Anlage 4
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 190. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. November 2008 20583
(A) )
(B) )
Laurischk, Sibylle FDP 27.11.2008
10/02) entschieden, dass das derzeit (noch) gültige Erb-
(Tagesordnungspunkt IV)
Dorothee Bär (CDU/CSU): Das Bundesverfassungs-
gericht hat mit Beschluss vom 7. November 2006 (1 BvL
Knoche, Monika DIE LINKE 27.11.2008
Krichbaum, Gunther CDU/CSU 27.11.2008
Anlage 1
Liste der entschuldigt
A
Abgeordnete(r)
entschuldigt bis
einschließlich
Ahrendt, Christian FDP 27.11.2008
Bätzing, Sabine SPD 27.11.2008
Bareiß, Thomas CDU/CSU 27.11.2008
Beck (Bremen),
Marieluise
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
27.11.2008
Dr. Bergner, Christoph CDU/CSU 27.11.2008
Dr. Bisky, Lothar DIE LINKE 27.11.2008
Blank, Renate CDU/CSU 27.11.2008
Bluhm, Heidrun DIE LINKE 27.11.2008
Bollen, Clemens SPD 27.11.2008
Bonde, Alexander BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
27.11.2008
Brunkhorst, Angelika FDP 27.11.2008
Fischer (Hamburg), Dirk CDU/CSU 27.11.2008
Friedhoff, Paul K. FDP 27.11.2008
Dr. Geisen, Edmund
Peter
FDP 27.11.2008
Göppel, Josef CDU/CSU 27.11.2008
Gradistanac, Renate SPD 27.11.2008
Hänsel, Heike DIE LINKE 27.11.2008
Dr. Happach-Kasan,
Christel
FDP 27.11.2008
Hill, Hans-Kurt DIE LINKE 27.11.2008
Höfken, Ulrike BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
27.11.2008
Hörster, Joachim CDU/CSU 27.11.2008
Jaffke-Witt, Susanne CDU/CSU 27.11.2008
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Anlagen zum Stenografischen Bericht
en Abgeordneten
nlage 2
Erklärungen nach § 31 GO
zu den namentlichen Abstimmungen:
– Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Erb-
schaftsteuer- und Bewertungsrechts (Erb-
schaftsteuerreformgesetz – ErbStRG)
– Entschließungsantrag zu dem Entwurf eines
Gesetzes zur Reform des Erbschaftsteuer-
und Bewertungsrechts (Erbschaftsteuerre-
formgesetz – ErbStRG) (Drucksache 16/11112)
ehn, Waltraud SPD 27.11.2008
opez, Helga SPD 27.11.2008
oll, Michaela CDU/CSU 27.11.2008
r. Paech, Norman DIE LINKE 27.11.2008
eiche (Potsdam),
Katherina
CDU/CSU 27.11.2008
upprecht
(Tuchenbach),
Marlene
SPD 27.11.2008
chäfer (Bochum), Axel SPD 27.11.2008
r. Schäuble, Wolfgang CDU/CSU 27.11.2008
charfenberg, Elisabeth BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
27.11.2008
chily, Otto SPD 27.11.2008
r. Schui, Herbert DIE LINKE 27.11.2008
taffelt, Grietje BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
27.11.2008
r. h. c. Thierse,
Wolfgang
SPD 27.11.2008
immermann, Sabine DIE LINKE 27.11.2008
bgeordnete(r)
entschuldigt bis
einschließlich
20584 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 190. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. November 2008
(A) )
(B) )
schaftsteuergesetz mit dem Grundgesetz unvereinbar ist,
da es den Anforderungen des Gleichheitssatzes nicht ge-
nügt. Die Prüfung des Bundesverfassungsgerichts hat
sich dabei auf die verfassungsrechtliche Beurteilung der
Frage des vorlegenden Bundesfinanzhofs beschränkt, ob
die Bewertungsunterschiede zwischen den einzelnen
Vermögensarten verfassungsgemäß sind.
Ein den verfassungsrechtlichen Geboten entsprechen-
des Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht müsste die
vererbten Gegenstände wirklichkeits- und realitätsge-
recht bemessen und dürfte Verschonungen nur dann ge-
währen, wenn sie Lenkungszwecken dienen und „zielge-
nau und normenklar“ ausgestaltet sind.
Die aus diesem Urteil ebenfalls abzuleitende Mög-
lichkeit, die Erbschaftsteuer gänzlich auslaufen zu las-
sen, lässt sich unter den gegebenen politischen Mehrhei-
ten im Deutschen Bundestag leider nicht verwirklichen.
Die Zielsetzung, ein bürgernahes Gesetz zu verabschie-
den, das dem Grundsatz des Schutzes von Eigentum und
dem Respekt vor Leistung gerecht wird, konnte in vielen
Teilen erreicht werden – leider nicht in allen. Eine SPD,
die mehrfach betont hat, dass Erben als leistungsloser
Erwerb“ betrachtet wird, und daraus eine hohe Besteue-
rung von Vermögen einfordert, hat dadurch in hohem
Maße auftretende Ungerechtigkeiten in diesem Gesetz
zu verantworten.
Ich sehe es als politisches Ziel, diese Ungerechtigkei-
ten, die im Besonderen auch die Kernfamilie mit Ge-
schwistern und Neffen und Nichten betreffen, in einem
weiteren Gesetzesverfahren unter anderen politischen
Mehrheitsverhältnissen im Deutschen Bundestag zu kor-
rigieren. Die Regionalisierung der Erbschaftsteuer, da-
mit die Länder autonom und eigenständig über die Erb-
schaftsteuer entscheiden können, muss von einer neuen
bürgerlichen Regierung im nächsten Deutschen Bundes-
tag erreicht werden.
Nur unter der Erklärung starker inhaltlicher Bedenken
und dem Wissen, dass ein Scheitern des Gesetzes eine
deutliche Verschlechterung für die betroffenen Men-
schen und Unternehmen aufgrund der politischen Mehr-
heitsverhältnisse zur Folge hätte, stimme ich diesem Ge-
setzentwurf zu.
Veronika Bellmann (CDU/CSU): Unter den gegebe-
nen Umständen der Großen Koalition war eine mittel-
standsfreundlichere unbürokratischere Regelung der Erb-
schaftsteuer offenbar nicht möglich. Ich verkenne nicht
die enormen Verbesserungen gegenüber dem Gesetzent-
wurf der Regierung, die hauptsächlich durch die Verhand-
lungen der Unionsfraktion zustande gekommen sind.
Dennoch werde ich mich bei der Abstimmung der Stimme
enthalten.
Zunächst ist festzuhalten, dass wir in Deutschland,
wie in einigen anderen europäischen Nachbarländern
auch, ohne eine Erbschaftsteuer leben könnten. Des Wei-
teren wäre eine von den Bundesländern gestaltete Steuer-
erhebung, wenn sie denn schon sein muss, auch eine Lö-
sung gewesen. Diese hätte, insbesondere für den Osten,
Standortvorteile und Steuerwettbewerb bedeutet. Der
vorliegenden Gesetzesvorlage kann ich deshalb nicht zu-
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timmen, weil ich grundsätzlich verfassungsrechtliche
edenken habe. Diese liegen in der sogenannten Ver-
chonungsregel, die die Steuerentlastung für Immobili-
nvererbung an ein bestimmtes Wohnverhalten und für
nternehmensvererbung an bestimmte Haltefristen und
estimmte Lohnsummen knüpft.
Diese Kopplung stellt meines Erachtens eine Verlet-
ung der grundgesetzlich geschützten Berufsfreiheit, der
igentümerfreiheit und der Unternehmerfreiheit dar.
Eine weitere Kritik betrifft die Bürokratiekosten, die
urch die Neuregelung der Erbschaftsteuer entstehen.
er Normenkontrollrat bezweifelte in seiner Stellung-
ahme zum ursprünglichen Gesetzentwurf die Angaben
er Regierung zu den Bürokratiekosten von 4,8 Millio-
en Euro. Er bezifferte sie auf eine Summe von
2 Millionen Euro. Nach den umfangreichen Verände-
ungen des Regierungsentwurfs mit gefundenen Kom-
romissen und den integrierten Verordnungen dürften
ich die Bürokratiekosten nahezu verdoppeln. Vermut-
ich ist das auch der Grund, warum der Finanzausschuss
ine erneute Prüfung durch den Normenkontrollrat nicht
ehr beantragt hat.
Im Übrigen sind die im Brief des Finanzministers
teinbrück an die SPD-Fraktion bezifferten Einnahmen
on 800 Millionen Euro über der eigentlichen Zielmarke
on 4 Milliarden Euro ein weiteres deutliches Indiz für
usätzliche Belastungen und Verschlechterungen gegen-
ber bisherigen Regelungen.
Renate Blank (CDU/CSU): Ich stimme dem Gesetz
nter anderem deshalb nicht zu, da künftig Bruder/
chwester und Nichte/Neffe nicht mehr zur Kernfamilie
ehören und damit gegenüber eingetragenen gleichge-
chlechtlichen Lebenspartnerschaften im Erbfall benach-
eiligt sein werden.
Zudem sehe ich bei diesem „Bürokratiemonster“
ohe Bürokratiekosten, erhebliches Streitpotenzial und
bgrenzungsprobleme.
Gitta Connemann (CDU/CSU): Durch ein Urteil
es Bundesverfassungsgerichts ist dem Gesetzgeber auf-
egeben worden, bis Ende 2008 das bestehende Erb-
chaftsteuerrecht auf der Grundlage eines höheren Ver-
ehrswertansatzes zu reformieren. Für mich war bei
ieser Reform die Erleichterung des Generationenüber-
angs für unsere mittelständischen Familienunterneh-
en, Handwerksbetriebe, freiberuflichen Praxen, Selbst-
tändigen von überragender Bedeutung. Denn nur so
ann ihre Existenz gesichert werden – und damit auch
ie Arbeits- und Ausbildungsplätze von Millionen Be-
chäftigten.
Es war und ist wichtig, auch im bestehenden System
u mittelstandstauglichen Lösungen zu kommen. In
ühseligen und langwierigen Verhandlungen konnten
DU und CSU trotz ideologiegetriebenen Widerstandes
er SPD in den vergangenen Wochen und Monaten er-
ebliche Verbesserungen am Kabinettsentwurf durchset-
en. Firmenerben werden künftig im Regelfall zu
5 Prozent von der Erbschaftsteuer verschont, wenn das
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 190. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. November 2008 20585
(A) )
(B) )
Unternehmen unter weitgehendem Erhalt der Arbeits-
plätze mindestens sieben Jahre lang fortgeführt wird und
das Verwaltungsvermögen nicht mehr als 50 Prozent
ausmacht.
Wichtige Korrekturen an den ursprünglichen Plänen
sind erreicht worden. So wurde die Regelhaltefrist von
vormals 15 Jahren mehr als halbiert. Das ermöglicht zu-
sammen mit einer verbesserten Reinvestitionsklausel die
notwendige unternehmerische Anpassung an den be-
schleunigten Strukturwandel im modernen Wirtschafts-
leben und mildert das Problem von Kettenbindungen in
großen Familiengesellschaften deutlich ab. Der Gleich-
lauf der Fristen für Lohnsumme und Vermögenserhalt
vermeidet unnötige zusätzliche Bürokratie. Anstelle ei-
nes „Fallbeils“ kommt es beim Verstoß gegen Verscho-
nungsauflagen jetzt nur zu einer anteiligen Nachver-
steuerung.
Bei der Lohnsummenbindung wird auf eine Dynami-
sierung verzichtet. Zusammen mit der Ex-post-Betrach-
tung schafft dies mehr Flexibilität für Unternehmen im
Betriebsübergang, um auch auf konjunkturelle Schwan-
kungen reagieren zu können.
Die Anwendbarkeit branchenüblicher Bewertungs-
verfahren zum Beispiel auch für freie Berufe und die
Aufnahme wesentlicher Bewertungsgrundsätze ins Ge-
setz selbst, die Unschädlichkeit von Umwandlungen so-
wie eine vereinfachte Kleinstbetriebsüberwachung, die
teilweise Vermeidung von Doppelbelastung durch Erb-
schaft- und Ertragsteuern bei der Aufdeckung von stillen
Reserven, der Ausschluss einer unverschuldeten Nach-
verhaftung des Schenkers sowie zusätzliche Klarstellun-
gen beim Verwaltungsvermögen stellen weitere Verbes-
serungen dar. So ist unter anderem nach Aussage der
zuständigen Finanzpolitiker sichergestellt, dass die Ver-
pachtung landwirtschaftlichen Vermögens kein Verwal-
tungsvermögen darstellt.
