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ID1617923300

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    Plenarprotokoll 16/179 Peer Steinbrück, Bundesminister BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Hermann Otto Solms (FDP) . . . . . . . . . . . Dr. Michael Meister (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Oskar Lafontaine (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Ludwig Stiegler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Herbert Schui (DIE LINKE) . . . . . . . . Dr. Diether Dehm (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 3: a) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur arbeitsmarktadäquaten Steuerung der Zuwanderung Hochqua- lifizierter und zur Änderung weiterer aufenthaltsrechtlicher Regelungen (Ar- beitsmigrationssteuerungsgesetz) (Drucksache 16/10288) . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Brigitte Pothmer, Rainder Steenblock, Manuel Sarrazin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Abschottungspolitik beenden – Volle Arbeitnehmerfreizügigkeit ab 2009 her- stellen 18968 D 18978 A 18980 B 18982 D 18986 C 18988 A 18989 B 18991 A 18991 B 18991 C 19006 B Deutscher B Stenografisc 179. Si Berlin, Donnerstag, de I n h a Glückwünsche zum Geburtstag der Abgeord- neten Ilse Falk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wahl der Abgeordneten Marianne Schieder und Karin Binder zu Schriftführerinnen . . Erweiterung und Abwicklung der Tagesord- nung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Absetzung der Tagesordnungspunkte 14 b und 35 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachträgliche Ausschussüberweisung . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 2: Abgabe einer Regierungserklärung durch den Bundesminister der Finanzen: zur Lage der Finanzmärkte 18967 A 18967 B 18967 B 18968 B 18968 B Rainer Brüderle (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18993 D 18995 B undestag her Bericht tzung n 25. September 2008 l t : Nina Hauer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ortwin Runde (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Otto Bernhardt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Carsten Schneider (Erfurt) (SPD) . . . . . . . . . Dr. Herbert Schui (DIE LINKE) . . . . . . . . Jörg-Otto Spiller (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 18995 D 18997 B 18998 B 18999 C 19000 D 19001 B 19002 B 19003 C 19003 D 19005 A (Drucksache 16/10237) . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit . 19006 C II Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 179. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. September 2008 Zusatztagesordnungspunkt 3: Erste Beratung des von den Abgeordneten Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Gisela Piltz, Dr. Max Stadler, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Auf- enthalts und der Integration von Unions- bürgern und Ausländern (Zuwanderungs- gesetz) (Drucksache 16/9091) . . . . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 4: Antrag der Abgeordneten Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Dr. Heinrich L. Kolb, Dirk Niebel, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der FDP: EU-Arbeitnehmerfreizügig- keit sofort und unbeschränkt in der Bun- desrepublik Deutschland gewähren (Drucksache 16/10310) . . . . . . . . . . . . . . . . . Peter Altmaier, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP) . . . . . . . . Josip Juratovic (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sevim Dağdelen (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU) . . . . . Rüdiger Veit (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Hennrich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 38: a) Erste Beratung des vom Bundesrat einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Än- derung des § 33 des Gerichtsverfas- sungsgesetzes (Drucksache 16/514) . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erste Beratung des vom Bundesrat einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Än- derung des § 573 Abs. 2 des Bürger- lichen Gesetzbuchs (Drucksache 16/1029) . . . . . . . . . . . . . . . . c) Erste Beratung des vom Bundesrat einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Än- derung der Verwaltungsgerichtsord- nung (Drucksache 16/1345) . . . . . . . . . . . . . . . . d) Erste Beratung des vom Bundesrat einge- brachten Entwurfs eines ... Strafrechtsän- derungsgesetzes – § 21 StGB (... StrÄndG) (Drucksache 16/4021) . . . . . . . . . . . . . . . . 19006 C 19006 C 19006 D 19007 D 19009 D 19011 B 19013 A 19014 D 19016 C 19018 C 19019 D 19019 D 19019 D 19019 D e) Erste Beratung des vom Bundesrat einge- brachten Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung des Bundeszentralregisterge- setzes (Drucksache 16/4199) . . . . . . . . . . . . . . . f) Erste Beratung des vom Bundesrat einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung des Opferschutzes im Straf- prozess (Drucksache 16/7617) . . . . . . . . . . . . . . . g) Erste Beratung des vom Bundesrat einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur In- tensivierung des Einsatzes von Video- konferenztechnik in gerichtlichen und staatsanwaltschaftlichen Verfahren (Drucksache 16/7956) . . . . . . . . . . . . . . . h) Erste Beratung des vom Bundesrat einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Re- form des strafrechtlichen Wiederauf- nahmerechts (Drucksache 16/7957) . . . . . . . . . . . . . . . i) Erste Beratung des vom Bundesrat einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Än- derung der Bundesnotarordnung und anderer Gesetze (Drucksache 16/8696) . . . . . . . . . . . . . . . j) Erste Beratung des vom Bundesrat einge- brachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Bundeszentralregisterge- setzes (Drucksache 16/9021) . . . . . . . . . . . . . . . k) Erste Beratung des vom Bundesrat einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes der Opfer von Zwangsheirat und schwerem „Stal- king“ (Drucksache 16/9448) . . . . . . . . . . . . . . . l) Erste Beratung des vom Bundesrat einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung einer Modellklausel in die Berufsgesetze der Hebammen, Logopä- den, Physiotherapeuten und Ergothera- peuten (Drucksache 16/9898) . . . . . . . . . . . . . . . m) Erste Beratung des vom Bundesrat einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Än- derung des Gesetzes über den Bau und den Betrieb von Versuchsanlagen zur Erprobung von Techniken für den spurgeführten Verkehr (Drucksache 16/9899) . . . . . . . . . . . . . . . n) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Anpassung der Vorschriften des Internationalen Privatrechts an die Ver- ordnung (EG) Nr. 864/2007 (Drucksache 16/9995) . . . . . . . . . . . . . . . 19020 A 19020 A 19020 A 19020 A 19020 B 19020 B 19020 B 19020 B 19020 C 19020 C Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 179. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. September 2008 III o) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Dün- gegesetzes (Drucksache 16/10032) . . . . . . . . . . . . . . . p) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Drit- ten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Meldungen über Marktordnungs- waren (Drucksache 16/10033) . . . . . . . . . . . . . . . q) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Durchführung des Übereinkom- mens vom 30. Oktober 2007 über die gerichtliche Zuständigkeit und die An- erkennung und Vollstreckung von Ent- scheidungen in Zivil- und Handelssa- chen (Drucksache 16/10119) . . . . . . . . . . . . . . . r) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Abwehr von Gefahren des inter- nationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt (Drucksache 16/10121) . . . . . . . . . . . . . . . s) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Durchführung gemeinschaftli- cher Vorschriften über das Verbot der Einfuhr, der Ausfuhr und des Inver- kehrbringens von Katzen- und Hunde- fellen (Katzen- und Hundefell- Einfuhr- Verbotsgesetz – KHfEVerbG) (Drucksache 16/10122) . . . . . . . . . . . . . . . t) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Ge- setzes über das Personal der Bundes- agentur für Außenwirtschaft (BfAI- Personalgesetz – BfAIPG) (Drucksache 16/10293) . . . . . . . . . . . . . . . u) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Fünf- ten Gesetzes zur Änderung des Filmför- derungsgesetzes (Drucksache 16/10294) . . . . . . . . . . . . . . . v) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Protokoll vom 15. Oktober 2007 zur Änderung des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutsch- land und der Russischen Föderation zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Ein- kommen und vom Vermögen vom 29. Mai 1996 und des Protokolls hierzu vom 29. Mai 1996 (Drucksache 16/10295) . . . . . . . . . . . . . . . 19020 C 19020 D 19020 D 19020 D 19021 A 19021 A 19021 A 19021 A w) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Vertrag vom 3. März 2008 zwischen der Bundesrepublik Deutsch- land und dem Zentralrat der Juden in Deutschland – Körperschaft des öffent- lichen Rechts – zur Änderung des Ver- trages vom 27. Januar 2003 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Zentralrat der Juden in Deutsch- land – Körperschaft des öffentlichen Rechts – (Drucksache 16/10296) . . . . . . . . . . . . . . x) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Drei- zehnten Gesetzes zur Änderung des Luftverkehrsgesetzes (Drucksache 16/10297) . . . . . . . . . . . . . . y) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Vier- ten Gesetzes zur Änderung des Allge- meinen Eisenbahngesetzes (Drucksache 16/10298) . . . . . . . . . . . . . . z) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Veröffentlichung von Informa- tionen über die Zahlung von Mitteln aus den Europäischen Fonds für Land- wirtschaft und Fischerei (Agrar- und Fischereifonds-Informationen-Gesetz – AFIG) (Drucksache 16/10299) . . . . . . . . . . . . . . aa) Antrag der Abgeordneten Sylvia Kotting- Uhl, Cornelia Behm, Hans-Josef Fell, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Grenz- werte bei Müllverbrennungsanlagen dem technischen Fortschritt anpassen und deutlich absenken (Drucksache 16/5775) . . . . . . . . . . . . . . . bb)Antrag der Abgeordneten Michael Leutert, Hüseyin-Kenan Aydin, Monika Knoche, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Für die Durchset- zung von Mindeststandards humanen Arbeitens in der Volksrepublik China eintreten – Menschenrechte und Sozial- standards bei Konzerngeschäften in und mit China durchsetzen (Drucksache 16/9413) . . . . . . . . . . . . . . . cc) Antrag der Abgeordneten Irmingard Schewe-Gerigk, Volker Beck (Köln), Kai Gehring, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Grundrechte schützen – Frauenhäuser sichern (Drucksache 16/10236) . . . . . . . . . . . . . . 19021 B 19021 B 19021 C 19021 C 19021 C 19021 C 19021 C IV Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 179. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. September 2008 dd)Bericht des Ausschusses für Bildung, For- schung und Technikfolgenabschätzung ge- mäß § 56 a der Geschäftsordnung: Tech- nikfolgenabschätzung (TA) Potenziale und Anwendungsperspektiven der Bio- nik (Vorstudie) (Drucksache 16/3774) . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Bericht des Ausschusses für Bildung, For- schung und Technikfolgenabschätzung ge- mäß § 56 a der Geschäftsordnung: Technikfolgenabschätzung (TA) Politik- Benchmarking: Akademische Spin-offs in Ost- und Westdeutschland und ihre Erfolgsbedingungen (Drucksache 16/4669) . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Bericht des Ausschusses für Bildung, For- schung und Technikfolgenabschätzung gemäß § 56 a der Geschäftsordnung: Technikfolgenabschätzung (TA) Politik- benchmarking: Nachfrageorientierte Innovationspolitik (Drucksache 16/5064) . . . . . . . . . . . . . . . . gg)Bericht des Ausschusses für Bildung, For- schung und Technikfolgenabschätzung ge- mäß § 56 a der Geschäftsordnung: Technikfolgenabschätzung (TA) TA-Vor- studie: Perspektiven eines CO2- und emissionsarmen Verkehrs – Kraftstoffe und Antriebe im Überblick (Drucksache 16/5325) . . . . . . . . . . . . . . . . hh)Bericht des Ausschusses für Bildung, For- schung und Technikfolgenabschätzung ge- mäß § 56 a der Geschäftsordnung: Tech- nikfolgenabschätzung (TA) TA-Projekt: Hirnforschung (Drucksache 16/7821) . . . . . . . . . . . . . . . . ii) Bericht des Ausschusses für Bildung, For- schung und Technikfolgenabschätzung ge- mäß § 56 a der Geschäftsordnung: Technikfolgenabschätzung (TA) Inter- netkommunikation in und mit Entwick- lungsländern – Chancen für die Ent- wicklungszusammenarbeit am Beispiel Afrik (Drucksache 16/9918) . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 5: a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Hermann Otto Solms, Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung der Steuerautonomie in den Ländern (Erbschaftsteuerreform- gesetz) (Drucksache 16/10309) . . . . . . . . . . . . . . . 19022 A 19022 A 19022 B 19022 B 19022 C 19022 C 19022 D b) Antrag der Abgeordneten Jürgen Trittin, Kerstin Müller (Köln), Winfried Nachtwei, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Kontraproduktive US-Operationen in Pakistan sofort einstellen – Umfassende Strategie zur Stabilisierung Pakistans entwickeln (Drucksache 16/10333) . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 39: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Kerstin Müller (Köln), Winfried Nachtwei, Jürgen Trittin, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Keine mi- litärische Eskalation gegenüber dem Iran – Konflikt um das Atomprogramm mit Verhandlungen lösen (Drucksachen 16/4407, 16/7515) . . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des In- nenausschusses zu dem Antrag der Abge- ordneten Wolfgang Wieland, Volker Beck (Köln), Monika Lazar, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Europol-Beschluss rechts- staatlich verbessern (Drucksachen 16/7742, 16/9825) . . . . . . . c) Beschlussempfehlung und Bericht des In- nenausschusses zu dem Antrag der Abge- ordneten Josef Philip Winkler, Volker Beck (Köln), Monika Lazar, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Das Parlament bei der Ausgestaltung des Einbürge- rungstests beteiligen (Drucksachen 16/9602, 16/9945) . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 6: Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses: Übersicht 12 über die dem Deutschen Bun- destag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht (Drucksache 16/10321) . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 5: Beschlussempfehlung und Bericht des Fi- nanzausschusses zu dem Antrag der Abgeord- neten Dr. Barbara Höll, Werner Dreibus, Ulla Lötzer, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion DIE LINKE: Entfernungspauschale sofort vollständig anerkennen – Verfas- sungsmäßigkeit und Steuergerechtigkeit herstellen (Drucksachen 16/9167, 16/9569) . . . . . . . . . . 19022 D 19023 A 19023 B 19023 C 19023 D 19023 D Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 179. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. September 2008 V Florian Pronold (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bartholomäus Kalb (CDU/CSU) . . . . . . . . Dr. Volker Wissing (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . Albert Rupprecht (Weiden) (CDU/CSU) . . . . Klaus Ernst (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . Christine Scheel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Otto Bernhardt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 4: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Jahressteuer- gesetzes 2009 (JStG 2009) (Drucksache 16/10189) . . . . . . . . . . . . . . . . . Nicolette Kressl, Parl. Staatssekretärin BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Volker Wissing (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . Eduard Oswald (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Ernst Burgbacher (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Eduard Oswald (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Christine Scheel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gabriele Frechen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . Antje Tillmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 7: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Modernisierung des Vergabe- rechts (Drucksache 16/10117) . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Ulla Lötzer, Werner Dreibus, Dr. Diether Dehm, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Tariftreue europarechtlich ab- sichern (Drucksache 16/9636) . . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit 19024 A 19024 D 19026 A 19027 B 19029 B 19030 D 19031 C 19032 C 19035 C 19032 C 19032 D 19033 D 19037 B 19039 B 19039 C 19039 D 19040 D 19041 D 19042 B 19043 B 19044 C 19045 C 19045 C Zusatztagesordnungspunkt 7: Antrag der Abgeordneten Rainer Brüderle, Martin Zeil, Birgit Homburger, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion der FDP: Novel- lierung des Vergaberechts für Bürokratie- abbau nutzen – Bundesweit einheitliches Präqualifizierungssystem für Leistungen einführen (Drucksache 16/9092) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dagmar Wöhrl, Parl. Staatssekretärin BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Paul K. Friedhoff (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Reinhard Schultz (Everswinkel) (SPD) . . . . . Ulla Lötzer (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Walter Riester (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 8: a) Antrag der Abgeordneten Ulrike Höfken, Cornelia Behm, Nicole Maisch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Gentech- nikfreie Regionen stärken – Bundesre- gierung soll Forderungen aus Bayern aufnehmen und weiterentwickeln (Drucksache 16/10202) . . . . . . . . . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirt- schaft und Verbraucherschutz zu dem An- trag der Abgeordneten Ulrike Höfken, Cornelia Behm, Nicole Maisch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Rahmen- bedingungen für Milchmarkt verbes- sern – Faire Erzeugerpreise für Milch unterstützen (Drucksachen 16/9601, 16/9869) . . . . . . . Renate Künast (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peter Bleser (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Christel Happach-Kasan (FDP) . . . . . . Undine Kurth (Quedlinburg) (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . 19045 D 19045 D 19046 C 19047 D 19049 B 19050 A 19051 A 19052 C 19053 B 19053 B 19053 C 19054 D 19055 D 19056 C 19057 B 19057 C 19058 B VI Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 179. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. September 2008 Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Marianne Schieder (SPD) . . . . . . . . . . . . . Hans-Michael Goldmann (FDP) . . . . . . . . . . Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD) . . . . . . . Hans-Michael Goldmann (FDP) . . . . . . . . . . Elvira Drobinski-Weiß (SPD) . . . . . . . . . . . . . Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . . Ulrich Kelber (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Christel Happach-Kasan (FDP) . . . . . . Julia Klöckner (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Max Straubinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Dr. Gerd Müller (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Ulrich Kelber (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Renate Künast (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (zur Geschäftsordnung) . . Tagesordnungspunkt 6: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Absicherung flexibler Arbeitszeitrege- lungen (Drucksache 16/10289) . . . . . . . . . . . . . . . . . Olaf Scholz, Bundesminister BMAS . . . . . . . Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Meckelburg (CDU/CSU) . . . . . . . . Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Grotthaus (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . Klaus-Peter Flosbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 10: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Arbeit und Soziales – zu dem Antrag der Abgeordneten Jörg Rohde, Dr. Heinrich L. Kolb, Dr. Karl Addicks, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Altersvorsorge für Geringverdiener attraktiv gestalten – zu dem Antrag der Abgeordneten Klaus Ernst, Dr. Lothar Bisky, Dr. Martina Bunge, weiterer Abgeordneter und der 19058 D 19059 A 19060 A 19061 C 19061 D 19061 D 19062 D 19063 D 19064 D 19065 D 19066 B 19067 A 19067 C 19068 A 19068 D 19070 B 19070 B 19072 A 19073 B 19075 A 19076 C 19077 C 19078 A 19079 A Fraktion DIE LINKE: Riesterrente auf den Prüfstand stellen (Drucksachen 16/7177, 16/8495, 16/10356) . . . . Gabriele Hiller-Ohm (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Gabriele Hiller-Ohm (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Jörg Rohde (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) . . . Jörg Rohde (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Volker Schneider (Saarbrücken) (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lydia Westrich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Volker Schneider (Saarbrücken) (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Max Straubinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) . . . . . Tagesordnungspunkt 9: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Christian Ruck, Dr. Wolf Bauer, Hartwig Fischer (Göttingen), weiterer Ab- geordneter und der Fraktion der CDU/ CSU sowie der Abgeordneten Dr. Bärbel Kofler, Dr. Sascha Raabe, Gregor Amann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Förderung von Bildung und Ausbildung – Entwicklungspolitischen Schlüsselsektor konsequent ausbauen – zu dem Antrag der Abgeordneten Hüseyin-Kenan Aydin, Monika Knoche, Dr. Diether Dehm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Entwick- lung braucht Bildung – Den deutschen Beitrag erhöhen (Drucksachen 16/9424, 16/8812, 16/10360) . Dr. Bärbel Kofler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Hellmut Königshaus (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Anette Hübinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Hüseyin-Kenan Aydin (DIE LINKE) . . . . . . Dr. Sascha Raabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Sibylle Pfeiffer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Hüseyin-Kenan Aydin (DIE LINKE) . . . . . . Ute Koczy (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Christel Riemann-Hanewinckel (SPD) . . . . . 19080 B 19080 C 19081 D 19082 A 19082 B 19084 A 19085 A 19086 B 19087 B 19088 D 19090 D 19091 A 19092 B 19092 C 19093 A 19094 D 19096 A 19097 D 19098 D 19099 A 19099 B 19099 C 19100 C Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 179. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. September 2008 VII Tagesordnungspunkt 12: Antrag der Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch, Dr. Dietmar Bartsch, Karin Binder, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Keine Lobbyisten in den Ministerien (Drucksache 16/9484) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Roland Claus (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Ralf Göbel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . Christian Ahrendt (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Peter Friedrich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 11: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Tourismus – zu der Unterrichtung durch die Bun- desregierung: Tourismuspolitischer Bericht der Bundesregierung – 16. Legislaturperiode – – zu dem Entschließungsantrag der Ab- geordneten Ernst Burgbacher, Jens Ackermann, Christian Ahrendt, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion der FDP zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Tourismuspoliti- scher Bericht der Bundesregierung – 16. Legislaturperiode – (Drucksachen 16/8000, 16/8194, 16/10187) . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Tourismus zu dem Antrag der Abgeordneten Klaus Brähmig, Jürgen Klimke, Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Annette Faße, Brunhilde Irber, Renate Gradistanac, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Messen und Ge- schäftsreisen als Chance für den Touris- musstandort Deutschland (Drucksachen 16/5958, 16/9255) . . . . . . . c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Tourismus – zu dem Antrag der Abgeordneten Klaus Brähmig, Bernward Müller (Gera), Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof), weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der CDU/CSU sowie der Abge- ordneten Annette Faße, Renate Gradistanac, Bettina Hagedorn, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Chancen des demographischen Wandels im Tourismus nutzen 19101 D 19102 A 19102 D 19103 D 19104 B 19105 C 19106 C 19107 B 19107 C – zu dem Antrag der Abgeordneten Bettina Herlitzius, Britta Haßelmann, Markus Kurth, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Barrierefreiheit und de- mografischer Wandel – Auf die He- rausforderungen für den Tourismus reagieren (Drucksachen 16/8777, 16/9315, 16/10073) . d) Antrag der Abgeordneten Klaus Brähmig, Uda Carmen Freia Heller, Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Annette Faße, Engelbert Wistuba, Dr. Carl-Christian Dressel, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Reformationsjubiläum 2017 als welthistorisches Ereignis würdigen (Drucksache 16/9830) . . . . . . . . . . . . . . . e) Antrag der Abgeordneten Klaus Brähmig, Anita Schäfer (Saalstadt), Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Annette Faße, Gabriele Hiller-Ohm, Renate Gradistanac, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Bauernhofurlaub und Landtourismus weiter fördern – Ländliche Räume nachhaltig stärken (Drucksache 16/10320) . . . . . . . . . . . . . . f) Antrag der Abgeordneten Dr. Ilja Seifert, Katrin Kunert, Dr. Gesine Lötzsch, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Barrierefreier Tourismus für alle in Deutschland (Drucksache 16/10317) . . . . . . . . . . . . . . Ernst Hinsken, Beauftragter der Bundes- regierung für Tourismus . . . . . . . . . . . . . . Ernst Burgbacher (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Gabriele Hiller-Ohm (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Brunhilde Irber (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Uda Carmen Freia Heller (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Engelbert Wistuba (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 14: a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Jerzy Montag, Volker Beck (Köln), Monika Lazar, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines ... Strafrechtsänderungsgesetzes – Be- 19107 B 19108 A 19108 A 19108 B 19108 C 19110 B 19111 C 19112 D 19114 B 19115 A 19116 B 19117 B VIII Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 179. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. September 2008 stechung und Bestechlichkeit von Abge- ordneten – (... StrÄndG) (Drucksache 16/6726) . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jörg van Essen (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Joachim Stünker (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 13: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanz- rechtsmodernisierungsgesetz – BilMoG) (Drucksache 16/10067) . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 16: Antrag der Abgeordneten Elke Hoff, Dr. Werner Hoyer, Jens Ackermann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP so- wie der Abgeordneten Jürgen Trittin, Winfried Nachtwei, Kerstin Müller (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: NSG-Aus- nahmeregelung für Indien beschädigt das nukleare Nichtverbreitungsregime – Zu- stimmung der Bundesregierung ist Beleg einer falschen Abrüstungspolitik (Drucksache 16/10355) . . . . . . . . . . . . . . . . . Elke Hoff (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eckart von Klaeden (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE) . . . . . . . . . Dr. h. c. Gernot Erler, Staatsminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eckart von Klaeden (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Uta Zapf (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 15: a) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bundesbericht zur Förderung des Wis- senschaftlichen Nachwuchses (Drucksache 16/8491) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Kai Gehring, Priska Hinz (Herborn), Krista Sager, wei- 19118 D 19119 A 19120 A 19121 B 19122 A 19123 B 19125 B 19125 C 19125 D 19127 A 19128 C 19129 C 19130 A 19131 B 19131 C 19131 D 19133 A terer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wissen- schaft als Beruf attraktiver machen – Den wissenschaftlichen Nachwuchs bes- ser unterstützen (Drucksache 16/9104) . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 18: Antrag der Abgeordneten Katja Kipping, Katrin Kunert, Klaus Ernst, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion DIE LINKE: So- zialticket für die Deutsche Bahn AG (Drucksache 16/10264) . . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus Hofbauer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Uwe Beckmeyer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Patrick Döring (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Katja Kipping (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 17: Unterrichtung durch die Bundesregierung: Nationales Reformprogramm Deutschland 2008 bis 2010 Umsetzungs- und Fortschrittsbericht 2008 (Drucksache 16/10250) . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 20: Antrag der Abgeordneten Britta Haßelmann, Ekin Deligöz, Kai Gehring, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Diskriminierende Altersgrenzen im Bereich des bürgerschaftlichen Engage- ments aufheben (Drucksache 16/9630) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 19: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Geset- zes zur Änderung des Energieeinsparungs- gesetzes (Drucksachen 16/10290, 16/10331) . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 22: a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Gudrun Kopp, Martin Zeil, Rainer Brüderle, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung wettbe- werblicher Strukturen im Markt für Postdienstleistungen (PostWettG) (Drucksache 16/8906) . . . . . . . . . . . . . . . 19133 A 19133 B 19133 C 19134 B 19135 A 19135 D 19136 B 19137 A 19137 B 19137 C 19137 D Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 179. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. September 2008 IX b) Antrag der Abgeordneten Gudrun Kopp, Rainer Brüderle, Martin Zeil, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion der FDP: Wettbewerbsintensität im Binnen- markt für Postdienstleistungen erhöhen (Drucksache 16/8773) . . . . . . . . . . . . . . . . Alexander Dobrindt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Klaus Barthel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gudrun Kopp (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sabine Zimmermann (DIE LINKE) . . . . . . . . Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 21: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Investitionszu- lagengesetzes 2010 (InvZulG 2010) (Drucksache 16/10291) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Manfred Kolbe (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Simone Violka (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Christian Ahrendt (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Roland Claus (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Peter Hettlich (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 24: Antrag der Abgeordneten Frank Spieth, Dr. Martina Bunge, Dr. Ilja Seifert, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Das Gesundheitssystem nachhaltig und pa- ritätisch finanzieren – Gesundheitsfonds, Zusatzbeiträge und Teilkaskotarife stop- pen (Drucksache 16/10318) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Rolf Koschorrek (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Peter Friedrich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Konrad Schily (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Frank Spieth (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 23: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Geset- zes zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (Drucksache 16/10145) . . . . . . . . . . . . . . . . . 19137 D 19138 A 19139 A 19140 B 19141 B 19141 D 19142 D 19142 D 19143 C 19144 C 19145 B 19146 B 19147 A 19147 B 19148 B 19149 B 19149 C 19150 C 19151 C Tagesordnungspunkt 26: Antrag der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Winfried Nachtwei, Marieluise Beck (Bremen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Für klare menschen- und völkerrechtliche Bin- dungen bei Auslandseinsätzen der Bundes- wehr (Drucksache 16/8402) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Holger Haibach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Christoph Strässer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Florian Toncar (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Norman Paech (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gert Winkelmeier (fraktionslos) . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 25: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Anpassung von Vorschriften auf dem Ge- biet des ökologischen Landbaus an die Ver- ordnung (EG) Nr. 834/2007 des Rates vom 28. Juni 2007 über die ökologische/biologi- sche Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnis- sen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 (Drucksache 16/10174) . . . . . . . . . . . . . . . . . Marlene Mortler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Gustav Herzog (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Michael Goldmann (FDP) . . . . . . . . . . Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) . . . . . . . Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 28: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe zu dem Antrag der Abgeordneten Michael Leutert, Hüseyin-Kenan Aydin, Monika Knoche, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Für die soziale Re- habilitation von Kindersoldaten eintreten (Drucksachen 16/6358, 16/8789) . . . . . . . . . . Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU) . . . Angelika Graf (Rosenheim) (SPD) . . . . . . . . . Burkhardt Müller-Sönksen (FDP) . . . . . . . . . Michael Leutert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19151 D 19152 A 19153 A 19155 A 19156 A 19156 D 19157 C 19158 C 19158 C 19159 C 19160 C 19160 C 19161 D 19162 C 19162 C 19163 B 19164 A 19165 A 19165 D X Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 179. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. September 2008 Tagesordnungspunkt 27: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neufassung des Raumordnungsgesetzes und zur Änderung anderer Vorschriften (GeROG) (Drucksachen 16/10292, 16/10332) . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 29: Antrag der Abgeordneten Monika Lazar, Volker Beck (Köln), Kai Gehring, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Verbot der Nazi-Jugendorganisation „Heimattreue Deutsche Jugend e.V.“ prüfen (Drucksache 16/9801) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kristina Köhler (Wiesbaden) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gabriele Fograscher (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Christian Ahrendt (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . Monika Lazar (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gert Winkelmeier (fraktionslos) . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 30: Antrag der Abgeordneten Rainder Steenblock, Winfried Nachtwei, Alexander Bonde, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die Zeit- bombe der Munitionsaltlasten in Nord- und Ostsee entschärfen (Drucksache 16/9103) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ingbert Liebing (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Detlef Müller (Chemnitz) (SPD) . . . . . . . . . . . Dr. Christel Happach-Kasan (FDP) . . . . . . . Lutz Heilmann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 31: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Arbeit und Soziales zu dem An- trag der Abgeordneten Markus Kurth, Brigitte Pothmer, Irmingard Schewe-Gerigk, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Arbeitslosengeld II unbürokratisch berechnen und auszahlen – Rechts- und Planungssicherheit für Leis- tungsbeziehende schaffen (Drucksachen 16/7838, 16/8445) . . . . . . . . . . 19166 B 19166 C 19166 D 19167 C 19168 C 19169 C 19170 B 19171 A 19171 D 19172 A 19173 C 19174 D 19175 D 19176 D 19177 C Karl Schiewerling (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Angelika Krüger-Leißner (SPD) . . . . . . . . . . Dirk Niebel (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Katja Kipping (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Berichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . Anlage 2 Erklärungen nach § 31 GO zur namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung zu dem Antrag: Entfernungspauschale sofort vollständig anerkennen – Verfassungsmäßig- keit und Steuergerechtigkeit herstellen (Ta- gesordnungspunkt 5) Dorothee Bär (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Veronika Bellmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Klaus Brähmig (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Alexander Dobrindt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Jochen-Konrad Fromme (CDU/CSU) . . . . . . Eberhard Gienger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Robert Hochbaum (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Franz-Josef Holzenkamp (CDU/CSU) . . . . . . Dr. Peter Jahr (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Hans-Heinrich Jordan (CDU/CSU) . . . . . Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Paul Lehrieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Stefan Müller (Erlangen) (CDU/CSU) . . . . . Henning Otte (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Anita Schäfer (Saalstadt) (CDU/CSU) . . . . . Marco Wanderwitz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Ingo Schmitt (Berlin), Kai Wegner, Karl- Georg Wellmann und Monika Grütters (alle CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung zu dem An- trag: Entfernungspauschale sofort vollständig anerkennen – Verfassungsmäßigkeit und Steu- 19177 D 19178 C 19179 D 19180 C 19181 A 19182 C 19182 A, C 19183 A 19183 C 19184 A 19184 B 19184 D 19185 A 19185 A 19185 C 19185 D 19186 A 19186 B 19186 C 19186 D 19187 C 19187 D 19188 A 19188 C Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 179. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. September 2008 XI ergerechtigkeit herstellen (Tagesordnungs- punkt 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Monika Brüning und Rita Pawelski (beide CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung zu dem An- trag: Entfernungspauschale sofort vollständig anerkennen – Verfassungsmäßigkeit und Steu- ergerechtigkeit herstellen (Tagesordnungs- punkt 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, Dr. Klaus W. Lippold, Dr. Georg Nüßlein, Daniela Raab und Dr. Andreas Scheuer (alle CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung zu dem An- trag: Entfernungspauschale sofort vollständig anerkennen – Verfassungsmäßigkeit und Steu- ergerechtigkeit herstellen (Tagesordnungs- punkt 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 6 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Martin Burkert, Dr. Carl-Christian Dressel, Petra Ernstberger, Gabriele Fograscher, Günter Gloser, Angelika Graf (Rosenheim), Frank Hofmann (Volkach), Brunhilde Irber, Dr. h. c. Susanne Kastner, Dr. Bärbel Kofler, Walter Kolbow, Anette Kramme, Heinz Paula, Florian Pronold, Marlene Rupprecht (Tuchenbach), Marianne Schieder, Ewald Schurer, Ludwig Stiegler und Jella Teuchner (alle SPD) zur namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung zu dem An- trag: Entfernungspauschale sofort vollständig anerkennen – Verfassungsmäßigkeit und Steu- ergerechtigkeit herstellen (Tagesordnungs- punkt 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 7 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Peter Ramsauer, Ilse Aigner, Dorothee Bär, Alexander Dobrindt, Maria Eichhorn, Herbert Frankenhauser, Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof), Norbert Geis, Josef Göppel, Dr. Wolfgang Götzer, Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, Gerda Hasselfeldt, Ernst Hinsken, Klaus Hofbauer, Bartholomäus Kalb, Alois Karl, Hartmut Koschyk, Dr. Max Lehmer, Paul Lehrieder, Eduard Lintner, Stephan Mayer (Altötting), Dr. h. c. Hans Michelbach, Marlene Mortler, 19189 A 19189 B 19189 D 19190 A Dr. Gerd Müller, Stefan Müller (Erlangen), Dr. Georg Nüßlein, Franz Obermeier, Eduard Oswald, Daniela Raab, Hans Raidel, Kurt J. Rossmanith, Dr. Christian Ruck, Albert Rupprecht (Weiden), Christian Schmidt (Fürth), Dr. Andreas Scheuer, Marion Seib, Johannes Singhammer, Thomas Silberhorn, Max Straubinger, Dr. Hans-Peter Uhl, Dagmar Wöhrl, Wolfgang Zöller und Carsten Müller (Braunschweig) (alle CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung über die Be- schlussempfehlung zu dem Antrag: Entfer- nungspauschale sofort vollständig anerkennen – Verfassungsmäßigkeit und Steuergerechtig- keit herstellen (Tagesordnungspunkt 5) . . . . . Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des Entwurfs eines ... Strafrechtsänderungsgeset- zes – Bestechung und Bestechlichkeit von Abgeordneten – (... StrÄndG) (Tagesord- nungspunkt 14) Wolfgang Nešković (DIE LINKE) . . . . . . . . . Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Modernisie- rung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmoderni- sierungsgesetz – BilMoG) (Tagesordnungs- punkt 13) Antje Tillmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Klaus Uwe Benneter (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Mechthild Dyckmans (FDP) . . . . . . . . . . . . . Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Unterrichtung: Bundesbericht zur Förde- rung des Wissenschaftlichen Nachwuch- ses – Antrag: Wissenschaft als Beruf attraktiver machen – Den wissenschaftlichen Nach- wuchs besser unterstützen (Tagesordnungspunkt 15 a und b) Marion Seib (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . Dieter Grasedieck (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Uwe Barth (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19190 C 19191 A 19191 D 19194 A 19195 A 19196 A 19197 B 19198 A 19199 A 19199 D 19200 C XII Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 179. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. September 2008 Dr. Petra Sitte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Andreas Storm, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Unterrichtung: Nationales Reformpro- gramm Deutschland 2008 bis 2010 Umset- Volkmar Uwe Vogel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Rainer Fornahl (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Joachim Günther (Plauen) (FDP) . . . . . . . . . Hans-Kurt Hill (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Peter Hettlich (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Karin Roth, Parl. Staatssekretärin BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19201 D 19202 D 19203 D 19217 A 19218 B 19219 C 19220 A 19220 D 19221 D zungs- und Fortschrittsbericht 2008 (Tages- ordnungspunkt 17) Doris Barnett (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rainer Brüderle (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Herbert Schui (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dagmar Wöhrl, Parl. Staatssekretärin BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 12 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Diskriminierende Altersgrenzen im Bereich des bürgerschaftlichen Engage- ments aufheben (Tagesordnungspunkt 20) Markus Grübel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Angelika Graf (Rosenheim) (SPD) . . . . . . . . . Sönke Rix (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sibylle Laurischk (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Elke Reinke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 13 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Än- derung des Energieeinsparungsgesetzes (Ta- gesordnungspunkt 19) 19205 B 19206 D 19207 C 19208 B 19209 A 19210 B 19212 C 19213 C 19214 A 19215 A 19216 C Anlage 14 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Ände- rung des Gesetzes gegen den unlauteren Wett- bewerb (Tagesordnungspunkt 23) Dr. Günter Krings (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Dirk Manzewski (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulla Lötzer (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 15 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Neufassung des Raumordnungsgesetzes und zur Ände- rung anderer Vorschriften (GeROG) (Tages- ordnungspunkt 27) Enak Ferlemann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Petra Weis (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Patrick Döring (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Heidrun Bluhm (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Peter Hettlich (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulrich Kasparick, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19222 C 19223 D 19224 B 19225 B 19226 A 19226 C 19227 D 19229 A 19229 D 19231 B 19232 D 19233 B Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 179. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. September 2008 18967 (A) (C) (B) (D) 179. Si Berlin, Donnerstag, de Beginn: 9
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    Berichtigung 178. Sitzung, Seite 18948 (D), erster Absatz: Der dritte Satz ist wie folgt zu lesen: „Mir scheint wichtig zu sein, dass wir Pakistan nicht mehr nur als Helfer und Un- terstützer im Kampf gegen die Taliban in Afghanistan se- hen.“ (D) (B) Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 179. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. September 2008 19183 (A) (C) (B) (D) * für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver- sammlung der NATO zu einer Entlastung der Menschen in unserem Lande führen sollen, dürfen dem Linksextremismus nicht in die Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Beck (Reutlingen), Ernst-Reinhard CDU/CSU 25.09.2008* Bollen, Clemens SPD 25.09.2008 Brand, Michael CDU/CSU 25.09.2008 Brunnhuber, Georg CDU/CSU 25.09.2008 Dr. Bunge, Martina DIE LINKE 25.09.2008 Dreibus, Werner DIE LINKE 25.09.2008 Grindel, Reinhard CDU/CSU 25.09.2008 Gruß, Miriam FDP 25.09.2008 Gutting, Olav CDU/CSU 25.09.2008 Hänsel, Heike DIE LINKE 25.09.2008 Hintze, Peter CDU/CSU 25.09.2008 Kipping, Katja DIE LINKE 25.09.2008 Klug, Astrid SPD 25.09.2008 Lenke, Ina FDP 25.09.2008 Möller, Kornelia DIE LINKE 25.09.2008 Dr. Schäuble, Wolfgang CDU/CSU 25.09.2008 Schauerte, Hartmut CDU/CSU 25.09.2008 Schily, Otto SPD 25.09.2008 Schmidt (Nürnberg), Renate SPD 25.09.2008 Scholz, Olaf SPD 25.09.2008 Staffelt, Grietje BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 25.09.2008 Dr. Troost, Axel DIE LINKE 25.09.2008 Wieczorek-Zeul, Heidemarie SPD 25.09.2008 Zeil, Martin FDP 25.09.2008 Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 2 Erklärungen nach § 31 GO zur namentlichen Abstimmung über die Be- schlussempfehlung zu dem Antrag: Entfer- nungspauschale sofort vollständig anerkennen – Verfassungsmäßigkeit und Steuergerechtigkeit herstellen (Tagesordnungspunkt 5) Dorothee Bär (CDU/CSU): Ich bin für die Wieder- einführung der Pendlerpauschale ab dem ersten Kilome- ter. Mein Wahlkreis Bad Kissingen besteht aus den Landkreisen Haßberge, Rhön-Grabfeld und Bad Kissin- gen. Eine Wiedereinführung der Pendlerpauschale ab dem ersten Kilometer würde allein in dieser Region 34 000 Menschen entlasten. Tausende unserer Bürger haben sich an der Unterschriftenaktion zur Wiederein- führung der Pendlerpauschale der Jungen Union Bayern beteiligt. Sie haben damit deutlich gemacht, dass sie ent- lastet werden müssen. Im ländlichen Raum ist es für viele selbstverständlich, dass sich der Arbeitsplatz nicht vor der Haustür befindet. Oftmals werden lange Stre- cken in Kauf genommen, um einer Arbeit nachzugehen und die Sozialkassen dieses Landes nicht zu belasten. Der Staat hat sich diesen Menschen an die Seite zu stel- len. Darüber hinaus stärkt eine Entlastung dieser Men- schen durch die Wiedereinführung der Pendlerpauschale auch den ländlichen Raum. Denn Menschen, die sich ei- nen langen Weg zur Arbeit nicht leisten können, werden mittelfristig in die Ballungszentren ziehen, sodass sich der ländliche Raum weiter entvölkert. Die CSU führt derzeit intensive Verhandlungen mit ihren Koalitions- partnern, um eine Wiedereinführung zum 1. Januar 2009 zu erreichen. Unterstützt werden wir bei unserem Anlie- gen durch einen entsprechenden Antrag des Freistaates Bayern im Bundesrat, der von der CSU-geführten baye- rischen Staatsregierung auf den Weg gebracht wurde. Diese Initiative verfolgen wir konsequent und erwarten am Ende der Verhandlungen, dass eine Entlastung der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland mehrheitsfähig wird. Davon wollen wir auch die Kolleginnen und Kol- legen aus den Reihen von SPD und CDU überzeugen, die sich bisher unserer Forderung nach einer Entlastung der Bürgerinnen und Bürger bereits ab dem 1. Januar 2009 entziehen. Unehrliche, wahlkampfmotivierte Schaufensteran- träge der Fraktion Die Linke bin ich jedoch nicht bereit zu unterstützen. Ich kann und werde keinem Antrag ei- ner Partei zustimmen, die die Gesellschaftsordnung un- seres Landes nicht akzeptiert, sich gegen diese wendet und die Grundlagen unseres Zusammenlebens wie die soziale Marktwirtschaft ablehnt. Die Partei Die Linke wird zu Recht vom Verfassungsschutz beobachtet. Sie ist die direkte Nachfolgerin der SED, die für die Verbrechen in der DDR und den Schießbefehl an der innerdeutschen Grenze verantwortlich ist. Wichtige Entscheidungen, die 19184 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 179. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. September 2008 (A) (C) (B) (D) Hand gegeben werden. Unterstützung von Anträgen ei- ner solchen Partei kann daher von Demokraten nicht er- wartet werden. Veronika Bellmann (CDU/CSU): Das Politikspek- takel, das SED/PDS/Die Linke mit ihrem Antrag be- zweckt, lehne ich entschieden ab. Die programmatischen Eckpunkte von SED/PDS/Die Linke fordern eine Poli- tik, die Deutschland international isoliert, die Funda- mente des Rechtsstaats und der sozialen Marktwirtschaft gefährdet und eine gute Zukunft für die Bürgerinnen und Bürger Deutschlands massiv bedroht. Von dieser Partei grenze ich mich ausdrücklich ab. Mit dem Antrag, den die Fraktion Die Linke heute zur Abstimmung stellt, geht es ihr ganz offensichtlich nicht um die Sache. Im Gegenteil, alle Sachargumente dienen der SED/PDS/Die Linke lediglich für ein durchsichtiges taktisches Manöver, insbesondere im unmittelbaren Vor- feld der bayerischen Landtagswahl. Das ist meines Er- achtens ein Missbrauch und eine Instrumentalisierung des demokratischen Abstimmungsverfahrens zu populis- tischen Zwecken. Aus diesem Grund lehne ich den An- trag ab. Als CDU, CSU und SPD nach der letzten Bundes- tagswahl ihren Koalitionsvertrag geschlossen und Dr. Angela Merkel zur neuen Bundeskanzlerin gewählt haben, klaffte im Bundeshaushalt eine strukturelle Lücke von 60 Milliarden Euro jährlich. Diese Lücke haben wir deutlich zurückführen können. Der Wegfall der steuerli- chen Absetzbarkeit für die ersten 20 Entfernungskilome- ter des Weges zur Arbeit war 2006 der Versuch eines Beitrags zur Konsolidierung. Die Entspannung der Lage der öffentlichen Haushalte, die 2007 erstmals wieder schwarze Zahlen schrieben, macht aus unserer Sicht eine Rückkehr zur alten Pendlerpauschale möglich – auch ohne den Vorrang der Sanierung der Haushalte des Bun- des und der Länder, der Kommunen und Sozialversiche- rungen aufzugeben. Angesichts der konjunkturellen Lage und der seit der damaligen Entscheidung deutlich gestiegenen Treibstoffpreise halte ich eine Rückkehr zur alten Pendlerpauschale für geboten und gerecht. Dies umso mehr, solange es aus Gleichbehandlungs- grundsätzen gegenüber Selbstständigen und Freiberuf- lern geboten erscheint, dass auch Arbeitnehmer die notwendigen Aufwendungen zur Erzielung von Einkom- men steuerlich absetzen können. Insofern wiegt dieses verfassungsrechtliche Argument meines Erachtens nach schwerer als die notwendige Haushaltskonsolidierung. Solange also das sogenannte Werkstorprinzip keine ge- nerelle Gültigkeit für alle hat bzw. es keine Steuerreform zur Vereinfachung insbesondere im Sinne des Wegfalls aller derartigen steuerlichen Absetzungsmöglichkeiten gibt, ist die Wiedereinführung der Fahrtkostenpauschale ab dem ersten Kilometer gerechtfertigt. Klaus Brähmig (CDU/CSU): Als CDU, CSU und SPD nach der letzten Bundestagswahl ihren Koalitions- vertrag geschlossen und Dr. Angela Merkel zur neuen Bundeskanzlerin gewählt haben, klaffte im Bundeshaus- halt eine strukturelle Lücke von 60 Milliarden Euro jähr- lich. Diese Lücke haben wir deutlich zurückführen kön- nen. Der Wegfall der steuerlichen Absetzbarkeit für die ersten 20 Entfernungskilometer des Weges zur Arbeit war 2006 ein unvermeidbarer Beitrag zur Konsolidie- rung. Die Entspannung der Lage der öffentlichen Haus- halte, die 2007 erstmals wieder schwarze Zahlen schrie- ben, macht aus meiner Sicht eine Rückkehr zur alten Pendlerpauschale möglich – auch ohne den Vorrang der Sanierung der Haushalte des Bundes und der Länder, der Kommunen und Sozialversicherungen aufzugeben. Persönlich hege ich eine große Sympathie für die For- derung nach der Wiedereinführung der Pendlerpau- schale. Denn aufgrund der Reformen am Arbeitsmarkt haben wir den Arbeitern und Angestellten auch ein deut- lich höheres Maß an Flexibilität bei der Arbeitsplatzsu- che abgefordert. Die Wiedereinführung der vollen Pend- lerpauschale würde die Einnahmen des Staates derzeit um 2,4 Milliarden Euro senken. Diese Mindereinnah- men des Staates müssen dann an anderer Stelle durch Einsparungen, zusätzliche Steuern oder Neuverschul- dung erwirtschaftet werden. Angesichts der konjunkturellen Lage und der seit der damaligen Entscheidung deutlich gestiegenen Treib- stoffpreise halte ich also eine Rückkehr zur alten Pend- lerpauschale für geboten und gerecht. Eine sofortige Umsetzung scheitert aber am Koalitionsvertrag, der ver- pflichtet, einheitlich abzustimmen. Außerdem möchte ich daran erinnern, dass das Bun- desverfassungsgericht im September 2008 die Verhand- lungen zu diesem Themenkomplex aufgenommen hat und für Dezember 2008 ein Urteil in Aussicht stellt. In- sofern halte ich es für richtig, dass wir das Urteil des BVG abwarten und uns bis dahin Gedanken darüber ma- chen, wie eine Rückkehr zur Pendlerpauschale solide fi- nanziert werden soll. Das ist meine Vorstellung von ver- antwortlicher Politik und deswegen stimme ich heute gegen den populistischen Antrag der Linkspartei. Alexander Dobrindt (CDU/CSU): Ich bin für die Wiedereinführung der Pendlerpauschale ab dem ersten Kilometer. Um dieses Ziel in der Großen Koalition zu erreichen, führt die CSU derzeit intensive Verhandlungen mit ihren Koalitionspartnern, um eine Wiedereinführung zum 1. Januar 2009 zu erreichen. Unterstützt werden wir bei unserem Anliegen durch einen entsprechenden Antrag des Freistaates Bayern im Bundesrat, der von der CSU- geführten Bayerischen Staatsregierung auf den Weg ge- bracht wurde. Diese Initiative verfolgen wir konsequent und erwarten am Ende der Verhandlungen, dass eine Entlastung der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland mehrheitsfähig wird. Davon wollen wir auch die Kolle- ginnen und Kollegen aus den Reihen von SPD und CDU überzeugen, die sich bisher unserer Forderung nach ei- ner Entlastung der Bürgerinnen und Bürger bereits ab dem 1. Januar 2009 entziehen. Unehrliche, wahlkampfmotivierte Schaufensteran- träge der Fraktion Die Linke bin ich jedoch nicht bereit zu unterstützen. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 179. