und Tourismus in Deutschland, auch auf dem Wasser. Wir alle wissen aber auch, dass Freizeitkapitäne zuwei- len mit ihren Booten überfordert sind. Schließlich sind Wasserstraßen auch Wege für den Gütertransport mit al- len daraus resultierenden Unfallgefahren. Ein weiterer Aspekt im Antrag fiel mir besonders auf. Es wird beschrieben, dass es an vielen, insbesondere au- tomatisierten Schleusen im Sommer durch die Freizeit- schifffahrt zu Problemen und zu überlangen Wartezeiten kommt. Die Unerfahrenheit vieler Freizeitschiffer ist ein Grund. Eine weitere Ursache ist aber auch – das ist eben- falls im Antrag zu lesen – der Personalabbau in den ver- gangen Jahren. Wo niemand mit Erfahrung an der Schleuse steht, um Boote einzuweisen, kommt es zu Engpässen. Das Thema Personal an Schleusen ist ein Beispiel dafür, wie sehr der Stellenabbau im öffentlichen Bereich zu Serviceeinschränkungen und Reibungsver- lusten führt. Gerade im Freizeitbereich könnten neue, sinnvolle Arbeitsplätze geschaffen werden, mit denen die Attrakti- vität des Angebots gesteigert wird, der Service für die Nutzer verbessert wird, der Verkehrsdurchlauf beschleu- nigt wird und bei Problemen kompetente Partner um Hilfe gebeten werden können. Dabei muss Sorge dafür getragen werden, dass diese Saisonarbeitskräfte auch im Winter beschäftigt werden. Wenn ich mir die Schleusen- und Hafenanlagen in meinem Wahlkreis anschaue, stellt das aber bei entsprechenden Qualifizierungsmaßnahmen für das Personal kein Problem dar. Arbeit ist genug da. Die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten gehören auch zu einem ganzheitlichen Tourismuskonzept. Aussa- gen der Koalition dazu vermissen wir. Deshalb enthält sich die Fraktion Die Linke bei der Abstimmung über den Antrag, der durchaus in vielen Punkten in die rich- tige Richtung geht. Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Alle Jahre wieder ist der Wassertourismus Thema im Bundestag, unter Rot-Grün im Jahr 2004 erstmals. Aller- dings, meine Damen und Herren, wie Sie sich denken können mit einem anderen Schwerpunkt. Damals war der Schwerpunkt ein naturverträglicher Ausbau des Wassertourismus. Unsere gemeinsame Priorität damals war eine Entwicklung des Wassertourismus, die die Natur schützt und erhält. Denn was ist die große Attraktivität des Wassertouris- mus und des Wassersportes? Es ist ja gerade der Reiz, dass er so naturnah betrieben wird und eine besondere Freizeitmöglichkeit ist, die Natur und sportliche Betäti- gung verbindet. Darum ist es besonders wichtig, den weiteren Ausbau der Wassertourismusinfrastruktur na- turverträglich zu gestalten. Auf Länderebene haben wir einige hervorragende Beispiele von integrierten Schutz- und Nutzungskonzepten, die verbindliche Regeln für das Befahren festlegen, um sensible Gewässer zu schonen und zu erhalten. Aber dieser Antrag zeigt deutlich das umweltpolitische Profil der Koalitionsfraktionen. Das ist nämlich über- haupt nicht vorhanden. Das Wort „Naturschutz“ taucht hier überhaupt nicht mehr auf. Einzig beim Ausbau von Anlegestellen oder Ähnlichem finden sie die Umwelt- verträglichkeit noch erwähnenswert. Wortwörtlich blei- ben Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalition, beim Wassertourismus auf Ihren stinkenden Motorboo- ten sitzen. Kein Wort in Ihrem Antrag über Angler, Paddler oder neue Antriebstechnologien für Sportboote und Fahrgastschifffahrt sowie den notwendigen Rückbau von überdimensionierten Schifffahrtsanlagen. Nichts als gähnende inhaltliche Leere bezüglich Marketing und In- frastrukturausbau. Zur Krönung fordern sie noch: 1-Euro- Jobber an den Schleusen. Denn seien wir ehrlich: Darauf läuft Ihre Forderung nach Saisonarbeitskräften doch hi- naus. Schließlich haben Sie noch vergessen zu erwähnen, welche große tourismuspolitische Leistung Sie im letz- ten Jahr für den Wassertourismus erbracht haben: Rot- Schwarz hat die Mehrwertsteuerermäßigung für die Aus- flugsdampfer, die uns hier in Berlin die Luft verpesten, eingeführt. Gratuliere! Von den Preisnachlässen der Schifffahrtsunternehmen haben sicher alle Touristen und Berliner im letzten Jahr profitiert. Wassertourismus braucht mehr als nur die wassertou- ristische Infrastruktur. Wichtigste Voraussetzung ist eine intakte Umwelt und eine interessante Kulturlandschaft. Aber bleiben wir bei Ihrem Wunsch nach touristischer Infrastruktur. Auch hier ist Ihr politischer Horizont et- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Januar 2009 21731 (A) (C) (B) (D) was verengt. Wassertouristische Infrastruktur geht über Anlegestellen, Schleusen oder Häfen hinaus. Sie muss auch die Erreichbarkeit der Anleger vom Land aus be- inhalten. Da gibt es auch bundespolitisch noch viel zu tun. Wir Grünen sehen es als Aufgabe des Bundes, endlich einen nationalen Wasserwanderwegeplan analog zum nationalen Radwegeplan auf den Weg zu bringen. Hier gibt es seit Jahren Absichtserklärungen. Aber es passiert nichts. Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Tarifflucht verhin- dern – Geltung des Günstigkeitsprinzips bei Be- triebsübergängen nach § 613 a BGB sicherstel- len (Tagesordnungspunkt 20) Matthäus Strebl (CDU/CSU): Bei dem hier vorlie- genden Antrag lautet die Überschrift, kurz wiedergege- ben: Tarifflucht verhindern. Das ist tatsächlich ein Ziel, das es anzustreben gilt. Allerdings ist der Vorschlag der Fraktion Die Linke ungeeignet, dieses Ziel zu erreichen. Sie erklären in Ihrem Antrag, dass die Unternehmen mit „gesellschaftsrechtlichen Winkelzügen“ Tarifdum- ping betreiben. Das spricht für Ihre Fantasie bei der Wortwahl. Weit weniger Fantasie bringen Sie aber bei den Inhalten dieses Antrags zustande. Der § 613 a BGB regelt den Schutz von Beschäftigten bei Betriebsübergängen, und zwar von Beschäftigten die individuell Regelungen per Arbeitsvertrag getroffen ha- ben. Diese Menschen müssen davor geschützt werden, dass bei einer Betriebsübernahme der neue Arbeitgeber willkürlich die Arbeitsbedingungen zuungunsten des Be- schäftigten neu regelt. In diesen Fällen ist das Günstig- keitsprinzip anzuwenden. Beim Günstigkeitsvergleich ist immer auf das individuelle Interesse des einzelnen Arbeitnehmers abzustellen. Gesamtinteressen einer Be- legschaft sind nicht maßgeblich. Das ist der Schutz, den die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer brauchen, und das ist der Schutz, der den Beschäftigten in § 613 a für ein Jahr garantiert wird. Anders ist das bei bestehenden Tarifverträgen mit ent- sprechender Tarifbindung. Tarifverträge regeln kollektiv die Arbeitsbedingungen und den erforderlichen Schutz der Beschäftigten. Den erforderlichen besonderen Schutz genießen Tarifverträge über das Tarifvertragsge- setz und die Rechtsprechung. Aber nicht nur das spricht gegen eine Erfassung durch den § 613 a, sondern im Grundgesetz ist die Koalitionsfreiheit garantiert. Daher ist der Gesetzgeber bei allen Regelungen, die er trifft, angehalten, diesen Grundsatz zu beachten. Schon allein deshalb gibt es erhebliche rechtliche Bedenken im Hin- blick auf ein Aushebeln der Koalitionsfreiheit. In Ihrem Gesetzesentwurf, meine Damen und Herren der Linksfraktion, geht es um den inhaltlichen Vergleich zweier oder mehrerer Kollektivregelungen. Tarifverträge sind jedoch nach ständiger Rechtsprechung einer In- haltskontrolle entzogen, wie ihnen eigentlich bekannt sein sollte. Eine inhaltliche Bewertung eines Tarifvertra- ges, wie von Ihnen angestrebt, würde daher einer Zensur von Tarifarbeit gleichkommen. In dem Punkt wider- spricht der Antrag übrigens sich selbst. Was wäre zum Beispiel, wenn sich bei diesem Ver- gleich herausstellt, dass eine kleine Gruppe von Be- schäftigten mit dem neuen Tarifvertrag bessergestellt wird? Soll dann das Günstigkeitsprinzip wieder nur indi- viduell gelten, wie es der § 613 a vorschreibt. Aus dem Grund schließt das Bürgerliche Gesetzbuch Tarifver- träge aus. In der ständigen Rechtsprechung wird das Günstigkeitsprinzip bei Differenzen zwischen zwei oder mehr Tarifverträgen genau deshalb nicht angewandt. Ha- ben Sie sich im Übrigen auch einmal Gedanken darüber gemacht, was eine Anwendung des § 613 a in Ihrem Sinne für Kosten aufwirft? Kosten, die mit Sicherheit durch Arbeitsplatzvernichtung wieder eingespart wer- den. Und genau das schlagen Sie in Ihrem Antrag vor. Was Tarifverträge angeht, gilt Ähnliches für die Ar- beitnehmerinnen und Arbeitnehmer, so wünschenswert Gewerkschaftsmitgliedschaften sind. Denn diese sind Voraussetzung für die Anwendung des § 613 a in Bezug auf die Tarifbindung. Sie zwingen mit einer Ausweitung des § 613 a BGB den Arbeitnehmerinnen und Arbeit- nehmern Tarifverträge auf, ob sie es nun wollen oder nicht. Die Pflichtmitgliedschaft in Gewerkschaften, meine Damen und Herren der Linksfraktion, gab es und gibt es in der Bundesrepublik Deutschland nicht. Aber vielleicht ist das ein Ziel ihres Antrages? Aus den genannten Gründen lässt der § 613 a BGB zu Recht die Anwendung des Günstigkeitsprinzips, bezo- gen auf Tarifverträge, nicht zu. Dies hat das Bundesar- beitsgericht mit seinem Urteil vom 11. Mai 2005 bestä- tigt. Ich möchte auch unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass die Vertrags- und besonders die Koaliti- onsfreiheit nicht umsonst zu den Grundpfeilern der Bun- desrepublik Deutschland gehören. Tarifverträge haben nicht nur einen rechtlich fundierten Hintergrund, son- dern auch inhaltliche. Es sind die Tarifvertragsparteien, die zuverlässig einschätzen können, was den Unterneh- men und den Beschäftigten zuzumuten ist. Denn die Re- gelungen eines Tarifvertrages sind auf die besonderen wirtschaftlichen Erfordernisse einer Branche oder Re- gion ausgerichtet. Unsere Gewerkschaften tragen, zuver- lässig und handlungsfähig, dieser Aufgabe im Interesse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Rechnung. Oder will die Fraktion Die Linke allen Ernstes behaup- ten, dass die in ihrer Antragsbegründung genannten Ver- tragpartner Deutsche Telekom und Verdi Lohndumping betreiben? Damit stoßen sie mit Sicherheit nicht auf die Zustimmung eines Teiles ihrer Parteimitglieder. In den allgemeinen Diskussionen zu den Entwicklun- gen und Veränderungen in der Arbeitswelt darf man hier Europa nicht aus den Augen verlieren. Auch da spielt der Arbeitnehmerschutz eine herausragende Rolle. Das haben wir im Zusammenhang mit dem Arbeitnehmer- Entsendegesetz erfahren. Nur unter Berücksichtigung 21732 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Januar 2009 (A) (C) (B) (D) gesamteuropäischer Belange sind Arbeitnehmerschutz- gesetze möglich. Wie wir wissen, bekommen wir immer wieder Urteile des Europäischen Gerichtshofs, die uns veranlassen, nationales Recht anzupassen. Aber gerade in Bezug auf den § 613 a BGB hat der EuGH festge- stellt, dass die deutsche Regelung die Koalitionsfreiheit besonders schützt. Diesbezüglich sollten wir den § 613 a auf keinen Fall aufs Spiel setzen, indem wir jetzt etwas hineininterpretieren. Es bleibt lediglich zu überlegen, ob man den Günstig- keitsvergleich bei verschiedenen Methoden zur Rege- lung von Arbeitsbedingungen anwenden kann, beispiels- weise wenn ein Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag mit einer Betriebsvereinbarung des übernehmenden Betrie- bes kollidiert. Hier könnte es möglicherweise erforder- lich sein, durch klare Definition Missbrauch und Willkür gegenüber den Beschäftigten zu vermeiden. Zum Abschluss möchte ich klarstellen: Die Beschäftig- ten sind bei Betriebsübergängen durch den § 613 a indivi- duell vor Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen ausreichend geschützt. Wenn bei einer Betriebsüber- nahme zwei oder mehr Tarifverträge gelten, wird es rechtlich sehr bedenklich. Dem steht hauptsächlich das Grundgesetz mit der Garantie zur Koalitionsfreiheit ent- gegen. Hier sind die Gewerkschaften in der Verantwor- tung, ihre Mitglieder vor Ungerechtigkeiten zu schützen. Es gibt daher keine Veranlassung, den § 613 a BGB in Bezug auf Tarifverträge um die Anwendung des Güns- tigkeitsprinzip auszuweiten. Im Gegenteil, die Auswei- tung würde unweigerlich zu rechtlichen Diskussionen führen. Außerdem haben wir vom Europäischen Gerichtshof die Bestätigung, dass § 613 a BGB den europäischen Anforderungen genügt. Die Bundesrepublik Deutsch- land würde sich keinen Gefallen tun, das Gesetz zu än- dern. Die Fraktion Die Linke sollte von ihrer Linie abkeh- ren, alles staatlich regeln zu wollen. Das vermittelt viel- leicht den Eindruck, sie sei die Partei der Gerechtigkeit, was aber nicht zutrifft. Bei genauer Prüfung ergibt sich sehr schnell, dass Unsicherheiten das Ergebnis sind. Deshalb empfehle ich, den vorliegenden Antrag mit ablehnender Tendenz zur Prüfung an den Ausschuss zu überweisen. Andreas Steppuhn (SPD): Tarifflucht bei Betriebs- übergängen verhindern, so fasse ich den Titel dieses An- trages der Linken, den wir hier heute beraten, einmal kurz zusammen. Sicherlich, das hört sich natürlich im ersten Moment gut an, keine Frage. Doch gestatten Sie mir einen Blick hinter die Kulissen, um diese Forderung einmal genauer zu beleuchten. Das, was sich in der Wirklichkeit dahinter verbirgt, möchte ich Ihnen darlegen. Denn so einfach, wie Sie hier Ihre Forderungen wieder einmal aufmachen, ist es in der Praxis einfach nicht. Das kann ich Ihnen als langjähriger Gewerkschafter, der oft mit diesem Thema zu tun hat, sagen. Sie fordern mit Ihrem Antrag die Änderung des § 613 a Abs. 1 BGB, konkret: dass bei einem Betriebsübergang und einer Unternehmensumwandlung die bisherigen Tarif- regelungen auch dann weitergelten sollen, wenn die bei dem neuen Unternehmer geltende Tarifregelung schlech- ter ist. Oder anders ausgedrückt: Das gesetzlich geltende Ablöseprinzip soll, wenn es nach Ihrem Willen ginge, von einem Günstigkeitsprinzip ersetzt werden. Sicherlich, ich kann in Ansätzen die Motivation Ihrer Forderung nach- vollziehen. Dennoch muss man hier genau hinsehen und ein paar andere Aspekte beachten. Es ist richtig, dass der § 613 a Abs. 1 Satz 3 BGB eine Ausnahme vom Günstigkeitsprinzip aufweist. Diese soll aber nicht, wie Sie es darlegen, zur Benachteiligung für die Arbeitnehmer führen. Denn ebenfalls ist in § 613 a Abs. 1 Satz 2 bis 4 auch der Schutz der Arbeit- nehmer enthalten. Denn hier wird auch dargelegt, dem Arbeitnehmer beim Betriebsübergang die bisherigen Ar- beitsbedingungen zu erhalten und sie zu wahren. Um es kurz zu sagen: Die Rechtsstellung des Arbeitnehmers soll durch den Betriebsübergang weder verschlechtert noch verbessert werden. Nur für den Fall, dass er durch den Betriebsübergang den Schutz eines Tarifvertrages ver- liert, soll er durch § 613 a Abs. 1 geschützt werden. Beim Übergang von einem Tarifvertrag in einen ande- ren Tarifvertrag jedoch ist dieses Schutzbedürfnis nicht gegeben, und der Gesetzgeber geht hier zu Recht von der „qualitativen Gleichwertigkeit aller Tarifverträge“ im Rechtssinne aus. Würden die gemäß § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB zum Inhalt des Arbeitsverhältnisses gewor- denen Kollektivregelungen resistent gegen eine Ände- rung durch eine andere Kollektivregelung, so würde man dem § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB einen überzogenen Schutzzweck zubilligen. Der Arbeitnehmer stünde dann im Fall des Betriebsübergangs besser da als ohne Be- triebsübergang. Dies würde nicht dem Sinne des Geset- zes entsprechen, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nach dem Verlust eines Tarifvertrages zu schützen, son- dern vielmehr eine Bewertung und Auswahl einzelner Tarifverträge zur Folge haben. Da bei Rechtsnormen gleichen Ranges jedoch das Ordnungs- bzw. Ablösungs- prinzip gilt, tritt der neue Tarifvertrag an die Stelle des alten, sodass ein weiteres Schutzbedürfnis für die Ar- beitnehmerinnen und Arbeitnehmer faktisch nicht gege- ben ist. Im Übrigen entspricht die Regelung des § 613 a Abs. 1 BGB auch den Vorgaben der EG-Betriebsüber- gangsrichtlinie. Hier das Günstigkeitsprinzip einzuführen, funktioniert zudem schlicht nicht. Denn das Günstigkeitsprinzip gilt nicht im Verhältnis zwischen den verschiedenen Tarifver- tragsparteien. Es greift dann ein, wenn eine individuelle arbeitsvertragliche Regelung für den Arbeitnehmer objek- tiv günstiger ist als die entsprechende Regelung im Tarif- vertrag. Damit soll dem Arbeitnehmer ermöglicht werden, bessere als die gesetzlichen oder kollektiven Arbeits- bedingungen zu vereinbaren. Im Übrigen vergessen Sie das in Deutschland veran- kerte Recht der Tarifautonomie, die