Wolfgang Nešković
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 173. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. Juni 2008 18517
(A) )
(B) )
für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver-
sammlung des EuroparatesJohannes
*
Dr. Jung, Franz Josef CDU/CSU 27.06.2008
Jung (Karlsruhe), SPD 27.06.2008
Anlage 1
Liste der entschuldigt
Abgeordnete(r)
entschuldigt bis
einschließlich
Aigner, Ilse CDU/CSU 27.06.2008
Dr. Akgün, Lale SPD 27.06.2008
Andres, Gerd SPD 27.06.2008
Barnett, Doris SPD 27.06.2008*
Dr. Bartsch, Dietmar DIE LINKE 27.06.2008
Behm, Cornelia BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
27.06.2008
Bodewig, Kurt SPD 27.06.2008
Bollen, Clemens SPD 27.06.2008
Dr. Däubler-Gmelin,
Herta
SPD 27.06.2008*
Deittert, Hubert CDU/CSU 27.06.2008*
Dörmann, Martin SPD 27.06.2008
Ferner, Elke SPD 27.06.2008
Fischer (Karlsruhe-
Land), Axel E.
CDU/CSU 27.06.2008*
Dr. Gerhardt, Wolfgang FDP 27.06.2008
Gerster, Martin SPD 27.06.2008
Göring-Eckardt, Katrin BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
27.06.2008
Hänsel, Heike DIE LINKE 27.06.2008
Haibach, Holger CDU/CSU 27.06.2008*
Dr. Hemker, Reinhold SPD 27.06.2008
Hintze, Peter CDU/CSU 27.06.2008
Hinz (Essen), Petra SPD 27.06.2008
Hoppe, Thilo BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
27.06.2008
Ibrügger, Lothar SPD 27.06.2008
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Anlagen zum Stenografischen Bericht
en Abgeordneten
auch, Michael FDP 27.06.2008
orte, Jan DIE LINKE 27.06.2008
r. Kues, Hermann CDU/CSU 27.06.2008
afontaine, Oskar DIE LINKE 27.06.2008
ips, Patricia CDU/CSU 27.06.2008
eierhofer, Horst FDP 27.06.2008
üntefering, Franz SPD 27.06.2008
itzsche, Henry fraktionslos 27.06.2008
aidel, Hans CDU/CSU 27.06.2008
amelow, Bodo DIE LINKE 27.06.2008
auen, Peter CDU/CSU 27.06.2008
upprecht
(Tuchenbach),
Marlene
SPD 27.06.2008
charfenberg, Elisabeth BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
27.06.2008
r. Scheer, Hermann SPD 27.06.2008
chily, Otto SPD 27.06.2008
chmidbauer, Bernd CDU/CSU 27.06.2008
r. Schui, Herbert DIE LINKE 27.06.2008
r. Schwanholz, Martin SPD 27.06.2008
eib, Marion CDU/CSU 27.06.2008
töckel, Rolf SPD 27.06.2008
hiele, Carl-Ludwig FDP 27.06.2008
r. Wiefelspütz, Dieter SPD 27.06.2008
immer (Neuss), Willy CDU/CSU 27.06.2008
eil, Martin FDP 27.06.2008
bgeordnete(r)
entschuldigt bis
einschließlich
18518 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 173. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. Juni 2008
(A) )
(B) )
Anlage 2
Erklärung nach § 31 GO
des Abgeordneten Dr. Peter Jahr (CDU/CSU)
zur Abstimmung über den Entwurf eines Geset-
zes zur Modernisierung der Rahmenbedingun-
gen für Kapitalbeteiligungen (MoRaKG) (Ta-
gesordnungspunkt 37 a)
Am Freitag, dem 27. Juni, werde ich dem von der
Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes
zur Begrenzung der mit Finanzinvestitionen verbunde-
nen Risiken (Risikobegrenzungsgesetz) zustimmen.
Ich begrüße die im Risikobegrenzungsgesetz getroffe-
nen Maßnahmen im Bereich der Kreditverkäufe. In den
Verhandlungen ist es gelungen, die Kreditnehmer besser
vor der Veräußerung ihrer Kredite zu schützen. Banken
müssen nun bereits vor dem Abschluss eines Vertrages
den Verbraucher durch deutliche Hinweise über die Ab-
tretbarkeit des Immobilienkreditvertrages informieren.
Zudem sind künftig auch Regelungen in den AGBs un-
wirksam, in denen der Kreditnehmer dem Wechsel des
Vertragspartners im Vorhinein zustimmt. Ist eine Aus-
wechselung des Vertragspartners nach den gesetzlichen
Bestimmungen noch möglich, muss der Verbraucher
darüber sofort unterrichtet werden. Abschließend ist eine
Kündigung des Vertrages nunmehr erst dann möglich,
wenn der Kreditnehmer mit mindestes 2,5 Prozent der
Darlehenssumme und zwei aufeinanderfolgenden Raten
im Rückstand ist.
Gleichwohl hätte ich mir auch Verbesserungen im Be-
reich des außerordentlichen Kündigungsrechtes gewünscht.
Bei Änderung der persönlichen Vermögensverhältnisse
oder bei Wertverlust der Sicherheit – ein Sachverhalt, der
im Immobiliensektor in den neuen Bundesländern eher
zur Normalität gehören dürfte – kann die Bank den Im-
mobilienkredit auch dann kündigen, wenn der Verbrau-
cher nicht mit seiner Ratenzahlung im Verzug ist. Solange
der Kreditnehmer aber seinen Zahlungsverpflichtungen
ordnungsgemäß nachkommt, sollte keine Kündigungs-
möglichkeit bestehen. Hier sind weitere Maßnahmen zur
Änderung der bestehenden Vorschrift dringend notwen-
dig.
Trotz meiner Bedenken werde ich dem Gesetzentwurf
zustimmen, da es im Gesamtbild gelungen ist, einen
Kompromiss zu finden, der die Transparenz bei Verkäu-
fen von Krediten erhöht und die Rechte der Verbraucher
stärkt.
Anlage 3
Erklärungen nach § 31 GO
zur Abstimmung über den Entwurf eines Vier-
ten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches
Sozialgesetzbuch (Tagesordnungspunkt 39 a)
Ingbert Liebing (CDU/CSU): Dem Entwurf eines
Vierten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches So-
zialgesetzbuch stimme ich nicht zu.
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Ich erkenne an, dass der vorliegende Gesetzentwurf
estandteil einer Paketlösung des Vermittlungsausschus-
es ist, mit der zugleich das Wohngeld angehoben und
ie Bundesleistungen für die Grundsicherung im Alter,
ozialgesetzbuch XII, dynamisiert auf angemessenem
iveau gesichert wird. Diese beiden Regelungen sind
einer Auffassung nach sachlich richtig und gewährleis-
en auch die kommunale Interessenlage. Die Anhebung
es Wohngeldes führt dazu, dass circa 80 000 Personen
eniger auf den Bezug von Arbeitslosengeld II angewie-
en sein werden. Die Neuregelung für die Grundsiche-
ung im Alter gewährleistet eine angemessene Bundes-
eteiligung an dieser kommunalen Aufgabe.
Diese beiden Regelungen waren offenkundig im Ver-
ittlungsverfahren nur unter der Voraussetzung durch-
etzbar, dass mit dem jetzt vorliegenden Vierten Gesetz
ur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch der
ktuelle Beteiligungssatz des Bundes an den Kosten der
nterkunft für Bezieher von Arbeitslosengeld II über
010 hinaus auf Dauer festgeschrieben wird. Die aktu-
lle Bundesbeteiligung ist im vergangenen Jahr auf den
aßstab der Zahl der Bedarfsgemeinschaften umgestellt
orden, nachdem zuvor die Gesamtkosten der Unter-
unft Bemessungsgrundlage gewesen waren. Diese Um-
tellung ist im vergangenen Jahr gegen den Protest der
undesländer und der Kommunen nur unter der Maß-
abe erfolgt, dass im Jahr 2010 eine Überprüfung dieses
aßstabes erfolgt. Bereits im Jahr 2008 ist erkennbar,
ass trotz sinkender Bedarfsgemeinschaften die Kosten
er Unterkunft steigen. Dies liegt insbesondere an den
eutlich gestiegenen Energiekosten.
Es ist erkennbar, dass sich diese Entwicklung auf ab-
ehbare Zeit fortsetzen wird. Damit tragen die Kommu-
en alleine das Risiko der Kostenentwicklung bei den
osten der Unterkunft. Der Grundsatz einer fairen Las-
enverteilung und die Zielsetzung, die Kommunen bun-
esweit um 2,5 Milliarden Euro zu entlasten, die bei der
rsprungsbeschlussfassung zum SGB II zugrunde lagen,
erden damit verletzt. In der Gesamtgrößenordnung
bernehmen die Kommunen damit ein finanzielles Ri-
iko, das in der Größenordnung erkennbar über den Vor-
eilen liegt, die die Kommunen aus der Neuregelung des
ohngeldrechtes und der Änderung von SGB XII zie-
en. Im Ergebnis bedeutet das Gesamtpaket eine dauer-
afte finanzielle Belastung der kommunalen Ebene, der
ch nicht zustimmen kann.
Jörg Rohde (FDP): Dem Gesetz zur Entfristung der
egelung zur Fortschreibung der Höhe der Bundesbetei-
igung an den Kosten der Unterkunft nach § 46 SGB II
ann ich entgegen dem Votum meiner Fraktion nicht zu-
timmen und enthalte mich daher der Stimme.
Die Zahl der Bedarfsgemeinschaften allein als Be-
echnungsgrundlage für die Höhe des Bundeszuschusses
reift zu kurz. Stattdessen müssten die tatsächlichen KdU-
osten als Berechnungsgrundlage verwendet werden.
Auch wenn durch die Entfristung nun eine gewisse
lanungssicherheit für alle Beteiligten gegeben ist, hätte
an noch weitere Erfahrungen mit dem derzeit gültigen
chlüssel sammeln können. Meines Erachtens hätte sich
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 173. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. Juni 2008 18519
(A) )
(B) )
dann gezeigt, dass sich der Verteilungsschlüssel an den
tatsächlichen Kosten der Unterkunft orientieren müsste.
Anlage 4
Erklärungen nach § 31 GO
zur Abstimmung über die Beschlussempfeh-
lung zu dem Gesetz zur Neuregelung des
Wohngeldrechts und zur Änderung anderer
wohnungsrechtlicher Vorschriften (Tagesord-
nungspunkt 39 b)
Ulrike Flach (FDP): Es ist aus meiner Sicht nicht ak-
zeptabel, dass das Gesetz zur Entfristung der Regelung
zur Fortschreibung der Höhe der Bundesbeteiligung an
den Kosten der Unterkunft nach § 46 SGB II ohne aus-
führliche parlamentarische Beratung und Diskussion
binnen Wochenfrist durchgewinkt werden soll.
Als Berechnungsgrundlage für die Höhe des Bundes-
zuschusses lediglich die Zahl der Bedarfsgemeinschaf-
ten zugrunde zu legen, greift meines Erachtens zu kurz.
Die Einbeziehung der tatsächlichen Kosten zur Berech-
nung des Bundeszuschusses wird damit verhindert. Ich
befürchte, dass die Kommunen durch steigende Energie-
und Nebenkosten für Wohnung und Unterkunft in Zu-
kunft stärker belastet werden und das Risiko hierfür tra-
gen. Insgesamt sind die finanziellen Risiken des Geset-
zes derzeit für keine Gebietskörperschaft absehbar.
Diese gesetzliche Regelung wurde übers Knie gebro-
chen. Ich denke, dass man mit einer ausführlicheren Be-
ratung des Themas zu einem anderen Ergebnis gekom-
men wäre. Ich werde das Gesetz deshalb ablehnen.
Otto Fricke (FDP): Das Vorgehen zur Beschlussfas-
sung über diesen Gesetzentwurf mag formal verfas-
sungsrechtlichen Anforderungen gerade noch genügen.
Letztlich wird jedoch der Bundestag als Gesetzgeber nur
noch zum Vollstreckungsorgan parteipolitischer Abspra-
chen von Bund und Ländern.
Es ist aus meiner Sicht nicht akzeptabel, dass das Ge-
setz zur Entfristung der Regelung zur Fortschreibung der
Höhe der Bundesbeteiligung an den Kosten der Unter-
kunft nach § 46 SGB II ohne ausführliche parlamentari-
sche Beratung und Diskussion binnen Wochenfrist durch-
gewinkt werden soll.
Als Berechnungsgrundlage für die Höhe des Bundes-
zuschusses lediglich die Zahl der Bedarfsgemeinschaf-
ten zugrunde zu legen, greift meines Erachtens zu kurz.
Die Einbeziehung der tatsächlichen Kosten zur Berech-
nung des Bundeszuschusses wird damit verhindert. Ins-
gesamt sind die finanziellen Risiken des Gesetzes derzeit
für keine Gebietskörperschaft absehbar.
Diese gesetzliche Regelung wurde übers Knie gebro-
chen. Ich denke, dass man mit einer ausführlicheren Be-
ratung des Themas zu einem besseren Ergebnis gekom-
men wäre. Die Belastungen für den Bundeshaushalt
werden dadurch in Zukunft noch unabwägbarer. Eine ver-
nünftige Finanzplanung wird weiter verunmöglicht und
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ie Vermischung von Kostenträgern bei Sozialstaatsaus-
aben weiter verschlimmert. Daher lehne ich das Gesetz
b.
Jürgen Koppelin (FDP): Es ist aus meiner Sicht
icht akzeptabel, dass das Gesetz zur Entfristung der Re-
elung zur Fortschreibung der Höhe der Bundesbeteili-
ung an den Kosten der Unterkunft nach § 46 SGB II
hne ausführliche parlamentarische Beratung und Dis-
ussion binnen Wochenfrist durchgewinkt werden soll.
Als Berechnungsgrundlage für die Höhe des Bundes-
uschusses lediglich die Zahl der Bedarfsgemeinschaf-
en zugrunde zu legen, greift meines Erachtens zu kurz.
ie Einbeziehung der tatsächlichen Kosten zur Berech-
ung des Bundeszuschusses wird damit verhindert. Ich
efürchte, dass die Kommunen durch steigende Energie-
nd Nebenkosten für Wohnung und Unterkunft in Zu-
unft stärker belastet werden und das Risiko hierfür tra-
en. Insgesamt sind die finanziellen Risiken des Geset-
es derzeit für keine Gebietskörperschaft absehbar.
Diese gesetzliche Regelung wurde übers Knie gebro-
hen. Ich denke, dass man mit einer ausführlicheren Be-
atung des Themas zu einem anderen Ergebnis gekom-
en wäre. Ich werde das Gesetz deshalb ablehnen.
Volker Kröning (SPD): Mit Bedauern kann ich der
mpfehlung, obgleich ich der Änderung des Wohngeld-
echts zustimme, aus rechtlichen Gründen nicht zustim-
en.
Meine Bedenken gehen aus einer schriftlichen An-
rage an die Bundesregierung im Juni 2008 hervor; sie
erden durch die Antwort der Bundesregierung vom
6. Juni 2008 nicht ausgeräumt, Arbeitsnummer 6/147.
Gegenstand des Vermittlungsverfahrens und des zu-
rundeliegenden Gesetzgebungsverfahrens war der Ge-
etzentwurf auf Bundestagsdrucksache 16/6542, den die
ntwort zitiert, nicht; dies ergibt sich bereits aus der
ezugnahme der Beschlussempfehlung allein auf den
esetzentwurf auf Bundestagsdrucksache 16/6543.
Die Ausdehnung des Gegenstandes der Gesetzgebung
urch den Vermittlungsausschuss wird nicht durch „in-
altliche und zeitliche Zusammenhänge zweier Gesetz-
ebungsverfahren“ gerechtfertigt, wie die Antwort der
undesregierung sagt. Die Antwort geht mit keinem
ort auf die verfassungsrechtlichen Anforderungen an
ie Rechtmäßigkeit eines Vermittlungsverfahrens ein,
ie das Bundesverfassungsgericht zuletzt am 15. Januar
008 gestellt hat. Nebenbei: nach Einleitung der beiden
esetzgebungsverfahren, jedoch vor der abschließen-
en Befassung der Ausschüsse des Deutschen Bundes-
ags.
Nicht nur formal, sondern auch inhaltlich geht die
ntwort der Bundesregierung fehl: Der zweiten Be-
chlussempfehlung und dem zweiten Bericht des Aus-
chusses für Verkehr-, Bau und Stadtentwicklung, auf
en sich die Antwort bezieht, liegt ebenfalls nur der Ge-
etzentwurf auf Drucksache 16/6543 zugrunde, ebenso
em Bericht des Haushaltsausschusses nach § 96 der Ge-
18520 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 173. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. Juni 2008
(A) )
(B) )
schäftsordnung des Deutschen Bundestages, auf den die
Antwort überhaupt nicht eingeht.
Damit bleiben auch die erheblichen zusätzlichen Kos-
ten, die das Vermittlungsverfahren und eine Zustimmung
von Bundestag – und Bundesrat – auslösen, verdeckt;
nach internen Berechnungen belaufen sie sich im mittel-
fristigen Planungszeitraum auf dreiviertel, langfristig auf
beinahe 3 Milliarden Euro.
Im Übrigen ist das Vermittlungsverfahren verfas-
sungspolitisch bedenklich: Bund und Länder verhandeln
zurzeit über die Neuordnung der Bund-Länder-Finanz-
beziehungen, vor allem kurzfristig über eine strikte Be-
grenzung der Kreditaufnahme und langfristig über eine
Reduzierung der Schulden des Gesamtstaates. Zu dieser
Situation und vor diesem Hintergrund bleibt die Frage
nach einer Interessenwahrung durch faires Geben und
Nehmen unbeantwortet.