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. September 2008 19185 (A) (C) (B) (D) Jochen-Konrad Fromme (CDU/CSU): Mit dem Antrag, den die Fraktion Die Linke heute zur Abstim- mung stellt, geht es ihr nicht um die Sache, sondern um ein durchsichtiges taktisches Manöver. Als CDU/CSU und SPD nach der letzten Bundestags- wahl ihren Koalitionsvertrag geschlossen und Dr. Angela Merkel zur neuen Bundeskanzlerin gewählt haben, klaffte im Bundeshaushalt eine strukturelle Lücke von 60 Milliarden Euro jährlich. Diese Lücke haben wir deutlich zurückführen können. Der Wegfall der steuerli- chen Absetzbarkeit für die ersten 20 Entfernungskilome- ter des Weges zur Arbeit war 2006 ein Beitrag zur Kon- solidierung. Die Entspannung der Lage der öffentlichen Haushalte, die 2007 erstmals wieder schwarze Zahlen schrieben, und die inzwischen aufgekommenen rechtli- chen Zweifel, ob die Abschaffung mit dem Netto-Prin- zip im Steuerrecht vereinbar ist, machen aus meiner Sicht eine Überprüfung der Abschaffung erforderlich. Das Politikspektakel, das die Linken mit ihrem An- trag bezwecken, lehne ich entschieden ab. Die program- matischen Eckpunkte der Linken fordern eine Politik, die Deutschland international isoliert, die Fundamente des Rechtsstaats und der sozialen Marktwirtschaft ge- fährdet und eine gute Zukunft für die Bürgerinnen und Bürger Deutschlands massiv bedroht. Ich grenze mich eindeutig von dieser Partei ab. Eberhard Gienger (CDU/CSU): Mit dem Antrag, den die Fraktion Die Linke heute zur Abstimmung stellt, geht es ihr nicht um die Sache, sondern um ein durch- sichtiges taktisches Manöver. Als CDU, CSU und SPD nach der letzten Bundes- tagswahl ihren Koalitionsvertrag geschlossen und Dr. Angela Merkel zur neuen Bundeskanzlerin gewählt haben, klaffte im Bundeshaushalt eine strukturelle Lücke von 60 Milliarden Euro jährlich. Diese Lücke haben wir deutlich zurückführen können. Der Wegfall der steuerli- chen Absetzbarkeit für die ersten 20 Entfernungskilome- ter des Weges zur Arbeit war 2006 ein unvermeidbarer Beitrag zur Konsolidierung. Die Entspannung der Lage der öffentlichen Haushalte, die 2007 erstmals wieder schwarze Zahlen schrieben, macht aus meiner Sicht eine Rückkehr zur alten Pendlerpauschale möglich – auch ohne den Vorrang der Sanierung der Haushalte des Bun- des und der Länder, der Kommunen und Sozialversiche- rungen aufzugeben. Angesichts der konjunkturellen Lage und der seit der damaligen Entscheidung deutlich gestiegenen Treibstoffpreise halte ich eine Rückkehr zur alten Pendlerpauschale für geboten und gerecht. Das Politikspektakel, das die Linken mit ihrem An- trag bezwecken, lehne ich entschieden ab. Die programmatischen Eckpunkte der Linken fordern eine Politik, die Deutschland international isoliert, die Fundamente des Rechtsstaats und der sozialen Markt- wirtschaft gefährdet und eine gute Zukunft für die Bür- gerinnen und Bürger Deutschlands massiv bedroht. Ich grenze mich eindeutig von dieser Partei ab. Robert Hochbaum (CDU/CSU): Die Koalitions- fraktionen haben nach der Bundestagswahl im Koali- tionsvertrag beschlossen, den Weg zurück zu solider öffentlicher Haushaltspolitik zu finden. Bei Regierungs- übernahme der Union klaffte im Bundeshaushalt eine strukturelle Lücke von 60 Milliarden Euro jährlich. Fak- tisch gilt zweierlei – der Staat darf und kann zum einen nicht dauerhaft mehr ausgeben, als er einnimmt. Zum anderen sind auch die Einnahmen nicht unbegrenzt zu steigern. Die Haushaltskonsolidierung bei gleichzeitig steigenden Investitionen ist einer der zentralen Punkte dieser Koalition. Die Haushaltslücke haben wir in den nunmehr rund drei Regierungsjahren deutlich zurückführen können. Der Wegfall der steuerlichen Absetzbarkeit für die ersten 20 Entfernungskilometer des Weges zur Arbeit war 2006 dabei ein unvermeidbarer Beitrag zu dieser Konsolidie- rung. Die Entspannung der Lage der öffentlichen Haus- halte, die 2007 insgesamt erstmals wieder schwarze Zah- len schrieben, ermöglicht nun gewisse Spielräume. Da- bei darf der Vorrang der Sanierung der Haushalte des Bundes und der Länder, der Kommunen und Sozialversi- cherungen nicht aufgegeben werden. Angesichts der gu- ten konjunkturellen Lage und der seit der damaligen Ent- scheidung deutlich gestiegenen Kraftstoffpreise, deren Steigerungen nicht bzw. kaum von der Politik veranlasst sind, halte ich eine Entlastung der beruflich veranlassten Mobilität wie auch der gewerblichen Verkehre für drin- gend nötig und geboten. Eine Rückkehr zur alten Pendlerpauschale wäre aber der falsche Weg. Sicher würden damit auch die ersten 20 Kilometer des Arbeitsweges wieder berücksichtigt – auch die alte Kappungsobergrenze bei 100 Kilometer würde aber wieder eintreten. Letzteres wäre aber für die vielen Fernpendler, die es vor allem im Osten Deutsch- lands gibt, eine massive Benachteiligung. Bei genauem Hinsehen kommt hinzu, dass es sich ei- gentlich bei der Pendlerpauschale um eine unsoziale Maßnahme handelt. Einkommensschwache Pendler un- terliegen häufig nur der beschränkten Einkommensteuer- pflicht und können somit keine Pendlerpauschale über Werbungskosten anrechnen. Wir brauchen stattdessen eine differenzierte Rege- lung, die allen Arbeitnehmern und dem gewerblichen Verkeher gerecht wird. Die Senkung der Lohnnebenkos- ten, so wie es bei der Arbeitslosenversicherung vorgese- hen ist, wäre zudem ein entschieden besserer Weg, Ar- beitnehmer zu entlasten. Franz-Josef Holzenkamp (CDU/CSU): Mit dem Antrag, den die Fraktion Die Linke heute zur Abstim- mung stellt, geht es ihr nicht um die Sache, sondern um ein durchsichtiges taktisches Manöver. Der Wegfall der steuerlichen Absetzbarkeit für die ersten 20 Entfernungskilometer des Weges zur Arbeit war 2006 ein unvermeidbarer Beitrag zur Konsolidie- rung des Bundeshaushaltes. Die Entspannung der Lage der öffentlichen Haushalte macht aus meiner Sicht die 19186 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 179. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. September 2008 (A) (C) (B) (D) Rückkehr zur alten Pendlerpauschale möglich. Vor dem Hintergrund der seit der damaligen Entscheidung deut- lich gestiegen Treibstoffpreise halte ich die Rückkehr zur alten Pendlerpauschale gerade für die Menschen im ländlichen Raum für geboten. Ich halte aber nach wie vor daran fest, zunächst das im Dezember dieses Jahres zu erwartende Verfassungs- gerichtsurteil abzuwarten und auf dessen Basis zu einer entsprechenden Veränderung der Pendlerpauschale zu kommen. Das Politspektakel der Fraktion Die Linke lehne ich entschieden ab. Deshalb stimme ich heute gegen diesen Antrag. Dr. Peter Jahr (CDU/CSU): Dem Antrag der Frak- tion Die Linke „Entfernungspauschale sofort vollständig anerkennen – Verfassungsmäßigkeit und Steuergerech- tigkeit herstellen“ kann ich nicht zustimmen. Als CDU, CSU und SPD nach der letzten Bundes- tagswahl ihren Koalitionsvertrag geschlossen und Dr. Angela Merkel zur neuen Bundeskanzlerin gewählt haben, klaffte im Bundeshaushalt eine strukturelle Lücke von 60 Milliarden Euro jährlich. Diese Lücke haben wir deutlich zurückführen können. Der Wegfall der steuerli- chen Absetzbarkeit für die ersten 20 Entfernungskilome- ter des Weges zur Arbeit war 2006 ein unvermeidbarer Beitrag zur Konsolidierung. Die Entspannung der Lage der öffentlichen Haus- halte, die 2007 erstmals wieder schwarze Zahlen schrie- ben, macht aus meiner Sicht eine Rückkehr zur alten Pendlerpauschale möglich – auch ohne den Vorrang der Sanierung der Haushalte des Bundes und der Länder, der Kommunen und Sozialversicherungen aufzugeben. An- gesichts der konjunkturellen Lage und der seit der dama- ligen Entscheidung deutlich gestiegenen Treibstoffpreise halte ich eine Rückkehr zur alten Pendlerpauschale für geboten und gerecht. Diese Auffassung wollen die Be- fürworter der Wiedereinführung der Pendlerpauschale in der Koalition mit Nachdruck durchsetzen. Auch wenn die Mehrheit in der Koalition für diese Auffassung noch nicht gewonnen ist, werde ich mich weiter dafür einset- zen. Dr. Hans-Heinrich Jordan (CDU/CSU): Mit dem Antrag, den die Fraktion Die Linke heute zur Abstim- mung stellt, geht es ihr nicht um die Sache, sondern um ein durchsichtiges taktisches Manöver. Der Wegfall der steuerlichen Absetzbarkeit für die ersten 20 Entfernungskilometer des Weges zur Arbeit war 2006 ein unvermeidbarer Beitrag zur Konsolidie- rung des Bundeshaushaltes. Die Entspannung der Lage der öffentlichen Haushalte macht aus meiner Sicht die Rückkehr zur alten Pendlerpauschale möglich. Vor dem Hintergrund der seit der damaligen Entscheidung deut- lich gestiegenen Treibstoffpreise halte ich die Rückkehr zur alten Pendlerpauschale gerade für die Menschen im ländlichen Raum für geboten. Ich halte aber nach wie vor daran fest, zunächst das im Dezember dieses Jahres zu erwartende Verfassungs- gerichtsurteil abzuwarten und auf dessen Basis zu ei- ner entsprechenden Veränderung der Pendlerpauschale zu kommen. Das Politspektakel der Fraktion Die Linke lehne ich entschieden ab. Deshalb stimme ich heute gegen diesen Antrag. Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) (CDU/CSU): Das Politikspektakel, das SED/PDS/Die Linke mit ihrem An- trag bezweckt, lehne ich entschieden ab. Die program- matischen Eckpunkte von SED/PDS/Die Linke fordern eine Politik, die Deutschland international isoliert, die Fundamente des Rechtsstaats und der sozialen Markt- wirtschaft gefährdet und eine gute Zukunft für die Bür- gerinnen und Bürger Deutschlands massiv bedroht. Von dieser Partei grenze ich mich ausdrücklich ab. Mit dem Antrag, den die Fraktion Die Linke heute zur Abstimmung stellt, geht es ihr ganz offensichtlich nicht um die Sache. Im Gegenteil: Die Sachargumente dienen der SED/PDS/Die Linke lediglich für ein durchsichtiges taktisches Manöver, insbesondere im unmittelbaren Vor- feld der bayerischen Landtagswahl. Das ist meines Er- achtens ein Missbrauch und eine Instrumentalisierung des demokratischen Abstimmungsverfahrens zu populis- tischen Zwecken. Aus diesem Grund lehne ich den An- trag ab. Als CDU, CSU und SPD nach der letzten Bundes- tagswahl ihren Koalitionsvertrag geschlossen und Dr. Angela Merkel zur neuen Bundeskanzlerin gewählt haben, klaffte im Bundeshaushalt eine strukturelle Lücke von 60 Milliarden Euro jährlich. Diese Lücke haben wir deutlich zurückführen können. Der Wegfall der steuerli- chen Absetzbarkeit für die ersten 20 Entfernungskilome- ter des Weges zur Arbeit war 2006 der Versuch eines Beitrags zur Konsolidierung. Die Entspannung der Lage der öffentlichen Haushalte, die 2007 erstmals wieder schwarze Zahlen schrieben, macht aus unserer Sicht eine Rückkehr zur alten Pendlerpauschale möglich – auch ohne den Vorrang der Sanierung der Haushalte des Bun- des und der Länder, der Kommunen und Sozialversiche- rungen aufzugeben. Angesichts der konjunkturellen Lage und der seit der damaligen Entscheidung deutlich gestiegenen Treibstoffpreise halte ich eine Rückkehr zur alten Pendlerpauschale für geboten und gerecht. Paul Lehrieder (CDU/CSU): Der Vorstand der CSU hat am 5. Mai 2008 einstimmig das neue Steuerkonzept der Partei beschlossen. In diesem Paket war unter ande- rem – dies erkennt die Linkspartei mit ihrem zur Abstim- mung gestellten Antrag an – die Wiedereinführung der Entfernungspauschale für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zum 1. Januar 2009 vorgesehen. Zwi- schenzeitlich hat die CSU im Bundesrat einen entspre- chenden Antrag eingebracht, welcher jedoch mit den an- deren Bundesländern noch abzustimmen ist. In gleicher Weise verhält es sich mit der Meinungsbildung mit den Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion wie auch mit den Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion. Zum jetzigen Zeitpunkt ist eine Mehrheit in der Koali- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 179. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. September 2008 19187 (A) (C) (B) (D) tion, so sehr das Anliegen aus meiner Sicht auch berech- tigt ist, bedauerlicherweise noch nicht zu erkennen. Ein entsprechender Antrag der Linkspartei wurde im Finanzausschuss am 16. Juni 2008 lediglich mit den Stimmen der FDP und der Linken befürwortet bei Stimmenthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Selbst für den Fall, dass neben der Linkspartei auch die FDP dem Antrag der Linkspartei zustimmen würde, ergibt dies auch unter gedachter Einbeziehung der CSU- Stimmen im günstigsten Fall circa 150 Stimmen. Somit würde allenfalls ein Viertel der Mitglieder des Bundesta- ges zustimmen. Der Antrag ist zum jetzigen Zeitpunkt von einer Mehrheit im Bundestag noch viel zu weit ent- fernt, um diesen bereits jetzt einzubringen. Insofern muss der Antrag der Linkspartei schlicht als populistisch und als Versuch einer Meinungsdifferenz zwischen den CSU-Kollegen im Bayerischen Landtag und den CSU-Bundestagsabgeordneten angesehen wer- den. Nachdem zudem das Finanzministerium und auch die SPD-Fraktion Bewegung erst für den Zeitpunkt des Vorliegens der Entscheidung des Bundesverfassungsge- richts, welche zum Jahresende zu erwarten ist, signali- siert hat, ist ein entsprechender Antrag auf Wiederein- führung der Pendlerpauschale erfolgversprechend wohl erst zum Jahresende im parlamentarischen Verfahren sinnvoll auf den Weg zu bringen. Nachdem bereits Max Weber zutreffend den Spruch geprägt hat, dass Politik das Bohren harter Bretter mit Leidenschaft und Augen- maß ist, ist dem hier vorliegenden Antrag der Linkspar- tei das entsprechende Augenmaß bedauerlicherweise ab- zusprechen. So sehr das Anliegen in der Sache richtig ist – zum jetzigen Zeitpunkt ist es zum Scheitern verurteilt. Des- halb ist ohne entsprechende Meinungsbildung und Über- zeugungsarbeit in der Schwesterpartei sowie beim Koalitionspartner der Antrag zum jetzigen Zeitpunkt ab- zulehnen. Mit dem Antrag, den die Fraktion Die Linke heute zur Abstimmung stellt, geht es ihr nicht um die Sache, son- dern um ein durchsichtiges taktisches Manöver. Als CDU, CSU und SPD nach der letzten Bundes- tagswahl ihren Koalitionsvertrag geschlossen und Dr. Angela Merkel zur neuen Bundeskanzlerin gewählt haben, klaffte im Bundeshaushalt eine strukturelle Lücke von 60 Milliarden Euro jährlich. Diese Lücke haben wir deutlich zurückführen können. Der Wegfall der steuerli- chen Absetzbarkeit für die ersten 20 Entfernungskilome- ter des Weges zur Arbeit war 2006 ein unvermeidbarer Beitrag zur Konsolidierung. Die Entspannung der Lage der öffentlichen Haushalte, die 2007 erstmals wieder schwarze Zahlen schrieben, macht aus unserer Sicht eine Rückkehr zur alten Pendlerpauschale möglich – auch ohne den Vorrang der Sanierung der Haushalte des Bun- des und der Länder, der Kommunen und Sozialversiche- rungen aufzugeben. Angesichts der konjunkturellen Lage und der seit der damaligen Entscheidung deutlich gestiegenen Treibstoffpreise halten wir eine Rückkehr zur alten Pendlerpauschale für geboten und gerecht. Diese Auffassung wollen wir in der Koalition mit Nach- druck durchsetzen. Die Bayerische Staatsregierung hat hierzu eine Gesetzesinitiative beschlossen, die im Bun- desrat beraten wird. Auch wenn wir die Koalition für unsere Auffassung noch nicht gewonnen haben, den Ko- alitionsvertrag halten wir ein. Er verpflichtet uns, ein- heitlich abzustimmen. Das Politikspektakel, das die Linken mit ihrem Antrag bezwecken, lehnen wir entschieden ab. Die pro- grammatischen Eckpunkte der Linken fordern eine Poli- tik, die Deutschland international isoliert, die Funda- mente des Rechtsstaats und der sozialen Marktwirtschaft gefährdet und eine gute Zukunft für die Bürgerinnen und Bürger Deutschlands massiv bedroht. Wir grenzen uns eindeutig von dieser Partei ab. Stefan Müller (Erlangen) (CDU/CSU): Ich bin für die Wiedereinführung der Pendlerpauschale ab dem ers- ten Kilometer. Um dieses Ziel in der Großen Koalition zu erreichen, führt die CSU derzeit intensive Verhandlungen mit ihren Koalitionspartnern, um eine Wiedereinführung zum 1. Januar 2009 zu erreichen. Unterstützt werden wir bei unserem Anliegen durch einen entsprechenden Antrag des Freistaates Bayern im Bundesrat, der von der CSU- geführten Bayerischen Staatsregierung auf den Weg ge- bracht wurde. Diese Initiative verfolgen wir konsequent und erwarten am Ende der Verhandlungen, dass eine Entlastung der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland mehrheitsfähig wird. Davon wollen wir auch die Kolle- ginnen und Kollegen aus den Reihen von SPD und CDU überzeugen, die sich bisher unserer Forderung nach ei- ner Entlastung der Bürgerinnen und Bürger bereits ab dem 1. Januar 2009 entziehen. Normalverdiener und Familien in Deutschland brau- chen eine solche Entlastung und erwarten von der Politik entsprechende Entlastungsschritte. Dies zeigt sich auch an der Beteiligung Zehntausender Bürgerinnen und Bür- ger an der Unterschriftenkampagne der Jungen Union Bayern für die Wiedereinführung der alten Pendlerpau- schale. Unehrliche und wahlkampfmotivierte Schaufens- teranträge, die keine Aussicht auf eine Mehrheit im Deutschen Bundestag haben, helfen den Betroffenen al- lerdings nicht. Derartige Anträge der Fraktion Die Linke bin ich nicht bereit, zu unterstützen. Ich kann und werde keinem Antrag einer Partei zustimmen, die die Gesellschaftsord- nung unseres Landes nicht akzeptiert und die Grundla- gen unseres Zusammenlebens wie die soziale Marktwirt- schaft ablehnt. Die Partei Die Linke wird zu Recht vom Verfassungsschutz beobachtet. Unterstützung von Anträ- gen einer solchen Partei kann daher von Demokraten nicht erwartet werden. Henning Otte (CDU/CSU): Mit dem Antrag, den die Fraktion Die Linke heute zur Abstimmung stellt, geht es ihr nicht um die Sache, sondern um ein durchsichtiges taktisches Manöver. Als CDU, CSU und SPD nach der letzten Bundes- tagswahl ihren Koalitionsvertrag geschlossen und 19188 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 179. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. September 2008 (A) (C) (B) (D) Dr. Angela Merkel zur neuen Bundeskanzlerin gewählt haben, klaffte im Bundeshaushalt eine strukturelle Lücke von 60 Milliarden Euro jährlich. Diese Lücke haben wir deutlich zurückführen können. Der Wegfall der steuerli- chen Absetzbarkeit für die ersten 20 Entfernungskilome- ter des Weges zur Arbeit war 2006 ein unvermeidbarer Beitrag zur Konsolidierung. Die Entspannung der Lage der öffentlichen Haushalte, die 2007 erstmals wieder schwarze Zahlen schrieben, macht aus meiner Sicht eine Rückkehr zur alten Pendlerpauschale oder eine andere steuerliche Kompensation möglich – auch ohne den Vor- rang der Sanierung der Haushalte des Bundes und der Länder, der Kommunen und Sozialversicherungen auf- zugeben. Angesichts der konjunkturellen Lage und der seit der damaligen Entscheidung deutlich gestiegenen Treibstoffpreise halte ich eine Rückkehr zur alten Pend- lerpauschale oder eine andere steuerliche Kompensation für geboten und gerecht. Diese Auffassung möchte ich in der Koalition durchsetzen. Das Politikspektakel, das die Linken mit ihrem An- trag bezwecken, lehne ich entschieden ab. Die program- matischen Eckpunkte der Linken fordern eine Politik, die Deutschland international isoliert, die Fundamente des Rechtsstaats und der sozialen Marktwirtschaft ge- fährdet und eine gute Zukunft für die Bürgerinnen und Bürger Deutschlands massiv bedroht. Ich grenze mich eindeutig von dieser Partei ab. Anita Schäfer (Saalstadt) (CDU/CSU): Mit Beginn der Legislaturperiode hat die Koalition aus CDU/CSU und SPD ein strukturelles jährliches Haushaltsdefizit von rund 60 Milliarden Euro übernommen. Aus dieser Haus- haltssituation heraus war es sowohl aus der gesamtstaat- lichen Verantwortung als auch aus Gründen der Genera- tionengerechtigkeit geboten, diese fortschreitende Verschuldung nicht nur zu bremsen, sondern zu stoppen. Das Ziel eines ausgeglichenen Haushaltes hat sich die Koalition für 2011 gesetzt, und wir sind durch die Konso- lidierungsleistungen der Koalition mittlerweile auf ei- nem guten Weg dorthin. Vor dem Hintergrund der verfassungswidrigen Haus- haltssituation am Ende der vergangenen Legislaturperi- ode war damit neben anderen Maßnahmen der Wegfall der steuerlichen Absetzbarkeit für die ersten 20 Entfer- nungskilometer des Weges zur Arbeit ein unvermeidba- rer Beitrag zur Konsolidierung. Heute stellt sich die Situation verändert dar. Die Entspannung der Lage der öffentlichen Haushalte, die 2007 erstmals wieder schwarze Zahlen schrieben, eröffnet aus meiner Sicht die Möglichkeit, zur alten Pendlerpauschale zurückzukeh- ren, ohne den Vorrang der Sanierung der Haushalte des Bundes und der Länder, der Kommunen und Sozialversi- cherungen aufzugeben. Angesichts der konjunkturellen Lage und der seit der damaligen Entscheidung deutlich gestiegenen Treibstoffpreise halte ich dabei eine Rück- kehr zur alten „Pendlerpauschale“ für geboten und ge- recht. Wenngleich auch ich demnach eine Rückkehr zur al- ten Pendlerpauschale befürworte, lehne ich den vorlie- genden Antrag der Linken entschieden ab. Er entspringt nicht sachpolitischen Erwägungen, sondern erhebt pla- kativ Forderungen, die zum Beispiel hinsichtlich der angesprochenen Verfassungsmäßigkeit im Bereich des Nettoprinzips nicht schlüssig sind. Die jetzige Forde- rung, vor der endgültigen Klärung der verfassungsrecht- lichen Lage, entlarvt damit den Antrag als ein rein poli- tisch-taktisches Manöver. Marco Wanderwitz (CDU/CSU): Im Angesicht der deutlich gestiegenen Kraftstoffpreise bin ich für die Ent- lastung beruflich veranlasster Mobilität. Insbesondere Familien in den ländlichen Räumen, die ihren Arbeits- platz nicht in jedem Falle in der unmittelbaren Umge- bung finden, brauchen Entlastung. Die Koalitionsfraktionen haben nach der Bundestags- wahl im Koalitionsvertrag vereinbart, den Weg zurück zu solider öffentlicher Haushaltspolitik zu gehen. Bei Regierungsübernahme der Union klaffte im Bundes- haushalt eine strukturelle Lücke von 60 Milliarden Euro jährlich – die Bilanz von sieben Jahren rot-grüner Haus- haltspolitik, die nicht nachhaltig war und Lasten in die Zukunft wälzte. Auch der Staat kann und darf nicht dau- erhaft mehr ausgeben, als er einnimmt, und die Einnah- men sind nicht unbegrenzt steigerungsfähig – weder tat- sächlich, noch ist die Steigerung der Staatsquote mein politischer Anspruch. Die Haushaltskonsolidierung bei gleichzeitig steigenden Investitionen ist einer der zentra- len Punkte dieser Koalition, in seiner Wichtigkeit kaum zu überschätzen. Diese Haushaltslücke haben wir in den nunmehr rund drei Regierungsjahren deutlich zurück- führen können. Der Wegfall der steuerlichen Absetzbar- keit für die ersten 20 Entfernungskilometer des Weges zur Arbeit war 2006 ein unvermeidbarer Beitrag zu die- ser Konsolidierung. Unter den damaligen Rahmenbedin- gungen war die Entscheidung richtig. Die Entspannung der Lage der öffentlichen Haus- halte, die 2007 insgesamt erstmals wieder schwarze Zah- len schrieben, ermöglicht nun gewisse Spielräume. Da- bei darf der Vorrang der Sanierung der Haushalte des Bundes und der Länder, der Kommunen und gesetzli- chen Sozialversicherungen aber nicht infrage gestellt werden. Angesichts der guten konjunkturellen Lage und der seit der damaligen Entscheidung deutlich gestiege- nen Kraftstoffpreise, deren Steigerungen kaum von der Politik veranlasst sind, halte ich eine Entlastung der be- ruflich veranlassten Mobilität wie auch des gewerbli- chen Verkehrs für dringend nötig und geboten. Die Rückkehr zur alten Pendlerpauschale wäre der falsche Weg. Sicher würden damit auch die ersten 20 Ki- lometer des Arbeitsweges wieder berücksichtigt – die alte Kappungsobergrenze bei 100 Kilometern würde aber ebenfalls wieder zurückkehren. Das wären für die Fempendler meiner Heimat Steine statt Brot. Wir brau- chen eine differenzierte Regelung, die Arbeitnehmern und gewerblichem Verkehr gerecht wird. Ohne eine solide haushälterische Gegenfinanzierung, die – fast bin ich geneigt, zu sagen natürlich – von der PDS auch hier wie immer nicht angeboten wird, ist eine Lösung für mich nicht denkbar. Die PDS aber setzt lei- der auch mit diesem Antrag ein weiteres Mal einseitig Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 179. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. September 2008 19189 (A) (C) (B) (D) auf populistisches Spektakel, auf leere unfinanzierbare Versprechungen. Ein Antrag einer extremistischen Partei, rechts- wie linksextremistisch, ist für mich zudem generell nicht zustimmungsfähig. Die SED-Nachfolgepartei stellt per- manent den gesellschaftlichen Grundkonsens der Demo- kraten, Grundlagen unseres Zusammenlebens wie die soziale Marktwirtschaft infrage. Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Monika Grütters, Ingo Schmitt (Berlin), Kai Wegner, und Karl-Georg Wellmann (alle CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung zu dem Antrag: Entfernungspauschale sofort vollständig aner- kennen – Verfassungsmäßigkeit und Steuerge- rechtigkeit herstellen (Tagesordnungspunkt 5) Mit dem Antrag, den die Fraktion Die Linke heute zur Abstimmung stellt, geht es ihr nicht um die Sache, son- dern um ein durchsichtiges taktisches Manöver. Als CDU, CSU und SPD nach der letzten Bundes- tagswahl ihren Koalitionsvertrag geschlossen und Dr. Angela Merkel zur neuen Bundeskanzlerin gewählt haben, klaffte im Bundeshaushalt eine strukturelle Lücke von 60 Milliarden Euro jährlich. Diese Lücke haben wir nach und nach schmaler werden lassen. Der Wegfall der steuerlichen Absetzbarkeit für die ersten 20 Entfer- nungskilometer des Weges zur Arbeit war 2006 ein un- vermeidbarer Beitrag zur Konsolidierung. Die Entspan- nung der Lage der öffentlichen Haushalte, die 2007 erstmals wieder schwarze Zahlen schrieben, macht aus unserer Sicht eine Rückkehr zur alten Pendlerpauschale möglich – ohne den Vorrang der Sanierung der Haus- halte des Bundes und der Länder, der Kommunen und Sozialversicherungen aufgeben zu müssen. Angesichts der konjunkturellen Lage und der seit der damaligen Entscheidung deutlich gestiegenen Treibstoffpreise hal- ten wir eine veränderte Pendlerpauschale für geboten und gerecht. Diese Auffassung wollen wir in der Koali- tion durchsetzen. Auch wenn uns dies noch nicht ge- glückt ist – den Koalitionsvertrag halten wir ein, der ver- pflichtet, einheitlich abzustimmen. Das Politikspektakel, das die Linken mit ihrem Antrag bezwecken, lehnen wir entschieden ab. Die programma- tischen Eckpunkte der Linken fordern eine Politik, die Deutschland international isoliert, die Fundamente des Rechtsstaats und der sozialen Marktwirtschaft gefährdet und eine gute Zukunft für die Bürgerinnen und Bürger Deutschlands massiv bedroht. Wir grenzen uns eindeutig von dieser Partei ab. Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Monika Brüning und Rita Pawelski (beide CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung zu dem Antrag: Entfernungspauschale sofort voll- ständig anerkennen – Verfassungsmäßigkeit und Steuergerechtigkeit herstellen (Tagesordnungs- punkt 5) Mit dem Antrag, den die Fraktion Die Linke heute zur Abstimmung stellt, geht es ihr nicht um die Sache, son- dern um ein durchsichtiges taktisches Manöver. Als CDU, CSU und SPD nach der letzten Bundes- tagswahl ihren Koalitionsvertrag geschlossen und Dr. Angela Merkel zur neuen Bundeskanzlerin gewählt haben, klaffte im Bundeshaushalt eine strukturelle Lücke von 60 Milliarden Euro jährlich. Dieses Defizit konnte deutlich zurückgeführt werden. Der Wegfall der steuerli- chen Absetzbarkeit für die ersten 20 Entfernungskilome- ter des Weges zur Arbeit war 2006 ein unvermeidbarer Beitrag zur Konsolidierung. Die Entspannung der Lage der öffentlichen Haushalte, die 2007 erstmals wieder schwarze Zahlen schrieben, macht aus unserer Sicht eine Rückkehr zur alten Pendlerpauschale möglich – auch ohne den Vorrang der Sanierung der Haushalte des Bun- des und der Länder, der Kommunen und Sozialversiche- rungen aufzugeben. Angesichts der konjunkturellen Lage und der seit 2005 deutlich gestiegenen Treibstoff- preise halten wir eine Rückkehr zur alten Pendlerpau- schale für angemessen. Das Politikspektakel, das die Linken mit ihrem Antrag bezwecken, lehnen wir entschieden ab. Die programma- tischen Eckpunkte der Linken fordern eine Politik, die Deutschland international isoliert, die Fundamente des Rechtsstaats und der sozialen Marktwirtschaft gefährdet und eine gute Zukunft für die Bürgerinnen und Bürger Deutschlands massiv bedroht. Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, Dr. Klaus W. Lippold, Dr. Georg Nüßlein, Daniela Raab und Dr. Andreas Scheuer (alle CDU/CSU) zur namentlichen Ab- stimmung über die Beschlussempfehlung zu dem Antrag: Entfernungspauschale sofort voll- ständig anerkennen – Verfassungsmäßigkeit und Steuergerechtigkeit herstellen (Tagesord- nungspunkt 5) Ich bin für die Wiedereinführung der Pendlerpau- schale ab dem ersten Kilometer. Um dieses Ziel in der Großen Koalition zu erreichen, führt die CSU derzeit intensive Verhandlungen mit ihren Koalitionspartnern, um eine Wiedereinführung zum 1. Januar 2009 zu erreichen. Unterstützt werden wir bei unserem Anliegen durch einem entsprechenden Antrag des Freistaates Bayern im Bundesrat, der von der CSU- geführten bayerischen Staatsregierung auf den Weg ge- bracht wurde. Diese Initiative verfolgen wir konsequent und erwarten am Ende der Verhandlungen, dass eine Entlastung der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland mehrheitsfähig wird. Davon wollen wir auch die Kolle- 19190 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 179. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. September 2008 (A) (C) (B) (D) ginnen und Kollegen aus den Reihen von SPD und CDU überzeugen, die sich bisher unserer Forderung nach ei- ner Entlastung der Bürgerinnen und Bürger bereits ab dem 1. Januar 2009 entziehen. Unehrliche, wahlkampfmotivierte Schaufensteran- träge der Fraktion Die Linke bin ich jedoch nicht bereit zu unterstützen. Ich kann und werde keinem Antrag ei- ner Partei zustimmen, die die Gesellschaftsordnung un- seres Landes nicht akzeptiert und die Grundlagen unse- res Zusammenlebens wie die soziale Marktwirtschaft ablehnt. Die Partei Die Linke wird zu Recht vom Verfas- sungsschutz beobachtet. Unterstützung von Anträgen ei- ner solchen Partei kann daher von Demokraten nicht er- wartet werden. Anlage 6 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Martin Burkert, Dr. Carl- Christian Dressel, Petra Ernstberger, Gabriele Fograscher, Günter Gloser, Angelika Graf (Rosenheim), Frank Hofmann (Volkach), Brunhilde Irber, Dr. h. c. Susanne Kastner, Dr. Bärbel Kofler, Walter Kolbow, Anette Kramme, Heinz Paula, Florian Pronold, Marlene Rupprecht (Tuchenbach), Marianne Schieder, Ewald Schurer, Ludwig Stiegler, Jella Teuchner (alle SPD): zur namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung zu dem Antrag: Ent- fernungspauschale sofort vollständig anerken- nen – Verfassungsmäßigkeit und Steuergerech- tigkeit herstellen (Tagesordnungspunkt 5) Beim Antrag der Fraktion Die Linke zur Anerken- nung der Pendlerpauschale handelt es sich um einen Schaufensterantrag, um die CSU vorzuführen, dessen es aber gar nicht mehr bedarf. Die SPD-Bundestagsfraktion und die Bayern-SPD haben sich von Anbeginn der Diskussion an für den Er- halt der Entfernungspauschale ab dem ersten. Kilometer eingesetzt, während die CDU/CSU schon 2005 mit der Forderung nach deren Kürzung in die Bundestagswahl und die Koalitionsverhandlungen zogen. Im Koalitions- vertrag hat die Union die Kürzung der Pendlerpauschale durchgesetzt. Wir haben im Gegenzug die Steuerfreiheit der Nacht-, Schicht- und Sonntagsarbeit erhalten. Alle Versuche der SPD-Bundestagsfraktion danach, die Pendlerpauschale ab dem ersten Kilometer wieder einzuführen, hat die CSU in der Koalition abgelehnt. Die Initiative der bayerischen Staatsregierung auf Rückkehr zur alten Pendlerpauschale jetzt im Bundesrat ist reine Wahlkampfshow, denn sie ist zeitlich so gesetzt, dass sie nicht mehr vor der Landtagswahl in Bayern ins Gesetzblatt kommen kann. Wir bayerischen Sozialdemokraten fordern zusätz- lich die Einführung eines bayerischen Pendlergeldes aus dem Landeshaushalt nach österreichischem Vorbild, das aber von der CSU abgelehnt wird. Es kommt gerade den Pendlerinnen und Pendlern zugute, die von der steuerli- chen Regelung nicht profitieren, weil sie niedrige Ein- kommen haben. Zur Entfernungspauschale wird es in Bälde ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts geben, das abgewartet werden sollte. Es ist nicht auszuschließen, dass auf Grund dieses Urteils eine für die Pendlerinnen und Pend- ler vorteilhaftere Regelung erforderlich ist als die ur- sprüngliche Rechtslage, zum Beispiel die volle Anerken- nung der tatsächlichen Kosten. Deshalb stimmen wir dem Schaufensterantrag der Fraktion Die Linke nicht zu. Anlage 7 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Peter Ramsauer, Ilse Aigner, Dorothee Bär, Alexander Dobrindt, Maria Eichhorn, Herbert Frankenhauser, Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof), Norbert Geis, Josef Göppel, Dr. Wolfgang Götzer, Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, Gerda Hasselfeldt, Ernst Hinsken, Klaus Hofbauer, Bartholomäus Kalb, Alois Karl, Hartmut Koschyk, Dr. Max Lehmer, Paul Lehrieder, Eduard Lintner, Stephan Mayer (Altötting), Dr. h. c. Hans Michelbach, Marlene Mortler, Dr. Gerd Müller, Stefan Müller (Erlangen), Dr. Georg Nüßlein, Franz Obermeier, Eduard Oswald, Daniela Raab, Hans Raidel, Kurt J. Rossmanith, Dr. Christian Ruck, Albert Rupprecht (Weiden), Christian Schmidt (Fürth), Dr. Andreas Scheuer, Marion Seib, Johannes Singhammer, Thomas Silberhorn, Max Straubinger, Dr. Hans-Peter Uhl, Dagmar Wöhrl, Wolfgang Zöller und Carsten Müller (Braunschweig) (alle CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung zu dem Antrag: Entfernungspauschale sofort vollständig aner- kennen – Verfassungsmäßigkeit und Steuerge- rechtigkeit herstellen (Tagesordnungspunkt 5) Mit dem Antrag, den die Fraktion Die Linke heute zur Abstimmung stellt, geht es ihr nicht um die Sache, son- dern um ein durchsichtiges taktisches Manöver. Als CDU, CSU und SPD nach der letzten Bundes- tagswahl ihren Koalitionsvertrag geschlossen und Dr. Angela Merkel zur neuen Bundeskanzlerin gewählt haben, klaffte im Bundeshaushalt eine strukturelle Lücke von 60 Milliarden Euro jährlich. Diese Lücke haben wir deutlich zurückführen können. Der Wegfall der steuerli- chen Absetzbarkeit für die ersten 20 Entfernungskilome- ter des Weges zur Arbeit war 2006 ein unvermeidbarer Beitrag zur Konsolidierung. Die Entspannung der Lage der öffentlichen Haushalte, die 2007 erstmals wieder schwarze Zahlen schrieben, macht aus unserer Sicht eine Rückkehr zur alten Pendlerpauschale möglich – ohne den Vorrang der Sanierung der Haushalte des Bundes und der Länder, der Kommunen und Sozialversicherun- gen aufzugeben. Angesichts der konjunkturellen Lage und der seit der damaligen Entscheidung deutlich gestie- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 179. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. September 2008 19191 (A) (C) (B) (D) genen Treibstoffpreise halten wir eine Rückkehr zur al- ten Pendlerpauschale für geboten und gerecht. Diese Auffassung wollen wir in der Koalition mit Nachdruck durchsetzen. Die Bayerische Staatsregierung hat hierzu eine Gesetzesinitiative beschlossen, die im Bundesrat beraten wird. Auch wenn wir die Koalition für unsere Auffassung noch nicht gewonnen haben – den Koali- tionsvertrag halten wir ein, der verpflichtet, einheitlich abzustimmen. Das Politikspektakel, das die Linken mit ihrem Antrag bezwecken, lehnen wir entschieden ab. Die programma- tischen Eckpunkte der Linken fordern eine Politik, die Deutschland international isoliert, die Fundamente des Rechtsstaats und der sozialen Marktwirtschaft gefährdet und eine gute Zukunft für die Bürgerinnen und Bürger Deutschlands massiv bedroht. Wir grenzen uns eindeutig von dieser Partei ab. Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des Entwurfs eines ... Strafrechts- änderungsgesetzes – Bestechung und Bestech- lichkeit von Abgeordneten – (... StrÄndG) (Ta- gesordnungspunkt 14) Wolfgang Nešković (DIE LINKE): Zurzeit gibt es zwei Gesetzentwürfe, die darauf abzielen, die Beste- chung und die Bestechlichkeit von Abgeordneten end- lich wirkungsvoll unter Strafe zu stellen: einen Entwurf der Linksfraktion und einen Entwurf der Grünen, der heute beraten wird. Beide verfolgen das gleiche Ziel. Ich möchte noch einmal aus der Sicht der Linksfrak- tion hervorheben, von welchen Überlegungen beide Ge- setzentwürfe getragen sind. Es sind die Gründe, die dazu geführt haben, dass die Bundesrepublik Deutschland Übereinkommen der Vereinten Nationen und des Euro- parates unterzeichnet hat, die dazu auffordern, die Beste- chung und Bestechlichkeit auch von Abgeordneten kon- sequent unter Strafe zu stellen. Es sind die Gründe, die den Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 9. Mai 2006 bewegt haben, eine gleichlautende Auffor- derung an den Gesetzgeber zu richten. Es sind die Gründe, denen der aktuelle Korruptions-Paragraf des Strafgesetzbuches in keiner Weise genügt. Die Bestechung und Bestechlichkeit von Abgeordne- ten untergräbt die Grundprinzipien der Demokratie und beschädigt in krasser Weise das Vertrauen der Bürgerin- nen und Bürger in die Demokratie. Das sind schwere Verletzungen, die kein äußerer Feind der Demokratie zu- fügen könnte. Diese Art der Beschädigung kann sich die Demokratie nur selbst zufügen. Das sollten die Regie- rungsfraktionen in den Zeiten einer überbordenden Si- cherheitspolitik einmal zur Kenntnis nehmen. Die hier angesprochenen Beschädigungen unserer Gesellschaft sind hausgemacht. Eine Grundidee der De- mokratie ist die Freiheit des Mandates, das auf der Gleichheit der Wählerstimmen beruht. Die Gleichheit der Stimmen wird ad absurdum geführt, wenn zwischen den Wahlen ein kleiner Teil des Wahlvolkes politische Entscheidungen vergoldet. Die Freiheit des Gewissens wird ad absurdum geführt, wenn das Gewissen dem ge- wissen Vorteil zugeneigt ist. Das Parlament ist kein Marktplatz und politische Ent- scheidungen sind keine Waren. Bestechung und Bestech- lichkeit beginnen nicht erst beim Stimmenkauf, den das Strafgesetzbuch bereits unter Strafe stellt. Diese Vor- schrift ahndet nur die ganz schlecht eingefädelte Beste- chung; sie bestraft nur den ganz dummen Mandatsträger. Die klugen Bestochenen und die cleveren Bestecher sind aber das viel größere Problem. Jeder erhebliche geld- werte Vorteil, der für jedes politische Tun oder Unterlas- sen eines Mandatsträgers gewährt oder angenommen wird, gehört unter Strafe gestellt, wenn er der rechtlichen Stellung des Abgeordneten widerspricht. Bestechlichkeit liegt vor, wenn das Abgeordneten- mandat und seine politischen Handlungsmöglichkeiten zum Handelsgut werden. Dazu gehört der Beratervertrag ohne Beratung. Dazu gehört der gut bezahlte Stuhl im Aufsichtsrat, auf dem der Mandatsträger nahezu nie Platz nimmt. Dazu gehört die All-inklusive-Einladung zu einer Konferenz, bei der man sich unter südlicher Sonne am Swimmingpool bespricht. Was für jede Richterin, jeden Richter, jeden Amtsträ- ger in jeder Behörde dieses Landes gilt, muss grundsätz- lich auch und gerade für Abgeordnete gelten: Entschei- dungen im Namen der Allgemeinheit dürfen weder gekauft, noch verkauft werden. Dieses Ziel verfolgt un- ser Antrag. Dieses Ziel verfolgt der Antrag der Grünen. Deswegen verdienen diese Anträge eine ernsthafte Dis- kussion und im Ergebnis Zustimmung. Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechts- modernisierungsgesetz – BilMoG) (Tagesord- nungspunkt 13) Antje Tillmann (CDU/CSU): In den letzten Jahr- zehnten wurde das deutsche Bilanzrecht grundlegend ge- ändert. Ein Meilenstein wurde für die Geschäftsjahre ab 2005 gesetzt, weil seither kapitalmarktorientierte Kon- zerne ihren Konzernabschluss nach internationalen Rech- nungslegungsstandards aufstellen. Angestrebt wurde eine einheitliche Weltsprache der Bilanzierung, die eine län- derübergreifend vergleichbare Bilanzanalyse ermöglicht. Diese sogenannten IFRS werden in mehr als 100 Län- dern angewendet und gelten verbindlich für die rund 8 000 börsennotierten Unternehmen in der EU. Die sich daraus ergebene Vergleichbarkeit erleichtert den interna- tionalen Firmen die Suche nach Kapitalgebern. Die internationalen Rechnungslegungsstandards sind auf kapitalmarktorientierte Unternehmen und die Be- dürfnisse der Investoren zugeschnitten. Für den Mittel- stand, das Rückgrat der europäischen Wirtschaft, sind diese Regeln viel zu komplex. Ihre Interessen wurden 19192 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 179. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. September 2008 (A) (C) (B) (D) beim Erarbeiten der bestehenden Regeln auch nicht be- rücksichtigt. Es ist daher auf keinen Fall zu rechtfertigen, alle Un- ternehmen, die zur Rechnungslegung verpflichtet sind, auch auf diese komplexen IFR-Standards zu verpflich- ten. Der vom International Accounting Standards Board veröffentlichte Entwurf eines internationalen Rech- nungslegungsstandards für kleine und mittelgroße Un- ternehmen ist ebenfalls keine Alternative. Er beinhaltet Regelungslücken, bei denen wiederum auf die vollen IFR-Standards und somit auf 2 400 Seiten Regelungsin- halt verwiesen wird. Zudem ist der Entwurf äußerst um- stritten und der demokratischen Kontrolle durch uns, das Gesetzgebungsorgan, entzogen. Darüber hinaus haben die Vertreter der Praxis in Deutschland den Entwurf scharf kri- tisiert, weil seine Anwendung – im Verhältnis zum HGB- Bilanzrecht – immer noch viel zu kompliziert und kos- tenträchtig wäre. Aus diesen Gründen kann es nur ein Ziel für uns ge- ben, nämlich den kleinen und mittelständischen Unterneh- men – im Verhältnis zu den internationalen Rechnungsle- gungsstandards – eine gleichwertige, aber einfachere und kostengünstigere Alternative zu bieten. Dabei soll der handelsrechtliche Jahresabschluss Grundlage der Ge- winnausschüttung bleiben. Die Vorzüge der Einheitsbi- lanz sollen so weit wie möglich bewahrt werden. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen wir den Infor- mationsgehalt der HGB-Bilanz ausbauen und verbes- sern, denn der Wettbewerb um Kapital beschäftigt auch den Mittelstand. Wie erfolgreich ein Unternehmen in diesem Wettbewerb ist, hängt auch davon ab, wie aussa- gekräftig seine Bilanzen sind. Dabei müssen wir aber sehr behutsam vorgehen und von den Unternehmen nicht mehr verlangen, als für die Erreichung der Ziele erfor- derlich ist. Was sind diese Ziele? Sie können in drei Gruppen un- terteilt werden: Erstens: die Deregulierung und Kosten- senkung, insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen. Zweitens: die Verbesserung der Aussage- kraft der HGB-Jahresabschlüsse. Drittens: die Umset- zung der EU-rechtlichen Vorgaben. Zum ersten Ziel: Deregulierung und Kostensenkung. Einzelkaufleute, die nur einen kleinen Geschäftsbetrieb unterhalten, sollen von der handelsrechtlichen Buchfüh- rungs- und Bilanzierungspflicht befreit werden. Der Mit- telstand soll so um Bürokratiekosten in Höhe von etwa 1 Milliarde Euro pro Jahr entlastet werden. Alle sprechen von Deregulierung und Bürokratieab- bau; sobald wir als Gesetzgeber aber Ernst machen, gibt es Bedenken. So auch hier: Die doppelte Buchführung sei aus Gründen des Gläubigerschutzes, der Vorbeugung der Insolvenzgefahr und als Warnzeichen auch im Be- reich der kleinen Unternehmen nötig. Wir sollten hier trotzdem den Mut zum Bürokratieab- bau haben. Kein Unternehmer ist daran gehindert, aus den oben genannten Gründen trotzdem eine Bilanz auf- zustellen oder ein sonstiges Risikomanagement einzu- führen. Ich bin optimistisch, dass Steuerberater auch bei einer Einnahmen- bzw. Überschussrechnung auf Risiken in der Gewinnermittlung hinweisen. Ganz im Gegenteil glaube ich, wir sollten prüfen, ob wir die Erleichterung nicht wieder auf Personenhandels- gesellschaften ausweiten, wie es der Referentenentwurf vorgesehen hatte. Bei Personenhandelsgesellschaften stellt sich im Gegensatz zu Einzelkaufleuten unter ande- rem die Frage der Gewinnverteilung auf Basis der Kapital- konten. Ich stimme hier der Auffassung des Bundesrates zu, dass möglicherweise verbundene gesellschaftsrecht- liche Folgefragen auch in Bezug auf die Gewinnvertei- lung in den betroffenen Personenhandelsgesellschaften auf der Grundlage zumeist dispositiver gesetzlicher Re- gelungen regelmäßig einer Lösung durch die Gesell- schaften selbst zugeführt werden können. Die kom- mende Anhörung wird Klarheit bringen. Bei Kapitalgesellschaften sollen die Schwellenwerte für Veröffentlichung und Prüfung um 20 Prozent ange- hoben werden. Es sind also Befreiungen und Erleichte- rungen bei der Bilanzierung vorgesehen, indem die Größenklassen, die darüber entscheiden, welche Infor- mationspflichten ein Unternehmen treffen, angehoben werden. Beispielsweise sollen rund 7 400 Kapitalgesell- schaften künftig nicht mehr mittelgroß, sondern klein sein. Diese Kapitalgesellschaften brauchen dann unter anderem ihren Jahresabschluss nicht von einem Ab- schlussprüfer prüfen zu lassen. Insgesamt soll aufgrund dieser Maßnahmen mit einer Senkung der Gesamtkosten der Buchführung, Ab- schlussaufstellung, -prüfung und -offenlegung in Höhe von ungefähr 1,3 Milliarden Euro pro Jahr zu rechnen sein. Zum zweiten Ziel: Verbesserung der Aussagekraft der HGB-Abschlüsse. Es muss für den Mittelstand weiterhin möglich bleiben, ohne großen Aufwand von der Han- delsbilanz zur Steuerbilanz zu kommen. Daher begrüße ich es – wie auch die Wirtschaft – sehr, dass eine Reihe von Wahlrechten gestrichen werden sollen, die aus be- triebswirtschaftlicher Sicht angreifbar sind und steuer- rechtlich sowieso nicht anerkannt werden. Hierzu zählen unter anderem die Streichung des Wahlrechts zur Akti- vierung der Aufwendungen für die Ingangsetzung und Erweiterung des Geschäftsbetriebes, die Abschaffung der fakultativen Aufwandsrückstellungen und die Auf- hebung des Aktivierungswahlrechts für Material- und Fertigungsgemeinkosten. Eine Anhebung des Informationsniveaus des handels- rechtlichen Jahresabschlusses soll zudem durch die Akti- vierungspflicht aktiver latenter Steuern und durch die bessere Ablesbarkeit der wirtschaftlichen Situation von Zweckgesellschaften in der Konzernbilanz erreicht wer- den. Zukünftig gilt im Zuge eines Unternehmenserwerbs der entgeltlich erworbene Geschäfts- und Firmenwert als ein zeitlich begrenzter nutzbarer Vermögensgegenstand, der in der Bilanz ausgewiesen werden muss. Mit dieser Einführung geht eine Verbesserung der Vergleichbarkeit des handelsrechtlichen Jahresabschlusses einher, da nach aktueller Rechtslage die Unternehmen wählen können, Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 179. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. September 2008 19193 (A) (C) (B) (D) ob sie den Firmenwert aktivieren. Darüber hinaus wird die Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertrags- lage stärker als bisher an die tatsächlichen Verhältnisse, den tatsächlichen Werteverzehr angenähert. In steuerli- cher Hinsicht ist der entgeltlich erworbene Geschäfts- und Firmenwert ebenfalls zu aktivieren. Zudem sieht der Gesetzentwurf vor, dass Finanzin- strumente wie Aktien, Fondsanteile und Derivate, so- weit sie zu Handelszwecken erworben sind, künftig bei allen Unternehmen zum Bilanzstichtag mit dem Markt- wert – Fair Value – bewertet werden. Dadurch soll sich die Aussagekraft des Jahresabschlusses im Hinblick auf jederzeit realisierbare Gewinne und Verluste erhöhen; die noch nicht realisierten Gewinne werden jedoch grundsätzlich mit einer Ausschüttungssperre verbunden. Die Fair-Value-Bewertung ist ja aufgrund der Ban- kenkrise sehr in die Kritik geraten. Hier wird deshalb ein Schwerpunkt in der Anhörung liegen. Wir werden hin- terfragen, ob diese Regelung tatsächlich im allgemeinen Teil des HGB implementiert werden soll oder besser un- ter den Spezialvorschriften. Bei den Rückstellungen von Unternehmen für Ver- pflichtungen sollen Entwicklungen künftig – wie Lohn-, Preis- und Personalentwicklungen – berücksichtigt wer- den. Rückstellungen mit einer Laufzeit von mehr als ei- nem Jahr sollen mit dem ihrer Laufzeit entsprechenden durchschnittlichen Marktzinssatz der vergangenen sie- ben Geschäftsjahre abgezinst werden. Die Art, wie Rückstellungen gegenwärtig bilanzrechtlich behandelt werden, wird in der öffentlichen Diskussion immer wie- der als Schwachstelle der handelsrechtlichen Rech- nungslegung bezeichnet. Steuerrechtlich bleiben dage- gen die Wertansätze am Bilanzstichtag maßgebend. Viele Verbände unterstützen das Vorhaben, bei der Rückstellungsbewertung erwartete Preiseffekte zu be- rücksichtigen. Bezüglich der geplanten Abzinsungsrege- lung gibt es jedoch auch kritische Stimmen, die zum Beispiel hohe Kosten darin sehen, dass Unternehmen verschiedene Bewertungsansätze für die Steuer- und Handelsbilanz bilden müssen. Die Anhörung wird die Vor- und Nachteile abwägen. Für viel Unruhe hat der Ansatz gesorgt, das Prinzip der wirtschaftlichen Zurechnung von Vermögensgegen- ständen einer gesetzlichen Verankerung zu unterziehen. Wenn auch in der Begründung darauf hingewiesen wird, dass sich „keine Veränderungen des bisherigen Rechts- zustandes“ ergeben, so führt die neue Formulierung trotzdem zu Verunsicherung. Der Vorschlag des Bun- desrates, indem für die Zurechnung auf die aus dem Steuerrecht bekannte und bewährte Formulierung zur Zurechnung von Wirtschaftsgütern des § 39 der Abga- benordnung zurückgegriffen werden soll, sollte in Erwä- gung gezogen werden. Immaterielle selbstgeschaffene Vermögensgegen- stände des Anlagevermögens wie zum Beispiel Patente oder Know-how sind künftig in der HGB-Bilanz anzu- setzen. Das ist vor allem für innovative Unternehmen wichtig, die intensiv forschen und entwickeln, beispiels- weise die chemische oder pharmazeutische Industrie oder die Automobilindustrie nebst ihren Zulieferern. Ins- besondere profitieren auch kleine und sogenannte Start- Up-Unternehmen von der Vorschrift. Auch sie können ihre Entwicklungen – ihr Potenzial – künftig in der Han- delsbilanz zeigen. Dadurch können die Unternehmen ihre Eigenkapitalbasis ausbauen und ihre Fähigkeit ver- bessern, sich am Markt kostengünstig weiteres Kapital zu beschaffen. Steuerlich bleiben die Aufwendungen aber nach wie vor abzugsfähig; sie stehen auch nicht für die Gewinnausschüttung zur Verfügung. Das fördert die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands als Standort für in- novative Unternehmen. Dieses Instrument ist bei dieser Reform aber auch das am heftigsten diskutierte. Die Bedenken gegen diese Ak- tivierung, unter anderem, dass dem Gut nur schwer ein objektiver Wert zugewiesen werden könne, dass die Ab- grenzung zwischen Forschungs- und Entwicklungskos- ten schwierig sei oder dass eine Abweichung der Han- dels- von der Steuerbilanz vorliege, werden wir in einer Anhörung versuchen auszuräumen. Ein hinreichender Gläubigerschutz und eine Anhebung des Informationsni- veaus soll erreicht werden, indem die Aktivierungs- pflicht mit einer Ausschüttungssperre gekoppelt wird. Das Wahlrecht der Kapitalgesellschaften, ihren Jah- resabschluss nach den IFR-Standards aufzustellen, wird im Gesetzentwurf nicht weiter verfolgt. Kapitalgesell- schaften können – anders als im Referentenentwurf vor- gesehen – nun doch keinen befreienden Jahresabschluss nach den internationalen Rechnungslegungsstandards aufstellen. Ursprünglich sollte dies möglich sein, sofern die Unternehmen im Anhang zum Jahresabschluss wei- ter eine Bilanz sowie eine Gewinn- und Verlustrechnung nach HGB vorlegen. Viele Unternehmen haben diese Möglichkeit abge- lehnt, weil sie darin keine wirkliche Entlastung sahen, solange sie die HGB-Bilanz trotzdem im Anhang auf- führen müssen. Andere Verbände betrachteten kritisch, dass durch diese Regelung faktisch der Druck auf kleine Unternehmen erhöht wird, internationale Rechnungsle- gungsstandards anzuwenden. Ich begrüße die Entscheidung des Justizministeriums, das Wahlrecht – entgegen dem Referentenentwurf – nicht einzuführen. Die IFRS sind umstritten, und wir ha- ben als Gesetzgebungsorgan der Bundesrepublik Deutschland keinen Einfluss auf ihre Entwicklung. Wir brauchen eine gangbare Alternative zu den internationa- len Rechnungslegungsstandards, die keinesfalls dadurch erreicht wird, dass wir weitere Wahlrechte schaffen. Zum dritten Ziel: Umsetzung weiterer Änderungen, die aus EU-rechtlichen Vorgaben resultieren. Mit der Re- form sollen auch die EU-rechtlichen Vorgaben unter an- derem zum Unternehmensführungsbericht und zur Er- richtung eines Prüfungsausschusses umgesetzt werden. Dabei ist es für uns überaus wichtig, dass die Vorgaben mit einer möglichst geringen Belastung für die Unter- nehmen umgesetzt werden. Abschließend möchte ich noch auf zwei weitere we- sentliche Punkte hinweisen. 19194 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 179. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. September 2008 (A) (C) (B) (D) Erstens: Die Bilanzreform darf keine steuerliche Be- lastungswirkung haben. Wir wollen durch die Deregulie- rung eine Entlastung für die Unternehmen erreichen und sie nicht dadurch zunichte machen, dass wir an anderer Stelle steuerliche Mehrbelastungen produzieren. Die Verwirklichung dieses Ziels werden wir auch im weite- ren Gesetzgebungsverfahren verfolgen. Zweitens: Die erstmalige Anwendung der Vorschrif- ten muss praxisgerecht ausgestaltet werden. Die Über- gangszeiträume müssen in Anbetracht des Umstellungs- aufwands, gerade im IT-Bereich, so ausgestaltet sein, dass jedes betroffene Unternehmen genug Zeit hat, sich darauf einzustellen. Bei einigen Vorschriften, die auf der Umsetzung von EU-Richtlinien beruhen, unter anderem zum Risikobericht und zu Aufsichtsratskompetenzen, ist eine frühzeitige Anwendung erforderlich, andere könn- ten für 2009 wahlweise und erst 2010 verpflichtend ein- geführt werden. Das BilMoG ist die größte Bilanzrechtsreform seit über 20 Jahren mit weitreichenden Auswirkungen für alle bilanzierenden Unternehmen. Deshalb ist im Einzel- nen zu prüfen, ob die Zielsetzungen des Gesetzentwurfs eingehalten werden. Ich freue mich auf diese Diskussio- nen. Klaus Uwe Benneter (SPD): Der vorgelegte Ent- wurf befreit Einzelkaufleute mit einem Gewinn unter 50 000 Euro oder einem Jahresumsatz unter 500 000 Euro von der handelsrechtlichen Buchführung und Bilanzie- rung. Das ist eine enorme Deregulierung und eine gute Sache. Auch der Nationale Normenkontrollrat begrüßt diese Regelung als Abbau von Bürokratie in nennens- werter Größe. Der Normenkontrollrat hat in seiner Stel- lungnahme sehr viel dazu ausgeführt, dass er diesen Bü- rokratieabbau gerne in seine eigene Erfolgsbilanz aufnehmen möchte, das Justizministerium diese Ansicht aber nicht teile. Wichtig ist aus meiner Sicht aber vor al- lem, dass unnötige Bürokratie verschwindet. Ob sich der Normenkontrollrat oder die Justizministerin diese Ent- bürokratisierung auf die Fahnen schreiben wollen, ist mir egal. Jedenfalls sind wir es als Parlament, die das Leben einfacher machen. So weit, so gut. Jetzt kommen wir allerdings zum schwierigeren Teil des Gesetzentwurfs; denn die Bilanz- rechtsmodernisierung ist ein schwieriges Vorhaben. Wir wollen den Jahresabschluss nach dem Handelsgesetz- buch behalten, der auf den bewährten Grundsätzen ord- nungsgemäßer Buchführung beruht. Darunter fallen so schöne Grundsätze wie Bilanzwahrheit, Bilanzklarheit, Bilanzvollständigkeit und Bilanzkontinuität – und über allem schwebt der Grundsatz der Vorsicht. Grundsätze, die altmodisch klingen. In Zeiten des nicht für möglich gehaltenen Zusammenbruchs der Finanzmärkte erhalten diese Grundsätze jedoch neuen Glanz. Der Jahresabschluss nach dem HGB ist in Gefahr; denn er wird zunehmend verdrängt, verdrängt durch in- ternationale Rechnungslegungsregelungen, die soge- nannten IFRS – International Financial Reporting Stan- dard –, die ohne irgendeine demokratische Kontrolle von einem internationalen, privatrechtlich organisierten Nor- mungsgremium namens IASB – International Accoun- ting Standards Board – erarbeitet werden. Solche ein- heitlichen internationalen Rechnungslegungsregeln werden in einer globalisierten Wirtschaft gebraucht und verlangt; denn natürlich sind internationale Rechnungs- legungstandards attraktiv. Jede Bank, jeder Geldgeber weltweit kann eine Rechnungslegung nach diesem Sys- tem verstehen. Die Bilanzen der Unternehmen und Ban- ken werden so weltweit miteinander vergleichbar. Die globalisierte Wirtschaft hat deshalb kein Interesse an lauter verschiedenen nationalen Bilanzierungsregeln. Wer international agiert, muss international verständlich bilanzieren. Das ist die einfache Regel einer globalisier- ten Wirtschaft. Die Europäische Union hat dementsprechend bereits festgelegt, dass kapitalmarktorientierte Unternehmen ihre Konzernabschlüsse nach diesen IFRS aufstellen müssen. Allerdings gibt es doch noch eine Überlebens- chance für unser HGB; denn die Anforderungen an die Rechnungslegung sind bei kapitalmarktorientierten Un- ternehmen sehr hoch. Die IFRS haben deshalb – um die- sen Anforderungen gerecht zu werden – einen enormen Regelungsumfang. Entsprechend den Wünschen der Wirtschaft nach einer weniger komplexen internationa- len Regelung für kleine und mittlere Unternehmen gibt es zwar inzwischen einen Entwurf für eine abgespeckte IFRS-Version für KMU. Diese „IFRS-light“ haben aber immer noch eine enorme Regelungsdichte und enthalten außerdem zahlreiche Verweise auf die „großen“ IFRS. Wir glauben, dass auch diese „IFRS-light“ unsere Un- ternehmen zu unnötig kostenintensiver Rechnungsle- gung zwingen würden. Wenn wir aber nichts unterneh- men, werden wir einen faktischen Zwang zur IFRS- Bilanzierung bekommen, zunächst für den gehobenen Mittelstand und nach und nach für immer mehr Unter- nehmen. Denn unser HGB ist zu weit entfernt von den internationalen Rechnungslegungsstandards. Das liegt unter anderem daran, dass HGB und IFRS anderen Prin- zipien folgen. Während das HGB das Vorsichtsprinzip hochhält, verfolgen die IFRS den Fair-Value-Grundsatz. Danach soll der wahre Wert des Unternehmens in der Bilanz sichtbar werden. Deshalb werden eben nicht nur die Risiken, sondern auch die möglichen Chancen eines Unternehmens in der Bilanz bewertet. Dieses Auseinan- derlaufen von HGB und IFRS führt dazu, dass die HGB- Abschlüsse für Banken und potenzielle Geldgeber zu wenig Aussagekraft haben und einen echten Vergleich mit anderen Unternehmen nicht ermöglichen. Ich sehe deshalb unsere Aufgabe darin: Wir müssen das Handelsgesetzbuch so modernisieren, dass die HGB- Abschlüsse in ihrer Aussagekraft mit IFRS-Abschlüssen vergleichbar sind, aber mit deutlich geringerem Auf- wand erstellt werden können. Wir müssen also unser HGB an die IFRS annähern. Wir müssen aber gleichzei- tig berücksichtigen, dass die HGB-Bilanz maßgeblich ist für die Gewinnausschüttung, und wir müssen weiter be- denken, dass die HGB-Bilanz im Grundsatz maßgeblich für die Steuerbilanz sein soll und Steuererhöhungsef- fekte nicht eintreten sollen. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 179. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. September 2008 19195 (A) (C) (B) (D) Unser Mittelstand baut auf die Bilanzrechtsmoderni- sierung; das wurde uns Abgeordneten schnell klar. Schon die Veröffentlichung des Referentenentwurfs ist auf reges Interesse gestoßen und hat zu vielen Gesprä- chen, Stellungnahmen und Fachveranstaltungen geführt, die wiederum bei der Abfassung des Regierungsent- wurfs eingearbeitet wurden. Tenor der Stellungnahmen zum Kabinettsentwurf: Das Bundesministerium der Jus- tiz hat einen sehr gut durchdachten Entwurf vorgelegt. Über Einzelheiten werden wir aber noch beraten müs- sen. Deshalb werden wir zügig eine Sachverständigen- anhörung durchführen und danach entscheiden. Es ist unsere Aufgabe, die Bilanzrechtsmodernisierung erfolg- reich abzuschließen. Auf der Grundlage eines ausge- zeichneten Regierungsentwurfs wird uns das auch gelin- gen. Mechthild Dyckmans (FDP): Heute beraten wir parlamentarisch das erste Mal die Modernisierung des deutschen Bilanzrechts. Über diese Reform wird bereits seit vielen Jahren diskutiert. Von interessierter Seite wurden mehrfach Vorschläge vorgelegt. Der Mittelstand wartet auf ein entrümpeltes und zukunftstaugliches HGB-Bilanzrecht. Der erstmals für Sommer 2004 angekündigte Refe- rentenentwurf wurde immer wieder verschoben. Nicht zuletzt die Notwendigkeit der Umsetzung einiger EU- Richtlinien hat nun dazu geführt, dass wir seit Mai 2008 endlich den Kabinettsentwurf und jetzt auch den Regie- rungsentwurf vorliegen haben. Der Regierungsentwurf hat im Vergleich zum Refe- rentenentwurf – und da sind wir sehr froh – einige ent- scheidende Änderungen erfahren. Während es zunächst den Anschein hatte, als sollten die internationalen Bilan- zierungsregeln ganz entscheidenden Einfluss auf das HGB nehmen, hat man dies im Regierungsentwurf weit- gehend aufgegeben. Wir begrüßen, dass die Aussage- kraft der HGB-Abschlüsse durch den Entwurf gestärkt und der Versuch unternommen wird, durch eine mode- rate Annäherung an internationale Vorschriften ein ein- facheres, praktikableres Regelwerk zu schaffen. Zu Recht hatten gerade mittelständische Unternehmen Bedenken, dass sie durch die Hintertür gezwungen wer- den sollten, sich auf die komplizierten und umfangrei- chen internationalen IFRS einzustellen. Die zahlreichen Verweise auf die IFRS, insbesondere bei der Definition von Begriffen, sind weggefallen. Der Gesetzentwurf ent- hält jetzt eigene Begriffsbestimmungen. Das HGB wird dadurch verständlicher und leichter handhabbar. Bei der Überarbeitung des Gesetzentwurfs wurden je- doch auch Änderungen vorgenommen, über die wir noch einmal reden müssen. Sah der Referentenentwurf noch die an Schwellen- werte gebundene Befreiung von der Buchführungs- und Bilanzierungspflicht sowohl für Einzelkaufleute als auch für Personenhandelsgesellschaften vor, so soll diese Be- freiung nach dem Regierungsentwurf nur noch für Ein- zelkaufleute gelten. Der Bundesrat spricht sich dafür aus, auch Personenhandelsgesellschaften zu befreien. Dies macht sowohl im Hinblick auf eine weitere Deregu- lierung als auch hinsichtlich einer Kostenentlastung für die betroffenen Unternehmen Sinn. Auch wenn wir Un- ternehmen von der Buchführungs- und Bilanzierungs- pflicht befreien, dürfen sie immer noch nach HGB bilan- zieren. Die Entscheidung hierüber würden wir dann der Eigenverantwortung der Unternehmen überlassen. In den parlamentarischen Beratungen sollten wir alle Argu- mente noch einmal sorgfältig abwägen. Der Gesetzentwurf räumt begrüßenswerterweise mit einigen Wahlrechten auf. Hierdurch fördern wir unter anderem die Annäherung von Handels- und Steuerbilanz hin zur sogenannten Einheitsbilanz – in erstrebenswertes Ziel. Wenn ich eben erwähnt habe, dass zu Recht zahlrei- che Verweise auf die IFRS und einige Wahlrechte weg- gefallen sind, so sollten wir aber doch noch einmal da- rüber nachdenken, ob es bei der Streichung des Wahl- rechts hinsichtlich eines befreienden IFRS-Abschlusses für Kapitalgesellschaften, das der Referentenentwurf vorsah, bleiben muss. Wir sollten versuchen, auch für diejenigen Unternehmen, die bereits heute ihren Kon- zernabschluss nach IFRS bilanzieren, Deregulierungs- möglichkeiten zu finden. Das Bundesjustizministerium ging im Referentenentwurf diesbezüglich von einer messbaren Kostensenkung um immerhin 18 Millionen Euro aus. Ich weiß um die Befürchtung kleiner und mitt- lerer Unternehmen, dadurch mittelfristig doch zur IFRS- Bilanzierung gezwungen zu werden. Wir sollten uns im Rahmen einer Sachverständigenanhörung erläutern las- sen, wo Vorteile und Nachteile eines entsprechenden Wahlrechts liegen, und dann über weitere Schritte ent- scheiden. Soweit möglich, sollte – ich habe es schon erwähnt – versucht werden, die Einheit von Handels- und Steuerbi- lanz zu erreichen. Daher ist zu überdenken, ob nicht hinsichtlich der selbstgeschaffenen immateriellen Ver- mögensgegenstände und der Entwicklungskosten ein Aktivierungswahlrecht eingeführt werden könnte. Zusätzlich könnte man sich der Einheitsbilanz nähern, wenn hinsichtlich der Pensionsverpflichtungen nur ein Verfahren zur Bewertung von Rückstellungen anzuwen- den ist. Damit ließe sich zusätzlicher Aufwand für die Unternehmen vermeiden. In diesem Zusammenhang wäre es sicher für alle Be- teiligte hilfreich, zu wissen, ob die Bundesregierung plant, ein eigenes Steuerbilanzrecht zu erlassen, und wie weit die Planungen und Arbeiten im dafür zuständigen Finanzministerium sind. Der diesbezügliche Hinweis in der Gesetzesbegründung, dass zu analysieren sei, ob zur Wahrung einer nach der individuellen Leistungsfähigkeit ausgerichteten Besteuerung eine eigenständige steuerli- che Gewinnermittlung notwendig sei und wie sie erfor- derlichenfalls zu konzipieren sei, hat uns alle hellhörig gemacht. Hier sollte mit offenen Karten gespielt werden, da die Unternehmen bei Verabschiedung des BilMoG wissen sollten, ob auf sie noch eine neue Bilanz mit all den damit zusammenhängenden Kosten zukommt oder nicht. 19196 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 179. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. September 2008 (A) (C) (B) (D) Lassen Sie mich zum Schluss noch einen ganz wichti- gen Punkt ansprechen: die Frist des Inkrafttretens. Nach dem Regierungsentwurf sollen die Regelungen erstmals auf die nach dem 31. Dezember 2008 beginnenden Ge- schäftsjahre Anwendung finden. Dies ist jedoch insbe- sondere aufgrund des hohen Umstellungsaufwands bei den Unternehmen nicht mehr denkbar. Ich hoffe, dass wir uns zumindest diesbezüglich zügig einigen können, um den Unternehmen ein entsprechendes Signal zu ge- ben. Dr. Barbara Höll (DIE LINKE): Mit dem vorliegen- den Gesetzentwurf diskutieren wir die umfassendste Re- form des Handelsbilanzrechts seit 1965. Der ursprüngli- che Referentenentwurf datiert im November 2007. Ein Jahr wird seither zwischen Justizministerium sowie Ex- perten und Expertinnen aus der Wirtschaftswissenschaft und der Beratungsbranche diskutiert, und das aus gutem Grund – immerhin handelt es sich beim Bilanzrecht um eine komplexe, hochkomplizierte und gewachsene Ma- terie. Dazu kommt, dass die Änderung eines Satzes oder Halbsatzes wesentliche materielle Auswirkungen bei der Ermittlung des – auch steuerlichen – Gewinns haben kann. Worum geht es? Der handelsrechtliche Jahresab- schluss soll – so das Ziel der Bundesregierung – den in- ternationalen Rechnungslegungsvorschriften IFRS ange- passt werden. Gleichzeitig sollen Buchführung und Bilanzierung billiger und weniger bürokratisch werden. Durch die Übernahme internationaler Rechnungsle- gungsvorschriften sollen auch bei kleinen Unternehmen internationale Standards in die Bilanz einfließen, ohne dass diese gleich eine Bilanz nach den International Fi- nancial Reporting Standards (IFRS) erstellen müssen. Dies stärkt zweifellos deren Position, wenn es bei Kre- ditinstituten darum geht, kreditfähig zu sein. Bürokratieabbau, Kostensenkung und Anpassung an die Internationalisierung sind als Ziele einer Reform des Bilanzrechts sicherlich nicht abzulehnen. Allerdings sind die Grundsätze der Handelsbilanz, nämlich der Gläubi- gerschutz sowie die Transparenz gegenüber den Gläubi- gern und der Öffentlichkeit, aus unserer Sicht zu wahren. Vor diesem Hintergrund steht für uns hinter einigen Neuregelungen ein großes Fragezeichen. Nur zwei Bei- spiele: So sollen Kaufleute von der Buchführungspflicht befreit werden, wenn sie in zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren einen Jahresüberschuss von 50 000 Euro und einen Umsatzerlös von 500 000 Euro nachweisen. Allein bezogen auf die Umsatzgröße wäre damit übri- gens die Mehrheit der Unternehmen vom Jahresab- schluss befreit: bei den Einzelunternehmern rund 90 und den Offenen Handelsgesellschaften 80 Prozent. Wir halten die Befreiungsvorschrift aus verschiede- nen Aspekten für ein Problem: Die doppelte Buchfüh- rung ist ein wichtiges Zahlenwerk für Unternehmer und Unternehmerinnen, um Forderungen und Verbindlich- keiten und den Status bei Anlage- und Umlaufvermögen oder etwa auch eine Überschuldung festzustellen. Sie ist damit ein wichtiges Instrument für die Führung von Un- ternehmen mit einem – wie es im Handelsgesetzbuch so schön heißt – „voll eingerichteten Geschäftsbetrieb“. Aus unserer Sicht sollte deshalb die Befreiungsvorschrift nicht an quantitativen, sondern qualitativen Maßstäben ausgerichtet sein. Das heißt, nicht die Höhe des Jahres- überschusses und Umsatzes, sondern der Umfang des Betriebes entscheidet über die Buchführungspflicht – wie derzeit auch. Aus unserer Sicht ist diese Befreiungsvorschrift auch keine tatsächliche Entlastung, da zahlreiche Unterneh- men zum Beispiel für Verhandlungen mit Banken ohne- hin Bilanzen erstellen müssen. Fragen entstehen auch, wenn man sich diese Vorschrift in der Praxis vorzustel- len versucht: Der Gewinn ist – kurz gesagt – bei Bilan- zierenden immer der Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluss des aktuellen Wirtschafts- jahres und dem Betriebsvermögen am Schluss des vo- rangegangene Wirtschaftsjahres. Was aber, wenn in den vorangegangenen Wirtschaftsjahren aufgrund der Befrei- ung gar keine Bilanz erstellt werden musste, im aktuellen jedoch schon? Wo knüpft die Ermittlung des Gewinns an? Muss das Unternehmen dann eine Eröffnungsbilanz erstellen? Unverständlich ist uns – damit komme ich zum zwei- ten Beispiel –, weshalb an einigen Stellen von dem im Handelsrecht bewährten Vorsichtsprinzip abgegangen wird: So sollen zukünftig selbst geschaffene immate- rielle Vermögensgegenstände, wie zum Beispiel Patente, im Anlagevermögen der Unternehmen aktiviert werden können. Zwar werden diese Posten mit einer Ausschüt- tungssperre belegt, die Eigenkapitalbasis des Unterneh- mens verbreitert sich aber trotzdem. Dies soll – so die Begründung der Regierung – deren Fähigkeit verbes- sern, sich Eigen- und Fremdkapital zu beschaffen. Dies ist aber aus meiner Sicht bedenklich: In der Begründung des Gesetzentwurfes selbst wird darauf hingewiesen, dass die Posten selbst geschaffener immaterieller Ver- mögenswerte kaum objektiven Werten entsprechen. Das ist richtig. Sie sind abhängig von der internen Kosten- rechnung des Unternehmens. Um so fragwürdiger ist, dass Unternehmen auf einer so unsicheren, schwer ob- jektivierbaren Basis mehr Kapital beschaffen können sollen. Aus unserer Sicht ist der Ausweis der selbst er- stellten Vermögenswerte im Anlagevermögen hierfür auch nicht nötig, denn im Rahmen einer Kreditgewäh- rung können Unternehmen über die Bilanz hinaus Unter- lagen beibringen, die einen Überblick über zum Beispiel das Vorhandensein von Patenten und ähnlichem geben. Fragwürdig ist hier auch, weshalb bei der Erstellung der Handelsbilanz das Vorsichtsprinzip aufgegeben wird – nicht aber bei der Steuerbilanz. Bei letzterer ist eine Ak- tivierung selbst erstellter immaterieller Wirtschaftsgüter auch zukünftig nicht zulässig. Der Aufwand für die Her- stellung dieser Vermögensgegenstände mindert weiter- hin den steuerlichen Gewinn. Die Kritik zahlreicher Sachverständiger, dass unter anderem durch die letztgenannte Regelung Handels- und Steuerbilanz weiter auseinanderdriften, teilen wir expli- zit nicht. Im Gegenteil: Wir haben im Rahmen der Re- form der Unternehmensbesteuerung die Aufhebung der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz gefordert, da mit Handels- und Steuerbilanz zwei unter- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 179. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. September 2008 19197 (A) (C) (B) (D) schiedliche Ziele verfolgt werden: Entsprechend dem bereits erwähnten Vorsichtsprinzip sind die Ansätze in der Handelsbilanz niedrig angesetzt. Ergebnis ist damit – aufgrund des Prinzips der Maßgeblichkeit – ein niedri- ger steuerbilanzieller Gewinn. Dies ist aber problema- tisch, denn Adressat der Steuerbilanz sind die Finanzbe- hörden. Die steuerliche Bemessungsgrundlage soll die reale wirtschaftliche Leistungsfähigkeit in einem kon- kreten Veranlagungszeitraum widerspiegeln. Das Durch- schlagen des handelsbilanzrechtlichen Vorsichtsprinzips auf die Höhe von Ertragsteuern ist also nicht sachge- recht. Im Rahmen der internationalen Rechnungslegung existiert eine derartige Verknüpfung zwischen handels- und steuerbilanziellen Vorschriften auch nicht. Im Übri- gen geben uns wissenschaftliche Arbeiten der Professo- ren Spengel und Herzig darin auch Recht. Fragen ergeben sich für uns auch bezüglich der zu- künftigen Zurechnung wirtschaftlichen und nicht mehr zivilrechtlichen Eigentums zum Unternehmensvermögen – was heißt dies für die Gewinnrealisierung? Wie werden selbst erstellte immaterielle Vermögenswerte – also „Alt- fälle“ –, die aber im Unternehmen permanent weiterent- wickelt werden, behandelt – weiterhin als Aufwand oder als Aktivposten? Ein Beispiel hierfür ist selbst entwi- ckelte Software. Wie verträgt sich das Abzinsungsgebot von Rückstellungen mit dem Realisationsprinzip? Wa- rum geht die Bundesregierung bei der Vorschrift über die Bildung von Bewertungseinheiten bei Sicherungsge- schäften weit über die Richtlinien der internationalen Rechnungslegung hinaus? Und nicht zuletzt: Wie schla- gen die handelsbilanziellen Änderungen auf den steuerli- chen Gewinn durch? Zwar wird die Steuerneutralität der Reform betont. Geklärt werden müsste jedoch zum Beispiel wie sich der Wegfall der umgekehrten Maßgeblichkeit zum Beispiel auf die Bildung steuerfreier Rücklagen auswirkt. Gerade bei der Frage der Auswirkungen der Reform auf das steuerliche Ergebnis ist uns die Zurückhaltung des Fi- nanzministeriums bei diesem Thema auch völlig unver- ständlich. Für den weiteren Gesetzgebungsprozess, die Anhörung und Beratung im Ausschuss, bleiben aus un- serer Sicht also noch wesentliche Fragen zu klären, Un- genauigkeiten klarzustellen und Korrekturen vorzuneh- men. Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Kleine und mittelständische Unternehmen in Deutsch- land sind das Rückgrad der Wirtschaft. Sie garantieren Millionen von Arbeitsplätzen und tragen Verantwortung für die Berufsausbildung. Es ist deshalb ein Anliegen meiner Fraktion, besonders diese Unternehmen von un- nötigem Bürokratieaufwand und Bürokratiekosten zu entlasten. Wir begrüßen deshalb im Grundsatz den von der Bundesregierung eingebrachten Vorschlag zur Mo- dernisierung des Bilanzrechts. Ein wichtiger Punkt des Reformvorhabens ist die Be- freiung von Einzelkaufleuten, die innerhalb von zwei Geschäftsjahren nicht mehr als 500 000 Euro Umsatzer- löse und 50 000 Euro Jahresüberschuss aufweisen, von den bisherigen handelsrechtlichen Buchführungspflich- ten. Diese Regelung entbindet also von dem kostenauf- wendigen Erstellen einer handelsrechtlichen Bilanz. Das kann gerade Betriebsgründerinnen und Betriebsgründern zugutekommen. Hinter den handelsrechtlichen Buchfüh- rungspflichten steht das Interesse der Handelspartner an Offenlegung der wirtschaftsrelevanten Daten. Zudem dienen die Buchführungspflichten auch den Unterneh- men selbst, weil sie veranlasst werden, eine betriebswirt- schaftlich sinnvolle Mindestkontrolle der eigenen Be- triebstätigkeit auszuüben. Das kann sie auch vor Insolvenzgefahr schützen. Einzelkaufleute, die von den handelsrechtlichen Buchführungspflichten befreit sind, bleiben jedoch zur Einnahme-Überschuss-Rechnung nach dem Einkom- mensteuergesetz verpflichtet. Zwar ist eine Überschuss- rechnung nicht im gleichen Maße wie ein handelsrechtli- cher Bestandsvergleich zur Kontrolle der betrieblichen Situation eines Unternehmens geeignet. Wir halten sie aber dennoch für kleine und mittlere Unternehmen für ausreichend. Hier überwiegt für uns der positive Aspekt der Kosten- und Aufwandserleichterung für diese Unter- nehmen. Im Handelsgesetzbuch – konkret in § 241 a HGB – sollte aber klargestellt werden, dass die Pflicht zum Erstellen einer Überschussrechnung weiterhin be- steht. Ein weiter Punkt ist mir an dieser Stelle wichtig: Buchführungspflichten haben, wie gesagt, eine Schutz- funktion sowohl für die Unternehmen selbst als auch für Gläubiger und Handelspartner. Wenn die Buchführungs- pflichten erleichtert werden, sind damit gewissen Risi- ken verbunden. Denen kann und muss mit einem verbes- serten Insolvenzrecht begegnet werden. Die Bundesregierung ist in der Pflicht, eine kohärente Re- form des Insolvenzrechts vorzulegen. Mit dem Bilanz- rechtsmodernisierungsgesetz wird deutschen Unterneh- men eine einfachere und kostengünstigere Alternative zu den internationalen Rechnungslegungsstandards angebo- ten. Auch diesen Punkt des Gesetzesvorhabens begrüßen wir. Die internationalen Rechnungslegungsstandards be- trachten wir weiterhin kritisch, weil diese Standards nicht in einem demokratisch legitimierten Gesetzge- bungsverfahren oder wenigstens in der gebotenen Trans- parenz und Mitwirkung parlamentarischer Gremien zu- stande kommen. Vielmehr werden sie von dem IAS- Board, einem privaten Gremium mit Sitz in London, das von Industrieunternehmen, Banken, Versicherungsunter- nehmen und Wirtschaftsprüfern finanziert wird, erarbei- tet. Ein solches Vorgehen führt zu einem Verlust von Transparenz und Demokratie. Darauf haben wir bereits 2004 bei der Debatte um das Bilanzkontrollgesetz und das Bilanzrechtsreformgesetz hingewiesen. Insofern se- hen wir es positiv, wenn den mittelständischen und nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen eine Alternative zu den internationalen Rechnungslegungsstandards an- geboten wird. Dennoch verlieren auch für diese Unter- nehmen die Internationalen Rechnungslegungsstandards nicht an Relevanz; denn für die Unternehmen, die inter- national agieren, kann ein wirtschaftlicher Druck beste- hen, gemäß den internationalen Regeln zu bilanzieren. Zudem enthält das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz 19198 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 179. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. September 2008 (A) (C) (B) (D) zumindest mittelbare Bezüge zu den Internationalen Rechnungslegungsstandards. Wir fordern deshalb die Bundesregierung heute zum wiederholten Male auf, sich zumindest auf europäischer Ebene nachhaltig für ein demokratisch legitimiertes Zu- standekommen der Internationalen Rechnungslegungs- standards einzusetzen. Diese dürfen von der EU nicht blind übernommen werden, sondern müssen unter Mit- wirkung des Europäischen Parlaments und der nationa- len Parlamente erarbeitet und beschlossen werden. Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz, Die Bundesregierung hat den Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Bi- lanzrechts vorgelegt. Wir wollen mit diesem Gesetz da- für sorgen, dass mittelständische Unternehmen noch bes- sere Rahmenbedingungen in Deutschland vorfinden. Die Wirtschaft braucht moderne und effiziente Bilanzie- rungsregeln. Nur dann bleibt das notwendige Vertrauen in die Finanzinformationen der Unternehmen erhalten. Dabei muss man unterscheiden: Die großen, börsennotierten Unternehmen orientieren sich an den internationalen Rechnungslegungsstan- dards, den sogenannten IFRS. 2004 haben wir daher mit dem Bilanzrechtsreformgesetz vor allem der IFRS-An- wendung im Konzernabschluss kapitalmarktorientierter Unternehmen aufgrund der europäischen IAS-Verord- nung Rechnung getragen. Für kapitalmarktorientierte Unternehmen haben sich die IFRS inzwischen zu den weltweiten Rechnungsle- gungsstandards entwickelt. Eine Erfolgsgeschichte, die nur wenige für möglich gehalten haben. Und Europa war von Anfang an mit dabei und hat mit der IAS-Verord- nung eine wichtige Vorreiterrolle eingenommen. Für die kleinen und mittelständischen Unternehmen, also für das Gros der deutschen Kapitalgesellschaften, sind die IFRS hingegen zu kompliziert und deshalb nicht brauchbar. Daran werden auch die als Entwurf vorlie- genden „IFRS für KMU“ nichts ändern. Diese Unterneh- men richten sich nach dem deutschen HGB-Bilanzrecht, das ihnen ein bewährtes und kostengünstiges Regelwerk an die Hand gibt. Allerdings sehen sich die kleinen und mittleren Un- ternehmen vermehrt unter einem gewissen Druck, auf die internationalen Standards umschwenken zu müssen. Dieser Druck kommt teils von den Banken teils von aus- ländischen Unternehmen. Wir wollen diesen Druck von den Mittelständlern nehmen und müssen deshalb dafür sorgen, dass die Handelsbilanz noch aussagekräftiger wird und das HGB-Bilanzrecht im Wettbewerb mit den internationalen Rechnungslegungsstandards bestehen kann. Das HGB-Bilanzrecht soll eine vollwertige Alter- native zu den internationalen Standards bieten, ohne de- ren Nachteile übernehmen. Stichworte sind hier: die Aktivierung selbstgeschaffe- ner immaterieller Vermögensgegenstände des Anlage- vermögens; die Zeitwertbewertung von Finanzinstru- menten, die zu Handelszwecken erworben worden sind; die zukunftsgerichtete Rückstellungsbewertung und die Abschaffung nicht mehr zeitgemäßer Bilanzierungs- wahlrechte und der umgekehrten Maßgeblichkeit. Zur Verbesserung der Aussagekraft gehört auch, dass die wirtschaftlichen Risiken bei den sogenannten Zweck- gesellschaften künftig besser aufgedeckt werden müssen – eine Lehre aus der Finanzmarktkrise der letzten Mo- nate. Daneben wollen wir deregulieren und den Bilanzie- rungsaufwand für kleinere und mittlere Unternehmen re- duzieren. Mittelständische Einzelkaufleute, die nur einen kleinen Geschäftsbetrieb unterhalten, werden von han- delsrechtlichen Buchführungs- und Bilanzierungspflich- ten befreit. Und durch die Anhebung der Schwellen- werte für kleine und mittlere Kapitalgesellschaften können in Zukunft mehr Unternehmen in den Genuss der entsprechenden Erleichterungen bei Buchführung, Bi- lanzierung, Abschlussprüfung und Offenlegung kom- men. Für die betroffenen Unternehmen bedeutet das 1,3 Milliarden Euro weniger Kosten pro Jahr! Die bisherigen Stellungnahmen von Verbänden, Wis- senschaft und Praxis haben gezeigt, dass wir mit der Grundlinie des BilMoG richtig liegen: Verbesserung der Aussagekraft der HGB-Abschlüsse so weit notwendig; Deregulierung so weit möglich; Erhaltung des HGB-Bi- lanzrechts als eigenständige Regelung; Beibehaltung der Maßgeblichkeit sowie Steuerneutralität des BilMoG. Diese Bilanzrechtsmodernisierung ist weder Anlass für Steuergeschenke, noch sollen zusätzliche Steuerbe- lastungen auf die betroffenen Unternehmen zukommen. Einige Punkte, deren Prüfung auch der Bundesrat in seiner Stellungnahme angeregt hat, werden wir im wei- teren Verfahren nochmals diskutieren. Dabei wird es bei- spielsweise darum gehen, ob sich die Regelungen noch klarer fassen lassen – zum Beispiel im Hinblick auf die Zeitwertbewertung von Finanzinstrumenten, Bewer- tungseinheiten oder das Prinzip der wirtschaftlichen Zu- rechnung. Es ist jedoch zu berücksichtigen: Wir wollen uns be- wusst nicht in die Hände der internationalen Standards begeben. Unterschiede zu IFRS werden bleiben, um im Interesse der kleinen und mittleren Unternehmen Rege- lungen zu schaffen, die möglichst einfach zu handhaben sind, die aber auch genügend Rechtssicherheit bieten. Dem dient unter anderem auch die Beibehaltung der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die steuerliche Gewinnermittlung: Die Unternehmen sollen grundsätz- lich weiterhin in der Lage sein, eine Einheitsbilanz auf- zustellen. Der handelsrechtliche Jahresabschluss bleibt Grundlage der Gewinnausschüttung und Besteuerung. Ich hoffe, dass wir die Beratungen hier im Bundestag zügig abschließen können. Dies ist nicht nur im Interesse unserer Unternehmen, die möglichst bald Rechtssicher- heit wollen. Wir setzen mit dem BilMoG auch zwei EU- Richtlinien mit Regelungen zur Corporate Governance von Kapitalmarktunternehmen und zur Abschlussprü- fung um, deren Frist gerade abgelaufen ist. Die Bundesregierung wird sich in jedem Fall für eine praxisgerechte Ausgestaltung der Übergangsvorschriften Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 179. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. September 2008 19199 (A) (C) (B) (D) des BilMoG einsetzen. Es ist klar, dass die Unternehmen eine ausreichende Umstellungszeit brauchen. Anlage 10 Zu Protokoll gegebenen Reden zur Beratung: – Unterrichtung: Bundesbericht zur Förde- rung des Wissenschaftlichen Nachwuchses – Antrag: Wissenschaft als Beruf attraktiver machen – Den wissenschaftlichen Nach- wuchs besser unterstützen (Tagesordnungspunkt 15 a und b) Marion Seib (CDU/CSU): Deutschlands wichtigste Ressource sind – und darüber sind wir uns alle einig – die Menschen. Der Innovationsstandort Deutschland braucht exzellenten wissenschaftlichen Nachwuchs und beste Bedingungen. Sie sind das Fundament, auf denen die Zukunft Deutschlands entsteht. Ziel der Nachwuchs- förderung ist es, die besten Bedingungen zu schaffen, damit gut qualifizierte Menschen ihre Chancen in Wis- senschaft und Forschung in Deutschland wahrnehmen können. In Deutschland wird auf höchstem Niveau ge- forscht und gelehrt. Das ist nur möglich, wenn Wissen- schaftlerinnen und Wissenschaftler exzellente Bedingun- gen vorfinden und sich die Klügsten für eine Karriere in Wissenschaft und Forschung entscheiden. Wir brauchen auch in Zukunft wissenschaftlichen Nachwuchs. Das heißt, dass wir unbedingt die Weichen dafür stellen müssen, dass die Abiturientenquote dras- tisch erhöht wird. Dies soll nicht auf dem Weg der An- forderungsabsenkung, sondern auf dem Weg der Indivi- dualförderung geschehen. Die Zeit drängt. Das, was wir heute regeln und entscheiden, wird erst in zehn bis zwölf Jahren zum Tragen kommen. Deshalb sind alle an dieser Aufgabe Beteiligten aufgerufen, hier mitzuwirken. Die Diskussion um die Schulstruktur, ob gegliedert oder nicht gegliedert, ist dabei eine vollkommen über- holte Diskussion. Mit der Föderalismusreform haben wir das entschieden. Die Länder sind zuständig. Sie sind da- bei auch zuständig, die Konkurrenzsituation um die bes- ten Schulen zu organisieren. Viel wichtiger ist, dass wir uns darum kümmern, „was“ an Lerninhalten und „wie“ diese vermittelt wer- den. Kreativität und Begeisterungsfähigkeit, gepaart mit breitem Allgemeinwissen und sicherem mathematischen Denken und naturwissenschaftlichen Grundkenntnissen, sind die Grundlage für künftige berufliche Erfolge im akademischen und nichtakademischen Bereich. Hierauf unser Augenmerk zu legen, halte ich für ungeheuer wichtig. Einiges wurde in der Programm- und Projektförde- rung bereits geleistet, wie beispielsweise die Mittelbe- reitstellung für die Begabtenförderung in Höhe von 113 Millionen Euro für das Jahr 2008, sodass wesentlich mehr junge Menschen in ihrem Studium und im Rahmen ihrer Promotion finanziell unterstützt werden können, die Erhöhung der Promotionsstipendien auf 1 050 Euro monatlich, das Programm „Zeit gegen Geld“, das dazu beiträgt, dass Familie und Karriere für Begabte im Hochschulbereich besser vereinbar werden, das Wissen- schaftszeitvertragsgesetz, das die Sonderregelungen für die Qualifizierungsphase von jungen Wissenschaftlerin- nen und Wissenschaftlern um eine familienpolitische Komponente ergänzt, damit zur Familiengründung er- mutigt wird, die ins Leben gerufene Alexander-von- Humboldt-Professur, mit der ausländische Wissenschaft- ler und Wissenschaftlerinnen aller Fachgebiete in Deutschland und deutsche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Ausland mit hervorragenden Leis- tungen angeworben werden können. Wichtig ist der Hochschulpakt, mit dem sichergestellt wird, dass bis 2010 insgesamt über 90 000 zusätzliche Studienanfängerinnen und Studienanfänger an den Hochschulen aufgenommen werden können. Auch der Pakt für Forschung und Innovation, der den drei großen Forschungs- und Wissenschaftsorganisationen einen jährlichen Mittelzuwachs von mindestens 3 Prozent ga- rantiert, ist von entscheidender Bedeutung. Für Interes- sierte aus dem In- und Ausland wurde ein Kommunika- tions- und Informationssystem Wissenschaftlicher Nach- wuchs, KISSWIN, eingerichtet, das schnell und pro- blemlos über Karrierewege und Fördermöglichkeiten informiert. Auch die Exzellenzinitiative, durch die ins- gesamt bisher 39 Graduiertenschulen mit jährlich rund 1 Million Euro gefördert werden, ist zu begrüßen. Die Nachwuchsförderung wird damit nachhaltig gestärkt, und ein derartiges Exzellenznetzwerk zwischen den Hochschulen trägt dazu bei, dass die Hochschulfor- schung mit den übrigen Säulen der deutschen For- schungslandschaft Schritt halten kann. Wissenschaftli- cher Nachwuchs braucht attraktive Rahmen- und Arbeitsbedingungen, um exzellent, effizient und interna- tional wettbewerbsfähig arbeiten zu können. Daher brau- chen wir das Wissenschaftsfreiheitsgesetz. Die Förde- rung des wissenschaftlichen Nachwuchses ist in unser aller Interesse und im Interesse unseres Landes. Die Zu- kunft unserer Kinder und Enkel ist unmittelbar betrof- fen. Daher ist eine verstärkte Förderung des wissen- schaftlichen Nachwuchses unabdingbar. Dieter Grasedieck (SPD): „Ich habe mich in den USA und in Europa beworben. Das beste Angebot be- kam ich aus Deutschland“, sagte Professor Seifert von der Universität Bochum Anfang September auf der GAIN-Tagung in Boston, USA. Professor Seifert forschte an einer amerikanischen Universität und bekam dann eine Forschungsförderung von der Deutschen For- schungsgemeinschaft, DFG. Nach dem Emmy-Noether- Programm können sich die Wissenschaftler mit dem Programm an deutschen Universitäten bewerben. Als Ju- niorprofessor arbeitet der junge Wissenschaftler jetzt in Bochum und kann natürlich auch Doktoranden betreuen: „Es hat sich etwas bewegt in Deutschland. Ideen haben in Deutschland eine Zukunft“, sagte er in seinem Vor- trag. 19200 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 179. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. September 2008 (A) (C) (B) (D) Es hat sich etwas bewegt in Deutschland: Das Promo- tionsstipendium ist auf 1 050 Euro erhöht worden. Jähr- lich werden zehn weltweit führende Wissenschaftler al- ler Fachrichtungen aus dem Ausland angeworben. Diese Professoren sollen langfristig in Deutschland forschen. Bis 2004 wurden vom Bund 850 Stellen für Juniorpro- fessoren eingerichtet. Gefördert werden 40 Graduierten- schulen und 30 Exzellenzcluster mit 1,9 Milliarden Euro von 2006 bis 2011. Ein Professorinnenprogramm ist vom Bund und von den Ländern beschlossen worden. In den nächsten fünf Jahren sollen 200 neue Stellen für Professorinnen eingerichtet werden. Der Bund zahlt 75 Millionen Euro. Die Zusammenarbeit von Hoch- schule und Wirtschaft für anwendungsorientierte For- schung und Entwicklung wird durch den Bund mit 319 Millionen Euro gefördert. Fachhochschulen, Uni- versitäten und mittelständische Unternehmen forschen gemeinsam anwendungsorientiert. Der Bundesbericht zur Förderung des wissenschaftli- chen Nachwuchses weist aber auch auf zukünftige Ver- besserungen hin: So benötigen wir an unseren Hoch- schulen eine längerfristige Karriereplanung. Deshalb wird in der Zukunft eine differenzierte Feststellung der jährlichen, neu zu besetzenden Professorenstellen für Nachwuchswissenschaftler zusammengestellt. In Zu- kunft muss die Anerkennung von Studien und Beschäfti- gung im Ausland verbessert werden. Wir müssen unseren deutschen und auch ausländi- schen Wissenschaftlern deutlich machen: Die Universi- tätstüren in Deutschland sind weit geöffnet. Junge Ta- lente sind in Deutschland willkommen. Wir brauchen Akademiker. Die Zahl der Studienanfänger steigt im Jahr 2012 um circa 22 Prozent gegenüber 2004; bis 2014 steigt die Zahl bis zu 36 Prozent. Deutsche Universitäten benötigen junge Wissenschaftler. Bis zum Jahre 2013 gehen 330 000 Akademiker in Pension. Und schon heute suchen wir 100 000 Ingenieure. Junge Menschen haben eine gute Chance. Unsere Industrie und das Handwerk suchen Ingenieure, auf der anderen Seite sind viele ältere Ingenieure arbeitslos. Das Wissen verändert sich drama- tisch, deshalb ist es wichtig, dass unsere Ministerin Annette Schavan auf dem Bildungsgipfel einen Hoch- schulwettbewerb für intelligente Weiterbildungskon- zepte startet und ab 2010 200 Millionen Euro bereitstel- len will. Wir brauchen lebenslanges Lernen sowohl für jeden Facharbeiter, für jeden Akademiker, für jeden Po- litiker und für jeden Spitzenmanager. Einige Universitä- ten wie die Elite Universität in Aachen bieten für Akade- miker aus aller Welt Managementseminare an. „Hier in Aachen können die Teilnehmer mit Experten über die wichtigen Themen der nächsten 50 Jahre diskutieren und Szenarien entwickeln“, sagte ein Inder am Ende der Ta- gung. Nur so können wir in der Gesellschaft die Wis- sensexplosion meistern. Auch für diese wichtige Auf- gabe benötigen unsere Universitäten junge Professoren. 85 Prozent der jungen deutschen Forscher, die in Ame- rika oder in anderen Ländern arbeiten, kommen nach zwei bis drei Jahren nach Deutschland zurück. Diesen Prozentsatz müssen wir steigern und mehr ausländische Forscher müssen davon überzeugt werden. Die besten Forschungsbedingungen finde ich in der deutschen In- dustrie oder an deutschen Universitäten. Unsere Bundesregierungen haben im letzten Jahr- zehnt viel erreicht. Hier müssen wir weitermachen. Deutschlands Hochschulen sollen das Kraftzentrum der Wissensgesellschaft bleiben, und Deutschlands Industrie muss Exportweltmeister bleiben. Wir benötigen dazu weitere finanzielle Förderung. Deshalb war ich begeis- tert, dass unsere Bundeskanzlerin in der vergangenen Woche im Plenum sagte: „Aus der Bundesrepublik muss eine Bildungsrepublik werden. Diese Bildungsrepublik ist der beste Sozialstaat.“ Ich möchte noch ergänzen: Kostenlose Bildung für alle, von der Kita bis zur Uni, damit auch in 20 Jahren deutsche Forscher den Nobel- preis in Schweden erhalten. Hier stehen wir fest an der Seite unserer Bundeskanzlerin. Die Union sollte bei die- ser wichtigen Frage mitmachen. Mehr Mut ist gefragt. Uwe Barth (FDP): Die Bundesregierung legt heute ihren Bericht zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses vor. Auf über 300 Seiten wird im wahrsten Sinne des Wortes berichtet. Zu politischen Überlegungen und Plänen äußert sich die Regierung allerdings nur auf knappen zwei Seiten stichpunktartig in sogenannten Handlungsansätzen. Alleine dieser Umstand spricht Bände! Insgesamt ist der Bericht – vielleicht gerade auf- grund der ausgesparten politischen Prosa – so erhellend wie ausführlich. Er zeichnet ein vielfach positiveres Bild von der ausgerufenen „Bildungsrepublik Deutschland“ als wir es in den vergangenen Jahren gewohnt waren. Es scheint, zumindest auf den ersten Blick, dass es gar nicht so übel um den wissenschaftlichen Nachwuchs bestellt ist. Doch bei genauerer Betrachtung finden sich auch hier Schattenseiten, über die wir nicht leichtfertig hin- weggehen dürfen. Gerade die altbekannten Defizite exis- tieren fort – und die sparsamen Vorschläge der Bundes- regierung geben keinen berechtigten Anlass, um auf eine Lösung dieser Probleme hoffen zu dürfen. Die Zahl der postgradualen Abschlüsse an deutschen Hochschulen lässt aufatmen. Beim Blick auf unsere Pro- motionsquote könnte man sogar geneigt sein, in Jubel auszubrechen: Kein anderes Land schafft es, so viele junge – oder auch nicht mehr ganz so junge Menschen (die meisten sind zwischen 30 und 35 Jahre alt) – zum Doktortitel zu bringen. Während der EU-27-Durch- schnittwert bei 2,73 Promotionen je 100 Hochschulab- schlüssen liegt, kann Deutschland eine Quote von stol- zen 11,7 Prozent vorweisen. Damit liegen wir erheblich über dem Anteil Frankreichs (2,09 Promotionen) oder Großbritanniens (2,63). Doch wer nun meint, dass – in Anbetracht dieser schönen Zahlen und der doch sehr be- eindruckenden Werte – man sich nun getrost zurückleh- nen könne, der irrt gewaltig. Denn der Promotion kommt in Deutschland eine ganz andere Bedeutung zu als in un- seren Nachbarstaaten. Während sie andernorts den ers- ten Meilenstein einer akademischen Karriere darstellt, neudeutsch „Tenure Track“ genannt, ist der Weg zum Doktor in Deutschland häufig eine Verlegenheitslösung, meist markiert er dann auch das Ende des akademischen Werdegangs. Zu häufig wird die Promotion aus Furcht vor Arbeitslosigkeit gewählt (und wird beim Eintritt in Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 179. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. September 2008 19201 (A) (C) (B) (D) ein reguläres Beschäftigungsverhältnis aufgegeben), dient der Überbrückung von Wartezeiten, die wiederum überalterten Studienstrukturen geschuldet sind, oder dient der Statussicherung – wohlgemerkt – außerhalb des Wissenschaftssystems. Dies wird besonders deutlich, wenn man sich unsere angehenden Juristen anschaut. 76 Prozent der Studentin- nen und Studenten lehnen eine künftige Tätigkeit an ei- ner Hochschule rundweg ab – nur 2 Prozent dieser Stu- dierenden streben mit Bestimmtheit einer akademischen Tätigkeit entgegen. Dennoch sind 25 Prozent dieser Gruppe gewillt, eine Promotion aufzunehmen. Der 10. Studierendensurvey an Universitäten und Fachhoch- schulen hat diesen Befund nochmals empirisch unter- legt. Denn obwohl die Zufriedenheit der Studierenden mit dem Studienangebot gewachsen ist – 72 Prozent schätzen es als gut oder sehr gut ein –, erscheint den Stu- dierenden der „Verbleib an der Hochschule eher als eine Notlösung“. Im Bericht heißt es, dass „über die Hälfte aller Studierenden beabsichtigt, weiterzustudieren, falls der Berufseinstieg nicht gelingen sollte“ (Seite 54). Ge- rade einmal 3 Prozent eines Jahrganges wollen aber un- bedingt an einer Hochschule arbeiten (Seite 49). Eine solche Entwicklung ist einmalig, für den deut- schen Hochschulraum jedoch leider kennzeichnend. Grundsätzlich muss die Frage erlaubt sein, ob die vom Staat investierten Ressourcen optimal eingesetzt werden oder ob hier nicht mit der Lebenszeit junger Menschen fahrlässig umgegangen wird. Die Promotion sollte nicht regelmäßig den Endpunkt oder Ausstiegspunkt darstel- len, sondern vielmehr einen Zwischenschritt auf der Lei- ter im Wissenschaftssystem markieren. Zu den dafür nö- tigen Voraussetzungen gehört zum Beispiel der Aufbau von Graduiertenkollegs. Durch eine adäquate Betreuung und Austauschmöglichkeiten wird hier den Studierenden ein Arbeitsumfeld geboten, welches Supervision ohne allzu enge Fesseln ermöglicht. Das ist nur ein denkbares Mittel, Promovierende zu unterstützen. Wir müssen jedoch auch zusätzliche Möglichkeiten zur Absicherung des Lebensunterhalts für die Nach- wuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler zur Verfügung stellen. Auf der Suche nach geeigneten Bei- spielen lohnt es sich, nach Holland zu schauen. Dort er- halten die an den Graduiertenkollegs eingeschriebenen Studierenden ein Stipendium – als Gegenleistung sind sie dazu verpflichtet, einen gewissen Anteil ihrer Ar- beitszeit (circa 10 Prozent) der Betreuung der Studieren- den in Bachelorstudiengängen zu widmen. So werden Forschung und Lehre zu einem frühen Zeitpunkt in der wissenschaftlichen Karriere verbunden, Studierende und Promovierende profitieren von der Erfahrung gleicher- maßen. Gerade deswegen ist das Ziel der FDP, die Sti- pendienquote auf mindestens 10 Prozent anzuheben, richtig und wird – auch gegen den Widerstand von SPD, der Linken und den Grünen – weiterhin mit Nachdruck verfolgt. Eine erfolgreiche Wissenschaftspolitik hängt jedoch maßgeblich davon ab, inwiefern es uns gelingt, unsere Universitäten konsequent zu stärken. Neben der Einrich- tung der Graduiertenkollegs und der Verankerung des Promotionsrechts müssen wir die Qualität der Lehre ent- sprechend absichern. Wenn Bund und Länder den Hoch- schulpakt verramschen, indem sie die Studienplatzkos- ten auf Billigstniveau veranschlagen, dann geht dies zwangsläufig zulasten der Hochschulqualität. Der zu- ständige Staatssekretär hat in der Ausschusssitzung die- ser Woche bestätigt, dass die veranschlagten 5 500 Euro zu knapp bemessen seien. Dies kann und darf nicht hin- genommen werden, denn durch diesen Selbstbetrug ge- fährden wir den Wissenschaftsstandort Deutschland. Ge- rade deswegen hat die FDP-Bundestagsfraktion eine Initiative verabschiedet, die eine Korrektur der Kalkula- tion vorsieht. Damit würde der Forderung der Hochschu- len entsprochen, und eine 25-Prozent-Erhöhung der Stu- dienplatzpauschale wäre realisierbar. Schließlich will ich das Plädoyer der FDP-Bundestags- fraktion für die Verabschiedung eines Wissenschaftstarif- vertrags abermals erneuern. Wir Liberale setzen uns seit Jahren dafür ein, dass der Wissenschaftsbetrieb die so dringend benötigte Flexibilität bei der Vergütung des Personals erhält. Es ist unfassbar, dass sich hier nichts tut. Denn gerade diese überkommenen Entlohnungs- und Arbeitszeitstrukturen, mit denen wir uns in Deutschland konfrontiert sehen, behindern Vergleichbarkeit, Wettbe- werbsfähigkeit und Mobilität innerhalb und außerhalb Deutschlands. Hier muss die Bundesregierung die Part- ner an einen Tisch bringen und dafür sorgen, dass wir für das Wissenschaftssystem förderliche Lösungen entwi- ckeln. In den kommenden Jahren wird sich entscheiden, ob es uns gelingt, die Situation des wissenschaftlichen Nachwuchses in Deutschland nachhaltig zu stabilisieren und unsere Vorsprünge zu wahren. Dabei ist es zwin- gend erforderlich, dass wir die Funktionalität der post- gradualen Studiengänge überprüfen, eine Verbesserung der Karriereplanung für Nachwuchswissenschaftler her- beiführen sowie unsere Universitäten – als Zentren der Nachwuchsförderung – adäquat mit Mitteln ausstatten. Die Bundesregierung und die Länder haben diese Auf- gabe bislang nicht in einem ausreichenden Maße erfüllt – und deswegen müssen sie sich nun mit Nachdruck die- sen Problemstellungen widmen! Dr. Petra Sitte (DIE LINKE): Lassen Sie mich mit einer Merkwürdigkeit des deutschen Wissenschaftssys- tems beginnen. Diese dürfte auch Demografen irritieren. Es ist nämlich gar nicht so selten, dass man in Deutsch- land bis zum zarten Alter von gut vierzig Jahren noch zum wissenschaftlichen Nachwuchs zählt. Und das kommt so: Während in anderen Ländern die Qualifizierung for- mal mit Promotion und Lehrberechtigung abschließt, kann man in Deutschland sogar noch mit der Habilitie- rung zum wissenschaftlichen Nachwuchs gehören. Bis dahin sitzt man auf sogenannten Qualifizierungsstellen. Diese sind fast immer befristet. Solange diese Nach- wuchswissenschaftlerinnen nicht den Sprung auf einen Lehrstuhl geschafft haben, hangeln sie sich also durch eine akademische Laufbahn, ohne klare Aussichten, ob sie dort auch jemals richtig ankommen. Zwischenzeit- 19202 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 179. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. September 2008 (A) (C) (B) (D) lich erfüllen sie voll und ganz Aufgaben in Forschung und Lehre. Zudem betreuen und beraten sie Studierende, korrigieren Klausuren, bereiten aufwendige Anträge in- nerhalb diverser Förderprogramme von Bund, Ländern und EU namens ihrer Professorinnen vor, schreiben an Veröffentlichungen mit und anderes mehr. Sie zählen als Nachwuchs, erfüllen mit diesem Beschäftigungsprofil faktisch aber reguläre Aufgaben in Forschung und Lehre. Vor diesem Hintergrund wird klar, dass man im Grunde nur über wissenschaftlichen Nachwuchs reden kann, wenn zugleich die Zukunft des Konzepts „akade- mischer Mittelbau“ thematisiert wird. Damit sind wir mitten in einer Debatte von Beschäfti- gungsbedingungen, Personalstrukturen und Tarifrege- lungen des Wissenschaftssystems. Denn es gibt im deut- schen System nicht nur Merkwürdigkeiten, sondern auch Anachronismen. Die gesamte akademische Laufbahn richtet sich auf die Berufung zum Professor. Da jedoch die Zahl der Professuren um ein Mehrfaches unter der Zahl der Bewerberinnen liegt, müssen zwangsläufig viele aus der Kurve fliegen. Unterhalb von Professuren ist das deutsche Hochschulsystem für Beschäftigte aber ausgesprochen unattraktiv. Nur ein Fünftel der Stellen sind dauerhafte Hochschullehrerstellen. In anderen Staa- ten ist dieser Anteil deutlich höher. Die restlichen vier Fünftel sind in Deutschland großenteils schlecht be- zahlte Stellen oder von Professuren abhängende Zeitverträge – fast die Hälfte davon in Teilzeit, da die Mittel nicht zu mehr reichen. Auf halben Stellen ganz zu arbeiten, wird unterschwellig erwartet und getan. Eine Stelle teilen sich oftmals zwei Nachwuchskräfte. Damit klar wird, welche Einkommenshöhe erreicht wird, sei ein Beispiel angeführt: Diese halben Stellen bringen dem oder der Inhaber/in dann nach Bundesange- stelltentarif etwa 1 000 Euro netto monatlich. Promotion oder Habilitation werden häufig nebenbei geschrieben. Folge: Wissenschaftliche Laufbahnen sind nicht planbar. Es kann passieren, dass man nach Jahren auf diesen Stel- len mit oder ohne Qualifizierung ausscheidet und ar- mutsbedroht ist. Dann ist man nicht mehr wissenschaftli- cher, sondern Hartz-IV-Nachwuchs. Zudem kann die unmittelbar persönliche Abhängigkeit von Professoren die Selbstständigkeit in Lehr-, Forschungs- und Mitbe- stimmungsrechten an der Hochschule erheblich ein- schränken. Nicht unbedingt die hohe Schule für innova- tives, unabhängiges Denken! Daher fordert die Linke: erstens das System so zu ge- stalten, dass Wissenschaft nicht nur als Berufung im Sinne von Hingabe, sondern auch in sozialer Verantwor- tung als Beruf verstanden wird. Entsprechend müssen Bund und Länder endlich für wissenschaftspezifische Regelungen in den Tarifverträgen sorgen, die ein flexib- les Arbeiten mit auf Dauer angelegten Entwicklungs- möglichkeiten der Beschäftigten zum Ziel haben. Das ist eine Grundvoraussetzung, um endlich auch deutlich mehr Frauen Chancen auf Qualifikation und Berufung zu verschaffen. Zur dieser Problematik – mehr Frauen in die Wissenschaft und Gender in der Forschung – liegen aktuell von allen Fraktionen umfangreiche Anträge vor. Zweitens müssen die Stellen für wissenschaftlichen Nachwuchs Qualifizierung in Forschung und Lehre glei- chermaßen ermöglichen. Die Einheit von Forschung und Lehre muss auch personalisiert umgesetzt werden. Drittens müssen im Wissenschaftszeitvertragsgesetz die Endlosschleifen der Befristung von Verträgen und die sogenannte Tarifsperre gelöscht werden. Bevor der Weg für nach oben offene Spitzengehälter für wenige bereitet wird, muss die Bundesregierung dem Nach- wuchs entsprechend der EU-Forschercharta optimale Bedingungen bieten. Viertens bedarf es einer verlässlichen Sockelfinanzie- rung von Wissenschaftseinrichtungen. Der normale Wis- senschaftsbetrieb darf nicht auf Auftragsforschung ange- wiesen sein. Diese Einnahmen machen ja auch nur befristete Beschäftigung und keine verlässlichen Bedin- gungen in Arbeitszeit und Bezahlung möglich. Schon heute wird ein Fünftel der wissenschaftlichen Mitarbei- ter von Hochschulen aus dieser Auftragsforschung be- zahlt. Mit dieser Entwicklung verlieren die Hochschulen Schritt für Schritt die verfassungsrechtlich garantierte Freiheit von Forschung und Lehre. Immer mehr erfolgen Forschungs- und Lehrprofilierung nach nicht wissen- schaftsgeleiteten Kriterien. Vor diesem Hintergrund sollte die Exzellenzinitiative auslaufen und beabsichtigte Finanzierungen in einen Hochschulpakt II überführt werden, um mehr Mittel für grundständige Forschung und Lehre freizumachen. Spezielle Nachwuchspro- gramme außerhalb klassischer Hochschulstrukturen, wie Emmy-Noether-Programm und Heisenberg-Professur, sollten deutlich aufgestockt werden. Fünftens sollte der Wissenschaftsrat mit einer Studie zur Reform der Nachwuchsförderung beauftragt werden. Diese müsste insbesondere konkrete und verlässliche Vorschläge zu Laufbahnplanungen und -beratungen, zu Mentoring- und Personalentwicklungsprogrammen der Hochschulen und Forschungseinrichtungen enthalten. Mein Fazit: Die Bundesregierung sollte die Förde- rung des Nachwuchses in der Breite mindestens genauso wichtig nehmen wie ihre exorbitant teuren Exzellenz- und Hightechinitiativen. Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es gibt in Deutschland zu wenige Forscherinnen und Forscher und zu wenige junge Menschen, die sich für eine Karrie- re in der Wissenschaft entscheiden. Über diese Dia- gnose sind wir uns alle einig – und auch darüber, dass angesichts des demografischen Wandels und der Anfor- derungen unserer modernen Wissensökonomie Bund, Länder und die anderen Wissenschaftsakteure dieser zu- kunftsfeindlichen Entwicklung entgegensteuern müssen. Nach dieser Absichtserklärung ist es aber meist auch schon vorbei mit der Einigkeit. Die Bundesbildungs- ministerin scheint die Wissenschaft und vor allem den wissenschaftlichen Nachwuchs gedanklich schon kom- plett aus ihrer Zuständigkeit entlassen zu haben. Das ist aber ein fataler Trugschluss! Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 179. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. September 2008 19203 (A) (C) (B) (D) Die Wertschätzung von Wissenschaft, das Wecken von Forscherdrang und das Fördern aller Potenziale und Talente müssen so früh wie möglich ansetzen. Die Wei- chen werden von Anfang an gestellt: durch eine stärkere frühkindliche Bildung, durch eine individuelle Förde- rung und längeres gemeinsames Lernen anstatt Aussor- tierens im mehrgliedrigen Schulsystem. Hier brauchen wir schleunigst Strukturreformen. Aber ich will mich auf die Nadelöhre zu und an den Hochschulen konzentrieren. Fangen wir bei den Studie- renden an: Die Bundesregierung lobt sich in der Unter- richtung selbst, wie deutlich sie die Talentförderung ge- steigert habe. Da muss ich gleich das erste Wasser in den Wein kippen: Der Hochschulpakt I hat das Zeug dazu, sich zum Rohrkrepierer zu entwickeln. Die erste Zwi- schenbilanz zeigt, dass er keine 13 000, sondern nur gut 3 000 zusätzliche Studienanfänger gebracht hat. Wie soll das Potenzial von Zehntausenden Studienberechtigten gefördert werden, wenn sie es nicht einmal auf den Uni- Campus schaffen, und vor verschlossenen Hörsaaltüren stehen bleiben? Dass Sie diesen überaus mageren Start tatsächlich als „Teilerfolg“ bewerten, ist unerhört! Sie müssen beim Bildungsgipfel mit den Ländern alles da- ransetzen, den Pakt I zu retten und nachzuverhandeln. Als Nächstes fällt der Blick auf erfolgreiche Hoch- schulabsolventinnen und -absolventen. Wie werden die finanziellen und strukturellen Promotionsbedingungen umfassend verbessert? Was wird getan, damit mehr Ab- solventinnen und Absolventen eine Promotion als sinn- volle Bildungsinvestition ansehen und als ersten Schritt in die Wissenschaft als Beruf angehen? Ihre Maßnahmen im Rahmen der Exzellenzinitiative reichen nicht aus. Es müssen mehr Promotionsstellen und Graduiertenkollegs geschaffen werden. Daneben muss auch für Promovierende mit Stipendien die Anbin- dung an Hochschulen und Forschungseinrichtungen er- leichtert werden. Auch ist die systematische Weiterbil- dung über das eigentliche Promotionsprojekt hinaus nötig. Hier sollten unserer Auffassung nach die Begab- tenförderungswerke stärker einbezogen werden. Das Promotionsrecht wiederum darf keinesfalls zu einer Statusfrage verkommen. Es muss von den Univer- sitäten nicht nur lautstark reklamiert, sondern auch ver- antwortlich ausgeübt werden. Wir wollen auch die Fach- hochschulen stärker für die Nachwuchsqualifizierung gewinnen. Deswegen sollten Unis und FHs verstärkt ge- meinsame Teams zur Promotionsbetreuung einrichten können. Ein leidiges Thema ist und bleibt die lange wissen- schaftliche und tatsächliche Abhängigkeit deutscher Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler. Warum, liebe Kolleginnen und Kollegen der Union, sperren Sie sich noch immer gegen die Juniorprofessur? Natürlich lässt sich über den Umfang der Lehrverpflich- tung streiten. Aber warum erkennen Sie die Attraktivität dieser Stellen, die darin besteht, nach der Promotion selbstständig forschen zu können, nicht endlich an? Wir fordern Sie auf, beim Hochschulpakt II die Juniorprofes- sur endlich aufzunehmen und sie zu fördern. Dazu müs- sen von Beginn an klare Bedingungen für die weitere Karriereplanung feststehen. Wissenschaft als Beruf kann für junge Frauen und Männer nur attraktiv sein, wenn eine dem angelsächsischen „Tenure Track“ entspre- chende Planbarkeit der Karriereschritte geschaffen wird. Hochschulen und Forschungseinrichtungen müssen in der Lage sein, eine mittel- und langfristige Personalpoli- tik mit transparenten Entscheidungsverfahren zu ma- chen. Wo die Habilitation als Qualifikationsweg beste- hen bleibt, muss gewährleistet werden, dass sie in größerer wissenschaftlicher Unabhängigkeit als bisher durchgeführt werden kann. Warum intensivieren Sie nicht die Förderung von Nachwuchsgruppenleitungen? Was mich ebenfalls umtreibt: Denken Sie ernsthaft, mit dem Professorinnenprogramm sei alles Mögliche und Notwendige für mehr Chancengerechtigkeit für Frauen getan? Sicher nicht! Denn die Gleichstellung der Geschlechter muss umfassend durchgesetzt werden. Dazu müssen sich Hochschulen und Wissenschaftsein- richtungen zu messbaren und realistischen Steigerungs- quoten des Frauenanteils verpflichten. Diese Kaskaden müssen gewährleisten, dass auf allen Ebenen und in al- len Fachbereichen unseres Wissenschaftssystems ein Frauenanteil von mindestens 40 Prozent erreicht wird. Daneben müssen unsere Hochschulen familien- freundlicher werden – andernfalls müssen sich Nach- wuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler weiter- hin zwischen Kind und wissenschaftlicher Karriere entscheiden. Gerade für junge Männer hat die Kombina- tion „Kinder, Küche, Kolloquium“ absoluten Selten- heitswert. Daher brauchen wir einen Aufbruch zu mehr Familienfreundlichkeit. Dies sind im internationalen Wissenschaftsraum wichtige Voraussetzungen für eine hohe Mobilität und eine produktive Brain Circulation der Talente. Gute Arbeitsbedingungen hierzulande ent- scheiden darüber, ob wissenschaftliche Nachwuchs- kräfte im Inland bleiben bzw. nach Auslandsaufenthalten zurückkehren. Dazu gehört übrigens auch eine bessere Bezahlung. Daher müssen wir alles daransetzen, die Ar- beitsbedingungen und Karriereperspektiven in der Wis- senschaft zu verbessern. Unser Ziel muss sein, dass die akademische Laufbahn wieder beliebter wird. Packen wir es endlich an! Andreas Storm, Parl. Staatsekretär bei der Bundes- ministerin für Bildung und Forschung: Wenn wir uns Gedanken machen über die Zukunft Deutschlands, dann müssen wir uns vor allem auch Gedanken machen über die Zukunft des wissenschaftlichen Nachwuchses. Mehr denn je sind wir angewiesen auf Kreativität und fundier- tes Wissen, um die Probleme von morgen erfolgreich be- wältigen zu können. Das bedeutet, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir die klügsten Köpfe für eine Kar- riere in Wissenschaft und Forschung gewinnen und dass wir ihnen bei ihrer wissenschaftlichen Karriere die bes- ten Bedingungen bieten müssen. Beste Bedingungen können wir aber nur schaffen, wenn wir die Belange unseres Forschernachwuchses auch wirklich kennen, wenn wir uns um die Rahmenbe- dingungen ihrer Arbeit an den Universitäten, an den au- ßeruniversitären Forschungseinrichtungen und in der In- 19204 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 179. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. September 2008 (A) (C) (B) (D) dustrie kümmern und die Sorgen der jungen Forscherinnen und Forscher ernst nehmen. Die Bundes- regierung hat daher sehr frühzeitig den Dialog mit dem wissenschaftlichen Nachwuchs gesucht und ein Forum für den Austausch zwischen jungen Forscherinnen und Forschern, Entscheidungsträgern aus Bund und Ländern, Wissenschafts- und Mittlerorganisationen sowie For- schungseinrichtungen geschaffen. Zwei Konferenzen – in Berlin (2006) und in Stuttgart (2007) – haben sich intensiv mit der Lage des wissenschaftlichen Nachwuch- ses beschäftigt und relevante Themen wie beispielsweise Begabtenförderung, intersektorale Mobilität oder Bere- chenbarkeit von Karrierewegen diskutiert. Ein wichtiges Ergebnis dieses Dialogs mit den jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, der durch eine umfassende Studie ergänzt und fundiert wurde, stellt der von der Bundesregierung im Februar 2008 vor- gelegte erste Bundesbericht zur Förderung des Wissen- schaftlichen Nachwuchses, kurz: BuWiN, dar. Der Be- richt analysiert die Situation junger Forscherinnen und Forscher in Deutschland und bietet zum allerersten Mal einen fundierten Überblick über die Maßnahmen und Förderprogramme von Bund, Ländern und Wissen- schaftsorganisationen. Der Bericht bestätigt die Vielfalt und die hohe Quali- tät der Nachwuchsförderung in Deutschland. Mit einer Vielzahl von Maßnahmen fördert die Bundesregierung junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Rahmen der Programm- und Projektförderung sowie in erheblichem Umfang indirekt durch die institutionelle Förderung von Wissenschafts- und Mittlerorganisatio- nen. Exemplarisch verweise ich auf die deutliche Erhö- hung der Mittel für die Begabtenförderung, aber auch auf die Exzellenzinitiative, den Pakt für Forschung und Innovation und den Hochschulpakt, die jeweils einen ge- wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Situation des Forschernachwuchses leisten. Gemeinsam mit den Ländern, Hochschulen und außeruniversitären Forschungsinstitutionen tragen wir Verantwortung dafür, dass Deutschland seinen ausge- zeichneten Ruf als Wissenschafts- und Forschungsstand- ort behält und weiter festigt. Der Bundesbericht zur För- derung des Wissenschaftlichen Nachwuchses zeigt uns aber auch, wo wir noch handeln müssen, um noch bes- sere Bedingungen für eine wissenschaftliche Karriere zu schaffen. In fünf Reformbereichen werden dazu Hand- lungsansätze formuliert. Lassen Sie mich einige zentrale Erfordernisse herausstellen: Es bleibt eine vordringliche Aufgabe, dafür zu sorgen, dass Nachwuchskräfte aus der ganzen Welt dauerhaft für den Wissenschafts- und Forschungsstandort Deutsch- land gewonnen werden. Wir brauchen dafür ein interna- tional konkurrenzfähiges Wissenschaftssystem, das dem wissenschaftlichen Nachwuchs vor allem berechenbare und attraktive Karrierewege bietet. Alle künftigen Maß- nahmen zur Förderung des wissenschaftlichen Nach- wuchses sind deshalb der Nagelprobe zu unterziehen, ob sie hierzu einen wirksamen Beitrag leisten. Es gilt, wis- senschaftliche Qualifizierung, Exzellenz und ein ange- messenes Maß an Planbarkeit erfolgreich mit mehr Selbstständigkeit und größerer Freiheit in Wissenschaft und Forschung zu verbinden. Der Ausbau von sogenann- ten „Tenure-Track-Stellen“ für den wissenschaftlichen Nachwuchs an den Hochschulen und Forschungseinrich- tungen in ganz Deutschland ist dafür sicherlich ein er- folgversprechender Weg. Einigkeit unter den Experten besteht darüber, dass die Promotionsphase in ihrer Qualität noch weiter verbessert werden muss. Die deutschen Wissenschaftsorganisatio- nen gehen gemeinsam mit den Hochschulen die erkann- ten Defizite bereits entschlossen an. Im Mittelpunkt der Reform steht vielfach eine klarer strukturierte Promo- tion, die unter anderem zu kürzeren Promotionszeiten, mehr Selbstständigkeit und Eigenverantwortung der Doktorandinnen und Doktoranden und zu einer gezielten Qualifizierung auch für die Anforderungen des Arbeits- marktes außerhalb der Wissenschaft führen soll. Das heißt auch, dass es verschiedene Wege zu einer guten Promotion geben kann, da die Bedarfe der Doktoranden und auch der potenziellen Arbeitgeber unterschiedlich sind. Die Hochschulen stellen sich auch hier einem inter- nationalen Wettbewerb um die besten Talente. Bemerkenswert finde ich in diesem Zusammenhang die erst vor wenigen Tagen von acatech, der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften, vorgelegten Emp- fehlungen zur Zukunft der Ingenieurpromotion. Sie hebt die Qualitätsmerkmale der klassischen Ingenieurpromo- tion in Deutschland klar hervor und zeigt zugleich eine ganze Reihe wertvoller Ansätze zur weiteren Verbesse- rung und Modernisierung der Promotion auf. Mehr als bisher müssen wir uns darum kümmern, dass das wissenschaftliche Potenzial von Frauen stärker einbezogen wird. Vor allem muss der Anteil von Frauen in Führungspositionen nachhaltig gesteigert werden. Das von Bundesforschungsministerin Dr. Annette Schavan ins Leben gerufene Professorinnenprogramm leistet dazu einen entscheidenden Beitrag: Bereits in der ersten Runde werden bis zu 140 Stellen für Spitzenwissen- schaftlerinnen an 79 deutschen Hochschulen gefördert. Aber auch das Potenzial behinderter und chronisch kranker Nachwuchswissenschaftler wird noch zu selten erkannt, und es wird höchste Zeit, dass zum Beispiel völ- lig unnötige Barrieren bei der Aufnahme in Fördermaß- nahmen so schnell wie möglich beseitigt werden. Weiterentwicklungsbedarf besteht auch mit Blick auf den internationalen Austausch junger Wissenschaftlerin- nen und Wissenschaftler. Mobilität über Ländergrenzen hinweg kann in ihrem Wert für unsere Hochschul- und Forschungslandschaft kaum überschätzt werden. In die- sem Zusammenhang begrüßt die Bundesregierung die Initiative der EU-Kommission „Better careers and more mobility: A European partnership for researchers“, die von der Bundesregierung intensiv begleitet werden wird. Im Rahmen der geplanten Partnerschaft wird zum Bei- spiel die Verbesserung der Altersversorgung mobiler Forscher ein wichtiges Thema sein. Und noch eines macht der Bundesbericht zur Förde- rung des Wissenschaftlichen Nachwuchses sehr deut- lich: Es besteht erheblicher Informationsbedarf! Kaum Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 179. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. September 2008 19205 (A) (C) (B) (D) zu glauben ist zum Beispiel, dass wir noch immer auf Schätzungen angewiesen sind, wenn es um die Gesamt- zahl der aktuell Promovierenden geht. Damit fehlen uns beispielsweise belastbare Daten zu den Abbrecherquoten in diesem für den wissenschaftlichen Nachwuchs so zen- tralen Qualifizierungsabschnitt. Ein wichtiges Hand- lungsfeld für die Zukunft muss daher der Ausbau der Hochschulforschung und der Statistik sein. Neben dem BuWiN wird deshalb künftig auch das neu geschaffene Kommunikations- und Informationssys- tem „Wissenschaftlicher Nachwuchs“, kurz: KISSWiN, dazu beitragen, dass schnell und unkompliziert Informa- tionen zur Situation, zu Karrierewegen und Fördermög- lichkeiten in Deutschland für jeden zugänglich gemacht werden. Der vorgelegte Bundesbericht zur Förderung des Wis- senschaftlichen Nachwuchses schafft die Transparenz, die wir brauchen, um ein effizientes und aufeinander ab- gestimmtes System der Nachwuchsförderung in Deutschland zu etablieren. Wir wollen den Bericht zu ei- nem wirksamen Instrument ausbauen, mit dem künftig regelmäßig und mit unterschiedlicher Schwerpunktset- zung über Erfolge, aber auch über Schwachstellen der Nachwuchsförderung informiert wird. Doch nach den Daten kommen die Taten! Damit der BuWin nicht nur ein Analyseinstrument bleibt, sondern zu einem Instrument des Handelns wird, laden wir die Länder ein, mit uns in der Gemeinsamen Wissenschafts- konferenz (GWK) weitere Schritte zu vereinbaren. Die Bundesregierung jedenfalls wird ihren Teil dazu beitra- gen, dass die Stärkung des wissenschaftlichen Nach- wuchses eine Erfolgsgeschichte wird. Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Unterrichtung: Nationales Reformprogramm Deutschland 2008 bis 2010 Umsetzungs- und Fortschrittsbericht 2008 (Ta- gesordnungspunkt 17) Doris Barnett (SPD): Mit der Lissabon-Strategie ha- ben sich die Mitgliedstaaten der EU verpflichtet, größt- mögliche Anstrengungen zu unternehmen, um Vollbe- schäftigung zu erreichen und die EU zu der Wissensgesellschaft in der globalisierten Welt zu ma- chen. Nach dem ernüchternden Zwischenbericht, den die EU in 2005 ziehen musste, bilden die Nationalen Re- formprogramme das zentrale Gestaltungselement der von den Regierungschefs in 2005 verabschiedeten Neu- ausrichtung eben dieser Lissabon-Strategie. Jeder Staat beschreibt jetzt ausführlich – und zwar so, dass es nicht nur die Kommission in Brüssel weiß, sondern jeder Bür- ger und jede Bürgerin nachlesen kann – wie er gedenkt, Wachstum und Beschäftigung für sein Land voranzu- bringen. Im letzten Jahr konnten wir uns bereits davon über- zeugen, wie das vorangegangene Reformprogramm (2005 bis 2007) umgesetzt worden ist. Die Erfahrung mit dieser Selbstüberprüfung zeigt, wo und mit welchem Tempo bestimmte Politikfelder angegangen werden kön- nen und welche Erfolge auch zu erzielen sind. Wir kön- nen feststellen, dass wir ganz ordentlich die selbst ge- setzten Ziele abgearbeitet haben: Die Strukturreformen waren erfolgreich, und zwar gerade am Arbeitsmarkt. Hier haben wir einen Zuwachs an Arbeitsplätzen erlebt, den viele nicht zu hoffen wagten. Ich will dabei nicht verhehlen, dass ich nicht mit allen neu entstandenen Ar- beitsplätzen zufrieden bin, besonders wenn es nur solche für 400 Euro im Monat sind bzw. mit extrem niedrigen Stundenlöhnen vergütet werden. Dennoch ist uns hier ein wichtiger Schritt gelungen: Arbeitsplätze entstehen, und zwar „im Lichte der Öffentlichkeit“ – nicht im Dun- keln als Schwarzarbeit! Jetzt gilt es, den Fuß, den wir in der Tür haben, nicht zurückzuziehen, sondern die Tür zu einer weiterhin er- folgreichen Wachstums- und Beschäftigungspolitik ganz weit aufzustoßen, damit viele – möglichst alle – hin- durchgehen können! Grundlage dafür – und das ist nun wirklich keine neue Erkenntnis – ist und bleibt die Bildung. Deshalb müssen unsere gemeinsamen Anstrengungen, also die von Bund, Land und Kommunen, darauf gerichtet sein, Bildung als Bestandteil des gesamten Lebens zu betrachten, nicht nur als eine Zeiterscheinung zwischen dem siebten und maximal siebenundzwanzigsten Lebensjahr. Wie aber vermitteln wir das den Eltern? Natürlich werden wir als Bund uns daran beteiligen, dass die Länder mit den Kommunen den unter Dreijährigen eine dem Bedarf ent- sprechende Anzahl von Betreuungsplätzen anbieten kön- nen. Dafür werden wir als Bund uns mit 4 Milliarden Euro bis zum Jahr 2013 beteiligen. Und ab dann wollen wir einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder unter drei Jahren geben. Auch wenn die jungen Menschen die Schulen verlas- sen, werden wir ihnen eine Perspektive geben, weil wir für ein solides Wirtschaftswachstum bei voller Beschäf- tigung einen entsprechenden Fachkräftenachwuchs brau- chen. Deshalb bleibt es dabei: die Unternehmen bleiben nach wie vor in der Pflicht, genügend – auch über Bedarf – Ausbildungsplätze zu schaffen. Schließlich sind fertig ausgebildete Facharbeiter nicht aus den Bäumen zu schütteln. Die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbil- dungsverträge ist erfreulicherweise in 2007 gestiegen, was aber nicht nur den Betrieben zu verdanken ist. Auch die Bundesagentur für Arbeit hat die Anzahl der außer- betrieblichen Berufsausbildungsplätze erhöht und wird dies auch in diesem Jahr fortführen. Gut ausgebildete und qualifizierte Facharbeiter, viele mit Techniker- bzw. Meister-Prüfung, dürfen in ihrer be- ruflichen Weiterentwicklung nicht durch eine gläserne Decke gehindert werden. Deshalb muss an einer Weiter- entwicklung des Hochschulzulassungsrechts gearbeitet werden – und ich darf an dieser Stelle darauf hinweisen, dass es Ministerpräsident Kurt Beck war, der schon vor vielen Jahren den Zugang zur Hochschule gerade von diesen Bildungswilligen in Rheinland-Pfalz ermöglichte. 19206 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 179. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. September 2008 (A) (C) (B) (D) Um exzellent zu bleiben bzw. die Exzellenz weiter zu steigern, werden wir bis zum Jahr 2010 drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in Forschung und Entwicklung investieren. Für das kommende Jahr haben wir auch schon rund 7 Milliarden Euro bereitgestellt. Weitere Gelder werden wir für die Infrastruktur und die Ausstat- tung aufbringen. Die Gelder, die wir in Bildung stecken, und zwar von der Kindertagesstätte bis zur Graduierten- Forschung, werden helfen, Wachstum, Beschäftigung und Wohlstand für die Menschen in unserem Land zu halten. Gut ausgebildete Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh- mer sorgen dafür, Mehrwert zu schaffen – die Grundlage also auch zur Finanzierung unseres Landes. Allerdings ist es wichtig, dass der Staat hilft, nicht hindert! Deshalb werden wir uns auch um das Patentrecht zu kümmern haben, nämlich die Möglichkeit der Verwertung von Er- findungen, insbesondere denen, die durch Arbeitnehmer gemacht wurden. Erfindungen nützen niemandem, wenn sie nur in Schubladen schlummern, wie der Präsident des Europäischen Patentamtes im letzten Jahr feststellte. Im Gegenteil – er fordert vielmehr, dass es viel schneller zu einer Verwertung kommen müsste, weil so Innovation, Beschäftigung, Mehrwert für viele entstehen könne – statt geistiges Eigentum verstauben und vergessen zu lassen. Wir haben in unserem Land die Kompetenz für Inno- vation – wir wollen und werden sie auch nutzen. Wir för- dern Kompetenznetze und Kooperationen gerade im Hightech-Bereich. Da die größten Innovationsschübe al- lerdings von den KMU ausgehen, werden wir dort anset- zen und haben das ZIM, das Zentrale Innovationspro- gramm Mittelstand, auf den Weg gebracht. In dieses Programm werden wir im kommenden Jahr auch die ein- zelbetriebliche Förderung in den neuen Ländern inte- grieren. Die derzeitigen hohen Energiepreise dürfen sich nicht zum Bremsklotz unserer wettbewerbsfähigen Wirtschaft entwickeln. Deshalb müssen wir uns langfristig für Ver- sorgungssicherheit bei der Energiebeschaffung einset- zen. Grenzüberschreitende Kooperationen sind dabei ein wichtiger Baustein, wie zum Beispiel das Pentalaterale Energieforum. Bei anderen Dienstleistungen, die der Allgemeinheit jederzeit und kostengünstig zur Verfügung stehen müs- sen, müssen wir ein Auge auf deren Liberalisierungspra- xis werfen. So sind wir bei der Liberalisierung des Post- sektors zwar Vorreiter in der EU – haben also den Postmarkt viele Jahre schon geöffnet, bevor die letzten EU-Mitgliedstaaten das tun werden (Ende 2012). Aller- dings bleibe ich dabei, dass die Absprachen in der PUDLV (Postuniversaldienstleistungsverordnung) – bis auf die Anzahl der posteigenen Filialen – Bestand haben müssen. Im Schienenverkehr haben wir einen breit getragenen Kompromiss zur Teilprivatisierung gefunden. Das ist nicht unerheblich für den Ausbau einer leistungsfähigen Infrastruktur eines erfolgreichen Güterverkehrs- und Lo- gistiksystems. Denn schließlich verfolgen wir mit der Strategie „Güter auf die Bahn“ nicht nur eine erhebliche Entlastung des Straßennetzes, sondern diese Strategie dient auch einer effizienteren und umweltfreundlicheren Gestaltung des Gesamtverkehrssystems. Deutschland behauptet sich damit auch als starker Logistikstandort in Europa. Bei dieser Gelegenheit will ich es nicht versäu- men darauf hinzuweisen, dass trotz aller Begeisterung über die Zuwachsraten der Schienentransporte der Mensch als Nachbar zur Schiene nicht vergessen wird. Hier haben wir auch eine Verantwortung, was den Lärm angeht! Lärmschutz und Lärmvermeidung muss die stär- kere Streckennutzung begleiten, ebenso wie die For- schung auf diesem Gebiet. Ich weiß, wovon ich spreche, da wir in meinem Wahlkreis demnächst den größten Kombi-Terminal und damit Umschlagplatz von Gütern auf die Bahn haben werden. Bei allen Anstrengungen, die wir für ein Wachstum und damit für mehr Beschäftigung unternehmen, dürfen wir die zukunftsfeste Gestaltung unserer sozialen Siche- rungssysteme nicht außer Acht lassen, weil diese Garant für den sozialen Zusammenhalt und sozialen Frieden sind. Dabei werden wir keinesfalls den Blick für reale Entwicklungen, die der demografische Wandel mit sich bringt, verlieren. Zur Demonstration möchte ich fol- gende Zahlen nennen: Im gesamten Bundesland Rhein- land-Pfalz gab es im Jahr 1973 13 Bürgerinnen und Bür- ger die ihren 100. Geburtstag feierten. Heute gratuliert allein der Sozialdezernent meiner Heimatstadt Ludwigs- hafen jährlich 31 Personen, die hundert Jahre und älter sind. Diese Entwicklung lässt sich nicht schönreden oder wegdiskutieren – auf diese Entwicklung haben wir ange- messen zu reagieren: Finanzströme der gesetzlichen Krankenversicherung sind grundlegend neu zu ordnen bei gleichzeitiger Einführung von Versicherungspflicht und -recht für alle; die Finanzierung der Rentenversiche- rung darf nicht zu einer immer höheren dauerhaften Zu- satzbelastung der Beitragszahler führen. Dabei muss die Schutzklausel in der Rentenanpassungsformel unberührt bleiben, was dann allerdings zu einer Anpassungsdämp- fung bei realen Rentensteigerungen führen wird. Was sich da so nüchtern anhört, ist für den Bürger kaum verständlich. Deshalb wird es unsere wichtigste und zugleich vornehmste Aufgabe sein, die wichtige und richtige Politik, die wir für die Menschen in unserem Lande machen, diesen auch zu erklären. Mit dem natio- nalen Reformprogramm, gehen wir in die Offensive. Glücken wird uns das aber nur, wenn die Menschen es verstehen, einverstanden sind und mitmachen. Wir alle werden jetzt unseren Teil dazu beitragen können – pa- cken wir’s an! Rainer Brüderle (FDP): Die Bundesregierung hat uns hier wieder einmal einen Tätigkeitsbericht vorgelegt. Leider ist der Bericht alles andere als eine ehrliche Be- schreibung dessen, was diese Regierung in der Wirt- schafts- und Arbeitsmarktpolitik getan hat. Er ist im bes- ten Falle noch geschönt. Die Regierung möchte mit diesem sogenannten Pro- gramm demonstrieren, wie viel sie für Wachstum und Beschäftigung tut. Sie lässt aber völlig unerwähnt, was Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 179. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. September 2008 19207 (A) (C) (B) (D) sie alles tut, um Wachstum und Beschäftigung zu be- schränken. Über die Lissabon-Strategie der Europäischen Union, die ja der Grund für diesen Bericht der Bundesregierung ist, ließe sich vieles sagen – auch viel Kritisches. Es ist ohne Zweifel ehrenwert, den europäischen Wirtschafts- raum wettbewerbsfähiger und dynamischer machen zu wollen. Dagegen hat selbstverständlich niemand etwas. Entscheidend ist aber, mit welchen Mitteln man zum Ziel kommen möchte. Was die europäischen Staats- und Regierungschefs im März 2000 in Lissabon beschlossen haben, lässt weiten Interpretationsspielraum. Man kann die Lissabon-Strate- gie als ein Programm zur Umstrukturierung der EU ver- stehen, als ein Programm für mehr Flexibilisierung und mehr Freiheiten im Binnenmarkt. Das wäre ein hehres Ziel. Man kann den Lissabon-Prozess aber auch als zentra- listischen Aktionismus verstehen: als einen Versuch, mit Zielvorgaben die Wirtschaft zu lenken, als Beitrag zu der Idee, dass Wachstum zentral planbar ist. Jeder kann in der Lissabon-Strategie sehen, was er se- hen will. Die Bundesregierung hat sich, was das betrifft, aber immer noch nicht entschieden. Wenn wir Europa, wenn wir Deutschland weiterbrin- gen wollen, müssen wir ein Europa des Wettbewerbs schaffen. Dazu gehört eine Europäisierung der Wettbe- werbspolitik, dazu gehört weniger Bürokratie beim innereuropäischen Güter- und Dienstleistungshandel, dazu gehört Wettbewerb zwischen den Mitgliedsländern in der Arbeitsmarkt-, Steuer- und Standortpolitik. Man hat sich vom Lissabon-Prozess eine günstige Stimmung für wachstumsfreundliche Reformen in ganz Europa versprochen. Aber in den Bereichen, in denen Europa mehr Wettbewerb im Binnenmarkt schaffen könnte, scheitern die Ansätze kläglich an nationalem Protektionismus. Erinnern wir uns nur an das Schicksal der Dienstleis- tungsrichtlinie. Das gleicht einer Beerdigung zweiter Klasse. Europa – und an entscheidender Stelle auch die Bundesregierung – hat nicht nur an dieser Stelle bewusst auf Wachstum verzichtet. Wir müssen Deutschland als Wirtschaftsstandort stär- ken. Das funktioniert aber nicht, indem man sich als Bundesregierung den Erfolg früherer Arbeitsmarktrefor- men an die Brust heftet, aber selbst mit seiner Arbeits- marktpolitik neue Hürden für mehr Beschäftigung aufbaut. Mit staatlich festgesetzten überhöhten Mindest- löhnen verbessern sich die Zukunftschancen der deut- schen Wirtschaft ganz sicher nicht. Die Bundesregierung stellt sich als Vorreiter der Post- marktliberalisierung dar. Tatsächlich aber verhindert diese Regierung ebenso wie ihre Vorgängerregierung mehr Wettbewerb im Postwesen. Immer noch hat die Deutsche Post Wettbewerbsvorteile durch ihr Mehrwert- steuerprivileg. Das soll auch noch im kommenden Jahr erhalten bleiben. Und der Post-Mindestlohn hat den ein- setzenden Wettbewerb genau in dem Moment wieder be- hindert und verhindert, als die Exklusivlizenz der Deut- schen Post ausgelaufen ist. Wer Monopole stützt, hat noch nicht verstanden, wie die Marktwirtschaft, wie Wettbewerb funktioniert. Wir brauchen bessere Bedingungen für die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Dazu gehört mehr Flexibilität, dazu gehören betriebliche Bündnisse für Arbeit und eine deut- liche Senkung der Lohnnebenkosten. Dann werden un- sere Unternehmen im Wettbewerb beweglicher. Für all das ist keine Koordination auf europäischer Ebene nötig. Auch nationale Tätigkeitsberichte helfen nicht weiter. Europa sollte sich in den wirtschaftsrele- vanten Politikbereichen auf die Durchsetzung von Wett- bewerb konzentrieren, auf die Umstellung seines Haus- halts von Subventionen auf Investitionen. Für alles Übrige ist eine Politikkoordination nicht nötig. Das kann dem Wettstreit um die besten Lösungen und die attrak- tivsten Standorte in den Mitgliedstaaten überlassen blei- ben. Dr. Herbert Schui (DIE LINKE): In Ihrem Bericht über das Nationale Reformprogramm loben Sie Ihre Po- litik über die Maßen. Dazu allerdings gibt es keinen Grund. Sie behaupten, der Wohlstand der großen Mehr- heit der Bevölkerung steigt. Das trifft nicht zu. Der Le- bensstandard hat sich verschlechtert. Da ist kein Auf- schwung zu sehen. Die Zunahme der Beschäftigung ist nicht höher als beim letzten Aufschwung vor Hartz IV. Und vor allem: Die Beschäftigung steigt deswegen, weil es immer weni- ger Vollzeitbeschäftigung gibt. Der gesamtwirtschaftli- che Bedarf an Arbeitsstunden verteilt sich auf immer mehr Personen. Als Folge der Zunahme von Teilzeitar- beit schrumpfen die Realeinkommen der Beschäftigten während eines Aufschwungs. Das ist das Ergebnis Ihrer Politik. Die Lissabon-Strategie führt in die Irre. Die einseitige Ausrichtung auf mehr Wettbewerb, Preisstabilität und Haushaltskonsolidierung macht die Reichen reicher und die Armen ärmer. Dies senkt die Binnennachfrage und damit das Wachstum. Die strikten Vorgaben der Maastricht-Kriterien und des Stabilitäts- und Wachstums- pakts lassen keinen Spielraum für öffentliche Investitio- nen. Die Senkung der Unternehmensteuer entzieht dem Staat die notwendigen Mittel, um konjunkturell gegen- steuern zu können. Die falsche, auf Preisstabilität fi- xierte Geldpolitik der EZB verneint jegliche Verantwor- tung für Wachstum und Beschäftigung. Wettbewerb ist in Ihrer Strategie nichts weiter als Wortgeklingel. Sie fragen nicht, wie der Wettbewerb zu organisieren wäre, um bei den Unternehmen bessere Produktionstechniken und neue Produkte zu fördern. Sie reden viel von Innovationen. Aber sie beantworten nicht die Frage, wie Sie sich den Zusammenhang von Wettbe- werb und Innovation vorstellen. Sie kennen für jede Frage nur eine Lösung: Unternehmensteuern und Löhne senken, die Gewinne steigern. Wettbewerb ist für Sie nur Kostenwettbewerb. Und Kostenwettbewerb nicht etwa durch verbesserte Produk- 19208 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 179. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. September 2008 (A) (C) (B) (D) tionsprozesse, sondern durch Lohn- und Steuersenkung. Da ist selbst Ihr Lissabon-Prozess besser als Sie: Denn Ziel der Lissabon-Strategie war wenigstens noch, die Forschungsausgaben auf 3 Prozent des Bruttoinlands- produkts zu erhöhen. Das haben Sie nicht erreicht. Ihre Forschungspolitik, die Ausrichtung der Forschung, bringt die notwendigen Innovationen – wenn überhaupt – nur schleppend in Gang. Nach einer raschen Steigerung der Energieeffizienz sucht man vergeblich, ebenso nach nen- nenswerten Fortschritten bei der Entwicklung von Moto- ren mit geringem Kraftstoffverbrauch, um wenige Bei- spiele zu nennen. Hier vertrauen Sie auf die privaten Unternehmen, statt der Forschung insgesamt eine politi- sche Richtung zu geben. Zu mehr Wettbewerb wollen Sie kommen durch Pri- vatisierung. Die aber führt in der Regel nicht zu mehr Wettbewerb, sondern häufig genug zur Herausbildung eines privaten Monopols und damit zu steigenden Kos- ten für die Verbraucher. Dies ist bei der Post oder der Bahn der Fall. Die Post investiert international in Logis- tikunternehmen; sie erwirtschaftet dabei Verluste, die sie mit höheren Preisen in Deutschland, niedrigeren Löhnen und schlechterem Service ausgleicht. Die Bahn erhöht über Jahre hinweg die Preise, um den Renditeanforde- rungen der privaten Investoren gerecht zu werden. Sin- kende Preise oder gar bessere Leistungen sind für die Kunden nirgends in Sicht. Von der Privatisierung der Stromversorgung brauche ich gar nicht erst zu reden. Mit dieser Politik werden Sie kein andauerndes Wachstum erreichen. Das erfordert einen gesetzlichen Mindestlohn, weniger prekäre Beschäftigungsverhält- nisse, mehr Sozialstaat. Mit Ihrer Politik geben Sie das Geld bloß denen, die es eh schon haben. Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die europäischen Staaten haben sich vorgenommen, die EU bis 2010 zum weltweit wettbewerbsfähigsten wis- sensbasierten Wirtschaftsraum der Welt zu entwickeln. Zwei Jahre vor dieser Zielmarke kann man sagen: die EU wird es nicht schaffen. Auch Deutschland wird seine Ziele verpassen. Dies ist keineswegs überraschend. Schon vor zwei Jahren haben wir Grüne in einem Antrag, mehr Ehrgeiz bei der Erreichung der Lissabon-Ziele gefordert. Schon damals war absehbar, dass die Lissabon-Ziele nur er- reichbar sind, wenn die Bundesregierung in dieser Le- gislaturperiode hierfür die entscheidenden Weichen stellt. Dies ist nicht geschehen. Mein Hauptvorwurf an die Bundesregierung ist, dass sie den Lissabon-Prozess nie ernst genommen hat. Unter der Bundesregierung funktioniert der Lissabon-Prozess faktisch folgendermaßen: Es wird in den verschiedenen Ministerien abgefragt, was man denn so gemacht habe seit dem letzten Bericht, und irgendein Referent muss das dann rhetorisch so fassen, als sei all dies ein inten- dierter Beitrag zur Erreichung der Lissabon-Ziele gewe- sen. Was von Lissabon übrig geblieben ist, ist ein lästi- ges alljährliches Berichtschreiben. Die Lissabon-Strategie dient jedoch nicht dazu, viel Papier zu produzieren, sondern es geht darum, in der Sa- che voranzukommen. Da ist bei der Bundesregierung leider nichts zu erkennen, und ein Blick in den diesjähri- gen Fortschrittsbericht belegt dies. Wegen der Kürze der Redezeit will ich nur kurz auf zwei Bereiche eingehen: Energie und Bildung. Die Europäische Kommission hat der Bundesregie- rung ins Stammbuch geschrieben, endlich den Wettbe- werb auf den Strom- und Gasmärkten zu stärken. Anstatt diese Mahnung ernst zu nehmen, hat die Bundesregie- rung bekanntlich im letzten Jahr alles dafür getan, dass die großen Energiekonzerne die Netze behalten dürfen und es nicht zu einem sogenannten Unbundling kommt. Selbst als die Konzerne schon eingelenkt haben, hat die Bundesregierung an ihrer wettbewerbsfeindlichen Posi- tion noch festgehalten. Zum wettbewerbsfähigsten wis- sensbasierten Wirtschaftsraum der Welt wird man aber nicht, indem man den Wettbewerb verhindert und einzel- nen Unternehmen Monopole garantiert. In dem Fortschrittsbericht, über den wir heute disku- tieren, schafft es die Bundesregierung, diesen zentralen Konfliktpunkt in diesem zentralen Politikfeld noch nicht einmal in einem Halbsatz zu erwähnen. Ich frage Sie: Was ist denn eine gemeinsame Strategie wert, bei der die Bundesregierung nicht nur den Empfehlungen der Kom- mission nicht nachkommt, sondern dies noch nicht ein- mal begründet, ja nicht einmal erwähnt? Auch bei der Bildung kommt Deutschland nicht voran. Daran ändert auch eine medienwirksame Bil- dungsreise der Kanzlerin nichts. Gerade hat uns der OECD-Bildungsreport bescheinigt, dass Deutschland bei der Ausbildung von Hochqualifizierten den interna- tionalen Anschluss verliert. In keinem anderen EU-Land entscheiden sozialer Status und Bildungsstand der Eltern so sehr über die Bildungschancen des Kindes wie in Deutschland. Diesen Befund haben wir jedes Jahr aufs Neue, ohne Besserung. Die Bundesregierung hat sich mit der Föderalismus- reform I selbst die Hände gebunden. Im vorliegenden Fortschrittsbericht verschweigt sie auch die Bilanz. Laut Benchmarks der EU soll die Schulabbrecherquote auf 10 Prozent gesenkt werden; Deutschland liegt bei 12,7 Prozent. 85 Prozent der Schülerinnen und Schüler sollen einen Abschluss der Sekundarstufe II erreichen. In Deutschland sind es nur 72,5 Prozent und damit deut- lich weniger als im EU-Durchschnitt. Der Anteil der Er- wachsenen, die an Weiterbildungsmaßnahmen teilneh- men, soll auf 12,5 Prozent steigen. Deutschland liegt nur bei 7,8 Prozent und damit deutlich unter dem EU-Durch- schnitt. Und so weiter und so fort. All dies findet sich in dem Bericht nicht wieder. Kritische Zahlen werden lie- ber verschwiegen. So könnte man Punkt für Punkt des Berichts durchge- hen. Was bleibt ist, dass Deutschland seine Ziele verfeh- len wird, und dies trotz der auch von der Bundesregie- rung selbst eingeräumten Reformdividende und des starken Wachstums der letzten Jahre. Schlimm, dass Deutschland bei den Lissabon-Zielen nicht gut dasteht. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 179. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. September 2008 19209 (A) (C) (B) (D) Viel schlimmer aber ist, dass diese Regierung weder Konzept noch Ehrgeiz hat, dies zu ändern. Denn: Letztlich geht es bei der Lissabon-Strategie um die Frage: Welches Europa wollen wir? Wir Grüne wol- len ein Europa, das mehr ist als eine große Freihandels- zone mit angeschlossenem Debattierclub. Wir Grüne wollen ein soziales, ökologisches und wettbewerbsfähi- ges Europa. Wenn wir die Menschen für Europa gewin- nen wollen, müssen die Bürgerinnen und Bürger die konkreten Vorteile Europas erfahrbar machen. Deshalb ist auch die Lissabon-Strategie so wichtig, und deshalb ist es so bedauerlich, dass die Bundesregierung das Ganze nur noch als rhetorische Pflichtübung behandelt. Dagmar Wöhrl, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- minister für Wirtschaft und Technologie: Die Bundesre- gierung hat am 20. August 2008 den vom Bundesmi- nister für Wirtschaft und Technologie vorgelegten Entwurf des Nationalen Reformprogramms Deutsch- lands 2008 – 2010“ beschlossen. Wir werden ihn unmit- telbar nach der Behandlung in Bundestag und Bundesrat nach Brüssel senden. Wir wissen: Nationale Reformprogramme sind ein zentrales Element der Neuausrichtung der Lissabon- Strategie, die im Jahr 2005 vom Europäischen Rat ver- abschiedet wurde. Die Mitgliedstaaten haben ihre natio- nalen Beiträge zur Erreichung der Lissabon-Ziele erst- mals im Herbst 2005 dargestellt, und zwar für den Zeitraum 2005 bis 2008. In den Jahren 2006 und 2007 hat die Bundesregierung dann über den Stand der Um- setzung und Fortschritte bei den Reformen berichtet. In diesem Jahr steht nun ein neues strategisches Nationales Reformprogramm auf der Tagesordnung. Die Bundesre- gierung informiert damit über die Schwerpunkte ihrer Reformpolitik für den Zeitraum von 2008 bis 2010. Auf Basis der Umsetzungs- und Fortschrittsberichte in den vergangenen beiden Jahren hatte der Europäische Rat integrierte Leitlinien für Wachstum und Beschäftigung beschlossen. Unser Bericht berücksichtigt die Empfeh- lungen an Deutschland. Er richtet sich an die EU, die Legislative in Deutsch- land sowie an die europäische und deutsche Öffentlich- keit. Die Bundesregierung hat außerdem die Kommuni- kation mit denen gesucht, die zur Erreichung der Lissabon-Ziele beitragen: Wir haben die Länder beteiligt sowie die Verbände und Gewerkschaften angehört. Zum Inhalt: Der Titel des aktuellen NRP lautet „Auf den Erfolgen aufbauen – die Reformen für mehr Wachs- tum und Beschäftigung fortsetzen.“ Damit macht die Bundesregierung deutlich: Die Strukturreformen der vergangenen Jahre waren erfolgreich, insbesondere ge- messen an der Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt. Die deutsche Wirtschaft ist heute flexibler und damit auch widerstandsfähiger gegenüber externen Schocks als noch vor wenigen Jahren; das ist gerade jetzt besonders wichtig. Auch die Wirtschafts- und Finanzpolitik hat dazu bei- getragen: Mit der Unternehmenssteuerreform von 2007 wurde die durchschnittliche Gesamtsteuerbelastung der Unternehmen zum 1. Januar 2008 auf knapp unter 30 Prozent gesenkt. Im Jahr 2007 haben wir das Ziel er- reicht, die Lohnzusatzkosten unter 40 Prozent zu senken. Entscheidend war die Senkung der Beiträge zur Arbeits- losenversicherung von 6,5 Prozent auf 3,3 Prozent. Da- mit wurden Arbeitnehmer und Arbeitgeber gegenüber 2006 um rund 25 Milliarden Euro jährlich entlastet. Richtig ist allerdings auch: Die konjunkturelle Lage hat sich aktuell verschlechtert; die zu Jahresanfang noch positiven Erwartungen haben einen deutlichen Dämpfer erhalten. Denn wir sind keine „Insel der Glückseligen“, die allein den Stürmen der Weltwirtschaft trotzen kann. Die hohe Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen auf den Weltmärkten hilft nicht mehr weiter, wenn die Nachfrage weltweit einbricht. Die Anpassungsprozesse in den USA und auch in Europa werden also nicht spur- los an uns vorübergehen. Umfragen und wirtschaftliche Indikatoren zeigen abwärts. Viele Wirtschaftsinstitute nehmen ihre Wachstumsprognosen für das kommende Jahr zurück. Sicher ist momentan vor allem eines: Es ist Zeit zum Handeln. Das gilt auch angesichts der langfristigen He- rausforderungen wie der Globalisierung, der demokrafi- schen Entwicklung und des Klimawandels. Vor diesem Hintergrund ist es jetzt umso notwendiger, die Reform- politik fortzusetzen. Dementsprechend hält die Bundesregierung inhaltlich an den sechs Reformprioritäten fest. Diese hatte sie be- reits Ende 2005 im ersten NRP auf der Basis des Koali- tionsvertrages gesetzt. Diese Prioritäten lauten: Erstens: Wissensgesellschaft und Innovation voran- bringen. Als ressourcenarmes Land müssen wir auf un- sere wichtigsten Ressourcen setzen: Bildung, Forschung und Innovation. Wir müssen die Chancen der Wissens- gesellschaft besser nutzen; wir werden wettbewerbsfähig bleiben, nur wenn wir wirklich spitze sind. Zweitens: Märkte offen gestalten und Wettbewerb stärken. Wir setzen uns hier für eine Weiterentwicklung des europäischen Binnenmarktes und eine Intensivie- rung des innereuropäischen Wettbewerbs ein. Drittens: Rahmenbedingungen für unternehmerische Tätigkeit verbessern. Wir wollen hier unter anderem die Unternehmensnachfolge mit der Reform der Erbschaft- steuer steuerlich erleichtern und Bürokratie weiter ab- bauen. Viertens: Öffentliche Finanzen tragfähig gestalten, nachhaltiges Wachstum sichern, soziale Sicherheit wah- ren. Bundesregierung und Länder werden weiterhin an ihrem Kurs festhalten, den Staatshaushalt zu konsolidie- ren, aber auch Spielräume zu nutzen, um Impulse für Wachstum und Beschäftigung zu geben. Fünftens: Ökologische Innovation als Wettbewerbs- vorteil nutzen, Energieversorgung sichern, Klimawandel bekämpfen. Schlüsselwort ist hier vor allem: Energieef- fizienz. Wir müssen die Energieeffizienz verbessern, wollen wir die ehrgeizigen Klimaziele erreichen und gleichzeitig die Energieversorgung langfristig sichern. 19210 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 179. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. September 2008 (A) (C) (B) (D) Sechstens: Arbeitsmarkt auf neue Herausforderungen ausrichten, demografischen Veränderungen begegnen. Fakt ist: Der Arbeitsmarkt hat sich schneller und deutli- cher erholt als in früheren Aufschwungphasen. Um Ar- beitslosigkeit weiterhin nachhaltig abzubauen, wird die Bundesregierung unter anderem die arbeitsmarktpoliti- schen Instrumente neu ausrichten. Über diese sechs Prioritäten hinaus gibt es weitere wichtige Handlungsfelder. Die Bundesregierung wird – gemeinsam mit den Ländern – Bildungsanstrengun- gen verstärken, unter anderem in einer Qualifizierungs- initiative. Ziel ist es, mehr Aufstiegschancen zu schaf- fen. Ein weiteres Handlungsfeld sind die Finanzmärkte. Wir müssen die Finanzmärkte krisenfester gestalten, auf europäischer und internationaler Ebene. Der aktuelle NRP für die Jahre 2008 bis 2010 liegt vor. Die Inhalte der deutschen Reformpolitik für Wachs- tum und Beschäftigung stehen voll im Einklang mit der europäischen Strategie. Sie kräftigen Wachstum und Be- schäftigung, wahren die soziale Sicherheit und schützen die Umwelt. Ich bitte Sie, den Bericht zustimmend zur Kenntnis zu nehmen. Anlage 12 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Unterrichtung: Nationales Reformprogramm Deutschland 2008 bis 2010 Umsetzungs- und Fortschrittsbericht 2008 (Ta- gesordnungspunkt 17) Markus Grübel (CDU/CSU): Wir unterhalten uns heute über einen sehr kurzen Antrag der Oppositions- fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der lediglich zwei Sei- ten umfasst, der aber dennoch ein wichtiges und span- nendes Thema, nämlich die Altersgrenzen, thematisiert. Ich denke, es ist an der Zeit, dieses Thema aufzugreifen, denn es bewegt auch die Menschen in unserem Land. Ich vermute, Ihr Antrag wurde motiviert durch die Antwort der Bundesregierung vom 29. Februar 2008 auf Drucksache 16/8823 auf ihre Kleine Anfrage zum Thema „Diskriminierende Altersgrenzen im Bereich des bürgerschaftlichen Engagements“. Sie haben dann ein- fach Ihrem jetzigen Antrag das Wort „aufheben“ ange- hängt. In diesem Zusammenhang kann ich allen Seniorenpoliti- kern und Ehrenamtspolitikern die Lektüre der Antwort der Bundesregierung auf eine Große Anfrage der FDP-Bundes- tagsfraktion „Seniorinnen und Senioren in Deutschland“ vom 21. August 2008 auf Drucksache 16/10155 empfeh- len. Dort wird eine umfassende Bestandsaufnahme der Seniorenpolitik vorgenommen. Eine Vielzahl von The- men, unter anderem Altersgrenzen, Altersdiskriminie- rung, demografischer Wandel und bürgerschaftliches Engagement werden aufgegriffen und exakt dargestellt. Von daher gibt allein schon der Inhalt dieser Drucksache einige Antworten auf Ihren Antrag bzw. Ihre Forderun- gen. Es ist schade, dass wir heute über dieses Thema reden und nicht in vier Monaten, denn dann wären wir alle ein wenig schlauer und hätten das lang erwartete Gutachten zum Thema „Altersgrenzen und gesellschaftliche Teil- habe“, welches vom BMFSFJ in Auftrag gegeben wurde und bis Ende November 2008 vorliegen soll, lesen kön- nen. So müssen wir uns noch ein wenig gedulden. Die bisher zum Thema Altersgrenzen vorliegenden Untersu- chungen wie das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages aus dem Jahr 2001 und die Zusammenstellung gesetzlicher Altersgrenzen durch das BMJ im Jahr 2005 sind entweder veraltet oder erfassen nur einen Teilaspekt des Problems. Ziel des Gutachtens ist es, im Lichte des Allgemei- nem Gleichbehandlungsgesetzes, AGG, eine Bestands- aufnahme der in Deutschland bestehenden Altersgrenzen zu erhalten. Dabei sollen nicht nur gesetzliche bzw. rechtlich festgelegte Altersgrenzen erfasst werden, son- dern auch untergesetzliche „weiche“ Altersgrenzen, die älteren Menschen die Teilhabe an der Gesellschaft ver- wehren, zum Beispiel im Hinblick auf freiwilliges und bürgerschaftliches Engagement. Das Gutachten soll eru- ieren, in welchen Bereichen derartige Altersgrenzen be- stehen, die dahinterstehenden Gründe und Motive be- schreiben und die für die Bewertung ihrer Sinnhaftigkeit und fortbestehenden Notwendigkeit erforderlichen Grundlagen liefern. In diese Bewertung sollen Aspekte der demografischen Entwicklung und des Allgemeinem Gleichbehandlungsgesetzes einfließen. Beispielhaft möchte ich auf folgende Altersgrenzen hinweisen: Höchstaltersgrenzen als Zugangsvorausset- zungen zum Beruf, zum Beispiel im öffentlichen Dienst; Schöffen sollen noch nicht das 70. Lebensjahr vollendet haben, § 33 GVG; eine erstmalige Bestellung zum Notar ist nach Vollendung des 60. Lebensjahres nicht mehr möglich, § 6 Abs. 1 BnotO; Banken binden die Vergabe von Darlehen, Vereine die Übernahme von Ehrenämtern häufig an eine Höchstaltersgrenze; Beendigung der kas- senärztlichen Zulassung mit Vollendung des 68. Lebens- jahres, § 95 Abs. 7 SGB V, wobei wir diese Regelung im Rahmen des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Orga- nisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversiche- rung streichen werden. Die Regelung soll rückwirkend zum 1. Oktober 2008 in Kraft treten, sodass Ärzte zu- künftig über das 68. Lebensjahr hinaus Patienten behan- deln dürfen. Auch das gesetzliche Renteneintrittsalter ist nichts anderes eine „Regelaltersgrenze“ für das Ausscheiden aus dem Beruf. Menschen, die noch gesund und fit sind und noch weiter arbeiten wollen und können, werden un- gefragt in Rente geschickt. Es gibt einige Ausnahmen, aber die Zahl ist verschwindend klein. In einigen Jahren benötigen wir viele erfahrene und hoch qualifizierte ältere Arbeitnehmer, da immer weni- ger junge Menschen nachkommen. Die Rente mit 67 ist ein richtiger und notwendiger Schritt der Anpassung an die demografische Wirklichkeit. Jedoch sollte man auch über die Individualisierung der Lebensarbeitszeit und Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 179. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. September 2008 19211 (A) (C) (B) (D) über flexiblere Ausstiegsmöglichkeiten aus dem Berufs- leben nachdenken. Starre Altersgrenzen sind diskrimi- nierend für diejenigen, die noch länger in ihrem Beruf arbeiten wollen. Bei diesem Personenkreis wird durch gesetzlich normierte Altersgrenzen die Leistungsfähig- keit infrage gestellt und Potenzial vergeudet. Verrentungsgrenzen werden auch von der Wissen- schaft durchaus kritisch und als nicht zukunftsfähig gesehen. So sprach sich die renommierte Altersforsche- rin der Charité Berlin, Frau Professor Dr. Adelheid Kuhlmey, im November 2007 für flexible und indivi- duelle Altersgrenzen aus und forderte ein Überdenken des gängigen Renteneintrittsalters. Sie hält flexible und individuelle Regelungen für sinnvoller, was ich persön- lich nur unterstützen kann. Ähnlich äußerte sich auch der vor zwei Jahren ver- storbene Gerontologe Professor Paul B. Baltes in der FAZ vom 12. Mai 2004: „Je älter die Bevölkerung, um so weniger tragfähig sind altersbezogene Regeln. Dies ist einer der Gründe, warum Wissenschaftler abraten, eine feste Altersgrenze etwa für den Einstieg in das Pensions- alter zu postulieren. Alterspolitik muss variabel und dif- ferenziert sein. Altershomogene Politik ist zum Schei- tern verurteilt.“ Wir alle können uns noch an die öffentlich diskutier- ten Beispiele des deutschen Nobelpreisträgers für Phy- sik, Theodor Hänsch, und des Immunologen und Geneti- kers Klaus Rajewsky erinnern. Diese Beispiele führen deutlich vor Augen, dass vor allem deutsche Professo- ren jenseits der gesetzlichen Altersgrenze für Professo- ren in Deutschland, ihr Heil in Amerika suchen, wo allein Leistungskraft und Kreativität zählen. Die Beur- teilung nach dem Lebensalter würde dort als schwerwie- gende Diskriminierung gewertet werden. Die demografische Entwicklung ist eindeutig: Die Zahl der jüngeren Menschen nimmt ab und die der Älte- ren steigt. Das hat verschiedene Ursachen: Seit den 60er- Jahren werden weniger Kinder geboren und die Lebens- erwartung der Menschen steigt weiter an. Die längere Lebenszeit ist in der Regel mit einer besseren Gesund- heit und mehr Vitalität verbunden als in den vergange- nen Jahrzehnten. Ältere Menschen haben zudem mehr Möglichkeiten zur Lebensgestaltung. Der demografische Wandel geht einher mit einem Gewinn an gestaltbarer Lebenszeit für den Einzelnen und bietet damit auch ver- mehrt Chancen und nicht nur Risiken, wie das gerne und oft in der Öffentlichkeit und den Medien dargestellt wird, was mitunter zu einem verzerrten und falschen Bild vom Alter führt. Steigendes Alter wird häufig mit einem Rückgang der Innovationskraft, Produktivität und der Güter- und Dienstleistungsnachfrage assoziiert. Da- bei wird übersehen, dass die Innovationskraft und Pro- duktivität Älterer durch lebenslanges Lernen, eine ange- messene Gestaltung der Arbeitsbedingungen und eine aktive Gesundheitsförderung erhöht werden kann. Der fünfte Altenbericht hat sich mit den Potenzialen des Alters beschäftigt. Wir haben genau vor einem Jahr über das Thema im Parlament gesprochen. Senioren sind eine Bereicherung. Deutschland braucht das Zukunfts- potenzial der Senioren dringender denn je; denn ältere Menschen verfügen über Erfahrungen und Stärken, die unsere Gesellschaft wirtschaftlich benötigt und sozial bereichert. Aufgabe der Politik ist es, den Veränderungsprozess zu fördern und mitzugestalten. Einerseits geht es darum, die erforderliche Absicherung im Alter zu gewährleis- ten, und andererseits darum Partizipation, ehrenamtli- ches- und bürgerschaftliches Engagement zu ermögli- chen bzw. zu erleichtern. Grundlegendes Ziel unserer Senioren- und Altenpoli- tik ist es, die Entwicklung und Verankerung eines neuen Leitbildes des Alters voranzutreiben. Der sechste Alten- bericht wird sich dem Thema Altersbilder widmen. Mit dem sich wandelnden Bild vom Alter nicht vereinbar sind alle Formen der Altersdiskriminierung, verstanden als soziale und ökonomische Benachteiligung von Perso- nen aufgrund ihres Lebensalters. Die Betroffenen wer- den daran gehindert, in angemessener Weise am Arbeits- leben und am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. In diesem Zusammenhang rücken Altersgrenzen – ich habe vorhin schon einige Beispiele angeführt – in das Blick- feld, da sie geeignet sind, institutionelle Barrieren und Ausgrenzungen in der gesellschaftlichen Realität zu ver- ankern. Liebe Kolleginnen und Kollegen der Fraktion Bünd- nis 90/Die Grünen, unser Ansatz bezüglich der Alters- grenzen ist etwas weitergehender als der Ihrige, auch wenn wir in manchen Punkten sicherlich Übereinstim- mung erreichen können. Fakt ist: Für eine ganze Reihe von Berufen und öffentlichen Tätigkeiten gibt es gesetz- lich normierte oder tarifrechtliche Altersgrenzen. Diese Altersgrenzen sind aber zum Teil unzeitgemäß und dis- kriminierend. Die AG Familie der CDU/CSU-Bundes- tagsfraktion und die zuständigen Berichterstatter zur Se- niorenpolitik haben sich bereits im Januar 2007 zu diesem Thema öffentlich geäußert. Wir halten es für not- wendig, die starren Altersgrenzen zu überprüfen. Dies ergibt sich nicht nur aufgrund der ökonomischen Not- wendigkeit durch den Bevölkerungsschwund, sondern ist auch der Tatsache geschuldet, dass in vielen Staaten das Verbot, Menschen allein aufgrund ihres Lebensalters zu benachteiligen, bereits Verfassungsrang genießt. Zu- dem stellt das Europarecht bindende Vorgaben zum Ver- bot der Altersdiskriminierung auf. Die Senioren- und Familienpolitiker der CDU/CSU- Bundestagsfraktion halten es für berechtigt, dass starre Altersgrenzen durch objektive Kriterien ersetzt werden. Wer körperlich und geistig die nötigen Voraussetzungen mitbringt und sich weiterbildet, muss auch arbeiten dür- fen: Piloten, Statiker, Ärzte, ehrenamtliche Schöffen usw. Wir werden sehen, was das Gutachten hierzu sagt, und dann können wir gerne wieder an dieser Stelle darü- ber diskutieren. Noch einige Ausführungen zum Thema „Ausbau der Beteiligungsmöglichkeiten älterer Bürgerinnen und Bür- ger bzw. Sicherung und Unterstützung des Infrastruktur- ausbaus für das bürgerschaftliche Engagement“: Gerade das unionsgeführte BMFSFJ leistet in diesem Bereich vorbildhafte Arbeit. Natürlich kann man immer mehr machen, und als Oppositionsfraktion gehört es ja auch 19212 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 179. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. September 2008 (A) (C) (B) (D) zu ihren Aufgaben, immer mehr zu fordern, das ist ja auch ganz einfach, denn sie tragen ja auch nicht die fi- nanzielle Verantwortung und ich bin mir sicher, dass auch Sie mir nicht sagen können, wo das zusätzliche Geld herkommen soll. Trotzdem denke ich, dass wie auf einem guten Weg sind. Auch Modellprogramme und Leuchttürme können eine Initialzündung geben und bür- gerschaftliches Engagement verstetigen. Mit der Initia- tive ZivilEngagement fördert das BMFSFJ eine Reihe von Modellvorhaben zur Stärkung des zivilgesellschaft- lichen Engagements. Mit dem Modellprogramm „Gene- rationenübergreifende Freiwilligendienste“ – bis zum 30. Juni 2008 – wurde erstmals ein Freiwilligendienst für alle Generationen angeboten. Die größte Gruppe der Freiwilligen sind Rentnerinnen und Rentner mit 23 Pro- zent. In dem neuen Freiwilligendienst aller Generatio- nen, der ab 1. Januar 2009 startet und mit 22,5 Millionen Euro ausgestattet ist, ist ein Schwerpunkt die Zielgruppe der Älteren. Die positiven Erfahrungen – 42 Prozent der Einsatzstellen möchten den Einsatz von älteren Men- schen weiter steigern – zur Gewinnung und zum Einsatz von Seniorinnen und Senioren sollen durch gezielte Maßnahmen zu einem weiteren Anstieg der Freiwilli- genzahlen in dieser Altersgruppe führen. Auch mit dem Aktionsprogramm „Mehrgenerationen- häuser“ wird das Miteinander der Generationen gestärkt. Mehr als 500 Mehrgenerationenhäuser bundesweit ver- binden bürgerschaftliches Engagement, Selbsthilfe und professionelle Unterstützung zu einem umfassenden Angebot für Menschen jeden Alters. Ziel des Aktions- programms ist es ja gerade, dass alle Generationen in Verbindung kommen und Erfahrungen und Wissen un- tereinander austauschen. Ich kann das aus eigener Erfah- rung bestätigen. In meiner Heimatstadt Esslingen haben wir ein Mehrgenerationenhaus, und da funktioniert dies wunderbar. In gut 75 Prozent der 9 100 Angebote in den Mehrgenerationenhäusern begegnen sich Jung und Alt. Beide Generationen – sowohl Jung als auch Alt – profi- tieren in den Mehrgenerationenhäusern voneinander. Durch die bewusste Verbindung von professioneller und ehrenamtlicher Tätigkeit in den Häusern wird der Wert des gegenseitigen Gebens und Nehmens aktiv gelebt. Das vom BMFSFJ von 2002 bis 2006 geförderte Bun- desmodellprogramm „Erfahrungswissen für Initiati- ven“, EFI, hatte zum Ziel, das Erfahrungswissen älterer Menschen für freiwillige Projekte und Initiativen nutz- bar zu machen. Nach dem Auslaufen der Bundesförde- rung Ende 2006 wird das Programm von den beteiligten Ländern fortgeführt und weiter ausgebaut. EFI ist ein Qualifizierungsprogramm für ältere Menschen zu Se- niortrainerinnen und -trainern. Das Programm dient dem Aufbau einer neuen Verantwortungsrolle für ältere Men- schen in der Kommune. Sie setzen ihr Erfahrungswissen und ihre Kenntnisse zum Beispiel in Projektentwick- lung, Gesprächsführung, Konfliktmanagement und Öf- fentlichkeitsarbeit bei der Begleitung und Beratung von Freiwilligeninitiativen, Einrichtungen, Vereinen, Ver- bänden in Kommunen ein bzw. bauen eigene Projekte gemäß der kommunalen Bedarfslage auf. Seit 2003 ha- ben rund 1 000 Seniortrainerinnen und -trainern mehr als 4 000 Projekte zum Beispiel in Schulen, Altenpflege, In- ternet, Kultur, Sport aufgebaut oder begleitet. Daneben fördert auch das BMZ ehrenamtliches Engagement älte- rer Menschen seit vielen Jahren gezielt über den Senior Expert Service. Ich könnte die Liste noch weiterführen, aber ich denke die Projekte sind Ihnen bekannt. Ich fasse kurz zusammen: Erstens. Bürgerschaftliches Engagement fördern steht ganz vorne auf der Agenda des BMFSFJ und der unionsgeführten Bundesregierung. Zweitens. Auf der Grundlage der Ergebnisse des Gut- achtens sollten wir entscheiden, ob und, wenn ja, welche Maßnahmen zur Veränderung oder Beseitigung beste- hender Altersgrenzen zu ergreifen sind. Angelika Graf (Rosenheim) (SPD): Das Wichtigste vorweg: Ich finde es gut, dass wir hier im Deutschen Bundestag über Alter und Altern reden und auch über die Altersdiskriminierung, die immer noch ein gesell- schaftliches Problem ist. Ziel des Allgemeinen Gleich- behandlungsgesetzes (AGG) war und ist es, für eine Antidiskriminierungskultur in Deutschland zu sensibili- sieren, und dazu kann eine Debatte im Deutschen Bun- destag einen Beitrag leisten. Ich bin wirklich sehr froh, dass es uns Sozialdemokra- tinnen und Sozialdemokraten gelungen ist, das Gleich- behandlungsgesetz im zivilrechtlichen Teil um das Merkmal Alter zu erweitern, und dass wir damit auch ei- nen Beitrag dazu geleistet haben, dass viele möglicher- weise veraltete Regelungen sukzessive auf den Prüfstand kommen werden. Ich hätte mir allerdings gewünscht, dass die Grünen ihren Antrag nicht so eng gefasst hätten und neben der Situation im Ehrenamt auch andere Punkte der Diskriminierung Älterer angesprochen hät- ten, bei der Kreditvergabe zum Beispiel oder im Bereich der Werbung. Und ein kleines Lob für die vielen Älteren, die ehrenamtlich arbeiten, zum Beispiel als Quali-Paten, in der Altenbetreuung oder beim Senior-Expert-Service, hätte wohl auch nicht geschadet. Aber: Wo Menschen sind, „menschelt’s“, und ich be- zweifle nicht, dass es auch im ehrenamtlichen Bereich Altersdiskriminierung gibt. Wir sollten in der Tat überle- gen, ob die eine oder andere Altersgrenze – nach oben und unten übrigens – in einer Reihe von Gesetzen und Verordnungen tatsächlich ihren Sinn erfüllen. Die im Antrag angesprochene Regelung im Gerichtsverfas- sungsgesetz, wonach Personen ab dem 70. Lebensjahr das Ehrenamt des Schöffen nicht mehr ausüben sollen, scheint mir aber nur bedingt für eine solche Kritik geeig- net zu sein. Leider sind – ich weiß nicht, ob der grünen Bundes- tagsfraktion dies bewusst ist – die Regelungen bei den Schöffen kein Bestandteil der Rechtsmaterie des AGG. Auch wenn Sie das AGG nicht explizit nennen, so ist doch das AGG die Basis ihrer Argumentation. Hier hätte ich mir in Ihrem Antrag mehr Klarheit gewünscht. Näher erläutert wird dies auch in einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage. Das AGG könne, heißt es dort, im Hinblick auf das Schöffenamt nicht angewendet werden, weil es sich weder um eine Erwerbstätigkeit handelt, noch ein zivilrechtliches Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 179. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. September 2008 19213 (A) (C) (B) (D) Schuldverhältnis begründet wird. Zudem handelt es sich bei der Altersregelung nur um eine Sollbestimmung. Der Gesetzgeber hat hier bereits den Zuständigen einen Er- messensspielraum eingeräumt, den ich mir im Übrigen auch für andere Regelungen wünschen würde. Außer- dem ist die Periode für ein Schöffenamt mit Rechtswir- kung zum 21. Dezember 2004 erst auf fünf Jahre verlän- gert worden, womit es praktisch möglich ist, dass auch noch 75-Jährige ein Schöffenamt bekleiden können. Aus diesen genannten Gründen ist der Antrag der Grünen abzulehnen. Vielleicht sollten sie noch mal bes- ser recherchieren und nach Gesetzen Ausschau halten, die tatsächlich ein Verbot zum Inhalt haben. Ich wiederhole aber an dieser Stelle, dass ich Ihr grundsätzliches Anliegen durchaus teile: Wir sind als Gesetzgeber natürlich angehalten, altersdiskriminie- rende Regelungen auf den Prüfstand zu stellen. Insbe- sondere im bürgerschaftlichen Engagement haben diese nichts zu suchen! Ehrenamtliche Arbeit ist ein Stück Teilhabe an der Gesellschaft und an unserer Demokratie. Wer hier ausgrenzt, zeigt, dass er unsere Staatsform, die immer noch die beste der Welt ist, nicht verstanden hat. Das sollte sich auch der aufstrebende Berliner Jungpoli- tiker der Union hinter die Ohren schreiben, der dafür plädiert hat, das Wahlrecht Älterer mit der Begründung zu beschneiden, sie würden keinen aktiven Beitrag für die Gesellschaft leisten. Die Berliner CDU hat mit dieser Meinung allerdings offenbar kein Problem; sie hat ihn nun als Bundestagskandidaten in Berlin-Pankow aufge- stellt. Kommen wir zum AGG zurück: Dass 24,32 Prozent der Anfragen an die Antidiskriminierungsstelle des Bun- desministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Ju- gend das Merkmal Alter betreffen, zeigt nicht nur, dass es richtig war, Alter als Merkmal ins Gesetz aufzuneh- men; es zeigt auch die hohe gesellschaftspolitische Rele- vanz des Themas. Mein ceterum censeo als Seniorenpolitikerin ist, dass wir mit dem AGG ein Gesetz verabschiedet haben, wel- ches viele Bürgerinnen und Bürger – übrigens junge ebenso wie alte – ermächtigt, sich gegen Diskriminie- rung wegen des Lebensalters zu wehren. Dazu sind die Bürgerinnen und Bürger ganz offensichtlich bereit, wenn man der Rechtsprechungsübersicht der Antidiskriminie- rungsstelle im BMFSJ folgt. Mir macht allerdings ein wenig Sorge, dass vor allem Altersgrenzen von jungen Menschen, denen beispiels- weise Höchstaltersgrenzen bei Laufbahnbewerbungen ein Hindernis waren, gerichtlich überprüft wurden und eher selten ältere Menschen, um die es hier heute gehen soll. Auch vor diesem Hintergrund sage ich zu den ande- ren Forderungen Ihres Antrags: Die Bundesregierung kann und muss Vorbild sein. Bei sämtlichen Program- men des Bundes wird deshalb auf die Offenheit für alle Altersgruppen geachtet. Wir müssen selbstverständlich unsere Gesetze und Verordnungen nach diskriminieren- den Regelungen durchforsten. Ich bin mir auch sicher, dass die Länder diesem Beispiel folgen werden. Aber grundsätzlich gilt: Wo kein Kläger, da kein Richter. Im Kleinen muss jeder alte Mensch selbstbewusst sein Recht einfordern, egal ob bei der Feuerwehr oder im Sportverein. Nur so entsteht auch Bewusstsein. Das kann ihm übrigens auch das beste AGG nicht abnehmen. Sönke Rix (SPD): Heute sprechen wir über den An- trag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Diskriminierende Altersgrenzen im Bereich des bürger- schaftlichen Engagements aufheben“. Ich glaube, dort wo es gesetzliche Altersgrenzen gibt, beispielsweise im FSJ/FÖJ, weltwärts und bei Schöffen, sind sie sachlich begründet und nachvollziehbar. Aber natürlich müssen die bisher bestehenden Altersgrenzen im Bereich bürger- schaftlichen Engagements überprüft werden. Allein die höhere Lebenserwartung und die Erhöhung des Renten- eintrittsalters machen diese Überprüfung notwendig. Deshalb hat die Bundesregierung ein Gutachten in Auftrag gegeben, um einen umfassenden Überblick über die Altersgrenzen zu erhalten, die auch untergesetzlich in Vereinen und Verbänden bestehen. Die erste Forde- rung Ihres Antrags ist also bereits erfüllt. Außerdem beschäftigen wir uns seit geraumer Zeit mit dem Engagement von älteren Menschen. Mit dem Mo- dellprojekt „Generationenübergreifende Freiwilligen- dienste“ und den „Mehrgenerationenhäusern“ werden explizit auch ältere Bürgerinnen und Bürger angespro- chen. Wohlgemerkt: explizit, nicht exklusiv. Denn das ist mir wichtig beim Thema „Bürgerschaftliches Engage- ment“: dass es generationenübergreifend stattfindet. Ich möchte nicht, dass wir die Generationen anhand von Al- terstabellen in Gruppen einteilen und sie dann unter- schiedlichen Projekten zuteilen. Das Miteinander ist ent- scheidend. So können die Jüngeren von den Älteren lernen, und natürlich ist das auch umgekehrt so. Das soziale Engagement von Menschen für Men- schen ist der eigentliche Kitt unserer Gesellschaft. Ne- ben denjenigen, die soziale Tätigkeiten hauptamtlich ausführen, gibt es zahlreiche freiwillig Engagierte; 2004: 23 Millionen. Ohne die ginge es nicht. Ohne die würde etwas fehlen in unserer Gesellschaft. Zwischenmensch- lichkeit, Aufmerksamkeit und Zuspruch leisten die frei- willig Engagierten, zusätzlich zu dem, was der Staat leis- ten kann. Dieses Engagement brauchen wir, sowohl das der jungen Generation als auch das der älteren. Der Leitgedanke einer idealen generationenübergrei- fenden Engagementpolitik sollte meiner Vorstellung nach lauten: Wer will, der darf. Oder besser noch: Wer will, der soll können. Und es gibt viele Ältere, die wol- len und können. Die Initiative „Alter schafft Neues“ konzentriert sich auf das Potenzial und die Kompetenz von Seniorinnen und Senioren. Mithilfe dieser Initiative sollen ältere Bür- gerinnen und Bürger angesprochen und motiviert werden – auch zum freiwilligen Engagement. Im jetzt gerade auslaufenden Programm „Generatio- nenübergreifende Freiwilligendienste“ hatten Menschen aller Generationen die Möglichkeit, sich zu engagieren; und das in einem geregelten Rahmen zwischen 8 und 20 Stunden pro Woche. Die Erfolge dieses Projektes werden aufgegriffen. Das neue Programm „Freiwilligen- 19214 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 179. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. September 2008 (A) (C) (B) (D) dienste aller Generationen“ gewährleistet Qualitätsstan- dards, Qualifizierungsmöglichkeiten, Verbindlichkeit und passgenaue Angebote für Freiwillige, egal wie alt sie sind oder woher sie kommen. Es gelten keine Alters- grenzen für das bürgerschaftliche Engagement. Und dort, wo es welche gibt, werden sie gerade überprüft. Im Anschluss daran müssen wir entscheiden, ob sie geän- dert oder abgebaut werden. Das Motto der Woche des bürgerschaftlichen Engage- ments lautet: Engagement macht stark. Und das gilt für Jung und Alt. Dass alle Generationen davon profitieren, daran arbeiten wir seit langem und gerade jetzt. Ihr An- trag greift die richtigen inhaltlichen Punkte auf, jedoch werden diese bereits umgesetzt. Somit ist er überflüssig. Sibylle Laurischk (FDP): Solidarität und Verant- wortungsbewusstsein, die Weitergabe von Wissen und Erfahrungen, die Suche nach sozialen Kontakten, der Wunsch, sich neue Erlebniswelten zu erschließen oder einfach das Gefühl, gebraucht zu werden, sind nur einige Motive, sich sozial zu engagieren. Dies gilt in ganz be- sonderem Umfang für den älteren Teil der Bevölkerung. Gerade für Liberale ist bürgerschaftliches Engage- ment Ausdruck einer lebendigen Bürgerkultur. Eine Ge- sellschaft, in der Probleme nicht wie selbstverständlich bei öffentlichen Einrichtungen abgegeben werden, eine Gesellschaft, in der Bürger für Bürger da sind. Der Ein- zelne ist selbst gefordert, in eigener Verantwortung, mit eigener Kraft, mit der Bereitschaft, Risiken zu überneh- men; auch mit der Bereitschaft, den wirklich Schwachen und Benachteiligten solidarisch zur Seite zu stehen. Nur durch einen solchen Bürgersinn wird eine Gesellschaft entstehen, die eher als jede andere in der Lage ist, mit den Herausforderungen der Zukunft fertig zu werden. Eine dieser Zukunftsaufgaben ist der demografische Wandel. Der demografische Wandel bringt es mit sich, dass die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Zu- kunftsaufgaben von weniger und im Durchschnitt älteren Menschen bewältigt werden müssen. In der Öffentlich- keit wird allerdings mit dem demografischen Wandel vielfach noch eine verkürzte Debatte über die sozialen Sicherungssysteme verbunden. Die FDP tritt konsequent dafür ein, das gesellschaftliche Altenbild zu entstauben und den Realitäten anzupassen. Die Seniorenpolitik hat nach unserem Verständnis die Aufgabe, dieses neue Leitbild des Alters voranzutreiben. Die Folgen des de- mografischen Wandels sind gestaltbar, aber nur, wenn eine ehrliche und umfassende Analyse der Fakten er- folgt. Politische Fehler, wie das jahrzehntelange Ignorie- ren des längst bekannten demografischen Wandels, dür- fen sich nicht wiederholen. Diese Ignoranz hatte und hat verheerende Auswirkungen auf die Sozialsysteme. Für Liberale bedeutet dies: Alle politischen Zukunfts- betrachtungen müssen die heute bereits bekannten Fak- ten mit einbeziehen. Hierzu gehören auch alle Alters- grenzen. Nicht nur diejenigen des bürgerschaftlichen Engagements, sondern generell alle Altersgrenzen, auch diejenigen zur Ausübung bestimmter Berufe, müssen kritisch hinterfragt und überprüft werden. Ich bin sicher, dass sich der überwiegende Teil dieser Altersgrenzen als verzichtbar erweisen wird. Ich möchte Ihnen hier das Beispiel der KfW-Kredit- vergabe näherbringen, welches von der FDP seit Jahren kritisiert wurde. Für die Kreditvergabe bei den ERP- und KfW-Förderprogrammen existierte für das Programm „ERP-Kapital für Gründung“ eine Altersbegrenzung. Das Darlehen wurde nur vergeben, wenn sichergestellt war, dass es spätestens mit Vollendung des 70. Lebens- jahres getilgt war. Diese Begrenzung wurde mit der durchgeführten Überarbeitung des Programms zum 1. Juli 2008 aufgehoben; ein großer Erfolg auch unserer beharrlichen Politik. Für die FDP ist die Frage der Altersgrenzen, wie be- reits geschildert, seit geraumer Zeit ein wichtiges Thema der Politik, da die Altersgrenzen eine direkte Auswir- kung auf die Wahrnehmung von Alter, also das gesell- schaftliche Altenbild haben. Aus diesem Grund haben wir dieser Fragestellung auch in unserer Großen Anfrage an die Bundesregierung „Seniorinnen und Senioren in Deutschland“, Drucksache 16/10155, thematisiert. Am 18. März des Jahres 2008 hat das Bundesfamili- enministerium einen Forschungsauftrag ausgeschrieben, dessen Ziel es ist, existierende Altersgrenzen zu recher- chieren und zu überprüfen. Die FDP begrüßt dies außer- ordentlich, wenn wir uns auch eine wesentlich frühere Befassung mit der Thematik gewünscht hätten. Das zu erstellende Gutachten zum Thema „Alters- grenzen und gesellschaftliche Teilhabe“ wurde mittler- weile in Auftrag gegeben. Dieses Gutachten soll eine Bestandsaufnahme der in der Bundesrepublik Deutsch- land bestehenden Altersgrenzen enthalten, die ein Aus- schlusskriterium für gesellschaftlich relevante Tätigkei- ten älterer Menschen darstellen könnten. Dabei sollen nicht nur gesetzliche bzw. rechtlich festgelegte Alters- grenzen erfasst werden, sondern auch untergesetzliche „weiche“ Altersgrenzen, die geeignet sind, älteren Men- schen die Teilhabe an der Gesellschaft, auch im Hinblick auf freiwilliges und bürgerliches Engagement in der Zivilgesellschaft, zu verwehren. Das Gutachten soll eruieren, in welchen Bereichen derartige Altersgrenzen bestehen, die dahinterstehenden Gründe und Motive be- schreiben und die für die Bewertung ihrer Sinnhaftigkeit und fortbestehenden Notwendigkeit erforderlichen Grundlagen liefern. In diese Bewertung sollen Aspekte der demografischen Entwicklung und des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes einfließen. Beispielhaft kann auf folgende Altersgrenzen hinge- wiesen werden: Höchstaltersgrenzen als Zugangsvoraus- setzungen zum Beruf, zum Beispiel im öffentlichen Dienst; Beendigung der kassenärztlichen Zulassung mit Vollendung des 68. Lebensjahres – § 95 Abs. 7 SGB V –; Schöffen sollen noch nicht das 70. Lebensjahr vollendet haben – § 33 GVG –; eine erstmalige Bestellung zum Notar ist nach Vollendung des 60. Lebensjahres nicht mehr möglich – § 6 Abs. 1 BnotO –; Banken binden die Ver- gabe von Darlehen, Vereine die Übernahme von Ehren- ämtern häufig an eine Höchstaltersgrenze. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 179. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. September 2008 19215 (A) (C) (B) (D) Auf der Grundlage der Ergebnisse dieses Gutachtens soll und wird zu entscheiden sein, ob und, wenn ja, wel- che Maßnahmen zur Veränderung oder Beseitigung be- stehender Altersgrenzen zu ergreifen sind. Ich möchte hier ausdrücklich betonen, dass wir das Grundanliegen des vorliegenden Antrages der Fraktion der Grünen für sehr unterstützenswert halten. Gleichzei- tig ist aber festzustellen, dass der Hauptpunkt ihres An- trages, nämlich der erste Punkt Ihres Forderungskatalo- ges, „sämtliche Gesetze und sonstige Vorschriften des Bundes dahingehend zu überprüfen, ob diskriminierende Altersgrenzen bestehen und diese ggf. zu ändern bzw. Änderungsentwürfe vorzulegen“ von der Bundesregie- rung zumindest angegangen wurde, und – so viel Ehr- lichkeit muss sein – bereits vor der Einbringung Ihres Antrages in den Deutschen Bundestag am 18. Juni 2008. Meine Fraktion hofft sehr, dass die politische Diskus- sion über die Altersgrenzen nun endlich aufgenommen wird und die dringend notwendigen Veränderungen auch vollzogen werden. Dies ist ein wichtiger Schritt, damit der Gedanke von wachsender Eigenverantwortung und Engagements im Alter keine bloße politische Rhetorik bleibt. Elke Reinke (DIE LINKE): Die große Bedeutung des bürgerschaftlichen Engagements wird überall in höchs- ten Tönen angepriesen. Diese große Bedeutung ist auch unbestritten, aber manchmal fehlt dabei schon der Blick fürs Wesentliche: Am vergangenen Freitag wurde die „Woche des bürgerschaftlichen Engagements“ feierlich eröffnet. Doch dort schien Selbstbeweihräucherung wichtiger zu sein als die jungen Menschen mit ihren tol- len Projekten selbst. Von Regierungsseite werden außerdem viele Pro- gramme zur Stärkung ehrenamtlichen Engagements auf- gelegt. Dabei geraten zunehmend auch die Seniorinnen und Senioren in den Blickpunkt. Als Beispiel sei nur die Initiative „Alter schafft Neues“ des Familienministe- riums genannt. Wie in dem Antrag der Grünen zu Recht steht, dehnt sich die Phase des aktiven Alters zunehmend aus. Über eine immer größer werdende Zahl von Jahren bleibt eine selbstständige, eigenverantwortliche Lebensführung mög- lich. Die Fraktion Die Linke möchte die Diskussion um ein positives Altersbild vorantreiben, das die Fähigkeiten der Seniorinnen und Senioren betont. Gleichzeitig dür- fen aber diejenigen, die auf Unterstützung angewiesen sind, nicht ausgegrenzt werden. Eine vorausschauende, moderne Seniorenpolitik muss sich eines vor Augen halten: Die Gruppe der Seniorin- nen und Senioren ist ebenso verschiedenartig wie die an- derer Altersphasen. Und Seniorenpolitik ist eine Quer- schnittsaufgabe, die sehr viele Politikbereiche berührt. Die Linke orientiert sich dabei an einem Leitmotiv: Ältere Menschen sind in allen sie betreffenden Lebens- bereichen als Expertinnen und Experten in eigener Sache einzubeziehen. Wir unterstützen grundsätzlich das Anliegen, bürger- schaftliches Engagement für ältere Menschen – aber eben nicht nur für diese! – attraktiver zu machen und be- stehende Diskriminierungen abzubauen. Wir brauchen deshalb dringend eine verbesserte An- erkennungskultur, regelmäßige Berichterstattung in den Medien, konsequenten Versicherungsschutz, kostenlose Qualifikations- und Fortbildungskurse und auch eine bessere finanzielle Anerkennung bzw. Aufwandsent- schädigung. Viele zivilgesellschaftliche Organisationen wie auch Die Linke fordern einen Ausbau der Infrastruk- tur, das heißt einen Ausbau der Unterstützung von Verei- nen, Verbänden, Organisationen. Sorgen bereitet mir hingegen die momentane Ent- wicklung, dass Unterstützung und Förderung in man- chen Bereichen abgebaut werden, weil erstens angeblich die Gefahr einer Dauerförderung bestehe, zweitens die haushaltspolitische Handlungsfähigkeit eingeschränkt und drittens zivilgesellschaftliche Akteure an ihrer eige- nen Selbstständigkeit gehindert würden. Als Beispiel sei nur daran erinnert, dass die Förde- rung der NAKOS (Nationale Kontakt- und Informations- stelle zur Anregung und Unterstützung von Selbsthilfe- gruppen) durch das Familienministerium zum Ende des Jahres eingestellt wird. Die NAKOS ist eine sehr effek- tiv arbeitende, hoch anerkannte zentrale Aufklärungs-, Service- und Netzwerkeinrichtung im Bereich der Selbsthilfe. Hier wird ganz klar am falschen Ende ge- spart! Dem Antrag der Grünen hinsichtlich diskriminieren- der Altersgrenzen im Ehrenamt können wir zustimmen. Allerdings ist der Forderungsteil doch sehr allgemein ge- halten. Es wäre schön gewesen, wenn Sie aus ihrem reichhaltigen Erfahrungsschatz doch noch ein paar mehr Beispiele für diskriminierende Altersgrenzen aufgezeigt hätten. Die einzige einigermaßen konkrete Forderung im Grünen-Antrag betrifft die Aufhebung der oberen Al- tersgrenzen für Schöffinnen und Schöffen. Diesem An- liegen können wir zustimmen, weil es hier genügt, auf den gesundheitlichen Zustand und nicht auf ein mögli- ches Höchstalter abzustellen. Ich habe mal wegen weiterer Beispiele bei der Anti- diskriminierungsstelle nachgefragt: Dort wurden bislang zwei Fälle von diskriminierenden Altersgrenzen im Be- reich des bürgerschaftlichen Engagements gemeldet: Ein Fall betraf die schon erwähnte Altersgrenze für Schöf- finnen und Schöffen, der andere die oberste Altersgrenze für ehrenamtlich Tätige in einer freiwilligen Feuerwehr. Warum aber soll ein 54-Jähriger tätig werden dürfen und ein 56-Jähriger nicht? Ist das nachvollziehbar und ge- recht? Ich möchte die Betroffenen ermutigen, Diskrimi- nierungen zu melden oder anderweitig auf ihre Problem- lage aufmerksam zu machen! Ehrenämter eröffnen nach wie vor viele Kontaktmög- lichkeiten, um die Teilhabe älterer Menschen an der Ge- sellschaft zu sichern. Doch ich halte es für falsch, nur das Engagementpotenzial ausschöpfen zu wollen. 19216 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 179. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. September 2008 (A) (C) (B) (D) Die Linke kritisiert grundsätzlich: Gestiegene Selbst- ständigkeit und eine längere Aktivitätsphase der älteren Menschen gehen nicht mit einer gestiegenen Selbstbe- stimmung und Mitwirkung einher. Die Linke fordert daher für ältere Menschen mehr Mitwirkungsrechte und mehr Selbstbestimmung – nicht nur im Engagementbe- reich! In der Politik sind Seniorinnen und Senioren deutlich stärker einzubeziehen. Ein Mitspracherecht in Gemein- deratssitzungen und Arbeitskreisen der Kommunen muss selbstverständlich werden. Mehr politische Weiter- bildungsangebote sind mit Unterstützung von Bund und Ländern anzubieten. Die Linke tritt dafür ein, gesetzliche Voraussetzungen zu schaffen, um auf allen parlamentarischen Ebenen, vor allem in den Kommunen, selbst gewählte Seniorenver- tretungen bilden zu können. Diesen ist Rede-, Anhö- rungs- und Antragsrecht zu gewähren. Eine Beteiligung älterer Menschen kann auch verstärkt werden durch re- gelmäßig tagende Altenparlamente. Auf Bundes- und Landesebene fordern wir Seniorenmitwirkungsgesetze. Schauen Sie sich als Ausgangspunkt doch beispielsweise das seit 2006 bestehende Berliner Seniorenmitwirkungs- gesetz an. Die Bereitschaft der Seniorinnen und Senioren zu freiwilliger Tätigkeit darf jedoch nicht dazu missbraucht werden, reguläre Arbeitsplätze zu ersetzen und Lücken zu schließen, die durch eine unzureichende öffentliche Daseinsvorsorge entstehen. Mit Schrecken ist festzustel- len, dass Seniorinnen und Senioren immer häufiger in der Kinderbetreuung oder Pflege eingesetzt werden, während qualifizierte Vollzeitstellen abgebaut werden. Altersdiskriminierung, wie sie etwa in der Finanzwirt- schaft zum Beispiel bei der Kreditvergabe betrieben wird, ist ebenfalls strikt zu bekämpfen. Seniorinnen und Senioren werden häufig einerseits als potenzielle Pflege- oder Fürsorgefälle gesehen, die nur satt, sauber, trocken zu sein haben. Im Hinblick auf ihre Verwertbarkeit werden sie andererseits oft nur als Konsumenten, wie in der Initiative „Wirtschaftsfaktor Alter“ vom BMFSFJ, oder zum Teil als billige Arbeits- kräfte, wie in den „Generationsübergreifenden Freiwilli- gendiensten“, gesehen, die es auszuschöpfen gilt. Aber mehr Mitwirkungsrechte will die Bundesregie- rung unseren Seniorinnen und Senioren nicht geben! Ge- rade im politischen Bereich könnten wir gleichfalls von ihrer großen Lebenserfahrung profitieren. Die Linke ver- schließt sich nicht vor Altersweisheit! Genauso ignorieren CDU/CSU und SPD das Problem Altersarmut. Nein! Sie ignorieren nicht nur, sie treiben Altersarmut voran! Wie sonst ist die Rente ab 67 oder die niedrige Grundsicherung im Alter zu verstehen? Sie malen das Schreckgespenst „demografischer Wandel“ an die Wand, zerschlagen damit eine solidarische Renten- versicherung und treiben die Menschen in die private Vorsorge. Sie verriestern und verrüruppen die Men- schen! Es muss meiner Meinung nach darum gehen, die Le- bensqualität zu erhöhen sowie soziale und finanzielle Sicherheit zu gewährleisten. Ältere Menschen sind Bür- gerinnen und Bürger mit einem Anspruch auf selbstbe- stimmtes Leben bei gleichzeitigen Mitgestaltungsmög- lichkeiten. Der Missbrauch des Altersbegriffes, des bürgerschaft- lichen Engagements und auch des Demografiebegriffs führt zu mehr Sozialabbau, Privatisierung sozialer Risi- ken und Entsolidarisierung. Sozialabbau, unter welchem Deckmantel auch immer, ist mit der Linken aber nicht zu machen! Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Lassen sie mich ein paar Zahlen an den Anfang meiner Rede stellen: Schon heute leben über 20 Millionen Men- schen im Alter von über 60 Jahren in diesem Land. Rund 80 Prozent der über 70-Jährigen leben weitgehend selbstständig. Die verbesserte Gesundheitsversorgung und die gestiegene Lebenserwartung ermöglichen für immer mehr Menschen für einen immer längeren Zeit- raum ein selbstständiges Leben. Und ein Blick in die Zukunft zeigt, dass dieser Trend sich verstärkt fortsetzen wird: Bereits in 25 Jahren wird der Anteil der Menschen, die das 65. Lebensjahr über- schritten haben, auf über 30 Prozent steigen. Die Le- benserwartung wird für Frauen dann voraussichtlich rund 87 Jahre betragen und für Männer 81 Jahre. Danach beträgt die Altersphase nach der gängigen Einteilung Ausbildung – Erwerbsarbeit – Alter ein Drittel der ge- samten Lebenszeit. Doch trotz dieser beeindruckenden Veränderungen rückt die Zeit nach der beruflichen Phase bisher kaum in das Blickfeld der politischen Aufmerksamkeit. Dabei drängt die Zeit. Denn die Auswirkungen des demografi- schen Wandels sind bereits da. In der Bevölkerungspyra- mide finden enorme Verschiebungen statt. Und lassen sie es mich ganz deutlich sagen: Wir haben einen enor- men Nachholbedarf, dem oberen Drittel dieser Pyramide – den Älteren – Chancen der aktiven gesellschaftlichen Teilhabe einzuräumen. Wer weiterhin an Altersgrenzen im bürgerschaftli- chen Engagement festhält, übersieht die Signale, die diese aussenden. Altern im 21. Jahrhundert ist vielfältig. Es gibt keine magische Altersschwelle, die wir alle ge- meinsam irgendwann überschreiten. Denn altern ist nicht nur vielfältig, sondern auch individuell. Nicht jeder ist noch fit im Alter – aber immer mehr sind es. Und es zeugt von einer ungeheuren Ignoranz, wenn die Bundesregierung, auf den Altersgrenzen für das Schöffenamt beharrt. Die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Kolleginnen und Kollegen der FDP-Fraktion zeigt es schwarz auf weiß: Die Bun- desregierung traut dieses Schöffenamt den älteren Bür- gerinnen und Bürgern ganz einfach nicht zu. Ich frage mich, ob die Bundeskanzlerin bereits an Senator McCain einen Brief verschickt hat, in dem sie ähnliche Bedenken äußert. Denn bei aller Hochachtung für die vielen akti- ven Schöffinnen und Schöffen sind die Anstrengungen, die ein mögliches Präsidentenamt in den USA mit sich bringen werden, wohl höher einzuschätzen. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 179. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. September 2008 19217 (A) (C) (B) (D) Die Bereitschaft Älterer sich bürgerschaftlich zu enga- gieren, müssen wir stützen, nicht unterbinden. Wir müs- sen positive Signale setzen, dass Engagement gewünscht, Einmischen und Teilhabe Älterer an der Gesellschaft ge- fördert wird. Es liegt an uns, an einem neuen Bild des Al- ters mitzuzeichnen. Deshalb fordere ich sie auf, einen Entwurf des § 33 Gerichtsverfassungsgesetz vorzulegen, in dem die bestehende obere Altersgrenze für Schöffin- nen und Schöffen aufgehoben wird. Den vielen formellen und informellen Altersgrenzen, denen ältere Menschen im Bereich des bürgerschaftlichen Engagements begeg- nen, will ich entgegentreten. Dafür müssen wir sämtliche Gesetze und Vorschriften des Bundes daraufhin überprü- fen, ob diskriminierende Altersgrenzen bestehen und ge- gebenenfalls Änderungen vornehmen. Denn ohne selber im Farbtopf zu rühren, wird es näm- lich schwer werden, Altersbildern einen neuen Anstrich zu geben. Anlage 13 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Dritten Geset- zes zur Änderung des Energieeinsparungsgeset- zes (Tagesordnungspunkt 19) Volkmar Uwe Vogel (CDU/CSU): Spätestens seit dem Gipfel des Europäischen Rates im März 2007 sind die klimapolitischen Ziele bis 2020 politisch definiert. Wir müssen aus ökologischer Verantwortung heraus Treibhausgas-Emissionen um 20 Prozent reduzieren, deshalb besonders die Energieeffizienz um 20 Prozent steigern und den Anteil erneuerbarer Energien auf 20 Prozent anheben. Daher ist es nur folgerichtig, dass das besondere Au- genmerk auf den Gebäudebereich gerichtet wird. Wir in- vestieren hier immerhin 40 Prozent unseres gesamten Energieverbrauchs. 30 Prozent Energieeinsparung im Gebäudebereich helfen da enorm. Trotzdem darf auch hier die ökonomische Verantwortung, besonders für die Hausbesitzer mit geringem Einkommen, nicht auf der Strecke bleiben. Die Klimaschutz-Ziele müssen erreicht werden – das steht außer Frage –, aber mit möglichst geringem finan- ziellen Aufwand für Staat und Bürger. Mit der heutigen ersten Lesung zum dritten Gesetz zur Änderung des Energieeinspargesetzes betreten wir kein Neuland Wir sind vielmehr hier, um funktionie- rende gesetzliche Elemente, die zur Verwirklichung der ökologischen Verantwortung für unsere Heimat erdacht wurden, auszubauen, anzupassen und auf den neuesten Stand zu bringen. Wir müssen es auch überarbeiten, da nur so die ent- scheidenden und schon diskutierten Veränderungen in der nachgeordneten Heizkosten- und besonders der Energieeinsparverordnung in Kraft treten können. Was soll geändert werden? Und warum? Erstens. Die Anforderungen an die Wärmedämmung und die Außenteile von Gebäuden werden um 30 Pro- zent erhöht. Effizientere Wärmenutzung erspart uns Energiegewinnung, egal ob konventionell oder durch er- neuerbare Energien. Zweitens. Durch eine stufenweise und wirtschaftlich vertretbare Außerbetriebnahme von Nachtstromspei- cher-Heizungen, die älter als 30 Jahre sind und in größe- ren Gebäuden eingesetzt werden, wird diese ineffektive Heizmethode bald der Vergangenheit angehören. Drittens. Ermittlung des energetischen Zustands, die Kontrolle der Anforderungen und die Umsetzung muss mit geringem bürokratischen und finanziellen Aufwand erfolgen. Synergien sind zu nutzen. Zertifizierte Unter- nehmen können das effektiv umsetzen. Der Schornstein- feger kann das auch in Verbindung mit seinen bestehen- den Aufgaben umsetzen. Als Baupolitiker kann ich Ihnen versichern: Dies sind überaus effektive Maßnahmen, unabhängig davon, ob Sie diese nun aus ökologischer, ökonomischer oder bü- rokratischer Sicht betrachten wollen. Bei der Erreichung der Klimaschutz-Ziele ist das richtige Zusammenspiel der einzelnen Elemente, zum Beispiel das des Energieeinspargesetzes, mit der EnEV und der HeizkV, des EEG und des EEWärmeG, kurz ge- sagt das Integrierte Energie- und Klimaprogramm von entscheidender Bedeutung! Alles hängt mit allem zu- sammen. Der Leitsatz wird umgesetzt: Nutze Energie sparsam, dämme unnötige Energieverluste ein, und für den Rest bediene dich, wenn möglich, erneuerbarer Energien. Ich kann Ihnen versichern, wir sind auf dem richtigen Weg, weil so Energie eingespart wird und weil Effi- zienzgewinn und der Einsatz erneuerbarer Energien technologieoffen sind. Das fordert und fördert die Krea- tivität und den Erfindungsreichtum des heimischen Bau- gewerbes in allen Bereichen. Es ist auch deshalb der richtige Weg, weil dem einzel- nen Bauherrn Wahlmöglichkeiten offengehalten werden. Die Verpflichtung zur Energieeffizienzsteigerung am Bau soll die einzige Vorgabe sein. Zur Umsetzung muss der Bauherr vielfältige Mög- lichkeiten haben, und die müssen für ihn wirtschaftlich vertretbar bleiben. Darauf legt die Union besonderen Wert. Daher darf das Wirtschaftlichkeitsgebot an keiner Stelle außer Acht gelassen werden. Aber diese Sorge be- steht, Gott sei Dank, in diesem Bereich nicht. Denn im Zusammenspiel zwischen Vorgaben und den flankieren- den Programmen können Differenzen zwischen Ökolo- gie und Ökonomie abgemildert werden. Dank des CO2-Gebäudesanierungprogramms konnten von 2005 bis 2007 bereits 650 000 Wohneinheiten sa- niert werden. Dies sparte bislang jährlich zwei Millionen Tonnen CO2 und 500 Millionen Euro Energiekosten ein. Das CO2-Gebäudesanierungsprogramm ist auch aktuell so erfolgreich und gefragt, dass in diesem Jahr zusätzli- che 500 Millionen Euro bereitgestellt wurden, um allen Anträgen gerecht zu werden.Gleichzeitig ist es auch ein 19218 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 179. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. September 2008 (A) (C) (B) (D) Konjunkturprogramm, denn es sorgt für einen Schub in der Bauindustrie, im Mittelstand, beim Handwerk und den Baustoffherstellern. Bitte lassen Sie nicht außer Acht, dass 1 Milliarde Euro an Investitionen 25 000 Arbeitsplätze sichert oder schafft. Anreize schaffen statt Befehle erteilen, finan- zielle Unterstützungen anstatt reiner gesetzlicher Vorga- ben, fördern die Akzeptanz bei allen Akteuren. Für die Union steht fest – die bisherigen Ergebnisse geben uns Recht –: Das ist der richtige Weg! Lassen Sie uns so weitermachen und hier vielleicht noch ein wenig mehr das Potenzial nutzen, beispiels- weise durch verbesserte Steuerabschreibungen für Inves- titionen in Energieeffizienz und erneuerbare Energien. Dabei ist es nicht entscheidend, welche steuerlichen Maßnahmen ins Auge gefasst werden. Wichtig ist nur, dass beispielsweise eine befristete Verdoppelung des Abschreibungssatzes, höhere Abschreibungssätze oder eine sofortige Absetzbarkeit von Aufwendungen den Bürger spürbar entlasten. Aber auch bei der Aufstockung von einmaligen Zu- schüssen, im CO2-Gebäudesanierungsprogramm für die- jenigen Hausbesitzer, die zwar sanieren wollen, es je- doch schwer haben, noch einen weiteren Kredit von der Bank zu bekommen, ist im Sinne der Politik der Union. Es muss auch dem finanziell schwachen Hausbesitzer möglich werden, sein Gebäude klimaverantwortlich um- zubauen und in den Genuss von dauerhaft niedrigeren Energiekosten zu kommen. Außerdem wäre mit diesen zusätzlichen Instrumenten sichergestellt, dass mehr Bestandsgebäude in Deutsch- land vom Klimaschutz erreicht werden. Deswegen bitte ich Sie um Ihre Unterstützung im Allgemeinen zu dem Komplex des Integrierten Klima- und Energiepro- gramms der Bundesregierung und im Speziellen zu dem vorliegenden dritten Gesetz zur Änderung des Energie- einspargesetzes. Rainer Fornahl (SPD): Wer A sagt, der sollte auch B sagen. Das machen wir heute mit der Einbringung des Gesetzentwurfs zur Änderung des Energieeinsparungs- gesetzes. Am 6. Juni 2008 haben wir im Deutschen Bundestag ein Paket von Gesetzen zum Klimaschutz und zur Erhö- hung der Energieeffizienz in Gebäuden verabschiedet (IKEP-I-Umsetzung). Am 18. Juni 2008 hat die Bundes- regierung einen weiteren Teil ihres Klimaschutzpro- gramms verabschiedet (IKEP-II-Umsetzung), darunter die Änderung des Energieeinsparungsgesetzes (EnEG) und damit den Auftrag zur Novellierung der Energieein- sparverordnung (EnEV). Das Änderungsgesetz beraten wir heute in der ersten Lesung und überweisen es an die Ausschüsse, in dringender Erwartung zügiger Verab- schiedung im Hohen Hause. Damit schaffen wir erst die erforderlichen Ermächtigungen zur Änderung der EnEV, in der Einzelheiten im Vollzug des Energieeinsparungs- rechts für Gebäude geregelt sind. Inhaltlich ist die Ände- rung der EnEV also in mehreren Punkten von den Geset- zesänderungen abhängig, wie zum Beispiel für die Außerbetriebnahme von Nachtstromspeicherheizungen oder für Maßnahmen zur Stärkung des Vollzugs der Ener- gieeinsparverordnung. Es geht um einen am Stand der Technik und der Wirtschaftlichkeit orientierten zuverläs- sigen rechtlichen Rahmen für die zahlreichen im Gebäu- debereich beteiligten Branchen und Energieverbraucher. Die Änderung des Energieeinsparungsgesetzes und auf dessen Grundlage der Energieeinsparverordnung sind zentrale Elemente der Energiespar- und Klimapoli- tik der Großen Koalition. Danach werden ab 2009 die Mindestanforderungen an die energetische Qualität von Neubauten und sanierten Altbauten durch eine Überar- beitung der Energieeinsparverordnung (EnEV) ver- schärft. Es geht um die die Anhebung der energetischen Anforderungen an Neubauten um durchschnittlich 30 Prozent; die Anhebung der energetischen Anforde- rungen an wesentliche Änderungen im Gebäudebestand um durchschnittlich 30 Prozent; die Ausweitung einzel- ner Nachrüstpflichten bei Anlagen und Gebäuden, die die Verpflichteten unabhängig von geplanten eigenen Maßnahmen oder Vorhaben erfüllen müssen. Dies ist gut und richtig so, denn dem Gebäudesektor kommt bei dem Bestreben, Energie einzusparen, eine ganz erhebliche Bedeutung zu. Gebäude haben mit mehr als 40 Prozent einen erheblichen Anteil am gesamten Energieverbrauch. Davon entfallen 75 Prozent auf das Heizen, 10 Prozent für Warmwasser und 15 Prozent für mechanische Energie und Strom. Der Anteil des Gebäu- debereichs an CO2-Emissionen beträgt 20 Prozent. Ziel muss es daher sein, bei der Neuerrichtung von Gebäuden mit möglichst sparsamer Energiebilanz zu erstellen und im Gebäudebestand die Möglichkeiten zur Energieein- sparung zu mobilisieren. Gerade im Gebäudebestand liegt die größte Energiesparreserve. Dieser umfasst knapp 19 Millionen Gebäude, davon 17,3 Millionen Wohnge- bäude und 1,5 Millionen Nichtwohngebäude. 75 Prozent des Gebäudebestandes wurden vor 1979 mit zum Teil schlechter energetischer Qualität erreichtet. Ab 1979 stellte die 1. Wärmeschutzverordnung Mindestanforde- rungen an die energetische Qualität der Gebäude. Ziel ist es, dass jährlich 3 Prozent des vor 1979 errichteten Alt- baubestandes grundlegend saniert werden. Derzeit sind es 2,2 Prozent. Das sind jährlich 420 000 Gebäude oder bis 2020 ein Drittel des Altbaubestandes. Es gilt die enormen Einsparpotenziale zu erschließen. Dazu bedarf es auch einer offenen und ehrlichen Dis- kussion über die Verteilung der Kostenbelastungen. Es darf nicht verschwiegen werden, dass es den Einzelnen etwas kosten wird – für Gebäudesanierung, Austausch alter Heizkessel und Fenster, Dämmung von Decken und Wänden. Es muss klar sein, dass es nicht ausreicht, da- rauf zu hoffen, dass die Politik mit Gesetzen und Koh- lendioxid-Zielen es schon richtet, ohne dass der Einzelne in den eigenen vier Wänden selber Hand anlegt. Auf der anderen Seite müssen wir bei den energie- und klima- politischen Zielsetzungen stets im Auge behalten, was den Bürgerinnen und Bürgern abverlangt werden kann. Die Belastungen des Einzelnen dürfen nicht durch neue Verpflichtungen überzogen werden. Nicht jede junge Fa- milie und nicht jedes Rentnerehepaar kann den finanziel- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 179. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. September 2008 19219 (A) (C) (B) (D) len Mehraufwand und die Vergrößerung der Baustelle im bewohnten Haus tragen. Nicht jeder Wohneigentümer verfügt über so viele Mittel, um mehr als beabsichtigt zu investieren. Auch wenn sich die Kosten bald rentieren, weil eben auch der Energieverbrauch massiv gesenkt werden kann. Ein weitreichender Modernisierungszwang könnte das Hemmen sinnvoller freiwilliger Investitionen erheblich verstärken. Hier greift die weitere Unterstützung der freiwilligen Entscheidung durch Förderung. CO2-Ge- bäudesanierungsprogramm, Investitionspaket zur ener- getischen Sanierung von Schulen, Kindergärten und sonstigen sozialen Infrastrukturen, Energieeinsparpro- gramm Bundesliegenschaften und Wohngeldnovelle ver- deutlichen diesen Teil der Strategie für mehr Energieeffi- zienz und Klimaschutz im Gebäudebereich. Auf der andere Seite stehen die ordnungsrechtlichen Maßnahmen, das Fordern. Energieausweise für Gebäude und das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz sind bereits verabschiedet. Die Novellierung von Heizkostenverord- nung und Energieeinsparverordnung werden folgen. Mit diesem ausbalancierten Mix aus Fördern und Fordern werden wir die Gesamtemissionen des Wohngebäudebe- standes von 120 Millionen Tonnen CO2 im Jahr 2005 um 20 Millionen Tonnen auf 100 Millionen Tonnen CO2 im Jahr 2020 senken. Dazu trägt auch bei, die Potenziale des Energie-Con- tractings in kluger Abwägung der Interessen von Mie- tern und Vermietern sinnvoll zu nutzen. Alle, die damit befasst sind, sind aufgefordert, zügig nach tragfähigen Lösungen zu suchen. Gerade im Verhältnis von Mieter und Vermieter im laufenden Mietverhältnis sind bei der energetischen Modernisierung noch einige Fragen offen. So sollte der Mieter ein Druckmittel haben, wenn der Vermieter notwendige Modernisierungsmaßnahmen nicht durchführt. Darüber wird noch zu sprechen sein. Ich komme zum Schluss noch zu einem Problem, welches alle Anstrengungen für Klimaschutz und Ener- gieeinsparung konterkariert. Dies betrifft die Qualität der energetischen Sanierung. Eine Untersuchung des Ver- bandes Privater Bauherren lässt auf bedenklich Weise aufhorchen. Hier werden erhebliche Mängel bei energie- sparenden Neubauten festgestellt. So sind in 59,3 Pro- zent aller Fälle die Berechnungen im Nachweis zur EnEV falsch, in 53,0 Prozent der Fälle wird der Bau ge- fördert, obwohl er nicht den Förderbedingungen ent- spricht, in 66 Prozent der Fälle werden falsche oder nicht mit dem Bauherrn abgestimmte Voraussetzungen im Nachweis zur EnEV angenommen, in 54,1 Prozent der Fälle werden die Berechnungen zur EnEV nicht korrekt umgesetzt und in 40,6 Prozent der Fälle entspricht das Haus überhaupt nicht den Anforderungen der EnEV. Deshalb ist ein Controlling-System von öffentlich-recht- lichen Institutionen und Privatwirtschaft unverzichtbar. Hier werden Milliarden Steuermittel ausgegeben – mit dem Ziel die CO2-Emissionen im Gebäudebereich signi- fikant zu reduzieren. Planer und Bauherrn, respektive Baufirmen, müssen konsequent die Vorgaben einhalten und dies verbindlich nachweisen. Schwarzen Schafen müssen wir hart auf die Finger klopfen – wegen des Klimas. Angesichts der weltweit steigenden Energienach- frage, der steigenden Energiepreise und der Herausfor- derungen des Klimawandels dürfen die Anstrengungen, Energie einzusparen, nicht nachlassen. Mit der Ände- rung des EnEG und der Novelle der EnEV treibt die Große Koalition dies ehrgeiziger als sonstwo weiter voran. Das ist auch für die internationale Klimapolitik ein wichtiges Signal. Joachim Günther (Plauen) (FDP): Heute befassen wir uns mit dem Entwurf der Bundesregierung eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Energieeinsparungs- gesetzes. Der Entwurf dient der Schaffung von Ermächtigungs- grundlagen für Änderungen in der Energieeinsparver- ordnung sowie im Schornsteinfegergesetz. Wesentliche Neuregelung in der Energieeinsparver- ordnung sind die Nachrüstungspflichten bei Anlagen und Gebäuden (§ 10 EnEV) sowie die Außerbetrieb- nahme von elektrischen Speichersystemen (§ 10 a EnEV) – dies soll durch § 4 Abs. 3 des oben genannten Entwurfes des EnEG ermöglicht werden. Die FDP steht auch für die Verbesserung der Energie- effizienz im Gebäudebereich und für die Senkung von CO2-Emissionen – sie hat deshalb auch der Einführung eines Energiegebäudeausweises zugestimmt. Die zunächst von der Bundesregierung angekündig- ten radikalen Betriebsverbote für Nachtspeicheröfen zeugten wieder einmal von blindem Aktionismus. Elek- trische Speicheröfen verbieten = Klimaschutz wesent- lich vorangetrieben: Die Formel funktioniert so leider nicht! Der Widerstand vor allem der FDP gegen dieses Vor- haben führte offenbar zu einem Nachdenken bei Schwarz-Rot. Jedenfalls gibt es nun doch sehr deutliche Veränderungen in der Energieeinsparverordnung gegen- über den ursprünglichen Überlegungen: Der Kreis der Betroffenen ist wesentlich kleiner geworden und die Übergangsfristen von 30 Jahren sind moderat. Auch die Härtefallregelung macht den Entwurf insgesamt etwas freundlicher. Auch die Bußgeldvorschriften sollen harmonisiert werden. Die Ankündigung der Bundesregierung vom letzten Jahr, Gebäudeeigentümern Geldbußen von bis zu 50 000 Euro aufzuerlegen, wenn sie nicht bereit sind, künftig erneuerbare Energien zum Heizen zu verwenden, ist mir noch gut in Erinnerung. Die Einsicht, dass „eine Bußgeldbewehrung bereits bei leichter Fahrlässigkeit unangemessen“ sei und dies nun in die Bußgeldvor- schriften so eingebracht wurde, möchte ich begrüßen. Politik mit der Brechstange kann auch eine Große Koalition nicht durchsetzen. Dennoch hält die FDP nichts von solchen Einzellö- sungen, weil diese nicht wirklich einen Sinn machen. Es wird im Laufe des parlamentarischen Verfahrens zu klä- 19220 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 179. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. September 2008 (A) (C) (B) (D) ren sein, wie der in Schwachlastzeiten erzeugte Strom künftig verwendet werden soll. Wie mir die Umweltpolitiker meiner Fraktion bestäti- gen, ist der ökologische Effekt des Verbots von Strom- heizungen unklar. Da beispielsweise für den Stromsektor der Emissionshandel mit einer festen Obergrenze der CO2-Emissionen gilt, bringt das Verbot von Stromhei- zungen keine CO2-Einsparung, dafür aber immense Kos- ten für eine neue Heizungsanlage, die jetzt teilweise mit Steuergeldern aufgefangen werden sollen. Und viele der betroffenen Hausbesitzer werden auf hohen Kosten sit- zen bleiben, obwohl sie über Jahre von der Politik in diese Technologie gelockt wurden. Übrigens ein kleiner Denkanstoß an die Atomstromgegner: Auch Atomstrom wäre CO2-frei. Jetzt wäre die Frage zu klären, in welchem Verhältnis Energieeffizienz und Belastung der Gebäudeeigentümer durch diese Änderungen zueinander stehen. Von der Be- antwortung dieser Frage wird es im Wesentlichen abhän- gen, wie sich die FDP zu diesem Entwurf positionieren wird. Hans-Kurt Hill (DIE LINKE): Wärmeschutz an Ge- bäuden und moderne Heiztechnik entlasten die Mieterin- nen und Mieter deutlich. So bremst wirksamer Klima- schutz die Teuerung der Energie. Denn durch kluge Maßnahmen können die Heizkosten halbiert werden. Die Bundesregierung folgt diesem Grundsatz leider nur halbherzig und lässt die Verbraucherinnen und Verbrau- cher auch weiterhin auf den hohen Heizkosten sitzen. Das Prinzip der Großen Koalition ist auch hier: Poli- tik ist der kleinste gemeinsame Nenner. Das Ergebnis ist nicht nur ein deutliches Verfehlen der Klimaschutzziele, die sich die Bundesregierung selbst gesetzt hat. Das Nichthandeln verschärft auch die soziale Schieflage im Land. Denn die rasant steigenden Energiepreise werden für private Haushalte zunehmend zu einer existenziellen Belastungsprobe. Der Begriff „Energie-Armut“ be- schreibt hier ein immer deutlicher hervortretendes Phä- nomen: Zunehmend können sich Menschen in Deutsch- land eine angemessene Nutzung von Energie nicht mehr leisten, während die Energiekonzerne Rekordprofite ein- streichen. Das ist nicht hinnehmbar. Eines muss gesagt sein: Die Bundesregierung ver- dient bei den gestiegenen Energiepreisen über die Mehr- wertsteuer ordentlich mit. Insgesamt hat Bundesfinanz- minister Steinbrück im letzten Jahr gegenüber 2004 mit der immer teureren Energie 5,3 Milliarden Euro zusätz- lich eingenommen. Die Linke fordert: Geben Sie das Geld an die gebeutelten Verbraucherinnen und Verbrau- cher zurück! Ein Wort auch zum Klimaschutz: Umweltminister Sigmar Gabriel behauptet ja immer gern, die Bundesre- gierung würde den CO2-Ausstoß mit ihren Maßnahmen um 36 Prozent senken. Dazu beruft er sich auf die „Me- seberger Beschlüsse“. Entscheidend ist aber nicht, was die Regierung irgendwann einmal beim Kaffeekränz- chen besprochen hat, sondern was in den Gesetzen steht, die am Ende dabei herauskommen. Und hier wirkt das Gemisch aus Christ- und Sozialdemokraten wie ein Weichspülgang. Das Ergebnis ist dann Klimaschutz light. Die Klimagassenkung wird deshalb nur 25 Prozent betragen. Und weniger Klimaschutz bedeutet eben auch weiter hohe Energiepreise. Sehen wir uns den vorliegenden Gesetzentwurf ge- nauer an: Mit dem geplanten Energieeinsparungsgesetz werden zwar die größten Energiefresser wie Nachtspei- cheröfen und alte Ölheizungen aus Altbauten verbannt, doch machbare Einsparpotenziale werden hier bei wei- tem nicht gehoben. Denn die anspruchsvollen Ziele, die für Neubauten vorgegeben werden, unterliegen beim Ge- bäudebestand weitgehend der Entscheidungsfreiheit der Vermieter – und die reichen die Energiekosten ohnehin an die Mieterinnen und Mieter durch. Das Interesse an einer energetischen Sanierung, die alle Einsparmöglich- keiten ausschöpft, ist deshalb oft gering. Nun ist es aber so, dass der überwiegende Teil der Menschen in älteren Gebäuden zur Miete wohnt. Und gerade da, wo das Einkommen knapp bemessen ist, sind Altbauten in schlechtem Zustand, haben hohe Heizkos- ten. Um auch Menschen mit kleinem Geldbeutel, die un- ter der Energieteuerung am meisten leiden, zu helfen, reichen die Vorschläge von CDU/CSU und SPD bei wei- tem nicht aus. Die Linke fordert deshalb klare Vorgaben und ein- klagbare Rechte für die Mieterinnen und Mieter. Erstens: Ein Energiepass muss aufzeigen, welche Maßnahmen bei einer Energiesanierung machbar sind, und nicht bloß den bisherigen Verbrauch anzeigen. Zweitens: Mieterinnen und Mieter müssen das Recht haben, die Miete zu kürzen, wenn Gebäudeeigentümer machbare Maßnahmen zum Energiesparen nicht umset- zen. Drittens: Die Nutzung erneuerbarer Energien wie So- larkollektoren und Erdwärme muss zur Pflicht werden, um teures Öl und Gas zu ersetzen. Nur so gelingt es, bezahlbare Energie und Klima- schutz unter einen Hut zu bekommen und die Energie- versorgung nachhaltig zu gestalten. Peter Hettlich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Änderung des Energieeinsparungs-Gesetzes (EnEG) ist die Grundlage dafür, die groß angekündigte Energieein- sparungs-Verordnung (EnEV) überhaupt novellieren zu können. Neben sinnvollen Ansätzen – so sollen Nacht- stromspeicherheizungen außer Betrieb genommen wer- den – gibt es im Gesetz seltsam verschwiemelte Ansätze, die weit hinter den Notwendigkeiten zurückbleiben. Dazu gehören zum Beispiel die Einführung der privaten Nachweispflicht oder die künftige Selbstausstellung von Fachunternehmer- und Eigentümererklärungen. Zugegeben, im Falle der energetischen Gebäudesa- nierung steckt nicht nur die Bundesregierung in dem Di- lemma, dass sinnvoller Ressourcen- und Klimaschutz oft mit privatwirtschaftlichen Erwägungen kollidiert. Dieses Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 179. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. September 2008 19221 (A) (C) (B) (D) klassische Marktversagen nur ordnungsrechtlich zu kor- rigieren, birgt aber Risiken – Risiken, die uns auf Schritt und Tritt im Entwurf des EnEG, aber auch der EnEV be- gegnen. Dazu zwei eklatante Beispiele: Da wird in § 7 a zwar eine Bestätigungspflicht der durchführenden Fach- betriebe festgelegt, aber von einer Kontrolle oder einer Sanktionsmöglichkeit bei Nichteinhaltung der Sanie- rungsziele ist keine Rede. Im Gegenteil, den ausführen- den Firmen wird die Möglichkeit gegeben, die Qualität ihrer Arbeit selbst zu bestätigen. Hier wäscht nicht eine Hand die andere, hier wäscht sich eine Hand selber. Wie dürfte die Praxis aussehen? Nach zwei, drei kälteren Wintern stellt der Auftraggeber fest, dass die Sanie- rungsmaßnahme offensichtlich ihr Ziel verfehlt hat. Falls er sich dann nicht auf Nachbesserungen mit der Baufirma einigen kann, bleibt ihm nur der kostenträch- tige und langwierige Klageweg. Im Neubaubereich sind Versäumnisse besonders gravierend, da die Nutzungs- dauer bis zur nächsten Renovierung – Grundinstandset- zung – besonders lang ist. Analysen des Verbandes Pri- vater Bauherren e. V. – VPB – haben ergeben, dass in mehr als 50 Prozent der untersuchten Fälle Materialien, die auf der Rechnung standen, auf der Baustelle gar nicht verwendet wurden. So wurde oftmals die vorgese- hene Dämmung durch dünnere oder andere Materialien ersetzt. Der Auftraggeber zahlt hier doppelt: für die schlecht ausgeführte Sanierung und die weiterhin hohen Energiekosten. Das gilt auch – und dies ist für uns be- sonders schmerzlich – für Bauten, die mit öffentlichen Mitteln gefördert werden, Stichwort: KfW 60/KfW 40. Wenn hier laut VPB mehr als 50 Prozent der Bauten die Förderbedingungen der KfW nicht erfüllen, ist etwas grundsätzlich faul im System. Da hilft uns auch eine Verschärfung der Randbedin- gungen um 30 Prozent wie jetzt bei der EnEV 2009 nicht weiter. Symbolpolitik nutzt weder dem Klima- und Res- sourcenschutz noch den Mietern und Bewohnern kleiner Häuser. Wir brauchen eine Verstetigung und Verlässlich- keit bei den Rahmenbedingungen, eine funktionierende Qualitätskontrolle und Rechtssicherheit; denn Bauen ist so risikoträchtig, dass Rechtsschutzversicherungen das Baurisiko generell ausschließen. Wenn wir so weitermachen, dann wird es 150 Jahre dauern, bis der Gebäudebestand auf einen vernünftigen energetischen Standard gebracht ist. Das ist unverant- wortlich gegenüber unseren nachfolgenden Generatio- nen. Wir fordern, der Aufklärung und der qualifizierten Beratung der Gebäudenutzer eine stärkere Aufmerksam- keit zu schenken. 20 bis 30 Prozent der Einsparungen lassen sich alleine durch ein verändertes Heizverhalten und mit einem vergleichsweise geringen Mitteleinsatz durch Beratung erreichen. Wir fordern endlich verbindli- che und realistische Gebäude-Effizienzstandards für Be- stands- und Neubauten, deren Wirkungen auf die kurz- fristigen – bis 2020 – und langfristigen – bis 2050 – Klimaschutzziele ausgerichtet sind. Wir fordern ein Recht der Mieter bzw. Nutzer auf Einhaltung dieser Effi- zienzstandards. Dann machen Kürzungsrechte bei den Betriebskosten auch Sinn, wie sie noch im ersten Ent- wurf des EnEG zu finden waren und die auf Betreiben des Bundeswirtschaftsministers offensichtlich herausge- strichen wurden. Wir fordern die stärkere Berücksichti- gung von Lösungsansätzen in der Förderpolitik, mit de- nen die größten Klimaschutz- und Einsparpotenziale bei geringstem Mitteleinsatz gehoben werden können. Wir fordern bauliche und modulare Lösungen in der energe- tischen Gebäudesanierung für heute, die uns bei der Er- reichung der langfristigen Ziele morgen nicht im Wege stehen. Wir fordern zusätzliche Sanierungshilfen und Lösungen für ökonomisch schwache Vermieter oder Hauseigentümer, gerade in den peripheren Regionen Deutschlands. Wir fordern einen Energieausweis, der die energetische Qualität eines Gebäudes tatsächlich abbil- det und nicht als unseriöse Lachnummer im Internet für Dumpingpreise von 1,99 Euro ersteigert werden kann. Und wir fordern einen Energieausweis, der allen Mietern – Bestands- und Neumietern – in schriftlicher Form ohne gesonderte Aufforderung zugänglich gemacht wird. Gut gemeint ist nicht gut gemacht. Das neue EnEG wird in Verbindung mit der EnEV 2009 leider dazu füh- ren, dass die Bundesregierung ihr selbst gestecktes Kli- maziel 2020 auch im Baubereich grandios verfehlen wird. Den Schaden haben nicht nur die kommenden Gene- rationen, den Schaden haben schon die heutigen Bauher- ren, die in gutem Glauben und mit ehrbaren Absichten für untaugliche Vorgaben aus dem EnEG und der EnEV die Zeche zahlen. Denn das, was sie erhalten, ist häufig eine Mogelpackung. Hier wäre die Bundesregierung gefragt gewesen, aber da versagt sie auch mit diesem Gesetzentwurf. Karin Roth Parl. Staatssekretärin beim Bundes- minister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Der Klimawandel, die weltweit steigende Nachfrage nach Energie und die steigenden Energiepreise sind Heraus- forderungen, denen wir uns stellen müssen. Hier müssen wir Lösungen finden. Im Gebäudebereich bedeutet dies vor allem, dass Energie so effizient wie möglich genutzt werden muss. Geschieht dies nicht, lässt sich eine be- zahlbare Energieversorgung auf lange Sicht nicht si- chern. Wir wollen bei der Neuerrichtung Gebäude mit möglichst sparsamer Energiebilanz erstellen und im Ge- bäudebestand vorhandene Einsparpotenziale mobilisie- ren. Um dies zu erreichen, setzt die Bundesregierung die Akzente sowohl beim Fördern als auch beim Fordern. Heute geht es um die Novellierung des Energieeinspar- rechts des Bundes. Dies müssen wir in zwei Schritten tun, zum einen, durch die Änderung des Energieeinsparungsgesetzes und zum zweiten durch eine Novellierung der Energieein- sparverordnung. Das Energieeinsparungsgesetz bildet die gesetzliche Grundlage zum Erlass der Energieeinsparverordnung. Seine Verordnungsermächtigungen müssen erweitert werden, damit der Verordnungsgeber sich bei der Novel- 19222 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 179. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. September 2008 (A) (C) (B) (D) lierung der Energieeinsparverordnung, mit der letztlich die inhaltlichen Regelungen im Einzelnen festgelegt werden, auf sicherem Boden bewegen kann. Mit anderen Worten: Es wird hierdurch der Gestaltungsrahmen für den Verordnungsgeber abgesteckt. Mit der Gesetzesänderung werden allerdings noch keine inhaltlichen Entscheidungen im Einzelnen getrof- fen. Ich möchte deshalb nur kurz auf die wesentlichen Er- weiterungen der gesetzlichen Verordnungsermächtigun- gen im Energieeinsparungsgesetz eingehen. Es geht vor allem um die Schaffung der Grundlagen für folgende Maßnahmen: die Außerbetriebnahme von Nachtstrom- speicherheizungen; Regelungen zur Stärkung des Voll- zugs der Energieeinsparverordnung, insbesondere die Einführung privater Nachweispflichten wie etwa Fachun- ternehmer- und Eigentümererklärungen und ihre Vorlage bei Behörden; das Tätigwerden des Bezirksschornstein- fegermeisters bei der Überwachung energieeinsparrecht- licher Anforderungen an haustechnische Anlagen; Har- monisierungen bei den Bußgeldvorschriften. Klimaschutz und Energieeinsparung haben für die Bundesregierung hohe Priorität Wir wollen die hierfür erforderlichen Maßnahmen gemeinsam und im Konsens mit den Bürgerinnen und Bürgern ergreifen. So stehen alle Regelungen des Energieeinsparrechts des Bundes unter dem Grundsatz der wirtschaftlichen Vertretbarkeit Im Rahmen des Integrierten Energie- und Klimapro- gramms setzt die Bundesregierung im Gebäudebereich auf einen notwendigen Instrumentenmix. Energieeinspa- rungsgesetz und Energieeinsparverordnung, also das Ordnungsrecht, sind ein zentraler Bestandteil dieses In- strumentenbündels. Nicht weniger wichtig ist das CO2- Gebäudesanierungsprogramm, also die Förderung von Investitionen zum Einsparen von Energie im Gebäude- bestand. In diesem Jahr führte die sehr erfreuliche Inanspruch- nahme des Programms dazu, dass die für 2008 zur Ver- fügung stehenden Haushaltsmittel bereits Ende Juli aus- geschöpft waren. Die Bundesregierung hat im Wege einer überplanmäßigen Verpflichtungsermächtigung durch Umschichtung von Mitteln aus den Folgejahren, 2010/ 2011, kurzfristige Mittel in Höhe von 500 Millionen Euro bereitgestellt. Dies ermöglicht die Fortführung des Programms. Die Maßnahmen der Bundesregierung sind unerläss- lich, wenn wir beim Klimaschutz vorankommen wollen. Dies ist nicht nur wirtschaftlich für die Eigentümer, son- dern zudem auch gut für unsere Bauwirtschaft zur Siche- rung der Arbeitsplätze in Deutschland. Mit dem Ihnen heute vorliegenden Gesetzentwurf zur Änderung des Energieeinsparungsgesetzes legen wir den Grundstein für die Umsetzung der Meseberger Be- schlüsse zum Integrierten Energie- und Klimaprogramm im Gebäudebereich. Ich möchte Sie schon heute um eine breite Unterstützung und eine zügige Beratung dieser Vorlage bitten. Anlage 14 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Ersten Geset- zes zur Änderung des Gesetzes gegen den un- lauteren Wettbewerb (Tagesordnungspunkt 23) Dr. Günter Krings (CDU/CSU): Bislang zeichnet sich in der Europäischen Union im Wettbewerbsrecht ein sehr uneinheitliches Bild aus. Was unter unlauteren Geschäftspraktiken verstanden wird, ist in den einzelnen Mitgliedstaaten sehr unter- schiedlich. Die Probleme, die sich hier auftun, liegen auf der Hand: Es kommt innerhalb der EU zu deutlichen Wett- bewerbsverzerrungen. Die Leidtragenden einer solchen Situation sind in ers- ter Linie die Verbraucher. Viele Menschen können nicht nachvollziehen, warum für sie in anderen europäischen Ländern jeweils andere Regelungen gelten sollen. Ein europäischer Mindestschutz vor irreführender Werbung ist notwendig. Und mehr sieht die Richtlinie auch nicht vor. Falls der nationale Gesetzgeber Bestimmungen geschaffen hat, die über diesen Mindeststandard hinaus- gehen, kann er diese aufrechterhalten. Dies tut die Bun- desregierung auch mit ihrem Gesetzentwurf zur Richtli- nienumsetzung. Es wird also durch die Richtlinie keinen Abbau von Verbraucherrechten geben, sondern es wird ein Mehr an Verbraucherrechten geben. Ob allerdings gleich das Vertrauen der Verbraucher in den gesamten Binnenmarkt durch die unterschiedliche Handhabung von unlauteren Geschäftspraktiken in Eu- ropa untergraben wird, wie es die Richtlinie in ihren Er- wägungsgründen formuliert, wage ich zu bezweifeln. Bei allen berechtigten Harmonisierungsbedürfnissen sollte man die Ziele der Richtlinie auch nicht zu hoch- hängen und sich nicht in ein falsches EU-Gesetzge- bungspathos hineinsteigern. War nach der Begründung im Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums noch vorgesehen, eine mög- lichst schlanke Umsetzung der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäfts- verkehr zwischen Unternehmern und Verbrauchern in das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vorzuneh- men, hat man sich jetzt doch dazu entschlossen, weite Teile der Richtlinie wörtlich zu übernehmen. Die Bedenken des Bundesrates dagegen sind nicht ganz von der Hand zu weisen. Das Gesetz gegen den un- lauteren Wettbewerb wurde erst 2004 einer Generalüber- holung unterzogen. Nur vier Jahre später müssen das UWG und seine Anwender schon wieder einen größeren Eingriff des Gesetzgebers verkraften. Einen solch weitreichenden Eingriff erfährt das UWG durch die Ersetzung des zentralen Begriffs „Wettbe- werbshandlung“ durch den der „geschäftlichen Hand- lung“. Die Einführung neuer Begriffe bringt in der Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 179. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. September 2008 19223 (A) (C) (B) (D) Rechtsetzung immer ein großes Maß an Gefahr mit sich, da eine gefestigte Rechtsprechung infrage gestellt wird. Dennoch teile ich die Bedenken nicht. Schließlich geht es bei der Begriffsumwandlung nicht um eine in- haltliche Neubestimmung. Die Umformulierung wird nur vorgenommen, um sich an den Text der Richtlinie anzupassen, der eben von einer geschäftsähnlichen Handlung spricht und nicht von einer Wettbewerbshand- lung. Das ist im Ergebnis nachvollziehbar und rechtspo- litisch vertretbar. Es gibt jedoch auch Punkte in der Novellierung zum Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, die sich leider nicht an der Richtlinie orientieren. Dazu gehört auch die im Gesetzentwurf aufgenommene Vorschrift zur uner- laubten Telefonwerbung. § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG-E sieht nun vor, dass Telefon- werbung verboten werden soll, wenn der Verbraucher dazu nicht seine ausdrückliche Einwilligung erteilt hat. Das ist zwar in der Sache begrüßenswert, aber kein gutes Beispiel systematischer Gesetzgebungsarbeit. Denn dies greift einem zeitlich fast parallelen Gesetz vor, welches erst letzten Freitag durch den Bundesrat gegangen ist. Es handelt sich dabei um den Gesetzentwurf zur Bekämp- fung unerlaubter Telefonwerbung und zur Verbesserung des Verbraucherschutzes bei besonderen Vertriebsfor- men. In diesem Zusammenhang wird auch eine Ände- rung des § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG vorgeschlagen, wobei die Ansichten von Bundesregierung und Bundesrat aus- einandergehen. Bislang wurde diese Vorschrift von den Gerichten so ausgelegt, dass eine Einwilligung schon dann angenom- men wird, wenn sie durch schlüssiges Verhalten des Ver- brauchers erfolgt. Hier hat sich eine Missbrauchslücke aufgetan, die mit dem Gesetzentwurf gegen unerlaubte Telefonwerbung geschlossen werden soll. Während der Bund vorschlägt, eine konkludente Einwilligung nicht mehr ausreichen zu lassen, sondern eine ausdrückliche Einwilligung bei einem Werbeanruf vorliegen muss, schlagen die Länder einen anderen Weg vor. Sie wollen sogar ein schriftliches Einverständnis des Verbrauchers voraussetzen, damit ein Unternehmen bei einem poten- tiellen Kunden für seine Waren oder Dienstleistungen werben kann. Der § 7 UWG ist durchaus für das Gesetzesvorhaben gegen unerlaubte Telefonwerbung zentral. Daher halte ich es nicht für besonders glücklich, ihn in diesem Ge- setzentwurf, der nur der Richtlinienanpassung dient, be- reits einzufügen bzw. zu ändern und damit auf das bevorstehende Gesetzgebungsverfahren gegen Telefon- werbung vorzugreifen. Wir sind im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages gut beraten, beide Gesetzesvor- schläge gemeinsam zu beraten. Wenn sich Bundesregie- rung und Bundesrat in dieser Frage nicht einigen kön- nen, werden wir das gerne im Bundestag für beide Seiten übernehmen! Verhindern werden wir auf jeden Fall das groteske Er- gebnis, dass der § 7 Abs. 2 UWG innerhalb kürzester Zeit zweimal geärgert werden würde. Die Halbwertszeit unserer Gesetze darf sich nicht in Wochen bemessen! Gerade das UWG sollte man nicht im Monatstakt ei- ner Novellierung unterziehen. Und wir kommen bei der unerlaubten Telefonwerbung ohnehin nicht darum he- rum, bald wiederum Änderungen am UWG vorzuneh- men, da die neuen Bußgeldvorschriften ebenfalls einer Regelung, bedürfen. Daher lautet meine Devise: Machen wir aus der Telefonwerbung im UWG keine Dauerbau- stelle, sondern lassen Sie uns ganz zügig alle Aspekte dieses Themas gemeinsam beraten und im Interesse der Verbraucher und ihrer Rechtssicherheit rasch etwas aus einem Guss beschließen. Noch in einem anderen Punkt weicht der Entwurf der Bundesregierung zum Umsetzungsgesetz von der EU- Richtlinie ab. Dies betrifft den Anhang zum § 3 Abs. 3 UWG, in dem es um geschäftliche Handlungen geht, die stets unzulässig sind. Er spricht mit Sicherheit einiges für die Ansicht der Bundesregierung, dass die Neuordnung des Kataloges in sich schlüssig ist. Das will auch niemand in Abrede stel- len, gleichwohl aber ist das Argument des Bundesrates ernst zu nehmen. Hält man sich hier an die Nummern- folge der Richtlinie, erhöht man die Vergleichbarkeit na- tionaler Vorschriften mit dem vorgegebenen Richtlinien- text. Dies sorgt sicherlich für mehr Transparenz, da der Bürger vergleichen kann, wie die Umsetzung ins natio- nale Recht erfolgt ist Daher kann ich der Forderung des Bundesrates einiges an Sympathie abgewinnen und halte sie für durchaus erwägenswert. Insgesamt bleibt abschließend festzuhalten, dass die Bundesregierung einen sehr ordentlichen Gesetzentwurf vorgelegt hat. Er bewegt sich dicht am Richtlinientext und erfüllt daher fast vollständig unser politisches Ziel einer Eins-zu-eins-Umsetzung. An der einen oder ande- ren Stelle mögen wir ihn noch zu verbessern haben. Aber mit etwas guten Willen auf allen Seiten des Hauses werden wir zügig zum Abschluss kommen können. Dirk Manzewski (SPD): Wir debattieren hier heute in erster Lesung die UWG-Novelle. Mit diesem Gesetz setzen wir nicht nur die entsprechende EU-Richtlinie endgültig um. Wir bauen auch weiter das hohe Verbrau- cherschutzniveau im Wettbewerbsrecht weiter aus und führen damit die Politik der letzten Reform des UWG aus dem Jahre 2004 fort. Bei dieser Reform im Jahre 2004 hatten wir schon im Vorgriff auf die damals noch zu erwartende EU-Richtlinie bereits viel von dem umge- setzt, was sich dann letztendlich in der EU-Richtlinie auch wiedergefunden hat. Insofern ist der Umsetzungs- bedarf bei uns nicht mehr so hoch, was es leichter macht, da die Richtlinie den nationalen Parlamenten bei der Umsetzung kaum noch Spielraum lässt. Durch das jetzt hier diskutierte Gesetz wird deshalb aber nicht nur ein weiterer wichtiger Beitrag zur Stärkung des europäi- schen Binnenmarkts geleistet. Vor allem den Verbrau- cherinnen und Verbrauchern wird hierdurch mehr Rechtssicherheit gegeben. Stärkung des europäischen Binnenmarktes und der Verbraucherrechte, das passt hier beides zusammen, und das ist so, weil die Verbraucher den europäischen Bin- nenmarkt nur noch verstärkter annehmen werden, wenn 19224 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 179. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. September 2008 (A) (C) (B) (D) sie keine Angst mehr vor ihm haben. Diese Angst wer- den wir ihnen nur nehmen, wenn es uns gelingt hier Rechtssicherheit schaffen. Die UWG-Novelle leistet hierzu einen wesentlichen Beitrag, da sie zu dieser Rechtssicherheit vor allem durch Rechtsvereinheitli- chung beitragen wird. Das heißt letztendlich, dass die Verbraucher einerseits im Ausland oder auf einer auslän- dischen Webseite die Vorteile des europäischen Binnen- marktes nutzen können, wie ein größeres Produktange- bot oder niedrigere Preise, andererseits dort ebenso vor unlauteren geschäftlichen Handlungen und betrügeri- schen Unternehmen geschützt werden wie bei Käufen im Inland. Ich finde es deshalb richtig, dass das UWG um eine sogenannte schwarze Liste ergänzt wird, also um ei- nen Anhang mit 30 irreführenden und aggressiven ge- schäftlichen Handlungen, die unter allen Umständen verboten sind. Dies wird dem Verbraucher nicht nur die Durchsetzung seiner Rechte erleichtern. Es wird auch zu einer größeren Transparenz darüber führen, welches Ver- halten ihm gegenüber erlaubt ist und welches eben nicht. Wir müssen uns allerdings darüber im Klaren sein, dass es gleichwohl Sachverhalte geben wird, die diese Handlungen zumindest in ihrem genauen Wortlaut so nicht umfassen werden und auch ein Problem darin liegt, dass bestimmte Verhalten nun zunächst immer gleich un- lauter sein werden und unsere Rechtsprechung gefordert sein wird, durch die Frage nach der Erheblichkeit des Verstoßes durch dieses Verhalten korrigierend und aus- füllend tätig zu sein. Gut ist auch, dass das UWG künftig ausdrücklich auch für das Verhalten der Unternehmen während und nach Vertragsschluss gilt. Macht zum Beispiel der Ver- braucher gegenüber einem Versicherungsunternehmen mehrfach schriftlich einen Anspruch geltend und wird auf dieses Schreiben systematisch nicht geantwortet, um den Verbraucher von der Ausübung seiner Rechte abzu- halten, so ist dieses Verhalten unzulässig. Zu begrüßen ist zudem, dass Unternehmen Verbrau- chern solche Informationen nicht vorenthalten dürfen, die sie für ihre wirtschaftliche Entscheidung benötigen. Wird zum Beispiel etwas verkauft, dessen Einbau, Ein- pflanzung oder Nutzung in Deutschland verboten ist, und wurde hierüber nicht entsprechend informiert, so ist dieses Verhalten unlauter. Ehrlicherweise muss darauf hingewiesen werden, dass aufgrund unseres vorzüglichen Lauterkeitsrechts vieles von dem, was ich eben angeführt habe, bereits Eingang in unsere Rechtsprechung gefunden hat und in Deutschland auch dementsprechend bereits so gehand- habt wird. Die Vorteile liegen daher insoweit eher in Klarstellungen und eben in den Anpassungen der EU- Richtlinie im Ausland. Wir werden jedenfalls zügig an das Gesetzgebungs- verfahren herangehen. Ich würde mich freuen, wenn Sie sich hieran konstruktiv beteiligen würden. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP): Erst vier Jahre ist es her, dass die Neufassung des Geset- zes gegen den unlauteren Wettbewerb, UWG, mit dem Ziel einer Deregulierung und europaverträglichen Re- form des Lauterkeitsrechts beschlossen wurde. Seit ei- nem Monat liegt der Gesetzentwurf der Bundesregierung vor. In der umzusetzenden Richtlinie – RL 2005/29/ EG – ist vorgesehen, dass diese bis zum 12. Juni 2007 umzusetzen war. Dass der Gesetzentwurf dem Deut- schen Bundestag endlich vorliegt, ist erfreulich; denn die Regelungen zum UWG betreffen alle Bürgerinnen und Bürger, die am Wettbewerb in unserer Gesellschaft teil- nehmen, angefangen bei Zeitungswerbung bis zu Ver- steigerungen bei ebay. Der Zweck der genannten Richtlinie besteht in der Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über unlautere Geschäftspraktiken. Beim Einkauf im europäischen Ausland werden Ver- braucher endlich ebenso geschützt wie im Inland; der einheitliche europäische Binnenmarkt rückt dadurch wieder ein Stück näher. Die Richtlinie gilt für alle Ge- schäftspraktiken, die Unternehmen mit Verbrauchern tä- tigen, nicht jedoch für Geschäftspraktiken zwischen zwei Unternehmen. Das bisherige deutsche UWG kennt einen weiteren Anwendungsbereich, in dem auch Mitbe- werber, sonstige Marktteilnehmer sowie das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb geschützt werden. Dieser Schutzbereich hat sich bewährt und bleibt zu Recht erhalten. Die deutlichste Änderung stellt die Einführung der sogenannten schwarzen Liste dar. Durch sie werden Tat- bestände, die unter allen Umständen als unlauter einzu- stufen sind, in einem Anhang zum UWG-E aufgezählt. Problematisch erscheint nur die Nr. 28 dieses Anhangs, in der auf den Begriff „Kinder“ Bezug genommen wird. Welche Altersgruppe unter diesen Begriff fällt, lassen das Gesetz und auch die Richtlinie offen. Es ist deshalb notwendig, dass der Gesetzgeber der Wirtschaft eine De- finition des Begriffs Kinder an die Hand gibt, die eine nachvollziehbare Altersangabe enthält. Der Verweis in der Gesetzesbegründung, dass die Definition der Recht- sprechung überlassen bleiben soll, ist nicht ausreichend. Zu groß wäre das Risiko unlauteren Verhaltens für alle Wettbewerbsteilnehmer. Ein zweiter Punkt, den die FDP für verbesserungs- würdig hält, sind die Informationspflichten. Nach § 5 a Abs. 3 UWG-E zählen dazu unter anderem die wesentli- chen Merkmale der Ware, die Identität des Unterneh- mers, der Endpreis und die Zahlungs- und Lieferbedin- gungen. Im Interesse der Verbraucher sind diese Angaben grundsätzlich zu unterstützen. Der Gesetzent- wurf verweist aber darüber hinaus allgemein auf die im gesamten Gemeinschaftsrecht festgelegten Informa- tionsanforderungen in Zusammenhang mit kommerzieller Kommunikation. Diese vorgeschlagene Regelung birgt für die deutsche Wirtschaft eine große Rechtsunsicher- heit. Insbesondere kleine und mittelständische Unterneh- men werden mit dieser Regelung stark belastet; denn für den Rechtsanwender ist in keiner Weise erkennbar, wel- che Richtlinien mit der Formulierung gemeint sind. Ich stelle mir allen Ernstes die Frage, wer alle diese europa- rechtlichen Informationsanforderungen kennt. Die dem Gesetzentwurf zugrunde liegende Richtlinie enthält in ihrem Anhang zumindest eine, wenn auch nicht ab- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 179. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. September 2008 19225 (A) (C) (B) (D) schließende, Aufzählung. Über eine solche Aufzählung sollte auch im deutschen Recht nachgedacht werden, wobei nur eine vollständige Aufzählung den Unterneh- men wirklich helfen würde. Sollte der Gesetzgeber dazu nicht in der Lage sein, ist es bedenklich, die Rechtsunsi- cherheit den Unternehmen aufzubürden. In der Geset- zesbegründung wird darauf verwiesen, die Einzelheiten würden sich durch die Rechtsprechung und deren Ausle- gung der gemeinschaftsrechtlichen Rechtsakte ergeben. Das ist nach Auffassung der FDP-Fraktion nicht ausrei- chend. Gesetze sollten dann abstrakt sein, wenn Einzel- falllösungen in der Praxis besser gefunden werden kön- nen. Der Praxis wäre aber in diesem Fall besser geholfen, wenn sie wüsste, was sie künftig unter Kosten- risiko unterlassen soll und was nicht. Im Gegensatz zum Referentenentwurf hat der vorlie- gende Gesetzentwurf zahlreiche Änderungen erfahren. Insgesamt ist der Wortlaut des Gesetzentwurfes viel nä- her an den Richtlinientext angepasst worden. Von der grundsätzlich richtigen Idee einer möglichst schlanken Umsetzung hat sich die Bundesregierung damit bedauer- licherweise ein großes Stück entfernt. So wird der zen- trale Begriff der Wettbewerbshandlung durch den Be- griff der geschäftlichen Handlung ersetzt. Der An- wendungsbereich des UWG würde sich dadurch be- trächtlich vergrößern. Was das für die Praxis bedeuten würde, wird noch in einer Expertenanhörung geklärt werden müssen. Dass sich mit diesem Gesetzentwurf nun endlich auch etwas in dem Bereich Telefonwerbung bewegt, wird von der FDP-Bundestagsfraktion unterstützt. Die FDP-Bun- destagsfraktion hat zu diesem Thema bereits im März 2008 mit einem eigenen Antrag – Bundestagsdrucksache 16/8544 – Stellung bezogen. Darin macht die FDP-Frak- tion klar, dass es zur Lösung des Problems mehr bedarf als einer Änderung im UWG. Dazu zählt die Verpflich- tung zur Rufnummernanzeige, die Verwendung einer einheitlichen Vorwahl zur Identifizierung, die Auswei- tung des Widerrufsrechts und die Verpflichtung neuer Telekommunikationsanbieter, dem bisherigen Telekom- munikationsanbieter den Nachweis einer Kündigung bzw. Bevollmächtigung zur Kündigung vorzulegen. Von Verbraucherschutzseite werden weitere Forde- rungen vorgetragen, die in das vorliegende Gesetzesvor- haben aufgenommen werden sollen. Dazu zählt unter an- derem die Ausdehnung der Gewinnabschöpfung. Das im UWG für die Gewinnabschöpfung vorgesehene Vor- satzerfordernis sollte beibehalten werden. Die Gewinn- abschöpfung stellt eine Ausnahme im deutschen Recht dar; denn mit dieser Norm erhält das Zivilrecht eine quasi strafende Funktion. Aus diesem Grunde müssen auf der Tatbestandsebene strenge Maßstäbe angelegt werden. Ulla Lötzer (DIE LINKE): Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird sich der Verbraucherschutz in Deutschland verbessern. Dies ist jedoch nicht der Erfolg einer guten Verbraucherschutzpolitik der Bundesregie- rung. Ganz im Gegenteil. Bereits im Juni 2007 hätte die EU-Richtlinie in deutsches Recht umgesetzt sein müs- sen. Über ein Jahr sind Sie zu spät, Herr Glos, und dann nutzen Sie nicht einmal die Ermessensspielräume, die die Richtlinie zugunsten der Verbraucherinnen und Ver- braucher einräumt. Ja sogar die zwingenden Vorgaben der Richtlinie werden mit diesem Gesetzentwurf nicht erfüllt. Die Richtlinie sieht eindeutig vor, dass die Mitglied- staaten sicherstellen, dass geeignete und wirksame Mit- tel zur Bekämpfung unlauterer geschäftlicher Handlun- gen zu Verfügung stehen müssen. Die Erfahrungen haben eindeutig gezeigt, dass die derzeitigen rechtlichen Regelungen in Deutschland zahnlos sind und die irrefüh- renden und betrügerischen Geschäftspraktiken von Un- ternehmen nicht wirksam bekämpfen können. Solange den Unternehmen kein wirtschaftlicher Schaden droht, wenn sie die Kunden irreführen und betrügen, so lange wird sich an ihren Methoden nichts ändern – das liegt doch auf der Hand. Das Erste wäre deshalb, den Unternehmen ihren Ge- winn, den sie durch solche sittenwidrige Praktiken er- zielt haben, zu entziehen. Doch auch nach der Novelle bleibt die Beweislast bei den Verbraucherschutzverbän- den. Sie müssen weiterhin nachweisen, dass die Unter- nehmen vorsätzlich gehandelt haben. Beweisen Sie das mal! Bisher kommen die Unternehmen jedenfalls in der Regel vor den Gerichten ganz gut damit durch, dass sie sich darauf berufen, dass es sich um einen Irrtum, ein Missverständnis oder bloße Fahrlässigkeit gehandelt habe. Das heißt, sie dürfen die Gewinne aus ihren unlau- teren Praktiken behalten. Das wirkt doch geradezu wie ein Anreiz, damit weiterzumachen. Selbst wenn ein Verbraucherverband eine Unterlas- sungsklage gewinnt, bewirkt dies nur, dass dieses eine Unternehmen seine irreführende Werbung in genau der- selben Form nicht mehr weiterführen darf. Ändert dieses Unternehmen seine Werbung nur ein kleines bisschen, muss eine erneute Unterlassungsklage eingereicht wer- den. Andere Unternehmen sind von dem Gerichtsurteil gar nicht betroffen. Dass dieVerbraucherverbände im diesem „Hase und Igel“-Spiel nur der Igel sein können, liegt auf der Hand. Außerdem wirkt die Unterlassungs- klage nur in die Zukunft. Das heißt, Verträge, die in der Vergangenheit geschlossen wurden, bleiben bestehen, mit allen Pflichten für den Kunden, auch wenn er belo- gen und in die Irre geführt wurde. Und daran ändern Sie nichts. Zur Telefonwerbung. Das ist ein wirklich großes Är- gernis, das schon viele Menschen teuer zu stehen ge- kommen ist. Besonders ältere Menschen sind solchen Praktiken oft hilflos ausgeliefert. Hier führen Sie zwar Verbesserungen ein. Aber das einfache Mittel, das end- lich die Abzocke über Telefon stoppen würde, ergreifen Sie wieder nicht. Wir fordern – übrigens gemeinsam mit Verbraucherschutzverbänden und der Verbraucher- schutzministerkonferenz –, dass ein Vertrag, der am Te- lefon scheinbar abgeschlossen worden ist, erst dann wirksam ist, wenn der Kunde ihn schriftlich bestätigt. Die EU-Richtlinie hat zum Ziel, den Schutz für Ver- braucherinnen und Verbraucher zu stärken; Sie schützen mit Ihrem Gesetzentwurf soweit wie möglich die Unter- 19226 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 179. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. September 2008 (A) (C) (B) (D) nehmen vor den Verbrauchern. Da ist der Titel des Ge- setzes Programm. Eigentlich müsste es „Gesetz gegen unlautere Geschäftspraktiken“ heißen und im Verbrau- cherministerium angesiedelt sein. Dann gäbe es viel- leicht eine größere Chance, dass der dringend notwen- dige Schutz der Verbraucherinnen vor aggressiven, irreführenden und betrügerischen Geschäftspraktiken besser umgesetzt würde. Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Heute steht erneut eine Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb zur Debatte. Mit dieser Re- form soll die EU-Richtlinie über unlautere Geschäfts- praktiken umgesetzt werden. Verbraucherinnen und Ver- braucher sollen damit besser vor unlauterem Verhalten von Unternehmen geschützt werden. Das begrüßen wir ausdrücklich. Bereits bei der Reform des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb aus dem Jahr 2004 hat die grüne Bundestagsfraktion maßgeblich zu einem verbesserten Verbraucherschutz beigetragen. Erstmalig sind durch die damalige Reform Vorschriften zum Schutz der Verbrau- cherinnen und Verbraucher in das UWG aufgenommen worden. Die jetzt von der Bundesregierung vorgeschlagenen Änderungen des Gesetzes gehen uns aber nicht weit ge- nug. Defizite sehen wir vor allem bei den Sanktionsmög- lichkeiten gemäß Art. 13 der EU-Richtlinie. Denn nach wie vor kann die Möglichkeit zur Gewinnabschöpfung nicht effektiv umgesetzt werden. Es können zwar Ge- winne von Unternehmen abgeschöpft werden, die durch unlauteres Verhalten erlangt wurden. Aber dazu muss den Unternehmen zunächst nachgewiesen werden, dass sie auch vorsätzlich gehandelt haben. Das ist in der Pra- xis kaum realisierbar. Der Nachweis einer „grob fahrläs- sigen Zuwiderhandlung“ der Unternehmen muss deshalb ausreichen, um Gewinne abschöpfen zu können. Darü- ber hinaus sind Verbraucherinnen und Verbraucher noch immer nicht effektiv gegen untergeschobene Verträge und Abzocke am Telefon geschützt. Hier schafft auch der von der Bundesregierung lange verschleppte und im Juli 2008 endlich vorgelegte Gesetzentwurf zur Be- kämpfung unerlaubter Telefonwerbung keine Abhilfe. Vielmehr sind wirksame Sanktionen gegen rechtswidrig vorgehende Unternehmen erforderlich. Bündnis 90/Die Grünen fordern deshalb schon lange eine schriftliche Be- stätigung von Verträgen, die vermeintlich am Telefon abgeschlossen wurden, damit niemand einen Vertrag un- tergeschoben bekommt, den er gar nicht haben wollte. Also: Ohne Unterschrift kein Vertrag – das ist einfach und schützt die Verbraucherinnen und Verbraucher ef- fektiv vor Abzocke. Ein weiterer Kritikpunkt am vorliegenden Entwurf ist, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher keinen Anspruch darauf haben, dass sie sich von Verträgen, die durch wettbewerbswidriges Verhalten zustande kamen, auch wieder lösen können. Wir fordern deshalb ein Recht auf Vertragsauflösung nach festgestellter Wettbe- werbswidrigkeit. Wir stehen für eine Reform des unlauteren Wettbe- werbsrechts ein. Aber die Reform muss für die deut- schen Verbraucherinnen und Verbraucher auch einen verbesserten Schutz gegen unlautere Geschäftspraktiken bieten. Deshalb setzten wir uns im weiteren parlamenta- rischen Verfahren dafür ein, dass weitergehende Schutz- vorschriften in das Gesetz aufgenommen werden. Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär beim Bun- desminister der Justiz: Das deutsche Lauterkeitsrecht wird zunehmend von europäischen Einflüssen geprägt. Deshalb ist auch das Gesetz gegen den unlauteren Wett- bewerb – UWG – vor vier Jahren grundlegend reformiert worden. Dies geschah bereits in Erwartung der Richtli- nie des Europäischen Parlaments und des Rates über un- lautere Geschäftspraktiken, die am 11. Mai 2005 dann auch erlassen worden ist. In zahlreichen Punkten ist die Richtlinie komplexer und detaillierter ausgefallen als erwartet. Dies muss nun durch eine weitere Novellierung des UWG nachvollzo- gen werden. Es geht hier nicht um grundlegende Ände- rungen, wohl aber um zahlreiche Neuerungen im Detail. Unser Ziel bleibt es, keine unnötige Bürokratie zu schaffen. Auf der anderen Seite bedarf es aber einer voll- ständigen und transparenten Umsetzung. Die Richtlinie sieht eine vollständige Rechtsangleichung – eine soge- nannte Vollharmonisierung – der innerstaatlichen Rechts- ordnungen in der Europäischen Union vor, soweit es um den Schutz der Verbraucher vor unlauterem Verhalten von Unternehmen geht. II. Um der Systematik des deutschen Rechts gegen den unlauteren Wettbewerb Rechnung zu tragen, macht der Gesetzentwurf von einer wichtigen Gestaltungsmöglich- keit Gebrauch, die sich aus dem beschränkten Anwen- dungsbereich der Richtlinie ergibt. Diese ist nämlich auf das Verhältnis der Unternehmen zu Verbrauchern – busi- ness to consumer oder B to C bzw. B2C – beschränkt, während in Deutschland von jeher eine ganzheitliche Betrachtungsweise maßgebend war. Nach unserem Ver- ständnis sind marktbezogene Lauterkeitsstandards im Allgemeinen unteilbar, das heißt sie gelten auch für den Mitbewerberschutz, business to business oder B to B bzw. B2B. Dass das Wettbewerbsgeschehen insgesamt „lauter“ zu sein hat, ist eine gute Tradition des UWG, die wir beibehalten wollen. Aus Sicht der Bundesregierung wäre es sogar wün- schenswert gewesen, wenn das Lauterkeitsrecht europa- weit für Verbraucher und Mitbewerber harmonisiert worden wäre. Diesem Anliegen, das Deutschland schon seit Jahrzehnten verfolgt, hat sich die Europäische Kom- mission leider stets verschlossen. Wir können es jedenfalls besser. Deshalb wird die be- währte „Schutzzwecktrias“ des UWG, die dem Schutz der Mitbewerber, der Verbraucher und auch bestimmter Allgemeininteressen dient, beibehalten. Dass das UWG weiterhin sowohl für B to B als auch für B to C gilt, schließt Differenzierungen im Einzelfall nicht aus. Be- stimmte Vorschriften, die im Interesse des Verbraucher- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 179. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. September 2008 19227 (A) (C) (B) (D) schutzes besonders streng ausgefallen sind, kommen ge- genüber Geschäftsleuten nicht zur Anwendung. III. Was aber bringt die Umsetzung der Richtlinie für den Verbraucherschutz? Ich meine, wir leisten mit dieser Umsetzung nicht nur einen Beitrag zur Stärkung des europäischen Binnen- markts, sondern verbessern auch den Verbraucherschutz. Ein Vorteil für Verbraucher liegt darin, dass sie nun- mehr beim Einkauf im Ausland – sei es in einem Geschäft oder beim Einkauf über eine ausländische Website – vor unlauteren geschäftlichen Handlungen und betrügeri- schen Unternehmern genauso wie im Inland geschützt werden. Das wird ihr Vertrauen in grenzüberschreitende Transaktionen stärken und ihnen damit eine bessere Nut- zung der Vorteile des Binnenmarkts – wie ein größeres Produktangebot und niedrigere Preise – ermöglichen. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass das UWG den Verbraucher künftig auch gegen unlautere geschäftliche Handlungen während und nach Vertragsschluss schützt, ohne dass hiervon allerdings das deutsche Vertragsrecht betroffen wäre. Verbraucherinnen und Verbraucher wer- den nun beispielsweise davor geschützt, dass Schreiben, mit denen sie ihre Forderungen gegenüber Versicherun- gen geltend machen, systematisch nicht beantwortet werden, um so die Geltendmachung ihrer Rechte fak- tisch zu verhindern. Ferner wird ausdrücklich festgeschrieben, dass dem Verbraucher solche Informationen nicht vorenthalten werden dürfen, die dieser für eine geschäftliche Entschei- dung benötigt. Hier geht es um das Thema „Irreführung durch Unterlassen“. Ein Katalog von Informationsanfor- derungen schafft zukünftig Transparenz und Rechtssi- cherheit. Darüber hinaus wird das UWG um eine „schwarze Liste“ mit 30 irreführenden und aggressiven geschäftli- chen Handlungen ergänzt, die unter allen Umständen verboten sind. Diese absoluten Verbote werden es dem Verbraucher erleichtern, seine Rechte zu erkennen und zu verteidigen. Denn bislang waren zahlreiche Fallgrup- pen nur durch die Rechtsprechung als unlauter eingestuft worden. Diese einschneidenden Verbote bleiben aber auf geschäftliche Handlungen gegenüber Verbrauchern be- schränkt. Geschäftliche Handlungen, die nicht von der „schwar- zen Liste“ erfasst werden, unterliegen dem allgemeinen Lauterkeitsgebot und müssen sich vor allem auch an der Generalklausel des UWG messen lassen. Weitere Verbesserungen des Verbraucherschutzes ent- hält der Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung uner- laubter Telefonwerbung und zur Verbesserung des Ver- braucherschutzes bei besonderen Vertriebsformen, den das Bundeskabinett am 30. Juli 2008 beschlossen hat. Dort geht es allerdings nicht um die Umsetzung dieser Richtlinie. Die europaweite Vereinheitlichung des Lauterkeits- rechts macht sich auch für die Unternehmer bezahlt. Denn aufgrund des EU-weit einheitlichen Rechtsrah- mens können sie nun mit ein und demselben Marketing- konzept, durch das sie bisher Kunden in ihrem Her- kunftsland angesprochen haben, gleich 450 Millionen Verbraucher in der gesamten EU erreichen. Lassen Sie mich abschließend zusammenfassen, wo- rum es bei der Richtlinie und ihrer Umsetzung im Kern geht In erster Linie geht es darum, für alle 27 Mitglied- staaten einen einheitlichen Rechtsrahmen zu schaffen. Nationale Traditionen können dabei naturgemäß nicht in vollem Umfang aufrechterhalten bleiben. Die bei uns zur Umsetzung erlassenen Vorschriften sind die Richtschnur für die Rechtsanwendung in Deutschland. Es müssen sich aber auch Verbraucher und Mitbewerber anderer Mitgliedstaaten, die bezogen auf das hiesige Wettbe- werbsgeschehen geschäftliche Handlungen vornehmen oder von ihnen betroffen sind, an diesem Gesetz orien- tieren und es beachten. In diesem Sinne soll das novel- lierte UWG in der gesamten EU als richtlinienkonforme Umsetzung europäischen Rechts wahrgenommen und respektiert werden. Anlage 15 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Neufas-sung des Raumordnungsgesetzes und zur Änderung anderer Vorschriften (GeROG) (Tagesordnungspunkt 27) Enak Ferlemann (CDU/CSU): Mit der Föderalis- musreform I ist die Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes zur Raumordnung ganz entfallen. Die Raumordnung fällt jetzt in die konkurrierende Gesetzge- bung. Das alte, aufgrund der Rahmengesetzgebung erlas- sene Raumordnungsgesetz kann nicht mehr auf Dauer weiter gelten. Ich bin der Bundesregierung daher für ihr Bemühen sehr dankbar, das parlamentarische Verfahren mit der Vorlage der Neufassung des Raumordnungsge- setzes nun in Gang gesetzt zu haben. Das Ziel der Regierungskoalition ist, das Gesetz zü- gig und konstruktiv zu beraten, damit es zum Jahres- wechsel 2008/2009 verkündet werden und noch in dieser Legislaturperiode in Kraft treten kann. Auf Grund der verfassungsrechtlichen Lage hat der Bund nunmehr die Kompetenz, die Raumordnung in den Ländern umfassend zu regeln. Allerdings sollen durch bundesrechtliche Vollregelungen nur die Bereiche der Raumordnung geregelt werden, in denen eine bundes- einheitliche Regelung aus fachlichen Gründen angezeigt ist. Ansonsten soll gesetzgeberische Zurückhaltung zu- gunsten des Landesrechts geübt werden. Gesetzestechnisch betreten wir also Neuland. Denn die Raumordnung wird in den neu geschaffenen Kompe- tenztyp der umfassenden Bundesgesetzgebung mit Ab- weichungsmöglichkeiten der Länder überführt. Meiner Fraktion ist es wichtig, eine Balance zwischen der Rege- 19228 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 179. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. September 2008 (A) (C) (B) (D) lung weitgehender bundeseinheitlicher Standards und der gesetzgeberischen Zurückhaltung des Bundes hin- sichtlich landesspezifischer Besonderheiten zu finden. Ich bedanke mich ausdrücklich bei den Beteiligten aufseiten des Bundes, dass mit den Ländern im Vorfeld intensiv zusammengearbeitet worden ist und einige An- liegen der Länder nach der Vorstellung des Entwurfs im Frühjahr noch aufgegriffen worden sind. Wenn die Län- der wenig Anlass haben, ihren Spielraum für ergänzen- des Landesrecht zu nutzen, haben wir das Ziel, eine bundesweite Rechtseinheit im Raumordnungsrecht zu schaffen, erreicht. Ich bin daher froh über das Signal der Länder, grund- sätzlich mit dem Gesetzentwurf im Konsens zu sein. Aber klar geworden ist auch, dass noch Einwendungen der Länder im Raum stehen, über die wir im parlamenta- rischen Verfahren reden werden. Denn Gegensätzlich- keiten, so ergibt die Stellungnahme des Bundesrates, ha- ben wir unter anderem gerade da, wo der Bund die Koordination übernehmen will. Betroffen sind das Flug- hafenkonzept, das Seehafenkonzept wie auch die im Ge- setzentwurf enthaltenen Veränderungen, die den Bundesverkehrswegeplan betreffen oder die Rohstoffla- gerstätten. Damit werden wir uns in den Ausschüssen zu befassen haben. Die Neufassung des Raumordnungsgesetzes muss vor allem eins sein: zukunftsfähig. Denn wir brauchen es als eine moderne Grundlage für eine effiziente und zu- kunftsfähige koordinierende Raumentwicklung in Deutschland. Mit der Neuordnung der Raumordnung wollen wir verschiedene Aspekte in Einklang bringen. Wir wissen, dass uns der demografische Wandel vor große strukturverändernde Herausforderungen stellt. Unsere Aufgabe ist es, vorausschauende Lösungen zu finden, zum Beispiel für den Bevölkerungsrückgang. Aber auch die absehbaren Folgen des Klimawandels for- dern uns heraus. Wir müssen unsere Ressourcen schonen und Entwicklungspotenziale erkennen und nutzen. Wir müssen zukunftsweisende Wirtschaft unterstützen. Wir müssen dafür sorgen, dass die Daseinsvorsorge gesichert bleibt. Auch deshalb möchte ich ausdrücklich begrüßen, dass wir in den anstehenden Ausschussberatungen einen Be- richt über das Planspiel erhalten werden, dass das Ge- setzgebungsverfahren begleitet hat. An anderer Stelle, es ging um das Baugesetzbuch, haben wir ebenfalls die Praktikabilität des Gesetzes vor der Verabschiedung auf diese Weise vorab überprüft. Das war ein ausgezeichne- tes Vorgehen, wie wir heute feststellen können, nachdem seit einiger Zeit mit dem Baugesetzbuch erfolgreich ge- arbeitet wird. Worum geht es bei der Raumordnung? Sie soll für ei- nen Ausgleich der vielfältigen Ansprüche an den Raum sorgen, indem sie den Gesamtraum der Bundesrepublik Deutschland und seine Teilräume durch das Aufstellen zusammenfassender, übergeordneter Raumordnungs- pläne und durch Abstimmung raumbedeutsamer Planun- gen und Maßnahmen entwickelt, ordnet und sichert. Mit den Raumordnungsplänen sollen die gesetzlichen Grundsätze für ein bestimmtes Gebiet konkretisiert und festgelegt werden. Diese sind dann für die nachfolgen- den raumbedeutsamen Projekte bindend. In der Neufassung setzt die Bundesregierung Schwer- punkte. Insbesondere werden die gesetzlichen Grund- sätze der Raumordnung überarbeitet, die Regelungen über die Planerhaltung genauer gefasst, die Regelungen über die Möglichkeiten des raumordnerischen Zusam- menwirkens von Regionen, Kommunen und Personen des Privatrechts und die informelle Planung erweitert, die Regelungen über den Planungs- und Koordinierungs- auftrag des Bundes geändert. Die EU-Richtlinie zur stra- tegischen Umweltprüfung wird im neuen Gesetz unmit- telbar und vollständig umgesetzt. Das hat sich auch beim Baugesetzbuch bewährt und als Erleichterung erwiesen. Raumordnung muss vor allen Dingen eines sein, näm- lich praktikabel und koordiniert, um aus vielen Einzel- bausteinen ein sinnvolles Ganzes zu formen. Dafür, wel- che Bedeutung die Raumordnung hat, liefert der Raumordnungsplan für die deutsche Ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ) nach § 18 des jetzigen ROG, der im Oktober in die Erörterung geht, aktuell ein gutes Bei- spiel. Bei der AWZ handelt es sich um das Meeresgebiet seewärts des Küstenmeeres, also zwischen der 12-See- meilen-Zone bis maximal zur 200-Seemeilen-Zone. Auf diesem Teil des Meeres haben wir es zunehmend mit Nutzungskonflikten zu tun. Hier müssen wir die Off- shore-Windenergienutzung, den Meeresumweltschutz, die herkömmliche Nutzung für Schifffahrt und Fischerei koordinieren. In der AWZ sind Ziele und Grundsätze der Raumord- nung hinsichtlich der wirtschaftlichen und wissenschaft- lichen Nutzung, der Gewährleistung der Sicherheit und Leichtigkeit der Seeschifffahrt sowie zum Schutz der Meeresumwelt aufzustellen. Es müssen koordinierte Festlegungen für die einzelnen Nutzungen und Funktio- nen Schifffahrt, Rohstoffgewinnung, Rohrleitungen und Seekabel, wissenschaftliche Meeresforschung, Wind- enenergiegewinnung, Fischerei und Marikultur sowie den Meeresschutz getroffen werden. Alles hat seine Wichtigkeit und seine Berechtigung. Aber nicht alles kann gleichzeitig an gleichem Ort statt- finden. Durch die Raumordnung werden deshalb Vor- ranggebiete geschaffen, damit Konflikte, die durch sich ausschließende gleichzeitige Nutzungen entstehen und zum Nachteil würden, vermieden werden. Für die Realisierung der klimapolitischen Ziele der Bundesregierung braucht Deutschland die Offshore- Windenergie. Das heißt, mit der Raumordnung müssen wir der Windenergiebranche Möglichkeiten eröffnen, dieses politische Ziel zu erreichen. Mir ist bekannt, dass die Unternehmen umfangreiche Planungen projektiert haben. Meine Erwartung an den Entwurf des Raumordnungsplanes AWZ für das Gebiet der Nordsee ist deshalb, dass bei der Festlegung der Vor- ranggebiete mit politischem Weitblick vorgegangen wird. Die Branche braucht langfristige Zukunftsperspek- tiven, damit die Investitionen sich lohnen. Vergessen wir Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 179. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. September 2008 19229 (A) (C) (B) (D) auch eines nicht: diese Branche schafft viele neue Ar- beitsplätze. Ich freue mich auf eine interessante Diskussion über die Neufassung des Raumordnungsgesetzes in den kom- menden Ausschusssitzungen. Es gibt genügend Aspekte, die eine lebendige Debatte erwarten lassen. Wichtig für die Regierungskoalition ist, dass wir den Gesetzentwurf zur Neufassung des Raumordnungsgesetzes zügig bera- ten, damit die Raumordnungsgesetzgebung am Jahres- ende verkündet werden kann. Dazu sind alle herzlich eingeladen. Petra Weis (SPD): Mit dem vorliegenden Gesetzent- wurf für die Neufassung des Raumordnungsrechts rea- giert die Bundesregierung auf die 2006 in Kraft getre- tene Föderalismusreform I. Der dort festgeschriebene Wegfall der Rahmengesetzgebungskompetenz hat zur Folge, dass das Raumordnungsrecht in seiner bisherigen Form reformiert werden muss. Die Raumordnung fällt nun in die konkurrierende Gesetzgebung. Der Bund braucht daher zukünftig nicht mehr nachzuweisen, dass ein Bundesgesetz erforderlich ist, die Länder haben ein Abweichungsrecht. Der Koalition ist es mit der Vorlage dieses Gesetzent- wurfes für ein neues Raumordnungsrecht gelungen, den Anforderungen an eine zukunftsgerichtete Raumord- nung in Deutschland gerecht zu werden. Um weiterhin eine möglichst große bundesweite Einheitlichkeit im Raumordnungsrecht zu erhalten, gibt das neue Raum- ordnungsgesetz den Ländern möglichst wenig Anlass zur Abweichungsgesetzgebung. Die bewährten, von Bund und Ländern gemeinsam getragenen Regelungen wurden weitgehend in das neue Gesetz überführt. Die Länder haben weiterhin Spielraum für ergänzendes Landesrecht. Gleichzeitig berücksichtigt das künftige Raumordnungsgesetz neue Entwicklungen und nimmt praktische Erfahrungen mit dem bisherigen Raumord- nungsrecht auf. Aus unserer Sicht ist es erforderlich, eine bundespoli- tische Planung und Koordinierung mit Blick auf die neu entstandenen Herausforderungen an die Raumordnung in einer globalisierten Welt herzustellen – den Klima- wandel und den Bevölkerungsrückgang möchte ich hier nur beispielhaft anführen. Und so begrüßen wir es, dass die „Grundsätze der Raumordnung“ überarbeitet und an die aktuellen Leitbilder und Handlungsstrategien für die Raumentwicklung in der Bundesrepublik angepasst wer- den. Was sind die herausragenden Ziele des Gesetzent- wurfs? Da sind neben dem schon erwähnten Klima- schutz und der Sicherung der Daseinsvorsorge vor dem Hintergrund einer rückläufigen Bevölkerungsentwick- lung vor allem die Betonung der Innenentwicklung der Städte und damit einhergehend die Reduzierung der Flä- cheninanspruchnahme zu nennen. Ich erinnere in diesem Zusammenhang auch an unsere Diskussionen im Rah- men der Novellierung des Baugesetzbuches. Aber natür- lich sind auch die interkommunale Zusammenarbeit – insbesondere zwischen Städten und ländlichem Raum – und die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in ihrer Bedeutung nicht zu unterschätzen. Und selbstverständ- lich ist in diesem Zusammenhang auch darauf hinzuwei- sen, dass die EU-Richtlinie zur strategischen Umwelt- prüfung im neuen Gesetz vollständig umgesetzt wird. Damit wird die Rechtsanwendung, wie schon beim Bau- gesetzbuch, erleichtert. Die Raumordnung hat die Aufgabe, für einen nach- haltigen Ausgleich der vielfältigen ökonomischen, öko- logischen und sozialen Ansprüche an den Raum sorgen. Sie ist damit die Basis einer nachhaltigen Infrastruktur- politik und damit gleichzeitig unverzichtbare Vorausset- zung für eine moderne Wirtschafts- und Gesellschafts- politik. Ich betone das deswegen an dieser Stelle ausdrücklich, um die besondere Bedeutung dieses ja kei- neswegs „populären“, weil in der Öffentlichkeit manch- mal geradezu unbekannten Themas, herauszustellen. Die Raumordnung ermöglicht somit also die unverzichtbare raumordnerische Abstimmung raumbedeutsamer Pla- nungen und Maßnahmen und die raumordnerische Zu- sammenarbeit der verschiedenen Ebenen und Akteure. Sie ermöglicht darüber hinaus die Entwicklung länder- übergreifender Standortkonzepte von nationaler und in- ternationaler Bedeutung, und sie tut das mit Blick auf wirtschaftliche Entwicklung und nachhaltige Mobilität gleichermaßen. Sie tut es auch mit Blick auf eine koordi- nierte Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes Deutschland unter Berücksichtigung der Nachhaltigkeitsziele. Sie ist eine gesellschaftliche und politische Gemeinschaftsaufgabe, und sie gelingt auch nur als solche. Um diesen zweifellos ambitionierten Anforderungen gerecht zu werden, muss die Raumordnung in Zukunft von Anfang an und flexibel auf besondere Entwicklun- gen reagieren können. Dem trägt der vorliegende Ge- setzentwurf in besonderem Maße Rechnung. Die Raumordnung in der Bundesrepublik ist und bleibt eine wichtige öffentliche Aufgabe mit einer lan- gen Tradition. Ihre Bedeutung wird angesichts der be- schriebenen Herausforderungen noch zunehmen. Nach wie vor gilt das Ziel der Raumordnungspolitik, den ein- zelnen Räumen und Regionen optimale Entwick- lungschancen zu ermöglichen. Dies gilt für die Ballungs- räume wie für die ländlichen Räume gleichermaßen. Ich bin mir sicher, dass die Neufassung des Raumordnungs- gesetzes dazu in besonderer Weise beitragen wird. Abschließend bleibt mir noch der Hinweis, dass wir die Ergebnisse des Planspiels, das den Gesetzentwurf auf seine Praxistauglichkeit hin überprüft hat, in die nun folgenden Ausschussberatungen mit einbeziehen wer- den. Ich freue mich auf eine konstruktive Diskussion. Patrick Döring (FDP): In den zehn Jahren, die seit der Verabschiedung des geltenden ROG vergangen sind, ist nicht nur viel Wasser den Rhein hinuntergeflossen, sondern es haben sich auch in Deutschland viele Dinge verändert, die eine Anpassung des Raumordnungsrechts notwendig machen. Vor allem der demografische Wan- del stellt uns in vielen Regionen Deutschlands vor He- rausforderungen: Auf der einen Seite haben wir schrumpfende und alternde Regionen in Ost wie West 19230 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 179. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. September 2008 (A) (C) (B) (D) – und auf der anderen Seite gibt es auch, oft in unmittel- barer Nähe, Wachstumsregionen mit ihren ganz eigenen Problemen. Auch die Raumordnung muss auf solche Probleme reagieren. Hier liefert der vorliegende Gesetz- entwurf einige richtige Ansätze. Die Erhaltung dezentra- ler Siedlungsstrukturen etwa ist in Zukunft nicht mehr Grundsatz der Raumordnung. Damit wird es uns erleich- tert, die Zersiedlung ländlicher Räume und den Flächen- verbrauch zu reduzieren – und umgekehrt eine vorsich- tige Stärkung lokaler Zentren vorzunehmen. Wohnen, Arbeiten und Einkaufen an einem Ort – das ist nicht nur aus Gründen des Klimaschutzes ein Zukunftskonzept, sondern auch ein Rezept, um insbesondere in sich ent- leerenden Räumen die Infrastruktur- und Lebenshal- tungskosten auf einem vertretbaren Niveau zu halten. Es ist daher richtig, wie hier geschehen, die Kooperation von Regionen, die räumliche Konzentration der Sied- lungstätigkeit und den Vorrang der Nachverdichtung und Entwicklung von Innenstädten zu Grundsätzen der Raumordnung zu machen. Für zukunftsweisend halte ich auch das Vorhaben, dem Bund eine Zuständigkeit für bundesweite Raumord- nungspläne zu geben. Damit können in Zukunft auch großräumigere Bezüge einfacher als bisher angemessen berücksichtigt werden. Insbesondere die Anbindung von See- und Flughäfen, deren verkehrliche Wirkung in vie- len Fällen weit über eine Region oder ein Bundesland hi- nausgeht, begrüße ich außerordentlich. Allerdings muss darauf geachtet werden, dass dies in der Praxis nicht un- erwünschte Folgen hat, wie wir sie leider gerade bei den Planungen für die Ausschließliche Wirtschaftszone beobachten müssen. Dort liegt das Planungsrecht ja schon seit längerem beim Bund – der nun einen Entwurf für einen Raumordnungsplan vorlegt, der das Ende für die sich gerade entwickelnde Offshore-Windenergie be- deuten könnte. Denn wie das so ist: Die Bürokratie hat an der Wirklichkeit vorbei geplant, sodass viele Areale, in denen Windkraftanlagen geplant sind, demnächst au- ßerhalb der Vorranggebiete liegen werden. Das spricht allerdings natürlich nur gegen die gegen- wärtige Bundesregierung, die mal wieder das eine sagt und das andere tut, und nicht pauschal gegen die Schaf- fung einer solchen Bundeskompetenz. Wir sollten uns nur des Umstands gewahr sein, dass durch Raumord- nungspläne des Bundes bestehende Probleme nicht wirk- lich gelöst werden. Das Gesetz schafft nur einen Rah- men, der durch die Bundesregierung und die Länder ausgefüllt werden muss. Auch darf dies keinesfalls bedeuten, dass der Bund über seine Raumordnungspläne und Standortkonzepte quasi planwirtschaftliche Vorgaben für die Entwicklung einzelner See- oder Flughäfen entwickelt. Die Infra- strukturentwicklung muss sich auch in Zukunft an den tatsächlichen Bedürfnissen und nicht an politischen Wünschen orientieren. Dies muss im Rahmen der Ge- setzgebung meines Erachtens eindeutig klargestellt wer- den, um entsprechende – nicht gänzlich unberechtigte – Bedenken der Länder auszuräumen. Die Raumordnungs- pläne des Bundes sollen dazu dienen, zentrale Verkehrs- achsen für die Zukunft zu definieren und ihre weitere Entwicklung zu ermöglichen und zu vereinfachen. Sie dürfen nicht zu einer Aushebelung des bedarfsorientier- ten Bundesverkehrswegeplans führen. Sosehr ich die Schaffung von Raumordnungsplänen des Bundes und die Berücksichtigung des demografi- schen Wandels im Grundsatz begrüße – der hier vorlie- gende Gesetzentwurf kann dennoch in dieser Form nicht die Zustimmung der FDP-Fraktion finden. Denn ich be- fürchte, dass mit diesem Entwurf die Belange des Um- weltschutzes in einem Maße aufgewertet werden, das in Zukunft die Infrastruktur- und Wirtschaftsentwicklung in Deutschland in erheblichem Maße einschränken und behindern wird. Nun werden die Abgeordneten der Koalition wahr- scheinlich darauf hinweisen, dass in diesem Gesetzent- wurf die Belange der Wirtschaft erstmalig in einer ge- sonderten Ziffer ausgewiesen werden. Das ist richtig und an sich auch begrüßenswert. Doch komme ich nicht um- hin, festzustellen, dass zugleich wichtige Elemente für eine positive Entwicklung unserer Wirtschafts- und In- frastrukturen fehlen – und auf der anderen Seite neue Tatbestände eingeführt werden, die in der Abwägung die Belange des Umweltschutzes in vielen Fällen nahezu un- überwindlich machen. Das gilt insbesondere für die von der Koalition gefor- derte Schaffung eines, ich zitiere, „großräumig übergrei- fenden, ökologisch wirksamen Freiraum-Verbundsys- tems“. Die bestehenden Freiräume sollen dabei durch übergreifende Siedlungs- und weitere Fachplanung ge- schützt und die weitere Zerschneidung freier Flächen vermieden, die Flächeninanspruchnahme im Freiraum begrenzt werden. Auch unabhängige Experten sehen dies nicht eben als einen Beitrag zur Deregulierung und Vereinfachung an. Auf der anderen Seite entfällt gegenüber dem alten Raumordnungsgesetz der Grundsatz, dass zur Verbesse- rung der Standortbedingungen in erforderlichem Um- fang Flächen vorzuhalten, die wirtschaftsnahe Infra- struktur auszubauen sowie die Attraktivität der Standorte zu erhöhen sind. Auch das bisherige Strukturbekenntnis zur bäuerlich strukturierten Land- und Forstwirtschaft hat in dem vorliegenden Regierungsentwurf keinen Platz mehr gefunden – ebenso wie der alte Grundsatz, dass dem Wohnbedarf der Bevölkerung Rechnung zu tragen ist. Es befriedigt mich nicht, dass es dafür jetzt heißt, in der Raumordnung sei dafür Sorge zu tragen sei, dass Städte und ländliche Räume ihre vielfältigen Aufgaben für die Gesellschaft erfüllen könnten. Nach dieser Logik könnte man zugunsten dieses einen Satzes auf das ge- samte Gesetz verzichten. Denn letztlich geht es bei diesem ganzen Unterfangen doch eben nur um das eine: dass unsere Städte und länd- lichen Räumen ihre vielfältigen Aufgaben für die Gesell- schaft erfüllen können. Ein bisschen konkreter darf man daher schon formulieren, was wir unter „vielfältigen Aufgaben“ verstehen, meine Damen und Herren in den Regierungsfraktionen! Mit solchen wohlklingenden, aber inhaltsleeren Formulierungen brauchen wir jeden- falls gar nicht erst ein Gesetz zu machen. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 179. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. September 2008 19231 (A) (C) (B) (D) Überhaupt hätte ich mir ein wenig mehr Mut zur Be- stimmtheit gewünscht. Die erwähnten „vielfältigen Auf- gaben“ sind zwar ein trauriger Höhepunkt – aber auch insgesamt sind die Formulierungen des Gesetzentwurfs, wie schon das alte Raumordnungsgesetz, hinreichend unkonkret. Feste Handreichungen, wie einzelne Belange der Raumordnung und Landesplanung zu bewerten sind, vermisse ich auch in dieser Novelle völlig. Die Folge ist, dass die Behörden wieder von vorne damit beginnen können, im Trial-and-Error-Verfahren herauszufinden, welche Bewertungen und Abwägungen am Ende vor den Gerichten Bestand haben, ich befürchte, dass wir zumin- dest in der Anfangsphase daher keine Beschleunigung, sondern im Gegenteil eine Verlangsamung der Planungs- verfahren erleben werden. Um dies zu verhindern, könnte ich mir zum Beispiel vorstellen, in einer Anlage zu dem Gesetz einen Krite- rienkatalog zu schaffen, der hier den Verwaltungen und Gerichten eine konkrete Orientierungshilfe gibt. Was für die Umweltprüfung möglich ist, wäre ja vielleicht auch für das gesamte Verfahren vorstellbar. In jedem Fall bin ich für jeden Versuch dankbar, der den Bestimmungen dieses Gesetzes einen konkreteren Charakter verleiht. Eine weitere Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens wäre auch zu erreichen, indem man bei raumordnungsrelevanten Vorhaben im Rahmen des Raumordnungsgesetzes Fristen für die prüfenden Behör- den verankert. Auch das System von Umweltprüfung, Umweltbericht, landespflegerischem Begleitplan und grundstücksbezogenem Grünordnungsplan – man lasse sich den Bürokratiesprech hier noch einmal fein auf der Zunge zergehen! – könnte man, wenn man wirklich wollte, durchaus weiter vereinfachen. Zumindest könnte festgesetzt werden, dass das Ergebnis der Umweltprü- fung im Rahmen des Raumordnungsverfahrens für ein Projekt auch für alle nachfolgenden Verfahren Geltung hat – etwa bei einer Änderung des Flächennutzungs- plans. Kurz und gut: Den großen Wurf haben Sie, meine Da- men und Herren auf den Regierungsbänken, in jedem Fall verpasst. Im Gegenteil! Mit diesem Gesetzesvor- schlag gehen Sie zwar in einigen Punkten in die richtige Richtung – doch auf der anderen Seite setzen Sie die Prioritäten sehr einseitig für die Belange des Umwelt- schutzes. Dessen Bedeutung will ich keineswegs in Ab- rede stellen. Doch auch in Zukunft muss die Raumord- nung auch die Wirtschafts- und Infrastrukturentwicklung unserer Gesellschaft gewährleisten können. Denn nur dann wird aus einer Landschaft auch eine Heimat – wenn die Menschen dort Arbeit und Wohnung finden können. Dieser zentrale Aspekt der Raumordnung droht in meinen Augen durch diese Gesetzesnovelle zu ver- kümmern. Von daher sehe ich noch einigen Änderungs- bedarf in den kommenden Ausschusssitzungen, bevor ich diesem Gesetz meine Zustimmung geben werde. Heidrun Bluhm (DIE LINKE): Hintergrund für den jetzt von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzent- wurf zur Neufassung des Raumordnungsgesetzes sind nach eigener Darstellung im Zuge der Föderalismusre- form geänderte Gesetzgebungskompetenzen. Dabei seien zum einen die „bewährten, von Bund und Ländern gemeinsam getragenen bisherigen Regelungen weitge- hend übernommen“ worden, und zum anderen sei in der Gesetzesnovelle gleichzeitig „den praktischen Erfahrun- gen mit dem bisherigen Raumordnungsgesetz“ Rech- nung getragen worden. Demnach dürfte uns offenbar ein nahezu perfekter Gesetzentwurf vorliegen, der bewährte Regelungen und praktische Erfahrungen miteinander verbindet. Nach dem bewährten Grundsatz gesunden Menschenverstandes, das Alte und das Neue gründlich zu prüfen und das Beste von Beidem zu behalten, sollte die Raumordnungsgesetznovelle also gründlich geprüft werden – ob wirklich das Beste bewährter Regelungen und praktischer Erfahrungen in diese Neufassung einge- flossen ist, wie es im Vortext zu dem eigentlichen Gesetz heißt. Insgesamt gesehen stellt sich der vorliegende Gesetz- entwurf als ein Werk dar, das der Nachhaltigkeit der Raumentwicklung und der Kontinuität der Raumord- nung sowohl landesweit als auch regional angemessen Raum gibt. Aus Sicht der Linken geht es vor allem um drei wich- tige Fragen: Welchen raumordnerischen Spielraum ha- ben künftig die Länder, und wie flexibel können sie das Gesetz für ergänzendes Landesrecht nutzen? Wie soll künftig mit natürlichen Ressourcen umgegangen wer- den? Welche Möglichkeiten haben Vereine, Verbände und Bürger, sich früher als bisher an planerischen Über- legungen zu beteiligen, damit nicht immer schon alle Messen gesungen sind? Heute kommen sie oft erst sehr spät und oft zu spät zum Zuge. Diese Passagen des Gesetzentwurfs lassen den Län- dern auch künftig Spielraum, ihre eigenen raumordneri- schen Vorstellungen zu verwirklichen und vom Bund ab- weichende landesgesetzliche Regelungen zu treffen, ohne dass es dazu im Sinne einer möglichst großen bun- desweiten Rechtseinheit viel Anlass geben sollte. Das gilt insbesondere für bisherige Regelungen zum Natur- schutz, der auch künftig eine hohe Priorität behalten muss. Ein wichtiges Thema für die Raumordnung sind „schrumpfende Regionen und Städte“, mit denen wir uns in Zukunft noch weit mehr als bisher angenommen aus- einandersetzen müssen. Vor dem Hintergrund des demo- grafischen Wandels ist in Deutschland – besonders in seinem östlichen Teil – ein weiterer Bevölkerungsrück- gang zu erwarten. Zugleich wächst die Zahl der älteren Menschen und ihrer Ansprüche an Wohnung und Versor- gung. Um adäquat auf diese zu erwartenden Veränderun- gen reagieren zu können, muss die Raumordnung für die einzelnen Länder flexible und damit durchaus unter- schiedliche Lösungsansätze zulassen. Diesem Grundsatz trägt das neue Gesetz Rechnung. Oberste Priorität in der Planung hat die Nachhaltig- keit. Es geht um das Schützen und Schonen natürlicher Ressourcen, damit die kommenden Generationen mög- lichst unbelastet von Sünden der – aus ihrer Sicht – Ver- gangenheit leben können. Nachhaltigkeit bedeutet im 19232 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 179. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. September 2008 (A) (C) (B) (D) Kern das Wahrnehmen von Zukunftsverantwortung, und zwar ganz genau in dem Sinne wie es der „Vater der Nachhaltigkeit“, der sächsische Forstmann Carl von Carlowitz 1713 – also vor nunmehr fast 300 Jahren – in seinem Werk Sylvicultura oeconomica, oder haußwirth- liche Nachricht und Naturmäßige Anweisung zur wilden Baum-Zucht formuliert hatte: Wird derhalben die größte Kunst/Wissenschaft/ Fleiß und Einrichtung hiesiger Lande darinnen be- ruhen / wie eine sothane Conservation und Anbau des Holtzes anzustellen / daß es eine continuierliche beständige und nachhaltende Nutzung gebe / weiln es eine unentberliche Sache ist / ohne welche das Land in seinem Esse nicht bleiben mag. Das Wort „Esse“ steht in diesem Zitat im heutigen Sprachgebrauch für Wesen oder Dasein. In diesem Zusammenhang ist auch anzumerken, dass ein vereinfachtes Raumordnungsverfahren nur dann möglich sein sollte, wenn keine erheblichen Umweltaus- wirkungen zu erwarten sind und keine Pflicht zum Durchführen einer FFH-Verträglichkeitsprüfung entspre- chend dem Bundesnaturschutzgesetz besteht. Allerdings sollte immer die Balance zwischen zu viel und zu wenig Regelung gewahrt werden. Ob das mit dem neuen Ge- setz gelingt, muss sich in der Praxis erweisen. In diesem Zusammenhang sollte uns eine Einschätzung des Publi- zisten Wolfgang Kil zu denken geben: Um viele, vor allem regional wirkende Schrump- fungsprobleme offensiv als fantasieforderndes poli- tisches Projekt anzugehen, hat sich ein Hinderungs- grund bislang als besonders hartnäckig erwiesen: Das im deutschen Raumordnungsgesetz und abge- wandelt sogar im Grundgesetz fixierte Gebot zur Gewährleistung gleichartiger anstatt gleichwertiger Lebensbedingungen im ganzen Land. Ein weiteres sehr wichtiges Anliegen der Linken ist das zugegebenermaßen schwierige Thema der „Flä- cheninanspruchnahme“ oder einfacher und deutlicher formuliert des Flächenverbrauchs. Wie aus einer aktuel- len Antwort der Bundesregierung auf eine Große An- frage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu Instru- menten zur Reduzierung des Flächenverbrauchs hervorgeht, soll der Flächenverbrauch in Deutschland bis 2020 auf 30 Hektar pro Tag gesenkt werden. 2006 betrug er 113 Hektar pro Tag. 30 Hektar pro Tag wären also schon eine deutliche Reduzierung, aber dennoch keineswegs ausreichend. Denn die wachsende oder zu- mindest nicht in genügendem Maße zurückgehende Zer- siedelung hat laut Umweltbundesamt Konsequenzen für Klimaschutz und Ressourcenschonung: Mehr Siedlungs- und Verkehrsflächen bedeuteten mehr Gebäude, die zum Beispiel gewartet, beheizt oder gekühlt werden müssten, weitere Entfernungen verursachten mehr Verkehr und ein höheres Fahrzeugaufkommen. Das absehbare Ergeb- nis seien höhere Treibhausgasemissionen sowie ein hö- herer Energie- und Materialverbrauch, so das Umwelt- bundesamt. Das unterstreicht den Zusammenhang von Raumordnung und Klimawandel. Es gilt auch hier, rechtzeitig zu reagieren. Gerade die Raumordnungspoli- tik hat im Sinne eines gesamtheitlichen Politikansatzes eine aktiv steuernde und koordinierende Rolle zu über- nehmen, wie es Bundesminister Wolfgang Tiefensee im April dieses Jahres zur Eröffnung der Ministerkonferenz in Stuttgart sagte. Diesen richtigen Worten müssen die richtigen Taten folgen. Im Übrigen muss nicht jede Straße, die einmal im Bundesverkehrswegeplan aufge- führt wird und für die theoretisch genügend Geld vor- handen wäre, tatsächlich auch gebaut werden. Ein wichtiger Aspekt der Novelle ist das frühzeitige und aktive Einbinden der zentralen Akteure. Vereine, Verbände und Bürger sind demnach nicht nur zu infor- mieren, sondern bereits zu einem frühen Zeitpunkt in die Planungen miteinzubeziehen. Das hat zwei Vorteile: Zum einen wird mehr gedanklicher Reichtum gesichert. Zum anderen wächst die Akzeptanz raumordnerischer Ideen und Entscheidungen. Es bleibt eine Aufgabe der Zukunft, nicht nur gesetz- liche Grundlagen zu schaffen, sondern diese durchaus positiven Absichten in praktische Politik umzuwandeln: Wie kann zum Beispiel der Bürgerwille bei komplexen Großvorhaben tatsächlich berücksichtigt werden? Wel- che Instrumente für eine erfolgreiche Kommunikation gibt es bereits? Welche müssten entwickelt, ausprobiert und weiterentwickelt werden? Es geht um nicht mehr, aber auch nicht weniger als um die demokratischen Rechte von Bürgerinnen und Bürgern sowie von Natur- schutzverbänden und Umweltschutzorganisationen. Es geht insbesondere in Ostdeutschland darum, immer wie- der den Ordnungsrahmen zu überprüfen, ob er denn genü- gend Kreativität und unternehmerischen Handlungsspiel- raum zulässt. Auch daran ist die Zukunftsverantwortung der Raumordnung zu messen. Peter Hettlich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Novellierung des Raumordnungsrechts steht seit langem an, einerseits formell, denn die Förderalismusreform er- fordert eine Neufassung des Gesetzes, andererseits in- haltlich, denn das Gesetz ist verstaubt und bedarf einer Modernisierung. Nach drei schwarz-roten Jahren befas- sen wir uns nun – kurz vor dem Ende der Legislatur- periode – mit der Neufassung des Raumordnungsgeset- zes. Das zeigt auch, welchen geringen Stellenwert die Raumplanung für diese Bundesregierung hat. Offenbar ist die Raumordnung für Schwarz-Rot ein ungeliebtes Stiefkind. Zunächst das Erfreuliche. Richtig ist, dass aktuelle Entwicklungen und sich daraus ableitende Handlungs- bedarfe im Gesetzentwurf berücksichtigt wurden. Die Raumplanung muss zum Klimaschutz beitragen; sie muss helfen, Energie zu sparen; sie muss auf die demo- grafische Entwicklung reagieren, den fortschreitenden Flächenverbrauch begrenzen, zum Lärmschutz beitra- gen. Ansätze für diese Zielrichtungen kann man im Ge- setzentwurf finden. Wichtig ist auch, dass künftig Raumordnungspläne des Bundes möglich sind. Diese Regelung ist längst überfällig; denn in zahlreichen Fachgebieten planen die Länder aneinander vorbei oder – schlimmer noch – kon- kurrieren miteinander, und das geht häufig auf Kosten ihrer Haushalte. Insbesondere im Infrastrukturbereich ist eine bundesweite Raumplanung dringend erforderlich; denn der Tellerrand, über den Landesregierungen bei- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 179. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. September 2008 19233 (A) (C) (B) (D) spielsweise bei Flughafenplanungen oder vielen überre- gionalen Fernverkehrsverbindungen blicken müssten, scheint häufig zu hoch. Die ohnehin notwendige Novellierung des Raumord- nungsgesetzes gibt die Möglichkeit zu zahlreichen wei- teren Klarstellungen und zeitgemäßen Regelungen. Schlaglichtartig will ich Punkte benennen, bei denen ich Änderungsbedarf sehe. Da kann ich gleich bei der eben angesprochenen Kompetenzzuweisung an Bund und Länder anknüpfen. Keiner Bürgerin und keinem Bürger, der von raumbe- deutsamen Maßnahmen betroffen ist, kann man erklären, dass sich die Transparenz von Planungen nach Landes- zugehörigkeit richtet. Warum kann beispielsweise ein Verkehrsprojekt in einem Bundesland ein Raumord- nungsverfahren erfordern und in einem anderen Bundes- land ein gleichartiges Vorhaben nicht? Oder warum kann in einem Bundesland ein Raumordnungsverfahren mit und im benachbarten Bundesland ohne Öffentlichkeits- beteiligung ablaufen? Die parallele Erarbeitung des Um- weltgesetzbuches sollte Anlass sein, diese beiden Ge- setze miteinander zu verzahnen. Mir fehlen im Gesetzentwurf die Ziele der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie. Das Raumordnungsgesetz ist beispielsweise hervorragend als Grundlage für eine Re- duzierung des täglichen Landschaftsverbrauches in Deutschland auf 30 Hektar geeignet. Ebenfalls vermisse ich in dem vorliegenden Gesetzentwurf die Konsequen- zen aus der Biodiversitätsstrategie. Warum werden bei- spielsweise nicht Biotopverbundsysteme – insbesondere das Netz Natura 2000 – im Gesetz als verbindliche Fest- legungen in Raumordnungsplänen benannt? Der Vergangenheit muss die Aufgabenstellung der Raumordnung angehören, „die räumlichen Vorausset- zungen für die Aufsuchung und Gewinnung von stand- ortgebundenen Rohstoffen“ zu schaffen; vergleiche § 2 Abs. 2 Nr. 3. Mit solchen Regelungen unterstützt die Raumordnung das bürgerferne und umweltunverträgli- che Bergrecht aus Kaiser- und Nazizeiten. Es wird Zeit, dass sich die Bundesregierung von solchen undemokrati- schen gesetzlichen Regelungen verabschiedet. Woran unser Planungsrecht im Allgemeinen krankt, ist die mangelnde Transparenz. Ein wertvoller Schritt in Richtung Transparenz wäre die obligatorische Beteili- gung von Naturschutz- und Umweltverbänden bei der Aufstellung von Raumordnungsplänen des Bundes. Sinnvoll wäre auch die Festlegung, dass diese Planwerke im Internet zur Verfügung gestellt werden. Ich begrüße, dass die Bundesregierung nun endlich einen Entwurf eines Gesetzes zur Raumordnung vorlegt; mir erscheint auch die Zielrichtung vieler Festlegungen richtig. Allerdings wünsche ich mir, dass die Bundesre- gierung nicht so halbherzig ans Werk geht und dass das zuständige Ministerium das Raumordnungsgesetz als Chance für eine ressortübergreifende Planungsgrundlage begreift. In diesem Sinne wird sich meine Fraktion in den folgenden Beratungen einbringen. Ulrich Kasparick, Parl. Staatssekretär beim Bundes- minister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Als Folge der Umsetzung der Föderalismusreform I im Jahre 2006 und vor dem Hintergrund der derzeitigen struktur- fördernden Herausforderungen, insbesondere hinsicht- lich des demografischen Wandels und des Klimawan- dels, soll das Raumordnungsgesetz neu gefasst werden. Im Zuge der Föderalismusreform wurde die Raumord- nung in den neu geschaffenen Kompetenztyp einer (um- fassenden) konkurrierenden Gesetzgebung mit Abwei- chungsmöglichkeit der Länder überführt. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf zum Raumordnungsrecht wird somit gesetzgeberisches Neuland betreten. Um trotz des Abweichungsrechts der Länder die Rechtsein- heit möglichst zu wahren, zielt der Gesetzentwurf auf eine Balance zwischen der Regelung weitgehender bun- deseinheitlicher Standards und der gesetzgeberischen Zurückhaltung des Bundes hinsichtlich landesspezifi- scher Besonderheiten. Inhaltliche Schwerpunkte und Zielsetzungen der Ge- setzesnovellierung sind: Erstens. Die bewährten Regelungen des geltenden Raumordnungsgesetzes werden übernommen. Dies gilt insbesondere für das klassische Instrument der Raum- ordnung, den Raumordnungsplan. Damit besteht auch weiterhin die rechtliche Grundlage für eine effiziente raumordnerische Steuerung von aktuell und zukünftig sensiblen raumwirksamen Projekten wie zum Beispiel Factory-Outlet-Centern oder Windenergieanlagen. Zweitens. Praktischen Erfahrungen mit dem gelten- den Raumordnungsrecht wird Rechnung getragen. Stich- worte sind hier Rechtsvereinfachung und Deregulierung. Drittens. Die gesetzlichen Grundsätze der Raumord- nung werden aktualisiert: Der demografische Wandel wird berücksichtig. Die interkommunale Zusammenar- beit wird gestärkt. Die Erhaltung der Innenstädte wird betont. Erstmalig wird der Schutz kritischer Infrastruktu- ren in das Raumordnungsgesetz aufgenommen. Die Wiedernutzung von Flächen und die Reduzierung der Flächeninanspruchnahme sind ebenfalls wichtige Anlie- gen des neuen Gesetzes. Zudem werden die Erforder- nisse des Klimaschutzes berücksichtigt. Die bisherigen Grundsätze für den ländlichen Raum sowie für die Land- und Forstwirtschaft werden in die Grundsätze für Raum- strukturen, Infrastrukturen, Wirtschaft, Kulturlandschaf- ten und Umwelt/Klimaschutz integriert. Viertens: Die Regelungen über die Planerhaltung werden präzisiert. Dies ist ein Beitrag zur Rechtssicher- heit von Raumordnungsplänen. Fünftens: Die Regelungen über den Planungs- und Koordinierungsauftrag des Bundes werden ergänzt. Da- mit kann den neuen Herausforderungen an die Raumord- nung durch länderübergreifende und europäische Ent- wicklungen begegnet werden. Bei der Raumordnung des Bundes sieht § 17 Abs. l des Gesetzes – gewissermaßen als Service für die Länder – die Möglichkeit vor, die ge- setzlichen Grundsätze auch in Raumordnungsplänen zu konkretisieren. Der nachfolgende Absatz 2 ermöglicht dem Bund, Raumordnungspläne als Beitrag für eine integrierte Ver- kehrsplanung aufzustellen, die den Bund binden sollen (A) (C) (B) (D) und länderübergreifende Standortkonzepte für Häfen und Flughäfen als Grundlage für deren Anbindung, das heißt Erschließung mit Bundesverkehrswegen darstel- len. § 17 Abs. 3 stellt die gesetzliche Grundlage dar, um den auch im Integrierten Energie- und Klimaprogramm (IEKP) der Bundesregierung angesprochenen Plan zur Raumordnung in Nord- und Ostsee, in der sogenannten ausschließlichen Wirtschaftszone Deutschlands, aufzu- stellen. Der Gesetzentwurf wurde in enger Abstimmung mit den für die Raumordnung zuständigen Landesministe- rien und den kommunalen Spitzenverbänden entwickelt. Zudem wird der Gesetzentwurf im Rahmen eines beglei- tenden Planspiels von sieben Landes- und Regionalpla- nungen aus allen Teilen Deutschlands auf seine Praxis- tauglichkeit, insbesondere hinsichtlich der Verzahnung mit dem bestehenden Verfahrens- und Organisations- recht der Länder, überprüft. sellschaft mbH, Amsterdamer Str. 19 19234 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 179. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. September 2008 nd 91, 1 2, 0, T 22 179. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 25. September 2008 Inhalt: Redetext Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4 Anlage 5 Anlage 6 Anlage 7 Anlage 8 Anlage 9 Anlage 10 Anlage 11 Anlage 12 Anlage 13 Anlage 14 Anlage 15
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Brigitte Pothmer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich

    finde den Ansatz dieses Gesetzentwurfes richtig. Be-
    schäftigte brauchen mehr Zeitsouveränität. Das wird üb-
    rigens dann besonders wichtig sein, wenn wir endlich
    ernsthaft darangehen, Frauen stärker in den Arbeits-
    markt zu integrieren.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Wir wissen, dass Frauen nicht bereit sind, zu jeden
    Bedingungen, die Männer geschaffen haben, in den Ar-
    beitsmarkt einzutreten.


    (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Es gibt auch weibliche Chefs!)


    Deswegen brauchen wir dringend eine größere Zeitsou-
    veränität. Flexibilität darf keine Einbahnstraße zulasten
    der Beschäftigten sein.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Sie haben hier einen Gesetzentwurf vorgelegt und sa-
    gen, dass Sie in diesem Bereich mehr Rechtssicherheit
    erreichen wollen. Ich finde, dass Sie das hinsichtlich ho-
    her Zeitwertguthaben tatsächlich auch schaffen, während
    dies für niedrige Zeitwertguthaben aber eben nicht der
    Fall ist. Nach Ihren Vorschlägen bleiben wir also bei der
    heutigen Situation, nämlich einer, wenn Sie so wollen,
    Klassengesellschaft bei den Langzeitarbeitskonten.