es den Tarifvertrags- parteien, also den Gewerkschaften und den Arbeitgebern, ermöglicht, Tarifverträge abzuschließen. Hier wollen wir nicht eingreifen. Grundsätzlich ist die Festlegung von Arbeitsentgelten und anderen Arbeitsbedingungen Sache Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Januar 2009 21733 (A) (C) (B) (D) der Tarifvertragsparteien. Ihnen obliegt es, in Fällen des Übergangs von Arbeitnehmern in Unternehmen mit un- günstigeren tariflichen Entlohnungs- und Arbeitsbedin- gungen Übergangsregelungen durchzusetzen, Verschlech- terungen auszuschließen bzw. abzumildern. Dies durch die Sinnentstellung bestehender Gesetze auf den Gesetz- geber zu übertragen, halte ich für nicht angemessen. Ein Beispiel – Sie haben es in Ihrem Antrag ja auch auf- gegriffen –: Die Deutsche Telekom AG und die Tarifaus- einandersetzungen aus dem Jahr 2007. Eine kurze Anmerkung hierzu meinerseits. Tarifpartner war hier Verdi. Verdi hatte seinerzeit eine Übergangsregelung für die Arbeitnehmer ausgehandelt und durchgesetzt, die in die T-Service-Gesellschaften wechselten. Es ist richtig, dass in den T-Service-Gesellschaften ein um 6,5 Prozent abgesenktes Gehalt galt. Jedoch hatte Verdi diese Redu- zierung des Gehaltes über einen Zeitraum von 42 Mona- ten durch Ausgleichszahlungen, die stufenweise erfolgen, abgemildert. Konkret lautet die Vereinbarung: 100 Pro- zent in den ersten 18 Monaten, im folgenden Jahr zu 66 Prozent und im letzten Jahr zu 33 Prozent. Nun, meine Damen und Herren, Sie sehen, so, wie Sie es hier in Ihrem Antrag darstellen, war es schlichtweg nicht. Die derzeitige Konjunkturkrise macht uns aber deutlich: Tarifverträge müssen flexibel sein können. Es muss auch gewährleistet sein, dass durch Tarifverträge die Arbeitsbe- dingungen entsprechend angepasst werden können. Die geltende gesetzliche Regelung ist eben nicht darauf aus- gerichtet – so wie Sie es unterstellen –, es den Unterneh- men so günstig und einfach wie möglich zu machen, die Arbeitnehmer in Lohndumping zu treiben. Vielmehr soll mit der gesetzlichen Regelung zum Beispiel bei Über- nahmen oder in wirtschaftlich schwierigen Zeiten eine arbeitsplatzerhaltende Sanierung von Unternehmen mög- lich sein, damit eine schlechte wirtschaftliche Lage eben nicht in Kündigungs- und Entlassungswellen ausartet. Deshalb hat der Gesetzgeber auch unter anderem diese Regelung geschaffen. Doch hier möchte ich noch einen anderen sehr wichtigen Punkt mit in den Zusammenhang einbringen: Mindest- löhne. Das Thema bietet sich an, um Ihnen noch einmal deutlich zu machen, wie wichtig Mindestlöhne für die Menschen sind. Ich spreche dabei nicht von Dumping- mindestlöhnen, sondern von Mindestlöhnen, von denen die Menschen auch gut und auskömmlich leben können, von Mindestlöhnen, die ihre Arbeit angemessen wider- spiegeln, von Mindestlöhnen, die eine Tarifflucht von vornherein ausschließen, weil sie existieren und nicht gedrückt werden können, weil sie die Tarifflucht obsolet machen. Als SPD und SPD-Bundestagsfraktion kämpfen wir, und zwar nicht erst seit heute, für die Einführung von flächendeckenden Mindestlöhnen in Deutschland. Erst heute sind wir hier einen wichtigen Schritt weiter- gekommen Wir haben es geschafft. Wir haben uns in der Koalition durchgesetzt. Wir haben das Arbeitnehmerentsende- gesetz und das Mindestarbeitsbedingungengesetz gegen die Bestrebungen der Union reformiert. Wir haben beide Gesetze heute beschlossen. Damit werden weitere sechs Branchen in das Arbeitnehmerentsendegesetz aufge- nommen. Ein weiterer und wichtiger Schritt in unserem Kampf für einen flächendeckenden Mindestlohn für alle Bereiche. Ein Wettlauf um niedrige Löhne und schlech- tere Arbeitsbedingungen führt eben nicht zu mehr Beschäftigung. Vielmehr schwächen niedrige Löhne die Kaufkraft und die Binnenkonjunktur. Gleichzeitig gehören für uns sowohl die Tarifautonomie als auch die Mitbestimmung im Betrieb und in den Un- ternehmen zu den Fundamenten unseres Sozialstaates. Sie sorgen für einen fairen Interessenausgleich zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Dies, meine Damen und Herren, war immer auch ein Vorteil für den Standort Deutschland: sichere Arbeitnehmerrechte und gute soziale Standards. Heinz-Peter Haustein (FDP): Der hier zu beratende Antrag der Fraktion Die Linke fordert, das sogenannte Ablösungsprinzip bei Betriebsübergängen durch das Günstigkeitsprinzip zu ersetzen. Nach derzeitiger Rechtslage tritt bei Betriebsübergängen der neue Be- triebsinhaber in die Rechte und Pflichten der bestehen- den Arbeitsverhältnisse ein. Sind diese Rechte und Pflichten durch die Rechtsnorm eines Tarifvertrages oder einer Betriebsvereinbarung geregelt, so werden sie Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem Arbeits- nehmer und dem neuen Inhaber. Vor Ablauf eines Jahres nach dem Betriebsübergang dürfen die Regelungen nicht zum Nachteil der Arbeitnehmer geändert werden. Die Ausnahme von dieser Regelung ist das Ablösungsprin- zip. Es besagt, die Rechte und Pflichten werden nicht In- halt des neuen Arbeitsverhältnisses, sofern sie bei dem neuen Betriebsinhaber durch einen anderen Tarifvertrag oder durch eine andere Betriebsvereinbarung geregelt sind. Soweit die jetzige Rechtslage. Die Linke möchte nun § 613 a BGB dergestalt än- dern, dass eine Schlechterstellung von Arbeitnehmern bei Betriebsübergängen aufgrund des Wechsels in einen anderen Tarifvertrag oder eine andere Betriebsvereinba- rung beim neuen Inhaber nicht mehr möglich ist. Entlar- vend ist in dem Zusammenhang die Begründung des Antrages. Ich möchte zwei Stellen zitieren: „Durch Auf- spaltung, Ausgründung, … schaffen Unternehmen Kon- stellationen, die es … erlauben, zum Zwecke der Ge- winnsteigerung … große Teile der Belegschaft schlechter zu stellen.“ Und: „Um dieses Ziel der Ver- schlechterung der Konditionen“ – gemeint sind die Ver- schlechterungen für die Arbeitnehmer – „zu erreichen, …“ Hierin offenbart sich die Denkart der Linken: Dem Un- ternehmer geht es nach Auffassung der Linken nur um Gewinnsteigerung und um sein Ziel, die Arbeitnehmer- schaft auszuquetschen. Sie führen immer noch Ihren Klassenkampf wie zu Zeiten der Industrialisierung. Leider ist auch Ihre Argu- mentation ungefähr so zeitgemäß wie die Dampfma- schine. Sie blenden einfach die Realitäten der sozialen Marktwirtschaft aus und wollen nicht zur Kenntnis neh- men, dass Wirtschaft in Zeiten von Globalisierung und weltweitem Wettbewerb mit seinen Zwängen und Not- wendigkeiten etwas komplizierter ist als die Tauschwirt- schaft. Der Kapitalist auf der einen, der ausgebeutete Ar- 21734 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Januar 2009 (A) (C) (B) (D) beitnehmer auf der anderen Seite – das ist nicht mehr die Rollenverteilung. Grenzüberschreitend und weltweit tä- tige Unternehmen im globalen Wettbewerb sind heute die Realität. Dass auch schlicht die Fortführung des Be- triebes das Ziel des Unternehmers sein kann, müssten Sie erst einmal zur Kenntnis nehmen. Und dass das Ziel der Fortführung des Betriebes mitunter in wirtschaftlich schwierigen Situationen eine Aufgabe ist, die uns allen etwas abverlangt, wäre die zweite wichtige Feststellung. Wenn man berücksichtigt, dass es wirtschaftlich schwierige Zeiten geben kann, in denen Flexibilität ver- langt ist und es die Alternative Konkurs des Unterneh- mens oder Anpassung der Arbeitnehmerschaft an die Si- tuation unter Inkaufnahme einer Schlechterstellung gibt, kann doch die Konsequenz für uns nicht sein, dass wir eine solche Schlechterstellung von vornherein ausschlie- ßen. Die Folgen sind klar: Das Unternehmen muss schließen, weil es dem Wettbewerb nicht mehr gewach- sen ist. Die Menschen verlieren ihre Beschäftigung. Die Ausgaben steigend mit der Arbeitslosigkeit. Dem gegen- über stehen zusätzlich Einnahmeausfälle durch ausblei- bende Steuern; denn wer arbeitslos ist, kann auch keine Steuern zahlen. Wenn aber dies die Folgen des Antrags der Linken und der Forderung nach Geltung des Günstigkeitsprin- zips sind, dann brauchen wir einen anderen Begriff. Ich bin nämlich der festen Überzeugung, dass das, was die Linken wollen, nicht „günstig“ ist, und zwar für keinen: nicht für die betroffenen Menschen, die arbeitslos wer- den, nicht für den Staat und nicht für die Steuerzahler. Völlig außer Acht gelassen wird bei der Argumenta- tion des Antrages auch der Aspekt, dass die aktuelle Rechtslage dem Zweck der Vereinheitlichung von Rege- lungen in einem Betrieb dient. Sonst fordern die Linken bei jeder Gelegenheit einheitliche Regelungen und glei- che Bedingungen. Hier ist nun von dem Argument keine Rede mehr. Wir brauchen daher eine Neudefinition des Günstig- keitsprinzips. Nicht nur eine Beibehaltung des Status quo kann je nach Fallkonstellation die günstigste Variante sein. Eine Schlechterstellung bei Arbeitszeit oder Lohn kann, wenn die Alternative die Arbeitslosigkeit ist, eine sehr attraktive Möglichkeit sein, weil es bedeutet, dass die Menschen überhaupt Arbeit haben. Mit dem Verständnis der Linken davon, was gut für die Menschen ist – wie es auch im vorliegenden Antrag wieder zum Ausdruck kommt –, wird nichts zum Wohle der Menschen geregelt. Ulla Lötzer (DIE LINKE): Die Banker als Verursa- cher der Finanz- und Wirtschaftskrise bekommen von dieser schwarz-roten Bundesregierung Milliarden Euro hinterhergeworfen. Nicht etwa zweckgebunden zur kre- ditgebundenen Sicherung der Wirtschaft, nein, um mit ihrer spekulativen Politik fortzufahren. Wer leidet am schwersten unter den Folgen diese Politik? Die Bürge- rinnen und Bürger, die ohnehin schon wenig zum Leben haben, die Hartz-IV-Bezieherinnen und -Bezieher, die Niedriglohnempfänger und die Rentnerinnen und Rent- ner und nicht zuletzt unsere Kinder. Die Krise ist aber nicht auf das Versagen einer Gruppe von Managern zu- rückzuführen, sie ist dem System des Kapitalismus im- manent. Krisen gehören zu seinem Zyklus, und das stän- dige Mahnen seitens unserer Fraktion, rechtzeitig aufzuwachen, bleibt erfolglos. Die Regierung rettet mit ihren Paketen das System und zwingt die Bürgerinnen und Bürger zum Mittun. Bezeichnend ist, dass Hunderttausende Leiharbeiter und -arbeiterinnen sowie Teilzeitjobber – diejenigen, die am stärksten von Arbeitslosigkeit bedroht sind – außen vor bleiben. Für sie wird der mit der Agenda 2010 aus- gebaute Niedriglohnsektor zur Falle. Und sie haben nichts von den vereinbarten Regeln zur Kurzarbeit. Da viele von ihnen nur kurzzeitige Beschäftigungen haben, können sie oftmals nicht einmal Arbeitslosengeld bean- spruchen, sondern sie fallen gleich in Hartz IV. Den Ar- beitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie den Gewerk- schaften wird Lohnzurückhaltung empfohlen, um den Konsolidierungsprozess nicht zu gefährden. Die Leihar- beit ist massiv von betriebsbedingten Kündigungen be- troffen, und die Zahl der Anträge auf Kurzarbeit hat bei der Bundesagentur für Arbeit bereits im Dezember mas- siv zugenommen. Soziale Verantwortung ist für Großunternehmen, wie beispielsweise die Deutsche Telekom AG, ein Fremd- wort. Ende 2007 bzw. Anfang 2008 hat das Unterneh- men ohne wirtschaftliche Not und lediglich zur Steige- rung seiner Gewinne mehrere Callcenter mit Tausenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an private Callcenter- Betreiber verkauft, so unter anderem der Verkauf von VCS, Vivento Customer Services, an Arvato Services, Bertelsmann Konzern. Dabei geht es um elf Standorte mit 1 950 Beschäftigten. In etwa der gleichen Größen- ordnung wurde auch an Walter Services verkauft, und der letzte Deal war mit D & S Europe mit circa 500 Be- schäftigten. Es erfolgt ein Betriebsübergang nach § 613 a BGB von einem tarifierten Unternehmen – VCS/Deutsche Te- lekom – zu einem nicht tarifierten Unternehmen oder ei- nem Unternehmen mit einem schlechteren Tarifvertrag. In diesem Zusammenhang erfolgt eine Sicherung der bisherigen Konditionen nur bis Ende 2008 bzw. bis zum Ende der Frist nach § 613 a BGB. Nach Aussage von Ar- vato/Bertelsmann beträgt das durchschnittliche Jahres- einkommen der ehemaligen VCS-Beschäftigten 36 000 Euro. Das bedeutet bereits ab 1. Januar 2009 wird das Jahreseinkommen um circa ein Drittel gekürzt und soll dann weiter nach Ablauf von fünf Jahren auf die 1 224 Euro pro Monat bzw. 14 688 Euro pro Jahr absin- ken. Damit entsteht eine Verdiensteinbuße von über 58 Prozent. Darüber hinaus sollen die Arbeitsbedingungen ver- schlechtert werden, die Wochenarbeitszeit von 38 Stun- den auf 40 Stunden erhöht und der Urlaub um drei bis vier Tage verkürzt und die Zuschläge für Feiertags-, Nachtarbeit und Überstunden gesenkt werden. Erreicht werden soll dies mittels individuell neu abgeschlossener Arbeitsverträge oder neuer Betriebsvereinbarungen. Ta- rifverhandlungen werden strikt abgelehnt: „haben sich Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Januar 2009 21735 (A) (C) (B) (D) überholt und passen nicht zum Prinzip Bertelsmann“. Um den Druck zu erhöhen, werden Einzelgespräche ge- führt, oft mehrfach, und es wird teilweise mit Standort- schließungen gedroht. Aus Angst vor dem Arbeitsplatz- verlust und einem Absturz in Hartz IV haben bereits viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer neue Ar- beitsverträge unterschrieben, in denen eine kontinuierli- che Verschlechterung ihrer Einkommens- und Arbeits- verhältnisse einzelvertraglich festgeschrieben ist. Diese Vorgehensweisen spielen sich so aber auch im Banken- und Versicherungsgewerbe, aber vor allen Dingen auch im Einzelhandel ab. Es muss verhindert werden, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer so zum Spielball unternehmerischer Entscheidungen werden. Dies ist in der heutigen Zeit und unter den gegebenen Bedingungen nur möglich durch gesetzliche Regeln, die gerade das von mir ge- schilderte Vorgehen unmöglich machen. Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Immer wieder nutzen Unternehmen jede sich nur bie- tende Möglichkeit, um ihre Gewinne auf Kosten der Be- schäftigten zu steigern. Es werden so lange legale gesell- schaftsrechtliche Kapriolen geschlagen, bis sich die Taschen der Unternehmer ordentlich füllen; die Beschäf- tigten müssen dafür dann den Gürtel enger schnallen. Dabei wird auch nicht Halt gemacht vor Regelungen, die eigentlich dazu gedacht waren, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu schützen. Dazu gehört auch § 613 a des Bürgerlichen Gesetzbu- ches. Eigentlich sollen die Rechte der Beschäftigten über diese Vorschrift bei einem Teilübergang oder bei einem vollständigen Übergang des Betriebes an einen neuen Eigentümer gewahrt bleiben. Der Paragraf bestimmt, dass der neue Arbeitgeber in die Rechte und Pflichten des Arbeitsverhältnisses eintritt. Wenn diese über einen Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarungen geregelt wa- ren, so werden sie Bestandteile des Arbeitsverhältnisses bei dem neuen Arbeitgeber und dürfen frühestens nach einem Jahr zum Nachteil der Beschäftigten geändert werden. Es gibt aber auch davon eine Ausnahme: Wenn es bei dem neuen Inhaber einen anderen Tarifvertrag und/oder eine andere Betriebsvereinbarung gibt, dann gelten die Regelungen des neuen Unternehmens auch ohne Übergangsfrist und auch wenn die Beschäftigten dadurch schlechter gestellt werden. Festzustellen ist, dass Unternehmen den Paragrafen missbrauchen, um die Löhne ihrer Beschäftigten zu drü- cken. Dafür werden formal, ohne die tatsächlichen Be- sitzverhältnisse zu verändern, Betriebsteile aus Unter- nehmen so herausgelöst, dass schlechtere Tarifverträge zur Geltung kommen. Die Beschäftigten sind die Leid- tragenden: Die Arbeit bleibt die gleiche, aber der Lohn sinkt. Das ist Lohndumping. Das Vorgehen des Telekom- Konzerns ist hierfür ein unrühmliches Beispiel. Es ist unsere Aufgabe, solche Schlupflöcher in den Gesetzen zu schließen. Wir sind es den Beschäftigten schuldig, dass gut gemeinte gesetzliche Regelungen auch wirklich gute Wirkung zeigen. Wenn sich nun Re- gelungslücken auftun, wenn es skrupellosen Rechts- und Personalabteilungen gelingt, über die Gründung von Tochtergesellschaften die bisher geltenden Tariflöhne abzusenken, wenn das auch noch in Verbindung mit Leiharbeit durch konzerninterne Arbeitnehmerüberlas- sung geschieht und wenn wir das als Gesetzgeber alles wissen, dann müssen wir handeln und das ändern. Wie ein geänderter § 613 a aussehen muss, damit die Beschäftigten bei Betriebsübergängen wirklich besser geschützt sind, sollten wir im Ausschuss klären. Ich hoffe, dass wir zu einer guten Lösung kommen; denn ich gehe davon aus, dass auch Sie, meine Damen und Herren aus den Regierungsfraktionen, ein Interesse daran haben, die Missstände zu beheben, und sich von daher kon- struktiv an der Ausschussberatung beteiligen werden. Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts zu den Anträgen: – Qualitätssicherung im Wissenschaftssystem durch eine differenzierte Gleichstellungs- politik vorantreiben – Frauen auf dem Sprung in die Wissen- schaftselite – Gleichstellung in der Wissenschaft durch Modernisierung der Nachwuchsförderung und der Beschäftigungsverhältnisse herstel- len – Mehr Qualität und Exzellenz durch mehr Chancengerechtigkeit und Gender-Perspek- tiven in Wissenschaft und Forschung – Gleichstellung und Genderkompetenz als Erfolgsfaktor für mehr Qualität und Inno- vation in der Wissenschaft (Tagesordnungspunkt 21) Anette Hübinger (CDU/CSU): Vor nunmehr über 100 Jahren wurde das Frauenstudium in Preußen zuge- lassen, vor mehr als 90 Jahren wurde in Deutschland das Frauenwahlrecht eingeführt, und vor über 50 Jahren ist das Gleichberechtigungsgesetz in Kraft getreten. Diese Zeitpunkte stellen ohne Frage wichtige Zäsuren in der deutschen Geschichte dar. In den folgenden Jahrzehnten – vor allem im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts – wurde in Fragen der Gleichstellung von Frauen und Männern in allen gesellschaftlichen Bereichen Deutsch- lands sehr viel erreicht. Trotz allen Fortschritts müssen wir aber auch heute noch Schlagzeilen wie diese lesen: „Frauen verdienen 20 Prozent weniger“, „Schwangere haben schlechte Kar- ten“ oder „Alleinerziehende Mütter haben es schwer am Arbeitsmarkt“. Die Diskriminierung von Frauen berührt auch in unserer heutigen modernen Welt noch sehr viele gesellschaftliche Bereiche. Dieser Befund trifft leider auch auf das deutsche Wissenschafts- und Forschungs- system zu. 21736 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Januar 2009 (A) (C) (B) (D) Mit dem heute zur Abstimmung vorgelegten Antrag „Qualitätssicherung im Wissenschaftssystem durch eine differenzierte Gleichstellungspolitik vorantreiben“ stellen wir uns dieser Herausforderung. Die Lage von Frauen in Hochschulen und außerhochschulischen Forschungsein- richtungen lässt sowohl Licht als auch Schatten erken- nen. Der aktuellste Bericht zur Thematik der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz unterstreicht diese Einschätzung. Aus ihm geht hervor, dass der Anteil von Frauen in Wis- senschaft und Forschung zwar langsam, aber stetig wei- ter wächst. In diesem Zusammenhang muss betont wer- den, dass dieser Trend alle Qualifikationsstufen, also auch die Leitungspositionen umfasst. Der aktuelle Bericht „Chancengleichheit in Wissen- schaft und Forschung“ der Gemeinsamen Wissen- schaftskonferenz basiert auf den Jahren 2006, 2007 und zeigt, dass im Jahr 2006 5 735 Frauen als Professorinnen in Deutschland tätig waren. Dies entspricht einem Frauen- anteil von 15,2 Prozent. Im Vergleich dazu mussten wir im Jahr 1992 noch einen sehr geringen Anteil von 6,5 Pro- zent attestieren. In den zurückliegenden Jahren konnte somit die Zahl der Professorinnen mehr als verdoppelt werden. Mir ist bewusst, dass die aktuellen 15 Prozent Frauen- anteil an Professuren im internationalen Vergleich noch kein Ruhmesblatt darstellen. Aus meiner Sicht spricht allerdings nichts dagegen – und mit den Maßnahmen der Bundesregierung unterstützen wir dieses Ziel –, in den nächsten Jahren ähnliche Steigerungsraten wie im Zeit- raum von 1992 bis 2006 anzustreben. Damit können wir schneller, als vielleicht vonseiten der Opposition ge- dacht, zum internationalen Spitzenfeld aufschließen. Des Weiteren geht aus dem Datenmaterial hervor, dass knapp 50 Prozent der Studienanfänger Frauen sind, der Frauenanteil an den Promotionen bei circa 40 Pro- zent liegt und der Anteil an den Habilitationen immerhin über 20 Prozent beträgt. Dies kann uns natürlich, gerade was die Habilitationen und den Karriereschritt hin zur Professur betrifft, nicht zufriedenstellen. Doch bei allem noch nötigen Verbesserungsbedarf ist es ein solides Fun- dament, auf dem wir aufbauen können. Entsprechend fällt auch das Fazit der Gemeinsamen Wissenschafts- konferenz im genannten Bericht aus: „Obwohl in fast al- len Bereichen Verbesserungen zu verzeichnen sind, ver- deutlicht das aktuelle Datenmaterial, dass das Ziel der gleichberechtigten Teilhabe noch nicht erreicht ist. Es gilt deshalb, die Bemühungen zu verstärken, damit sich der Anteil von Frauen an qualifizierten Bildungsab- schlüssen auch in einer steigenden Beteiligung von Frauen an Entscheidungs- und Führungspositionen in Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft fortsetzen kann.“ Genau diese Maxime liegt unserem Antrag zugrunde. Wir verstärken mit dem vorgelegten Antrag unsere Be- mühungen auf dem Feld der Gleichstellungspolitik im deutschen Wissenschafts- und Forschungssystem, und dies lassen wir uns nicht kleinreden. Bevor ich unsere Maßnahmen zusammenfassend vor- stelle, möchte ich voranstellen, dass sich heute glückli- cherweise die Einsicht durchgesetzt hat, dass starre Quo- tenregelungen nicht das erwartete Allheilmittel sind, wie von deren Befürwortern so oft behauptet. Auch das sogenannte Kaskadenmodell ist mit Vor- sicht zu betrachten. Natürlich ist es verlockend, als Be- zugsgröße bei der Stellenbesetzung mindestens den glei- chen Frauenanteil durchzusetzen, welchen die direkt vorangegangene Qualifikationsstufe aufweist. Bei ge- nauerem Hinsehen wird aber deutlich, dass es sich hier um eine – wie ich zugegeben muss – flexible Quote, aber doch um eine Quote handelt. Ein solcher Ansatz verur- sacht bei vielen Wissenschaftlerinnen und auch bei mir Bauchschmerzen. Wir haben noch ausreichend viele, sinnvolle gleichstellungspolitische Instrumente und Maßnahmen im Köcher, und müssen nicht mit unnötigen Zwängen drohen. Ich kann allerdings nicht abstreiten, dass die Orientierung am Prinzip des Kaskadenmodells in einigen Bereichen durchaus sinnvoll ist, und deshalb verweisen wir auch in unserem Antrag darauf. Im Rah- men von Selbstverpflichtungen oder Zielvereinbarungen bietet die Ausrichtung an diesem Grundprinzip einen praxisgerechten Bezugsrahmen. Da die Ursachen der Diskriminierung von Frauen im Wissenschafts- und Forschungssystem vielfältig sind, fallen unsere Antworten entsprechend differenziert aus. Die von uns vertretene breit gefächerte Gleichstellungs- politik zielt deshalb akzentuiert auf folgende Schwer- punkte ab: verbindliche Zielvereinbarungen im Rahmen der Forschungs- und Institutionenförderung zu etablie- ren – dies impliziert auch, bei Nichteinhaltung negative Sanktionsmaßnahmen in Betracht zu ziehen –, Frauen auf den Weg in Spitzenpositionen zu fördern, die aktive Ansprache von Frauen zu verbessern und unterstützende Coaching- und Mentoringprogramme weiter zu forcie- ren, die Transparenz bei Beurteilungs- und Berufungs- verfahren zu erhöhen, die Vereinbarkeit von Familie und Karriere zu erleichtern und Frauen für wissenschaftliche Fächer zu begeistern, in denen sie heute noch nicht aus- reichend vertreten sind. Verwiesen sei an dieser Stelle auf natur- und ingenieurwissenschaftlich ausgerichtete Studiengänge. Diese Ziele und Maßnahmen flankieren nicht zuletzt die erfolgreich laufenden Programme der Bundesregie- rung. Oft wird leider übersehen, welche Aktivitäten von- seiten der Bundesregierung schon angestoßen wurden. Um es Ihnen zu verdeutlichen, hier einige Beispiele: Zur besseren Vereinbarkeit von Familie und beruflicher Karriere wurde eine Kinderbetreuungskomponente im BAföG eingeführt; es wurde die Möglichkeit eröffnet, die Befristungszeit von Beschäftigungsverhältnissen an Hochschulen von Müttern und Vätern um zwei Jahre pro Kind zu verlängern, soweit im Zeitraum der Beschäfti- gung Kinder unter 18 Jahren betreut werden; im Rahmen des Professorinnenprogramms werden 200 Professuren für Frauen über eine Laufzeit von fünf Jahren gefördert, und zur vermehrten Gewinnung von jungen Frauen für mathematische, ingenieur- und naturwissenschaftliche Berufe wurde der Pakt für Frauen in MINT-Berufen ins Leben gerufen. Diese Liste könnte mit den Maßnahmen zur Frauenförderung im Rahmen der Exzellenzinitiative, des Paktes für Forschung und Innovation, des Hoch- schulpakts 2020 und der vielfältigen Berücksichtigung von Genderaspekten in der Forschung erweitert werden. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Januar 2009 21737 (A) (C) (B) (D) Es wird deutlich: Der Bund stellt sich seiner Verant- wortung. Was mussten sich die Fraktionen der CDU/ CSU und SPD nicht alles seit der Veröffentlichung ihres Antrages anhören. Angeblich hat uns ja der Mut verlas- sen. Aber genau das Gegenteil ist der Fall. Wir werden auch in Zukunft stringent den Weg einer breit gefächer- ten Gleichstellungspolitik verfolgen. Wir sind uns näm- lich der Tatsache bewusst, dass es sich bei diesem wich- tigen gesellschaftlichen Thema um einen fortlaufenden Prozess handelt, und deshalb bleiben wir am Ball. Der vorliegende Antrag ist ein weiterer Schritt auf dem Weg zu einem Wissenschafts- und Forschungssys- tem, in dem jeder, ob Frau oder Mann, mit gleichen Chancen seinen Karriereweg meistern kann. Deshalb bitte ich darum, dem vorliegenden Antrag der Fraktio- nen der CDU/CSU und SPD zuzustimmen. Gesine Multhaupt (SPD): Gestatten Sie mir, mit ei- nem Zitat von Dr. Karin Mölling, einer Wissenschaftle- rin in der Schweiz, zu beginnen: „Die Frage, ob ich als Frau mit einem hübschen Kleid unter meiner Schutzklei- dung hier stehe oder als Mann die Versuchsreihen an- lege, spielt inzwischen erfreulicherweise keine wirkliche Rolle mehr. Es geht doch in erster Linie um die Ergeb- nisse in der Forschung. Da wollen und da müssen wir rasch Fortschritte machen, ganz unabhängig vom Ge- schlecht.“ Karin Mölling ist Professorin an der Universi- tät in Zürich. Als Virologin forscht sie an einem Pro- gramm zur Bekämpfung von Aids. Endlich – das lässt sich aus der Aussage der Professo- rin heraushören – wird exzellente Wissenschaft nach Leistung und ihren Ergebnissen beurteilt und hängt nicht mehr vorwiegend vom Geschlecht ab. In der Frage der Gleichstellung von Frauen in der Wissenschaft können wir für die vergangenen Jahre also kleine Fortschritte verbuchen. Darüber hinaus macht sie mit ihrer Aussage Mut. Frauen im Wissenschaftssystem ist es trotz aller Wider- stände in den zurückliegenden Jahren gelungen, ein ge- sundes und gewachsenes Selbstbewusstsein an den Tag zu legen. Sie wissen um ihre Leistungen. Sie nehmen selbstverständlich und selbstbewusst einen festen Platz in Forschungseinrichtungen und an Universitäten ein. Ob in der Physik oder Biologie, ob in der Quantenme- chanik oder Mathematik, mit den Frauen in Forschung und Wissenschaft geht es voran. Die verschiedenen Initiativen und Bemühungen, die wir Sozialdemokraten in den zehn Jahren unserer Regie- rungsbeteiligung für Wissenschaftlerinnen an den Tag gelegt haben, tragen somit Früchte. Schritt für Schritt sind wir im Wissenschaftsbereich durch eine differen- zierte Gleichstellungspolitik vorangekommen. Gemein- sam haben wir in der Bundesregierung wegweisende Ge- setzesvorhaben auf den Weg gebracht, von denen Frauen in Wissenschaft und Forschung heute profitieren. Ich will nur einige Beispiele nennen: Die Exzellenz- initiative, der Pakt für Forschung und Innovation, die Initiativen für mehr Frauen in den sogenannten MINT- Berufen, Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von wissenschaftlicher Tätigkeit und Kinderbetreuung und auch die Stipendienförderung von Studierenden mit Kin- dern gehören dazu. Besonders hervorheben möchte ich das Professorinnenprogramm. Damit werden 200 zusätz- liche Professuren für Frauen an insgesamt 79 Hochschu- len und Universitäten möglich. Das alles sind wichtige Etappen auf dem Weg zu einer umfassenden Gleichstellung der Frauen in der Wissen- schaft. Hier ist die sozialdemokratische Handschrift un- verkennbar. Wir werden in diesen Anstrengungen wei- termachen, damit der Anteil der Frauen in der Wissenschaft vor allem auch in den für Frauen untypi- schen Fachbereichen weiter wächst. Gemeinsam mit un- serem Koalitionspartner konnten wir ein entsprechendes Maßnahmenpaket auf die Beine stellen, das Karriere- hemmnisse junger Frauen abbaut. Dazu gehört beispiels- weise die noch immer nicht überzeugend geregelte Ver- einbarkeit von Beruf und Familie. Es ist unbestritten, dass die Bremsen auf der Karriere- leiter für Frauen nicht individueller Natur sind, sondern vor allem strukturelle Gründe haben. Beispielsweise ist bekannt, dass viele der Berufungsverfahren viel zu lang dauern. Sie bieten damit keinerlei Planungssicherheit, die aber insbesondere Frauen brauchen, wenn sie zusätz- lich Familie und Beruf miteinander in Einklang bringen möchten. Professorin Magdalena Götz, die im Bereich der Stammzellenforschung arbeitet, hat das einmal so auf den Punkt gebracht: „Noch lassen sich Kinder und Karriere für Wissenschaftlerinnen in Deutschland schwer vereinbaren. Aus diesem Grund hängen viele Frauen die Forschung an den Nagel, oder sie wandern ins Ausland ab, wo es bessere Regelungen gibt.“ Um hier der Abwanderung gegenzusteuern, ist also Hand- lungsbedarf dringend geboten. Weiter zählt zu den strukturellen Barrieren die Tatsa- che, dass bei den Berufungsverfahren den Frauen eine „notwendige Kultur der Ermutigung“ fehlt, wie das die ehemalige Richterin am Bundesverfassungsgericht, Jutta Limbach, genannt hat. Promotion, Habilitation und Be- rufung auf eine Professorinnenstelle dauern für eine ver- nünftige Karriere- und Lebensplanung viel zu lang. Der Wissenschaftsrat hat errechnet, dass die durchschnittli- che Dauer eines Berufungsverfahrens bei 14 Monaten an Fachhochschulen und bei 20 Monaten an Universitäten liegt. Der Gesamtprozess von der Ausschreibung bis zur Anhörung und zum Berufungsverfahren dauert bis zu 2,7 Jahre. Das ist ein geradezu skandalöser Zeitraum, der Planbarkeit unmöglich macht. Zur nötigen Planbarkeit eines Berufs- und Karriere- wegs gehört auch die Frage der Finanzierbarkeit. Damit bin ich beim Stichwort der Studienfinanzierung. Wir So- zialdemokraten sprechen uns aus gutem Grund gegen Studiengebühren aus. Es gibt berechtigte Annahmen, dass die Studiengebühren, die in einzelnen Bundeslän- dern erhoben werden, Frauen von einer Wissenschafts- laufbahn abschrecken. Leider konnten wir die Kollegen von der Union nicht davon überzeugen, diese Forderung in unserem Antrag mit aufzugreifen. Besonders freue ich mich, dass verbindliche Zielver- einbarungen und das sogenannte Kaskadenmodell für unseren Koalitionspartner keine Fremdwörter mehr sind und sich die Fraktion auf diese Position eingelassen hat. Kaskadenmodell bedeutet, dass man sich bemüht, in ei- 21738 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Januar 2009 (A) (C) (B) (D) ner unteren Qualifikationsebene einen bestimmten fest- gelegten Anteil an Frauen zu erreichen, und dann das Ziel verfolgt, in der nächsthöheren Hierarchiestufe die- sen Anteil ebenfalls zu erreichen. Damit gelingt es, den Frauenanteil vor allem in den Positionen zu steigern, wo er ohne ein regulierendes Instrument dieser Art bisher eher überproportional abnimmt. Gleichzeitig machen wir mit diesem Vorhaben deut- lich, dass wir Sozialdemokraten uns nicht auf reine Ab- sichtserklärungen oder Freiwilligkeitsregelungen verlas- sen. Wir streben verbindliche Zielvereinbarungen an und scheuen uns auch nicht mehr, öffentliche Fördermittel an positive Anreize zur Gleichstellung zu koppeln. Sollten die festgeschriebenen Zielvereinbarungen nicht einge- halten werden, sollten unserer Auffassung nach auch Sanktionsmaßnahmen in Betracht gezogen werden. Doch um Frauen in der Wissenschaft mit einer diffe- renzierten Gleichstellungspolitik voranzubringen, gibt es nicht nur die Große Koalition im Bund. Es lohnt sich auch ein Blick in die Bundesländer. Die Länder sind oh- nehin im Sinne des föderativen Systems wichtige Weg- bereiter und teilweise auch Unterstützer auf dem Weg zur Gleichstellung. In Brandenburg steht die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf im Mittelpunkt der Bemühungen, um junge Frauen für die Forschung zu in- teressieren. In Bremen wird diskutiert, die Zahl der Frauen in der sogenannten Post-doc-Phase zu erhöhen. Das steigert dann auch mittelfristig den Anteil von Junior- professorinnen und Professorinnen. In Berlin bildet die Gleichstellung der