Dr. Norbert Röttgen (CDU/CSU): Für die Koali-
tionsfraktionen mache ich darauf aufmerksam, dass in
den abschließenden Verhandlungen des Vermittlungs-
ausschusses am 18. Juni 2008 folgende Protokollerklä-
rung vereinbart worden ist:
„1. Bundesregierung und Länder stimmen darin über-
ein, dass die Regelung zur Fortschreibung der Höhe der
Bundesbeteiligung an den Kosten der Unterkunft nach
§ 46 SGB II entfristet wird (Änderung in § 46 SGB II: In
Absatz 8 Satz 1 wird der Teilsatz ,letztmalig für das Jahr
2010‘ gestrichen und Absatz 9 wird aufgehoben). Die
Anpassungsformel zur jährlichen Bestimmung der Be-
teiligungsquote bleibt darüber hinaus unverändert erhal-
ten. Die Länder nehmen die Auffassung des Bundes zur
Kenntnis, dass die sich danach ergebende jährliche Fest-
setzung der Beteiligungsquote durch ein zustimmungs-
freies Bundesgesetz erfolgt. Nachverhandlungen über
die Höhe der Beteiligungsquote sind ausgeschlossen.
Die Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen an
die ostdeutschen Länder (§ 11 Abs. 3a FAG) werden
dem Grunde nach aufrechterhalten. Diese Leistungen
werden seit der Einführung des Arbeitslosengeldes II als
Ausgleich für Sonderlasten durch die höhere strukturelle
Arbeitslosigkeit und die daraus entstehenden überpro-
portionalen Lasten der ostdeutschen Länder bei der Zu-
sammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe
gewährt. Weil eine grundlegende Änderung auch in Zu-
kunft nicht zu erwarten ist, werden die Sonderlasten der
ostdeutschen Länder fortbestehen. Deshalb wird die bis
2010 vorgesehene Befristung aufgehoben und analog zu
den Regelungen der Sonderbedarfs-Bundesergänzungs-
zuweisungen für Kosten politischer Führung durch eine
regelmäßige Überprüfung der Höhe der Zuweisungen er-
setzt. Parallel dazu wird auch die Befristung des korres-
pondierenden Festbetrages im Rahmen der Umsatzsteuer-
verteilung in Höhe von derzeit 1 Milliarde Euro zugunsten
des Bundes aufgehoben. Der Festbetrag soll auch weiter-
hin der Höhe nach den nach § 11 Abs. 3a FAG geleiste-
ten Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen entspre-
chen.
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2. Bundesregierung und Länder stimmen überein,
ass Alterseinkünfte, weiterhin in vollem Umfang auf
eistungen der Grundsicherung im Alter und bei Er-
erbsminderung angerechnet werden. Dies gilt insbe-
ondere für Alterseinkünfte aus einer steuerlich geför-
erten zusätzlichen Altersvorsorge in Form von Riester-
erträgen.“
nlage 5
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur
Neuregelung des Schornsteinfegerwesens (Ta-
gesordnungspunkt 42)
Lena Strothmann (CDU/CSU): „Schwarz sehen“
ann offensichtlich positiv sein. Das Schornsteinfeger-
andwerk hat eine Zukunft. Es herrscht jetzt endlich
larheit, was sich verändern wird. Der Schwebezustand
at sechs Jahre gedauert, und ich bin froh, dass wir heute
um Ende kommen.
Die Fachkompetenz der Schornsteinfeger als Sicher-
eits-, Umwelt- und Energieexperten – gerade im Zu-
ammenhang mit unseren ehrgeizigen Klima- und Um-
eltschutzzielen – ist nach wie vor unverzichtbar. Durch
echnische Entwicklungen und auch durch einen sich
erändernden Energiebedarf eröffnen sich permanent
eitere Betätigungsfelder für das Schornsteinfegerhand-
erk. Der Beruf ist hochmodern und anspruchsvoll.
Das Gesetz zur Neuregelung des Schornsteinfeger-
esens betrifft nicht nur das Schornsteinfegerhandwerk.
etroffen sind auch die Verbraucher, die Haus- und
rundeigentümer und andere Gewerke. Insbesondere
as Sanitär-Heizung-Klima-Handwerk hat reges Inte-
esse an dem Entwurf gezeigt, wie wir alle an den zahl-
eichen Zuschriften aus diesem Bereich erkennen konnten.
s bestanden hier durchaus gegensätzliche Ansichten
ber die Reform. Es gab ausführliche Gespräche und
iele praxisgerechte Vorschläge und – auch das gehört
azu – teilweise überzogene Forderungen. In der Anhö-
ung wurden alle Standpunkte noch einmal vorgetragen.
s gab übrigens überwiegend Zuspruch und Bestätigung
onseiten der Sachverständigen zum Gesetzentwurf der
undesregierung; das sollte auch einmal gesagt werden.
Der Änderungsantrag, den wir heute vorlegen, stellt
ine Chance für die zwei betroffenen Gewerke dar und
ntspricht den europarechtlichen Rahmenbedingungen.
ie EU-Kommission hat das bestehende Schornstein-
egermonopol im Widerspruch zur Dienstleistungsfrei-
eit gesehen. Es war in diesem Zusammenhang vonsei-
en der Fraktion Die Linke unseriös, dem Handwerk
offnungen zu machen, dass der EuGH bezüglich des
eltenden Schornsteinfegergesetzes eine grundlegend an-
ere Rechtsauffassung vertreten würde als die Kommis-
ion. Das ist populistisch und den Betroffenen gegen-
ber auch extrem unfair.
Der Gesetzentwurf, auch in der ursprünglichen Fas-
ung, gab Antworten und Perspektiven in zweierlei Hin-
icht. Zum einen gibt es dem traditionsreichen Schorn-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 173. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. Juni 2008 18521
(A) )
(B) )
steinfegerhandwerk eine Basis. Die Schornsteinfeger
können damit unter veränderten bzw. unter für sie gänz-
lich neuen Wettbewerbsbedingungen agieren. Aber, und
das ist ausdrückliches Ziel unserer Politik, das Gesetz
betont auch die Gemeinschaftsgüter, die der Staat zu
schützen und die er aktiv zu fördern hat. Und das sind
die Feuer- und Betriebssicherheit, die Energieeinspa-
rung, Umwelt- und Klimaschutz. Und hier, liebe Kolle-
gen von der FDP, stoßen die hohen Ziele eines freien
Wettbewerbs an ihre Grenzen. „Gewissermaßen anarchi-
sche Zustände“, wie es einer der Sachverständigen für
den eventuellen Wegfall des bestehenden Gesetzes for-
mulierte, wollen wir nicht.
Eine Zukunftsperspektive für das Schornsteinfeger-
handwerk wäre damit nicht zu erhalten. Der hohe Stan-
dard in Feuersicherheit und Umweltschutz würde verlo-
ren gehen. Das können nicht unsere Ziele sein.
Der Gesetzentwurf geht daher einen Mittelweg. Es
werden Kehrbezirke beibehalten, einfach um den büro-
kratischen Aufwand möglichst gering zu halten. Aber
die Bezirke werden ausgeschrieben und zeitlich befristet
vergeben.
Wir haben den Gesetzentwurf zudem an einigen Stel-
len geändert und präzisiert. Für den Verbraucher wird es
keine parallel laufenden unterschiedlichen Rechtssys-
teme geben. Stattdessen wird es eine einheitliche Über-
gangsfrist geben. Die Übergangsfrist selbst ist notwen-
dig, um den staatlichen Auftrag nach Betriebs- und
Feuersicherheit weiterhin zu gewährleisten. Das Schorn-
steinfegerhandwerk benötigt diese Zeit, um sich auf die
neuen Rahmenbedingungen einzustellen. Um die vom
SHK-Handwerk befürchteten Wettbewerbsnachteile aus-
zugleichen, wird das Nebenerwerbsverbot für die Be-
zirksschornsteinfeger – und so wird er auch in Zukunft
heißen – während der Übergangszeit beibehalten.
Mit der Beseitigung eines Monopols waren vielfältige
Interessen auszugleichen. Vielen, wie dem Sanitär-Hei-
zungs-Klima-Handwerk oder auch den sogenannten Mo-
nopolgegnern, geht die Öffnung nicht weit genug. Aber
im Interessensausgleich sind natürlich alle Seiten zu be-
rücksichtigen.
Die europarechtlichen Bedenken werden beseitigt.
Und – auch das war uns sehr wichtig – das Gesetz
kommt nicht zuletzt den Verbrauchern zugute durch
mehr Wettbewerb.
Für die gute Zusammenarbeit danke ich unserem
Koalitionspartner, insbesondere der Kollegin Andrea
Wicklein, und dem Handwerksreferat im Bundeswirt-
schaftsministerium.
Das Handwerk sollte die Chance nutzen, die das Ge-
setz bietet. In einem Europa der Dienstleistungsfreiheit
kann es nicht schaden, wenn unsere Dienstleister dabei
gut aufgestellt sind.
Andrea Wicklein (SPD): Über die Reform des
Schornsteinfegerwesens wurde jahrelang diskutiert.
Schon die rot-grüne Bundesregierung hatte einen Ge-
setzentwurf vorgelegt, der leider nicht mehr zum Be-
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chluss gebracht werden konnte. Die Bundesregierung
at daher nach Verhandlungen mit der EU-Kommission
inen neuen Gesetzentwurf vorgelegt, der das Schorn-
teinfegerhandwerk neu regelt, es europarechtskonform
estaltet und trotzdem den hohen Standard der Brand-
icherheit in Deutschland erhält.
Ich kann daher nicht nachvollziehen, wie man von ei-
er „vertanen Chance“ zur „wirklichen Reform“ spre-
hen kann, wie es die FDP hier tut. Dies wäre nur der
all, wenn man das derzeitige Schornsteinfegerrecht für
nzumutbar hält. Doch das ist es nicht!
Wir machen das Schornsteinfegerrecht in Deutsch-
and europarechtskonform und geben trotzdem dem
chornsteinfegerhandwerk eine Perspektive. Trotz der
U-Vorgaben haben wir erreicht, dass die wichtige Auf-
abe des Brand- und Immissionsschutzes weiterhin
taatlich geregelt bleibt. Die Bezirksschornsteinfeger
erden auch in Zukunft als beliehene Unternehmer des
taates für Brand- und Umweltschutz an Feuerungsanla-
en verantwortlich sein. Würde man ihnen diese Auf-
abe entziehen – wie es auch in der Diskussion über das
esetz gelegentlich geäußert wurde – dann müsste der
taat selbst diese Aufgabe übernehmen – durch Grün-
ung oder Vergrößerung von Behörden. Diese Lösung
äre sicher schlechter.
Durch die Reform werden den derzeit noch angestell-
en Schornsteinfegermeistern neue Perspektiven gege-
en. Die Übergangszeit sieht vor, dass frei werdende
ehrbezirke bis 31. Dezember 2009 noch nach der Be-
erberliste zu besetzen sind. Anschließend werden die
ezirke ausgeschrieben. Als SPD war es uns daher
ichtig, dass die Anzahl der Kehrbezirke im Übergangs-
eitraum erhalten bleibt, um den angestellten Meistern
ie Chance auf eine Selbstständigkeit zu geben.
Das Nebentätigkeitsverbot wird abgeschafft. Die
chranken zum Weg in die Selbstständigkeit fallen 2013
ndgültig. In Zukunft können sich Schornsteinfeger in
nderen Gewerken betätigen, wenn sie die nötigen hand-
erksrechtlichen Qualifikationen erfüllen. Daher eröff-
et das neue Gesetz allen Schornsteinfegern, auch denje-
igen, die sich derzeit in der Ausbildung befinden, neue
hancen.
Die Aufhebung des Monopols und des Nebener-
erbsverbots bringen natürlich auch neue Konkurrenz
ür andere Gewerke, vor allem für das Sanitär-Heizungs-
lima-Handwerk. Wir sind uns dessen bewusst. Umge-
ehrt gilt natürlich: Auch die Schornsteinfeger werden in
ukunft ungekannten Konkurrenzdruck spüren. Denn
ie in den Wettbewerb entlassenen Schornsteinfegerar-
eiten können ab 2013 von jedem wahrgenommen wer-
en, der sich fortbildet und als Schornsteinfeger in die
andwerksrolle eingetragen ist.
Um die Neutralität der Schornsteinfeger bei Messun-
en an Feuerungsanlagen zu stärken, haben wir zwei Än-
erungen arn Gesetzentwurf vorgenommen. Dem vom
HK-Handwerk befürchteten Datenmissbrauch durch
ie beliehenen Schornsteinfeger beugen wir vor. Es wird
ichergestellt, dass Daten nur genutzt werden, wenn sie
ur Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben erforderlich
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sind, und nur übermittelt werden, wenn der Empfänger
ein rechtliches Interesse an der Kenntnis der Daten hat.
Außerdem haben wir den Bezirksschornsteinfegermeis-
tern in der Übergangszeit die Wartung von Anlagen un-
tersagt, an denen sie selbst Messungen vornehmen.
Ich bin sehr froh, dass wir heute zu einem Beschluss
kommen. Jede weitere Verzögerung würde die Über-
gangszeit für die Betroffenen verkürzen, würde das Ver-
tragsverletzungsverfahren gegen Deutschland wieder
zum Laufen bringen. Das kann nicht in unserem Inte-
resse sein, denn Brandschutz und Betriebssicherheit von
Feuerungsanlagen sind ein wichtiges öffentliches Gut.
Paul K. Friedhoff (FDP): Der Deutsche Bundestag
beschließt heute die lange überfällige Reform des deut-
schen Schornsteinfegerwesens. Es kann nicht als Erfolg
betrachtet werden, wenn nun sehr kurz nach der Anhö-
rung im Schnelldurchgang und zur Randzeit ein Gesetz
beschlossen wird, das seit Jahren überfällig ist. Die euro-
parechtlichen Bedenken gegen das alte Gesetz aus den
30er-Jahren waren schon Mitte der 90er-Jahre bekannt.
Das Vertragsverletzungsverfahren der EU läuft zudem
seit 2002.
Noch vor zwei Tagen, an diesem Mittwoch, haben die
Kollegen aus den Koalitionsfraktionen im Wirtschafts-
ausschuss die Anregungen unserer Fraktion zu Verbesse-
rungen des Gesetzes leider ignoriert. Es wurde nicht das
Problem der Doppelmessungen oder das Problem der
Altersversorgung und auch nicht das der Ausbildungsfi-
nanzierung gelöst. Nicht zuletzt fehlen Regelungen für
die Zusammenarbeit mit der Feuerwehr.
Während die Bundesregierung bei der Umsetzung
von europäischen Vorgaben – wie schon die Vorgänger-
regierung – oft über das Ziel hinausschießt, regelt sie mit
dem vorliegenden Entwurf nur das Nötigste. Um der eu-
ropäischen Dienstleistungsfreiheit zu genügen, wird es
nun Schornsteinfegern aus dem EU-Ausland gestattet
werden, in deutschen Kaminen zu kehren. Anwendungs-
fälle dieser Liberalisierung werden sich wohl höchstens
in grenznahen Regionen ergeben, für die meisten Ver-
braucher ist sie ohne Belang. Die eigentlichen Probleme
jedoch werden nicht gelöst: Den Mut, das Schornsteinfe-
gerwesen umfassend und konsequent zu modernisieren,
hat die Bundesregierung nicht.
Das Gesetzesvorhaben geht eindeutig zulasten der
Verbraucher. Die Änderungen verursachen nach Berech-
nungen des Normenkontrollrats 22 Millionen Euro zu-
sätzliche Bürokratiekosten, die natürlich der Bürger zu
zahlen hat. Doch das sind nur die Kosten, die schon im
Gesetzentwurf aufgeführt sind. Berechnungen der Ba-
den-württembergischen Landesregierung zeigen, dass al-
lein in Baden-Württemberg mit einer Kostensteigerung
für die Bürger von 8 Millionen Euro zu rechnen ist.
Wenn man dies hochrechnet, ergeben sich für Gesamt-
deutschland Zusatzkosten von über 60 Millionen Euro.
Die unnötigen, im Gesetz vorgesehenen Doppelmessun-
gen schlagen wie bisher mit circa 250 Millionen Euro zu
Buche.
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Ein kleiner Trost für die von den kommenden Wettbe-
erbsverzerrungen betroffenen Heizungs- und Klima-
echniker ist allein der in letzter Minute noch einge-
rachte Änderungsantrag der Koalition, nachdem kurz
uvor in der gleichen Sitzung ein deckungsgleicher An-
rag der FDP abgelehnt wurde: Die bevollmächtigten
ezirksschornsteinfeger dürfen innerhalb der Über-
angsfrist zumindest in dem Bezirk, für den sie bestellt
ind, keine Wartungsdienstleistungen anbieten. Ein
rundsatz, der mir unter dem Aspekt einer möglichst
nabhängigen Kontrolle mehr als einleuchtend er-
cheint, darf nicht ohne Not aufgegeben werden: Wer die
eizung wartet, soll sie nicht messen, und wer sie misst,
oll sie nicht warten. – Sobald ein Betrieb beides macht,
ürde er seine eigene Arbeit selbst kontrollieren. Dann
önnten schnell Eigeninteressen die unabhängige Kon-
rolle gefährden. Es hat schon seine Richtigkeit, dass
eim TÜV nicht derjenige die Bremse überprüft, der sie
uvor eingebaut hat.
Datenschutzrechtlich ist der vorgelegte Entwurf reali-
ätsfern. Es besteht natürlich langfristig die Gefahr, dass
evollmächtigte Bezirksschornsteinfeger den umfassen-
en Datenbestand des Kehrbuchs für gezielte Werbe-
ngebote nutzen, auch wenn sie es nicht dürfen. Auf die
erufsehre und die bestehenden allgemeinen daten-
chutzrechtlichen Bestimmungen zu verweisen, wie dies
ie Koalition in der letzten Sitzung des Wirtschaftsaus-
chusses tat, reicht jedenfalls nicht aus. Dies erleben wir
urzeit regelmäßig bei vielen bekannt gewordenen Fäl-
en von Datenmissbrauch.
