Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. November 2008 19919
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kündigten Rettungsdienstgesetz, und welches sind die noch bezahlbare und umweltverträgliche Stromversorgung in
strittigen Fragestellungen? Deutschland – Geht es ohne Kernenergie?) zugrunde, und wie
Anlage 1
Liste der entschuldigten Abgeordneten
Anlage 2
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Rolf Schwanitz auf die Frage
des Abgeordneten Frank Spieth (DIE LINKE) (Druck-
sache 16/10802, Frage 2):
Welches waren die Inhalte der letzten Sitzung der Arbeits-
gruppe des Bundesministeriums für Gesundheit zum ange-
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Abgeordnete(r)
entschuldigt bis
einschließlich
Burkert, Martin SPD 12.11.2008
Dreibus, Werner DIE LINKE 12.11.2008
Dr. Eid, Uschi BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
12.11.2008
Fischer (Göttingen),
Hartwig
CDU/CSU 12.11.2008
Gerster, Martin SPD 12.11.2008
Göppel, Josef CDU/CSU 12.11.2008
Gröhe, Hermann CDU/CSU 12.11.2008
Hänsel, Heike DIE LINKE 12.11.2008
Kucharczyk, Jürgen SPD 12.11.2008
Kuhn, Fritz BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
12.11.2008
Lafontaine, Oskar DIE LINKE 12.11.2008
Leutert, Michael DIE LINKE 12.11.2008
Lötzer, Ulla DIE LINKE 12.11.2008
Dr. Müller, Gerd CDU/CSU 12.11.2008
Müller (Braunschweig),
Carsten
CDU/CSU 12.11.2008
Rachel, Thomas CDU/CSU 12.11.2008
Schily, Otto SPD 12.11.2008
Staffelt, Grietje BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
12.11.2008
Dr. Troost, Axel DIE LINKE 12.11.2008
Dr. Wodarg, Wolfgang SPD 12.11.2008
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Anlagen zum Stenografischen Bericht
Um Missverständnisse zu vermeiden möchte ich vorab
arauf hinweisen, dass das Bundesministerium für Ge-
undheit (BMG) an der Novellierung des Rettungsassis-
entengesetzes und der dazugehörigen Ausbildungs- und
rüfungsverordnung arbeitet. Rettungsdienstgesetze sind
andesgesetze, in denen insbesondere Strukturen und die
rganisation des Rettungsdienstes geregelt werden. In
islang drei Sitzungen hat eine Expertengruppe das
hema „Ausbildungsziel, Ausbildungsinhalte und Kom-
etenzen“ bearbeitet und ein erstes Rohkonzept einer
usbildungszielbeschreibung diskutiert. Gegenstand der
isherigen Erörterungen in der Expertengruppe waren un-
r anderem Ausbildungsinhalte, die Fragen der Kompe-
nzabgrenzung und der Delegation ärztlicher Aufgaben an
ettungsassistenten. Eine weitere Sitzung zu Ausbildungs-
iel und -inhalten wird im Januar 2009 stattfinden. Ab-
chließende Ergebnisse der Expertengruppe liegen noch
icht vor.
nlage 3
Antwort
es Parl. Staatssekretärs Rolf Schwanitz auf die Frage
es Abgeordneten Frank Spieth (DIE LINKE) (Druck-
ache 16/10802, Frage 3):
Wann wird die Bundesregierung einen Gesetzentwurf zum
Rettungsdienst auf den Weg bringen, und gibt es einen Termin
für die nächste Sitzung der Arbeitsgruppe des Bundesministe-
riums für Gesundheit zu diesem Gesetzentwurf?
Das BMG hat die Arbeiten zur Novellierung des Ret-
ungsassistentengesetzes und der dazugehörigen Aus-
ildungs- und Prüfungsverordnung Ende letzten Jahres
ufgenommen. Mit dem Ziel einer soliden fachlichen
undierung der Vorschläge und der Herstellung eines
rößtmöglichen Konsenses über die Weiterentwicklung
ieses Berufsfeldes wurde im Januar 2008 eine Exper-
engruppe eingesetzt. Sie wird in einem Stufenverfahren
ie Themenfelder Ausbildungsziel, Ausbildungsstruktu-
en und Ausbildungsfinanzierung beraten. Dieses Ver-
ahren wurde gewählt, weil die Entscheidungen zum
omplex Ausbildungsziel Auswirkungen auf die Aus-
ildungsstrukturen haben und diese wiederum für die
osten der Ausbildung von wesentlicher Bedeutung
ind. Zum Stand der Beratungen siehe die Antwort auf
rage 2. Ein Gesetzentwurf wird nach Abschluss der Be-
atungen der Expertengruppe erstellt werden.
nlage 4
Antwort
es Parl. Staatssekretärs Hartmut Schauerte auf die
rage des Abgeordneten Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/
IE GRÜNEN) (Drucksache 16/10802, Frage 4):
Welche Atomkraftwerkskapazitäten (in Gigawatt) legt das
Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi)
in der „Vision 2030“ (siehe Seite 15 der Broschüre Sichere,
19920 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. November 2008
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viel Strom soll in dieser Vision aus erneuerbaren Energien im
Vergleich zu dem Regierungsziel für 2020 erzeugt werden?
In der zitierten BMWi-Broschüre werden Optionen
für eine weitestgehend CO2-freie, versorgungssichere
und kostengünstige Stromerzeugung in der Zukunft aus
Sicht des Bundeswirtschaftsministeriums betrachtet.
Zwischen den die Bundesregierung tragenden Koali-
tionsparteien bestehen unterschiedliche Auffassungen
hinsichtlich der Nutzung der Kernenergie zur Strom-
erzeugung. Entgegen den geltenden Regelungen des
Atomgesetzes, das einen kontinuierlichen Ausstieg aus
der Kernenergie bis etwa zum Jahr 2022 vorsieht, unter-
stellt die BMWi-Vision 2030 „Optionen für eine CO2-
freie Stromerzeugung in Deutschland bis 2030“ einen
Stromenergiemix, der aus rund einem Drittel Kernener-
gie, einem Drittel fossiler Brennstoffe (wie zum Beispiel
Kohle und Gas) mit CO2-Abscheidung sowie einem
Drittel emeuerbarer Energien besteht.
Es ist erklärtes Ziel der Bundesregierung, den Anteil
der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung bis
2020 auf mindestens 30 Prozent zu erhöhen. Wie hoch
2030 dann deren Anteil tatsächlich sein wird, hängt un-
ter anderem davon ab, welche Fortschritte bei den Ener-
gietechnologien erreicht werden und auch wie sich der
Gesamtstromverbrauch zukünftig entwickelt. Deshalb
wurde in der BMWi-Vision ein Anteil der erneuerbaren
Energien von rund einem Drittel angenommen.
Anlage 5
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Fra-
gen des Abgeordneten Manfred Kolbe (CDU/CSU)
(Drucksache 16/10802, Fragen 12 und 13):
Ist der Bundesregierung bekannt, ob derzeit Verkaufsver-
handlungen über die Veräußerung der Liegenschaften der ehe-
maligen Bundeswehrkrankenhäuser in Leipzig-Wiederitzsch und
Amberg stattfinden und wer die jeweiligen Interessenten sind?
Wann ist mit einem Abschluss der Verkaufsverhandlungen
und damit mit einem Verkauf zu rechnen, und wie werden die
Liegenschaften dann zukünftig genutzt werden?
Zu Frage 12:
Die Verwertung bzw. der Verkauf der Liegenschaften
der ehemaligen Bundeswehrkrankenhäuser Amberg und
Leipzig erfolgte seit Juni 2005 durch die Gesellschaft für
Entwicklung, Beschaffung und Betrieb mbh (g.e.b.b).
Es gab einige Interessenten für beide ehemaligen
Bundeswehrkrankenhäuser. Es wurde entschieden, die
Verhandlungen mit der VedaSan Amberg Besitzgesell-
schaft mbH in Verbindung mit der VedaSan Manage-
ment Gesellschaft mbH, entwickelt durch die Casacom
Verwaltungs- & Beteiligungs GmbH, für das ehemalige
Bundeswehrkrankenhaus Amberg sowie mit der Veda-
San Leipzig Besitzgesellschaft mbH in Verbindung mit
der VedaSan Management Gesellschaft mbH, ebenfalls
entwickelt durch die Casacom Verwaltungs- & Beteili-
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ungs GmbH, für das ehemalige Bundeswehrkranken-
aus Leipzig abzuschließen.
u Frage 13:
Die Verkaufsverhandlungen wurden bereits im Sep-
ember 2008 abgeschlossen. Die Verträge zum Verkauf
er ehemaligen Bundeswehrkrankenhäuser sollen nun
urzfristig unterzeichnet werden.
Zukünftig sollen in den Liegenschaften zum einen
ieder medizinische Einrichtungen angesiedelt werden,
aneben werden andere Nutzungen geplant. Zudem ver-
leiben aufgrund eines Mietvertrages mit dem Käufer in
eiden Liegenschaften jeweils eine Dienststelle des Sa-
itätsdienstes der Bundeswehr.
nlage 6
Antwort
es Parl. Staatssekretärs Achim Großmann auf die Frage
er Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE)
Drucksache 16/10802, Frage 15):
Gibt es für den Vorstand der Deutschen Bahn AG neben
einer Bonus-Regelung auch eine Malus-Regelung, und wenn
ja, wird diese Malus-Regelung im Fall des massenhaften Aus-
falls von ICE-Zügen angewandt?
Das Vergütungssystem des Vorstandes der Deutschen
ahn AG ist im Geschäftsbericht der Deutsche Bahn AG
ür das Jahr 2007 (siehe dort Seite 219 f.) dargestellt.
ach Abschluss eines Geschäftsjahres werden auf der
asis der Konzernergebnisse für jedes Vorstandsmit-
lied der Erfolgsfaktor und der persönliche Leistungs-
aktor ermittelt. Daraus folgt, dass ein durch den Ausfall
on ICE-Zügen bedingter wirtschaftlicher Misserfolg
es Unternehmens sich nach der Logik des zugrunde ge-
egten leistungsorientierten Vergütungssystems negativ
uf die Jahrestantieme auswirken kann. Somit beinhaltet
as Vergütungssystem der Deutsche Bahn AG eine Bo-
us-/Malus-Regelung.
nlage 7
Antwort
er Parl. Staatssekretärin Astrid Klug auf die Frage des
bgeordneten Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE
RÜNEN) (Drucksache 16/10802, Frage 19):
Hält die Bundesregierung die Vernebelung von Atom-
kraftwerken sowohl für eine wirksame als auch hinreichende
Maßnahme gegen Terroranschläge mit Flugzeugen, und, falls
nein, welche weiteren Maßnahmen beabsichtigt die Bundesre-
gierung den Atomkraftwerksbetreibern aufzuerlegen, damit
Atomkraftwerke hinreichend gegen Terroranschläge mit Flug-
zeugen geschützt sind?
Die Vernebelung trägt innerhalb des gestaffelten und
iteinander verzahnten Gesamtsystems unterschiedli-
her Schutzmaßnahmen des Betreibers und des Staates
um Schutz von Kernkraftwerken gegen terroristische
nschläge bei.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. November 2008 19921
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Anlage 8
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Dr. Frieder Meyer-Krahmer auf
die Frage der Abgeordneten Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) (Drucksache 16/10802, Frage 24):
Wann ist bei der Asse mit dem Betreiberwechsel zum
Bundesamt für Strahlenschutz zu rechnen, und welche Vorbe-
halte gibt es innerhalb der Bundesregierung gegen die Deut-
sche Gesellschaft zum Bau und Betrieb von Endlagern für
Abfallstoffe mbH in diesem Zusammenhang?
Das Bundeskabinett hat am 5. November 2008 den Be-
treiberwechsel der Schachtanlage Asse vom Helmholtz
Zentrum München zum Bundesamt für Strahlenschutz
zum l. Januar 2009 beschlossen. Es gibt seitens der Bun-
desregierung keinerlei Vorbehalte gegen die Deutsche
Gesellschaft zum Bau und Betrieb von Endlagern für
Abfallstoffe mbH (DBE) als zukünftige Betriebsfüh-
rungsgesellschaft.
Anlage 9
Antwort
des Staatssekretärs Dr. Frieder Meyer-Krahmer auf die
Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 16/10802, Frage 25):
Wem gegenüber waren die bisherigen Betreiber des For-
schungsbergwerks Asse II, insbesondere die GSF (Gesell-
schaft für Strahlenforschung), rechenschaftspflichtig, und
wann wurde es im Bundesministerium für Bildung und For-
schung, insbesondere in der Hausspitze, zum ersten Mal für
wahrscheinlich gehalten, dass eindringende Lauge durch den
in der Asse eingelagerten Atommüll kontaminiert werden
könnte, bis hin zum Überschreiten von Freigrenzen?
Die für die Schachtanlage Asse II zuständige Geneh-
migungsbehörde ist das Landesamt für Bergbau, Energie
und Geologie (LBEG), die Aufsichtsbehörde ist das
Niedersächsische Ministerium für Umwelt und Klima-
schutz. Das Bundesministerium für Bildung und For-
schung (BMBF) ist Zuwendungsgeber für die Schacht-
anlage Asse. Daraus ergeben sich die Rechenschafts-
und Genehmigungspflichten des Betreibers, zum Bei-
spiel werden alle genehmigungspflichtigen Maßnahmen
vorher durch das LBEG bewilligt, Vorgänge, die die Zu-
wendung betreffen, sind mit dem BMBF abzustimmen.
Dem BMBF ist die Überschreitung von Freigrenzen von
in Laugensümpfen aufgetretener kontaminierter Lauge
zeitgleich mit der Öffentlichkeit Mitte Juni 2008 bekannt
geworden. Für eindringende Lauge, also die sogenannte
Zutrittslauge, wurde nie eine Überschreitung von Frei-
grenzen festgestellt, da sie aufgefangen wird. Ein Kon-
takt dieser Lauge mit den eingelagerten Abfällen ist da-
her ausgeschlossen.
Anlage 10
Antwort
des Staatssekretärs Dr. Frieder Meyer-Krahmer auf die
Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 16/10802, Frage 26):
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Welche Forschung, insbesondere auch solche, die man als
Gorleben-relevant bezeichnen kann, wurde im sogenannten
Tiefenaufschluss der Schachtanlage Asse II betrieben (bitte
mit Angabe der jeweiligen Zeiträume), und aus welchen
Gründen wurde von der einstmals geplanten versuchsweisen
Einlagerung von hochradioaktivem Atommüll in der Asse
wieder abgesehen (bitte alle Gründe angeben, das heißt politi-
sche, technische, geologische etc.)?
In der Schachtanlage Asse wurde im Zeitraum von
972 bis 1980 eine Prototypkaverne im sogenannten
iefenaufschluss errichtet. Sie wurde errichtet, um die
inlagerung von mittelaktiven Abfällen zu erproben, mit
er Intention einer Vereinfachung und Verbilligung der
ndlagerung von mittelaktiven Abfällen. Da die Ver-
uche fehlschlugen, Abfallsimulat (Beton) direkt durch
ohrleitungen in die Kaverne zu fördern, wurden diese
ntersuchungen abgebrochen. Es kam nie zu einer Ein-
agerung radioaktiver Abfälle in die Kaverne. In die
onzepte zur Einlagerung radioaktiver Abfälle in Gorle-
en ist diese Technik nicht eingeflossen. Im Rahmen ei-
es genehmigten Sonderbetriebsplans wurde die Proto-
ypkaverne im Jahre 2007 mit Schotter bzw. mit
orelbeton verfüllt, der Porenraum wurde mit Schutz-
luid gefüllt.
Anfang der 90er-Jahre wurde von ursprünglich ge-
lanten Versuchen zur Einlagerung von wärmeent-
ickelnden Abfällen Abstand genommen, da ein Kon-
ept zur direkten Endlagerung hochradioaktiver Abfälle,
elches als Basis für solche Experimente hätte dienen
önnen, zu der Zeit nicht existierte. Zudem waren zu
iesem Zeitpunkt die Bewegungen des Grubengebäudes
ereits bekannt, sodass von der versuchsweisen Einlage-
ung von wärmeentwickelnden Abfällen auch aufgrund
er unsicheren Prognose im Hinblick auf die Stabilität
es Grubengebäudes abgesehen wurde.
nlage 11
Antwort
es Parl. Staatssekretärs Andreas Storm auf die Fragen
er Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE)
Drucksache 16/10802, Fragen 27 und 28):
Welche Kriterien muss ein Antragsteller/eine Antragstelle-
rin erfüllen, um im Rahmen der Biosicherheitsforschung zu-
wendungsberichtigt zu sein, bzw. gibt es Voraussetzungen
hinsichtlich ihrer Rechtsform?
Welche in der aktuellen Förderperiode der Biosicherheits-
forschung (2008 bis 2011) beantragten Projekte wurden abge-
lehnt, und mit welcher Begründung?
u Frage 27:
Antragsberechtigt sind Unternehmen der gewerbli-
hen Wirtschaft, Hochschulen und außeruniversitäre
orschungseinrichtungen mit Sitz in Deutschland. Eine
örderung können nur juristische Personen beantragen.
u Frage 28:
Das Recht des Zuwendungsgebers, bestimmte Anga-
en über beantragte Vorhaben bekannt zu geben, entsteht
rst mit der Wirksamkeit des Zuwendungsbescheids. Aus
atenschutzgründen ist der Zuwendungsgeber (BMBF)
19922 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. November 2008
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daher gehalten, Projektskizzen und Anträge auf For-
schungsförderung vertraulich zu behandeln. Eine Wei-
tergabe dieser Informationen an Dritte ist daher nicht
zulässig. Grundlage für die Antragstellung war die Be-
kanntmachung des BMBF „Beiträge zur Biologischen
Sicherheit gentechnisch veränderter Pflanzen“ vom
4. Juli 2007. Die Förderentscheidung erfolgte nach den
Kriterien: Beitrag des Projekts zur Erreichung der Ziele
der Bekanntmachung, wissenschaftliche Qualität des
Projekts, wissenschaftliche Qualifikation des Antragstel-
lers, interdisziplinäre Vernetzung im Hinblick auf die
Lösung der wissenschaftlichen Fragestellungen des Ver-
bundprojekts.
Beantragte Projekte, die diesen Kriterien nicht in aus-
reichendem Maße entsprachen, wurden aus diesen Grün-
den abgelehnt.
Anlage 12
Antwort
des Staatsministers Günter Gloser auf die Frage des Ab-
geordneten Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN) (Drucksache 16/10802, Frage 29):
Welche konkreten Schritte unternimmt die Bundesregie-
rung zur Unterstützung der Bemühungen zur Freilassung der
US-amerikanischen Staatsbürgerin iranischer Herkunft, Esha
Momeni, die im Iran festgehalten wird?
Die am 15. Oktober 2008 in Iran inhaftierte Frauen-
rechtlerin und an einer amerikanischen Universität ein-
geschriebene Filmstudentin Esha Momeni ist am 10. No-
vember 2008 nach übereinstimmenden Berichten ihrer
Familie und Unterstützer auf Kaution aus dem Gefäng-
nis entlassen worden und soll sich nun vor einem Gericht
verantworten.
Die Bundesregierung betrachtet ihre Lage mit Sorge.
Da Frau Momeni nicht die deutsche Staatsangehörigkeit
besitzt, sind die Handlungsmöglichkeiten der Bundesre-
gierung jedoch begrenzt.
Die USA haben in Teheran keine eigene diplomati-
sche Vertretung. Die Schweiz vertritt die Interessen der
USA gegenüber der iranischen Regierung.
Die Bundesregierung hatte die französische EU-Rats-
präsidentschaft gebeten, den Fall zum Gegenstand einer
baldigen EU-Menschenrechtsdemarche an das iranische
Außenministerium zu machen.
Die Bundesregierung ist weiterhin bemüht, zusätzli-
che Erkenntnisse über die Umstände und Hintergründe
des Vorgehens gegen Frau Momeni zu erlangen.
Anlage 13
Antwort
des Staatsministers Günter Gloser auf die Frage der Ab-
geordneten Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN) (Drucksache 16/10802, Frage 30):
Was sind die Gründe dafür, dass die meisten Flüchtlinge
im Ostkongo noch immer von der humanitären Hilfe abge-
schnitten sind, weshalb sich eine humanitäre Katastrophe ab-
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zeichnet, und was konkret macht die Bundesregierung dage-
gen, um dies zu verhindern?
Während im unmittelbaren Verlauf der Kampfhand-
ungen in den ersten Novembertagen die operative hu-
anitäre Hilfe eingestellt werden musste, konnten die
ereits vor Ort tätigen Hilfsorganisationen diese unmit-
elbar im Anschluss daran wieder aufnehmen.
Nach Angaben von ECHO – dem Amt für humanitäre
ilfe der EU-Kommission – ist die Versorgung der
lüchtlinge in und in der unmittelbaren Umgebung der
tadt Goma gewährleistet, während sie in den übrigen
eilen Nordkivus weiterhin schwierig ist, wobei die An-
aben zur Versorgungslage der Flüchtlinge nicht einheit-
ich sind.
Gesicherte Zahlen über die nach den Kampfhand-
ungen der vergangenen Tage zusätzlich Vertriebenen
iegen nicht vor; Schätzungen bewegen sich zwischen
0 000 und 100 000 Menschen (zusätzlich zu den bereits
uvor landesweit 1,6 Millionen und allein im Nordkivu
irca 1 Millionen Vertriebenen).
Zur weiteren Unterstützung der laufenden Maß-
ahmen hatte das Auswärtige Amt die bereits zuvor
mfangreiche humanitäre Hilfe vor zwei Wochen auf
,9 Millionen und aktuell am 10. November 2008 auf bis
u 7 Millionen Euro aufgestockt.
Auch wird die akute Flüchtlingsproblematik über die
om Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammen-
rbeit und Entwicklung finanzierten Maßnahmen der
ntwicklungsorientierten Not- und Übergangshilfe sowie
er langfristigen Entwicklungszusammenarbeit abgepuf-
ert.
Der Bundesminister des Auswärtigen, Dr. Frank-
alter Steinmeier, hat sich in Telefonaten mit dem Präsi-
enten der Republik Ruanda, Paul Kagame, und dem
euen Außenminister der Demokratischen Republik
ongo, Alexis Tambwe Mwamba, dafür eingesetzt, dass
ie Kampfhandlungen eingestellt werden und es zu ei-
em Dialog zwischen den unmittelbar Beteiligten
ommt.
Der Gipfel von Nairobi vom 7. November 2008 war
in erster, wichtiger Schritt, dass die Prozesse von
airobi und Goma wieder aufgenommen werden. Diese
ielen auf die Entwaffnung der Hutu-Milizen in der De-
okratischen Republik Kongo und anderer bewaffneter
ruppierungen, die Verfolgung des „harten Kerns“ der
utu-Rebellen und der Rückkehrmöglichkeit der Mit-
äufer nach Ruanda.
nlage 14
Antwort
es Staatsministers Günter Gloser auf die Frage der Ab-
eordneten Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE
RÜNEN) (Drucksache 16/10802, Frage 31):
Welche konkreten Pläne gibt es seitens der internationalen
Gemeinschaft und der Bundesregierung, um im Falle einer
weiteren Gewalteskalation im Ostkongo die Bevölkerung
schnellstmöglich zu schützen?
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. November 2008 19923
(A) )
(B) )
Die Frage einer internationalen Intervention stellt sich
derzeit nicht. Die Suche einer politischen Lösung steht
für die Bundesregierung im Vordergrund.
Die afrikanischen Akteure haben im Beisein des Ge-
neralsekretärs der Vereinten Nationen, Ban Ki-Moon,
auf einem Krisengipfel der Afrikanischen Union in
Nairobi am 7. November 2008 selbst einen Waffenstill-
stand gefordert, eine entsprechende Überwachungsfazi-
lität eingerichtet und Bereitschaft zu eigenem militäri-
schen Engagement zur Wiederherstellung des Friedens
im Nordkivu signalisiert.
Wir sollten die afrikanischen Partner im Sinne der
„ownership“ an dieser Selbstverpflichtung messen, un-
terstützen und gegebenenfalls die Umsetzung anmahnen.
Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Ban
Ki-Moon, hat in einem Schreiben vom 31. Oktober 2008
an den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen um Verstär-
kung der friedenserhaltenden MONUC-Mission gebe-
ten.
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat am
11. November 2008 über die Lage im Kongo beraten.
Eine Entscheidung über eine Verstärkung von MONUC
ist dabei noch nicht gefallen. Eine solche Entscheidung
wird voraussichtlich erst auf der Grundlage eines umfas-
senden Berichtes des Generalsekretärs zu MONUC er-
folgen, der für den 19. November 2008 angekündigt ist.
Im Zentrum der Diskussion steht derzeit weniger die
Frage einer Ausweitung des Mandats von MONUC als
vielmehr die geforderten Verstärkungen von MONUC
mit neuen Fähigkeiten und weiteren Truppen. Das
MONUC-Mandat wird spätestens am 31. Dezember
2008 im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen verlän-
gert.
Der Rat für Auswärtige und Allgemeine Angelegen-
heiten der EU hat sich in seinen Schlussfolgerungen vom
10. November 2008 für die Unterstützung von sowie
eine engere Zusammenarbeit mit MONUC ausgespro-
chen.
Anlage 15
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Peter Altmaier auf die Frage des
Abgeordneten Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN) (Drucksache 16/10802, Frage 32):
Welche Kenntisse hat die Bundesregierung über den sich
in Deutschland aufhaltenden und von Interpol gesuchten
Ignace Murwanashyaka, Präsident der gefürchteten Hutu-
Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas),
der nach eigenen Angaben (Interview mit TV-Magazin Fakt
vom 3. November 2008) die volle Kontrolle und den Über-
blick über die Miliz hat, und wieso wird dieser nach Kenntnis
der Bundesregierung nicht wegen Verdachts von Verbrechen
gegen die Menschlichkeit angeklagt und festgesetzt?
Der ruandische Staatsbürger Dr. Ignace Murwanashyaka
(M) hält sich nach Kenntnis der Bundesregierung in
Mannheim auf. Die im TV-Magazin „Fakt“ gegen M er-
hobenen Vorwürfe sind der Bundesregierung aus ähnlich
lautenden Pressemeldungen seit 2006 bekannt und Ge-
genstand eines am 28. Juni 2006 eingeleiteten Ermitt-
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ungsverfahrens der Generalbundesanwaltschaft. Die
akten und Zusammenhänge sind wesentlich komplexer
ls in dem Bericht dargestellt. Wegen des konkreten Er-
ittlungsverfahrens bitte ich um Ihr Verständnis, dass
ch Ihnen Einzelheiten hierzu öffentlich nicht mitteilen
ann. Dies gilt auch für die Frage einer möglichen Fest-
ahme aufgrund etwaiger ausländischer Fahndungsersu-
hen. Die aus den Gesamtumständen der aufzuklärenden
traftaten sich ergebende diffizile Ermittlungsarbeit
önnte anderenfalls weiter erschwert werden.
nlage 16
Antwort
es Parl. Staatssekretärs Peter Altmaier auf die Frage des
bgeordneten Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) (Drucksa-
he 16/10802, Frage 33):
Auf welchen internationalen Flughäfen (weltweit) werden
nach Kenntnis der Bundesregierung bereits Ganzkörperscan-
ner/Nacktbildscanner bei den Personenkontrollen verwendet?
Der Bundesregierung liegt keine gesicherte und um-
assende Aufstellung über die Verwendung von Ganz-
örperscannern bei der Personenkontrolle an Flughäfen
or. Nach hier vorliegenden Informationen werden an
eun US-Flughäfen „Body-Scanner“ auf der Basis von
reiwilligkeit (anstelle des Abtastens durch Sicherheits-
ersonal) verwendet. Weitere internationale Flughäfen,
ie Ganzkörperscanner nutzen sollen, sind Moskau,
saka, Tokio und Mexiko. Die EU-KOM unterrichtete
ber „Realtests“ mit Ganzkörperscannern an Flughäfen
er Niederlande, Großbritanniens und Finnlands.
nlage 17
Antwort
es Parl. Staatssekretärs Peter Altmaier auf die Frage des
bgeordneten Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/
IE GRÜNEN) (Drucksache 16/10802, Frage 34):
In welchem Umfang haben Sicherheitsbehörden von Bund
und – nach Kenntnis der Bundesregierung – Ländern jeweils
seit 2005 jährlich Standorte von Mobilfunkendgeräten zu re-
pressiven bzw. präventiven Zwecken ermittelt, etwa gemäß
§ 100 i der Strafprozessordnung, § 98 des Telekommunika-
tionsgesetzes oder anderer Rechtsgrundlagen, und in welchem
Umfang forderten diese Sicherheitsbehörden derweil – gege-
benenfalls unter Hinweis auf einen Notfall – jeweils Standor-
terkenntnisse der Notrufzentralen der Björn-Steiger-Stiftung
an?
Seitens der Polizeibehörden des Bundes wurde in
em in Rede stehenden Zeitraum 28-mal von der repres-
iven Standortermittlung gemäß § 100 i Abs. 1 Nr. 2 der
trafprozessordnung (StPO) Gebrauch gemacht. Davon
ntfallen 15 Standortermittlungen auf das Bundeskrimi-
alamt (BKA) (2005: 5; 2006: 5; 2007: 4; 2008 bisher 1)
nd 5 Standortermittlungen auf die Bundespolizei
BPOL). In sieben weiteren Fällen leistete die BPOL
mtshilfe für Länderpolizeien und in einem weiteren
all wurde Amtshilfe für eine nachgeordnete Behörde
es Zollkriminalamtes (ZKA) geleistet. Auch hierfür
ar § 100 i Abs. 1 Nr. 2 StPO einschlägig.
19924 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. November 2008
(A) )
(B) )
Standortermittlungen zu präventiven Zwecken hat die
BPOL nicht durchgeführt. In circa 2 bis 3 Einzelfällen
pro Jahr hat das Bundeskriminalamt auf Ersuchen aus-
ländischer Dienstellen zum Zwecke der Gefahrenabwehr
bei Gefahr im Verzug auf der Grundlage von § 19 Abs. 4
des Bundeskriminalamtgesetzes (BKAG) in Verbindung
mit dem jeweils örtlich einschlägigen Landespolizeirecht
eine Lokalisierung von Mobilfunkendgeräten durchge-
führt. Dabei ging es bisher ausschließlich um Suizidan-
kündigungen.
Eine diesbezügliche Statistik wird beim Bundeskrimi-
nalamt aufgrund der geringen Fallzahlen nicht geführt.
Die Notrufzentrale der Björn-Steiger-Stiftung wird vom
Bundeskriminalamt nicht in Anspruch genommen.
Ebenso liegen den BKA und BPOL keine statistischen
Daten zur Standortermittlung zu präventiven und repres-
siven Zwecken durch die Länderpolizeien vor.
Dem BMJ liegen darüber hinaus keine statistischen
Erkenntnisse zu diesem Thema aus ihren Geschäftsbe-
reich vor.
Zwar sieht die zum 1. Januar 2008 in Kraft getretene
Neuregelung in § 100 g Abs. 4 StPO eine statistische Er-
hebung von Daten zu repressiven Verkehrsdatenabfragen
vor, entsprechende Daten sind aber erstmals im Jahr
2009 für das Kalenderjahr 2008 zu erwarten und werden
entsprechend den Vorgaben in § 100 g Abs. 4 StPO die
Ermittlung von Standorten von Mobilfunkgeräten nicht
gesondert ausweisen.
Aus dem vom Max-Planck-Institut für ausländisches
und internationales Strafrecht in Freiburg erstellten Er-
fahrungsbericht über die „Rechtswirklichkeit der Aus-
kunftserteilung über Telekommunikationsverbindungs-
daten nach §§ 100 g, 100 h der Strafprozessordnung“
gehen entsprechende Daten für die Jahre ab 2005 eben-
falls nicht hervor; der Untersuchung lag unter anderem
eine Analyse von Verfahrensakten aus den Jahren 2003
und 2004 zugrunde. Die MPI-Untersuchung liegt dem
Deutschen Bundestag als Bundestagsdrucksache 16/8434
vor (vergleiche dort insbesondere Seite 63, 81 f.).
Soweit die Frage auf die Erhebung von Standortdaten
durch Nachrichtendienste zielt, sind geheimhaltungsbe-
dürftige Methoden der Nachrichtendienste betroffen. Die
Bundesregierung berichtet hierzu nur in den dafür vorge-
sehenen besonderen Gremien des Deutschen Bundesta-
ges.
Anlage 18
Antwort
der Parl. Staatssekretärin Nicolette Kressl auf die Frage
der Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE)
(Drucksache 16/10802, Frage 22):
Ist es im Sinne der umweltpolitischen Ziele der Bundesregie-
rung, wenn nach dem Maßnahmepaket der Bundesregierung ein
Käufer eines Audi-Geländewagens Q7 V12 TDI 1 852 Euro
Steuerersparnis erzielt und damit 15-mal soviel Steuern spart
wie der Käufer eines Kleinwagens Toyota Aygo 1,0, und ist die
Bundesregierung der Auffassung, dass damit eine „punktge-
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naue“ Förderung, wie es die Bundeskanzlerin für ein Kon-
junkturprogramm immer gefordert hat, erreicht wird?
Die befristete Kfz-Steuerentlastung für Pkw wird vor
llem konjunkturellen Anforderungen und im Ergebnis
er Sicherung von Arbeitsplätzen gerecht. Diese kurz-
ristig umsetzbare Maßnahme wirkt der Kaufzurückhal-
ung von Verbrauchern bis zur Umstellung auf eine CO2-
ezogene Kfz-Steuer entgegen. Ihr wesentliches Ziel ist
ie zeitnahe Stabilisierung der Nachfrage in allen Seg-
enten des Pkw-Marktes, einem von der konjunkturel-
en Entwicklung besonders betroffenen Wirtschaftsbe-
eich.
Umweltpolitischen Zielen dient die auf maximal zwei
ahre verlängerte Entlastung für besonders schadstoff-
rme Pkw, die vorzeitig die ab 1. Januar 2011 bzw.
. September 2015 verbindlichen Euro-5- oder Euro-6-
bgasvorschriften erfüllen. Damit setzt die Bundesre-
ierung auf der Hersteller- wie auf der Verbraucherseite
eutliche Anreize. Außerdem wird die Bundesregierung
ügig die Umstellung der Kfz-Steuer auf eine CO2-bezo-
ene Bemessungsgrundlage mit Wirkung ab 2011 und
ie Übertragung der Kfz-Steuer von den Ländern auf
en Bund vorantreiben.
Im Übrigen käme für den in der Frage genannten Ge-
ändewagen zurzeit nur eine Steuerentlastung für ein
ahr (926 Euro) infrage.
nlage 19
Antwort
er Parl. Staatssekretärin Nicolette Kressl auf die Frage
es Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (BÜND-
IS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 16/10802, Frage 36):
Wie viel Entgelt für Garantiezusagen hat bzw. wird die
Bundesregierung jeweils von Finanzunternehmen gemäß § 6
Abs. 1 Satz 3 des Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetzes
(FMStFG) verlangen, die Garantien sowie ggf. weitere Unter-
stüzungen gemäß § 7 f. FMStFG beantragen bzw. schon zuge-
sagt erhielten (wie etwa Hypo Real Estate Bank, Commerz-
bank etc.), und welche Auflagen gemäß § 5 Abs. 2 bis 4 der
Finanzmarktstabilisierungsfondsverordnung wurden bzw. wer-
den diesen Unternehmen jeweils konkret auferlegt, insbeson-
dere zu Vergütungshöhe, Abfindungen, Boni und anderen Ver-
gütungsteilen von Organmitgliedern sowie zu Beschränkungen
und Gestaltungen der Geschäftstätigkeit?
Nach § 10 a des Gesetzes zur Errichtung eines Fi-
anzmarktstabilisierungsfonds ist die Errichtung eines
esonderen Gremiums zum Finanzmarktstabilisierungs-
onds vorgesehen. Zusammensetzung und Arbeitsweise
ieses Gremiums werden vom Deutschen Bundestag be-
timmt. Das Bundesministerium der Finanzen unterrich-
et das Gremium über alle den Finanzmarktstabilisie-
ungsfonds betreffenden Fragen. Im Gegenzug tagt das
remium geheim und alle Gremiumsmitglieder und Sit-
ungsteilnehmer sind zur Geheimhaltung verpflichtet.
llein diesem Gremium gegenüber darf die Bundesre-
ierung zu konkreten Stabilisierungsfällen Auskunft ge-
en und Rechenschaft ablegen.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. November 2008 19925
(A) )
(B) )
Anlage 20
Antwort
der Parl. Staatssekretärin Nicolette Kressl auf die Fragen
der Abgeordneten Dr. Barbara Höll (DIE LINKE)
(Drucksache 16/10802, Fragen 37 und 38):
Nach welchen Kompetenzkriterien hat die Bundesregie-
rung die Mitglieder der von Otmar Issing geleiteten Experten-
gruppe „Neue Finanzarchitektur“ ausgewählt, und welche
Finanzmarktanalysen (zum Beispiel in Form schriftlicher Ver-
lautbarungen, Pressestatements oder Aufsätzen) haben die
Mitglieder aus der Zeit vor Juli 2007 vorzuweisen, in denen
sie auf die seit Juli 2007 eingetretenen Probleme und Risiken
hingewiesen haben?
Sind Konsultationen der von Otmar Issing geleiteten Ex-
pertengruppe „Neue Finanzarchitektur“ mit Experten aus
Wissenschaft, Verbänden, Gewerkschaften und Nichtregie-
rungsorganisationen geplant, die sich schon vor Juli 2007 kri-
tisch zur Entwicklung der Finanzmärkte geäußert haben?