Mit diesem insgesamt noch tragfähigen Kompromiss
kann trotz höherem Verkehrswertansatz aufgrund des
Karlsruher Urteils auch dank größerer Freibeträge eine
Zusatzbelastung des Mittelstands in den allermeisten
Fällen vermieden werden. Gerade Kleinunternehmen
und Handwerksbetriebe können so in der Regel steuer-
frei an die nächste Generation übergeben werden. Dies
ist mir von den zuständigen Kammern im Bereich von
Industrie und Handel, Handwerk und Landwirtschaft be-
stätigt worden. Deshalb werde ich diesem Gesetz zu-
stimmen.
So konnte Schlimmeres verhindert werden. Es blei-
ben allerdings viele Probleme ungelöst. Der nunmehr
gefundene Kompromiss erscheint mir in vielen Berei-
chen verfassungsrechtlich bedenklich. Aber ich vertraue
auf die Aussage sowohl des Bundesministeriums der
Justiz als auch des Bundesministeriums des Inneren,
dass meine Bedenken verfassungsrechtlich nicht begrün-
det seien.
Die Regelungen sind zum Teil sehr kompliziert und
damit für Steuerpflichtige, Berater und Verwaltung
schwer verständlich und administrierbar. Es ist davon
auszugehen, dass die anhaltende Diskussion unter Fach-
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euten in den kommenden Monaten einige jetzt noch
icht aufgedeckte weitere problematische Aspekte auf-
erfen wird. Die so wichtige Rechts- und Planungs-
icherheit sowie Praxistauglichkeit für die betroffenen
nternehmen im Mittelstand kann deshalb bedauerli-
herweise nicht im erforderlichen Umfang erreicht wer-
en.
Die Verkürzung der Regelverschonungsfrist auf sie-
en Jahre mildert das Problem von Kettenbindungen in
berschaubaren Familiengesellschaften zwar deutlich ab.
ine erbschaftsteuerliche Dauerblockade durch fortge-
etzte Lohnsummen- und Betriebsvermögensverhaftung
it jeweils unterschiedlichen Ausgangslohnsummen
ann bei großen, traditionsreichen Familienunternehmen
ber weiterhin nicht vollends ausgeschlossen werden.
ine praxistaugliche Berücksichtigung wertmindernder
erfügungsbeschränkungen erweist sich leider kaum als
öglich. Die neu geschaffene zehnjährige „Nulloption“
äuft wegen der deutlich schärferen und realitätsfremden
edingungen bei Lohnsumme und Verwaltungsvermö-
en für die allermeisten Unternehmen de facto ins Leere,
umal für diese zu Beginn unwiderruflich optiert werden
uss.
Trotz partieller Verbesserungen bei Wohnungsunter-
ehmen, Hotel- und Gaststättengewerbe, Betriebsver-
achtungen im Ganzen, Grundstücksverpachtungen in-
erhalb eines Konzerns sowie Betriebsaufspaltungen ist
u befürchten, dass viele „produktive“ Unternehmen
ufgrund branchenüblicher Fallkonstellationen durch die
etzige Definition des Verwaltungsvermögens von der
erschonung ausgeschlossen werden. So fallen etwa Ge-
ellschafter-Geschäftsführer mit 25-prozentiger Beteili-
ung ohne Poolbildungsmöglichkeit unter das Verwal-
ungsvermögen, Kommanditisten mit einprozentiger
eteiligung hingegen nicht. Sinnvolle Zwischennutzun-
en oder Wertpapierbesitz zur Finanzierung von Pen-
ionsansprüchen der Mitarbeiter werden steuerlich be-
astet. Es wäre deshalb zielführend gewesen, wenn
ewerblich genutztes Verwaltungsvermögen grundsätz-
ich und branchenunabhängig vollständig in die Verscho-
ung einbezogen worden wäre. Missbrauch hätte durch
ine längere Vorbesitzzeit von beispielsweise fünf Jah-
en begegnet werden können. In jedem Fall müsste aber
ur Bestimmung der Verwaltungsvermögensgrenze ein
nderer Berechnungsmaßstab zugrunde gelegt werden.
ie jetzt vorgesehene Brutto-Netto-Berechnungsme-
hode diskriminiert vor allem ertragsschwache Unter-
ehmen und bewirkt beispielsweise, dass zur Sicherung
on Krediten eingelegte Grundstücke als schädliches
ermögen gelten. Weitere deutliche Verbesserungen bei
er Verwaltungsvermögensregelung hätte auch die Null-
ption für einen größeren Kreis von Unternehmen über-
aupt erst ermöglichen können.
Eine Doppelbelastung mit Erbschaft- und Ertrag-
teuem soll nur bei Übertragungen von Todes wegen
ermieden werden können. Die vorgesehene Regelung
uss aber in jedem Fall auch auf Schenkungsfälle erwei-
ert werden.
Die vorgesehene enge Befristung eines Sechsmonats-
eitraums bei der Reinvestitionsklausel bedarf einer
20586 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 190. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. November 2008
(A) )
(B) )
deutlichen Verlängerung. Auch ist nicht einsehbar, dass
Reinvestitionen nur in derselben und nicht in jeder der
begünstigten Vermögensarten erfolgen können.
Zwar führen der Wegfall des „Fallbeils“ und der
Lohnsummenindexierung sowie die Ex-Post-Betrach-
tung der Lohnsumme mit anteiliger Nachversteuerung
nur im Umfang des Unterschreitens zu mehr Flexibilität.
Allerdings enthalten die Lohnsummengrenzen auch bei
der siebenjährigen Regelverschonung kaum einen Puffer
für Anpassungen an technische Neuerungen (zum Bei-
spiel Automatisierung) bzw. insbesondere für Krisenent-
wicklungen (zum Beispiel Reduzierung der Lohnsumme
durch Kurzarbeit, mehrjährige Rezessionsphasen, hö-
here Gewalt). Umso wichtiger wäre die Aufnahme einer
expliziten gesetzlichen Härtefallregelung gewesen, Un-
verschuldete Verstöße gegen die Verschonungsauflagen
dürfen nicht sanktioniert werden
Ich bedauere, dass die Fraktion der SPD nicht bereit
war, sich während der parlamentarischen Endberatungen
in den vorgenannten Punkten einer noch besseren Recht-
setzung zu öffnen. Zudem ist eine abermalige Befassung
des Normenkontrollrates, um dessen Expertise zur Ver-
meidung unnötig bürokratischer Regelungen noch vor
der Gesetzesverabschiedung zu nutzen, unterblieben.
Umso wichtiger bleibt es, mögliche negative Auswir-
kungen im Hinblick auf bürokratische Belastungen,
Rechtssicherheit, den Eigentumsschutz und die Erleich-
terung der Unternehmensnachfolge gerade im familien-
geführten Mittelstand nach Inkrafttreten dieses Gesetzes
genau zu beobachten und erforderlichenfalls schnellst-
möglich zu korrigieren.
Unter Zurückstellung großer persönlicher Bedenken
stimme ich deshalb heute diesem Gesetzentwurf zu.
Alexander Dobrindt (CDU/CSU): Das Bundesver-
fassungsgericht hat mit Beschluss vom 7. November
2006 (1 BvL 10/02) entschieden, dass das derzeit (noch)
gültige Erbschaftsteuergesetz mit dem Grundgesetz un-
vereinbar ist, da es den Anforderungen des Gleichheits-
satzes nicht genügt. Die Prüfung des Bundesverfassungs-
gerichts hat sich dabei auf die verfassungsrechtliche
Beurteilung der Frage des vorlegenden Bundesfinanz-
hofs beschränkt, ob die Bewertungsunterschiede zwi-
schen den einzelnen Vermögensarten verfassungsgemäß
sind.
Ein den verfassungsrechtlichen Geboten entsprechen-
des Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht müsste die
vererbten Gegenstände wirklichkeits- und realitätsge-
recht bemessen und dürfte Verschonungen nur dann ge-
währen, wenn sie Lenkungszwecken dienen und „zielge-
nau und normenklar“ ausgestaltet sind.
Die aus diesem Urteil ebenfalls abzuleitende Mög-
lichkeit, die Erbschaftsteuer gänzlich auslaufen zu las-
sen, lässt sich unter den gegebenen politischen Mehrhei-
ten im Deutschen Bundestag leider nicht verwirklichen.
Die Zielsetzung, ein bürgernahes Gesetz zu verabschie-
den, das dem Grundsatz des Schutzes von Eigentum und
dem Respekt vor Leistung gerecht wird, konnte in vielen
Teilen erreicht werden – leider nicht in allen. Eine SPD,
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ie mehrfach betont hat, dass Erben als „leistungsloser
rwerb“ betrachtet wird und daraus eine hohe Besteue-
ung von Vermögen einfordert, hat dadurch in hohem
aße auftretende Ungerechtigkeiten in diesem Gesetz
u verantworten.
Ich sehe es als politisches Ziel, diese Ungerechtigkei-
en, die im Besonderen auch die Kernfamilie mit Ge-
chwistern und Neffen und Nichten betreffen, in einem
eiteren Gesetzesverfahren unter anderen politischen
ehrheitsverhältnissen im Deutschen Bundestag zu kor-
igieren. Die Regionalisierung der Erbschaftsteuer, da-
it die Länder autonom und eigenständig über die Erb-
chaftsteuer entscheiden können, muss von einer neuen
ürgerlichen Regierung im nächsten Deutschen Bundes-
ag erreicht werden.
Nur unter der Erklärung starker inhaltlicher Bedenken
nd dem Wissen, dass ein Scheitern des Gesetzes eine
eutliche Verschlechterung für die betroffenen Men-
chen und Unternehmen aufgrund der politischen Mehr-
eitsverhältnisse zur Folge hätte, stimme ich diesem Ge-
etzentwurf zu.
Maria Eichhorn (CDU/CSU): Bei dem vorliegenden
esetzentwurf sind durch die Änderungsanträge der
raktionen CDU/CSU und SPD wesentliche Verbesse-
ungen gegenüber dem Gesetzentwurf der Bundesregie-
ung erreicht worden. Dennoch kann ich insbesondere
us folgenden Gründen dem Gesetzentwurf nicht zu-
timmen:
1. Regelung zur Vererbung von Eigenheimen
Die dazu festgelegten Verschonungsvoraussetzungen
ind realitätsfremd. Wenn Geschwister zusammenwoh-
en, müssen diese befürchten, dass sie im Todesfall ihre
ahrzehntelange Wohnheimat verlieren. Zwar ist eine Stun-
ung der Steuer bis zu zehn Jahren nach § 28 Abs. 3
rbStG möglich, wenn kein ausreichendes Vermögen
orhanden ist und das Haus deshalb verkauft werden
üsste, um die Steuer zu bezahlen. Diese Stundungsre-
elung lässt allerdings viele Fragen offen. Die Erfahrung
it der bereits bisher in § 28 ErbStG enthaltenen Stun-
ungsregelung zeigt, dass Nachweise dieser Art, welche
ie Finanzämter auch akzeptieren, kaum zu erbringen
ind, sofern der Steuerschuldner nicht kurz vor der Insol-
enz steht. Die Finanzverwaltung verlangt, dass erst ein
redit auf das Haus aufgenommen werden muss. Nur
enn dies wegen hoher Vorbelastung nicht möglich ist,
ird Stundung gewährt. Auch stellt sich die Frage, wo-
er der Erbe bei Kreditaufnahme die Mittel nimmt, um
ie monatlichen Zins- und Tilgungsleistungen erbringen
u können.