Auch technisch überzeugt der Entwurf nicht. Obwohl
n immer mehr Gebäuden rußfreie und wartungsarme
eizsysteme zum Einsatz kommen, sollen die Kon-
rollintervalle noch erhöht werden: Statt einmal in fünf
ahren sollen nun zweimal in sieben Jahren die Feuer-
tätten der Hauseigentümer kontrolliert werden. Das er-
nnert mehr an eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme als
n eine Auseinandersetzung mit dem Stand der Technik.
s kostet aber auf jeden Fall mehr Gebühren.
Insgesamt ist der vorliegende Entwurf unausgegoren
nd unvollständig. Die FDP-Fraktion lehnt diesen nach
ünf Jahren Arbeit zustande gekommenen Schnellschuss
er Bundesregierung ab.
Sabine Zimmermann (DIE LINKE): Die Große Ko-
lition will heute ein Gesetz für mehr Wettbewerb im
chornsteinfegerhandwerk beschließen. Die Bundesre-
ierung behauptet stets, mehr Wettbewerb bringe bessere
ualität und sinkende Preise. Wie das Beispiel der Bahn-
rivatisierung zeigt, trifft das nicht zu. In dem hier vorlie-
enden Gesetz ist die Bundesregierung ehrlicher. Sie
äumt im Vorfeld ein, dass es mit der Liberalisierung im
chornsteinfegerhandwerk zu Verschlechterungen kommt.
n ihrer Begründung zum Gesetzentwurf heißt es: Es sind
Abstriche an Betriebs- und Brandsicherheit, Umwelt-
chutz, Klimaschutz oder an den Zielen der Energieein-
parung zu befürchten“. Und: „Geringfügige Einzel-
reisanpassungen können aufgrund der neu eingeführten
ettbewerbssituation nicht gänzlich ausgeschlossen wer-
en.“
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 173. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. Juni 2008 18523
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Es sind also Preiserhöhungen für Verbraucher zu er-
warten. Verbraucherbände haben dies in der Anhörung
bestätigt. Weniger Brand- und Umweltschutz, aber hö-
here Kosten für den Verbraucher – ein solches Gesetz
lehnt Die Linke ab. Der Bundesregierung ist diese Kritik
bekannt. Sie verweist jedoch auf einen angeblichen eu-
ropäischen Sachzwang. Dieser würde sich aus einem
Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Kom-
mission ergeben. Die Linke lässt diese Argumentation
nicht gelten und hat ihre Position in einem eigenen Ent-
schließungsantrag begründet.
Zunächst geht der vorliegende Gesetzentwurf über das
hinaus, was die EU-Kommission in ihrer Stellungnahme
benannt hat. Das hat auch der Europarechtler Waldenberger
in der Anhörung bestätigt, der die Bundesregierung ja
grundlegend unterstützt. Aber selbst er spricht davon,
dass die Regierung den europarechtlich vorhandenen
Spielraum nicht ausgeschöpft hat. Ferner schafft die Bun-
desregierung mit dem neuen Gesetz die sogenannte Lehr-
lingskostenausgleichkasse ab. Über dieses Verfahren
musste sich bisher jeder Arbeitgeber an der Finanzierung
der Ausbildung beteiligen. Damit wurde eine qualitativ
hochwertige Ausbildung im Schornsteinfegerhandwerk
garantiert. Die EU-Kommission hat in keinem Fall gefor-
dert, dieses System abzuschaffen. Dennoch macht die Bun-
desregierung genau das. Dabei hat der DGB in der Anhö-
rung einen praktikablen Weg vorgeschlagen, wie die
Lehrlingskostenausgleichskasse in die Zuständigkeit der
Handwerkskammern überführt werden kann.
Mit dem neuen Gesetz gehen ebenfalls Beteiligungs-
rechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern verlo-
ren. Wie auch andere Akteure mussten diese bei wesent-
lichen Veränderungen im Schornsteinfegerwesen bisher
angehört werden.
Wir sehen also, die Regierung ist übereifrig. Sie hat
mit der Liberalisierung des Schornsteinfegerhandwerks
gleich wichtige soziale Errungenschaften in diesem Be-
reich entsorgt. Das ist vor allem für die SPD ein Armuts-
zeugnis. Sie schreibt sich neuerdings wieder die soziale
Frage auf die Fahne. Hier hätte sie zeigen können, ob es
ihr damit wirklich ernst ist oder ob es sich dabei nur um
Lippenbekenntnisse handelt. Sie hat sie für Letzteres
entschieden. Der Abbau von Ausbildung und Mitbestim-
mung hat nichts mit dem EU-Verfahren zu tun. Er ist das
Werk dieser Bundesregierung.
Ich komme zum Ende. Die Linke bezweifelt einen an-
geblichen unabänderlichen Sachzwang seitens der Euro-
päischen Union. Sicher, die EU-Kommission behauptet,
das deutsche Schornsteinfegerwesen verstößt gegen die
Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit in Europa.
Diese Meinung der Kommission wie auch die jüngsten
Urteile des Europäischen Gerichtshofes für Lohndum-
ping fallen jedoch nicht vom Himmel. Union und SPD
könnten sich auf europäischer Ebene für einen anderen,
sozialen Kurs der EU einsetzen. Und die Bundesregie-
rung hätte sich dafür einsetzen können, das Schornstein-
fegerhandwerk ähnlich wie das Notargewerbe vom
Geltungsbereich der Dienstleistungs-Richtlinie auszu-
nehmen.
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All dies hat sie unterlassen, und sie kann deshalb
eute nicht glaubwürdig auftreten.
Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
ie Bundesregierung hat die Chance vertan, ein moder-
es und faires Schornsteinfegerrecht zu schaffen. Statt-
essen legt sie einen Entwurf vor, der zusätzliche Dop-
elstrukturen aufbaut, statt vorhandene abzubauen, und
eitere Bürokratie schafft. Die Rechnung hierfür zahlen
m Ende die Bürgerinnen und Bürger. Dieser Entwurf
ird auch nicht den Schornsteinfegern gerecht, die
urch ihre Arbeit einen großen Beitrag für mehr Sicher-
eit und Umweltschutz in Deutschland leisten.
Die öffentliche Anhörung vergangene Woche hat vor
llem zwei Dinge offenbart: Zum einen waren sich die
achverständigen alle darin einig, dass unser bisheriges
chornsteinfegerrecht europarechtswidrig ist und hier
ringender Handlungsbedarf besteht. Das Verhalten un-
erer Regierung, die Reform so lange auf die lange Bank
u schieben und sogar ein Vertragsverletzungsverfahren
u riskieren, kann ich dann nur als grob fahrlässig be-
eichnen.
Zum Zweiten aber zeigte die Anhörung, dass die Fach-
eute unzufrieden mit dem Entwurf sind, diesen teilweise
ogar als verfassungswidrig einstufen. Und warum sind
ie Fachleute unzufrieden? Weil dieser Entwurf ein fauler
ompromiss ist. Einige Sachverständige haben es deut-
ich gesagt. Eigentlich kann mit diesem Entwurf niemand
lücklich sein, vieles müsste geändert bzw. verbessert
erden. Aber lieber das Fass nicht wieder aufmachen.
abei geht es doch hier nicht darum, irgendeiner Interes-
ensvertretung Vorteile zu verschaffen. Es geht darum,
in sauberes und gutes Gesetz auf den Weg zu bringen.
nd das schafft unsere Bundesregierung mit diesem Ent-
urf nicht.
In erster Linie kritisieren wir die Übergangsfrist.
egfall des Nebentätigkeitsverbots sofort und Beibehal-
ung der Kehrbezirke bis 2012, das geht nicht. Das ist
ettbewerbsverzerrung. Dabei haben sich die meisten
chornsteinfeger bereits in den letzten Jahren auf den
ettbewerb vorbereitet und sich zum Beispiel zum
nergieberater qualifiziert. Diese Ungleichbehandlung
eht zulasten des gesamten SHK-Handwerks. So sieht
ein fairer Wettbewerb aus, dazu sagen wir Nein.
Die Novellierung geht aber auch zulasten der Ver-
raucherinnen und Verbraucher. Ich glaube, dass wir mit
iner deutlichen Verteuerung im Schornsteinfegerwesen
echnen müssen. Das liegt zum einen daran, dass die
ontrollintervalle von durchschnittlich alle fünf Jahre
uf nunmehr durchschnittlich alle 3,5 Jahre verkürzt
urden, obwohl moderne Heizungsanlagen inzwischen
ast rußfrei arbeiten. Dass ich jetzt nicht falsch verstan-
en werde: Auch wir sind dafür, die hohen Standards in
uncto Sicherheit und Umwelt zu halten, keine Frage.
ber unnötige Mess- bzw. Wartungsarbeiten zulasten
er Hausbesitzer und indirekt damit auch zulasten der
ieterinnen und Mieter, das lehnen wir ab. Wir fordern
tattdessen, den Fokus verstärkt auf die Gebäudesanie-
ung und in diesem Zusammenhang auf Energieeffizienz
18524 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 173. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. Juni 2008
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zu setzen. Hier haben wir noch einiges aufzuholen, und
davon kann das gesamte Handwerk profitieren.
Die Kosten werden aber auch deshalb steigen, weil
die Bürgerinnen und Bürger gar nicht mehr wissen und
auch nicht wissen können, wer für was zuständig ist, wer
was darf bzw. wer was machen muss. Die künftigen Re-
gelungen sind vollkommen undurchsichtig.
So sehen wir uns beispielsweise mit einem Formblatt-
system konfrontiert, was seinesgleichen sucht. Jeder
Hausbesitzer muss sich demnach die „freien Schornstein-
fegertätigkeiten“ bescheinigen lassen. Werden vonseiten
der Bezirksschornsteinfeger bzw. Bezirksbevollmächtig-
ten gewisse Arbeiten moniert, muss der Hausbesitzer
einen regelrechten Verwaltungsmarathon durchlaufen.
Angefangen von der Anhörung bei der unteren Verwal-
tungsbehörde bis hin zu einer kostenpflichtigen „Ersatz-
vornahme“. Wer soll da noch durchsteigen?
Zusammengefasst: Es bleiben bei diesem neuen Ge-
setz zum Schonsteinfegerwesen fast alle auf der Strecke.
Dieses Gesetz ist unfair, wettbewerbsverzerrend und
verfassungsrechtlich bedenklich. Wir lehnen es aus die-
sen Gründen ab.
Der Entschließungsantrag der FDP deckt sich im We-
sentlichen mit unseren Forderungen. Auch uns ist der
Grundsatz „Wer misst, wartet nicht, und umgekehrt“
wichtig. Eine Gleichbehandlung der Schornsteinfeger
auf der einen und dem SHK-Handwerk auf der anderen
Seite halten wir für elementar, wenn wir fairen Wettbe-
werb fördern wollen, und die Öffnung der Prüf- und
Überwachungstätigkeiten an Kleinfeuerungsanlagen für
geeignete, fachlich gut ausgebildete Betriebe führt in der
Tat zu einer Wahlmöglichkeit für die Verbraucherinnen
und Verbraucher. Hiermit können Anreize für mehr Ge-
bäudesanierung und Energieeffizienz geschaffen wer-
den. Wir stimmen daher dem Entschließungsantrag der
FDP zu.
Auf den Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke
möchte ich gar nicht näher eingehen. Ein Beibehalten
monopolistischer Strukturen führt sicher ins politische
und ökonomische Abseits und kann nicht allen Ernstes
diskutiert werden. Wir lehnen diesen selbstverständlich
ab.
Anlage 6
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung der Beschlussempfehlung und des
Berichts: Umstieg auf den öffentlichen Verkehr
fördern und Benzinpreisanstieg sozial abfedern
(Tagesordnungspunkt 43)
Manfred Kolbe (CDU/CSU): Der vorliegende An-
trag der Fraktion Die Linke beschäftigt sich mit dem
Thema, wie der aktuelle Benzinpreisanstieg abgemildert
und der weitere Umstieg auf den öffentlichen Verkehr
gefördert werden kann. Das Thema Mobilität spielt in
unserer heutigen Arbeitswelt eine große Rolle. Jeder Ar-
beitnehmer ist aufgefordert und bereit, eine gewisse Dis-
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anz zwischen Wohn- und Arbeitsort zurückzulegen. Für
ie Unterstützung dieser Personengruppe – der Pendler –
ibt es verschiedene Möglichkeiten. Der von der Links-
raktion vorgeschlagene Weg ist dabei allerdings der fal-
che. Aus diesem Grund wird die Unionsfraktion ihren
ntrag auch ablehnen.
Mit einer reinen Umverteilungspolitik lassen sich
achhaltig keine Arbeitsplätze schaffen. Vielmehr bedarf
s effektiver Maßnahmen für Wachstum und Beschäfti-
ung. So konnte die große Koalition unter Führung von
undeskanzlerin Dr. Angela Merkel wie zum Beispiel mit
em 25-Milliarden-Euro-Programm erhebliche Marktan-
eize schaffen und damit einen massiven Abbau der hohen
rbeitslosigkeit und einen beeindruckenden Zuwachs an
ozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen erreichen.
rundlage für Wohlstand ist nach wie vor Wachstum und
eschäftigung. Dies sollte auch langsam bei der Fraktion
ie Linke angekommen sein.
Anträge der Linken. Im Nachfolgenden gehe ich nä-
er auf ihre einzelnen Antragspunkte ein, um deutlich zu
eigen, dass die von den Linken vorgetragenen Lösun-
en nicht umsetzbar und fern der Realität sind.
Erstens. Ermäßigter Umsatzsteuersatz auf Schienen-
ersonenverkehr. Wie der Linksfraktion eventuell ent-
angen ist, gilt bereits heute der ermäßigte Mehrwertsteu-
rsatz auf allen Fahrten des öffentlichen Nahverkehrs.
iese Regelung wurde aus gutem Grund getroffen. Mit
ieser Maßnahme entlasten wir die Pendler, welche tag-
äglich zur Arbeit fahren, und schaffen einen Anreiz zum
mstieg auf „die Öffentlichen“. Ziel unserer Politik muss
s dabei immer sein, die Menschen zu unterstützen, welche
Arbeit stehen. Nur so können entsprechende Beiträge in
ie Sozialkassen fließen. Eine weitere Ausdehnung des er-
äßigten Mehrwertsteuersatzes auf den Schienenperso-
enfernverkehr scheint wenig sinnvoll. Beispielsweise
ürde es zu einer steuerlichen Ungleichbehandlung im
ernverkehr zwischen Bus und Bahn kommen. Darüber
inaus müssten nach Aussage des Bundesfinanzministe-
iums circa 1,1 Milliarden Euro an Steuerausfällen kom-
ensiert werden. Zum ermäßigten Mehrwertsteuersatz
ber später noch mehr.
Zweitens. Höhere Mehrwertsteuereinnahmen sollen
em ÖPNV zugutekommen. Auch mit ihrer zweiten For-
erung zeigen die Linken, dass sie gedanklich noch ei-
em anderen System verhaftet sind. Die Hoheit über die
estellung und Finanzierung des öffentlichen Nahver-
ehrs obliegt den Ländern. Der Bund kann hier wenig
egulierend eingreifen, indem mögliche höhere Mehr-
ertsteuereinnahmen direkt in die Finanzierung des
PNV gesteckt werden. Dies wäre mit dem Grundgesetz
nvereinbar. Die Bundesregierung unter der Führung
on Angela Merkel investiert weiterhin auf hohem Ni-
eau in die Verkehrsinfrastruktur. Die Investitionen in
chiene, Straße und Wasser wurden für 2008 im Verhält-
is zu 2007 nochmals aufgestockt. Ingesamt stehen in
iesem Jahr für Verkehrsinvestitionen 9,2 Milliarden
uro zur Verfügung. Hinzu kommen noch einmal rund
,8 Milliarden Euro für besondere Projekte wie bei-
pielsweise der Ausbau des BBI in Berlin-Schönefeld,
as Galileo-Projekt sowie der weitere Ausbau der Was-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 173. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. Juni 2008 18525
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ser- und Brennstofftechnologie. Dieses stellen Investitio-
nen in die Zukunft dar. Wir als Unionsfraktion werden
weiterhin den ÖPNV im Rahmen dieser Investitionen
unterstützen, da wir hier Wirtschaft und Arbeitnehmer
unterstützen können. Zentralstaatlich kann und darf es
kein Eingreifen in die Länderaufgaben geben.
Drittens. Finanzieller Ausgleich für Pendler mit ge-
ringem Einkommen. Auch der dritte Vorschlag der Lin-
ken ist abzulehnen. Die Forderung zur direkten finan-
ziellen Unterstützung für einkommensschwächere Pend-
ler ist sehr realitätsfern und verkennt neue Entwicklun-
gen in Deutschland. Mit der Einführung eines solchen
Instrumentes würde für diesen Personenkreis kein An-
reiz mehr bestehen, ihren Kraftstoffverbrauch zu senken,
welches durch die weitere technische Entwicklung im-
mer besser möglich wird. Diese Menschen würden sich
die Frage stellen: „Wieso soll ich mir ein verbrauchsär-
meres und umweltverträglicheres Auto kaufen, wenn ich
jetzt eine finanzielle Unterstützung für meine Tankrech-
nung bekomme?“ Wie bekannt, sind die Erdöl- und -gas-
vorkommen endlich. Eine Kraftstoffeinsparung ist des-
halb unser volkswirtschaftliches Ziel. Auch der weitere
Schutz der Umwelt und des Klimas würden mit ihrem
Vorschlag zunichtegemacht. Dennoch müssen wir wei-
terhin darüber nachdenken, wie Pendler angesichts der
steigenden Kosten für Benzin und Diesel entlastet wer-
den können. Sinnvolle Instrumente sind hier sicherlich
die Ausweitung der Pendlerpauschale oder die Rückfüh-
rung der Ökosteuer – als Teil der Mineralölsteuer – auf
Kraftstoffe.
Allgemeine Diskussion zum ermäßigten Umsatzsteu-
ersatz. Wie bekannt, ist zurzeit eine Diskussion im
Gange, welche das Ziel hat, die Liste der dem ermäßig-
ten Steuersatz unterliegenden Gegenstände gemäß An-
lage II zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UStG einer Überprü-
fung zu unterziehen und ein einheitliches Verfahren zu
entwickeln. Wir fragen uns alle: Ist hier wirklich eine so
detaillierte Kasuistik erforderlich, die regelmäßig eine
Fundgrube für Büttenredner im Karneval darstellt, um
die Regelungswut des Steuergesetzgebers lächerlich zu
machen?