Zu Frage 37:
Als Mitglieder der Gruppe wurden ausgewiesene
Experten berufen, die über langjährige Erfahrungen in
ihren jeweiligen Bereichen verfügen. – Sie erwarben
ihre Erfahrungen in Wissenschaft, Zentralbanken, EU-
Kommission, der Bank für internationalen Zahlungsaus-
gleich oder der Bundesverwaltung. Damit sind in der
Gruppe ein breites Erfahrungsspektrum und verschie-
dene Perspektiven vertreten. Die Mitglieder der Exper-
tengruppe sind auch durch Publikationen in ihren Berei-
chen hervorgetreten. So hat beispielsweise Herr
Professor Issing zahlreiche Publikationen zur Geldpoli-
tik und Geldtheorie veröffentlicht. Professor Krahnen
hat umfangreich zu den Bereichen Banken, Kapital- und
Finanzmärkte publiziert, unter anderem eine Schrift zu
den Risiken der Finanzmärkte von 2003 und zu Bankri-
siken vom Februar 2007. William White war als langjäh-
riger Chefvolkswirt der Bank für internationalen Zah-
lungsausgleich verantwortlich für deren Jahresberichte,
die relativ früh kritische Hinweise auf Entwicklungen
auf den Finanzmärkten enthielten.
Zu Frage 38:
Die Expertengruppe hat die Aufgabe mit Blick auf
den ersten Finanzgipfel am 15. November 2008 in
Washington und die Folgegipfel die Bundeskanzlerin
und den Finanzminister bei ihrer Positionierung zu un-
terstützen und geeignete Empfehlungen abzugeben. Da-
bei steht es ihr frei, sich mit Fachleuten außerhalb der
Gruppe auszutauschen und externe Analysen in ihre
Meinungsbildung einfließen zu lassen.
Anlage 21
Antwort
der Parl. Staatssekretärin Nicolette Kressl auf die Fragen
des Abgeordneten Dr. Axel Troost (DIE LINKE)
(Drucksache 16/10802, Fragen 39 und 40):
Wie begründet die Bundesregierung, dass die Eigenkapi-
talspritze für die Commerzbank durch den Sonderfonds Fi-
nanzmarktstabilisierung (Soffin) in der Form einer stillen Ein-
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lage und damit unter Verzicht auf Stimmrechte durchgeführt
werden soll?
Sind Presseberichte zutreffend, dass der Bund trotz öffent-
licher Eigenkapitalspritze keinen Vertreter in den Aufsichtsrat
der Commerzbank entsendet und sich nicht ins Tagesgeschäft
einmischen möchte, und, falls ja, wie begründet die Bundesre-
gierung dies?
Nach § 10 a des Gesetzes zur Errichtung eines Finanz-
arktstabilisierungsfonds (Finanzmarktstabilisierungs-
ondsgesetz – FMStFG) ist die Errichtung eines besonde-
en Gremiums zum Finanzmarktstabilisierungsfonds
orgesehen. Zusammensetzung und Arbeitsweise dieses
remiums wird vom Deutschen Bundestag bestimmt.
as Bundesministerium der Finanzen unterrichtet das
remium über alle den Finanzmarktstabilisierungsfonds
etreffenden Fragen. Im Gegenzug tagt das Gremium ge-
eim, und alle Gremiumsmitglieder und Sitzungsteilneh-
er sind zur Geheimhaltung verpflichtet. Allein diesem
remium gegenüber darf die Bundesregierung zu kon-
reten Stabilisierungsfällen Auskunft geben und Rechen-
chaft ablegen.
nlage 22
Antwort
er Parl. Staatssekretärin Nicolette Kressl auf die Fragen
es Abgeordneten Werner Dreibus (DIE LINKE)
Drucksache 16/10802, Fragen 41 und 42):
Wie begründet die Bundesregierung die Tatsache, dass die
Commerzbank für öffentliche Garantien über maximal 15 Mil-
liarden Euro nur in etwa 1 Prozent Gebühren bezahlen soll
angesichts der Formulierung in der Begründung des Finanz-
marktstabilisierungsgesetzes, dass die Garantieentgelte „grund-
sätzlich eine Höhe von 2 Prozent im Jahr nicht unterschreiten“
sollten, und wie begründet die Bundesregierung, dass der
Bund der Commerzbank trotz öffentlicher Eigenkapitalspritze
keine Auflagen in Bezug auf Arbeitsplatzsicherung machen
möchte, auch nicht in Zusammenhang mit der Fusion mit der
Dresdner Bank?
Ist sich die Bundesregierung der Gefahr bewusst, dass sich
die Nationalstaaten in einen Dumping-Wettlauf darum bege-
ben, wer seinen Banken die günstigsten Stützungsbedingun-
gen bietet, und, falls ja, wie begründet sie dann, dass die
britischen Banken für öffentliche Eigenkapitalspritzen mehr
als 10 Prozent Zinsen bezahlen, die Commerzbank dagegen
deutlich weniger?
u Frage 41:
Nach § 10 a des Gesetzes zur Errichtung eines
inanzmarktstabilisierungsfonds (Finanzmarktstabilisie-
ungsfondsgesetz – FMStFG) ist die Errichtung eines be-
onderen Gremiums zum Finanzmarktstabilisierungs-
onds vorgesehen. Zusammensetzung und Arbeitsweise
ieses Gremiums werden vom Deutschen Bundestag be-
timmt. Das Bundesministerium der Finanzen unterrich-
et das Gremium über alle den Finanzmarktstabilisie-
ungsfonds betreffenden Fragen. Im Gegenzug tagt das
remium geheim und alle Gremiumsmitglieder und Sit-
ungsteilnehmer sind zur Geheimhaltung verpflichtet.
llein diesem Gremium gegenüber darf die Bundes-
egierung zu konkreten Stabilisierungsfällen Auskunft
eben und Rechenschaft ablegen.
19926 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. November 2008
(A) )
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Zu Frage 42:
Ziel des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes ist es,
das Vertrauen in das Finanzsystem wiederherzustellen
und den Geschäftsverkehr zwischen den Finanzinstitu-
tionen wieder in geordnete Bahnen zu lenken. Vor die-
sem Hintergrund führt das Gesetz Maßnahmen ein, die
erforderlich sind, um die volle Funktionsfähigkeit der
Finanzmärkte zu gewährleisten und das Finanzsystem zu
stabilisieren. Jedes Unternehmen soll dabei frei entschei-
den können, ob und welche Maßnahmen es im Rahmen
seiner individuellen Geschäftspolitik in Anspruch neh-
men will.
Anlage 23
Antwort
der Parl. Staatssekretärin Nicolette Kressl auf die Fragen
der Abgeordneten Ulla Lötzer (DIE LINKE) (Drucksa-
che 16/10802, Fragen 43 und 44):
Wie begründet die Bundesregierung, dass für die Verzin-
sung der öffentlichen Kapitalspritze für die Commerzbank
Darlehenszinsen als Vergleichsmaßstab herangezogen wer-
den, obwohl Eigenkapital deutlich höheren Verlustrisiken aus-
gesetzt ist und daher deutlich höher verzinst werden müsste?
Sind der Commerzbank im Zuge der Stützungsaktion
durch den Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung (Soffin) be-
züglich ihres Kreditangebots an Firmen und Privatkunden nur
vage oder präzise, nachprüfbare Auflagen gemacht worden,
und welche sind dies?
Nach § 10 a des Gesetzes zur Errichtung eines Finanz-
marktstabilisierungsfonds (Finanzmarktstabilisierungsfonds-
gesetz – FMStFG) ist die Errichtung eines besonderen
Gremiums zum Finanzmarktstabilisierungsfonds vorge-
sehen. Zusammensetzung und Arbeitsweise dieses Gre-
miums wird vom Deutschen Bundestag bestimmt. Das
Bundesministerium der Finanzen unterrichtet das Gre-
mium über alle den Finanzmarktstabilisierungsfonds be-
treffenden Fragen. Im Gegenzug tagt das Gremium
geheim und alle Gremiumsmitglieder und Sitzungsteil-
nehmer sind zur Geheimhaltung verpflichtet. Allein die-
sem Gremium gegenüber darf die Bundesregierung zu
konkreten Stabilisierungsfällen Auskunft geben und Re-
chenschaft ablegen.
Anlage 24
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Jörg Tauss, Gerd Andres,
Ulla Burchardt, Dr. Herta Däubler-Gmelin,
Elvira Drobinski-Weiß, Angelika Graf, Mechthild
Rawert, Dr. Carola Reimann, Dr. Margrit
Spielmann und Andrea Wicklein (alle SPD) zur
namentlichen Abstimmung über den Entwurf
eines Gesetzes zur Abwehr von Gefahren des in-
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ternationalen Terrorismus durch das Bundes-
kriminalamt (Tagesordnungspunkt 3)
Ich verweigere dem Gesetzentwurf der Bundesregie-
ung für ein Gesetz zur Abwehr von Gefahren des inter-
ationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt
16/10121) bei der Beratung in zweiter und dritter Le-
ung meine Zustimmung.
Nach Artikel 73 Abs. 1 Nr. 9 a des Grundgesetzes
GG) hat der Bund die ausschließliche Gesetzgebungs-
ompetenz für die Abwehr von Gefahren des internatio-
alen Terrorismus durch das Bundeskriminalpolizeiamt
n Fällen, in denen eine länderübergreifende Gefahr vor-
iegt, die Zuständigkeit einer Landespolizeibehörde
icht erkennbar ist oder die oberste Landesbehörde um
ine Übernahme ersucht. Der Entwurf dient der einfach-
esetzlichen Umsetzung dieser neuen Gesetzgebungs-
ompetenz des Bundes.
Das BKA soll im Zuge der Novellierung des BKA-
esetzes ein umfassendes Spektrum geheimer Ermitt-
ungsinstrumentarien erhalten. Diese Möglichkeiten
ollen auch explizit Nichtbeteiligte betreffen, die der Ge-
etzesentwurf vage „Kontaktpersonen“ nennt. Als Kon-
aktperson kann den Buchstaben des Gesetzes folgend
eder Mensch gelten, der auch nur entfernt mit einem
erdächtigen in Kontakt steht. Viele Kritiker – und auch
achverständige bei der öffentlichen Anhörung des
KA-Gesetzentwurfes im Innenausschuss – monierten
aher zu Recht, dass mit dem vorliegenden Gesetzent-
urf dem grundsätzlichen Trennungsgebot zwischen
olizei und Geheimdienst nicht hinreichend Rechnung
etragen wird bzw. dass dieses Trennungsgebot quasi
ufgehoben wird.
Als eine neue Befugnis soll das BKA dabei auch ver-
eckt auf informationstechnische Systeme zugreifen
ürfen, womit die sogenannten Onlinedurchsuchungen
emeint sind. Das Bundesverfassungsgericht hat mit sei-
er Entscheidung zum nordrhein-westfälischen Verfas-
ungsschutzgesetz dieser Ausforschung der digitalen
rivatsphäre allerdings enge Grenzen gesetzt. Als Vo-
aussetzung verlangt es tatsächliche Anhaltspunkte für
ie Entstehung konkreter Gefahren.
Der Einsatz verdeckter Ermittlungsmaßnahmen, die
o weitgehend in die Grundrechte der Betroffenen
ingreifen, bedarf grundsätzlich einer vorherigen richter-
ichen Prüfung. Der Richtervorbehalt soll eine vorbeu-
ende Kontrolle der geplanten Überwachungsmaß-
ahmen durch eine neutrale Stelle gewährleisten. Die
ichterliche Kontrolle darf nur in begrenzten Ausnahme-
ällen, etwa bei Gefahr im Verzuge – etwa während der
achtzeiten –, ausgesetzt werden und ist dann unverzüg-
ich nachzuholen. Der Gesetzentwurf sieht jedoch Aus-
ahmeregelungen für besondere Eilfälle bei Maßnahmen
ie der Quellentelekommunikationsüberwachung, dem
insatz verdeckter Ermittler oder der Onlinedurchsu-
hung vor, die sich alle durch erhebliche Vorbereitungs-
eiten auszeichnen. Für die genannten Methoden sind
aum Eilfälle denkbar, in denen eine vorherige richterli-
he Entscheidung nicht einzuholen wäre – der Gesetz-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. November 2008 19927
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(B) )
entwurf verletzt insofern den Anspruch nach effektivem
prozessualem Grundrechtsschutz.
Durch den heimlichen Zugriff auf Computer und an-
dere informationstechnische Systeme werden zudem re-
gelmäßig nicht nur gefahrenbezogene Erkenntnisse, son-
dern auch tiefe Einblicke in die „digitale Privat- und
Intimsphäre“ der durchsuchten Personen und ihr Kom-
munikationsverhalten gewonnen. Hierbei lässt es sich in
vielen Fällen nicht vermeiden, dass die Ermittlungen
auch den Kernbereich privater Lebensgestaltung verlet-
zen. Darüber hinaus wird eine heimliche Ausforschung
regelmäßig auch andere Personen – als die Zielperson –
betreffen, deren Daten, aus welchen Gründen auch im-
mer, auf dem „Zielcomputer“ gespeichert sind. Schon
diese „Streubreite“ der Maßnahme sollte Anlass sein,
Onlinedurchsuchungen grundsätzlich infrage zu stellen.
Aus diesen Gründen ist es auch absolut unzureichend,
dass der behördeninterne Datenschutzbeauftragte des
BKAs und nicht etwa der unabhängige Bundesbeauf-
tragte für den Datenschutz dafür Sorge tragen soll, den
Schutz des absolut geschützten Kernbereichs privater
Lebensführung sicherzustellen.
Darüber hinaus trifft der vorliegende Gesetzentwurf
keinerlei Vorkehrungen dafür, die Durchsuchung des
„richtigen“ Computers zu garantieren. Onlinedurchsu-
chungen unterscheiden sich von Lauschangriffen oder
auch Telekommunikationsüberwachungen, bei denen die
Orte bzw. die Gelegenheiten der Überwachung – von tat-
sächlichen Irrtümern abgesehen – mit Gewissheit fest-
stehen. Bei Onlinedurchsuchungen hingegen besteht ein
erhebliches Risiko, dass Unverdächtige betroffen wer-
den, wenn die Infiltration des Zielsystems „von außen“
– über eine Internetverbindung – bewirkt wird. In der
mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverfassungs-
gericht wurde das nicht unerhebliche Risiko einer Aus-
forschung des falschen Rechners – unfreiwillig – durch
den Präsidenten des BKA bestätigt.
Ohnehin hat die Bundesregierung bisher keinen
Nachweis dafür erbracht, dass präventive Onlinedurch-
suchungen unverzichtbar seien. Vergleichbare Zweifel
sind bezüglich der Notwendigkeit und Effektivität von
Rasterfahndungen angebracht. Der bloße Hinweis auf
– nicht zu bestreitende – terroristische Bedrohungen
reicht hierfür allein nicht aus. Es bedürfte vielmehr des
Nachweises, dass das bisherige Instrumentarium heimli-
cher Überwachungsmethoden nicht ausreicht und mithin
nur Onlinedurchsuchungen in der Lage sind, zukünftige
Gefahren zu bewältigen.
Zusätzlich erschwert wird eine Zustimmung aufgrund
der erneut vorgenommenen „Relativierung der Zeugnis-
verweigerungsrechte“, insbesondere mit Blick auf die
Arbeit der Journalistinnen und Journalisten. Dies ist al-
lerdings nicht nur ein Problem des BKA-Gesetzes, son-
dern letztlich ein Folgeproblem der Änderung der StPO
im vergangenen Jahr. Mit dem Gesetz zur „Neuregelung
der Telekommunikationsüberwachung und anderer ver-
deckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung
der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung“, verabschie-
det am 9. November 2007, wurden auch die Vorgaben
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er Zeugnisverweigerungsrechte geändert. Ziel dieser
nderung war es, „ein harmonisches Konzept für den
chutz bei Berufsgeheimnisträgern“ zu schaffen. Mit der
eufassung des § 53 b (alt) bzw. § 160 a (neu) des Ge-
etzentwurfes wurde eine Differenzierung der Zeugnis-
erweigerungsberechtigten nach § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1,
und 4 – Geistliche, Strafverteidiger und Abgeordnete –
uf der einen Seite und den nach § 53 zur Verweigerung
es Zeugnis Berechtigten – Anwälte, Notare, Ärzte,
herapeuten, Journalisten – andererseits vorgenommen.
ür den zuerst genannten Personenkreis ist ein uneinge-
chränktes Beweiserhebungs- und Verwertungsverbot
orgesehen, für den zweiten Personenkreis wurde eine
erhältnismäßigkeitsprüfung etabliert, die dann zu ei-
em Beweiserhebungsverbot führen kann. Diese Relati-
ierung der Zeugnisverweigerungsrechte wurde von mir
ereits bei der Änderung der StPO kritisiert, weil diese
gerade mit Blick auf die Angehörigen der Medien –
en verfassungsrechtlichen Vorgaben des Informanten-
chutzes und des Redaktionsgeheimnisses nicht adäquat
echnung trägt. Dies gilt erst recht für die nun vorgese-
enen weitgehenden Eingriffsmöglichkeiten und Maß-
ahmen des BKA-Gesetzes, insbesondere mit Blick auf
ie Onlinedurchsuchung, auf die die Zeugnisverweige-
ungsrechte der StPO jetzt inhaltsgleich übertragen wer-
en. Aus diesem Grund muss bei der Umsetzung des
KA-Gesetzes wie auch bei der Umsetzung der Ände-
ungen der StPO sorgfältig geprüft werden, ob diese Re-
ativierung des Zeugnisverweigerungsrechtes und vor al-
em die vorgesehene Verhältnismäßigkeitsprüfung in der
raxis tatsächlich den notwendigen Berufsgeheimnis-
chutz sicherstellen kann. Sollte es Anhaltspunkte dafür
eben, dass diese Relativierung des Zeugnisverweige-
ungsrechtes zu einer unangemessenen Einschränkung
es Berufsgeheimnisschutzes – und hierbei insbesondere
ezüglich der verfassungsrechtlichen Vorgaben zum In-
ormantenschutz und des Redaktionsgeheimnisses –
ührt, wird auf solche Entwicklungen zeitnah reagiert
erden müssen.
Nicht allein wegen dieser Punkte ist mir eine Zustim-
ung nicht möglich.
nlage 25
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Dr. Michael Bürsch und Helga
Kühn-Mengel (beide SPD) zur namentlichen
Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes
zur Abwehr von Gefahren des internationalen
Terrorismus durch das Bundeskriminalamt
(Tagesordnungspunkt 3)
Die Entscheidung, das Bundeskriminalamt mit der
efahrenabwehr des internationalen Terrorismus zentral
nd ausschließlich zu betrauen, ist bereits vom Deut-
chen Bundestag mit einer Zweidrittelmehrheit vor über
rei Jahren beschlossen worden. Damals ist das Grund-
esetz entsprechend geändert worden. Diese generelle
ufgabenzuständigkeit wird nun mit den Änderungen
19928 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. November 2008
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zum BKAG einfachgesetzlich nachvollzogen und ausge-
füllt. Dies ist richtig und notwendig.
Das Gesetz übernimmt eine große Anzahl bereits vor-
handener und bewährter Polizeibefugnisse aus längst
geltenden Gesetzen der deutschen Länderpolizeien, und
orientiert sich strikt an den Vorgaben des Bundesverfas-
sungsgerichts. Mit der Konzentration und Zentralisie-
rung der Polizeibefugnisse auf Bundesebene in einem
zentralen Kriminalitätsfeld zur Gefahrenabwehr und zur
Straftatenverhütung werden allerdings erstmals auf Bun-
desebene polizeiliche Befugnisse im Rahmen der Terro-
rismusbekämpfung geschaffen, die den ausschließlich
den Nachrichtendiensten vorbehaltenen Aufgaben sehr
nahekommen.
Für den Bereich der Onlinedurchsuchung halte ich die
für die Praxis vorgestellten Eilfälle für sehr konstruiert.
Auch bin ich skeptisch, ob die zur Auswertung von
eventuellen Kernbereichserkenntnissen eingesetzten
BKA-Beamten einschließlich des BKA-Datenschutzbe-
auftragten ausreichend neutral und unabhängig entschei-
den können.
Darüber hinaus bin ich der Auffassung, dass der Kreis
der zeugnisverweigerungsberechtigten Personen, deren
Schutz der Entwurf in § 21 u des Bundeskriminalamts-
gesetzes anordnet, zu eng gefasst ist. Patientinnen und
Patienten haben ein Recht darauf, dass das Arzt-Patien-
ten-Verhältnis vertraulich bleibt. Ärzte, Zahnärzte und
Psychotherapeuten müssen daher Geistlichen, Strafver-
teidigern und Abgeordneten in diesem Zusammenhang
gleichgestellt werden.
Dennoch kann ich diesem Gesetz insgesamt zustim-
men, weil durch die gesetzlich verankerte unabhängige
Evaluierung dieser Streitfragen und die Befristung der
Bestimmung zur Onlinedurchsuchung im neuen BKA-
Gesetz gewährleistet ist, dass nicht nur das eventuell an-
gerufene Bundesverfassungsgericht, sondern auch der
Gesetzgeber selbst zwingend gehalten sind, das grund-
sätzlich einzuhaltende Trennungsgebot zwischen poli-
zeilichen Aufgaben und nachrichtendienstlicher Zustän-
digkeit strikt einzuhalten, und so auch die hohen
Anforderungen für besonders intensive Grundrechtsein-
griffe evaluiert und überprüft werden.
Anlage 26
Erklärung nach § 31 GO
zur namentlichen Abstimmung über den Ent-
wurf eines Gesetzes zur Abwehr von Gefahren
des Internationalen Terrorismus durch das
Bundeskriminalamt (Tagesordnungspunkt 3)
Dr. Lale Akgün (SPD): Ich stimme dem Gesetzent-
wurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur Abwehr
von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das
Bundeskriminalamt (16/10121) bei der Beratung in
zweiter und dritter Lesung zu, obgleich ich folgende Be-
denken zu Protokoll gebe:
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Nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 9 a des Grundgesetzes (GG)
at der Bund die ausschließliche Gesetzgebungskompe-
enz für die Abwehr von Gefahren des internationalen
errorismus durch das Bundeskriminalpolizeiamt in Fäl-
en, in denen eine länderübergreifende Gefahr vorliegt,
ie Zuständigkeit einer Landespolizeibehörde nicht er-
ennbar ist oder die oberste Landesbehörde um eine
bernahme ersucht. Der Entwurf dient der einfachge-
etzlichen Umsetzung dieser neuen Gesetzgebungskom-
etenz des Bundes.
Das BKA soll im Zuge der Novellierung des BKA-
esetzes ein umfassendes Spektrum geheimer Ermitt-
ungsinstrumentarien erhalten. Diese Möglichkeiten sol-
en auch explizit Nichtbeteiligte betreffen, die der Geset-
esentwurf vage „Kontaktpersonen“ nennt.
Als Kontaktperson kann den Buchstaben des Geset-
es folgend jeder Mensch gelten, der auch nur entfernt
it einem Verdächtigen in Kontakt steht. Viele Kritiker
und auch Sachverständige bei der öffentlichen Anhö-
ung des BKA-Gesetzentwurfes im Innenausschuss –
onierten daher zu Recht, dass mit dem vorliegenden
esetzentwurf dem grundsätzlichen Trennungsgebot
wischen Polizei und Geheimdienst nicht hinreichend
echnung getragen wird bzw. dass dieses Trennungs-
ebot quasi aufgehoben wird.
Als eine neue Befugnis soll das BKA dabei auch ver-
eckt auf informationstechnische Systeme zugreifen
ürfen, womit die sogenannten Onlinedurchsuchungen
emeint sind. Das Bundesverfassungsgericht hat mit
einer Entscheidung zum nordrhein-westfälischen Ver-
assungsschutzgesetz dieser Ausforschung der digitalen
rivatsphäre allerdings enge Grenzen gesetzt. Als Vo-
aussetzung verlangt es tatsächliche Anhaltspunkte für
ie Entstehung konkreter Gefahren.
Der Einsatz verdeckter Ermittlungsmaßnahmen, die so
eitgehend in die Grundrechte der Betroffenen eingrei-
en, bedarf grundsätzlich einer vorherigen richterlichen
rüfung. Der Richtervorbehalt soll eine vorbeugende
ontrolle der geplanten Überwachungsmaßnahmen
urch eine neutrale Stelle gewährleisten. Die richterliche
ontrolle darf nur in begrenzten Ausnahmefällen, etwa
ei Gefahr im Verzuge, etwa während der Nachtzeiten,
usgesetzt werden und ist dann unverzüglich nachzuho-
en.
Der Gesetzentwurf sieht jedoch Ausnahmeregelungen
ür besondere Eilfälle bei Maßnahmen wie der Quellen-
elekommunikationsüberwachung, dem Einsatz verdeck-
er Ermittler oder der Onlinedurchsuchung vor, die sich
lle durch erhebliche Vorbereitungszeiten auszeichnen.
ür die genannten Methoden sind kaum Eilfälle denkbar,
n denen eine vorherige richterliche Entscheidung nicht
inzuholen wäre. Der Gesetzentwurf verletzt insofern
en Anspruch nach effektivem prozessualem Grund-
echtsschutz.
Durch den heimlichen Zugriff auf Computer und an-
ere informationstechnische Systeme werden zudem re-
elmäßig nicht nur gefahrenbezogene Erkenntnisse, son-
ern auch tiefe Einblicke in die „digitale Privat- und
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. November 2008 19929
(A) )
(B) )
Intimsphäre“ der durchsuchten Personen und ihr Kom-
munikationsverhalten gewonnen. Hierbei lässt es sich in
vielen Fällen nicht vermeiden, dass die Ermittlungen
auch den Kernbereich privater Lebensgestaltung verlet-
zen. Darüber hinaus wird eine heimliche Ausforschung
regelmäßig auch andere Personen (als die Zielperson)
betreffen, deren Daten, aus welchen Gründen auch im-
mer, auf dem „Zielcomputer“ gespeichert sind.
Schon diese „Streubreite“ der Maßnahme sollte An-
lass sein, Onlinedurchsuchungen grundsätzlich infrage
zu stellen. Aus diesen Gründen ist es auch absolut unzu-
reichend, dass der behördeninterne Datenschutzbeauf-
tragte des BKA und nicht etwa der unabhängige Bundes-
beauftragte für den Datenschutz dafür Sorge tragen soll,
den Schutz des absolut geschützten Kernbereichs priva-
ter Lebensführung sicherzustellen.
Darüber hinaus trifft der vorliegende Gesetzentwurf
keinerlei Vorkehrungen dafür, die Durchsuchung des
„richtigen“ Computers zu garantieren. Onlinedurchsu-
chungen unterscheiden sich von Lauschangriffen oder
auch Telekommunikationsüberwachungen, bei denen die
Orte bzw. die Gelegenheiten der Überwachung – von tat-
sächlichen Irrtümern abgesehen – mit Gewissheit fest-
stehen. Bei Onlinedurchsuchungen hingegen besteht ein
erhebliches Risiko, dass Unverdächtige betroffen wer-
den, wenn die Infiltration des Zielsystems „von außen“
über eine Internetverbindung bewirkt wird. In der münd-
lichen Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht
wurde das nicht unerhebliche Risiko einer Ausforschung
des falschen Rechners – unfreiwillig – durch den Präsi-
denten des BKA bestätigt.
Ohnehin hat die Bundesregierung bisher keinen
Nachweis dafür erbracht, dass präventive Onlinedurch-
suchungen unverzichtbar seien. Vergleichbare Zweifel
sind bezüglich der Notwenigkeit und Effektivität von
Rasterfahndungen angebracht. Der bloße Hinweis auf
– nicht zu bestreitende – terroristische Bedrohungen
reicht hierfür allein nicht aus. Es bedürfte vielmehr des
Nachweises, dass das bisherige Instrumentarium heimli-
cher Überwachungsmethoden nicht ausreicht und mithin
nur Onlinedurchsuchungen in der Lage sind, zukünftige
Gefahren zu bewältigen.
Zusätzlich erschwert wird eine Zustimmung aufgrund
der erneut vorgenommenen „Relativierung der Zeugnis-
verweigerungsrechte“, insbesondere mit Blick auf die
Arbeit der Journalistinnen und Journalisten. Dies ist al-
lerdings nicht nur ein Problem des BKA-Gesetzes, son-
dern letztlich ein Folgeproblem der Änderung der StPO
im vergangenen Jahr. Mit dem Gesetz zur „Neuregelung
der Telekommunikationsüberwachung und anderer ver-
deckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung
der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung“, verabschie-
det am 9. November 2007, wurden auch die Vorgaben
der Zeugnisverweigerungsrechte geändert.
Ziel dieser Änderung war es, „ein harmonisches Kon-
zept für den Schutz bei Berufsgeheimnisträgern“ zu
schaffen. Mit der Neufassung des § 53 b (alt) bzw. 160 a
(neu) des Gesetzentwurfes wurde eine Differenzierung
der Zeugnisverweigerungsberechtigten nach § 53 Abs. 1
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atz 1 Nr. 1, 2 und 4 – Geistliche, Strafverteidiger und
bgeordnete – auf der einen Seite und den nach § 53 zur
erweigerung des Zeugnis Berechtigten – Anwälte, No-
are, Ärzte, Therapeuten, Journalisten – andererseits vor-
enommen.
Für den zuerst genannten Personenkreis ist ein unein-
eschränktes Beweiserhebungs- und Verwertungsverbot
orgesehen, für den zweiten Personenkreis wurde eine
erhältnismäßigkeitsprüfung etabliert, die dann zu ei-
em Beweiserhebungsverbot führen kann.
Diese Relativierung der Zeugnisverweigerungsrechte
urde von einigen SPD-Abgeordneten bereits bei der
nderung der StPO kritisiert, weil diese – gerade mit
lick auf die Angehörigen der Medien – den verfas-
ungsrechtlichen Vorgaben des Informantenschutzes und
es Redaktionsgeheimnisses nicht adäquat Rechnung
rägt.
Dies gilt erst recht für die nun vorgesehenen weitge-
enden Eingriffsmöglichkeiten und Maßnahmen des
KA-Gesetzes, insbesondere mit Blick auf die Online-
urchsuchungen, auf die die Zeugnisverweigerungs-
echte der StPO jetzt inhaltsgleich übertragen werden.
us diesem Grund muss bei der Umsetzung des BKA-
esetzes wie auch bei der Umsetzung der Änderungen
er StPO sorgfältig geprüft werden, ob diese Relativie-
ung des Zeugnisverweigerungsrechtes und vor allem
ie vorgesehene Verhältnismäßigkeitsprüfung in der Pra-
is tatsächlich den notwendigen Berufsgeheimnisschutz
icherstellen kann. Sollte es Anhaltspunkte dafür geben,
ass diese Relativierung des Zeugnisverweigerungsrech-
es zu einer unangemessenen Einschränkung des Berufs-
eheimnisschutzes – und hierbei insbesondere bezüglich
er verfassungsrechtlichen Vorgaben zum Informanten-
chutz und des Redaktionsgeheimnisses – führt, wird auf
olche Entwicklungen zeitnah reagiert werden müssen.
Ich stimme diesem Gesetzentwurf trotz folgender
chwerwiegender Bedenken zu: erstens den oben ge-
annten inhaltlichen Gründen, zweitens der Tatsache,
ass im parlamentarischen Verfahren nicht ausreichend
eit vorhanden war, um über den überarbeiteten Gesetz-
ntwurf breit in der gesamten SPD-Bundestagsfraktion
u diskutieren.
Ich gehe davon aus, dass zunächst das Bundesverfas-
ungsgericht das Gesetz ausführlich auf seine Verfas-
ungskonformität prüfen wird. Danach sollte gegebenen-
alls die Umsetzung durch parlamentarische Verfahren
ritisch begleitet werden – in dieser Legislaturperiode
nd darüber hinaus.
Klaus Uwe Benneter (SPD): Die Entscheidung, das
undeskriminalamt mit der Gefahrenabwehr des inter-
ationalen Terrorismus zentral und ausschließlich zu be-
rauen, ist bereits vom Deutschen Bundestag mit einer
weidrittelmehrheit vor über drei Jahren beschlossen
orden. Damals ist das Grundgesetz entsprechend geän-
ert worden. Diese generelle Aufgabenzuständigkeit
ird nun mit den Änderungen zum BKAG einfachge-
etzlich nachvollzogen und ausgefüllt. Dies ist richtig
nd notwendig.
19930 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. November 2008
(A) )
(B) )
Das Gesetz übernimmt eine große Anzahl bereits vor-
handener und bewährter Polizeibefugnisse aus längst
geltenden Gesetzen der deutschen Länderpolizeien. Mit
der Konzentration und Zentralisierung der Polizeibefug-
nisse auf Bundesebene in einem zentralen Kriminalitäts-
feld zur weit im Vorfeld liegenden Gefahrenabwehr und
noch weiter im Vorfeld liegenden Straftatenverhütung
werden erstmals auf Bundesebene polizeiliche Befug-
nisse im Rahmen der Terrorismusbekämpfung geschaf-
fen, die gefährlich nahe an die ausschließlich den Nach-
richtendiensten vorbehaltenen Aufgaben herankommen.
Auch wenn ich mir im Bereich der Onlinedurchsu-
chung die sehr lebensfremd konstruierten Eilfälle nicht
vorstellen kann und die zur Auswertung von eventuellen
Kernbereichserkenntnissen eingesetzten BKA-Beamten
einschließlich dessen Datenschutzbeauftragten nicht als
ausreichend neutral und unabhängig im Sinne der Recht-
sprechung des Bundesverfassungsgerichts ansehe, kann
ich diesem Gesetz zustimmen, weil durch die gesetzlich
verankerte unabhängige Evaluierung dieser Streitfragen
und die Befristung der Bestimmung zur Onlinedurchsu-
chung im neuen BKA-Gesetz gewährleistet ist, dass
nicht nur das eventuell angerufene Bundesverfassungs-
gericht, sondern auch der Gesetzgeber selbst zwingend
gehalten ist, das grundsätzlich einzuhaltende Trennungs-
gebot zwischen polizeilichen Aufgaben und nachrichten-
dienstlicher Zuständigkeit strikt einzuhalten, und so
auch die hohen Anforderungen für besonders intensive
Grundrechtseingriffe evaluiert und überprüft werden.
Ulrich Kelber (SPD): Dem Gesetzentwurf „Abwehr
von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das
Bundeskriminalamt“ stimme ich aufgrund des Mehr-
heitsbeschlusses meiner Fraktion zu. Der Gesetzentwurf
enthält nach meiner Auffassung aber eine Reihe von Be-
fugnissen für das Bundeskriminalamt, die ich für falsch
halte bzw. für zu weitgehend. Die Regelungen zur
Onlinedurchsuchung entsprechen nicht den datenschutz-
rechtlichen Erfordernissen, die einen so schweren Ein-
griff in die Privatsphäre der Menschen rechtfertigen.
Hier müsste aus meiner Sicht in jedem Fall ein Richter-
vorbehalt gelten; wichtige Fragestellungen zum Beispiel
technischer Natur sind bis heute nicht befriedigend be-
antwortet.
Die Ausweitung der Präventivbefugnisse für das Bun-
deskriminalamt lassen sich nur schwer mit dem bewähr-
ten Trennungsgebot zwischen Polizei und Geheimdiens-
ten vereinbaren. Aus meiner Sicht sind die Befugnisse
zu weitgehend, weil sie eben nicht nur zur Terrorabwehr
eingesetzt werden dürfen. Gleichzeitig ist die Kontrolle
aber klar unzureichend.
Lothar Mark (SPD): Nach intensiver Beschäftigung
mit dem Thema und Abwägung aller Bedenken kann ich
dem heute zur Abstimmung stehenden Gesetzentwurf
zum BKA-Gesetz nicht zustimmen.
Dies aus folgenden Gründen:
Mit der großen Anzahl von neuen Überwachungs-
und Ermittlungsbefugnissen für das Bundeskriminalamt
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nd dem Paradigmenwandel hin zum präventiven Sicher-
eitsstaat scheint mir das umfangreiche Regelwerk nicht
it den Werten der Sozialdemokratie vereinbar.
Dies gilt insbesondere für die in der Diskussion völlig
eue Video-Observation innerhalb privater Wohnräume,
ie erweiterte und stark vereinfachte akustische Wohn-
aumüberwachung, das Eindringen in Privaträume zur
nstallation von speziellen Programmen auf Rechnern
nd Telekommunikationseinrichtungen (was Mobiltele-
one einschließt) für diverse Ausspähungen sowie
okryptierungszwecke – oft auch als Onlinedurchsu-
hung bezeichnet –, die Aushebelung des Richtervorbe-
altes bei TKÜ-Maßnahmen durch vermeintliche Eilbe-
ürftigkeit und mehr. Die meisten Dinge davon haben
ir Sozialdemokraten stets ausgeschlossen.
Hinzu kommen gravierende verfassungsrechtliche Be-
enken zum Beispiel von Journalistenverbänden, Poli-
eigewerkschaften, Datenschutzbeauftragten, des ehe-
aligen Bundesinnenministers Gerhard Baum und vieler
ehr. Bereits jetzt ist absehbar, dass es zu Verfassungs-
lagen gegen das heute zu verabschiedende Gesetz kom-
en wird, das noch in diesem Jahr in Kraft treten soll.
nlage 27
Erklärung nach § 31 Abs. 2 GO
der Abgeordneten Andreas Weigel, Petra Heß
und Andrea Wicklein (alle SPD) zur Abstim-
mung über den Entwurf eines Gesetzes zur
Neuordnung und Modernisierung des Bundes-
dienstrechts (Dienstrechtsneuordnungsgesetz –
DNeuG) (Tagesordnungspunkt 8 a)
Dem Dienstrechtsneuordnungsgesetz können wir un-
ere Zustimmung in der vorliegenden Form aus folgen-
en Gründen nicht geben:
Erstens. Bundeswehrpensionäre mit NVA-Vordienst-
eiten können zu ihrem ohnehin schon geringeren Ruhe-
ehalt nach wie vor nur einen Bruchteil dessen hinzuver-
ienen, was ihre Kameraden hinzuverdienen können, die
usschließlich in der Bundeswehr gedient haben.
