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    Plenarprotokoll 16/180 wurfs eines Gesetzes zur Förderung von Kindern unter drei Jahren in Tageseinrichtungen und in der Kin- dertagespflege (Kinderförderungs- gesetz – KiföG) (Drucksachen 16/10173, 16/10357) . . – Bericht des Haushaltsausschusses ge- mäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 16/10358) . . . . . . . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend – zu dem Antrag der Abgeordneten Britta Haßelmann, Krista Sager, Ekin Deligöz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- 16/10357) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend – zu dem Antrag der Abgeordneten Ina Lenke, Carl-Ludwig Thiele, Sibylle Laurischk, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Sofortpro- gramm für mehr Kinderbetreuung – zu dem Antrag der Abgeordneten Ekin Deligöz, Christine Scheel, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Verbindlichen Ausbau der Kindertagesbetreuung jetzt re- geln – Verlässlichkeit für Familien 19235 B 19235 B 19235 D Deutscher B Stenografisc 180. Si Berlin, Freitag, den 2 I n h a Glückwünsche zum Geburtstag des Abgeord- neten Dr. Hans-Heinrich Jordan . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 32: a) – Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung von Kin- dern unter drei Jahren in Tagesein- richtungen und in der Kindertages- pflege (Kinderförderungsgesetz – KiföG) (Drucksachen 16/9299, 16/10357) . . . – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- 19235 A 19235 B NEN: Bildungspolitische Katastro- phe verhindern – Betreuungsgeld eine Absage erteilen undestag her Bericht tzung 6. September 2008 l t : – zu dem Antrag der Abgeordneten Ina Lenke, Sibylle Laurischk, Miriam Gruß, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Faire Chancen für private und privat-gewerbliche An- bieter bei der Kinderbetreuung – ohne weiteres Zögern Entwurf des Kinderförderungsgesetzes vorlegen – zu dem Antrag der Abgeordneten Diana Golze, Klaus Ernst, Dr. Martina Bunge, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Öffentliche Kinderbetreuung ausbauen – Kom- merzialisierung der Kinder- und Ju- gendhilfe vermeiden (Drucksachen 16/7114, 16/8406, 16/9305, schaffen (Drucksachen 16/5114, 16/542 16/6534). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6, . 19236 A II Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Freitag, den 26. September 2008 d) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend – zu dem Antrag der Abgeordneten Ina Lenke, Miriam Gruß, Sibylle Laurischk, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Chancenge- rechtigkeit von Beginn an – zu dem Antrag der Abgeordneten Diana Golze, Klaus Ernst, Dr. Martina Bunge, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Kinderbetreu- ungsausbau mit mehr Mitteln, Fach- kräften und Qualität ausstatten – Rechtsanspruch auf Ganztagsbe- treuung 2010 einführen – zu dem Antrag der Abgeordneten Ekin Deligöz, Grietje Bettin, Kai Gehring, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Angebot und Qualität der Kinder- tagesbetreuung schneller und ver- lässlicher ausbauen – Realisierung nicht erst 2013 (Drucksachen 16/6597, 16/6601, 16/6607, 16/6817) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Miriam Gruß (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Christel Humme (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Diana Golze (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . Nicolette Kressl (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Cornelia Pieper (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Krista Sager (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ingrid Fischbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . Ingrid Fischbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Sibylle Laurischk (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Marlene Rupprecht (Tuchenbach) (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michaela Noll (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Caren Marks (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Johannes Singhammer (CDU/CSU) . . . . . . . . Miriam Gruß (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kerstin Griese (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19236 B 19236 C 19238 A 19240 A 19241 C 19242 D 19243 C 19244 D 19246 A 19247 D 19248 B 19248 C 19249 C 19251 A 19252 B 19253 D 19254 B 19255 B 19255 D 19257 A Tagesordnungspunkt 33: Antrag der Abgeordneten Daniel Bahr (Müns- ter), Heinz Lanfermann, Dr. Konrad Schily, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Gesundheitsfonds und staatliche Bei- tragssatzfestsetzung in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht einführen (Drucksache 16/9805) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Daniel Bahr (Münster) (FDP) . . . . . . . . . . . . Hildegard Müller, Staatsministerin BK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Frank Spieth (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Ulla Schmidt, Bundesministerin BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Annette Widmann-Mauz (CDU/CSU) . . . . . . Heinz Lanfermann (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . Elke Ferner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Max Straubinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Peter Friedrich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Maria Michalk (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Jörg van Essen (FDP) (zur Geschäftsordnung) . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 34: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs (VAStrRefG) (Drucksache 16/10144) . . . . . . . . . . . . . . . . . Brigitte Zypries, Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sibylle Laurischk (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Ute Granold (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . Sevim Dağdelen (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Christine Lambrecht (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 36: Antrag der Abgeordneten Heidrun Bluhm, Katrin Kunert, Dr. Gesine Lötzsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Wohngelderhöhung vorziehen (Drucksache 16/10319) . . . . . . . . . . . . . . . . . Heidrun Bluhm (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Gero Storjohann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 19259 D 19260 A 19262 A 19265 B 19267 D 19269 D 19272 A 19274 A 19275 B 19277 C 19278 C 19280 C 19281 D 19282 C 19282 C 19283 C 19284 C 19286 B 19287 A 19287 D 19288 C 19288 D 19289 D Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Freitag, den 26. September 2008 III Joachim Günther (Plauen) (FDP) . . . . . . . . . . Sören Bartol (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Heidrun Bluhm (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 37: Antrag der Abgeordneten Ekin Deligöz, Irmingard Schewe-Gerigk, Markus Kurth, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Bessere Un- terstützung für Alleinerziehende (Drucksache 16/10257) . . . . . . . . . . . . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Thomas Dörflinger (CDU/CSU) zur Abstim- er den Entwurf eines Gesetzes zur g von Kindern unter drei Jahren in richtungen und in der Kindertages- inderförderungsgesetz – KiföG) dnungspunkt 32 a) . . . . . . . . . . . . . . koll gegebene Reden zur Beratung ags: Bessere Unterstützung für Al- hende (Tagesordnungspunkt 37) Winkelmeier-Becker /CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . pez (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . einecke (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . aurischk (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . nderlich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . ßelmann (BÜNDNIS 90/ RÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1 1 1 1 1 1 19296 B 19296 D 19298 D 19299 D 19300 D 19301 C 19302 B 19302 D mung üb Förderun Tagesein pflege (K (Tagesor Anlage 3 Zu Proto des Antr leinerzie Elisabeth (CDU Helga Lo Dieter St Sibylle L Jörn Wu Britta Ha DIE G Anlage 4 Amtliche 9290 C 9291 B 9291 D 9292 D 9293 D 9294 C 9295 A Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Freitag, den 26. September 2008 19235 (A) (C) (B) (D) 180. Si Berlin, Freitag, den 2 Beginn: 9
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    1) Anlage 3 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Freitag, den 26. September 2008 19295 (A) (C) (B) (D) Herlitzius, Bettina BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 26.09.2008 Schmidt (Mülheim), Andreas CDU/CSU 26.09.2008 Hartmann (Wackernheim), Michael SPD 26.09.2008 Schmidt (Nürnberg), Renate SPD 26.09.2008 Anlage 1 Liste der entschuldi Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Ackermann, Jens FDP 26.09.2008 Andreae, Kerstin BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 26.09.2008 Beck (Reutlingen), Ernst-Reinhard CDU/CSU 26.09.2008* Dr. Berg, Axel SPD 26.09.2008 Blumentritt, Volker SPD 26.09.2008 Bollen, Clemens SPD 26.09.2008 Brunnhuber, Georg CDU/CSU 26.09.2008 Bulling-Schröter, Eva DIE LINKE 26.09.2008 Dr. Bunge, Martina DIE LINKE 26.09.2008 Caspers-Merk, Marion SPD 26.09.2008 Dreibus, Werner DIE LINKE 26.09.2008 Frechen, Gabriele SPD 26.09.2008 Freitag, Dagmar SPD 26.09.2008 Friedhoff, Paul K. FDP 26.09.2008 Gabriel, Sigmar SPD 26.09.2008 Dr. Geisen, Edmund FDP 26.09.2008 Göppel, Josef CDU/CSU 26.09.2008 Grosse-Brömer, Michael CDU/CSU 26.09.2008 Dr. Freiherr zu Guttenberg, Karl-Theodor CDU/CSU 26.09.2008 Gutting, Olav CDU/CSU 26.09.2008 Hänsel, Heike DIE LINKE 26.09.2008 Haibach, Holger CDU/CSU 26.09.2008 Anlagen zum Stenografischen Bericht gten Abgeordneten Hintze, Peter CDU/CSU 26.09.2008 Hinz (Essen), Petra SPD 26.09.2008 Hochbaum, Robert CDU/CSU 26.09.2008 Hoffmann (Wismar), Iris SPD 26.09.2008 Jung (Karlsruhe), Johannes SPD 26.09.2008 Kasparick, Ulrich SPD 26.09.2008 Kaster, Bernhard CDU/CSU 26.09.2008 Klug, Astrid SPD 26.09.2008 Lafontaine, Oskar DIE LINKE 26.09.2008 Lenke, Ina FDP 26.09.2008 Leutheusser- Schnarrenberger, Sabine FDP 26.09.2008 Lips, Patricia CDU/CSU 26.09.2008 Merten, Ulrike SPD 26.09.2008 Möller, Kornelia DIE LINKE 26.09.2008 Mortler, Marlene CDU/CSU 26.09.2008 Pronold, Florian SPD 26.09.2008 Raidel, Hans CDU/CSU 26.09.2008 Reichel, Maik SPD 26.09.2008 Scharfenberg, Elisabeth BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 26.09.2008 Schauerte, Hartmut CDU/CSU 26.09.2008 Schily, Otto SPD 26.09.2008 Schirmbeck, Georg CDU/CSU 26.09.2008 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich 19296 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Freitag, den 26. September 2008 (A) (C) (B) (D) * für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver- sammlung der NATO ** für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver- sammlung der OSZE Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Thomas Dörflinger (CDU/ CSU): zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Förderung von Kindern unter drei Jahren in Tageseinrichtungen und in der Kindertagespflege (Kinderförderungsgesetz – KiföG) (Tagesordnungspunkt 32 a) Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird eine Reihe von Verbesserungen in der Kindertagespflege umgesetzt, die meine ausdrückliche Unterstützung finden. Dies gilt für den Ausbau der Angebote an Kinderbetreuung für unter Dreijährige sowohl in Tagesbetreuungseinrichtun- gen wie in der Tagespflege. Damit einher geht eine Ver- besserung in der Qualifikation und der Honorierung für in der Tagespflege Beschäftigte, was sowohl im Inte- resse der betreuten Kleinkinder richtig als auch arbeits- marktpolitisch sinnvoll ist. Der Gesetzentwurf weist jedoch einen schwerwiegen- den Mangel auf, weswegen ich ihm meine Zustimmung nicht zu geben vermag. Die Einführung eines Rechtsan- Schultz (Everswinkel), Reinhard SPD 26.09.2008 Schwanitz, Rolf SPD 26.09.2008 Seehofer, Horst CDU/CSU 26.09.2008 Staffelt, Grietje BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 26.09.2008 Steppuhn, Andreas SPD 26.09.2008 Dr. Stinner, Rainer FDP 26.09.2008 Teuchner, Jella SPD 26.09.2008 Dr. Troost, Axel DIE LINKE. 