So unterliegen beispielsweise dem ermäßigten Steuer-
satz von 7 Prozent gemäß laufender Nummer 22 der
Liste: „Johannisbrot und Zuckerrüben, frisch oder ge-
trocknet, auch gemahlen; Steine und Kerne von Früchten
sowie andere pflanzliche Waren (einschließlich nicht ge-
rösteter Zichorienwurzeln oder Varietät Cichorium inty-
bus sativum) der hauptsächlich zur menschlichen Ernäh-
rung verwendeten Art, anderweit weder genannt noch
inbegriffen sind; ausgenommen Algen, Tange und Zu-
ckerrohr.“ Alles klar?
Oder ich zitiere aus einem BMF-Schreiben vom
16. Oktober 2006, wonach „genießbare Schweineohren
– auch wenn als Tierfutter verwendet – dem ermäßigten
Umsatzsteuersatz unterliegen, während getrocknete
Schweineohren, die nicht für den menschlichen Verzehr
geeignet sind, unter den vollen Satz fallen.
Schwerwiegender als diese Kuriosa wiegt, dass diese
Liste eine Anzahl krasser Wertungswidersprüche enthält,
die uns Abgeordneten immer wieder vorgehalten wer-
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en: Warum werden Musik-CD’s niedriger besteuert als
abywindeln? Warum wird Tierfutter niedriger besteuert
ls Arzneimittel? Warum werden Hummer und Trüffel
iedriger besteuert als Mineralwasser?
Sie waren doch einmal Bundesfinanzminister, Herr
afontaine? Was haben Sie eigentlich hier unternom-
en? Damals hätten Sie lieber handeln sollen, anstatt
eute Schaufensteranträge zu stellen.
Eine breit angelegte Diskussion zum Thema ermä-
igte Mehrwertsteuersätze muss geführt werden, wobei
ie Vorarbeiten der Europäischen Kommission und die
ns vorliegenden Berichte aus dem Bundesfinanzminis-
erium zum Thema im Rahmen der haushaltspolitischen
öglichkeiten die Diskussionsgrundlage bilden. Im
ahmen dieser aktuellen Diskussion können wir dann si-
herlich auch über den ermäßigten Mehrwertsteuersatz
ür Kraftstoffe – welche in der heutigen Zeit nicht als
uxus, sondern als Notwendigkeit angesehen werden
üssen – reden.
Allerdings muss diese Diskussion immer auf Grund-
age einer Gegenfinanzierung erfolgen. Unser im Inte-
esse zukünftiger Generationen vorrangiges Ziel eines
chuldenfreien Bundeshaushalts dürfen wir dabei nicht
us den Augen verlieren.
In diesem Sinne lehnt die CDU/CSU-Fraktion den
eutigen Antrag der Fraktion Die Linke ab. Wir werden
ie Liste der dem ermäßigten Steuersatz unterliegenden
egenstände grundsätzlich überprüfen.
Lydia Westrich (SPD): Wir beschäftigen uns heute
um x-ten Mal wieder mit einem Antrag der Linken, der
iel Geld verteilen will und keinerlei Finanzierung be-
nhaltet. In jedem kleinen Gemeinderat könnte der An-
rag schon aus diesem Grund von der Tagesordnung
erwiesen werden. Aber gut, das Thema ist für die Men-
chen zu ernst, um Haarspaltereien zu betreiben.
Ja, die rasant gestiegenen Energiepreise verteuern die
ebenshaltungskosten der Menschen beträchtlich. Also
ntersuchen wir die von Ihnen vorgeschlagenen Maß-
ahmen auf ihre Wirkungsweise: Schon die erste Forde-
ung stößt in ein altbekanntes Horn. Der ermäßigte
ehrwertsteuersatz soll es richten. Wie häufig haben wir
ns schon hier darüber auseinandergesetzt, dass niemand
arantieren kann, dass die Unternehmen die Mehrwert-
teuerersparnis durch niedrigere Preise an die Verbrau-
her auch weitergeben. Garantiert sind aber Minderein-
ahmen beim Staat. Preisgestaltung läuft nach anderen
riterien ab – auch bei der Bahn. Außerdem gibt es den
rmäßigten Mehrwertsteuersatz auf Beförderungen von
ersonen im Schienenbahnverkehr, im Verkehr mit
berleitungsbussen, im genehmigten Linienverkehr mit
raftfahrzeugen, im Verkehr mit Taxen und die Beförde-
ung im Fährverkehr, jeweils innerhalb einer Gemeinde
der wenn die Beförderungsstrecke nicht mehr als
0 Kilometer beträgt. Die Mehrzahl der Berufspendler
ährt nicht weiter als 50 Kilometer und kann, wenn über-
aupt, vom ermäßigten Satz bereits jetzt profitieren.
rotzdem sind die Tickets im Nahverkehr im Verhältnis
eurer als auf langen Strecken. Und aus vielen anderen
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Beispielen wie der Mc-Donald-Geschichte – gleicher
Preis für den Hamburger zum Mitnehmen und zum Im-
Haus-Verzehr, obwohl einmal ermäßigter, einmal voller
Steuersatz – wissen wir, dass der eigentliche Verlierer
bei solchen Forderungen nur der ist, dem Sie eigentlich
helfen wollen: der brave, fleißige Steuerzahler, der die
Mindereinnahmen wieder aufbringen muss.
Die von Ihnen angesprochenen Menschen mit gerin-
gem Einkommen können sich keinen Staat leisten, dem
das Geld für die Förderung von Infrastruktur fehlt. Und
Ihr Gegenfinanzierungsvorschlag – Gewinnabschöp-
fungsteuern bei den internationalen Mineralölkonzer-
nen – ist lächerlich. Was glauben Sie, Kolleginnen und
Kollegen von der Linken, die so tüchtige Weltökonomen
in ihren Reihen haben, wo die Gewinne dieser Konzerne
dann anfallen werden? Da können Sie dann statt bei Ge-
winnen bei den Verlusten abschöpfen und wir verlieren
noch mehr Steuereinnahmen. Dass dieser Antrag mit
ganz heißer Nadel gestrickt wurde und rein populisti-
schen Zwecken, nicht aber wirklichen Lösungen für die
Menschen dient, merkt man schon an der Überschrift.
Sie bringen da zwei an sich ehrenwerte Forderungen, die
sich aber eigentlich widersprechen, zusammen. Den
Umstieg auf den öffentlichen Verkehr zu fördern, heißt
doch viel mehr, als der Bahn für ihre ICEs und ICs mehr
Geld zu geben in Form der ermäßigten Steuer. Es bedeu-
tet unter Umständen auch im Gegenzug, den Autover-
kehr zu verteuern, um die Menschen dazu zu bewegen,
in den Zug zu steigen. Und gerade diese Verteuerung
wollen Sie schon bei den jetzigen Verhältnissen sozial
abfedern. Also was – Vorrang für den öffentlichen Ver-
kehr oder Begünstigung der Autofahrer? Denn wenn Sie
den Menschen mehr Geld in die Hand geben, haben Sie
den Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel noch lange
nicht gesichert.
Zu der zweiten Forderung aus dem Antrag sollte man
gar nichts sagen. Welches bürokratische Monster – um
einmal einen Ausdruck von der FDP-Fraktion zu über-
nehmen – bauen Sie denn da auf? Sie wollen einen
Fonds einrichten, der sich speist aus bestimmten Teilen
des Umsatzsteueraufkommens. Ich habe in meiner
Nachbarschaft zu Hause eine Tankstelle mit automati-
scher Preisangabe. Da kann es vorkommen, dass der
Preis viermal am Tag wechselt. Ich tanke Montag früh
Diesel für 1,28 Euro und vor dem langen Wochenende
mit Feiertag für 1,55 Euro. Wer soll nun den Überhang
jeweils ausrechnen? Und die gerechte Verteilung auf die
Länder ist auch kaum vorstellbar. Mir ist total schleier-
haft, welche Kriterien angelegt werden sollen.
Soll das Land die Mehrwertsteuereinnahmen erhalten,
die seine Bürger durch fleißiges Fahren erwirtschaftet
haben? Sollen diese Einnahmen den Ländern zugute
kommen, deren öffentlicher Personennahverkehr ausge-
dünnt wurde? Was sagen dann die Länder, die stetig in
ihren Nahverkehr investiert haben, wie wir in Rhein-
land-Pfalz mit dem Rheinland-Pfalz-Takt, mit Anruf-
sammeltaxis und Ähnlichem? Nein, dieser neue Wasser-
kopf, der bei Ihnen Fonds heißt, wird im Endeffekt allein
durch seine aufwendige Verwaltungsnotwendigkeit mehr
kosten als bringen. Die Koalition hat das Regionalisie-
rungsgesetz verabschiedet. Das bietet den Ländern alle
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öglichkeiten, den Personennahverkehr optimal zu ge-
talten. Und auch Sie von der Fraktion Die Linke sollten
as zu Hause in ihren Ländern überprüfen, bevor Sie
ine neue Umverteilungsmaschinerie in Gang setzen.
ichtig erkannt haben Sie mit der dritten Forderung,
ass Menschen mit geringem Einkommen keine oder
aum Steuern zahlen, also von der eventuellen Wieder-
inführung der gesamten Pendlerpauschale nichts haben.
iese sollen nun in einem ebenfalls komplizierten Verfah-
en einen Mobilitätszuschuss erhalten. Wissen Sie, dass
s immer noch viele Firmen gibt, die ihren Angestellten
onatskarten zur Verfügung stellen? Es gibt Tarifver-
räge zum Beispiel im Baubereich, in denen Fahrtkosten-
rstattungen eingearbeitet sind. Die BASF, aber auch
ndere Betriebe haben Werkszüge. Wie trennen Sie das
lles oder wollen Sie die jetzige Leistung der Unterneh-
en durch den Steuerzahler übernehmen lassen? Damit
äre Ihre bisherige Politik total auf den Kopf gestellt.
ber das ist das Gleiche wie bei der Mehrwertsteuer-
rmäßigung: Populismus an erster Stelle – das Nachden-
en kommt, wenn überhaupt, erst lange danach.
Natürlich meinen die Bürgerinnen und Bürger im ers-
en Moment, eine Mehrwertsteuerermäßigung fließe in
hre Taschen oder ein Mobilitätszuschuss käme allein ih-
en zugute. Sei müssten das besser wissen. Einfluss auf
ie Ausgaben der Bundesländer haben Sie übrigens auch
icht, wie Sie es mit diesem Antrag suggerieren. Sie
treuen mit Ihren Forderungen einen Berg von Sand in
ie Augen der Menschen, die Ihnen vertrauen. Es ist Ih-
en egal, ob Sie wirklich helfen können. Hauptsache, die
berschriften stimmen. Denn dass Sie als Abgeordnete
ie Konsequenzen nicht durchschauen, will ich Ihnen
irklich nicht unterstellen. Ich sehe das Problem der ho-
en Belastung kleiner Einkommen durch den rabiaten
nstieg des Ölpreises genauso in aller Schärfe. Aber
seudolösungen helfen diesen Menschen nicht. Dass uns
eine Mehreinnahmen durch den hohen Benzinpreis zu-
ließen, hat das Bundesfinanzministerium im Ausschuss
indrucksvoll dargelegt. Geld kann man nur einmal aus-
eben. Wenn im Familienbudget die eine Seite steigt,
uss an der anderen gespart werden. Da die Mehrwert-
teuer eine Verbrauchsteuer ist, hat der Staat dann auch
icht mehr in der Tasche, wenn die Menschen nicht
ehr ausgeben können. Das ignorieren Sie alles einfach,
eil es sich in Schlagzeilen und Flugblättern nicht gut
acht.
In der Realität bedeuten Ihre Forderungen zum gro-
en Teil eine unnötige Förderung der Bahn für ihre
chnellen Strecken, für Geschäftsreisende und Ausflüg-
er. Sie bedeuten einen Zuschuss für die Bundesländer,
essen Verwendung Sie nicht kontrollieren können. Und
ie nehmen Unternehmen soziale Aufgaben ab und wol-
en sie stattdessen den Staat schultern lassen. Was das
ostet, interessiert Sie nicht. Sie haben ja ein Trumpf-
ss im Ärmel. Ihre Kollegin Bulling-Schröter hat es be-
eits im Januar im Bundestag angekündigt. Sie wollen
ie Energieunternehmen enteignen. Dabei wünsche ich
iel Spaß. Es gibt ja so viele rein nationale Mineralöl-
onzerne, zum Beispiel. Wie die Bürgerinnen und Bür-
er auf eine eventuell daraus resultierende Benzinknapp-
eit reagieren, mag ich noch nicht einmal träumen. Ich
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 173. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. Juni 2008 18527
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glaube, dass vor allem die Menschen in den neuen Bun-
desländern geradezu allergisch auf eine staatliche Zutei-
lung von Energiemengen reagieren werden. Also diese
Geldquelle wird nicht sprudeln. Was können oder wer-
den wir aber tun, um die offensichtliche Sorge zu lin-
dern? Die SPD-Bundestagsfraktion hat die Arbeits-
gruppe „Energiemärkte“ eingesetzt, die die Einführung
verbindlicher Sozialtarife bei Gas, Fernwärme und
Strom prüft und durch deren Einführung wirklich Entlas-
tung in der Haushaltskasse schaffen kann. Das ist der
umgekehrte Weg, wie Sie ihn hier fordern: nicht den Un-
ternehmern zu geben, sondern ihnen abzuverlangen,
nicht den Staat Aufgaben übernehmen lassen, die viel
besser aus den Gewinnen der Unternehmen finanziert
werden können. Sie wollen Verkehrsvermeidung, Effi-
zienz und regenerative Energieträger. Das ist der richtige
Weg, um die Abhängigkeit vom Öl zu mindern. Aber
dieser Weg ist nicht umsonst zu haben. Auch der Staat
kann wie die Familien das Geld nicht zweimal ausgeben.
Und wenn Sie seriöse Politik machen wollen, müssen
auch Sie sich entscheiden. Die Bürgerinnen und Bürger
wissen längst, dass das Benzin auf Dauer nicht wieder
billiger werden wird. Wir brauchen Tempobeschränkun-
gen und Kurse für effizientes Fahren, die auch schon in
die Führerscheinprüfung eingearbeitet werden könnten.
Wir verstärken die Forschung an noch sparsameren Mo-
toren und alternativen Treibstoffen. Wir müssen nicht
nur unabhängiger vom Rohstoff Öl, sondern auch von
skrupellosen Spekulanten werden. Das ist anspruchsvoll
und wird nicht funktionieren ohne das Zusammenwirken
aller demokratischen Kräfte. Bruttolohnerhöhungen, an-
ständige Bezahlung geleisteter Arbeit hilft besser als je-
des Notprogramm, um kurzfristig Härten durch die ho-
hen Energiepreise zu mindern. Dafür kämpft die SPD-
Fraktion bei Leiharbeit, bei den Mindestlöhnen, bei der
Unterstützung der Gewerkschaften, die die Erstattung
von Fahrtkosten mit aushandeln können, die aber vor al-
lem für die Erhöhung der Bruttoeinkommen kämpfen.
Der Staat muss sein Geld für langfristige Strategien ein-
setzen; den Bürgerinnen und Bürgern die Wahrheit sa-
gen. Alle energiesparenden Möglichkeiten auszuloten
und zu unterstützen, ist weit besser als kurzfristige Pro-
gramme, von denen niemand weiß, wem sie im Endef-
fekt nützen. Packen Sie Ihren Antrag ein und arbeiten
Sie mit uns an nachhaltigen Lösungen, wenn Sie ernst
genommen werden wollen.
Dr. Volker Wissing (FDP): Es ist immer schön,
wenn ein Antrag durch seinen Inhalt beeindruckt. Dieser
Antrag beeindruckt, aber vor allem durch das, was nicht
darin steht.
Sie schreiben, wie Sie das Geld mit vollen Händen
ausgeben, nicht aber, wie Sie dieses Geld einnehmen
wollen. Da führen Sie mal eben einen ermäßigten Mehr-
wertsteuersatz für alle Fahrten des Schienenpersonenver-
kehrs ein. Eventuelle Mehreinnahmen bei der Mehrwert-
steuer auf Kraftstoffpreise werden für die Finanzierung
des öffentlichen Personennahverkehrs ausgegeben, und
wenn man schon so schön beim Ausgeben ist: Warum
nicht gleich ein Entfernungsgeld einführen?
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In Ihrem Antrag wird sehr viel ausgegeben und nichts
ingenommen; und genau daran krankt der gesamte An-
rag. Er ist nichts als blanker Populismus. Wer nicht ein-
al bereit ist, eine Gegenfinanzierung für seine Vor-
chläge vorzulegen, verhöhnt die Bürgerinnen und
ürger. Die Menschen in unserem Land brauchen keine
nträge, sie brauchen eine Entlastung.
Das Geld, welches Sie hier mit vollen Händen ausge-
en, müssen Sie doch vorher jemandem wegnehmen. Es
ehört zur politischen Seriosität, dass man nicht nur die-
enigen benennt, die man beglücken will, sondern auch
iejenigen, denen man das Geld nehmen will. In diesem
inne ist dieser Antrag zutiefst unseriös.
Wenn Sie so ein ernstes Thema wie die Mehrbelastung
eiter Teile der Bevölkerung durch die dramatisch ge-
tiegenen Energiepreise auf eine so unseriöse Weise be-
andeln, zeigt das genau eines: Sie nehmen die Men-
chen und ihre Nöte nicht wirklich ernst. Und das ist sehr
itter! Sie sollten die Menschen nicht unterschätzen. Im
egensatz zu Ihnen wissen sie, dass Geld zunächst ein-
al erarbeitet werden muss, bevor man es ausgeben
ann. Es gibt noch genügend Menschen in Deutschland,
ie Steuern zahlen und schnell merken, was von Ihrem
ntrag zu halten ist: nämlich nichts. Wer Ihnen glaubt,
laubt auch an den Weihnachtsmann. Bei Ihnen ist sogar
m höchsten Sommer Bescherung.