Zweitens. 18 Jahre nach der deutschen Einheit hätte
er Anspruch der Bundeswehr, eine „Armee der Einheit“
u sein, endlich auch allumfassend umgesetzt werden
ollen. Die von uns vorgeschlagene Regelung, die Hin-
uverdienstgrenze für Pensionäre mit NVA-Vordienst-
eit auf das Niveau ihrer Kameraden aus dem Westen
nzuheben, hätten für den Steuerzahler keine Mehrkos-
en bedeutet. Für die Betroffenen wäre es dagegen end-
ich zu einem Ende der nicht hinnehmbaren Ungleichbe-
andlung gekommen.
Drittens. Bundeswehrsoldaten mit NVA-Vordienstzeit
ird das Ruhegehalt nur für ihre Dienstzeit in der Bun-
eswehr angerechnet. Die Dienstzeit in der NVA wird
rst beim Eintritt in die gesetzliche Rentenversicherung
nerkannt. Demnach erhalten diese Soldaten im Zeit-
aum vom Eintritt in den Ruhestand, das heißt zwischen
em 54. und 62. Lebensjahr, bis zur Vollendung des ge-
etzlichen Rentenalters ein weitaus geringeres Ruhege-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. November 2008 19931
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halt als Soldaten ohne Vordienstzeit in der NVA. Die
Mehrheit der Soldaten (Unteroffiziere) muss kraft Geset-
zes ihren Dienst bereits mit 54 Jahren beenden. Das ge-
ringe Ruhegehalt (entspricht rund 38,5 Prozent der
Dienstbezüge) kann bis zum Eintritt in das Rentenalter
durch das „erhöhte Ruhegehalt“ (§ 26 a SVG) aufge-
stockt werden. Diese Ruhegehaltssätze liegen zwischen
55 Prozent und 60 Prozent der vormaligen Dienstbe-
züge. Ruhegehaltsempfänger, die nur in der Bundeswehr
gedient haben, können dagegen bis zu 71,75 Prozent er-
halten. Während beim regulären Ruhegehalt (ohne NVA-
Biografie) bis zum 61. Lebensjahr bis zu 120 Prozent der
ruhegehaltfähigen Dienstbezüge (bis zum 65. Lebens-
jahr 100 Prozent) hinzuverdient werden können, darf der
Hinzuverdienst beim „erhöhten Ruhegehalt“ im Monat
325 Euro nicht übersteigen – oder das gesamte „erhöhte
Ruhegehalt“ entfällt. Dagegen wird beim Überschreiten
der regulären Hinzuverdienstgrenze der höhere Hinzu-
verdienst lediglich mit dem regulären Ruhegehalt ver-
rechnet.
Da das Gesetzespaket dennoch eine Reihe von wichti-
gen und (unserer Meinung nach) zu begrüßenden Ver-
besserungen enthält, insbesondere für unsere Soldatin-
nen und Soldaten, halten wir es für nicht sachgerecht, es
abzulehnen, und enthalten uns daher der Stimme.
Wir erwarten von der Bundesregierung, zeitnahe
Lösungsvorschläge zu erarbeiten, die diese Ungerechtig-
keit beenden, damit die Aussage „Armee der Einheit“
19 Jahre nach dem Mauerfall nicht zum bloßen Lippen-
bekenntnis verkommt.
Anlage 28
Erklärungen nach § 31 GO
zur Abstimmung über den Entwurf eines Geset-
zes zur Neuordnung und Modernisierung des
Bundesdienstrechts (Dienstrechtsneuordnungs-
gesetz – DNeuG) (Tagesordnungspunkt 8 a)
Robert Hochbaum (CDU/CSU): In abschließender
Lesung wird heute das Dienstrechtsneuordnungsgesetz
(16/7076) beraten. Grundsätzlich umfasst es eine Viel-
zahl notwendiger gesetzlicher Änderungen. Dennoch
kann ich dem Gesetz inklusive der beschlossenen Ände-
rungsanträge der Koalitionsfraktionen nicht zustimmen
und werde mich deshalb enthalten.
Grund dafür ist die Ablehnung des Änderungsantra-
ges des Verteidigungsausschusses vom 11. November
2008, welcher eine Gleichbehandlung bezüglich der
Hinzuverdienstgrenzen von Ruhegehaltsempfängern der
Bundeswehr forderte.
Die Hinzuverdienstgrenze von Pensionären der Bun-
deswehr mit Vordienstzeit in der Nationalen Volksarmee
liegt weit unter dem was Pensionäre der Bundeswehr
ohne NVA-Biografie hinzuverdienen dürfen.
Achtzehn Jahre nach der Wiedervereinigung sollte
der Anspruch, eine „Armee der Einheit“ sein zu wollen,
allumfassend umgesetzt sein.
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Obwohl die Möglichkeit bestand, die Forderung nach
iner Angleichung der Hinzuverdienstgrenzen umzuset-
en, wurde diese im vorliegenden Dienstrechtsneuord-
ungsgesetz und auch in den Debatten im federführen-
en Innenausschuss nicht wahrgenommen. Zwar konnte
ine Verbesserung der Hinzuverdienstmöglichkeiten er-
eicht werden, jedoch bleibt auch in Zukunft ein deutli-
her Unterschied zwischen Pensionären der Bundeswehr
it NVA-Biografie und welcher ohne NVA-Biografie
estehen.
Maik Reichel (SPD): Im zu beschließenden Gesetz
urde leider keine Streichung im Soldatenversorgungs-
esetz § 26 a Halbsatz 2 Nr. 4 durchgeführt. Dies halte
ch für ungerecht.
Die Hinzuverdienstgrenze von Pensionären der Bun-
eswehr mit Vordienstzeit in der Nationalen Volksarmee
NVA) liegt weit unter dem was Pensionäre der Bundes-
ehr ohne diese Verdienstzeit hinzuverdienen dürfen.
Bundeswehrsoldaten mit NVA-Vordienstzeit wird das
uhegehalt nur für ihre Dienstzeit in der Bundeswehr
ngerechnet, die Dienstzeit in der NVA wird erst bei der
esetzlichen Rentenversicherung anerkannt. Demnach
rhalten diese Soldaten im Zeitraum des Eintrittes in den
uhestand, das heißt zwischen dem 54. und 62. Lebens-
ahr, bis zur Vollendung des gesetzlichen Rentenalters
in weitaus geringeres Ruhegehalt als Soldaten ohne
ordienstzeit in der NVA.
Während beim regulären Ruhegehalt (ohne NVA-Bio-
rafie) bis zum 61. Lebensjahr bis zu 120 Prozent der ru-
egehaltfähigen Dienstbezüge (bis zum 65. Lebensjahr
00 Prozent) hinzuverdient werden können, darf der
inzuverdienst beim „erhöhten Ruhegehalt“ im Monat
25 Euro nicht übersteigen – oder das gesamte „erhöhte
uhegehalt“ entfällt. Dagegen wird beim Überschreiten
er regulären Hinzuverdienstgrenze der höhere Hinzu-
erdienst lediglich mit dem regulären Ruhegehalt ver-
echnet.
Ehemalige NVA-Soldaten, die nach 1990 in der Bun-
eswehr gedient haben, erhalten bis zum Eintritt in das
entenalter demnach nicht nur weniger Ruhegehalt, sie
önnen außerdem weitaus weniger zu ihrem Ruhegehalt
azuverdienen.
Diese Ungleichbehandlung ist mit dem Anspruch, eine
Armee der Einheit“ sein zu wollen, nicht zu vereinbaren.
ie im Dienstrechtsneuordnungsgesetz (DNeuG) vorge-
chlagene Lösung ist nicht ausreichend. Eine Gleichbe-
andlung der Ruhegehaltsempfänger der Bundeswehr
ird damit nicht erreicht.
Der Deutsche Bundestag und seine zuständigen Gre-
ien sind aufgefordert, diese Ungleichbehandlung abzu-
chaffen und schnellstmöglich eine entsprechende Rege-
ung zu schaffen, die Bundeswehrangehörigen mit NVA-
iografie eine ebensolche Möglichkeit des Hinzuver-
ienstes gibt, wie ihren Kameraden ohne diese Biogra-
ie.
Da das Gesetzespaket dennoch eine Reihe von wichti-
en und meiner Meinung nach zu begrüßenden Verbes-
19932 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. November 2008
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serungen enthält, insbesondere für unsere Soldatinnen
und Soldaten, werde ich diesem Gesetz trotzdem zustim-
men.
Anlage 29
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung:
– Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung
und Modernisierung des Bundesdienstrechts
(Dienstrechtsneuordnungsgesetz – DNeuG)
– Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des
Bundesdisziplinargesetzes, des Bundesbe-
amtengesetzes und weiterer Gesetze
– Antrag: Für ein modernes Berufsbeamten-
tum
– Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des
Bundesbesoldungsgesetzes
(Tagesordnungspunkt 8 a bis c)
Clemens Binninger (CDU/CSU): Lassen Sie mich
zu Beginn eine Bewertung abgeben. Ein gut funktionie-
render öffentlicher Dienst und zuverlässige Behörden
sind ein nicht zu unterschätzender Standortfaktor für un-
ser Land.
In Deutschland sind mehr als 4,5 Millionen Menschen
im öffentlichen Dienst beschäftigt, davon rund 1,8 Mil-
lionen Beamte. Wir haben in Deutschland einen öffent-
lichen Dienst, der hervorragend ausgebildet ist, hoch
motiviert und absolut integer seine Aufgabe wahrnimmt –
dafür allen Beamtinnen und Beamten, die Tag für Tag
ihre Arbeit leisten, von der Ministerialebene bis zu den
einzelnen Dienststellen vor Ort, auch im Namen unserer
Fraktion einen ganz herzlichen Dank. Sie sind Garanten
für eine stabile und gesetzmäßige Verwaltung, die dem
Gemeinwohl dient.
Ein Wesensmerkmal eines modernen öffentlichen
Dienstes ist, dass er offen für notwendige Reformen ist.
Und dazu gehört auch eines der zentralen innenpoliti-
schen Projekte der Großen Koalition, welches wir heute
beschließen: das Dienstrechtsneuordnungsgesetz.
Auf den Tag genau vor einem Jahr hat die Bundes-
regierung uns den Entwurf für das Gesetz zur Neuord-
nung und Modernisierung des Dienstrechts vorgelegt. Er
wurde im parlamentarischen Verfahren an mancher
Stelle ergänzt und weiter verbessert. Heute beschließen
wir dieses wichtige Gesetz – und wir tun dies, lange be-
vor die Bundesländer ihre Dienstrechtsreformen abge-
schlossen haben. Ich betone das deshalb, weil es die
Länder waren, die in der 2006 beschlossenen Föderalis-
musreform auf eine Trennung des Dienstrechts bei Bund
und Ländern großen Wert gelegt haben, was wir als In-
nenpolitiker eher kritisch gesehen haben.
Die Rahmenbedingungen für die Behörden, die Ver-
waltung und den öffentlichen Dienst verändern sich.
Neue Aufgabenbereiche, Service- und Kundenorientie-
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ung, technische Veränderungen, demographischer Wan-
el – das sind nur einige Entwicklungen, die uns bei der
ienstrechtsreform beschäftigt haben. Wir haben uns ge-
ragt, welche Regelungen notwendig sind, welche verän-
ert oder abgeschafft werden können.
Wir setzen als Ergebnis eines intensiven Beratungs-
rozesses mit dem Dienstrechtsneuordnungsgesetz eine
eihe wichtiger und notwendiger Modernisierungen für
ie Beamtinnen und Beamten des Bundes und die Solda-
innen und Soldaten um, von denen ich einige nochmals
usdrücklich ansprechen möchte.
Wir verändern die Rahmenbedingungen für die Leis-
ungsbezahlung im Bundesbeamtengesetz und verankern
eistungsbezogene Elemente durchgehend. Wir greifen
abei auf eine Reihe von leistungsbezogenen Elementen
urück, die es bereits gibt. Es gibt die Leistungsprämie,
s gibt die Leistungszulage, es gibt die Leistungsstufe,
ie wir neu gestaltet und optimiert haben.
Manches, was hier auch von der Opposition gefordert
ird, ist leicht gesagt, aber konkret betrachtet unprakti-
abel. Wir verbessern das heute bestehende System, an-
tatt komplett neue Elemente einzuführen, die unter dem
trich nur zu mehr bürokratischem Aufwand führen.
enn am Ende vier Prozent der Arbeitszeit dafür aufge-
andt werden müssten, um ein Prozent der Besoldungs-
umme leistungsbezogen zu verteilen, dann würde das
icht Leistungsbereitschaft und Motivation steigern,
ondern bestenfalls den Grad der Selbstbeschäftigung.
Wir reduzieren unnötige Bürokratie und vereinfachen
ahlreiche Regelungen im Laufbahnrecht, indem wir
iele der heute über 100 Laufbahnen vereinfachen und
usammenfassen.
Wir gestalten das Bundesbesoldungsgesetz neu. Die
emeinsame, einheitliche Grundgehaltstabelle für Beamte
nd Soldaten wird fortgeführt und weiterentwickelt. Die
rundgehaltstabelle für Richterinnen und Richter wird
benfalls angepasst. Ergebnis: In Zukunft wird es den
ein altersbezogenen Stufenaufstieg nicht mehr geben.
ie tatsächlich geleistete Dienstzeit wird entscheidend
ein.
Der Aufstieg in den Stufen des Grundgehalts erfolgt
ei anforderungsgerechter Leistung. Bei nichtanforde-
ungsgerechter Leistung wird man wie bisher in der
tufe des Grundgehaltes verbleiben. Mit der Abkehr
om Dienstaltersprinzip wird dieses Verbleiben jedoch
auerhaften Charakter haben. Auch das ist ein wichtiges
eistungsbezogenes Merkmal in der Besoldung.
Wir übertragen mit dem Gesetz die Rentenreformen
er letzten Jahre in das Versorgungsrecht. So wird an
rster Stelle richtigerweise die Verlängerung der Lebens-
rbeitszeit auf Beamte übertragen, und zwar wirkungs-
leich zur „Rente mit 67“ für Arbeitnehmer. Das Pensio-
ierungsalter wird zukünftig bei 67 anstatt 65 Jahren
iegen.
Für Beamte im Polizeivollzugsdienst wird es zukünf-
ig bei 62 anstatt 60 Jahren liegen. Für Polizeibeamte,
ie im Schichtdienst tätig sind, hat das Bundesinnen-
inisterium bei der Beratung im Innenausschuss auf
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. November 2008 19933
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meine Forderung hin zugesichert, dass der Sonderurlaub
für diese Gruppe von vier auf sechs Tage im Jahr erhöht
wird, also eine Entlastung bereits im Jahr der Belastung
erfolgt. Auch wenn ich mir persönlich hier eine andere
Lösung gewünscht hätte, ist dies doch ein Signal, dass
wir die besondere Belastung dieser Berufsgruppe aner-
kennen.
Gerade beim Thema Pensionen lohnt sich auch ein
Blick in den Dritten Versorgungsbericht der Bundes-
regierung, den wir in dieser Woche ebenfalls im Innen-
ausschuss diskutiert haben. Der Bericht zeigt: Für den
Bund werden die Pensionszahlungen nicht zum Pro-
blem. Die Versorgungssteuerquote, also der Anteil am
Steueraufkommen des Bundes, der für Versorgungsleis-
tungen aufgebracht werden musste, lag 2003 bei
2,53 Prozent und wird in den nächsten Jahrzehnten – bei
leichtem Anstieg der Besoldung – sogar sinken. Auch
hat der Bund bereits 2006 mit der Änderung des Versor-
gungsrücklagengesetzes einen Versorgungsfonds zur Fi-
nanzierung künftiger Versorgungsausgaben eingerichtet.
Bei den Ländern stellt sich die Belastungssituation
naturgemäß etwas anders dar. Aber auch hier relativiert
sich manche Schreckensmeldung, wenn man die Zahlen
des Versorgungsberichts betrachtet.
Lassen Sie mich zuletzt noch auf ein aus meiner Sicht
ganz bedeutendes Thema eingehen, nämlich auf die
Frage der Mitnahme von Versorgungsleistungen bzw.
von Rentenansprüchen, also auf die Frage, was passiert,
wenn aus dem Beamtenverhältnis in die Wirtschaft oder
umgekehrt und wieder zurück gewechselt wird.
Auch hier ist mancher mit Forderungen und Kritik
schnell bei der Hand, muss dann aber erkennen, dass
eine Realisierung sehr anspruchsvoll ist. Eine einseitige
Lösung, die nur den Wechsel aus dem öffentlichen
Dienst in die Wirtschaft attraktiv gemacht hätte, halte ich
für falsch und ist so auch nicht umzusetzen. Deshalb ha-
ben wir dem Bundesministerium des Innern einen Auf-
trag erteilt, zu prüfen, ob eine Parallelität der Versor-
gungssysteme eine angebrachte Lösung wäre.
Mit diesem Gesetzentwurf legen wir ein modernes
und transparentes Beamten-, Besoldungs- und Versor-
gungsrecht vor, durch das auf veränderte Rahmenbedin-
gungen reagiert und das Dienstrecht zukunftsfest gestal-
tet wird. Dieses Gesetz ist das Ergebnis von vielen
Gesprächen und zahlreichen Verhandlungen, die in den
letzten zwölf Monaten geführt wurden. Und es ist ein
sehr gutes Ergebnis, das die Koalition heute vorlegt, ein
Ergebnis, durch das die Gestaltungsräume im Dienst-
recht positiv genutzt werden und ein Gesetz, das durch-
aus auch als Blaupause für die Dienstrechtsreformen der
Länder gelten kann. Deshalb verdient der Gesetzentwurf
unsere Zustimmung.
Siegmund Ehrmann (SPD): Anknüpfend an das
seinerzeit zwischen Bundesinnenminister Otto Schily
und den Gewerkschaften vereinbarte Eckpunktepapier
zur Modernisierung des öffentlichen Dienstes und dem
darauf basierenden Entwurf eines Strukturreformgeset-
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es haben die Regierungsfraktionen in der Koalitions-
ereinbarung ihre Ziele konkretisiert.
Das vorliegende Gesetzeswerk zielt darauf ab, das
ienstrecht leistungsorientierter und flexibler zu gestal-
en, die in der Rentenversicherung notwendig geworde-
en Veränderungen wirkungsgleich zu übertragen, die
eamtenversorgung langfristig zu sichern, aber auch den
erwaltungsaufwand zu reduzieren. Diesen Zielen wird
ieses grundsolide Dienstrechtsneuordnungsgesetz ge-
echt!
Zum Thema der Leistungskomponenten folgende An-
erkungen: Gelegentlich suggeriert die Debatte, das
eltende Recht wäre vollkommen frei von Instrumenten,
ie zu herausgehobenen Leistungen anreizen. Die Aus-
chreibung höherwertiger Dienstposten, transparente
uswahlverfahren und das Prinzip der Bestenauslese
nd schließlich sich darauf stützende Beförderungsent-
cheidungen sind nach wie vor wesentliche Faktoren, die
u besonderem Engagement anregen. Daneben greift das
ienstrechtsneuordnungsgesetz die seit 1997 bestehen-
en zusätzlichen leistungsbezogenen Elemente der Prä-
ien, Zulagen und Leistungsstufen auf.
Um eine weitere Stärkung der variablen Bezahlungs-
lemente haben wir in der Koalition lange gerungen. Das
iel meiner Fraktion war dabei, das Verfahren der Leis-
ungsbewertung, vor allem aber auch das Leistungsbud-
et in Anlehnung an den Tarifbereich auszugestalten.
etztendlich mussten wir akzeptieren, dass eine Aufsto-
kung des Budgets nicht zu realisieren war. Zudem ist es
atsam, zunächst einmal sorgfältig die Erfahrungen mit
en nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst
raktizierten Methoden und Verfahren der Leistungsbe-
ertung auszuwerten, bevor wir sie zu einem allgemei-
en Maßstab für den öffentlichen Dienst machen.
Dessen ungeachtet gibt es deutliche Schritte nach
orne: Das ausschließlich am Lebensalter orientierte
ystem des Besoldungsdienstalters wird aufgehoben und
urch den Aufstieg nach Erfahrungszeiten und der tat-
ächlichen Leistung ersetzt. Ein weiterer wichtiger
chritt ist die Chance, Bewerber künftig bei Berufser-
ahrung und besonderer Qualifikation in einem höheren
mt als dem Eingangsamt einzustellen.
Mit dem Dienstrechtsneuordnungsgesetz werden pa-
allel zu den Regeln in der Rentenversicherung überdies
ie allgemeinen Altersgrenzen schrittweise von 65 auf
7 Jahre angehoben. Die besonderen Altersgrenzen für
ie Beamten im Vollzugsdienst werden ebenfalls um
wei Jahre von derzeit 60 auf künftig 62 Jahre angeho-
en. Auch dies geschieht schrittweise. In einem äußerst
chwierigen Abwägungsprozess haben wir darum gerun-
en, ob für Beamte im Wechselschichtdienst weiterge-
ende Modifikationen notwendig und vertretbar sind. Im
rgebnis haben wir uns darauf verständigt, hiervon ab-
usehen. Dabei verkenne ich nicht, dass diese Beschäfti-
ungsgruppe besonderen Belastungen ausgesetzt ist. Wir
üssen das Thema aber im Auge behalten, indem die
rbeitsbedingungen insbesondere der Vollzugsbeamten
issenschaftlich analysiert werden. Das Thema „flexible
bergänge“ bleibt insofern auch in diesem Zusammen-
ang auf der Tagesordnung. Mit der schrittweisen Er-
19934 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. November 2008
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(B) )
höhung der Altersgrenze geht die Verpflichtung des
Dienstherrn einher, entsprechend dem Grundsatz „Reha-
bilitation vor Versorgung“ die Instrumente der Personal-
fürsorge zu stärken und alles zu tun, um vorzeitigen Pen-
sionierungen vorzubeugen. Ferner wird mit diesem
Gesetz die Bedeutung und Notwendigkeit der berufli-
chen Weiterbildung gestärkt. Sie soll so ausgelegt sein,
dass Mitarbeiter auf andere Aufgaben und eine entspre-
chende Verwendung vorbereitet werden. Schließlich ist
mit einer Revisionsklausel der gesetzliche Auftrag fi-
xiert worden, die Erhöhung der Altersgrenze bis Ende
2011 noch einmal zu überprüfen.
Zum Thema „Anrechnung der Schul- und Hochschul-
zeiten“ im Versorgungsrecht: Durch die Rentenreform
2004 sind die bewerteten drei Jahre der Ausbildung nach
Vollendung des 17. Lebensjahres für Zeiten des Schul-
oder Hochschulbesuchs – nach einer vierjährigen Über-
gangsregelung – nur noch als unbewertete Anrechnungs-
zeit ausgestaltet. In der Versorgung wurden schon bisher
Zeiten der allgemeinen Schulbildung nicht als ruhege-
haltfähige Dienstzeit berücksichtigt, die Hochschulaus-
bildung kann allerdings bis zu 1 095 Tagen anerkannt
werden. Um eine wirkungsgleiche Übertragung der Ren-
tenmaßnahme auf die Versorgung der Bundesbeamten
sicherzustellen, sollen die Zeiten einer Hochschulausbil-
dung künftig nur noch in einem Umfang von 855 Tagen
als ruhegehaltfähige Dienstzeit berücksichtigt werden
können. Würde man die Hochschulzeiten vollständig aus
dem Versorgungsrecht herauslösen, würde dies zu un-
gleich stärkeren finanziellen Konsequenzen führen, als
sie in der gesetzlichen Rentenversicherung eintreten.
Dies zeigt ein Vergleich der Kürzungsbeträge in
Rente und Versorgung:
Die Rente eines Akademikers mit drei Jahren Hoch-
schulausbildungszeiten kann um bis zu 59,76 Euro mo-
natlich – 3 Jahre x 0,75 Entgeltpunkte x aktueller Ren-
tenwert 2008 von 26,56 Euro – geringer ausfallen. Zur
wirkungsgleichen Übertragung dieser Rentenmaßnah-
men können bis zu 240 Tage der berücksichtigungs-
fähigen Hochschulausbildungszeiten von drei Jahren
(= 1 095 Tage) entfallen. Daraus würden sich für Pen-
sionäre in den obersten Besoldungsgruppen ab Besol-
dungsgruppe A 16 finanzielle Auswirkungen ergeben,
die zum Teil erheblich über den höchsten Rentenkür-
zungsbetrag hinausgingen. Zum Beispiel würden die
Bezüge in der Besoldungsgruppe B 9 nach den Anpas-
sungen des Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpas-
sungsgesetzes 2008/2009 um rund 109 Euro gekürzt.
Mit Blick auf diese unterschiedlichen Kürzungsbe-
träge in Rente und Versorgung soll in die Übertragungs-
regelung eine Kappungsgrenze eingeführt werden. Diese
Kappungsgrenze stellt sicher, dass auch in der Versor-
gung die monetäre Belastung der Versorgungsempfänge-
rinnen und Versorgungsempfänger des Bundes zum Zeit-
punkt der Ruhestandsversetzung nicht über den
jeweiligen höchstmöglichen rentenrechtlichen Kür-
zungsbetrag hinausgeht. Dies wird durch Ermittlung der
dem Rentenkürzungsbetrag entsprechenden Ausbil-
dungszeiten und deren Abzug von den nach bisherigem
Recht berücksichtigungsfähigen Zeiten der Hochschul-
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usbildung erreicht. Die so berechneten Zeiten der
ochschulausbildung werden dem Versorgungsfestset-
ungsbescheid der einzelnen Versorgungsempfängerin-
en und Versorgungsempfänger zugrunde gelegt. Inso-
ern wird dem Gebot wirkungsgleich Übertragung zwar
icht in der Struktur, aber in der finanziellen Wirkung
ntsprochen. Hervorheben möchte ich ausdrücklich, dass
s künftig wie in der Rentenversicherung die Versor-
ungsauskunft gibt, ohne dass ein berechtigtes Interesse
argelegt werden muss.
Auch wenn die Zusammenarbeit innerhalb der Koali-
ionsfraktionen zielorientiert und angenehm war, gibt es
n einer Sache einen gravierenden Dissens. Die Forde-
ung meiner Fraktion, Lebenspartner im öffentlichen
ienstrecht mit Ehepartnern gleich zu behandeln, wurde
on der Union abgelehnt. Das ist ärgerlich, zumal in ei-
igen Ländern – auch unter CDU-Beteiligung; siehe
amburger Koalitionsvertrag – in die von uns ange-
trebte Richtung agiert wird. Wir haben unsere Forde-
ung nicht zur „Kopfsache“ gemacht, indem wir das
esamte Paket an die Gleichstellung der Lebenspartner-
chaften geknüpft haben. An diesem Punkt wird wieder
inmal deutlich, dass Ihre Haltung in dieser Frage ein
eleg rückwärtsgewandten Denkens ist. Wir hoffen
ber, dass die Europäische Kommission bzw. der Euro-
äische Gerichtshof demnächst dieser Benachteiligung
m Bund und einigen Ländern den Garaus machen wer-
en.
Dem Ziel einer stärkeren Flexibilisierung trägt das
ienstrechtsneuordnungsgesetz zum Beispiel dadurch
echnung, dass der Eintritt berufserfahrener Personen in
in Beamtenverhältnis des Bundes erheblich erleichtert
ird. Im Gegensatz dazu ist ein Ausscheiden aus dem
eamtenverhältnis vor Erreichen der Altersgrenze zwar
echtlich möglich, aber unverändert mit erheblichen fi-
anziellen Einbußen verbunden. Es geht um das Stich-
ort „Mitnahmefähigkeit der Versorgung“, was zugege-
enermaßen ein komplexes Thema ist. Beamtinnen und
eamte, Richterinnen und Richter sowie Berufssoldatin-
en und -soldaten verlieren bei einer Entlassung ihre
ersorgungsansprüche und werden lediglich in der ge-
etzlichen Rentenversicherung nachversichert. Im Ge-
ensatz dazu verfügen die Tarifbeschäftigten des öffent-
ichen Dienstes sowohl über Anwartschaften aus der
esetzlichen Rentenversicherung als auch über solche
us der Zusatzversorgung. Diese sind wie die betriebli-
hen Altersversorgungen der Privatwirtschaft inzwi-
chen schon nach kurzer Zeit unverfallbar. Während sich
er öffentliche Dienst im Tarifbereich wie ein privater
rbeitgeber dem Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt
tellt, erzwingt das heutige Beamtenversorgungsrecht im
egelfall die lebenslängliche Tätigkeit für einen Dienst-
errn. Damit ist der Beamtenstatus nicht attraktiv für
ersonen, die ihre berufliche Mobilität aus unterschiedli-
hen Gründen nicht verlieren wollen. Deshalb fordern
icht nur die Gewerkschaften, sondern auch die vom In-
enausschuss angehörten Sachverständigen, die Mitnah-
efähigkeit der Versorgung einzuführen. Wir fordern
eshalb in der vorgelegten Entschließung die Bundesre-
ierung auf, bis Ende Januar 2009 ein Regelungskonzept
orzulegen. Dann wird sich kurzfristig eine Sachverstän-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. November 2008 19935
(A) )
(B) )
digenanhörung nur zu diesem Thema anschließen. Bei
gutem Willen sollte es möglich sein, das Thema noch in
dieser Legislaturperiode abschließend zu behandeln.
Zum Schluss: Das Dienstrechtsneuordnungsgesetz
bietet viel Licht, gelegentlich aber auch Schatten. Wir
werden die Erfahrungen der Praxis aufmerksam be-
obachten und dort, wo geboten, Modifikationen vorneh-
men. Wir müssen am Ball bleiben. Ich bedanke mich bei
den Kollegen Göbel und Binninger, aber auch bei den
Verantwortlichen des Bundesinnenministeriums für die
gute Zusammenarbeit.
Rolf Kramer (SPD): Seit der Neuordnung der Ge-
setzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern
von 2006 betrifft die geplante Neuordnung des Bundes-
dienstrechtes nur noch die Bundesbeamten. Hier stellen
die Soldatinnen und Soldaten sowie die Zivilbeschäftig-
ten der Bundeswehr den größten Anteil. Die Besonder-
heiten dieser Berufgruppe spiegelten sich auch in den
Beratungen des Gesetzentwurfes der Bundesregierung,
in den Ausschüssen und Arbeitsgruppen wieder. Ich be-
danke mich bei meinen Koalitionskollegen des Innen-
ausschusses ausdrücklich für die konstruktive und offene
Diskussion dieser Problematik.
Im Rahmen dieser Beratungen konnte daher eine
Reihe von Änderungen zugunsten der Angehörigen der
Bundeswehr erreicht werden. So wird die ursprünglich
nur für Soldaten vorgesehene Verlängerung der Laufzei-
ten der Erfahrungsstufen von 18 auf 12 Monate verkürzt.
Mit dieser Veränderung ist die von den Soldaten immer
wieder kritisierte „gefühlte“ Ungleichbehandlung gegen-
über den verbeamteten Zivilbeschäftigten erkennbar ab-
gemildert worden. Trotzdem bleibt es dabei, dass sich
die Zusammenfassung unterschiedlicher Besoldungssys-
teme in einem Tabellenwerk als problematisch erwiesen
hat.
Eine eindeutige Verbesserung stellt die uneinge-
schränkte Anrechnung der Erfahrungszeiten eines Solda-
ten bei einem Wechsel vom Soldaten- in das Beamten-
verhältnis dar. Hierbei ist besonders hervorzuheben, dass
sich die Verlängerung der Erfahrungszeiten im Soldaten-
verhältnis nicht auf das Beamtenverhältnis auswirkt.
Auch wenn der betroffene Personenkreis eher klein sein
dürfte, stellt diese Regelung einen eindeutigen Fort-
schritt dar.
Weitere Verbesserungen sind bei der Besoldungsüber-
leitung erreicht worden. Hier ging es insbesondere um
die Vermeidung von Überholeffekten bei Beförderun-
gen. Damit sind Verwerfungen vermieden worden, nach
denen das Grundgehalt eines vor der Überleitung Beför-
derten niedriger ist, als das eines nach der Überleitung
Beförderten. Frühzeitige Leistungserbringung hätte sich
also nicht gelohnt.
Als Verteidigungspolitiker begrüße ich für meine
Fraktion, dass es gelungen ist, ein Prämiensystem für
Angehörige des Kommandos Spezialkräfte der Bundes-
wehr, KSK, einzuführen. Hier werden Prämien in Höhe
von 3 000 bis maximal 10 000 Euro für die Bereitschaft
gezahlt, mindestens sechs Jahre Dienst beim KSK zu
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eisten. Die Vorauszahlung dieser Prämien soll dabei die
otivation der Soldaten bei Fortbildungen und Fachver-
endungen erhöhen.
Ein weiterer sehr wichtiger Punkt ist die vorgesehene
rhöhung des Auslandsverwendungszuschlages. Erst-
als seit seiner Einführung im Jahre 1996 wird der
öchstbetrag von 92 auf 110 Euro pro Tag angehoben.
ngesichts der Veränderung der Gefahrenlage insbeson-
ere in Afghanistan war dieser Schritt mehr als notwen-
ig.
Die Verteidigungspolitiker der SPD können dem Ge-
etzentwurf trotz dieser Verbesserungen aber nur mit
ehemmter Freude zustimmen. Bei drei wesentlichen
unkten sehen wir Nachbesserungsbedarf. Hier greifen
ie vorgeschlagenen Regelungen aus unserer Sicht zu
urz.
Die 600-Euro-Zulage für bestimmte Teile bei den Pi-
oten und den Ärzten der Bundeswehr spaltet die Truppe
nd führt zu Ungerechtigkeiten. Zudem löst sie nicht
inmal im Ansatz die strukturellen Probleme, sondern ist
her als eine Art Heftpflaster zu verstehen.
Es fehlt aus unserer Sicht ein schlüssiges Gesamtkon-
ept, wie die Attraktivität der Bundeswehr nachhaltig
esteigert werden kann. Gerade Fachärzte und erfahrene
iloten werden in der Privatwirtschaft gesucht, und diese
ietet attraktive Arbeitsplätze an. Ob diese Zulage diese
ruppen davon abhält, weiterhin – wie bei den Ärzten –
ie Bundeswehr in größerer Anzahl zu verlassen, bleibt
ffen.
Vor diesem Hintergrund werden wir vonseiten der
PD darauf dringen, dass der Verteidigungsminister ein
ragfähiges Konzept vorgelegt, wie die drängenden Pro-
leme gerade im Sanitätsbereich strukturell verändert
erden können. Es hilft nicht, immer wieder von einer
ttraktivitätssteigerung der Bundeswehr zu reden, man
uss auch etwas dafür tun. Darauf werden wir als Ver-
eidigungspolitiker auch weiter mit Nachdruck hinwei-
en.
Ein letzter Punkt betrifft die Möglichkeit der Berufs-
oldaten, nach ihrer Pensionierung in einem bestimmten
ahmen Geld hinzuzuverdienen. Dies ist eine gute und
innvolle Sache, sieht man sich das Alter an, in dem die
eisten ihren Dienst verlassen müssen – ab 53 Jahren ist
ies möglich.
Warum aber diese Regelung, die den Steuerzahler
sprich: den Haushalt – überhaupt nichts kostet, Ange-
örige der Bundeswehr aus den alten Bundesländern ge-
enüber Angehörigen der Bundeswehr mit NVA-Vor-
ienstzeiten bevorzugt, ist überhaupt nicht zu verstehen.
Die Verteidigungspolitiker von Union und SPD haben
eshalb einen Änderungsantrag eingebracht, der wenigs-
ens in diesem Punkt 19 Jahre nach der Wiederherstel-
ung der Einheit die bestehenden Ungleichheiten
wischen Ost und West auflöst. Leider sind die Innen-
olitiker uns in diesem Punkt nicht gefolgt, was ich sehr
edaure. Ich hätte mir hier eine andere Entscheidung ge-
ünscht.
19936 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. November 2008
(A) )
(B) )
Dr. Max Stadler (FDP): Mit der heutigen Beratung
beenden wir den Prozess der Neuordnung des Dienst-
rechts. Die Modernisierung des Dienstrechts fängt damit
erst an. Zahlreiche Aufgaben blieben unerledigt, vieles
fehlt: die mitnahmefähige Ausgestaltung der erworbenen
Versorgungsansprüche, die Weiterentwicklung der Leis-
tungselemente, eine Flexibilisierung des Ruhestandsein-
tritts und die Gleichstellung eingetragener Lebenspartner
mit Ehegatten im Besoldungs-, Versorgungs- und Beihil-
ferecht. Befriedigend ist das nicht. Die FDP hätte sich
mehr Mut und mehr Entschlossenheit gewünscht. Die
Länder sind hier vielfach weiter. Sie entwickeln sich zu
den eigentlichen Schrittmachern bei der Modernisierung
des Dienstrechts. Wir hätten diese Rolle dem Bund zuge-
dacht. Doch der Reformmotor stottert. Der Bund fällt als
Ideen- und Impulsgeber aus. Wieder einmal ist es der
Großen Koalition nicht gelungen, sich auf mehr als auf
den kleinsten gemeinsamen Nenner zu einigen. Die
eigentlichen Probleme wurden entweder gar nicht ange-
fasst oder, wie im Falle der Mitnahme von Versorgungs-
ansprüchen, in eine Entschließung der Koalitionsfraktio-
nen abgeschoben. Was bleibt, ist eine handwerklich
saubere Umsetzung technischer Einzelfragen, ein, wie es
die Sachverständigen in der Anhörung ausgeführt haben,
braves, biederes oder auch betuliches Gesetz. Was fehlt,
ist ein Bekenntnis zum Berufsbeamtentum. Was fehlt, ist
eine Vision, eine Vorstellung davon, wie ein modernes
und zukunftsfestes Berufsbeamtentum des Bundes aus-
sehen sollte.