Geschlechter in allen Lebensberei- chen den zentralen Kern des politischen Selbstverständ- nisses. Zur Gleichstellung in der Wissenschaft sollen Controllinginstrumente genutzt werden, um den Anteil der Frauen in Führungspositionen zu erhöhen. Das sind nur einige Beispiele, die dem Ziel dienen, die Gleichstel- lungspolitik für Frauen in der Wissenschaft zügig voran- zubringen. Wir haben längst erkannt: Regulierende Maßnahmen waren und sind unverzichtbar, um die Talente und Fähig- keiten der Frauen innerhalb ganz unterschiedlicher Wis- senschaftsfelder zur Entfaltung zu bringen. Das ist wichtig für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Forschungseinrich- tungen auf internationalem Parkett. Und das ist bedeut- sam für unsere Wirtschaft, die in der Konkurrenz mit an- deren Ländern zu bestehen hat. Wir können es uns nicht leisten, die Fülle an Kreativität, Wissen und Ausdauer nur zur Hälfte auszuschöpfen und Frauen nicht zum Zuge kommenlassen. Allein in den Ingenieurswissen- schaften werden nach Schätzungen des Bundesministe- riums für Bildung und Forschung demnächst 85 000 kluge Köpfe fehlen. Soweit aber darf es nicht kommen. Deshalb setzen wir uns mit allem Nachdruck für Maßnahmen zu einer differenzierten Gleichstellungs- politik im Wissenschaftsbereich ein, um dem Fachkräf- temangel, dem demografischen Wandel und dem inter- nationalen Wettbewerb kompetent begegnen zu können. Wir Sozialdemokraten haben immer für die Rechte der Frauen, ihre Chancen und Ansprüche auf der Grund- lage des Gleichheitsgrundsatzes gekämpft. Ich erinnere nur an das Frauenwahlrecht, an dessen historische Be- deutung in diesen Tagen ja besonders erinnert wird. Wir haben für Gleichstellungsgesetze und Quotenregelungen gestritten, und wir werden auch weiterhin alle vorhande- nen Möglichkeiten ausschöpfen, um die Gleichstellung der Frauen im Wissenschaftsbereich weiter voranzutrei- ben. Vor kurzem ist das Datenmaterial zu Frauen in Hoch- schulen und Forschungseinrichtungen von der Gemein- samen Wissenschaftskonferenz vorgelegt worden. Da- raus geht hervor, dass sich der Anteil an Professorinnen auf 15,2 Prozent gesteigert hat. Das entspricht einer Stei- gerung von insgesamt 1,1 Prozent gegenüber dem Vor- jahr. In unserem Antrag waren wir noch davon ausge- gangen, dass der Anteil der Frauen an Professuren bei 13,6 Prozent liegt. Der leichte Anstieg ist kein Grund zum Jubeln, aber ein kleiner Schritt voran. Daran erken- nen wir, dass der stete Tropfen den Stein höhlt. Ich stelle also fest: Die kontinuierlichen Bemühungen unsererseits, aber auch die in den Ländern und an den Hochschulen haben zu einer anwachsenden Teilhabe von Frauen im akademischen Bereich geführt. Die Maßnahmenbündel müssen weitergeführt und kon- tinuierlich angewandt werden. Entscheidend sind – das haben wir in unserem Antrag deutlich gemacht – posi- tive Anreize für die Umsetzung von Gleichstellungszie- len. Wir überlassen die Entwicklung der Gleichstellung nicht ausschließlich dem guten Willen, schon gar nicht dem Zufall. Wir machen uns wie bisher stark für passge- naue Maßnahmen. Schon Marie Curie, die zweifache Nobelpreisträgerin, hat erkannt, dass der Weg in die Wissenschaft lang – und wie sie sagt – „nicht ohne Be- schwer“ sei. Als sie nach intensiven Privatstudien 1891 eine Anstellung als Gouvernante aufgab, um ein Physik- studium in Paris aufzunehmen, war sie als Frau – nicht nur in ihrem Fach – eine absolute Ausnahmeerschei- nung. Gut 100 Jahre später tragen wir mit unserem An- trag dafür Sorge, dass hochbegabte Frauen wie sie keine Ausnahmeerscheinungen bleiben. Sie werden mit ihren spezifischen Qualifikationen und Fähigkeiten, mit ihren innovativen Forschungsvorhaben gezielt gefördert wer- den. Die Professorin für Mathematik Olga Holtz von der Universität Berlin hat mit Blick auf ihre Karrierelauf- bahn jungen Wissenschaftlerinnen einmal den Rat gege- ben, sie sollten keinesfalls auf Ermutigung von außen warten. Wir Sozialdemokraten werden mit unserem An- trag dafür sorgen, dass die Ermutigung selbstverständ- lich wird. Cornelia Pieper (FDP): Die gleichberechtigte Teil- habe von Frauen im deutschen Wissenschaftssystem ist eine der grundlegenden Voraussetzungen dafür, dass Deutschland auch in Zukunft seine Exzellenz und seinen Wettbewerbsvorsprung in den konkurrierenden Wissen- schafts- und Wirtschaftssystemen der Welt weiter halten bzw. ausbauen kann. Doch wie gehen wir mit dieser Ein- sicht um? Ich komme jedenfalls zu der Auffassung, dass Staat und Gesellschaft ihrer Verantwortung für den wis- senschaftlichen Nachwuchs insgesamt nicht in vollem Umfang nachkommen. Wir wissen doch alle: Unsere Gesellschaft kann sich eine Zurückhaltung bei der Einbeziehung von Frauen im Wissenschaftssystem einfach nicht mehr leisten. Darum Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Januar 2009 21739 (A) (C) (B) (D) werbe ich an dieser Stelle noch einmal für den Antrag der FDP-Bundestagsfraktion „Frauen auf dem Sprung in die Wissenschaftselite“, in dem wir uns aus gutem Grund für ein Kaskadenmodell – ich sage ausdrücklich: kein Quotenmodell – ausgesprochen haben. Eine Kaskade be- ginnt an der Spitze. Die Übertragung von Verantwortung und Leitungsaufgaben an Frauen ist somit eine Führungs- aufgabe ersten Ranges. Also muss sich die Einsicht auf jeder Stufe der Kaskade durchsetzen, dass Frauen in dem Maße beteiligt werden, wie es ihrem Anteil an der Vor- stufe entspricht. In einem Wissenschaftsfreiheitsgesetz muss ein Kas- kadensystem verankert werden. Sie, Frau Ministerin Dr. Schavan, haben die Chance vertan, uns dieses Gesetz vorzulegen. Die Zeit dafür ist reif, die Voraussetzungen sind gegeben. Bereits vor über 15 Jahren hat die FDP- Bundestagsfraktion die Forderung erhoben und auch durchgesetzt, eine wirkliche Chancengleichheit für Frauen in der Wissenschaft schrittweise durchzusetzen. Die Probleme junger Wissenschaftlerinnen in der Gesellschaft wurden seitdem zunehmend besser erkannt und objektiv bestehende Hemmnisse zielgerichtet abge- baut. Die von FDP-Bildungsministern ins Leben gerufe- nen Hochschulsonderprogramme haben diesbezüglich ihr Ziel nicht verfehlt. Seitdem hat sich viel getan. Seit Beginn der 90er-Jahre hat sich der Anteil von Frauen, die sich für eine wissenschaftliche Karriere entscheiden, deutlich erhöht. Und es hat sich gezeigt: Es sind eben nicht kurzlebige Kampagnen, die zum Erfolg führen. Die Stellung der Frauen in Wissenschaft und Forschung zu stärken, bedeutet zugleich, einen langen Atem zu haben. Bund und Länder haben eine Vielzahl von gemeinsa- men Aktivitäten unternommen, um die Verwirklichung der gleichberechtigten Teilhabe von Mädchen und jun- gen Frauen in Bildung und Wissenschaft zu fördern. Die erzielten Ergebnisse zeigen eine beachtliche Trend- wende zu mehr Gleichstellung in den verschiedenen Qualifikationsstufen von Schulen, Hochschulen und außerhochschulischen Forschungseinrichtungen. Mit dem Erreichten können und dürfen wir uns nicht zufrieden- geben. Trotz aller Anstrengungen ist es bis heute nicht gelungen, die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen auf allen Stufen des Wissenschaftssystems zu gewährleisten. Auch heute noch sind Frauen in der wissenschaftlichen Forschung unterrepräsentiert, und das nicht nur in der öffentlichen Forschung und Lehre, nein, auch in den for- schenden Unternehmen. Für die nächste Zeit gilt es deshalb, die Bemühungen zu verstärken, damit sich der stetig wachsende Anteil von Frauen mit qualifizierten Bildungsabschlüssen in einer wirklich steigenden Einbe- ziehung in Entscheidungs- und Führungspositionen in Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft nachhaltig fort- setzen kann. Die Vorbereitung auf eine akademische Laufbahn beginnt bereits in der Schule. Wenn wir ehrlich zu uns selbst sind, dann gelangen wir sehr schnell zu der Ein- sicht, dass bereits im Kindergarten und in der Schule mit einer zielgerichteten Förderung von Mädchen und jun- gen Frauen begonnen werden muss. Sehr früh muss ihr Interesse gerade auch auf mathematische, natur- und technikwissenschaftliche Disziplinen, den so genannten MINT-Disziplinen, gelenkt werden. Der heute bereits eingeschlagene Weg ist richtig, denn bei der Wahl des Studienplatzes entscheiden sich heute junge Frauen im- mer noch öfter als ihre männlichen Kommilitonen für die geistes-, kultur- und sozialwissenschaftlichen Studien- gänge. Sie alle wissen, dass heute 52,7 Prozent der Schulab- gänger mit Hochschulzugangsberechtigung junge Frauen sind. Das hört sich gut an. Doch das sind nur rund 37 Prozent der Schulabsolventinnen eines Altersjahr- gangs. Zum Vergleich: In Finnland sind das 93 Prozent; in Norwegen 80 Prozent, in Italien 76 Prozent und im OECD-Durchschnitt 68 Prozent. Bei den Studienanfängern liegt der Anteil von Frauen – Erstimmatrikulierte – mit 49 Prozent seit Jahren unter der 50-Prozent-Marke. Vergleicht man die Ergebnisse der Studienabschlüsse im Jahr 2004 mit den Studien- anfängerzahlen fünf bis sechs Jahre zuvor, wird deutlich, dass der Frauenanteil bei den Hochschulabschlüssen nahezu identisch ist mit dem Frauenanteil bei den Erst- immatrikulierten der Jahre 1997 bzw. 1998; der Anteil der Frauen in dieser Qualifikationsphase ist also konstant. Erfreulich ist, dass sich unter denen, die tatsächlich am Ende ihres Studiums einen Hochschulabschluss er- reichen, 49,6 Prozent Frauen sind. Deutlich besser noch schlagen sich Frauen an den Universitäten. Dort erreich- ten 54 Prozent einen akademischen Abschluss. Das sieht in den anderen OECD-Staaten, wie Schweden mit 25 Prozent und Finnland mit 23 Prozent, ganz anders aus. Übrigens, der OECD-Durchschnitt liegt bei nur 20 Prozent. Ein entscheidender Schritt in einer Wissenschaftskar- riere ist die Promotion. Der Anteil von Frauen, der heute bei 39 Prozent liegt, stieg in den letzten 18 Jahren deut- lich an. So weit, so gut. Der Teufel steckt aber bekannt- lich im Detail. Wenn wir die Ursachen dafür ermitteln wollen, warum heute noch relativ wenige Frauen Spit- zenpositionen in der Forschung und Entwicklung beklei- den, dann muss man sich die Qualifikationswege und die Berufungen der letzten Jahre in Führungspositionen schon etwas genauer anschauen. In der Fächergruppe Ingenieurwissenschaften promo- vierten mit einem Anteil von 11,3 Prozent die wenigsten Frauen. In allen anderen Bereichen lag er bei über einem Viertel, zum Beispiel 30,7 Prozent im Bereich Mathema- tik, Naturwissenschaften. Bei den Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften betrug der Frauenanteil an den Promotionen 32,2 Prozent, in der Fächergruppe Sprach- und Kulturwissenschaften 50,5 Prozent und in der Fächer- gruppe Kunstwissenschaft 60 Prozent und 77,1 Prozent im Bereich Veterinärmedizin. Der Anteil der Frauen an den Habilitationen beträgt heute 22,7 Prozent. Mit Blick auf die Fächergruppen ergibt sich eine ähnliche Verteilung wie bei den Promo- tionen, jedoch auf niedrigerem Niveau: Ingenieurwissen- schaften 15,5 Prozent, Veterinärmedizin 38,1 Prozent, Kunst, Kunstwissenschaft 25,7 Prozent, Sprach- und Kul- turwissenschaften 35,2 Prozent. Heute werden 13,6 Prozent der Professuren von Frauen wahrgenommen. Positiv hervorzuheben ist, dass die Anzahl der Professuren, die von Männern besetzt 21740 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Januar 2009 (A) (C) (B) (D) sind, über den genannten Zeitraum nahezu gleich blieb, wohingegen sich die Anzahl der Professuren, die mit Frauen besetzt sind, zwischen 1992 und 2004 mehr als verdoppelt hat. Wollen wir also die guten Ausgangspositionen für eine wirklich gleichberechtigte Teilhabe von Frauen in unserer Gesellschaft nutzen, brauchen wir auch ein gut ausfinanziertes Wissenschaftssystem und müssen ver- hindern, dass Professorenstellen abgebaut werden. Was wir brauchen, sind zusätzliche Professorenstellen und vorzeitige Berufungen. Dr. Petra Sitte (DIE LINKE): Die Berliner Physike- rin und Soziologin Petra Lucht sagte kürzlich in einem Interview, dass es wichtig sei, nicht die Frauen ändern zu wollen, wenn man ihre Beteiligung in Wissenschaft und Forschung fördern wolle. Diesem Satz kann ich uneinge- schränkt zustimmen. Wer will, dass es mehr Ingenieurin- nen, mehr Forscherinnen und auch mehr Hochschulleh- rerinnen gibt, der muss die Bedingungen in den Blick nehmen, die Frauen von einer wissenschaftlichen Karrie- re abhalten, der muss das gesamte Qualifikations- und Berufungssystem auf geschlechterbezogene Ausschluss- mechanismen abklopfen. Das fängt bereits vor dem Studium an. Befragungen von Abiturientinnen und Abiturienten zeigen deutlich, dass junge Frauen sensibler auf Studiengebühren und die damit einhergehenden finanziellen Belastungen reagie- ren als Männer. Selbst die andauernde Debatte darüber verunsichert viele weibliche Studieninteressierte derart, dass sie sich lieber auf den vermeintlich sicheren Weg einer beruflichen Ausbildung begeben. Wenn wir also wollen, dass sich Frauen verstärkt für ein Studium ent- scheiden, dann müssen Studiengebühren tabu sein, so wie das meine Partei von Anfang an gefordert hat. Lei- der werden insbesondere solch soziale Sensibilitäten von Frauen bei wissenschaftspolitischen Entscheidungen kaum beachtet. Und natürlich haben Nachwuchswissen- schaftlerinnen aufmerksam registriert, dass die Mitglie- der der Deutschen Forschungsgemeinschaft nicht bereit waren, verbindliche Gleichstellungsziele zu vereinbaren. Männlich dominierte Gremien begreifen Geschlech- tergerechtigkeit nach wie vor nicht als Chance, wissen- schaftliche Leistungen von Frauen für Spitzenleistungen zu mobilisieren. Wissenschaft gewinnt, wenn Frauen nach ihren Ideen, Werten und Perspektiven forschen. Frauen können sehr genau einschätzen, welche Einrich- tungen offensiv unterstützen oder wo nach alten sozialen Verhaltensgewohnheiten blockiert wird. Immer erzählen Wissenschaftlerinnen haarsträubende Geschichten über Reaktionen auf eine Schwangerschaft, über abwertende Urteile männlicher Vorgesetzter oder über männlich do- minierte Berufungskommissionen. Gute Beispiele in der Gleichstellung gibt es längst, auch in Deutschland. Im rot-rot regierten Land Berlin gehört Gleichstellung zu den harten Kriterien der Mittel- zuweisung an Hochschulen. Wer zu wenig tut, muss an die anderen Hochschulen Geld abgeben. Zugleich för- dert das Land individuell Berufungen von Frauen. Nicht zuletzt werden interdisziplinäre Zentren mit genderwis- senschaftlicher Prägung finanziell besonders unterstützt. Diese Politik hat Berlin unangefochtenen auf den ersten Platz im Gleichstellungsranking des Center of Excellent Women in Sciences gebracht. Heute sind in Berlin 21,2 Prozent aller Professuren von Frauen besetzt; im Bundesschnitt nur 16,2 Prozent. Bleibt es bei der heutigen bundesweiten Entwick- lungsgeschwindigkeit, würde es noch mindestens 35 Jahre dauern, bis Frauen und Männer gleichermaßen in der Hochschullehre vertreten sind. Lediglich 0,3 Pro- zent Wachstum ist auf der höchsten Stufe in den letzten drei Jahren erzielt worden, und das nach jahrzehntelan- gen Debatten. Dafür muss sich die Bundesregierung wirklich schämen. Sie tut zu wenig und das Wenige halbherzig. Sie legen ein Professorinnenprogramm auf und vergeben Stipendien. Aber die frauenfeindlichen Grundstrukturen im deutschen Wissenschaftssystem bleiben nahezu unangetastet. Vor allem müssen endlich die schlechten Beschäftigungsbedingungen im akademi- schen Mittelbau abgeschafft werden. Trotz bester Befä- higung bleiben viele Aspirantinnen auf dem langen Weg zur Professur auf der Strecke. Die Praxis der ewigen Be- fristungen muss beendet werden. Unbefristete Stellen und damit verlässliche Perspektiven müssen finanziert werden. Das Idealbild des männlichen Gelehrten, der sich der Wissenschaft weiht, ist von gestern. Moderne Wissen- schaft ist kein Opfergang, der privat soziale Desaster hervorbringt. Kompetenz in moderner Wissenschaft wächst mit sozialer Verantwortung aus der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Frau Ministerin, machen Sie es doch wie Ihre Kollegin Frau von der Leyen. Setzen Sie verbindlich Ziele. Sie können sie doch mit den For- schungsorganisationen vereinbaren, sodass der Pakt für Innovation und Forschung auch ein Pakt für Gleichstel- lung wird. Verfehlen die Einrichtungen die Ziele in der Frauenförderung, folgen schmerzliche finanzielle Einbu- ßen. Konsequent und systematisch müssen Blockaden für Frauen abgebaut werden. Weibliche Potenziale, Werte und Erfahrungen sind männlichen gleichrangig zu be- werten. Wo, wenn nicht zuerst in Wissenschaft, Bildung und Kultur, sollte Aufklärung auch Impulse für konkrete Veränderungen setzen? Krista Sager (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Beim Thema Gleichberechtigung in Wissenschaft und For- schung besteht eine augenfällige Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Einerseits bestreitet heute wohl niemand mehr, dass die Unterrepräsentanz von Frauen und die Unterrepräsentanz von genderrelevanten Studien im Wissenschaftssystem ein massives Problem darstellen. Das Wissenschaftssystem ist durch hohe Ge- rechtigkeits-, Qualitäts- und Innovationsdefizite gekenn- zeichnet. Diese Einsicht hat dazu geführt, dass sich in- zwischen alle größeren wissenschaftlichen Institutionen und die Politik dem Ziel von mehr Chancengleichheit rhetorisch verpflichtet fühlen. Andererseits hat die ver- stärkte rhetorische Aufmerksamkeit für das Thema bis- lang noch viel zu wenig entschlossenes Handeln für neue Wege bei der Gleichberechtigung zur Folge. Aus diesem Grund hat sich auch bis heute viel zu wenig an den schlechten Karrierechancen für Wissenschaftlerinnen oder auch der Situation der Genderforschung verändert. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Januar 2009 21741 (A) (C) (B) (D) Es ist leider sogar so, dass die inzwischen breit etablierte Gleichstellungsrhetorik wichtige Erkenntnisse verdeckt: dass nämlich die bisherigen gleichstellungspolitischen Instrumente Frauen zwar zu mehr Sichtbarkeit im Wis- senschaftssystem verholfen haben, dass aber in den Spit- zenpositionen nach wie vor nahezu geschlechtshomo- gene Verhältnisse herrschen, und das, obwohl der Frauenanteil auf den vorgelagerten Qualifikationsstufen steigt. Ganz offensichtlich reicht aber auch eine noch so mo- dern vorgetragene Gleichstellungsrhetorik nicht aus, um Ziele von mehr Chancengleichheit tatsächlich durchzu- setzen. Auch der Antrag der Koalition krankt daran, zwar einer modernen Gleichstellungsrhetorik das Wort zu reden, insbesondere im Forderungsteil, aber davor zu- rückzuschrecken, wenn es um die Festschreibung ver- bindlicher Zielquoten geht. Die Vorschläge für eine bes- sere Beteiligung von Frauen nehmen sich gleichwohl sehr zahm aus. So werden die Länder lediglich aufgefor- dert, zu prüfen, „inwieweit auf Basis des Kaskadenmo- dells auf jeder Qualifikationsstufe Geschlechterausge- wogenheit erreicht werden kann“. Offenbar hat hier eine gewisse Arbeitsteilung zwischen SPD und CDU/CSU eine Rolle gespielt: Während die SPD ihren Vorstellun- gen in Gestalt einer modernen, ansprechenden Gleich- stellungsrhetorik Ausdruck verleihen konnte, hat sich die CDU/CSU dort, wo es auf die Schlussfolgerungen aus ebendieser Gleichstellungsrhetorik angekommen wäre, mit eher moderaten Forderungen durchgesetzt. Damit bleibt der Antrag jedoch hinter den nötigen Erfor- dernissen zurück. Der Wissenschaftsrat hat in der Anhörung, die wir zu dem Thema vor einem Jahr durchführten, klargemacht: Wenn wir nicht deutlich zulegen beim Tempo, die Frau- enanteile in Wissenschaft und Forschung zu erhöhen, dann ist erst 2090 mit einem ausgewogenen Geschlech- terverhältnis zu rechnen. Damit endlich deutlich mehr Frauen am Wissenschaftssystem partizipieren, brauchen wir eine entschieden stärkere Verbindlichkeit und Über- prüfbarkeit in den qualitativen und quantitativen Ziel- vorgaben. Das heißt, überall dort, wo der Bund Geldge- ber ist oder als Mitglied in Aufsichtsräten oder Kuratorien Einfluss auf wissenschaftliche Einrichtungen und Forschungsvorhaben hat, muss er in Zukunft dafür sorgen, überprüfbare qualitative und quantitative Vorga- ben und Steigerungsquoten der Frauenanteile zu imple- mentieren, durchzusetzen und zu kontrollieren. Er muss ferner darauf hinwirken, dass überprüfbare Vorgaben über konkrete Steigerungsquoten Eingang finden sowohl in Ziel- und Leistungsvereinbarungen zwischen den Ländern und wissenschaftlichen Einrichtungen als auch in die forschungsbezogene Mittelvergabe. Flankiert wer- den muss der Steigerungsprozess von Elementen der Evaluation, Erfolgskontrolle und schnellen Reaktion, wenn Ziele nicht erreicht werden. Nun betont die Regierung in ihrem Antrag, sie sei hier beispielsweise mit dem Professorinnenmodell auf dem richtigen Weg. Doch genau das Professorinnenmodell macht deutlich, dass gerade nicht dafür gesorgt wird, mehr Verbindlichkeit und Überprüfbarkeit der gleich- stellungspolitischen Ziele durchzusetzen. Zwar bilden beim Professorinnenmodell Gleichstellungskonzepte die Grundlage für eine Förderung. Die einmal bewilligte Förderung selber ist kurioserweise aber nicht an die Ein- haltung der in den Konzepten dargelegten Ziele gekop- pelt. Vielmehr, so teilt das Bundesministerium für Bil- dung und Forschung mit, sei eine „Überprüfung der aufgeführten Ziele im Rahmen des Professorinnenmo- dells nicht beabsichtigt“. Man gehe stattdessen davon aus, dass die „genannten Ziele und geplanten Maßnah- men auch realisiert“ würden. Damit wird bei dem zentralen Programm der Koali- tion für mehr Chancengleichheit der alte Fehler bisheri- ger gleichstellungspolitischer Bemühungen wiederholt. Genau dieses „Davon-ausgehen“ ist der Grund dafür, warum gleichstellungspolitische Initiativen der Vergan- genheit im Wissenschaftssystem bislang eben nicht den Erfolg gebracht haben, den man sich erhofft hatte. Nam- hafte Vertreter der wissenschaftlichen Gemeinschaft ar- gumentieren unterdessen radikaler. Dass man bei der Chancengleichheit nur mit sehr viel mehr Verbindlich- keit vorankommt, diese Einsicht unterstützt nicht nur der Wissenschaftsrat in seiner letzten Empfehlung für mehr Chancengleichheit, sondern mittlerweile auch solche In- stitutionen wie die Robert Bosch Stiftung. In einem Auf- ruf, der aus dem dritten Wissenschaftsgespräch der Ro- bert Bosch Stiftung hervorgegangen ist, fordern namhafte Vertreterinnen aus der Wissenschaftsszene eine 40-Prozent-Frauenquote für wissenschaftliche Kommissionen, Gremien und Beiräte. Diese Quote soll einklagbar sein und bei Missachtung mit Sanktionen ge- ahndet werden können. Es wäre zu hoffen, dass sich die Koalitionsfraktionen dieser Sicht der Dinge endlich anschließen. Nach Lage der Dinge wird uns das Thema in jedem Fall weiter be- schäftigen, so lange, bis gleichberechtigte Verhältnisse endlich Einzug ins Wissenschaftssystem gehalten haben. Und das wird hoffentlich nicht erst 2090 der Fall sein. Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Einheitliches Strom- netz schaffen – Unabhängige Netzgesellschaft gründen (Tagesordnungspunkt 22) Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU): Es wird Sie viel- leicht überraschen, wenn ich einleitend sage: Die Frak- tion Bündnis 90/Die Grünen hat recht mit ihrer Problem- beschreibung. Aber Sie beschreiben uns nichts Neues. Die Regierung ist seit Jahren dabei, Abhilfe zu schaffen, und wir sind derzeit auf einem guten Weg. Fest steht, dass dauerhaft unregulierte Monopole wie unsere Stromnetze in ihrem Erschließungsbereich volks- wirtschaftlich unerwünscht sind. Aus der Wohlfahrtstheo- rie ist den Ökonomen bekannt, dass die maximale Wohl- fahrt auf Märkten nur dann erreicht wird, wenn der Preis für ein Produkt den Grenzkosten entspricht, also den Kosten, die durch die Produktion einer zusätzlichen Ein- heit eines Produktes entstehen. Jede Abweichung des Preises von den Grenzkosten verursacht Ineffizienzen und führt somit zu Wohlfahrtsverlusten. Monopolisten verlangen aufgrund ihrer Marktmacht gerade keine 21742 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Januar 2009 (A) (C) (B) (D) Grenzkostenpreise, sondern setzen Preise, die häufig weit darüber liegen. Sie sichern sich so einen maximalen Gewinn, der größer ist als unter Wettbewerb. Dem ste- hen jedoch höhere Wohlfahrtsverluste aufseiten der Konsumenten gegenüber, die – in unserem Fall – höhere Strompreise als nötig zu zahlen haben. Im Ergebnis steht ein Verlust an gesamtwirtschaftlicher Wohlfahrt. Politi- sches Gegensteuern ist gefragt. Was kann aber der Staat in dieser Situation tun, um diese Wohlfahrtsverluste zu verhindern oder zumindest zu begrenzen? Bei einem natürlichen Monopol wie den Stromnetzen ist diese Frage nicht frei von jedweder Komplexität zu beantworten. Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten. Der Staat könnte erstens das Angebot in diesem Markt selbst über- nehmen. Dies entspräche mehr oder weniger dem Vor- schlag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Auf die Stromnetze übertragen hieße dies in aller Konsequenz, die Netze zu verstaatlichen und durch den Staat zu be- treiben. Für mich ist klar, dass in der Praxis staatliche Unternehmen deutlich ineffizienter arbeiten als Privat- unternehmen. Der Staat ist nicht der bessere Unterneh- mer. Das sage ich auch angesichts der Finanzkrise und der sich daraus ergebenden Veränderungen, die nicht wünschenswert, aber unvermeidbar sind. Der Staat müsste unstrittig die Stromkonzerne für den Verlust Ih- res Eigentums angemessen entschädigen. Schließlich handelt es sich hier um einen Eingriff in die grundge- setzlich geschützten Eigentumsrechte von Unternehmen. Ob der Staat das finanziell stemmen könnte, bleibt ange- sichts der aktuellen finanzpolitischen Herausforderun- gen fraglich. Kurzfristig orientierten Hedgefonds und vergleichbaren spekulativen Anlegern wären Tür und Tor geöffnet, sollten wir die Energiekonzerne zu einer Veräußerung ihrer Netze zwingen. Wollen wir mit unse- rer Energieversorgung derart spielen? Die zweite wirtschaftstheoretische Möglichkeit be- steht darin, regulierend in den Markt einzugreifen. Ver- einfacht gesagt bedeutet dies, dass der Staat dem Mono- polisten Preise oder Preisobergrenzen vorschreibt. Nachteile dieser Methode bestehen erstens im administ- rativen Aufwand der Regulierung, der mit zusätzlichen Kosten verbunden ist. In Deutschland gibt es alleine etwa 900 Stromnetzbetreiber, das heißt also 900 zu regu- lierende regionale bzw. lokale Monopole. Hinzu kommt zweitens die Informationsasymmetrie zwischen der re- gulierenden Behörde und den Netzbetreibern. Denn Letztere kennen ihre tatsächliche Kostenfunktion viel besser als die Regulierungsbehörde und haben ein natür- liches Interesse, ihre Kosten höher anzugeben, als diese tatsächlich sind, weil sie auf dieser Basis höhere Preise genehmigt bekommen können. In der Praxis hat sich die Bundesregierung zunächst für die Mammutaufgabe des zweiten Wegs entschieden: die Bundesnetzagentur bzw. die Regulierungsbehörden der Bundesländer – für Unternehmen mit weniger als 100 000 angeschlossenen Kunden – müssen auf der Basis des Energiewirtschaftsgesetzes von 2005 alle Entgelte für die Nutzung von Stromnetzen vorab genehmigen. In ei- ner ersten Stufe sind dazu in allen Unternehmen Kosten- prüfungen vorgenommen worden, auf deren Basis die ersten Genehmigungen ergangen sind. Dabei sind die Entgelte im Durchschnitt um etwa 10 bis 15 Prozent ge- genüber dem vorherigen Niveau abgesenkt worden. In der zweiten Stufe wird versucht, eine Art Wettbewerbs- druck zu simulieren, indem die besten, das heißt die kos- tengünstigsten Netzbetreiber als Benchmark für alle an- deren dienen, die sich dann innerhalb eines bestimmten Zeitraumes an dieses Niveau anpassen müssen. Für die Preisgenehmigung ist dann nicht mehr das individuelle Kostenniveau, sondern nur noch das eines vergleichba- ren effizienten Unternehmens entscheidend. Die gegenwärtig geltenden, weniger eingriffsintensi- ven Entflechtungsvorgaben haben nur in unzureichen- dem Maße zur Entwicklung eines funktionsfähigen Wettbewerbs geführt. Hier stimme ich durchaus mit al- len Antragstellern überein. Wir mussten in den vergan- genen Monaten lernen, dass mit diesem Verfahren letzt- lich kein hinreichend effizienter Markt etabliert werden kann, was viele von uns bereits vermutet haben. Eine staatliche Aufsicht oder Preiskontrolle kann nie so gut arbeiten, dass sie den Informationsvorsprung der agie- renden Unternehmen wettmachen könnte. Immer wieder wurden auch negative Auswirkungen auf die Investi- tionsbereitschaft der Netzbetreiber an die Wand gemalt. Auch das halte ich für nachvollziehbar. Aber wir wollen und können unsere Probleme lösen, ohne in altbekannte Strukturen zurückzufallen und Ver- staatlichungen voranzutreiben. Sie selbst loben in Ihrem Antrag die Anreizregulierung als einen ersten Schritt in die richtige Richtung. Ich verspreche Ihnen, die Regie- rung und dabei führend unser Wirtschaftsminister Michael Glos werden noch zahlreiche Schritte unter- nehmen, bis dieses von Ihnen so trefflich beschriebene Problem des natürlichen Monopols bei den Stromnet- zen – auch zur Zufriedenheit der schlussendlich zur Kasse gebetenen Stromkunden – gelöst ist. Wir wollen uns bei einer Lösung jedoch an den Grundpfeilern unserer Marktwirtschaft orientieren, wenn wir die Voraussetzungen für ein effizientes und so- mit kostengünstiges Netz schaffen. Um etwas klarzustel- len: Wir sind für eine unabhängige Netzgesellschaft, aber diese sollte nicht vom Staat aufoktroyiert, vor allem aber nicht als Mitunternehmer kontrolliert und beein- flusst werden. Wir möchten, dass sich die Konzerne aus betriebswirtschaftlichen Überlegungen heraus für ein ge- meinsames Vorgehen beim Betrieb und bei Investitionen in die Stromnetze entscheiden. So abwegig, wie von Ih- nen beschrieben, ist eine freiwillige Kooperation der großen Unternehmen auch gar nicht. Von unterschiedli- chen Experten werden die möglichen Ersparnisse eines koordinierten Netzbetriebs mit dreistelligen Millionen- beträgen beziffert. Im Oktober letzten Jahres konnte unser Wirtschafts- minister Glos den renommierten Manager Max Dietrich Kley als Moderator für eine mögliche Netzgesellschaft in Deutschland gewinnen. Er wird in vertraulichen Ge- sprächen mit den Energieversorgungsunternehmen mög- liche Optionen für die Gründung einer Stromnetzgesell- schaft ausloten. Gleichzeitig wird er klären, wie die Stromverbraucher entlastet werden könnten, wenn eine Verständigung auf eine Laufzeitverlängerung für Kern- kraftwerke zustande käme. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Januar 2009 21743 (A) (C) (B) (D) Also: Wir sind auf einem guten Weg, Strom für un- sere Verbraucherinnen und Verbraucher in naher Zukunft zu fairen Preisen zur Verfügung zu stellen. Rolf Hempelmann (SPD): Über die Eigentumsfrage und die Organisation von Strom- und Gasnetzen sind wir im Bundestag schon seit mehreren Jahren in der Diskus- sion. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die No- vellierung des Energiewirtschaftsgesetzes 2005 mit der Schaffung der Regulierungsbehörden, Entflechtungsvor- schriften für die integrierten Energiekonzerne sowie Re- gelungen für einen diskriminierungsfreien Netzzugang. Seither wurden zahlreiche Erfolge erreicht: Die Ent- flechtungsvorschriften sind weitgehend umgesetzt; zwei Runden Kostenregulierung haben zu einer Kostensen- kung bei den beantragten Entgelten bei Strom- und Gas- netzen um rund 4 Milliarden Euro geführt; seit Jahresan- fang ist die Anreizregulierung in Kraft. Im Juni 2007 ist darüber hinaus die Kraftwerks-Netz- anschlussverordnung in Kraft getreten, die den vorrangi- gen Anschluss neuer Kraftwerke an das Stromnetz re- gelt. Bezeichnend ist, dass die Grünen diesen Umstand in Ihrem Antrag, der immerhin mit Juni 2008 datiert ist, geflissentlich übergehen. Der sichere und diskriminie- rungsfreie Anschluss von Kraftwerken Dritter ist also schon heute sichergestellt und wird auch in Zukunft – ganz unabhängig von der Schaffung einer nationalen Netzgesellschaft – eine Aufgabe von Politik und Regu- lierungsbehörden bleiben. Die EU-Kommission setzt – dies fordern die Grünen auch mit diesem Antrag – weiterhin auf die hundertpro- zentige eigentumsrechtliche Entflechtung der Energie- versorgungsunternehmen von ihren Strom- oder Gasnet- zen. Diese Forderung ist zweifelsohne sehr populär. Es ist jedoch mehr als fraglich, ob eine eigentumsrechtliche Entflechtung die noch bestehenden Probleme bei der Schaffung von mehr Wettbewerb auf den Strom- und Gasmärkten wirklich löst. Eine genaue Analyse des Im- pact Assessments der EU-Kommission vom September 2007 zeigt, dass es keinen stichhaltigen Beweis dafür gibt, dass eine eigentumsrechtliche Entflechtung von Stromerzeugung und Stromnetzen beispielsweise zu niedrigeren Netzentgelten oder weniger Diskriminierung beim Netzzugang führt. Ein A.T.