Mit Ihrem Antrag aus Wolkenkuckucksheim diskredi-
ieren Sie ein ernstes Anliegen. Auch aus Sicht der FDP
st eine Entlastung der Bürgerinnen und Bürger dringend
eboten. Es passt nicht ins Bild, wenn Herr Steinbrück
inerseits Rekordsteuereinnahmen ankündigt und gleich-
eitig behauptet, nicht an den gestiegenen Preisen zu
erdienen. Die Steuermehreinnahmen, über die sich der
undesminister der Finanzen so freut, sind nichts ande-
es als die Steuermehrbelastungen der Bürgerinnen und
ürger. Steuern fallen nicht vom Himmel; sie müssen er-
irtschaftet werden, und zwar von den Bürgerinnen und
ürgern sowie den Unternehmen in unserem Land. Die
rgumentation der Bundesregierung, dass die Men-
chen, wenn sie mehr Geld für Energie ausgeben, weni-
er Einkommen für andere Konsumgüter zur Verfügung
aben, klingt zwar einleuchtend, ist es aber nicht. Die
enschen können nicht beliebig ihren Konsum zusam-
enstreichen; aber sie können weniger sparen. Und ge-
au das ist es, was passiert. 2003 hatten die Bürgerinnen
nd Bürger noch 502 Milliarden Euro auf der hohen
ante; 2007 waren es nur noch 440 Milliarden Euro.
as ist ein Rückgang um 12,5 Prozent. Mit ihrem Er-
parten finanzieren die Menschen inzwischen die Steuer-
ehreinnahmen des Bundes.
Steuern fallen nicht vom Himmel; das sollte sich
icht nur Die Linke, sondern auch die Bundesregierung
erken. Wer die Bürgerinnen und Bürger entlasten will,
uss bei der Steuerbelastung anfangen; dann haben die
enschen auch die Möglichkeit, steigende Energie-
reise zu verkraften. Die FDP hat dazu ihre Vorschläge
emacht. Unser Steuerkonzept liegt vor. Es ist einfach,
erecht, mit niedrigen Steuersätzen und entschieden bes-
er als dieser Antrag. Im Gegensatz zu Ihnen verspre-
hen wir nicht nur soziale Lösungen, sondern sind auch
18528 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 173. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. Juni 2008
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in der Lage, sie mit realistischen Konzepten zu verwirk-
lichen.
Dr. Barbara Höll (DIE LINKE): Steigende Energie-
kosten sind ein Thema, das den Menschen auf den Nä-
geln brennt. Doch nicht nur die öffentliche Wahrneh-
mung zeigt hier Handlungsbedarf, sondern dieser lässt
sich auch an der Statistik ablesen. Die aktuell zu beob-
achtende erhöhte Inflationsrate ist vor allem auf gestie-
gene Energiepreise zurückzuführen. Laut Statistischem
Bundesamt hätte die Teuerungsrate ohne die Preisent-
wicklung für Energie im Mai statt 3,0 nur 1,9 Prozent
betragen. Die heute bekannt gegebenen vorläufigen Zah-
len signalisieren, dass die Energiepreise im Juni die In-
flation auf den höchsten Stand seit 1994 getrieben ha-
ben; geschätzt wird eine Rate um die 3,3 Prozent,
Tendenz für die nächsten Monate steigend. Angesichts
der Preisentwicklung wird auch in diesem Jahr der Groß-
teil der Menschen hierzulande wieder reale Einkommen-
seinbußen hinnehmen müssen. Trotz vergleichsweise
höherer Tarifabschlüsse ergaben sich bereits im ersten
Quartal dieses Jahres wieder reale Lohnverluste. Nach
vorläufigen Ergebnissen des Statistischen Bundesamtes
verdiente ein vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer im pro-
duzierenden Gewerbe und im Dienstleistungsbereich in
diesem Zeitraum durchschnittlich brutto 3 064 Euro im
Monat, das waren 2,8 Prozent mehr als im ersten Quartal
2007. Der Verbraucherpreisindex stieg in diesem Zeit-
raum um 2,9 Prozent und damit um 0,1 Prozentpunkte
stärker als die Verdienste.
Doch das sind nur Durchschnittszahlen. Energie ge-
hört zu den Gütern des täglichen Bedarfs. Preissteige-
rungen dort betreffen Menschen mit geringen Einkom-
men stärker. Aufgrund der niedrigen Einkommenshöhe
bestehen bei diesen kaum Einsparpotenziale oder Mög-
lichkeiten zur Konsumumschichtung, Die Linke hat
zahlreiche Vorschläge vorgebracht, um diese besondere
Belastung der unteren Einkommensgruppen durch die
aktuellen Preissteigerungen zu senken. Der vorliegende
Antrag reiht sich in einen Vorschlagskanon ein. So ha-
ben wir zeitgleich den ergänzenden Antrag „Energiekos-
ten für Privathaushalte mit geringem Einkommen sofort
wirksam senken“ vorgelegt. Die Wiedereinführung der
alten Pendlerpauschale haben wir erstmals vor über ei-
nem Jahr gefordert, im September liegt ein entsprechen-
der Neuantrag zu Abstimmung vor. Nicht zuletzt sei an
dieser Stelle nochmals auf die Mehrwertsteuererhöhung
um 3 Prozent zum 1. Januar 2007 durch die Bundesre-
gierung erinnert, die wir abgelehnt haben. Diese Erhö-
hung entfaltet angesichts der aktuellen Preissteigerungen
so richtig ihr unsoziales Potenzial; denn jede Preiserhö-
hung netto fällt dank der Mehrwertsteuer noch drasti-
scher aus.
Der vorliegende Antrag konzentriert sich auf die ge-
stiegenen Benzinpreise und deren besondere Auswir-
kung auf Menschen mit niedrigem Einkommen. Diesen
hilft auch eine Wiedereinführung der alten Entfernungs-
pauschale wenig. Denn diese ist in ihrer Wirkung an die
Einkommensteuer gebunden, das heißt, nur wer über-
haupt Steuern zahlt, kann sie nutzen. Geringverdienerin-
nen und -verdiener zahlen in aller Regel keine oder
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aum Steuern, sodass sie die Mehrkosten der Mobilität
it aller Härte treffen. Einer Einschränkung der eigenen
obilität sind enge Grenzen gesetzt; denn viele Er-
erbstätige sind gezwungen, zu ihrer Arbeitsstätte bzw.
eruflich weite Wege zurückzulegen. Ein Wechsel des
ohnorts nahe zur Arbeitsstätte ist aus wirtschaftlichen
nd sozialen Gründen oftmals unmöglich. Dies resultiert
us Einschränkungen wie der Befristung des Arbeitsver-
rages, einem hohen Mietniveau im nahen Umfeld des
etriebes, hohen Umzugskosten, familiären Bindungen,
ie Schulbesuch der Kinder. Angesichts steigender
pritpreise würden viele Pendlerinnen und Pendler gerne
om Pkw auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen, wie
ktuelle Umfragen, aber auch das bereits geänderte Ver-
alten vieler belegen. So verzeichnet die Deutsche Bahn
wischen Januar und April 20 Millionen mehr Kunden
m Nah- und Fernverkehr. Ein solcher Umstieg ist je-
och für viele Pendlerinnen und Pendler aufgrund man-
elnder Angebote, insbesondere in der Fläche, nicht
öglich. Zudem klagen gerade Geringverdienerinnen
nd -verdiener über die steigenden Preise im öffentli-
hen Personennah- und -fernverkehr.
Wir bezwecken mit dem vorliegenden Antrag zweier-
ei: Zum einen wollen wir Bezieher niedriger Einkom-
en entlasten, ohne ihre Mobilität einzuschränken. Zum
nderen wollen wir den ökologischen Umbau der Gesell-
chaft vorantreiben, indem der Umstieg vom Pkw auf
en öffentlichen Nah- und Fernverkehr erleichtert wer-
en soll. Steigende Erdölpreise und Klimaschutz erfor-
ern Verkehrsvermeidung, mehr Energieeffizienz und
egenerative Energieträger, um den Einsatz von Mineral-
len zügig zu reduzieren. Beide Ziele in Einklang zu
ringen, ist ein zwar schwieriges, aber nicht unmögli-
hes Unterfangen, wie unser Antrag mit seinen drei An-
atzpunkten zeigt.
Erstens sollte insbesondere im Hinblick auf die Fern-
endlerinnen und -pendler auch im Schienenpersonen-
ernverkehr, wie bereits im -nahverkehr, der ermäßigte
ehrwertsteuersatz gelten.
Zweitens wollen wir, dass Mehrwertsteuereinnahmen,
ie aus Preisen von mehr als 1,40 Euro/Liter für Benzin
owie 1,30 Euro/Liter für Diesel resultieren, für den
usbau öffentlicher Verkehrsmittel zweckgebunden wer-
en. Angesichts der aktuellen Spritpreise würden damit
ereits jetzt Finanzmittel zufließen. Durch diese zusätz-
ichen Finanzmittel kann die Verfügbarkeit von Bahn
nd Bussen erhöht und können die Fahrpreise gesenkt
erden. Beides kann den Willen zum Umsteigen unter-
tützen. Die Umsetzung der Zweckbindung über die Bil-
ung eines Fonds findet mittlerweile auch innerhalb der
U prominente Anhänger: Der französische Präsident
arkozy hat Ende Mai vorgeschlagen, in Frankreich ei-
en Ausgleichsfonds zu schaffen, der aus zusätzlichen
innahmen bei der Mehrwertsteuer wegen der hohen Öl-
reise gespeist wird. Das Geld solle dazu benutzt wer-
en, höhere Zuschüsse für die Heizöl- und Gasversor-
ung von Haushalten mit niedrigen Einkommen zu
ahlen.
Drittens soll der Staat Pendlerinnen und Pendlern mit
eringen Einkommen einen direkten finanziellen Aus-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 173. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. Juni 2008 18529
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gleich für steigende Mobilitätskosten zahlen. Diese kön-
nen, wie bereits erläutert, die Entfernungspauschale
nicht oder nicht voll nutzen. In unserem Antrag zeigen
wir einen Weg auf, wie dieser Vorschlag sozial gerecht
und ohne Mehrkosten für die Arbeitgeber umgesetzt
werden könnte.
Im Übrigen ist die Bundesregierung gefordert, tätig
zu werden, um die bei den meisten Mineralölkonzernen
anfallenden Extraprofite im Zusammenhang mit Preis-
steigerungen auf dem Rohölmarkt zu unterbinden bzw.
abzuschöpfen.
Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Die steigenden Energiekosten stellen eine hohe Zusatz-
belastung für die Menschen in unserem Land dar. Das
gilt nicht nur für die Benzinpreise, sondern vor allem
auch für die gestiegenen Kosten für Heizung und Warm-
wasser im Wohnbereich oder für das allgemein gestie-
gene Preisniveau, das stark auf die steigenden Ölpreise
zurückgeht.
Zur Erinnerung: 1998 hatten wir einen Ölpreis von
rund 10 Dollar pro Fass Öl. Heute sind es mehr als
130 Dollar. Der hohe Ölpreis zeigt an, dass das Ölzeital-
ter zu Ende geht; denn das Angebot kann mit der rapide
steigenden Nachfrage gerade aus den Schwellenländern
wie China und Indien nicht mehr mithalten. Ein Ölpreis
von 200 Dollar und mehr ist daher eher kurz- als lang-
fristig zu erwarten.
Wer in der Politik die Senkung von Energiesteuern
oder die Erhöhung von Subventionen wie der Pendler-
pauschale vorschlägt, wie es die Linke tut, versucht, den
Brand mit billigem Benzin zu löschen. Hier zeigt sich
deutlich, dass das Ökomäntelchen, das sich die Linke
gerne überzieht, nicht passt. Vor die Frage gestellt, ob
man ökologisch sinnvolle Forderungen aufstellt oder so-
zialpolitischen Populismus predigt, entscheidet sich die
Linke dann doch für Zweiteres.
Ich habe im Antrag der Linken vermisst, dass die
Bundesregierung aufgefordert wird, mit Hugo Chávez in
Venezuela Sonderkonditionen für billigen Sprit zu ver-
handeln – mit Oskar Lafontaine als Sonderbeauftragten –,
wie es der abgewählte Londoner Bürgermeister Ken
Livingstone gemacht hat. Aber im Ernst: Wir brauchen
kein billiges Benzin, das nur die Illusion nährt, alles
könne so bleiben wie bisher, sondern wir müssen rasch
in Alternativen investieren, die uns unabhängig vom Öl
machen. Wenn der Staat das Signal aussendet, dass er
Ölpreissteigerungen aufgrund der sich verknappenden
Nachfrage durch Subventionen ausgleicht, werden diese
Alternativen nicht marktfähig und das knappe und kli-
maschädliche Öl wird noch schneller in die Luft gepus-
tet.
Zu den Forderungen der Linken im Einzelnen:
Die Forderung nach einem ermäßigten Mehrwertsteu-
ersatz ist für Fahrten bis 50 Kilometer, was 99 Prozent
aller Pendler betreffen dürfte, schon längst in Kraft.
Diese Ermäßigung auch auf den Fernverkehr auszuwei-
ten, ist eine alte Forderung von uns Grünen. Allerdings
haben wir gelernt, dass diese Mehrwertsteuerermäßi-
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ung dann auch für den innerdeutschen Flugverkehr und
ernlinienbusreisen eingeführt werden müsste. Der öko-
ogische Effekt wäre also begrenzt, die Steuerausfälle
ingegen hoch.
Wichtiger als diese Forderung wäre es, flächende-
kend günstige Tickets im öffentlichen Verkehr anzubie-
en für die Bevölkerungsgruppen, die am wenigsten ha-
en. Beispielhaft ist hier das Land Brandenburg, das ab
. September 2008 ein gegenüber dem regulären Mo-
atskartentarif um 50 Prozent günstigeres Mobilitäts-
icket für Bezieher von Arbeitslosengeld, Sozialhilfe,
rundsicherung oder Asylbewerberleistungen anbietet.
ies sollte in allen Bundesländern eingeführt werden,
m diesen Bevölkerungsgruppen zu ermöglichen, mobil
u bleiben und am gesellschaftlichen Leben teilzuneh-
en.
Es gibt aber auch Regionen im ländlichen Raum, in
enen der öffentliche Verkehr sich auf einen Schulbus
orgens und mittags beschränkt und es kaum Alternati-
en zum Auto gibt. Die Forderung nach höheren Investi-
ionen in den öffentlichen Nahverkehr gerade im ländli-
hen Raum ist daher richtig. Wir Grünen wollen
llerdings, dass sie auf eine verlässliche Grundlage ge-
tellt werden, und dazu taugt der Vorschlag der Linken
icht.
Eine Zweckbindung von Mitteln aus der Mehrwert-
teuer auf Kraftstoff, wenn dieser den Wert von mehr als
,40 Euro erreicht, halten wir aber für kontraproduktiv.
ie Bindung an einen schwankenden Kraftstoffpreis
ürde zu unkalkulierbaren Einnahmen führen. Es mag
n der Zukunft noch einmal Zyklen geben, in denen der
ohölpreis vorübergehend wieder sinkt. Soll es dann
eine zusätzlichen Mittel für den öffentlichen Verkehr
eben? Das ist nicht durchdacht.
Zusätzlich zum Ausbau des öffentlichen Verkehrs
önnte der Staat Angebote zu Pendler-Fahrgemeinschaf-
en, die es im Internet gibt, unterstützen, indem er mit ei-
er breit angelegten Werbekampagne auf diese Angebote
ufmerksam macht. Das Bundesverkehrsministerium gibt
ährlich einen zweistelligen Millionenbetrag für Wer-
ung zur Verkehrssicherheit aus. Wir schlagen vor, dass
us dem Straßenbauhaushalt, der mehr als 5 Milliarden
uro beträgt, ein paar Millionen für eine Werbekampa-
ne bereitgestellt werden, die Tipps für umweltfreundli-
he Mobilität mit und ohne Auto gibt. Dazu gehören
pritspartipps, Fahrgemeinschaften, Car Sharing, öffent-
icher Nahverkehr, Fahrradfahren und zu Fuß gehen.
Unsere Position zur Entfernungspauschale ist, diese
eduziert auf 15 Cent wieder ab dem ersten Kilometer
inzuführen, damit auch diejenigen profitieren, die in der
ähe ihres Arbeitsplatzes wohnen. Zu prüfen ist, ob die
auschale in ein Mobilitätsgeld verwandelt wird, da da-
on die Bezieher kleiner Einkommen stärker profitieren
ürden als bei der heutigen Regelung, die vor allem die
ezieher hoher Einkommen begünstigt, da die Höhe der
teuergutschrift vom Steuersatz abhängt.
Das sich ankündigende Ende des Ölzeitalters und der
limawandel sollten zum Umdenken und Umlenken
ühren. Damit Mobilität auch in Zukunft für alle er-
18530 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 173. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. Juni 2008
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schwinglich bleibt, brauchen wir eine Wende zu klima-
freundlichen und spritsparenden Transportmitteln und
keine Verbilligung des Fahrens mit alten, klimaschädi-
genden Fahrzeugen.