Die FDP-Bundestagsfraktion hat in allen vorgenann-
ten Punkten Alternativvorschläge unterbreitet. Ich ver-
weise zur Vermeidung von Wiederholungen auf unseren
heutigen Entschließungsantrag zum Dienstrechtsneuord-
nungsgesetz. Ich verweise darüber hinaus auf unseren
Antrag „Für ein modernes Berufsbeamtentum“ auf Bun-
destagsdrucksache 16/129, den wir gleich zu Beginn der
Wahlperiode in den Deutschen Bundestag eingebracht
haben. Darin setzen wir uns für eine leistungsbezogene
Bezahlung ein, die gerecht, transparent und unbürokra-
tisch ausgestaltet ist und darüber hinaus auch regional-,
arbeitsmarkt-, berufsgruppen- und aufgabenbezogene
Differenzierungen erlaubt. Auch die FDP behauptet
nicht, in Sachen Leistungsbezahlung im Besitz eines Pa-
tentrezepts zu sein. Auch verkennen wir nicht die
Schwierigkeiten in der Praxis, wie sie sich im Bereich
der Tarifbeschäftigten des öffentlichen Dienstes gele-
gentlich zeigen. Es ist jedoch der falsche Weg, daraus
die Konsequenz zu ziehen, in den wesentlichen Punkten
alles beim Alten zu belassen. Mindestens erforderlich
gewesen wäre eine Experimentierklausel, um verschie-
dene Leistungsmodelle zu erproben und einen Wettbe-
werb um die besten Lösungen in Gang zu setzen.
Beim Ruhestandseintritt setzt die FDP statt auf starre
Altersgrenzen auf ein flexibles Konzept, das es dem Ein-
zelnen ermöglicht, ab Vollendung des 60. Lebensjahres
den Zeitpunkt seines Ruhestandseintritts selbst zu be-
stimmen, sofern seine bis dahin erworbenen Versor-
gungsansprüche über dem Niveau der Mindestversor-
gung liegen. Umgekehrt soll es allen, die dies wollen
und können, möglich sein, auch über die jetzigen bzw.
zukünftig geltenden Altersgrenzen hinaus zu arbeiten.
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in längeres Verbleiben im aktiven Dienst ist mit Anrei-
en zu versehen. Für Deutschland muss das Leitbild gel-
en, möglichst lange am Erwerbsleben teilzuhaben, statt
ie bisher möglichst frühzeitig auszuscheiden.
Die FDP setzt darüber hinaus auf mehr Mobilität zwi-
chen öffentlichem Dienst und gewerblicher Wirtschaft.
olange es bei der jetzigen Regelung mit der obligatori-
chen Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenver-
icherung bleibt, wird dem beamteten Personal ein
echsel in die Privatwirtschaft zu wirtschaftlich akzep-
ablen Bedingungen nicht möglich sein. Die Koalitions-
raktionen von CDU/CSU und SPD sprechen dieses
roblem in ihrem Entschließungsantrag an, lösen es aber
icht. Die FDP wird an dieser Stelle nicht lockerlassen.
ir behalten uns weitere parlamentarische Initiativen
usdrücklich vor. Die Sorge, dass das beamtete Personal
m Falle der mitnahmefähigen Ausgestaltung von Ver-
orgungsansprüchen in Scharen davonläuft, teilen wir
icht. Und wenn, stimmte etwas mit den Beschäfti-
ungs- und Bezahlungsbedingungen im öffentlichen
ienst nicht. Dann wäre es Aufgabe des Gesetzgebers,
urch entsprechende attraktivitätssteigernde Maßnah-
en einen Ausverkauf des öffentlichen Dienstes zu ver-
indern und für geeigneten Nachwuchs sowie für quali-
izierte Quereinsteiger zu sorgen.
Gänzlich unverständlich ist die unterbliebene Gleich-
tellung von eingetragenen Lebenspartnern mit Ehegat-
en im Dienstrecht des Bundes. Schon aus Rechtsgrün-
en spricht viel für eine solche Gleichstellung. Ich
rlaube mir an dieser Stelle den Hinweis auf die jüngste
ntscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Vor-
egungssache Tadao Maruko. Zumindest aber spricht
echtspolitisch alles für eine solche Gleichstellung. Spä-
estens nach der Einbeziehung der Lebenspartnerschaft
n die gesetzliche Renten- und Krankenversicherung
rweist sich die Ungleichbehandlung der in einer Le-
enspartnerschaft lebenden Beamtinnen und Beamten
egenüber Verheirateten als Anachronismus, den es zu
eseitigen gilt. Hier hat der Gesetzgeber, wie das Bun-
esverfassungsgericht ausdrücklich festgestellt hat,
inen weiten, längst noch nicht ausgeschöpften Gestal-
ungsspielraum. Von diesem Gestaltungsspielraum
acht die Koalition höchst unterschiedlichen Gebrauch.
s ist in hohem Maße widersprüchlich, wenn die Gleich-
tellung nunmehr auch beim Erbschaftsteuerrecht erfol-
en soll, was zu begrüßen ist, in der Besoldung, Versor-
ung und bei der Beihilfe der Beamtinnen und Beamten
es Bundes aber nach wie vor unterbleibt.
Aus den vorgenannten Gründen ist es der FDP-Bun-
estagsfraktion nicht möglich, dem Gesetzentwurf der
undesregierung zuzustimmen. Hieran ändert auch der
nderungsantrag der Koalitionsfraktionen nichts. Dieser
ringt keine wirklichen Verbesserungen. Er enthält im
esentlichen Klein-Klein. Sollte die Koalition auf der
uche nach einer Blaupause für ein nachhaltig moderni-
iertes und zukunftsfestes Berufsbeamtentum sein, sei
uf den eingangs erwähnten Antrag „Für ein modernes
erufsbeamtentum“ vom 1. Dezember 2005 und unseren
eutigen Entschließungsantrag hingewiesen. Beide An-
räge empfehle ich dem Deutschen Bundestag zur Zu-
timmung.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. November 2008 19937
(A) )
(B) )
Ebenfalls zur Zustimmung empfohlen sei der Gesetz-
entwurf der FDP-Bundestagsfraktion zur Änderung des
Bundesbesoldungsgesetzes auf Bundestagsdrucksache 16/
9317. Hinter den dort vorgesehenen Verbesserungen für
Soldatinnen und Soldaten bleiben die in dem Ände-
rungsantrag der Koalitionsfraktionen enthaltenen Prä-
mien für Angehörige der Spezialkräfte der Bundeswehr
deutlich zurück. Diese benachteiligen insbesondere län-
ger dienende Kommandosoldaten und Kampfschwim-
mer, da erst mit Stichtag 1. April 2008 eine Berechtigung
zur Prämienzahlung eingeräumt wird, obwohl viele An-
gehörige der Spezialkräfte bereits seit zehn Jahren in den
jeweiligen Verbänden dienen. Die Attraktivität gerade
für die erfahrenen Soldaten, die einen Großteil der Ein-
sätzkräfte bilden, ist auf diese Weise nicht gegeben. Hier
geht die FDP einen anderen Weg, indem sie in den Mit-
telpunkt ihres Gesetzentwurfs insbesondere die Perso-
nalbindung von Wissensträgern stellt.
Petra Pau (DIE LINKE): Wir beraten und beschlie-
ßen heute zeitgleich mehrere Gesetze. In allen geht es
um Beamtinnen und Beamte, sofern sie dem Bund die-
nen. Die Länder schaffen für ihre Bediensteten bekannt-
lich eigene Regeln. So droht ein rechtlicher Flickentep-
pich, was ich nach wie vor für falsch halte.
Grundsätzlich, so heißt es, soll ein modernes und
transparentes Beamten-, Besoldungs- und Versorgungs-
recht geschaffen werden. Damit werde das Berufsbeam-
tentum – Zitat – „zukunftsfest“ gestaltet. Auch hier hat
die Linke eine andere Meinung. Das Beamtentum ist
kein Zukunftsmodell.
Heute geht es allerdings nicht um solch grundsätzli-
che Fragen, sondern um konkrete Vorhaben. Mit dem
neuen Recht sollen das Leistungsprinzip gefördert, die
Wettbewerbsfähigkeit gestärkt, der Personaleinsatz fle-
xibilisiert, die Eigenverantwortung und Motivation
erhöht, die Beamtenversorgung und die Rentenversiche-
rung gesichert und eine aufwendige Bürokratie vermie-
den werden. Soweit die Beschreibung des Vorhabens.
Die Realität sieht anders aus. Zwei von vielmehr Kritik-
punkten mögen das illustrieren. Erstes Beispiel: Die Ent-
wicklung des neuen Dienstrechtes ging weitgehend an
den Betroffenen vorbei. Die Gewerkschaften haben das
mehrfach moniert. So schafft man keine höhere Motiva-
tion bei den Beschäftigten im öffentlichen Dienst, son-
dern nur Abwehr und Frust. Zweites Beispiel: Aus-
gangspunkt für die neuen Regelungen sind mitnichten
die Anforderungen an einen modernen öffentlichen
Dienst. Es ist vielmehr die klamme Kassenlage. Kosten-
neutralität heißt das Zauberwort. Für die Beschäftigten
aber ist das mitnichten neutral, sondern oft belastend.
Ich werde konkreter: Das Alter für die Pensionierung
soll auf 67 Jahre angehoben werden. Begründung: Das
sei für alle anderen Beschäftigten auch geschehen. Das
stimmt. Aber was die Linke bei allen anderen schon für
falsch hielt, wird die Linke bei Beamtinnen und Beam-
ten nicht gutheißen. Beamtinnen und Beamte sollen mo-
biler und flexibler werden. Dem aber steht entgegen,
dass beides nicht honoriert, vielfach aber bestraft wird.
So können erworbene Versorgungsansprüche sogar ent-
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allen, wenn öffentlich Bedienstete zum Beispiel in die
rivatwirtschaft wechseln. Ursprünglich sollte eine an
eistungen orientierte Entlohnung eingeführt werden.
achleute wissen, dass das ein ehrgeiziges Vorhaben ist.
s wurde weitgehend aufgegeben und damit auch der
nspruch, dass Benachteiligungen von Beamtinnen ge-
enüber Beamten aufgehoben werden.
Es gibt ein sicheres Indiz dafür, dass selbst die Koali-
ionsfraktionen, also CDU/CSU und SPD, mit ihren ei-
enen Gesetzesvorhaben höchst unzufrieden sind. Denn
ach monatelanger Arbeit schoben sie kurz vor Tores-
chluss 160 Seiten mit Änderungsformulierungen nach.
ie machen das Gesamtwerk kaum besser. Aber sie be-
egen, dass das gewählte Verfahren insgesamt wenig
ransparent und gemessen an demokratischen Grundtu-
enden schlicht inakzeptabel war. Das kritisiere ich, aber
as ist nicht das Entscheidende für unser Votum.
Die Linke begrüßt einige neue Regelungen. Aber wir
ehnen das gesamte, sogenannte Dienstrechtsneuord-
ungsgesetz ab. Es bleibt hinter den selbst gestellten An-
prüchen zurück. Es geht vielfach einseitig zulasten der
undesbeamtinnen und -beamten im öffentlichen Dienst.
Gestatten Sie mir einen Nachsatz.
Im letzten Moment fiel einigen Abgeordneten auf,
as ich schon bei der öffentlichen Expertenanhörung
um Gesetzesentwurf erfragt hatte: Es gibt eine funda-
entale Benachteiligung für beamtete Soldatinnen und
oldaten, die aus den neuen Bundesländern kommen.
ie drohen in Armut zu stürzen, sobald ihr Dienst be-
ndet ist. Ich habe schon mehrfach gesagt: Lieber ein un-
erbindlicher Festakt zur deutschen Einheit weniger und
afür mehr tatsächliche Gleichstellung des Ostens und
es Westen, das wäre ein wirklicher Schritt zur deut-
chen Einheit. In letzter Minute wurde in den Ausschüs-
en für Verteidigung und für Inneres ein Passus empfoh-
en, der diese Ungerechtigkeit mildern kann. Die Linke
at dem zugestimmt. Das entkräftet unsere Kritik an der
undeswehr nicht, aber es bekräftigt unser Pro für eine
oziale Einheit.
Silke Stokar von Neuforn (BÜNDNIS 90/DIE
RÜNEN): Die Große Koalition will die Wettbewerbs-
nd Leistungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes stärken –
o steht es im Koalitionsvertrag. Mit dem vorliegenden
esetz wird dieses Ziel völlig verfehlt.
Es hilft nichts, wenn Sie auf der ersten Seite des Ge-
etzentwurfs die richtigen Ziele aufschreiben, Sie müs-
en Sie dann auf den folgenden Seiten auch umsetzen.
ier finden sich zwar viel Seiten, aber wenig konkrete
nhalte. Ihre Unfähigkeit zu nachhaltigen Reformen trifft
n diesem Fall rund 480 000 Beschäftigte in einem öf-
entlich-rechtlichen Dienstverhältnis des Bundes. Die
ediensteten bei der Bundespolizei, die Soldatinnen und
oldaten, die Beamtinnen und Beamten in den Ministe-
ien, in den Bundesbehörden und nicht zu vergessen bei
en Postnachfolgeunternehmen und der Deutschen Bahn
aben sich nach einem Jahr Beratung in der Großen
oalition mehr erhofft als die formale, handwerklich
19938 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. November 2008
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schlechte Umsetzung der – in meinen Augen nach wie
vor falschen – Ergebnisse der Föderalismusreform.
Es gab ja mal so etwas wie den Hauch eines Reform-
lüftchens im Bereich des Beamtenrechts. Sowohl vom
Deutschen Beamtenbund als auch von der Gewerkschaft
Verdi ging das Signal der Reformbereitschaft aus. Die
Große Koalition hat diesen Reformwillen komplett er-
stickt, von einer „Weiterentwicklung“ des Beamten-
rechts ist nichts zu sehen. Der Bund ist meilenweit da-
von entfernt, für seine Bundesbeamten ein Dienstrecht
vorzulegen, das Vorbild und Modellcharakter auch für
die Länder entfalten könnte.
Geradezu peinlich finde ich, dass nach Abschluss der
Beratungen im Innenausschuss die Verteidigungspoliti-
ker einen richtigen Änderungsantrag zur Altersversor-
gung der ehemaligen NVA-Soldatinnen und -soldaten
vorlegen, der dann wiederum im Innenausschuss von
den Fraktionen der Großen Koalition abgelehnt wird. Sie
hatten genug Zeit, diese Querelen untereinander abzu-
stimmen. Wie wollen Sie erklären, dass Sie dann noch in
Form einer Tischvorlage die zugesagten Anhebungen im
B-Bereich zurücknehmen. Ich finde die Rücknahme
richtig, aber bitte nicht in diesem Stil; eine handwerklich
saubere Gesetzesarbeit ist das mindeste, was ich von der
Großen Koalition erwarte.
Aber lassen Sie mich zur inhaltlichen Kritik kommen.
Wir Grünen kritisieren diesen Entwurf vor allem für die
fehlende Gleichstellung von eingetragenen Lebenspart-
nerschaften, die fehlende Möglichkeit zur Mitnahme von
Versorgungsansprüchen in die Privatwirtschaft und die
vorgesehene pauschale Anhebung der Altersgrenzen bei
bestimmten Berufsgruppen.
Bei der Erhöhung des Pensionsalters auf 67 Jahre ana-
log zur „Rente mit 67“ sind nach unserer Auffassung Son-
derregelungen für bestimmte Berufsgruppen notwendig.
Beispielsweise können Polizeibeamtinnen und -beamte
im Schichtdienst nicht über das 60. Lebensjahr hinaus
eingesetzt werden. Die hohen Anforderungen im polizei-
lichen Alltag führen schon heute dazu, dass viele Beam-
tinnen und Beamte der Bundespolizei die Polizeidienst-
fähigkeit vor der Vollendung des 60. Lebensjahres
verlieren. Die Verlängerung der Lebensarbeitszeit würde
in der Praxis zu einem hohen Prozentsatz der Frühpen-
sionierung und damit verbunden zu einer deutlichen
Kürzung des Ruhegehaltes führen. Die Länder Bremen,
Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen
und Schleswig-Holstein haben einen Musterentwurf er-
arbeitet, nach dem in diesen Ländern keine Verlängerung
der Lebensarbeitszeit der Polizeibeamtinnen und -beam-
ten zu erwarten ist.
Die Möglichkeit zur Mitnahme von Versorgungs-
ansprüchen ist die Voraussetzung für einen Wechsel zwi-
schen Staatsdienst und Privatwirtschaft. Wer das Ziel des
Austausches beschreibt, muss auch die Instrumente der
Realisierung zur Verfügung stellen, und das tun Sie
nicht. Ihr Gesetzentwurf verhindert die Durchlässigkeit
und die Flexibilität.
Wie rückständig das angebliche Modernisierungsge-
setz der Koalition ist, zeigt sich an keinem Punkt so
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eutlich wie an der fehlenden Gleichstellung von einge-
ragenen Lebenspartnerschaften. Es atmet den Muff der
0er-Jahre, wie hier die Diskriminierung von Lesben
nd Schwulen fortgeschrieben wird. Und das von einer
PD, deren Justizministerin noch vor kurzem vollmun-
ig die volle Gleichstellung von Lebenspartnerschaften
efordert hat, und von einer CDU, die inzwischen auch
ern mal beim Christopher Street Day ein Regenbogen-
ähnchen in den Wind hält. Hier und heute treten Sie die
leichberechtigung mit Füßen.
Die lesbische Bundesbeamtin mit Frau und Kind er-
ält keinen Familienzuschlag – im Gegensatz zu ihrem
erheirateten Kollegen ohne Kind. Der schwule Bundes-
ichter erhält für seinen kranken oder pflegebedürftigen
ebenspartner keine Beihilfe – bei Verheirateten ist das
elbstverständlich. Die lesbische Soldatin kann in
fghanistan sterben – ihre Lebenspartnerin bekommt
eine Hinterbliebenenversorgung. Dieser Umgang des
undes mit seinen Beamtinnen und Beamten ist aus-
renzend und diskriminierend.
Auf Länderebene schreitet die Gleichstellung von Le-
enspartnerschaften immer weiter voran, auf Bundes-
bene sagen SPD und Union den homosexuellen Beam-
innen und Beamten heute kalt ins Gesicht: Eure
erbindlichen Partnerschaften sind uns nichts wert. Ihr
abt zwar die gleichen Pflichten wie Eheleute, aber
eine Rechte. Das empört nicht nur völlig zu Recht die
nmittelbar und unter Umständen sogar existenziell Be-
roffenen. Es passt nicht in den freiheitlichen Verfas-
ungsstaat, den Bundesinnenminister Schäuble neuer-
ings für sich reklamiert. Das ist der Ausdruck des
insteren autoritären Staates, wie wir ihn aus der Zeit vor
968 kennen.
Die Gleichberechtigung der Lebenspartnerschaften ist
uroparechtlich geboten. Bei der gesetzlichen Kranken-
nd Rentenversicherung ist sie längst vollzogen. Warum
oll Entsprechendes nicht auch für Bundesbeamtinnen
nd -beamte gelten? Drei Sachverständigenanhörungen
es Bundestages haben gezeigt, dass nichts gegen die
leichstellung von Lebenspartnerschaften spricht, aber
ehr viel dafür. Mit unserem Änderungsantrag zum
chwarz-roten Gesetzentwurf geben wir der Koalition
ine letzte Chance, uns allen die Peinlichkeit zu erspa-
en, dass im Jahr 2008 noch ein diskriminierendes Ge-
etz verabschiedet wird. Es ist bedauerlich, dass wir die
echtliche Gleichheit von Menschen unterschiedlicher
exueller Identität überhaupt noch diskutieren müssen.
ies wäre wohl anders, wenn im Jahr 2000 die rot-grü-
en Pläne zum Lebenspartnerschaftsrecht nicht am Wi-
erstand des schwarz-gelben Bundesrats gescheitert wä-
en.
Trotz der Unzulänglichkeiten des Gesetzentwurfs und
einer skandalösen Defizite in Sachen Lebenspartner-
chaft will ich nicht verschweigen, dass er in anderen
ereichen auch ein paar positive Dinge enthält: Es wird
ie Sonderzahlung in das Grundgehalt und in die Versor-
ung eingebaut. Es gibt einen erhöhten Familienzu-
chlag in Höhe von 50 Euro ab dem dritten Kind, und die
7-Jahre-Grenze bei der Lebenszeiternennung entfällt.
as begrüßen wir durchaus. Aber für eine Zustimmung
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ist das zu wenig. Insgesamt lehnen wir den Gesetzent-
wurf der Großen Koalition ab.
Im Entschließungsantrag der FDP steht viel Richti-
ges. Wir stimmen ihm zu.
Lassen Sie mich zum Schluss feststellen: Die Chance
einer Weiterentwicklung und Modernisierung des Beam-
tenrechts wurde vertan. Statt Glanzlicht sind sie rote La-
terne. Ein weiteres großes Reformvorhaben wird auf die
kommende Legislaturperiode verschoben.
Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär beim
Bundesminister des Innern: Mit der Reform des Bundes-
dienstrechts wird ein wichtiges Modernisierungsprojekt
des Regierungsprogramms „Zukunftsorientierte Verwal-
tung durch Innovationen“ zum Abschluss gebracht. Die
Bundesregierung hat mit dem Entwurf des Dienstrechts-
neuordnungsgesetzes die Gestaltungsspielräume ge-
nutzt, die für den Bund mit der Neuordnung der dienst-
rechtlichen Regelungskompetenzen im Grundgesetz
durch die Föderalismusreform I entstanden sind.
Der Gesetzentwurf des Dienstrechtsneuordnungsgeset-
zes ist auf die besonderen Personalstrukturen des Bundes
zugeschnitten, die durch eine große Anzahl der Soldatin-
nen und Soldaten gekennzeichnet ist. Die Soldatinnen
und Soldaten leisten – und hier möchte ich die Leistung
aller übrigen Beschäftigten keineswegs schmälern – ei-
nen besonders wichtigen Beitrag für das Wohl unseres
Gemeinwesens. Ihr besonderer Einsatz wird durch spe-
zielle Besoldungsregelungen auch finanziell gewürdigt.
Für eine zukunftsfähige Verwaltung ist ein moderner,
leistungsfähiger öffentlicher Dienst unerlässlich. Das
Berufsbeamtentum ist ein wichtiger Garant für eine
rechtsstaatliche und bürgerfreundliche Verwaltung. Un-
sere Aufgabe ist es, hier die Weichen für die Zukunft zu
stellen.
Das bedeutet, dass wir den zu erwartenden demogra-
fischen Wandel für den öffentlichen Dienst ernst neh-
men. Einerseits führt das zu der schrittweisen Anhebung
der Altersgrenzen, was mit der sich erfreulich verlän-
gernden Lebenserwartung korrespondiert. Anderseits
wollen wir im Wettbewerb mit der Wirtschaft um die
besten Beschäftigten mit attraktiven und differenzierten
Beschäftigungsbedingungen antreten. Ziel ist es, die Be-
schäftigungsbedingungen so zu gestalten, dass ange-
sichts der Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt qualifi-
ziertes, neues Personal gewonnen werden kann und die
vorhandenen Beschäftigen gefördert werden.
Der vorliegende Gesetzentwurf des Dienstrechtsneu-
ordnungsgesetzes schafft hierfür die erforderlichen recht-
lichen Voraussetzungen. Die Leistungs- und Wettbe-
werbsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und das
Leistungsprinzip werden gestärkt. Eine Reihe von Ein-
zelbausteinen in den Schwerpunktbereichen Statusrecht,
Besoldungsrecht und Versorgungsrecht verfolgen diesen
übergreifenden Reformansatz.
Das neue Bundesbeamtengesetz schafft die Voraus-
setzungen für eine moderne Personalverwaltung. Dazu
gehört insbesondere die Reform des Laufbahnrechts. Be-
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ufserfahrungen in der Wirtschaft und verwaltungsin-
erne Ausbildungen werden gleichgestellt. Für die Ein-
tellung von Bewerberinnen und Bewerbern wird nur
och entscheidend sein, was gelernt wurde, nicht mehr
o. Neben der Anerkennung von Berufserfahrungen
önnen zukünftig auch besondere Qualifikationen beim
instieg in eine Beamtenkarriere berücksichtigt werden.
ngesichts des zu erwartenden Rückgangs von Erwerbs-
räften ist der öffentliche Dienst auch auf ältere, berufs-
rfahrene „Einsteiger“ angewiesen.
Das neue Bundesbeamtengesetz trägt den sich wan-
elnden Strukturen im Hochschul- und Ausbildungswe-
en Rechnung. Der Bologna-Prozess hat zu zahlreichen
euen Ausbildungen geführt. Gab es bisher nur eine be-
renzte Möglichkeit, diese neuen Abschlüsse für eine
aufbahnbefähigung anzuerkennen, kann zukünftig je-
er Ausbildungs- und Studienabschluss einer Laufbahn
ugeordnet werden. Das heißt nicht, dass Bewerber un-
bhängig von der Art ihrer Qualifikation eingestellt wer-
en. Entscheidend sind der Bedarf und die Anforde-
ungsprofile, die die einzelnen Behörden für ihren
edarf definieren. Für die Praxis wird sich vorteilhaft
uswirken, dass – entsprechend der Beschlüsse der
MK und IMK – erstmals Hochschulabschlüsse ganz-
eitlich den Laufbahngruppen zugeordnet werden kön-
en.
Auch die Änderungen im Besoldungsrecht spiegeln
ie grundlegenden Reformansätze wider. Kernpunkt ist
ie Neugestaltung der Grundgehaltstabellen. Bisher
ichteten sich der Einstieg und Aufstieg in der Tabelle
nnerhalb einer Besoldungsgruppe im Prinzip nach dem
ebensalter. Dieses sogenannte Senioritätsprinzip wird
unmehr abgeschafft. Künftig stehen Entwicklung und
eistung des Einzelnen im Vordergrund, und zwar so-
ohl für den Einstieg als auch für den Aufstieg inner-
alb einer Besoldungsgruppe. Mit diesem Systemwech-
el ist das Leistungsprinzip im Besoldungsrecht künftig
uf allen Ebenen verwirklicht: Neben Amt und Grundge-
alt, die nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leis-
ung vergeben werden, richtet sich künftig auch die Ent-
icklung innerhalb einer Besoldungsgruppe nach
eistung und Erfahrung.
Der Gesetzentwurf hält an einheitlichen Gehaltsstruk-
uren für Beamte und Soldaten fest. Die Frage, ob den
esonderheiten des Soldatenberufs und den militäri-
chen Personalstrukturen innerhalb einer gemeinsamen
abelle angemessen durch differenzierende Regelungen
echnung getragen wird, hat in den parlamentarischen
eratungen und in der vom Innenausschuss durchge-
ührten Sachverständigenanhörung eine maßgebliche
olle gespielt. Das Ergebnis, das sich in der Beschluss-
mpfehlung des Innenausschusses niederschlägt, sieht
achsteuerungen zugunsten der Soldatinnen und Solda-
en vor. Die bereits im Regierungsentwurf getroffene
rundentscheidung, einheitliche Tabellen für Beamte
nd Soldaten beizubehalten, wird dadurch gestärkt.
Das ist ein Erfolg. Eine einheitliche Besoldung für
en Bund nach einheitlichen Strukturen garantiert für
lle Statusgruppen Vorteile. Es ist daher richtig, an der
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Zusammengehörigkeit des öffentlichen Dienstes im Bund
festzuhalten.
Zur Stärkung des Leistungsprinzips im Besoldungs-
recht gehört auch die Weiterentwicklung der individuellen
Leistungselemente. Mit der Anhebung der Vergabe-
höchstgrenzen für Teamprämien und mit der Verankerung
eines gesetzlichen Mindestbudgets erfolgt ein weiterer
Schritt in die richtige Richtung. Was die Frage des Aus-
baus des Finanzbudgets anbetrifft, ist die Entscheidung
in dem Gesetzentwurf mit Blick auf die Tarif- und Be-
soldungsrunde 2008 zurückgestellt worden. Die Ent-
wicklung bestätigt in der Nachschau, dass diese vorläu-
fige Zurückstellung richtig war. Das Thema ist damit
vorerst, aber sicherlich nicht langfristig von der Tages-
ordnung gestrichen worden.
Die demografische Entwicklung erfordert es, die nach-
haltige Finanzierbarkeit der Beamtenversorgung im
Blick zu behalten. Wir haben dieses bereits zu Beginn
der Legislaturperiode mit der Errichtung eines Ver-
sorgungsfonds für den Bund getan. Dieser Kurs der
Stabilisierung und Stärkung dieses eigenständigen Al-
terssicherungssystems wird mit dem Dienstrechtsneu-
ordnungsgesetz weiter fortgesetzt. Die Auswirkungen
durch die steigende Lebenserwartung und den mit ihr
verbundenen demografischen Wandel treffen alle Alters-
sicherungssysteme in gleicher Weise. Die Änderungen in
der gesetzlichen Rentenversicherung werden daher in
der Beamtenversorgung wirkungsgleich nachvollzogen.
Dazu gehört insbesondere die durchgängige Anhebung
der Altersgrenzen um zwei Jahre. Die allgemeinen
Altersgrenzen für Beamtinnen und Beamte des Bundes
wird ab 2012 stufenweise angehoben und ab 2029 bei
67 Jahren liegen. Ebenso werden die besonderen Alters-
grenzen um zwei Jahre erhöht.
Ein weiterer Punkt ist, dass Hochschulzeiten nur noch
eingeschränkt als ruhegehaltfähige Dienstzeit berück-
sichtigt werden können. Auch hier erfolgt eine wir-
kungsgleiche Übertragung zum Rentenrecht. Eine Kap-
pungsgrenze stellt sicher, dass die Kürzungswirkung
entsprechend der Rente nicht überschritten wird.
Wirkungsgleichheit ist ein Leitziel, das wir ernst neh-
men und konsequent umsetzen. Durch Einführung einer
Evaluierungsklausel wird dieses Leitziel festgeschrie-
ben. Deshalb soll zum Stichtag 31. Dezember 2011 die
Wirkung von Rente und Beamtenversorgung verglichen
werden, um die Systeme im Gleichklang zu entwickeln.
Offen ist noch die Frage, wie die bisherigen versor-
gungsrechtlichen Nachteile beim vorzeitigen Ausschei-
den aus dem öffentlichen Dienst vermieden werden kön-
nen, um den Erfahrungsaustausch zwischen der privaten
Wirtschaft und dem öffentlichen Dienst weiter zu för-
dern. Hierzu liegt ein Entschließungsantrag vor, über
den heute zusammen mit dem Entwurf des Dienstrechts-
neuordnungsgesetzes entschieden werden soll. Ich
denke, dass es richtig ist, wenn wir – das hat auch die
Anhörung im April dieses Jahres gezeigt – diesen
Aspekt gesondert diskutieren und beraten. Die Ent-
schließung wird von der Bundesregierung daher aus-
drücklich unterstützt.
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Mit dem Gesetzentwurf des Dienstrechtsneuord-
ungsgesetzes haben wir ein umfassendes Konzept vor-
elegt, das den Weg für ein modernes Berufsbeamten-
um eröffnet.
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Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung:
– Anfrage: Soziale Existenzsicherung nach
dem Asylbewerberleistungsgesetz
– Entwurf eines Gesetzes zur Aufhebung des
Asylbewerberleistungsgesetzes
(Tagesordnungspunkt 9 a und b)
Michael Hennrich (CDU/CSU): Im Hinblick auf den
ontinuierlichen Anstieg der Asylbewerberzahlen An-
ang der 90er-Jahre haben sich CDU/CSU, SPD und
DP im Asylkompromiss von 1992 unter anderem dar-
uf geeinigt, ein Gesetz zur Regelung des Mindestunter-
alts von Asylbewerbern zu schaffen, das außerhalb des
rüheren Bundessozialhilfegesetzes deutlich abgesenkte
eistungen und den Vorrang von Sachleistungen vor-
ieht. Auf dieser Grundlage entstand 1993 das Asylbe-
erberleistungsgesetz. Kerngedanke des Gesetzes ist es,
ie Leistungen für Asylbewerber gegenüber der Sozial-
ilfe zu vereinfachen und auf die Bedürfnisse eines in al-
er Regel nur vorübergehenden Aufenthaltes in der Bun-
esrepublik Deutschland abzustellen.
Der letzte Punkt ist entscheidend und wird uns noch
inmal begegnen. Das Asylbewerberleistungsgesetz ist
eit 1993 mehrfach geändert worden. An die damit ver-
undenen heftigen Debatten kann ich mich noch gut er-
nnern. An der Grundkonzeption des Gesetzes hat sich
eit seiner Einführung aber nichts geändert.
Mit ihren Initiativen fordern die Linken und die Grü-
en die Abschaffung dieses Gesetzes. Sie stellen die so-
ben skizzierte Grundkonzeption des Asylbewerberleis-
ungsgesetzes infrage. Dies kann ich, insbesondere
ngesichts der guten Erfolge dieses Gesetzes, nicht ak-
eptieren.
Die Bundesregierung hat in ihrer Antwort auf die
roße Anfrage der Linken festgestellt, dass sie keinen
esetzlichen Handlungsbedarf sieht und Änderungen im
sylbewerberleistungsgesetz ablehnt. Dem kann ich
ich nur anschließen: Die Linke hat sich in der genann-
en Großen Anfrage mit den einzelnen Aspekten des
sylbewerberleistungsgesetzes beschäftigt. Die 23 Fra-
en mit Unterpunkten wurden dann auf 48 Seiten beant-
ortet. Dabei höre ich allerdings wenig Neues. Sie alle
issen, auf welche Weise das Gesetz seit seiner Entste-
ung von unterschiedlichen Gruppen kritisiert wird.
Die Grünen haben das Asylbewerberleistungsgesetz
ereits bei seiner Entstehung kritisiert und gesagt, es
ühre zu einem Ausschluss von Asylsuchenden aus der
ozialhilfe und der Grundsicherung für Arbeitsuchende.
llerdings hat dieser Ausschluss besondere Gründe, die
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eine andere Beurteilung der Situation rechtfertigen. Das
sehe nicht nur ich so, sondern das hat auch das Bundes-
verwaltungsgericht bestätigt. Sie schreiben es selbst in
ihrem Antrag. Der Grund für eine unterschiedliche Be-
handlung ist, dass es bei Asyl zunächst nicht um einen
dauerhaften Aufenthalt in Deutschland, sondern um eine
vorübergehende Versorgung der Betroffenen bis zu einer
Entscheidung über ihren Asylantrag geht. Es besteht
eben gerade kein sozialer Integrationsbedarf. Diese Tat-
sache kann nicht einfach außer Acht gelassen werden.
Sie sind der Ansicht, alles andere als eine Gleichstellung
sei ein Verfassungsverstoß. Ich halte es im Gegenteil für
bedenklich, Ungleiches gleich zu behandeln. Das ist
auch nicht in der Verfassung vorgesehen.
Sie haben recht: Die Leistungen nach dem Asylbe-
werberleistungsgesetz sind geringer als die Leistungen
für Sozialhilfeempfängerinnen und -empfänger. Die me-
dizinische Versorgung von Asylsuchenden und Gedulde-
ten ist nach dem Asylbewerberleistungsgesetz auf die
unabweisbar notwendige Behandlung „akuter Schmerz-
zustände“ beschränkt. Dafür gibt es jedoch eine Begrün-
dung, die die Bundesregierung in ihrer Antwort noch
einmal verdeutlicht. Ich zitiere:
Der Umstand, dass die Grundleistungen nach dem
Asylbewerberleistungsgesetz geringer ausfallen als
vergleichbare Leistungen nach dem Zwölften Buch
des Sozialgesetzbuches rechtfertigt nicht die An-
nahme, der Gesetzgeber gewährleiste mit den Leis-
tungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz nicht
das verfassungsrechtlich Gebotene. Soweit Leis-
tungsberechtigte nach dem Asylbewerberleistungs-
gesetz von den Leistungen nach dem SGB XII aus-
geschlossen sind, liegt keine ungerechtfertigte
Ungleichbehandlung vor. Denn die in § 1 Abs. 1 Asyl-
bewerberleistungsgesetz aufgeführten Personen ha-
ben kein verfestigtes Aufenthaltsrecht; es wird in der
Regel nur von einem kurzen, vorübergehenden Auf-
enthalt ausgegangen und deshalb werden Leistungen
zur sozialen Integration nicht gewährt.
Machen wir uns nur kurz deutlich: Dessen ungeachtet
umfasst das Gesetz in der medizinischen Versorgung
trotzdem Vorsoge bei Impfungen oder beispielsweise
ohne Einschränkungen bei Leistungen in der Schwan-
gerschaft. Die Menschen werden nicht allein und unver-
sorgt gelassen.
Wenn Sie behaupten, dass 15 Jahre nach Inkrafttreten
des Asylbewerberleistungsgesetzes festzustellen sei,
dass dieses Gesetz weder damals noch heute dazu geeig-
net war und ist – wie vom Gesetzgeber beabsichtigt – die
Einreise von Asylsuchenden nach Deutschland zu redu-
zieren bzw. in Deutschland bereits lebende abgelehnte
Asylsuchende bzw. Geduldete zu einer schellen Ausreise
aus Deutschland zu bewegen, dann haben Sie die Zahlen
nicht verfolgt.
Erinnern wir uns: Ziel der damaligen Bundesregie-
rung war es, den Zustrom von Flüchtlingen in die Bun-
desrepublik Deutschland zu begrenzen und den Miss-
brauch des Asylrechts zu beenden oder zumindest
einzuschränken, da die Bundesrepublik Deutschland da-
mals europaweit die Hauptlast der Flüchtlingsströme zu
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ragen hatte. Diese Flüchtlingsströme führten zu einer
normem Belastung der sozialen Sicherungssysteme in
eutschland. Nicht selten lag bei den Flüchtlingen ne-
en dem Willen zur Erlangung staatlicher Leistungen im
llgemeinen auch der Wille zur Erlangung guter ge-
undheitlicher Versorgung in der Bundesrepublik vor.
ieses Ziel der Erlangung gesundheitlicher Leistungen
pielte – und spielt bis heute – eine entscheidende Rolle
ei den Einreisemotiven von Flüchtlingen.