Auch in Steuerklasse l sind die Verschonungsvoraus-
etzungen realitätsfremd. Die Witwe, die ihren Mann
erliert und nur noch 60 Prozent Witwenrente erhält,
arf nicht untervermieten, da sonst Erbschaftsteuer fällig
ird. Ebenfalls muss der Ehepartner, der beruflich ver-
etzt wird, bis zum Ablauf der zehn Jahre mindestens am
ochenende bei seiner Familie sein, da sonst ebenfalls
ie Erbschaftsteuer fällig wird.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 190. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. November 2008 20587
(A) )
(B) )
Ganz besonders problematisch ist die vorgesehene
„Fallbeillösung“, das heißt, ein Kind, das nach neun Jah-
ren – freiwillig oder unfreiwillig – auszieht, muss nicht
ein Zehntel der Erbschaftsteuer nachzahlen, sondern
100 Prozent.
2. Steuerklassen, Steuersätze, Freibeträge
Das Konstrukt der „Kernfamilie“, womit Geschwister,
Neffen und Nichten aus der „Familie“ ausgegrenzt wer-
den und gleichgeschlechtliche Lebenspartner an deren
Stelle in die „Familie“ integriert werden, ist nicht nur we-
der mit dem Grundgesetz noch mit der bayerischen Ver-
fassung vereinbar, sondern auch nicht vermittelbar. Es
nicht vertretbar, dass die Betroffenen der Steuerklasse II,
zum Beispiel Geschwister, Nichten und Neffen, steuer-
rechtlich genauso behandelt werden sollen wie Nichtver-
wandte (Steuerklasse III). Damit widerspricht der Gesetz-
entwurf dem Schutz der Familie.
3. Regelungen zur Vererbung von Betrieben
Die vorgesehenen Regelungen sind unpraktikabel.
Unwiderruflich müssen sich Unternehmenserben ab 2009
entscheiden, ob sie die siebenjährige Regelverschonung
mit einem Steuerabschlag von 85 Prozent oder die zehn-
jährige Verschonungsoption mit einem 100-prozentigen
Abschlag wählen. Dabei ist für sie nicht nur entschei-
dend, wie hoch ihr sogenanntes Verwaltungsvermögen
ist, sondern auch, wie sich ihre Lohnsumme in dieser Zeit
entwickeln wird. Die Lohnsummenentwicklung ist wie-
derum zwangsläufig abhängig von der Umsatzentwick-
lung! Wer kann diese voraussagen?
Von der richtigen Entscheidung kann die Existenz des
Unternehmens mit all seinen Ausbildungs- und Arbeits-
plätzen abhängen.
Aus den genannten Gründen kann ich diesem Gesetz-
entwurf nicht zustimmen.
Dr. Stephan Eisel (CDU/CSU): Dem genannten Ge-
setzentwurf kann ich aus folgenden grundsätzlichen Er-
wägungen nicht zustimmen:
Generell halte ich es, erstens, für ein falsches gesell-
schaftspolitisches Signal, bereits versteuertes Vermögen
dann erneut zu besteuern, wenn es nicht konsumiert,
sondern an die nächste Generation weitergegeben wird.
Die im Grundgesetz vorgegebene Sozialverpflichtung
des Eigentums könnte besser durch einen steuerlichen
Tarifaufschlag für hohe Einkommen umgesetzt werden.
Zweitens ist der vorgelegte Gesetzentwurf das genaue
Gegenteil unseres angestrebten Weges zur Steuerverein-
fachung, die ich für dringend geboten halte. Im Bemü-
hen, jeden Einzelfall zu lösen, ist ein überaus kompli-
ziertes Gesetzeswerk entstanden, das kein Bürger ohne
die Hilfe ausgewiesener Experten verstehen kann. Es ist
sowohl eine grundlegende Frage des Umgangs des Staa-
tes mit den Bürgern, als auch der sozialen Gerechtigkeit,
gerade in der Steuergesetzgebung der Verständlichkeit
und Transparenz höchste Priorität einzuräumen.
Drittens habe ich erhebliche Zweifel daran, ob der vor-
liegende Gesetzentwurf gerade im Mittelstand und Hand-
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erk die Sicherheit der Arbeitsplätze gewährleistet, die
it dem Betriebsvermögen an die nächste Generation
eitergegeben werden. In seiner Entscheidung vom
2. Juli 1995 betont das Bundesverfassungsgericht, dass
as Unternehmensvermögen „in besonderer Weise ge-
einwohlgebunden und gemeinwohlverpflichtet“ ist:
Die Verfügbarkeit über den Betrieb und einzelne be-
riebliche Wirtschaftsgüter ist beschränkter als bei
etrieblich ungebundenem Vermögen.“ Diese „vermin-
erte finanzielle Leistungsfähigkeit“ sei erbschaftsteuer-
echtlich zu berücksichtigen.
Dem vorliegenden Gesetzentwurf liegt aber nicht
ehr diese Sozialpflichtigkeit des Vermögensbestandes
ugrunde, sondern die andersartige Frage, wie der Erbe
ein Vermögen bewirtschaftet. Dabei kann es dazu kom-
en, dass die Steuer auch dann anfällt, wenn der Betrieb
ür den Erhalt von Arbeitsplätzen durch Modernisierun-
en und Marktanpassungen besonderen Kapitalbedarf
at. Die vorgesehenen Bindungsfristen engen meines Er-
chtens die im Grundgesetz geschützte Berufs-, Eigentü-
er- und Unternehmerfreiheit unzulässig ein. Insbeson-
ere mit Blick auf Familienunternehmen geht es hier um
inen Grundpfeiler unserer sozialen Marktwirtschaft.
Viertens kann ich dem Gesetz auch deswegen nicht
ustimmen, weil darin Geschwister wie Nichtverwandte
ehandelt werden. Trotz der dafür vorgebrachten rechts-
ystematischen Gründe steht dies im diametralen Wider-
pruch zu dem Familienbild, von dem die Stabilität un-
erer Gesellschaft entscheidend abhängt.
Fünftens schreibt Bundesfinanzminister Steinbrück
m 24. November 2008 an die SPD-Bundestagsfraktion,
ass durch das neue Erbschaftsteuergesetz „nicht nur das
on uns als Ziel vorgegebene Aufkommen von 4 Milliar-
en Euro erreicht werden, sondern das Aufkommen an
er Erbschaftsteuer weiter wachsen (Steuerschätzung für
009: 4,78 Milliarden Euro)“ wird. Ich halte es aus
rundsätzlichen Erwägungen für falsch, eine vom Bun-
esverfassungsgericht aus anderen Gründen veranlasste
esetzesänderung zur Erhöhung von staatlichen Einnah-
en zu nutzen.
Zusammengenommen begründen diese Überzeugun-
en mein von der Mehrheit der Fraktion abweichendes
bstimmungsverhalten.
Hans-Joachim Fuchtel (CDU/CSU): Dem Gesetz
timme ich nicht zu. Mehrmals hat sich das Bundesver-
assungsgericht schon mit der Materie befassen müssen.
ach gründlicher juristischer Prüfung komme ich zu
em Ergebnis, dass mehrere Regelungen nicht verfas-
ungsgemäß sind. Insbesondere stimme ich der Bewer-
ung von Prof. Dr. Paul Kirchhof zu.
Privatpersonen und Unternehmen müssen sich auf die
eständigkeit von Regelungen verlassen können, denn
s geht um ihr Hab und Gut. Ständige Veränderungen
chwächen das Vertrauen in den Rechtsstaat und führen
u Verunsicherungen, was in diesem Staat beendet wer-
en muss.
Die jetzt gefundene Regelung versucht in anerken-
enswerter Weise Einzelfallgerechtigkeit zu entwickeln.
20588 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 190. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. November 2008
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Die Folge ist eine große Bürokratielawine mit erhebli-
chen Umsetzungsschwierigkeiten. Wir wollen aber Bü-
rokratie reduzieren, das ist hier verständlicherweise
nicht gelungen.
Ich bin sehr wohl dafür, dass hohe Vermögen und
Einkommen, gleich welcher Art, in Größenordnungen
von über 500 000 Euro pro Jahr stärker in die Steuer-
pflicht genommen werden. Daher wäre eine Regelung
über einen Steueraufschlag auf bestimmte Einnahmen
weitaus vernünftiger und einfacher zu gestalten.
Ein weiterer Punkt ist, dass der Bundesfinanzminister
den Auftrag hatte, eine Steuereinnahme von 4 Milliarden
Euro durch die Ausgestaltung der Reform sicherzustel-
len. In einem Brief an die Mitglieder der SPD-Fraktion
wird aber von 4,8 Milliarden Euro Einnahmeerwartung
gesprochen. Damit verletzt der Bundesminister auch die
getroffenen Vereinbarungen, und das wird mit meiner
Stimme schon gar nicht unterstützt!
Dr. Peter Gauweiler (CDU/CSU): Das Bundesver-
fassungsgericht hat mit Beschluss vom 7. November 2006
(1 BvL 10/02) entschieden, dass das derzeit – noch –
gültige Erbschaftsteuergesetz mit dem Grundgesetz
unvereinbar ist, da es den Anforderungen des Gleich-
heitssatzes nicht genügt. Die Prüfung des Bundesver-
fassungsgerichts hat sich dabei auf die verfassungsrecht-
liche Beurteilung der Frage des vorlegenden
Bundesfinanzhofs beschränkt, ob die Bewertungsunter-
schiede zwischen den einzelnen Vermögensarten verfas-
sungsgemäß sind.
Ein den verfassungsrechtlichen Geboten entsprechen-
des Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht müsste die
vererbten Gegenstände wirklichkeits- und realitätsge-
recht bemessen und dürfte Verschonungen nur dann ge-
währen, wenn sie Lenkungszwecken dienen und „zielge-
nau und normenklar“ ausgestaltet sind. Dass diese
Ausgestaltungen ihrerseits nicht wieder anderen verfas-
sungsrechtlichen Vorgaben widersprechen dürfen, ver-
steht sich von selbst.
Der vorliegende Gesetzentwurf verstößt nicht nur
nach Auffassung renommiertester Verfassungsrechtler,
sondern auch des Vizepräsidenten des Bundesfinanzhofs
in vielfältiger Weise gegen das Grundgesetz und mögli-
cherweise auch gegen EU-Recht. Eine dringend gebo-
tene umfassende und gründliche Prüfung dieser Rechts-
fragen durch den Gesetzgeber ist bislang nicht erfolgt.
Ich kann aus folgenden Gründen weder dem Gesetz-
entwurf noch den Begleitgesetzen hierzu zustimmen:
I. Grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedenken
1) Professor Dr. Paul Kirchhof und Professor
Dr. Dietrich Murswiek halten den Gesetzentwurf zur Re-
form des Erbschaftsteuerrechts für nicht mit dem Grund-
gesetz vereinbar.
Die Professoren Kirchhof (Universität Heidelberg)
und Murswiek (Universität Freiburg) haben ein gemein-
sames Thesenpapier zu Familienunternehmen und Erb-
schaftsteuer erstellt.
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Ihr Fazit lautet:
Der Gesetzentwurf zur Reform des Erbschaftsteuer-
rechts ist mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Er
schwächt das Verantwortungseigentum und das Fa-
miliengut, wirkt strukturell familiärer Bindung und
unternehmerischer Initiative entgegen.
Professor Kirchhof hat mit Schreiben vom 20. No-
ember 2008 zu der letzten vorliegenden Gesetzesfas-
ung nochmals aus verfassungsrechtlicher Sicht Stellung
enommen. Er bescheinigt dem neuen Entwurf generell,
ass dieser an einer „verfassungsrechtlichen Bruch-
telle“ leidet, was „deshalb besonders erheblich (ist),
eil sie einem ausdrücklichen Postulat des Bundes-
erfassungsgerichts in der neueren Erbschaftsteuerent-
cheidung widerspricht“. In Einzelregelungen sieht er
eiterhin Verstöße gegen Art. 2 Abs. 1 GG (Unterneh-
erfreiheit), Art. 12 GG (Berufsfreiheit) und Art. 14
bs. 1 GG (Eigentümerfreiheit).
2) Professor Dr. Joachim Lang hält zahlreiche Be-
timmungen für verfassungswidrig.
Professor Lang (Universität Köln) hat ein Gutachten
it dem Titel „Gutachten zum verfassungsrechtlichen
cheitern der Erbschaft- und Schenkungsteuer“ erstellt.
r kommt darin zu dem Ergebnis, dass der Gesetzent-
urf gegen folgende verfassungsrechtliche Normen ver-
tößt:
a) Gleichbehandlung,
b) Erbrechtsgarantie und
c) Übermaßverbot
Mit Schreiben vom 12. November 2008 nimmt er
ochmals zur Einigung von CDU/CSU und SPD Stel-
ung, durch welche „die verfassungsrechtlichen Ein-
ände … nicht beseitigt worden (sind)“. Danach verstößt
er Gesetzentwurf weiterhin gegen den Gleichheits-
rundsatz, schränkt die unternehmerische Handlungsfrei-
eit verfassungswidrig ein, verletzt die verfassungsrecht-
iche Erbrechtsgarantie und kann verfassungswidrige
onfiskatorische Steuerbelastungen bewirken.