Anlage 7
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung der Beschlussempfehlung und des
Berichts:
– Unterrichtung durch die Bundesregierung:
Mitteilung der Kommission an das Europäi-
sche Parlament und den Rat
Europäische Agenturen – Mögliche Perspek-
tiven
KOM(2008) 135 endg.; Ratsdok. 7972/08
– Antrag: Gerichtliche und parlamentarische
Kontrolle von EU-Agenturen
(Tagesordnungspunkt 44)
Veronika Bellmann (CDU/CSU): Die Übertragung
hoheitlicher Rechte von den Mitgliedstaaten auf die Eu-
ropäische Union hat zu einem Zuwachs an Kompetenzen
der EU auf zahlreichen Gebieten geführt. Kommission,
Rat und Europäisches Parlament haben in zunehmendem
Maße Agenturen geschaffen, um die Kommission und
die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung und Fortentwick-
lung europäischer Politik zu unterstützen. Diese Agentu-
ren haben erheblich an Bedeutung gewonnen. Sie sind
heute ein wesentlicher Bestandteil des institutionellen
Rahmens der Europäischen Union. Dies wird auch darin
deutlich, dass die Kommission in ihrem Vorentwurf für
den EU-Gesamthaushalt des Jahres 2009 einen Zuschuss
von insgesamt circa 564 Millionen Euro für Regulie-
rungsagenturen veranschlagt hat. Die Anzahl der Plan-
stellen in diesen Agenturen sollen dem Entwurf nach im
kommenden Jahr auf 4 216 anwachsen. Mit ihrer Mittei-
lung „Europäische Agenturen – Mögliche Perspektiven“
vom 11. März 2008 hat die EU-Kommission das Thema
Agenturen endlich zurück auf die europäische Tagesord-
nung gerufen. Sie ist die dringend notwendige Reaktion
darauf, dass die im Jahre 2005 vorgelegte Interinstitutio-
nelle Vereinbarung vom Europäischen Rat auf Eis gelegt
wurde. Ich begrüße den nun vorliegenden zweiten
Versuch der Kommission ausdrücklich, einheitliche
Rahmenbedingungen für Regulierungsagenturen festzu-
legen. Insbesondere in Bezug auf ihre Organisations-
strukturen und Kontrollmechanismen herrschen im der-
zeitigen Agentursystem zahlreiche Missstände.
Da sich die Agenturen der Europäischen Union hin-
sichtlich ihrer Aufgabenbereiche und ihrer Personal-
stärke deutlich voneinander unterscheiden, bedürfen sie
allerdings einer differenzierten Bewertung.
Zur Erarbeitung eines gemeinsamen Konzeptes
schlägt die Kommission eine interinstitutionelle Debatte
sowie eine Querschnittsevaluierung aller bestehenden
Regulierungsbehörden vor. Bis zur Vorlage von Ergeb-
nissen soll auf die Errichtung neuer Agenturen verzichtet
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erden. Im Fokus der Kommissionsmitteilung stehen
ie sogenannten Regulierungsagenturen, für die es – im
egensatz zu den Exekutivagenturen – bislang keinen
inheitlichen Regelungsrahmen für die Errichtung, Or-
anisation und Kontrolle gibt. Nun liegt es vor allem an
en Regierungen der Mitgliedstaaten, in Zusammenar-
eit mit dem Europäischen Parlament und der Kommis-
ion die Vorschläge zeitnah und nachhaltig mit Leben zu
üllen. Die Inhalte der Mitteilung dürfen kein Lippenbe-
enntnis der Kommission bleiben.
Mit dem gemeinsamen Antrag von CDU/CSU, SPD
nd Bündnis 90/Die Grünen verleiht der Deutsche Bun-
estag seiner Stimme im Hinblick auf die Mitgestaltung
er Politik der Europäischen Union ein starkes Gewicht.
ch bedauere ausdrücklich, dass die FDP über Wochen
inweg den Eindruck erweckt hat, am Antrag mitzuar-
eiten, es aber schlussendlich nicht getan hat. Wir hätten
ie gern beteiligt, wenn wir die Bundesregierung in die
flicht nehmen, ihren eigenen, immer wieder betonten
edenken gegenüber den EU-Agenturen endlich auch
aten folgen zu lassen. Wir geben ihr Leitlinien vor, die
ei den Verhandlungen im Europäischen Rat über neue
egulierungsagenturen zu beachten sind. An vielen Stel-
en ist nämlich die Festlegung einfacher Standards mög-
ich, wenn die Mitgliedstaaten dafür nur den erforderli-
hen Willen aufbrächten. Insofern soll unser Antrag die
einungsbildungsprozesse auf der Ebene der Bundesre-
ierung und in der Europäischen Union dahin gehend
eeinflussen, dass vor allem mehr Transparenz in das
ickicht der europäischen Regulierungsagenturen ge-
racht wird. Der Antrag zur Mitteilung der Kommission
reift die in den Fraktionen geäußerte Kritik bezüglich
er Aufgabenstellung und Kontrolle der Effizienz, der
inanzierung und Personalpolitik der Regulierungsagen-
uren auf. Spätestens seit der Einrichtung der Grundrech-
eagentur in Wien und der Meinungsbildung dazu im
U-Ausschuss ist aus der Sicht unserer Fraktion eine
ertiefte Befassung mit den bestehenden und neuen EU-
genturen geboten. Vor Abschluss der Überprüfung
ollen wir unsere Zustimmung zur Gründung neuer
genturen geben. Dies beträfe zurzeit eine Energieregu-
ierungs- und eine Telekommunikationsagentur. Die
undesregierung wird aufgefordert, vor allem bei der
ründung neuer Regulierungsagenturen für einen ein-
eutigen Kriterienkatalog und insbesondere eine detail-
ierte Kosten-Nutzen-Analyse Sorge zu tragen.
Es darf nicht zu viel verlangt sein, jeden neuen Agen-
urvorschlag im Einzelfall detailliert zu prüfen. Eine
egelmäßige Evaluierung aller bereits bestehenden Re-
ulierungsagenturen ist unerlässlich, um mögliche Dop-
elstrukturen wirksam zu bekämpfen. Wir fordern die
undesregierung weiterhin auf, der Subsidiarität und der
erhältnismäßigkeit höchste Priorität zu verschaffen.
ußerdem verstärken wir mit unserem Antrag die Mög-
ichkeit der parlamentarischen Kontrolle sowie unsere
itbestimmung als nationales Parlament.
Das Abstimmungsergebnis zum Vertrag von Lissabon
n Irland hat uns auch eines deutlich vor Augen geführt:
ür die Anerkennung der EU unter ihren Bürgern ist
ransparenz eines der wichtigsten Kriterien. Das derzeit
orherrschende Agentur-Unwesen dagegen trägt zu ei-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 173. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. Juni 2008 18531
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nem berechtigten Misstrauen der europäischen Bürger
gegenüber dem Verwaltungsdickicht der EU bei. Sie hat
ihren schlechten Ruf in Sachen Bürokratie nicht gerade
verbessert, weil durch die Agenturen mit ihrem umfäng-
lichen Personalbestand und dem dazugehörigen Finanz-
budget auch noch die Regulierungsdichte erhöht wird.
Um die Europäische Union den Bürgern näher zu brin-
gen, ist es nämlich nicht ausreichend, einfach die Sitze
der verschiedenen Regulierungsagenturen auf sämtliche
Mitgliedstaaten zu verteilen. Die Verhandlungstaktiken
im Rat, die hinter diesen Entscheidungen stecken, sind in
keiner Weise zu rechtfertigen. Das ist oft in regelrechte
Feilscherei unter den Mitgliedstaaten ausgeartet. So war
über die Vergabe von neun Standorten durch den Euro-
päischen Rat im Dezember 2003 vom italienischen
Ministerpräsidenten Berlusconi zu erfahren, dass die
Agentur für Lebensmittelsicherheit nach Parma verge-
ben wurde, weil die Finnen angeblich keine Esskultur
hätten. Dafür habe aber Finnland das Amt für chemische
Stoffe bekommen müssen. Derartige Vergabekriterien
sind unwürdig und fragwürdig zugleich. Deshalb müs-
sen zukünftig die Aufgaben und Strukturen der Regulie-
rungsagenturen anhand eines klaren Rechtsrahmens de-
finiert werden. Was nützt die Agentur vor der Haustür,
wenn aber unklar bleibt, welchen Mehrwert sie hat?
Der gemeinsame Entschließungsantrag der Koali-
tionsfraktionen und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
ist deshalb ein wichtiger Schritt, die Politik der Europäi-
schen Union effizienter und transparenter zu gestalten.
Michael Roth (Heringen) (SPD): Vor gut anderthalb
Jahren haben wir hier im Plenum einen Antrag der FDP-
Fraktion beraten mit dem Titel „Eine Grundrechteagen-
tur der EU wird nicht gebraucht“. Der erst vor wenigen
Tagen veröffentlichte Jahresbericht der Agentur gibt An-
lass zur Hoffnung, dass diese Behörde durchaus einen
Beitrag im Kampf für Menschenrechte und gegen Ras-
sismus zu leisten vermag. Pauschalkritik an den EU-
Agenturen bringt uns also nicht weiter, eine differen-
zierte, konstruktive Kritik hingegen schon.
Daher begrüßt die SPD-Bundestagsfraktion die Mit-
teilung der EU-Kommission zu den Perspektiven euro-
päischer Agenturen. Sie ist überfällig. Die Zielsetzung
der Mitteilung entspricht auch dem Anliegen des inter-
fraktionellen Entschließungsantrags von SPD, CDU/
CSU und Grünen. Die Kommission setzt sich endlich in
angemessener Weise mit dem Agenturwesen auseinan-
der. Die Zusage, keine neuen Agenturen zu gründen, so-
lange die Evaluierung der bestehenden Agenturen nicht
abgeschlossen ist, verdeutlicht: Auch Brüssel ist an einer
Vermeidung von Doppelstrukturen, einer Verbesserung
der Arbeitsweise sowie einer stärkeren parlamenta-
rischen Kontrolle der Agenturen durchaus interessiert.
Dazu hat sicher auch die von uns angestoßene Debatte
über das Für und Wider von Agenturen beigetragen.
Der schon erwähnte erste Jahresbericht der Agentur
für Grundrechte belegt, dass es durchaus Beispiele für
Agenturen gibt, die eine gute und nützliche Arbeit leis-
ten. Diese Daten verdienen unsere volle Aufmerksam-
keit! Denn wenn wir mit unserer Politik international
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laubwürdig sein wollen, müssen wir konsequent die
aßstäbe, die wir an andere anlegen, zur Leitlinie unse-
es eigenen Handelns machen. Der Bericht liefert uns
ber auch eine Übersicht der Maßnahmen, die in den
itgliedstaaten der Europäischen Union zur Bekämp-
ung von Rassismus und Diskriminierung ergriffen wur-
en. Erfolgreiche Projekte werden benannt, ein Erfah-
ungsaustausch wird angeregt. Zum anderen spornt der
ergleich zu eigenen Verbesserungen an.
In diesem Zusammenhang lassen Sie mich auch die
ewerbung Jenas um den Sitz des Europäischen Techno-
ogieinstituts erwähnen. Sie verdeutlicht, dass diese De-
atte nicht frei von Scheinheiligkeit ist. Mit einer Politik
ach dem Motto: „Wir sind gegen EU-Behörden, so-
ange sie nicht in Deutschland angesiedelt werden!“ ma-
hen wir uns unglaubwürdig und geben uns der Lächer-
ichkeit preis. Selbstverständlich profitiert jedes Land,
as Sitz einer EU-Behörde ist, auch von ihr. Mit der Eu-
opäischen Zentralbank in Frankfurt am Main und der
uropäischen Agentur für Flugsicherheit gehören wir
elbst zu den Gewinnern einer auf Dezentralität fußen-
en Institutionenpolitik der EU. Dort, wo die EU konkret
esicht zeigt und Farbe bekennt, kann sie zu einer grö-
eren Identität mit dem vereinten Europa beitragen. Im
brigen sind auch oberste und obere Bundesbehörden in
nserem Bundesstaat in nahezu allen Ländern präsent!
o funktioniert der Föderalismus!
Damit will ich mich keineswegs zum unkritischen
erteidiger des Status quo machen. Ganz im Gegenteil:
eformen sind überfällig, weil auch ich nicht den Sinn
iner jeden Agentur zu erkennen vermag. Als 1975 die
rsten Agenturen – die Agentur für Berufsbildung und
ie Agentur für die Verbesserung der Lebens- und Ar-
eitsbedingungen – ihre Arbeit aufnahmen, gab es kei-
en Plan für die Entwicklung und Ausgestaltung des
genturwesens. Zwischenzeitlich gibt es ein Sammelsu-
ium von 29 Gemeinschaftsagenturen nebst weiteren Be-
örden, die teilweise ohne jegliche politische Kontrolle
rbeiten.
Neben einer Evaluierung der existierenden Agenturen
üssen daher die Kompetenzen der Regulierungsagentu-
en endlich klar benannt und abgegrenzt werden. Doppel-
trukturen zwischen Agenturen, Generaldirektionen und
eiteren europäischen Einrichtungen müssen in der Tat
ermieden werden. Ergebnis einer Evaluierung könnte
uch die Zusammenlegung von Agenturen sein. Wichti-
er noch: Die parlamentarische Kontrolle ist auszuwei-
en! Dazu gehört die Einbindung des Europäischen Parla-
ents in die Personalentscheidungen wie beispielsweise
ie Ernennung von Direktoren. Eine Finanzkontrolle
urch die EU-Organe ist zwingend aufgrund der Finan-
ierung durch den Gemeinschaftshaushalt.
Die Kommission hatte den Rat zur Teilnahme an ei-
er interinstitutionellen Arbeitsgruppe aufgefordert. Be-
auerlicherweise wird viel Zeit verschwendet, weil man
etzt erst noch die Evaluierung abzuwarten beabsichtigt.
ffensichtlich haben nicht alle Mitgliedstaaten und na-
ionale Regierungen ein ebenso großes Interesse wie wir
n einer verbindlicheren Regelung. Wenn die Bundesre-
ierung im Rat aber ohne Bündnispartner dasteht, laufen
18532 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 173. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. Juni 2008
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unsere parlamentarischen Bemühungen ins Leere. Unser
gemeinsamer Antrag könnte daher auch einen Impuls
liefern für einen verstärkten interparlamentarischen Dia-
log. Den Kolleginnen und Kollegen von CDU/CSU und
Grünen, die zum Gelingen des Antrages maßgeblich bei-
getragen haben, danke ich herzlich. Dass der Deutsche
Bundestag seine europapolitische Mitwirkungspflicht
verantwortungs- und selbstbewusst zu nutzen weiß, be-
legt unsere gemeinsame Initiative.
Markus Löning (FDP): Als wir in den Jahren 2006
und 2007 hier im Bundestag über die Grundrechteagen-
tur diskutiert haben, waren wir uns einig, dass eine Ent-
scheidung über Schaffung, Sitz und Größe von EU-
Agenturen hinter verschlossenen Türen und ohne parla-
mentarische Kontrolle nicht mehr vorkommen soll. Die
Bundesregierung hatte damals im Europäischen Rat eine
– zunächst informelle – Zusage zu einem bestimmten in-
stitutionellen Paket gemacht und benutzte anschließend
diese Zusage als Argument gegenüber den gewählten
Vertretern des Volkes, warum sie nicht mitreden können.
Es gab damals einen fraktionsübergreifenden Kon-
sens, dass die Grundrechteagentur wenn überhaupt, dann
zumindest nicht in der ursprünglich geplanten Größe
eingerichtet werden sollte. Es gab sehr ernste Bedenken
hinsichtlich der gerichtlichen und parlamentarischen
Kontrolle der Agentur. Dennoch konnte der Bundestag
letztlich nichts ausrichten. Die Agentur wurde gegrün-
det. Die Planstellen wurden geschaffen. Das Budget
wurde genehmigt. Dies war ein Beispiel dafür, wie es
nicht laufen soll und auch nicht laufen darf. Die Bundes-
regierung sollte den Bundestag künftig in vollem Um-
fang einbeziehen, bevor sie derartige Zusagen macht.
Dies war das Ziel unseres Antrags. Der Entschließungs-
antrag von CDU/CSU, SPD und Grünen, der sicher viele
richtige und wichtige Punkte enthält, bleibt demgegen-
über in dieser einen Frage hinter den Vorstellungen der
FDP zurück. Leider, kann ich da nur sagen, denn aus
Parlamentssicht ist dies die eigentlich entscheidende
Frage, und das wissen Sie auch selbst.
Ich will noch einmal klarstellen, dass wir hier keine
blinde Fundamentalopposition betreiben: Es gibt durch-
aus sinnvolle Aufgaben für Agenturen. Auch in Deutsch-
land lagern wir manche Aufgaben in Anstalten, wie zum
Beispiel die Bundesanstalt für Materialforschung oder das
Robert-Koch-Institut, aus. Die EU-Agentur zur Umset-
zung der Chemikalienrichtlinie war sicher eine sinnvolle
Gründung, denn sie bündelt sehr spezifischen Sachver-
stand und ist der eine Ansprechpartner für die betroffene
Wirtschaft. Ich verstehe nicht, warum die Bundesregie-
rung bei solch sinnvollen Gründungen Angst vor dem
Deutschen Bundestag hat. Es stärkt doch auch die Posi-
tion der Bundesregierung, wenn die Sinnhaftigkeit einer
Agentur in der Debatte mit den Abgeordneten Bestand
hat.
Aber wir wollen, dass vor einer Zusage die Zustim-
mung des Bundestages eingeholt wird, und wir wollen,
dass es vor der Errichtung einer Agentur ein transparen-
tes Verfahren gibt. Der Bundestag muss in einem geord-
neten Verfahren einbezogen werden. Die Mitteilung,
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ass man den Bundestag natürlich gerne informiere, die
ntscheidung aber längst gefallen sei, ist ein Schlag ins
esicht der Parlamentarier. Wir wollen ein geordnetes
erfahren, bei dem der EU-Ausschuss, betroffene Fach-
usschüsse und gegebenenfalls das Plenum Gelegenheit
ur Stellungsnahme bekommen, bevor die Entscheidung
ber die Errichtung endgültig fällt. Die Prinzipien von
echtsstaat und Demokratie gehören zur gemeinsamen
ertegrundlage der EU. Sie müssen in allen Aspekten
es Handelns der EU berücksichtigt werden.