26.09.2008 Ulrich, Alexander DIE LINKE. 26.09.2008 Dr. Volkmer, Marlies SPD 26.09.2008 Wellmann, Karl-Georg CDU/CSU 26.09.2008** Wieczorek-Zeul, Heidemarie SPD 26.09.2008 Wimmer (Neuss), Willy CDU/CSU 26.09.2008 Zeil, Martin FDP 26.09.2008 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich spruchs auf frühkindliche Förderung in einer Tagesein- richtung oder in Kindertagespflege für Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr ab dem l. August 2013 ist in mehrfacher Hinsicht abzulehnen: Erstens. Das politische Ziel der Bundesregierung, für durchschnittlich 35 Prozent der Kinder unter drei Jahren eine Betreuungsmöglichkeit vorzusehen, ist mit dem Rechtsanspruch ab 2013 nicht vereinbar. Der Rechtsan- spruch hat mindestens optional eine Betreuungsquote von 100 Prozent, nicht von 35 Prozent zur Folge. Damit wird der Flächendeckung Priorität gegenüber der Be- darfsgerechtigkeit eingeräumt. Zweitens. Der Gesetzgeber räumt selbstredend über- all dort einen Rechtsanspruch ein, wo er die Erwartung hegt, durch größtmögliche Inanspruchnahme des Rechtsanspruchs träte eine Situation ein, die dem Ideal- zustand möglichst nahe kommt. Exemplarisch seien hierfür der Rechtsanspruch auf Eltern-Kind-Kuren im SGB V oder der Rechtsanspruch auf einen Kindergarten- platz im SGB VIII genannt. Die größtmögliche Inan- spruchnahme des Rechtsanspruchs auf einen Krippen- platz für unter Dreijährige hätte zur Folge, dass Kinder lediglich in ihrem ersten Lebensjahr in der eigenen Fa- milie, danach aber durchgängig extern betreut werden. Dies ist aus entwicklungspsychologischer Sicht nach- weislich falsch und daher abzulehnen. Drittens. Leider folgt der Gesetzgeber auch mit dem vorliegenden Gesetzentwurf seiner offensichtlichen Ma- xime, Kinder und Familie so zu organisieren, dass sie dem Erwerbsleben ihrer Eltern möglichst wenig im Wege stehen. Um die Vereinbarkeit von Familien- und Erwerbsarbeit nachhaltig zu verbessern, hätte es statt- dessen des umgekehrten Weges bedurft, nämlich das Er- werbsleben so zu organisieren, dass Kinder und Familie in ihm ausreichend Raum finden und den Eltern die Be- treuung ihrer Kinder trotz gleichzeitiger Erwerbstätig- keit ohne Inanspruchnahme externer Hilfen möglich ist. Dazu hätte es freilich größerer Anstrengungen in Rich- tung Teilzeitarbeit, Telearbeit, Wiedereinstiegs- oder besser: Berufsbegleitende Maßnahmen für Eltern sowie geschlechterneutrale Bezahlung bedurft, bei denen Ge- setzgeber wie Wirtschaft gleichermaßen in der Pflicht gestanden hätten. Aus den genannten Gründen vermag ich dem Gesetz- entwurf der Bundesregierung und der Koalitionsfrak- tionen nicht zuzustimmen. Anlage 3 Zu Protokoll gegebenen Reden zur Beratung des Auftrags: Bessere Unterstüt- zung für Alleinerziehende (Tagesordnungs- punkt 37) Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU): Mit großer Mehrheit haben wir heute Morgen das Kinderför- derungsgesetz (KiföG) verabschiedet, das den Ausbau eines qualitativ hochwertigen Betreuungsangebots für Kinder unter drei Jahren regelt. Ab dem 1. August 2013 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Freitag, den 26. September 2008 19297 (A) (C) (B) (D) besteht damit ein Rechtsanspruch auf einen Betreuungs- platz für alle Kinder vom vollendeten ersten bis zum vollendeten dritten Lebensjahr. Und auch schon während der Aufbauphase bis zum 31. Juli 2013 werden die Kri- terien für die Inanspruchnahme von Betreuungsplätzen für Kinder unter drei Jahren erweitert. 30 Prozent der neuen Plätze sollen in der Kindertagespflege geschaffen werden. Der Bund beteiligt sich mit 4 Milliarden Euro zu einem Drittel an den Ausbaukosten. Das KiföG steht nicht als isolierte Maßnahme da: Es steht in einer langen Reihe von Maßnahmen, mit denen wir in dieser Legislaturperiode die Vereinbarkeit von Fa- milie und Beruf effektiv verbessert haben: angefangen mit dem Elterngeld, das jungen berufstätigen Eltern nach der Geburt eines Kindes bis zu 14 Monate lang einen weitgehenden Einkommensersatz bietet, wenn sie für die Kinderbetreuung auf Berufseinkommen verzichten; da- neben die bessere steuerliche Absetzbarkeit von Betreu- ungskosten und haushaltsnahen Dienstleistungen. Von all dem profitieren auch und gerade Alleinerziehende, denn für sie sind die Vereinbarkeit von Familie und Be- ruf und eine flächendeckende Kinderbetreuung von exis- tenzieller Bedeutung. Die Verabschiedung des KiföG ist damit ein ganz entscheidender und sehr konkreter Schritt für eine „bessere Unterstützung von Alleinerziehenden“. Und damit komme ich zum Antrag der Grünen. Es ist richtig, dass Alleinerziehende und deren Kinder häufiger als Familien mit zwei Eltern im selben Haushalt von Ar- mut bedroht sind. Das belegen die Zahlen: 2,2 Millionen Alleinerziehende leben in Deutschland – 95 Prozent da- von Frauen; ca. ein Drittel von ihnen lebt – zum Teil so- gar trotz einer eigenen Berufstätigkeit – in Armut bzw. Armutsgefährdung, also mit bis zu 60 Prozent des Medi- aneinkommens. Von den rund 0,9 Millionen Alleinerzie- henden, die in den letzten 10 Jahren hinzugekommen sind, gehören 0,8 Millionen zu den wirtschaftlich Schwachen. Das ist auch nicht verwunderlich: Wenn sich ein Paar trennt, steigt der Bedarf. Nehmen wir ein Paar mit 2 Kindern: Wenn sich dieses trennt, steigt der Mittelbedarf gegenüber einer vierköpfigen Familie um rund 9 400 Euro. Das kann häufig nicht über zusätzliche Einkünfte erwirtschaftet werden und fördert dann den wirtschaftlichen Abstieg. Es gibt aber auch Zahlen, die Mut machen: So schaf- fen in etwa ein Drittel der Alleinerziehenden, die in Ar- mut leben, innerhalb von zwei Jahren den Weg hinaus aus der finanziellen Krise. Das heißt, die Alleinerziehen- den brauchen etwas Zeit, sind dann aber auch häufig in der Lage, ihre Situation besser zu gestalten und sich wirtschaftlich selbstständig zu machen. Das ist eine Leistung, die wir in hohem Maße anerkennen. Damit das künftig noch besser gelingt, haben wir vieles unternom- men, und das ist sicher unser gemeinsames Ziel. Bevor ich auf einzelne Forderungen Ihres Antrags eingehe – ein Teil hat sich ja bereits erledigt –, sage ich gerne etwas zum Anstieg der Zahl der Einelternfamilien und auch zu den Ursachen von Armut und den besonde- ren Belastungen solcher Familien. Übersehen wird oft – und auch in Ihrem Antrag verlieren Sie darüber kein Wort –, dass die Zunahme der Zahl der Alleinerziehen- den nicht primär politische Ursachen hat, sondern meis- tens auf privaten Entscheidungen beruht. Das soll aus- drücklich nicht heißen: selber schuld und dem Staat deshalb egal. Wir erkennen ausdrücklich an, dass allein- erziehende Eltern oft einer besonderen Belastung ausge- setzt sind, nicht nur durch finanzielle Einschränkungen, sondern auch durch besondere Schwierigkeiten bei der Bewältigung des Alltags, wenn man Kinderbetreuung und Haushaltsorganisation alleine bewältigen muss; das schildern Sie in Ihrem Antrag ja richtig. Wer sich dieser Aufgabe stellt und für seine Kinder da ist, leistet viel für die Gesellschaft und das verdient Anerkennung. Aber jedes Kind hat normalerweise von Geburt an Mutter und Vater. Diese beiden sind gleichermaßen für seine Erziehung, sein Wohlergehen und seinen Unterhalt verantwortlich. Das bleibt auch so, wenn die beiden aus- einandergehen. Wenn sich das Elternpaar trennt, dann leistet meistens einer der Partner, bei dem die Kinder ih- ren Lebensmittelpunkt haben, seinen Erziehungsbeitrag durch Betreuung und Versorgung; der andere Partner muss seinen Teil vor allem als Geldleistung beitragen. Er ist es aber auch – das möchte ich bei dieser Gelegenheit gerne einmal betonen – weiterhin seinen Kindern schul- dig, sich um sie zu kümmern, an ihrem Leben Anteil zu nehmen und regelmäßig auch Zeit mit ihnen zu verbrin- gen. Beide Eltern sind verpflichtet, dies möglich zu ma- chen und einen eigenen Beziehungskonflikt, den es in Trennungssituationen oft gibt, zurückzustellen. Alleinerziehende geraten oft deshalb in finanzielle Not, weil der getrennt lebende Partner – ganz überwie- gend der Vater – gar keinen oder zu wenig Unterhalt be- zahlt. Zuallererst wären hier also diejenigen Partner ver- antwortlich, die sich ihren Zahlungspflichten entziehen und ihre Kinder finanziell im Stich lassen; die manchmal neue Unterhaltspflichten eingehen – in einer zweiten Fa- milie –, obwohl sie wissen, dass sie dann nicht für alle so sorgen können, wie es eigentlich ihre Pflicht wäre; die Einkommen verschweigen oder sich ins Ausland abset- zen und sich so manchmal sogar in krimineller Weise ih- ren Zahlungspflichten entziehen. Doch auch wenn es eigentlich Sache der Eltern wäre, für den Unterhalt ihrer Kinder zu sorgen – von anderen Eltern, die zusammenleben und aus ihrer Berufstätigkeit ein durchschnittliches Einkommen erzielen, verlangen wir das ganz selbstverständlich –, stiehlt sich der Staat nicht aus der Verantwortung, wenn eine alleinerziehende Mutter auf Unterstützung angewiesen ist: Der Staat hilft bei der gerichtlichen Durchsetzung von Unterhaltsan- sprüchen, indem die Kommunen das für die Mütter un- ternehmen, oder auch durch Prozesskostenhilfe, die aus den Kassen der Bundesländer gezahlt wird. Wenn der Unterhaltspflichtige nicht zahlt, springt der Staat mit dem Unterhaltsvorschuss ein. Und wenn das alles nicht reicht, dann greifen Leistungen nach den allgemeinen Sozialgesetzen. Dann wird Wohngeld gezahlt, das wir gerade wirklich spürbar erhöht haben, oder Kinderzu- schlag, der ebenfalls gerade reformiert und in seinem Anwendungsbereich ausgeweitet worden ist. Nach die- sen Gesetzen erhalten alle, die in Bedürftigkeit geraten, und damit eben auch viele Alleinerziehende in dieser Si- tuation die nötige Unterstützung. 