Dem widersprechen Sie in ihrem Antrag. Aber woher
ehmen Sie diese Erkenntnis? Es hat sich aufgrund der
eit 1989 ständig gestiegenen Anzahl von Asylbewer-
ern – 438 191 im Jahre 1992 – und der Tatsache, dass
um Beispiel in den frühen 90er-Jahren 95 Prozent der
sylbewerber nicht als Asylberechtigte anerkannt wur-
en, gezeigt, dass ein großer Teil der Asylsuchenden
ich ohne tatsächliche Furcht vor politischer Verfolgung
uf das Asylrecht berief. Die Bundesregierung vermu-
ete damals, dass viel zu häufig wirtschaftliche Gründe
ls prägendes Motiv für die Einreise bei den Ausländern
m Vordergrund standen. Auch die hohe Anzahl derjeni-
en Ausländer, die über sichere Drittstaaten einreisten,
tützten diese Vermutung. Um diesem Asylmissbrauch
ntgegenzutreten, wurde dann das Asylbewerberleis-
ungsgesetz geschaffen und ein Personenkreis von Aus-
ändern definiert, der zukünftig nicht mehr Leistungen
ach dem damaligen Bundessozialhilfegesetz, BSHG,
ondern nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten
ollte. Diese Idee war richtig, das zeigt uns die Entwick-
ung der letzten Jahre.
Wie sehen die Zahlen genau aus? 1994 hatten wir
39 000 Regelleistungsempfänger nach dem Asylbewer-
erleistungsgesetz, 2006 noch 194 000. Auch im Jahr
007 ist die Zahl der Leistungsempfänger weiter gesun-
en. Da lag die Zahl der Asylanträge nur noch bei
0 000. 2003 lag sie noch bei 323 000. Diese Zahlen
prechen dafür, dass das Gesetz seinen Sinn und Zweck
rfüllt, nämlich unsere Sozialsysteme zu entlasten und
ie Zahl der Asylbewerber auf die Menschen zu be-
renzen, die überwiegend wirklich in Not sind.
Meine Damen und Herren von den Linken, Ihre
auptsächliche Kritik basiert darauf, dass es den Men-
chen, die bei uns Asyl beantragen, nicht gut genug geht.
ch will zunächst einmal darauf hinweisen, dass in kaum
inem anderen europäischen Land Asylbewerber so um-
assende Leistungen erhalten wie in Deutschland. Auch
ach dem bereits erwähnten Rückgang der Zahlen betru-
en die Bruttoausgaben für Leistungen nach dem Asyl-
ewerberleistungsgesetz im Jahr 2006 immerhin noch
,165 Milliarden Euro. Wir haben pro Jahr rund 20 000
sylbewerber, die allerdings durch zügigere Verfahren
chneller Klarheit bekommen und damit weniger Kosten
erursachen.
Nur kurz will ich darauf hinweisen, dass die Zahl der
sylbewerber wieder steigt. Vor allem sind es Antrags-
teller aus dem Irak, die übrigens in aller Regel einen
ufenthaltstitel erhalten. Denn es gibt leider immer noch
ahlreiche Länder, in denen Menschen aufgrund Ihrer
erkunft und oft auch wegen ihres Glaubens verfolgt
erden. Die irakischen Christen sind nur ein Beispiel
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unter vielen. Insbesondere das Thema Christenverfol-
gung zieht sich beinahe über den gesamten Erdball und
ist nicht nur im Irak, sondern auch in der Türkei, in
Ägypten, Saudi-Arabien, aber auch in Korea bittere Rea-
lität. Hier sind wir gefragt, und solche Menschen werden
von uns nicht abgewiesen. Das ist das Wichtigste: Diese
Menschen zunächst zu schützen und ihnen hier sicheren
Aufenthalt zu geben. Diesen Menschen wird nicht ge-
holfen, indem aus populistischen Gründen die Abschaf-
fung eines Gesetzes gefordert wird, das mit Augenmaß
eine sinnvolle Regelung und einen Ausgleich zwischen
den Interessen der asylsuchenden Menschen und den
Steuerzahlern schafft.
Außerdem darf man eine Tatsache nicht außer Be-
tracht lassen: Es kann nicht in erster Linie darum gehen,
diese Menschen hier bei uns aufzunehmen und dabei
nicht die Ursache für ihren Aufenthalt zu bekämpfen.
Wir kümmern uns um diejenigen, die bis hierher kom-
men.
Aber dort, von woher sie hergekommen sind, sind
Millionen, die vor Ort bleiben und leiden. Gerade jene
dürfen wir nicht vergessen. Diesen Menschen kann man
helfen, indem man an verschiedenen Stellen ansetzt:
Asylpolitik und Entwicklungspolitik sind die zwei Pole,
an denen wir aktiv sind und dies auch weiter sein wollen
und müssen.
Wir helfen den Menschen, indem wir uns für eine eu-
ropäische Asylpolitik einsetzen, die unbegrenzte Ein-
wanderung verhindert und in allen Staaten menschen-
würdige Bedingungen für Menschen, die aus der Not zu
uns kommen, schaffen. Ich erinnere daran, dass Mitte
Juni die gemeinsame Einwanderungs- und Asylpolitik in
Europa in eine neue Phase eingetreten ist, als die euro-
päische Kommission zwei Mitteilungen zum Thema
Einwanderungspolitik und Asylstrategie verfasst hat.
Wir helfen den Menschen aber auch, indem wir die
Entwicklungshilfe stärken und dadurch bessere Rahmen-
bedingungen für die Bevölkerung in den Entwicklungs-
ländern und in Krisensituationen schaffen. Sie alle wis-
sen: Die Entwicklungspolitik ist ein Instrument für eine
friedliche und nachhaltige Entwicklung in der Welt. Sie
hilft, Not und Elend in anderen Ländern und Kontinen-
ten zu bekämpfen. Wir werden im Jahr 2009 fast
2,5 Milliarden Euro mehr für Entwicklungshilfe ausge-
ben als noch 2005. Wir sind inzwischen das Land mit
den zweithöchsten Entwicklungsausgaben weltweit.
Ich meine, wir setzen das Geld da ein, wo es hinge-
hört, in den Ländern, aus denen die Menschen sonst zu
uns kommen müssten. Darauf richten wir unser Augen-
merk.
Was wir nicht tun, ist ein – so schreiben es die Grünen –
„ungeeignetes, überflüssiges und unverhältnismäßiges
Gesetz“ abschaffen. Würde diese Einschätzung stim-
men, hätte das Gesetz nicht so viele Jahre und unbean-
standet vom Bundesverfassungsgericht bestanden.
Daher lehnen wir die Anträge der Linken und der
Grünen ab.
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Gabriele Hiller-Ohm (SPD): 1993 trat das Asylbe-
erberleistungsgesetz in Kraft. 15 Jahre lang wurde an
em Gesetz so gut wie nichts geändert. Heute legen uns
ie Grünen einen Gesetzentwurf zur Abschaffung eben
ieses Gesetzes vor. Warum, so frage ich Sie, liebe Kol-
eginnen und Kollegen von den Grünen, haben Sie so
ange gewartet, um ein ungeliebtes Gesetz aus der Kohl-
ra in den Papierkorb zu verdammen? Sie hatten die
eit, zum Beispiel unter rot-grüner Regierung, Verbesse-
ungen für Asylbewerberinnen und -bewerber in
eutschland einzufordern.
Ich will Ihnen die Antwort geben: Es gab kaum die
öglichkeit, politische Mehrheiten für eine Abschaf-
ung oder Veränderung dieses Gesetzes zu finden. 2001
aben wir gemeinsam – also Rot-Grün – versucht, die
eistungen für die betroffenen Menschen zu erhöhen.
cht Jahre war da dieses Gesetz schon in Kraft, und es
atte nicht eine einzige Anpassung an die gestiegenen
ebenshaltungskosten gegeben. Eine Aufstockung wäre
lso wirklich an der Zeit gewesen.
Ich erinnere: Wir sind gescheitert! Wir haben eine
ntsprechende Verordnung zwar erfolgreich vorgelegt.
ie ist dann aber im Bundesrat mit der Mehrheit von
nion und FDP abgeschmettert worden. Heute fordern
ie die Abschaffung des gesamten Asylbewerberleis-
ungsgesetzes und wollen eine Gleichbehandlung von
sylbewerbern, Geduldeten und ihren Familien mit
eutschen Bezieherinnen und Beziehern von Sozialleis-
ungen. Ich finde dieses Ansinnen gut. Aber, so frage ich
ie, haben sich die politischen Mehrheiten in der Zwi-
chenzeit so geändert, dass eine Neuregelung an dieser
telle möglich ist? Sie sind in der Opposition. Die Linke,
ie heute einen Entschließungsantrag vorgelegt hat, ist
s auch. Wir befinden uns in einer großen Koalition. Im
undesrat kann ich bisher auch keine rot-rot-grüne
ehrheit erkennen. Wo also sollen die Stimmen für die
bschaffung des Gesetzes herkommen?
Die heftigen Debatten um den Asylkompromiss An-
ang der 90er-Jahre haben gezeigt, wie schwer es ist, ei-
en gesellschaftlichen und politischen Konsens herzu-
tellen. Wir brauchen diesen Konsens aber dringend, um
ie Situation der Menschen, die bei uns Asyl suchen, zu
erbessern. Die meisten befinden sich drei Jahre und
änger im Leistungsbezug. Sie müssen mit rund
5 Prozent weniger auskommen als deutsche Grundsi-
herungsbezieherinnen und -bezieher. Es gibt gerade
al etwa 41 Euro im Monat an Bargeld und 184 Euro in
achleistungen für den sogenannten Haushaltsvorstand.
ohnen müssen Asylbewerber und ihre Familien zu-
eist in Sammelunterkünften. Dieser Zustand ist drin-
end veränderungswürdig! Zumindest über eine Erhö-
ung der Regelleistung müsste nachgedacht werden.
nzwischen sind 15 Jahre ohne eine Anpassung nach
ben vergangen. Wenn man die Entwicklung der Zahlen
er Asylbewerberinnen und -bewerber betrachtet, müss-
en sich auch diejenigen bewegen, die eine Verbesserung
er Lebensbedingungen bisher verhindert haben. Ausge-
end von 439 000 betroffenen Empfängerinnen und
mpfängern ist die Zahl um mehr als die Hälfte auf
94 000 zurückgegangen. Einen starken Rückgang gab
s ebenfalls bei der Zahl der jährlichen Asylanträge, die
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. November 2008 19943
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jetzt bei rund 30 000 liegt. Davon sind gegenwärtig le-
diglich etwa 19 000 Erstanträge.
Diese Zahlen müssten vor allem auch die Bundeslän-
der überzeugen, endlich ihren Widerstand gegen Verbes-
serungen im Asylbewerberleistungsgesetz aufzugeben.
Ohne die Zustimmung der Länder können wir uns unsere
Mühen hier im Bundestag sparen. Die Länder sind es
nämlich, die die Regelleistungen bezahlen müssen. Ha-
ben Sie grünes Licht aus dem Bundesrat für Ihren Geset-
zesentwurf? Ich fürchte nein.
Wir hingegen stellen uns der politischen Realität. Wir
wollen beispielsweise aktuell mit dem Arbeitsmigra-
tionssteuerungsgesetz den Zugang für junge, geduldete
Migrantinnen und Migranten zur Ausbildung erleich-
tern. Sie sollen künftig BAföG-Förderleistungen und
Leistungen der Berufsausbildungsbeihilfe nach dem
SGB III erhalten.
Ich habe gezeigt, warum der Grünen-Gesetzentwurf
zum Asylbewerberleistungsgesetz derzeit keine politi-
sche Option ist. Wir werden den Gesetzentwurf der Grü-
nen und den Entschließungsantrag der Linken deshalb
ablehnen.
Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP): Die Anträge
von Linken und Grünen auf Abschaffung des Asylbe-
werberleistungsgesetzes sind klassische Klientelpfle-
geanträge. Um die eigene, leider zu häufig durchschim-
mernde Multikultiideologie und ihre Sympathisanten
werden eben mal in sich widersprüchliche Anträge ge-
strickt, die nur das Ziel haben, vorgebliches Gutmen-
schentum zu demonstrieren. Eine reale Verwirklichung
ihrer Anträge haben die Antragsteller ganz offensichtlich
nicht im Sinn.
Eigenartigerweise behaupten die Grünen, dass das
Asylbewerberleistungsgesetz nicht geeignet war und ist,
die Einreise von Asylsuchenden zu reduzieren. Unter
„Kosten“ wird dann aber argumentiert, die Zahl der
Asylsuchenden gehe immer weiter zurück, nun könne
man die Asylsuchenden ja wieder in die allgemeinen
Sozialleistungen aufnehmen. Während die Grünen so ih-
ren Antrag selbst als nicht schlüssig entlarven, verfallen
die Linken in ihre schon abgenutzte und abgestandene
Revolutionsrhetorik von „Klima alltäglicher Gewalt“,
„Pogrom“ und „Härte und Abschreckung“. Wie immer
bei den Linken ist der Affront gegen den demokratischen
Rechtsstaat Bundesrepublik Deutschland der einzige
Sinn und Zweck dieser rein zur Propaganda verfassten
Anträge.
Solche Pamphlete sind eine Beleidigung aller damals
an dieser parlamentarischen Entscheidung mitwirkenden
Parteien, also nicht nur CDU/CSU, sondern auch FDP
und SPD. Diese Ausführungen der Linken haben durch-
aus volksverhetzenden Charakter. Einmal mehr wird
„das Pogrom in Rostock“ für Linke-Zwecke instrumen-
talisiert. Dieses Ausschlachten von schrecklichen Miss-
ständen zu so plumper Propaganda ist widerlich. Eine
Partei, die so etwas als Antrag ins Parlament einbringt,
sollte nicht als Mehrheitsbeschafferin in Landtagen ho-
fiert, sondern klar in ihre Schranken gewiesen werden.
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ie hat keinerlei moralische Legitimation, sich immer
ieder als Anwalt von Grund- und Menschenrechten
ufzuspielen.
Wenn andererseits die Grünen den „Ausschluss der
etroffenen aus der Sozialhilfe und der Grundsicherung
ür Arbeitssuchende“ monieren, dann muss man sich ob
ieser Krokodilstränen schon auch wundern: Die Grünen
aben selbst in zwei Legislaturperioden Regierungsver-
ntwortung nicht an diesem Sachverhalt gerüttelt. Sie
aben nicht einmal für eine Erhöhung der Bedarfssätze
esorgt. Warum haben die Grünen denn die Abschaffung
es Asylbewerberleistungsgesetzes nicht zur Koalitions-
edingung gemacht, als sie mit der SPD koalierten? So
ichtig scheint das den Grünen nicht gewesen zu sein.
Wer Asylsuchende sozialrechtlich mit Arbeitslosen in
eutschland gleichstellen will, der muss natürlich unse-
en Arbeitslosen erklären, warum sie, die möglicher-
eise jahrelang durch Steuerzahlungen und Abgaben-
eistungen für die Kosten unseres Sozialsystems
ufgekommen sind, nun nicht auch höhere Ansprüche an
ozialleistungen haben als die, die das nicht haben. Wer
o etwas, wie Linke und Grüne, will, muss ehrlich sagen,
ass unser Sozialleistungsniveau in manchen Ländern
ls unendlicher verlockender Reichtum wirken muss.
nd er muss sagen, dass unsere ohnehin schon in Schief-
age befindlichen sozialen Sicherungssysteme durch die
bschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes weiter
nter Druck gerieten – zulasten der Bedürftigen in unse-
em Land, die nirgendwo anders hinkönnen und nir-
endwo Asyl oder Sozialleistungen bekommen können
ls eben hierzulande.
Wer diese Zusammenhänge in den Blick nimmt, er-
ennt die Anträge von Grünen und Linken als das, was
ie sind: ein Versuch, unser Sozialsystem weiter zu de-
tabilisieren, zulasten der Bedürftigen in unserem Land.
iese Anträge sind schlicht asozial.
Es gibt durchaus auch aus liberaler Sicht Verbesse-
ungsbedarf in der deutschen Asylpraxis. So ist die in-
wischen weitgehend stattgehabte Abkehr vom Sachleis-
ungsprinzip immer Ziel der FDP gewesen. Sie ist im
ahmen des Asylbewerberleistungsgesetzs ermöglicht
orden. Dass mit Bayern und Sachsen die Länder die
öchsten Sachleistungsquoten haben, in denen die FDP
islang nicht mitregierte, spricht eine deutliche Sprache.
Der Rückgang der Asylbewerberzahlen ist sicher kein
inwand dagegen, dass sich das Asylbewerberleistungs-
esetz im Großen und Ganzen bewährt hat. Die FDP hat
iederholt Anträge eingebracht – zuletzt im Herbst vor
wei Jahren –, die es Asylbewerbern eröffnen sollten,
elbst für ihren Lebensunterhalt zu sorgen. Die Grünen
aben in ihrer Regierungszeit diesem Vorschlag nicht
ur Mehrheit verhelfen wollen. Auch die Verkürzung der
sylverfahren ist ein Instrument, mit dem die Zeit, die
enschen unter das Asylbeweberleistungsgesetz fallen,
eduziert werden kann.
Statt das Asylbeweberleistungsgesetz abzuschaffen,
as sich insgesamt positiv auf die zuvor problematischen
ustände im deutschen Asylsystem ausgewirkt hat, sol-
en lieber die nächstliegenden Verbesserungen vorge-
19944 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. November 2008
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nommen werden: die deutliche Reduzierung der Verfah-
rensdauer, der konsequente Vollzug des Ergebnisses und
die Arbeitserlaubnis, die Asylbewerbern die Chance zur
Selbstversorgung gibt. Das ist die richtige Politik zu-
gunsten der Menschen, die in unserem Land Asyl vor
Verfolgung suchen.
Dass Grüne und Linke diese Forderungen nicht erhe-
ben, macht deutlich, dass es ihnen eben nicht um das
Wohl der Betroffenen geht, sondern nur um eine mög-
lichst ungehemmte Multikultisierung unserer Gesell-
schaft. Die daraus resultierenden gesellschaftlichen
Spannungen und Konflikte und die Verschlechterung der
sozialen Sicherheit nehmen sie billigend in Kauf. Nicht
die betroffenen Menschen, sondern diese Ideologie ist
Triebfeder der vorliegenden Anträge.
Mit der FDP ist eine solche unsoziale Politik nicht zu
machen. Für die FDP bleibt der Mensch im Mittelpunkt
jeder verantwortlichen Politik.
Ulla Jelpke (DIE LINKE): Wir reden heute über das
Asylbewerberleistungsgesetz. Nach diesem Gesetz er-
halten Asylsuchende, Geduldete und sogar anerkannte
Bürgerkriegsflüchtlinge deutlich abgesenkte Sozialleis-
tungen. Diese sogenannten Leistungen sind seit
15 Jahren nicht angehoben worden. Laut Gesetz erhalten
die Betroffenen immer noch lächerliche 184 Euro im
Monat. Zu Beginn möchte ich daran erinnern, in wel-
chem Kontext das Asylbewerberleistungsgesetz einge-
führt wurde.
Seit über 15 Jahren gibt es in Deutschland die rassisti-
sche Sondergesetzgebung in Form des Asylbewerber-
leistungsgesetzes. Es wurde nach der faktischen Ab-
schaffung des Grundrechts auf Asyl eingeführt und stand
im Kontext von rassistischer Hetze und pogromartiger
Stimmung gegen Flüchtlinge, die damals in ganz
Deutschland wütete. Schon damals waren Flüchtlinge in
Sammelunterkünften untergebracht, die schnell zum Ziel
von Brandanschlägen und Übergriffen wurden. Zugleich
sahen sich die Kommunen mit der Aufnahme einer gro-
ßen Zahl von Flüchtlingen überfordert, die vor dem Bür-
gerkrieg auf dem Balkan nach Westeuropa geflohen wa-
ren. Doch statt auf eine politische und solidarische
Lösung zu setzen, sollten auf Kosten der Flüchtlinge die
kommunalen Haushalte entlastet werden, und es wird
weiterhin auf Kosten der Flüchtlinge gespart.
Was bedeutet dieses Gesetz konkret für die Betroffe-
nen, die Asylbewerber, Geduldeten und Bürgerkriegs-
flüchtlinge? Es bedeutet, dass sie unterhalb des offiziel-
len Existenzminimums vegetieren müssen. Sie erhalten
nur circa 60 Prozent des normalen Grundleistungssatzes.
Zugleich gilt das sogenannte Sachleistungsprinzip: Auf
diskriminierende Art bekommen sie statt Geld lediglich
Gutscheine oder Fresspakete von minderer Qualität. Die
bloße physische Existenz der Betroffenen soll gesichert
werden, und das über einen Zeitraum von vier Jahren.
Erst dann haben sie Anspruch auf Sozialhilfe. Wie das
mit dem Schutz der Menschenwürde vereinbar sein soll,
dazu hört man von der Bundesregierung kein einziges
Argument.
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Die Betroffenen erhalten keine Gesundheitsvorsorge,
ediglich in Notfällen oder bei akuten Schmerzen wird
hnen geholfen. Es gilt ein faktisches Arbeitsverbot. Die
esidenzpflicht nimmt ihnen die Bewegungsfreiheit.
sylbewerber und Geduldete werden bewusst diskrimi-
iert und ausgegrenzt. Die allermeisten werden in Sam-
elunterkünften und Lagern untergebracht und werden
ort zur Zielscheibe rassistischer Gewalt.
Die Antwort der Bundesregierung auf unsere Große
nfrage zu diesem Thema macht deutlich, dass sie an
iesem rassistischen Sondergesetz nichts ändern will.
it hanebüchenen Argumenten wird der verringerte So-
ialleistungsbezug mit einem angeblich geringeren Inte-
rationsbedarf begründet. Zudem sei nur ein vorüberge-
ender Aufenthalt zu erwarten, wie die Bundesregierung
chreibt.
Dies ist wirklich eine zynische Begründung. Erstens
st ein Aufenthalt von vier Jahren wohl kaum als vo-
übergehend zu bezeichnen. Zweitens geht diese Argu-
entation schon davon aus, dass gestellte Asylanträge
owieso abgelehnt werden und die Betroffenen in ihr
erkunftsland zurückkehren. Drittens darf man nie ver-
essen, dass das Asylbewerberleistungsgesetz auch für
n Deutschland geborene Kinder gilt. Selbst wenn deren
ltern nach vier langen Jahren endlich der volle Sozial-
eistungsbezug zusteht, bekommen sie für die Kinder in
eren ersten vier Lebensjahren nur die abgesenkten Leis-
ungen. Viertens haben die meisten sogenannten Leis-
ungsempfänger eine Duldung; sie sind also gar keine
sylbewerber. Bekanntlich ist auch der Aufenthalt von
eduldeten keineswegs nur vorübergehend, wie die er-
chreckend hohe Zahl von Kettenduldungen zeigt, die
ich häufig zehn Jahre oder länger hinziehen.
Diese Beispiele zeigen, dass die Argumente der Bun-
esregierung an den Haaren herbeigezogen sind. Es
errscht die rassistische Unterstellung, Asylbewerber
ämen einzig zu dem Zweck nach Deutschland, Sozial-
eistungen zu beziehen. Daraus folgt ein Abschreckungs-
egime mit fatalen Folgen für die physische und psychi-
che Gesundheit der Betroffenen, die Verhinderung ihrer
ntegration mit allen Mitteln. Die Antwort der Bundesre-
ierung ignoriert diese humanitären Probleme.
Die Fraktion Die Linke dagegen fordert die Abschaf-
ung des Asylbewerberleistungsgesetzes und aller diskri-
inierenden Sonderregelungen für Asylbewerber und
lüchtlinge!
Klaus Brandner, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
inister für Arbeit und Soziales: Die Bundesregierung
st von der Richtigkeit und Wirksamkeit des Asylbewer-
erleistungsgesetzes überzeugt.
Die Kritik, die die Fraktion Die Linke mit der vorlie-
enden Großen Anfrage an dem Gesetz übt, teilen wir
icht.
Die Große Anfrage befasst sich mit den Hilfen zum
ebensunterhalt für bestimmte Ausländergruppen mit
icht verfestigtem Aufenthaltsrecht, die nach dem Asyl-
ewerberleistungsgesetz gewährt werden. Die dort ge-
tellten Fragen betreffen Kritikpunkte, die seit 1993
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. November 2008 19945
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– seit Bestehen des Gesetzes – immer wieder diskutiert
werden. So geht es zum Beispiel um die im Vergleich
zur Sozialhilfe abgesenkte Leistungshöhe oder die Form
der Leistungsgewährung primär als Sachleistung.
Sie wissen: Das Asylbewerberleistungsgesetz flan-
kiert den sogenannten Asylkompromiss von 1992 aus
leistungsrechtlicher Sicht und ist damit immer in die
schwierige Diskussion um die Änderung der ausländer-
rechtlichen Regelungen einbezogen. Das Ausländerrecht
ist zuletzt nach einem komplizierten und langwierigen
Diskussionsprozess Anfang 2008 durch das Gesetz zur
Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien
der Europäischen Union geändert worden – und zwar
unter Einbeziehung auch des Asylbewerberleistungsge-
setzes.
Eines will ich an dieser Stelle ausdrücklich betonen:
Die Bundesregierung bekennt sich ohne Wenn und Aber
zum Asylrecht, wie es in Art. 16 a GG geregelt ist. Men-
schen, die in ihren Herkunftsländern politisch verfolgt
werden oder einer unmenschlichen Behandlung ausge-
setzt sind, genießen Asylrecht – und sollen in unserem
Land auch anständig leben können.
Von den hitzigen Debatten vergangener Jahre dazu
sind wir heute zum Glück weit entfernt. Das wird auch
bei einem Blick auf die Zahl der jährlichen Asylanträge
deutlich, die in den Jahren 2006 und 2007 nur noch bei
jeweils rund 30 000 lag. Zum Vergleich: Im Jahr 2003
lagen 323 000 Asylanträge vor. Diese Entwicklung hat
natürlich im Laufe der Jahre auch zu einem deutlichen
Rückgang bei der Zahl der Empfänger von Regelleistun-
gen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz geführt.
Manche halten die seit 1993 unverändert gebliebene
Leistungshöhe für Grundleistungen des Asylbewerber-
leistungsgesetzes für problematisch. Hierzu hat die Bun-
desregierung bereits im Dezember 2007 in ihrer Antwort
auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen festgestellt, dass „derzeit nicht die Absicht be-
steht, die Beträge … zu ändern“. Diese Position haben
wir in der Antwort auf die vorliegende Große Anfrage
bekräftigt und wie folgt begründet: Das Asylbewerber-
leistungsgesetz geht primär vom Sachleistungsprinzip
aus. Wenn Sachleistungen gewährt werden, ist sicherge-
stellt, dass diese der Preisentwicklung folgen. Hinzu
kommt, dass Leistungen für Asylbewerber nicht – wie
im SGB XII und im SGB II – pauschaliert werden, son-
dern im Einzelfall individuelle Beihilfen – zum überwie-
genden Teil ebenfalls als Sachleistungen – etwa für Be-
kleidung, Hausrat usw. gewährt werden. Auch diese
einmaligen Beihilfen folgen der Preisentwicklung.
Richtig ist, dass die Grundleistungen nach dem Asyl-
bewerberleistungsgesetz geringer ausfallen als ver-
gleichbare Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften
Buch Sozialgesetzbuch, früher Bundessozialhilfegesetz.
Das rechtfertigt jedoch nicht die Annahme, der Gesetz-
geber gewährleiste mit den Leistungen nach dem Asyl-
bewerberleistungsgesetz nicht das verfassungsrechtlich
Gebotene. Denn das Asylbewerberleistungsgesetz unter-
stützt Personen in einer Übergangsphase bis zum Vorlie-
gen des endgültigen Asylbescheids – und diese Phase
schließt Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften
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uch Sozialgesetzbuch aus. Sobald sich ein Asylbewer-
er jedoch aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen
änger als vier Jahre in der Bundesrepublik aufhält, er-
ält er die gleichen Leistungen wie ein deutscher Staats-
ngehöriger.
Die soziale Existenzsicherung von Asylbewerbern
ach dem Asylbewerberleistungsgesetz hat sich be-
ährt. Es schiebt dem Missbrauch einen Riegel vor und
ewährt denen, die leistungsberechtigt sind, die notwen-
ige Unterstützung. Das soll so bleiben!
nlage 31
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zum
ordnungspolitischen Rahmen der Krankenhaus-
finanzierung ab dem Jahr 2009 (Krankenhaus-
finanzierungsreformgesetz – KHRG) (Tages-
ordnungspunkt 10)
Dr. Hans Georg Faust (CDU/CSU): Der jetzt vor-
iegende Entwurf der Bundesregierung für ein Kranken-
ausfinanzierungsreformgesetz enthält ein Konzept, mit
elchem die wesentlichen Herausforderungen der deut-
chen Krankenhäuser in den nächsten Jahren angegan-
en werden können.
Vor dem Hintergrund der Großdemonstration des
ktionsbündnisses „Rettung der Krankenhäuser“ vom
5. September 2008 hier in Berlin und dem Aufruf die-
es Bündnisses zu einer aktiven Mittagspause am
8. November 2008 ist es meines Erachtens dringend ge-
oten, die wesentlichen Inhalte dieses Gesetzes noch in-
ensiver in der Öffentlichkeit vorzustellen. Deshalb
öchte ich die folgenden Kernelemente intensiver erör-
ern: die Vorgaben zu Neuregelung der Investitionsfinan-
ierung, die verbesserte Refinanzierung von Tariflohn-
rhöhungen, das Förderprogramm „Pflegepersonal“, die
inanzierung der ärztlichen Weiterbildung, den Wegfall
es GKV-Rechnungsabschlags, die Vorgaben zu Rege-
ung eines Basisfallwertkorridors, die Vorgaben für ein
auschaliertes Vergütungssystem für Psychiatrie und
sychosomatik.
Zu den einzelnen Punkten.
Erstens: Investitionsfinanzierung. Bis zum Ende des
ahres 2009 werden Grundsätze und Kriterien für die Er-
ittlung eines Investitionsfallwertes auf Landesebene
ntwickelt, damit die Krankenhäuser leistungsorientierte
nvestitionspauschalen ab dem Jahr 2012 erhalten kön-
en.
Zweitens: Refinanzierung von Tariflohnerhöhungen.
ie für die Jahre 2008 und 2009 tarifvertraglich verein-
arten Lohn- und Gehaltssteigerungen werden ab 2009
u 50 Prozent durch die Krankenkassen refinanziert. Das
st eine Maßnahme, die zu einer Entlastung der Kranken-
äuser bei den zu tragenden Personalkosten um circa
,3 Milliarden Euro führen wird. Darüber hinaus wird
as Statistische Bundesamt einen Orientierungswert er-
itteln, der zeitnah die Kostenentwicklung im Kranken-
19946 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. November 2008
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hausbereich erfasst. Dieser wird voraussichtlich ab 2011
die Grundlohnanbindung ersetzen.
Drittens: Förderprogramm „Pflegepersonal“. Für die
Neueinstellung von Krankenschwestern und Kranken-
pflegern wird ein Förderprogramm aufgelegt. Durch
eine anteilige Finanzierung aus Mitteln der Kostenträger
sollen in den kommenden drei Jahren bis zu 21 000 zu-
sätzliche Pflegestellen geschaffen werden. Bis zu 5 Pro-
zent der Mittel können zur Erprobung neuer Arbeitsor-
ganisationen, zum Beispiel bei den Arbeitsabläufen und
-strukturen, verwendet werden. Hierfür werden circa
220 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Des Weite-
ren wird die Finanzierung der Praxisanleitung für Aus-
zubildende in der Krankenpflege und der Ausbildungs-
vergütungen für Hebammen und Entbindungspfleger
sichergestellt. Dies entlastet die ausbildenden Kranken-
häuser um gut 150 Millionen Euro.
Viertens: Finanzierung der ärztlichen Weiterbildung.
Die Selbstverwaltung wird beauftragt, bis zum 30. Juni
2009 zu prüfen, ob Zu- oder Abschläge für bestimmte
Leistungen oder Leistungsbereiche erforderlich sind, um
die Zusatzkosten der ärztlichen Weiterbildung sachge-
recht zu finanzieren. Die Zu- oder Abschläge sollen
möglichst von Qualitätsindikatoren für die Weiterbil-
dung abhängig gemacht werden.
Fünftens: Wegfall des GKV-Rechnungsabschlags. Der
Abschlag in Höhe von 0,5 Prozent vom Rechnungsbe-
trag bei gesetzlich krankenversicherten Patientinnen und
Patienten, der GKV-Rechnungsabschlag, wird ab An-
fang des Jahres 2009 entfallen. Hierdurch bleiben den
Krankenhäusern circa 230 Millionen Euro im Budget er-
halten. Durch das zeitgleiche Auslaufen der Anschubfi-
nanzierung zur integrierten Versorgung in Höhe von bis
zu 1 Prozent werden den Krankenhäusern weitere rund
300 Millionen Euro zur Verfügung stehen.
Sechstens: Basisfallwertkorridor. Die im Kranken-
hausfinanzierungsreformgesetz vorgesehene Fortentwick-
lung der Landesbasisfallwerte hin zu einem einheitlichen
Bundesbasisfallwert mit einem Korridor von +2,5 bis
–1,5 Prozent, inklusive einer fünfjährigen schrittweisen
Anpassung, stellt sicherlich eine Verbesserung für die
meisten Bundesländer bei der Finanzierung der Betriebs-
kosten ihrer Krankenhäuser durch die gesetzlichen Kran-
kenkassen dar. Die genauen Wirkmechanismen dieses
Korridors auf die Krankenhäuser, die Krankenkassen
und in den einzelnen Bundesländern müssen aber noch
genauer betrachtet und gegebenenfalls angepasst wer-
den.
Siebtens: Vergütungssystem für Psychiatrie und Psy-
chosomatik. Durch die Partner der Selbstverwaltung soll
für die Psychiatrie und Psychosomatik ein neues Vergü-
tungssystem mit tagesbezogenen Pauschalen entwickelt
werden. Dabei werden die Vorgaben eng an die Regelun-
gen zum DRG-Entgeltsystem nach § 17 b Krankenhaus-
entgeltgesetz angelehnt, die sich bewährt haben. Darüber
hinaus ist auch darauf hinzuweisen, dass eine Begleitfor-
schung zu den Auswirkungen des neuen Vergütungssys-
tems, insbesondere zur Veränderung der Versorgungsstruk-
turen und zur Qualität der Versorgung, durchzuführen
ist.
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Durch die von mir beschrieben gesetzlichen Maßnah-
en, wie zum Beispiel die Refinanzierung von Tariflohn-
rhöhungen in Höhe von 1,3 Milliarden Euro, das
örderprogramm Pflegepersonal, die bessere Refinan-
ierung der Kosten der Pflegeausbildung mit gut
70 Millionen Euro, den Wegfall der Belastungen aus
em GKV-Rechnungsabschlag sowie durch die An-
chubfinanzierung bei der integrierten Versorgung in
öhe von rund 530 Millionen Euro, werden den Kran-
enhäusern insgesamt rund 2,3 Milliarden Euro zur Ver-
esserung ihrer finanziellen Situation durch den Bundes-
esetzgeber zur Verfügung gestellt.
Dabei darf auch nicht in Vergessenheit geraten, dass
s durch bereits bestehende gesetzliche Grundlagen zu
eiteren Einnahmezuwächsen bei den Krankenhäusern
ommt. So ist davon auszugehen, dass es durch das
achstum der Grundlohnsumme in Höhe von 1,41 Pro-
ent – laut Bekanntmachung des BMG vom 2. Septem-
er 2008 – und durch eine zu erwartende Steigerung des
asemix-Volumens um 3 Prozent zu Budgetverbesse-
ungen in Höhe von rund 1,7 Milliarden Euro kommen
ird.
Wir werden an der einen oder anderen Stelle noch
eiter gehende Ergänzungen vornehmen müssen. An-
ühren möchte ich hier als Stichworte: die Vereinbarung
on Innovationsentgelten auch unterjährig und unabhän-
ig von der Budgetvereinbarung für das Krankenhaus,
amit auch während des Jahres unabhängig von der indi-
iduellen Budgetvereinbarung Innovationsentgelte ver-
inbaren werden können, die Konvergenzphase für be-
ondere Einrichtungen – hier ist aus meiner Sicht noch
u klären, ob die gesetzlich vorgesehene Ausgestaltung
o zielführend ist oder Veränderungen erforderlich
ind –, Spezialambulanzen in oder an Kinderkliniken.
Abschließend möchte ich deutlich machen, dass für
ich die Initiative des GKV-Spitzenverbandes vom
4. Oktober 2008, bei der Sofortmaßnahmen zur Begren-
ung der Krankenhausausgaben gefordert werden, nicht
achvollziehbar ist. Denn sollte dieser Vorschlag wort-
leich umgesetzt werden, würde es zu einer Schlechter-
tellung der Krankenhäuser im Gegensatz zu bestehen-
em Recht kommen.
Jens Spahn (CDU/CSU): Der vorliegende Gesetz-
ntwurf zur Reform der Krankenhausfinanzierung geht
n die richtige Richtung und stellt eine spürbare Verbes-
erung für die Krankenhäuser in Deutschland dar. Ich
alte es für ein gutes Signal für die Krankenhäuser und
or allem ihre Beschäftigten, dass sie insgesamt mit
ehr Geld rechnen können und sich dadurch ihre wirt-
chaftliche Situation entspannt. Der Gesetzentwurf er-
üllt viele der schon lange vorgebrachten Forderungen
er Krankenhäuser. Die Reform der Krankenhausfinan-
ierung wird die flächendeckende und gute Versorgungs-
andschaft in Deutschland weiter sichern helfen.