Auch kann es nicht sein, dass für jede EU-Agentur ein
euer Rechtsweg beschlossen werden muss, und es kann
rst recht nicht sein, dass nicht sichergestellt ist, dass es
ür die Bürgerinnen und Bürger immer einen Rechtsweg
ibt. Hoheitliche Akte der Agenturen können schwer-
iegende Eingriffe in Rechte von Personen oder Unter-
ehmen darstellen. Jeder betroffene Bürger, jedes betrof-
ene Unternehmen muss alle Akte von EU-Agenturen
echtlich überprüfen lassen können. Es ist nach unserem
echtsstaatsverständnis schlicht inakzeptabel, wenn der
echtsweg nicht klar – oder noch schlimmer – nicht vor-
anden ist. Die Freien Demokraten fordern daher eine
echtswegegarantie für alle Bürgerinnen und Bürger ge-
enüber allen EU-Agenturen.
Genauso wichtig ist die demokratische Kontrolle.
ies betrifft die Budgets, den Haushaltsvollzug und bei
inigen Agenturen die inhaltliche Arbeit. Der Haushalts-
ontrollausschuss des Europäischen Parlamentes ver-
eigert zurzeit wegen einer Reihe von ungeklärten Fra-
en einigen Agenturen die Entlastung. Ich kann die
ollegen im EP nur bestärken, ihre Rechte wahrzuneh-
en und im Sinne der europäischen Steuerzahler auf ei-
em transparenten und ordentlichen Haushaltsvollzug zu
estehen. Es gibt aber noch einen weiteren Aspekt der
emokratischen Kontrolle. Die Agentur für Grundrechte
der die Agentur für Gleichstellungsfragen werden gut-
chterlich tätig sein. Sie werden Stellungnahmen auf
nfrage oder aus eigenem Antrieb erarbeiten und ver-
reiten. Damit sind sie Teilnehmer einer öffentlichen po-
itischen oder juristischen Debatte. Wer legitimiert sie
azu? Sie sind weder unabhängige Gerichte, die das
echt auslegen und durchsetzen, noch gewählte Vertre-
er des Volkes, die der Kontrolle durch Wahl unterliegen.
ies widerspricht dem Prinzip der Gewaltenteilung in
inem demokratischen Rechtsstaat. Es muss hier eine
lare Zuordnung geben. Auch dies stellen wir daher mit
nserem Antrag klar: Alle Agenturen müssen der vollen
arlamentarischen Kontrolle unterworfen sein.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU/CSU,
PD und Grünen, aus Ihren nachdenklichen Mienen lese
ch, dass Sie selbst gerne weitergegangen wären, als Sie
as in Ihrer Beschlussempfehlung, die ja nicht falsch,
ber eben halbherzig ist, zum Ausdruck gebracht haben.
s wäre ein wichtiger Schritt zur Stärkung des Deut-
chen Bundestages in EU-Fragen gewesen, wenn Sie
en Mut aufgebracht hätten, Ihren bei den Diskussionen
ber die Grundrechteagentur geäußerten Überzeugungen
olge zu leisten. Sie hätten nur unserem Antrag zustim-
en müssen. Diese Chance haben Sie verpasst.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 173. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. Juni 2008 18533
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Alexander Ulrich (DIE LINKE): Wir begrüßen die
längst überfällige Debatte über den Wildwuchs der EU-
Agenturen. Wir teilen auch die Stoßrichtung der Kritik
der konkurrierenden Fraktionen des Deutschen Bundes-
tages. Doch sie bleiben auf halber Strecke stehen. Daher
werden wir uns zu dem vorliegenden Antrag der FDP
ebenso wie zu dem Antrag der Regierungsfraktionen
plus Bündnis 90/Die Grünen enthalten.
Beide Anträge gegen uns nicht weit genug, weil sie
nur ein Placebo gegen die grassierende europäische
„Agenturitis“ sind. Öffentlichen Aufgaben werden unter
dem Deckmantel der Unabhängigkeit zunehmend ausge-
gliedert. Dies führt zu einer eingeschränkten parlamenta-
rischen Kontrolle, also weniger Demokratie. Es führt
auch dazu, dass sich niemand mehr politisch verantwort-
lich fühlt und erzeugt daher Ohnmacht bei den Men-
schen. Beides zusammen führt dann zu schlechteren
öffentlichen Dienstleistungen. Schlechte öffentliche
Dienstleistungen sind aber ein Kronzeuge, um die noch
schlechtere Privatisierung hoheitlicher Aufgaben zu
rechtfertigen.
Die im EU-Ausschuss geäußerte Kritik der FDP am
Antrag der Regierungsfraktionen plus Grüne bzw. „In-
terfraktionell minus FDP und Linke“ teilen wir: Es fehlt
an Courage. Tatsächlich geht der Antrag hinter den er-
reichten Diskussionsstand der letzten beiden Jahre zu-
rück. Die schlechten Erfahrungen mit der Erfüllung von
Zusagen seitens der Bundesregierung werden verdrängt.
Die Entscheidungen über Sitz, Größe und finanzielle
Ausstattung der Agenturen unterliegen keiner parlamen-
tarischen Kontrolle. Es fehlt auch an einer gerichtlichen
Überprüfbarkeit der Agenturen und einer klaren Abgren-
zung hoheitlicher Aufgaben.
Der Antrag der FDP teilt jedoch ein Defizit mit dem
Antrag der Regierungsfraktionen plus Grüne: Sie schaf-
fen es nicht, sich von der zweifelhaften Rechtsgrundlage
zur Einrichtung von Agenturen in Art. 308 des EG-Ver-
trages zu lösen. Denn sie ist nicht nur, ich zitiere die
FDP, eine „fragwürdige Rechtsgrundlage“ oder eine
„Rechtsgrundlage, die Anlass gibt zu Zweifeln an der
Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips“. Sie ist überhaupt
keine Rechtsgrundlage. Hier werden ohne zureichende
Kompetenz im Primärrecht bürokratische Monster ein-
gerichtet.
Sie sollten den Menschen dann aber auch die Wahr-
heit sagen: Es geht tatsächlich nicht, immer auf Brüssel
zu schimpfen; denn Sie haben diese Fehlentwicklungen
der EU mitzuverantworten. Wir beobachten täglich den
Tanz eines eng umschlungenen Paars: neoliberale Politik
und Bürokratie. Mit dem Vertrag von Lissabon bezie-
hungsweise Art. 352 des Vertrags über die Arbeitsweise
der EU darf dieses Paar vom „Gemeinsamen Markt“ auf
allen Politikbereichen tanzen. Sie haben diesem Vertrag
im Unterschied zur irischen Bevölkerung zugestimmt.
Sie sollten sich an dieser Stelle also etwas in Demut
üben.
Die Linke möchte, dass alle Agenturen, die unter Be-
rufung auf Art. 308 eingerichtet wurden, in die allge-
meine Verwaltung eingegliedert werden oder eine tragfä-
hige Rechtsgrundlage erhalten. Die Linke überschätzt
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uch die Wirksamkeit der Kontrolle der Kommissions-
ürokratie durch das Europäische Parlament nicht. Die
emokratische Kontrolle sollte in die Einrichtungen
elbst verlagert werden, wie dies bei öffentlich-rechtli-
hen Körperschaften möglich und in Ansätzen realisiert
st.
Beides leisten die angesprochenen Anträge nicht. Wir
erden uns aber als Zeichen des guten Willens der
timme enthalten.
Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
EN): Mit unserem Antrag wollen wir Licht in das Dun-
el der Arbeit und der Strukturen von sogenannten EU-
genturen bringen. Gemeinsam mit den Koalitionsfrak-
ionen wollen wir mehr Übersicht, mehr Kontrolle und
inen umfassenden Rechtsschutz für alle Bürgerinnen
nd Bürger herstellen.
EU-Agenturen bestehen fast in jedem Mitgliedstaat.
n Köln ist es zum Beispiel die Europäische Agentur für
lugsicherheit, in Kopenhagen die Europäische Um-
eltagentur und in Turin die Europäische Stiftung für
erufsbildung. Diese zahlreichen Agenturen der Euro-
äischen Union unterstützen sie und damit uns in unserer
rbeit, nämlich in der Ausführung und Fortentwicklung
uropäischer Politik. Die EU-Agenturen sind meistens
icht in Brüssel angesiedelt und geben der EU dadurch
um Beispiel eben in Köln, in Kopenhagen oder in Turin
in „Gesicht“. Das ist ein guter Aspekt dieser Agenturen,
nd ich möchte unterstreichen, dass wir Grünen die EU-
genturen unterstützen, die sinnvoll und notwendig
ind. Teilweise leisten sie eine sehr gute Arbeit vor Ort.
as steht außer Frage.
Und jetzt kommt das Aber. Aber ein Teil dieser Agen-
ren, die sogenannten Regulierungsagenturen, sind nicht
inreichend kontrolliert und reguliert. Diese Agenturen
ind autonome Einrichtungen, für die kein einheitlicher
echtsrahmen besteht; im Unterschied zu den Exekutiv-
genturen, die wiederum zeitlich befristet, mit klaren
ufgaben und einer eindeutig geregelten Verantwortung
er EU-Kommission eingerichtet werden. Dadurch ist bei
egulierungsagenturen nicht gewährleistet, dass sie den
rundlegenden Anforderungen an Rechenschaftspflicht
nd Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung gerecht
erden.
Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass EU-Agenturen mit-
nter Aufgaben erledigen, die bereits an anderer Stelle
earbeitet werden. In einigen Fällen sind die Mandate der
genturen nicht eindeutig und Doppelstrukturen zwi-
chen unterschiedlichen Agenturen erkennbar. Weiterhin
eanstanden wir, dass bei einigen Agenturen lange Zeit
in klar erkennbares Konzept fehlt oder sogar das Direk-
rium über lange Zeit nicht eingesetzt wird. Und schließ-
ich lässt die Finanzverwaltung zu wünschen übrig, was
uch vom Haushaltskontrollausschuss des Europäischen
arlamentes als mangelhaft kritisiert wird.
Das ist umso gravierender, weil gerade in den letzten
ahren die Anzahl der Agenturen drastisch gestiegen ist
nd sich mehr als verdoppelt hat. Dadurch sind die Per-
onalplanstellen zwischen dem Jahr 2000 und heute um
18534 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 173. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. Juni 2008
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148 Prozent angewachsen und der Gesamthaushalt hatte
allein in den letzten beiden Jahren einen Aufwuchs von
20 Prozent!
Diese Mängel müssen abgeschafft werden! Die EU-
Strukturen müssen genauso wie nationale Strukturen ef-
fizient und effektiv arbeiten. Daher begrüßen wir den
neuerlichen Vorstoß der EU-Kommission sehr, die Rah-
menbedingungen für alle EU-Agenturen zu regeln und
dafür eine Arbeitsgruppe einzurichten.
Wir fordern von der Bundesregierung, dass sie uns
erstens ihre Ideen über und ihre Anforderungen an EU-
Agenturen darlegt, denn immerhin ist es unter anderem
die Bundesregierung, die über die Einrichtung von
Agenturen berät und entscheidet. Für uns ist ganz klar:
Konzepte müssen die Einrichtungen von Agenturen be-
stimmen; keine politischen Tauschgeschäfte!
Zweitens wollen wir über die neu einzusetzende Ar-
beitsgruppe zu den EU-Agenturen fortlaufend und früh-
zeitig informiert werden.
Drittens wollen wir einen klaren Handlungsrahmen
für alle Agenturen und auch die Möglichkeit, Agenturen
schließen zu können, wenn sie offensichtlich nicht not-
wendig sind, da sie beispielsweise Arbeiten durchführen,
die an anderer Stelle bereits besser erledigt werden.
Und viertens muss die parlamentarische Kontrolle der
Agenturen verstärkt werden und es muss klare und um-
fassende Rechtsschutzregelung gegenüber Handlungen
und Entscheidungen der EU-Agenturen für die Bürgerin-
nen und Bürger geben.
Anlage 8
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung:
– Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung
des Verfahrens zur Wahl der Bundesverfas-
sungsrichterinnen und Bundesverfassungs-
richter
– Antrag: Entwurf zur Änderung der Ge-
schäftsordnung des Deutschen Bundestages
zur Verbesserung des Verfahrens zur Wahl
von Bundesverfassungsrichterinnen und
Bundesverfassungsrichtern
(Tagesordnungspunkt 45 a und b)
Dr. Wolfgang Götzer (CDU/CSU): Der von uns
heute zu beratende Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die
Grünen zur Änderung der Wahl von Richterinnen und
Richtern am Bundesverfassungsgericht – samt Änderung
der Geschäftsordnung des Bundestages – ist rechtspoli-
tisch verfehlt und wäre, wenn er beschlossen würde, ver-
fassungswidrig.
Der Gesetzentwurf ist rechtspolitisch überflüssig,
weil sich das bisherige System der Richterwahlen über
Jahrzehnte bewährt hat; auch und gerade in Zeiten, in
denen um die Auswahl einzelner Richter besonders
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erungen wurde. Das Bundesverfassungsgericht, das
mmer wieder als Vorbild für Verfassungsgerichte im
usland dient und damit eines der beliebtesten Export-
odelle deutscher Rechtsstaatlichkeit ist, hat immer
ieder herausragende Richterpersönlichkeiten hervorge-
racht. Immer, auch in der jetzigen Besetzung, ist und
ar seine fachliche Qualifikation unbestritten und die
ffentliche Akzeptanz seiner Entscheidungen flächende-
kend und überfraktionell. Der in dem Gesetzentwurf
nthaltene Vorwurf, das bisherige Wahlverfahren für die
om Bundestag zu berufenden Bundesverfassungsrichter
ei intransparent und habe demokratische Defizite, ist
chon sehr bemerkenswert. Bezeichnend ist dies insbe-
ondere vor dem Hintergrund, dass die Grünen entspre-
hende Gesetzentwürfe in der 11., 12. und 13. Wahl-
eriode regelmäßig erfolglos eingebracht haben, nach-
ulesen in den Bundestagsdrucksachen 11/73, 12/5375,
3/1626 und 13/2088. Doch während ihrer Regierungs-
eteiligung in der 14. und 15. Wahlperiode sucht man
ergleichbare Initiativen von Bündnis 90/Die Grünen
ergebens. Da liegt der Schluss doch nahe, dass eine Än-
erung des Wahlverfahrens von den Initianten selbst
icht ernsthaft gewollt ist. Zudem sind die von den Grü-
en vorgeschlagenen Änderungen im Einzelnen auch
icht zielführend. Sie bewirken keine Verbesserung, im
egenteil.
Die zentrale Norm für die Richterwahl zum Verfas-
ungsgericht ist Art. 94 des Grundgesetzes. Danach wer-
en die Richterinnen und Richter zur Hälfte von Bundes-
ag und Bundesrat gewählt. Weitere Bestimmungen über
ie Wahl lassen sich dem Verfassungstext nicht entneh-
en. Das Nähere hat der Gesetzgeber im Bundesverfas-
ungsgerichtsgesetz geregelt. Dort hat er aus gutem
rund bereits im Jahr 1956 das Erfordernis einer Drei-
iertelmehrheit für die Wahl der Bundesverfassungsrich-
er auf die heute erforderliche Zweidrittelmehrheit ge-
enkt. Uneinigkeit in den Wahlgremien führte dazu, dass
ie für eine Wahl erforderliche Stimmenzahl häufig nicht
rreicht wurde. Die Funktionsfähigkeit des höchsten Ge-
ichtes war damit nachhaltig infrage gestellt. Jeder Rich-
er, jede Richterin muss heute mit Zweidrittelmehrheit
ewählt werden. Damit ist ausreichend sichergestellt,
ass die Kandidaten von einer breiten Parlamentsmehr-
eit getragen werden. Dieses stabile Verteilungssystem
urch ein Instrument aus der Vergangenheit, das sich als
ngeeignet erwiesen hat, gefährden zu wollen, halte ich
ür wenig verantwortungsvoll. Es wäre zudem nicht de-
okratisch. In einer Demokratie entscheidet die Mehrheit
nd nicht die Minderheit. Bestehen aber Minderheits-
echte, sollen diese immer konstruktiv sein und nicht de-
truktiv. Dies wäre aber bei einer Dreiviertelmehrheit der
all.
Ebenso halte ich es nicht für sachgerecht, die Zustän-
igkeit für die Richterwahl vom Wahlausschuss auf den
echtsausschuss zu übertragen. Natürlich muss über die
inzelnen Kandidaten intensiv beraten werden. Ich sehe
ber insoweit keine zwingende Notwendigkeit einer De-
egation auf den Rechtsausschuss. Das praktizierte
ahlausschussverfahren ist rechtspolitisch sinnvoll und
at sich – gerade in puncto Sachkenntnis und Vertrau-
ichkeit – bewährt.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 173. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. Juni 2008 18535
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(B) )
Die demokratische Legitimation des Wahlverfahrens
wird nicht dadurch verbessert, dass die Entscheidung
von einem Ausschuss des Bundestages auf einen ande-
ren verlagert wird. Die bestehende Staatspraxis hat sich
bestens bewährt.
Dies gilt auch für den Verzicht auf eine – nach § 70
der Geschäftsordnung des Bundestages – regelmäßig öf-
fentliche Anhörung der Kandidaten. In einem Schaulau-
fen der Kandidaten, wie es im Stammland der Anhörun-
gen, den USA, üblich ist, kann niemand ernsthaft eine
Verbesserung des deutschen Systems ansehen. Ich habe
das Gefühl, dass hier so eine Art weiteres Staatsexamen
mit der Befähigung zum Verfassungsrichter angedacht
ist. Im Übrigen umfasst die fachliche Qualifikation eines
Kandidaten mehr als Kenntnisse im Verfassungsrecht.
Ich jedenfalls möchte angesichts der uns allen bekannten
Medienlandschaft meine Hand nicht reichen für ein me-
diengerechtes, hoch politisiertes und vor allem ideologi-
siertes Schaulaufen der Kandidaten. Bundesverfassungs-
richter sind keine Politiker, auch wenn manche Politiker
gute Bundesverfassungsrichter wurden.