19298 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Freitag, den 26. September 2008 (A) (C) (B) (D) In ihrem Antrag haben die Grünen eine bunte Wunschliste mit Forderungen zusammengeschrieben, die zu einem großen Teil bereits eingeleitet oder umge- setzt werden, und zwar zum Wohle aller Familien und aller Kinder, nicht nur von Alleinerziehenden. Bei man- chen Punkten haben die Antragsverfasser offenbar den Titel ihres Antrags selbst aus den Augen verloren, etwa wenn sie in epischer Breite besser qualifiziertes Personal in der Kinderbetreuung fordern. Wieso kommt das aus- gerechnet und in besonderem Maße den Alleinerziehen- den zugute? Haben Eltern, die zusammenleben, ein geringeres Interesse an der Qualifizierung des Betreu- ungspersonals? Ich könnte weitere Beispiele nennen: die Verbesserung der Ausbildungsförderung, den Betreu- ungsbedarf für Kinder Studierender etc. Das sind The- men, die alle Kinder und Eltern betreffen – nicht nur die Kinder von Alleinerziehenden. Auf einige Punkte möchte ich noch kurz eingehen: Was Ausbau und Qualität der Kinderbetreuungseinrich- tungen angeht, habe ich eingangs schon auf das KiföG hingewiesen, das den Rechtsanspruch auf Betreuung ab dem zweiten Lebensjahr begründet, ab 2013, d. h. so schnell es eben geht. Das Ganztagsschulprogramm läuft noch bis Ende nächsten Jahres. Drei der veranschlagten 4 Milliarden Euro wurden bereits abgerufen und sind in Ausbau und Weiterentwicklung neuer Ganztagschulen, die Schaffung zusätzlicher Plätze an bestehenden Ganz- tagsschulen oder die qualitative Weiterentwicklung von Ganztagsangeboten geflossen. In Nordrhein-Westfalen durften unter Rot-Grün übrigens jahrzehntelang nur Ge- samtschulen als Ganztagsschulen ausgebaut werden, das hat die Regierung Rüttgers schnell geändert und eine be- sondere Priorität darauf gelegt, dass vor allem der Aus- bau der Hauptschulen zu Ganztagsschulen gefördert wird. Weitere Ganztagsschulen in allen Schulformen wird es sicherlich geben. Das zu entscheiden und voran- zutreiben ist allerdings Sache der Länder. Wenig überraschend ist mal wieder die Forderung nach teilweiser Abschaffung des Ehegattensplittings, ob- wohl das ja bekanntlich ganz überwiegend Elternpaaren mit Kindern zugutekommt. Denn ein größerer Einkom- mensunterschied kommt ja gerade in den Fällen zu- stande, wo ein Elternteil wegen der Kindererziehung seine Berufstätigkeit einschränkt. Es wird Sie nicht über- raschen, dass wir einem solchen Vorschlag zur Gegenfi- nanzierung familienpolitischer Maßnahmen nicht zu- stimmen werden. Es ist im Übrigen nicht so, dass Alleinerziehende grundsätzlich keinen entsprechenden Steuervorteil hät- ten: Der Unterhalt, der an getrennt lebende oder geschie- dene Ehefrauen gezahlt wird, kann bekanntlich im Wege des Realsplittings geltend gemacht werden; das kommt ebenfalls dem Elternpaar zugute und führt unterm Strich dazu, dass der Unterhaltsbetrag der alleinerziehenden Mutter höher ausfällt. Zum Kinderzuschlag: Den haben wir gerade refor- miert und in einem ersten Schritt ein kleines Wahlrecht eingeführt. Alleinerziehende und all die Personengrup- pen, die einen Mehrbedarf haben, können sich entweder für den Mehrbedarfszuschlag oder für den Kinderzu- schlag entscheiden, um nicht auf Sozialtransfers ange- wiesen zu sein. Natürlich ist es ein Leichtes, auch an die- ser Stelle wieder mehr zu fordern. Sie alle haben die Debatten um den Kinderzuschlag verfolgt und wissen daher, dass wir hier herausgeholt haben, was im Rahmen der Haushaltsvorgaben möglich war. Im Rahmen des nächsten Existenzminimumsberichts, den wir noch in diesem Herbst erwarten, werden wir ne- ben einer Erhöhung des Kindergeldes sicherlich auch über die Ausgestaltung der Grundsicherung von Kindern im SGB-II-Bezug neu nachdenken müssen. Sie wissen, dass eine Überprüfung auch schon seit langem von Mi- nister Laumann in Düsseldorf gefordert wird. Das macht aber erst Sinn, wenn die Zahlen des Existenzminimums- berichtes vorliegen. Und was den letzten Teil des Antrags – die zielgrup- penorientierte Unterstützung Alleinerziehender im sozia- len Nahraum – angeht, da ist die Große Koalition längst einen Schritt weiter. Mit dem Mehrgenerationenhäuser- Programm setzen wir genau dort an. Mehrgenerationen- häuser sind eine ideale Anlaufstelle für Alleinerzie- hende. Bundesweit fördern wir 500 Mehrgenerationenhäuser, die Treffpunkte sein können und die unterschiedlichsten Leistungen anbieten rund um Haushalt und Familie, die Familien und eben auch Alleinerziehende entlasten. Ich denke, damit hat der Bund alles getan hat, was an dieser Stelle – wie gesagt, bei der Gestaltung des sozialen Nah- raums – von Bundesebene aus zu leisten ist. Weiteres können wir getrost der kommunalen Ebene oder auch der Zivilgesellschaft und dem bürgerschaftlichen En- gagement zum Beispiel in Frauen- oder Selbsthilfegrup- pen überlassen. Schaut man sich die Forderungen des Antrags ge- nauer an, so merkt man schnell, dass leider überhaupt nichts Neues drinsteht. Und schlimmer: Die Antragstel- ler spielen Familien gegeneinander aus, setzten Allein- erziehende gegen Paare, am liebsten gegen Ehepaare. Es ist nicht zu kritisieren, dass hier die Situation von Allein- erziehenden besonders thematisiert wird, unser Ziel muss es aber sein, allen Familien zu helfen, ihr Leben auch unter schwierigen Bedingungen in den Griff zu be- kommen, egal, wie viele Kinder da sind, und egal, ob die Eltern zusammenleben oder getrennt sind. Und da kann sich die Bilanz der Großen Koalition in dieser Wahlperi- ode wirklich sehen lassen. Helga Lopez (SPD): Alleinerziehend sein, Verant- wortung alleine oder fast alleine tragen zu müssen, ist eine besondere Herausforderung, die durch gute äußere Rahmenbedingungen erleichtert werden kann und auch muss. Der Antrag der Grünen „Bessere Unterstützung für Alleinerziehende“ bietet eine gute Gelegenheit, ei- nige grundsätzliche Bemerkungen zum Thema „Allein- erziehende in Deutschland“ zu machen. Dies vor dem Hintergrund, dass die Zahl der Single- und Alleinerzie- hendenhaushalte in Deutschland immer weiter ansteigt. Wenn wir die Tatsache berücksichtigen, dass Alleiner- ziehende ein besonders hohes Armutsrisiko haben, dann Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Freitag, den 26. September 2008 19299 (A) (C) (B) (D) wird deutlich, wie wichtig dieses Thema für unsere Ge- sellschaft ist. Ein echtes Zukunftsthema. Es ist ja nicht so, dass Alleinerziehende neu auf der politischen Agenda sind. Ich darf daran erinnern, dass es eine ganze Reihe von Maßnahmen schon unter der rot- grünen Bundesregierung gegeben hat – als Stichworte nenne ich die Verbesserung bei der Teilzeitarbeit, die Flexibilisierung bei der Elternzeit, den steuerlichen Entlastungsbetrag für Alleinerziehende. Dies hat sich fortgesetzt in der Großen Koalition: Ich nenne hier exemplarisch den Kinderzuschlag, der gerade bei den Alleinerziehenden Verbesserungen bewirken wird. Das neu eingeführte Elterngeld ist auch für viele Alleinerzie- hende ein Segen, es gibt ihnen Zeit, sich voll und ganz dem Kind zu widmen. An dieser Stelle darf ich auch da- rauf hinweisen, dass die Befreiung von Kinderbetreu- ungskosten nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz sehr vielen Alleinerziehenden, aber auch vielen verhei- rateten Eltern ein gutes Stück weiterhilft. Anrecht darauf haben übrigens nicht nur Eltern, die erwerbslos sind, sondern alle mit einem geringen Familieneinkommen, das keine großen Sprünge erlaubt. Familien brauchen eine solide finanzielle Basis, eine auskömmliche Finanz- ausstattung. Das gilt für alle Menschen gleichermaßen, denn ständiger Mangel, ständige Nichtteilhabe machen schwach. Wir wissen aber, dass Alleinerziehende ein deutlich höheres Armutsrisiko haben, dass ihr Anteil an der einkommensschwachen Bevölkerung überdurch- schnittlich hoch ist. Wenn zur belastenden Alleinverant- wortung dauerhafte finanzielle Probleme kommen, ist die Überlastung in aller Regel perfekt. Es ist richtig: Erwerbstätigkeit ist die beste Ar- mutsprävention. Aber es ist auch richtig: Eine schlecht bezahlte Erwerbstätigkeit nützt den Alleinerziehenden wenig. Alleinerziehende sollten mit einer Teilzeitstelle für sich und das Kind beziehungsweise die Kinder sor- gen können. Mit Löhnen von 5 oder 6 Euro – wie im Einzelhandel oder im Friseurhandwerk – geht das nicht, nicht mal mit einer Vollzeiterwerbstätigkeit. Auch hier gilt: der gesetzliche Mindestlohn muss her. Es müssen aber auch die Rahmenbedingungen zur Arbeitsaufnahme stimmen. Die Arbeitszeitgestaltung muss flexibler werden. Trotz Erwerbsarbeit muss genug Zeit bleiben, sich um das Kind, um die Kinder kümmern zu können, auch um sich selbst. Nur starke Eltern erzie- hen starke Kinder. In Zeiten, in denen oftmals bereits eine Vollzeiterwerbstätigkeit nicht mehr auskömmlich ist, kommt dem Spannungsverhältnis zwischen Arbeits- und Familienzeit gerade für Alleinerziehende eine be- sondere Bedeutung zu. Das darf nicht zulasten der unab- dingbar notwendigen Familienzeit gehen. Ich will noch auf einige andere Aspekte eingehen, die aus meiner Sicht bei dem Thema Alleinerziehende oft zu kurz kommen. Es geht zum Beispiel darum, dass schlechtere Chancen zur Einbringung eines auskömmli- chen Familieneinkommens natürlich an erster Stelle vom anderen Elternteil kompensiert werden müssen. Hier be- steht eine Mitverpflichtung aus gemeinsamer Eltern- schaft. Deshalb haben wir kürzlich das Unterhaltsrecht reformiert, damit die Benachteiligung vieler Alleinerzie- hender beseitigt wird. Dies ist im Übrigen auch vom Verfassungsgericht verlangt worden. Die Frage, was pas- siert, wenn der unterhaltsverpflichtete Elternteil nicht zahlt, ist mit dem staatlichen Unterhaltsvorschuss zwar beantwortet. Eine längere Laufzeit bekommen wir aller- dings in der Großen Koalition nicht hin. Ein weiterer Aspekt, der nicht unter den Tisch fallen sollte, ist das Thema Scheidung. Dem Deutschen Bun- destag liegen Vorschläge aus dem BMJ vor, die eine we- sentliche Verbesserung vorsehen. Es geht hier explizit um die Einschränkung von Möglichkeiten, das gemein- same Vermögen vor der Scheidung noch mal nach unten zu korrigieren, so will ich das einmal nennen. Wir könn- ten allerdings noch Besseres tun, nämlich mehr finan- zielle Gleichberechtigung schon während der Ehe herstellen, unter anderem durch permanente Auskunfts- pflicht über den Stand des Vermögens. Denn was wir jetzt mit der Zugewinngemeinschaft haben, ist eine Gü- tertrennung während der Ehe und eine Aufteilung des während der Ehe erwirtschafteten Zugewinns bei Been- digung der Ehe. Während der Ehe hat der nicht oder mi- nimal erwerbstätige Partner gerade mal einen Taschen- geldanspruch, während der erwerbstätige Partner frei über das nicht verbrauchte Einkommen verfügen kann und auch nicht zur Auskunft über das gemeinsame Ver- mögen verpflichtet ist. Das halte ich für nicht mehr zeit- gemäß. Ich hätte deswegen die Zugewinngemeinschaft liebend gerne gegen die Errungenschaftsgemeinschaft ausgetauscht, die deutlich mehr finanzielle Gleichbe- rechtigung während der Ehe schafft. Damit würde es auch noch mal deutlich besser für viele zuvor in Ehe le- bende Alleinerziehende, die in finanzieller Abhängigkeit vom Partner standen, für das gleichberechtigte Miteinan- der von Ehepartnern ohnehin. Aber, das muss ich wohl nicht erläutern, da werden noch dicke Bretter gebohrt werden müssen. Ein weiterer Aspekt: Die Grünen weisen in ihrem An- trag darauf hin, dass das Ehegattensplitting nicht die Fa- milie fördert, in der Kinder leben, sondern allein Ehe subventioniert. Das stimmt, und das wollen auch wir ge- ändert haben. Unsere realen Möglichkeiten dafür sind in dieser Großen Koalition indes sehr gering. Ich will zum Schluss noch etwas zur anstehenden Er- höhung des Kindergeldes sagen. Die von Ministerin von der Leyen vorgesehene Kindergelderhöhung, für das Erst- und Zweitkind wenig, dafür für alle weiteren Kin- der noch einmal deutlich mehr, lehnen wir ab; das übri- gens nicht nur, weil gerade mal 6 Prozent der Alleiner- ziehenden drei und mehr Kinder haben. Auch die weitaus größte Mehrheit der Familien würde davon nicht profitieren. Die Erhöhung des Kindergeldes ist zu aller- erst Ausgleich für die Preissteigerungen, und die sind für alle Kinder gleich. Deswegen wollen wir eine einheitli- che Kindergelderhöhung für alle Kinder. Wir bleiben dran. Dieter Steinecke (SPD): Zu Recht wird in dem vor- liegenden Antrag darauf hingewiesen, dass seit Jahren immer mehr Kinder von nur einem Elterntel großgezo- gen werden. Das ist eine gesellschaftliche Realität, die 19300 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Freitag, den 26. September 2008 (A) (C) (B) (D) Politik nicht ignorieren darf, und, das füge ich als Sozial- demokrat sofort an, das tun wir auch nicht. Was wir in den letzten Jahren in der Kinder- und Fa- milienpolitik erlebt und gestaltet haben, ist nicht mehr und nicht weniger als ein grundlegender Paradigmen- wechsel. Die Familienpolitik der letzten Jahre, mittler- weile des letzten Jahrzehnts, ist sozialdemokratisch. Denken wir an die Ära Kohl zurück, ein wenig Grau- sen muss hier sein: Eine Frau, die berufstätig war, und deswegen ihr Kind tagsüber betreuen ließ, wurde je nach Lebenslage als Opfer bemitleidet oder als karrieregeile Rabenmutter diffamiert. Das ist gottlob vorbei. Mittler- weile gibt es einen Rechtsanspruch auf einen Betreu- ungsplatz ab dem dritten Lebensjahr. Das war nur ein erster Schritt. Ab 2013 besteht dieser bereits ab dem ers- ten Lebensjahr. Das haben wir Sozialdemokraten durch- gesetzt, dafür nimmt der Bund auch eine Menge Geld in die Hand. Das zu diesem Zweck eingerichtete Sonder- vermögen, aus dem nicht nur Investitionen, sondern erst- malig auch Betriebskosten bezuschusst werden, umfasst 4 Milliarden Euro. Das ist Geld, das nicht nur den Ein- elternfamilien, diesen aber auch in hohem Maße zugute- kommt. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird substanziell verbessert. Natürlich endet die ganze Sache nicht mit der Ein- schulung. Wir Sozialdemokraten setzen auf die Ganz- tagsschule. Auch hier haben wir einen ganzen Batzen in ein Ausbauprogramm gesteckt. Ich spreche von weiteren 4 Milliarden. Nun will ich gar nicht den Eindruck erwecken, wir hätten mit 8 Milliarden Euro den Himmel auf Erden ge- kauft. Wichtig ist mir allerdings Folgendes. Wir nehmen die Verantwortung für die Familien ernst und schlagen uns nicht ins föderale Unterholz. Denn vorschulische wie schulische Bildung sind Sache der Länder. Doch die, das muss ich hier anmerken, sind zum Teil gravierend im Soll. Als Niedersachse sehe ich das immer und immer wieder. Nicht nur Bund, Länder und Kommunen stehen in der Pflicht Auch die Wirtschaft ist gefordert. Dies in dreier- lei Hinsicht: Als Tarifpartner muss sie faire und anstän- dige Löhne zahlen, um Kinder und Eltern vor Armut zu bewahren. Zweitens sollten auch Unternehmen ihren Beitrag zur Betreuung der Kinder ihrer Mitarbeiter leis- ten. Drittens gilt es, den Wiedereinstieg nach einer Fami- lienphase zu erleichtern, schon aus purem Eigeninte- resse. Denn in Zeiten eines zunehmenden Mangels an Fachkräften kann man es sich immer weniger leisten, Potenziale brachliegen zu lassen. Auch in dieser Hin- sicht sind wir als Regierungskoalition tätig. Bereits unter unserer Familienministerin Renate Schmidt wurde die Initiative „Lokale Bündnisse für Familien“ ins Leben ge- rufen. Dort werden Unternehmen ganz konkret in Strate- gien eingebunden. Ich verweise auf einen weiteren Mo- saikstein: das Förderprogramm „Betrieblich unterstützte Kinderbetreuung“. Damit setzen wir Anreize für Unter- nehmen mit bis zu 1 000 Beschäftigten, sich in der Kin- derbetreuung zu engagieren. Dafür stehen bis zum Ab- schluss der Laufzeit Ende 2011 insgesamt 50 Millionen Euro ESF-Mittel zur Verfügung. Eine Feststellung liegt mir als Pädagogen besonders am Herzen: Wir bauen nicht nur die Betreuungsangebote aus. Wir setzen grundlegend neue Akzente. Betreuung muss immer auch Bildung sein. Dadurch fördern wir nicht nur die Zukunftsträger unserer Gesellschaft in ei- ner Phase, die entscheidend für ihren weiten Lebensweg ist. Wir sorgen damit auch für einen gerechteren Zugang zur Ressource Bildung. Dass dieser Bedeutungs- und Verantwortungszuwachs für die vorschulischen Einrich- tungen noch bessere Ausbildung der Handelnden, ein mehr an Qualität erfordert, wissen wir. Ich schließe hier- bei ausdrücklich Tagesmütter und -väter ein. Auch da sind wir tätig und lassen Länder und Kommunen nicht allein. Es wäre dem Thema angemessen, eine längere De- batte zu führen. Dann hätte ich noch über Ausbau, Bün- delung und Vernetzung von Beratungsangeboten spre- chen können. Vielleicht auch über Meilensteine wie Elterngeld, Elternzeit und Elternteilzeit. Weitere wich- tige Themen wären erfolgreiche BA-Programme zum Wiedereinstieg in den Beruf, die Struktur des Kindergel- des und vieles mehr. Gerne hätte ich auch unsere Vor- stellungen von echten Familienzentren skizziert, und si- cherlich wäre auch über Schwachsinn wie das Betreuungsgeld zu reden. Doch ich muss zum Ende kommen und schließe mit einer grundsätzlichen Bemerkung: Eine moderne Fami- lienpolitik kommt allen Familien in unserem Lande zu- gute, ob sie nun einen oder zwei Elternteile haben. Ers- tere haben vielleicht sogar ein bisschen mehr davon. Wir haben viel erreicht für Familien, und noch viel mehr vor. Was wir vorhaben, können alle Menschen nachlesen, in unserem Grundsatzprogramm wie im Aktionsplan gegen Kinderarmut. Mit den richtigen Mehrheiten in diesem Hause können wir unsere Vorstellungen verwirklichen. Die Belange von Kindern und ihren Eltern sind bei uns Sozialdemokraten in guten Händen. Sibylle Laurischk (FDP): Am häufigsten werden Mütter und Väter infolge einer Scheidung zu Alleiner- ziehenden. Ihre Zahl steigt ständig. Es ist besonders be- unruhigend, dass Kinder in Haushalten Alleinerziehen- der vom Armutsrisiko besonders belastet sind. Die Armutsrisikoquote bei Kindern unter 18 Jahren liegt bei 17,3 Prozent. Kinder und Jugendliche im Alter von 15 bis 18 Jahren sind mit 30 Prozent besonders häufig vertreten. Hinter den dürren Zahlen der höheren Armutsbedro- hung verbergen sich Einzelschicksale. Die ständige Aus- einandersetzung um Unterhalt und Sozialleistungen ist mir aus meiner anwaltlichen Praxis leider bestens ver- traut. Die soziale Situation Alleinerziehender ist nicht nur finanziell angespannt, oft sind sie und ihre Kinder auch in der Gesellschaft isoliert. Hier ist die Situation auch immer von den jeweiligen örtlichen Gegebenhei- ten, ob in der Stadt oder auf dem Land mit noch traditio- nelleren Familienformen, sehr unterschiedlich. Wir haben mit unserem Antrag zur Sicherung der Existenz von Kindern unsere Forderungen klar artiku- liert: Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Freitag, den 26. September 2008 19301 (A) (C) (B) (D) Chancengerechtigkeit umfasst Bildungsgerechtig- keit. Die fehlende soziale Durchlässigkeit in diesem Lande, die Abhängigkeit des Bildungserfolges eines jun- gen Menschen von der sozialen und finanziellen Situa- tion seiner Eltern, ist eine beschämende Tatsache. Früh- kindlicher Bildung kommt die größte Hebelwirkung zu; Spracherwerb ist der Schlüssel zu allen anderen Bil- dungsangeboten, das sage ich gerade auch als integra- tionspolitische Sprecherin. Daher ist das Betreuungsgeld strikt abzulehnen. Es ignoriert, dass gerade Alleinerzie- hende keine Wahl haben, sondern als Berufstätige auf gute Betreuungsangebote angewiesen sind. Bildungs- und Betreuungsgutscheine sind für uns das geeignete Mittel, einen vernünftigen Wettbewerb herzu- stellen und auch individuellen Elternwünschen gerecht zu werden. Der mit der finanziellen Armut oft einherge- henden Anregungsarmut bei den Kindern ist mit einem noch zügigeren Ausbau der Betreuung von unter Drei- jährigen zu begegnen. Private und privatgewerbliche Er- ziehungs- und Bildungseinrichtungen sind daher mit de- nen anderer Träger gleichzustellen. Dass die CDU hier bei der Beratung des KiföG vor dem Koalitionspartner einknickt und private und privatgewerbliche Kinderbe- treuungseinrichtungen nun diskriminiert und nicht geför- dert werden, ist ein Trauerspiel. Dieses grundsätzliche Misstrauen gegen privat initiierte und organisierte Bil- dungseinrichtungen ist nur mit der unbedingten Staats- gläubigkeit der Volksparteien zu erklären und wird dem Bedarf und dem Engagement Privater nicht gerecht. Ganz besonders wichtig sind kommunale Angebote, wie sie in Potsdam zum Beispiel mit den pädagogisch be- treuten Spielgruppen existieren. Diejenigen, die daran teilnehmen, finden schnell wieder aus ihrer Isolation und zur Erwerbsarbeit. Schließlich müssen auch die Unter- nehmen gerade Alleinerziehenden durch flexiblere Arbeitszeiten, die Einrichtung von Telearbeitsplätzen, Wiedereinstiegs- und Kontakthalteprogrammen und be- trieblichen Kinderbetreuungseinrichtungen entgegen- kommen. Staatliche Geldleistungen wie die Ausweitung des sehr bürokratischen Kinderzuschlags und das bestehende Unterhaltsvorschussgesetz für den Ausgleich von aus- bleibenden Unterhaltszahlungen sind nur unzureichende Instrumente, Alleinerziehende zu unterstützen. Ein deut- liches Beispiel für geradezu zufällig gewählte An- spruchsvoraussetzungen ist das Unterhaltsvorschussge- setz. Es ist nicht zu verstehen, warum der Anspruch mit Vollendung des 12. Lebensjahres endet. Wir fordern da- her die Ausweitung des Unterhaltsvorschusses bis zum Erreichen der Volljährigkeit. Der Kinderzuschlag muss dringend entbürokratisiert werden, weil die Vorausset- zungen nur für Finanzfachleute überhaupt zu durchbli- cken sind. Der bürokratische Aufwand, also die Kosten, beträgt nahezu ein Fünftel des Gesamtaufwandes, was den Kindern dann fehlt. Auch Alleinerziehenden kommt die von uns gefor- derte Erhöhung des Kindergeldes auf 200 Euro zugute. Die von uns geforderte Anhebung des Grundfreibetrages auf 8 000 Euro für jedes Familienmitglied, auch Kinder, kommt auch Alleinerziehenden zugute. Eine Differen- zierung nach Lebensalter der Kinder ist überhaupt nicht nachvollziehbar. Ich kann mich der Aussage des Paritätischen Wohl- fahrtsverbandes „Kinder sind keine billigen Erwachse- nen“ anschließen. Wir fordern die steuerliche Berück- sichtigung von Betreuungskosten bis zu 12 000 Euro, die gerade Alleinerziehenden, die oft einen erhöhten Betreu- ungsaufwand haben, entlasten würde. Schließlich for- dern wir ganz grundsätzlich eine Harmonisierung des Steuer-, Unterhalts- und Sozialrechts in Bezug auf die fi- nanzielle Sicherung von Kindern, die insbesondere die Situation der Alleinerziehenden berücksichtigt. Die Er- gebnisse des Familienkompetenzzentrums und eine Wir- kungsanalyse aller familienbezogenen Leistungen sind überfällig. Jörn Wunderlich (DIE LINKE): Liebe Kolleginnen und Kollegen insbesondere von den Grünen: „Bessere Unterstützung für Alleinerziehende“ lautet die Über- schrift Ihres Antrags. Bei allem Charme, den ihr Antrag versprüht und der in vielen Punkten sicher auch richtig gedacht ist, bleiben einige ihrer Positionen sehr halbher- zig und unkonkret. So vermisse ich in Ihrem Antrag Aussagen zur gesamten Unterhaltsproblematik. Ist Ihnen dieses Eisen zu heiß? Oder ist alles zur Zufriedenheit der Betroffenen geklärt? Letzteres dürfte wohl kaum der Fall sein! Aber, Sie haben ja dem Gesetz zur Änderung des Un- terhaltsrechts zugestimmt. Das heißt, Sie haben einem Unterhalt und einem Unterhaltsvorschuss, von dem Kin- der eben nicht leben können, zugestimmt. Zu unserem Antrag haben sie sich enthalten. Warum wohl? Ich kann Ihnen sagen, warum: Ihnen fehlen bis heute eigene Kon- zepte zum Unterhaltsrecht, und Sie können sich nicht durchringen, auch einmal unseren Anträgen zu zustim- men. Da frage ich mich schon: Ist das Ihr Verständnis von Besserstellung Alleinerziehender? Immer nur fest- zustellen, dass zwei Drittel der Väter keinen Unterhalt zahlen oder keinen zahlen können – so die Abgeordnete Krista Sager heute früh hier im Plenum; ich habe zitiert –, löst das Problem jedenfalls nicht. Auch wenn ich mich jetzt wiederholen sollte, möchte ich die zwei Aussagen aus dem Antrag der Grünen wie- derholen, weil sie mir für die Diskussion sehr wichtig er- scheinen. Erste Aussage: Die Zahl der Einelternfamilien wächst in Deutschland seit Jahrzehnten beständig. 