3) Professor Dr. Ulrich von Suntum hält die – verfas-
ungsrechtlich gebotene – Gleichmäßigkeit der Besteue-
ung ebenso für verletzt wie das Willkürverbot und den
inderheitenschutz
Professor von Suntum (Universität Münster) hat ein
utachten mit dem Titel „Pro und Contra Erbschaft-
teuer – Argumente und Erfahrungen im internationalen
ergleich“ erstellt. Er kommt darin zu dem Ergebnis,
ass der Gesetzentwurf gegen folgende verfassungs-
echtliche Normen verstößt: Gleichmäßigkeit der Be-
teuerung, Willkürverbot und Minderheitenschutz
4) Professor Dr. Wolfgang Rüfner ist in einem Kurz-
utachten zu der Frage der Bundeskompetenz zur Rege-
ung der Erbschaftsteuer zu dem Ergebnis gelangt, dass
em Bund keine Gesetzgebungskompetenz (mehr) zu-
teht.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 190. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. November 2008 20589
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Bereits mit Kurzgutachten vom 3. Dezember 2007 hat
Professor Rüfner (Universität Trier) darauf hingewiesen,
dass nach Art. 72 Abs. 2 GG n. F. der Bund keine Kom-
petenz zur Neuregelung der Erbschaftsteuer mehr be-
sitzt.
5) Auch Professor Dr. Rainer Wernsmann (Universi-
tät Passau) kommt in seinem Gutachten vom 19. Sep-
tember 2008 zu dem Ergebnis, dass das Erbschaftsteuer-
reformgesetz aus den im Wesentlichen gleichen
Gründen, wie sie die anderen Gutachter auch nennen, in
vielerlei Punkten verfassungswidrig ist.
6) Sachverständigenanhörung des Finanzausschusses
vom 5. März 2008
In der Sachverständigenanhörung sind zahlreiche
weitere verfassungsrechtliche Bedenken gegen zahlrei-
che Regelungen vorgetragen worden. Allen diesen Be-
denken trägt der von der Bundesregierung vorgelegte
Gesetzentwurf in keiner Weise Rechnung.
II. Regelungen zur Vererbung von Betrieben
Die vorgesehenen Regelungen sind unpraktikabel und
extrem streitanfällig. Sie führen zu – mindestens – ver-
doppelten Tarifen und wesentlich erhöhten Bewertungs-
maßstäben. Damit stehen sie zur derzeitigen konjunktu-
rellen Lage in krassem Widerspruch.
In dieser Woche wurde über die neueste OECD-Kon-
junkturprognose für Deutschland berichtet. Die OECD
erwartet darin, wegen der Exportabhängigkeit der deut-
schen Wirtschaft, einen stetigen Anstieg der Arbeitslo-
senquote bis Ende 2010 und ein real schrumpfendes
Bruttoinlandsprodukt. Es ist völlig ungeklärt, wie vor
diesem wirtschaftlichen Hintergrund die vorgeschriebe-
nen Lohnsummen gehalten und realistische Ertragswerte
für – nicht börsennotierte – Unternehmen ermittelt wer-
den sollen.
Die Forderung der CSU auf erbschaftsteuerliche Ver-
schonung von weitergeführten Betrieben bis 100 Prozent
wird durch die Anordnung einer Obergrenze für einen
zehnprozentigen Anteil von „schädlichem Verwaltungs-
vermögen“ als Voraussetzung für eine solche Befreiung
konterkariert und unmöglich gemacht: Nach den Fest-
stellungen des Bundesministers für Finanzen ist eine
derartige Voraussetzung faktisch kaum bzw. überhaupt
nicht erreichbar.
Das beste Konjunkturprogramm für deutsche Fami-
lienunternehmen wäre die Abschaffung der Erbschaft-
steuer, wie – erst vor kurzer Zeit – in Österreich von der
dort regierenden großen Koalition geregelt.
III. Regelungen zur Vererbung von Eigenheimen
Auch diese Verschonungsvoraussetzungen sind in Be-
zug auf Ehegatten und Kinder weltfremd und zum Teil
auch äußerst ungerecht. Wenn Geschwister – die in Zu-
kunft erbschaftsteuerrechtlich wie nichtverwandte
„Dritte“ behandelt werden – zusammenwohnen, müssen
diese sogar befürchten, dass sie im Todesfall ihre jahr-
zehntelange Wohnheimat verlieren, wie reale Beispiels-
fälle in der Presse zeigen. Auch in Steuerklasse I sind die
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erschonungsvoraussetzungen weltfremd. Die Ehefrau,
ie ihren Mann verliert und nur noch 60 Prozent Wit-
enrente erhält, darf nicht untervermieten, der Ehe-
ann, der beruflich versetzt wird, muss bis zum Ablauf
er zehn Jahre „Wochenendgast“ bei seiner Familie sein –
onst droht die Erbschaftsteuer. Die 200-Quadratmeter-
renze benachteiligt vor allem kinderreiche Familien,
ie zwangsläufig einen höheren Flächenbedarf haben,
nd ist familienpolitisch kontraproduktiv. In höchstem
aße unbillig ist die vorgesehene „Fallbeillösung“, das
eißt Söhne und Töchter, die erst neun Jahre nach dem
rbfall – freiwillig oder gezwungen (zum Beispiel we-
en Vermögensverfall) – das ererbte Elternhaus verlas-
en, müssen nicht 1/10 der Erbschaftsteuer nachzahlen,
ondern 100 Prozent. Eine solche Fallbeilregelung stellt
ine übermäßige Besteuerung dar und erhärtet die ver-
assungsrechtlichen Einwände gegen den vorliegenden
esetzentwurf.
IV. Steuerklassen, Steuersätze und Freibeträge
Die Regelung des vorliegenden Gesetzentwurfes und
einer Begründung bezüglich einer erbschaftsteuerrele-
anten „Kernfamilie“, der neben Ehegatten und Kindern
ur noch eingetragene Lebenspartner angehören dürfen,
icht aber Schwestern und Brüder oder gar Neffen und
ichten, ist nicht mehr mit dem verfassungsrechtlich ga-
antierten Verwandtenerbrecht vereinbar.
V. Erhebungskosten
In dem Gesetzentwurf wird unter Abschnitt „F. Büro-
ratiekosten“ ausgeführt, dass die erwarteten Mehrkos-
en für bis zu 90 000 in Deutschland betroffene Unter-
ehmen lediglich 3,5 Millionen Euro betragen werden.
ies entspricht pro Unternehmen 38,89 Euro. Der Na-
ionale Normenkontrollrat hält diese Schätzung für völ-
ig untertrieben (Drucksache 16/7918), und unter
D. 2. Vollzugsaufwand“ wird von einer „geringfügi-
en“ Erhöhung des Vollzugsaufwands gesprochen. Dem-
egenüber geht schon die Deutsche Steuer-Gewerk-
chaft in ihrer Stellungnahme vom 5. März 2008 von
und 500 zusätzlichen Beschäftigten im höheren Dienst
nd Sachverständigen aus. Wissenschaftler gehen in ih-
en Schätzungen der jährlichen Erhebungskosten von bis
u über einer Milliarde Euro aus.
Robert Hochbaum (CDU/CSU): In abschließender
eratung wird heute das Erbschaftsteuerreformgesetz
erabschiedet. Ich werde diesem Gesetz grundsätzlich
ustimmen, halte jedoch den Sachverhalt, dass Ge-
chwister und andere entfernte Verwandte bei Vererbung
elbstgenutzten Wohneigentums schlechter gestellt sind,
ür sehr bedenklich.
Verwandte wie Geschwister, Onkel, Tanten, Neffen
nd Nichten sind die Opfer dieser Erbschaftsteuerre-
orm. Zwar erhalten sie einen erhöhten Freibetrag von
0 000 Euro, müssen aber jetzt beim Erben von Wohn-
igentum einen wesentlich höheren Steuersatz von min-
estens 30 Prozent in Kauf nehmen.
Vor dem Hintergrund, dass gleichgeschlechtlich ein-
etragene Lebensgemeinschaften selbstgenutztes Wohn-
20590 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 190. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. November 2008
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eigentum steuerfrei erhalten, sehe ich die angestrebte
Regelung für Blutsverwandte, wie Geschwister, als Be-
nachteiligung dieser.
Dennoch werde ich dem Gesetz zustimmen. Erstens
macht sich eine Novellierung aufgrund des Bundesver-
fassungsgerichtsurteils notwendig. Zweitens konnten in
den Beratungen Verbesserungen gegenüber dem Kabi-
nettsentwurf erzielt werden. Für Unternehmen, kleine
und mittelständische Unternehmen sowie Handwerksbe-
triebe wurden zumindest teilweise akzeptable Lösungen
erarbeitet. Es ist nun ein tragfähiger Kompromiss ent-
standen, der eine Zusatzbelastung der Wirtschaft in den
meisten Fällen vermeidet.
Volker Kröning (SPD): Ich kann der Beschlussemp-
fehlung zur Änderung der Erbschaftsteuer nur unter Be-
denken zustimmen.
Meine Bedenken gegen die Neuregelung der Erb-
schaftsteuer werden im Wesentlichen von drei Teilas-
pekten geleitet: zum einen dem angeblichen Entgegen-
kommen gegenüber den Ländern, denen die Erträge aus
der Erbschaftsteuer zustehen; zum zweiten von dem Ver-
hältnis von Aufwand und Ertrag im Rahmen des vorlie-
genden Kompromisses und schließlich von der grund-
sätzlichen Frage, wie ein System der Erbschaftsteuer
grundsätzlich gestaltet werden müsste bzw. warum es ei-
ner Erbschaftsteuer überhaupt bedarf.
Zur Frage der föderalen Verteilung des Erbschaftsteu-
eraufkommens merke ich an, dass der Widerstand eini-
ger Länder im eklatanten Widerspruch zu deren Anteilen
an dem Ertrag steht. Das jährliche Aufkommen aus der
Erbschaftsteuer in Höhe von mindestens 4 Milliarden
Euro ist keineswegs gleich verteilt über das Bundesge-
biet, sondern steht zum größten Teil vier Flächenstaaten
– und zu einem kleinem, wenngleich pro Kopf durchaus
bedeutenden Teil den Stadtstaaten Bremen und Hamburg –
zu. Eben jene Länder standen einer Lösung aber derart
vehement im Wege bzw. haben die Regelung derart stark
verkompliziert, dass die These, der Kompromiss sei ein
Entgegenkommen gegenüber den Ländern, kaum haltbar
ist.
Vor dem Hintergrund der Verkomplizierung des Ver-
fahrens und der Sache lässt sich ein weiterer wichtiger
Kritikpunkt ins Feld führen, nämlich das Verhältnis von
Aufwand der Steuererhebung und Ertrag aus der Steuer.
Diese Frage ist mit Blick auf das Gemeinwohl sehr be-
deutend und lässt sich auch so formulieren: Wäre den
Staatsbürgern, die in ihrer Mehrheit durchaus bereit sind,
einen Teil des ererbten Vermögens – nach Ausnutzung
großzügiger Freibeträge – zu versteuern und somit nicht
selbst erarbeitetes Vermögen der Allgemeinheit zugute
kommen zu lassen, angesichts des nun gefundenen
Kompromisses nicht besser geholfen, hätte man ein
transparentes, einfaches und eher pauschalierendes Mo-
dell zur Erbschaftsbesteuerung gefunden? Dieses hätte
das Steueraufkommen auf eine breite, nachvollziehba-
rere Basis gestellt und gleichzeitig gerade dem Mittel-
stand größere Planungssicherheit gegeben. Für mich lau-
tet die Antwort: Die Trennung von Gesetzgebungs- und
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rtragskompetenz hat sich nicht bewährt; eine Zusam-
enführung der Kompetenzen und ein entsprechendes
usführungsrecht wäre nicht schlechter, sondern besser
ür die Steuerbürger.
Auch die grundsatzliche Frage, ob es überhaupt einer
rbschaftsteuer bedarf, ist keineswegs symbolischer Na-
ur. Im Gegenteil: Wenn nach der Lebenszyklustheorie
es Ökonomen Franco Modigliani der einzelne Staats-
ürger bis zu seinem Lebensabend eigentlich sein ge-
amtes erspartes Vermögen konsumieren müsste, gäbe es
eine Erklärung für die Vererbung von Vermögen. Doch
ugleich lehrt uns die hohe Sparquote gerade älterer Bür-
er, dass Theorie und Praxis weit auseinanderklaffen.
ine bestimmte Erbschaftsbesteuerung beizubehalten,
at daher den vorlaufenden Effekt, große Vermögen
innvoll einzusetzen – Stiftungen, Innovationen oder
urchaus Konsum. Wenn und soweit dies nicht passiert,
st der Staat legitimiert, für die Allgemeinheit einen ge-
issen Teil nicht selbstständig erarbeiteter, ererbter Ver-
ögen einzuziehen. Auch wenn Steuern allgemeine De-
kungsmittel sind: Gerade das Maß dieser Einnahme
ollte Richtwert für die Stärkung der Leistungsfähigkeit
er Gemeinschaft sein.