Der im Entwurf enthaltene Aspekt der angemessenen
Vertretung qualifizierter Richterinnen auch beim höchs-
ten Gericht ist sicherlich wichtig. Aber er sollte doch
nicht in der vorliegenden Weise durch Quoten erzwun-
gen werden. Zahlreiche Kriterien sind bei der Wahl der
höchsten Richter zu beachten und nicht immer können
alle ausreichend berücksichtigt werden. Durch Quoten
stur Parität – auch nur teilweise – zu erzwingen, ist der
Würde und dem Ansehen des Verfassungsgerichts nicht
angemessen und wird dem wichtigen Anliegen der
Gleichstellung nicht gerecht.
Bringen die vorgeschlagenen Regelungen schon keine
Verbesserung in der Sache, so enthält der Gesetzentwurf
auch Mängel im Handwerklichen.
Dies betrifft vor allem der vorgeschlagene neue § 7
des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes. Hier soll dem
Verfassungsorgan Bundesrat vorgeschrieben werden,
was dieser in seine Geschäftsordnung aufzunehmen hat.
Dies zeugt nicht nur von einem merkwürdigen Verständ-
nis von dem Verhältnis der beiden Verfassungsorgane
zueinander. Diese Regelung wäre auch verfassungswid-
rig, weil der Bundesgesetzgeber – hier allen voran der
Deutsche Bundestag – nicht in die in Art. 52 Abs. 3
Satz 2 des Grundgesetzes gewährte Satzungsautonomie
des Bundesrates eingreifen kann.
Entsprechendes gilt für den vorgeschlagenen § 6 des
Bundesverfassungsgerichtsgesetzes. Hier geht es umge-
kehrt um die Geschäftsordnung des Bundestages. Hier
soll im Gegenzug der Bundesrat als Mitgesetzgeber in
die Satzungsautonomie des Bundestages mit hineinre-
gieren. Auch dies wäre in meinen Augen verfassungs-
rechtlich nicht in Ordnung, obwohl wir uns hier leider
schon einen Sündenfall im Abgeordnetengesetz geleistet
haben.
Insgesamt lässt sich sagen: Der Gesetzentwurf ist ers-
tens oppositionelles Schaulaufen der Grünen, zweitens
nicht geeignet, das Klassenziel zu erreichen, und hat
drittens erhebliche handwerkliche Mängel. Deshalb er-
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aube ich mir auch, auf die gleichfalls vorgeschlagenen
nderungen unserer Geschäftsordnung nicht einzuge-
en. Die fachliche Qualität, die Ausgewogenheit der Be-
etzung der Spruchkörper und das hohe Ansehen des
undesverfassungsgerichts aufrecht zu erhalten und zu
ewahren, muss unser Ziel bleiben. Der vorliegende Ge-
etzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen dient dem in
einer Weise.
Joachim Stünker (SPD): Wie schon in der elften,
wölften und dreizehnten Legislaturperiode geht es der
raktion Bündnis 90/Die Grünen auch diesmal wieder
m die Frage, das Wahlverfahren zum Bundesverfas-
ungsgericht so zu ändern, dass nicht ein Wahlgremium,
ondern der Bundestag selbst wählt. Damit wird der un-
utreffende Anschein erweckt, dass die Wahl der Rich-
erschaft durch eine Direktwahl des gesamten Plenums
her legitimiert sei als durch ein Wahlgremium.
Bevor man sich jedoch Forderungen nach Verände-
ung des Wahlverfahrens zuwendet, sollte man sich die
rundlegenden Prinzipien vergegenwärtigen, die bei der
ahl von Bundesverfassungsrichterinnen und -richtern
u beachten sind und die einen Zusammenhang bilden.
ann wird offensichtlich, dass es heute wie damals bei
em Änderungsvorschlag abermals nicht um die Frage
er Legitimation, sondern um die Frage der Opportunität
eht.
Das Bundesverfassungsgericht besteht aus zwei Sena-
en. In jeden Senat werden acht Richterinnen und Rich-
er gewählt. Nach einem in der Verfassung festgeschrie-
enen Prinzip werden die Richterinnen und Richter je
ur Hälfte vom Bundestag und vom Bundesrat gewählt.
as heißt, die Hälfte der Mitglieder des Bundesverfas-
ungsgerichts wird ohne Mitwirkung des Bundestages
ewählt. Sinn der Regelung ist es, dem Bundesstaats-
rinzip Rechnung zu tragen und Einseitigkeiten vorzu-
eugen.
Als ein Grundprinzip ist auch die Vermeidung von In-
ompatibilitäten zu nennen. Insofern bestimmt Art. 94
bsatz 1 Satz 3 des Grundgesetzes, dass Bundesverfas-
ungsrichterinnen und -richter weder dem Bundestag
och dem Bundesrat noch der Bundesregierung noch
ntsprechenden Organen eines Landes angehören dür-
en.
Ebenfalls ein Prinzip ist, dass drei der acht Richter ei-
es jeden Senats von einem der obersten Bundesgerichte
ommen sollen. Dies ist ein in der Verfassung angeleg-
es, wenn auch dort nicht in Zahlen festgelegtes Gebot.
ieses wird durch das Bundesverfassungsgerichtsgesetz
onkretisiert. Sinn der Regelung ist es, eine Verbindung
wischen dem Bundesverfassungsgericht und den soge-
annten Fachgerichten herzustellen und zugleich zu ver-
indern, dass das Bundesverfassungsgericht sich von
en übrigen Gerichten abhebt.
Ein weiterer Grundsatz lautet, dass alle Richterinnen
nd Richter des Bundesverfassungsgerichts die Befähi-
ung zum Richteramt haben müssen. Die Befähigung
um Richteramt hat, wer das zweite juristische Staats-
xamen oder wer ordentlicher Professor des Rechts an
18536 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 173. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. Juni 2008
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einer deutschen Universität ist. Da man nicht das zweite
juristische Staatsexamen abgelegt haben muss, um Jura-
professor zu werden, ist es denkbar, dass man ohne
zweites juristisches Staatsexamen Bundesverfassungs-
richter oder -richterin wird.
Ein Grundsatz ist überdies, dass jede Richterin bzw.
jeder Richter mit Zweidrittelmehrheit im Bundesrat bzw.
im Wahlgremium des Bundestages gewählt werden
muss. Das Erfordernis einer Zweidrittelmehrheit fördert
den Konsens. Zudem beugt es ebenfalls – parteipoliti-
schen – Einseitigkeiten vor und sorgt so für Ausgewo-
genheit.
Schließlich ist eine Wiederwahl von Bundesverfas-
sungsrichterinnen bzw. -richtern nach dem Ablauf ihrer
zwölfjährigen Amtsperiode ausgeschlossen. Mit diesem
Prinzip soll erreicht werden, dass die richterliche Tätig-
keit nicht von der Erwägung beeinflusst wird, die Aus-
sichten der Wiederwahl zu verbessern.
Bei dem Wahlverfahren ist somit eine ganze Reihe
von Prinzipien zu beachten, die zugleich den Kreis mög-
licher Kandidaten und Kandidatinnen einengen. Die
Wahl wird von Bundestag und Bundesrat, also politi-
schen Organen, vollzogen. Deshalb ist eine Nichtbeteili-
gung der Parteien zugunsten von Neutralität bei der Kan-
didatenauswahl illusorisch. Das auf parteipolitischem
Proporz beruhende Vorschlagsrecht von Parteien ist vor
dem Hintergrund all dieser Prinzipien jedoch nur von be-
grenztem Wert. So setzt ihm das Erfordernis einer Zwei-
drittelmehrheit bereits Grenzen. Vorschläge einer politi-
schen Partei müssen darum in der Regel die Zustimmung
der anderen Parteien finden. Der vom qualifizierten
Mehrheitsquorum ausgehende institutionelle Zwang zur
Verständigung hilft so, einseitige politische Einflüsse zu
vermeiden. Keine Partei kann einseitig ihre Personalvor-
stellungen durchsetzen. Darüber hinaus wird der Wert
des Vorschlagsrechts der politischen Parteien weiter da-
durch begrenzt, dass die Parteien keine Garantie haben,
dass ein Richter, einmal gewählt, in ihrem Sinne agiert.
Da eine Wiederwahl ausgeschlossen ist, ist der Richter
zu nichts verpflichtet.
Zur Änderung des Verfahrens, das sich in über 50 Jah-
ren bewährt hat, gibt es nach alledem keinen Anlass.
Jörg van Essen (FDP): In der Tat: Die bisweilen
schon beschämende Diskussion um die Nachfolge des
Vizepräsidenten des Bundesverfassungsgerichts Hassemer
wäre nicht nötig gewesen. Sie war weder dem Ansehen
des Verfassungsorgans dienlich noch im Sinne des ur-
sprünglich vorgeschlagenen Professors Dreier, der sich
unfreiwillig plötzlich als Spielball im inzwischen schon
alltäglichen schwarz-roten Koalitionsstreit wiederfand.
Dieses unwürdige Schauspiel hätten die schwarz-roten
Koalitionäre Herrn Professor Dreier ersparen können
und müssen!
Gleichzeitig bin ich mir nicht sicher, ob der von
Bündnis 90/Die Grünen vorgeschlagene Weg hier wirk-
lich Abhilfe schaffen würde: Zum einem hätte es den
Streitfall Horst Dreier wahrscheinlich so ohnehin nicht
gegeben, wenn nicht – wie in diesem Fall – der Bundes-
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at, sondern der Deutsche Bundestag für die Nachfolge
es Vizepräsidenten Hassemer zuständig gewesen wäre.
ie Erfahrung in der Vergangenheit hat in meinen Au-
en gezeigt, dass bei einer Wahl durch den Wahlaus-
chuss des Deutschen Bundestages Bedenken frühzeitig
ntern geäußert werden und fast immer auch von der Ge-
enseite berücksichtigt werden. Zum anderen sieht der
orschlag von Bündnis 90/Die Grünen ausdrücklich eine
ffentliche Anhörung der Kandidaten im Rechtsaus-
chuss des Deutschen Bundestages vor. So sehr ich auf
er einen Seite große Sympathie für das damit verfolgte
nliegen – größerer Transparenz – habe, so sehr habe
ch doch auf der anderen Seite die unschöne öffentliche
iskussion um Professor Dreier vor Augen. Ich möchte
n dieser Stelle gar nicht seine Einlassungen zur Unan-
astbarkeit der Menschenwürde, dem Christentum oder
er Stammzellforschung inhaltlich bewerten. Ich hatte
ber persönlich den Eindruck, dass die Art und Weise
er Diskussion um seine Standpunkte dem durch ihn zu
esetzenden Amt in keiner Weise angemessen war.
Zwar ist das Amt des Bundesverfassungsrichters eine
ochpolitische Angelegenheit – und die Öffentlichkeit
at einen Anspruch darauf, zu wissen, für was die Ver-
assungsrichter stehen. Gleichzeitig tut die – mit dem
itz in Karlruhe nicht nur räumliche – Politikferne unse-
er Verfassungshüter dem Land ausgesprochen gut. Ver-
assungsrichter haben Dinge eben gerade nicht tages-
olitisch als Berufspolitiker zu entscheiden, sondern im
ichte unserer Verfassung. Sie stehen in allererster Linie
nd vor allem dafür, dass den Vorschriften unseres
rundgesetzes Geltung verschafft wird.
Wie gut das in der Vergangenheit funktioniert hat,
eigt auch ein Blick auf die Urteile des Gerichts der letz-
en Jahre: Ich möchte hier beispielhaft die Entscheidun-
en zu der „Automatischen Kennzeichenerfassung“, der
Onlinedurchsuchung“, dem „Luftsicherheitsgesetz“, dem
EU-Haftbefehl“ und einer Vielzahl von Urteilen zur
berwachung der Telekommunikation nennen. Häufig
ar es ein einseitiges Sicherheitsdenken der Regierung,
as von den Karlsruher Richtern in Schranken gewiesen
erden musste. Sie wissen am besten, dass bei allen be-
echtigten Forderungen nach Sicherheit für unser Land
ie Freiheit in unserem Land am Ende des Tages nicht
eopfert werden darf.
Die Karlsruher Richter haben sich in der Vergangen-
eit nicht nur als besonnene Hüter unserer Freiheit be-
ährt, sondern auch als entschlossene Hüter unserer
emokratie. Immer wieder hat Karlsruhe so auch dem
echt des Parlaments Geltung verschafft: Zuletzt zum
eispiel in der von meiner Fraktion erstrittenen AWACS-
ntscheidung, mit der wieder einmal die Rechte des
eutschen Bundestages gestärkt wurden.
Bei aller auch berechtigen Kritik an dem gegenwär-
igen Verfahren der Richterwahl sollten wir in meinen
ugen auch sehen, dass das gegenwärtige Procedere ein
tarkes Verfassungsorgan mit selbstbewussten Richtern
ervorgebracht hat. Wir sollten zumindest bedenken, in-
ieweit zum Beispiel öffentliche Anhörungen von Ver-
assungsrichtern im Vorfeld ihrer Wahl diese nicht – wie
m Fall Professor Dreier – in einem Maße zum Spielball
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 173. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. Juni 2008 18537
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der Parteipolitik machen könnten, wie ich es jedenfalls
nicht erstrebenswert finde.
Gleichzeitig wende ich mich entschieden gegen Quo-
ten wie sie der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen für
Frauen vorsieht: Wir brauchen weder eine Quote für Par-
teien noch eine für Frauen. Es ist richtig, dass wir nur
unsere besten Juristen nach Karlsruhe schicken!
Ich finde es deswegen auch gut, dass drei Richter je-
des Senats aus der Zahl der Richter an den obersten Ge-
richtshöfen des Bundes gewählt werden. Auch in Anbe-
tracht der immer größer werdenden Zahl an Jura-
studentinnen, Rechtsreferendarinnen und Richterinnen
bin ich übrigens fest überzeugt, dass wir in Zukunft auch
am Bundesverfassungsgericht – wie auch an den anderen
obersten Bundesgerichten – mehr und mehr Richterin-
nen sehen werden. Dafür brauchen wir keine Quote! Ich
möchte nicht, dass sich eine Berichterstatterin in einem
Verfahren von den Kollegen vorhalten lassen muss, dass
sie nur eine Quotenfrau sei und deswegen ihre Argu-
mente nachher nicht so großes Gewicht haben. Ich
möchte selbstbewusste Richterinnen, deren Votum mit
juristischem Handwerk überzeugt. Das sind wir unserer
Verfassung schuldig!
Noch eines: Keines unserer Verfassungsorgane kennt
eine Frauenquote. Dass es eine solche nicht braucht, do-
kumentiert in meinen Augen bereits eindrucksvoll, dass
unser Land von einer Bundeskanzlerin regiert wird –
ganz ohne Quote.
Gleichzeitig bin ich für die Anträge von Bündnis 90/
Die Grünen aus einem anderen Grund dankbar. Wir kön-
nen in meinen Augen in der Tat nicht die Augen davor
verschließen, dass die Ausgestaltung des gegenwärtigen
Wahlverfahrens zumindest verfassungsrechtlichen Zwei-
feln begegnet. Auch der Wissenschaftliche Dienst des
Deutschen Bundestages wies im Spätsommer 2006 da-
rauf hin, dass eine zu weite Auslegung von Art. 94
Grundgesetz Zweifeln begegnet. Ich nehme diese Be-
denken ernst. Wir werden bei den anstehenden Beratun-
gen sorgfältig zu analysieren haben, inwieweit das ge-
genwärtige Verfahren den Bestimmungen unserer
Verfassung Genüge tut. Gerade die Wahl der Verfas-
sungshüter selbst sollte über alle Zweifel erhaben sein.
In diesem Sinne freue ich mich sehr auf die bevorste-
henden Beratungen in den Ausschüssen!
Anlage 9
Amtliche Mitteilungen
Die Fraktion der FDP hat mitgeteilt, dass sie den An-
trag Menschenrechtslage in Tibet verbessern auf
Drucksache 16/8778 zurückzieht.
Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben
mitgeteilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2
der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den
nachstehenden Vorlagen absieht:
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Finanzausschuss
– Unterrichtung durch den Präsidenten des Bundesrech-
nungshofes
Bericht nach § 99 der Bundeshaushaltsordnung über
die Organisation und Arbeitsweise der Finanzkontrolle
Schwarzarbeit
– Drucksachen 16/7727, 16/8123 Nr. 1.4 –
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Gutachten zu Forschung, Innovation und technologi-
scher Leistungsfähigkeit 2008
– Drucksache 16/8600 –
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Bundesbericht Forschung und Innovation 2008
– Drucksache 16/9260 –
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union
– Unterrichtung durch die Delegation der Bundesrepublik
Deutschland in der Ostseeparlamentarierkonferenz
16. Jahrestagung der Ostseeparlamentarierkonferenz
vom 27. bis 28. August 2007 in Berlin
– Drucksache 16/7809 –
Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mit-
eteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden Unions-
okumente zur Kenntnis genommen oder von einer Be-
atung abgesehen hat.
Rechtsausschuss
Drucksache 16/820 Nr. 1.7
Ratsdokument 9318/04
Drucksache 16/6389 Nr. 1.72
Ratsdokument 11974/07
Drucksache 16/6865 Nr. 1.9
Ratsdokument 9446/07
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Drucksache 16/9169 Nr. A.9
EuB-EP 1679; P6_TA-PROV(2008)0095
Drucksache 16/9394 Nr. A.7
Ratsdokument 8450/08
Drucksache 16/9538 Nr. A.6
Ratsdokument 8823/08
Drucksache 16/9538 Nr. A.7
Ratsdokument 8996/08
Drucksache 16/9538 Nr. A.8
Ratsdokument 9070/08
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Drucksache 16/6041 Nr. 1.9
EuB-EP 1494
Drucksache 16/7070 Nr. A.13
Ratsdokument 13874/07
Drucksache 16/7393 Nr. A.7
EuB-EP 1577; P6_TA-PROV(2007)0431
Drucksache 16/9394 Nr. A.8
EuB-EP 1696; P6_TA-PROV(2008)0126
173. Sitzung
Berlin, Freitag, den 27. Juni 2008
Inhalt:
Redetext
Anlagen zum Stenografischen Bericht
Anlage 1
Anlage 2
Anlage 3
Anlage 4
Anlage 5
Anlage 6
Anlage 7
Anlage 8
Anlage 9