2005 gab es rund 15 Prozent mehr Alleinerziehende als 1996. Zweite Aussage: Heute wird nahezu jedes siebte Kind in den alten und jedes fünfte Kind in den neuen Bundeslän- dern von einem Elternteil allein erzogen. Da muss man sich schon fragen: Warum werden diese Familien nicht von der gegenwärtigen Familienpolitik erfasst, sondern brauchen eigene „Sondervorschriften“? Man kann doch Alleinerziehende, welche durch die so- ziale Kluft der Regierungspolitik betroffen sind, nicht wie Kranke behandeln. Aber da stimmen Sie ja den Ge- setzen der Koalition zu, sehenden Auges, dass große Gruppen der Bevölkerung ausgegrenzt werden. 19302 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Freitag, den 26. September 2008 (A) (C) (B) (D) In der Haushaltsdebatte der vergangenen Woche habe ich mit Nachdruck darauf verwiesen, dass sich durch die Familienpolitik der Bundesregierung eine tiefe Kluft zieht. Besserverdienende werden gefördert, und Allein- erziehende sowie Familien mit geringem Einkommen haben das Nachsehen. Warum können nicht wenigstens Sie unsere und die breite Kritik der Öffentlichkeit, der Wohlfahrtsverbände sowie der Betroffenen zur Kenntnis nehmen, dass es den gesamten Gesetzgebungsverfahren stets an der sozialen Ausgestaltung mangelt? Ich nenne einige Beispiele: die soziale Ausgestaltung des Eltern- geldes, die Kürzung des Kindergeldbezuges, die Erhö- hung der Mehrwertsteuer und die Besteuerung von Er- zeugnissen für Kinder. Einige Worte zum Kinderzuschlag. Richtig ist, das er unter Rot-Grün in die Diskussion gebracht wurde. Was sie jedoch nicht erwähnen: Der Kinderzuschlag grenzt mit den Alleinerziehenden genau die Gruppe der Fami- lien mit der höchsten Armutsgefährdung massiv aus. 50 Prozent aller Kinder in Hartz IV leben in Alleinerzie- hendenhaushalten, und bis vor kurzem betrug der Anteil der Alleinerziehenden beim Kinderzuschlag 7 Prozent, demnächst soll er auf 13 Prozent steigen. Sie fordern eine Weiterentwicklung des Kinderzu- schlags; dem entsprechenden Gesetz der Koalition haben Sie aber zugestimmt. Jetzt passt es Ihnen offensichtlich nicht mehr und Sie stellen Forderungen auf, die wir Linke schon beantragt haben, die von Ihnen aber abge- lehnt wurden. Soviel zur Glaubwürdigkeit Ihres Antrags. Gleiches trifft auf die im Antrag genannten Arbeitsbe- dingungen zu. Es ist richtig, dass die meisten Allein- erziehenden ihren überwiegenden Lebensunterhalt durch Erwerbstätigkeit verdienen. Für die Mehrheit der Allein- erziehenden – und das belegen sozialwissenschaftliche Studien – ist die eigene Erwerbstätigkeit die wichtigste Einkommensquelle; nachzulesen auf der Homepage des Vereins der alleinerziehenden Mütter und Väter, VAMV. Warum Sie allerdings vor zwei Tagen im Familien- ausschuss dem Antrag der Linken, welcher genau diese Forderungen enthielt, nicht zugestimmt haben, ist für mich nicht nachvollziehbar. Hier wird mit genau der Doppelzüngigkeit argumentiert, welche Sie der Koali- tion immer vorwerfen: heute die Forderungen stellen, welche Sie gestern noch abgelehnt haben. Schade und beschämend, dass dies auf dem Rücken der Alleinerzie- henden ausgetragen wird! Ich denke, hier sollten ideologische Vorurteile mal zu- rücktreten. Wir sollten gemeinsam für die Alleinerzie- henden wirklich etwas bewegen. Zeit wird es allemal. Ich freue mich auf die Ausschusssitzung, danke für die Aufmerksamkeit und wünsche uns einen erfolgreichen Sonntag. Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): „Wer Kinder erzieht, verdient unseren Respekt“ so die Familienministerin. Doch Respekt allein reicht leider nicht. Alle, die diese anspruchsvolle Aufgabe überneh- men, brauchen unsere tatkräftige Unterstützung. Das gilt umso mehr für Alleinerziehende, die im Alltag stärker belastet und öfter von Armut betroffen sind als Paare mit Kindern. Ja, sie haben aufgrund dieser Belastungen so- gar einen schlechteren Gesundheitszustand. Leider hat die Bundesregierung für Alleinerziehende nicht mehr übrig als warme Worte. Offensichtlich passen Alleinerziehende nicht in das Familienbild der CDU. Aber Familienpolitik ist kein Wunschkonzert, und die Welt ist bunter geworden, als es so manche in der Bun- desregierung gerne wahrhaben möchten. Und so ignorie- ren Sie beharrlich, dass heute nahezu jedes siebte Kind in den alten Bundesländern von einem Elternteil allein großgezogen wird. In den neuen Bundesländern ist es sogar jedes fünfte Kind. Alleinerziehende brauchen gezielte Unterstützung. Sie brauchen eine faire Besteuerung und wirksame Armutspräventionsinstrumente. Sie brauchen qualitativ hochwertige Kinderbetreuung, und zwar jetzt, nicht erst im Jahre 2013. Sie brauchen aber auch niedrigschwellige Unterstützungangebote statt Sparmaßnahmen in der Ju- gendhilfe. Bislang verweigern Sie diesen Familien die notwen- dige Unterstützung. Sie nehmen darüber hinaus mit Ih- ren Vorschlägen zum gestaffelten Kindergeld auch billi- gend in Kauf, dass sich durch Ihre Politik die Lage dieser Familien und insbesondere der Kinder verschlech- tern wird. Ich sage Ihnen ganz klar: Das gestaffelte Kindergeld ist keine vernünftige Antwort. Frau von der Leyen, Ihre eigenen Zahlen besagen ja, dass die ärmsten Familien die Ein-Kind-Familien von Alleinerziehenden sind. Aber leider ignorieren sie diese Erkenntnis vollkommen. Wenn Sie ein gestaffeltes Kindergeld einführen, dann profitieren über 90 Prozent der Kinder von Alleinerzie- henden gar nicht davon. Wer mehr Gerechtigkeit für Familien will, der muss kindgerechte Regelsätze einführen und das Ehe- und Fa- milienförderungssystem in Gänze reformieren. Doch fehlt Ihnen trotz vollmundiger Ankündigungen der Mut, über den eigenen familienidyllischen Tellerrand zu bli- cken. Aber die spezifischen Benachteiligungen von Allein- erziehenden auf dem Arbeitsmarkt und in der Steuerpoli- tik erfordern besondere Maßnahmen. In unserem Antrag zeigen wir daher Vorschläge auf, damit wir in Zukunft kein Kind zurücklassen. Der Rechtsanspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz ist genauso notwendig wie eine längst überfällige Qualitätsoffensive in der Kindertages- betreuung. Wir brauchen den flächendeckende Ausbau von Ganztagsschulen genauso dringend wie flexible Ar- beitszeitmodelle oder Chancen für den beruflichen Wie- dereinstieg. Anlage 4 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner 847. Sitzung am 19. Sep- tember 2008 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Freitag, den 26. September 2008 19303 (A) (C) (B) (D) zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen: – Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Un- fallversicherung (Unfallversicherungsmodernisie- rungsgesetz – UVMG) – Gesetz zur Änderung des Bundeskindergeldgeset- zes – Gesetz zur Änderung des Masseur- und Physio- therapeutengesetzes und anderer Gesetze zur Re- gelung von Gesundheitsfachberufen – Drittes Gesetz zur Änderung des Bundesminister- gesetzes – … Gesetz zur Änderung des Europaabgeordne- tengesetzes und eines … Gesetzes zur Änderung des Abgeordnetengesetzes – Gesetz zur Verbesserung der grenzüberschreiten- den Forderungsdurchsetzung und Zustellung – Gesetz zu dem Fakultativprotokoll vom 25. Mai 2000 zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend den Verkauf von Kindern, die Kinderprostitution und die Kinderpornografie – Gesetz zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses des Rates der Europäischen Union zur Bekämp- fung der sexuellen Ausbeutung von Kindern und der Kinderpornografie – Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) – Zweites Gesetz zur Änderung des Güterkraftver- kehrsgesetzes und anderer Gesetze – Gesetz zur Neuregelung des Schornsteinfegerwe- sens – Gesetz zu dem Abkommen vom 12. November 2007 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Demokratischen Volksrepublik Algerien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuervermeidung und Steuer- hinterziehung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen – Gesetz zu dem Abkommen vom 31. August 2006 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Sozialisti- schen Republik Vietnam über die Zusammenar- beit bei der Bekämpfung von schwerwiegenden Straftaten und der Organisierten Kriminalität – Gesetz zu dem Übereinkommen des Europarats vom 23. November 2001 über Computerkrimina- lität Der Bundesrat hat festgestellt, dass das nachstehende Gesetz nicht seiner Zustimmung bedarf. Der Bundesrat hat in seiner 847. Sitzung am 19. September 2008 be- schlossen, einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen, hilfsweise, dem Gesetz zuzustimmen. – Gesetz zur Sicherung von Werkunternehmeran- sprüchen und zur verbesserten Durchsetzung von Forderungen (Forderungssicherungsgesetz – FoSiG) Der Bundesrat hat ferner die folgende Entschließung gefasst: Der Bundesrat begrüßt, dass der Deutsche Bundestag das Forderungssicherungsgesetz am 26. Juni 2008 end- lich verabschiedet hat. Durch dieses Gesetz werden sub- stanzielle Verbesserungen vor allem im Bauvertragsrecht erzielt. Diese kommen zum einen den Bauhandwerkern zugute, die besser als bislang davor geschützt werden, dass ihre Auftraggeber trotz ordnungsgemäß erbrachter Leistung Werklohnforderungen nur zögerlich oder auch gar nicht erfüllen. Zum anderen enthält es auch Verbes- serungen zu Gunsten der Verbraucher, die zum Beispiel einen gesetzlichen Anspruch auf Absicherung ihres Er- füllungsanspruchs erhalten. Der Bundesrat bedauert, dass der Deutsche Bundestag die im Gesetzentwurf eines Forderungssicherungsgeset- zes enthaltenen prozessrechtlichen Bestimmungen noch nicht verabschiedet hat. Er bittet deshalb den Deutschen Bundestag, entsprechend den Absprachen im Rechtsaus- schuss die Beratungen zum zivilprozessualen Teil des Forderungssicherungsgesetzes umgehend wieder aufzu- nehmen und im Rahmen eines anderen zivilrechtlichen Gesetzgebungsvorhabens rasch zu verabschieden. Der vom Deutschen Bundestag beschlossene materiellrecht- liche Teil des Forderungssicherungsgesetzes ist zwar wichtig. Er muss jedoch verfahrensrechtlich flankiert werden, damit ungerechtfertigten Zahlungsverweigerun- gen schneller durch vollstreckbare Titel begegnet wer- den kann. Der Bundesrat hat festgestellt, dass das nachstehende Gesetz gemäß Artikel 104a Abs. 4 des Grundgesetzes seiner Zustimmung bedarf. Der Bundesrat hat in seiner 847. Sitzung am 19. September 2008 beschlossen, dem Gesetz gemäß Artikel 104a Abs. 4 des Grundgesetzes zuzustimmen. – Gesetz zur Reform des Verfahrens in Familiensa- chen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-Reformgesetz – FGG-RG) Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat mitgeteilt, dass sie den Antrag Entwurf zur Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages zur Verbesserung des Verfahrens zur Wahl von Bundes- verfassungsrichterinnen und Bundesverfassungsrich- tern auf Drucksache 16/9629 zurückzieht. Der Vorsitzende des Haushaltsausschusses hat mit- geteilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu der nachstehenden Vorlage absieht: – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushalts- und Wirtschaftsführung 2008 Außerplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 06 15 Titel 681 12 – Leistungen nach dem Heimkehrerentschädigungs- gesetz – – Drucksachen 16/9951, 16/10285 Nr. 7 – 180. Sitzung Berlin, Freitag, den 26. September 2008 Inhalt: Redetext Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Hildegard Müller