In dem Gesetz ist vorgesehen, dass die Kliniken im
ächsten Jahr gute 3 Milliarden Euro mehr erhalten. Da-
ei möchte ich eines betonen, da dies immer wieder
bersehen wird: Ich halte es für richtig, dass wir den
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. November 2008 19947
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Krankenhäusern diese zusätzlichen Mittel geben. Aber
es ist klar, dass dies zu einem Anstieg der Ausgaben der
gesetzlichen Krankenkassen führt. Und eben diese
Ausgabensteigerung – wie auch die Erhöhung der Hono-
rare in der ambulanten Versorgung – führt dazu, dass der
Beitragssatz zur gesetzlichen Krankenversicherung auf
15,5 Prozent im nächsten Jahr steigt. Die Einführung des
Gesundheitsfonds hat damit nichts zu tun. Es erscheint
mir wichtig, darauf nochmals hinzuweisen, da dies in der
Debatte häufig nicht berücksichtigt wird.
Nun zum Gesetzentwurf: Es werden eine Reihe von
Verbesserungen für die Krankenhäuser vorgenommen,
wie beispielsweise eine teilweise Refinanzierung der ta-
rifvertraglich vereinbarten Lohn- und Gehaltssteigerun-
gen durch die Krankenkassen, die Einführung eines För-
derprogramms zur Verbesserung der Situation des
Pflegepersonals oder der planmäßige Wegfall des GKV-
Rechnungsabschlags. Für die ersteren beiden sollten wir
allerdings noch nach einer möglichst unbürokratischen
Regelung suchen und schauen, wie wir dem Problem ge-
recht werden können, dass gerade den Krankenhäusern,
die es nötig hätten, die geforderte Kofinanzierung sehr
schwerfallen dürfte.
Besonders betonen möchte ich, dass wir mit dem Ge-
setz die Perspektive zur Einführung von leistungsorien-
tierten Investitionspauschalen eröffnen. Im Entwurf ist
vorgesehen, dass Bund und Länder gemeinsam Grund-
sätze und Kriterien dieser modernen Investitionsfinan-
zierung erarbeiten. Damit gewährleisten wir für die
Krankenhäuser, dass sie die benötigten Mittel für ihre In-
vestitionen erhalten.
Wir starten mit diesem Gesetz auch die Entwicklung
und Einführung eines pauschalierten und tagesbezoge-
nen Vergütungssystems für Leistungen der Psychiatrie
und Psychosomatik. Natürlich muss man sich dabei be-
wusst machen, dass die Behandlungen sich in diesem
Bereich von der rein somatischen Krankenhausbehand-
lung, wie beispielsweise einer Operation, unterscheiden.
Diese Besonderheiten müssen und werden wir bei der
Entwicklung eines pauschalierten Vergütungssystems
beachten.
Den vorliegenden Gesetzentwurf werden wir nun
sorgfältig im Ausschuss und im Rahmen einer öffentli-
chen Anhörung beraten. Dabei wird es gerade auch bei
der Frage der Ausgestaltung der Konvergenz des Bun-
desbasisfallwertes noch Diskussionsbedarf geben. Im
Entwurf ist die Konvergenz der Landesbasisfallwerte an
einen Korridor mit einer Bandbreite in Höhe von
+2,5 Prozent bis –1,5 Prozent um einen rechnerisch er-
mittelten Bundesbasisfallwert vorgesehen.
Allerdings ist es in den Ländern, die derzeit einen
sehr niedrigen Landesbasisfallwert haben – wie bei-
spielsweise mein Heimatland Nordrhein-Westfalen oder
auch Schleswig-Holstein – nur schwer zu vermitteln,
weshalb die gleiche Leistung in den verschiedenen Län-
dern so unterschiedlich vergütet wird. So können in ei-
ner nordrhein-westfälischen Stadt wie Bonn durch eine
einfache Blinddarmoperation derzeit etwa 2 038 Euro
erlöst werden, während es für die gleiche Operation we-
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ige Kilometer weiter in Koblenz über sieben Prozent,
lso gute 150 Euro, mehr gibt. Dies vor Ort zu erklären,
ällt mir jedenfalls schwer. Zwar würden nach der vorge-
ehenen Konvergenz bis 2014 auf den Basisfallwertkor-
idor die Unterschiede etwas geringer ausfallen, aber
ennoch weiterhin sehr weit spreizend – und damit Un-
erechtigkeiten festschreibend – vorhanden sein. Ich bin
berzeugt, dass hier eine Lösung gefunden werden muss
nd auch kann, die den Korridor enger gestaltet und da-
it zum Abbau dieser Preisunterschiede beiträgt. Dies
uss in diesem Sinne im anstehenden parlamentarischen
erfahren noch mal aufgegriffen werden.
Eike Hovermann (SPD): Vor einigen Wochen pro-
estierten über 100 000 Ärzte, Ärztinnen, Pfleger und
flegerinnen in Berlin gegen fehlende Gelder im statio-
ären Bereich. Sie protestierten zu Recht gegen unbe-
ahlte Überstunden. Und zu Recht protestierten sie ge-
en einen zunehmenden Burnout. Ärzte wandern heute
unehmend aus, treten Stellen nicht an. Die Zahl der
fleger und Ärzte nimmt ab, gleichzeitig wird ihnen ein
mmer höherer Dokumentationsaufwand aufgelastet.
rankenhäuser schließen oder fusionieren zunehmend.
ll das geschieht unter Druck, oft ungeplant und von der
olitik oft ohne jegliche Perspektive begleitet.
Der Protest ist verständlich und braucht Antworten.
ur, der Ort des Streikes war falsch. Die Protestwellen
ätten vor den Toren der Landesparlamente stattfinden
üssen. Hier hat die Vernachlässigung der Krankenhäu-
er in stärkstem Maße und im Grunde sogar in sträflicher
eise stattgefunden. Seit Jahren senken die Bundeslän-
er – alle Bundesländer – ihre Investitionsgelder an die
rankenhäuser, erledigen ihre Pflichtaufgaben im Rah-
en der dualen Finanzierung nur halbherzig – und das
ulasten von Patienten, Ärzten und Pflegekräften. Die
änder wollen über die Zahl der Krankenhäuser und
rankenhausbetten als Letztentscheider bestimmen. Sie
ollen bestellen und bestimmen, aber nicht bezahlen.
enn hier nicht eine rigorose Kehrtwendung einsetzt,
ird das derzeitige strukturelle Desaster weitergehen,
icht zuletzt verstärkt auch durch die derzeitige Finanz-
rise, die natürlich auch den Gesundheitssektor treffen
ird.
Der Bund hat im Rahmen seiner planerischen und
uch finanziellen Möglichkeiten via Beitragssatzerhö-
ung, via vermehrter Ausschüttung von Mitteln aus dem
llgemeinen Steuertopf die ärgsten Löcher stopfen ge-
olfen. Er hat zusätzlich erste Planungen über die Been-
igung der Grundlohnsummenanbindung eingeleitet. Er
at ein erstes Pflegeförderprogramm aufgelegt; es gibt
ine verbesserte Finanzierung im Bereich der Psychia-
rie; es gibt mehr Gelder in der Ausbildungsfinanzierung
nd manches mehr noch. Aber die Länder tun das Ihrige
icht dazu. Das heißt nichts anderes, als dass der Inves-
itionsstau an den Krankenhäusern zunehmen wird,
benso Schließungen und Fusionen. Angefügt sei hier
ur, dass nicht jede Schließung falsch ist. Das Geld hat
n leistungsfähige Einheiten zu fließen. Nicht alle soge-
annten Bürgermeister- und Landratskrankenhäuser sind
ntsprechend der gesetzlichen Vorgaben leistungsfähig
19948 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. November 2008
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für die Zukunft mit all den Problemen, die demografi-
scher Wandel und medizinisch-technischer Fortschritt
mit sich bringen.
Deshalb sind auch Parolen wie „Der Deckel muss
weg“ im Grunde keine nachhaltige Zielformulierung.
Diese Einsicht muss von den Krankenhausärzten und von
den Pflegekräften, insbesondere aber auch von ihren sie
vertretenden Organisationen wie der Deutschen Kran-
kenhausgesellschaft, dem Marburger Bund und Verdi
besser in die öffentlichen Diskussionen eingebracht wer-
den. Vor allem sollte dabei für Proteste auch der richtige
Ort gewählt werden – nämlich vor den Landesparlamen-
ten.
Bund und Länder müssen sich endlich auch klar wer-
den über den Wechsel von der dualen Finanzierung hin
zur Monistik. Dabei gilt es, schnellstens eine Lösung für
das Finanzierungsdelta bei Wegfall der Ländergelder zu
finden, die natürlich nicht allein beim Bund liegen kann;
es sei denn, die oben genannten Verbände sagen offen,
dass es eine deutliche Erhöhung der Beiträge geben
müsse. Alles dies ist ohne großen Aufschub einzuleiten;
denn sonst werden die durch den anstehenden Fonds, den
morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich – Morbi-
RSA – und den einheitlichen Beitragssatz sowieso schon
verkomplizierten Finanzierungsfragen noch schwieriger
zu lösen. Allein die genannten Bausteine werden noch
für manche finanzielle Überraschung sorgen. Das Jahr
2009 wird hier für die Haushaltsplanungen der Kassen
noch viele Aufgaben parat halten, die jetzt in ihrer Dyna-
mik noch nicht zu übersehen sind.
In diese finanziellen Rahmenbedingungen sind – für
alle sichtbar – noch eingeflochten die Entwicklungen im
ambulanten Bereich, die Entwicklungen im Bereich Me-
dizinischer Versorgungszentren, MVZ, die Neufindung
der Selbstverwaltung bei erodierenden Kassenärztlichen
Vereinigungen, KV. All dies und manches mehr wird na-
türlich Auswirkungen auf den stationären Bereich haben.
Hier müssen auch die Entwicklungen der unterschiedli-
chen Klinikträger mit ihren unterschiedlichen Finanzie-
rungsressourcen beachtet werden. Hier herrschen große
Planungsunsicherheiten und oft auch Ängste, die meis-
tens zu einem Beharren auf Unhaltbarem bis zur letzten
Minute führen.
Dies muss von politischer Seite offen angesprochen
werden – mit offenen Lösungsansätzen, mit machbaren
Lösungsansätzen. Hier sind auch und insbesondere die
Bundesländer gefordert. Ihre Verweigerungshaltung geht
insbesondere zulasten der kommunalen Träger und da-
mit zulasten der gewünschten Trägervielfalt. Hier gibt es
fast flächendeckend ein Wegducken, ein Aufschieben,
ein Verlagern – kurz: ein Nichterledigen von strukturel-
len, drängenden Aufgabenlösungen.
Der Bund ist im Rahmen seiner Möglichkeiten und
Zuständigkeiten erste Schritte gegangen. Sie werden nur
greifen können, wenn die Bundesländer sich Schritt für
Schritt auch neuen, unabweisbaren Einsichten nicht nur
öffnen, sondern auch Lösungsschritte dafür einleiten.
Wir können und sollten nicht immer wieder auf die
nächsten Wahlen auf Bundes- oder Länderebene warten.
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olitisch-taktisch ist das zwar immer so gewesen, wir
önnen es uns aber nicht mehr leisten. Die finanziellen
essourcen werden schmaler, die Zeitfenster immer en-
er. Jeder weiß es. Also bleibt: Es gibt nichts Gutes, es
ei denn, man tut es – ein schmerzhafter Weg inmitten
er unterschiedlichen Interessen.
Daniel Bahr (Münster) (FDP): Heute beraten wir in
rster Lesung den durch die Bundesregierung einge-
rachte Gesetzentwurf zum ordnungspolitischen Rah-
en der Krankenhausfinanzierung ab dem Jahr 2009 –
as Krankenhausfinanzierungsrahmengesetz.
Schon im Koalitionsvertrag verkündeten Sie, dass
pätestens 2008 ein ordnungspolitischer Rahmen für die
rankenhausversorgung nach dem Ende der Konver-
enzphase festzulegen sei. Sie hatten zu Beginn der Le-
islaturperiode mit Ihren großen Mehrheiten im Deut-
chen Bundestag und Bundesrat viel versprochen. Die
rwartungshaltung der Krankenhäuser mit ihren vielen
eschäftigen, der Patienten, der Krankenkassen und
uch der Bundesländer war entsprechend groß. Der Ge-
etzentwurf ist gemessen an den Ankündigungen und Er-
artungen eine Enttäuschung.
In weiten Teilen drehen Sie mit diesem Gesetz nur die
elastungen zurück oder gleichen das aus, was Sie in
en letzten drei Jahren durch Ihre Politik den Kranken-
äusern aufgebürdet haben. So sind exemplarisch der
Sondersparbeitrag“ für die Krankenhäuser und die Er-
öhung der Mehrwertsteuer um 3 Prozentpunkte zu nen-
en. Des Weiteren haben die Krankenhäuser erheblich
teigende Sachkosten insbesondere im Bereich der Ener-
ie zu schultern, und auch die getroffenen Tarifab-
chlüsse für 2008 und 2009 treiben die Kosten auf der
usgabenseite erheblich in die Höhe. Viele Krankenhäu-
er können angesichts der Belastungen nicht mehr ihre
ufgaben erfüllen, selbst wenn sie gut gewirtschaftet
nd ihre Hausaufgaben gemacht haben.
Die FDP-Bundestagsfraktion hatte auf diese Risiken
chon im Gesetzgebungsverfahren zur Gesundheitsre-
orm hingewiesen und auch einen eigenen Antrag im
ai dieses Jahres in den Deutschen Bundestag einge-
racht, durch den belastende Entscheidungen Ihrer Ko-
lition korrigiert worden wären und eine verbesserte Fi-
anzierung für die Krankenhäuser zu erreichen gewesen
äre. Es ist gut, dass das Sondersparopfer der Kranken-
äuser jetzt endlich entfallen soll. Diese Maßnahme
ätte aber nie ergriffen werden dürfen. Dann wären das
inanzdefizit der Krankenhäuser und damit ihre Pro-
leme auch nicht so groß geworden. Es ist im Übrigen
icht gerechtfertigt, die Summe dieses Zwangsrabattes
un in die angeblichen Besserungen für Krankenhäuser
inzurechnen.
Der große Wurf ist mit dem Krankenhausfinanzie-
ungsgesetz nicht gelungen. Ein schrittweiser Übergang
ur monistischen Finanzierung wäre nötig, und ein ech-
es Preissystem könnte die Vorteile von Fallpauschalen
ufzeigen. Mit den Preisen wären dann Anreize für effi-
ientes, wirtschaftliches Handeln gesetzt worden. Ein
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. November 2008 19949
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Wegfall der Budgetierung hätte für die notwendige Fle-
xibilität gesorgt.
Stattdessen sieht das Szenario ein Stück anders aus,
zugegebenermaßen auch deshalb, weil im Krankenhaus-
bereich die Länder immer ein Stückchen anders denken
als die Gesundheitspolitiker im Bund. Einiges aber hätte
man ganz bestimmt auch mit den Ländern anders ma-
chen können.
Es bleibt bei der Budgetierung, nur soll es jetzt einen
krankenhausspezifischen Orientierungswert geben. Fast
wäre man versucht zu vermuten, dass das gute alte Kos-
tendeckungsprinzip fröhliche Urständ feiert.
Die Investitionskosten werden nicht mit den Betriebs-
kosten aus einer Hand finanziert, um in die Investitions-
entscheidungen alle relevanten Parameter einfließen zu
lassen, sondern es bleibt bei der dualen Finanzierung.
Allerdings muss man feststellen, dass die Investitions-
pauschalen gegenüber der heutigen Praxis sicherlich der
bessere Weg sind. Nur steht zu befürchten, dass die Mo-
nistik damit auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben
wird.
Die Krankenhäuser unterliegen nach wie vor dirigisti-
schen Maßnahmen, die ein unternehmerisch verantwor-
tungsbewusstes Handeln deutlich erschweren. So wer-
den bei dem Geld, das die Krankenhäuser zusätzlich
erhalten sollen, Vorschriften gemacht, wie es verwendet
werden muss, unter anderem nämlich für zusätzliche
Stellen im Pflegebereich. Wenn ein Krankenhaus seine
Arbeitsabläufe so organisiert hat, dass es zum Beispiel
eher Dokumentationsassistenten oder Ärzte braucht,
aber keine Pflegekräfte, hat es Pech gehabt oder es steckt
viel Energie hinein, Pflegekräfte zu Dokumentationsas-
sistenten umzuwidmen.
Die Angleichung der Basisfallwerte an einen Bundes-
wert ist zwar im Hinblick auf den Gesundheitsfonds und
den planwirtschaftlichen Ansatz konsequent, aber fatal.
Der Gesundheitsfonds zentralisiert das deutsche Ge-
sundheitssystem, und wir lehnen ihn deshalb ab. Es ist
vom Grundsatz her egal, ob man einen engen Korridor
oder einen einzigen Basisfallwert vorsieht, denn im Prin-
zip bedeutet es nichts anderes als eine bundesweite An-
gleichung der Preise. Solche zentralen Vorgaben haben
aber mit Wettbewerb wenig zu tun. Allenfalls könnte
man über Orientierungswerte reden, die den Verträgen
der einzelnen Kostenträger zugrunde gelegt werden kön-
nen.
Bei den pauschalierten Entgelten für psychiatrische
und psychosomatische Einrichtungen wird ein Freifahrt-
schein ausgestellt. Wie er eingelöst wird, ist zurzeit nicht
erkennbar. Wenn für alle Patienten mit schwerer Depres-
sion zum Beispiel eine Tagespauschale gezahlt wird,
egal, ob eine aufwendige Therapie dahintersteht oder le-
diglich eine Verwahrung, dann setzt das falsche Anreize.
Es gibt zudem Bedenken, dass aus tagesbezogenen pau-
schalierten Entgelten schnell Fallpauschalen werden
könnten. Ob aber Fallpauschalen in diesem Bereich der
richtige Weg sind, muss noch sehr gründlich diskutiert
werden. Was positiv an der Erarbeitung solcher Entgelt-
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ormen ist, ist die Notwendigkeit, sich über Behand-
ungsabläufe klar zu werden und miteinander darüber zu
eden, ob diese oder jene Behandlungsmethodik der
innvollere Weg ist. Aber man kann dem Ministerium
nd der Selbstverwaltung keine so weitreichenden
andlungsspielräume geben, wie das in diesem Gesetz-
ntwurf geschieht. Hier muss das Parlament die Ent-
cheidung darüber treffen, ob die zu entwickelnden
deen tatsächlich umgesetzt werden sollen oder nicht.
Frank Spieth (DIE LINKE): In den Krankenhäusern
ind die Fenster undicht und das Personal pfeift auf dem
etzten Loch. Wer heute als Patient ins Krankenhaus
ommt, wird merken: Es wird ungemütlich.
Mit dem hier vorliegenden Entwurf zum Kranken-
ausfinanzierungsreformgesetz (KHRG) will man die
eistungsfähigkeit der Krankenhäuser sichern und eine
eiterentwicklung des Finanzierungssystems vorneh-
en. Schaut man sich den Gesetzentwurf an, dann sind
arin in der Tat Vorschläge enthalten, die in die richtige
ichtung gehen. Aber unterm Strich habe ich den Ein-
ruck, dass man der untergehenden Titanic mit der Be-
eitstellung von mehr Rettungsbooten helfen will. Den
chiffsuntergang wird man damit nicht verhindern. Aber
s wird zum Glück einige Überlebende mehr geben. Wir
erden Gelegenheit haben, in den Beratungen des Ge-
undheitsausschusses und in der vorgesehenen Experten-
nhörung den Gesetzentwurf auf Herz und Nieren zu
rüfen. Ich bin davon überzeugt, dass an dem hier vorlie-
enden Entwurf noch erhebliche Verbesserungen vorge-
ommen werden müssen.
In den Krankenhäusern, bei den Beschäftigten und
en Patienten, herrscht jedenfalls Alarmstimmung. Der
assive Personalabbau der letzten Jahre, gerade im Pfle-
ebereich, wird jetzt auch endlich von der Bundesregie-
ung erkannt. Aber die vorgesehene Aufstockung der
tellen für Pflegepersonal ersetzt noch nicht einmal zur
älfte die über 50 000 abgebauten Arbeitsplätze von
rankenschwestern und Krankenpflegern.
Darüber hinaus will die Regierung die Übernahme
er Tarifsteigerungen für die Jahre 2008 und 2009 im
udget des Jahres 2009 regeln. Ein tolles Versprechen.
uch hier wird ein Schritt in die richtige Richtung ge-
acht, aber bei genauer Überprüfung noch nicht einmal
in halber Schritt realisiert. Der Vorschlag zur Finanzie-
ung der Tarifkostensteigerung gleicht einem Überra-
chungsei mit toller Verpackung und wenig Inhalt. Die
orgesehenen 1,35 Milliarden Euro reichen nur dazu
us, um knapp die Hälfte der Einkommenssteigerungen
er Beschäftigten aufzufangen. Den Rest müssen die so-
ieso klammen Krankenhäuser tragen. Wo sollen sie
ach den zurückliegenden Mangeljahren diese Mittel
ernehmen?
Die von der Bundesregierung vorgesehene Investi-
ionspauschale kommt mir vor wie eine Nebelbombe.
an lässt hier den Investitionsstau bei den Krankenhäu-
ern quasi hinter Nebelschwaden verschwinden. Beim
tudium des Gesetzentwurfes frage ich mich allerdings:
er soll da eigentlich zukünftig was bezahlen und wel-
19950 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. November 2008
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che Investitionsprobleme werden damit real gelöst? Der
mittlerweile unstrittige Investitionsstau von 50 Milliar-
den Euro in Krankenhäusern, insbesondere in West-
deutschland, wird damit nicht wirklich aufgelöst.
Die Linke kann sich des Eindrucks nicht erwehren,
dass die Bundesregierung hier einfach den Weg des ge-
ringsten Widerstands gegangen ist, weil die Bundeslän-
der eine andere Regelung nicht akzeptiert hätten. Offen-
kundig sollen die Investitionen von den Krankenkassen
und damit im Wesentlichen von den Beitragszahlern ge-
tragen werden und nicht wie bisher vom Steuerzahler.
Na klar, damit bleibt sie ihrem Umverteilungsgrundsatz
treu, die Menschen mit kleinen und mittleren Einkom-
men zu belasten, während die Einkommensstarken ent-
lastet werden. Der Beitrag des Bundes zur Modernisie-
rung der Krankenhäuser ist Null; er ist materiell im
Gesetzentwurf nicht nachvollziehbar. Wir werden der
Koalition die Nagelprobe in der kommenden Sitzungs-
woche nicht ersparen. Wir haben für die abschließende
Beratung des Haushalts den Antrag gestellt, dass der
Bund den finanziell klammen Ländern mit jährlich
2,5 Milliarden Euro zum Abbau des Investitionsstaus
unter die Arme greifen soll. Mal gespannt, wie sie ab-
stimmen wird.
Wir finden es gut, dass eine der Forderungen aus dem
Antrag der Linken vom März dieses Jahres: „Aktuelle
Finanznot der Krankenhäuser beenden“, übernommen
wurde, nämlich den Sanierungsbeitrag abzuschaffen.
Diese gesetzlich verordnete Kürzung von Krankenhaus-
rechnungen in Höhe von 230 Millionen Euro zugunsten
der Krankenkassen hätte eigentlich schon in diesem Jahr
gestoppt werden müssen. Dies hatten wir im Frühjahr
gefordert. Damals hat die Koalition sich dagegen ausge-
sprochen. Späte Erkenntnis ist besser als gar keine. Die
Tatsache, dass am 25. September fast 150 000 Beschäf-
tigte aus den Kliniken, Krankenschwestern, Kranken-
pfleger, Ärzte und Hebammen vor dem Brandenburger
Tor demonstriert haben unter der Überschrift „Der De-
ckel muss weg! – Die Finanznot der Krankenhäuser be-
enden!“ hat offensichtlich zu dem späten Erkenntnisge-
winn der Bundesregierung beigetragen. Ich freue mich,
dass die außerparlamentarische Opposition eine derar-
tige Überzeugungskraft besitzt. Weiter so!
Am 6. März dieses Jahres bei der Beratung unseres
Antrags zur Überwindung der Finanznot in den Kran-
kenhäusern hat die Koalition uns noch entschieden wi-
dersprochen, obwohl sie schon damals wusste, dass der
Tanker „Krankenhaus“ schlingert. Immerhin hat Herr
Dr. Faust von der CDU sein Bedauern über die Ableh-
nung durch seine Fraktion zum Ausdruck gebracht. Der
Vertreter der SPD-Fraktion, Herr Hovermann, hat im
Brustton der Überzeugung wegen angeblich fehlender
Finanzierbarkeit „in vollem Bewusstsein“ abgelehnt. Ich
bin auf Herrn Hovermanns neue Erkenntnisse und die
seiner Fraktion sehr gespannt. Ich vermute, es geht nach
der Devise „Was kümmert mich mein Geschwätz von
gestern! – Die Regierung gibt vor, wir setzen um!“
Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Die
Krankenhäuser brauchen ohne wenn und aber mehr
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eld. In diesem Ziel sind wir uns einig. Über die Dimen-
ion des Maßnahmepakets müssen wir uns im weiteren
esetzgebungsverfahren um die beste Lösung streiten,
m Interesse an einer guten gesundheitlichen Versorgung
er Bevölkerung in den Krankenhäusern.
Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
an könnte meinen, der Protest der Krankenhäuser auf
er Straße ist gehört und anerkannt worden. Aber ist die-
er Protest auch verstanden worden? Daran lässt sich bei
er Lektüre dieses Gesetzentwurfes durchaus zweifeln.
er Gesetzentwurf ist keine wirksame Therapie des Pa-
ienten Krankenhaus. Herausgekommen sind allenfalls
in paar schmerzstillende Pflaster. Uns liegt ein Gesetz-
ntwurf vor, der alles andere als ein Ergebnis voraus-
chauender Politik ist. Er ist allenfalls eine Feuerwehr-
ktion gegen lodernde Proteste.
Nehmen wir als Beispiel die Investitionsfinanzierung.
ier haben Sie fast eine Punktlandung beim Status Quo
ingelegt. Zwar steht der Einstieg in eine pauschalierte
örderung zumindest auf dem Papier. Entscheidend ist
och aber, ob die Länder der Verpflichtung nachkom-
en, Investitionsmittel in ausreichender Höhe bereitzu-
tellen. Es bleibt zudem in der Praxis völlig den Ländern
berlassen, in welchem Maße sie künftig von der Pau-
chalförderung Gebrauch machen werden. Für die meis-
en Krankenhäuser wird sich also nichts ändern. Der In-
estitionsstau im zweistelligen Milliardenbereich bleibt
rhalten, mit all den schlimmen Folgen vor allem für die
ommunalen und freigemeinnützigen Krankenhäusern.
enn bislang konnten von den Defiziten in der jetzigen
nvestitionsförderung vor allem die privaten Träger profi-
eren. Lukrative Krankenhausübernahmen werden ihnen
rleichtert. Ihre Investitionen werden mitunter großzügi-
er aus öffentlichen Mitteln gefördert als bei öffentli-
hen Krankenhäusern. Das Ergebnis ist, dass dem
esundheitssystem Gewinne im zweistelligen Prozent-
ereich entzogen werden.
Eine Mogelpackung ist der Vorschlag zum Wegfall
er Grundlohnanbindung. An die Stelle der Grundlohn-
ate soll nach Ihren Vorstellungen ein Orientierungswert
reten, der durch das Statistische Bundesamt ermittelt
ird. Bis dahin klingt das ganz gut. Erst das Kleinge-
ruckte offenbart, was Sie wirklich im Schilde führen:
as Bundesgesundheitsministerium soll künftig per
echtsverordnung darüber entscheiden, ob dieser Orien-
ierungswert sich vollständig, nur zu einem Teil oder
ielleicht auch gar nicht auf die künftigen Krankenhaus-
reise auswirken wird. An die Stelle des alten Deckels
ritt ein neuer Budgetdeckel, den Sie nach Belieben be-
timmen können. Sie wollen sich künftig selbst auf den
eckel setzen können, wenn es Ihnen politisch gerade
asst. Nachdem Sie bereits den Beitragssatz der Kran-
enkassen vor allem mit Blick auf die Wahlen im nächs-
en Jahr festgelegt haben, wollen Sie jetzt die Preise im
tationären Sektor ebenso willkürlich bestimmen. Wo
oll das enden? Wollen Sie künftig in Ihrem Hause auch
ber die Wirksamkeit von Arzneimitteln und von ärztli-
hen Behandlungsmethoden entscheiden?
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. November 2008 19951
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Problematisch ist auch das vorgesehene Programm
zur Förderung neuer Pflegestellen im Krankenhaus, das
Sie hier mit viel Pomp gefeiert haben. Es ist zwar zu be-
grüßen, dass Sie nun endlich auf den Abbau von fast
50 000 Stellen in den letzten zehn Jahren reagieren. Dass
es Ihnen damit wirklich ernst ist, kann man aber bezwei-
feln. Schließlich sind nach der Ansicht ihres Kronzeugen
in Sachen Krankenhauseffizienz, McKinsey, vor allem
diejenigen Krankenhäuser besonders leistungsfähig, die
besonders wenig Personal haben.
Es ist im Übrigen zu befürchten, dass von diesem Pro-
gramm vor allem diejenigen Krankenhäuser profitieren
werden, die in der Vergangenheit viele Pflegestellen ab-
gebaut haben und deswegen heute schwarze Zahlen
schreiben können. Belohnen wir also damit nicht genau
diejenigen, die in den letzten Jahren besonders rabiat Ge-
winne auf dem Rücken der Patienten und des Personals
eingestrichen haben? Woher sollen Krankenhäuser die
Kofinanzierung hernehmen, die wie die Schwerpunkt-
krankenhäuser oder Unikliniken zwar einen besonders
hohen Pflegeaufwand haben, aber wegen der Benachtei-
ligung in der DRG-Finanzierung – Stichwort Sonderent-
gelte – bislang benachteiligt sind.
Ohnehin beschleicht mich hier und auch an anderen
Stellen mittlerweile der Eindruck, dass Ihr Herz vor al-
lem für McKinsey und die privaten Krankenhausträger
schlägt. Nicht umsonst empfiehlt uns zum Beispiel Frau
Caspers-Merk die zweistelligen Umsatzrenditen, die pri-
vate Krankenhausträger inzwischen erwirtschaften, als
erstrebenswerte Blaupause für alle anderen Krankenhäu-
ser im Lande. Sprechen Sie einmal mit Betriebsräten und
Gewerkschaftern in diesen Krankenhäusern. Ich be-
zweifle, dass Sie dann immer noch der Auffassung sind,
dass solche Renditeerwartungen gut für die Patienten
und das Personal sind.
Alles in allem finde ich, dass in den Ausschussberatun-
gen noch kräftig nachgebessert werden muss, damit am
Ende für die Patientinnen und Patienten etwas Vernünfti-
ges herauskommt. Dies gilt vor allem für die Investitions-
finanzierung und die Budgetbegrenzung. Zumindest im
Detail verbesserungswürdig sind zudem Ihre Vorschläge
zur Umsetzung der Psychiatrie-Personalverordnung. Hier
sind verbindliche Schritte für die vollständige Umsetzung
der Verordnung bis 2012 nötig. Damit im Zusammenhang
steht auch die beabsichtigte Einführung eines pauscha-
lierten Entgeltsystems für psychiatrische Einrichtungen.
Der Vorschlag ist bislang zu unkonkret. Und es ist nicht
auszuschließen, dass Fehlanreize zulasten von Patientin-
nen und Patienten entstehen.
Lassen Sie mich noch ein paar Anmerkungen zum
Thema Aus- und Weiterbildung machen. Es ist richtig
und wichtig, dass mit dem Gesetzentwurf hierauf re-
agiert wird. Aber es kommt sehr darauf an, die dafür kal-
kulierten Mittel dann auch zielgenau einzusetzen. Das
schließt meiner Ansicht nach eine pauschale Finanzie-
rung über das DRG-System, wie aktuell, aus.
So richtig es war und ist, immer wieder auch Effi-
zienzreserven zu erschließen, führt doch kein Weg an ei-
ner besseren Finanzierung des Gesundheitssystems vor-
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ei. Und in dieser Frage hat die Koalition in den
ergangenen drei Jahren wahrlich versagt.
Marion Caspers-Merk (SPD): Krankenhäuser brau-
hen verlässliche Rahmenbedingungen und Planungs-
icherheit. Dies leistet der vorgelegte Entwurf eines
rankenhausfinanzierungsreformgesetzes der Bundesre-
ierung. Der Entwurf umfasst strukturelle Reformen
benso wie finanzielle Maßnahmen zur Verbesserung
er wirtschaftlichen Situation der Krankenhäuser. Hand-
ungsbedarf besteht, weil die wirtschaftliche Situation
ieler Krankenhäuser schwieriger geworden ist. Die Ur-
achen hierfür sind vielfältig. Insbesondere die diesjähri-
en Kostensteigerungen bei den Tariflöhnen belasten die
udgets der Krankenhäuser erheblich. Darauf reagiert
er vorgelegte Gesetzentwurf.
Handlungsbedarf besteht auch, weil in den vergange-
en Jahren ein verschärfter Abbau von Pflegepersonal in
en Krankenhäusern festzustellen ist. Dies führt zu einer
berbelastung der verbleibenden Pflegekräfte und damit
u einer Gefährdung der Qualität der pflegerischen Ver-
orgung. Eine besondere Rolle spielt dabei, dass Kran-
enhäuser notwendige Investitionen teilweise zweck-
idrig aus den Geldern für die Patientenversorgung
ezahlen. Die Verbesserung der Situation des Pflegeper-
onals in Krankenhäusern ist ein wichtiges Anliegen des
esetzentwurfs.
Erfreulich ist, dass die vorgesehenen finanzwirksa-
en Maßnahmen grundsätzlich auch von den Ländern
nterstützt werden. Im Bundesrat wurde der Gesetzent-
urf in einem Entschließungsantrag aller Länder am
9. September 2008 begrüßt.
Der Entwurf enthält folgende Maßnahmen zur Ver-
esserung der wirtschaftlichen Situation der Kranken-
äuser:
Die oberhalb der Grundlohnrate liegenden Tariflohn-
teigerungen des Jahres 2008 und 2009 sind hälftig von
en Krankenkassen zu tragen.
Die strikte Grundlohnanbindung der Krankenhaus-
reise wird perspektivisch aufgegeben. Ab dem Jahr
011 soll hierzu ein Orientierungswert verfügbar sein,
er zeitnah die für den Krankenhausbereich relevante
ostenentwicklung erfasst. Zur Verbesserung der Situa-
ion des Pflegepersonals ist ein dreijähriges Förderpro-
ramm vorgesehen. Durch anteilige Finanzierung der
rankenkassen sollen deutlich mehr Stellen im Pflege-
ienst geschaffen werden, über die Höhe der Finanzie-
ung sind wir gesprächsbereit. Um die Personalbesetzung
n der Psychiatrie zu optimieren, ist eine verbesserte
inanzierung der Psychiatrie vorgesehen. Anzumerken
st, dass die genannte hälftige Refinanzierung von tarif-
ertraglich vereinbarten Lohn- und Gehaltssteigerungen
uch für die Psychiatrie gilt.
Schließlich erfolgt zum 1. Januar 2009 die Aufhebung
es GKV-Rechnungsabschlags.
Die skizzierten Maßnahmen zur Verbesserung der fi-
anziellen Lage der Krankenhäuser verbinden mit Au-
enmaß das wirtschaftlich Notwendige mit dem finan-
19952 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. November 2008
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ziell Machbaren. Die Krankenhäuser müssen dabei
jedoch immer noch nachhaltige Bemühungen zur Er-
schließung von Wirtschaftlichkeitsreserven unterneh-
men. Es bleibt also ein bedeutsames Interesse für wirt-
schaftliches Handeln der Krankenhäuser erhalten.
Allerdings unterstützen die geänderten gesetzlichen
Rahmenbedingungen die Krankenhäuser hierbei nach-
haltig. Die finanzwirksamen Maßnahmen kommen im
Ergebnis insbesondere auch der Aufrechterhaltung einer
zufriedenstellenden Qualität der Patientenversorgung
zugute.
Der Gesetzentwurf beinhaltet aber auch verschiedene
strukturelle Maßnahmen:
Zwischen den Ländern bestehen bei Krankenhausbe-
handlungen heute deutliche Preisunterschiede. Die Spann-
weite der Landesbasisfallwerte soll deshalb innerhalb
von fünf Jahren vermindert werden. Dies ist ein vertret-
barer Kompromiss im Interesse der Länder. Für psychia-
trische und psychosomatische Einrichtungen wird ein
neues, pauschalierendes Vergütungssystem auf der
Grundlage von tagesbezogenen Entgelten entwickelt und
eingeführt. Eine erstmalige Abrechnung nach diesem
neuen Entgeltsystem ist für das Jahr 2013 vorgesehen.
In der Frage der Investitionsfinanzierung haben Bund
und Länder gemeinsam einen tragfähigen Weg in die Zu-
kunft ebnen können. Es wird ein gesetzlicher Entwick-
lungsauftrag für eine zukünftige Investitionsfinanzie-
rung durch leistungsorientierte Investitionspauschalen
ab 2012 verankert. Einzelheiten sind zwischen Ländern
und Bund bis zum Jahresende 2009 festzulegen. Maß-
geblich für die Zustimmung der Länder zu dieser Re-
form der Investitionsfinanzierung war vor allem das den
Ländern ausdrücklich eingeräumte Recht, auch künftig
eigenständig über Umfang und Form ihrer Krankenhaus-
investitionsfinanzierung entscheiden zu können. Mein
Appell an die Länder bleibt erhalten: Ziehen Sie sich
nicht weiter von den notwendigen Investitionen zurück!
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf des Kranken-
hausfinanzierungsreformgesetzes werden – immer mit
Blick auf das finanziell Machbare – wichtige Entschei-
dungen zur Verbesserung der finanziellen Situation der
Krankenhäuser getroffen sowie strukturelle Maßnah-
men zur Reform der Krankenhausfinanzierung eingelei-
tet.