Die Entscheidung ist keine Frage des Gewissens; des-
alb halte ich mich an die Grundlinie des Koalitionsver-
rages.
Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU): Ich sehe
urch die Regelungen zur Erbschaftsteuerreform erheb-
iche Ungerechtigkeiten und Eingriffe in zentrale Werte
nserer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft wie Ei-
entum und Familie.
Insbesondere mahne ich folgende Punkte an:
Die Doppelbesteuerung mit Anfallen von Erbschaft-
nd Schenkungsteuer halte ich für äußerst problema-
isch. § 35 b EStG betreffend Steuerermäßigung bei Be-
astung mit Erbschaftsteuer ist ausschließlich auf
rbfälle beschränkt. Der Schenkungsfall ist nicht be-
ünstigt. Die Regelung entspricht vollinhaltlich dem frü-
eren § 35 EStG. Die alte Regelung im EStG wurde ein-
ach unreflektiert übernommen, ohne sie mit dem
eplanten ErbStRG abzustimmen.
Das Gesetz differenziert nicht zwischen den
teuerklassen II und III. Die Bayerische Verfassung ge-
ietet in Art. 123 Abs. 3 Satz 2 ausdrücklich zur Ausge-
taltung einer Erbschaftsteuer: „Sie ist nach dem Ver-
andtschaftsverhältnis zu staffeln.“ Es ist für mich der
it weitem Abstand problematischste Aspekt, dass Ge-
chwister, Neffen und Nichten beim Erbe steuerlich
icht besser gestellt werden als Nichtverwandte und le-
iglich einen steuerlichen Freibetrag von 20 000 Euro er-
alten und der Eingangssteuersatz in der Steuerklasse II
ereits 30 Prozent beträgt. Das wird dazu führen, dass
ich für viele „entfernte Verwandte“ nach der Steuer-
lasse II, die für mich jedoch durchaus zur Kernfamilie
ählen, eine Erbschaft- oder Schenkungsteuerpflicht er-
ibt, die das Drei- bis Vierfache dessen beträgt, was nach
er bisherigen Rechtslage zu zahlen wäre. Völlig absurd
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 190. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. November 2008 20591
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ist, dass Geschwister, die im selben Haus leben, im Fall
des Versterbens eines Geschwisterteils des Haus veräu-
ßern müssten, wenn die zu zahlende Erbschaftsteuer
nicht aufgebracht werden kann. Außerordentlich beden-
kenswert ist für mich, dass die Schenkung- und Erb-
schaftsteuer hinsichtlich des Verhältnisses von Aufwand
und Ertrag aus Sicht des Fiskus allen Aussagen nach die
ineffizienteste Steuerart ist.
Den Betroffenen werden enorme bürokratische Hür-
den auferlegt, die unnötige Kosten verursachen, da vier
verschiedene Bewertungsverfahren gelten. Dass der An-
satz des „gemeinen Wertes“ nach den Vorgaben des Bun-
desverfassungsgerichts nur bei der Erbschaftsteuer um-
gesetzt wird, ist nicht befriedigend.
Ein weiteres Defizit besteht darin, dass nicht begüns-
tigtes Verwaltungsvermögen nach wie vor bei nicht zu
Wohnzwecken genutzten fremdvermieteten Immobilien-
beständen vorliegt, selbst wenn diese einen wirtschaftli-
chen Geschäftsbetrieb bilden. Diese Ungleichbehand-
lung mit der Vermietung von Wohnungen ist nicht
gerechtfertigt, da auch die Überlassung gewerblich ge-
nutzter Immobilien auf Vermieterseite häufig mit Ar-
beitsplätzen verbunden ist, zum Beispiel Beschäftigung
von Architekten, Hausverwaltern usw. § 14 AO trennt
auch nicht zwischen Vermietung von Wohnungen und
der Vermietung von Gewerbeimmobilien.
Nach wie vor sind Anteile an Kapitalgesellschaften
schädliches Verwaltungsvermögen, wenn die unmittel-
bare Beteiligung an Nennkapital dieser Gesellschaft
25 Prozent oder weniger beträgt. Die von verschiedens-
ten Sachverständigen gegen diese Beteiligungsgrenzen
vorgebrachten Bedenken, beispielsweise die von Herrn
Müller-Gattermann aus dem Bundesministerium der Fi-
nanzen, wurden leider nicht aufgegriffen. Die Aufnahme
eines weiteren Ausnahmefalls in Form von Versiche-
rungsunternehmen zeigt doch, dass Beteiligungen von
25 Prozent und weniger im Interesse von Unternehmen
sein können und nicht ganz allgemein als schädliches
Verwaltungsvermögen typisiert werden können.
Dennoch werde ich nach langem Abwägen der Argu-
mente der Erbschaftsteuerreform zustimmen.
Nach mehr als zwei Jahren intensiver Verhandlungen
müssen wir den Vorgaben aus dem Urteil des Bundes-
verfassungsgerichts vom 7. November 2006 endlich
nachkommen. Ich stehe nach intensiven Überlegungen
zu dem insbesondere auch von unserem bayerischen Mi-
nisterpräsidenten Horst Seehofer ausgehandelten Kom-
promiss, in dem viele Forderungen umgesetzt sind, für
die wir lange gekämpft haben.
Dem unnachgiebigen und hartnäckigen Verhandlun-
gen der CSU-Vertreter ist es zu verdanken, dass selbst-
genutztes Wohneigentum im Erbfall steuerfrei bleibt.
Dies gilt bei Ehegatten unbegrenzt, bei Kindern besteht
eine Wohnflächengrenze von 200 m². Zusätzlich gibt es
Freibeträge für das übrige Vermögen. Bei Betrieben, die
zehn Jahre fortgeführt werden, entfällt die Erbschaft-
steuer, wenn die Lohnsumme 1 000 Prozent erreicht und
die Verwaltungsvermögensgrenze von 10 Prozent nicht
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berschritten wird. Bei einer Behaltensfrist von sieben
ahren und einer reduzierten Lohnsumme von
50 Prozent bleiben 85 Prozent erbschaftsteuerfrei. In
eiden Fällen gibt es keine „Fallbeilregelung“. Proble-
atisch dürfte allerdings sein, dass es selbst nach Be-
unden des Bundesministeriums der Finanzen kaum ein
nternehmen geben wird, dessen Verwaltungsvermö-
ensanteil unter 10 Prozent liegt.
In der Landwirtschaft haben wir deutliche Verbesse-
ungen gegenüber dem Gesetzentwurf der Bundesregie-
ung erreichen können. Kein Verwaltungsvermögen und
amit keine Einbeziehung der Erwerbe verpachteter Flä-
hen in die Verschonung, wenn am Bewertungsstichtag
er Pachtvertrag eine Laufzeit von höchstens 15 Jahren
at. Das gilt unabhängig davon, ob es sich ertragsteuer-
ich um Betriebs- oder Privatvermögen handelt. Die Be-
roffenen haben mit diesem Konzept die Möglichkeit,
ie Verpachtungen im vorgegebenen zeitlichen Rahmen
mmer wieder zu verlängern, ohne dass negative erb-
chaftsteuerliche Konsequenzen drohen. Auch positiv zu
ewerten ist, dass der Nachbewertungszeitraum von bis-
er 20 auf 15 Jahre verkürzt wird und der bisher schon
estehende Abschlag von 15 Prozent im neuen Recht
ortgeführt wird.
Mit der SPD-Bundestagsfraktion hätte es keine weite-
en Zugeständnisse gegeben. Ich halte es für unabding-
ar, so schnell wie möglich die Defizite der Reform
achzubessern und insbesondere auch die Regionalisie-
ung anzustreben.
Deshalb stimme ich – wenn auch mit äußerst großen
edenken – der Erbschaftsteuerreform zu.
Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU): Das Bun-
esverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 7. No-
ember 2006 ein neues Erbschaftsteuerreformgesetz mit
erkehrswerten angemahnt. Aufgrund der unterschiedli-
hen politischen Überzeugungen in der Großen Koali-
ion war die Umsetzung äußerst schwierig.
Der ursprüngliche Regierungsentwurf zur Erbschaft-
teuer hätte für eine zu große Zahl von Betroffenen
Unternehmerfamilien wie Eigenheimbesitzer – ökono-
isch schwerwiegende Folgen gehabt. Die CSU hat sich
ür den Eigentums- und Leistungsschutz in den Koali-
ionsverhandlungen massiv eingesetzt. Für uns ist Erb-
chaftsvermögen kein leistungsloser Erwerb. Der Res-
ekt vor Leistung und Eigentum gebietet es, keine
berforderung vorzunehmen. Die CDU/CSU-Fraktion
m Deutschen Bundestag hat deshalb 49 Änderungsan-
räge eingebracht. Der Koalitionspartner wollte in den
erhandlungen sogar ein Erbschaftsteueraufkommen
on 8 Milliarden Euro durchsetzen. Das haben wir er-
olgreich verhindert. Ebenso haben wir die weitgehende
rbschaftsteuerfreiheit für selbstgenutztes Wohneigen-
um von Ehegatten und Kinder sowie für 75 Prozent der
nternehmen erreicht. Dieses Verhandlungsergebnis ist
ine verbesserte Generationenbrücke. Leider beinhaltet
er Kompromiss nicht alle notwendigen Korrekturen,
ie zu einer Einzelfallgerechtigkeit fuhren würden. Da-
an ist in den Folgejahren weiter zu arbeiten und mit ei-
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ner bürgerlichen Mehrheit ist eine weitere politische
Entscheidung mit der Regionalisierung oder Abschaf-
fung der Erbschaftsteuer durchzusetzen. Dabei wird die
Wettbewerbsverzerrung innerhalb der EU-Länder auch
eine wichtige Überprüfung verlangen.
Folgende Korrekturen sollten auf jeden Fall auf der
politischen Tagesordnung bleiben:
Verschonungsoption: Beide Varianten bleiben deut-
lich unterhalb der bislang vorgesehen Verhaftungsfrist
von 15 Jahren. Die Regelverschonung bleibt mit Fristen
von 7 Jahren auch deutlich unterhalb von 10 Jahren. Auf
die Anhebung des Sofortbesteuerungsanteils sowie die
Absenkung der Verwaltungsvermögensgrenze wurde
verzichtet. Die Regelverschonung ist insoweit akzepta-
bel.
Die Verschonungsoption sieht auf den ersten Blick
verlockend aus. Wegen der deutlich schärferen Bedin-
gungen bei Lohnsumme und Verwaltungsvermögen wird
das Wahlrecht jedoch für die meisten Unternehmen de
facto ins Leere laufen. Lediglich Betriebe mit einer Son-
derreglung beim Verwaltungsvermögen, zum Beispiel
Wohnungswirtschaft, werden diese Variante wählen kön-
nen. Die Verschonungsoption ist daher inakzeptabel.
Trotz der nunmehr gleichlaufenden Frist ergeben sich
Unklarheiten bei der Frage der Nachversteuerung, da die
Pro-rata-temporis-Regelung bei der Vermögensverhaf-
tung die Erbschaftsteuer mit Ablauf eines Jahres anteilig
entfallen lässt (bei der Regelverschonung in Höhe von
14,28 Prozent, bei der Verschonungsoption in Höhe von
10 Prozent), bei der Prüfung der Lohnsummenbindung
aber erst nach Ablauf der gesamten Frist eine Ex-post-
Betrachtung stattfindet.
Lohnsummenbindung: Die Ex-post-Betrachtung bei
der Lohnsumme bringt mehr Flexibilität. Allerdings ent-
halten beide Varianten der Verschonung (7 Jahre/10 Jahre)
kaum einen Puffer für Krisenentwicklungen bzw. Anpas-
sungen an technische Neuerungen, zum Beispiel bei Au-
tomatisierung. Der Verzicht auf die Indexierung ist posi-
tiv, aber eine Härtefallklausel, die den wirtschaftlichen
Gegebenheiten Rechnung getragen hätte, fehlt vollstän-
dig.