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)



    Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kolle-
    gen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dies ist
    heute meine letzte Rede im Deutschen Bundestag.


    (Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Dann können Sie heute ehrlich sein!)


    Ich darf sie zu einem Themenkomplex halten, der mich
    bereits vor sechs Jahren, als ich mich in diesem Hohen
    Haus erstmals aktiv beteiligen durfte, beschäftigt hat,
    nämlich die Zukunft des Gesundheitswesens.

    Meine Damen und Herren von der FDP, Stichwort
    „die Wahrheit sagen“: Was ich in diesem Hause wirklich
    gelernt habe, das ist, zu schwierigen Entscheidungen zu
    stehen, auch wenn sie unbeliebt sind.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


    Das müssen wir gerade im Gesundheitswesen tun. Ich
    kann im Hinblick auf meinen Vorredner wirklich nicht
    erkennen, ob Sie mehr oder weniger Geld ausgeben wol-
    len. Das, was Sie hier gerade dargestellt haben, kann ei-
    gentlich nicht Aufgabe der FDP sein. Ich hätte mir einen
    ernsthafteren Umgang mit diesem Thema gewünscht.

    Sowohl die Linksfraktion gestern als auch die FDP-
    Fraktion heute präsentieren nämlich nur Schaufensteran-
    träge. Es geht Ihnen doch nicht darum, die Probleme zu
    lösen. Es geht Ihnen darum, vor der Bayernwahl einen
    wie auch immer gearteten Blick auf diese Probleme zu
    werfen und die bayerischen Wähler vor der Landtags-
    wahl mit destruktiven Gedanken zu verunsichern.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


    Konstruktiv ist dieser Beitrag hier nicht. Er hilft weder
    den Patienten und Versicherten noch denjenigen, die im
    Gesundheitssystem arbeiten.

    Ich habe mir vorgenommen, schon gleich zu Anfang
    meiner Rede hier zu sagen: Lassen Sie sich nicht täu-
    schen, weder aus der einen noch aus der anderen Rich-
    tung. Der Gesundheitsfonds kommt, und zwar pünktlich
    zum 1. Januar 2009. Diese Reform, meine Damen und
    Herren und vor allem liebe Bürgerinnen und Bürger in
    diesem Lande, verbessert die Versorgung. Sie spart nicht
    an Leistungen und sie wird endlich auch für Patienten
    eine Vergleichbarkeit von Angeboten schaffen


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    und den Patienten damit mehr Wahlfreiheit bieten als
    bisher.


    (Frank Spieth [DIE LINKE]: Das zeigt, dass Sie nicht viel Ahnung haben! Fragen Sie einmal die Patienten!)


    Schon als ich vor sechs Jahren meine Parlamentsar-
    beit im damaligen Ausschuss für Gesundheit und Soziale
    Sicherung beginnen durfte – Herr Spieth, Sie sind Gott
    sei Dank noch nicht so lange dabei; vielleicht werden Sie
    auch in Zukunft nicht mehr hier sein –,


    (Frank Spieth [DIE LINKE]: Mit Sicherheit länger als Sie!)


    gab es intensive Debatten über Strukturen und Sparpa-
    kete.


    (Frank Spieth [DIE LINKE]: Ob ich hier sein werde, das werden Sie mit Sicherheit nicht entscheiden!)


    – Doch. Auch ich bin ein Bürger, ein Wähler, und ich
    hoffe, dass ich das mit entscheiden kann. Ich werde je-
    denfalls alles dafür tun.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


    Heute sind wir uns in einem Punkt sicherlich einig:
    Die gute medizinische Versorgung in Deutschland wird
    teurer werden. Das müssen wir den Menschen sagen.
    Das hat drei Ursachen, die nicht wegzudiskutieren sind:

    Der demografische Wandel; er ist in den meisten eu-
    ropäischen Staaten mit Problemen verbunden. Es ist
    wunderbar, dass die Lebenserwartung steigt, und sie
    steigt weiter. Aber das wird zu mehr Kosten im Gesund-
    heitssystem führen.

    Der medizinische Fortschritt. Zahlreiche Krankhei-
    ten, die noch vor Jahrzehnten zum Tode geführt haben,
    können heute Gott sei Dank erfolgreich bekämpft wer-
    den. Um ein Beispiel zu geben: Eine Knochenmarktrans-
    plantation kann Menschenleben retten. Sie kostet rund
    80 000 Euro. Diese Summe entspricht den Krankenver-
    sicherungsbeiträgen, die ein durchschnittlich verdienen-
    der Beschäftigter in etwa 40 Jahren leistet. Trotzdem
    brauchen und wollen wir genau diesen medizinischen
    Fortschritt.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


    Das Dritte ist die Zunahme chronischer Krankhei-
    ten, wie Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Sie
    bedeuten für die Betroffenen eine massive Einschrän-
    kung ihrer Lebensqualität und für das Gesundheitssys-
    tem deutliche Mehrausgaben. Diese Erkrankungen sind






    (A) (C)



    (B) (D)


    Staatsministerin Hildegard Müller
    im Übrigen in hohem Maße auf Fehlernährung und man-
    gelnde Bewegung zurückzuführen. Deshalb ist es wich-
    tig, im Gesundheitssystem die Eigenverantwortung
    der Patienten zu stärken und damit zu einer nachhalti-
    gen Gesundheitspolitik zu kommen. Diese Reform ist
    ein Schritt in diese Richtung.


    (Beifall bei der CDU/CSU)


    Wer jetzt vor den steigenden Beiträgen in der Kran-
    kenversicherung warnt, kann diese drei Gründe gerne
    anführen. Aber der Gesundheitsfonds gehört wirklich
    nicht dazu. Seien Sie so ehrlich, dies auch einzuräumen.
    Ich lade Sie herzlich dazu ein, sich an der Suche nach
    Lösungen zu beteiligen.


    (Frank Spieth [DIE LINKE]: Das haben wir doch viele Monate versucht!)


    Die bloße Forderung nach einem Stopp kann nicht die
    Antwort auf die Situation sein.

    Wer, wie gesagt, vor den steigenden Beiträgen zur
    Krankenversicherung warnt, dem möchte ich noch ein-
    mal sagen: Dieses Geld ist kein Placebo. Der Sparbeitrag
    der Krankenhäuser lag bei 220 Millionen Euro. Denn
    auch in Krankenhäusern sind Strukturreformen notwen-
    dig.


    (Birgitt Bender [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die finden doch gar nicht statt!)


    Jetzt nehmen wir aufgrund der neuen Herausforderungen
    über 3 Milliarden Euro in die Hand. Dieses Geld kommt
    vom Beitragszahler. Das, was gestern einige Funktionäre
    abgezogen haben, um sowohl die Beschäftigten, die in
    den Krankenhäusern großartige Arbeit leisten, als auch
    die Patientinnen und Patienten in diesem Land zu verun-
    sichern, finde ich eine wirkliche Frechheit; das muss ich
    sagen.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Wer einfach nur mehr Geld fordert, ohne selber auch nur
    einen kleinen konstruktiven Beitrag dabei zu leisten, wie
    Überkapazitäten im Krankenhaus abgebaut und viele an-
    dere Probleme gelöst werden können –


    (Birgitt Bender [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was passiert denn jetzt zum Abbau der Überkapazitäten? Nichts!)


    – ich spreche über die Funktionäre, Frau Bender –, der
    macht sich unglaubwürdig und verdient es nicht, von der
    Politik gehört zu werden.


    (Birgitt Bender [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Alles nur fromme Wünsche!)


    Deshalb setzen wir die 3 Milliarden Euro da ein, wo es
    strukturell nötig ist. Aber wir fordern auch die Kranken-
    häuser auf, sich an den Veränderungen zu beteiligen.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


    Den Fonds kann man nicht für alles verantwortlich
    machen. Wer vor den steigenden Beiträgen warnt, der
    kann auch gerne den Leistungsumfang einschränken.
    Mit dem Fonds gibt es weder neue Zuzahlungsregelun-
    gen noch Einschnitte in den Leistungskatalog. Im Ge-
    genteil: Die Krankenversorgung verbessert sich. Mutter-
    Kind-Kuren und Impfungen werden zu Pflichtleistun-
    gen, ein Rechtsanspruch auf Rehabilitation wird einge-
    führt und noch vieles mehr. Deshalb ist es unredlich,
    angesichts dieser Fakten eine Absenkung des medizini-
    schen Versorgungsniveaus oder drohende Leistungsein-
    schränkungen an die Wand zu malen. Die Einführung
    des Fonds ist deshalb ein Schritt in die richtige Richtung.

    Meine lieben Damen und Herren von der FDP, ich
    möchte nicht falsch verstanden werden. Hier werden
    nicht wahllos mit dem Füllhorn Wohltaten verteilt. Viel-
    mehr ist es so, dass dort, wo es wirklich nötig und teil-
    weise überfällig ist, Geld in die Hand genommen wird.
    Ein Beispiel dafür sind die Ärzte. Für sie werden über
    2,5 Milliarden Euro bereitgestellt. Damit sichern wir die
    Freiberuflichkeit der Ärzte, eine Forderung, die Sie im-
    mer erhoben haben. Wir sichern damit auch die Versor-
    gung für die Patienten. Das ist ein richtiger und wichti-
    ger Schritt.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Diese Reform wird auch zu mehr Wahlfreiheit und
    Wettbewerb führen. Es kommt eben nicht die Einheits-
    kasse, wie Sie das immer beschwören. Ich nenne hier ei-
    nige Stichworte. Sie können sich jetzt als Versicherter in
    Zukunft die Tarife selber zusammenstellen, wie man das
    bisher sonst nur von privaten Krankenkassen kannte:
    Selbstbehalttarife, Tarife mit Kostenerstattung, Haus-
    arzttarife, besondere Behandlungsmethoden. All das ist
    das genaue Gegenteil von staatlicher Einheitsmedizin,
    wie manche Kritiker sie hier sehen.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Es wird mehr Versorgungsmodelle und mehr Versi-
    cherungstarife geben. Das ist mit dem jetzigen System
    nicht möglich. Deshalb wird der Wettbewerb zu- statt
    abnehmen. Das merken inzwischen auch diejenigen, die
    eine Verschiebung gefordert haben. Bei den Kranken-
    kassen kommt es bereits zu ersten Überlegungen zu
    Strukturveränderungen, etwa ob sie wettbewerbsfähig
    sind und ob sie sich neu aufstellen müssen. Auch meine
    eigene Krankenkasse, eine AOK, kommt auf einmal mit
    Angeboten auf mich zu, von denen ich in der Vergangen-
    heit nur träumen konnte. Das ist genau das, was wir
    wollten. Deshalb ist das, was wir heute tun, richtig.