Für die gesetzliche Krankenversicherung entstehen
durch die Maßnahmen des Gesetzentwurfs Mehrausga-
ben in Höhe von insgesamt rund 2 Milliarden Euro.
Durch den Zuwachs der beitragspflichtigen Einnahmen
sowie den Wegfall der Anschubfinanzierung für die inte-
grierte Versorgung können die Krankenhäuser im Jahr
2009 mit weiteren GKV-Mehreinnahmen in Höhe von
rund 1 Milliarde Euro rechnen.
Der Schätzerkreis ging für die GKV-Beitragssatzfest-
setzung für 2009 von Mehrausgaben im Krankenhausbe-
reich in Höhe von maximal 3,5 Milliarden Euro aus. Da-
bei sind auch Leistungszuwächse berücksichtigt. Diese
Summe bedeutet ein deutliches Mehr für unsere Kran-
kenhäuser. Diese Summe ist im allgemeinen Beitrags-
satz für 2009 bereits eingespeist. Die Krankenhäuser
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rhalten dazu Planungssicherheit, verlässliche Rahmen-
edingungen und eine klare Finanzierungszusage – weil
ns eine gute Patientenversorgung wichtig ist.
nlage 32
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Entwurfs eines Ersten Geset-
zes zur Änderung des Telekommunikationsge-
setzes (Tagesordnungspunkt 11)
Dr. Martina Krogmann (CDU/CSU): Die Entwick-
ung auf dem Telekommunikationsmarkt ist von unge-
rochener Dynamik und Innovation geprägt. Schnelle
echnische Entwicklung und ständig neue Geschäftsmo-
elle sind für diesen Markt charakteristisch. Ebenfalls
ypisch ist leider, dass einige unseriöse Unternehmen,
ie es in jeder Branche gibt, durch mehr als zweifelhafte
raktiken Verbraucher und Wettbewerber gleichermaßen
chädigen.
Dieser Herausforderung stellen wir uns heute mit dem
ntwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Tele-
ommunikationsgesetzes. Ich möchte insbesondere auf
wei Punkte eingehen, die aufgrund der Entwicklungen
er letzten Zeit für die Verbraucher, aber auch die Markt-
eilnehmer an Bedeutung gewonnen haben:
An erster Stelle steht dabei der eklatante Missbrauch
er gegenwärtigen Rechtslage durch skrupellose Ge-
chäftemacher. Mit aufdringlichen Werbeanrufen drin-
en sie frech in die Privatsphäre der Bürger ein und ver-
uchen, die überraschten Verbraucher zu überrumpeln.
ie nutzen rücksichtslos aus, dass der Verbraucher zu
ause den mehr oder minder seriösen Angeboten unvor-
ereitet gegenübersteht. Ein Schwerpunkt dieser Aktivi-
äten ist der Wechsel des Telefonanbieters, ein anderer
er Wechsel der Betreibervorauswahl, der Preselection.
Selbstverständlich gibt es Konsumenten, die keine
erträge abschließen möchten. Doch auch sie können
pfer dieser unseriösen Firmen werden. Die Callcenter
elden ihren Auftraggebern wahrheitswidrig einen ent-
prechenden Vertragsabschluss. Das TK-Unternehmen
eranlasst daraufhin die Umstellung des betreffenden
nschlusses.
Spätestens mit der ersten Rechnung erfährt der Bür-
er, dass er durch unlautere Machenschaften geschädigt
orden ist. Nun muss er von Pontius zu Pilatus laufen,
m den vorherigen Zustand wiederherzustellen. Insbe-
ondere älteren Mitbürgern, den bevorzugten Opfern sol-
her Praktiken, fällt dies schwer. Schätzungen gehen da-
on aus, dass mehr als 15 000 Bürger jährlich durch
iese dreisten Methoden übervorteilt werden.
Dies ist nicht länger hinnehmbar. Der neue Anbieter
ird in Zukunft dem alten Anbieter eine entsprechende
illenserklärung des wechselwilligen Verbrauchers
bermitteln müssen. Dies wird den Missbrauch bei den
reselection-Einstellungen eindämmen. Das Gesetz zur
ekämpfung unerlaubter Telefonwerbung und zur Ver-
esserung des Verbraucherschutzes bei besonderen Ver-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. November 2008 19953
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triebsformen, das heute auch seine erste Lesung im
Deutschen Bundestag erfahren hat, ergänzt den Verbrau-
cherschutz bei dem vollständigen Wechsel zu einem an-
deren Telefonanbieter. Gleichzeitig hat eine solche Re-
gelung den willkommenen Effekt, dass die Zahl der
unerwünschten Werbeanrufe abnehmen wird. Insofern
haben wir zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen.
Ein vergleichbarer Handlungsbedarf durch massen-
haften Missbrauch liegt im 0180er-Nummern-Bereich
glücklicherweise nicht vor. Dennoch müssen wir auch
hier der Entwicklung von Servicenummern hin zu viel-
fältigen Geschäftsmodellen Rechnung tragen. Im Inte-
resse der Verbraucher werden wir durch die Verpflich-
tung, Höchstpreise für Anrufe aus den Mobilfunknetzen
in der Werbung anzugeben, für mehr Transparenz sorgen.
Wie schon bei den teuren Premiumdiensten mit der
0900er-Nummer, werden wir auch in diesem Preisseg-
ment sowohl für Anrufe aus den Mobilfunknetzen als
auch aus dem Festnetz Preishöchstgrenzen festlegen.
Dabei wird der Charakter des 0180er-Bereichs als preis-
günstiger Raum für die verschiedensten Dienstleistun-
gen auf jeden Fall erhalten bleiben.
Die Bilanz wird sich sehen lassen können: Die Aus-
schaltung unlauteren Wettbewerbs und Eindämmung
krimineller Praktiken stärkt die ehrlichen Unternehmen
und schützt die Verbraucher. Die neue Struktur im
0180er-Nummern-Bereich gestaltet diesen Bereich noch
transparenter und übersichtlicher.
Über Einzelheiten und mögliche Verbesserungen wer-
den wir im weiteren parlamentarischen Verfahren ge-
meinsam beraten. Ich freue mich auf konstruktive Bera-
tungen.
Julia Klöckner (CDU/CSU): Der vorliegende Ge-
setzentwurf des Bundesministeriums für Wirtschaft und
Technologie zur Ersten Änderung des Telekommunika-
tionsgesetzes ist ein Beleg dafür, dass die Bundesregie-
rung Verbraucherpolitik praxisnah und problemorientiert
gestaltet. Denn statt nur die von Brüssel beschlossenen
Vorgaben für Bußgelderhebungen bei Roaming-Gebüh-
ren umzusetzen, reagiert die Bundesregierung auf aktu-
elle Entwicklungen des Marktes und setzt im Sinne des
Verbrauchers mit festgelegten Preisobergrenzen oder der
schriftlichen Bestätigung bei Telefonanbieterwechsel
wichtige Eckpfeiler im Telekommunikationsdschungel.
Der vorliegende Gesetzentwurf zur Änderung des Te-
lekommunikationsgesetzes beinhaltet unter anderem
eine Ermächtigungsgrundlage für die Bundesnetzagen-
tur, um die technische Voraussetzung zu schaffen, den
nervigen und teuren Wartenschleifen entgegenzutreten.
Jeder kennt das Phänomen, und jeder hat sich darüber
schon einmal geärgert: „Wir verbinden Sie gleich wei-
ter.“ Dann die Melodie von Vivaldis Frühling. Egal mit
wem man sprechen möchte, eines ist meist gleich: Zu-
nächst wird abgeschoben – in die Warteschleife. Gefan-
gen im Gedudel der Ungeduld und Kostenpflicht bleibt
einem nur, im Takt mitzuklopfen oder aufzulegen. So
oder so ähnlich erleben viele Verbraucher täglich ihre
ganz persönlichen Erfahrungen mit Serviceangeboten:
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ndlose und überteuerte Anrufe mit kostenpflichtigen
ufnummern, bei denen man schon vor dem eigentli-
hen Kontakt mit einem Mitarbeiter für Musik oder
andansagen bezahlt, bevor man die Information erhält,
egen der man ja eigentlich anruft. Wer zum Beispiel
ei der Deutschen Bahn eine Auskunft erhalten will,
uss gleich zweimal zahlen: Ruft man die Servicenum-
er der Deutschen Bahn an, um eine Auskunft zu erhal-
en, gelangt man erst einmal in die kostenpflichtige War-
eschleife. Erreicht man eine Serviceperson, verbindet
iese einen mit der Nummer der Fahrplanauskunft, man
st wieder in der Warteschleife. Leider kann der Kunde
iese Auskunft nicht direkt anrufen, er muss also den
eureren ersten Anruf in Kauf nehmen und sich „anstel-
en“, um überhaupt eine Auskunft zu erhalten: Die Wei-
erleitung bzw. der erste Anruf, der sich nur auf die Wei-
erleitung oder eine Rufnummernauskunft bezieht,
ostet 1,80 Euro, die eigentliche anschließende Fahr-
lanauskunft „nur“ 34 Cent pro Minute. Natürlich muss
an bei Anrufen auch mit Wartezeiten rechnen, weil
icht immer genügend Mitarbeiter für die Kunden jeder-
eit da sein können. Aber dass der Verbraucher hierfür
och zahlen soll, das ist Abzocke.
Eine vor einigen Tagen veröffentlichte Onlineum-
rage des Bundesverbandes Verbraucherzentrale belegt
iese Unzufriedenheit auch in Zahlen: Neben Service-
nd Qualitätsdefiziten der Telekommunikationsanbieter
ezeichnen eine Vielzahl der 15 000 Befragten die lan-
en Wartezeiten und die schwierige telefonische Er-
eichbarkeit als ein großes Ärgernis. Sie wollen einen
inheitlichen, niedrigen Tarif ohne kostenpflichtige War-
eschleifen. Über 60 Prozent der Befragten kritisierten
ie viel zu langen Warteschleifen, in denen man hängen
leibt. Ebenfalls fast 60 Prozent der Verbraucher be-
chweren sich über die teuren Zugangsmöglichkeiten
um Kundendienst über 0180er- oder 0900er-Nummern.
Das oft angebrachte Gegenargument vieler Unterneh-
en, warum schon die Nutzung der Warteschleifen kos-
enpflichtig sei, ist, das sei in der Nutzung der sogenann-
en 0180er-Rufnummern begründet. Bei einem solchen
eteilte-Kosten-Dienst bestimmt nämlich der Teilneh-
ernetzbetreiber, welchen Preis der Teilnehmer für die
erbindung und die Dienstleistungen insgesamt zahlt.
ie Berechnung des zu zahlenden Entgelts knüpft an den
ufbau der Verbindung an. Ist diese zustande gekom-
en, berechnet der Teilnehmernetzbetreiber ab diesem
eitpunkt die Dauer des Gesprächs und damit die Kosten
es Anrufs. Für den Teilnehmernetzbetreiber ist es aber
icht ersichtlich, ob der Kunde in einer Warteschleife ge-
ndet ist. Es ist nur unter größtem technischen Aufwand
öglich, Beginn oder Ende einer Warteschleife zu erfas-
en. Im Gegensatz dazu gib es die sogenannten Offline-
illing-Nummern, das sind zum Beispiel 0900er-Num-
ern oder 0190er-Nummern. Bei sogenannten offline
bgerechneten Diensten legt der Verbindungsnetzbetrei-
er, der den Dienst für den Service-Provider festlegt, die
arife nach Vorgabe des Anbieters fest. Hier würde es
lso sehr wohl technisch möglich sein, erst ab dem Zeit-
unkt Kosten zu erheben, ab dem der Kunde mit einem
itarbeiter spricht. Und genau hier wollen wir ansetzen
nd der Bundesnetzagentur die Ermächtigungsgrundlage
19954 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. November 2008
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geben, um alle technischen Möglichkeiten auszuschöp-
fen. Durch die Umwandlung von sogenannten Geteilten-
Kosten-Diensten in Feste-Kosten-Dienste muss die Bun-
desnetzagentur jetzt einen Teil der bestehenden 0180er-
Nummern umrüsten. Schließlich handelt es sich bei die-
sen Nummerngassen um Mehrwertdienste. Schon jetzt
gibt es eine Vielzahl an Firmen, die den Gebührenzähler
erst dann laufen lassen, wenn der Kunde weitervermittelt
wurde. Die genaue Praxis kann jedes Unternehmen
künftig mit seinem Anbieter vereinbaren.
Ebenso unterstützt die CDU/CSU-Bundestagsfraktion
den Vorschlag von Bundeswirtschaftsminister Michael
Glos, Preisobergrenzen bei 0180er-Rufnummern einzufüh-
ren. 0180er-Nummern werden von vielen Unternehmen
als Servicenummern benutzt, feste Preise gelten bislang
nur für Anrufe aus den Festnetzen. Die Preise für Anrufe
aus den Mobilfunknetzen sind hingegen häufig recht
hoch und für die Verbraucherinnen und Verbraucher nur
schwer erkennbar. Umso wichtiger ist es, feste Preise für
Anrufe aus den Mobilfunknetzen festzulegen, die den
Kunden in der Werbung mitgeteilt werden. Die Preis-
obergrenzen werden künftig folgendermaßen festgelegt:
Anrufe aus dem Festnetz kosten höchstens 14 Cent pro
Minute oder 20 Cent pro Anruf, Anrufe aus dem Mobil-
funknetz sollen höchstens 28 Cent pro Minute oder
40 Cent pro Anruf kosten. Die ihrer Höhe nach ange-
messenen Höchstbeträge sind auch ein sachgerechtes
und legitimes Differenzierungsmerkmal zu den in der
Regel kostenintensiven 0900er-Premium-Diensten. Preis-
klarheit und Preiswahrheit – dies sind wichtige Eckpfei-
ler der vorgesehenen Gesetzesänderungen. Beides zu-
sammen bietet unserer Meinung nach eine sinnvolle
Ergänzung der Änderungen im Telekommunikationsge-
setz, die im Rahmen der Bekämpfung unerlaubter Tele-
fonwerbung angedacht sind.
Stichwort „Slamming“: Diese Art der Abzocke – also
das Unterschieben von Verträgen im Telekommunika-
tionsbereich – nimmt immer mehr zu. Ungeachtet des-
sen, dass derartige Verträge schon heute keine rechtliche
Wirkung entfalten, stellt sich leider in der Realität oft-
mals ein anders Bild dar. So wird der Verbraucher im
Falle eines untergeschobenen Vertrages gezwungen, eine
zumeist zeit- und kostenintensive und nervenaufreibende
Korrespondenz mit dem Alt- und Neuanbieter zu führen,
um den „Urzustand“ seines alten Vertrages wiederherzu-
stellen. Viele Verbraucher scheitern jedoch schon hier,
denn die Telekommunikationsunternehmen sitzen am
längeren Hebel und zeigen sich gegenüber den Kunden
oftmals wenig kooperativ. Fälle, bei denen bestehende
Telekommunikationsverträge durch vermeintliche Neu-
anbieter gegen den Willen der betroffenen Verbraucher
gekündigt und bei denen die Kunden in neue Verträge
gedrängt oder unverlangte Tarifwechsel innerhalb eines
laufenden Telekommunikationsvertrages vorgenommen
wurden, bestimmen schon seit längerer Zeit den Bera-
tungsalltag der Verbraucherzentralen. Das Buhlen um
die Kunden um jeden Preis mit zum Teil unlauteren Me-
thoden ist aus Verbrauchersicht inakzeptabel und lässt
sich auch nicht mit dem stetig zunehmenden Druck auf
die Telekommunikationsunternehmen rechtfertigen, sich
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em Wettbewerb des hart umkämpften Telekommunika-
ionsmarktes stellen zu müssen.
Umso wichtiger ist es, mit gesetzgeberischen Maß-
ahmen Einhalt zu gebieten. Neben den Änderungen im
esetz gegen unlauteren Wettbewerb ergänzen die Ge-
etzesänderungen im Telekommunikationsgesetz unser
estreben, das massive Problem untergeschobener Ver-
räge zu reduzieren. Deshalb ist im Falle eines Anbieter-
echsels künftig die Textform für die Kündigung des al-
en Vertrages notwendig. Damit wird eine
ertragsumstellung ohne Wissen des Verbrauchers un-
erbunden. Der neue Anbieter muss dem alten Anbieter
ine Kündigung vorlegen, bevor zum Beispiel ein Tele-
onanschluss auf einen neuen Anbieter umgestellt wer-
en kann. So wird das unbemerkte Unterschieben von
erträgen quasi unmöglich. Allerdings ist hier auch Vor-
icht geboten: Bei der kundenunfreundlichsten Ausle-
ung der jetzigen Formulierung ist der Begriff „Text-
orm“ interpretierfähig und könnte so ausgelegt werden,
ass lediglich die Übermittlung der Kündigung durch
en Anbieter in Textform erfolgen muss. Fälschungen
der Tricksereien von Unternehmen wären so vorpro-
rammiert. Dies werden wir gesetzgeberisch sehr genau
eobachten und gegebenenfalls nachbessern.
Bleibt zu hoffen, dass künftig mit transparenten und
airen Mitteln um die Gunst der Telekommunikations-
unden geworben wird und diese tatsächlich in der Lage
ein werden, selbstbestimmt und überzeugt von den ih-
en angebotenen Leistungen Verträge abzuschließen.
omit dient diese Vorschrift nicht nur der Verbesserung
es Verbraucherschutzes, sondern auch einem fairen und
unktionierenden Wettbewerb in diesem Markt.
Flankiert werden diese gesetzgeberischen Maßnah-
en von dem heute ebenfalls beratenen Gesetz gegen
nerlaubte Telefonwerbung im Rahmen des Gesetzes ge-
en unlauteren Wettbewerb. Dieser Gesetzentwurf sieht
nter anderem ergänzend vor, dass im Falle einer bloßen
ertragsänderung, also zum Beispiel bei einem Tarif-
echsel, und bei gänzlich neuen Verträgen die Verbrau-
herinnen und Verbraucher zukünftig ein umfassendes
iderrufsrecht im BGB erhalten sollen. Danach müssen
ie Anbieter die Verbraucherinnen und Verbraucher über
ie Vertragskonditionen und die Widerrufsmöglichkeit
chriftlich aufklären. Bei Widerruf wird der Vertrag
rundsätzlich rückwirkend aufgelöst. Erhalten die Ver-
raucherinnen und Verbraucher keine Widerrufsbeleh-
ung, gilt das Widerrufsrecht zeitlich unbeschränkt, an-
onsten steht ihnen dieses Recht zwei bzw. vier Wochen
ang zu. Die Beweislast für den Zugang der Widerrufs-
elehrung trägt der Anbieter.
Kurzum: Wir beraten heute gleich zwei Gesetzesent-
ürfe der Großen Koalition im Telekommunikationsbe-
eich, die beide gemeinsam einen wichtigen Schutz für
ie Verbraucherinnen und Verbraucher bilden: Transpa-
enz, kundenorientierter Wettbewerb durch gleiche tech-
ische Vorraussetzungen, und Schutz vor kriminellem
nterschieben von Verträgen – mit dem Ersten Gesetz
ur Änderung des Telekommunikationsgesetzes kom-
en wir dem Bild der Union von einem mündigen Ver-
raucher ein gutes Stück näher.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. November 2008 19955
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Martin Dörmann (SPD): Im Bereich der Telekom-
munikation haben wir es mit besonders dynamischen
Märkten zu tun, auf deren Entwicklung der Gesetzgeber
von Zeit zu Zeit zu reagieren hat. Die Große Koalition
will die Transparenz und die Funktionsfähigkeit erhöhen
sowie Verbraucherrechte stärken, insbesondere beim
Mobilfunk. Welche Einzelregelungen sieht der vorlie-
gende Gesetzentwurf der Bundesregierung im Wesentli-
chen vor?
Erstens. Zunächst einmal geht es um die wirksame
Durchsetzung der europäischen Verordnung über das
Roaming in öffentlichen Mobilfunknetzen. Diese sieht
beispielsweise vor, dass den Kunden im europäischen
Ausland für abgehende und ankommende Anrufe keine
überhöhten Preise in Rechnung gestellt werden. Der Eu-
rotarif soll ein hohes Verbraucherschutzniveau garantie-
ren und zugleich für eine ausreichende Gewinnspanne
der beteiligten Unternehmen sorgen. Die tatsächliche
Umsetzung der Verordnung muss auf der nationalen
Ebene sichergestellt werden. Hierzu sieht der Gesetzent-
wurf Bußgelder bei Verstößen der Unternehmen vor. Au-
ßerdem werden die Befugnisse der Bundesnetzagentur
gestärkt. Die Regulierungsbehörde kann von sich aus tä-
tig werden, um die Einhaltung der Verordnung zu ge-
währleisten und kann bei Verstößen die sofortige Be-
endigung anordnen.
Zweitens. Die 0180er-Nummern sollen transparenter
und günstiger werden. Der Rufnummernbereich 0180
wird von vielen Unternehmen und Behörden für ihre
Kundenkontakte genutzt, aber auch von Erotikdiensten
missbraucht. Der Rufnummernbereich soll nun neu ge-
staltet werden, um den Interessen der Verbraucherinnen
und Verbraucher sowie der Wirtschaft besser gerecht zu
werden. Bislang waren für Anrufe aus dem Festnetz eine
Preisansage sowie eine Preisobergrenze von 14 Cent pro
Minute bzw. 20 Cent pro Anruf festgelegt. Im Mobilfunk
galten abweichende Regelungen: Eine Preisobergrenze
war nicht vorgesehen, und in der Ansage musste nur all-
gemein auf einen möglicherweise abweichenden Preis
aus dem Mobilfunknetz hingewiesen werden. Nunmehr
soll auch aus dem Mobilfunk eine Preisansagepflicht so-
wie eine Preisobergrenze festgelegt werden, die für die-
sen Bereich 28 Cent pro Minute bzw. 40 Cent pro Anruf
betragen soll. Die Verbraucherinnen und Verbraucher
sollen auch bei Telefonaten per Handy wissen, worauf
sie sich einlassen. Die Preisobergrenzen und die neue
Ansagepflicht schützen sie und machen zugleich die
Nutzung der Dienste aus dem Mobilfunk attraktiver.
Weiterhin soll Unternehmen künftig die Möglichkeit
eröffnet werden, Warteschleifen für ihre Kunden kosten-
los anzubieten. Teure Wartezeiten blieben den Anrufern
in diesen Fällen somit erspart. Durch die neuen Bestim-
mungen soll die 0180er-Rufnummerngasse klarer struk-
turiert werden. Daneben steht den Unternehmen weiter-
hin mit den 0900-Nummern ein Bereich zur Verfügung,
in dem höhere Entgelte verlangt werden können, sodass
die notwendige Differenzierung für unterschiedliche
Dienste erhalten bleibt.
Drittens. Der Schutz vor untergeschobenen Verträgen
soll gestärkt werden. Bislang war es so, dass die Umstel-
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ung des Telefonanschlusses auf eine Betreibervoraus-
ahl – Preselection – praktisch auf Zuruf möglich war.
ielen Teilnehmerinnen und Teilnehmern war aber nicht
ewusst, dass sie eine solche Erklärung abgegeben
aben; in vielen Fällen kam es deshalb zu vermeidbaren
treitigkeiten. Nun soll ein Textformerfordernis zu
echtsicherheit bei allen Beteiligten führen. Im weiteren
esetzgebungsverfahren werden wir prüfen, ob das Text-
ormerfordernis auch auf andere Fälle als Preselection
usgedehnt werden sollte.
Viertens. Bei Diensten, die eine Handy-Ortung vorse-
en, wollen wir Missbrauchsgefahren ausschließen. Es
ibt heute verschiedene Dienste, bei denen die Standort-
aten eines Handys an Dritte gesendet werden. Hier wol-
en wir die Anregung des Bundesrates aufgreifen, eine
issbräuchliche Ortung und einen Eingriff in die Per-
önlichkeitsrechte auszuschließen. Hierzu hat die Bun-
esregierung in ihrer Gegenäußerung den Vorschlag
nterbreitet, dass der betroffene Teilnehmer seine Ein-
illigung ausdrücklich, gesondert und schriftlich ertei-
en soll. Zudem soll der Diensteanbieter verpflichtet
erden, ihn nach höchstens fünfmaliger Feststellung des
andystandortes mit einer Textmitteilung zu informie-
en. Dieses Anliegen wollen wir im weiteren Gesetzge-
ungsverfahren aufgreifen.
Fünftens. Die Zahl der Mobilfunkverträge ist in den
ergangenen Jahren rapide angestiegen. Inzwischen gibt
s in Deutschland mehr Handys als Einwohner. Bis zum
ahresende sollen es insgesamt fast 110 Millionen Mo-
ilfunkverträge sein. Im Gegensatz zu den Inhabern von
estnetzanschlüssen sind die Handybesitzer in nur gerin-
em Umfang in den Teilnehmerverzeichnissen enthalten.
m hier Abhilfe zu schaffen, soll der Inhaber eines Mo-
ilfunkanschlusses künftig per Textmitteilung über den
ontaktwunsch eines anderen Teilnehmers informiert
erden. Dabei sind Name und Telefonnummer des Inte-
essenten angegeben. Der gesuchte Teilnehmer kann so-
it selbst entscheiden, ob er den Kontakt erwidern will,
hne dass es zur Übermittlung seiner Mobilfunknummer
ommt.
Insgesamt wird es im weiteren parlamentarischen
erfahren darum gehen, die Verbraucherrechte so zu
tärken, dass möglichst zugleich auch für die Unterneh-
en ein zusätzlicher Nutzen entsteht, sei es durch Trans-
arenz, attraktive Dienste oder größere Rechtsicherheit.
udem werden wir prüfen, ob aus den aktuellen Urteilen
nhaltlich auf die Verpflichtung zur Speicherung von
orratsdaten Konsequenzen für dieses Gesetzgebungs-
erfahren gezogen werden müssen.
Parallel zum vorliegenden Gesetzentwurf hat die
undesregierung einen Gesetzentwurf zur Bekämpfung
nerlaubter Telefonwerbung und zur Verbesserung des
erbraucherschutzes bei besonderen Vertriebsformen
orgelegt, in dem weitere Änderungen des Telekommu-
ikationsgesetzes enthalten sind. Werbung mit uner-
ünschten Telefonanrufen sind ein großes Ärgernis für
iele Verbraucherinnen und Verbraucher. Bereits nach
eutiger Rechtslage ist sie rechtswidrig. Mit dem Ge-
etzentwurf soll es Kunden ermöglicht werden, sich von
estimmten, insbesondere am Telefon geschlossenen
19956 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. November 2008
(A) )
(B) )
Verträgen durch einen Widerruf zu lösen. Zudem sollen
Verstöße gegen das bestehende Verbot der unerlaubten
Telefonwerbung künftig mit einer Geldbuße geahndet
werden. Auch diese Gesetzesinitiative stärkt somit die
Rechte der Verbraucherinnen und Verbraucher und fin-
det die Unterstützung der Koalitionsfraktionen.
Manfred Zöllmer (SPD): Als Verbraucherpolitiker
haben wir uns in den vergangenen Jahren immer wieder
mit Fragestellungen aus dem Telekommunikationssektor
beschäftigen müssen. Es scheint, dass der Übergang in
den Wettbewerb in diesem Bereich einerseits als gelun-
gen gelten darf, andererseits muss wegen bestimmter
Fehlentwicklungen immer wieder nachjustiert werden.
Wir haben dies in Bezug auf 0190er-Nummern gemacht,
Dialer unter Kontrolle gebracht, für bessere Preisan-
sagen und Preisanzeigen gesorgt und – wo nötig – auch
Preisobergrenzen eingeführt.
Mit der vorliegenden weiteren Änderung des Tele-
kommunikationsgesetzes werden mehrere für Verbrau-
cherinnen und Verbraucher wichtige Entscheidungen ge-
troffen: Viele Unternehmen nutzen 0180er-Nummern für
ihre Kundenkontakte. Bisher muss nur auf den Preis für
Anrufe aus den Festnetzen und auf die Möglichkeit ab-
weichender Preise für Anrufe aus den Mobilfunknetzen
hingewiesen werden. Um die Transparenz für die Kun-
den zu verbessern, sind die Firmen zukünftig gehalten,
auch anzugeben, was Anrufe sowohl aus dem Festnetz
als auch vom Handy kosten. Das bisherige Geteilte-Kos-
ten-Prinzip, wonach sich der Anrufer und der Angeru-
fene die Kosten teilen, wird aufgeben, weil eine solche
Kostenteilung nicht praktiziert wird. Derzeit schwanken
Preise für Anrufe bei 0180er-Nummern aus den Mobil-
funknetzen zwischen 69 und 87 Cent pro Minute. Künf-
tig dürfen sie nicht mehr als 28 Cent pro Minute oder
40 Cent pro Anruf betragen. Dies ist eine vertretbare
Größenordnung. Für Anrufe bei 0180er-Nummern aus
den Festnetzen dürfen Anbieter schon heute höchstens
15 Cent pro Minute oder 20 Cent pro Anruf verlangen.
Die Verbraucherinnen und Verbraucher sollen mit
diesem Gesetz auch besser vor „untergeschobenen“ Ver-
trägen bei der Betreibervorauswahl, Preselection, ge-
schützt werden. Derzeit ist es Praxis, dass die Betreiber-
vorauswahl umgestellt wird, ohne dass der Teilnehmer
dies wollte oder sich darüber im Klaren war, eine Um-
stellung beantragt zu haben. Einige Anbieter nutzen dies
aus. In Zukunft muss daher die Erklärung der Kunden
zur Einrichtung oder Änderung der Betreibervorauswahl
in Textform vorliegen. Das schafft Transparenz und
Klarheit.
Zur Umsetzung der europäischen Roaming-Verord-
nung, die das Telefonieren in anderen als dem eigenen
Mobilfunknetz regelt, werden Bußgelder eingeführt und
die Befugnisse der Bundesnetzagentur erweitert.
Immer öfter werden in letzter Zeit Ortungsdienste für
private Handystandortdaten in den Medien angeboten.
Über diese Serviceanbieter kann man eine beliebige
Zielperson anhand ihres Mobiltelefons sofort lokalisie-
ren. Dies bietet erhebliche Missbrauchsmöglichkeiten,
obwohl Ortungsdienste zweifellos auch nützliche An-
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endungen wie die Ortung einer in Not geratenen Per-
on oder das Auffinden eines vermissten Kindes bieten.
ür die Ortung privater Mobiltelefone über einen Ser-
iceanbieter muss derzeit lediglich eine SMS, Short
essage Service, zur Einwilligung an den Anbieter ge-
endet werden. Die Missbrauchsgefahr besteht darin,
ass nicht sichergestellt werden kann, ob diese Einwilli-
ung tatsächlich vom Handyeigentümer stammt.
Ich bin sehr erfreut darüber, dass das Bundeskabinett
eschlossen hat, der möglichen privaten Bespitzelung im
ahmen dieser Novellierung einen Riegel vorzuschie-
en. Die Übermittlung von Standortdaten an Dritte soll
ukünftig nur noch dann möglich sein, wenn der Handy-
esitzer solch einer Ortung ausdrücklich, gesondert und
chriftlich zugestimmt hat. Der Handy-Inhaber muss be-
usst einwilligen. Zusätzlich soll über die Zahl der
rfolgten Ortungen spätestens bei der fünften Standort-
eststellung informiert werden. Die Privatsphäre, der Da-
enschutz und das Recht auf informationelle Selbstbe-
timmung müssen auch in der digitalen Welt gelten.
Hans-Joachim Otto (Frankfurt) (FDP): Leider dür-
en wir uns erst zu dieser späten Stunde mit den ak-
uellen Vorschlägen der Bundesregierung zur Zukunft
es Telekommunikationsmarktes beschäftigen. Dort
cheint sich das Bewusstsein, dass es sich dabei um eine
öchst innovative und wirtschaftlich bedeutsame Bran-
he handelt, zwar in Ansätzen, aber immer noch nicht
ollständig durchgesetzt zu haben.
Ich hoffe sehr, dass dieser Gesetzentwurf nicht das
inzige ist, was Ihnen im Bereich der Telekommunika-
ionspolitik für den Rest dieser Wahlperiode eingefallen
st. Führt man sich Ihr Werk vollständig vor Augen, wird
lar – wir ahnten es schon seit langem – welches ver-
raucherpolitische Leitbild die Bundesregierung be-
errscht: Anbieter von Telekommunikationsdiensten
ind im Zweifelsfall fiese Abzocker, Verbraucher ah-
ungslose Deppen.
Aber eines nach dem anderen. Im Wesentlichen geht
er vorliegende Regierungsentwurf fünf Punkte an, die
m Telekommunikationsgesetz verändert werden sollen.
rstens werden Vorgaben aus der EU-Verordnung vom
7. Juni 2007 über das Roaming in öffentlichen Mobil-
unknetzen umgesetzt. Zweitens wird die 0180er-Ruf-
ummerngasse überarbeitet. Drittens sollen Verbraucher
esser vor untergejubelten Verträgen bei der Betreiber-
orauswahl geschützt werden. Viertens soll es zu Neu-
egelungen beim Auskunftsverfahren zur Verfolgung
on unerlaubten Werbeanrufen kommen, und schließlich
urden auch einige mögliche neue Gebührentatbestände
ntdeckt.
Ich möchte mich an dieser Stelle bei der ersten Bera-
ung auf wenige Hauptkritikpunkte konzentrieren. Die
msetzung der EU-Roaming-Verordnung müssen wir
ier meines Erachtens nicht näher betrachten. Mit den
nderungen der Gebühren- bzw. Beitragsbestimmun-
en müssen wir uns ohnehin noch eingehender auseinan-
ersetzen, insbesondere weil aus meiner Sicht die auf
nternehmen zukommenden Gebühren nach wie vor
icht wirklich kalkulierbar sind. Darüber hinaus sehe ich
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. November 2008 19957
(A) )
(B) )
jedoch bereits jetzt einige Probleme, die im Zuge der
Ausschussberatungen aus der Welt geschafft werden
sollten und die ich Ihnen hier in der ersten Beratung be-
reits benennen will.
Zur 0180er-Nummerngasse bzw. den Geteilte-Kos-
ten-Diensten. Zunächst sei mir der Hinweis erlaubt, dass
Sie, wenn Sie sich schon einen neuen Namen für diesen
Dienst ausdenken, der aus Verbrauchersicht prägnanter
sein soll, dann auch konsequent sein müssen. Dann
müssten Sie von festen Preisen statt von festen Kosten
reden; denn die Kosten sind ja gerade nicht fest. Aber
das ist nur eine Kleinigkeit.
Viel wesentlicher ist die Frage nach den Preisober-
grenzen. Auch die Parteien der jetzigen Regierungs-
koalition haben ja durchaus ihren Teil zur Liberalisie-
rung des Telekommunikationsmarktes beigetragen. Ihr
Vorschlag hinterlässt bei mir allerdings den Eindruck,
Sie wollten wieder ein Stück zurück in die Zeit des guten
alten Bundespostmonopols. Wenn das der Fall ist: gute
Reise! Dann sollten Sie aber auch gleich alle weiteren
Preise wieder selbst festlegen, statt ständig neue und un-
gerechtfertigte Höchstgrenzen einzuführen. Im Übrigen
möchte ich darauf hinweisen, dass sich die 0180er-Ruf-
nummerngasse im Markt sehr gut etabliert hat. Ich sehe
gar keine Veranlassung zu einer Änderung. Das müssen
Sie noch einmal überprüfen.
Die von Ihnen behauptete Stärkung der Verbraucher-
rechte durch Einführung des Textformerfordernisses
wird nach hinten losgehen. Sie überziehen die Vielzahl
der seriösen Anbieter von Telekommunikationsdiensten
mit noch mehr Bürokratie, während die wenigen schwar-
zen Schafe weiter unseriös handeln werden. Denn unter-
geschobene Verträge sind bereits nach heutigem Recht
unwirksam. Ob sich nun die Unwirksamkeit aus einem
ungewollten Werbeanruf ergibt oder der Vertrag nicht
wirksam ist, weil es an einer Unterschrift fehlt, ist für
den Verbraucher irrelevant. Nach wie vor wird er auch
selbst aufmerksam sein müssen und Einspruch erheben,
wenn er sich hintergangen fühlt. Das kann er auch.
Ein Textformerfordernis stärkt aus meiner Sicht die
Verbraucher nicht effektiv. Stattdessen machen Sie ge-
wünschte Vertragsabschlüsse komplizierter. Hierzu soll-
ten wir uns etwas Zielgenaueres einfallen lassen. Dabei
sollten wir bedenken, dass die Wettbewerber gemeinsam
mit der Deutschen Telekom in diesem Zusammenhang
gerade erst ein effektives automatisiertes Auskunftsver-
fahren etabliert haben. Das könnten Sie dann vergessen.
Unter Umständen kann doch auch die Industrie eine un-
bürokratische Lösung erarbeiten, die etwa an der Teil-
nahme am automatisierten Verfahren anknüpft.
Auch einige weitere Punkte müssen wir in den Aus-
schüssen noch einmal intensiv debattieren. Schließlich
fehlen aus meiner Sicht auch manche Aspekte. Nicht zu-
letzt sollten Sie sich in Erinnerung rufen, dass Sie die
Branche gerade erst mit massiven Vorratsdatenspeiche-
rungs- und Überwachungspflichten überzogen haben.
Da stehen Sie noch immer in der Schuld. Um den
schlimmsten Schaden von der Branche abzuwenden, hat
die FDP-Fraktion einen Gesetzentwurf zur Verlängerung
des Bußgeld-Moratoriums in § 150 des Telekommunika-
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ionsgesetzes eingebracht, für den ich schon an dieser
telle werben möchte.
Ich hoffe auf eine konstruktive und weiterführende
eratung in den Ausschüssen und am Ende auf ein Ge-
etz, das überzeugender ist als Ihr heute vorgelegter Ent-
urf.