Verwaltungsvermögen: Beim Verwaltungsvermögen
erfolgten die Nachbesserungen im Immobilien-und Beher-
bergungsbereich. Diese Nachbesserungen sind nicht aus-
reichend. Es fehlen zum Beispiel eindeutige juristische
Regelungen für Brauereien mit verpachteter Schankwirt-
schaft. Auch andere Fallkonstellationen sind willkürlich
und nicht nachvollziehbar: Brauereien mit verpachteten
Schankwirtschaften, Gesellschafter-Geschäftsführer mit
25-Prozent-Beteiligung (nicht Kommanditist mit l-Pro-
zent-Beteiligung) fallen unter das Verwaltungsvermögen,
es sei denn, im Kreise der Gesellschafter ist eine Bünde-
lung der Anteile auf über 25 Prozent möglich. Unterneh-
men, die Eigenkapital schaffen und es nicht nutzlos liegen
lassen sondern investieren, laufen sehr schnell Gefahr, die
Grenzen der Definition des Verwaltungsvermögens zu
überspringen. Während Bargeld unschädlich ist, wird es
schwierig bei Weitpapieren etc., die gegebenenfalls zur
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inanzierung von Pensionsansprüchen genutzt werden.
innvolle Zwischennutzungen werden steuerlich belastet.
as gilt insbesondere bei der Verschonungsoption.
Reinvestitionsklausel: Die Reinvestitionsklausel ist er-
eitert worden. Investitionen können auch in völlig an-
ere Unternehmenszweige erfolgen, zum Beispiel bisher
andelsunternehmen, neu Produktionsunternehmen. Die
rweiterten Reinvestitionsmöglichkeiten schaffen grö-
ere Flexibilität. Die Wirkung des vorgesehenen 6-Mo-
ats-Zeitraums ist aber noch unklar.
Steuersätze der Steuerklassen II und III: Es gibt keine
ifferenzierung zwischen den Steuerklassen II und III,
as heißt auch Geschwister, Nichten, Neffen etc. werden
je nach Höhe des Erwerbs – mit 30 Prozent ist bzw.
0 Prozent besteuert; ebenso wie fremde Dritte. Eine Dif-
erenzierung zwischen entfernt verwandten und nicht ver-
andten Erben wäre gesellschaftspolitisch erforderlich
ewesen. Problematisch ist jedoch vor dem Hintergrund
er demografischen Entwicklung, dass das Vererben auf
ichten und Neffen, das angesichts der demographischen
ntwicklung zukünftig häufiger vorkommen wird, erb-
chaftsteuerrechtlich wie die Übertragung auf fremde
ritte behandelt wird.
Auch wenn das Betriebsvermögen an entfernte Ver-
andte/fremde Dritte im Rahmen der Verschonung in
teuerklasse I versteuert wird, verschärfen die hohen
teuersätze zudem das Risiko für Verwandte außerhalb
es engsten Familienkreises bzw. für fremde Dritte, da im
alle der Nachversteuerung von Betriebsvermögen – Ver-
toß gegen Lohnsummen-Verhaftungsregeln – die Be-
teuerung auf Basis der Steuersätze der günstigeren Steu-
rklasse I rückwirkend entfällt und die höheren
teuersätze der Klassen II und III greifen. Auch das ist
icht akzeptabel.
Verfassungsrecht: Der Kompromiss hat die verfas-
ungsrechtlichen Bedenken nicht völlig beseitigt. Das gilt
nsbesondere für Ungleichbehandlung von produktiven
nd Verwaltungsvermögen: Hotelgewerbe, Wohnungs-
irtschaft, Landwirtschaft, Gesellschafter-Geschäftfüh-
er mit einer Kapitalgesellschaftsbeteiligung von maxi-
al 25 Prozent, Kommanditist mit KG-Beteiligung von
Prozent, Brauereien mit verpachteten Schankwirtschaf-
en, reine Brauereibetriebe.
Nur unter Zurückstellung persönlicher Bedenken und
n Anerkennung der vielfach erreichten Verbesserungen
egenüber dem Regierungsentwurf stimme ich heute
iesem Gesetzentwurf zu.
Ich werde mich nach den Bundestagswahlen 2009 in
iner Koalition mit einer bürgerlichen Mehrheit dafür
insetzen, dass eine erneute Erbschaftsteuerreform auf
ie politische Agenda kommt.
Stefan Müller (Erlangen) (CDU/CSU): Ich stimme
em vorliegenden Gesetzentwurf der Bundesregierung
ur Reform der Erbschaftsteuer trotz erheblicher Beden-
en zu, weil dieser Entwurf eine Reihe von Verbesserun-
en im Vergleich zur geltenden Rechtslage enthält. Er-
en von Unternehmen werden durch die Reform
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 190. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. November 2008 20593
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erstmals in die Lage versetzt, von der Erbschaftsteuer zu
100 Prozent befreit zu werden, wenn sie das Unterneh-
men unter bestimmten Bedingungen zehn Jahre lang
fortführen. Darüber hinaus werden private Erben durch
großzügige Freibeträge von der Erbschaftsteuer befreit
bzw. deutlich entlastet, und auch die Landwirte profitie-
ren von den vorgeschlagenen Neuregelungen. Diese Ver-
besserungen sind ein Verdienst der CSU, die sich in den
Verhandlungen hartnäckig für Untemehmenserben und
private Erben eingesetzt hat.
Dennoch hätte es einen besseren Weg zu dem jetzt ge-
fundenen Kompromiss geben können. Mit der Erb-
schaftsteuer werden Vermögen belastet, die über Jahre
und Jahrzehnte hinweg aus bereits mehrfach versteuer-
tem Einkommen aufgebaut wurden. Die Erbschaftsteuer
belastet zudem den Mittelstand und trägt nicht zur Gene-
rationengerechtigkeit bei. Angesichts der finanziellen
Belastungen, die die junge Generation im Hinblick auf
ihre private Vorsorge und im Hinblick auf die Sicherung
unserer Sozialsysteme und den immensen Schulden-
dienst der Bundesrepublik zu tragen haben, wäre eine
Abschaffung notwendig gewesen.
Der zweite vorzugswürdige Weg wäre die Regionali-
sierung der Erbschaftsteuer. Die Einnahmen kommen
ausschließlich den Ländern zugute. Daher wäre es folge-
richtig, ihnen auch die Steuerhoheit über die Erbschaft-
steuer zu übertragen. Gerade Bundeslander mit Grenzen
zu Drittstaaten, die keine bzw. eine deutlich geringere
Erbschaftsteuerbelastung haben, sehen sich zunehmen-
den Abwerbungsbemühungen von deutschen mittelstän-
dischen Unternehmen in diese Länder ausgesetzt. Diese
Bundesländer müssen die Möglichkeit erhalten, durch
die Entscheidungshoheit über die Erbschaftsteuer hier
entschlossen entgegensteuern zu können. Mit der SPD
war diese Losung bedauerlicherweise nicht machbar.
Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU): In der Landes-
gruppe und in der Fraktionsversammlung der CDU/CSU
habe ich gegen den vorliegenden Gesetzentwurf ge-
stimmt. Aus Respekt vor den Mehrheitsbeschlüssen der
Fraktion und den unbestreitbaren Verhandlungserfolgen
der Landesgruppenführung werde ich dem Gesetz im
Bundestag meine Stimme geben.
Es war die CSU, die im parlamentarischen Verfahren
das Schlimmste verhindert und den Sozialdemokraten
und ihren unerträglichen Enteignungsideen die Stirn ge-
boten hat.
Der resultierende Kompromiss ist allenfalls akzepta-
bel. Meine Zustimmung basiert auch auf dem Verspre-
chen des CSU-Parteivorsitzenden, Horst Seehofer, das
neue Gesetz lediglich als Gerüst zu betrachten und im
Falle einer bürgerlichen Mehrheit insbesondere die
Lohnsummenerfordernisse und die Steuersätze abzusen-
ken, das zulässige Verwaltungsvermögen zu erhöhen
und Geschwister, Neffen und Nichten nicht mit Nicht-
verwandten gleichzustellen.
Im parlamentarischen Verfahren musste ich zur
Kenntnis nehmen, dass die Abschaffung der Steuer, wie
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on mir favorisiert, sowie die Regionalisierung nicht nur
ei der SPD, sondern auch bei den Ländervertretern
icht mehrheitsfähig ist.
Mir ist Folgendes wichtig:
Erstens. Ich bin auch weiterhin der festen Überzeu-
ung, dass Geschwister, Neffen und Nichten beim Erbe
teuerlich bessergestellt sein müssten als Nichtver-
andte. Die Steuersätze für Geschwister von bis zu
0 Prozent erachte ich als viel zu hoch und fordere wei-
erhin, dass neben Geschwistern auch Neffen und Nich-
en als Erben mit höheren Freibeträgen ausgestattet wer-
en müssen.
Die bayerische Verfassung gebietet in Art. 123 Abs. 3
atz 2 ausdrücklich, die Erbschaftsteuer nach dem Ver-
andtschaftsgrad zu staffeln. Ich bin überzeugt, dass nur
ine Besserstellung von Erwerbern der Steuerklasse II
egenüber der Steuerklasse III unter familienpolitischen
esichtspunkten vertretbar ist.
Gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften erfah-
en in diesem Kontext in meinen Augen eine unange-
essene Aufwertung, wenn ihnen dieselben Steuerprivi-
egien eingeräumt werden wie Ehepartnern, während
leichzeitig Geschwistern ein „Mehr“ an Erbschaftsteu-
rschuld auferlegt wird.
Zweitens. Den Kompromiss zur Unternehmensnach-
olge halte ich unter anderem im Hinblick auf die im-
ense Bürokratie, die mit der Bewertung und Über-
rüfung einhergeht, für nachbesserungsbedürftig. Eine
00-prozentige Verschonung bei Betriebsfortführung
ar laut Koalitionsvertrag unser Ziel. Nach der jetzigen
egelung müssen sich Unternehmenserben entscheiden,
b sie die 7-jährige Regelverschonung mit einem Steuer-
bschlag von 85 Prozent oder die 10-jährige Verscho-
ungsoption mit einem l00-prozentigen Abschlag
ählen. Für Familienunternehmen, deren Verwaltungs-
ermögen bei über 10 Prozent liegt, scheidet die Regel-
erschonung von 100 Prozent allerdings von vornherein
us. Alle Unternehmen, die zum Beispiel für die Beglei-
hung von Risikopositionen in den Rückstellungen – Steu-
rnachzahlungen, Pensionszusagen, etc. – eine kaufmän-
isch vernünftige Vorsorge betreiben und liquide Mittel
m Unternehmen behalten oder für später möglicher-
eise erforderliche Betriebserweiterungen nicht selbst
enutzte Grundstücke vorhalten, werden zwangsläufig
it dieser 10-Prozent-Grenze in Konflikt geraten. Dies
teht konträr zu unserer Absicht, für die Familienunter-
ehmen Entlastungen durchzusetzen. Hier muss in der
msetzung verhindert werden, dass der gesetzgeberi-
che Wille einmal mehr bürokratisch konterkariert wird.
ußerdem müssen die Grenzen in unserem Sinne ange-
asst werden, sobald Mehrheiten dafür erreichbar sind.
Familien und Familienunternehmen sind das Rück-
rat unserer Gesellschaft und sind die unverzichtbare
asis unserer Volkswirtschaft. Ich hätte mir gewünscht,
eute einem wesentlich stärker an ihren Bedürfnissen
rientierten Gesetzentwurf meine Zustimmung zu ge-
en. Ich sehe aber auch, dass dies im Hinblick auf die
20594 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 190. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. November 2008
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bestehenden Mehrheitsverhältnisse die besterreichbare
Lösung ist.
Beatrix Philipp (CDU/CSU): Ich schließe mich der
Erklärung von Herrn Dr. Peter Gauweiler, MdB, zur Ab-
stimmung über das Gesetz zur Reform des Erbschaft-
steuer- und Bewertungsrechts vom 27. November 2008,
Drucksache 16/7918, gemäß § 31 der Geschäftsordnung
des Deutschen Bundestages an.
Otto Schily (SPD): Ich habe aus folgenden Gründen
gegen die Erbschaftsteuerreform gestimmt:
1. Die Bestimmungen des Erbschaftsteuerreformge-
setzes sind nach meiner Auffassung verfassungswidrig.