    (Beifall bei der CDU/CSU)


    Ich sage noch einmal: Die Krankenkassen können
    von dem Beitrag abweichen. Sprechen Sie hier doch
    nicht von einem Einheitsbeitrag. Endlich ist es möglich,
    dass die Kassen von dem allgemeinen Beitrag abwei-
    chen können und dass der Versicherte die Wahlfreiheit
    erhält, zu einer Kasse zu gehen, wo er zum Beispiel
    Rückerstattungen bekommt. Das stärkt den Versicher-
    ten. Fragen Sie Ihre Krankenkasse, warum sie teurer ist
    als andere. Da wir die Risiken ausgleichen, liegt es am
    Management. Wechseln Sie Ihre Krankenkasse, wenn
    Ihre eigene Krankenkasse ein schlechtes Management






    (A) (C)



    (B) (D)


    Staatsministerin Hildegard Müller
    hat. Das ist wichtig, und das wird durch den Fonds er-
    möglicht.


    (Beifall bei der CDU/CSU)


    Wir schaffen auch Transparenz. Beispielsweise ist
    die Verschuldung von Krankenkassen bisher nie aufge-
    fallen. Als ich anfing, im Deutschen Bundestag zu arbei-
    ten, war eine der wichtigsten Fragen, herauszufinden,
    wie groß die gesetzwidrige Verschuldung der Kranken-
    kassen ist.


    (Frank Spieth [DIE LINKE]: Das habt ihr doch sogar per Gesetz geregelt!)


    So wurden im AOK-System größtenteils keine Rückstel-
    lungen für die Beschäftigten gemacht. Über
    10 Milliarden Euro an Verschuldung wurden damals
    nicht erkannt. Die Situation ist jetzt dafür genutzt wor-
    den, Schulden abzubauen. Nehmen Sie das doch einmal
    zur Kenntnis.


    (Frank Spieth [DIE LINKE]: Sie haben doch sogar gesetzlich verlangt, dass sie sich verschulden! Das können Sie jetzt doch nicht kritisieren! So ein Unsinn!)


    – Sie dürfen sich nicht verschulden, weil sie sich damit
    der Verantwortung für die künftigen Generationen in
    diesem Land verweigern.


    (Beifall bei der CDU/CSU)


    Wenn Sie von den Linken eine Politik machen, die den
    jungen Menschen keine Perspektive bietet, dann mag
    das Ihr Beitrag sein.

    Wir leisten einen Beitrag zur Generationengerechtig-
    keit. Erst dann, wenn die Verschuldung zurückgefahren
    ist, können auch Rücklagen aufgebaut werden.


    (Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: So ist es!)


    Ich denke, ich bin mir mit der FDP völlig einig, wie
    wichtig das ist. Lieber Daniel Bahr, wir haben lange ge-
    meinsam dafür gestritten, dass endlich Rücklagen für die
    junge Generation in die Sozialsysteme eingebaut wer-
    den.


    (Beifall bei der CDU/CSU – Heinz Lanfermann [FDP]: Das habt ihr aber alles vergessen! – Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Wir bleiben dieser Idee nach wie vor treu!)


    Außerdem machen wir einen Schritt in Richtung Ent-
    koppelung von den Arbeitskosten;


    (Frank Spieth [DIE LINKE]: Wohl wahr!)


    das ist richtig. Lassen Sie mich an dieser Stelle sagen:
    Mit der solidarischen Gesundheitsprämie hat die Union
    ein ordnungspolitisch überzeugendes und zukunftsver-
    antwortliches Modell entwickelt. Es wäre ein richtiger
    und wichtiger Schritt, die Gesundheitsvorsorge von den
    Arbeitskosten abzukoppeln. Leider konnten wir uns mit
    unserem Koalitionspartner nicht auf dieses soziale und
    wegweisende Reformkonzept einigen.

    (Elke Ferner [SPD]: Allerdings! Gott sei Dank! – Frank Spieth [DIE LINKE]: Das ist auch gut so!)


    Ich bleibe aber dabei: Der Sozialausgleich über Steu-
    ern ist gerechter, als die Beschäftigten in diesem Land
    weiterhin durch die steigenden Kosten zu belasten.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


    Wir sind also auf dem richtigen Weg. Natürlich haben
    wir noch nicht alles erreicht, was wir erreichen wollen.
    Auf jeden Fall haben wir aber eine Verbesserung des
    Status quo erzielt.

    Meine Damen und Herren, weil man das Ziel nicht
    ganz erreicht, darf man nicht gar nichts tun,


    (Birgitt Bender [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn man merkt, dass man in die falsche Richtung fährt, sollte man aber den Rückwärtsgang einlegen!)


    sondern dann muss man sich in kleinen Schritten fortbe-
    wegen. Ich kann dieser Reform zustimmen, weil sie ein
    Schritt in die richtige Richtung ist und weil wir damit
    unser Gesundheitssystem, das großartig ist, weiter stär-
    ken und ausbauen. Es ist ein Faktor für die Gesundheits-
    wirtschaft und ein Zukunftsfaktor für unser Land. Nicht
    zuletzt wollen wir, dass die großen Lebensrisiken der
    Menschen in unserer sozialen Marktwirtschaft weiterhin
    abgesichert werden. Das sind die gewaltigen Herausfor-
    derungen, vor denen wir in Zukunft stehen werden.


    (Beifall bei der CDU/CSU)


    Meine Damen und Herren, in den vergangenen sechs
    Jahren in diesem Parlament habe ich die Gesundheits-
    politik stets als besonders interessant und wichtig emp-
    funden. Auf keinem anderen Feld wurden Reform-
    anstrengungen allerdings so kontrovers diskutiert. Ich
    würde mir in diesem Land manchmal mehr Gemeinsam-
    keit wünschen. Ich würde mir wünschen, dass jeder nicht
    nur Vorschläge macht, die andere Bereiche betreffen,
    sondern über seine eigenen Beiträge dazu nachdenkt,
    wie sich unser Land in Zukunft gestalten lässt. Gerade
    im Gesundheitsbereich ist dieses Igeldenken, dieses Ein-
    igeln, dieses Denken nur an den eigenen Bereich, nicht
    aber an die Gesamtverantwortung, ein Problem.


    (Elke Ferner [SPD]: Genau! „Einigeln“ ist das richtige Stichwort! – Ernst Burgbacher [FDP]: Ihr seid nun einmal eine Igelkoalition!)


    Es geht darum, Politik für 80 Millionen Menschen in
    diesem Land zu machen. Das eignet sich nicht für Popu-
    lismus. Das muss man seriös machen und ernst nehmen.
    Es war für mich eine große Ehre, daran mitzuwirken.

    Ich verabschiede mich heute mit der begründeten
    Hoffnung, dass wir mit dieser Reform einen weiteren
    Schritt – keinen abschließenden, aber einen weiteren
    Schritt – in die richtige Richtung gehen und das tun, was
    nötig ist.

    Ich möchte allen Kolleginnen und Kollegen, die ich in
    den letzten sechs Jahren habe kennenlernen dürfen – ins-






    (A) (C)



    (B) (D)


    Staatsministerin Hildegard Müller
    besondere denen, mit denen ich Freundschaften schlie-
    ßen konnte –, sehr herzlich für die Zusammenarbeit dan-
    ken. Ich möchte ausdrücklich auch die vielen
    fantastischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in diesem
    Hause in diesen Dank einschließen.

    Ich möchte auch den Bürgerinnen und Bürgern in
    meinem Wahlkreis Düsseldorf danken. Ihr Vertrauen und
    ihre Anliegen, die sie mir immer wieder mitgeteilt ha-
    ben, haben meine Arbeit vorangebracht. Ich denke, dass
    solche Denkanstöße, egal welcher Art, auch in Zukunft
    sehr wichtig sind, damit im Deutschen Bundestag die
    bestmöglichen Entscheidungen vorbereitet und getroffen
    werden können.

    Was meine zukünftige Arbeit angeht, habe ich insbe-
    sondere im Auge: Ich werde in einem Bereich arbeiten
    können, der die Lebenschancen aller Menschen in die-
    sem Land tangiert. Deshalb freue ich mich sehr auf diese
    Aufgabe. Ich danke Ihnen allen sehr herzlich für die letz-
    ten sechs Jahre.

    Vielen Dank.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)




Rede von Gerda Hasselfeldt
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

Frau Staatsministerin, Sie werden den Deutschen

Bundestag nach sechs Jahren der Zugehörigkeit zu die-
sem Haus verlassen. Sie verabschieden sich aber nicht
von der Arbeit für die Menschen in diesem Land. Sie
werden eine neue verantwortungsvolle Aufgabe über-
nehmen. Ich möchte Ihnen sehr herzlich für Ihre engagierte
Arbeit an den unterschiedlichsten Stellen in diesem Haus
und für die Zusammenarbeit, auch über Fraktionsgren-
zen hinweg, danken. Ich wünsche Ihnen für Ihre neue
Aufgabe eine glückliche Hand, viel Freude und natürlich
auch den verdienten Erfolg. Alles Gute!


(Beifall)


Nun hat der Kollege Frank Spieth für die Fraktion Die
Linke das Wort.


(Beifall bei der LINKEN)



  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Frank Spieth


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DIE LINKE.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)


    Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

    Meine Damen und Herren! Ich möchte mich den Wün-
    schen der Präsidentin an Frau Staatsministerin in einer
    etwas freundlicheren Art anschließen, als sie vorhin mit
    mir umgegangen ist. Ich wünsche Ihnen bei Ihrer zu-
    künftigen verantwortlichen Lobbyistentätigkeit beim
    Energieunternehmen Eon viel Erfolg.


    (Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: Haha! – Jens Spahn [CDU/CSU]: So ein schlechter Stil!)


    Die FDP will den Gesundheitsfonds mit dem heutigen
    Antrag stoppen. Tatsächlich will sie aber etwas anderes
    erreichen: Sie will im Kern die Voraussetzungen dafür
    schaffen, dass die gesetzliche Krankenversicherung pri-
    vatisiert werden kann. Deshalb ist dieser Antrag nach
    unserer Auffassung eine Mogelpackung.


    (Beifall bei der LINKEN)


    Untersuchen wir die eigentlichen Absichten. Frau
    Dr. Winterstein, die FDP-Haushaltsexpertin, hat in der
    vergangenen Woche an dieser Stelle die Katze aus dem
    Sack gelassen. Sie sagte:

    Wir brauchen einen grundlegenden Systemwechsel
    zum privaten Krankenversicherungsschutz mit so-
    zialer Absicherung für alle.

    Dieser Sozialausgleich soll aus Steuergeldern finanziert
    werden.


    (Dr. Karl Addicks [FDP]: Genau das!)


    Die Freien Demokraten wollen das soziale und soli-
    darische Krankenversicherungssystem, ein Erfolgs-
    modell, das sich seit 125 Jahren in Deutschland bewährt
    hat, im Kern abschaffen. Werte Kolleginnen und Kol-
    legen von der FDP-Fraktion, Sie ignorieren die große
    Zustimmung der Bevölkerung zur gesetzlichen Kranken-
    versicherung und demonstrieren nach meiner Auffas-
    sung Ihre Geringschätzung für dieses System, indem Sie
    es abschätzig „Kassensozialismus“ nennen, wie in dem
    Beschluss Ihres Präsidiums vom 3. Juli 2006 nachzule-
    sen ist.


    (Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Nein! Was kommt, nicht, was ist!)


    Komplett absurd wird Ihre Argumentation dadurch,
    dass Sie vor einer drohenden Steuererhöhung im beste-
    henden System warnen und gleichzeitig höhere Steuern
    fordern. Das steht auch im Beschluss. Sie wollen einen
    Sozialausgleich, den auch Frau Dr. Winterstein nannte,
    über das Steuersystem organisieren. Ich sage Ihnen: Da-
    für werden viele Milliarden Euro nötig sein. Wo sollen
    sie denn herkommen, wenn nicht aus satten Steuererhö-
    hungen?


    (Heinz Lanfermann [FDP]: Dafür haben Sie doch die besten Vorschläge!)