-Kearney-Gutachten vom Januar 2008 hat ebenfalls bestätigt, dass ein Zusam- menhang zwischen eigentumsrechtlicher Entflechtung und dem Strompreisniveau, den Netzinvestitionen, dem Kuppelstellenausbau, der Höhe der Netzentgelte sowie der Zuverlässigkeit der Netze empirisch nicht belegbar ist. Diese Auffassung wird im Übrigen auch von der Bundesnetzagentur und der Monopolkommission geteilt. Deshalb hat meine Fraktion den „Dritten Weg“, den die Bundesregierung zusammen mit Frankreich und sechs weiteren Staaten im Rahmen der Debatte des Drit- ten EU-Binnenmarktpakets vorgeschlagen hat, aktiv be- gleitet und mit daran gearbeitet, dass der Vorschlag eine echte Alternative zur eigentumsrechtlichen Entflechtung darstellt. Teilweise aus der Debatte um die eigentums- rechtliche Entflechtung heraus, teilweise aber auch im Zusammenhang mit einem parallel geführten Miss- brauchsverfahren der EU-Kommission resultieren die – nicht ganz freiwilligen – Verkaufsabsichten einiger Stromkonzerne bezüglich ihrer Übertragungsnetze. Die daraus resultierende veränderte Situation hat die politi- sche Debatte noch einmal befördert. Ich habe Bundeswirtschaftsministerium und Bundes- regierung schon im Frühjahr und Sommer 2008 mehr- fach – auch im Bundestag – aufgefordert, diese veränderte Situation aufzugreifen und mit den Übertra- gungsnetzbetreibern in einen konkreten Dialog über die Chancen einer Netzgesellschaft einzusteigen. Es hat dann etwas gedauert, aber seit Anfang Oktober 2008 führt nun Ex-BASF-Vorstand Max Dietrich Kley als Moderator im Auftrag der Bundesregierung Gespräche mit den Übertragungsnetzbetreibern. Wegen der bekannten Verkaufsprozesse drängt die Zeit. Die Aufgabe des Moderators muss darin bestehen, einen Einigungsprozess zwischen den Energieversorgern als derzeitige Eigentümer der Netze möglichst zügig her- beizuführen und den Unternehmen aufzuzeigen, dass es sowohl in ihrem eigenen Interesse als auch im Interesse der Politik ist, schnell zu einer einvernehmlichen Lösung bei der Neuordnung der Übertragungsnetze zu kommen. Noch haben Energieversorger und Politik gemeinsam die Möglichkeit, aktiv zu handeln, anstatt nur zu reagie- ren. Dennoch kann sich die Politik keine Schnellschüsse erlauben. Es muss klar sein, dass eine Lösung gegen den Willen der derzeitigen Eigentümer nicht denkbar ist. Langwierige eigentumsrechtliche Auseinandersetzungen wären zu befürchten. Ebenso ist nicht auszuschließen, dass die dringend notwendigen Investitionen in den Um- und Ausbau unserer Netze wegen so eines Rechtsstreits nicht getätigt würden. Ich sage klar und deutlich, dass wir als SPD-Fraktion die Bestrebungen der Bundesregierung zur Schaffung ei- ner Netzgesellschaft begrüßen. Da sind wir uns mit dem Koalitionspartner einig. Vorrangig sollte so eine Netzge- sellschaft privatwirtschaftlich organisiert werden. Eine Beteiligung der öffentlichen Hand ist dabei zunächst ein- mal nicht zwingend. Seit Jahren lassen wir uns auf den Energiemärkten vom Grundsatz leiten, dass privatwirt- schaftlich gehandelt wird, während die Regulierungsbe- hörden im staatlichen Auftrag kontrollieren und regulie- ren. Dies betrifft natürlich auch die Frage der Berechnung und Anerkennung von Netzentgelten sowie die Umsetzung der Anreizregulierung. Beides ist schon jetzt Aufgabe von Netzbetreibern und Regulierungsbe- hörden. Daran würde die Schaffung einer nationalen Netzgesellschaft nichts verändern. In diesem Zusammenhang gilt ganz unabhängig da- von, ob sich die Netze in privatem, staatlichem oder ge- mischtem Eigentum befinden, dass den Regulierungsbe- hörden eine doppelte Aufgabe zukommt. Sie haben einerseits den Auftrag, die Netzentgelte über die Regu- lierung auf ein angemessenes Niveau zu bringen. Darü- ber hinaus ist es allerdings auch ihre Aufgabe, angemes- sene Rahmenbedingungen für Investitionen in die notwendige Erneuerung sowie den Aus- und Umbau der Netze zu schaffen. Vor dem Hintergrund der derzeitigen Finanz- und Wirtschaftskrise, in der der Staat Milliar- densummen zur Stützung von Banken und Konjunktur in die Hand nimmt, gilt heute stärker denn je, dass der Re- 21744 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Januar 2009 (A) (C) (B) (D) gulierer dem Komplex Investitionen im Rahmen der jetzt beginnenden Anreizregulierung ein besonderes Ge- wicht einräumen muss. Vor dem Hintergrund der Sicherung langfristiger In- vestitionen in die Netze, insbesondere zur Flankierung unserer energiepolitischen Ziele beim Ausbau erneuer- barer Energien, der Kraft-Wärme-Kopplung oder der de- zentralen Energieversorgung kann es sinnvoll sein, dass sich der Staat – über die Rahmengesetzgebung hinaus – an einer nationalen Netzgesellschaft beteiligt. Wir leh- nen allerdings eine Netzgesellschaft ab, an der die öf- fentliche Hand mehrheitlich beteiligt ist. Eher denken wir an eine Minderheitsbeteiligung des Staates mit einer Sperrminorität von 25,1 Prozent. Das ist spätestens seit Anfang Januar öffentlich bekannt. Bevor es allerdings dazu käme, wären noch zahlrei- che Fragen zu klären, beispielsweise bezüglich der Kos- ten so eines Engagements der öffentlichen Hand oder wie sichergestellt werden kann, dass eine Miteigentü- merschaft des Staates nicht mit den Kontroll- und Regu- lierungsaufgaben der öffentlichen Hand kollidieren. Wie auch die Grünen fordern wir schon seit längerer Zeit eine möglichst breite Eigentümerstruktur bei einer nationalen Netzgesellschaft. Völlig unverständlich ist jedoch, warum die Grünen in ihrem Antrag in- oder ausländischen Energieversor- gungsunternehmen verbieten wollen, sich an einer Netz- gesellschaft zu beteiligen. Dies würde – ganz im Sinne der EU-Kommission – de facto einer eigentumsrechtli- chen Entflechtung auf Übertragungsnetzebene entspre- chen. Ich habe bereits ausgeführt, warum dieser Weg – auch aus Sicht der Experten der Bundesnetzagentur – nicht zielführend ist. Bei einer Netzgesellschaft kommt es vielmehr darauf an, zusätzliche Eigentümer über die bisherigen hinaus in eine Netzgesellschaft in einer Form einzubinden, in der kein Eigentümer eine dominante Größe erreichen kann. Ausländische Miteigentümer soll- ten dabei genauso wenig ausgeschlossen werden wie die Ausweitung des Netzes über nationale Grenzen hinaus. Im Sinne einer zügigen Investition in die Netze ist eine umfassende Lösung, die die derzeitigen Eigentümer mit einbezieht, sicher schneller zu erreichen. Neben der bereits erwähnten eigentumsrechtlichen Frage spielt da- bei auch eine Rolle, dass das Netzgeschäft – bei allem Misstrauen gegenüber den derzeitigen Übertragungs- netzbetreibern – technisch höchst anspruchsvoll ist. Daher sollte und kann auf das Expertenwissen der der- zeitigen Übertragungsnetzbetreiber im Rahmen einer Netzgesellschaft nicht verzichtet werden. Abschließend möchte ich noch meine Ungeduld über den Fortgang des Moderationsprozesses ausdrücken. Es ist bisher nicht bekannt, inwieweit es dem Moderator in den vergangenen knapp vier Monaten gelungen ist, Fort- schritte zu erzielen. Da die Verkaufsprozesse bei Vatten- fall Europe und Eon aber bereits weit vorangeschritten sind, bleibt nicht mehr viel Zeit für ein aktives Handeln der Politik. Im Namen meiner Fraktion erwarte ich daher einen zeitnahen Abschluss des Moderationsprozesses und – daraus abgeleitet – konkrete Vorschläge der Bundes- regierung zur Ausgestaltung einer Netzgesellschaft. Gudrun Kopp (FDP): Der Antrag von Bündnis 90/ Die Grünen gibt mir Gelegenheit, hier noch einmal ganz deutlich zu sagen, dass wir von den Liberalen jede staat- liche Beteiligung an einer deutschen Netzgesellschaft ablehnen. Eine „vielfältige Eigentümerstruktur“, wie sie sich die die Grünen vorstellen, wird das selbsterklärte Ziel, „Monopolstrukturen zu vermeiden“, kein Stück näher bringen. Monopolstrukturen liegen ja nicht begründet in homogenen Eigentümerstrukturen, sondern in der Markt- stellung eines Unternehmens oder einer Gesellschaft. Die Energienetzwirtschaft kennt so gut wie keinen parallelen Netzbau, weshalb dieser Sektor zu Recht als natürliches Monopol bezeichnet wird. Natürliche Monopole tendieren immer dazu, Kosten zu produzieren, völlig unabhängig davon, wer dieses Monopol betreibt. Das wäre auch und gerade bei einem öffentlichen Unternehmen nicht an- ders. Und genau deshalb ist es unabdingbar, dass diese Monopole staatlich reguliert werden. Dies geschieht in Deutschland seit 2005 durch die Bundesnetzagentur. Es gibt also bereits eine staatliche Kontrolle. Eine Verstaatlichung von Energienetzen – sei es im Übertragungsnetzbereich, im Verteilnetzbereich oder in beiden – löst nicht ein einziges Problem, das wir heute auf den Energiemärkten haben, es schafft lediglich neue. So müsste zunächst einmal ein Enteignungsverfahren durchgeführt werden für diejenigen Netze, die nicht frei- willig veräußert werden. Dafür sieht unser Grundgesetz zu Recht hohe Hürden vor, die zu überschreiten vermutlich Jahre in Anspruch nehmen würde, in denen kein Cent in den dringend notwendigen Ausbau der Netze investiert würde. Auch bleibt unbeantwortet, woher das Geld für eine solche Transaktion kommen soll. Soll der Bund, der noch immer aufgrund einer verfehlten Haushaltspolitik jedes Jahr neue Schulden aufnimmt, die Steuern erhöhen, um diese Milliardenbeträge zusammenzubringen? Und wenn ja, welche Steuern wollen Sie erhöhen? Darüber hinaus bringen öffentliche Unternehmen im- mer ganz spezifische Probleme mit sich, die jeder von uns von seinen örtlichen Sparkassen oder Unternehmen wie der Deutschen Post AG oder Telekom kennt. Zunächst einmal werden diese Betriebe – das ist im kommunalen Bereich deutlich zu erkennen – allzu gern benutzt als Versorgungsposten für verdiente Partei- freunde, die nach Parteienproporz eingesetzt werden – nicht immer zum Vorteil der Unternehmen. Ferner wer- den diese Unternehmen nicht selten mit sachfremden Aufgaben überfrachtet. Ich frage mich im Übrigen, welche Privatinvestoren sich an einer Gesellschaft beteiligen werden, bei der sie per Definition zu einer dauerhaften Minderheitsbeteiligung verdammt sind und deren Gewinne zudem von vornhe- rein erheblich eingeschränkt bleiben. Die Vielzahl der Beschränkungen, die jeglichen marktwirtschaftlichen Re- geln widersprechen, werden so eine Netzgesellschaft zu einem hundertprozentig verstaatlichten Unternehmen ma- chen. Ohne die Möglichkeit, mit angemessener Verzin- sung die entsprechenden Gewinne zu generieren, ist eine so ausgestaltete Netzgesellschaft prädestiniert, die ein- gebrachten Steuergelder zu verpulvern. Wir von der FDP setzen dagegen auf unsere Idee einer unabhängigen deutschen „Netz AG“. An dieser „Netz AG“ können die gegenwärtigen Übertragungsnetzbetreiber ent- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Januar 2009 21745 (A) (C) (B) (D) sprechend dem Wert ihrer eingebrachten Netze anteils- mäßig beteiligt werden. Das Verhältnis der „Netz AG“ zu den vier Eignern ist personell so auszugestalten, dass Interessenkonflikte ausgeschlossen sind und die unterneh- merische Selbstständigkeit der „Netz AG“ gewährleistet bleibt. Bei dieser „Netz AG“ bleibt die volle Verantwor- tung für Investitionen in das Netz, ebenso verbleiben alle Einnahmen aus der Netznutzung bei der „Netz AG“. Die Vorteile einer solchen Lösung sind: ein beachtlich redu- ziertes Diskriminierungspotenzial für neue Anbieter im Erzeugungsbereich und eine effizientere Entflechtung. Auch der Netzausbau in Deutschland sowie Netzinvesti- tionen könnten so in Form einer deutschlandweiten Netzentwicklungsplanung erfolgen. Zudem könnten so die vier bisher getrennt geführten Regelzonen zu einem deutschlandweiten Regelenergiemarkt zusammengefasst werden. Diese und weitere Synergieeffekte sind nur mit einer unabhängigen „Netz AG“ ohne staatliche Beteili- gung zu generieren. Als Kontrollinstrumente des Bundes sind mit der Bundesnetzagentur und dem Bundeskartell- amt bereits effiziente und schlagkräftige Instanzen geschaffen, um Gefahren durch Machtkonzentrationen zu beheben und Wettbewerb zu garantieren. Unter dem Strich bleibt festzuhalten: Die Verstaatli- chung von Produktionsmitteln kann kein Rezept für die Zukunft sein. Daher lehnen wir von der FDP den Antrag der Grünen ab. Ulla Lötzer (DIE LINKE): Die vier großen Energie- konzerne in Deutschland nutzen ihre Monopolstellung bei den Übertragungsnetzen konsequent für die eigene Rendite aus. Sie treiben die Preise in die Höhe und si- chern sich ihre Marktmacht auf Kosten der Verbrauche- rinnen und Verbraucher, auf Kosten der Umwelt und auf Kosten der Energiesicherheit. Deshalb ist es dringend notwendig, die Übertragungsnetze aus den Konzernen herauszulösen. Die Bundesregierung spielt hier ein un- rühmliches Spiel zugunsten der großen Konzerne. Die Unterstützung von Global Playern ist ihr wichtiger als der Verbraucher- und Umweltschutz. Leider bleiben Sie, meine Damen und Herren von den Grünen, mit Ihrem Antrag auf halben Weg stehen. Sie wollen, wie Sie schreiben, um „Monopolstrukturen zu vermeiden“, Private an einer neuen Netzgesellschaft be- teiligen. Sie können bei der Frage des Netzbetriebes aber Monopolstrukturen nicht vermeiden, da es sich schlicht- weg um ein natürliches Monopol handelt. Der Transport von Energie ist eine elementare Infra- strukturaufgabe, ganz besonders in einer hoch entwi- ckelten Industriegesellschaft. Niemand kann ohne Ener- gie, Licht, Strom, Wärme am wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Der Strom muss verlässlich in jeder Sekunde bereitgestellt werden kön- nen. Er muss mit möglichst geringer Umweltzerstörung und geringem Ressourcenverbrauch erzeugt und bereit- gestellt werden. Und er muss bezahlbar sein. Da ist es kontraproduktiv, private Investoren mit reinzuholen. Das Interesse von privaten Investoren ist doch klar zu benen- nen: die Erzielung einer möglichst hohen und sicheren Kapitalrendite. Diese Gewinne müssen die Stromkun- dinnen und -kunden bezahlen. Die sind als Kunden ge- fangen und können nicht raus. Sie können weder zu ei- nem anderen Netzbetreiber wechseln noch auf den Bezug von Strom oder Gas verzichten. Private Investoren richten ihre Geschäftspolitik nicht an den Notwendigkeiten einer umweltschonenden Ener- gieversorgung, an der langfristigen Erhaltung der Netze, geschweige denn an anderen Zielen wie dem Erhalt quali- fizierter Arbeitsplätze aus. Da nutzt es wenig, dass der Anteil von privaten Investoren unter 50 Prozent liegen soll. Dass die privaten Investoren ihre Ziele in einer öf- fentlich-privaten Netzgesellschaft durchsetzen werden, da können Sie sicher sein. Dazu brauchen sie keine Mehrheit in dem Unternehmen. Selbst wenn Sie von den Grünen aus ideologischen Gründen das nicht wollen: Die Strom- netze gehören – genauso wie die Straßen und das Schie- nennetz – in die öffentliche Hand. Die öffentliche Hand kann die Ziele der sicheren und effizienten Stromversor- gung mit den Zielen der sauberen und bezahlbaren Versor- gung am besten vereinigen. Die Investitionsmittel für den nötigen Ausbau und die Erneuerung der Netze können weiterhin über die Nutzungsentgelte refinanziert werden. Die öffentliche Hand muss aber keine höchstmögliche Rendite mit den Netzen erzielen. Sie kann deshalb die Preise senken. Und was am wichtigsten ist: Sie kann den Netzbetrieb auf die energiepolitischen Ziele von Klima- schutz und Atomausstieg ausrichten. Eine solche Netzge- sellschaft für die Übertragungsnetze sollte von Bund, Ländern und Gemeinden geführt werden. Dies würde die Chance für mehr demokratische und gesellschaftliche Kontrolle eröffnen, was nicht der Fall wäre, wenn der Bund alleine agieren würde. Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Strommarkt in Deutschland kommt nicht voran. Die Preise steigen, erst vorgestern hat RWE erneut eine Er- höhung um etwa 7 Prozent angekündigt. Rund 80 Pro- zent der Stromerzeugung liegen in der Hand der vier großen Konzerne, die damit auch das Geschehen an der Strombörse diktieren und so die Preise nach oben trei- ben. Und last, but not least sind die Stromübertragungs- netze vollständig in der Hand der großen vier. Diese Vormachtstellung muss gebrochen werden. Da- rin sind wir uns einig mit der Europäischen Kommis- sion, die bis zuletzt versucht hat, eine besitzrechtliche Trennung von Netzbetrieb und Stromerzeugung auch in Deutschland durchzusetzen. Das Vorhaben scheiterte, wie wir mit Erschrecken feststellen mussten, am Wider- stand der Bundesregierung, die sich in Brüssel auch in der Frage der Stromnetze zum Vorkämpfer der Konzern- interessen aufschwang – und sich damit kräftig bla- mierte. Denn mitten in den Brüsseler Verhandlungen gab der Eon-Konzern seinerzeit bekannt, sich von seinen Stromnetzen trennen zu wollen. Ihm folgte inzwischen auch Vattenfall Europe. Damit ergibt sich die vielleicht einmalige Chance, in Deutschland den Betrieb der Über- tragungsnetze neu zu organisieren zugunsten einer fairen Marktentwicklung, zugunsten eines beschleunigten Aus- baus erneuerbarer Energien und zugunsten der Verbrau- cherinnen und Verbraucher. Der Bundeswirtschaftsminister bewegt sich in der Netzfrage im Schneckentempo. Erst hat er für die Kon- zerne gekämpft, jetzt, so wird er in den Medien zitiert, glaubt er, dass wir um einen gemeinsamen Netzbetrieb „nicht herumkommen“ werden. Ja, Herr Glos, dann han- 21746 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Januar 2009 (A) (C) (B) (D) deln sie jetzt und nicht erst in ferner Zukunft. Sorgen sie dafür, dass es so schnell wie möglich eine bundesweite Netzgesellschaft gibt! Wir Grünen haben dazu einen ganz konkreten Antrag eingebracht. Für uns steht an ers- ter Stelle, den Netzbetrieb neutral zu machen. Denn fai- ren Wettbewerb kann es erst geben, wenn die Übertra- gungsnetze nicht mehr von denen betrieben werden, die den Strom erzeugen und verkaufen. Wir schlagen deshalb eine Netzgesellschaft vor, die mehrheitlich der öffentlichen Hand gehört. Wir wollen keine Verstaatlichung, weil ein Netzmonopol in Staats- hand nicht zu mehr Innovation und Verbraucherschutz führt; das zeigen zahlreiche Beispiele, etwa Frankreich. Wir wollen ein modernes Unternehmen, in dem Bund, Länder und Kommunen die Mehrheit der Anteile halten und private Investoren die Minderheit. Wir wollen vor allem keine monopolartigen Besitzverhältnisse und wün- schen daher einen breiten Streubesitz aus öffentlicher und privater Beteiligung. Die Stromversorger aber gilt es von der Netzgesellschaft auszuschließen. Wir dürfen nicht länger den Bock zum Gärtner machen. Dazu ist die Schaffung neutral betriebener Stromnetze zu wichtig für die Zukunft unserer Energieversorgung. Ein einheitliches Stromübertragungsnetz würde Strom- kunden einen zweistelligen Millionenbetrag jährlich er- sparen. Das hat die Bundesnetzagentur gerade errechnet. Dann wäre Schluss mit dem undurchsichtigen Handel mit Regelenergie, der den Konzernen die Chance bietet, Geld von der einen in die andere Tasche zu wirtschaften – zu- lasten vor allem von Ökostromanbietern und ihren Kun- den. Ein neutrales Stromübertragungsnetz würde alle Stromerzeuger gleich behandeln und die immer noch ekla- tante Behinderung erneuerbarer Energien beim Netzan- schluss beenden. Ein neutrales Stromübertragungsnetz würde die drin- gend benötigten Investitionen in den Neubau von Strom- leitungen, aber auch von Stromspeichern und innovati- ver Regeltechnik voranbringen. Wir müssen die Netze jetzt fit machen für eine Zukunft, in der 30, 40 und per- spektivisch 100 Prozent Strom aus erneuerbaren Quellen stammt. Das ist mit den Oligopolisten von Eon, RWE & Co. nicht zu machen. Die wollen vor allem ihre alten AKW und ihre neuen Kohlekraftwerke ans Netz bringen und so ihre marktbeherrschende Stellung auf Jahrzehnte zementieren. Die Zukunft der Stromnetze wird entscheiden, wie wir unsere Energiezukunft gestalten. Nur ein neutrales Stromübertragungsnetz in mehrheitlich öffentlicher Hand mit Streubesitz kann fairen Wettbewerb und Vor- fahrt für klimafreundlichen Strom sicherstellen sowie eine Zementierung des Energiekartells der großen vier verhindern. Wir dürfen die Chance, jetzt zukunftsfähige Strukturen im Energiemarkt zu schaffen, nicht verpas- sen. Stimmen Sie deshalb unserem Antrag zu! Anlage 8 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner 853. Sitzung am 19. De- zember 2008 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen: – Gesetz über die Feststellung des Bundeshaus- haltsplans für das Haushaltsjahr 2009 (Haus- haltsgesetz 2009) – Viertes Gesetz zur Änderung des Weingesetzes – Düngegesetz – Gesetz zur Einführung Unterstützter Beschäfti- gung – Zweites Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze – Fünftes Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Achtes Gesetz zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze – Gesetz zur Modernisierung und Entbürokratisie- rung des Steuerverfahrens (Steuerbürokratieab- baugesetz) – Gesetz zur Neuordnung und Modernisierung des Bundesdienstrechts (Dienstrechtsneuordnungsge- setz – DNeuG) – Gesetz zur Änderung des Staatsangehörigkeitsge- setzes – Gesetz zur Errichtung einer Stiftung „Deutsches Historisches Museum“ – Fünftes Gesetz zur Änderung des Filmförde- rungsgesetzes – Erstes Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb – Gesetz über den Zugang zu digitalen Geodaten (Geodatenzugangsgesetz – GeoZG) – Zweites Gesetz zur Änderung des Autobahnmaut- gesetzes für schwere Nutzfahrzeuge – Viertes Gesetz zur Änderung des Straßenver- kehrsgesetzes – Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgeset- zes und zur Änderung des Gesetzes zur Änderung der Anlagen 1 und 3 des ATP-Übereinkommens – Gesetz zur Neufassung des Raumordnungsge- setzes und zur Änderung anderer Vorschriften (GeROG) – Erstes Gesetz zur Änderung des Wohngeldgeset- zes – Gesetz zu dem Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 13. Dezember 2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen sowie zu dem Fakultativprotokoll vom 13. Dezember 2006 zum Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen – Gesetz zu den Abkommen vom 26. Mai 2006 zwi- schen der Regierung der Bundesrepublik Deutsch- land und der Regierung der Sonderverwaltungs- region Hongkong der Volksrepublik China über die gegenseitige Rechtshilfe in Strafsachen und über die Überstellung flüchtiger Straftäter Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Januar 2009 21747 (A) (C) (B) (D) – Gesetz zu dem Vertrag vom 26. Februar 2008 zwi- schen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über den Bau und die Instandhal- tung von Grenzbrücken in der Bundesrepublik Deutschland im Zuge von Schienenwegen des Bundes, in der Republik Polen im Zuge von Eisen- bahnstrecken mit staatlicher Bedeutung – Gesetz zu dem Übereinkommen vom 25. Juli 2007 über die Beteiligung der Republik Bulgarien und Rumäniens am Europäischen Wirtschaftsraum – Gesetz zu den Protokollen vom 9. Juli 2008 zum Nordatlantikvertrag über den Beitritt der Repu- blik Albanien und der Republik Kroatien – Gesetz zur arbeitsmarktadäquaten Steuerung der Zuwanderung Hochqualifizierter und zur Ände- rung weiterer aufenthaltsrechtlicher Regelungen (Arbeitsmigrationssteuerungsgesetz) – Gesetz zur Abwehr von Gefahren des internatio- nalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt – Gesetz zur Förderung von Familien und haus- haltsnahen Dienstleistungen (Familienleistungs- gesetz – FamLeistG) – Gesetz zur Verbesserung der Rahmenbedingun- gen für die Absicherung flexibler Arbeitszeitrege- lungen und zur Änderung anderer Gesetze Der Bundesrat hat ferner die folgende Entschließung gefasst: Der Bundesrat begrüßt, dass im Interesse der Portabi- lität von Wertguthaben auch die Möglichkeit einer Über- tragung auf die gesetzliche Rentenversicherung eröffnet werden soll. Im Hinblick auf die in Abhängigkeit von der festge- setzten Wertgrenze zunächst zu erwartenden geringen Fallzahlen von Übertragungen auf die Rentenversiche- rung erscheint eine Ansiedlung der Zuständigkeit aus- schließlich bei der Deutschen Rentenversicherung Bund für einen befristeten Übergangszeitraum – wie auch vom Bundesrat gefordert – sinnvoll. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung jedoch auf, die weitere Entwicklung zu den von der Deutschen Rentenversicherung Bund verwalteten Wertguthaben zu beobachten und die im Rahmen der Organisationsreform der gesetzlichen Rentenversicherung gefundene Kompe- tenzverteilung zwischen Regionalträgern und Bundesträ- gern zu beachten. Der Bundesrat weist darauf hin, dass die Ausführung der Gesetze grundsätzlich Ländersache ist und es den Ländern obliegt, Aufgaben den Landesbehörden zuzu- weisen. – Gesetz zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpoli- tischen Instrumente Der Bundesrat hat ferner die nachstehende Entschlie- ßung gefasst: Der Bundesrat bedauert, dass die Bundesregierung den Vorschlag des Bundesrates, die ABM im Rechts- kreis des SGB II nicht zu streichen, nicht aufgegriffen hat, da damit insbesondere den Regionen mit einem ho- hen Anteil an Langzeitarbeitslosen ein erprobtes und be- währtes arbeitsmarktpolitisches Instrument nicht mehr zur Verfügung steht. Der Bundesrat fordert daher die Bundesregierung auf, zumindest sicherzustellen, dass die Arbeitsgelegenheiten in der Entgeltvariante – ebenso wie ABM – auch in ver- gaberechtlich zulässiger Weise bei der Vergabe eines öffentlichen Auftrags an ein Wirtschaftsunternehmen durchgeführt werden können. Die Aufnahme einer ver- traglichen Nebenbedingung, dass die Zuweisung geför- derter Arbeitnehmer nicht diskriminierend ist, soll auch künftig möglich sein, um die Wirtschaft in geförderte Arbeit einzubeziehen. Die Gesetzesbegründung der Bundesregierung zu § 16 d SGB II enthält lediglich die Bemerkung, dass im Übrigen die Vorschriften zu den Arbeitsgelegenheiten unverändert bleiben. Dagegen ist eine Klarstellung er- forderlich, um Rechtssicherheit für die Zukunft zu schaf- fen. Es soll ausdrücklich die Möglichkeit eröffnet sein, dass Arbeitslose, die in einer Arbeitsgelegenheit in der Entgeltvariante beschäftigt sind, unmittelbar in die Aus- führung öffentlicher Aufträge einbezogen werden kön- nen. Solche sogenannten Vergabe-ABM haben sich we- gen ihres engen Bezugs zur regionalen Infrastruktur in Ostdeutschland besonders bewährt. Daher sollte die Möglichkeit der Vergabe im Rechtskreis des SGB II bei den vergleichbaren Arbeitsgelegenheiten in der Entgelt- variante auch zulässig sein. – Erstes Gesetz zur Änderung des Bundeseltern- geld- und Elternzeitgesetzes Der Bundesrat hat ferner die nachstehende Entschlie- ßung gefasst: Der Bundesrat hält die Vereinfachung des Elterngeld- verfahrens im Interesse der Eltern und der mit dem Voll- zug befassten Länder für besonders dringlich. Notwendig ist insbesondere eine Vereinfachung der Einkommensermittlung. Der Bundesrat legte in seinem einstimmig beschlos- senen Gesetzentwurf zur Vereinfachung des Elterngeld- vollzugs (Bundesratsdrucksache 225/08 (Beschluss) vom 23. Mai 2008) entsprechende Vorschläge vor. Auch der Bundesrechnungshof sprach in seinem Be- richt nach § 88 Abs. 2 BHO über die Wirkungsweise und Umsetzbarkeit der Regelungen nach dem Bundeseltern- geld- und Elternzeitgesetz am 19. September 2008 die Empfehlung aus, die Einkommensermittlung deutlich zu vereinfachen. Die Bundesregierung kündigte in ihrem im Oktober 2008 gemäß § 25 BEEG zu erstattenden Bericht in Ab- stimmung mit den Ländern eine Prüfung von Vereinfa- chungsmöglichkeiten an. Die Bundesregierung wird aufgefordert, unter Einbe- ziehung des Gesetzentwurfs des Bundesrats alle Verein- fachungsmöglichkeiten zu ergreifen und so schnell wie möglich umzusetzen. – Jahressteuergesetz 2009 (JStG 2009) Der Bundesrat hat ferner die nachfolgende Entschlie- ßung gefasst: Durch das Jahressteuergesetz 2009 sollen die Rege- lungen zur Umsatzsteuerbefreiung für ambulante und (A) (C) (B) (D) stationäre Heilbehandlungsleistungen an die Terminolo- gie der Mehrwertsteuersystem-Richtlinie angepasst wer- den. Grundsatz der Neuregelung war und ist, dass im Krankenhausbereich Schlechterstellungen gegenüber dem geltenden Recht nicht eintreten sollen. Inzwischen hat sich jedoch gezeigt, dass einzelne Krankenhäuser ab dem 1. Januar 2009 nicht mehr unter die Befreiungsvor- schrift fallen, obwohl ihre Umsätze nach geltendem Recht steuerfrei sind. Dies würde bei den betroffenen Krankenhäusern zu einer erheblichen steuerlichen Mehr- belastung führen und gegebenenfalls die dort vorhande- nen Arbeitsplätze gefährden. Der Bundesrat fordert des- halb die Bundesregierung auf, den Anwendungsbereich der Steuerbefreiung in dieser Hinsicht zu prüfen und er- forderlichenfalls durch geeignete Maßnahmen spätestens im Rahmen des nächsten geeigneten Gesetzgebungsver- fahrens rückwirkend sicherzustellen, dass dem Grund- satz „Keine Schlechterstellung gegenüber dem Status- quo“ Rechnung getragen wird. Begründung: Künftig werden Krankenhausbehandlungen insbeson- dere von solchen Krankenhäusern von der Umsatzsteuer befreit, die nach § 108 SGB V zugelassen sind. Darunter fallen private Krankenhäuser insbesondere dann, wenn sie einen Versorgungsvertrag mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen abgeschlossen haben. Nach geltendem Recht kann ein Krankenhaus unter den Voraussetzungen des § 4 Nr. 16 Buchstabe b UStG in Verbindung mit § 67 Abs. 2 AO mit seinen Umsätzen auch dann von der Umsatzsteuer befreit sein, wenn es keinen Versorgungsvertrag abge- schlossen hat. So können Krankenhäuser nach § 67 Abs. 2 AO steuerbegünstigt sein, wenn mindestens 40 vom Hundert der jährlichen Pflegetage auf Patienten entfallen, bei denen für die Krankenhausleistungen kein höheres Entgelt als nach der Bundespflegesatzverord- nung berechnet wird. Die Fälle des § 67 Abs. 2 AO kön- nen nach der Neuregelung nicht mehr unter die Steuer- befreiungsvorschrift subsumiert werden. Die Abgeordnete Kerstin Müller (Köln) hat darum gebeten, bei dem Entwurf eines … Gesetzes zur Än- derung des Gesetzes zur Vermeidung und Bewälti- gung von Schwangerschaftskonflikten auf Drucksa- che 16/11347 nachträglich in die Liste der Antragsteller aufgenommen zu werden. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat mit- geteilt, dass sie den Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen auf Drucksache 16/8757 und den Entwurf eines Gesetzes zur Gewährleistung angemessener Arbeitsbedingungen für grenzüber- schreitend entsandte und für regelmäßig im Inland beschäftigte Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen (Arbeitnehmer-Entsendegesetz – AEntG) auf Druck- sache 16/8758 zurückzieht. Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: sellschaft mbH, Amsterdamer Str. 19 Innenausschuss – Unterrichtung durch die Bundesregierung Zweiter Bericht der Bundesregierung über die Fort- schritte zur Entwicklung der verschiedenen Felder des Geoinformationswesens im nationalen, europäischen und internationalen Kontext – Drucksachen 16/10080, 16/10285 Nr. 17 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über den Stand der Ab- wicklung des Fonds für Wiedergutmachungsleistungen an jüdische Verfolgte – Stand 30. Juni 2008 – – Drucksachen 16/10081, 16/10285 Nr. 18 – Haushaltsausschuss – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushalts- und Wirtschaftsführung 2008 Einwilligung in eine überplanmäßige Ausgabe bei Kapi- tel 11 10 Titel 681 01 – Versorgungsbezüge für Beschädigte – – Drucksachen 16/11169, 16/11306 Nr. 3 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushalts- und Wirtschaftsführung 2008 Einwilligung in eine überplanmäßige Ausgabe bei Kapi- tel 60 03 Titel 632 01 – Zahlungen nach dem Strafrechtlichen Rehabilitie- rungsgesetz – – Drucksachen 16/11198, 16/11478 Nr. 1.4 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushalts- und Wirtschaftsführung 2008 Einwilligung in eine überplanmäßige Ausgabe bei Kapi- tel 12 25 Titel 893 01 – Prämien nach den Wohnungsbau-Prämiengesetz – – Drucksachen 16/11368, 16/11478 Nr. 1.6 – Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz – Unterrichtung durch die Bundesregierung Risikostruktur und strukturwandelbedingte Belastun- gen der landwirtschaftlichen Krankenversicherung – Drucksachen 16/10713, 16/10949 Nr. 5 – Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen auf dem Gebiet der Unfallverhütung im Straßenverkehr 2006 und 2007 (Unfallverhütungsbericht Straßenverkehr 2006/2007) – Drucksachen 16/10230, 16/10949 Nr. 1 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Tätigkeitsberichte 2006 und 2007 der Bundesnetzagen- tur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen für den Bereich Eisenbahnen gemäß § 14b Abs. 4 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes und Stellungnahme der Bundesregierung – Drucksachen 16/10460, 16/10949 Nr. 2 – 21748 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Januar 2009 nd 91, 1 2, 0, T 22 200. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 22. Januar 2009 Inhalt: Redetext Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4 Anlage 5 Anlage 6 Anlage 7 Anlage 8
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Ernst Burgbacher