2. Die Erbschaftsteuer ist eine leistungsfeindliche
Substanzbesteuerung.
3. Die Erbschaftsteuer ist ungerecht, weil sie bereits
versteuertes Einkommen nochmals der Steuer unterwirft.
4. Die Erbschaftsteuer schadet der Eigenkapitalbil-
dung in den Unternehmen, insbesondere bei den kleinen
und mittleren Betrieben.
5. Die Erbschaftsteuer schwächt die Vermögens- und
Eigentumsbildung in privater Hand und vergrößert damit
die Abhängigkeit von staatlichen Leistungen.
6. Die Erhebung der Erbschaftsteuer ist mit erhebli-
chen, unverhältnismässigen Verwaltungskosten verbun-
den, sie widerspricht allen Überlegungen zur Verwal-
tungsvereinfachung und zum Bürokratieabbau.
7. Die Erbschaftsteuer ist ein beachtlicher Nachteil im
europäischen Standortwettbewerb.
8. Die Erbschaftsteuer gefährdet die Fortführung von
wirtschaftlich gesunden Betrieben durch den Entzug li-
quider Mittel.
9. Die Erbschaftsteuer zwingt im privaten Bereich zur
Veräußerung von Vermögensgegenständen, die einen ne-
gativen Ertragswert haben und deren Wert im Besitz des
privaten Eigentümers nur immaterieller Natur ist Sie för-
dert damit die Vermögenskonzentration und schadet ei-
ner breiten Eigentumsstreuung.
10. Wirtschaftlich gesehen ist die Erbschaftsteuer eine
Enteignung.
11. Die Erbschaftsteuer sollte aus den genannten
Gründen entfallen.
Marion Seib (CDU/CSU): Bei der Abstimmung zum
Erbschaftsteuerreformgesetz am 27. November 2008
werde ich mit „Nein“ stimmen.
Dies begründe ich wie folgt:
Ein Erbschaftsteuergesetz, das mittels einer „Verwal-
tungsvermögensgrenze“ von 10 vom Hundert die zu ver-
erbenden mittelständischen inhabergeführten Betriebe
exorbitant trifft, findet meine Zustimmung nicht.
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Dies gilt umso mehr, als die Erben zweiter Ordnung,
um Beispiel Geschwister, schlechter gestellt werden als
leichgeschlechtliche Lebenspartner.
nlage 3
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Klaus Brähmig, Dr. Michael
Fuchs, Ernst Hinsken und Franz-Josef
Holzenkamp (alle CDU/CSU) zu den namentli-
chen Abstimmungen:
– Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Erb-
schaftsteuer- und Bewertungsrechts (Erb-
schaftsteuerreformgesetz – ErbStRG)
– Entschließungsantrag zu dem Entwurf ei-
nes Gesetzes zur Reform des Erbschaft-
steuer- und Bewertungsrechts (Erbschaft-
steuerreformgesetz – ErbStRG)
(Tagesordnungspunkt IV)
Zur Sicherstellung des Erhaltes Hunderttausender
ittelständischer Familienunternehmen, Handwerksbe-
riebe, freiberuflicher Praxen, selbstständiger Existenzen
nd ihrer Arbeitsplätze ist die Erleichterung des Genera-
ionenübergangs von überragender Bedeutung.
Durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes war
em Gesetzgeber aufgegeben, bis zum Ende dieses Jah-
es das bestehende Erbschaftsteuerrecht zu reformieren.
ch bedauere sehr, dass leider zu keinem Zeitpunkt, we-
er im Bund noch auf Ebene der Länder, eine politische
ehrheit für die von mir präferierten Lösungen eines er-
atzlosen Wegfalls der Erbschaftsteuer, ihrer Föderali-
ierung oder deren radikaler Vereinfachung durch ein
iedrigtarifkonzept bestand. Damit ist eine große
hance vertan worden, eine Neid- und Bagatellsteuer
it marginaler fiskalischer Bedeutung für das Gesamt-
teueraufkommen, aber hohen Erhebungs- und Bürokra-
iekosten abzuschaffen und den Unternehmensstandort
eutschland im europäischen und internationalen Wett-
ewerb zu stärken.
Umso wichtiger war und ist es, auch im bestehenden
ystem zu mittelstandstauglichen Lösungen zu kommen.
n mühseligen und langwierigen Verhandlungen konnten
DU und CSU trotz ideologiegetriebenem Widerstand
er SPD in den vergangenen Wochen und Monaten er-
ebliche Verbesserungen am Kabinettsentwurf durchset-
en. Firmenerben werden künftig im Regelfall zu
5 Prozent von der Erbschaftsteuer verschont, wenn das
nternehmen unter weitgehendem Erhalt der Arbeits-
lätze mindestens sieben Jahre lang fortgeführt wird und
as Verwaltungsvermögen nicht mehr als 50 Prozent
usmacht.
Wichtige Korrekturen an den ursprünglichen Plänen
ind erreicht worden. So wurde die Regelhaltefrist von
ormals 15 Jahren mehr als halbiert. Das ermöglicht zu-
ammen mit einer verbesserten Reinvestitionsklausel die
otwendige unternehmerische Anpassung an den be-
chleunigten Strukturwandel im modernen Wirtschafts-
eben und mildert das Problem von Kettenbindungen in
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 190. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. November 2008 20595
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(B) )
großen Familiengesellschaften deutlich ab. Der Gleich-
lauf der Fristen für Lohnsumme und Vermögenserhalt
vermeidet unnötige zusätzliche Bürokratie. Anstelle ei-
nes „Fallbeils“ kommt es beim Verstoß gegen Verscho-
nungsauflagen jetzt nur zu einer anteiligen Nachversteu-
erung. Bei der Lohnsummenbindung wird auf eine
Dynamisierung verzichtet. Zusammen mit der Ex-post-
Betrachtung schafft dies mehr Flexibilität für Unterneh-
men im Betriebsübergang, um auch auf konjunkturelle
Schwankungen reagieren zu können.
Die Anwendbarkeit branchenüblicher Bewertungs-
verfahren zum Beispiel auch für freie Berufe und die
Aufnahme wesentlicher Bewertungsgrundsätze ins Ge-
setz selbst, die Unschädlichkeit von Umwandlungen so-
wie eine vereinfachte Kleinstbetriebsüberwachung, die
teilweise Vermeidung von Doppelbelastung durch Erb-
schaft- und Ertragsteuern bei der Aufdeckung von stillen
Reserven, der Ausschluss einer unverschuldeten Nach-
verhaftung des Schenkers sowie zusätzliche Klarstellun-
gen beim Verwaltungsvermögen stellen weitere Verbes-
serungen dar.
Mit diesem insgesamt noch tragfähigen Kompromiss
kann trotz höherem Verkehrswertansatz aufgrund des
Karlsruher Urteils auch dank größerer Freibeträge eine
Zusatzbelastung des Mittelstands in den allermeisten
Fällen vermieden werden. Gerade Kleinunternehmen
und Handwerksbetriebe können so in der Regel steuer-
frei an die nächste Generation übergeben werden.
Damit konnte Schlimmeres verhindert werden. Es
bleiben allerdings viele Probleme ungelöst. Der nun-
mehr gefundene Kompromiss ist in vielen Bereichen
verfassungsrechtlich bedenklich, sehr kompliziert und
damit für Steuerpflichtige, Berater und Verwaltung
schwer verständlich und administrierbar. Es ist davon
auszugehen, dass die anhaltende Diskussion unter Fach-
leuten in den kommenden Monaten einige jetzt noch
nicht aufgedeckte weitere problematische Aspekte auf-
werfen wird. Die so wichtige Rechts- und Planungs-
sicherheit sowie Praxistauglichkeit für die betroffenen
Unternehmen im Mittelstand kann deshalb bedauerli-
cherweise nicht ansatzweise im erforderlichen Umfang
erreicht werden.
Die Verkürzung der Regelverschonungsfrist auf sieben
Jahre mildert das Problem von Kettenbindungen in über-
schaubaren Familiengesellschaften zwar deutlich ab. Eine
erbschaftsteuerliche Dauerblockade durch fortgesetzte
Lohnsummen- und Betriebsvermögensverhaftung mit
jeweils unterschiedlichen Ausgangslohnsummen kann bei
großen, traditionsreichen Familienunternehmen aber
weiterhin nicht vollends ausgeschlossen werden. Eine
praxistaugliche Berücksichtigung wertmindernder Ver-
fügungsbeschränkungen erweist sich leider kaum als
möglich.
Die neu geschaffene zehnjährige „Null-Option“ läuft
wegen der deutlich schärferen und realitätsfremden Be-
dingungen bei Lohnsumme und Verwaltungsvermögen
für die allermeisten Unternehmen de facto ins Leere, zu-
mal für diese zu Beginn unwiderruflich optiert werden
muss.
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Trotz partieller Verbesserungen bei Wohnungsunter-
ehmen, Hotel- und Gaststättengewerbe, Betriebsver-
achtungen im Ganzen, Grundstücksverpachtungen in-
erhalb eines Konzerns sowie Betriebsaufspaltungen ist
u befürchten, dass viele „produktive“ Unternehmen
ufgrund branchenüblicher Fallkonstellationen durch die
etzige Definition des Verwaltungsvermögens von der
erschonung ausgeschlossen werden. So fallen etwa
esellschafter-Geschäftsführer mit 25-prozentiger Be-
eiligung ohne Poolbildungsmöglichkeit unter das Ver-
altungsvermögen, Kommanditisten mit 1-prozentiger
eteiligung hingegen nicht. Sinnvolle Zwischennutzun-
en oder Wertpapierbesitz zur Finanzierung von Pen-
ionsansprüchen der Mitarbeiter werden steuerlich be-
astet. Es wäre deshalb zielführend gewesen, wenn
ewerblich genutztes Verwaltungsvermögen grundsätz-
ich und branchenunabhängig vollständig in die Verscho-
ung einbezogen worden wäre. Missbrauch hätte durch
ine längere Vorbesitzzeit von beispielsweise fünf Jah-
en begegnet werden können. In jedem Fall müsste aber
ur Bestimmung der Verwaltungsvermögensgrenze ein
nderer Berechnungsmaßstab zugrunde gelegt werden.
ie jetzt vorgesehene Brutto-Netto-Berechnungsme-
hode diskriminiert vor allem ertragsschwache Unter-
ehmen und bewirkt beispielsweise, dass zur Sicherung
on Krediten eingelegte Grundstücke als schädliches
ermögen gelten. Weitere deutliche Verbesserungen bei
er Verwaltungsvermögensregelung hätten auch die
ull-Option für einen größeren Kreis von Unternehmen
berhaupt erst ermöglichen können.
Eine Doppelbelastung mit Erbschaft- und Ertragsteu-
rn soll nur bei Übertragungen von Todes wegen vermie-
en werden können. Die vorgesehene Regelung muss
ber in jedem Fall auch auf Schenkungsfälle erweitert
erden.
Die vorgesehene enge Befristung eines 6-Monats-
eitraums bei der Reinvestitionsklausel bedarf einer
eutlichen Verlängerung. Auch ist nicht einsehbar, dass
einvestitionen nur in derselben und nicht in jeder der
egünstigten Vermögensarten erfolgen können.
Zwar führen der Wegfall des Fallbeils und der Lohn-
ummenindexierung sowie die Ex-post-Betrachtung der
ohnsumme mit anteiliger Nachversteuerung nur im
mfang des Unterschreitens zu mehr Flexibilität. Aller-
ings enthalten die Lohnsummengrenzen auch bei der
iebenjährigen Regelverschonung kaum einen Puffer für
npassungen an technische Neuerungen, zum Beispiel
zw. insbesondere für Krisenentwicklungen, zum Bei-
piel Reduzierung der Lohnsumme durch Kurzarbeit,
ehrjährige Rezessionsphasen, höhere Gewalt. Umso
ichtiger wäre die Aufnahme einer expliziten gesetzli-
hen Härtefallregelung gewesen. Unverschuldete Ver-
töße gegen die Verschonungsauflagen dürfen nicht
anktioniert werden.