Sabine Zimmermann (DIE LINKE): 2007 gab es
ei der Bundesnetzagentur etwa 36 000 Anfragen und
eschwerden von Verbrauchern im Bereich der Tele-
ommunikation. Das sind deutlich mehr als in den Be-
eichen Post oder Elektrizität. Das zeigt, dass wir es hier
it einer besonderen Problemlage zu tun haben.
Die Liberalisierung hat unseriöse Geschäftsmodelle
efördert. Das betrifft gerade den Gebrauch der 0180er-
orwahl für Kundendienste. Diese Vorwahlnummer, die
n der Regel von Behörden benutzt wird und deshalb als
eriös galt, wird von windigen Unternehmen benutzt, um
erbraucherinnen und Verbraucher in Unkenntnis abzu-
ocken. Hier muss der Gesetzgeber sofort handeln.
Es ist überfällig, den Missbrauch durch 0180er-Num-
ern zu unterbinden. Es ist deshalb richtig, dass Unter-
ehmen mit einer 0180er-Servicenummer zukünftig über
en Preis der Gesprächsminute informieren, egal, ob der
nruf vom Festnetz oder vom Handy erfolgt. Viel zu
ange wurden den Verbrauchern die Kosten verheim-
icht.
Es ist überfällig, für Anrufe der 0180er-Nummern
ine Preisobergrenze festzulegen. Derzeit liegen die Preise
es Mobilfunknetzes bei dem Fünf- bis Sechsfachen des
estnetzes. Es ist völlig unverständlich, warum die Bun-
esregierung nicht der Empfehlung der Verbraucherzen-
ralen gefolgt ist, eine einheitliche Preisobergrenze von
0 Cent festzulegen. Nun wird der Verbraucher mit
4 Cent pro Minute zur Kasse gebeten, wenn er vom
estnetz anruft. Wenn er vom Handy telefoniert, ist es
as Doppelte.
Es ist überfällig, dass ein Anbieterwechsel schriftlich
estätigt werden muss. Hier wurde in Tausenden von
ällen Missbrauch betrieben, mit neuen Verträgen, die
er Kunde angeblich bestellt hatte.
All diese Regelungen für den Telekommunikations-
ektor sind überfällig. Ich sehe dies nicht als großen Er-
olg. All dies sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Wir
ehen auch nicht in den Supermarkt und kaufen ein,
hne zu wissen, was die Milch oder das Brot kostet. Je-
er würde es als absurd empfinden, wenn es gültige
echtslage wäre, einen Mietvertrag abzuschließen, ohne
ass der Mieter unterschreibt. Aber all dies war bisher in
ereichen der Telekommunikation möglich und wurde
on windigen Geschäftemachern ausgenutzt.
Trotzdem reicht das, was die Bundesregierung hier
ut, nicht aus. Wenn die Damen und Herren von der Gro-
en Koalition ehrlich wären, würden sie einräumen, dass
ie selbst diese Fehlentwicklungen mit der Liberalisie-
ung des Telekommunikationssektors befördert haben.
uch FDP und Grüne haben lange Zeit vom freien Wett-
19958 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. November 2008
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bewerb gesprochen, der angeblich zum Nutzen der Ver-
braucher sei.
In kaum einem anderen Bereich ist der freie und un-
geregelte Wettbewerb so weit vorgedrungen wie bei der
Telekommunikation. Die Folge ist, dass der Zweck des
Wirtschaftens in diesem Bereich nicht darin besteht, für
den Bürger oder die Bürgerin ordentliche und vertrau-
ensvolle Kommunikationsdienstleistungen zur Verfü-
gung zu stellen, sondern darin, möglichst viel Geld zu
verdienen. Anders sind die vielen Missbrauchsfälle nicht
zu erklären.
Deshalb musste der Gesetzgeber in der Vergangenheit
immer wieder neue Regelungen zum Verbraucherschutz
erlassen. Bekämpft werden damit aber nur die Symp-
tome.
Die Linke trägt den Weg der Liberalisierung nicht mit
und plädiert dafür, zu prüfen, einen solch wichtigen Be-
reich der Kommunikation in öffentliche Verantwortung
zu übertragen.
Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Mit dem Entwurf zur Änderung des Telekommunika-
tionsgesetzes setzt die Bundesregierung die EU-Verord-
nung 717/2007 um. Der Entwurf beschränkt sich aber
nicht auf die EU-Vorgaben zum Roaming, sondern greift
auch eine Reihe anderer Punkte auf, die den Telekom-
munikationsmarkt betreffen. Aus unserer Sicht kommt
es dabei vor allem darauf an, den Verbraucherschutz im
Telekommunikationsgesetz zu stärken. Die Bundesregie-
rung hat von der Möglichkeit, Verbraucherinteressen
stärker zu berücksichtigen und die Transparenz im Tele-
kommunikationsmarkt zu erhöhen, in ihrem Entwurf lei-
der nicht ausreichend Gebrauch gemacht.
Beschwerden über sogenannte untergeschobene Ver-
träge, bei denen der Kunde ohne sein ausdrückliches
Einverständnis zu einer Umstellung der Betreiberaus-
wahl gebracht wird, haben erheblich zugenommen. Dem
Missbrauch bei der Umstellung der Betreiberauswahl
soll nun ein Riegel vorgeschoben werden. Wir begrüßen,
dass diese Problematik endlich angegangen wird, doch
leider geht der Entwurf der Bundesregierung an dieser
Stelle nicht weit genug. Durch die im Gesetzesentwurf
vorgesehene Textform wird dem Problem zwar begeg-
net, doch das Ziel eines umfassenden Schutzes vor sol-
chen Verträgen wird nicht erreicht. Denn die bloße Text-
form sieht laut § 126 b BGB nicht zwingend eine
eigenhändige Unterschrift vor. Wir fordern deshalb, die
Schriftform als verbindlich festzuschreiben. Damit
müssten die Kunden selbst den Stift in die Hand nehmen
und wären vor dubiosen Verträgen deutlich besser ge-
schützt als durch die bloße Textform.
Darüber hinausgehend fordern wir einen Aktionsplan
gegen Betrug in der digitalen Welt. Denn untergescho-
bene Verträge sind nur eine von vielen unfairen Ge-
schäftspraktiken, die im Kommunikationsmarkt an der
Tagesordnung sind. Aber Kostenfallen im Internet,
Lockvogelangebote, Gewinnspiele oder aggressive Ver-
kaufsmethoden wie unerlaubtes Telefonmarketing sind
keine Schicksalsfügung. Deswegen müssen bestehende
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esetze dringend auf ihre Netz- und Digitaltauglichkeit
berprüft und Verbraucherschutzvorschriften entspre-
hend aktualisiert werden, um den Verbraucherschutz im
ommunikationsmarkt umfassend zu verbessern.
Ähnlich unzureichend wie bei den untergeschobenen
erträgen sieht der Gesetzesentwurf bei den sogenann-
en Feste-Kosten-Diensten aus: Die Bundesregierung
etzt zwar Preisobergrenzen für 0180er-Nummern fest,
ber sie verpflichtet die Anbieter nicht zu einer Preisan-
age, wenn Kunden diese Dienste nutzen. Dabei bleibt es
ei fünf unterschiedlichen Tarifen, die für 0180er-Num-
ern gelten. Außerdem ist in dem Entwurf keine Be-
ründung zu finden, warum die Preisobergrenze für
180er-Nummern ausgerechnet auf 14 Cent pro Verbin-
ungsminute festgesetzt wurde. Uns würde auch interes-
ieren, wieso ein Aufschlag von 50 Prozent für Gesprä-
he aus Mobilfunknetzen zulässig sein soll, auch wenn
ie Entgelte für Mobilfunkverbindungen sinken. Für die
erbraucherinnen und Verbraucher ist also weiterhin
icht automatisch klar, wie viel sie für einen Anruf eines
este-Kosten-Dienstes bezahlen müssen. Wie viel einfa-
her wäre es, wenn eine verpflichtende Preisansage zu
eginn eines solchen Anrufs sie kurz und genau über die
osten informieren würde. Dadurch wäre es ein Leich-
es, Transparenz in das Dickicht der unterschiedlichen
arife für Feste-Kosten-Dienste zu bringen. Aber solche
infachen verbraucherpolitischen Verbesserungen sucht
an in diesem Gesetzentwurf vergeblich.
Insgesamt lässt die Bundesregierung Sorgfalt bei der
rarbeitung des Gesetzentwurfs missen: Wie sonst lässt
ich erklären, dass sie ein so brisantes Thema wie die
rtung von Handys erst durch die Stellungnahmen des
undesrates auf die Agenda des Gesetzesentwurfs ge-
ommen hat? Zurzeit ist es möglich, durch eine einma-
ige Bestätigung per SMS der faktisch unbegrenzten
rtung des Mobilfunktelefons zuzustimmen. Wir begrü-
en, dass die Bundesregierung durch die Stellungnahme
es Bundesrates eingesehen hat, dass diesen Praktiken
renzen gesetzt werden müssen. Gerade im Umgang mit
olchen datenschutzrechtlich brenzligen Angelegenhei-
en sollte die Bundesregierung in Zukunft mehr Pro-
lembewusstsein zeigen.
nlage 33
Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung:
Entwurf eines Dreizehnten Gesetzes zur Ände-
rung des Außenwirtschaftsgesetzes und der Au-
ßenwirtschaftsverordnung
Antrag: Rückbesinnung auf die soziale Markt-
wirtschaft – Die europäische Alternative zu
Wirtschaftsprotektionismus und Ausländerdis-
kriminierung
(Tagesordnungspunkt 12 a und b)
Rolf Hempelmann (SPD): Der Boom an den globa-
en Rohstoffmärkten hat einigen Schwellenländern
norme Leistungsbilanzüberschüsse beschert. Damit
inher geht eine deutliche Zunahme an Gründungen von
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. November 2008 19959
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(B) )
staatlichen Investitionsfonds. Sie sind ein geeignetes In-
strument, die generierten Devisenüberschüsse eines Lan-
des zu reinvestieren. Auf diese Weise kann nicht nur eine
Aufwertung der heimischen Währung und damit eine
Schwächung der internationalen Konkurrenzfähigkeit,
sondern auch ein Durchschlagen der hohen Liquidität
auf die inländische Inflation vermieden werden.
Staatsfonds sind jedoch kein neues Phänomen. Die
Erdöl exportierenden Länder verwalten die Devisen-
überschüsse aus Ölexporten seit Jahrzehnten über Staats-
fonds. „Neu“ ist jedoch, dass die Fondsvolumina be-
trächtlich wachsen und dass einige Staatsfonds ihre
Anlagestrategien deutlich renditeorientierter ausrichten
als zuvor. Wir müssen uns auch in Deutschland darauf
gefasst machen, dass sie künftig auf stärkere Unterneh-
mensbeteiligungen abzielen, die sich durchaus spürbar
auf die Eigentumsverhältnisse einiger der hier ansässi-
gen börsennotierten Unternehmen auswirken können.
Klar ist: Für die deutsche Wirtschaft ist ein offenes
Investitionsregime unerlässlich. Wir haben gerade auf-
grund unserer hohen Exportorientierung ein starkes Inte-
resse daran, offene Märkte und gute Investitionsbedin-
gungen zu fördern. Ausländische Direktinvestitionen
sind ein Zeichen der internationalen Wettbewerbsfähig-
keit des Ziellandes.
Gleichwohl bereitet es zumindest Bauchschmerzen,
dass die Grenze zwischen öffentlichem und privatem
Sektor bei manchem potenziellen Investor zunehmend
verwischt. Nicht nur Staatsfonds, sondern auch Staats-
konzerne, die sich zu multinationalen Konzernen entwi-
ckeln, drängen auf die internationalen Märkte. Das ver-
rät der Blick nach China oder Russland. Die
Ankündigung Dimitrij Medwedews, „nationale Cham-
pions“ schaffen zu wollen, klingt noch in den Ohren.
Vermehrt wird daher die Sorge geäußert, dass es sich bei
Beteiligungs- bzw. Übernahmebegehren in sensiblen
Wirtschaftsbereichen um strategische Beteiligungen
handeln könnte. Dadurch könnte Deutschland über wirt-
schaftliche Zusammenhänge politisch erpressbar werden
oder dazu gezwungen sein, strategisches Know-how
weiterzugeben.
Es gibt keinen Grund für allgemeinen Alarmismus
gegenüber ausländischen Investoren, zumal die Bundes-
republik bislang durchaus gute Erfahrungen mit Großbe-
teiligungen aus dem Ausland gemacht hat.
Die seit Jahrzehnten operierenden Staatsfonds aus den
Erdöl exportierenden Ländern sind uns traditionell will-
kommene Investoren, die als umsichtige, fast konserva-
tive Anleger auftreten, die langfristige Investitionsper-
spektiven vorübergehenden Renditesprüngen vorziehen.
Eine merkliche Bedrohung ist von ihnen bislang nicht
ausgegangen. Allerdings beschränkte sich ihr Engage-
ment bislang auch immer auf Minderheitsbeteiligungen.
Was wir also sicher nicht wollen, ist eine Dämonisie-
rung ausländischer Investoren wie der Staatsfonds. Denn
klar ist, dass ausländische Staatsfonds in der Finanzkrise
bereits eine positive Rolle gespielt haben. Staatsfonds
sorgen für Liquidität auf den Finanzmärkten, auch in
Krisenzeiten. Sie verteilen bestehende Risiken und tra-
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en mit ihrem weltweiten Engagement zur Integration
er internationalen Finanzmärkte bei.
Der Gesetzgeber sollte sich rechtzeitig mit potenziel-
en Risiken auseinandersetzen. Die Finanzkraft der
taatsfonds und der internationalen Finanzakteure
ächst. Es stellt sich die Frage, ob wir solche Wirt-
chaftsbereiche, die zum Beispiel Fragen der Versor-
ungssicherheit berühren – wie die Funktionsfähigkeit
ritischer Infrastrukturen und Märkte – oder sensibles
now-how, jeglichem Investitionsvorhaben mit Bauch-
chmerzen preisgeben oder ob wir uns das Recht zuge-
tehen, problematische Investitionen zu prüfen und ge-
ebenenfalls zu untersagen.
Der Europäische Gerichtshof, EuGH, betrachtet ein
olches – übrigens auch schon im EG-Vertrag angeleg-
es – Prüfbegehren als gerechtfertigt, sofern eine tatsäch-
iche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegt, die
in Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Ich denke
a zum Beispiel an die derzeit zum Verkauf angebotenen
eutschen Stromnetze. Mit Blick auf die Versorgungssi-
herheit, die auch in Zukunft gewährleistet werden
uss, kann es gerechtfertigt sein, bestimmte Aktivitäten
usländischer Investoren unter den Vorbehalt einer Un-
edenklichkeitsprüfung zu stellen.
Dafür wollen wir mit der 13. Novelle des Außenwirt-
chaftsgesetzes eine gesetzliche Grundlage schaffen –
llerdings mit klaren Grenzen, um Deutschlands Status
ls attraktiven Investitionsstandort nicht zu gefährden.
Vorgesehen ist ein Prüfrecht der Bundesregierung, so-
ern Investoren aus Nicht-EU- und Nicht-EFTA-Staaten
indestens 25 Prozent der Stimmrechtsanteile an einem
n Deutschland ansässigen Untenehmen erwerben
ollen – sofern daraus eine Gefährdung der öffentlichen
rdnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik er-
achsen könnte. Der EuGH erkennt eine mögliche Ge-
ährdung der öffentlichen Sicherheit in Sektoren mit
etzinfrastrukturen, wie Telekommunikation und Strom,
der bei der Gewährleistung von Dienstleistungen von
trategischer Bedeutung.
Für ein großes Investitionsvorhaben in einem unter
ationalen Sicherheitsaspekten besonders schützenswer-
en Sektor greifen gewisse Verfahrensregeln. So gilt es
rundsätzlich, eine Einzelfallprüfung vorzunehmen und
as Prinzip der Verhältnismäßigkeit zu achten. Die Bun-
esregierung hat sich außerdem für eine sehr zurückhal-
ende Anwendung der neuen Regelung des Außenwirt-
chaftsgesetzes ausgesprochen. Das ist besonders
laubwürdig vor dem Hintergrund, dass die heute schon
m Außenwirtschaftsgesetz vorhandenen Regelungen
ur Übernahme von deutschen Rüstungsunternehmen in
0 Jahren nicht ein einziges Mal angewendet worden
ind.
Die bestehende Gesetzgebung sichert darüber hinaus
inen Großteil möglicher Risiken ab. So sind alle Netz-
etreiber in Deutschland nach dem Energiewirtschafts-
esetz dazu verpflichtet, Verbraucher sowie nachgela-
erte Elektrizitäts- und Gasversorgungsnetze
iskriminierungsfrei und zu wirtschaftlichen Bedingun-
en an ihr Netz anzuschließen. Der Missbrauch einer
19960 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. November 2008
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marktbeherrschenden Stellung kann auch nach dem Kar-
tellrecht geahndet werden. Schließlich sieht das erst
kürzlich verabschiedete Risikobegrenzungsgesetz Maß-
nahmen zur Steigerung der Transparenz im Wirken von
Finanzinvestoren vor.
Dass wir uns an eine zurückhaltende Anwendung des
Prüfrechts halten, ist auch eine Frage der Glaubwürdig-
keit für den Exportweltmeister Deutschland. Wir dürfen
uns nicht an anderen Industrienationen orientieren, die in
der letzten Zeit zunehmend auf protektionistische Maß-
nahmen zurückgreifen, um ihrer heimischen Volkswirt-
schaft vermeintlich Vorteile zu bescheren.
Mit Blick auf die schiere Finanzkraft mancher Inves-
toren und mögliche strategische Motivationen einer grö-
ßeren Unternehmensbeteiligung erscheint es dennoch
vernünftig, mithilfe der uns vorliegenden Regelung die
Handlungsfähigkeit des Staates zum Schutze kritischer
Infrastruktur bzw. sicherheitsrelevanter Dienstleistungen
auszubauen.
Ich bitte Sie herzlich, den vorliegenden Regierungs-
entwurf zu unterstützen. Sicher gibt es noch kleine Än-
derungen, die vorgenommen werden sollten. Ich denke
da zum Beispiel an jene Regelung, die vorsieht, dass ein
potenzieller Investor vor seinem Engagement in
Deutschland eine Unbedenklichkeitsbescheinigung be-
antragen kann. Dieses Recht sollte auch einem hier an-
sässigen Unternehmen zugestanden werden. Auf diese
Weise kann es seine Attraktivität gegenüber potenziellen
Geldgebern aus dem Nicht-EU- bzw. Nicht-EFTA-Aus-
land steigern und den Prozess einer Umstrukturierung
beschleunigen. Kurz und gut, nicht nur der Käufer, son-
dern auch der Verkäufer sollte ein Anrecht auf die Bean-
tragung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung haben.
Alles in allem haben wir es jedoch mit einem gut
durchdachten Entwurf zu tun, dem zugutezuhalten ist,
dass er sich stark an bestehendem EU-Recht und an der
Rechtsprechung des EuGH orientiert. Er wird damit dem
Grundsatz gerecht, dass Rechtsunsicherheit vermieden
und das gute Investitionsklima in Deutschland erhalten
werden müssen.
Rainer Brüderle (FDP): Deutschland profitiert vom
internationalen Handel und der Globalisierung wie kaum
ein anderes Land. Deutsche Produkte sind fast überall
auf der Welt gefragt. Umgekehrt bietet uns der Welthan-
del Produkte und Dienstleistungen, die wir selbst gar
nicht oder nur deutlich teurer herstellen könnten. Wir
profitieren nicht nur vom Warenhandel, sondern auch
von ausländischem Kapital, das in deutsche Unterneh-
men investiert wird. Das schafft Arbeitsplätze bei uns
und erhöht unseren Wohlstand. Diese Freiheit des Kapi-
talverkehrs müssen wir uns erhalten. Sie ist nicht zuletzt
unverzichtbarer Bestandteil des europäischen Binnen-
marktes und Grundlage unserer Wirtschaftsordnung.
Protektionistischen Tendenzen, wie sie in der Diskussion
um die Abschottung Deutschlands gegenüber ausländi-
schen Staatsfonds seit dem vergangenen Jahr immer
wieder bedient wurden, sollte der Bundestag nicht nach-
geben. Die Sorge, ausländische Eigentümer könnten un-
ser Land lahmlegen wollen, ist unbegründet.
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Auf Wettbewerbsmärkten ist es kein Problem, wenn
in Unternehmen auch ausländische Eigentümer hat. Um
n der Konkurrenz bestehen zu können, müssen sich alle
konomisch verhalten. Auch ein chinesischer Staats-
onds will keine Milliarden an Staatsvermögen in den
and setzen. Hier brauchen wir also überhaupt keine
eschränkungen, weder Meldepflichten noch staatliche
rüfungsvorbehalte. Wenn durch Unternehmensübernah-
en die Struktur eines Marktes gefährdet wird, ist es
ufgabe des Kartellamts, dies zu prüfen und gegebenen-
alls einzuschreiten. Das Bundeskartellamt war in den
0 Jahren seines bisherigen Bestehens immer ein Garant
afür, dass der Wettbewerb in Deutschland geschützt
ird und sich Monopolisierungstendenzen nicht durch-
etzen können. Warum sollten die Wettbewerbshüter in
ukunft nicht genauso erfolgreich weiterarbeiten?
Selbstverständlich ist es nicht sinnvoll, ein staatli-
hes, halbstaatliches oder privates inländisches Monopol
urch ein ausländisch beeinflusstes Monopol zu erset-
en. Die Antwort kann aber nicht Abschottung lauten;
ie Antwort muss Wettbewerb lauten. Wettbewerb ist
nd bleibt das beste Entmachtungsinstrument.
Es gibt in der Tat Märkte, auf denen sich der Wettbe-
erb nicht durchsetzen lässt. In Märkten mit natürlichen
onopolen, auf denen kein Wettbewerb herrschen kann,
raucht aber auch nicht zwischen guten und uner-
ünschten Investoren unterschieden zu werden. Hier
uss straff reguliert werden, aber nicht mit Eigentums-
erboten, sondern über eine Verhaltensregulierung. Die
DP hat vorgeschlagen, den Instrumentenkasten des
artellamts um ein Entflechtungsinstrument als Ultima
atio zu erweitern. Wer sich als marktbeherrschendes
nternehmen dauerhaft wettbewerbswidrig verhält,
uss die Konsequenzen zu spüren bekommen.
In der Vergangenheit haben wir uns bemüht, mehr Di-
ektinvestitionen ins Land zu holen, und haben im Aus-
and dafür geworben. Die Wahrscheinlichkeit, dass aus-
ändische Staatsfonds nun ihre kompletten Reserven in
eutschland anlegen wollen, ist allerdings gering. Jeder
ernünftige Investor streut seine Anlagen. Wenn die
reien Devisenreserven alle in die G-7-Länder fließen
ürden, und zwar proportional zum jeweiligen Brutto-
nlandsprodukt der Empfängerländer, wäre das für
eutschland ein im Vergleich zur Wirtschaftskraft und
u den bestehenden ausländischen Investitionen eher ge-
inges Volumen. Realistisch dürfte sein, dass sich die
usländischen Direktinvestitionen in Deutschland künf-
ig um einige Prozent erhöhen – jedenfalls wenn wir den
nvestoren keine Knüppel zwischen die Beine werfen.
Mehr ausländische Investitionen in Deutschland sind
lles andere als ein Anlass zur Sorge und schon gar kein
rund, Industriepolitikern eine Spielwiese für staatliche
ingriffe in die Wirtschaft zu schaffen. Statt den Frei-
andel jetzt infrage zu stellen, muss Deutschland ein
anz anderes Ziel verfolgen: Wir sollten darauf dringen,
ass die Welthandelsorganisation neben dem Freihandel
uch den Wettbewerb schützt. Deutschlands Schicksal
ängt von offenen Märkten und mehr Wettbewerb ab.
ir sollten uns auch auf europäischer und internationa-
er Ebene dafür einsetzen, dass die politische Einfluss-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. November 2008 19961
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nahme auf ausländische Direktinvestitionen überall ver-
ringert wird. Mit dem Gesetzentwurf der schwarz-roten
Koalition werden Investitionen und Arbeitplätze in
Deutschland gefährdet. Auch wenn das Veto der Regie-
rung nur im Einzelfall angewendet werden soll, schreckt
es ausländische Geldgeber grundsätzlich ab. Das ist
generell, aber insbesondere im gegenwärtigen Konjunk-
turabschwung wirtschaftspolitisch unverantwortlich. Die-
ser schwarz-rote Merkantilismus ist zum Scheitern ver-
urteilt. Das ist genauso unsinnig, als wenn wir unsere
Seehäfen gegen ausländische Schiffe abschotten würden.
Wir brauchen keinen Protektionismus. Mit einem protek-
tionistischen Wirtschaftsnationalismus verschenken wir
Chancen, auch wenn er unter dem Deckmantel „aktiver
Industriepolitik“ daherkommt. Das Außenwirtschaftsge-
setz muss internationalen Handel und Investitionen un-
terstützen und nicht behindern. Deshalb gilt es, interna-
tional für mehr Transparenz auf den Kapitalmärkten zu
werben und das Wettbewerbsrecht konsequenter anzu-
wenden.
Dr. Herbert Schui (DIE LINKE): Vor einigen Tagen
bemühte sich der Bundeswirtschaftsminister gegenüber
China, Missverständnisse auszuräumen, und ermunterte
den chinesischen Staatsfonds zu Investitionen in
Deutschland. Dieses Missverständnis bringt die Bundes-
regierung heute in den Bundestag ein. Sie stellt damit ein
Gesetz zur Debatte, das ihr selbst etwas peinlich ist. Das
Gesetz ermöglicht staatliches Eingreifen bei Unterneh-
mensübernahmen. Etwas komisch wirkt es daher, wenn
der zuständige Minister es mit den Worten kommentiert,
dass die Unternehmen sich darauf verlassen könnten,
dass die Regierung am liebsten gar nicht eingreift.
Sie hatte auch etwas Pech mit ihrem Projekt. Erst ver-
langen diverse DAX-Vorstände, darunter der Vorstands-
vorsitzende der Deutschen Bank, von der Regierung
Maßnahmen zum Schutz vor ausländischen Staatsfonds.
Als sich dann die Regierung emsig an die Arbeit macht,
erntet sie nicht Anerkennung, sondern öffentliche Dre-
sche von denen, die das Gesetz bestellt hatten. Ein
Grund dafür ist, dass sich der Wind inzwischen gedreht
hat. In der Finanzkrise hofft so manches westliche Un-
ternehmen auf Rettung durch einen Staatsfonds. Die
einst stolzen westlichen Finanzinstitute nahmen dankend
92 Milliarden Dollar von Staatsfonds entgegen. Der Au-
ßenminister und der Finanzminister machten in den letz-
ten Wochen arabischen und asiatischen Fonds ihre Auf-
wartung, unter anderem, um für eine Beteiligung bei der
Deutschen Bahn zu werben. Ein weiterer Grund für die
Ablehnung der Wirtschaft ist, dass sie anderen Staaten
nicht zugestehen möchte, was die Bundesregierung für
sich in Anspruch nimmt. Die Wirtschaft möchte, dass
Deutschland auch weiterhin andere Länder zwingt, ihre
Märkte zu öffnen und ihre öffentlichen Unternehmen an
ausländische Investoren zu verkaufen. Deutsche Unter-
nehmen kaufen mehr ausländische Firmen als umge-
kehrt.
Der wichtigste Grund für die Ablehnung der Wirt-
schaft ist jedoch das, was Michael Hüther als schweren
ordnungspolitischen Sündenfall bezeichnet. Mit ihrem
Gesetzesvorschlag gibt die Bundesregierung zu, dass
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apitalverkehrsfreiheit und Vertragsfreiheit keine abso-
uten Rechtsgüter sind. Unternehmensübernahmen sind
eine Privatangelegenheit. Sie sind den Grundinteressen
er Gesellschaft unterzuordnen. Nun hat die Bundesre-
ierung nicht die Absicht, dies ernst zu nehmen. Sie hat
a bereits klargemacht, dass Arbeitsplatzsicherung keine
olle spielen wird. Doch die Wirtschaft hat Angst davor,
ass andere die Grundinteressen der Gesellschaft ernster
ehmen könnten, dass das Eigentum an Betrieben zu ei-
er politischen Frage wird. Der Bundesverband der
eutschen Industrie sieht deshalb „ein Risikopotenzial
ür Staatseingriffe und Populismus“.
Die Bundesregierung hatte einige Schwierigkeiten, zu
efinieren, was gutes und was böses Kapital sein soll.
er erste Entwurf wurde zurückgezogen, der Zeitplan
eriet durcheinander. Jetzt verzichtet sie auf eine Ab-
renzung und setzt auf Einzelfallprüfungen. Die Kanzle-
in nannte in ihren ersten Äußerungen die pure Rendite-
rientierung privater Investoren sogar als Positivmerkmal
m Vergleich zu Staatsfonds. Für die meisten Menschen
st dagegen klar, dass die zunehmend kurzfristige und
berzogene Renditeorientierung von Finanzinvestoren
as Allgemeinwohl bedroht. Ob sie aus Deutschland
der einem anderen Land kommen, ob es sich um pri-
ate oder staatliche Fonds handelt, spielt dabei meist
eine Rolle.
Will man das öffentliche Interesse schützen, sollte
an die wichtige Infrastruktur überhaupt nicht privati-
ieren. Sie gehört in öffentliche Hand. Investoren kann
an am besten kontrollieren, wenn die Beschäftigten ge-
enüber der Kapitalseite im Unternehmen mindestens
leichberechtigt sind. Die Bundesregierung verfolgt
iese Ziele nicht. Die Absage des Börsengangs der Bahn
ird sie sich ja wohl nicht als Verdienst anrechnen.
Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
eit Juni 2007 kündigt die Große Koalition in immer
euen Varianten mit großer Rhetorik eine Reform des
ußenwirtschaftsgesetzes an. Jetzt wird der Gesetzent-
urf als nächtlicher Tagesordnungspunkt eingebracht.
uvor hörte man munkeln, die Koalition sei mit ihrem
ntwurf nun gar nicht mehr so glücklich. Nachdem vor
er letzten Hessen-Wahl das Schreckgespenst „Staats-
onds“ an die Wand gemalt und die Abwehr von allen
öglichen Gefahren bis zum Bundesparteitag der CDU
iskutiert wurde, ist es nun merkwürdig still geworden.
ein Wunder: Erst vorgestern tagte der Deutsch-Chine-
ische Gemischte Wirtschaftsausschuss in Berlin. Laut
ressemitteilung des deutschen Wirtschaftsministeri-
ms war „Kernthema des Ausschusses die Frage nach ei-
em Ausbau von chinesischen Investitionen in Deutsch-
and“. Genau vor denen hatte die Große Koalition über
onate populistisch gewarnt. Und in den letzten Wo-
hen warb die deutsche Finanzagentur auch international
ntensiv für die Staatsanleihen, die Deutschland zur
egenfinanzierung seines Banken-Rettungspaketes
raucht. Bei beiden Themen erscheint der chinesische
taatsfonds plötzlich in viel freundlicherem Licht als im
etzten Hessen-Wahlkampf. Mit der Finanzmarktkrise
cheint sich die Perspektive doch sehr verschoben zu ha-
en.
19962 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 186. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. November 2008
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Nach diesem Gesetzentwurf will das Wirtschaftsmi-
nisterium nun bei 25 Prozent Beteiligung von Investoren
aus Nicht-EU-Staaten an deutschen Unternehmen das
letzte Wort haben. Wie ist die Situation? Zunehmend en-
gagieren sich weltweit staatliche Fonds. Es besteht die
Sorge, dass sie die Unternehmenspolitik beeinflussen
könnten. Um dieser Sorge zu begegnen, braucht es an-
dere Antworten als die der Bundesregierung. Wir brau-
chen gemeinsame Regeln, die staatlichen wie privaten
Finanzinvestitionen einen Handlungsrahmen geben. Ge-
nau das leistet der Gesetzentwurf aber nicht. Nicht aus-
tionsabkommen auf globaler Ebene, für soziale und
ökologische Standards im internationalen Handel sowie
für internationale Regeln, die mehr Transparenz in der
Investitionspolitik von Fonds schaffen.
Machtbegrenzungen in Unternehmen sind in
Deutschland schon lange nötig. Wenn wir sie umsetzen,
schützen wir sie auch vor unerwünschtem Einfluss von
außen. Das deutsche Wettbewerbsrecht insgesamt ist
voller Lücken. Wer Wirtschaftsmacht begrenzen will,
muss in allen Bereichen gegen Monopole vorgehen. Die
ländische Beteiligungen an sich sind das Problem. Es
kommt darauf an, wie überhaupt Investitionskontrolle
aussehen soll. Und da bleibt dieser Gesetzentwurf alle
Antworten schuldig.
Wir brauchen als Exportland beides: Erstens brauchen
wir eine Öffnung für ausländische Investoren. Zweitens
müssen faire Regeln für deutsche wie für ausländische
Investoren gleichermaßen gelten. Das schafft Vertrauen,
und daran werden deutsche Investoren im Ausland ge-
messen. Diese Frage ist für alle Wirtschaftszweige
höchst relevant.
Dieser Entwurf stellt mit der 25-Prozent-Regel dage-
gen ausländische Investoren unter Generalverdacht und
schadet dem Investitionsstandort. Er ist auch europa-
rechtlich in höchstem Maße fragwürdig. Wir haben in
der EU den Grundsatz der Kapitalverkehrsfreiheit. Der
wird im Gesetzentwurf mehrfach verletzt. Einmal sollen
hier selbst Firmen aus EU-Staaten anders behandelt wer-
den, wenn sie selbst zu einem Viertel Investoren von au-
ßerhalb der EU gehören. Dann sollen sie auch unter die
25-Prozent-Regel fallen, wenn sie in Deutschland inves-
tieren. Das wird vor den Europäischen Gerichten nicht
Bestand haben. Die Frage der Sicherheitsinteressen, die
mit der Wirtschaft verbunden wird, wird im Entwurf
nicht näher definiert. Genau das fordert aber die EU.
In unserem Grünen-Antrag für eine nachhaltige inter-
nationale Investitionspolitik vom Juni beschreiben wir,
worum sich die Bundesregierung kümmern müsste,
wenn es ihr wirklich um eine wirkungsvolle Investitions-
kontrolle ginge. Wir haben Probleme mit Investoren, die
sich nicht an Regeln halten, egal, ob sie nun inländisch
oder ausländisch sind. Nicht nur Staatsfonds, sondern
auch viele Hedgefonds arbeiten sehr intransparent. Die
internationalen und europäischen Gremien und Institutio-
nen haben begonnen, multilaterale Lösungswege bei der
Kontrolle von Investoren zu entwickeln. Wir müssen die
Investitionsregeln in der EU harmonisieren. Wir erwar-
ten entsprechende Initiativen der Regierung bei der in-
ternationalen Regelsetzung: für multilaterale Investi-
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onzentration nimmt zu, nicht nur bei Strom, Gas und
ebensmitteln.
Es spricht einiges dafür, jetzt für Klarheit bei den Re-
eln, aber auch für eine Offenheit bei Investitionen zu
orgen. Es darf nicht der Eindruck entstehen, Deutsch-
and würde sich gegen ausländisches Kapital wehren.
ir brauchen es und müssen es willkommen heißen. Ein
erantwortungsvoller Vorschlag für gemeinsame inter-
ationale Regeln schafft Vertrauen und ist zielführend.
r muss jetzt engagiert vertreten werden. Genau das leis-
et dieser Gesetzentwurf nicht. Darum wäre die Bundes-
egierung gut beraten, ihn jetzt zurückzuziehen und sich
er eigentlichen Regulierungsprobleme endlich so anzu-
ehmen, wie das unser Antrag beschreibt.
In letzter Zeit hat der Wirtschaftsminister seine Argu-
entation zu diesem Gesetzentwurf geändert. Er warnt
un weniger vor den Staatsfonds, sondern vor russischen
nvestoren, die das deutsche Stromübertragungsnetz auf-
aufen könnten und will dies mit der 25-Prozent-Regel
erhindern. Aber das Kernproblem ist doch, dass heute
ie großen Energiekonzerne mit den Netzen einen im-
ensen Wettbewerbsvorteil haben und es noch gar keine
egulierung für den Verkauf der Übertragungsnetze
ibt, den Vattenfall und Eon planen. Wir Grünen haben
chon im Frühsommer ein Modell für eine Netzgesell-
chaft mit staatlicher Mehrheitsbeteiligung vorgelegt
nd in den Bundestag eingebracht. Uns geht es darum,
ie Grundlage für einen fairen Wettbewerb auf den Ener-
iemärkten zu schaffen. Dazu muss klar sein, dass die
etze weder großen Stromkonzernen einen Marktvorteil
erschaffen, noch zur Gelddruckmaschine für andere In-
estoren verkommen. Diese grundlegende Infrastruktur
ehört unter eine starke Regulierung. Und genau gegen
iese Regulierung hat sich der Wirtschaftsminister in
rüssel stets gewehrt. Auch hier erwarten wir Antworten
uf das Problem, anstatt einen Gesetzentwurf, der an der
roblemlage völlig vorbeigeht. Mit unserem grünen Mo-
ell für die Netzgesellschaft können wir ihnen hier gerne
ine Hilfestellung bieten.
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186. Sitzung
Berlin, Mittwoch, den 12. November 2008
Inhalt:
Redetext
Anlagen zum Stenografischen Bericht
Anlage 1
Anlage 2
Anlage 3
Anlage 4
Anlage 5
Anlage 6
Anlage 7
Anlage 8
Anlage 9
Anlage 10
Anlage 11
Anlage 12
Anlage 13
Anlage 14
Anlage 15
Anlage 16
Anlage 17
Anlage 18
Anlage 19
Anlage 20
Anlage 21
Anlage 22
Anlage 23
Anlage 24
Anlage 25
Anlage 26
Anlage 27
Anlage 28
Anlage 29
Anlage 30
Anlage 31
Anlage 32
Anlage 33