    (Wolfgang Meckelburg [CDU/CSU]: Nein, sie haben eine andere Funktion!)


    Ihre Vorstellung ist, dass nur die Zeitguthaben vor ei-
    ner Insolvenz geschützt sind, die einen Wert von unge-
    fähr 7 455 Euro überschreiten und zugleich einen Aus-
    gleichszeitraum von mindestens 27 Monaten umfassen.
    Warum ist das Geld unterhalb dieser Größenordnung,
    das die Menschen eingezahlt haben, eigentlich nicht
    schützenswert?


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Hüseyin-Kenan Aydin [DIE LINKE])


    Warum ist nicht auch das Geld schützenswert, das einen
    Ausgleichszeitraum von 27 Monaten nicht umfasst?






    (A) (C)



    (B) (D)


    Brigitte Pothmer
    Glauben Sie wirklich, dass eine erquickliche Zahl von
    Beschäftigten dieses Risiko eingeht und sich damit ab-
    findet, dass das Geld bis zu dieser Größenordnung nicht
    geschützt ist? Das muss man doch erst einmal angespart
    haben.

    Wenn die Menschen zum Beispiel für eine Fort- und
    Weiterbildung Geld ansparen, dann bleiben sie eigent-
    lich immer unterhalb dieser Größenordnung. Diese
    Wertguthaben sind nach wie vor ungeschützt. Das kön-
    nen Sie eigentlich nicht wirklich vertreten wollen. Das
    ist keine qualitative Verbesserung im Vergleich zur Ist-
    situation.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Das WSI geht davon aus, dass ein Viertel aller Wert-
    guthaben weiterhin ungeschützt bleiben wird. Ich
    glaube, dadurch wird sich die Gruppe derjenigen, die
    sich an diesem Projekt beteiligen, erheblich minimieren.
    Das Geld derjenigen, die diese hohen Hürden überwun-
    den haben, ist zwar im Prinzip insolvenzgeschützt, aber
    auch für sie wird es im Falle einer Insolvenz nicht leicht
    sein, dieses Geld aus dem insolventen Betrieb tatsäch-
    lich auch herauszuholen.

    Wenn ein Arbeitgeber dieses Geld nicht hinreichend
    schützt, dann gibt es keine Sanktionsmöglichkeiten ge-
    gen ihn; das hat keine Konsequenzen, außer der Tatsa-
    che, dass das Konto aufgelöst wird.


    (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Volle Haftung!)


    Im positiven Falle erhält die Person das Geld möglicher-
    weise zurück, aber mit ihren Planungen hinsichtlich ei-
    ner Weiterbildung, einer Auszeit für die Familie oder ei-
    nes Sabbatjahrs etc. ist es vorbei. Sie hat eben Pech
    gehabt.


    (Beifall der Abg. Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Wolfgang Grotthaus [SPD]: Ja, wenn der Arbeitgeber pleite ist!)


    Ich will Ihnen einmal sagen, für wen dieses Konto
    wirklich etwas bringt – damit zeigt sich auch, für welche
    Gruppe Sie Politik machen –: Dieses Konto ist etwas für
    den Facharbeiter, der lange Zeit in einem Betrieb war
    – zum Beispiel bei Mercedes-Benz – und dieses Wert-
    guthaben bzw. Zeitguthaben anlegt, um den Übergang in
    den Ruhestand zu gestalten. Für ihn machen Sie Politik.


    (Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer hat, dem wird gegeben!)


    Eine junge Frau, die zum Beispiel ihren Arbeitgeber
    mehrfach wechselt – wir alle wissen, dass sich das Ar-
    beitsleben insoweit geändert hat, als dass man den
    Arbeitgeber im Regelfall häufiger wechselt –, deren Ar-
    beitgeber nicht damit einverstanden ist, dieses Wertgut-
    haben zu übernehmen, und die eigentlich geplant hatte,
    zum Beispiel die Familienphase – die sogenannte Rush-
    hour des Lebens – ein bisschen zu entzerren, steht ge-
    nauso wie vorher da. Das ist wirklich eine Politik für
    männliche Facharbeiter.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Wir wollen eine echte Übertragbarkeit bei Arbeitge-
    berwechsel, und wir wollen auch, dass die Ansprüche
    bei Freistellungen tatsächlich realisiert werden können.

    Ich hoffe, dass wir in den Ausschussberatungen noch
    ein bisschen nachlegen und das noch ein wenig verbes-
    sern können. In der Sache müssen wir einfach weiter vo-
    rankommen, als dieser Gesetzentwurf vorsieht.

    Ich danke Ihnen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)




Rede von Dr. h.c. Susanne Kastner
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

Für die SPD-Fraktion gebe ich dem Kollegen

Wolfgang Grotthaus das Wort.


(Beifall der Abg. Gabriele Hiller-Ohm [SPD])



  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Wolfgang Grotthaus


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)


    Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

    Herren! Der eingebrachte Gesetzentwurf ist schon al-
    leine deswegen gut, weil wir uns schon vor der ersten
    Beratung sehr intensiv mit den Details beschäftigt ha-
    ben.

    Lassen Sie mich zunächst von meinem Redekonzept
    abgehen. Ich möchte einiges aus meiner Sicht klarstel-
    len, der ich ungefähr 16 Jahre mit Flexikonten in Gleit-
    zeit gearbeitet habe. Erstens ist tatsächlich richtig, Frau
    Pothmer,


    (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Im Dienst!)


    dass über eine Betriebsvereinbarung geregelt werden
    kann, dass im Falle der Überschreitung der in der Be-
    triebsvereinbarung vorgegebenen Arbeitszeit – in unse-
    rem Fall waren es zehn Stunden – der Überhang einem
    Langzeitarbeitskonto zugeführt werden kann.


    (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In welchem Betrieb waren Sie Betriebsrat, Herr Grotthaus?)


    Das ist aber von Betrieb zu Betrieb unterschiedlich.

    Wir können eine solche Regelung nicht in den Ge-
    setzentwurf aufnehmen; es ist andernorts zu regeln. Die
    IG BCE hat das schon in Tarifverhandlungen umgesetzt
    und entsprechende Richtlinien festgesetzt, sodass wir die
    Flexibilität der Tarifvertragsparteien ruhig einfordern
    können.

    Zweitens. Ich finde es an den Haaren herbeigezogen,
    wenn Frau Dr. Höll fragt, wie mit den ALG-II-Empfän-
    gern verfahren wird.


    (Wolfgang Meckelburg [CDU/CSU]: Das ist wohl wahr!)


    Zunächst einmal erhält man ALG I.


    (Dr. Barbara Höll [DIE LINKE]: Ja!)


    Ich unterstelle einmal, dass ein ALG-I-Empfänger mit
    einer vernünftigen Ratio, der über ein entsprechendes
    Guthaben mit geldwerten Vorteilen verfügt und die
    Hoffnung hat, innerhalb der nächsten drei bis vier Mo-






    (A) (C)



    (B) (D)


    Wolfgang Grotthaus
    nate wieder in Arbeit zu kommen, bereit ist, zunächst auf
    sein Konto zurückzugreifen, um keine sozialen Einbu-
    ßen zu erleiden.

    Sie gehen im Übrigen davon aus, dass er während des
    Bezugs von ALG I weiterhin nicht auf das Konto zu-
    rückgreift und insofern bewusst die sozialen Einbußen in
    Kauf nimmt. Das widerspricht meinen Erfahrungen mit
    der Reaktion von Menschen, die auf einmal weniger
    Geld zur Verfügung haben als während ihrer Berufstätig-
    keit.


    (Volker Schneider [Saarbrücken] [DIE LINKE]: Weil ich vielleicht Rentenkürzungen vermeiden will! Das ist doch nicht so schwer zu verstehen!)