Ich bedauere, dass die Fraktion der SPD nicht bereit
ar, sich während der parlamentarischen Endberatungen
n den vorgenannten und weiteren Punkten einer noch
esseren Rechtsetzung zu öffnen. Zudem ist eine aber-
alige Befassung des Normenkontrollrates, um dessen
xpertise zur Vermeidung unnötig bürokratischer Rege-
20596 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 190. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. November 2008
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lungen noch vor der Gesetzesverabschiedung zu nutzen,
unterblieben. Umso wichtiger bleibt es, mögliche nega-
tive Auswirkungen im Hinblick auf bürokratische Belas-
tungen, Rechtssicherheit, den Eigentumsschutz und die
Erleichterung der Unternehmensnachfolge gerade im fa-
miliengeführten Mittelstand nach Inkrafttreten dieses
Gesetzes genau zu beobachten und erforderlichenfalls
schnellstmöglich zu korrigieren.
Nur unter Zurückstellung größter persönlicher Beden-
ken stimme ich deshalb heute diesem Gesetzentwurf zu.
Anlage 4
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung:
– Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung
des Bundeshaushaltsplans für das Haus-
haltsjahr 2009 (Haushaltsgesetz 2009)
– Beschlussempfehlung: Finanzplan des Bun-
des 2008 bis 2012
hier: Einzelplan 07
Geschäftsbereich des Bundesministeriums
der Justiz
hier: Einzelplan 19
Bundesverfassungsgericht
(Tagesordnungspunkte II.17 a und b)
Daniela Raab (CDU/CSU): Die Justiz in Deutsch-
land wird oft angerufen, und unsere Bürger wollen sich
auf die Judikative verlassen. Sie hoffen stets auf Gerech-
tigkeit. Dafür schaffen wir die Grundlagen! Wir haben in
dieser Legislaturperiode viel erreicht, aber einiges liegt
auch noch vor uns.
Erstens: Terrorcamp. Der Koalitionsvertrag verpflich-
tet uns, Änderungen im Strafrecht für eine wirksamere
Terrorismusbekämpfung zu prüfen. Die Bedrohungen
durch den internationalen Terrorismus sind stets vorhan-
den. Leider müssen wir dies aktuell in Indien wieder er-
leben, mit verheerenden Folgen. Um die Vorbereitung
von Terrorattentaten rechtzeitig wirksam unterbinden zu
können, sollen daher auch bestimmte Vorbereitungs-
handlungen für Terroranschläge unter Strafe gestellt
werden.
Wir fordern, dass nicht nur das Durchlaufen einer
Ausbildung in der Absicht, eine terroristische Gewalttat
zu begehen, strafbar sein soll, insbesondere das Sich-Un-
terweisen-Lassen in der Herstellung oder im Umgang
mit Schusswaffen oder Sprengstoffen. Aus Sicht der
Union sollte schon der Aufenthalt in einem Terrorcamp
strafbar sein, weil die sogenannte Absicht ansonsten
kaum nachweisbar ist.
Darüber hinaus soll auch das Verbreiten oder das An-
preisen von Informationen, die als Anleitungen zu einer
Gewalttat geeignet sind, etwa die Veröffentlichung und
Verbreitung von Bombenbauanleitungen im Internet,
strafbar sein. Gleiches gilt dann auch für diejenigen, die
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as Ganze finanzieren. Dies ist keine unnötige Härte und
einesfalls Panikmache, wie uns oft vorgeworfen wird,
ondern eine Maßnahme, die sich auszahlen wird – zum
chutze von uns allen.
Zweitens. Versorgungsausgleich. Der Versorgungs-
usgleich regelt die Verteilung von Rentenansprüchen
wischen den Eheleuten nach einer Scheidung. Scheitert
ine Ehe, so erhält damit auch der Ehepartner, der bei-
pielsweise wegen Kindererziehung auf Erwerbsarbeit
erzichtet hat, eine eigenständige Absicherung im Alter
nd bei Invalidität.
Das Prinzip des Versorgungsausgleichs hat sich
rundsätzlich bewährt, und nach wie vor profitieren vor
llem die Frauen von ihm. Eine Reform des Versor-
ungsausgleichs ist aber längst überfällig, weil die ge-
echte Halbteilung der in der Ehe erworbener Versor-
ungsanrechte häufig verfehlt wird und weil das Recht
o kompliziert und unübersichtlich geworden ist, da es
ür die große Mehrheit der Familienrichter, der Anwälte
nd nicht zuletzt der betroffenen Eheleute kaum noch
erständlich ist.
Nach dem Konzept der Strukturreform soll künftig je-
es Anrecht systemintern geteilt werden. Das bedeutet,
ass, wenn zum Beispiel ein Ehepartner sowohl mit ei-
er betrieblichen als auch mit einer privaten Altersvor-
orge für die Rente vorsorgt auch der dann geschiedene
hepartner künftig ein eigenes Anrecht auf betriebliche
nd private Altersversicherung erhält. Außerdem erhal-
en die Eheleute größere Möglichkeiten und Spielräume,
ereinbarungen über den Versorgungsausgleich zu
chließen und damit diese Angelegenheiten auch ohne
erichtliche Entscheidung zu regeln.
Dabei handelt es sich nicht zuletzt auch um Bürokra-
ieabbau. Die Reform berücksichtigt nämlich auch die
nteressen der Versorgungsträger, die sie bei der öffentli-
hen Anhörung hier im Hause nächsten Mittwoch darle-
en können. Auf Bagatellausgleiche wird künftig ver-
ichtet; zusätzliche Kosten entstehen ihnen nicht.
chließlich werden die vereinfachten Rechtsvorschriften
u einer Entlastung aller Beteiligten führen.
Drittens. Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz. Wir hat-
en uns die Aufgabe gestellt, im europäischen Rechtset-
ungsumfeld internationale einheitliche Rechnungsle-
ungsstandards anzustreben. Dagegen war und ist
rundsätzlich nichts einzuwenden. Aber wir mussten hier
uch immer die Auswirkungen auf unsere kleinen und
ittelständischen Unternehmen im Auge behalten, bevor
ir Standards in nationales Recht übernehmen und sie für
lle verpflichtend machten. Wir müssen also den funk-
ionierenden Rahmen unseres Handelsgesetzbuches bei-
ehalten und gerade für die kleineren Unternehmen für
ereinfachungen im Bilanzwesen sorgen. Dies unterstütze
ch ganz ausdrücklich.
Das modernisierte Bilanzrecht entlastet also und
tärkt den Mittelstand. Es sichert eine den International
inancial Reporting Standards (IFRS) gleichwertige,
ber kostengünstigere und einfachere handelsrechtliche
echnungslegung. Was für mich besonders hohe Priori-
ät hat, ist, dass die Funktion des handelsrechtlichen Jah-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 190. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. November 2008 20597
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resabschlusses als Grundlage der Gewinnausschüttung
und der steuerlichen Gewinnermittlung unberührt bleibt.
Risiken durch Zweckgesellschaften werden durch die
auf Ihrer Homepage zum Beispiel den Erzieher in Kin-
dergärten, aber auch Schulbusfahrer, Bademeister,
Sporttrainer oder Mitarbeiter im Jugendamt. Mir stellt
verschärfte Pflicht zur Aufstellung eines Konzernab-
schlusses transparent. Dies ist besonders wichtig in Zei-
ten der aktuellen, internationalen Finanzkrise.
Der Entwurf des Bilanzrechtsmodernisierungsgeset-
zes sieht erhebliche Erleichterungen für viele Unterneh-
men vor. Einzelkaufleute, die mit ihrem Betrieb be-
stimmte Schwellenwerte nicht übersteigen, werden von
der handelsrechtlichen Buchführungs- und Bilanzie-
rungspflicht sowie der Pflicht zur Aufstellung eines Jah-
resabschlusses sogar ganz befreit. Dank der Anhebung
der Schwellenwerte können künftig mehr kleine und
mittelgroße Kapitalgesellschaften als bisher die größen-
abhängigen Erleichterungen bei der Aufstellung, Prü-
fung und Offenlegung des Jahresabschlusses in An-
spruch nehmen. Wieder treiben wir den Bürokratieabbau
voran. Ich denke, wir und unsere Unternehmen können
zufrieden mit dem Ergebnis sein. In einer Anhörung
werden wir noch weitere Details klären können.
Zum Schluss noch ein Thema, das Frau Ministerin
Zypries anscheint so gut gefallen hat, dass sie es gleich
von den Bayern übernommen hat und nun als eigene
Idee einzubringen versucht:
Fünftens: Eine Initiative zur Erweiterung des Füh-
rungszeugnisses. Bayern hat bereits im März dieses Jah-
res einen Gesetzentwurf in den Bundesrat eingebracht.
Nach diesem Entwurf sollen auch Verurteilungen wegen
„leichterer“ Sexualdelikte, namentlich wegen Verbrei-
tung, Erwerb, Besitz kinderpornografischer Schriften,
§ 184 b StGB, und wegen Verletzung der Fürsorge- und
Erziehungspflicht, § 171 StGB, und Missbrauch von
Schutzbefohlenen, § 225 StGB, immer ins Führungs-
zeugnis aufgenommen werden. Derzeit werden Verurtei-
lungen wegen dieser Straftaten nur dann aufgenommen,
wenn die Verurteilung zu mehr als 90 Tagessätzen oder
zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Wochen er-
folgt. Somit tauchen diese Verurteilungen nach gelten-
dem Recht in den einem privaten Arbeitgeber von dem
Betroffenen vorzulegenden Privatführungszeugnissen
sowie in den einem öffentlicher Arbeitgeber zuzuleiten-
den Behördenführungszeugnis nicht auf.
Der Bundesrat hat den Gesetzentwurf Bayerns unver-
ändert beschlossen und in den Bundestag eingebracht.
Die Bundesregierung, das BMJ, hat in ihrer Stellung-
nahme den Ansatz des Bundesrats, Bayerns, kritisiert
und eigene Vorschläge angekündigt. Einer Ihrer Kritik-
punkte ist, dass der Bundesrat die obengenannten Verur-
teilungen generell in alle Führungszeugnisse aufnehmen
will, also auch für – aus Ihrer Sicht, Frau Ministerin –
„nicht schutzwürdige Bereiche“.
Stattdessen wollen Sie einen „zielgenauen“ Schutz
von Kindern und Jugendlichen sicherstellen. Wenn es
nach Ihnen geht, soll nur bei kinder- und jugendnahen
Tätigkeiten ein erweitertes Führungszeugnis ausge-
schrieben werden. Sie nennen in Ihrer Pressemitteilung
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ich die Frage: Wo fangen solche Tätigkeiten an, und wo
ören sie auf? Was ist mit der Reinigungskraft, dem
och, dem Gärtner oder dem Schülerlotsen? Muss man
ie alle aufzählen? Was ist, wenn man einen vergisst?
ollte man die Entscheidung nicht dem Arbeitgeber
berlassen? Darüber wird noch zu reden sein.
Joachim Stünker (SPD): Herausragende Gesetzge-
ungsvorhaben in dieser Legislaturperiode:
– Stalking
– Unterhaltsrecht
– Urheberrecht
– Versicherungsvertragsrecht
– GmbH-Recht
– Novellierung des großen Lauschangriffes
– Novellierung der Telefonüberwachung
– Vorratsdatenspeicherung
– Reform der freiwilligen Gerichtsbarkeit und des
familiengerichtlichen Verfahrens.
Im Koalitionsvertrag vereinbart und mit Erfolg zum
bschluss gebracht.
Vor dem Abschluss stehende weitere Gesetzgebungs-
orhaben:
– Neuregelung des Versorgungsausgleichs
– Bekämpfung der unerlaubten Telefonwerbung und
Verbesserung des Verbraucherschutzes
– Modernisierung des Bilanzrechts
– TK-Entschädigungs-Neuordnungsgesetz
– Fahrgastrechte der Bahnkunden
Auch diese Gesetzgebungsvorhaben werden wir bis
um Frühjahr nächsten Jahres abgeschlossen haben. Die
oalition hat damit in der Rechtspolitik überzeugend ge-
rbeitet.
Es bleiben unerledigt:
– Regelungen zur Verständigung im Strafprozess
(Deal)
– Kronzeugenregelung
Beide Regelungen scheitern leider am Widerstand des
undesministers des Innern, der in dieser Frage offen-
ichtlich nicht gut beraten ist. Denn mit dem Gesetzent-
urf zu „Verständigung im Strafprozess“ schaffen wir
ehr Rechtssicherheit und „ein Mehr“ an Rechtsstaat-
ichkeit. Ich gebe nicht auf: „Der Minister sollte sich
esserer Einsicht nicht länger verschließen.“
190. Sitzung
Berlin, Donnerstag, den 27. November 2008
Inhalt:
Redetext
Anlagen zum Stenografischen Bericht
Anlage 1
Anlage 2
Anlage 3
Anlage 4