    Sie wollen eine Privatisierung des gesamten Kran-
    kenversicherungssystems. Die privaten Versicherungs-
    unternehmen sollen von den Versicherten für eine Regel-
    versicherung Prämien verlangen, die unabhängig von
    der Höhe des Einkommens sind. Das bedeutet: Wer nicht
    zahlen kann, der muss auf einem von Ihnen noch nicht
    näher bestimmten Amt um Hilfe bitten.

    Für Millionen Menschen will die FDP eine neue
    Megabürokratie aufbauen. In einer Behörde soll nach
    genauer Einkommensprüfung über Zuschüsse zu Kran-
    kenversicherungsbeiträgen entschieden werden. Im Klar-
    text: Wieder einmal ist damit der Schnüffelei Tür und
    Tor geöffnet. Ich dachte immer, dass die Entwürdigun-
    gen durch Hartz-IV-Behörden nicht mehr zu toppen sind.


    (Beifall bei der LINKEN)


    Ein Mensch mit geringem Einkommen, der sein Krank-
    heitsrisiko absichern will, muss nach Ihren Vorstellun-
    gen erst einmal die Hosen herunterlassen – im wahrsten






    (A) (C)



    (B) (D)


    Frank Spieth
    Sinne des Wortes –, bevor er dann, zum Bittsteller degra-
    diert, die Gnade des Sozialstaates erfahren kann.

    Die FDP gibt sich immer als Partei der Freiheit. Ich
    sage Ihnen: Ihre Freiheit ist die Freiheit der Besserver-
    diener.


    (Beifall bei der LINKEN)


    Für Geringverdiener sehen Sie in Ihrem Konzept aber
    weniger Freiheit und dafür mehr Schnüffelei und mehr
    Bürokratie vor.

    Mich wundert es gar nicht, dass Sie unser Konzept
    der solidarischen und sozialen Bürgerinnen- und Bürger-
    versicherung, wie gestern geschehen, als Etikettenschwin-
    del kritisieren. Sie behaupten, das sei keine Versiche-
    rung, sondern eine zweite Steuer. Bei der Umsetzung
    Ihres Konzepts müsste man weitere Steuern einführen
    und/oder bestehende Steuern erhöhen. Das ist ein Etiket-
    tenschwindel.

    Nebulös bleibt die FDP mit ihrem Konzept auch hin-
    sichtlich des Begriffs der Regelversorgung, auf die jeder
    Bürger ein Recht haben soll. Sie schreiben einmal von
    „medizinisch notwendigen Leistungen“. Dann schreiben
    Sie von „medizinisch unbedingt notwendigen Leistun-
    gen“, die „in etwa dem heutigen um bestimmte zahnme-
    dizinische Leistungen und das Krankengeld reduzierten
    GKV-Leistungskatalog entsprechen“. Mit diesem Um-
    schreiben wollen Sie nichts anderes, als den ohnehin
    schon abgespeckten Leistungskatalog weiter zu skelet-
    tieren. Das ist die Logik: Je weniger Solidarleistungen,
    desto mehr Geschäftsfelder entstehen für private Kran-
    kenversicherungen.

    Sie schreiben:

    Jeder Versicherte kann oberhalb des Katalogs von
    Regelleistungen zwischen verschiedenen Paketen
    von Leistungen wählen, auf die er im Versiche-
    rungsfall zusätzlich Anspruch hat.

    Na klar! Jeder Bürger kann auch zwischen einer Vielzahl
    von Luxuslimousinen wählen. Es fehlt bei Ihnen nur der
    Zusatz: „wenn er dafür das notwendige Kleingeld hat“.


    (Beifall bei der LINKEN)


    Ihr Konzept ist sonnenklar: Luxuslimousinen für die Pri-
    vilegierten, die Golfklasse für den Mittelstand und Tret-
    roller für die Geringverdiener. Das ist mit dem Sozial-
    staatsprinzip der Verfassung unvereinbar.


    (Beifall bei der LINKEN)


    Ich gehe davon aus, dass Ihre Vorstellungen einer Re-
    gelversorgung deutlich weniger Leistungen vorsehen
    und deshalb Zusatzversicherungen für jeden zwangsläu-
    fig notwendig werden. Sie wollen das Solidarprinzip in
    der gesetzlichen Krankenversicherung abschaffen. Das
    jetzige umlagefinanzierte System soll nach Ihren Vor-
    stellungen einem kapitalgedeckten System weichen.


    (Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Sehr richtig!)


    Derzeit zahlen die Jungen und Gesunden für die Älteren
    und Kranken. Die FDP will, dass künftig jeder für sein
    eigenes Alter spart. Das hört sich schön an: Wenn jeder
    an sich selbst denkt, dann ist an alle gedacht. Nach die-
    sem Motto hat jeder seinen Sparstrumpf, mit dem er pri-
    vat fürs Alter vorsorgt.

    Diese Vorstellung ist nach meiner Auffassung naiv.
    Wir können gerade in den USA sehen, wie unzuverlässig
    kapitalgedeckte Systeme funktionieren. Dort haben Mil-
    lionen Menschen ihre private Altersvorsorge verloren,
    weil sie mangels sozialstaatlicher Absicherung gezwun-
    gen waren, einem kapitalgedeckten privaten System zu
    vertrauen. Die Bürger hatten nur die Wahl zwischen ris-
    kanten Investmentfonds und profitorientierten Versiche-
    rungskonzernen. Die Menschen stehen nach lebenslan-
    gem Sparen vor dem Nichts. Wollen Sie das auch in
    Deutschland?


    (Zuruf von der SPD: Nein!)


    Zudem hat der Aufbau von Kapitalreserven den
    Nachteil, dass die heutigen Beitragszahler bzw. Versi-
    cherungsnehmer erhebliche Doppelbelastungen zu
    schultern hätten. Zum einen müssen die Versicherten die
    derzeit notwendigen Beiträge zahlen und zum anderen
    zusätzlich einen Kapitalstock ansparen. Das verschwei-
    gen Sie den Menschen. Dieser Systemwechsel wird sehr
    teuer.


    (Widerspruch bei der FDP)


    Die gesetzlichen Krankenkassen, die die FDP am
    liebsten abschaffen will, arbeiten deutlich preiswerter als
    die privaten Krankenversicherungen. Private haben
    zwar geringere Verwaltungskosten, aber es kommen die
    Kosten für die Provision ihrer Versicherungsverkäufer
    und Werbungskosten hinzu. Schon das übersteigt in der
    Regel die durchschnittlichen 6 Prozent Verwaltungskos-
    ten der gesetzlichen Kassen.

    Hinzu kommt noch die Rendite für die Aktionäre. Sie
    muss natürlich auch von den Versicherten gezahlt wer-
    den. Von wem denn sonst? Keine Versicherung wird ihr
    Produkt zum Selbstkostenpreis anbieten. Das gibt es nur
    bei den gesetzlichen Krankenkassen. Von jedem in die
    gesetzlichen Kassen gezahlten Euro gehen 94 Cent als
    Leistungen an die Versicherten zurück, bei der privaten
    Krankenversicherung sind dies nur 74 Cent.

    Die FDP macht mit ihrem Konzept ganz nebenbei ein
    Subventionsprogramm für Allianz und Co. Das wundert
    mich nicht; denn ein Drittel der Finanzmittel der FDP
    kommt aus Spenden. Gerade bei der Allianz hat die FDP
    offenkundig noch etwas gutzumachen:


    (Beifall bei der LINKEN)


    Aus der Spendenpulle der Allianz bekamen laut der Zeit-
    schrift Capital vom 14. Dezember 2006 in den Jahren
    2002 bis 2006 CDU, SPD und sogar Grüne jeweils
    240 000 Euro, die CSU 180 000 Euro, aber die FDP nur
    150 000 Euro. Meine Partei bekommt keine Spenden der
    Allianz, und das finde ich prima.

    Einem der Hauptbegünstigten der Allianz macht die
    FDP neuerdings Koalitionsavancen. Seit die SPD mal
    wieder den Vorsitzenden weggeputscht und ausgetauscht
    hat, können sich Teile der FDP eine Koalition mit der
    SPD vorstellen, wie zu lesen war. Man liest auch, dass






    (A) (C)



    (B) (D)


    Frank Spieth
    umgekehrt Franz Müntefering gerne eine Koalition mit
    der FDP eingehen würde.


    (Dr. Karl Addicks [FDP]: Wollen Sie nicht über den Gesundheitsfonds sprechen?)


    Es gab schon einmal eine sozialliberale Koalition auf
    Bundesebene von 1969 bis 1982. Diese Koalition wurde
    durch einen Kurswechsel der FDP eingeleitet, der in die
    Freiburger Thesen mündete.


    (Dr. Karl Addicks [FDP]: Kommen Sie mal zum Thema zurück, Herr Spieth!)


    In diesen Thesen war von „Rechten auf Leben und Ge-
    sundheit“ die Rede, „die die großen demokratischen Er-
    rungenschaften einer Liberalisierung des Staates“ seien.

    Grund für die Beendigung der sozialliberalen Koali-
    tion und das Zusammengehen der FDP mit Helmut Kohl
    war die Abkehr von den Freiburger Thesen und die Ab-
    kehr von der Sozialpolitik der 70er-Jahre. Mit „Rechten
    auf Leben und Gesundheit“ im Sinne eines „sozialen
    Liberalismus“ – wie es damals in Ihren Freiburger The-
    sen hieß – hat Ihr heutiges gesundheitspolitisches Kon-
    zept nichts mehr zu tun.


    (Beifall bei der LINKEN)


    Die SPD hielt zu jener Zeit noch an ihrer Sozialpolitik
    fest. Deshalb zerbrach diese Koalition.

    Unter Gerhard Schröder hat sich die SPD von ihrer
    Idee der sozialen Gerechtigkeit, die sie in den 70er- und
    80er-Jahren vertrat, verabschiedet. Sie hat sich – wie alle
    anderen Parteien außer der Linken – zum Neoliberalis-
    mus bekannt.


    (Elke Ferner [SPD]: Das glauben selbst Sie nicht!)


    Na prima! Und alle diese neoliberalen Parteien sind
    selbstverständlich grundsätzlich miteinander koalitions-
    fähig. Man könnte sagen: Schade um den Sozialstaat!


    (Beifall bei der LINKEN)


    Die Linke hat andere Vorstellungen von einem ge-
    rechten Gesundheitssystem. Wir wollen eine solidari-
    sche Bürgerinnen- und Bürgerversicherung. In dieser
    sind nach unserer Vorstellung alle Menschen unabhängig
    von Einkommen und Beruf versichert.


    (Elke Ferner [SPD]: Die haben wir schon gewollt, da hat es Ihre Partei noch gar nicht gegeben!)


    Das schreibt auch die SPD. Das heißt, auch Selbststän-
    dige, Beamte und Politiker sind da mit drin.


    (Beifall bei der LINKEN)


    Alle zahlen den gleichen prozentualen Anteil ihres Ein-
    kommens. Bisher wird aber nur Einkommen aus Er-
    werbsarbeit herangezogen.


    (Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: Sagen Sie einmal, wie viel es mehr kostet, damit Ihre Wähler das auch wissen!)


    Wir wollen, dass alle Einkommensarten, also auch Kapi-
    taleinkünfte, herangezogen werden.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Also noch teurer! – Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Neue Bürokratie!)


    Bei Einkommen aus Erwerbsarbeit zahlt der Arbeit-
    geber die Hälfte der Beiträge. Durch die Verbreiterung
    der Versicherten- und Finanzierungsbasis können wir
    dann die Beitragssätze senken.


    (Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: Beiträge auf das Einfamilienhaus!)


    Statt 15,5 Prozent oder noch mehr im Gesundheitsfonds
    wären dann 8,6 Prozent möglich. Da wir aber sämtliche
    Zuzahlungen abschaffen und die Kürzungen der letzten
    Jahre wieder rückgängig machen wollen,


    (Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: Wird es noch teurer!)


    wird der Beitragssatz bei etwa 10 Prozent liegen. Das ist
    unser Angebot.


    (Beifall bei der LINKEN – Zuruf von der CDU/CSU)


    Der Argumentation der FDP können wir nicht folgen.
    Eine Privatisierung der Krankenversicherung ist der fal-
    sche Weg. Ihr Antrag, meine Damen und Herren, zielt in
    die falsche Richtung. Deshalb lehnen wir ihn ab.


    (Beifall bei der LINKEN)