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)


    Mittlerweile werden seit mehr als einem halben Jahr-

    hundert kleine und mittlere Unternehmen über das Son-
    dervermögen des European Recovery Program gefördert.
    Bereits 1949 kam es zwischen der Bundesrepublik
    Deutschland und den USA zu einem Abkommen über
    wirtschaftliche Zusammenarbeit, das am 1. Februar
    1950 in Kraft trat. Das Abkommen bestimmte die Verwal-
    tung einer Summe von damals 6 Milliarden DM als soge-
    nanntes Sondervermögen. Dieses sollten Unternehmen



    gegebene Reden


    (A) (C)



    (B) (D)


    Ernst Burgbacher
    zum Aufbau der durch den Zweiten Weltkrieg zerstörten
    deutschen Wirtschaft erhalten. Im Laufe der Jahre wuchs
    das ERP-Sondervermögen auf einen Bestand Ende 2007
    von mehr als 13 Milliarden Euro. Diese erheblichen fi-
    nanziellen Mittel kamen und kommen der mittelständi-
    schen Wirtschaft in Form von vergünstigten Krediten und
    sonstigen Förderleistungen zugute. Das Instrument der
    Mittelstandsförderung über ERP-Mittel ist gerade in der
    jetzigen Situation des wirtschaftlichen Abschwungs be-
    sonders bedeutsam.

    Für das laufende Jahr beträgt das Fördervolumen
    368 Millionen Euro. Insbesondere der Mittelstand und
    die freien Berufe erhalten im Rahmen der veranschlagten
    Mittel zinsgünstige Darlehen und Beteiligungskapital.
    Damit leistet das ERP-Sondervermögen einen erhebli-
    chen Beitrag zur Wirtschaftsförderung.

    Der Mittelstand ist auf diese Fördermittel angewiesen.
    Deshalb ist es für die FDP auch bedauerlich, dass das
    Bundesfinanzministerium eine frühzeitige Verabschie-
    dung des Wirtschaftsplanes vereitelt hat. Dass dieser
    Wirtschaftsplan erst im Jahr 2009 und nicht bereits am
    Ende des vergangenen Jahres verabschiedet werden
    konnte, liegt an den schwierigen Verhandlungen, die mit
    dem Bundesfinanzministerium über den Substanzerhalt
    des ERP-Sondervermögens geführt werden mussten. Wir
    haben im ERP-Unterausschuss dafür gestritten, dass der
    Substanzerhalt des ERP-Vermögens, das heißt die ge-
    samte Fördersumme von 13 Milliarden Euro, auch in Zu-
    kunft für die Mittelstandsförderung zur Verfügung steht.
    Wir haben dafür gestritten, dass das Finanzministerium
    den gesetzlichen und vertraglichen Verpflichtungen
    nachkommt und letztlich zumindest für das Wirtschafts-
    jahr 2009 eine vertragliche Vereinbarung erreicht.

    Dennoch muss auch hier in aller Offenheit gesagt wer-
    den, dass wir uns vor allem eine Vereinbarung gewünscht
    hätten, die die gesetzlichen Verpflichtungen des Finanz-
    ministeriums enthalten hätte, vor allem also einen umfas-
    senden und dauerhaften Substanzerhalt, einen Erhalt der
    Fördermasse des ERP-Vermögens für den deutschen Mit-
    telstand. Der beste Substanzerhalt wäre es jedoch gewe-
    sen, wenn die unsägliche Übertragung des ERP-Sonder-
    vermögens auf die KfW rückgängig gemacht worden
    wäre. Dies haben wir wiederholt gefordert, und dies wäre
    der beste Weg zu einem gesicherten Substanzerhalt.

    Aus dem Bericht des Bundesrechnungshofs an den Un-
    terausschuss für die ERP-Wirtschaftspläne vom 12. Juni
    2008 zur Umsetzung der Neuordnung des ERP-Sonder-
    vermögens wird ersichtlich, dass die Neuordnung des
    Sondervermögens zu einer Hebung von stillen Reserven
    und deren Transfer zum Bundesministerium der Finanzen
    geführt hat. Das BMF erlangte hierdurch einen finanziel-
    len Vorteil von rund 373 Millionen Euro auf Kosten des
    ERP-Sondervermögens. Diese Summen hätten ebenfalls
    in den Wirtschaftsplan eingestellt werden müssen und
    dem Fördervolumen hinzugerechnet werden sollen. Im
    Interesse des deutschen Mittelstands und zur Stimulie-
    rung des Investitionsverhaltens von kleinen und mittleren
    Unternehmen bedarf es kurzfristig geeigneter Maßnah-
    men zum langfristigen Erhalt von Substanz und Förder-
    volumen des ERP-SV im vereinbarten Rahmen. Ohne der-
    Zu Protokoll
    artige Regelungen weist der Wirtschaftsplan in wichtigen
    Bereichen Fehler auf, die eine Ablehnung rechtfertigen.
    Die mittelständische Wirtschaft hätte es verdient, mit al-
    len erdenklichen finanziellen Mitteln gefördert zu werden.
    Diesem Anspruch wird der vorgelegte Wirtschaftsplan
    leider nicht gerecht.



Rede von Dr. Herbert Schui
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DIE LINKE.)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)

Die Finanzkrise zeigt: Die Neuordnung des ERP-Son-

dervermögens war eine völlig verfehlte Entscheidung.
Die Übertragung des ERP-Sondervermögens an die KfW
bzw. zum Teil in den Bundeshaushalt schafft eine Lage, in
der zunehmend ungewiss ist, ob das Sondervermögen sei-
nen Aufgaben bei der Mittelstandsförderung geordnet
nachkommen kann. Der Grund hierfür ist vor allem, dass
die KfW im Rahmen der Finanzkrise vermehrt von ande-
ren Aufgaben in Anspruch genommen wird.

Leistungsfähiger ist das Sondervermögen durch die
Eingliederung nicht geworden. Dies war schon zum Zeit-
punkt seiner Neuordnung abzusehen. Alle Kritiker der
Opposition, die zu diesem Zeitpunkt Zweifel hatten am
Substanzerhalt des Vermögens, müssen sich bestätigt se-
hen. Die Regierungsfraktionen sind zu immer komplizier-
teren Sicherungsaktionen gezwungen.

Wie in den mündlichen und schriftlichen Verlautbarun-
gen deutlich zu spüren ist, wissen selbst die Spitzen der
beiden beteiligten Ministerien nicht, welche Sicherungen
des Sondervermögens auf welche Weise funktionieren
sollen. Der Substanzerhalt ist offenbar nicht gewährleis-
tet. Mit Krediten von der KfW an das ERP-Sondervermö-
gen wird versucht, das zu verschleiern. Solche Winkel-
buchungen können zwar die Liquidität sicherstellen,
nicht aber die Substanz.

Die Koalitionsfraktionen sollten daher den Mut auf-
bringen, die am 26. Juni 2007 in Kraft getretene Neuord-
nung des ERP-Sondervermögens wieder rückgängig zu
machen. Eine noch bessere Lösung wäre, das Sonderver-
mögen zu einem Fonds auszubauen, der industriepoli-
tisch handlungsfähig ist. In der gegenwärtigen Krise ist
hier vor allem an die Zulieferindustrie der Autobranche
zu denken oder an Unternehmen des Maschinenbaus,
denen die sinkenden Exporte sehr zu schaffen machen.
Allgemein führt an einer Umstellung auf wertschöpfungs-
intensive Qualitätsprodukte sowie energie- und rohstoff-
effiziente Produkte und Produktionsweisen kein Weg
vorbei. Dies ist vorzuziehen einem Anpassungsmechanis-
mus, den der Markt erzwingt: Schließung von Werken,
Streichung von Arbeitsplätzen, steigende Unternehmens-
konzentration, Personalkosteneinsparungen oder Strei-
chung von Umweltauflagen.

Um das zu vermeiden, ist Industriepolitik notwendiger
denn je. Kredite oder Subventionen des ERP-Sonderver-
mögens in einem industriepolitischen Fonds müssten an
Bedingungen geknüpft werden, die solch einen Umbau
ermöglichen. Der Fonds selbst unterliegt dabei wieder
der Kontrolle des Parlamentes, wie es vor Neuregelung
des ERP-Sondervermögens bereits der Fall war. So könn-
ten sinnvolle Innovationen durch das ERP-Sondervermö-
gen angestoßen werden. In einem zweiten Schritt könnten
die Konzerne mit ihren Gewinnen an den Kosten des
Fonds beteiligt werden, um ihn weiter auszubauen.



gegebene Reden






(A) (C)



(B) (D)


Dr. Herbert Schui
Der hier zur Abstimmung stehende ERP-Wirtschafts-
plan enthält natürlich keinerlei Ansatz zu einem indus-
triepolitisch handlungsfähigen Fonds. Dennoch wäre es
falsch, den Wirtschaftsplan abzulehnen. In einer Situa-
tion, in der die Kreditbeschaffung für viele KMU schwie-
riger wird, trifft eine Ablehnung vor allem die Unterneh-
men und nicht die Regierung. Davon hätte niemand was.
Die Finanzierungen aus dem ERP-Sondervermögen wer-
den im Moment besonders benötigt. Daher stimmen wir
diesem Gesetz zu.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Hans-Josef Fell


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Wenn es darum geht, Geld zu verbrennen, hat die Bun-

    desregierung wahre Meisterschaft entwickelt. Nur we-
    nige Wochen nachdem der Bundestag von der Bundes-
    regierung dazu gedrängt wurde, einen Großteil der ERP-
    Mittel an die KfW zu geben, wurde die KfW vom Bundes-
    finanzminister dazu bemüßigt, einen relevanten Teil ihres
    Eigenkapitals bei der IKB zu verbrennen. Das ERP-Son-
    dervermögen hatte das Pech, dass es mittlerweile den
    größten Teil seines Vermögens in die KfW investiert hatte.
    Folglich muss es auch einen großen Teil der Verluste tra-
    gen. Der Schaden für das ERP-Sondervermögen dürfte
    zwischen 4 und 4,5 Milliarden Euro betragen. Die Bun-
    desregierung und die KfW taten alles, um diesen Sub-
    stanzverlust zu übertünchen. Allerdings ließ sich das ge-
    schrumpfte Vermögen in der Finanzplanung nicht mehr
    verheimlichen. Insbesondere die Berichte des Bundes-
    rechnungshofes zeigten auf, dass die Substanz des ERP-
    Sondervermögens reduziert ist und dass in den nächsten
    Jahren ein Rückgang der Förderung zu befürchten ist.

    Die Tragik für den Mittelstand liegt darin, dass genau
    dann, wenn die KfW und das ERP-Sondervermögen be-
    sonders gebraucht werden, diese staatlichen Geldgeber
    ausgedörrt sind. Jetzt zu Beginn der Wirtschaftskrise sind
    die wichtigsten Finanzierungsinstrumente weitgehend
    lahmgelegt.

    Das BMF hatte im Februar 2008 zugesagt, dass die
    Schäden, die das ERP-Sondervermögen aus den IKB-Ver-
    lusten erleidet, ausgeglichen werden sollen. Im BMF
    hatte man aber keine Sekunde daran gedacht, dieses Ver-
    sprechen zu halten. Es bedurfte monatelangen partei-
    übergreifenden Drucks des ERP-Unterausschusses, bis
    sich das BMF dazu durchringen konnte, seine Zusage vor
    Jahresende 2008 auch einzuhalten. Mittlerweile liegt
    eine Teillösung des Problems vor. Die Förderfähigkeit
    des ERP-Sondervermögens ist auf absehbare Zeit sicher-
    gestellt. Das Gleiche lässt sich für die Substanz des ERP-
    Sondervermögens leider nicht behaupten. Diese ist auf-
    grund des Zusammenschrumpfens der stillen Rücklagen
    in der gebeutelten KfW deutlich geschrumpft. Immerhin
    konnte man sich in Abstimmung mit dem Bundesrech-
    nungshof aber auf einen Substanzbegriff einigen, der eine
    Bodenlinie gezogen hat, auf deren Basis man jetzt weiter-
    arbeiten kann.

    Angesichts der heutigen Wirtschaftslage sollte es aber
    nicht mehr darum gehen, das Schlimmste bei dem wich-
    tigsten Förderinstrument des Mittelstandes zu verhin-
    dern. Vielmehr müsste das ERP-Sondervermögen gerade
    jetzt gestärkt werden, damit es in der Kreditklemme den
    mittelständischen Unternehmen aushelfen kann. Doch
    weder im ersten noch im zweiten Konjunkturpaket hat die
    Bundesregierung diesbezüglich Maßnahmen ergriffen.
    Dies sollte korrigiert werden. Die Bundesregierung will
    Hunderte Milliarden für die Finanzmärkte zur Verfügung
    stellen. Die Stärkung des ERP-Sondervermögens und der
    KfW hat sie in all der Eile übersehen. Dies muss jetzt kor-
    rigiert werden.

    Wir können dem vorliegenden Wirtschaftsplan nicht
    zustimmen, weil der faktische Substanzverlust der stillen
    Rücklagen mit dem Wirtschaftsplan abgesegnet wird. Zu-
    dem sind Substanzerhalt und Förderkraft nicht langfristig
    garantiert. Das Bundesfinanzministerium hatte sich da-
    gegen gesträubt, eine entsprechende Garantieerklärung
    abzugeben. Damit bleibt die Sorge berechtigt, dass das
    Bundesfinanzministerium auch in Zukunft versucht sein
    könnte, sein Wort zu brechen. Die Details des Wirtschafts-
    plans zeigen erneut grundsätzlich die große Bedeutung
    des ERP-Sondervermögens auf – auch und gerade in Kri-
    senzeiten. Die Regierungspolitik der letzten Jahre zeigt
    leider auf, dass die Bundesregierung hier großen Scha-
    den angerichtet wird, der auch mit den jüngsten Be-
    schlüssen nicht gänzlich behoben wird.